Topic- und Focus-Markierung im Altitalienischen 9783110614114, 9783110611380, 9783110611557, 2018952917

This volume focuses on the historical pragmatics of the Italian language. The aim is to show the necessity of including

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German Pages 240 [242] Year 2018

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Table of contents :
Vorwort
Abkürzungen
Abbildungsverzeichnis
Inhalt
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick
3. Zur Korpusbeschreibung
4. Topic-Markierung im Altitalienischen
5. Focus-Markierung im Altitalienischen
6. Ausblick auf das Neuitalienische
7. Zusammenfassung
8. Überblick über die verschiedenen Konstruktionstypen von Topic- und Focus-Markierung im Altitalienischen
9. Literaturverzeichnis
Personenregister
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Topic- und Focus-Markierung im Altitalienischen
 9783110614114, 9783110611380, 9783110611557, 2018952917

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Frédéric Nicolosi Topic- und Focus-Markierung im Altitalienischen

Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie

Herausgegeben von Claudia Polzin-Haumann und Wolfgang Schweickard

Band 426

Frédéric Nicolosi

Topic- und FocusMarkierung im Altitalienischen

Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 05 – Philosophie und Philologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2016 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen.

ISBN 978-3-11-061138-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-061411-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-061155-7 ISSN 0084-5396 Library of Congress Control Number: 2018952917 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die leicht modifizierte und um einige Beispiele ergänzte Fassung meiner Dissertation, die neben meiner halbtägigen Tätigkeit beim Referat Incoming der Abteilung Internationales der Universität Mainz entstanden ist und im Juli 2016 vom Fachbereich für Philosophie und Philologie angenommen wurde. Sie setzt eine Studie fort, die vor längerer Zeit begonnen wurde und aus der schon einige Zwischenergebnisse in früheren Publikationen vorgestellt wurden (cf. Literaturverzeichnis). An dieser Stelle möchte ich verschiedenen Personen danken, die mich dabei unterstützt haben: in erster Linie Prof. B. Wehr für ihre zahllosen kritischen Anregungen bei der Entstehung der verschiedenen Versionen, für ihre stetige Unterstützung bei meinem wissenschaftlichen Werdegang und dafür, dass ich 2009 eine Arbeitssektion über historische Pragmatik und Syntax beim XXXI. Romanistentag in Bonn gemeinsam mit ihr leiten durfte, aus der ein Tagungsband entstanden ist (cf. Wehr/Nicolosi 2012). Ich danke auch Prof. B. Thörle dafür, dass sie bereit war, die Zweitbegutachtung zu übernehmen, K. Ewert-Kling dafür, dass sie mir ihre Dissertation vor ihrer Publikation zur Verfügung stellte, und P. Beltrami (Opera del Vocabolario Italiano) für seine Hilfsbereitschaft. Mein Dank gilt weiterhin der Abteilung Internationales der Universität Mainz für die Gewährung eines einjährigen Promotionsstipendiums und E. Mohr dafür, dass sie meinen Antrag auf eine einjährige Beurlaubung zu Forschungszwecken genehmigt hat. Den Herausgebern der Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie, C. Polzin-Haumann und W. Schweickard, danke ich für die Aufnahme in die Publikationsreihe. Schließlich, aber nicht zuletzt, danke ich M. G. Holzscheiter für ihr sorgfältiges Korrekturlesen und T. Wirth für nachträgliche Korrekturen sowie seine Geduld. Ihm gilt mein besonderer Dank.

https://doi.org/10.1515/9783110614114-202

Abkürzungen Zu den Abkürzungen der zitierten Sprachen cf. S. VIII. < → ↔ +/–BEL +/–HUM +/–IDENT +/–NEU A CST FOC HS HT IMP LD NONREF NONTOP NP NS O O–V OFOC – V OTOP – V PERS RD S S–V SFOC – V STOP – V TOP V V – OFOC V–S V – SFOC V – SNONTOP V – STOP V, STOP X

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

X–V–S

=

ist historisch entstanden aus konditioniert Varianten auf gegenseitige Konditionierung von Varianten belebt/nicht-belebt menschlich/nicht-menschlich identifizierbar/nicht-identifizierbar vorerwähnt/nicht-vorerwähnt Adverbial Chinese Style Topic Focus Hauptsatz Hanging Topic unpersönliches Verb Left Detachment nicht-referentiell Nicht-Topic Nominalphrase Nebensatz direktes Objekt Objektvoranstellung (Objekt – Verb) das vorangestellte Objekt hat Focus-Funktion das vorangestellte Objekt hat Topic-Funktion persönliches Verb Right Detachment Subjekt unmarkierte Wortstellung (Subjekt – Verb) das Subjekt (in situ) hat Focus-Funktion das Subjekt (in situ) hat Topic-Funktion Topic Verb das Objekt (in situ) hat Focus-Funktion Subjektinversion am absoluten Satzanfang das nachgestellte Subjekt hat Focus-Funktion das nachgestellte Subjekt hat keine Topic-Funktion das nachgestellte Subjekt hat Topic-Funktion Right Detachment eines Subjekts (ohne pronominale Vorwegnahme) sonstige Satzkonstituente oder sonstiges Konzept bei Paraphrasierungen wie ‘X, nicht Y’ o. Ä. Subjektinversion bei gedeckter Anfangsstellung

https://doi.org/10.1515/9783110614114-203

VIII

Abkürzungen

Abkürzungen der zitierten Sprachen altfr. altit. engl. fr. it. lat. neufr. neuit.

= = = = = = = =

altfranzösisch altitalienisch englisch französisch italienisch lateinisch neufranzösisch neuitalienisch

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4:

Hammarströms Beschreibungsmodell 10 Meiers Texttypenmodell 12 Wehrs Drei-Ebenen-Modell 13 Sprachwandel bei der Markierung des direkten Objekts

https://doi.org/10.1515/9783110614114-204

201

Inhalt Vorwort

V

Abkürzungen

VII

Abbildungsverzeichnis 1

Einleitung

IX 1

2 2.1 2.2

Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick 3 3 Forschungsüberblick Hammarströms Beschreibungsmodell und Meiers 9 Texttypenmodell 2.3 Pragmatische Funktionen einer Nominalphrase im Diskurs 13 (Pragmeme) 14 2.3.1 Topic 18 2.3.2 Focus 18 2.3.2.1 α-Focus 20 2.3.2.2 β-Focus 22 2.4 Informationswert eines Konzepts im Diskurs 3 3.1 3.2

Zur Korpusbeschreibung Zum Altitalienischen Ausgewählte Quellen

25 25 29

4 Topic-Markierung im Altitalienischen 33 33 4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V) 35 4.1.1 Identifizierbarkeit des Objektreferenten 41 4.1.2 Topicmarkierende Funktionen von OTOP – V 48 4.1.3 Weitere Funktionen von OTOP – V 48 4.1.3.1 Komparative Funktion 55 4.1.3.2 Anaphore résomptive 59 4.1.4 OTOP – V und Indefinitheit 62 4.2 Left Detachment (LD) 69 4.2.1 Identifizierbarkeit des LD-Referenten 73 4.2.2 Topicmarkierende Funktionen von LD 73 4.2.2.1 LD einfacher Elemente 77 4.2.2.2 LD komplexer Elemente

XII 4.2.3 4.2.3.1 4.2.3.2 4.2.3.3 4.2.4 4.2.5 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.2 4.3.3 4.3.3.1 4.3.3.2 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.2.1 4.4.2.2 4.4.3 4.4.3.1 4.4.3.2 4.4.3.3 4.4.4 4.5 5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4

Inhalt

Weitere Funktionen von LD 81 Komparative Funktion 82 Anaphore résomptive 85 Hervorhebung des Comments 87 Hanging Topic-Konstruktion 89 94 Chinese Style Topic-Konstruktion und Weiteres 98 Prolepse 104 Identifizierbarkeit des Referenten in Prolepse 106 Topicmarkierende Funktionen der Prolepse 107 Prolepse in Aussagesätzen 112 Prolepse in Fragesätzen (Wortfragen) 115 Weitere Funktionen der Prolepse 115 Komparative Funktion 115 Anaphore résomptive 116 Right Detachment (RD) 121 Identifizierbarkeit des RD-Referenten 123 Topicmarkierende Funktionen von RD 123 RD in Aussagesätzen 126 RD in Fragesätzen 127 Weitere Funktionen von RD 128 Fokussierung des letzten Kernsatzelements 129 Abtönung 132 Varia RD von Subjekten ohne pronominale Vorwegnahme 139 Zusammenfassung von Kapitel 4 143 Focus-Markierung im Altitalienischen 143 Focus in situ 144 Fokussierte Subjekte in situ (SFOC – V) 147 Fokussierte Objekte in situ (V – OFOC) 148 Teilfocus 150 Objektvoranstellung (OFOC – V) 153 α-Focus 157 β-Focus 163 Unklare Fälle 168 Subjektinversion (V – SFOC) 169 α-Focus mit Präsuppositionen im Vortext 172 α-Focus ohne Präsuppositionen im Vortext 173 β-Focus 174 Topic links – Focus rechts

133

XIII

Inhalt

5.3.5 5.4 5.4.1 5.1.2 5.5 6 6.1 6.2

Ausblick auf das Neuitalienische 195 Topic-Markierung im Neuitalienischen Focus-Markierung im Neuitalienischen

7

Zusammenfassung

8

Überblick über die verschiedenen Konstruktionstypen von Topic- und Focus-Markierung im Altitalienischen 209 Topicmarkierende Konstruktionen 209 Focusmarkierende Konstruktionen

9 9.1 9.2

177

Exkurs: Subjektpronomen – Verb – Subjektpronomen 179 Cleft-Konstruktion 182 Probleme der Abgrenzung 187 Cleft-Konstruktion im untersuchten Korpus 192 Zusammenfassung von Kapitel 5

205

Literaturverzeichnis 211 211 Korpus 212 Fachliteratur

Personenregister

225

195 199

209

1 Einleitung In den letzten Jahrzehnten haben neue Forschungsmethoden ein neues Licht auf die Strukturen der gesprochenen Sprache geworfen. Konstruktionen, die früher als fehlerhaft, unvollständig und ungrammatikalisch erschienen, werden heute als eigenständige Konstruktionen des Gesprochenen angesehen, die mit besonderen kommunikativen Bedingungen einhergehen und bestimmte Funktionen im Diskurs übernehmen. Es erscheint vielversprechend, diese neuen Methoden auf ältere Sprachzustände anzuwenden. Wie viele Forscher aufgezeigt haben, gibt es zahlreiche Parallelen zwischen der gesprochenen Sprache und älteren Texten. Wie Dardano (1995, 34s.) aber mit Recht bemerkt, reicht es nicht, eine formale Kontinuität zwischen Konstruktionen der älteren und der modernen Sprache festzustellen, es müssen gleichermaßen auch deren Funktionen im jeweiligen Zusammenhang geprüft werden: Alcuni studiosi insistono nel rilevare una certa continuità di sviluppo o persistenza di costrutti (per es. l’uso del ‹che› polivalente, alcuni tipi di topicalizzazione) tra l’antica prosa media e il parlato di oggi. Tuttavia non sembra lecito accontentarsi di una lista di concordanze formali per giungere a conclusioni probanti: occorre procedere oltre accertando la funzionalità dei singoli fenomeni e il loro rapporto con le diverse situazioni comunicative.

An dieses Desiderat der Forschung knüpft die vorliegende Arbeit an, wobei unter den besagten Methoden ein diskurspragmatischer Ansatz gewählt wurde.1 Ziel ist es, aufgrund altitalienischer Sprachmaterialien zu zeigen, dass sich die Syntax älterer Sprachzustände nicht sinnvoll beschreiben lässt, wenn man die pragmatische Funktion der Sprache ausklammert. Im Mittelpunkt stehen verschiedene Konstruktionen, die, weil sie von der üblichen Wortstellung «Subjekt – Verb – Objekt» abweichen, als syntaktisch markiert anzusehen sind. Es soll gezeigt werden, dass diese syntaktische Variation dem Ausdruck

1 Diskurspragmatik definieren wir nach Fleischman/Waugh (1991, 1) folgendermaßen: «We understand pragmatics here […] to refer to the use of language in actual contexts of communication, that is to the ways in which speakers – or writers – manipulate the resources of their language to accomplish particular communicative objectives. This view of discourse-pragmatics subsumes a variety of different notions having to do with structuring information (e.g. the encoding of topic-focus relations, foreground-background, assertion, and presupposition), creating textual cohesion and connectivity, establishing discoursal point of view, expressing speaker attitudes in discourse, and conveying information pertinent to the relations between speech-act participants and the text.» https://doi.org/10.1515/9783110614114-001

2

1 Einleitung

bestimmter Diskursfunktionen (hauptsächlich der Topic- und Focus-Markierung) dient. Die Arbeit gliedert sich in drei Hauptteile. Im ersten Teil wird zunächst der Stand der Forschung unter besonderer Berücksichtigung pragmatisch orientierter Studien präsentiert (Kap. 2.1), wobei die zu behandelnden Konstruktionen zugleich vorgestellt werden. Da pragmatisch bedingte Konstruktionen bekanntlich häufiger in der gesprochenen Sprache vorkommen, wir es hier aber ausschließlich mit geschriebenen Texten zu tun haben, werden dann in Kapitel 2.2 die Verhältnisse zwischen gesprochener und geschriebener Sprache anhand zweier Beschreibungsmodelle theoretisch kurz erörtert. Anschließend werden in Kapitel 2.3 und 2.4 die pragmatischen Parameter (Topic, Focus und Informationswert) definiert, die bei der Gestaltung von Äußerungen eine Rolle spielen (können). Kapitel 3 bis 5 stellen den zweiten und zentralen Teil dieser Studie dar. In einem ersten Schritt werden die wichtigsten syntaktischen Merkmale des Altitalienischen (die Sprache des untersuchten Korpus) und die ausgewählten Quellen besprochen (Kap. 3). Dann werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung vorgestellt, wobei die ermittelten Belege nach ihrer Funktion im Diskurs klassifiziert werden: Topicmarkierende Konstruktionen werden in Kapitel 4 behandelt und focusmarkierende Konstruktionen in Kapitel 5. Schließlich wenden wir uns im letzten Teil (Kap. 6) dem Neuitalienischen zu, wobei zwischen Topic- (Kap. 6.1) und Focus-Markierung (Kap. 6.2) erneut getrennt wird. Ziel ist es, die formalen und funktionalen Unterschiede zwischen der älteren und der modernen Sprache aufzuzeigen. Es stellt sich insbesondere die Frage, welche Konstruktionen sich erhalten haben. Ist mit der formalsyntaktischen Kontinuität tatsächlich auch eine funktionale einhergegangen? Oder welche anderen Strategien kennt das Neuitalienische, um das Topic und den Focus zu markieren? Und welche sind nicht mehr möglich?

2 Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick 2.1 Forschungsüberblick Die Konstruktionen, um die es hier geht, sind die Objektvoranstellung (O – V), die Subjektinversion (V – S), das Left Detachment (LD), das Right Detachment (RD) und die Cleft-Konstruktion. Hinzu kommt noch die Prolepse, die wir erst im empirischen Teil kennenlernen werden. Im Neuitalienischen erfüllen sie alle bestimmte Diskursfunktionen, wobei die Funktion der Markierung von Topic und die der Markierung von Focus am wichtigsten sind. Unter «TopicMarkierung» versteht man die explizite Kennzeichnung des aktuellen Gesprächsgegenstands (Topic), zu dessen Bestimmung Reinhart (1981, 64s.) vorgeschlagen hat, die Äußerung durch ‘he said about X that’ (oder dt. ‘was X betrifft’) zu paraphrasieren, wobei X das Satztopic darstellt, während der Restsatz die Mitteilung über dieses Topic (den Comment) enthält (Aboutness-Test).1 Zu den wichtigsten syntaktischen topicmarkierenden Verfahren im Neuitalienischen zählen das LD (la mela, la mangio) und das RD (la mangio, la mela). «Focus-Markierung» lässt sich demgegenüber definieren als die Kennzeichnung einer Information, die nach Meinung des Sprechers für sein Gegenüber besonders wichtig ist.2 Darunter fallen die drei Subfunktionen Kontrast (‘X, nicht Y’), Exhaustive Listing (‘X und nichts anderes/niemand anders’) und emphatischer Focus (cf. Wehr 2000, 257–261). Hierfür sind im Neuitalienischen die Subjektinversion (pago IO), die Objektvoranstellung (MARIA ho visto, non Paolo) und die Cleft-Konstruktion (è MARIA che ho visto) zuständig.3 Diese pragmatisch bedingten Konstruktionen sind dem Sprecher des Italienischen bestens vertraut. Weniger bekannt ist allerdings, dass sie bereits in älteren Texten vorkommen und von den Anfängen der italienischen Sprache bis heute durchgängig belegt sind. Zwar gibt es darüber viele Einzelstudien, aber noch keinen Gesamtüberblick. Die 2010 erschienene, generativ orientierte Grammatica dell’italiano antico (GIA, edd. Salvi, G./Renzi, L.) sowie eine weitere, jüngst veröffentlichte Studie über die altitalienische Wortstellung (Poletto 2014) können diese Lücke nicht schließen.4 Wenn man sich für den Zusammen-

1 Cf. auch Dudtenhöfer (2000, 190). 2 «Sprecher» bzw. «Gegenüber» meint hier und im Folgenden auch den Schreiber bzw. den Leser. 3 Mehr zu Topic und Focus cf. Kap. 2.3. 4 Nach dem aktuellen Stand der generativen Grammatik besteht die Satzstruktur aus virtuellen syntaktischen Positionen, die, auch wenn sie nicht alle lexikalisch realisiert sein müssen, https://doi.org/10.1515/9783110614114-002

4

2 Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick

hang zwischen Pragmatik und Syntax interessiert, ist der theoretische Rahmen der generativen Grammatik, in der die Syntax als autonom angesehen wird, in der Tat wenig ergiebig. In der hier bevorzugten Theorie werden syntaktische Strukturen als Größen angesehen, die maßgeblich durch pragmatische Faktoren bestimmt sind. Mit anderen Worten stellt die Pragmatik «das Prinzip ‹hinter der Syntax›» dar (Wehr 2000, 277; cf. auch 2007, 477).5 Die 2012 von Dardano herausgegebene Sintassi dell’italiano antico (SIA), die man aufgrund ihres funktional-pragmatischen Ansatzes als Gegenentwurf zur GIA betrachten kann, behandelt in erster Linie die Syntax komplexer Sätze (Bei- und Unterordnung), während Wortstellungs- und Segmentierungsphänomene nur am Rande erwähnt werden. Es fehlt also immer noch eine umfassende Untersuchung zu syntaktisch markierten Konstruktionen im Altitalienischen, und genau dies soll in der vorliegenden Arbeit geleistet werden. Zunächst soll aber ein Überblick über die wichtigsten Ergebnisse der bisherigen Studien gegeben werden. Über die topicmarkierende Funktion von O – V im Altitalienischen sind sich die Forscher im Allgemeinen einig.6 Dabei wird O – V (la mela mangio) dieselbe Diskursfunktion beigemessen wie heute der Konstruktion mit pronominaler Wiederaufnahme (la mela, la mangio) (cf. Marcantonio 1976, 59). Lombardi Vallauri (2004, 306) warnt allerdings vor einer Überinterpretation der Daten, die auf einer «sensibilità […] ‹modernofona›» (2004, 309) beruhe.7 Bei vermeintlich topicmarkierenden Objektvoranstellungen handelt es sich ihm zufolge um eine latinisierende, nicht markierte Wortstellung, die in der literarischen Prosa neben V – O möglich gewesen sei. Nur in nicht literarischen Texten sei die Objektvoranstellung als gesprochenes Merkmal eine Option gewesen, um das Topic zu markieren (cf. 2004, 319–321).8 Fesenmeier (2003) zeigt jedoch anhand eines textsortenübergreifenden Korpus, dass die Voranstellung eines vom Subjekt verschiedenen Satzglieds (darunter O – V) sowohl in literarischen als auch nicht literarischen Texttypen als topicmarkierendes Mittel verwendet werden kann. In welchen Kontexten die Wortstellung O – V vorkommt, wurde bei Nicolosi (2012a, 117–122) untersucht. O – V ermöglicht beispielsweise die Gegenüberstellung von zwei oder mehreren Konzepten (alternatives Topic)

immer vorhanden sind und die Form der Äußerung mitbedingen (cf. Benincà 2006, 61 und 2010, 30; Poletto 2014, 2). Es herrscht aber keine Einigkeit über die Anzahl der anzunehmenden Positionen (cf. dazu Lombardi/Middleton 2004). Ein kurzer Überblick über den aktuellen Stand der generativen Forschung findet sich bei Parry (2009, 262s.). 5 Cf. dazu Kap. 2.3. 6 Zu O – V als Verfahren der Focus-Markierung cf. S. 7. 7 Cf. auch Lauta (2012, 77). 8 Eine Zusammenfassung von Lombardi Vallauris These findet sich bei Debanne (2006, 304).

2.1 Forschungsüberblick

5

oder die Anknüpfung an den Vortext durch Zusammenfassung des zuvor Gesagten («propositionale Anapher»).9 In der vorliegenden Arbeit werden die Ergebnisse von Nicolosi (loc. cit.) wieder aufgegriffen und ausführlich behandelt. Neben der Objektvoranstellung kannte das Altitalienische zwei weitere syntaktische Verfahren, um das Topic zu markieren: das LD und das RD, die in der italienischsprachigen Forschung besser unter dem Namen «dislocazione a sinistra» bzw. «dislocazione a destra» bekannt sind. Es handelt sich hierbei um das Phänomen, dass ein Element links bzw. rechts vom Kernsatz «abgesetzt»10 wird, innerhalb dessen es zusätzlich klitisch vertreten ist (la mela, la mangio/la mangio, la mela). Im Unterschied zum Konstruktionstypus O – V, der ein Wortstellungsphänomen ist, gehören diese beiden Konstruktionen zu den sogenannten «phrases segmentées» von Bally (1965, §§ 79–99). Von großer Bedeutung für die Untersuchung des LD und RD im Altitalienischen ist D’Achilles diachronische Studie aus dem Jahr 1990 (1990a, 91–203). Anhand eines umfangreichen Korpus zeigt er, dass beide Konstruktionen von den Anfängen der italienischen Sprache bis Manzoni (19. Jahrhundert) in verschiedenen Varietäten und Textsorten durchgehend nachgewiesen sind. Zudem stellt er fest, dass ihre Häufigkeit in Texten mit dialogischem Charakter, also in fingierter Mündlichkeit, auffallend zunimmt (cf. 1990a, 202). D’Achille führt zwar keine funktionale Analyse des LD und des RD durch – ihm geht es in erster Linie darum, wie «schriftfähig» das LD und das RD, die er als Merkmale gesprochener Sprache schlechthin ansieht, in verschiedenen Epochen und Texttypen sind –, er schafft aber die Grundlage hierfür.11 Indem er das Vorkommen beider Konstruktionen in dem Gesprochenen nahen Texten nachweist, macht er die Anwendung von pragmatischen Methoden auf ältere Sprachmaterialien legitim. Denn: Markierungen von pragmatischen Funktionen kommen bekanntlich in interaktionalen Kontexten (real oder fiktiv) häufiger vor. Außerdem legt das formale Fortbestehen von Segmentierungen über die Jahrhunderte hinweg eine funktionale Kontinuität nahe. (In modernen Sprachen werden sie als topicmarkierende Verfahren schlechthin angesehen.) Der erste Versuch in dieser Richtung ist der Beitrag Nicolosis (2012a, 124–132), in dem die Diskurs-

9 Terminus nach Veldre-Gerner (2007, 65–67). Ewert-Kling (2010, 193–196) verwendet «anaphorische Synthese». In der vorliegenden Arbeit wird mit Herslund (2005, 129) von «anaphore résomptive» gesprochen (cf. Kap. 4.1.3.2). 10 «Detached» übersetzt nach Meier (2008, 59). 11 D’Achille «intende sondare il grado di accettabilità del fenomeno ai vari livelli di scrittura nelle varie epoche» (1990a, 127). Seine Daten bestätigten jedoch, dass das links bzw. rechts abgesetzte Element eine Topic-Funktion (bei ihm «tema» genannt) aufweist (cf. D’Achille 1990a, 200).

6

2 Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick

funktionen des LD in einigen Texten des Altitalienischen untersucht werden. Zum RD im Altitalienischen hingegen liegt meines Wissens noch keine einzige funktionale Studie vor (cf. aber Nicolosi 2012b, 230–232 zum RD von Subjekten). Zur Variation zwischen der Wortstellung O – V und dem LD im Altitalienischen wurden vor allem syntaktische Faktoren genannt, wobei zwischen beiden Konstruktionen eine komplementäre Distribution angenommen wurde: Die pronominale Wiederaufnahme (die Reprise) sei obligatorisch bei «costituent[i] pesant[i]», dt. ‘schweren Konstituenten’ (Vanelli 1986, 265) bzw. bei Konstituenten, die nicht unmittelbar vor dem Verb stehen, insbesondere, wenn sie durch einen Relativsatz näher bestimmt sind (cf. Benincà 1986, 235; 2006, 73–77; 2010, 34). Bei D’Achille (1990a, 125 und 126, Anm. 118) werden aber durchaus Gegenbeispiele angeführt. Neben syntaktischen Faktoren vermutet D’Achille deshalb auch rhythmisch-prosodische Gründe und stilistische Unterschiede zwischen O – V und dem LD, ohne dies jedoch näher zu untersuchen (cf. 1990a, 126). Bei Nicolosi (2012a) wird angenommen, dass man nicht auf pragmatische Faktoren verzichten kann, wenn man dieses Problem syntaktischer Variation adäquat beschreiben will. Es wird u. a. gezeigt, dass O – V neben der Markierung von Topic auch zur Focus-Markierung verwendet werden kann (cf. 2012a, 122–124). Beim LD hingegen sei das pronominal wiederaufgenommene Initialelement in der Regel immer Topic (cf. 2012a, 125). Ein weiteres Problem ist die Topic-Markierung von Subjekten. D’Achille (1990a, 127) schließt einem Vorschlag Berrutos zufolge das LD von Subjekten von seiner Untersuchung aus, «il cui statuto, secondo lo studioso [Berruto 1985, 73], ‹dev’essere meglio chiarito› e per i quali, in ogni caso, la possibilità di ripresa clitica – esclusa nell’italiano standard, ma possibile nel fiorentino e in altri dialetti centro-settentrionali [sic] pone problemi morfologici più che sintattici». Inzwischen wurde dieses Problem von mehreren Forschern behandelt. Heute geht man davon aus, dass das LD eines Subjekts im Neuitalienischen auch ohne pronominale Wiederaufnahme möglich ist, und zwar immer dann, wenn das Subjekt durch längeres eingeschobenes Sprachmaterial vom Verb deutlich getrennt wird, wobei die Verbendung «als ‹koreferentielle [sic] Proform› dient» (Meier 2008, 76; cf. auch Benincà/Salvi/Frison 2001, 144s.; Ferrari 2003, 218s.).12 In der vorliegenden Arbeit wird die Frage sein, ob diese

12 Benincà/Salvi/Frison (2001, 144s.) erläutert: «Il soggetto è dislocato quando è separato dal verbo da altri costituenti, che a loro volta possono essere dislocati a sinistra […]; oppure quando il soggetto è separato dal verbo da una frase intera […].» Wie lang der Einschub zu sein hat, damit man von einem Subjekt-LD sprechen kann, wird bei Meier (2008, 77–106) ausführlich diskutiert.

2.1 Forschungsüberblick

7

Annahme auch für das Altitalienische geltend gemacht werden kann. Nicolosi (2012b, 230–232) zeigt, dass das Altitalienische das RD von Subjekten ohne pronominale Vorwegnahme bereits kannte. Die Unterscheidungskriterien zwischen der Subjektinversion (Typus: V – S) und postverbalen Subjekten in der Konstruktion des RD (Typus: V, S) müssen aber noch geklärt werden. Im Gegensatz zu den topicmarkierenden Verfahren wurde über die Mittel zur Focus-Markierung im Altitalienischen weniger geschrieben. Den ersten bedeutenden Anstoß in diese Richtung gab Vanelli (1999). Sie kann als erste gelten, die auf die focusmarkierende Funktion von O – V in altitalienischer Prosa näher eingegangen ist. Sie stellt fest, dass die Initialposition des Satzes aufgrund ihrer besonderen kognitiven Bedeutung («prominenza della prima posizione») sowohl das Topic als auch den Focus (im Sinn von Lambrechts «argument focus»)13 aufnehmen könne (cf. Vanelli 1999, 244). Obwohl sich ihr zufolge Fälle von kontrastivem Focus (cf. etwa neuit. I CAMPI mi ha lasciato, non i soldi, Rohlfs 1969, § 983 nach Meriggi 1938) nicht nachweisen lassen, nimmt sie bei vorangestellten Objekten, die einen Mengenausdruck enthalten, impliziten Kontrast an – eine Ansicht, die jedoch von Fesenmeier (2003, 76) kritisiert wurde.14 Auch Lombardi Vallauri (2004, 297 und 319) hält kontrastiven Focus mittels O – V im Altitalienischen für nicht möglich. Fälle von Kontrast werden jedoch bei Suzuki (2001, 73s.) und Nicolosi (2012a, 122s.) aufgeführt.15 Suzuki geht zudem auf den wichtigen Unterschied zwischen zwei Kontrasttypen ein, die oft verwechselt werden und bei Nicolosi (2012a, 123) als «alternatives Topic» einerseits und «kontrastiver Focus» andererseits beschrieben worden sind. Ein weiteres focusmarkierendes Mittel ist die Subjektinversion, wobei das Subjekt den Focus darstellt (cf. Nicolosi 2012b, 225–227). In der älteren Sprache stehen wir aber vor dem Problem, dass der Typus V – S nicht nur pragmatisch, sondern auch syntaktisch bedingt sein kann, wenn die Satzinitialposition bereits durch eine andere Konstituente besetzt ist (X – V – S).16 Um den Einfluss

13 Lambrechts «argument focus» (1994, 228–233) entspricht dem, was in dieser Arbeit «αFocus» – mit den Subfunktionen Kontrast und Exhaustive Listing – genannt wird. Cf. dazu Kap. 2.3.2. 14 In einem früheren Beitrag ging Vanelli (1986, 256) davon aus, dass O – V nicht kontrastiv sein könne, wobei sie allerdings zwei «kontrastverdächtige» Beispiele anführte. 15 Bei Suzuki (2001, 73s.) handelt es sich insgesamt um drei Beispiele, von denen zwei umstritten sind; cf. aber die Diskussion bei Fesenmeier (2003, 83) und hier Bsp. (368) und (369). Das dritte Beispiel stellt einen Fall von Exhaustive Listing dar; cf. Fesenmeier (2003, 83 und 294s.). 16 Die Annahme, das Altitalienische sei eine Sprache mit Verbzweitstellung, ist aber nicht richtig. Cf. dazu die Diskussion in Kap. 3.1.

8

2 Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick

von syntaktischen Faktoren zu vermeiden, wurde deshalb bei Blumenthal (1980, 123) und Nicolosi (2012b, 223) nur V – S bei absoluter Initialstellung des Verbs berücksichtigt. Bei Fesenmeier (2003) werden jedoch postverbale Subjekte auch bei besetzter Initialstellung (X – V – S) als pragmatisch bedingt betrachtet (teilweise auch bei Nicolosi 2012a, 121s.). Ein weiteres Problem betrifft die Disambiguierung der verschiedenen Typen von Inversion, die je nach Kontext eine unterschiedliche Diskursfunktion haben kann. Wie viele V – S-Typen angenommen werden können, ist umstritten, zumal die Forscher unterschiedliche theoretische Ansätze verwenden (cf. Blumenthal 1980; Fesenmeier 2003; 2004; 2009; Sornicola 2000; 2007; Suzuki 2009; Nicolosi 2012b). Dabei wird der Unterschied zwischen Subjekten, die nachgestellt werden, weil sie nicht Topic sind, und postverbalen Subjekten, die Focus sind, oft übersehen. Zu den focusmarkierenden Verfahren zählt ebenfalls die Cleft-Konstruktion (in der italienischsprachigen Forschung «frase scissa» genannt). Äußerlich handelt es sich um eine segmentierte Konstruktion, die aus einem durch die Kopula essere eingeleiteten Element und einem untergeordneten Satz besteht (neuit. è Maria che ho visto). Dabei stellt das eingerahmte Element den Focus dar, während der Restsatz präsupponiertes Material enthält. Diese Konstruktion, die im Neuitalienischen recht häufig belegt ist, war im Altitalienischen so selten, dass sie lange als eine Entlehnung aus dem Französischen galt, wo sie sehr früh nachweisbar ist; sie sei erst ab dem 18. Jahrhundert in die italienische Sprache eingedrungen (cf. Migliorini 1996, 490). Manchen Forschern zufolge (cf. etwa Durante 1981, 205; D’Achille/Proietti/Viviani 2005, 272–274) war eine derartige Konstruktion im Altitalienischen dem Subjekt vorbehalten, während die Cleft-Konstruktion mit der Fokussierung anderer Konstituenten später dem Französischen entnommen worden sei. Vor diesem Hintergrund leistet Roggia mit seinen Beiträgen von 2006 und vor allem 2012 echte Pionierarbeit, zumal er bisher die einzigen monothematischen Studien über die Cleft-Konstruktion im Altitalienischen geliefert hat. Er unterscheidet zwischen Cleft-Konstruktionen mit Fokussierung eines Subjekts und Cleft-Konstruktionen mit Fokussierung anderer Konstituenten. Während Erstere das Lateinische17 fortsetzten, stellten Letztere dagegen eine Innovation des Italienischen dar, wobei essere die eventive Bedeutung von «avvenire, aver luogo, svolgersi, compiersi, […]; verificarsi» habe (GDLI, s. v. essere, 8, zit. nach Roggia 2012, 209). Erst im Laufe eines Sprachwandels seien beide Konstruktionstypen aufgrund ihrer semantischen Kompatibilität zusammengefallen.18

17 Zur Cleft-Konstruktion im Lateinischen cf. Löfstedt (1966). 18 Cf. die Zusammenfassung bei Wehr (2012a, XVIII).

2.2 Hammarströms Beschreibungsmodell und Meiers Texttypenmodell

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2.2 Hammarströms Beschreibungsmodell und Meiers Texttypenmodell Bei D’Achille (1990a) werden die schriftlichen Belege von LD und RD als Merkmale gesprochener Sprache gedeutet (cf. Kap. 2.1). Inwiefern von Gesprochenem (Folge von Lauten) im Geschriebenen (Folge von Buchstaben) die Rede sein darf, hat Meier (2008) anhand eines Texttypenmodells, das Mischformen von gesprochener und geschriebener Sprache berücksichtigt, einleuchtend dargestellt. Da sich dieses als Erweiterung des Sprachbeschreibungsmodells von Hammarström versteht, wird im Folgenden zunächst Hammarströms Ansatz kurz präsentiert. Auf dieses wird zudem später bei der Definition von Focus erneut Bezug genommen (cf. Kap. 2.3.2). Um eine Sprache adäquat zu beschreiben, soll der Linguist nach Hammarström (2008, 3) vorerst klären, welche Sprache (welche Varietät) untersucht werden soll und ob es sich um gesprochene oder geschriebene Sprache handelt. Im Unterschied zu Koch/Oesterreicher (2011, 16–18), die neben den diatopischen, diastratischen und diaphasischen Varietäten eine weitere Varietät für die Dimension «gesprochen/geschrieben» ansetzen, stehen gesprochene und geschriebene Sprache bei Hammarström auf der höchsten Ebene der linguistischen Beschreibung gleichberechtigt nebeneinander: «‹spoken language› and ‹written language› would stand side by side at the highest level» (1976b, 39) und sollen jeweils beschrieben werden als «a system in its own right»19 (1976a, 114). Das heißt, «sowohl geschriebene als auch gesprochene Sprache haben Register, Soziolekte und Dialekte (in dem Beschreibungssystem Hammarströms kommen noch ‹attitudes› = Sprecherhaltungen und Idiolekte hinzu)» (Wehr 2000, 243). Hammarströms Auffassung von Sprache lässt sich mit Wehr (2000, 244) folgendermaßen visualisieren (cf. auch Nicolosi 2005, 6; Meier 2008, 11) (cf. Abb. 1). Wie man sieht, stehen «Gesprochen» und «Geschrieben» als «Hyperparameter» (Wehr 2000, 243) über dem, was auf vier verschiedenen Ebenen beschrieben werden soll: α (Was wird gesagt?), β (Wie wird es gesagt?), γ (Wer sagt es?), δ («der Rest»). Alle Ebenen werden in jeder Äußerung, sowohl mündlich als auch schriftlich, gleichzeitig realisiert und beeinflussen einander gegenseitig (cf. Hammarström 1987, 119). Die α-Ebene umfasst alle sprachlichen Einheiten, die die Aufgabe haben, die Bedeutung zu transportieren (Phonologie, Morphologie, Syntax und Semantik). Auf der β-Ebene wird alles behandelt,

19 Im Original in Bezug auf geschriebene Sprache. Daraus folgt aber im Umkehrschluss, dass auch die gesprochene Sprache als eigenes System beschrieben werden sollte.

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2 Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick

Glottolekt 20

/

\ Gesprochen | α Was wird gesagt?

Geschrieben | α

β β1 β2

Wie wird es gesagt? attitude Register

β β1 β2

γ γ1 γ2 γ3

Wer sagt es? Idiolekt Soziolekt Dialekt

γ γ1 γ2 γ3

δ

«Der Rest»

δ

Abb. 1: Hammarströms Beschreibungsmodell.

was Sprechereinstellungen und -emotionen (engl. attitudes) sowie Stilregister sprachlich kennzeichnet. Während α-Fakten diskret sind, sind β-Fakten kontinuierlich. Auf der γ-Ebene werden Idiolekte, Soziolekte und Dialekte beschrieben. Alles, was noch zur Gesamtbedeutung (total meaning)21 beiträgt, aber nicht zu α, β oder γ gehört, hat eine δ-Funktion. Diese Ebene umfasst z. B. Gestik und Mimik im Gesprochenen und Tinten- und Papierfarbe im Geschriebenen (cf. Hammarström 1995, 73–78 und 97). Die Ebenen α, β, γ und δ betreffen Segmente, die nicht länger als ein Satz sind. Um auch noch der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Sätze stets in einem bestimmten Zusammenhang geäußert werden, hat Hammarström (2008, 36–42) eine fünfte Ebene hinzugefügt (folgerichtig ε genannt), die Segmente, die länger als ein Satz sind, berücksichtigt, also die Textebene.22 Auf dieser Beschreibungsebene können u. a. Textsorten bzw. Texttypen behandelt werden.23 Dieses Modell hat Meier (2008, 14–20) in ihrer Dissertation erweitert. Meier bemerkt, dass es «‹Mischformen› von gesprochener und geschriebener Spra-

20 Da «Sprache» verschiedene Bedeutungen haben kann, hat Hammarström «Glottolekt» vorgeschlagen. Dieser Begriff umfasst alles, d. h. alle Varietäten einer Sprache. Andere Forscher sprechen von «Nationalsprache» oder wie Coseriu von «historischer Sprache» (Hammarström, Email vom 1. November 2010). Glottolekte sind z. B. Englisch, Französisch, Italienisch. Zum altitalienischen Glottolekt cf. Kap. 3.1. 21 Zu diesem Begriff cf. Hammarström (1976a, 63–65, 76 und 89). 22 Ein Text kann freilich auch aus einem einzigen Satz bestehen (cf. Hammarström 2008, 36). 23 «Textsorte» und «Texttyp» verwende ich synonym.

2.2 Hammarströms Beschreibungsmodell und Meiers Texttypenmodell

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che» (2008, 13) gibt. Denn ein geschriebener Text kann z. B. vorgelesen werden (Vortrag) und umgekehrt kann ein gesprochener Text transkribiert werden. Andere Texttypen wie Drehbücher und Theaterdialoge sind an beide Formen gebunden. Wie sind diese Mischformen zu behandeln? Der Vorschlag von Meier lautet: Um diese Mischformen zu beschreiben, bietet es sich an, Äußerungen nicht auf das Medium, durch welches sie artikuliert werden, zu ‹reduzieren›, sondern Ähnlichkeiten zu typischen Charakteristika des jeweils anderen Kommunikationsmodus zu erkennen. Hierbei wird geprüft, welche Segmente eines Textes typische Merkmale von gesprochener Sprache enthalten und welche typisch für geschriebene Sprache sind, unabhängig vom Artikulationsmedium. So kann ein Text durchaus auf medialer Ebene geschriebene Sprache darstellen und dennoch typische Merkmale der gesprochenen Sprache enthalten. Es handelt sich dann um eine Mischform (Meier 2008, 13–14).

Die Einführung einer eigenen Varietätendimension («Konzeption» genannt) wie bei Söll (1985, 19) und Koch/Oesterreicher (2011, 16–18), wonach ein geschriebener Text «mündlich» und ein gesprochener Text «schriftlich» konzipiert werden kann, ist Meier zufolge nicht notwendig, denn das, was Koch/ Oesterreicher «konzeptionelle Mündlichkeit» bzw. «konzeptionelle Schriftlichkeit» nennen, seien «die typischen Charakteristika eines Kommunikationsmodus» (Meier 2008, 15). Wehr (2000, 245s.) bemerkt hierzu: «Falls damit [mit ‹Konzeption›, Fr. N.] nicht Register gemeint sind (so auch Kieslers Interpretation: ‹informell› vs. ‹formell›, 1995: 395), handelt es sich m. E. um Unterschiede auf der α-Ebene.» Ihre Überlegungen zu diesen Mischformen hat Meier (2008, 17) anhand des in Abb. 2 dargestellten «Texttypenmodells» veranschaulicht. Meiers Modell lehnt sich an Hammarströms Modell an, indem die mediale Opposition zwischen gesprochener und geschriebener Sprache an der Spitze der Darstellung beibehalten wurde. Für jeden Kommunikationsmodus wird jedoch ein Kontinuum angesetzt, wobei scritto scritto bzw. parlato parlato als «Reinformen» und scritto parlato bzw. parlato scritto als Mischformen zu betrachten sind. Einen Vorschlag Hammarströms aufgreifend spricht Meier (2008, 16–17) von «Transposition», wenn ein Texttyp der einen Kommunikationsform Merkmale der jeweils anderen aufweist. Dabei kann zwischen unveränderter (z. B. vorgelesener Text oder notiertes italiano parlato) und veränderter Transposition (z. B. Printinterviews) unterschieden werden. Je mehr Affinitäten zu der jeweils anderen Kommunikationsform vorhanden sind, desto mehr entfernt sich ein bestimmter Texttyp von der «Reinform» seines Kommunikationsmediums. Beide Kontinua werden senkrecht durch Einzelpfeile kenntlich gemacht. (Neben der Transposition gibt Meier auch andere Gründe für die Affinität geschriebener Sprache zur gesprochenen an, cf. 2008, 20–24.)

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2 Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick

gesprochene Sprache parlato parlato

Y

!%24

authentisches italiano parlato

Zeitungsartikel Prosatexte

Filmdialoge

Printinterview

Y Y scritto parlato

geschriebene Sprache

Chat, E-Mails, SMS, Internetforen Kinderaufsätze Vortrag mit Stichpunkten

vorgelesener Text

Drehbuchdialoge Dialoge in Prosatexten Dialoge in Witzen notiertes italiano parlato

scritto scritto

Y Y Y parlato scritto

Abb. 2: Meiers Texttypenmodell.

In Bezug auf das Altitalienische, das ausschließlich über geschriebene Texte zugänglich ist, steht uns nur die rechte Spalte von Abb. 1 bzw. 2 zur Verfügung (zeitgemäß mit anderen Texttypen). Meiers Modell zeigt aber deutlich, dass bestimmte geschriebene Texte Merkmale gesprochener Sprache enthalten können wie z. B. die Dialoge in Erzählprosa, die in der vorliegenden Studie von großem Interesse sein werden. Denn je häufiger ein sprachliches Phänomen in direkter Rede vorkommt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich auch um ein Merkmal der gesprochenen Sprache handelt (cf. Wehr 2012a, XI). Eine weitere interessante Textsorte, die hier erwähnt, aber nicht berücksichtigt werden soll, stellen Predigten dar, die als Mischform im Meier’schen Sinne anzusehen sind. Da diese auf eine mündliche Predigt zurückgehen, die von einem reportator verschriftlicht wurde (cf. Dardano 1995, 27–29), sind sie per se an beide Modi der Kommunikation gebunden.25 Weiterführende Literaturhinweise über Textsorten, die für die Rekonstruktion der gesprochenen Sprache in älteren Sprachzuständen in Frage kommen, finden sich bei Wehr (2012a, XI).

24 Zu ersetzen durch versus (vs.). Der Doppelpfeil (↔) erweckt den Eindruck eines Kontinuums. 25 Denkbar ist auch, dass der Prediger eine schriftliche Vorlage vor sich hatte, womit es sich bei der reportatio um die Verschriftlichung eines auf geschriebener Sprache basierten Vortrags handeln würde. Dieser Texttyp würde folgende Merkmale enthalten: written – spoken – written (cf. Hammarström 2008, 38).

2.3 Pragmatische Funktionen einer Nominalphrase im Diskurs (Pragmeme)

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2.3 Pragmatische Funktionen einer Nominalphrase im Diskurs (Pragmeme) Bei der Analyse kontextbedingter Konstruktionen sind diskurspragmatische Parameter unerlässlich. Am wichtigsten für die vorliegende Arbeit sind die Pragmeme Topic und Focus (wie wir aber später sehen werden, können nicht alle Focus-Funktionen als Pragmeme definiert werden). Der Begriff «Pragmem» (engl. pragmeme) wurde zum ersten Mal von Hammarström (2000, 10) verwendet, um pragmatische Fakten auf der Satzebene zu beschreiben. Darunter versteht er «a unit, or a class» auf der α-Ebene des Satzes. In der vorliegenden Arbeit werden Pragmeme in Anlehnung an Wehr (2005, 353) als «pragmatic functions» definiert. Die Pragmeme Topic und Focus gehören somit neben den Satzkategorien Subjekt/Objekt usw. und Agens/Patiens usw. zu den Funktionen, die eine Nominalphrase (NP) im Satz haben kann. Mit anderen Worten: Eine NP kann zugleich eine syntaktische, eine semantische und eine pragmatische Funktion erfüllen. Eine klare Darstellung dieser Verhältnisse hat Wehr (1995, 78–93) in einem Mehr-Ebenen-Modell geliefert.26 Bei Wehr (2012d, 7) sieht es folgendermaßen aus:27

Pragmatische Ebene Semantische Ebene Syntaktische Ebene

Betty TOPIC AGENS SUBJEKT

peeled

the onions NICHT-TOPIC PATIENS OBJEKT

Abb. 3: Wehrs Drei-Ebenen-Modell.

Alle drei Ebenen werden in jeder Äußerung, die über ein finites Verb verfügen, gleichzeitig realisiert. Die pragmatische Ebene befindet sich «oben» in der Darstellung, weil sie darüber entscheidet, wie etwas ausgedrückt wird.28 Die Funktionen (Topic, Agens, Subjekt usw.) sind Variablen, die miteinander verschiedene Kombinationen eingehen können (cf. Wehr 2008, 5; auch 1995, 78s.). So

26 Bei Wehr (1995, 78–93) kommt noch die Ebene der Referentenstruktur hinzu. Da diese aber für die vorliegende Untersuchung nicht notwendig ist, wurde sie weggelassen. Auch die Ebene der semantischen Rollenstruktur (Agens, Patiens) wird hier wegfallen. 27 Der Beispielsatz stammt von Chafe (1976, 27), der ebenfalls drei Ebenen in Bezug auf das Subjekt unterschied, wenn auch in anderer Terminologie («psychological subject», «logical subject» und «grammatical subject»). 28 Was von Chafe (1976, 28) als «packaging» bezeichnet wurde.

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2 Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick

könnte die Subjekt-NP Betty in einem bestimmten Kontext eine Focus-Funktion aufweisen, etwa: BETTY peeled the onions, and not Mary. Dieses Tabellenschema, das ursprünglich zur Beschreibung von Diathesen entwickelt wurde (Wehr 1995 nennt es deshalb «Diathesenschema»), erweist sich auch als hilfreich bei der Beschreibung anderer syntaktischer Phänomene mit finitem Verb. Wie viele Ebenen anzusetzen sind, hängt vom Ziel der Untersuchung ab (cf. Wehr 1995, 79). Da in der vorliegenden Arbeit hauptsächlich die Zusammenhänge zwischen Syntax und Pragmatik von Belang sind, kann die semantische Ebene unberücksichtigt bleiben. Zur Visualisierung der Verhältnisse zwischen zwei Ebenen eignen sich deshalb Indizes besser als eine Tabelle. Das obige Beispiel Betty peeled the onions lässt sich demnach folgendermaßen darstellen: (1) STOP – V – ONONTOP wobei S, V und O jeweils für ‘Subjekt’, ‘Verb’ und ‘direktes Objekt’ und TOP und NONTOP jeweils für ‘Topic’ und ‘Nicht-Topic’ stehen. Für ‘Focus’ wird FOC verwendet. Diese Darstellungsweise hat zudem den Vorteil, die Wortstellung, d. h. die Anordnung der verschiedenen Satzkonstituenten, besser zur Geltung zu bringen. Bis jetzt wurden die Pragmeme Topic und Focus nur grob erläutert. Im Folgenden sollen sie näher definiert werden.

2.3.1 Topic Topic lässt sich mit Wehr (1984, 1) definieren als «das Konzept, über das gesprochen wird». In subjektprominenten Sprachen (im Sinn von Li/Thompson 1976) sind Subjekte typische Satztopics: «Subjects are essentially grammaticalized topics» (Li/Thompson 1976, 484); «subjects are ‹unmarked topics›» (Lambrecht 1994, 132). Dies lässt sich mit Wehr (1984, 3) dadurch erklären, dass das Subjekt «die Basis der Prädikation darstellt und somit optimal ein Konzept bezeichnen kann, über das etwas mitgeteilt werden soll». So liegt im folgenden Satz eindeutig eine Mitteilung über das Konzept Geppetto vor: (2) Geppetto era bizzosissimo (Collodi, Le avventure di Pinocchio. Storia di un burattino, Stuttgart, Reclam, 2009, 10). Das, worüber man spricht, muss jedoch nicht immer als syntaktisches Subjekt kodiert sein, sondern kann durchaus eine andere Satzfunktion übernehmen.

2.3 Pragmatische Funktionen einer Nominalphrase im Diskurs (Pragmeme)

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Im Fall eines Nicht-Subjekts stellt das Italienische dem Sprecher besondere Kennzeichnungsmittel zur Verfügung, um dieses als Topic eindeutig zu markieren. So kann anstelle des Subjekts mittels eines LD ein direktes Objekt zum Topic befördert werden wie im folgenden Beispiel:29 (3) «Per quattro soldi l’Abbecedario lo prendo io […]» (Collodi, Pinocchio, 47). Es ist daher kein Zufall, wenn frühere Studien das Topic als «soggetto assoluto» bzw. «soggetto ideale» (Fornaciari 1974, 460s.; cf. dazu auch D’Achille 1990a, 108s.) oder als «psychologisches Subjekt» im Gegensatz zum «grammatischen Subjekt» (cf. etwa Paul 1975, § 87) beschrieben haben. Topic kann sich sowohl auf den Satz (Satztopic) als auch auf den Diskurs (Diskurstopic) beziehen (cf. Wehr 1984, 1s.; auch Barnes 1985, 28). «Dasjenige, worüber eine Zeitlang gesprochen wird» (Wehr 1984, 1) ist das Diskurstopic. Es handelt sich hiermit um eine satzübergreifende Kategorie bzw. «that thing which a segment of discourse larger than the sentence is about, i.e. about which it supplies information» (Barnes 1985, 28). Wehr (1984, 1s.) unterscheidet zusätzlich zwischen «Paragraph topic» (als vorübergehendem Gesprächsgegenstand) und «Text-Topic» (als einzigem oder Haupt-Gesprächsgegenstand). Das Diskurstopic kann auf der Satzebene eine Rolle spielen, muss es aber nicht (cf. Wehr 1984, 1). Dasjenige, worüber in einem Satz gesprochen wird, ist das Satztopic (cf. Wehr 1984, 2). Die Mitteilung über ein Satztopic ist der «Comment» (cf. Wehr 1984, 6). In geschriebener Sprache sind Diskurstopic und Satztopic oft identisch. So besteht die Tendenz in der Erzählprosa, die Protagonisten der Geschichte, also die Handlungsträger, als Topic zu kodieren (cf. Wehr 1984, 2s.). Dass es aber nicht so sein muss, zeigt folgendes Beispiel: (4) Allora entrò in bottega un vecchietto tutto arzillo, il quale aveva nome Geppetto; ma i ragazzi del vicinato, quando lo volevano far montare su tutte le furie, lo chiamavano col soprannome di Polendina, a motivo della sua parrucca gialla, che somigliava moltissimo alla polendina di granturco (Collodi, Pinocchio, 10). Diskurstopic (oder besser: Paragraph Topic) ist hier das Konzept Geppetto, das durch ein Relativpronomen als Topic etabliert und in Form eines Objektpronomens (kursiv markiert) weiterverwendet wird. Die Subjekt-NP i ragazzi del vici-

29 Mit den topicmarkierenden Verfahren im Altitalienischen beschäftigt sich Kap. 4. Ein Überblick über die Topic-Markierung im Neuitalienischen befindet sich in Kap. 6.1.

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2 Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick

nato (ebenfalls kursiv) ist hingegen Satztopic. An diesem Beispiel wird außerdem deutlich, dass ein Satz mehrere Topics enthalten kann. Bei Wehr (2000, 253) wird «Topic» als «class of categories» verstanden, wobei Haupt- und Nebenfunktionen angenommen werden. In seiner Hauptfunktion stellt Topic das «Konzept [dar], über das (normalerweise in mehr als nur einem Satz) gesprochen wird» (Wehr 2000, 253). Da man sich über etwas nicht nur unterhalten, sondern auch erkundigen kann, schließt die hier vorgeschlagene Definition auch dasjenige, «über das Informationen erfragt werden» (Dudtenhöfer 2000, 190) mit ein. Ähnliche Definitionen finden sich z. B. bei Dik (1997, 312): «those entities ‹about› which information is to be provided or requested in the discourse» oder Gundel (1988, 210; cf. auch Meier 2008, 36): «An entity […] the speaker intends to increase the addressee’s knowledge about, request information about, or otherwise get the addressee to act with respect to […].»30 Eine Nebenfunktion von Topic ist die Perspektivierung, aus der eine Mitteilung gemacht wird; cf. etwa moi in fr. moi, je trouve que […] (cf. Wehr 2000, 253; auch Barnes 1985, 39; Stark 1997, 99s. und 227–230).31 Die in dieser Arbeit vorgeschlagene Definition von Topic (in seiner Hauptfunktion) beruht zugegebenermaßen auf der Grundlage von Intuition und ist schwer greifbar. Deshalb lehnt Geluykens (1992, 14s.) derartige Topic-Bestimmungen als nicht empirisch verifizierbar ab. Als Alternative schlägt er vor, die Topic-Funktion einer NP an ihrem Vorkommen im Diskurs festzumachen: The basic underlying assumption is that the more topical a certain referent is, the more it will tend to be mentioned in a specific piece of discourse (Geluykens 1992,14).

Offensichtlich wird hier Referenz-Kontinuität mit Topic-Kontinuität verwechselt. Die Weiterverwendung eines Konzepts, also seine referentielle Kontinuität, setzt weder voraus, dass dieses zuvor schon Topic war, noch dass es im Folgetext Topic bleibt oder wird. Dies lässt sich nämlich nur unter Berücksichtigung des Kontexts feststellen. Die Intuition erweist sich also als ein unerlässliches Hilfsmittel, wenn man die pragmatische Funktion einer NP ermitteln will (cf. auch Ewert-Kling 2010, 67s.). Das von Geluykens erwähnte Problem der

30 Bei Gundel in Bezug auf die Realisierung des Topics auf der Satzebene. 31 Diese Funktion darf nicht mit kontrastivem Focus verwechselt werden. Bei der Perspektivierung geht es darum, sich bzw. seine Meinung vom Gegenüber abzusetzen (alternatives Topic). Hier liegt kein expliziter Ausschluss einer Alternative in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt vor, es werden lediglich zwei Standpunkte verglichen. Cf. die Diskussion in Kap. 4.1.3.1.

2.3 Pragmatische Funktionen einer Nominalphrase im Diskurs (Pragmeme)

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empirischen Verifizierbarkeit lässt sich meiner Meinung nach jeweils unter Angabe des Kontexts beheben, in dem die Belege erscheinen.32 Andere Definitionen machen das Topic von syntaktischen Parametern und vom Informationswert abhängig. Ein solcher Ansatz findet sich in der Funktionalen Satzperspektive der Prager Schule. Nach Daneš (1964, 228) lässt sich ein Satz in zwei Bestandteile aufteilen, nämlich das «theme (or topic)» und das «rheme (or comment)», wobei Ersteres die gegebene Information und Letzteres die neue Information darstellt. Neue Topics sind von dieser Theorie also nicht vorgesehen. Bei Halliday (1967, 212) wird das «Thema» mit dem ersten Element im Satz gleichgesetzt. Somit wäre auch ein nicht-referentielles Subjekt wie es in es regnet Satztopic. Nach der hier vertretenen Auffassung aber ist Topic eine rein pragmatische Kategorie, die von der Wortstellung und vom Informationswert eines Konzepts im Diskurs unabhängig ist.33 Es gibt in den romanischen Sprachen zwar die Tendenz, bekannte Topics als Subjekte links vom Verb zu kodieren; dass es aber nicht so sein muss, zeigt Bsp. (4), in dem das Diskurstopic Geppetto in verschiedenen Positionen und syntaktischen Funktionen vorkommt. Auch können Topics neu (das Konzept wird erstmalig erwähnt) sein wie i ragazzi del vicinato in Bsp. (4). Nach Wehr (1984, 11) können sogar nichtidentifizierbare Konzepte (das Konzept ist dem Gegenüber nicht bekannt) wie un re in Un re s’ammalò Topic sein. Zu diesen Kritikpunkten an der Funktionalen Satzperspektive cf. Wehr (2000, 255); auch Meier (2008, 36s.). Abschließend sei die hier vertretene Auffassung von Topic zusammengefasst. Topic gibt es sowohl auf der Satz- als auch auf der Diskursebene. Während das Satztopic einem Comment gegenübersteht, stellt das Diskurstopic eine satzübergreifende Kategorie dar, die auch satzsyntaktisch eine Rolle spielen kann. Als pragmatische Kategorie ist Topic von der Wortstellung und vom Informationswert unabhängig. Topics tendieren dazu, als Subjekt links vom Verb ausgedrückt zu werden, aber das muss nicht unweigerlich so sein. Es wird zwischen grammatikalisierten (STOP – V) und markierten Topic-Konstruktionen (z. B. dem LD) unterschieden. So wie es topiclose Sätze (etwa es regnet) gibt, gibt es auch Sätze, die mehrere Topics enthalten können.

32 Nach Hammarström (1976a, 10) ist eine linguistische Beschreibung empirisch adäquat, sofern folgende Voraussetzung u. a. erfüllt ist: «[…] if it is intuitively acceptable to the linguist making the statement and if it seems obvious or is clearly known that other linguists share his intuition […].» Weiter heißt es: «it is particularly important that statements should not be counter-intuitive» (loc. cit.). 33 Es ist gerade die Trennung zwischen pragmatischer Funktion, Syntax und Informationswert, die die Annahme von mehreren Topics in einem Satz überhaupt möglich macht.

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2 Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick

2.3.2 Focus Unter «Focus» wird in der vorliegenden Arbeit «ein[e] Informationseinheit [verstanden], die dem Sprecher aus einem bestimmten Grund ‹besonders wichtig› ist» (Wehr 2000, 257). Wie Topic umfasst auch Focus verschiedene Subfunktionen (cf. Wehr 2000, 257–261). Wehr unterscheidet in Anlehnung an Hammarströms Modell (cf. hier Abb. 1, S. 10) zwischen «Kontrast» und «Exhaustive Listing» einerseits und «emphatischem Focus» andererseits: Mit Hammarström kann man im Bereich der Intonation unterscheiden: 1. diskrete Prosodeme, die diskrete Unterschiede auf inhaltlicher Ebene transportieren: ‹This is MY hat (not yours)›, welche auf der α-Ebene zu beschreiben sind; 2. nicht-diskrete Kontureme, die nicht-diskrete Inhalte wiedergeben: ‹I LOVE swimming›, welche auf der β1-Ebene (‹attitude›) zu beschreiben sind und gleichzeitig mit α realisiert werden (cf. Hammarström 1976a: 37 und S. 111 f.). Die Focusfunktionen Kontrast und ‹Exhaustive listing› samt ihren verschiedenen Ausdrucksmitteln gehören damit der α-Ebene an, und emphatischer Focus (mit allen Ausdrucksmitteln, die sich in dieser Funktion nachweisen lassen) ist auf der β1-Ebene zu beschreiben (Wehr 2000, 259, Hervorh. im Original).

Um diese Differenzierung zwischen beiden Focustypen Rechnung zu tragen, wird hier von «α-Focus» und «β-Focus» gesprochen (cf. Nicolosi 2012a, 124, Anm. 11; 2015, 146). Diese Termini haben den Vorteil, dass sie deutlich zum Ausdruck bringen, dass Kontrast und Exhaustive Listing einerseits und emphatischer Focus andererseits zwei unterschiedlichen Ebenen der Kommunikation (und somit der linguistischen Beschreibung) angehören. Auch andere Forscher haben die Notwendigkeit zweier Focus-Begriffe erkannt (in anderer Terminologie): «emphase contrastive» und «emphase émotive» bei Togeby (1951, 41)34 oder «contraste» vs. «évaluation» bei Stammerjohann (1988, 41–43). Weitere Autoren werden bei Wehr (2005, 355) genannt. 2.3.2.1 α-Focus α-Focus deckt sich in seiner Hauptfunktion mit dem, was andere «contrastiveness» (Chafe 1976, 33–38), «argument focus» (Lambrecht 1994, 228–233), «Counter-presuppositional [Focus]» (Dik 1997, 331s.) oder «identificational focus» (Kiss 1998) genannt haben. Diese besteht in dem «explizite[n] Ausschluß

34 Togeby (1951, 41) erläutert: «D’autre part il faut soigneusement faire le départ entre l’emphase contrastive, seule pertinente au point de vue de la langue, et l’emphase émotive. La première se distingue de la dernière en faisant toujours partie d’un contraste: par exemple en anglais on the table, not under it en regard de it was ‹marvelous›, et par sa manifestation: la première tombe sur le morphème qu’il s’agit de souligner, la dernière souvent sur plusieurs syllabes.»

2.3 Pragmatische Funktionen einer Nominalphrase im Diskurs (Pragmeme)

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von möglichen Kandidaten, die für einen Sachverhalt in Frage kommen» (Wehr 2000, 257). Je nach Zahl und Konkretheit der involvierten Alternativen liegt entweder Kontrast oder Exhaustive Listing vor.35 Im ersteren Fall handelt es sich um eine Opposition zu etwas Bestimmtem (‘X, nicht Y’), im letzteren Fall um eine Opposition zu etwas Beliebigem (‘X und nichts anderes/niemand anders’). «In beiden Fällen knüpft der Sprecher an ein Vorwissen an, das er und sein Gesprächspartner von einem Sachverhalt haben [oder das er bei seinem Gegenüber als bekannt voraussetzen kann]» (Wehr 1994, 625; cf. auch 1995, 81); d. h., bei beiden Funktionen sind Präsuppositionen36 vorhanden, die explizit vorerwähnt oder aus dem Vorausgehenden ableitbar sind, ja sogar im Augenblick der Äußerung gesetzt werden können (cf. Nicolosi 2012b, 225–227; Wehr 2012c, 214–216). Bei Kontrast korrigiert der Sprecher eine falsche Annahme seines Gegenübers, während er bei Exhaustive Listing eine unvollständige Präsupposition im Wissen seines Gegenübers ergänzt.37 Zur Markierung von α-Focus im Italienischen gibt es verschiedene syntaktische Verfahren, zu denen die Cleft-Konstruktion gehört (cf. z. B. Roggia 2009).38 Dabei stellt das Cleft-Element den Focus dar, während der Restsatz, der untergeordnete Teilsatz, die Präsupposition übermittelt: (5) […] non è LA MUSICA che cerca. Cerca la sua soddisfazione davanti alle amiche, cerca l’uomo (C. Pavese, La luna e i falò, zit. nach Bernoth 2003, 275; Kontrast).39 (6) […] e il senatore Andreotti. Giovanni Paolo II, con lui, sosta alcuni istanti. Che paiono lunghissimi. È AL SENATORE, SOLO A LUI, che il Papa – con gesto plateale – impartisce la benedizione (Corriere della Sera, zit. nach Bernoth 2003, 143; Exhaustive Listing). Im Gesprochenen trägt der fokussierte Teil den Hauptakzent und ist durch einen Intonationsbruch vom Restsatz getrennt, welcher einen Tiefton aufweist.

35 Die Unterscheidung zwischen Kontrast und Exhaustive Listing geht auf Kuno (1972, 269) zurück und wird hier im Sinne von Wehr (2000, 257s.) verwendet. 36 Chafes «background knowledge»: «an awareness, which the speaker assumes is shared by the addressee» (1976, 33). 37 Es können weitere Subfunktionen hinzugefügt werden. Cf. im Folgenden Bsp. (373)s. 38 Mit den focusmarkierenden Verfahren im Altitalienischen beschäftigt sich Kap. 5. Ein Überblick über die Focus-Markierung im Neuitalienischen befindet sich in Kap. 6.2. 39 Sofern nicht anders angegeben, stammen die zur Schreibung des Focus-Elements verwendeten Majuskeln jeweils von mir.

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2 Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick

α-Focus kann auch vorkommen, ohne dass der explizite Ausschluss von Alternativen intendiert ist, d. h. ohne dass Kontrast oder Exhaustive Listing vorliegen. Diese weitere α-Focus-Funktion, die bei Wehr (1994, 627) wie folgt umschrieben wird: «Information, die im situationellen oder sprachlichen Kontext ‹relevant› ist, ohne in scharfer Abgrenzung gegenüber anderen möglichen ‹Kandidaten› gesehen zu werden» (cf. auch Wehr 2011, 192s.), wird nicht durch die Cleft-Konstruktion markiert, sondern durch die Objektvoranstellung: (7) [Pupuccio il Nero zu Rechtsanwalt Guerrieri:] «Vabbè, avvocato, però vedete di fare di meno di due anni e mezzo. Mica ho ammazzato nessuno. DUE O TRE TRUFFE, ho fatto» (Carofiglio, Ad occhi chiusi, Palermo, 2008, 24). In Bsp. (7) gibt der Sprecher eine Zusatzinformation, die er für sein Gegenüber für interessant hält. Die Konjunktion o ‘oder’ zeigt deutlich, dass er sich über die Zahl der Alternativen nicht festlegen will. Nach der hier vorgeschlagenen Definition darf α-Focus nicht mit neuer Information verwechselt werden (cf. Wehr 2000, 260s.; auch Chafe 1976, 38; Berretta 2002a, 159). Auch vorerwähnte Konzepte können fokussiert werden, wie es etwa Bsp. (6) zeigt, wo der Referent von al senatore unmittelbar vorerwähnt ist.

2.3.2.2 β-Focus Bei β-Focus (Wehrs «emphatischem Focus»; cf. S. 18) handelt es sich um eine Information, die der Sprecher aus emotionalen oder subjektiven Gründen hervorhebt (cf. Wehr 1994, 629s.). Im Unterschied zu α-Focus liegt hier keine an einer Stelle zu korrigierende oder zu ergänzende Präsupposition vor (cf. Wehr 1995, 82). Auch stellt β-Focus kein Pragmem dar. Pragmeme gehören zur αEbene (auf der beschrieben wird, was gesagt wird, cf. hier S. 9s.) und sind daher diskret. Demnach kann eine NP nicht mehr oder weniger α-Focus sein: Entweder weist sie eine α-Focus-Funktion auf oder nicht. Sprecheremotionen oder -einstellungen hingegen bilden ein Kontinuum und sind nicht klar voneinander abgegrenzt. Deshalb schlägt Hammarström (2012, 105, Anm. 5) vor, den Begriff «Focus» für α-Fakten vorzubehalten: It would be preferable not to call β-level facts focus or emphasis since these terms have often been used at the α-level. They should be called attitudes. All utterances are pronounced with an attitude.

Dennoch ist nicht jede speaker attitude emphatisch betont. In dieser Arbeit wird der Begriff «β-Focus» für eine bestimmte speaker attitude verwendet, die

2.3 Pragmatische Funktionen einer Nominalphrase im Diskurs (Pragmeme)

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darin besteht, dem Gesagten einen besonderen Nachdruck zu verleihen. Dabei handelt es sich um «a means by which the Speaker aims at getting his personal evaluation of the information across to the Hearer» («emphasis» nach De Jong 1989, 528). Inwieweit β-Focus die Form von Äußerungen mitbedingen kann, wurde noch nicht ausreichend untersucht. Neben verschiedenen intonatorischen Strategien nennt Wehr (2000, 258 und 2011, 193–195) auch syntaktische Kennzeichnungsmittel, darunter die Objektvoranstellung. Wehr bezieht sich zwar auf das Neufranzösische, ihre Ergebnisse können aber ohne Weiteres auf das Neuitalienische übertragen werden. Man kann in der Tat nicht auf eine emphatische Focus-Funktion verzichten, wenn man bestimmten Fällen von Objektvoranstellung gerecht werden will. Gemeint sind Fälle, in denen keine Präsupposition vorhanden ist und ein Werturteil abgegeben wird. Ein charakteristisches Beispiel ist: (8) BELLE STORIE racconti! (Berretta 2002b, 226s.) In der gesprochenen Sprache wird das vorangestellte Objekt stark betont, während der Restsatz in einer niedrigeren Tonlage ausgesprochen wird. Derartige Fälle werden bei Berretta (2002b, 226), von der Bsp. (8) stammt, als «esclamativi privi di elementi ‹wh-›» beschrieben (also etwa Che belle storie racconti!). In der geschriebenen Sprache hingegen kann man nicht ohne Weiteres feststellen, ob β-Focus vorliegt, es sei denn, die syntaktische Markierung erfolgt im Exklamativsatz und es handelt sich um ein Werturteil wie in (9) BEL LAVORO mi faceva fare! (Verga, Mastro-don Gesualdo, Roma, 1999, 43; cf. auch Gossen 1954, 79) Weitere Beispiele finden sich bei Gossen (1954, 79), der bereits auf das häufige Vorkommen der Objektvoranstellung im Exklamativsatz hingewiesen hatte. Das vorangestellte Objekt enthält häufig ein intensivierendes Element wie bello (hier ironisch gemeint, cf. auch Bsp. 8) oder einen Mengenausdruck wie molto, tutto.40 β-Focus kann sich auf den ganzen Satz erstrecken («Satzfocus», Wehr 2000, 258) wie im folgenden Beispiel aus der geschriebenen Sprache:

40 Welche attitude hervorgehoben wird, ist nicht festgelegt. Emphatische Voranstellungen korrelieren jedoch oft mit Ironie wie in Bsp. (9). Escandell-Vidal/Leonetti (2014) haben für das Spanische gezeigt, dass ähnliche Beispiele von Muttersprachlern als ironisch verstanden werden, auch wenn der Kontext fehlt.

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2 Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick

(10) «Io non ce la faccio!» dice Margherita, con uno scatto disperato. «Lo volete capire?! Non ce-la-fa-ccio!» (De Carlo, Giro di vento, Milano, 2007, 98; Staccato-Stil im Original) Indikatoren für die emphatische β-Focus-Funktion in Bsp. (10) sind: die Interpunktion (das Ausrufezeichen), die Wiederholung des Exklamativsatzes, der Staccato-Stil, der Inhalt des Gesagten und die vorausgehende Äußerung nebst Interpunktion: «Lo volete capire?!» In «text languages» (Fleischman 2000, 33) wie dem Altitalienischen kommen solche graphischen Gestaltungen nicht vor. Die Interpunktion der Editionen ist immer das Ergebnis der Interpretation des Herausgebers (mit der der Leser in den meisten Fällen jedoch übereinstimmen wird). Im empirischen Teil dieser Arbeit soll gezeigt werden, dass zur Beschreibung der altitalienischen Syntax, unabhängig von der Interpunktion, nicht auf β-Focus verzichtet werden kann. α-Focus und β-Focus schließen sich nicht aus. Es ist sogar vielmehr der Fall, dass α-Focus ohne β-Focus selten vorkommt. Andererseits kann bei βFocus eine Opposition gegenüber Alternativen (Kontrast oder Exhaustive Listing) nicht immer ausgeschlossen werden, etwa in Uno stronzo sei (e nient’altro). Dennoch ist die β-Focus-Funktion in derartigen Fällen als primär anzusehen, während die oppositive Funktion ein Nebeneffekt der Emphase zu sein scheint.

2.4 Informationswert eines Konzepts im Diskurs Die pragmatischen Funktionen Topic und Focus sind nicht mit dem Informationswert eines Konzepts zu verwechseln, der bei der Gestaltung von Äußerungen ebenfalls mitwirken kann. Der Informationswert eines Konzepts lässt sich danach bestimmen, ob dieses etwas Neues oder Bekanntes übermittelt, und ist unabhängig davon, welche pragmatische Funktion es im Diskurs übernimmt, auch wenn bestimmte Zusammenhänge existieren.41 Einem Vorschlag Wehrs (1984, 7–10) zufolge können zwei Parameter unterschieden werden: die Neuheit eines Konzepts für das Gegenüber (identifizierbar/nicht identifizierbar) und seine Neuheit im Diskurs (neu/nicht neu).42 Aus diesen beiden Variablen erge41 Cf. die Diskussion auf S. 17; auch S. 20. 42 Die Unterscheidung zwischen «neu für das Gegenüber» und «neu im Diskurs» geht auf Wehr (1984, 7–10) zurück, die Termini «identifizierbar/nicht identifizierbar» und «neu/nicht neu» übernehme ich aber von Ewert-Kling (2010, 79). Wehr (loc. cit.) verwendet «gegeben/ nicht gegeben» und «neu/nicht neu». Cf. aber Wehr (2000, 248, Anm. 30).

2.4 Informationswert eines Konzepts im Diskurs

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ben sich folgende Kombinationsmöglichkeiten (cf. Wehr 1984, 9–10; Prince 1992, 309; Birner/Ward 1998, 15): – [–IDENT], [+NEU]: Das Konzept wird zum ersten Mal im Diskurs erwähnt und der Sprecher kann es nicht bei seinem Gegenüber als bekannt voraussetzen. – [+IDENT], [+NEU]: Das Konzept wird zum ersten Mal im Diskurs erwähnt und der Sprecher nimmt an, dass es seinem Gegenüber bekannt ist, entweder weil es zum permanenten Repertoire43 gehört – d. h. zur Kenntnis, die man von der Welt hat (inklusive des engeren Lebensbereichs) – oder weil es in der Situation vorhanden ist oder aus dem textuellen Zusammenhang erschlossen werden kann.44 – [+IDENT], [–NEU]: Das Konzept ist bereits im Diskurs erwähnt worden und der Sprecher kann es deshalb bei seinem Gegenüber als bekannt voraussetzen. – [–IDENT], [–NEU]: Diese Kombination ist nicht vorgesehen, denn die Vorerwähnung eines Konzepts setzt voraus, dass dieses dem Gegenüber bekannt sein muss. Die NP your father in I saw your father yesterday (das Beispiel ist von Chafe 1976, 30; cf. auch Wehr 1984, 7; Ewert-Kling 2010, 79) ist damit +IDENT45 für das Gegenüber, denn das Konzept gehört zum Wissen von der Welt, das sich Sprecher und Gesprächspartner teilen, und +NEU im Diskurs, denn das Konzept wird zum ersten Mal erwähnt. Die meisten Forscher setzen jedoch eine einzige Parameterskala an. So lässt sich nach Prince (1981a, 232–237) der Informationswert eines Konzepts danach ermitteln, wie vertraut dieses dem Gegenüber ist. Je nach Vertrautheitsgrad (Princes «Assumed Familiarity») kann es einen der folgenden Informationswerte aufweisen: «Brand-new», «Brand-new Anchored», «Unused», «Inferrable», «Containing Inferrable», «Textually Evoked», «Situationally Evoked». Die NP your father im obigen Beispiel wäre damit «Unused». Diese Klassifizierung macht aber nicht deutlich, dass ein Konzept zugleich neu im Diskurs und nicht-neu für das Gegenüber sein kann (cf. auch Birner/Ward 1998, 14). Prince (1992, 300–310) hat dieses Problem erkannt und deshalb wie zuvor Wehr (1984) zwei Parameter eingeführt: «Hearer-new/Hearer-old», «Discourse-new/Dis-

43 Terminus nach Wehr (2000, 248, Anm. 32). 44 Zu den Gründen der Identifizierbarkeit cf. Wehr (2000, 248). Die Kenntnis eines Konzepts kann auch nachträglich hergestellt werden. Cf. dazu Kap. 4.1.1. 45 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird der Informationswert eines Konzepts ohne eckige Klammern angegeben.

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2 Theoretische Grundlagen und Forschungsüberblick

course-old». Auch andere Forscher haben die Notwendigkeit von zwei Parametern gesehen: Barnes (1985, 61); Birner/Ward (1998, 13–19) in Anlehnung an Prince (1992); Thörle (2000, 215), Meier (2008, 39–41) und Ewert-Kling (2010, 79) in Anlehnung an Wehr (1984).46 Die beiden Parameter +/–IDENT und +/–NEU dürfen, wie bereits erwähnt, nicht mit pragmatischen Funktionen verwechselt werden, von denen sie unabhängig sind (und umgekehrt). Sie spielen aber eine Rolle bei der Markierung von Topics, wie wir im empirischen Teil noch sehen werden (cf. Wehr 2000, 249s.).

46 Cf. die Diskussion bei Wehr (2000, 246–249).

3 Zur Korpusbeschreibung 3.1 Zum Altitalienischen «Altitalienisch» kann zweierlei bedeuten. Zum einen bezieht es sich auf alle italoromanischen Varietäten, die im Mittelalter mündlich oder schriftlich verwendet wurden. Zum anderen bezieht es sich auf das Altflorentinische, aus dem sich bekanntlich das heutige Standarditalienisch entwickelt haben soll. Während es sich im ersten Fall um einen Oberbegriff handelt, d. h. eine Abstraktion auf höchster Ebene, die alle Idiolekte, Soziolekte und Dialekte umfasst (Hammarströms «Glottolekt»),1 gilt es im zweiten Fall als eine Einzelvarietät innerhalb dieses Glottolekts. In der vorliegenden Arbeit wird «Altitalienisch», soweit nicht anders angegeben, im letzteren Sinn verwendet. Die Gleichsetzung von Altitalienisch und Altflorentinisch mag zwar nicht perfekt sein (cf. die Diskussion bei Tesi 2004, 428–430; Tomasin 2013), doch sie ist in vielen syntaktischen Studien gebräuchlich (cf. zuletzt GIA und SIA). Die Kontinuität zwischen Alt- und Neuitalienisch ist umstritten. Laut Ascoli setzt das Neuitalienische die Sprache von Dante ohne jede Veränderung fort.2 Nach Salvi/Renzi (2010, 8) finden sich dagegen zwischen beiden Sprachzuständen Unterschiede auf allen Ebenen und bei jedem Phänomen. Eine Mittelstellung nimmt Dardano (2012a, 6) ein, der zwar ebenfalls Unterschiede annimmt, jedoch nicht im von Salvi/Renzi behaupteten Ausmaß. Die Unterschiede betreffen alle Bereiche der Grammatik (Phonologie, Morphologie, Syntax und Semantik).3 Sehen wir uns einige signifikante Merkmale aus der Syntax an, die uns hier besonders interessiert. Die neutrale Wortstellung ist dieselbe wie im Neuitalienischen: Subjekt – Verb – Objekt (cf. etwa Lauta 2012, 70), wobei das Subjekt links vom Verb im Normalfall das Topic repräsentiert (STOP – V). Unterschiede ergeben sich bezüglich der markierten Wortstellung (Objektvoranstellung ohne obligatorische pronominale Wiederaufnahme, Subjektinversionen). Im Gegensatz zu einer sich zunehmend verbreitenden Auffassung ist das Altitalienische aber keine Sprache mit obligatorischer Verbzweitstellung (V2).4 Das Subjekt tendiert zwar

1 Cf. Anm. 20, S. 10. 2 Ascoli (1968, 60): «è […] evidente per tutti, che la lingua di Dante è l’italiano che ancor vive e si scrive»; cf. dazu auch Tesi (2004, 432). 3 Tesi (2004, 429): «[…] troppo spesso non si tiene conto del fatto che ‹anche› nel settore fonologico e morfologico ‹la storia dell’italiano si presenta come una storia non lineare›». 4 Cf. aber Benincà (2006, 61); auch Dardano (2012a, 6): «Dal latino, lingua con il verbo in posizione finale (SOV), si è passati all’italiano, lingua con il verbo in seconda posizione (V2).» https://doi.org/10.1515/9783110614114-003

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3 Zur Korpusbeschreibung

dazu, nachgestellt zu werden, wenn ein vom Subjekt verschiedenes Element in präverbaler Position steht (cf. Rohlfs 1969, § 982), die Inversion ist aber fakultativ (cf. etwa «Allora parlò messer Migliore», Ur-Novellino 34, 10, ed. Conte, A. 2001 vs. «Allora Guiglielmo parlò», Ur-Novellino 72, 17).5 Außerdem haben Sprachen, bei denen V2 obligatorisch ist, ein Dummy-Subjekt, d. h. ein nichtreferentielles Subjektpronomen,6 das die vom Subjekt freigelassene Initialstellung füllen soll, wenn keine andere Konstituente diese Position einnimmt (z. B. dt. es in es regnet). Nun stellen aber Fälle von V – S mit dem Verb am absoluten Satzanfang im Altitalienischen keine Ausnahmen dar (cf. altit. Fue uno re vs. dt. Es war ein König). Die ältere Sprache kennt zwar ein Dummy-Subjekt (egli), doch auch hier besteht freie Variation (cf. etwa «Egli è il vero che», Decameron II, 8, 15, ed. Branca 1992 vs. «È il vero che», Decameron II, 7, 83). Vom Neuitalienischen grundverschieden ist die Stellung der Klitika, die in den altromanischen Sprachen durch das Tobler-Mussafia-Gesetz bedingt ist. Dieses besagt, dass ein unbetontes Pronomen (Klitikum) nicht am absoluten Satzanfang und nach satzeinleitendem e ‘und’ bzw. ma ‘aber’ stehen darf (cf. Mussafia 1983). Unbetonte Pronomina erscheinen demnach unmittelbar nach dem Verb, mit dem sie eine intonatorische Einheit bilden (Enklisis). In der geschriebenen Sprache werden sie an das Verb angehängt, cf. etwa: «Lo ’nperadore le prese […]: fecele riponere, e lodolle di grande belleze» (Ur-Novellino 2, 5). Die Enklisis kennzeichnet deutlich den Satzbeginn bzw. eine neue Intonationseinheit. Wie wir später sehen werden, lässt sie sich interessanterweise auch nach LD-Elementen beobachten, die unmittelbar vor dem Verb stehen (cf. S. 67s.).7 Unterschiede ergeben sich auch im Bereich der Subjektpronomina. Das Altitalienische sowie das Neuitalienische kennen zwar beide Formen, die sowohl betont als auch unbetont verwendet werden können,8 doch im Gegensatz zur modernen Sprache, in der Subjektpronomina in der Regel nicht gesetzt wer-

Zu einer kritischen Stellungnahme innerhalb des generativen Rahmens cf. Lombardi/Middleton (2004, 571–576). 5 Cf. dazu auch die statistischen Angaben bei Fesenmeier (2003, 251): In der Tavola Ritonda steht das Subjekt bei einem Adverbial in Initialposition nur in 26,5 % der Fälle nach dem Verb (AVS). In den überwiegenden restlichen Fällen steht es vor dem Verb (ASV). 6 Andere Bezeichnungen sind z. B. «expletives Subjekt», «pleonastisches Subjekt». 7 Dieses Phänomen wird von Benincà (2010, 54–59) neu interpretiert. Enklisis liegt nach ihr vor, wenn die präverbale Position, die nicht unbedingt mit dem Satzanfang in der linearen Anordnung der Konstituenten übereinstimmen muss, in der virtuellen Satzstruktur unbesetzt ist. Cf. auch Anm. 4, S. 3s. 8 Cf. Gossen (1954, 93); Boström (1972, 14s.); Egerland/Cardinaletti (2010, 401). Zu den Formen der Subjektpronomina cf. Egerland/Cardinaletti (2010, 401–408).

3.1 Zum Altitalienischen

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den, sofern nicht spezielle pragmatische Bedingungen erfüllt sind,9 werden sie im Alttoskanischen quasi-obligatorisch und ohne jede Hervorhebung verwendet (cf. Palermo 1997, 173s. und 1998). Hier hängt der Einsatz von Subjektpronomina offenbar nicht von ihrer pragmatischen Funktion ab, auch wenn sie den Focus konstituieren können. (In diesem Fall wäre die Funktion prosodisch markiert.) Neben freien Subjektpronomina10 verfügt das Altitalienische auch über klitische Formen, die, wenn sie proklitisch sind, als apokopierte Formen in modernen Ausgaben erscheinen (cf. Rohlfs 1968, §§ 446–448). Nach Egerland/Cardinaletti (2010, 410s.) handelt es sich hierbei allerdings nicht um Subjektklitika, sondern um «forme ridotte» der Vollformen der Personalpronomina. Dafür spreche, dass die apokopierte Form durch eine weitere Konstituente vom Verb getrennt werden könne. Syntaktische Unterschiede zwischen Alt- und Neuitalienisch lassen sich auch in Bezug auf die Satzverknüpfung (Bei- und Unterordnung) feststellen. Ein Überblick darüber findet sich bei Tesi (2004, 433–439).11 Zu den wichtigsten Aspekten gehört das apodosis-einleitende e(t) (cf. dazu Wehr 1984, 150– 181). Dabei handelt es sich um das Phänomen, dass die beiordnende Konjunktion e(t) an der Gelenkstelle zwischen vorausgehendem Nebensatz (Protasis) und Hauptsatz (Apodosis) auftritt (cf. Wehr 1984, 164 mit dem Beispiel: «E ’l fante come fu sul letto, e un porco l’assan‹n›ò per la gamba», Sacchetti, Trecentonovelle CX, 7, ed. Marucci 1996). Derartige Fälle lassen sich in allen altromanischen Sprachen beobachten. Wehr (1984, 168) zufolge haben wir es mit einer Vordergrundsstrategie zu tun, die die Aufgabe hat, die folgende Äußerung als überraschend zu kennzeichnen, wobei die Funktion des e(t) diejenige von ecco innezuhaben scheint. Neben e(t) können weitere Partikeln den Beginn des Hauptsatzes markieren wie sì (< lat. sīc) oder ecco (< lat. ĕccu[m]). Auf die besondere Rolle der Interpunktion bei der Interpretation syntaktischer Verhältnisse in älteren Texten wird u. a. bei Dardano/Colella (2012, 54) hingewiesen. Die Interpunktion in den Handschriften unterscheidet sich bekanntlich von der modernen insofern, als sie weder die Satzgrenzen noch den

9 Etwa, wenn zwei Referenten aus komparativen Gründen gegenüberstellt werden, wie in: «Lui sa parlare bene alcune lingue; io non ne parlo bene nessuna» (Ginzburg, Le piccole vertú, S. 45) oder wenn der Subjektreferent aus Gründen von Kontrast oder Exhaustive Listing hervorgehoben werden soll: Pago IO (e non tu/nessun altro). 10 Terminus nach Salvi/Vanelli (2004, 188): «pronomi liberi» (vs. «pronomi clitici»). 11 Neben dem apodosis-einleitenden e(t) erwähnt Tesi (2004, 433–439) folgende Merkmale: lexikalische Wiederholung anstelle einer pronominalen Wiederaufnahme; Wiederholung der subordinierenden Konjunktion che («‹che› dichiarativo») nach Einschub; Beiordnung von Nebensätzen mit finiter und infiniter Verbform; durch che eingeleitete Kompletivsätze mit einem Infinitiv anstelle eines finiten Verbs; unmittelbarer Übergang von indirekter in direkte Rede.

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3 Zur Korpusbeschreibung

syntaktischen und semantischen Zusammenhang zwischen Teilsätzen kennzeichnet, so wie wir es gewohnt sind. Um den Text lesbarer zu machen, muss ihn der moderne Herausgeber in eine Form bringen, die den heutigen Regeln der Syntax entspricht, indem er ihn mit modernen Satzzeichen versieht. Allerdings kann er dabei einen Satzbau suggerieren, der im altitalienischen Originaltext so nicht bestanden hat. Zudem variiert die Zeichensetzung häufig von Herausgeber zu Herausgeber, was auf Interpretationsschwierigkeiten hinweist. Dieses Problem ist beispielsweise für die Identifizierung segmentierter Konstruktionen wie das LD oder das Hanging Topic relevant (cf. dazu S. 90s.). Die fehlende Interpunktion im Mittelalter kann auch einen direkten Einfluss auf die sprachliche Gestaltung haben, insbesondere bei der Kennzeichnung direkter Rede. Bestimmte Strukturen können die Funktion der heutigen Anführungszeichen übernehmen (cf. dazu S. 58). Wenn man sich mit älteren Sprachzuständen beschäftigt, verfügt man selten über diplomatische Abdrucke von Handschriften. Im besten Fall ist der Linguist auf kritische Ausgaben angewiesen, doch Interpretationsfehler des Herausgebers, Korrekturen vermeintlicher Fehler sowie Modernisierungen können nicht ausgeschlossen werden. Man vergleiche etwa: (11) Costui perchè non mil vendi? (Le novelle antiche. Dei codici Panciatichiano-Palatino 138 e Laurenziano-Gaddiano 193, ed. Biagi, Guido, Firenze, 1880, Nov. CXLVI, 168) (12) Costui p(er)ch|é no(n) mi vendi? (Viaggio d’Oltremare e Libro di novelle e di bel parlare gentile, ed. Ciepielewska-Janoschka, Anna, Berlin/Boston, 2011, 387) Dabei handelt es sich um dasselbe Beispiel aus zwei verschiedenen Ausgaben der im Kodex Panciatichiano 3212 enthaltenen Novellen, wobei die Ausgabe von Biagi semidiplomatisch und die von Ciepielewska-Janoschka diplomatisch ist. Während in Bsp. (11) das Initialelement costui durch ein Objektpronomen (’l in mil) wieder aufgenommen wird, fehlt das wiederaufnehmende Pronomen in Bsp. (12). Dieses scheinbar belanglose Detail ist aber für die vorliegende Untersuchung von großer Bedeutung. Wie wir später sehen werden, ist die pronominale Reprise das Unterscheidungskriterium zwischen dem LD und der Objektvoranstellung (hier in der Konstruktion einer Prolepse). Dass bei den oben genannten Belegen Bsp. (12) die richtige Variante darstellt, geht aus Ciepielewska-Janoschkas diplomatischem Abdruck des Panciatichiano 32 hervor.

12 Früher: Panciatichiano-Palatino 138 (cf. Riesz 2002, 223).

3.2 Ausgewählte Quellen

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Weitere Fälle von Reprisen oder fehlenden Reprisen können eventuell auf Fehler von Kopisten zurückgeführt werden (cf. Nicolosi 2012a, 125; Bianco 2013, 210; cf. auch hier Anm. 86, S. 82s. sowie Bsp. 329s.).

3.2 Ausgewählte Quellen Für die empirische Untersuchung wurden folgende Erzählprosatexte aus dem 13. und 14. Jahrhundert ausgewählt: das Libro di novelle e di bel parlare gientile [Ur-Novellino] (UrNov) nach Conte, A. (2001, 163–264),13 die Novelle del codice Panciatichiano 32 (Pan32) nach Biagi (1880, 133–204),14, 15 La Tavola Ritonda (Tav) nach Heijkant (1999),16 Boccaccios Decameron (Dec) nach Branca (1992)17

13 Bei UrNov handelt es sich um 85 Novellen (einschließlich der Vorrede), die im ersten Teil des Kodex Panciatichiano 32 der Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze (P1, auch: Pan, ff. 9r°–43r°) unter der Überschrift Libro di novelle e di bel parlare gientile enthalten sind. P1 wird auf Anfang des 14. Jahrhunderts (ca. 1320) datiert, die Abfassung des Texts auf die letzten beiden Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts. Zur Textgeschichte cf. Riesz (2002, 223–230); auch Biagi (1880, VII–CCVI); Conte, A. (2001, 267–270); Ciepielewska-Janoschka (2011, 2–6 und 16–19). 14 Bei Pan32 handelt es sich um 20 weitere Novellen aus demselben Kodex wie P1, die auf den zweiten Teil der Handschrift (P2, auch: Pan2) folgen und im Korpus der Opera del Vocabolario Italiano (Corpus OVI) unter der Überschrift Novelle del codice Panciatichiano 32 aufgeführt sind. Es sind teilweise ausführlichere Ausformulierungen von Novellen, die in P1 und P2 enthalten sind. Die Abschrift wird auf Mitte des 14. Jahrhunderts (1346–1355) geschätzt (cf. Corpus OVI). Handschrift und Textgeschichte wie unter Anm. 13. 15 Ciepielewska-Janoschka hat 2011 unter dem Titel Viaggio d’Oltremare e Libro di novelle e di bel parlar gentile eine hervorragende interpretative Ausgabe des gesamten Kodex Panciatichiano 32 publiziert, die mir aber erst vorlag, als die Korpusuntersuchung bereits abgeschlossen war, und deshalb nicht mehr berücksichtigt werden konnte. 16 Heijkants Ausgabe der Tavola Ritonda (1999), aus der hier zitiert wird, ist die Reproduktion von Polidoris Ausgabe (1864), die auf der Handschrift XLIV 27 der Laurenziana (L1) aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts beruht, wobei die Handschriften II II 68 der Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze (M, Datierung: 1391) und I VII 13 der senesischen Biblioteca comunale degli Intronati (S, Datierung: 1478) zur Korrektur und Ergänzung herangezogen wurden. Insbesondere die ersten elf Kapitel gehen auf S zurück. Verfasst wurde der Text in der ersten oder zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Eine neue Ausgabe auf der Grundlage von M ist in Vorbereitung (cf. Punzi 1998, 733). Zur Textgeschichte cf. Polidori (1864, L–LXIX); Heijkant (1999, 66); TLIon DB, s. v. La Tavola Ritonda. 17 Bezüglich Dec ist Brancas kritische Ausgabe nach dem Autograph im Kodex Hamilton 90 unumgänglich. Zur Ergänzung verwendete der Herausgeber den Text des Kodex Pluteo XLII 1 der Laurenziana (Mn) aus dem Jahr 1384. Die Abfassung des Autographs wird auf ca. 1370 geschätzt (cf. Branca 1992, LXXVII).

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3 Zur Korpusbeschreibung

und Sacchettis Trecentonovelle (Tre) nach Marucci (1996).18 Bei der Korpuszusammenstellung wurde darauf geachtet, dass nicht nur der Text, sondern auch die Handschrift, auf der die verwendete Ausgabe basiert, bis spätestens Ende des 14. Jahrhunderts entstanden ist. Nur so lassen sich Eingriffe späterer Kopisten (z. B. durch Modernisierung des Texts) vermeiden. Deshalb wurde auch dem besser bekannten Novellino der Ur-Novellino vorgezogen, da dieser das älteste Zeugnis der Überlieferungstradition (ca. 1320) darstellt, während die meisten Ausgaben des Novellino auf einer Handschrift basieren, die im Kodex Vaticano Latino 3214 (V) enthalten ist und auf die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückgeht.19 Von diesem Prinzip ausgenommen ist jedoch der Text der Trecentonovelle, da die einzige uns überlieferte Handschrift zweieinhalb Jahrhunderte jünger ist als das Ende des 14. Jahrhunderts entstandene Original. Trotz gewisser Mängel scheint diese jedoch ein zuverlässiges und dem Original nahes Zeugnis zu sein (cf. Marucci 1996, 829s.).20 Es ist allgemein bekannt, dass Borghini, der die Abschrift anordnete, diese anhand des Autographs persönlich überprüfte und korrigierte (cf. Marucci 1996, 821), auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass er «per congettura» korrigierte (Pernicone 1946, XXVI). In das Korpus wurden zudem ausschließlich Originaltexte aufgenommen, da wir bei Übersetzungen aus dem Französischen oder Lateinischen nicht wissen können, in welchem Umfang der Quelltext die Syntax der Zielsprache beeinflusst haben könnte (cf. Wehr 2007, 478). Zum Text der Tavola Ritonda, der im Korpus der Opera del Vocabolario Italiano (Corpus OVI) als «traduzione» gekennzeichnet ist, sei bemerkt, dass er in der Sekundärliteratur inzwischen

18 Maruccis Ausgabe der Trecentonovelle beruht auf der von Borghini angeordneten Kopie (B) des ihm überlieferten Autographs (cf. Marucci 1996, 821). B besteht aus zwei Teilen, dem Magliabechiano VI 112 (M) und dem Laurenziano XLII 12 (L1), und wird auf Mitte des 16. Jahrhunderts datiert. Zur Kontrolle (Ergänzung, Korrektur usw.) wurden vom Herausgeber Laurenziano XLII 11 (L2, eine Abschrift von B), Riccardiano 2141 (R) und Sacchettis Autograph der Sposizioni, Lettere und Rime aus Laurenziano Ashburnamiano 574 (LA) berücksichtigt (cf. Marucci 1996, 826). Der Text selbst wurde von Sacchetti höchstwahrscheinlich im letzten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts verfasst. Zur Textgeschichte cf. Marucci (1996, 821–835, insbesondere S. 826). 19 Auf V basiert beispielsweise Segres Ausgabe (1959), die in Riesz’ zweisprachiger Ausgabe (2002) reproduziert ist. 20 Zur syntaktischen Gestaltung des Texts bemerkt Marucci (1996, 830), B sei originalgetreu genug, «[per] attestare con relativa sicurezza la particolare libertà sintattico-grammaticale della lingua sacchettiana, che non si limita alla nota tendenza paraipotattica e alla ricchezza di riboboli e idiomatismi poi spigolati dai Cruscanti, ma inevitabilmente – e non soltanto nei passi piú dichiaratamente dialettali – investe anche la morfologia, soprattutto per ciò che attiene alla concordanza dei tempi e alle uscite desinenziali di questi e dei nomi».

3.2 Ausgewählte Quellen

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nicht mehr als Übersetzung gilt, sondern vielmehr als «compilazione assai libera della materia arturiana» (Fesenmeier 2003, 250). Dass es sich zudem um einen Ritterroman handelt, während die anderen Texte Novellen sind, soll nicht weiter stören, haben wir es doch in beiden Fällen mit narrativer Prosa zu tun.21 Im Unterschied zu den anderen Quellen zeichnet sich das Decameron durch eine latinisierende Kunstprosa aus. Da Boccaccios Hauptwerk aber die weitere Entwicklung des literarischen Italienisch beträchtlich beeinflusst hat (cf. Manni 2003, 298), wurde dieses trotzdem in das Korpus aufgenommen. Um stilistische Faktoren, die die Syntax beeinflusst haben könnten, auszuschließen, wurden hinsichtlich der Objektvoranstellung nur Strukturen in Verbindung mit Subjektinversion berücksichtigt, d. h. Sätze, in denen das Verb nicht am Ende steht. Migliorini (1996, 194) bemerkte nämlich: «il verbo alla fine della proposizione […] alle volte è semplicemente un relitto di usi retorici, alle volte è usato dal Boccaccio, consciamente o inconsciamente, per ottenere un effetto sintetico: passare rapidamente sul resto per giungere all’atteso verbo finale.» Ebenfalls von der Untersuchung ausgeschlossen sind die lyrischen Stellen, da man nicht wissen kann, in welchem Umfang der Reim und das Metrum eine Rolle gespielt haben könnten (cf. Wehr 2007, 478). Die altitalienische Erzählprosa, in der die Wortstellung bei der Satzverknüpfung eine besondere Rolle spielt, eignet sich gut für eine pragmatische Untersuchung der Syntax. Im vorliegenden Korpus wird außerdem die direkte Rede häufig verwendet, der aufgrund ihrer Nähe zum Gesprochenen bei der Untersuchung von Topic- und Focus-Markierungen im Geschriebenen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Auf die vielversprechende Anwendung von pragmatischen Methoden auf ältere Prosatexte hatte bereits Dardano (1995, 23, 29s. und 33–35) hingewiesen. Auf das Vorkommen gesprochener Merkmale im Altitalienischen (nicht nur in der Erzählkunst) wurde in der Sekundärliteratur (z. B. bei D’Achille 1990a; weitere Literaturhinweise bei Dardano 1995, 34, Anm. 28) öfters aufmerksam gemacht. Dass die hier ausgewählten Texte oft Gegenstand von syntaktischen Untersuchungen waren, soll schließlich den Vergleich zwischen den verschiedenen Studien ermöglichen. Es handelt sich also um ein kleines homogenes Korpus, das sich von den umfangreichen Korpora anderer syntaktischer Studien wie D’Achille (1990a) oder Fesenmeier (2003) erheblich unterscheidet. Wie aber Pusch (1980, 60) bemerkt hat, besteht der Vorteil eines kleinen Korpus darin, dass man sich die Beispiele im jeweiligen Kontext besser einprägen kann, während eine größere

21 Bei Fesenmeier (2003) wird jedoch zwischen Erzählung (racconto) und Ritterroman (romanzo cavalleresco) getrennt.

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3 Zur Korpusbeschreibung

Datenmenge unter Umständen das Erkennen gewisser Zusammenhänge erschweren könnte. Um die Lesbarkeit der Beispiele zu erleichtern, erfolgt die Angabe der direkten Rede, die sich von Herausgeber zu Herausgeber unterscheidet, immer in Anführungszeichen. Auslassungen im Text werden durch […] gekennzeichnet. Die Beispiele werden, auch bei Wiederholungen, durchnummeriert.

4 Topic-Markierung im Altitalienischen Zur Topic-Markierung gibt es verschiedene Kennzeichnungsmittel, syntaktischer und nicht syntaktischer Art. Zu den nicht syntaktischen Verfahren gehören (nach Wehr 2007, 481s.) sprachliche Formeln wie al presente contaremo di («Et al presente contaremo di misser Tristano», Tav II, 74), Topic-Marker wie quanto a/di oder di («Quanto di cotesto, non fate voi cortesia di ricordarlo ora», Tav CI, 420) und die Passivierung (cf. Wehr 1995, 12–20, mit Beispielen aus dem Altitalienischen auf S. 17). Zu den syntaktischen Mitteln, die im Zentrum der vorliegenden Studie stehen, zählen sowohl Wortstellungsphänomene wie die Objektvoranstellung (OTOP – V) als auch Segmentierungen des Satzes wie das Left Detachment (LD), die Prolepse (insbesondere des Subjekts) und das Right Detachment (RD).

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V) Um im Altitalienischen ein Objekt als Topic zu markieren, genügt es, dieses dem Verb voranzustellen: OTOP – V. Eine korreferentielle Reprise durch ein klitisches Pronomen wie im Neuitalienischen ist fakultativ und seltener.1 Vorangestellt können alle vom Subjekt verschiedenen Konstituenten vorkommen. Um das Untersuchungsmaterial jedoch nicht unnötig zu belasten, beschränkt sich das folgende Kapitel auf das direkte Objekt in Hauptsätzen (Ausnahmen vorbehalten). Unter Objektvoranstellung wird hier also eine Konstruktion verstanden, in der ein direktes Objekt seine kanonische Stellung (V – O) verlassen hat und vor das Verb gerückt ist, wobei es nicht unbedingt in Initialposition zu stehen pflegt (andere Wortstellungen sind möglich, etwa X – O – V oder O – X – V). Ein vorangestelltes bzw. präverbales Objekt am absoluten Satzanfang wird «Initialobjekt» genannt.2 OTOP – V ist nicht mit der syntaktisch-formal identischen focusmarkierenden Objektvoranstellung (OFOC – V) zu verwechseln, auf die wir erst in Kap. 5.2 zu sprechen kommen werden. Im Gesprochenen werden beide Konstruktionstypen durch die Prosodie auseinandergehalten, die im Geschriebenen auf-

1 Bei der pronominalen Wiederaufnahme von Initialobjekten handelt es sich um die Left Detachment-Konstruktion (LD), auch «dislocazione a sinistra» genannt. Cf. dazu Kap. 4.2. 2 Der Begriff «Voranstellung» sowie «Prolepse», «Inversion», «links», «rechts» usw. werden aus praktischen Gründen verwendet und implizieren keine Bewegung oder Transformationsregel. https://doi.org/10.1515/9783110614114-004

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

grund des Kontexts zu rekonstruieren ist (cf. Wehr 2000, 241).3 Einem Vorschlag Vanellis (1999, 236s.) zufolge lässt sich OTOP – V mittels eines LD oder einer Passivkonstruktion im Neuitalienischen übertragen. Dieser Übersetzungstest ist aber problematisch, denn das LD und das Passiv im Neuitalienischen können Bedingungen unterliegen, die nicht für OTOP – V im Altitalienischen gelten. Er kann daher nicht als Garantie für die pragmatische Funktion des präverbalen Objekts in Betracht gezogen werden. Nach Fesenmeier (2003, 30s.) ist die Identifizierbarkeit des Objektreferenten eine unerlässliche Voraussetzung für seine Topic-Funktion (bei ihm «tema»). Ideale Topic-Anwärter sind folglich definite NP oder Elemente, die etwa mittels eines Demonstrativpronomens anaphorisch auf den Vortext verweisen, aber auch deiktische Demonstrativa können auf eine Topic-Funktion hinweisen (cf. Wehr 2007, 479s.). Als Unterscheidungskriterium ist der Parameter der Identifizierbarkeit jedoch nicht ausreichend, denn auch Focus-Elemente können +IDENT sein (cf. etwa Bsp. 332s.). Bei O – V im Geschriebenen stellt sich immer die Frage, ob das Objekt aus pragmatischen oder eher stilistischen Gründen vorangestellt wird. OTOP – V lässt sich jedoch äußerst schwer von einer stilistisch bedingten Objektvoranstellung unterscheiden, zumal das präverbale Objekt in beiden Fällen eine Topic-Funktion aufweisen kann bzw. die syntaktische Markierung immer eine Markierung auf pragmatischer Ebene nahelegt. Beide Interpretationen schließen sich m. E. nicht aus, sie können sogar komplementär sein, etwa wenn aus komparativen Gründen zwei Topics parallel (Typus O – V, O – V) oder chiastisch (Typus O – V, V – O) gegenübergestellt werden (cf. unten Bsp. 44–51). In latinisierender Kunstprosa ist jedoch davon auszugehen, dass die stilistische Funktion eine größere Rolle gespielt hat. Deshalb wurden vorsichtshalber in Boccaccios Decameron, das für seine latinisierende Syntax bekannt ist (cf. Manni 2003, 308–314), nur Objektvoranstellungen berücksichtigt (Ausnahme vorbehalten), bei denen das Subjekt in postverbaler Position steht (Typus: O – V – S); cf. oben S. 31. Hier kann ein Einfluss des Lateins auf die altitalienische Syntax ausgeschlossen werden, denn die Subjektinversion stellt ein typisches Merkmal romanischer Syntax dar (cf. Segre 1963, 173).4

3 In generativen Ansätzen wie Benincà (2006, 64–67) und Poletto (2014, 8–11) wird allerdings eine einzige Konstruktion angenommen. Dort heißt es, dass das präverbale Objekt unabhängig von seiner pragmatischen Funktion (Topic oder Focus) in derselben syntaktischen Position («Operator»- oder «Focus»-Position genannt) steht. Zieht man hingegen prosodische und pragmatische Faktoren heran wie im vorliegenden Ansatz, so sind es doch zwei verschiedene Konstruktionen, mit denen wir es zu tun haben. 4 Dies bedeutet nicht, dass alle in der Kunstprosa nachgewiesenen O – V-Stellungen auf lateinischen Einfluss zurückzuführen sind. Segre (1963, 171) bemerkt hierzu in Bezug auf das Sub-

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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Fesenmeier (2003, 42s.) zufolge zielten einige O – V-Stellungen darauf ab, die Endposition frei und für eine andere Konstituente, die dadurch betont werden könne, verfügbar zu machen. Die Endposition transportiere ja wichtige Informationen und sei daher für Hervorhebungszwecke geeignet. Analog zur «prominenza della prima posizione» bei Vanelli (1999) gebe es, so Fesenmeier, auch eine «posizione prominente finale» (2003, 43; auch 331s.). So einleuchtend diese These auch sein mag, stellt sie uns vor das Problem, dass man abermals nicht wissen kann, welche von beiden Funktionen (Topic-Markierung des Objekts oder Hervorhebung des letzten Satzelements) primär ist. Auf dieses Problem soll im Kapitel über die Subjektinversion in Bezug auf den Typus OTOP – V – SFOC näher eingegangen werden (cf. Kap. 5.3.4). Laut Vanelli (1999, 236) ist OTOP – V möglich, sofern der Objektreferent einen Bezug zum Vortext aufweist, entweder weil er explizit vorerwähnt, also –NEU, oder aus dem Kontext erschließbar («ricavabile»), also +NEU, aber +IDENT ist. Ist ein vorerwähnter Referent bereits Topic, liegt Vanelli zufolge Topic-Kontinuität vor. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob OTOP – V auch ohne Bezug zum unmittelbaren Vortext möglich ist und zum abrupten Topic-Wechsel eingesetzt werden kann. Bei Nicolosi (2012a, 117) werden drei Hauptfunktionen von OTOP – V bezüglich der Diskursfunktion festgestellt: I Topic-Erstverwendung5 (das Topic wird zum ersten Mal verwendet) II Topic-Bestätigung (ein aktuelles Topic wird beibehalten) III Topic-Reetablierung (ein nicht mehr aktuelles Topic wird als Topic reetabliert). Im Folgenden wird an den dort verfolgten Ansatz angeknüpft (mit einigen Modifikationen, cf. 4.1.2); zunächst wird aber der Objektreferent hinsichtlich seiner Identifizierbarkeit untersucht.

4.1.1 Identifizierbarkeit des Objektreferenten Im Allgemeinen ist man der Meinung, dass ein Konzept «gegeben» sein muss, um als Topic fungieren zu können. Diese Annahme kann in Bezug auf das vorangestellte Objekt in der Konstruktion OTOP – V dann bestätigt werden,

jektpronomen: «[P]er la possibilità di sottintendere il pronome soggetto, moltissimi esempi dell’ordine Oggetto + Verbo, sia in Guittone che in altri autori, non sono da attribuire ad influsso latino, ma da mettere nella categoria delle inversioni (cioè l’ordine non è [Soggetto] + Oggetto + Verbo, ma Oggetto + Verbo + [Soggetto]).» Cf. hierzu auch Nicolosi (2016, 42). 5 Terminus nach Ewert-Kling (2010, 154).

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

wenn mit «gegeben» «identifizierbar», also +IDENT gemeint ist. Die folgenden Beispiele sollen veranschaulichen, auf welche Weise ein Topic, wenn es als satzinitiales Objekt kodiert ist, +IDENT sein kann. Besonders bei nicht vorerwähnten, also +NEUEN Konzepten stellt sich die Frage, worauf ihre Identifizierbarkeit beruht. 1. Der Objektreferent ist +IDENT, wenn er im Vortext erwähnt, also –NEU ist. Die Korreferenz kann u. a. durch lexikalische Wiederholung erfolgen: (13) […] chè sapere dobbiamo, ch’elle sono due grazie principali; e l’una si è grazia gratis data, e l’altra si è grazia rimunirata. La grazia rimunirata riceve ogni persona […] (Tav CIX, 448). (14) E allora […] soccorre la donzella; e Bordo uccise il cavaliere che la menava, e la donzella lascia andare a sua via (Tav CXVIII, 477). oder durch ein anaphorisches Demonstrativpronomen: (15) «[…] e appresso, voi lo farete mettere nella prigione nella grande sala dello palagio, e quella serrerete bene, e le chiavi voi vi terrete appresso di voi» (Tav LXXXVII, 354). (16) Aveva costei nella casa, ove il bagno era, una camera oscura molto […]. Questa, secondo l’amaestramento di Ricciardo, acconciò la buona femina […] (Dec III, 6, 24). (17) […] disse alla donna che tosto trovasse uno orciuolo; e quello empié ben mezzo (Tre CLXVII, 7). 2. Die Kenntnis des Objektreferenten lässt sich aus einem vorerwähnten, selbst +IDENT Konzept ableiten. Nach Prince (1981a, 236 und 1992, 304) ist die Kenntnis eines Konzepts ableitbar («Inferrable»),6 wenn sich diese nach Meinung des Sprechers aus logischen oder plausiblen Gründen aus dem zuvor Gesagten erschließen lässt: A discourse entity is Inferrable if the speaker assumes the hearer can infer it, via logical – or, more commonly, plausible – reasoning, from discourse entities already Evoked or from other Inferrables (Prince 1981a, 236).

Der Informationswert von «abgeleiteten Konzepten»7 ist umstritten: Prince (1992, 304–307) kann sich nicht entscheiden und führt sie deshalb neben Hear6 Auch inferable mit einem einzigen -r (cf. Oxford Dictionary of English, s. v. infer). 7 Hierbei handelt es sich um eine terminologische Vereinfachung: Die Kenntnis eines Konzepts ist ableitbar, nicht das Konzept.

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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er-new/Hearer-old (hier +/–IDENT) und Discourse-new/Discourse-old (hier +/–NEU) als dritten Status auf. Birner/Ward (1998, 179s.), die sich auf Prince beziehen, betrachten sie jedoch als –NEU, Meier (2008, 57) und Ewert-Kling (2010, 173) hingegen als +NEU. Da derartige Konzepte nicht explizit vorerwähnt sind, werden sie in der vorliegenden Arbeit ebenfalls als +NEU angesehen. Es stellt sich nur noch die Frage, welcher Art diese logische bzw. plausible Schlussfolgerung sein kann. Eine Auflistung von inferenzfähigen Relationen findet sich bei Birner (2013, 254s.). Darunter versteht sie sowohl hierarchische Relationen (set/subset, part/whole, type/subtype)8 als auch auf sonstigen Assoziationen beruhende Relationen wie Entität-Attribut, Zugehörigkeitsverhältnisse, enzyklopädische Relationen unter anderen.9 Im Folgenden werden einige signifikante Beispiele angeführt: (18) Et chome li venne in pensiere, chosì fece: prese vivanda per sè quanta li fu bisognio, et poi tutta l’altra avelenoe; et cosìe la portoe a questi suoi conpagni (Pan32 CXLIX, 183). (19) Fu adunque uno tristo ricco di ben ventimila fiorini, il quale ebbe nome Antonio (il sopranome non voglio dire, per onore de’ suoi parenti) […] (Tre CXLVII, 3). (20) E venendo il terzo giorno che Tristano torna nel bagno, vennegli lasciata aperta la sua camera per dimenticanza, e la sua spada lasciò sopra lo letto suo ov’egli dormia […] (Tav XXIII, 140). (21) La moglie li venne incontro con grande festa, e disse: «Bene vengnia lo singnore mio, che novelle?» Ercole rispuose: «Io vegnio dalla foresta; e tutte le fiere bestie ò trovate piú humile di te: ché tutte l’òe sog‹i›ochate e vinte, quelle che io òe trovate» (UrNov 68, 6). (22) [Tristan zerreißt seine Kleidungen in Fetzen:] E continuo egli andava ignudo; perchè, com’egli aveva i vestimenti, così súbito egli tutti gli squarciava, e’ pezzi gittava via […] (Tav LXXI, 291). In Bsp. (18) steht der Objektreferent tutta l’altra in einer Teil-Ganzes-Relation zum Vortext (eine Gesamtmenge an Proviant wird aufgeteilt). In Bsp. (19) steht 8 Bei set/subset und part/whole handelt es sich um partitive Relationen (auch Meronymie, Teil-Ganzes- bzw. Teil-von-Relation genannt), während type/subtype (Hyperonymie und Hyponymie) eine taxonomische Relation ist. 9 Unter «inferentieller Relation» versteht Birner (2013, 254s.) auch Phänomene wie lexikalische bzw. referentielle Identität und Synonymie. Lexikalische Wiederholungen, korreferentielle NP und Synonyme fallen aber in der vorliegenden Arbeit in die Kategorie der Vorerwähnung.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

il sopranome ‘Familienname’10 dem vorerwähnten Konzept nome ‘Taufname’ gegenüber. Beide sind dem Oberbegriff ‘Name einer Person’ untergeordnet. Es liegt eine taxonomische Relation (Hyponymie) vor. In Bsp. (20) besteht aufgrund des Possessivpronomens sua ein Zugehörigkeitsverhältnis. In Bsp. (21) stellt der Objektreferent tutte le fiere bestie ein Attribut (Wesensmerkmal) von foresta dar. In Bsp. (22) lässt sich der Objektreferent pezzi (hier: ‘Fetzen’) aufgrund der Kenntnis, die man von der Welt hat, leicht erschließen (wenn man Kleider zerreißt, bleiben nur Fetzen übrig). 3. Der Objektreferent kann auch aufgrund der Situation +IDENT sein, was sich in erster Linie in Dialogen (sprich fiktiven Gesprächen) beobachten lässt. Im folgenden Beispiel bezieht sich der Sprecher mittels eines Demonstrativpronomens auf seine verstümmelten Hände. Da der zitierte Redebeitrag das Gespräch eröffnet und der Objektreferent somit auf der Protagonistenebene erstmalig genannt wird, kann dem Demonstrativ eine deiktische Funktion beigemessen werden. Ebenfalls denkbar ist, dass der Sprecher auf seine verstümmelten Hände zeigt, indem er sie hochhält (Hammarströms δ-Ebene; cf. Abb. 1, S. 10): (23) Avea [messer Ridolfo] mandato un fante con lettere e, preso da un suo nimico, gli fe’11 tagliare le mani. E tornando al detto messer Ridolfo con le mani mozze, disse: «Signor mio, questo ho aúto per voi.» Ed elli rispose: «A l’abottonare te n’avedrai, se l’avrai aúto o per te o per me» (Tre XLI, 22). Im nächsten Beispiel verweist das Initialobjekt auf das unmittelbar zuvor Geschehene, wahrscheinlich weil sich die Lage, in der sich der Sprecher augenblicklich befindet (er hat eben jemanden erschlagen), als Topic aufdrängt. Auf der Protagonistenebene hat das Demonstrativ eine deiktische Funktion, selbst wenn es aus der Sicht des Lesers als anaphorisch interpretiert werden kann: (24) [König Mark bringt Mariadocco um:] Ed essendo al piano, egli truova gli suoi baroni, e torna a Tintoille e làe ov’egli truova Mariadocco, per tale ch’egli lo fiere d’uno stocco, ed ebbelo tantosto morto, e disse: «Ciò vi foe io per lo malvagio e disliale consiglio che donate m’avete incontro a mia bella dama Isotta e mio leale nipote Tristano» (Tav LXVII, 283).

10 Im alten Sinn des Wortes (cf. GDLI, s. v. soprannome, 2). 11 Cf. Marucci (1996, 133, Anm. 1): «Il sogg[etto] è, con comune salto logico di tipo popolaresco, ‹il nimico›.»

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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4. Ebenso stellt sich ein Konzept als +IDENT dar, wenn der Sprecher dessen Kenntnis beim Gegenüber aufgrund des permanenten Repertoires,12 d. h. der Kenntnis der Welt inklusive des engeren Lebensbereichs, voraussetzen kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Objekt-NP auf einen Ort verweist, der dem allgemein gebildeten Leser/Zuhörer des Mittelalters bekannt sein sollte wie Reggio im folgenden Beispiel: (25) Cremona, che in questo modo ne erano signori li Puncioni; Parma che la signoreggiavono li Rossi; Reggio signoreggiava‹no› quelli da Fogliano; e Modena detta gli Pigli, come detto è (Tre CCI, 13). Das Konzept Reggio wird hier erstmalig genannt und kann als +IDENT aufgrund seines Vorhandenseins im permanenten Repertoire angesehen werden. Da das Paragraph Topic hier tutte le terre venute a signore o a distruzione (Tre CCI, 12) ist bzw. im Vortext weitere italienische Stadtnamen erwähnt werden, kann aber auch jemand, dem Reggio unbekannt ist, aus dem zuvor Gesagten schließen, dass es sich um eine Stadt in Italien handeln muss. Klare Fälle von präverbalen Objekten, die aufgrund des permanenten Repertoires +IDENT sind, kommen im untersuchten Korpus selten vor. 5. Die Identifizierbarkeit eines Konzepts kann auch nachträglich hergestellt werden, z. B. mittels einer präpositionalen Fügung wie in Bsp. (26) oder eines restriktiven Relativsatzes wie in Bsp. (27) und (28): (26) E stando uno poco, Breus venne in fra gli due cavalieri e sì gli domanda di loro nome; e Astore disse: «Bell’oste, il nome di questo cavaliere no’ potete voi sapere ora; ma io per nome sono appellato Astore di Mare» (Tav CXXIV, 494). (27) [Überschrift der Novelle:] Gian Sega da Ravenna con nuova astuzia ha a far con una giovane giudea; e tutti li giudei che sono con lei fa entrare in uno necessario (Tre CXC, 1).13 (28) [Es ist von zwei Broten die Rede:] […] et quello dov’era la moneta desse a cholui che dicea che il Re vincerebbe; et l’altro pane, ove nonn’era la moneta, desse a quelli che dicea, sarà che Dio vorrà (Pan32 CXLVII, 174). Hierbei handelt es sich um Fälle, die bei Prince (1981a, 236 und 1992, 307s.) als «Containing Inferrables» bezeichnet werden, weil sich ihre Kenntnis aus 12 Cf. Anm. 43, S. 23. 13 [H]a a far: «ha rapporti carnali» (Marucci 1996, 642, Anm. 1); necessario: «cesso, pozzo nero» (Marucci 1996, 642, Anm. 2).

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

einem +IDENT Konzept erschließen lässt, dieses aber nicht im Vortext zu suchen ist wie bei den «Inferrables», sondern innerhalb der NP selber (cf. Prince 1992, 307). So hängt die Identifizierbarkeit von il nome in Bsp. (26) vom Attribut di questo cavaliere ab, die von li giudei in Bsp. (27) von lei und die des anaphorischen Demonstrativs quello (für ‘quello pane’) in Bsp. (28) von la moneta.14 Ohne nachträgliche Spezifizierung wäre der jeweilige bezeichnete Referent nicht identifizierbar. Dabei kann es sich durchaus um ein vorerwähntes Konzept handeln, der Punkt ist aber, dass es im Augenblick der Äußerung aus verschiedenen Gründen weiterer Angaben bedarf, um +IDENT zu sein. In Bsp. (26) und (28) dient die Nominalerweiterung beispielsweise jeweils der Disambiguierung zwischen zwei konkurrierenden Referenten: dem Namen des unbekannten Ritters und dem von Astore di Mare in Bsp. (26), den beiden Broten in Bsp. (28). Besonders deutlich ist dies in Bsp. (28), in dem der anaphorische Bezug von quello erst durch den Zusatz dov’era la moneta klar wird. Man vergleiche l’altro pane, ove nonn’ era la moneta, wo der Relativsatz eine appositive Funktion hat und daher zur Herstellung des referentiellen Bezugs nicht nötig ist. In Bsp. (27) besteht die Funktion des restriktiven Relativsatzes darin, die Bedeutung des Antezedens einzuschränken. Im folgenden Beleg liegt ein restriktiver Relativsatz mit einem kataphorischen Demonstrativ als Antezedens vor: (29) Dicea Ribi: «Doh, messer lo cavaliere, noi venghiamo dalle nozze e siamo caldi;15 quello che noi diciamo, diciamo per sollazzare» (Tre XLIX, 8). Bsp. (29) stellt einen Sonderfall dar. Streng gesehen wird hier kein Demonstrativ nachträglich spezifiziert, sondern das Determinativ zusammen mit dem restriktiven Relativsatz ist referentiell: Quello, das semantisch weitestgehend leer ist, verweist nicht anaphorisch auf ein vorerwähntes Konzept, sondern kataphorisch auf den nachfolgenden Relativsatz, dem quello hauptsächlich als «Andockpunkt» dient. Quello/ciò che-Sätze werden oftmals für Referenten verwendet, für die die Sprache kein Substantiv bereitstellt. Im vorliegenden Fall verweist der quello che-Satz beispielsweise auf eine vorerwähnte Proposition. Von quello che gibt es auch eine menschliche (+HUM) Variante, nämlich colui/ colei/coloro che.16

14 Die Beispiele bei Prince (1992, 307) lauten: «[t]he door of the Bastille» und «[t]he pages of that book I bought». 15 [C]aldi: «eccitati, brilli» (Marucci 1996, 147, Anm. 4). 16 Zu Relativsätzen mit einem Demonstrativpronomen als Antezedens im Italienischen cf. De Roberto (2010, 29–35).

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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Voranstellungen von nachträglich spezifizierten Objekt-NP kommen selten vor, und noch seltener sind diejenigen, die auf ein +NEUES Konzept verweisen. Wie in Kap. 4.2 gezeigt werden soll, ist die klitische Reprise in solchen Fällen tendenziell obligatorisch.

4.1.2 Topicmarkierende Funktionen von OTOP – V Im vorhergehenden Kapitel wurde OTOP – V im Hinblick auf die Identifizierbarkeit des präverbalen Objekts untersucht. Im vorliegenden Kapitel soll die Objektvoranstellung in ihrer Eigenschaft als topicmarkierende Konstruktion herausgestellt werden. Neben dem Informationswert im Diskurs (+/–NEU) spielt hier vor allem die Tatsache eine Rolle, ob der Objektreferent im Vortext bereits Topic (TOP) war oder nicht (NONTOP). Es wurden vier Hauptfunktionen festgestellt: I Topic-Bestätigung (ein unmittelbar vorerwähntes Topic wird beibehalten), II Topic-Reetablierung (ein nicht unmittelbar vorerwähntes Topic wird reaktiviert), III Topic-Hervorholung (ein vorerwähntes Konzept, das noch nicht Topic war, wird zum Topic befördert) und IV Topic-Etablierung (ein nicht vorerwähntes Konzept wird als Topic gesetzt).17 Topic-Bestätigung 18 Ist der Objektreferent unmittelbar vorerwähnt (–NEU) und bereits Topic (TOP), dient OTOP – V zur Beibehaltung des aktuellen Diskurstopics, was sich besonders gut in Frage-Antwort-Sequenzen beobachten lässt: Das, worüber etwas erfragt wird, wird dabei in der Antwort wieder aufgegriffen, mittels OTOP – V markiert und somit in seinem Topic-Status bestätigt:

17 Bei Nicolosi (2012a, 117–119) sind Topic-Etablierung und Topic-Hervorholung unter dem Terminus Topic-Erstverwendung («attivazione di topic») zusammengefasst (cf. auch hier S. 35). Da es sich bei der Topic-Hervorholung im Gegensatz zur Topic-Etablierung um die Markierung vorerwähnter Konzepte handelt, werden beide Funktionen hier separat behandelt. 18 Cf. Wehr (1994, 622) in Anlehnung an Barnes (1985, 92); Dudtenhöfer (2000, 193s.); Meier (2008, 49, 111–113 und 226–231); Ewert-Kling (2010, 184–190 und 235–238; bei ihr «Topic-Kontinuität» genannt). Der Begriff der «Topic-Kontinuität» wird in der vorliegenden Arbeit dem Normalfall des Erzählens vorbehalten, wobei das Topic pronominalisiert (oder nicht ausgedrückt) und nicht markiert wird. «Topic-Bestätigung» bezeichnet hingegen eine topicmarkierende Funktion.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

(30) [Gespräch zwischen Giuffredi, alias Giannotto, und dem Gefängniswärter:] Seguí il prigioniere: «E chi fu tuo padre?» «Il mio padre» disse Giannotto «posso io omai sicuramente manifestare, poi nel pericolo mi veggio il quale io temeva scoprendolo. Egli fu chiamato e è ancora, s’el vive, Arighetto Capece […]» (Dec II, 6, 45s.). (31) [Gespräch zwischen Zinevra, alias Sicuran, und Ambruogiuolo über eine Tasche und einen Gürtel:] A cui Sicuran disse: «Deh, se Idio ti dea buona ventura, se egli non è disdicevole diccelo come tu le guadagnasti.» «Messere,» disse Ambruogiuolo «queste mi donò con alcuna altra cosa una gentil donna di Genova chiamata madonna Zinevra, moglie di Bernabò Lomellin, una notte che io giacqui con lei, e pregommi che per suo amore io le tenessi […]» (Dec II, 9, 52s.). Topic-Reetablierung Wenn der Objektreferent im zuvor Gesagten bereits Topic (TOP) ist, seine letzte Erwähnung aber eine Zeitlang im Diskurs zurückliegt, so dass die Topic-Kontinuität unterbrochen wurde, liegt eine Funktion vor, die «Topic-Reetablierung» genannt wird.19 Laut Thörle (2000, 217) bleibt dabei jedoch meistens unklar, ob die Sprecher das Topic nochmals markieren, um es als solches zu bestätigen, oder ob sie das jeweilige Konzept als Topic ‹reetablieren›, weil sie den Topic-Status, etwa nach einer Digression, nicht mehr für gewährleistet halten.

Das Problem ist also, wie weit die Vorerwähnung zurückliegen muss, damit von Topic-Reetablierung gesprochen werden kann. Im Folgenden wird diese Diskursfunktion daher nur für Fälle nicht unmittelbar vorerwähnter Topics verwendet, während die der Topic-Bestätigung unmittelbar vorerwähnten Topics vorbehalten sein wird. Um die Funktion der Topic-Reetablierung veranschaulichen zu können, muss man weiter im Text zurückschauen, als es für die Topic-Bestätigung nötig ist. Die folgenden Beispiele werden deshalb mit mehr Kontextangabe als sonst angeführt: (32) [Ein Abt muss den Stadtherrscher von Mailand über vier unmögliche Dinge aufklären; als er verzweifelt in die Abtei zurückkommt, fragt ihn einer seiner Müller:]

19 Cf. Meier (2008, 50, 113–115 und 231–234); Ewert-Kling (2010, 190–193 und 238–240). Bei Wehr (1994, 622) und Dudtenhöfer (2000, 194s.) unter «Topic-Wiederverwendung» zu finden.

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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«Signor mio, che avete voi che voi soffiate cosí forte?» Rispose l’abate: «Io ho ben di che, ché ’l signore è per darmi la mala ventura se io non lo fo chiaro di quattro cose, che Salamone né Aristotile non lo potrebbe fare.» Il mugnaio dice: «E che cose son queste?» L’abate gli lo disse. Allora il mugnaio, pensando, dice all’abate: «Io vi caverò di questa fatica, se voi volete.» […] «O che modo terrai?» disse lo abate. Allora rispose il mugnaio: «Io mi voglio vestire la tonica e la cappa vostra e raderommi la barba, e domattina ben per tempo anderò dinanzi a lui, dicendo che io sia l’abate; e le quattro cose terminerò in forma ch’io credo farlo contento» (Tre IV, 7–11). (33) [Tristan ist auf der Isola della Malvagia Usanza gefangen; er besiegt den Herrscher der Insel Brunoro und muss dem Brauch der Insel nach Brunoro und seiner Gattin den Kopf abschlagen und Isolde heiraten:] […] e disse Tristano loro: «Signori, sono io ora dilivero di vostra prigione?» Ed e’ rispuosono che non, fino a tanto ched e’ non tagliasse la testa a Brunoro e alla sua dama, «e sposare la vostra dama per mogliere; però che questa si è l’usanza della isola, che lo più pro’ cavaliere dee avere la più bella dama.» E Tristano rispuose: «Signori, in niuna maniera io farei tale viltà nè tanta villania […].» Ed egli dissono: «Certo, cavalier, sacciate certanamente che altro non puote essere; imperò che per te noi non vogliamo affalsare nostra usanza. E se questa donzella fosse vostra figliuola, ancora per certo sì ve la converrebbe sposare. Poi, voi appresso siete savio; farete quello che ve ne piaceràe di fare: chè da indi in làe noi non ce ne abbiamo a travagliare. Ma questa usanza che è stabilita cosìe quie, per tale cosìe vi conviene osservare» (Tav XXXVII, 182). In Bsp. (32) greift die vorangestellte Objekt-NP le quattro cose nach einer langen Unterbrechung den Gegenstand der zuvor gestellten Frage «che cose son queste?» erneut auf, womit dieser als Topic reetabliert wird. In Bsp. (33) erinnern die Sprecher zunächst an den Brauch der Insel, dann, nachdem sich Tristan ein weiteres Mal geweigert hat, diesem nachzukommen, beteuern sie von Neuem, dass Tristan diesem Brauch nicht entkommen kann, wobei sie questa usanza mittels OTOP – V als Topic reetablieren. In beiden Fällen dient die TopicReetablierung jeweils dazu, zum Abschluss des Gesprächs das eigentliche Diskurstopic noch einmal klarzustellen (cf. dazu Thörle 2000, 218). Die Unterbrechung der Topic-Kontinuität muss nicht immer weit im Text zurückliegen. Auch nach einer kurzen Aussetzung kann es sich als notwendig erweisen, ein –NEUES Konzept als Topic zu reetablieren:

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

(34) Antonio Pucci avea una casa dalle fornaci della via Ghibellina e là avea uno orticello che non era a pena uno staioro;20 e in quello poco terreno avea posto quasi d’ogni frutto e spezialmente di fichi, e aveavi gran quantità di gelsomino; ed eravi uno canto pieno di querciuoli e chiamavalo la selva. E questo cosí fatt’orto con le proprietà sue avea messo il detto Antonio in rima in capitolo, come Dante; e in quello trattava di tutti li frutti e condizioni di quell’orto, né piú né meno come se fosse ubertoso, come la piazza di Mercato Vecchio di Firenze, della quale già mise in rima tutte le sue condizione, magnificandola sopra tutte le piazze d’Italia (Tre CLXXV, 3s.). Die Diskurstopics in Bsp. (34) sind zugleich Antonio Pucci und sein Garten.21 Nachdem über ein kurz zuvor eingeführtes Konzept, uno canto pieno di querciuoli, etwas mitgeteilt wurde (cf. e chiamavalo la selva), reetabliert der Erzähler mittels OTOP – V Puccis Garten, questo cosí fatt’orto, als Topic. Topic-Hervorholung Bei der Topic-Bestätigung bzw. -Reetablierung ist das markierte Konzept im Vortext bereits Topic. OTOP – V kann aber auch dazu verwendet werden, um ein –NEUES Konzept, das noch keinen Topic-Status (NONTOP) hatte, zum Topic zu befördern. Diese Funktion lässt sich mit Wehr (1984, 15 und 1994, 622) als «Topic-Hervorholung» bezeichnen:22 (35) Anche la Savia Donzella aveva fatta quella torre e quello abituro in tale valle del diserto, che niuna persona vi poteva andare se non per uno picciolo sentiere; e quello ricopriva con piantature spinose per tal modo e sì bene, che lo sentiero non si vedeva nè non se ne sapeva altri accorgere (Tav XII, 102). (36) David si partí con quattro fiorini e andossi tanto agirando che truovò uova di serpi e quelle divise per metà, mettendole in due bocciuoli di canna con altre cose miste […] (Tre CCXIX, 9).

20 [S]taioro: «terreno che si poteva seminare con uno staio [Scheffel] di grano, pochi metri quadri» (Marucci 1996, 586, Anm. 5). 21 Wenn der Garten im Vortext nicht als Subjekt erscheint, liegt es offenbar daran, dass er ein –BELEBTES Konzept darstellt und mit einem +BEL Diskurstopic, Antonio Pucci, konkurriert (cf. dazu Wehr 1984, 4–6). Ohne Zweifel wird hier aber sowohl über Pucci als auch über seinen Garten gesprochen. 22 Cf. auch Dudtenhöfer (2000, 195s.); Thörle (2000, 216s. und 221s.); Meier (2008, 50–52, 115– 125 und 234–237); Ewert-Kling (2010, 165–173 und 229–232).

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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In Bsp. (35) und (36) wird der Objektreferent, der im vorausgehenden Satz erstmalig in den Diskurs eingeführt wurde, jeweils mit Hilfe eines Demonstrativpronomens aus dem Vortext hervorgeholt und mittels einer Voranstellung als Topic markiert (cf. auch Bsp. 15–17). In den vorigen Beispielen ist das markierte Konzept als Nicht-Topic unmittelbar vorerwähnt. Es ist aber auch möglich, ein nicht unmittelbar vorerwähntes Konzept als Topic hervorzuholen. Meier (2008, 51s.) spricht in diesem Fall von «weiter Topic-Hervorholung» (im Unterschied zu «naher Topic-Hervorholung»). Hier ist eine Wiederholung des lexikalischen Ausdrucks im Allgemeinen die Regel, soll das Gegenüber den referentiellen Bezug doch wiederherstellen können: (37) E venendo per caso un giorno che questo Mauro, essendo andato a pescare, avesse preso certi granchi marini – li quali, perché sono molto malagevoli a tenerli, avea messi in uno carniere di rete; e chi ha già veduto li detti granchi, può considerare, veggendo le loro bocche, quanto sono piacevoli quando afferrano altrui –, tornato questo Mauro con la detta pescagione in su la sera, volontoroso e di mangiare e di bere, come incontra a chi usa quell’arte, disse a Peruccia: «Truova modo che io ceni»; e questo carniere da piede puose sul letto […] (Tre CCVIII, 4). Das Initialobjekt questo carniere in (37) bezieht sich auf das zuvor erwähnte Konzept uno carniere di rete (ebenfalls kursiv hervorgehoben), worauf das Demonstrativpronomen anaphorisch zurückverweist. Topic-Etablierung OTOP – V kann nicht nur zur Topic-Markierung von –NEUEN, sondern auch +NEUEN Konzepten dienen, was hier «Topic-Etablierung» genannt wird.23 In diesem Fall muss die Identifizierbarkeit des zu etablierenden Topics sichergestellt werden, was auf verschiedenem Wege geschehen kann, z. B. aufgrund von Ableitbarkeit aus einem vorerwähnten Konzept (Inferenz) oder aufgrund der Situation. Soll die Kenntnis des +NEUEN Topics aus dem Vortext erschlossen werden, was meistens der Fall ist, so hängt das +NEUE Topic thematisch mit dem zuvor Gesagten zusammen (cf. auch Bsp. 18–22):24

23 Cf. Wehr (1994, 622) in Anlehnung an Barnes (1985, 92); Thörle (2000, 216); Meier (2008, 52–56, 125–133 und 238–243); Ewert-Kling (2010, 155–164 und 225–228). 24 Im Unterschied zu Meier (2008, 56–58) und Ewert-Kling (2010, 173–179) wird hier nicht zwischen Topic-Etablierung und «Markierung abgeleiteter Topics» bzw. «Topic-Ableitung» unterschieden. Die Ableitbarkeit eines Konzepts aus einem +IDENT Konzept ist ein kognitiver

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(38) Pietro cavalieri fue grande d’avere, e doventò sie misericordioso che inprima tutto l’avere dispensò alli poveri; e quando ebbe tutto dato, e elli si fece vendere, e lo pregio diede tutto per Dio alli poveri (UrNov 23, 1). (39) E lo re Marco, rivenendo in sè, sì fae prendere la bella Isotta, e falla imprigionare nella mastra torre della città, e le chiavi mantiene appresso di sèe (Tav XLIV, 208). In Bsp. (38) lässt sich lo pregio leicht aus dem Vortext erschließen. (Dass beim Verkauf einer Sache ein Geldbetrag eingenommen wird, gehört zum «Weltwissen».) In Bsp. (39) besteht zwischen dem Objektreferenten le chiavi und dem vorerwähnten la mastra torre eine Teil-von-Relation; le chiavi ist aber auch das Instrument zur Handlung imprigionare. Im folgenden Beispiel beruht die Kenntnis des Objektreferenten l’uscio ebenfalls auf dem im Erzähltext vorerwähnten Konzept una casetta d’una feminella, auf der Protagonistenebene ist sie aber vielmehr aus dem räumlichen Kontext abzuleiten: (40) Uno lo quale ebbe nome Milensius Tale, grandissimo savio in molte iscienzie, e ispezialmente in isterlomía […] albergò una notte in una casetta d’una feminella. La sera quando n’andò a·lletto, disse a quell‹a› femina: «Vedi, donna, l’uscio mi lascia aperto istanotte, perciò che io sono costumato a provedere le stelle.» La femina lasciò l’uscio aperto (UrNov 64, 1–3). Im Vergleich zu Bsp. (38)s. erfolgt die Topic-Etablierung hier also ohne Bezug zum Vortext. Ein Hinweis darauf ist der Diskursmarker vedi, der neben einer turn-übernehmenden Funktion verwendet wird, um die Aufmerksamkeit des Gegenübers auf eine neue Mitteilung zu lenken (cf. Bazzanella 2010, 1344). +NEUE Objektreferenten, die aufgrund der Situation +IDENT sind, sind seltener als «abgeleitete» Topics, kommen aber hin und wieder in Dialogen vor (cf. auch Bsp. 23s.): (41) [Der Kaiser Friedrich bittet einen Bauern um einen Schluck Wein:] Andando lo imperadore Federigho a una caccia con veste verdi, come era

Prozess, der als solcher nicht mit der topicmarkierenden Funktion syntaktischer Konstruktionen verwechselt werden darf. «Topic-Ableitung» stammt ursprünglich von Dudtenthöfer (2000, 196).

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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usato, trovoe uno poltrone in sembiante a piede d’una fontana; e avievi25 istesa una bianchissima tovaglia su l’erba verde, e aveavi suso uno fiascone con vino, e suo mangiare molto pulito. Lo imperadore li chiese bere. Lo poltrone rispuose: «Con che ti darei bere? E questo nappo non ti·pporrai tue a boccha. Se tu ài corno, darotti del vino volontieri» (UrNov 45, 1–5). (42) [Diskurstopic ist die Nichteinhaltung der Kleidervorschriften in Florenz:] Or va [il notaio] piú oltre, truov‹a› molti bottoni portare dinanzi; dicesi a quella che è trovata: «Questi bottoni voi non potete portare»; e quella risponde: «Messer sí, posso, ché questi non sono bottoni, ma sono coppelle; e se non mi credete, guardate, e’ non hanno picciuolo e ancora non c’è niuno occhiello» (Tre CXXXVII, 7). In Bsp. (41) befindet sich der bezeichnete Referent questo nappo ‘Kelch’ im Blickfeld der beiden Gesprächspartner. Denkbar ist auch, dass der Sprecher den Kelch in der Hand hält oder mit dem Finger darauf zeigt.26 In Bsp. (42) weist der Sprecher die Angesprochene auf ihre Knöpfe hin. Das Demonstrativpronomen hat also jeweils eine eindeutige deiktische Funktion. Bsp. (42) ist besonders interessant, denn das Konzept [q]uesti bottoni wird unvermittelt als Topic etabliert, wobei die Sprecheräußerung von der Angesprochenen als Aufforderung aufgefasst wird, sich zu rechtfertigen. Diese greift das Topic anschließend in ihrer Antwort wieder auf, womit es den Status als Diskurstopic erlangt.27 In Bsp. (40) war die Topic-Etablierung von l’uscio durch vedi signalisiert und erschien daher weniger abrupt. In Bsp. (41) ist dagegen zwischen questo nappo und dem Vortext ein deutlicher Bezug zu erkennen: Der Sprecher hat unmittelbar zuvor den Kaiser gefragt, wie er ihm zu trinken geben soll. Damit ist das Problem des Trinkbehälters aufgeworfen, von dem questo nappo einen möglichen Repräsentanten darstellt. Im Folgetext wird mit corno eine weitere Möglichkeit genannt.28

25 Näheres zur Imperfektendung -iè cf. Rohlfs (1968, § 550); Castellani (2000, 323–325); Manni (2003, 38, Anm. 10). 26 Zur Interpretation von questo als deiktischem Demonstrativpronomen cf. auch die Bemerkungen bei Suzuki (2009, 282). 27 Diese Funktion der Topic-Etablierung ex abrupto wird im Neuitalienischen dem LD zugeschrieben; cf. dazu Monzoni (2005, 145s.), die von «disconnected interjection» spricht. 28 Im vorerwähnten Bsp. (42) knüpft der Objektreferent [q]uesti bottoni ebenfalls an das zuvor Gesagte an, cf. molti bottoni im Erzähltext. Auf der Protagonistenebene besteht hier jedoch kein Bezug zum Vortext. Cf. auch Bsp. (40).

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Im folgenden Beispiel ist zumindest auf den ersten Blick ebenfalls kein deutlicher Bezug zum Vortext zu erkennen: (43) [Die Rede ist von Ridolfo:] Le candele della cera facea volgere alla mensa sua capo piede, mettendo di sopra il lato piú grosso della cera verde, dicendo che alli servi suoi volea che toccasse poi il sottile e non a lui; e da questo si cominciorono a fare delle candele mozze29 (Tre XLI, 6). OTOP – V in Bsp. (43) markiert den Beginn eines neuen Erzählabschnitts innerhalb der 41. Novelle der Trecentonovelle und knüpft an eine Reihe von Anekdoten über den Hauptprotagonisten Ridolfo (Texttopic) an. Der Objektreferent le candele della cera, der diesen neuen Absatz thematisch zusammenhält (Paragraph Topic), ist nicht vorerwähnt. Der Vortext (der hier nicht wiedergegeben werden soll) enthält auch keine Hinweise, aus denen dieser abgeleitet werden könnte. Als alltäglicher Gegenstand im Mittelalter gehört der Referent aber dem permanenten Repertoire des Lesers an und ist daher +IDENT. Obwohl das +NEUE Topic in Bsp. (43) auf keinerlei Weise an den Vortext anknüpft, ist dieses dennoch dem Frame ‘Anekdoten über Ridolfo’ (cf. die Überschrift der Novelle: Molte novellette e detti del detto messer Ridolfo […]) untergeordnet. Durch OTOP – V wird le candele della cera sozusagen als Element einer Liste von Diskurstopics präsentiert. Diese Auflistungsfunktion, die neben der alternativen Funktion einen weiteren wichtigen Anwendungsbereich von OTOP – V im Altitalienischen darstellt, wird im folgenden Kapitel diskutiert.

4.1.3 Weitere Funktionen von OTOP – V 4.1.3.1 Komparative Funktion Außer den bisher besprochenen topicmarkierenden Funktionen kann OTOP – V auch aus «kontrastiven» Gründen eingesetzt werden. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine Topic-Markierung; ob das Topic bereits im Vortext vorerwähnt war oder Topic-Funktion hatte, spielt hier jedoch keine Rolle. Hier geht es vielmehr darum, ein Konzept als Topic anzuzeigen, weil es mit einem weiteren vorerwähnten Konzept verglichen werden soll. Je nach Zahl der involvier-

29 [M]ozze: «tagliate a cilindro e non appuntite» (Marucci 1996, 129, Anm. 3). Ridolfo stellte also die Kerzen auf die dünnere Spitze und zündete sie am breiteren Fuß an, damit er am meisten davon profitieren konnte. Den Rest überließ er seinen Bediensteten.

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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ten Konzepte kann zwischen «alternativem Topic» und «Listing Topic» unterschieden werden. Alternatives Topic Alternatives Topic ist verschieden von kontrastivem Focus.30 Im Fall von kontrastivem Focus wählt der Sprecher zwischen zwei Alternativen diejenige aus, die er in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt für die einzig richtige hält, während er die andere explizit ausschließt (‘X, nicht Y’). Dabei korrigiert er eine falsche Annahme seines Gegenübers. Im Fall eines alternativen Topics werden dagegen zwei Konzepte zu Vergleichszwecken gegenübergestellt. Dabei ist weder eine Präsupposition vorhanden, noch ist der explizite Ausschluss einer Alternative intendiert (cf. Nicolosi 2012a, 123).31 Um eine terminologische Verwirrung zu vermeiden, wurde deshalb dem Begriff «contrastive Topic» von Lambrecht (1994, 291–295) der Terminus «alternatives Topic» (nach Barnes 1985, 22) vorgezogen. Alternatives Topic und kontrastiver Focus werden in der Forschungsliteratur oft verwechselt; cf. etwa Wehr (2007, 480) zum Altfranzösischen: L’antéposition de l’objet direct a par exemple la fonction de ‹contraste› dans […] Lors osta Boorz son hiaume et Galaad le suen et s’espee, mes son hauberc [Hervorh. Fr. N.] ne volt il pas oster (‹Queste› 200, 5s.)32

oder De Roberto (2011, § 4) zum Altitalienischen: L’anteposizione dell’oggetto inoltre può attivare, come in italiano moderno, una focalizzazione contrastiva: […] sì si mise lo suo isbergo indosso et l’elmo in sua testa, et la sua bella spada si cinse, ma scudo [Hervorh. Fr. N.] non volle portare per prego che fatto li fosse (La inchiesta del San Gradale III, 1, p. 106).33

30 Cf. aber Wehr (2000, 256) und Meier (2008, 138), die in solchen Fällen eine Überlagerung der Funktion Topic durch die des Focus annehmen und hiermit Topic und Focus verwechseln. So auch Dik (1997, 312s.): «On the other hand, given topical information may at the same time be focal, as when some contrast is established between two or more already established topics». Cf. dazu die Diskussion bei Bisang/Sonaiya (2000, 191s.). 31 Kontrastiv ist aber oft die Aussage über das alternative Topic, was sicherlich zur Verwechslung zwischen beiden Funktionen (alternativem Topic und kontrastivem Focus) geführt hat, wie sie häufig in der Fachliteratur anzutreffen ist. Cf. auch Anm. 30. 32 La Queste del Saint Graal. Roman du XIIIe siècle, ed. Pauphilet, Albert, Paris, Champion, 1949. 33 La inchiesta del San Gradale. Volgarizzamento toscano della «Queste del Saint Graal», ed. Infurna, Marco, Firenze, Olschki, 1993.

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Die Voraussetzungen für das Vorhandensein von kontrastiver Fokussierung sind in keinem der beiden zitierten Beispiele erfüllt. Es gibt keine Präsupposition, die korrigiert werden soll. Auch ist eine Paraphrasierung durch ‘X, nicht Y’ nicht möglich. Hier wird vielmehr über ein markiertes Topic (son hauberc bzw. scudo) eine Äußerung gemacht, die in Opposition zum zuvor Gesagten steht (paraphrasierbar durch ‘X nicht’). Die komparative Funktion wird zudem durch die adversative Konjunktion (altfr. mes, altit. ma) verdeutlicht. Andere Forscher erkennen ebenfalls zwei verschiedene Typen von Kontrast an: «tipo semplice» (= kontrastiver Focus) und «tipo composto» (= alternatives Topic) bei Suzuki (2001, 67–71) oder «contrastive topic» und «contrastive focus» bei Lambrecht (1994, 286–295).34 Die Annahme von zwei verschiedenen Funktionen ist formal begründet.35 Im Neuitalienischen wird ein vorangestelltes Objekt, welches als alternatives Topic fungiert, pronominal wiederaufgenommen, während die Reprise eines vorangestellten Objekts, welches den Focus konstituiert, nicht möglich ist.36 Bei der focusmarkierenden Objektvoranstellung (OFOC – V) trägt die vorangestellte Objekt-NP den Hauptakzent, während der Restsatz, der die Präsupposition enthält, im Tiefton kodiert ist. Bei der topicmarkierenden LD-Konstruktion ist der Restsatz dagegen nicht präsupponiert und weist eine steigend-fallende Intonation auf.37 Im Altitalienischen hingegen kann die Objektvoranstellung für beide Funktionen verwendet werden (cf. Suzuki 2001, 71–75).38 Bedeutungsunterscheidend ist in diesem Fall allein die Prosodie. Da die Prosodie in geschriebener Sprache fehlt, ist der Linguist auf den Kontext angewiesen, um die Funktion von O – V zu bestimmen. Belege Die komparative Funktion von OTOP – V ist im untersuchten Korpus reichlich belegt. Charakteristisch hierfür ist die symmetrische Stellung der beiden NP, deren Referenten verglichen werden sollen. Diese können parallel gegenübergestellt und dabei als Initialtopic markiert werden (OTOP – V, OTOP – V), was

34 Bei Dik (1997, 331) werden ebenfalls zwei Kontrasttypen etabliert, nämlich «Counterpresuppositional Focus» mit Präsupposition und «Parallel Focus» ohne Präsupposition. Ganz irreführend ist aber die Bezeichnung «Parallel Focus» für ein alternatives Topic. 35 Dies lässt sich im Yoruba, einer Sprache aus Westafrika, deutlich erkennen, wo ein kontrastiver Focus durch die Partikel ni angezeigt wird, während diese bei einem alternativen Topic in komparativer Funktion fehlt. Cf. dazu Bisang/Sonaiya (2000, 191s.). 36 Cf. Suzuki (2001, 69) mit den folgenden Beispielen: «I GATTI adoro, non i cani» (kontrastiver Focus) vs. «I gatti li adoro, ma i cani li odio davvero» (alternatives Topic). 37 Cf. die Intonationskurven bei Meriggi (1938, 8–11). 38 Zur focusmarkierenden Objektvoranstellung im Altitalienischen cf. Kap. 5.2.

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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vor allem vorkommt, wenn in beiden Prädikationen dasselbe Verb wiederholt wird. Fällt Letzteres weg, so entsteht eine Nominalkonstruktion: (44) [Der König lässt zwei Brote backen; in einem lässt er zehn Münzen verstecken, im anderen nichts:] Et quando fossero cotti, et il donzello li portasse a quelli due ciechi, et desseli loro per amore di Dio; et quello dov’era la moneta desse a cholui che dicea che il Re vincerebbe; et l’altro pane, ove nonn’era la moneta, desse a quelli che dicea, sarà che Dio vorrà (Pan32 CXLVII, 174; cf. Bsp. 28).39 (45) [Der Sultan Saladin:] Avenne che a una battaglia prese uno cavaliere francescho con altri assai […]: gli altri tenea in pregione e40 costui di fuori con secho, e vestialo nobilemente […] (UrNov 29, 2). (46) Allora lo re […] fece pigliare Isotta e messer Tristano; e l’uno imprigiona in una torre e l’altro in un’altra […] (Tav LXXXVIII, 365). (47) [Gespräch zwischen Tedaldo (als Pilger verkleidet) und Ermellina:] «Lo sventurato giovane che fu morto non amaste voi mai, ma Tedaldo Elisei sí» (Dec III, 7, 27). In Bsp. (44) wird ein –NEUES Konzept von einem weiteren, ebenfalls –NEUEN Konzept abgelöst, wobei dasselbe Verb (dare ‘geben’) wiederholt wird, beiden Konzepten aber verschiedene Attribute zugeordnet werden. In Bsp. (45) und (46) lässt sich das gleiche beobachten, wobei das Verb im zweiten Teilsatz wegfällt. In Bsp. (47) wird ebenfalls zwischen zwei vorerwähnten Alternativen gewechselt, wobei die Prädikation im ersten Teilsatz verneint und im zweiten Teilsatz bejaht wird. Beide NP können auch über Kreuz gestellt werden (Chiasmus), wobei nur Letztere zum Topic befördert wird, während Erstere in unmarkierter Stellung steht (V – O, OTOP – V; in Bsp. 48: V – S, OTOP – V): (48) [Arpinello rät Tristan vom Kampf gegen Carados ab:] E messer Tristano disse: «Sire Arpinello, assai mi diletta vostro consiglio; ma lo aiuto arei io assai più a grado: imperò vo’ prego voi mi conduciate alla torre» (Tav LXXXIII, 342).

39 Es handelt sich hier um indirekte Rede ohne einleitende Konjunktion (cf. die Konjunktivformen). Da die Syntax beider Voranstellungsstrukturen der von unabhängigen Sätzen entspricht, können sie hier als solche betrachtet werden. 40 [E]: «e invece» (Conte, A. 2001, 205, Anm. 2).

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(49) Aveva la prigione macerato le carni di Giannotto, ma il generoso animo dalla sua origine tratto non aveva ella in cosa alcuna diminuito né ancora lo ’ntero amore il quale egli alla sua donna portava (Dec II, 6, 52). (50) E pensando in che modo ne potesse fare una a Pero, andandosene a desinare, ebbe veduto una gatta morta presso a l’uscio suo e occultamente a uno fanciullo se la fece tirare in casa; e fatto questo, tagliò il capo della gatta e l’imbusto fece gittare segretamente fuori (Tre CLXXXV, 10). In Bsp. (48) wird der erste Referent durch einen +NEUEN Referenten abgelöst, über den eine zum zuvor Gesagten kontrastive Aussage gemacht wird. In Bsp. (49) wird zwischen zwei +NEUEN Konzepten gewechselt, die einem –NEUEN Konzept (Giannotto) untergeordnet sind. In Bsp. (50) werden ebenfalls zwei +NEUE Referenten verglichen, die einem vorerwähnten Referenten (der Katze) untergeordnet sind und daher +IDENT sind. Einen weiteren interessanten Fall von chiastischer Stellung bietet folgendes Beispiel, in dem das erste Element des Vergleichspaars als Topic markiert wird, während sich das zweite Element in unmarkierter Stellung befindet (OTOP – V, V – O): (51) [Als Tristan das Schloss betritt, sagen die Bewohner unter sich:] «L’entrata avete avuta bella, ma non vi loderete già della uscita» (Tav LXXVIII, 318). Das markierte Topic ist in Bsp. (51) +NEU im Diskurs, aufgrund des situationellen Kontexts aber +IDENT. Die komparative Funktion von OTOP – V geht nicht unbedingt mit einer syntaktisch symmetrischen Gegenüberstellung einher. In folgenden Beispielen erscheint das erste Glied des Vergleichspaars in pronominaler Form: (52) [Brunoro bittet Tristan, ihm seine Waffenausrüstung zu leihen:] E Tristano, che molto l’amava per amore di Dinadano, sì gliele presta; ma la spada gli presta mal volontieri (Tav C, 415).41 (53) Chi avrà la figliuola guercia, sciancata o contraffatta, dice: «Io la voglio dare a Dio.» La buona e la bella tiene per sé (Tre CXXV, 9). In Bsp. (52) steht la spada der gesamten Waffenausrüstung von Tristan (im unmittelbaren Vortext durch das Objektpronomen le repräsentiert) gegenüber.

41 Cf. auch die Beispiele auf S. 49.

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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In Bsp. (53) wird zwischen zwei hierarchisch gleichgestellten Referenten gewechselt, wobei über das alternative Topic eine zum zuvor Gesagten kontrastive Äußerung gemacht wird. Das alternative Topic kann auch in einer Teil-Ganzes-Beziehung zu einem vorerwähnten Konzept stehen. Dies ist z. B. der Fall, wenn sich eine Gesamtmenge, zugleich Diskurstopic bzw. Paragraph Topic, in mehrere untergeordnete Topics aufspaltet (cf. unten Listing Topics). Typisch für derartige alternative Topics ist, dass sie eine Restmenge darstellen und lexikalisch durch altro, rimanente, avanzo usw. zum Ausdruck gebracht werden (cf. auch Bsp. 18): (54) [Gesamtmenge = das ordnungsgemäße Gewicht einer Fackel, drei toskanische Pfunde:] Disse il cavaliere: «Quello torchio non è di peso.» Ribi fassi inanzi: «Messer sí, è.» Disse il cavaliero: «E’ dee pesare tre libbre, e non è quattro once.» Ribi rispose, e subito: «L’avanzo aveste voi in culo» (Tre XLIX, 6). (55) [Gesamtmenge = 50 Peitschenhiebe:] «Io t’ho dato mezzo il dono e hotti cavato d’obrigo che l’avei promesso a questo rubaldo; l’avanzo non voglio seguire di dare a te» (Tre CXCV, 19). (56) [Gesamtmenge = Salz zum Einsalzen eines Schweins:] «Io salai un porco forse otto dí fa e misevisi su tanto sale che io credo che quello abbia preso il sale che dee; l’avanzo spazziamo e mettiamo su questo, e credo che basterà» (Tre CCXIV, 6). Listing Topics Werden mehr als zwei Konzepte gegenübergestellt, so liegt eine Funktion vor, die man mit Harold (1995, 145) «Listing» nennen kann:42 Listing consists of a series of assertions, each related to a different element of a list or set.

«Listing Topics» sind demnach Elemente einer Liste, die als Topics fungieren. Diese Funktion ist hier vor allem von Belang, weil sie die Verwendung von OTOP – V motivieren kann; sie ist aber nicht auf die Objektvoranstellung beschränkt und kann auch andere Wortstellungen und andere Satzkonstituenten betreffen wie z. B. das Subjekt (cf. die «temi listati» bei Benincà 2010, 46s.). Auch Geluykens (1992, 89) unterscheidet zwischen alternativer/komparativer

42 Diese Funktion ist nicht mit der Funktion Exhaustive Listing zu verwechseln, die eine Subfunktion von Focus darstellt.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

(bei ihm «contrastive» genannt) und «Listing»-Funktion. Letztere betrachtet er als Subtypus der komparativen Funktion.43 Listing Topics verhalten sich wie alternative Topics, d. h., die aufgelisteten Topics werden in der Regel symmetrisch gegenübergestellt: (57) Allora lo vescovo lo dimandò: «Che faremo di questo argento?» Merlino disse: «La terza parte rendete alle rede di coloro che·lasciarono; l’altra terza parte tenete a prode de’ poveri, per darne sempre loro lo frutto; l’altra terza parte distribuite alli poveri della Provincia» (UrNov 70, 24). (58) [König Artus teilt Cornwall in vier Teile:] E fa allora della città quattro parti: in ogni parte fece fare una rôcca; e l’una diede allo re Amoroldo, e l’altra allo re Governale, e la terza a Lancialotto, e la quarta a Morderette suo figliuolo; e a loro quattro donò tutto quello reame di Cornovaglia (Tav 137, 526). (59) [Barone di Spartano zu Besuch beim Papst:] «[…] quando io venni qui, io ci recai un sacco pieno di denari e uno pieno di verità e un altro pieno di bugie: quello de’ danari ci ho tutto speso, e altresí quello de’ veri ho tutto e speso e consumato; restami quello delle bugie, non ho altro a che por mano» (Tre CCIII, 6). In Bsp. (57) wird eine Gesamtmenge (argento als Diskurstopic, über das etwas erfragt wird) in drei Teilmengen (Subtopics) aufgespaltet, die jeweils als Initialobjekt markiert werden. In Bsp. (58) wird ein Land (Cornwall als übergeordnetes Konzept) in vier Bereiche mit je einer Burg aufgeteilt. Jedes der Subtopics befindet sich abermals in Initialposition. Da die gleiche Handlung (dare) jeweils intendiert ist, kann das Verb nach der Ersterwähnung fehlen (cf. dazu auch Bsp. 45–47). In Bsp. (59) werden nur zwei von drei vorerwähnten Referenten als Listing Topics in Initialposition kodiert. Nicht selten kommt es vor, dass verschiedene topicmarkierende Verfahren kombiniert werden. Man beobachte folgendes Beispiel, in dem fünf bekannte Referenten nacheinander als Topic reetabliert werden: (60) [Messer Ivano gibt die Ergebnisse des Turniers bekannt:] «Questo brieve44 si èe per me scritto la sentenzia data per messer Ansalarino dell’opera del torneamento; lo quale dice in tale maniera: che ‹della prima assembraglia

43 Geluykens, der LD-Konstruktionen (bei ihm als «Left-Dislocation» zu lesen) im Englischen untersucht, spricht von «contrastive LDs» und «listing-LDs». 44 Zu questo brieve cf. Bsp. (183) und den Kommentar dazu.

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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degli cavalieri novelli, vinse messer Lionello, nipote detto re Bando; e la seconda vinse messer Palamides; e della terza portòe l’onore messer Tristano, in servigio degli stranieri cavalieri; e la quarta assembraglia vinse messer Tristano in servigio e in pregio della alta reina Isotta. Della quinta e della ultima battaglia ancor ne portòe l’onore messer Tristano in servigio e in piacere degli cavalieri erranti […]›» (Tav XCIX, 412). Zur Topic-Markierung werden folgende Verfahren verwendet: der Topic-Marker de (della prima assembraglia; cf. dazu S. 33), dreimal eine topicmarkierende Voranstellung, darunter zweimal OTOP – V (la seconda bzw. la quarta assembraglia) und die Voranstellung einer Präpositionalphrase (della terza) und schließlich das LD einer Präpositionalphrase (della quinta e della ultima battaglia; zum LD cf. Kap. 4.2).45

4.1.3.2 Anaphore résomptive Es wurden viele Fälle von OTOP – V beobachtet, in denen das Objekt das zuvor Gesagte bzw. zuvor Geschehene anaphorisch zusammenfasst. Im Vergleich zu den bisher besprochenen Beispielen bezieht sich das präverbale Element also nicht auf eine Entität, sondern auf eine oder mehrere zuvor genannte Propositionen. Der anaphorische Verweis erfolgt dabei meistens mit Hilfe eines Demonstrativpronomens (ciò, questo usw.) oder Passepartout-Wortes in Verbindung mit einem Demonstrativ wie queste cose, queste parole. Für dieses Phänomen finden sich in der Forschungsliteratur unterschiedliche Bezeichnungen wie «anaphoric encapsulation» bei Conte, M.-E. (1999, 107–114), «propositionale Anapher» bei Veldre-Gerner (2007, 65–67) oder «anaphorische Synthese» bei Ewert-Kling (2010, 193–196); cf. auch hier Anm. 9, S. 5.46 Der hier vorgeschlagene Begriff «anaphore résomptive» geht auf Herslund (2005, 129) zurück und soll klar machen, dass der anaphorische Ausdruck eine resümierende Funktion hat.47

45 Außerdem stehen den fünf Listing Topics fünf fokussierte Subjekt-NP gegenüber. Näheres dazu cf. Kap. 5.3.4. 46 Dieses Phänomen ist auch als «Diskursdeixis» bekannt. Cf. dazu Birner (2013, 119–121). 47 Der Informationswert von anaphorisch resümierenden Elementen ist demnach –NEU. Conte, M.-E. (1999, 110–111) sieht sie jedoch als +NEU an, und zwar aus zwei Gründen: a) das anaphorische Element selbst wurde noch nicht erwähnt und b) das zuvor Geäußerte (ein Sachverhalt) wird zum Diskursreferenten (wofür sie den deutschen Begriff «Vergegenständlichung» bzw. den englischen «hypostasis» verwendet).

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

Resümierende Demonstrativa dürfen nicht mit ihrem kataphorischen Gegenstück verwechselt werden. Eine Verwechslungsgefahr besteht vor allem dann, wenn das kataphorische Element als Initialobjekt kodiert und von seinem Bezugssegment getrennt auftritt wie in: (61) Et ciò dice il Savio, che non è colpa del vino se tu falli; anzi è tua, che ti diletti di bere (Tav XI, 100). Im zitierten Beispiel verweist das initiale Demonstrativpronomen kataphorisch auf einen postverbalen Objektsatz, es wird hier also nicht nach «links» zurückgeschaut, sondern nach «rechts» verwiesen.48 Auf das Mittel der anaphore résomptive greift der Sprecher/Erzähler zurück, wenn er das zuvor Gesagte (eine oder mehrere Propositionen) zum Topic machen möchte. Dies lässt sich im untersuchten Korpus fast immer in den gleichen Kontexten beobachten, was sich auch durch eine starke Tendenz zur Formelhaftigkeit ausdrückt. Es wurden insgesamt drei große Anwendungsbereiche festgestellt, die im Folgenden durch signifikante Beispiele veranschaulicht werden sollen (cf. auch Nicolosi 2012a, 120–122): Anaphorischer Ausdruck + fare (+ Subjekt) + per/perché (62) E ciò tutto facea per mettere in odio lo re Artù e sua dama reina Ginevra, perch’ella le voleva grande male, solo perchè Lancialotto l’amava: imperò volea che Lancialotto amasse lei: e anche la reina Ginevra metteva sempre discordia in fra la fata e lo re suo fratello (Tav LXXXII, 336s.). (63) [Gawain zum König Artus:] «Io sarò quello cavaliere ch’enterrò in battaglia contro a messer Lancialotto; e ciò farò per vendicare mia onta e vostro grande disinore» (Tav CXLII, 534s.). In solchen Fällen möchte der Sprecher das zuvor Gesagte bzw. zuvor Geschehene begründen. Das Initialobjekt erscheint dabei fast immer in Verbindung mit fare, während der Subjektreferent meist durch die Verbendung vertreten ist. Der Beweggrund der Handlung wird entweder durch einen Kausal- bzw. Finalsatz (perché + Indikativ bzw. Konjunktiv oder per + Infinitiv) oder eine Kausalbzw. Finalbestimmung (per + NP) angegeben. Ein Großteil der beobachteten Fälle stammt aus der Tavola Ritonda, was sich teilweise dadurch erklären lässt, dass dem anonymen Autor des Ritterromans daran gelegen ist, die psychologi-

48 Näheres dazu cf. Kap. 5.2.3.

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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schen Beweggründe seiner Protagonisten detailliert zu beschreiben (cf. Dardano 1969b, 247).49 Dieses syntaktische Pattern (oder: diese Formel) kommt dort so häufig vor, dass es als idiolektales Merkmal oder Manie des Autors betrachtet werden kann. Anaphorischer Ausdruck + fare (+ Subjektpronomen) (64) Et [lo re Artù] sì gli disse: «Se Ferragunze viene allora al padiglione, fate maggior sembianti di lei amare.» Et misser Calvano rispose: «Sire re, ciò farò io volontieri» (Tav XI, 98). (65) Allora disse il pellegrino: «Madonna, che che voi vi diciate, io v’acerto che Tedaldo è vivo; e dove voi quello prometter vogliate per doverlo attenere, io spero che voi il vedrete tosto.» La donna allora disse: «Questo fo io e farò volentieri; né cosa potrebbe avvenire che simile letizia mi fosse, che sarebbe il vedere il mio marito libero senza danno e Tedaldo vivo» (Dec III, 7, 59s.). OTOP – V mit anaphore résomptive wird hier vom Sprecher verwendet, um auf eine Bitte seines Gegenübers zu reagieren, wozu er sich bereit erklären soll oder nicht. Aufgrund seines dialogischen Charakters ist dieser Typus nur in direkter Rede anzutreffen.50 Das resümierende Demonstrativ, das die Bitte bzw. Aufforderung des Gegenübers wieder aufgreift, tritt meist mit dem Verb fare in der Futurform in Erscheinung, wobei das meist vorhandene Subjektpronomen die postverbale Stellung einnimmt. Bei positiver Antwort kann ergänzend das Adverb volentieri eintreten. Der formelhafte Charakter dieser Wendung sowie ihr Vorkommen an einer übernahmerelevanten Stelle (Frage-Antwort-Sequenz) sprechen dafür, dass wir es hier mit einer sprachlichen Routine zu tun haben, die zur Bewältigung der Alltagskommunikation im Mittelalter diente oder zumindest zur Darstellung derselben in der geschriebenen Sprache. Anaphorischer Ausdruck + Verbum dicendi + Subjekt (66) Quando li figliuoli del re Priano ebbero rifatta Troia, […] e fecero li Troiani loro raghunanza e amistà di loro amici, e parlàno cosí: «Li Greci ci fenno grande onta. La gente uciseno, la·ccità disfecero, nostra soro Ansionam ne menarono. Noi siamo afforzati, la città he rifatta, l’amistà nostra he

49 In diesem Zusammenhang fällt die Kausalkette in Bsp. (62) auf. 50 Im folgenden Beispiel: «e ciò fa ella volentieri» (Tav XLI, 196) wird möglicherweise eine fremde Äußerung innerhalb eines Redebeitrags wiedergegeben.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

grande, lo tesoro he raunato. Mandiamo alli Greci che ci facciano la menda e che·cci rendano nostra soro Ansionam.» Questo parlò Parigi (UrNov 41, 1–5). OTOP – V mit anaphore résomptive kommt hier unmittelbar nach direkter Rede vor, wobei der vorausgehende Redebeitrag mittels eines anaphorischen Ausdrucks zum Topic befördert wird. Durch die postverbale Stellung des Subjekts wird klargestellt, wer die Äußerung hervorgebracht hat, was im vorliegenden Fall besonders wichtig ist, da der Sprecher erst nach dem Redebeitrag explizit genannt wird. Diesem Typus kommt zudem eine typographische Funktion zu. Im Mittelalter diente die Interpunktion bekanntlich noch nicht zur Unterscheidung zwischen Erzählebene und direkter Rede. Um den Beginn eines neuen Redebeitrags zu signalisieren, war der Schreiber auf sprachliche Mittel angewiesen wie einleitende Formeln, z. B. il re disse (cf. Dardano/Colella 2012, 54). Es gab aber auch abschließende Formeln, zu denen OTOP – V mit anaphore résomptive gehört. Der Anfang und das Ende der direkten Rede wurden somit für den (Vor-)Leser sichtbar. Im folgenden Beispiel, in dem die Objektvoranstellung und die einleitende Formel inhaltlich ähnlich sind (cf. Li vecchi consigliorno e insegnòno und Queste parole l’insengnarono li vecchii dello regnio), entsteht eine Art Klammer, die die typographische Funktion beider Formeln besonders deutlich macht: (67) Quando Salamone fue morto, Roboam prese suo consiglio e fue di gente vecchia e savi; propuose e dimandò consiglio in che guisa rifermasse lo populo suo. Li vecchi consigliorno e insegnòno: «Raunerai lo populo, con dolce parole parlerai e dirai che tu li ami come te medesimo, ch’elli sono la tua corona, e che, se lo tuo padre fue loro aspro, tu serai loro humile e benignio, e se·lli havesse affatigati, tue li terrai in grande riposo. Et se in fare lo temp‹l›o elli funno gravati, che tue li agievollerai.» Queste parole l’insengnarono li vecchii dello regnio (UrNov 10,11–14).51 Neben diesen typischen Kontexten finden sich weitere Belege von OTOP – V mit anaphore résomptive, bei denen sich keine Regelmäßigkeit feststellen lässt; cf. etwa:

51 In «Queste parole udí il conte e dolfergli forte» (Dec II, 8, 84) liegt eine Variante vor, mit einem Verbum sentiendi anstelle eines Verbum dicendi. Hier verweist die Subjekt-NP nicht auf den Sprecher (sprich den Produzenten der Aussage), sondern auf den Rezipienten.

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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(68) Lo greco avisà lo cavallo, e disse: «Messer, elli he di bella guisa, ma tanto iudico, che lo cavallo he notrichato a latte d’asina.» Lo re mandò in Ispagnia a·rrinvenire com’era stato notrito; trovossi che·lla destriera era morta, e lo puledro fue notricato a latte d’asina. Questo tenne lo re a grande maraviglia […] (UrNov 4, 6–8).

4.1.4 OTOP – V und Indefinitheit Es scheint die Meinung vorzuherrschen, dass formal indefinite Konstituenten nicht Topic sein können (cf. dazu Ward/Prince 1991; Birner/Ward 1998, 78– 83).52 Im vorliegenden Korpus wurden jedoch einige Fälle von indefiniten Initialobjekten beobachtet, die eine Auslegung als Satztopic durchaus zulassen. Voraussetzung hierfür ist, dass sie +IDENT sind und einen Bezug zum Vortext aufweisen. Die Hauptfunktion der im Folgenden aufgelisteten Objektvoranstellungen ist offenbar, textuelle Kohäsion zu schaffen, indem ein Konzept an das zuvor Gesagte anknüpft, aus dem es sich leicht erschließen lässt. Vorab soll aber ein Beispiel besprochen werden, in dem das Initialobjekt zwar Topic-Funktion hat, dennoch nicht als Beispiel für die topicmarkierende Funktion von O – V dienen kann: (69) [Ferragunze erläutert, warum er kein eifersüchtiger Ehemann ist:] «Et imperò dice ’l vero lo proverbio: ‹Buona dama non gastigare; et s’ella è ria, poco vale›» (Tav XI, 100). An der Identifizierbarkeit des Initialobjekts besteht hier kein Zweifel, da dieses generisch ist. Generische Konzepte sind im permanenten Repertoire des Gegenübers gespeichert und daher +IDENT (cf. Wehr 1984, 8). Bsp. (69) kann jedoch in seiner Eigenschaft als Sprichwort nicht zur Veranschaulichung der topicmarkierenden Funktion von O – V herangezogen werden. Sprichwörter weisen nämlich eine feststehende Wortstellung auf, sodass pragmatische Funktionen hier keine Rolle spielen dürften.53 Weitere Beispiele für indefinit-generische Konzepte wurden nicht beobachtet. In den restlichen Belegen repräsentiert die Objekt-NP jeweils ein Abstraktum, das aber aufgrund seines Vorhandenseins im permanenten Repertoire des

52 «Indefinit» wird hier als reine formale Kategorie verstanden. Indefinit ist eine Konstituente nach Prince (1992, 299), wenn sie durch den unbestimmten Artikel, den Nullartikel, ein Indefinitpronomen oder ein Zahlwort gekennzeichnet ist. 53 Diese Bemerkung verdanke ich Britta Thörle.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

Gegenübers genauso als +IDENT aufzufassen ist wie ein generisches Konzept. Formal zeichnet sie sich durch Artikellosigkeit aus; cf. etwa: (70) Uno giorno di lundí uno saracino chuoco, che avea nome Fabratto, e stando alla chucina sua, uno povero saracino venne alla cucina sua con uno pane in mano, e danaio non avea da conperare da costui […] (UrNov 12, 2). (71) Lo cavaliere era molto bene costumato, e bene seppe cantare, e provinsale seppe oltra misura bene proferere (UrNov 34, 2). In beiden Teilsätzen ist das Subjekt nicht lexikalisch realisiert, sondern morphologisch durch die Verbendung. Dieses rührt daher, dass der Subjektreferent Diskurstopic ist und aufgrund von Topic-Kontinuität ausgelassen werden kann. Das Initialobjekt stellt dagegen ein markiertes Satztopic dar, auf das nur vorübergehend Bezug genommen wird. Dabei handelt es sich jeweils um ein nicht vorerwähntes Konzept, das aufgrund des Kontexts im Erwartungshorizont des Gegenübers zu liegen scheint. In Bsp. (70) lässt sich das +NEUE Konzept danaio aus der Situation erschließen: Die Geschichte spielt in einem sarazenischen Lokal (cucina), wo man erwartungsgemäß gegen Bezahlung zu essen und trinken bekommt. In Bsp. (71) knüpft das ebenfalls +NEUE Konzept provinsale insofern an den Vortext an, als es neben essere bene costumato und saper cantare bene das Glied einer Auflistung darstellt (Listing Topic). Wer außerdem von höfischer Sitte ist und gut singen kann, von ihm darf man erwarten, dass er auch Provenzalisch, die Sprache der Troubadoure, sprechen kann. Eine Untergruppe von einfachen Objektkonstituenten stellen Fälle dar, in denen das Objekt zusammen mit dem Verb eine semantische Einheit bildet, die in der Regel durch ein einfaches Verb ersetzt werden kann (cf. trovare rimedio ‘rimediare’ und fare riparo ‘riparare’):54 (72) [Isolde erfährt den vermeintlichen Tod von Tristan und Lancelot:] «Ahi sire Iddio, piacciavi che io non dimori più in questo mondo a vita e a consumarmi, però che troppo mi veggio essere al tutto d’ogni bene priva e sola; e rimedio non posso trovare» (Tav CVI, 441).

54 Benincà/Salvi/Frison (2001, 164) spricht in Bezug auf neuitalienische Beispiele von «usi convenzionalizzati della mancanza di articolo», Renzi (2010, 343) von «locuzioni verbali polirematiche». Der deutsche Terminus ist «Funktionsverbgefüge». Cf. dazu Hentschel/Weydt (2003, 85–87).

4.1 Objektvoranstellung (OTOP – V)

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(73) [Ser Buonavere findet seine weißen Strümpfe voll mit Tinte bespritzt vor:] Ciascuno si lavò e riparo fece a l’inchiostro il meglio che seppe […] (Tre CLXIII, 20). (74) [Dinadano zu Lancelot:] «[…] e fai pace e guerra a tua posta e a tuo piacere. Ma pace faceva per te più che per niuno cavaliere che vi fosse […]» (Tav CI, 420s.). In allen drei Teilsätzen ist der jeweilige Subjektreferent abermals Diskurstopic, während das Objekt Satztopic-Funktion hat. In Bsp. (72) und (73) wird jeweils ein abgeleitetes Konzept als Topic etabliert: zwischen dem +NEUEN Konzept rimedio bzw. riparo und dem Vortext besteht eine Abfolgerelation: Problem – Lösung. In Bsp. (74) ist pace –NEU und steht in einer alternativen Relation zum vorerwähnten Konzept guerra. Neben diesen klaren Fällen von topicmarkierender Voranstellung indefiniter Objektkonstituenten finden sich weitere, unklare Belege, die aber funktional dem Typus danaio non avea (cf. Bsp. 70) zu entsprechen scheinen. Es handelt sich hierbei um Objekt-NP, die altro in pronominaler oder adjektivischer Verwendung aufweisen; cf. etwa: (75) Lo cavalieri rispuose: «[…] Et io non volsi me‹n›t‹i›re. Altro no‹nn›-ò fatto: per questo solamente mi fanno onta questi sergienti» (UrNov 42, 13–16). (76) «Se voi mi doveste ardere, altro non vi direi» (Tre CXXI, 5). (77) […] e allora Brunoro ruppe contra Tristano sua lancia, e altro male non gli fece; ma Tristano abbatte lui alla terra da cavallo, tutto libero (Tav XXX, 162). (78) […] e lo cavaliere, lo quale era chiamato messer Magano, sì diede a Tristano uno grandissimo colpo sopra dello scudo, e sìe ruppe sua lancia, e altro male non fece a Tristano; ma Tristano ferì lui per tale convenente, che lo traboccò a terra dello cavallo (Tav XXIV, 145). In allen vier Belegen steht entweder altro (im Sinne von ‘altra cosa’) oder altro male in einer alternativen Relation zum Vortext, wobei die Opposition durch altro gegeben ist (cf. dazu auch Bsp. 54–56). Der topicmarkierende Effekt dieser Konstruktionen rührt daher, dass die im Restsatz enthaltene Negation (non) sich jeweils auf das Verb und nicht das Objekt bezieht. Daraus resultiert die topicanzeigende Funktion des Initialobjekts, das zum Ausgangspunkt der Aussage wird. Man vergleiche etwa Altro no‹nn›-ò fatto in Bsp. (75) mit nessuna altra cosa hoe fatta, wo das Initialobjekt hingegen verneint wird und somit Focus-Funktion erhält (cf. Bsp. 356). Auf prosodischer Ebene müssen sich bei-

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

de Sätze folglich unterschieden haben. Wenn diese Beschreibung korrekt ist, muss unsere Annahme, topicmarkierte Initialobjekte müssten immer +IDENT sein, korrigiert werden, denn es ist nicht erkennbar, in welchem Sinn altro bzw. altro male in Bsp. (75)‒(78) für das Gegenüber «gegeben» sein sollte.

4.2 Left Detachment (LD) Eine weitere topicmarkierende Konstruktion im Altitalienischen ist das als «dislocazione a sinistra» besser bekannte Left Detachment 55 (kurz: LD). Das LD gehört bekanntlich zu den «phrases segmentées» von Bally (1965, §§ 79–99) und zeichnet sich dadurch aus, dass eine NP oder ein Pronomen (das nicht klitisch sein kann) links vom Satz «abgesetzt»56 und in diesem durch ein klitisches Pronomen korreferentiell und syntaktisch repräsentiert wird.57 Der erste Bestandteil der Konstruktion, das klitisch wiederaufgenommene Element, wird «LD-Element» genannt, der zweite Bestandteil heißt «Kernsatz», und das wiederaufnehmende Pronomen ist die «Reprise». Der vom LD-Element bezeichnete Referent wird als «LD-Referent» bezeichnet (zur Terminologie cf. Dudtenthöfer 2000, 183; Meier 2008, 5). Fälle von LD sind bereits in den ältesten Zeugnissen der italienischen Sprache, den sogenannten «Placiti campani», vorhanden. Es handelt sich dabei um Zeugenaussagen im Streit um Ländereien eines Klosters, die je viermal belegt sind (zit. nach Castellani 1976, 59 und 62):58 (79) Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene, trenta anni le possette parte S(an)c(t)i Benedicti (Capua, 960).

55 Terminus nach Barnes (1985, 1). Cf. auch Bally (1965, § 329): «termes détachés» und Kayne (1975, 117): «detachment construction to the left». Der Begriff «dislocazione a sinistra» ‘Linksversetzung’ wird hier nicht verwendet, weil er suggeriert, dass das LD-Element seine ursprüngliche Stellung verlassen hätte. Cf. dazu Wehr (2000, 241, Anm. 7); auch Meier (2008, 59s.). 56 Übersetzungsvorschlag für «detached» nach Meier (2008, 59). Auch gut: «losgelöst» (bei Hammarström 1998, 113 in Bezug auf das Right Detachment). «Versetzt», it. ‘dislocato’, sollte dagegen vermieden werden (cf. Anm. 55). 57 Pronominale Wiederaufnahmen von vorangestellten Nebensätzen wie «Che di loro si fosse io nol seppi mai» (Dec II, 7, 108) bleiben somit unberücksichtigt. Eine Ausnahme sind restriktive Relativsätze mit einem Demonstrativpronomen als Antezedens, da diese nominalwertig sind. Die pragmatische Funktion von nicht nominalen LD-Elementen wird bei Maslova/Bernini (2006, 80–83) diskutiert. 58 Cf. auch Sabatini (1985, 162); Benincà (1986, 235); D’Achille (1990a, 135s.); Fiorentino (1997, § 4); Benincà/Salvi/Frison (2001, 167); Renzi (2008, 2834); Nicolosi (2012a, 124s.) sowie die kritische Stellungnahme von Bianco (2013, 209s.).

4.2 Left Detachment (LD)

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(80) Sao cco kelle terre, p(er) kelle fini que tebe mostrai, trenta anni le possette parte S(an)c(t)e Marie (Teano, 963). In beiden Fällen wird eine Topic-NP an der Spitze des Nebensatzes durch ein klitisches Objektpronomen wieder aufgegriffen.59 Das LD-Element kann im Kernsatz verschiedene syntaktische Funktionen erfüllen, wobei direkte Objekte und Präpositionalobjekte mit di am häufigsten sind. Dabei richtet sich die äußere Form der pronominalen Reprise nach Person, Genus, Numerus und syntaktischer Funktion des LD-Elements. Man sagt technisch, dass die Reprise mit dem LD-Element «kongruiert». Bei präpositional markierten Funktionen führt das LD-Element die entsprechende Präposition mit sich (syntaktische Kongruenz);60 cf. etwa: (81) Uno giorno allo Re Giovano, per troppo sichurtade, li venne uno quadrello inella fronte disaventurosamente […] (UrNov 28, 17). (82) E di tale disavventura molto se ne dolíano […] (Tav XXXIV, 171). (83) De’ cosí fatti e de’ piú spaventevoli assai n’ho già veduti […] (Dec IV, 6, 17). (84) «[…] e anche, in questa isola io non ci sono nè non ci entrai per volonta [sic], ma fortuna di vento mi ci condusse» (Tav XXXIX, 188). In Bsp. (81) liegt das LD eines indirekten Objekts vor (Reprise durch li),61 in Bsp. (82) das LD eines Präpositionalobjekts (Reprise durch ne), in Bsp. (83) das LD eines partitiven Objekts und in Bsp. (84) das LD eines Ortsadverbials (Reprise durch ci).62

59 In beiden Fällen erscheint das Subjekt in postverbaler Stellung. Näheres dazu cf. Kap. 5.3.4. Zur Erweiterung des LD-Elements durch einen Relativsatz cf. S. 66s., 71ss. und Kap. 4.2.2.2. Zum Vorkommen von LD in untergeordneten Sätzen cf. S. 68s. und Kap. 4.2.3.3. 60 Bei fehlender Präposition liegt eine Hanging Topic-Konstruktion vor. Cf. dazu Kap. 4.2.4. 61 Bei der Form li handelt es sich um die normale Entwicklung aus lat. ĭllī, das vor Vokal zu gli palatalisiert ist. Im Altitalienischen werden beide Varianten des indirekten Objektklitikums Singular in gleicher Weise verwendet (cf. Rohlfs 1968, § 457). 62 Wie folgender Beleg zu beurteilen ist, ist unklar: [Ser Ciappelletto wird die Beichte abgenommen; der Pater fragt, ob er jemals aus Wollust gesündigt habe:] «Al quale ser Ciappelletto sospirando rispose: ‹Padre mio, di questa parte mi vergogno io di dirvene il vero temendo di non peccare in vanagloria›» (Dec I, 1, 37). Handelt es sich hierbei um das LD einer Präpositionalphrase oder um eine morphologische Topic-Markierung mittels di wie beim äquivalenten quanto a (cf. hierzu Wehr 2007, 481s. in Bezug auf das Altfranzösische)? In keinem der beiden Fälle ist eine pronominale Wiederaufnahme erforderlich.

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Das LD eines Subjekts ist ebenfalls möglich: (85) «[…] e la città, di vero, ella si perde» (Tav LI, 234). (86) «Queste palle che diletto vi rendono? ditelmi per cortesia» (UrNov 34, 8). In Bsp. (85) wird eine NP in Initialstellung nach einem kurzen Einschub durch ein Subjektpronomen wieder aufgenommen, während in Bsp. (86) der korreferentielle Bezug zwischen der Initial-NP und dem Kernsatz durch die Verbendung gesichert ist. Im ersten Fall liegt das LD eines Subjekts vor, im zweiten Fall die Prolepse eines Subjekts, die hier darin besteht, das Subjekt der Frage dem Fragepronomen voranzustellen. Die Prolepse eines Subjekts stellt kein LD im eigentlichen Sinne des Wortes dar, sondern einen eigenen Konstruktionstypus und wird deshalb in Kap. 4.3 behandelt.63 Die Prolepse eines Subjekts (oder einer anderen Konstituente) kann aber auch mit einer pronominalen Reprise kombiniert werden (Prolepse mit LD). Diese Mischkonstruktion wird aufgrund der Reprise gemeinsam mit dem LD im vorliegenden Kapitel behandelt. Das LD eines Subjekts liegt ebenfalls vor, wenn die Subjekt-NP durch ein weiteres LD-Element vom Verb getrennt ist (cf. unten die Fälle von Doppel-LD). Die Prolepse stellt im Altitalienischen das Hauptmittel dar, um ein Subjekt als Topic zu markieren. Bezüglich der LD von Subjekten mit pronominaler Reprise («la città, di vero, ella si perde», Bsp. 85) fällt auf, dass diese vor allem im Ritterroman La Tavola Ritonda vorkommen.64 Ein Einfluss des Altfranzösischen, wo LD von Subjekten sehr häufig sind (cf. Härmä 1990, 165; 1991, 106), ist aus diesem Grund nicht auszuschließen. Andererseits können LD von Subjekten dem Altitalienischen auch nicht ganz fremd gewesen sein, sind sie doch dort belegt und nach aller Wahrscheinlichkeit auf Akzeptanz bei den damaligen Sprechern gestoßen. Ein wesentlicher Unterschied zu den anderen LDKonstruktionen ist die Form der Reprise, die durch ein freies Subjektpronomen erfolgt. Obwohl das Altitalienische neben freien Subjektpronomina auch klitische bzw. apokopierte Formen kennt (cf. S. 27), konnten keine klaren Fälle von klitischen Reprisen festgestellt werden.65 63 In welchem Sinn man doch von LD bei der Prolepse eines Subjekts sprechen kann, soll ebenfalls in Kap. 4.3 diskutiert werden. 64 Cf. Bsp. (124), (127) und (160). Bsp. (121) stammt jedoch aus Pan32. 65 Laut Schiaffini (1954, 285s.) könnte sich hinter e (< et) in der Apodosis das Subjektpronomen e’ verbergen: «ma Accilles e Ayas, andato al singniore da tTenedon [sic]…, e domandarono soccorso» (Da un libro della distruzione di Troia, zit. nach Schiaffini, loc. cit.). Schiaffini erläutert: «Potrebbe darsi che, per certa rilassatezza sintattica, si ripetessero […] i soggetti.» Wie sich das apodosis-einleitende e(t) vom gleichlautenden Subjektpronomen e’ unterscheiden lässt, bleibt dahingestellt. Es ist zudem erstaunlich, dass in einer Sprache, der eine ten-

4.2 Left Detachment (LD)

65

Die Reprise einer Subjekt-NP kann auch durch ein Demonstrativpronomen oder eine lexikalische NP geleistet werden. Derartige Fälle beschränken sich zwar nicht auf das Subjekt, da sie sich aber vor allem in Verbindung mit dieser syntaktischen Funktion beobachten lassen, werden sie an dieser Stelle behandelt. Die Wiederaufnahme erfolgt durch ein Demonstrativpronomen in: (87) […] in su lo doneare, quella monaca ch’è piú isguardata, quella lo serva, e acompangnilo a tavola e a·lletto (UrNov 33, 14). (88) «Ma quelli ch’era di mia condizione, figliuolo di re, e che portava corona di re, il quale per la sua follia à sí fatto che·lli suditi suoi l’ànno cacciato, questi m’àe insengniato bene tanto che·lli miei suditi non mi caccieranno» (UrNov 11, 26). und durch einen Eigennamen oder eine lexikalische NP in: (89) Antingo, conducitore d’Allexandro, faciendo Allexandro uno giorno sonare una citola per suo diletto, Antingo prese la citula e ruppela e gittòla nel fuocho […] (UrNov 17, 1). (90) Uno lo quale ebbe nome Milensius Tale, grandissimo savio in molte iscienzie, e ispezialmente in isterlomía, secondo che si trova in libro ‹Civitate Dei›, in libro sexto; dice [si dice, Fr. N.] che questo maestro albergò una notte in una casetta d’una feminella (UrNov 64, 1). Diese Belege entsprechen nicht dem prototypischen LD und sind daher als Sonderfälle zu betrachten. Zudem wäre noch zu klären, ob es sich hier wirklich um LD handelt. Sie werden in dieser Arbeit nicht berücksichtigt.66 Es können in ein und derselben Äußerung mehrere LD gleichzeitig vorkommen, so dass eine mehrfache Segmentierung entsteht, indem zwei oder mehrere Elemente zugleich links vom Kernsatz abgesetzt und in diesem entweder pronominal oder im Fall eines Subjekts durch die Verbendung repräsentiert werden; cf. etwa:67

denzielle Obligatorik bei der Setzung des Subjektpronomens nachgesagt wird (cf. Palermo 1997 und 1998), so wenige Fälle von LD eines Subjekts nachgewiesen werden. 66 In Bsp. (90) scheint der erste Teil des Satzgefüges (bis sexto) eher als eine Art Überschrift zu fungieren denn als erster Bestandteil einer LD-Konstruktion. So ist wohl auch das vom Herausgeber eingefügte Semikolon nach sexto zu interpretieren. 67 Zur Verdeutlichung der Syntax wurden die beiden LD-Elemente durch einen Schrägstrich getrennt.

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(91) E gli uomini della terra / di tal novella piú tempo n’ebbono a ridere e a parlare (Tre CCVIII, 16). (92) «E se io saròe vincitore, e questi cavalieri vogliano con meco battaglia, io / di ciò i’ nulla guisa non ne saròe loro manco» (Tav XXXIX, 187). In Bsp. (91) und (92) wird das LD eines Subjekts ohne pronominale Reprise mit dem LD eines Präpositionalobjekts kombiniert. Da die Subjekt-NP jeweils durch das präpositionale LD-Element vom Verb getrennt wird, kann sie selbst als LD-Element gelten, wobei die Verbendung als korreferentielle Reprise angesehen werden kann (cf. dazu Meier 2008, 84–89; auch 315–318). Im Neuitalienischen, wo dieses Phänomen auch belegt ist, wurde von «syntaxe affective» (Nilsson-Ehle 1952, 385) oder «stoßweise[r] Rede» (Gossen 1954, 96) gesprochen. Meier zufolge ermöglichen mehrere Detachments es dem Sprecher, «möglichst viele Konzepte, die verschiedene syntaktische Funktionen haben, als Topics zu verwenden» (2008, 318). Im untersuchten Korpus konnten jedoch nur Fälle von Doppel-LD beobachtet werden, die fast ausschließlich nach folgendem Pattern gebildet sind: «lexikalisches Subjekt + präpositionales LD-Element + ne + Verb» bzw. «Subjektpronomen + präpositionales LDElement + ne + Verb» wie in Bsp. (91) und (92). Zwischen dem LD und der topicmarkierenden Objektvoranstellung besteht theoretisch freie Variation. Man vergleiche: (93) «[…] questo scudo mi donò la fata Morgana […]» (Tav LXXXII, 338). (94) […] e questo gliel donò la fata Morgana (Tav LXXIV, 304). In Wirklichkeit werden beide Konstruktionen aber weitgehend (nicht in Bsp. 93s.) unterschiedlich gebraucht. Während das präverbale Objekt ohne Reprise überwiegend eine einfache NP, die meist unmittelbar vor dem Verb steht, darstellt, zeichnet sich das LD im Altitalienischen sehr häufig durch einen Einschub nach dem LD-Element aus. Dabei kann es sich um a) eine Erweiterung des LD-Elements (häufig einen Relativsatz),68 b) ein weiteres Satzglied (häufig das Subjekt), c) ein fakultatives Satzelement (z. B. ein Adverb) oder d) einen Teilsatz (cf. etwa Bsp. 117) handeln oder auch um mehrere dieser Einschübe zusammen. Laut D’Achille (1990a, 126) ist bei längeren Einschüben, bei denen die pronominale Aufnahme des Initialelements quasi-obligatorisch sei, eine

68 Um derartige LD-Elemente handelt es sich bei den «costituent[i] pesant[i]» von Vanelli (1986, 263).

4.2 Left Detachment (LD)

67

Funktion der Reprise als «controllo sintattico» nicht auszuschließen.69 Prévost (2009, 436) zufolge entspricht die korreferentielle Reprise nach längeren Einschüben einer «nécessité cognitive et communicative»: «Puisqu’il y a nécessité du point de vue mémoriel, on doit considérer de telles structures comme doublement motivées» (Hervorh. Fr. N.). Ein weiterer Unterschied zu OTOP – V ist die segmentierte Struktur des LD. Wehr (2007, 483) bemerkt hierzu: «Ce procédé vise à ancrer le référent du sujet dans la mémoire de l’interlocuteur et permet en même temps de séparer clairement le topique de la phrase et le commentaire […].» Ein Hinweis darauf, dass die Struktur des LD besonders einprägsam ist, ist sein Vorkommen in Sprichwörtern, die naturgemäß prägnant sein müssen, damit man sich leichter an sie erinnern kann. Die Segmentierung der Äußerung in zwei Einheiten erleichtert die Informationsverarbeitung und unterstützt dabei den Gedächtnisprozess (cf. auch Bsp. 98): (95) «Bene sta; onore con danno al diavol l’accomanno […]» (Tre XXIII, 8). (96) «Can che lecchi cenere, non gli affidar farina» (Tre CXLVII, 11).70 Das LD stellt zudem ein eindeutiges topicmarkierendes Verfahren dar. Während das LD-Element in der Regel das Topic konstituiert (Ausnahmen werden auf S. 151s. behandelt), kann das vorangestellte Objekt ohne Reprise sowohl Topic (cf. Kap. 4.1) als auch Focus (cf. Kap. 5.2) sein. Die pronominale Reprise in der Konstruktion des LD dient demzufolge nicht nur dem «controllo sintattico» (D’Achille 1990a, 126), sondern auch der deutlichen Anzeige der TopicFunktion des LD-Elements.71 Die zweigeteilte Gliederung des LD hat syntaktische Folgen für den Restsatz. In den folgenden Beispielen steht das LD-Element unmittelbar vor dem Verb, und die klitische Reprise tritt nach dem Verb (Enklise) auf (cf. auch Bsp. 137: «gli giovani ménagli a vendere per ischiavi»):

69 Dies bedeutet im umgekehrten Sinne, dass kürzere Einschübe wie ein Subjektpronomen, eine einfache Satzkonstituente o. Ä. nicht für das Vorkommen der Reprise verantwortlich gemacht werden können. Damit können Fälle wie Bsp. (97): «e le due teste, féciorle allora interrare onorevolmente nella badía de Lanorio», Bsp. (118) «e la vostra venuta, io l’òe molto cara» oder Bsp. (85) «[…] e la città, di vero, ella si perde» u. a. zusammen behandelt werden. 70 Hierbei handelt es sich um eine Hanging Topic-Konstruktion, einen Subtyp des LD; cf. dazu Kap. 4.2.4. 71 Cf. aber Fiorentino (1997, § 5), welcher zufolge die Reprise in altitalienischen LD-Konstruktionen syntaktisch bedingt ist, während ihre topicmarkierende Funktion das Ergebnis eines Sprachwandels «au service de la pragmatique» darstelle. Cf. auch Suzuki (2001, 75s.).

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

(97) […] e le due teste, féciorle allora interrare onorevolmente nella badía de Lanorio (Tav XXXVIII, 184). (98) «Al mal compagno donagli72 la buona parte, a partirlo da te» (Tav LXVI, 281). Gemäß dem Tobler-Mussafia-Gesetz dürfen unbetonte Pronomina (Klitika) nicht am absoluten Satzanfang oder nach e bzw. ma stehen (cf. S. 26). Somit gilt die Enklisis als Grenzsignal und zeigt im vorliegenden Fall deutlich, dass das LD-Element außerhalb der Satzgrenzen steht (cf. auch Vanelli 1986, 271, Anm. 16; D’Achille 1990, 125, Anm. 115). Zudem kann auf prosodischer Ebene eine Pause zwischen LD-Element und Kernsatz angenommen werden.73 Das LD wird in interaktionalen Kontexten bevorzugt eingesetzt, wobei es sich nicht unbedingt, wenn auch vorwiegend, um direkte Rede handelt. D’Achille (1990a, 202) stellt fest: «il costrutto è […] maggiormente attestato negli scritti che hanno un’impronta dialogica (commedie, lettere, ecc.), indipendentemente dal livello stilistico dei vari testi.»74 Im vorliegenden Korpus wurde das LD eines direkten Objekts in 65 % der Fälle in Dialogen beobachtet (cf. auch Nicolosi 2012a, 127). Die Häufigkeit nimmt zu, wenn man die Fälle in indirekter Rede oder in der Rahmenerzählung, in der sich der Erzähler oftmals explizit an den Leser wendet, mitberücksichtigt (cf. Nicolosi 2012a, 127, Anm. 13). Dass das LD an die sprachliche Interaktion gebunden ist, zeigen ebenfalls der Gebrauch von deiktischen Personalpronomina (io, tu) und das Vorkommen des LD in Frage- und Aufforderungssätzen, die immer ein (in literarischen Texten fiktives) Gegenüber voraussetzen (cf. Nicolosi 2012a, 130– 132).75 Diese Tatsache legt nahe, dass das LD bereits im Altitalienischen ein Merkmal gesprochener Sprache war (cf. Nicolosi 2012a, 132; auch Wehr 2007, 492 zum LD im Altfranzösischen). Viele der beobachteten LD kommen auffallend häufig in untergeordneten Sätzen vor (cf. auch die ältesten Belege, Bsp. 79s.). Das mag zunächst überraschen, denn Nebensätze enthalten in der Regel Hintergrundsinformation und

72 Im Altitalienischen unterliegt die Enklisis des unbetonten Pronomens auch beim Imperativ dem Tobler-Mussafia-Gesetz. Dies bedeutet, dass das Pronomen bei Voranstellung in Proklise stünde. Cf. Renzi (2008, 2839). 73 Die enklitische Stellung des Reprise-Elements ist in solchen Fällen aber nicht obligatorisch: «La vostra figliuola la teroe a grande onore» (UrNov 84, 9) oder «E in brieve de’ cosí fatti ne gli disse molti […]» (Dec I, 1, 65). 74 D’Achille bezieht sich sowohl auf das LD als auch auf das Right Detachment (RD). 75 Das Vorkommen von LD in Fragesätzen ist jedoch nicht so hoch, wie bei Nicolosi (2012a, 131) zunächst angenommen wurde.

4.2 Left Detachment (LD)

69

sollten für Topic-Markierungen daher weniger anfällig sein. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber hauptsächlich um Konjunktional-, Kausal- und Konsekutivsätze, deren Mitteilungswert im Allgemeinen nicht weniger wichtig ist als der von Hauptsätzen.76 So sind Konjunktionalsätze in der Regel Träger der Hauptinformation. Der Hauptsatz, von dem sie jeweils abhängen, beschränkt sich dagegen oft auf ein Verb, dessen Funktion darin besteht, die Aufmerksamkeit auf den Inhalt des Nebensatzes zu lenken (z. B. sappiate che; cf. dazu Kap. 4.2.3.3). Auch Kausalsätze enthalten für den Kommunikationsablauf unerlässliche Informationen, sollen sie doch das zuvor Gesagte oder zuvor Geschehene begründen. Was die Konsekutivsätze betrifft, so rückt nicht die Ursache einer Handlung in den Vordergrund wie in Kausalsätzen, sondern eben ihre Folge. Eine ausführliche Untersuchung über die Pragmatik des LD im Altitalienischen steht noch aus. Bemerkungen hierzu finden sich bei D’Achille (1990a, 200; auch 202s.): «i dati sembrano confermare che definire ‹tema› l’elemento dislocato è legittimo». Die topicmarkierende Funktion des LD im Altitalienischen wurde zuletzt bei Nicolosi (2012a, 128–132) untersucht. Im Folgenden sollen die Materialien analog zu OTOP – V im Hinblick auf die Identifizierbarkeit des LD-Elements und seine Funktion im Diskurs analysiert werden. Im Vergleich zu OTOP – V ist eine Einschränkung der Daten auf das direkte Objekt nicht notwendig, denn das LD ist weniger häufig als die Konstruktion ohne Reprise. Untersucht werden daher sowohl LD im Haupt- als auch im Nebensatz unter Berücksichtigung aller syntaktischen Funktionen des LD-Elements.

4.2.1 Identifizierbarkeit des LD-Referenten Der vorliegende Abschnitt behandelt analog zu OTOP – V die Identifizierbarkeit des LD-Elements. Es wird gezeigt, dass nur +IDENT Konzepte als LD-Referenten zulässig sind, die aber sowohl +NEU als auch –NEU sein können. 1. Über die Identifizierbarkeit des LD-Referenten kann kein Zweifel bestehen, wenn er unmittelbar vorerwähnt wurde. Dabei kann es sich formal um eine identische lexikalische Wiederholung oder, was häufiger vorkommt, um eine NP mit einem anaphorischen Ausdruck handeln; cf. etwa:

76 Cf. Berretta (2002a, 176, Anm. 41) zum Neuitalienischen. Ihre Annahme aber, es handle sich im Allgemeinen bei LD in Nebensätzen um einen «indizi[o] di tendenziale perdita di marcatezza della dislocazione a sinistra in italiano» (Berretta, 2002a, 176), ist dagegen zu revidieren, da dieses Phänomen bereits im Altitalienischen verbreitet war.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

«Ancora, bel sire, vi vogliamo fare avvisato […] che questa isola sì si soleva abitare per giganti ad antico tempo […]. Ora, di questa isola n’era signore uno folle gigante giudeo […]» (Tav XXXV, 176).

(100) E allora scrisse una lettera di sua propria mano […] e diella al suo Governale, pregandolo che gli piaccia d’aoperare tanto, che la detta lettera egli la getti nella torre là dove Isotta stava incarcerata (Tav XLIV, 208s.). (101) […] lo sire delle contrade facea fare, a certe poste, grandi e belle albergheríe, e sì le forniva di biada, di fieno, di biscotto e di vino e di cernises; e questa77 serravano colle chiavi; e le dette chiavi, poi appresso, l’attaccavano allo anello dell’uscio […] (Tav LVII, 253). Als LD-Element kann ebenfalls ein alleinstehendes Demonstrativpronomen fungieren, wobei auffällt, dass es sich in den überwiegenden Fällen um eine anaphore résomptive in der syntaktischen Funktion einer Präpositionalphrase handelt. Näheres dazu cf. S. 86s. 2. Bei nicht explizit vorerwähnten, also +NEUEN Konzepten muss die Identifizierbarkeit auf irgendeine Weise hergestellt werden. Im folgenden Beispiel lässt sich die Kenntnis des LD-Referenten aus einem vorerwähnten Konzept ableiten; es besteht eine Teil-von-Relation: (102) […] et era ferito d’una lancia nel petto, sicchè del ferro78 alquanto dietro se ne vedeva fuore (Tav VII, 82). 3. Klare Fälle von +NEUEN LD-Referenten, die allein aufgrund der (fiktiven) Situation +IDENT sind, sind äußerst selten und kommen, wenn überhaupt, ausschließlich in direkter Rede vor. Situationsgegebene Identifizierbarkeit liegt vor in: (103) [Tristan zu Galeotto:] «[…] e anche, in questa isola io non ci sono nè non ci entrai per volonta [sic], ma fortuna di vento mi ci condusse» (Tav XXXIX, 188; cf. Bsp. 84). (104) [Tristan zu Lancelot:] «[…] io vi mosterròe per forza d’arme drittamente, che in questo paese sì ci àe di prodi e di liali cavalieri» (Tav XLIX, 221).

77 Zur fehlenden Kongruenz zwischen questa und albergheríe cf. Polidori (1864, 213, Anm. 3): «Può intendersi: ciascuna di tali albergheríe; ma può ancora correggersi: ‹queste›.» 78 Mit del ferro ist die Spitze der vorerwähnten lancia gemeint (cf. Heijkant 1999, 548).

4.2 Left Detachment (LD)

71

In Bsp. (103) wird die NP questa isola im Gespräch zwischen Galeotto und Tristan erstmalig erwähnt, das Demonstrativ kann daher nur eine deiktische Funktion haben. In Bsp. (104) wurde der LD-Referent in questo paese zwar in identischer Form vorerwähnt, eine deiktische Funktion des Demonstrativs kann aber nicht ganz ausgeschlossen werden, da die Vorerwähnung nicht unmittelbar zuvor erfolgte und sich Tristan auf seinen aktuellen Standort und den seines Gesprächspartners bezieht. 4. +NEUE Konzepte sind auch möglich, wenn der LD-Referent aufgrund seines Vorhandenseins im permanenten Repertoire +IDENT ist, was im untersuchten Korpus jedoch selten vorkommt. Potenzielle Fälle sind Konzepte, die durch einen Eigennamen repräsentiert sind wie in: (105) E appresso, messer Tristano abbatte Mordarette, figlio dello re Artus, nata della suora carnale, dama dello re Lotto; e appresso, sì abbattèe messer Agravano, e messer Troiano egli lo mandò morto alla terra […] (Tav XC, 372). Der Referent messer Troiano wird im ganzen Roman nur ein einziges Mal erwähnt (cf. das Namensverzeichnis bei Polidori 1865, 331). Im Vergleich zum vorigen Protagonisten Mordarette, der nachträglich spezifiziert wird, erfährt dieser keine nähere Bestimmung, so dass daraus zu schließen ist, dass der Erzähler die Kenntnis des Konzepts bei seinem Gegenüber voraussetzt. Eine weitere Spezifizierung erübrigt sich vielleicht auch deshalb, weil Troiano im Folgetext nicht mehr erwähnt wird und er in der vorliegenden Situation (einer Kampfszene) in seiner Rolle als Gegner von Tristan völlig ausreichend definiert ist. Weiteres über die Identität von Troiano verrät außerdem sein Ehrentitel messer, der auf seinen Status als Ritter hinweist. 5. Schließlich kann die Identifizierbarkeit eines +NEUEN Konzepts nachträglich hergestellt werden: (106) [Der Sprecher, ein Sklave, muss auf Aufforderung seines Gebieters den Gesang eines Vogels übersetzen:] «Et però sappiate, che quello ucciello d’oggi significhò nel suo chanto, che uno figliuolo che tu ài, no·llo rivedrai giamai in questo mondo vivo» (Pan32 CXLVI, 172). (107) [Languis fragt Tristan nach seinem Namen; Tristans Antwort:] «Sire re Languis, io vi priego per cortesia, che voi mi dobbiate perdonare se io non vi dico ora mio convenente; imperò che la credenza79 di mio nome, io me la riputo in grande mio tesoro […]» (Tav XXII, 139). 79 [C]redenza: Geheimnis (cf. Polidori 1865, 52, s. v. credenza).

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

(108) «Sire cavaliere, novelle v’apporto assai malvagie e rie; imperò che, lo cavaliere lo quale venne con voi qua entro in vostra compagnia, io lo scontrai ier sera morto e disteso in sul cammin […]» (Tav CV, 436). (109) [Currado gibt Giuffredi, alias Giannotto, seine Tochter zur Frau; Giuffredis Antwort:] «Quello che tu offeri di voler fare sempre il desiderai […]» (Dec II, 6, 55). (110) [Roboam fragt den Rat der Jungen, wie er sein Volk regieren soll; ihre Antwort lautet:] «Onde dí loro con vivore e co ardire ch’elli sono tuoi servi, et chi non t’ubiderà, che tue l’averai punire, seconda la tua aspra leggie» (UrNov 10, 21). In Bsp. (106) ist das LD-Element durch eine spezifisch-indefinite NP repräsentiert, die durch einen restriktiven Relativsatz näher determiniert ist. Derartige nachträglich spezifizierte Konzepte werden von Prince (1981a, 236) «Brand-new Anchored» (z. B. a guy I work with) genannt: «A discourse entity is Anchored if the NP representing it is ‹linked›, by means of another NP, or ‹Anchor›, properly contained in it, to some other discourse entity». Hiermit kann der Sprecher ein brandneues Konzept in der Diskurswelt verankern und dabei für das Gegenüber identifizierbar machen. Voraussetzung hierfür ist, dass der «Anchor» selbst +IDENT ist. In Bsp. (106) ist dieser «Anchor» das Subjektpronomen tu im Relativsatz. In Bsp. (107) und (108) wird die jeweilige Initial-NP ebenfalls nachträglich spezifiziert, in diesem Fall durch ein Präpositionalgefüge bzw. einen restriktiven Relativsatz, aber im Gegensatz zu Bsp. (106) ist sie jeweils formal definit (cf. Princes «Containing Inferrable» und hier S. 39s.). Anstelle des bestimmten Artikels kann in Fällen wie in Bsp. (108) ein Demonstrativpronomen auftreten, das weder eine anaphorische noch eine deiktische Funktion hat, sondern eine memorielle (cf. Bsp. 121s.). Im Abschnitt über die Funktionen der Topic-Markierung (cf. Kap. 4.2.2) werden wir sehen, dass es sich bei derartigen Fällen oft um Konzepte handelt, die bereits Topic waren, die aber als +NEU behandelt werden, weil die letzte Erwähnung so lange zurückliegt, dass der Sprecher seine Kenntnis beim Gegenüber nicht mehr voraussetzen kann. In Bsp. (109) wird ein restriktiver Relativsatz mit einem Demonstrativ als Antezedens und in Bsp. (110) ein sogenannter freier Relativsatz (im Folgenden «chi-Satz»80 genannt) klitisch wiederaufgenommen. Das Pronomen chi in chiSätzen stellt die synthetische Variante von colui che dar, weshalb es in den

80 Terminus gebildet nach dem «qui-Satz» von Stempel (1964, 213–219).

4.2 Left Detachment (LD)

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italienischsprachigen Grammatiken als «pronome doppio» bezeichnet wird.81 Im Vergleich zu quello che u. Ä. ist der hiermit bezeichnete Referent immer +HUM und unveränderlich. In Verbindung mit einer Präposition kann allerdings die oblique Variante cui auftreten; cf. etwa «A cui vien fatta una cosa o bella o laida dinanzi a un signore, quando [il signore] è ben disposto, li vien ben fatto, come venne a questo Genovese» (Tre 82, 14). Während die Reprise von quello che-Sätzen nicht obligatorisch ist (cf. Bsp. 29: «quello che noi diciamo, diciamo per sollazzare»), wenn auch meistens der Fall, muss ein vorausgehender chi-Satz, sofern dieser nicht Subjekt-Funktion hat, pronominal wiederaufgenommen werden.82

4.2.2 Topicmarkierende Funktionen von LD Das LD im Altitalienischen zeichnet sich, wie zuvor gesehen, hauptsächlich durch lange, d. h. erweiterte LD-Elemente aus. Da die Reprise in solchen Fällen als doppelt motiviert anzusehen ist (cf. Prévost 2009, 436 und hier S. 67), wird im Folgenden zwischen einfachem und komplexem LD-Element unterschieden (cf. Nicolosi 2012a, 128–130). Wenden wir uns zunächst dem LD einfacher Elemente zu. 4.2.2.1 LD einfacher Elemente Entgegen der Annahme Vanellis (1986, 265) sind LD «nicht schwerer» Konstituenten im Altitalienischen belegt. Es lassen sich dieselben topicmarkierenden Funktionen beobachten wie bei OTOP – V, d. h. Topic-Bestätigung, TopicReetablierung, Topic-Hervorholung und Topic-Etablierung. Topic-Bestätigung Ist der LD-Referent unmittelbar vorerwähnt und im Vortext bereits Topic, liegt die Funktion der Topic-Bestätigung vor: (111)

[Gespräch zwischen Lancelot und Tristan; beide erkennen sich nicht; Lancelot fragt:] «[…] ma una cosa, in cortesia, mi dite: se in quello ca-

81 Cf. etwa Dardano/Trifone (1995, 286s.): «Chi è un pronome ‹doppio›, in quanto unisce in sé la funzione di due pronomi diversi: uno dimostrativo (colui, quello, colei, quella) o indefinito (qualcuno, uno, qualcuna, una), l’altro relativo (che, il quale, la quale).» 82 Bemerkungen zu Reprisen von quello che-Sätzen finden sich u. a. bei Stussi (1995, 211), Manni (2003, 303) und Nicolosi (2012a, 127).

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stello dimora uno cavaliere il quale èe appellato Tristano.» E Tristano disse: «Bel sire, in verità vi dico, che io lo vidi cavalcare questa mattina assai pensoso.» E lo cavaliere disse: «Come! Non èe la reina Isotta nella città?» quasi diceva: «Come puote essere Tristano pensoso, essendo Isotta presso di lui?» E a quel punto, Tristano tutto si turbò, dicendo: «Cavaliere, la reina Isotta, perchè la menzonate [sic] voi?» (Tav XLIX, 221) In Bsp. (111) wird der Referent «Isolde» (la reina Isotta) mittels eines LD als Topic markiert, obwohl er im vorigen turn als Subjekt des Fragesatzes bereits Topic-Status besaß. Da dieser aber unvermittelt in den Diskurs eingeführt wurde, wo es doch bisher um Tristan ging, ist eine bloße Pronominalisierung offensichtlich nicht ausreichend, um die Topic-Kontinuität zu gewährleisten. Sein Status als aktuelles Diskurstopic muss noch bestätigt werden, was im zweiten turn durch identische lexikalische Wiederholung und syntaktische Markierung in Initialposition erfolgt. Formal liegt die Kombination von zwei topicmarkierenden Verfahren vor: der Herausstellung der Objekt-NP aus der Wortfrage (Prolepse) und der pronominalen Reprise innerhalb der Wortfrage. Im Altitalienischen ist die zusätzliche pronominale Reprise eines direkten Objekts in Prolepse, wenn auch am häufigsten belegt, nicht obligatorisch.83 Topic-Reetablierung Bei nicht unmittelbar vorerwähnten Topics liegt die Funktion der Topic-Reetablierung vor: (112)

[Im vorigen Kapitel wurden Galaads Eltern von Tristan enthauptet; beide Häupter werden Galaad überreicht:] E allora Galeotto manda per lo re de’ Cento Cavalieri, lo quale era presso al castello delle Incantatrici. Essendo venuto, trovando tale novella, fue molto dolente; e le due teste, féciorle allora interrare onorevolmente nella badía de Lanorio (Tav XXXVIII, 184; cf. Bsp. 97).

(113) Lo padre raunò suo isforzo per prendere lo figliuolo. Lo Re Giovano si rinchiuse in uno castello, et Beltrame del Borno co·llui. Lo padre vi venne ad asedio. Uno giorno allo Re Giovano, per troppo sichurtade, li venne uno quadrello inella fronte disaventurosamente, cha·lla contraria fortuna lo seguitava, che·llo ucise (UrNov 28, 14–17; cf. Bsp. 81).

83 Näheres zur Prolepse cf. Kap. 4.3.

4.2 Left Detachment (LD)

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(114) [Gespräch zwischen dem Kaiser und einem Schmied:] Et lo ’nperadore disse: «Che fa’ tu di questi cotali iiij soldi?» «Messer, XII danari ne do per Dio, et gli altri XII danari rendo a uno mio padre per sue ispese, ch’è·ssì vecchio che non ne puote guadangnare, ch’egli mi prestò quando io era giovane, che anchora non ne sapea guadagnare neuno. Gli altri XII danari gietto via, chè·lli dòe per sue ispese ad una mia moglie, et per ciò li mi pare gittare, perch’ella non sa fare altro che bere et mangiare. Gli altri XII danari adopero per le mie propie ispese. Et così de’ detti IIII soldi ne fo quello ch’io giudico: dodici ne do per Dio, XII ne rendo a mio padre, XII getto via et dodici n’adopero» (Pan32 CXXXIX, 137s.). In Bsp. (112) befördert der Erzähler nach einer Digression le due teste wieder zum Topic. Die Topic-Reetablierung wird im Vortext durch die NP tale novella eingeleitet, die den Kontext, in dem das Konzept le due teste bereits Topic war, wieder aktualisiert. In Bsp. (113) wurde die Erwähnung von lo Re Giovano ebenfalls kurzfristig unterbrochen, so dass die Topic-Kontinuität nicht mehr gewährleistet werden kann und das Konzept als Topic reetabliert werden muss, was mittels eines LD geschieht. Das topic-reetablierende LD ist außerdem durch den Anfang einer neuen Episode bzw. durch einen Wendepunkt in der Geschichte motiviert (cf. die initiale Temporalbestimmung uno giorno). In Bsp. (114) erfolgt das LD in direkter Rede. Auf die Frage des Kaisers, wie er sein gesamtes Einkommen einsetzt, antwortet der Schmied zunächst mit einer detaillierten Aufstellung seiner Ausgaben, wobei er jede Teilmenge mittels OTOP – V markiert (Listing Topics). Dann stellt er abschließend noch einmal zusammenfassend fest, wie er sein Geld ausgibt. Hierfür greift er das Diskurstopic (die Gesamtmenge, de’ detti IIII soldi) wieder auf und markiert dabei dieses mittels eines LD. Topic-Hervorholung Ist der LD-Referent –NEU, aber im Vortext noch nicht Topic, liegt die Funktion der Topic-Hervorholung vor (cf. auch Bsp. 101): (115)

Il prete, veggendo che ella non era acconcia a far cosa che gli piacesse se non ‹a salvum me fac›, e egli volea fare ‹sine costodia›, disse: «Ecco, tu non mi credi che io te gli rechi; acciò che tu mi creda io ti lascerò pegno questo mio tabarro di sbiavato.» La Belcolore levò alto il viso e disse: «Sí, cotesto tabarro, o che vale egli?» Disse il prete: «Come, che vale? Io voglio che tu sappi ch’egli è di duagio infino in treagio, e hacci di quegli nel popolo nostro che il tengon di quattragio; e non ha ancora

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quindici dí che mi costò da Lotto rigattiere delle lire ben sette, e ebbine buon mercato de’ soldi ben cinque, per quel che mi dica Buglietto, che sai che si cognosce cosí bene di questi panni sbiavati» (Dec VIII, 2, 33– 35). (116) E allora scrisse una lettera di sua propria mano […] e diella al suo Governale, pregandolo che gli piaccia d’aoperare tanto, che la detta lettera egli la getti nella torre là dove Isotta stava incarcerata. E Governale cosìe fae; chè tanto egli s’accostòe alla torre, che per ingegno egli la vi gittòe dentro, per uno piccolo pertusio. E la reina vedendo la detta lettera, sì la aperse, per vedere e leggere quello ch’ella diceva. La lettera a punto diceva cosìe: […] (Tav XLIV, 208s.; cf. Bsp. 100). (117)

[Messer Ridolfo, der zum Duell herausgefordert wurde, gelingt es, mit einer treffenden Antwort den Kampf zu vermeiden; hier der Kommentar des Erzählers (Sacchetti):] Assai ne sono stati che, sanza fare alcuna comparazione, richiederanno di combattere con uno a corpo a corpo, e Dio il sa come verrebbono agli effetti. Ma questa battaglia è lecito ad ogni savio uomo di schifarla (Tre CLXXXII, 9).

In Bsp. (115) will sich Belcolore weitere Informationen über einen –NEUEN, aufgrund der Situation +IDENT Referenten (questo mio tabarro ‘diesen blauen Mantel’) einholen, den ihr Gesprächspartner kurz zuvor in den Diskurs eingebracht hat, ohne ihn jedoch zum Gesprächsgegenstand zu machen. Zu diesem Zweck wird cotesto tabarro zum Topic der Frage gemacht, wobei die NP die Initialposition vor dem Fragepronomen einnimmt und innerhalb des Fragesatzes durch ein Subjektpronomen korreferentiell repräsentiert wird (Prolepse eines Subjekts mit LD; cf. Kap. 4.3). Das Konzept wird im Folgetext weiter verwendet und wurde somit als Diskurstopic erfolgreich etabliert. Bsp. (116) und (117) kommen dagegen im Erzähltext vor. In Bsp. (116) bezieht sich der Erzähler auf ein von ihm selbst eingeführten Konzept (una lettera), das er im Folgetext weiterverwenden möchte. In Bsp. (117) ist dagegen keine Weiterverwendung des hervorgeholten Topics intendiert, denn die Äußerung stellt den Schlusssatz der Novelle dar. Die LD-Konstruktion (abermals eine Prolepse mit LD) dient hier vielmehr dazu, das Diskurstopic des Vorhergehenden klarzustellen, zu dem der Erzähler Sacchetti abschließend seine Stellungnahme abgibt: Jedem vernünftigen Menschen sollte es erlaubt sein, solche Duelle (combattere con uno a corpo a corpo) zu vermeiden. Messer Ridolfo, der Hauptprotagonist der Geschichte, ist ein vernünftiger Mensch, denn ihm ist gelungen, mit einer treffenden Antwort den Kampf zu vermeiden. Der LD-Referent questa battaglia stellt somit ein übergeordnetes Konzept dar, für das der Gegenstand der Erzählung ein Beispiel ist.

4.2 Left Detachment (LD)

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Auf diese abschließende Funktion von topicmarkierenden Verfahren wurde bereits mehrfach hingewiesen (cf. Bsp. 32s. und 114). Um eine Erzähleinheit abzuschließen, scheint es methodisch offensichtlich wichtig zu sein, das Diskurstopic noch einmal zu verdeutlichen (cf. Thörle 2000, 218 mit französischen Sprachmaterialien). Topic-Etablierung LD einfacher NP können auch zur Etablierung nicht vorerwähnter Topics verwendet werden. Der LD-Referent ist in diesem Fall +IDENT und +NEU: (118) E Isotta disse: «Cavaliere, certo voi siete molto savio, e ’l senno non puote esser sanza prodezza.» E Dinadan disse: «Per mia fede, ch’ io non soe niuno cavaliere a cui io per paura voltassi mio scudo.» «Certo, per mia leanza» ciò disse Isotta, «ched e’ ve lo dà bene la vista: e la vostra venuta, io l’òe molto cara; imperò che la vostra grande prodezza, ella mi fae grande mestiere; e rendomi certa che io da voi saròe consigliata e difesa» (Tav XCIII, 384). (119) E Tristano combattendo pur con Lancialotto, e trovandolo tanto feroce e forte, sìe molto se ne maraviglia: [sic] e sìe pensava chie gli quattro cavalieri potessoro essere e donde, con ciò sia che quelle insegne giammai egli non l’avea giàmai vedute (Tav CI, 418). In Bsp. (118) ist der LD-Referent la vostra venuta aufgrund eines Zugehörigkeitsverhältnisses +IDENT. In Bsp. (119) wird ein auf der Protagonistenebene situationsgegebenes Konzept, quelle insegne, als Topic markiert. Dem Demonstrativ quelle kann insofern eine deiktische Funktion beigemessen werden, als der Erzähler das wiedergibt, worüber Tristan gerade nachdenkt. Für den Leser mag dieses allerdings anaphorisch auf die vorausgehende Erzählung verweisen (cf. Tav CI, 417: «e addobârsi di nuove insegne divisate»). Vergleiche auch Bsp. (103): «e anche, in questa isola io non ci sono nè non ci entrai per volonta [sic], ma fortuna di vento mi ci condusse»; Bsp. (104): «in questo paese sì ci àe di prodi e di liali cavalieri». 4.2.2.2 LD komplexer Elemente In den meisten Fällen komplexer LD-Elemente handelt es sich um eine NP, die durch einen oder mehrere Relativsätze erweitert ist. Solche Konstituenten zeichnen sich durch ihre materielle Aufwändigkeit aus und werden deshalb in der italienischen Fachliteratur «costituent[i] pesant[i]» genannt (Vanelli 1986, 265). Für diese lexikalische «Schwere» gibt es verschiedene Gründe.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

Der LD-Referent ist ein brandneues Konzept, das nachträglich determiniert werden muss, um +IDENT für das Gegenüber zu sein. Formal kennzeichnen sich derartige Konzepte durch eine indefinit-spezifische NP mit einem restriktiven Nebensatz. Das folgende Beispiel wurde bereits im Hinblick auf seine Identifizierbarkeit erwähnt (cf. Bsp. 106). Im Folgenden soll die pragmatische Funktion des LD analysiert werden: (120) [Der Sprecher übersetzt den Gesang eines Vogels:] Et però sappiate, che quello ucciello d’oggi significhò nel suo chanto, che uno figliuolo che tu ài, no·llo rivedrai giamai in questo mondo vivo. Essendo elli a una chaccia dietro a uno grande cerbio, a chavallo, sì andò giù per una ripa, et chosì cadde incontanente morto; laonde la tua famiglia, ch’erano cho·llui, il ti rechano così morto (Pan32 CXLVI, 172). In Bsp. (120) wird über ein +NEUES Konzept eine wichtige Mitteilung gemacht, was die einleitende Formel sappiate che unterstreicht (cf. Kap. 4.2.3.3). Der Sprecher soll seinem König über den Gesang eines Vogels berichten, der ein schreckliches Unglück in der königlichen Familie vorhergesagt hat. Dies geschieht mittels einer LD-Konstruktion, die den Vorteil hat, den neuen Gesprächsgegenstand (uno figliuolo che tu ài) vom Comment darüber (dem Inhalt der Prophezeiung) deutlich zu trennen und diesen für weitere Aussagen verfügbar zu machen (cf. den folgenden Kontext, wo er als Subjekt weiterverwendet wird). Das LD dient hier also eindeutig der Topic-Etablierung. Ein weiterer Grund für die lexikalische «Schwere» von LD-Konstituenten ist, dass Konzepte im Laufe des Diskurses ihren Informationswert ändern können, z. B. wenn ein vorerwähnter Referent als +NEU behandelt wird, weil seine letzte Erwähnung eine Weile zurückliegt und der Sprecher aus diesem Grund seine Kenntnis beim Gegenüber nicht mehr annehmen kann. Formal sind solche LD-Referenten durch eine definite NP repräsentiert, die durch einen restriktiven Relativsatz näher determiniert ist: (121)

La mattina si levaro, et ciascheduno ne venne al luogo dov’era usato di stare ad achattare. Giunti amendue li ciechi a la strada, et il ciecho ch’avea mangiato il suo pane, disse cho’ la femina sua donna: «Or questo nostro conpangnio che achatta chome noi, chon chu’io contendo tutto il giorno, non ebbe elli uno pane dal famigliaro del Re altressì come noi?» Ella disse: «Sì, ebbe» (Pan32 CXLVII, 175).

(122) Il compagno di frate Rinaldo, che non un paternostro ma forse piú di quatro n’aveva insegnati alla fanticella […], se ne venne giuso e entrato nella camera disse: «Frate Rinaldo, quelle quatro orazioni che m’impone-

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ste, io l’ho dette tutte.» A cui frate Rinaldo disse: «Fratel mio, tu hai buona lena e hai fatto bene. Io per me, quando mio compar venne, no’ n’aveva dette che due, ma Domenedio tra per la tua fatica e per la mia ci ha fatta grazia che il fanciullo è guerito» (Dec VII, 3, 39). (123) [Um die Gunst ihres Gatten zu erlangen, musste Giletta zwei unmögliche Bedingungen erfüllen; nachdem es ihr gelungen war, erscheint sie vor ihm und sagt:] «Signor mio, io sono la tua sventurata sposa, la quale, per lasciar te tornare e stare in casa tua, lungamente andata son tapinando. Io ti richeggio per Dio che le condizion [sic] postemi per li due cavalieri che io ti mandai, tu le mi osservi: e ecco nelle mie braccia non un sol figliuolo di te, ma due, e ecco qui il tuo anello. Tempo è adunque che io debba da te sí come moglie esser ricevuta secondo la tua promessa.» Il conte udendo questo tutto misvenne e riconobbe l’anello e i figliuoli ancora, sí simili erano a lui; ma pur disse: «Come può questo essere intervenuto?» (Dec III, 9, 58s.) Dass der LD-Referent in Bsp. (121) als +NEU zu betrachten ist, lässt sich an der Überdeterminierung des LD-Elements erkennen, welches durch zwei Pronomina (questo nostro compagnio) und zwei beigeordnete Relativsätze (che achatta chome noi, chon chu’io contendo tutto il giorno) näher bestimmt ist. Beide Pronomina, questo und nostro, signalisieren, dass es sich um einen Referenten handelt, der sich im permanenten Repertoire beider Gesprächspartner befindet. Das Demonstrativpronomen erfüllt eine memorielle Funktion, indem das Gegenüber aufgefordert wird, in seinem Gedächtnis nach einem Referenten zu suchen, der nicht mehr aktuell ist (cf. Gaudino-Fallegger 1992, 41).84 Beide Relativsätze haben die Aufgabe, den Topic-Referenten zu rekontextualisieren, indem sie die Umstände, unter denen er gewöhnlich vorkommt, wieder aktualisieren. Die Diskursfunktion des vorliegenden LD kann auf der Dialogebene als Topic-Etablierung betrachtet werden. Bsp. (122) und (123) lassen sich gleichermaßen beschreiben. Um den ersten Fall zu verstehen, muss der Zusammenhang allerdings etwas näher beschrieben werden. Frate Rinaldo ist bei seiner Geliebten. Als ihr Gatte unerwartet zurückkommt, begründet sie die Anwesenheit von Frate Rinaldo hiermit, dass ihr gemeinsamer Sohn krank gewesen sei und Frate Rinaldo ihm durch seine Gebete das Leben gerettet hätte. Der Gefährte von Frate Rinaldo, der heimlich das Gespräch verfolgt hat, platzt zu diesem Zeitpunkt ins Zimmer herein und täuscht die Reetablierung eines Topics vor, das die Erzählung der Mutter unter-

84 Die Funktion des Demonstrativpronomens ist hier also weder deiktisch noch anaphorisch.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

mauert. Das Demonstrativ in quelle quatro orazioni kann hier also keine anaphorische, sondern nur eine memorielle Funktion besitzen. Damit soll ein (angeblich) zuvor thematisierter Referent aufgerufen werden. In Bsp. (123) soll ebenfalls ein den beiden Gesprächspartnern bekannter Referent (le condizion) als Topic markiert werden. Da das Geschehen aber mindestens ein Jahr zurückliegt, muss der Kontext, in dem dieser thematisiert wurde, rekonstruiert werden, was durch die Partizipialkonstruktion postemi per li due cavalieri che io ti mandai vollzogen wird. Das LD dient hier daher der Etablierung eines +NEUEN Topics. Im Folgetext werden die beiden condizion namentlich erwähnt. In den bisher beobachteten LD komplexer NP hatte die NP-Erweiterung eine restriktive Bedeutung, d. h., ohne sie wäre der LD-Referent –IDENT. Es finden sich nun zahlreiche Fälle, in denen sie nicht restriktiv oder zumindest hinsichtlich der Identifizierbarkeit des LD-Referenten nicht erforderlich ist, weil dieser aufgrund der Weltkenntnis, der Situation oder des Vortexts +IDENT ist und daher keiner nachträglichen Spezifizierung bedarf. Der LD-Referent kann dabei –NEU oder +NEU sein. (124) [Gespräch zwischen Tristan und Isolde; Tristan spricht:] «E sappiate che lo re della Petitta Brettagna m’àe donato quello reame: imperò, da poi ch’io ò reame per me, io sì voglio che Governale, che tanto m’àe servito, egli sia re di Lionis» (Tav LXIII, 272). (125) Lo giovano rispuose: «Dimandoti onde sè e di che condizione.» E quelli rispuose, e disse: «Messer, io sono d’Italia e mercatante sono molto riccho, e quella riccheza [sic] che io hoe non l’ò di mio patrimonio, e tutto l’ò guadagnato per mia sollicitudine» (UrNov 11, 9s.). (126) Et quando li due re ebbero provato e’ vanti che85 lui s’era vantato, eglino si l’appellaro a loro, in presenzia dell’alto prencipe Galeotto e di misser Lancilotto et di molti altri baroni e cavalieri, dicendo: «Ferragunze, di quello che voi vi vantaste presente noi, certi siamo che tuo vanto è vero: ma prima che ’1 dono riceviate, voliamo sapere onde procede tanta bontà.» Et allora Ferragunze rispose a li due re: «Questa bontà che io ò, ciascuna persona la può avere, chi vuole […]» (Tav XI, 99). In Bsp. (124) ist das LD-Element durch einen Eigennamen repräsentiert, dessen Referent (Tristans Bediensteter Governale) dem Gegenüber Isolde (der Geliebten von Tristan) selbstverständlich bekannt ist. Die NP-Erweiterung che tanto

85 [C]he: ‘di che’. Im Altitalienischen konnte die Präposition in Verbindung mit che fehlen, «quando il senso non venisse a perderne in chiarezza» (Rohlfs 1968, § 484).

4.2 Left Detachment (LD)

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m’àe servito ist daher nicht restriktiv. Sie liefert lediglich eine Information, die die folgende Mitteilung über das Topic im Kernsatz rechtfertigt. Das LD hat eine topic-etablierende Funktion. In Bsp. (125) und (126) bezieht sich das LDElement jeweils auf ein unmittelbar vorerwähntes Konzept. Das Demonstrativpronomen besitzt in beiden Fällen eine anaphorische Funktion, so dass der Relativsatz zur Identifizierbarkeit des LD-Referenten nicht notwendig ist. Seine Aufgabe besteht eventuell darin, das Zugehörigkeitsverhältnis (che io hoe/ò) zwischen dem LD-Referenten und dem Sprecher zu unterstreichen. In Bsp. (126) dient er eventuell zur Gegenüberstellung von io in der NP-Erweiterung und ciascuna persona im Kernsatz. Das LD in Bsp. (125) dient der Topic-Hervorholung, in Bsp. (126) der Topic-Bestätigung. Im nächsten Beispiel wird ein durch LD kurz zuvor etabliertes Topic (la battaglia per noi incominciata) in einer weiteren, topic-bestätigenden LD-Konstruktion wörtlich wiederholt, obwohl eine einfache NP in Verbindung mit einem anaphorischen Ausdruck (z. B. ‘questa battaglia’) völlig ausreichend gewesen wäre. Das LD-Element wird beide Male durch ein Subjektpronomen wieder aufgenommen: (127) E Tristano disse: «Sir Amorotto, la battaglia per noi incominciata potrebb’ella per modo o per guisa veruna rimanere, acciò che io e mia compagnia mi potessi di qui dipartire di questa isola?» E sappiate che tali parole messer Tristano non diceva per paura, anzi lo diceva per amore; chè gli incresceva de l’Amorotto, lo quale era uno bello e giovane cavaliere, che avea sette anni più che Tristano. E lo Amorotto dice a Tristano: «Sappiate che la battaglia per noi incominciata, per nulla manera ella non puote rimanere; e conviene che io sia morto e non posso scampare […]» (Tav LXXVIII, 320). Das zweite LD dient eindeutig der Topic-Bestätigung. Aus welchem Grund aber das Topic solch eine «Überdeterminierung» (zu diesem Begriff cf. Waltereit 2006, 164) erfährt, lässt sich nicht ohne Weiteres bestimmen. Es scheint jedoch so zu sein, dass sich der Sprecher hier der Länge des LD-Elements bedient, um die Mitteilung der wesentlichen Information (die Antwort auf die Frage, ob der Kampf weitergeführt werden soll) zu verzögern und dadurch Spannung aufzubauen (Näheres dazu cf. Kap. 4.2.3.3).

4.2.3 Weitere Funktionen von LD Im folgenden Kapitel wird geprüft, ob das LD für die Markierung alternativer Topics sowie für die der anaphore résomptive eingesetzt werden kann, welche,

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

wie in Kap. 4.1.3 dargelegt wurde, zwei große Anwendungsbereiche von OTOP – V darstellen. Es wird außerdem gezeigt, dass das LD auch dazu dienen kann, dem Comment einen besonderen Nachdruck zu verleihen. 4.2.3.1 Komparative Funktion Alternatives Topic Wie es bei OTOP – V bereits der Fall war, kann das LD aus komparativen Gründen verwendet werden, d. h., ein Konzept wird als Initialtopic markiert, weil es mit einem vorerwähnten Konzept, das ebenfalls Topic sein kann, verglichen werden soll. Im Vergleich zur topicmarkierenden Objektvoranstellung lässt sich diese Funktion beim LD jedoch selten belegen. Wenn außerdem das alternative Topic durch ein komplexes Element repräsentiert ist, ist die Reprise als doppelt motiviert (pragmatisch und kognitiv) anzusehen: (128) [Zwei Frauen streiten sich um ein Kind; Salomos Urteil:] Udendo ciò, il sapientissimo Salamone inchontanente li le fece riporre in braccio, et a l’altra che dicea ch’era suo, perch’era la prima achusa che fatta li era dinanzi, sì·lle perdonò […] (Pan32 CXXXVIII, 136). (129) E appresso lo re fece prendere li due cavalieri che apportato avièno lo corpo di sua dama alla città, e sì fece loro trinciare la testa; e alla donzella che campato avea il fanciullo e fatta compagnia alla reina, le donò uno bello e ricco castello, dicendo ch’ella lo mantenesse al suo bel piacere (Tav XIII, 108). (130) [Tristan zu einer Gesandschaft, die König Amoroldo zu König Mark ausgeschickt hat, um seinen Tribut zu fordern:] «E se lo Amoroldo altro volesse dire, io lo appello alla battaglia, e mostrerògli per forza d’arme, che niuno trebuto da noi non debbe ricevere: ma quello il qual’egli àe avuto per tempo passato, lo debbe ristorare e rendere» (Tav XVIII, 125). Im Fall eines einfachen LD-Elements kommt der komparativen Funktion jedoch eine größere Bedeutung zu; cf. etwa: (131) [Ein Arzt heiratet; nach kaum zwei Monaten bekommt seine Gattin ein Kind; nach der Geburt sagt er zu ihr:] «Io, madonna, v’òe onorata quanto io v’òe potuto e saputo. Preghovi, per amore di me, che voi torniate oggimai a chasa dello vostro padre. La vostra figliuola la86 teroe a grande onore» (UrNov 84, 7–9). 86 Ein Kopistenfehler (Dittologie: -la la), wie bei Nicolosi (2012a, 126, Anm. 12) suggeriert wird, ist nicht plausibel. Im Kodex Panciatichiano 32 werden schwach betonte Formen mit dem fol-

4.2 Left Detachment (LD)

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(132) E lo re [Marco] scontrando certi pastori, sì gli domandòe: «Chi abita in quello casamento? […]» Gli pastori dissono: «Certo, sire, noi non sappiamo lo nome suo: egli bello cavaliere;87 ma lo suo famiglio, abbiamo noi udítoglielo chiamare per nome Governale» (Tav XLVI, 214). (133) E Tristano disse: «Amorotto, questo non fae niente al fatto: chè se io facessi vista di trarre a fine voi, la dama della isola, che tanto àe avuta vostra amistà, verrebbe con altre genti a onorarvi; e non trovando la verità, e’ non sarebbe ben fatto: ma di me non se ne cureranno niente» (Tav LXXVIII, 322). Werden LD und OTOP – V jedoch gemeinsam verwendet, so wird die komparative Funktion der Objektvoranstellung überlassen, während das LD im vorausgehenden Teilsatz benutzt wird, um das erste Glied des Vergleichspaars zu markieren: (134) E non che de’ matrimoni, ma avendo a comprare ronzini, quelli de’ vicini no ’i88 vogliamo, che ci paiono pieni di defetti, e quelli de’ Tedeschi che vanno a Roma in furia comperiamo (Tre XVI, 30). (135) «‹[…] Onde ‹i› .CCLXXXX. bisanti›89 ne vuoli,90 rendeli,91 e li .X. che tue non volei ti tiene» (UrNov 14, 12). (136) [Tristan:] «Ma, certo, della sua venuta io non ne seppi niente, ma la mia fo io assapere a lui» (Tav CII, 424). Suzuki (2001, 76; cf. auch Vanelli 1986, 271s., Anm. 16) macht auf ein weiteres Beispiel aufmerksam. Hier markiert das LD das alternative Topic:92 genden Wort zusammengeschrieben: «lauostra fıglıuola lateroe agrande onore» (CiepielewskaJanoschka 2011, 254). Die Schreibvariante lateroe spricht eher für eine Interpretation als Objektpronomen als für einen Kopistenfehler. Zur Stellung des Reprise-Elements cf. Anm. 73, S. 68. 87 Polidori (1864, 169, Anm. 2) bemerkt: «Sembra che il copista omettesse di scrivere: ‹è›. Variano gli altri Testi [sic].» 88 [N]o ’i: «non li» (Marucci 1996, 53, Anm. 1). Andere Schreibvariante bei Faccioli (1970, 46): «quelli de’ vicini non vogliamo», womit kein LD, sondern OTOP – V vorliegt. 89 Der Text in spitzen Klammern ‹…› wurde von Conte anhand zweier weiterer Handschriften ergänzt (cf. Conte, A. 2001, 291, Anm. 6). 90 [N]e vuoli: ‘che [ne] vuoi’. In der älteren Sprache kann das Relativpronomen che fehlen (cf. Rohlfs 1968, § 483; Conte, A. 2001, 191, Anm. 1 und S. 7, Anm. 5). 91 Beim Klitikum li könnte es sich um das indirekte Objektpronomen gli handeln, womit kein LD, sondern OTOP – V vorliegen würde (cf. D’Achille 1990a, 142, Anm. 165). 92 Bei Wehr (1995, 126) zu Unrecht als kontrastiver Focus beschrieben. Richtig bei Suzuki (2001, 76). Cf. auch hier die Diskussion auf S. 49s.

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(137) […] li vecchi ucidono, gli giovani ménagli 93 a vendere per ischiavi (Marco Polo, Milione, ed. Bertolucci Pizzorusso, Valeria, Milano, Adelphi, 2003, 49, Kap. 35, § 10). Listing Topics Das LD kann ebenfalls zur Markierung von Listing Topics eingesetzt werden. In Bsp. (138) folgen auf die erste LD-Konstruktion zwei weitere, die jeweils die Aufgabe haben, das vorangehende Satztopic abzulösen: (138) E Tristano allora disse: «[…] e la ingiuria e lo disinore e ’l danno ch’io avessi io, egli nella sua propria persona lo94 riceverebbe. […] e ogni ingiuria ch’egli v’abbia fatta, o voi a lui, io la ricevo sopra di me, e vostra onta sarà vendicata; e la morte ch’io patiròe, Lancialotto la riceveràe in sua propria persona e per tanto l’aràe […]» (Tav LXXXI, 331). Es kann vorkommen, dass nur eines der Elemente der Liste als Listing Topic markiert wird. Dies wurde vor allem bei der Beschreibung von Kampfszenen in La Tavola Ritonda beobachtet. Bsp. (139) und (140) zeigen jeweils eine einzige LD-Konstruktion. Bsp. (141) enthält allerdings zwei LD: (139) E appresso, messer Tristano abbatte Mordarette, figlio dello re Artus, nata della suora carnale, dama dello re Lotto; e appresso, sì abbattèe messer Agravano, e messer Troiano egli lo mandò morto alla terra; e innanzi che sua lancia fosse rotta, abbattèe diece cavalieri in su quel campo (Tav XC, 372; cf. Bsp. 105). (140) E a quell’ora, egli abbattèe l’alto re di Norgales e messer Calvano e messer Chieso, forte innaverato; e abbattèe Agravano, e lo re Artus, con tutto il cavallo, lo mandòe in uno monte; e abbatte messer Sagramore e lo re Agalonne e messer Sacris; e al decimo colpo, ferì Lancialotto (Tav XCVIII, 408). (141) E appresso, ritrae sua lancia tutta salda, e con essa abbatte il secondo e ’l terzo e compiaga ciascuno; poi, il quarto, egli il mandò morto alla terra; il quinto, abbattè lui e ’l cavallo (Tav LXXXIV, 345).95

93 Zur Enklise der Reprise cf. S. 67s. 94 Hier liegt eine Constructio ad sensum vor. Die Reprise richtet sich in Genus und Numerus nach dem letztgenannten Substantiv des mehrteiligen LD-Elements. 95 [I]l quinto, abbattè lui e ’l cavallo: Zu diesem untypischen LD cf. S. 98.

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4.2.3.2 Anaphore résomptive Das LD kann ebenfalls verwendet werden, um eine oder mehrere vorerwähnte Propositionen als Topic zu markieren. Die Form, die die anaphore résomptive annimmt, hängt von der syntaktischen Funktion des LD-Elements im Kernsatz ab. Erfüllt dieses die Funktion eines direkten Objekts, handelt es sich meistens um quello che-Sätze o. Ä.: (142) «Queste cose che m’ài dette, piacciati che giamai altrui no·lle manifesti […]» (Pan32 CXLIII, 158). (143) «Vedi, Lusca, tutte le cose che tu mi di’ io le conosco vere […]» (Dec VII, 9, 28). (144) «Questo che io dico, nol dico per viltade […]» (UrNov 41, 7). (145) «Messer lo piovano, quello che io facea io mel credea fare per vostro vantaggio […]» (Tre CXVIII, 12). Einfache NP und einfache Demonstrativa kommen dagegen in den vorliegenden Materialien äußerst selten vor, und wenn doch, dann mit einem Einschub nach dem LD-Element oder in der Konstruktion der Prolepse:96 (146) […] e lo re disse che tale convenente in neuna maniera egli nollo credea (Tav XLIII, 202). (147) «[…] e questo, chi che ti se l’abbia mostrato o come che tu il sappi, io nol nego» (Dec IV, 1, 36). Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die Frage, ob die Reprise auch möglich ist, wenn das resümierende Demonstrativ unmittelbar vor dem Verb steht. Eine Suche in der Datenbank der Opera del Vocabolario Italiano (Corpus OVI) ergab nur zwei Treffer:97 (148) Dice questo Ugo, che·lli suoi discendenti […] erano alquanto avari; ma questa avarizia era tale, che non facea male, però che per lei non occupavano ancora l’altrui; e ciò lo facevano più per vergogna, che per amore di virtù (L’Ottimo Commento della Commedia, Purgatorio, ed. Torri, Alessandro, vol. 2, Pisa, Capurro, 1828).

96 Näheres zu dieser Konstruktion cf. Kap. 4.3. 97 Folgender Suchbefehl "ciò /questo /quello lo" wurde am 16. 9. 2015 ausgeführt. Nur altflorentinische Texte wurden berücksichtigt.

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(149) Nel detto tempo (in brieve me ne spaccio) / i Fiorentini ordinar, che una fiera / nel Prato si facesse (e ciò lo saccio) / per San Giovanni, ove d’ogni maniera / d’ogni mercatanzia vi fosse presta, / e di bestiame ancor v’avesse schiera (Pucci, Antonio, Il Centiloquio, in: Delle poesie di Antonio Pucci, ed. di San Luigi, Ildefonso, in Delizie degli eruditi toscani, vol. 3‒6, Firenze, Cambiagi, 1772–75). Diese spärlichen Daten weisen darauf hin, dass zur Topic-Markierung eines resümierenden Demonstrativs die Objektvoranstellung verwendet wird und nicht das LD. Dies bedeutet, dass der Typus «quello lo + V» im Altitalienischen kein produktives Pattern war. Häufiger belegt als beim LD eines direkten Objekts ist die Funktion der anaphore résomptive beim LD einer Präpositionalphrase mit di. Die Beispiele, die überwiegend aus der Tavola Ritonda stammen, stechen durch ihr formelhaftes Äußeres hervor. Sie treten in der Regel nach direkter Redewiedergabe auf, wobei das LD-Element den vorangehenden Redebeitrag anaphorisch zusammenfasst. In den vorliegenden Fällen möchte der Sprecher eine Emotion oder eine Einstellung über das zuvor Gesagte wiedergeben. Das LD-Element, das im Kernsatz die syntaktische Funktion eines Präpositionalobjekts hat, ist durch ein Passepartout-Wort in Verbindung mit einem anaphorischen Element (z. B. di tali parole) oder ein einfaches Demonstrativ (hauptsächlich di ciò) repräsentiert. Das Prädikat stellt fast immer ein Gefühlsverb (ridersi) oder ein Verbgefüge dar, das ebenfalls ein Gefühl, eine Emotion ausdrückt (aver grande dolore, essere in grande allegrezza). Sehr häufig handelt es sich um Doppel-LD des Typus: «Subjekt-NP + Präpositionalobjekt + Reprise + Gefühlsverb» mit einem Präpositionalobjekt in der Funktion der anaphore résomptive:98 (150) E lo Amoroldo /99 di tali parole se ne rise […] (Tav XV, 115). (151)

E lo re / di tali parole ne fue molto molto allegro […] (Tav LI, 235).

(152) E Tristano / di quelle parole forte se ne rise […] (Tav LVIII, 255). (153) E Tristano / di tale parole sì se ne rise […] (Tav LXXXIV, 346). (154) E lo cavaliere / di tale parola allora sìe forte se ne rise […] (Tav LXXXIX, 370).

98 Cf. Meier (2008, 84). 99 Cf. Anm. 67, S. 65.

4.2 Left Detachment (LD)

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(155) E Tristano / di ciò se ne rise (Tav LXXX, 326). (156) E Tristano / di ciò se ne rise […] (Tav LXXXIII, 343). Diese Sequenz alterniert mit folgenden syntaktischen Konstruktionen, die mit oder ohne Reprise auftreten können: (157) E di tali parole Brunoro n’avea grande dolore […] (Tav CI, 420). (158) E Tristano di tali parole fue assai contento […] (Tav XXVI, 153). (159) […] e di ciò gli marinari furono assai contenti […] (Tav XIX, 131). Von diesen drei Fällen stellt nur der erstere das LD eines Präpositionalobjekts dar, die beiden letzteren sind Wortstellungsphänomene, bei denen das Präpositionalobjekt entweder zwischen Subjekt und Verb eingeschoben (SubjektNP + Präpositionalobjekt + Verb) oder vor das Subjekt gestellt wird (Präpositionalobjekt + Subjekt-NP + Verb). Der Unterschied zwischen allen vier Mustern ist nur formal, nicht funktional. Solange nicht ersichtlich ist, welche Faktoren die Alternanz zwischen diesen Konstruktionen bedingen, ist freie Variation anzunehmen. Beim Doppel-LD wird freilich nicht nur das Präpositionalobjekt, sondern auch (durch den Einschub) das Subjekt als Topic markiert. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass die Reprise durch ne mehr als 40 % aller beobachteten Fälle von LD (LD eines Subjekts ausgenommen) ausmacht. Dieses Ergebnis könnte durchaus mit einer im Altitalienischen beginnenden Automatisierung der Reprise durch ne in Zusammenhang gebracht werden.100 Im vorliegenden Fall spielt aber sicherlich auch die an anderer Stelle bereits festgestellte Manie eine Rolle, dass der anonyme Autor der Tavola Ritonda von bestimmten syntaktischen Patterns einen übermäßigen Gebrauch macht (cf. S. 56s.). 4.2.3.3 Hervorhebung des Comments Bei Nicolosi (2012a, 130–132) wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Funktion des LD komplexer sei als die der bloßen Topic-Markierung. Ausgangspunkt waren bestimmte Eigenschaften des Kernsatzes, die den Gedanken nahelegen, dass die LD-Konstruktion nicht einfach nur zur expliziten Anzeige des Topics dient, sondern eben auch dazu, den Comment hervorzuheben. Dies, heißt es

100 D’Achille (1990a, 112) führt die im Neuitalienischen zunehmende Reprise von Präpositionalobjekten (cf. dazu Berretta 1985, 192s.) auf die Reprise des sog. Partitivs zurück, die in der modernen Sprache obligatorisch ist (cf. etwa di libri, ne ho tanti).

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

dort weiter, werde durch die zweitgeteilte Struktur des LD erreicht, die es ermögliche, die Äußerung in zwei (quasi)autonome Informationseinheiten aufzuteilen, die jeweils dann einen unterschiedlichen Mitteilungswert übernehmen könnten. Als Belege hierfür wurden LD-Konstruktionen mit einem fokussierten Element im Kernsatz sowie LD in Frage-101 und Aufforderungssätzen angeführt.102 Im Folgenden wird eine weitere Evidenz für eine hervorhebende Funktion des LD besprochen. Welche topicmarkierende Funktion im Einzelnen vorliegt, soll dabei nicht im Detail behandelt werden. Zahlreiche LD, die in untergeordneten Sätzen vorkommen, werden im Hauptsatz von einem Verb eingeleitet, das auf die Wichtigkeit oder die Neuigkeit der folgenden Mitteilung hinweist. Am auffälligsten ist dies in Kontexten, in denen der Sprecher oder der Erzähler die Mitteilung einer neuen Information mit der Formel sappiate che ankündigt.103 Die Funktion von sappiate che lässt sich in Anlehnung an Wehr (1984, 122) als «Taktik des ‹Hinhaltens des Gegenübers›» beschreiben. Dies bedeutet, dass die Setzung der wesentlichen Information durch den Einsatz von Sprachmitteln, die «‹keine neue Information› im Sinne des Erzählfortschritts enthalten» (loc. cit.), verzögert wird, was den Effekt hat, Spannung aufzubauen. Die folgende Mitteilung besitzt dabei oftmals einen überraschenden Charakter. Die Belege (160)ss. stammen alle aus La Tavola Ritonda, wo sie in Dialogen bis auf Bsp. (162) vorkommen. Man beachte, wie in den folgenden Fällen die Länge des LD-Elements die Setzung der wesentlichen Information deutlich verzögert (cf. auch Bsp. 120: «sappiate […] che uno figliuolo che tu ài, no·llo rivedrai giamai in questo mondo vivo» und Bsp. 127: «Sappiate che la battaglia per noi incominciata, per nulla manera ella non puote rimanere»): (160) E Brandina disse: «Bel sire, sacciate bene certanamente, che lo cavaliere che vinse la battaglia dello re di Cento Cavalieri e che abbattèe Palamides

101 Das Vorkommen von LD in Fragesätzen lässt sich allerdings besser damit erklären, dass der Sprecher im Begriff ist, das Rederecht an den Gesprächspartner abzugeben, und deshalb das Topic der Frage deutlich kennzeichnet (cf. Wehr 2007, 497). 102 Zu LD mit einem fokussierten Subjekt in postverbaler Position cf. Kap. 5.3.4. Im vorliegenden Kapitel geht es nicht um die Hervorhebung einer Konstituente innerhalb des Kernsatzes, sondern vielmehr um die des gesamten Kernsatzes. 103 Cf. dazu Dardano (2013, 135): «[S]i tratta di un’intensificazione discorsiva mirata a richiamare l’attenzione e accordata all’oralità stilizzata di questo genere di prosa [Ritterromane].» Weitere Bemerkungen zu sappiate che finden sich bei Dardano (2012b, 186: «indica talvolta il passaggio a un nuovo tema») und Wilhelm (2013, 217: «regol[a] i ruoli di locutore e allocutore»; «serve spesso a segnalare l’inizio di una narrazione»). Cf. Bazzanella (2010, 1345s.) für eine Beschreibung als Diskursmarker («segnale discorsivo»), mit der Funktion der Aufmerksamkeitslenkung («richiesta di attenzione») und als Kontaktsignal («fatismo»).

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due volte, egli fue lo nostro cavaliere, quello che voi avete fatto guarire a vostra figliuola Isotta» (Tav XXII, 139). (161) E allora fae venire tutti li cavalieri d’Irlanda, e messer Tristano disse loro: «Sappiate che la battaglia la quale lo vostro re dovea fare, io la piglio sopra di me incontro a ogni cavaliere che per tale convenente contro di lui contendesse» (Tav XXVII, 157). (162) E sappiate che il maestro che figurò quella figura, o vero statua, Tristano il fece cavaliere; ed era appellato per suo nome messer Statuano; e donògli la signoría della città di Gippi per dieci anni (Tav LIV, 247). (163) E Lancialotto disse: «Sire, troppo avereste a fare a giostrare a quanti cavalieri giostra v’addomanderanno al presente: chè sappiate che lo onore acquistato per voi alla giornata d’ieri, al presente voi l’abbandonerete» (Tav LXXXVII, 356). Die hervorhebende Funktion besitzt primär das einleitende Verb und nicht das LD. Dennoch ist es interessant festzustellen, dass die Kontexte, in denen diese Foregrounding-Strategie eingesetzt wird, das Vorkommen des LD zu begünstigen scheinen, was wiederum als Indikator für den hervorhebenden Effekt des LD interpretiert werden kann.104

4.2.4 Hanging Topic-Konstruktion Weitere Manifestationen des LD im Altitalienischen sind die Hanging Topicund die Chinese Style Topic-Konstruktion (cf. Kap. 4.2.5). Beide können als Spezialtypen des LD betrachtet werden.105 Von «Hanging Topic»106 (HT) wird gesprochen, wenn das wiederaufgenommene Element keine Präposition aufweist, obwohl es im Kernsatz eine syntakti-

104 Die Verwendung des LD ist nicht obligatorisch; cf. etwa: «E sappiate, che della nasione di messer Tristano, cioè mentre ch’egli visse, e’ n’era grande allegrezza per ogni paese dove avea gente da ragione» (Tav CXXXIII, 518) vs. «E sappiate che della morte di messer Tristano fu grande allegrezza per diversi paesi» (loc. cit.). 105 Cf. auch Meier (2008): «LD mit ‹Hanging Topics›» (S. 178) und «Sondergruppe von LD» (S. 183); Ewert-Kling (2010, 127): «Subtypen der LD-Konstruktionen». 106 Dieser Begriff geht auf Cinque (1977, 406) zurück und wird hier nach Meier (2008, 178– 183) und Ewert-Kling (2010, 127–130) verwendet. Weitere Bezeichnungen sind u. a.: «tema sospeso» (Benincà/Salvi/Frison 2001, 145–149), «freies Thema» (Koch/Oesterreicher 2011, 92s.). In Sprachen mit Kasus spricht man von «Nominativus pendens» (cf. etwa Havers 1926). Nicht geeignet hingegen ist «Anakoluth», weil dieser Begriff einen Fehler des Sprechers suggeriert;

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

sche Funktion erfüllt, die eine Präposition erfordern würde. Das HT unterscheidet sich also vom LD darin, dass zwischen wiederaufgenommenem Element und korreferentieller Reprise keine syntaktische Kongruenz besteht. Ein oft zitiertes Beispiel hierfür ist:107 (164) Calandrino, se la prima108 gli era paruta amara, questa gli parve amarissima […] (Dec VIII, 6, 48). In Bsp. (164) wird ein präpositionsloser Eigenname in Initialposition sowohl im folgenden Nebensatz als auch im Hauptsatz durch ein indirektes Objektpronomen wieder aufgenommen. In der entsprechenden LD-Konstruktion wäre das LD-Element präpositional markiert, also ‘A Calandrino, se la prima gli era paruta amara, questa gli parve amarissima’. Die meisten Belege im untersuchten Korpus werden durch ein indirektes Objektpronomen (gli u. Ä.) wieder aufgenommen, das auf ein +HUM bzw. +BEL Konzept verweist. Seltener belegt ist die Reprise durch ne. Hier kann das Konzept das semantische Merkmal –BEL aufweisen: (165) E nota, lettore, che quasi tutte le terre venute a signore o a distruzione, ne sono stati cagione li cittadini possenti delle gran famiglie di quelle città […] (Tre CCI, 12). Reprisen durch ci bzw. vi sind theoretisch möglich, im untersuchten Korpus jedoch nicht belegt. Wenn dem Initialelement ein Gerundium folgt, stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um ein HT oder das «Subjekt»109 des Gerundiums handelt; cf. etwa: (166) Lo imperadore Federigho stando ad asedio a Melano, sí li fugio uno suo astore […] (UrNov 44, 1). (167) Calandrino udendo queste parole gli pareva essere a’ fatti […] (Dec IX, 5, 38).

unter HT ist aber vielmehr eine eigenständige Konstruktion der Grammatik des Italienischen zu verstehen. 107 Cf. D’Achille (1990a, 148, Anm. 184 und S. 110, Anm. 54); Stussi (1995, 212); Benincà/Salvi/ Frison (2001, 146); Manni (2003, 304). 108 [L]a prima bezieht sich auf ein bitter schmeckendes Ingwerkonfekt. 109 Wenn vom «Subjekt» eines Gerundiums gesprochen wird, handelt es sich um eine Vereinfachung. Gerundien sind keine finiten Verbformen und können daher kein Subjekt besitzen.

4.2 Left Detachment (LD)

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(168) L’abate, udendo costui, gli venne voglia d’essaudire a’ suoi preghi per sapere che peccato fosse quello che era sí grande […] (Tre 212, 7). Außerhalb des Korpus auch: (169) David re, essendo re per la bontà d’Iddio, che di pecoraio l’avea fatto signore, li venne un giorno in pensiero ‹di volere› al postut‹t›o sapere quanti fossero i sudditi suoi (Novellino VI, 1). (170) […] io Giovanni cittadino di Firenze, considerando la nobiltà e grandezza della nostra città a’ nostri presenti tempi, mi pare […] (Villani, Cronica, zit. nach Škerlj 1926, § 536, Anm. 1). Egerland (2010, 910) hält in ähnlichen Fällen eine Deutung als HT zwar für möglich, aber unnötig kompliziert. Das Komma, das von den Herausgebern zwischen das Initialelement und das Gerundium recht unsystematisch gesetzt wird und ein HT nahelegt, soll ihm zufolge eine Interpretation als S – V verhindern, eine Wortstellung, die im Neuitalienischen mit dem Gerundium nicht mehr möglich ist.110 Tilge man etwa in Bsp. (169) das Komma zwischen David re und essendo, dann liege, wie so oft am Anfang einer Novelle im Novellino (cf. auch Bsp. 166), «una normale C[ostruzione] A[ssoluta] al gerundio» vor (De Roberto 2012, 247 und 251s.). Laut Dardano (2012b, 192–194), der das Gerundium als Einschub versteht, handelt es sich hingegen um eine HT-Konstruktion. Er hält das syntaktische Muster «NP + Gerundium + Reprise durch ein indirektes Objektpronomen» für «una struttura sintattico-enunciativa di base» (2012b, 194) im Altitalienischen. Manche Fälle können recht kompliziert sein; cf. etwa folgendes Beispiel, in dem das Initialelement durch mehrere Einschübe (darunter drei Gerundien) vom Kernsatz getrennt wird und somit «den Anfang des Satzgefüges bildet», durch den die ganze Periode zusammengehalten wird (Ley 1991, 26):

110 Im Unterschied zum Neuitalienischen, in dem das «Subjekt» dem Gerundium folgt, kann dieses in der älteren Sprache vorangestellt werden; cf. Egerland (2010, 909): «Et quelli non vollendo dire, lo Saladino disse: […]» (UrNov 29, 4). Laut Škerlj (1926, § 446) ist die postverbale Stellung des «Subjekts» jedoch die Regel. Davon ausgenommen seien: a) einige Wendungen bei Bonvesin («tournures peu populaires» «sous l’influence immédiate des constructions latines (de la basse époque)»), auch, aber seltener, im Decameron und im Novellino belegt; b) Relativpronomina (etwa il quale avendo), aber auch oft Demonstrativpronomina; c) «Subjekte», die vom «Subjekt» eines vorangehenden Gerundiums verschieden sind. Konstruktionen wie in Bsp. (170) hält er für «une grossière anacoluthe» (§ 536, Anm. 1). Zur Bezeichnung «Anakoluth» cf. hier Anm. 106, S. 89s.

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Il Saladino, il valore del quale fu tanto, che non solamente di piccolo uomo il fé di Babillonia soldano ma ancora molte vittorie sopra li re saracini e cristiani gli fece avere, avendo in diverse guerre e in grandissime sue magnificenze speso tutto il suo tesoro e per alcuno accidente sopravenutogli bisognandogli una buona quantità di denari, né veggendo donde cosí prestamente come gli bisognavano aver gli potesse, gli venne a memoria un ricco giudeo, il cui nome era Melchisedech, il quale prestava a usura in Alessandria (Dec I, 3, 6).111

Zwischen Bsp. (166) und (171) finden sich Varianten mit zunehmender Komplexität (wobei die Initial-NP auch andere syntaktische Funktionen im Hauptsatz übernehmen kann als die des indirekten Objekts). Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob das Initialelement syntaktisch dem Gerundium oder dem Hauptsatz zuzuordnen ist, mühselig. Das Problem liegt offenbar eher darin, dass man sich partout für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden will. Pilch (1990, 5s.), der sich mit ähnlich ambigen Konstruktionen der altenglischen Syntax beschäftigt hat, schlägt deshalb vor, von einer Kategorisierung abzusehen, und solche Fälle «doppelte[r] syntaktische[r] Verknüpfung» eben als solche zu beurteilen: Er nennt sie «Flechtbandreihe» bzw. «interlace construction».112 Da eine Beschreibung dieses syntaktischen Phänomens einer genaueren Untersuchung des Gerundiums im Altitalienischen bedürfte, werden derartige Konstruktionen im Folgenden nicht berücksichtigt. Wenden wir uns nun Konstruktionen mit HT ohne Gerundium zu. Hier ist die syntaktische Struktur nämlich immer eindeutig. Wie bei der Objektvoranstellung und dem LD sind HT-Konstruktionen nur zulässig, wenn das markierte Konzept +IDENT ist. Die Identifizierbarkeit beruht in den beobachteten Fällen meistens auf Vorerwähnung wie in Bsp. (172) oder auf nachträglicher Spezifizierung, etwa durch eine Partizipialkonstruktion wie in Bsp. (173): (172) A uno tenpo era uno riccho homo, ed avea una molto bella donna per molglie; et questo homo le volea tutto il suo bene, ed erane molto geloso. Or avenne, chome piacque a Dio, che questo homo li venne uno male nelgli occhi, donde aciechò; sicchè non vedea lume (Pan32 CLV, 199).

111 Dieses vielzitierte Beispiel findet sich u. a. bei Ley (1991, 25), Stussi (1995, 212), Egerland (1999, 183), Manni (2003, 304), Dardano (2012b, 193). Egerland (loc. cit.) spricht diesbezüglich von «soggetto sospeso». 112 Bei Pilch geht es um Syntagmen, die sowohl dem Vorangehenden als auch dem Folgenden zugeschlagen werden können.

4.2 Left Detachment (LD)

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(173) E nota, lettore, che quasi tutte le terre venute a signore o a distruzione, ne sono stati cagione li cittadini possenti delle gran famiglie di quelle città […] (Tre CCI, 12; cf. Bsp. 165). Im Hinblick auf die Diskursfunktionen weisen HT-Strukturen dieselben topicmarkierenden Funktionen auf wie OTOP – V oder das LD. So liegt beispielsweise in Bsp. (172) Topic-Bestätigung vor: Wie aus dem unmittelbaren Vortext hervorgeht, war der HT-Referent bereits zuvor Diskurstopic. In Bsp. (173) wird dagegen ein +NEUES Konzept als Topic etabliert. Topic-Etablierung liegt ebenfalls vor, wenn ein vorerwähntes Topic wieder als +NEU behandelt wird: (174) [Salvestros Ehefrau spricht:] «E quel maestro di firusica113 del Conco, che disse sí e sí, che Dio gli dia il malanno, che sta con la bottega piena d’orci invetriati e di torni da balestra, e tiravi su le gambe attrate […]» (Tre CXII, 13). In Bsp. (174) wird auf der Dialogebene ein nicht unmittelbar vorerwähntes Topic wieder aktiviert. Da dieses aber nicht zum engeren Lebensbereich aller Gesprächsbeteiligten gehört, bedarf es einer nachträglichen Spezifizierung, in diesem Fall durch einen Relativsatz, damit es wieder identifiziert werden kann. Das Demonstrativpronomen hat daher keine anaphorische Funktion, sondern eine memorielle, wobei das Gegenüber aufgefordert wird, in seinem Gedächtnis nach dem passenden Referenten zu suchen. Die HT-Konstruktion kann auch zur Markierung eines alternativen Topics verwendet werden: (175) Quelli che ’l credeano, stavano trasognati; e quelli che s’erano aveduti del giuoco, piaceva loro sí questa novella che quasi scoppiavano delle risa (Tre CXLIV, 24). (176) Questa donna Vanna con quanta sottigliezza fece una degna opera! Ché, volendole il marito mancare di lavorío alla sua possessione, trovò modo che la lavorò meglio che mai li fosse lavorata. E ’l tristo del marito, non gli bastava che donna Collagia, se gli avesse dato l’amor suo, pigliarlo in grandissima grazia; sí la volle vituperare col compagno, e ’l vituperato rimase elli (Tre CCVI, 29).

113 [F]irusica: «fusione popolaresca per ‹fisica› (medicina) e ‹cerusica›, la chirurgia» (Marucci 1996, 341, Anm. 5).

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(177) «Va’, ricevi quelli asini e togli quelle veste, e fa’ tagliare subito una gonnella a te e una per uno a quegli altri che vanno con li muli e con gli asini, portando le mie sal‹m›e; e lo scudo che le [= elle] hanno, ciascuno n’abbia uno dirieto e uno dinanzi, e quel di Michelozzo da piè; e a quelli che gli hanno menati di’ che aspettino la risposta» (Tre CLII, 17). In Bsp. (175) stellt quelli che s’erano aveduti del giuoco ein alternatives Topic zum vorigen Topic (kodiert als Subjekt-NP) dar. Die korreferentielle Reprise erfolgt durch das indirekte Objektpronomen loro. In Bsp. (176) werden zum Schluss der Novelle die beiden Hauptprotagonisten, Donna Vanna und ihr Gatte, als Diskurstopic reetabliert und zugleich gegenübergestellt, was im Fall von ’l tristo del marito mittels einer HT-Konstruktion vollzogen wird. Die fehlende syntaktische Kongruenz zwischen dem wiederaufgenommenen Element und der Reprise ist dabei die Folge einer Elision (E ’l).114 In Bsp. (177) erfolgt eine Auflistung von verschiedenen Aufgaben, mit denen der Stadtherrscher von Mailand einen seiner Diener beauftragt. Dabei wird das, worauf sich die letzten beiden Aufgaben beziehen, je als Listing Topic kodiert, was im ersten Fall durch eine HT-Konstruktion («e lo scudo che le hanno, ciascuno n’abbia uno dirieto e uno dinanzi») und im zweiten Fall durch eine Voranstellung («e a quelli che gli hanno menati di’ che aspettino la risposta») geschieht.

4.2.5 Chinese Style Topic-Konstruktion und Weiteres Beim «Chinese Style Topic»115 (kurz: CST) handelt es sich ebenfalls um eine segmentierte Konstruktion. Im Unterschied zum LD und HT fehlt jedoch eine korreferentielle Reprise, die die Initial-NP in den Kernsatz wieder eingliedert. Auch hält der Kernsatz keine syntaktische Position bereit, die im unmarkierten Fall durch die Initial-NP eingenommen werden könnte (cf. Stark 2000, 166): (178) [Guillem de Berguedán rühmt sich dessen, dass es in der ganzen Provence keinen Edelmann gebe, den er nicht aus dem Sattel gestoßen und mit dessen Gattin er nicht geschlafen hätte. Der anwesende Graf Rai-

114 Zur Topic-Markierung von questa donna Vanna cf. im Folgenden Bsp. (229). 115 Der Terminus geht auf Chafe (1976, 50s.) zurück und wird hier im Sinne von Thörle (2000, 224), Meier (2008, 183–193) und Ewert-Kling (2010, 130–133) verwendet. Weitere Bezeichnungen sind: «no anaphor LDs» (Barnes 1985, 98–104), «absolute Rahmensetzung» (Stark 1997 und 2000), «topicalization» (Sornicola 2003).

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mundus Berengarius fragt:] «E me, Guilielmo?» disse lo conte. [Guilielmo]: «Voi, singnore, né metto né tragho» (UrNov 72, 4–7). Das betonte Pronomen voi in Initialposition lässt sich im genannten Beispiel nicht in den Valenzrahmen der Verben mettere und trarre integrieren, die hier ohne Ergänzung verwendet werden. Conte paraphrasiert Bsp. (178) folgendermaßen: «non aggiungo e non tolgo nulla, cioè non fate eccezione» (Conte, A. 2001, 74, Anm. 8).116 Riesz übersetzt: «Was Euch betrifft, Herr, so habe ich dem Gesagten nichts hinzuzufügen» (Riesz 2002, 103). Aus funktionaler Sicht wird den CST-Konstruktionen die Funktion der «Rahmensetzung» (Thörle 2000, 225) beigemessen, nach der das Topic den «Rahmen» darstellt, «innerhalb dessen die folgende Mitteilung Gültigkeit besitzt» (Wehr 2000, 253). Chafe (1976, 50) selbst schreibt in Bezug auf das Chinesische: «the topic sets a spatial, temporal, or individual framework within which the main predication holds.» Es können aber auch andere Funktionen vorliegen wie in Bsp. (178), in dem die CST-Konstruktion zur Topic-Bestätigung verwendet wird. Durch die syntaktische Markierung wird ein unmittelbar vorerwähntes Konzept, das vom Gegenüber als Topic vorgeschlagen wurde, in seiner Funktion als aktuelles Topic bestätigt. CST-Konstruktionen lassen sich in älteren Sprachzuständen kaum nachweisen. Im Altfranzösischen sind sie laut Stark (1997, 256, bei ihr «absolute Rahmensetzung» genannt) überhaupt nicht belegt. Im untersuchten Korpus finden sich jedoch neben Bsp. (178) noch weitere Fälle: (179) [Governale überbringt dem König schlechte Nachrichten Tristan betreffend:] «Sire, io v’apporto che lo vostro nipote […] è presso alla morte […]. La cagione, egli fue ferito l’altro giorno da uno d’uno quadrello avvelenato, benchè Tristano allor del presente gli tolse la vita» (Tav XLVII, 218). (180) [Messer Bonaccorso zu seinen Bediensteten:] «Ogni festa ch’io do mangiare altrui, fate che voi proveggiate di uno tagliere piú per ser Ciolo; e voglio ch’egli possa e debba sempre venire a mangiare ad ogni mio convito» […] (Tre LI, 9). (181) [Die Antwort des Müllers an den Stadtherrscher von Mailand; zum Kontext cf. auch Bsp. 32:] De l’acqua del mare disse: «Fate turare le bocche de’ fiumi che vi mettono entro, e poi si misuri.» Quello che valea la sua

116 A. Conte bezieht sich zwar auf den Text des Novellino, seine Anmerkung gilt aber auch für den Ur-Novellino, nach dem hier zitiert wird. An dieser Stelle stimmen beide Texte überein.

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persona, disse danari ventotto, ché la facea due danari meno di Cristo, ché era suo vicario. Della maggior ventura ch’egli avesse mai, disse come d’ortolano era diventato abate; e cosí lo confermò (Tre IV, 31). In Bsp. (179) ist la cagione syntaktisch vom folgenden Satz völlig isoliert. Das Konzept, das +NEU im Diskurs ist, lässt sich leicht aus dem Vortext erschließen, als würde es auf eine Frage antworten, die sich dem Gegenüber angesichts des Kontexts aufdrängt (cf. Ferrari 2003, 209), also etwa: ‘Was ist passiert?’ Es ist zwar Topic, aber nicht im üblichen Sinne des Wortes («dasjenige, worüber eine Zeitlang gesprochen wird», cf. Kap. 2.3.1), sondern in der Bedeutung von Chafe (cf. oben). In Bsp. (180) liefert ogni festa ch’io do mangiare altrui, ein +NEUES, nachträglich spezifiziertes Konzept, ebenfalls den (hier: zeitlichen) Rahmen, innerhalb dessen die Folgeäußerung gelten soll. In Bsp. (181) dagegen stellt das CST einen von drei Gegenständen dar, über die im zitierten Ausschnitt der Reihe nach gesprochen wird (Listing Topics). Da dessen letzte Erwähnung eine Weile zurückliegt, handelt es sich zudem um eine TopicReetablierung. Andere Fälle bleiben unklar: (182) […] e per quella pruova e per quello grande salto, il suo braccio per forza la vena s’aperse e molto sangue n’uscìe (Tav LXIV, 274). (183) «Questo brieve si èe per me scritto la sentenzia data per messer Ansalarino dell’opera del torneamento […]» (Tav XCIX, 412). Bsp. (182) wird von Polidori folgendermaßen kommentiert: «Renda chi può ragione dell’anomalo costrutto. Un moderno avrebbe detto: il suo braccio sforzandosi; o: per forza fatta col braccio. Il Magliab. e il Sen. [= der Kodex Magliabechiano aus dem Jahr 1391 und der senesische Kodex aus dem Jahr 1478], non so se con animo di correggere, o per qual’altra ragione, pongono: ‹et alora per la gran forza il braccio saperse et uscinne mouto (molto, Sen.) sanghue›» (Polidori 1864, 236, Anm. 2). Zu Bsp. (183) bemerkt er: «Così ha pure il Magliab., e sembra da intendersi come: in questo breve. Varia notabilmente il Sen.: ‹per me sarà letto el presente breve innelquale o scritto la sententia› ec.» (Polidori 1864, 390, Anm. 1). Ebenso urteilt Heijkant mit ihrem Kommentar: «in questo breve, in questo scritto» (Heijkant 1999, 578).117 117 Das Fehlen der Präposition ist in der Tavola Ritonda auch an anderer Stelle belegt: «e da ora innanzi, lo nostro libro sìe l’appelleremo messer Lantris» (XC, 373). Polidori (1864, 346, Anm. 2) erläutert: «Così nel Testo da noi prescelto, e forse per omissione di ‹in› o ‹’n› o ‹ne›. Gli altri, concordemente: ‹nel nostro›.» Cf. auch Heijkant (1999, 576).

4.2 Left Detachment (LD)

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Zu den CST-Konstruktionen werden von manchen Forschern auch Fälle gezählt, in denen das abgesetzte Element durch ein Possessivpronomen wieder aufgenommen wird, also im Neuitalienischen der Typus: «Leone, la sua passione vera era la politica» (Ginzburg, Lessico famigliare, zit. nach Meier 2008, 193). Diese Art der Reprise lässt sich im vorliegenden Korpus nur im folgenden Beleg beobachten: (184) Da l’una parte diremo che chi muore scomunicato, il corpo suo si sta intero e non si disfà: da l’altra parte diremo un corpo morto che non si consuma essere santo (Tre CLVII, 15). In Bsp. (184) kann chi muore scomunicato aber im Gegensatz zu der hier vorgeschlagenen Definition der CST-Konstruktion in den Kernsatz integriert werden, indem es dem Satzglied il corpo attribuiert wird, etwa ‘il corpo di chi muore scomunicato’. Meier (2008, 193s.) schlägt deshalb vor, solche Fälle nicht als CST zu behandeln, sondern als eigenen LD-Konstruktionstypus. Einen Sonderstatus nehmen ebenfalls diejenigen Konstruktionen ein, in denen eine NP an der Spitze des Haupt- oder Nebensatzes in einer Ganzes-TeilBeziehung zu einem oder mehreren Elementen im Kernsatz steht: (185) «Sappiate, Governale, che gli tre prodi cavalieri che [= di che]118 parlano le lettere del petrone e quivi sono119, che l’uno sarà Lancialotto, e l’altro lo prencipe Galeotto, e lo terzo sarà messer Tristano» (Tav XIII, 106). (186) […] e gli tre pezzi che sono sopra letto, il bianco fue dell’albero che sta nel mezzo del paradiso luziano […] (Tav CXX, 481). (187)

A quel punto, lo re Artù fece bandire, che tutta la gente dello reame di Cornovaglia, cioè quegli da XV anni per infino a LXXX, che quegli ch’erano morti, se n’avessono il danno; e quegli ch’erano iscampati, fossono isbanditi di quello reame della testa (Tav CXXXVII, 526).

In Bsp. (185)ss. kann die Initial-NP in den Kernsatz integriert werden, indem die Präposition di, die im Alt- sowie im Neuitalienischen zum Ausdruck des sog. Partitivs dient, oder fra bzw. tra hinzugefügt wird, also etwa: ‘degli tre prodi cavalieri …’, ‘degli tre pezzi …’, ‘fra tutta la gente …’.

118 Cf. Anm. 85, S. 80. 119 Polidori (1864, 46) schreibt hierzu: «È forse da correggere: ‹saranno›; quando non voglia sottintendersi: scritti, accennati o simile. Variano gli altri Codici.»

98

4 Topic-Markierung im Altitalienischen

Die Grenze zwischen LD- und CST-Konstruktionen ist fließend, wie folgendes Beispiel zeigt: (188) E appresso, ritrae sua lancia tutta salda, e con essa abbatte il secondo e ’l terzo e compiaga ciascuno; poi, il quarto, egli il mandò morto alla terra; il quinto, abbattè lui e ’l cavallo (Tav LXXXIV, 345; cf. Bsp. 141). In Bsp. (188) erfolgt die Reprise des Topic-Elements durch ein betontes Pronomen. Grund hierfür ist, dass das Reprise-Element lui durch Koordination erweitert wird, was mit einem klitischen Pronomen nicht möglich wäre, da Klitika nicht koordinierbar sind. Daraus ergibt sich eine Mischkonstruktion, bei der die links abgesetzte NP zwar in den Kernsatz integrierbar ist, zugleich aber nur teilweise mit dem Reprise-Komplex korreferentiell ist.

4.3 Prolepse Unter Prolepse versteht man im Allgemeinen die «Herausstellung eines Satzteils an den Satzanfang» (Bußmann 2002, 540) wie LD, HT und Objektvoranstellung (cf. z. B. Cinque 1981, 13) und im Besonderen die Vorwegnahme des Subjekts eines Nebensatzes im vorangehenden Hauptsatz (cf. z. B. Härmä 1990, 176s.) wie im folgenden Beispiel: (189) Legesi [sic] di Salamone che fece un altro dispiacere a Dio […] (UrNov 9, 1). in dem das Subjekt des untergeordneten Satzes zur Konstituente des Hauptsatzes (di Salamone) geworden ist. Vergleiche dagegen: «Leggesi che uno fiorentino era in contado, e avea uno molto buono vino» (UrNov 13, 1). In der vorliegenden Arbeit wird die Definition von Stempel (1964, 196–98) übernommen, dem zufolge die Prolepse darin besteht, ein Element (das nicht nur das Subjekt sein kann) aus einem untergeordneten Satz in den Hauptsatz oder aus einem Fragesatz (Wortfrage) vorzuziehen.120 Stempel unterscheidet insgesamt sechs Typen, die hier aber nicht alle wiedergegeben werden sollen, weil sie für die vorliegende Untersuchung nicht alle von Belang sind:121

120 Stempel bezieht sich zwar auf das Altfranzösische, dasselbe gilt aber für das Altitalienische. 121 Zu den im Folgenden aufgeführten Typen kommt noch ein weiterer Konstruktionstypus hinzu, der von Stempel nicht berücksichtigt wurde; cf. unten S. 101s.

4.3 Prolepse

99

1. Zum ersten Typus zählen u. a. Fälle, in denen das Subjekt oder Objekt eines Fragesatzes vorgezogen und vor das Fragewort gestellt wird:122 (190) «Deh, questo perché mi fai tu?» (Dec III, 8, 47; Prolepse eines direkten Objekts) (191) «Questa fatica a che ci diàn noi?» (Tre CLXXVIII, 8; Prolepse eines direkten Objekts) (192) «O vostro marito come ha nome?» (Tre CLVI, 8; Prolepse eines Subjekts) 2. Beim zweiten Typus wird das Element eines Nebensatzes vorgezogen und dem Hauptsatz vorangestellt, ohne jedoch in diesen syntaktisch integriert zu werden: (193) E la pazienza dicono che noi seguiamo, e per loro poco o niente la vogliono (Tre CLXXXVI, 15; Prolepse eines direkten Objekts). 3. Das Element in Prolepse kann zusätzlich durch ein korreferentielles Pronomen wieder aufgenommen werden: (194) «Cavaliere, la reina Isotta, perchè la menzonate [sic] voi?» (Tav XLIX, 221; cf. Bsp. 111; Prolepse eines direkten Objekts mit LD) Stempel (1964, 196) zufolge ist die Prolepse «mit der Voranstellung eines Satzteils und seiner pronominalen Aufnahme», also mit dem LD verwandt. Im Unterschied zum LD aber ist das vorgezogene Element nicht durch ein Pronomen korreferentiell repräsentiert. Beide Verfahren können allerdings kombiniert werden, wie der von Stempel etablierte Typus 3 zeigt. Solche Konstruktionen, die «Prolepse mit pronominaler Reprise» oder «Prolepse mit LD» genannt werden können, wurden bereits in Kap. 4.2 behandelt. Das Element in Prolepse kann verschiedene syntaktische Funktionen erfüllen. Für unsere Zwecke ist jedoch vor allem die Prolepse eines Subjekts von besonderem Interesse, zumal diese die meist vertretene Variante darstellt. Im Unterschied zu Prolepsen anderer Konstituenten besteht zwischen dem Subjekt und dem Teilsatz, aus dem es herausgezogen wurde, ein korreferentielles Verhältnis, das durch die Verbendung zum Ausdruck kommt. Im Altitalienischen

122 Bei diesem Typus kann es sich auch um das Subjekt eines Exklamativsatzes handeln, das vor das satzeinleitende Element gestellt wird. Cf. Bsp. (229).

100

4 Topic-Markierung im Altitalienischen

(wie auch im Neuitalienischen) bedarf der Subjektreferent ja keiner pronominalen Realisierung, denn er ist bereits in der Verbendung inbegriffen. Die Subjekt-NP ist demnach syntaktisch fakultativ, während ein vom Subjekt verschiedenes Element nicht ausgelassen werden kann, ohne dass der Satz syntaktisch unvollständig wird. Ähnlich wie bei einem LD-Element, das klitisch wieder aufgenommen wird, erscheint die Subjekt-NP in Prolepse folglich von ihrer syntaktischen Funktion befreit, wobei der Verbendung (sprich dem Konjugationsmorphem) die Funktion einer korreferentiellen Reprise zugeschrieben werden kann (cf. Meier 2008, 76). Deshalb behandelt Meier (2008, 89–100) die Prolepse des Subjekts eines Nebensatzes (bei ihr unter Typus D und E zu finden) als LD-Konstruktion (cf. auch Benincà/Salvi/Frison 2001, 144s.). Die Prolepse eines Subjekts kommt sowohl in Aussage- als auch in Fragesätzen (cf. Bsp. 190–192) vor. In Aussagesätzen kann zwischen zwei Typen unterschieden werden. Ersterer entspricht Stempels Typus 2.123 Hier wird das Subjekt eines Nebensatzes (SNS) vor den Hauptsatz platziert, ohne jedoch in diesen syntaktisch eingegliedert zu werden. Haupt- und Nebensatz haben folglich verschiedene Subjekte. Die Belege können nach der Funktion, die der Nebensatz im übergeordneten Satz einnimmt, klassifiziert werden. Besonders beliebt ist diese Prolepse in unpersönlichen Konstruktionen des Typus: «SNS – VIMP – Subjektsatz», wobei das unpersönliche Verb häufig durch convenire, parere repräsentiert ist: (195) «[…] l’orinale mostra [= pare] che sia rotto […]» (Tre LXXXIII, 9). (196) Le giovani parea che n’andassino in cielo […] (Tre CCXIX, 11). (197) «[…] e questa via conviene che sia il discreto rettore […]» (Tre CXCVI, 19). oder in persönlichen Konstruktionen des Typus: «SNS – VPERS – Objektsatz/ indirekter Fragesatz», wobei das persönliche Verb häufig durch volere, sapere in der ersten Person Singular repräsentiert ist: (198) «[…] e nostra guerra voglio che al presente in questo abbia fine […]» (Tav CII, 426). (199) «[…] li muli non so che si hanno aúto ch’elli hanno pericolato tutta quella piazza […]» (Tre CLX, 12). (200) «Messere», disse la donna «il prete con che arte il si faccia non so […]» (Dec VII, 5, 28).

123 Meiers «Doppelsubjekt-Sätze» im Neuitalienischen (2008, 89–99).

4.3 Prolepse

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(201) E ser Mazzeo disse: «Sapete voi qual è la piú bella storia che sia nella Bibbia?» Lo re […] rispose: «Assai ce ne sono, ma il superlativo grado non saprei ben quale» (Tre II, 6). In Bsp. (198) konstituiert nostra guerra das Subjekt des Objektsatzes che al presente in questo abbia fine. In Bsp. (199) ist die NP li muli das Subjekt eines indirekten Fragesatzes. In Bsp. (200) geht der indirekte Fragesatz, aus dem das Subjekt herausgezogen ist, dem Hauptsatz voraus. In Bsp. (201) ist der indirekte Fragesatz nicht vollständig; das Verb wurde ausgelassen. Der NP il superlativo grado kann dabei keine syntaktische Funktion mehr zugeschrieben werden, wodurch dieses Beispiel der Konstruktion, die hier Chinese Style Topic genannt wurde, nahekäme. Die zweite Art von Prolepse des Subjekts, die man in Aussagesätzen antrifft, unterscheidet sich vom vorigen Typus darin, dass Haupt- und Nebensatz dasselbe Subjekt haben. Dabei folgt der Nebensatz dem vorgezogenen Subjekt und trennt es vom Verb des Hauptsatzes: «S – Nebensatz – V»; cf. etwa: (202) Messer Polo, quando li vidde, non si levò da sedere per loro, ed elli ristettoro […] (UrNov 69, 16). in dem das Subjekt des Nebensatzes vor der unterordnenden Konjunktion steht. Vergleiche dagegen: «Quando messer Migliore li v‹i›dde avisati per udire, sí disse: […]» (UrNov 34, 12). Dieser Konstruktionstypus fehlt bei Stempel (1964). Als Prolepse beschrieben wird er bei Wehr (2007, 482), auf die hier Bezug genommen wird. Die Frage, ob es sich dabei um eine tatsächliche Prolepse handelt oder vielmehr um das Phänomen, dass ein Nebensatz zwischen das Subjekt und sein Prädikat eingeschoben wird, ist wohl unentscheidbar. In beiden Fällen bleibt das Ergebnis faktisch dasselbe: Die Subjekt-NP, die sich syntaktisch sowohl auf den Nebensatz als auch auf den Hauptsatz bezieht, wird an den Anfang des Satzgefüges platziert, um sie als Topic zu markieren (cf. Meier 2008, 99s.). Versucht man allerdings, sie in das Satzgefüge wieder einzugliedern, lässt sie sich meistens nur sinnvoll in den Nebensatz reintegrieren. Diese Prolepse ist vor allem bei Temporalsätzen beliebt. Zusätzlich zu Bsp. (202) cf. auch: (203) Tristano e Isotta quando viddero Brandina, furono assai di ciò allegri […] (Tav XLV, 213). (204) La donna, come [= quando] sentí lui levato e uscito della camera, cosí si levò e l’uscio di quella dentro serrò (Dec VII, 7, 37).

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

Zwischen Subjekt-NP und Hauptsatz kann ein Konditionalsatz wie in Bsp. (205) oder ein Konzessivsatz wie in Bsp. (206) vorkommen: (205) Et quelli, se non era usato di ciò, molto si maravigliava […] (Pan32 CLI, 186). (206) Il buon uomo, benché se n’accorgesse, non ardiva quasi dirne alcuna cosa […] (Tre CCII, 5). Die syntaktische Funktion des Initialelements kann im Haupt- und Nebensatz verschieden sein. Es liegt dann eine Mischkonstruktion vor: (207) Questo messer Rossellino, come che avesse gran tempo, spesso spesso [sic] gli nascea un figliuolo […] (Tre CXXVI, 2). (208) Costui, quando tu gli sarai rincresciuta, con gran vitupero di te medesima ti caccerà via […]» (Dec II, 10, 35). In Bsp. (207) ist das Initialelement im Nebensatz in der Verbendung und im Hauptsatz mittels eines Klitikums repräsentiert. In Bsp. (208) verhält es sich genau umgekehrt. Hier sollen noch einmal die wichtigsten Typen von Prolepsen des Subjekts zusammengefasst werden: − Prolepse in Fragesätzen (Wortfragen) − Prolepse in Aussagesätzen: − mit verschiedenem Subjekt im Haupt- und Nebensatz − mit identischem Subjekt im Haupt- und Nebensatz Alle genannten Typen können zusätzlich mit einer pronominalen Reprise kombiniert werden: (209) «Sí, cotesto tabarro, o che vale egli?» (Dec VIII, 2, 34; cf. Bsp. 115) (210) [Sismonda zu ihren Brüdern:] «[…] Questo valente uomo […] son poche sere che egli non si vada inebbriando per le taverne e or con questa cattiva femina e or con quella rimescolando […]» (Dec VII, 8, 42). (211)

[König Mark verurteilt Isolde und einige Hofdamen zum Tode auf dem Scheiterhaufen:] «[…] Ma la reina Isotta, bene ch’ella non sia in colpa, da poi che voi volete o vi diletta, sia arsa e divampata» (Tav XLIII, 206).

Hierbei handelt es sich um Prolepsen mit pronominaler Reprise, d. h. um eine Kombination von Prolepse und LD (Stempels Typus 3; cf. S. 99).

4.3 Prolepse

103

Wehr (2007, 482) zufolge gilt die Prolepse im Altfranzösischen als eindeutiges topicmarkierendes Verfahren. Dies gilt auch für das Altitalienische, wo die Topic-Funktion des Elements in Prolepse die Regel ist. Manche Fälle lassen jedoch eine Interpretation als Fokussierung zu, wie folgende Beispiele zeigen: (212) [Gespräch zwischen dem Fürst von Morea und dem Herzog von Athen:] Poi, dopo alcun dí, venuti insieme a ragionamento delle bellezze di questa donna, domandò il duca se cosí era mirabil cosa come si ragionava. A cui il prenze rispose: «Molto piú! ma di ciò non le mie parole ma GLI OCCHI TUOI voglio ti faccian fede» (Dec II, 7, 49). (213) [Giovanni Cascio und Noddo essen aus demselben Teller:] Come Noddo pigliava uno boccone, ed egli ne pigliava un altro e gittavalo in terra al cane; e avendolo fatto piú volte, dice Noddo: «Omei, che fa’ tu?» Dice Giovanni: «Anzi TU che fai? Non voglio che tu manuchi la parte mia; vogliola dare al cane» (Tre CXXIV, 8). In beiden Fällen dient die Vorwegnahme der Subjekt-NP der kontrastiven Focus-Markierung. In Bsp. (212) ist die Opposition durch die Wendung ‘non X, ma Y’ explizit ausgedrückt. In Bsp. (213) wird die Opposition zwischen beiden Gesprächspartnern durch anzi verdeutlicht. Die Prolepse kann auch deshalb zur Focus-Markierung dienen, weil sie aus strukturellen Gründen mit der Objektvoranstellung ohne Reprise verwandt ist. Ähnlich wie bei O – V wird ein Element aus seiner üblichen syntaktischen Position in die Initialposition gebracht. In Bsp. (212) wird die Subjekt-NP des Nebensatzes im Hauptsatz vorweggenommen, und in Bsp. (213) wird die Subjekt-NP eines Fragesatzes vor das Fragewort gebracht. Ohne pronominale Reprise, die eine der beiden möglichen pragmatischen Funktionen des Initialelements (Topic oder Focus) «blockiert», überrascht es daher nicht, dass die Prolepse auch zur Focus-Markierung verwendet werden kann, in ähnlicher Weise wie die Objektvoranstellung, die sowohl das Topic als auch den Focus anzeigen kann. Wehrs Annahme, die Prolepse sei ein eindeutiges topicmarkierendes Verfahren, ist also nur teilweise richtig. Wenn die Topic-Funktion des Elements in Prolepse zwar die Regel ist, kann dieses jedoch unter bestimmten pragmatischen Bedingungen auch Focus sein. Im Folgenden wenden wir uns den eindeutigen Fällen von Topic-Markierung zu. Es werden nur Prolepsen von Subjekten behandelt, da sie den größten Teil der ermittelten Fälle ausmachen und diejenigen anderer Konstituenten seltener vorkommen.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

4.3.1 Identifizierbarkeit des Referenten in Prolepse 1. Wie bei OTOP – V und dem LD kann in der Konstruktion der Prolepse die Identifizierbarkeit des initialen Topics auf Vorerwähnung beruhen. Handelt es sich dabei um einen Protagonisten, erfolgt der Rückverweis hauptsächlich durch Wiederverwendung seines Namens, bei nicht namentlich genannten Protagonisten und –HUM Konzepten durch identische lexikalische Wiederholung, gegebenenfalls in Verbindung mit einem anaphorischen Element. In den Fällen nicht identischer Wiederaufnahme muss der referentielle Bezug deutlich aus dem Zusammenhang hervorgehen; cf. etwa: (214) [Gualtieri:] «Griselda, vuoimi tu per tuo marito?» A cui ella rispose: «Signor mio, sí.» E egli disse: «E io voglio te per mia moglie»; e in presenza di tutti la sposò; e fattala sopra un pallafren montare, orrevolmente accompagnata a casa la si menò. Quivi furon le nozze belle e grandi e la festa non altramenti che se presa avesse la figliuola del re di Francia. La giovane sposa [= Griselda] parve che co’ vestimenti insieme l’animo e’ costumi mutasse (Dec X, 10, 20–24). 2. Bei nicht vorerwähnten, also +NEUEN Topics kann die Identifizierbarkeit des bezeichneten Referenten auf einer Inferenzrelation beruhen. Im folgenden Beispiel besteht die Identifizierbarkeit des Subjektreferenten l’altrui giustizia in einem Zugehörigkeitsverhältnis, wobei altrui das vorerwähnte Konzept lo tuo successore mit einbezieht: (215) [Eine Frau verlangt vom Kaiser Vergeltung für den Tod ihres Sohnes; diese möchte er aber seinem Nachfolger überlassen:] Ed ella disse: «Se lo tuo soccessore mi viene meno, tue mi sè debitore. E pongniamo che pure mi sodisfacesse; l’altrui giustizia che grad’è a te?» (UrNov 62, 7s.) 3. In der direkten Rede ist das markierte Topic sehr häufig aufgrund der Situation +IDENT (sofern man vom Stand des Protagonisten ausgeht); cf. etwa: (216) «Che è questo, Calandrino? vuoi tu murare, ché noi veggiamo qui tante pietre?» e oltre a questo sugiunsero [sic]: «E monna Tessa che ha? E’ par che tu l’abbi battuta: che novelle son queste?» (Dec VIII, 3, 55) (217) […] e essendo egli nel letto entrato e lietamente salutatala, ella, dalla sua letizia preso ardire, disse: «O signor mio, questa che novità è stanotte? voi vi partite pur testé da me e oltre l’usato modo di me avete preso

4.3 Prolepse

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piacere, e cosí tosto da capo ritornate? Guardate ciò che voi fate» (Dec III, 2, 17). (218) «Questo che vuol dire? Chi è questi che cosí starnutisce?» (Dec V, 10, 34) In Bsp. (216) verweist die Subjekt-NP auf eine in der Gesprächssituation vorhandene Entität. In Bsp. (217) und (218) ist das jeweilige Element in Prolepse ein Demonstrativpronomen, das auf das unmittelbar zuvor Geschehene deiktisch verweist. Hier wird der referentielle Bezug dadurch verstärkt, dass das Geschehene im folgenden Satz nachträglich versprachlicht wird. Zu den Konzepten, die aus deiktischen Gründen +IDENT sind, zählen auch die Subjektpronomina der ersten und zweiten Person. Auch wenn diese bereits mehrfach erwähnt sein können, wird bei jeder Realisierung des Subjektpronomens mehr auf den konkreten Diskursteilnehmer Bezug genommen als auf das zuvor Gesagte. Technisch spricht man von «Personaldeixis» (cf. dazu etwa Birner 2013, 116). Ein Beispiel genügt: (219) E la fante diceva a lui: «Ma tu perché non vai per signorto? che aspetti tu oramai qui, poi hai cenato?» (Dec V, 5, 17) 4. Das Konzept ist +IDENT, weil es dem permanenten Repertoire des Gegenübers angehört; cf. etwa: (220) [Sacchetti äußert sich polemisch gegen die bunte Kleidermode:]124 però che, non che i panni di dosso con molti cincischi e colori si frastaglino e ripezzino, ma le calze non basta si portino una d’un colore e l’altra d’un altro; ma una calza sola dimezzata e atraversata [sic] di tre o quattro colori; e cosí per tutto si tagliano e stampano i panni che con gran fatica sono tessuti (Tre L, 12). (221) Costume era per lo reame di Francia che l’uomo ch’era giudicato d’essere disonorato e guasto, sí andava in su la caretta. E se avenía che non morisse, giamai non trovava chi volesse usare con lui né vederlo per nesuna [sic] condizione. La‹n›celotto, quando inpazò [sic] per amore della reina Ginevra, sí andò su la caretta e fecesi tirare per molte luogora […] (UrNov 37, 1–3). Die Plural-NP le calze in Bsp. (220) bezeichnet ein generisches Konzept, das für das Gegenüber aufgrund seiner Weltkenntnis +IDENT ist (man weiß, was

124 Cf. Marucci (1996, 154).

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

Strümpfe sind). Die generische Lesart lässt sich aus dem Zusammenhang ableiten. Die Prolepse dient dazu, innerhalb eines übergeordneten Diskurstopics ‘die Kleidermode’ zwischen zwei hierarchisch gleichberechtigen Konzepten {i panni di dosso; le calze} zu wechseln. Bei Lancelotto in Bsp. (221) handelt es sich um einen unverwechselbaren Protagonisten der Matière de Bretagne, der keiner weiteren Spezifizierung bedarf, um +IDENT zu sein, denn er ist aufgrund seines Vorhandenseins im permanenten Repertoire identifizierbar. Der Subjektreferent steht außerdem in Bezug zum Vortext, insofern als er für einen spezifischen Fall eines vorerwähnten generischen Sachverhalts steht. 5. Es wurden ebenfalls einige Fälle von nachträglich spezifizierten Konzepten beobachtet, wenn auch seltener als im Fall des LD (cf. auch im Folgenden Bsp. 234–236): (222) L’acqua del pozzo rossa di sangue umano e di sangue di porcino convenne che in poco tempo si rimondasse […] (Tre LXX, 14). (223) Lo imperad‹o›re disse alli uscieri: «Uno poltrone di cotale guisa se·cci viene, fatemi·llo venire dinanzi» (UrNov 45, 11).125 In beiden Fällen wird eine NP durch eine präpositionale Fügung näher determiniert. In Bsp. (222) ist die Kenntnis des Konzepts l’acqua aufgrund einer inferentiellen Relation zum zuvor erwähnten und hiermit +IDENT Konzept del pozzo gegeben (cf. Princes «Containing Inferrable» und hier S. 39s.). In Bsp. (223) wird dagegen ein brandneues Konzept in den Diskurs eingeführt, das durch den Zusatz di cotale guisa, it. ‘siffatto’ bzw. dt. ‘derartig/solch’, in der Diskurswelt verankert und so für das Gegenüber +IDENT gemacht wird (bei Prince «Brand-new Anchored»; cf. hier S. 72).

4.3.2 Topicmarkierende Funktionen der Prolepse Im Folgenden wird die Prolepse im Hinblick auf ihre topicmarkierende Funktion im Diskurs untersucht. Da diese Strukturen häufig in Fragesätzen vorkommen, liegt es nahe, diese von der Prolepse in Aussagesätzen getrennt zu behandeln (cf. den nächsten Abschnitt).

125 Nicolosi (2012, 129) beschreibt Bsp. (223) als LD, mit llo als pronominaler Reprise im Hauptsatz. Da sich die Initial-NP aber nur sinnvoll in den Nebensatz wieder eingliedern ließe, erscheint mir heute eine Beschreibung als Prolepse richtiger. Cf. auch die Mischfälle (207)s.

4.3 Prolepse

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4.3.2.1 Prolepse in Aussagesätzen Topic-Bestätigung Die Prolepse kann dazu verwendet werden, um ein unmittelbar vorerwähntes Topic in seiner Topic-Funktion zu bestätigen: (224) [Ein eifersüchtiger Ehemann, als Priester verkleidet, nimmt seiner Frau die Beichte ab:] […] domandò la donna: «E come? non giace vostro marito con voi?» La donna rispose: «Messer sí». «Adunque,» disse ’l geloso «come vi puote anche il prete giacere?» «Messere,» disse la donna «il prete con che arte il si faccia non so: ma egli non è in casa uscio sí serrato, che, come egli il tocca, non s’apra […]» (Dec VII, 5, 25–28; cf. Bsp. 200). (225) Messer Rossellino della Tosa da Firenze fu uno cavaliere molto dabbene; il quale, avendo bene ottant’anni, fu mandato ambasciadore a papa Bonifazio. Questo messer Rossellino, come che avesse gran tempo, spesso spesso [sic] gli nascea un figliuolo; e al detto papa piú volte quasi per cosa maravigliosa era stato detto (Tre CXXVI, 2; cf. Bsp. 207). In Bsp. (224) steht die Initial-NP il prete vor einem indirekten Fragesatz, dessen Subjekt sie repräsentiert. Das Konzept ist –NEU und im vorigen turn als das, worüber etwas erfragt wird, bereits Topic. In Bsp. (225) befindet sich die InitialNP [q]uesto messer Rossellino ebenfalls vor einem Nebensatz, in dem sie als Subjekt fungiert. Wie aus dem Vortext ersichtlich ist, war diese bereits Diskurstopic.

Topic-Reetablierung In den folgenden Belegen besitzt die Prolepse sowohl eine topic-reetablierende als auch eine komparative Funktion. In Bsp. (226) werden drei bekannte Referenten nacheinander als Topic reetabliert, wobei zwei verschiedene syntaktische Verfahren eingesetzt werden, darunter zweimal eine Prolepse (Listing Topics): (226) [Ein griechischer Gefangener klärt den König Philipp über drei Dinge auf; der König möchte nun in Erfahrung bringen, woher er diese Dinge weiß:] Allora lo re si rinchiuse in una camera con questo greco e disse: «Maestro mio, grande pruova òe ricevuta della tua sapienzia; or ti prego che mi dichi come tue sai queste cose.» Rispuose lo greco: «Messer, io vi diroe. Lo cavallo (1) cognovi io ch’era notricato a·llatte d’asina per

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propio senno naturale, acciò che io viddi che elli avea l’orecchie chinati, et acciò non era propia natura di cavallo. Lo vermine inella pietra (2) conovi per questo: le pietre sono naturalmente fredde, e io trovai quella calda. Non puote essere naturalmente se non per animale che avesse vita.» «Et me (3), come congnioscesti» disse lo re «che io fossi figliuolo di pisternaio?» Lo greco rispuose e disse: […] (UrNov 4, 27–33). Die erste Topic-Reetablierung (1) wird durch eine Prolepse des Subjekts vollzogen, die zweite (2) mit Hilfe von OTOP – V und die dritte (3) erneut anhand einer Prolepse. Im letzten Fall stellt das Initialtopic ein freies Objektpronomen dar, das zusätzlich durch das Subjektpronomen io im untergeordneten Satz vertreten ist (Prolepse mit LD). Die fehlende Kongruenz zwischen me und io lässt sich durch Attraktion erklären: Das Topic-Element gleicht sich an das unmittelbar folgende Verb congnioscesti an, als ob es die Funktion des Objekts im Hauptsatz übernehmen würde. Dabei ist diese durch den Objektsatz bereits erfüllt. Die Topic-Reetablierung ist jeweils durch die Frage des Königs «or ti prego che mi dichi come tue sai queste cose» motiviert, wobei das Demonstrativ in queste cose nicht anaphorisch auf den Vortext verweist, sondern auf ein gemeinsames Wissen zwischen Sprecher und Gegenüber, das ein paar Tage zuvor erworben wurde.126 In Bsp. (227) kommt ebenfalls neben der Funktion der Topic-Reetablierung die komparative zur Geltung, auch wenn die verschiedenen Referenten nicht unmittelbar aufeinander folgen wie im vorigen Beispiel: (227) E quegli che contro alla mia età parlando vanno, mostra [= pare] mal che conoscano che, perché il porro abbia il capo bianco, che la coda sia verde […] (Dec IV, Introduzione, 33). In der Einleitung zum vierten Tag des Decameron nimmt sich der Erzähler, Boccaccio, vor, denjenigen zu kontern, die ihn für seine vermeintlich unanständigen Novellen tadeln wollen und die er in §§ 5–7 auflistet. Nachdem er zur Veranschaulichung seines Standpunkts eine neue Novelle (§§ 12–29) erzählt hat, kommt er wieder auf seine Gegner zu sprechen, darunter quegli che contro alla mia età parlando vanno, von denen zuletzt 26 Zeilen zuvor (§ 6) die Rede war.127 Die zusätzliche komparative Funktion wird durch das satzeröffnende E 126 Benincà (2006, 82, Anm. 22) bemerkt die unterschiedliche Wortstellung von queste cose in verschiedenen Handschriften des Novellino; cf. «pregoti che mi dichi come queste cose tu le sai» (Novellino III, 27), wo queste cose mittels eines LD als Diskurstopic reetabliert wird. 127 Zur Verdeutlichung soll hier die Textstelle zitiert werden, auf die sich Bsp. (227) bezieht: «Altri, piú maturamente mostrando di voler dire, hanno detto che alla mia età non sta bene

4.3 Prolepse

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signalisiert, welchem hier eine topic-anzeigende Funktion zugeschrieben werden kann (entspricht etwa ‘quanto a’; cf. Consales 2012, 102). In der Ausgabe von Branca fällt die Prolepse mit einem neuen Absatz zusammen, womit der Topic-Wechsel auch typographisch sichtbar gemacht wird. Die Komplexität der NP – ein restriktiver Relativsatz mit einem Demonstrativ als Antezedens – dient hier der Umschreibung eines Referenten, für den die Sprache kein Substantiv bereitstellt. Wie bereits an anderer Stelle festgestellt wurde (cf. S. 77), kann eine topicmarkierende Äußerung, insbesondere bei der Reetablierung eines Topics, als «Pointe oder Résumé [der] vorausgegangenen Erzählung verstanden werden» (Thörle 2000, 218); cf. etwa: (228) [Fra Michele heiratet eine Witwe, um ihr heimzuzahlen, was sie ihrem ersten Ehemann angetan hat:] E un altro dí gli disse Fra Michele: «Va’ per lo vino.» La donna, che non potea a pena metter li piedi in terra, tolse la ’nghestara e andava a stento come potea. Com’ella è in capo della scala, e Fra Michele di dietro gli dà un pugno, dicendoli: «Va’ tosto», e gettala giú per la scala; e poi aggiunge: «Credi tu che io sia Ugolino Castrone, che quando ti disse: ‹Va’ per lo vino› e tu rispondesti ‹Va’ vi tu?›» E cosí questa donna Zoanna, cotta, livida e percossa, convenía che facesse quello che quando ell’era sana non volea fare (Tre LXXXVI, 13). (229) [Farinello ist in Frau Collagia verliebt; seine Frau erfährt es und macht ihn durch List glauben, er hätte mit Frau Collagia in einem Bett geschlafen, während es in Wirklichkeit sie war, die sich im Bett befand; Sacchettis Kommentar dazu:] Cosí avviene spesso a chi ha a fare con femine, però che in cosí fatti casi di simili astuzie trapassano gli uom‹e›ni; e ancor pare che Amor porga a·lloro di nuovi ingegni e malizie. Questa donna Vanna con quanta sottigliezza fece una degna opera!128 (Tre CCVI, 29) Topic-Hervorholung Die Prolepse kann auch zur Topic-Hervorholung verwendet werden. Diese Funktion lässt sich aber im vorliegenden Korpus nicht immer eindeutig belegen. Ein klares Beispiel hierfür ist jedoch:

l’andare omai dietro a queste cose, cioè a ragionar di donne o a compiacer loro» (Dec IV, Introduzione, 6). 128 Cf. Anm. 122, S. 99.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

(230) Il Podestà dicea: «La migliore legge che si possa usare è quella della verità e della discrezione; però che la legge dice: ‹Chi uccide dee essere morto›; ma egli è grandissima differenza da una morte a un’altra; ché sono morti che potrebbono meritare premio, non che avere pena di morte, e sono morti che meriterebbono mille morti. E pertanto conviene che qui sia uno mezzo che pigli un’altra via che seguire le leggi; e questa via conviene che sia il discreto rettore, come che io non sia di quelli; ma per discrezione e per bene ho giudicato» (Tre CXCVI, 18s.; cf. Bsp. 197). In Bsp. (230) greift die Subjekt-NP questa via ein unmittelbar zuvor in den Diskurs eingeführtes Konzept (un’altra via) wieder auf, das im Augenblick der Ersterwähnung noch nicht Topic war. Topic-Etablierung Bei nicht vorerwähnten, also +NEUEN Konzepten liegt die Funktion der TopicEtablierung vor: (231) Quanto li cavalieri del detto di questo loro compagno risono, non si potrebbe dire. E ’l dicitore mostrò che, chi non ha cuore, lasciando ogni temerità, già mai non può ben dire. E cosí è veramente, che ’l dicitore, quando parla, conviene che sia sicuro e coraggioso, però che ’l dire sempre manca per lo timore […] (Tre XXX, 10). (232) E io [= Sachetti] rispondo: «Li nostri frati, quando predicano a Firenze, ci amaestrano del digiuno e dell’orare, e che dobbiamo perdonare, e che dobbiamo seguire la pace e non far guerra; li frati che predicano qui [= Genova] insegnano tutto il contrario […]» (Tre LXXI, 9). (233) Lo imperad‹o›re disse alli uscieri: «Uno poltrone di cotale guisa se·cci viene, fatemi·llo venire dinanzi» (UrNov 45, 11; cf. Bsp. 223). In Bsp. (231) ist der Subjektreferent nur scheinbar vorerwähnt. Während sich die NP ’l dicitore ‘Vortragskünstler’ in ’l dicitore mostrò che […] auf einen spezifisch-definiten Referenten, den Hauptprotagonisten der Novelle, bezieht, ist mit der NP in Prolepse in [i]l dicitore, quando […] der Typus (der der Vortragskünstler) gemeint. Die Prolepse dient hier also zur Topic-Etablierung eines +NEUEN Konzepts, das in einer Subtyp-Typ-Relation zum Vortext steht. In Bsp. (232) stellt der Subjektreferent li nostri frati ein in der Gesprächssituation ebenfalls +NEUES Konzept dar, das aufgrund eines Zugehörigkeitsverhältnisses +IDENT ist. Die Referentialität personaldeiktischer Pronomina wie nostri kann nur in Bezug auf diesen Sprecher hic et nunc korrekt interpretiert werden (cf.

4.3 Prolepse

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Birner 2013, 116). Ein Bezug zum Vortext besteht hier nicht. In Bsp. (233) eröffnet der Sprecher das Gespräch, indem er ein brandneues, nachträglich-spezifiziertes Konzept unvermittelt in dem Diskurs etabliert. Die Prolepse scheint somit dafür geeignet zu sein, ein Topic ex abrupto zu setzen. Auch auf der Erzählebene kann die Prolepse dazu verwendet werden, um einen Protagonisten unmittelbar als Diskurstopic zu etablieren, ohne dass dieser zuvor in den Diskurs eingeführt wurde: (234) Carlo, nobile re di Cicilia, quando era conte d’Angiò, sí amò per amore la bella contessa di Teti, la quale amava medesimamente lo conte d’Universa (UrNov 6, 1). (235) Maestro Francescho, figliuolo del maestro Acorsso della cittade di Bolognia, quando tornò d’I‹n›ghi‹l›terra, là ov’era istato lungho tempo, fece una cosí fatta proposta dinanzi al Chomune suo, e disse: […] (UrNov 85, 1). (236) «Ora uno (del quale nel vero io non so il nome ma persona da bene mi pare e, se io non ne sono ingannata, usa molto con voi) bello e grande della persona, vestito di panni bruni assai onesti, forse non avvisandosi che io cosí fatta intenzione abbia come io ho, pare che m’abbia posto l’assedio; né posso farmi né a uscio né a finestra, né uscir di casa, che egli incontanente non mi si pari innanzi, e maravigliomi io come egli non è ora qui […]» (Dec III, 3, 11). In Bsp. (234) und (235) erfolgt die Topic-Etablierung jeweils am Anfang einer neuen Novelle und kann daher nicht durch den Vortext motiviert sein. Da der Erzähler die Kenntnis von Carlo und Maestro Francesco beim Leser nicht voraussetzen kann (um welchen Carlo handelt es sich, um welchen Francesco?), werden diese beiden Konzepte jeweils durch eine Apposition +IDENT gemacht. In Bsp. (236) dagegen wird die Topic-Etablierung innerhalb der Erzählung vollzogen. Das zitierte Beispiel stammt zwar aus der direkten Rede, da der Sprecher aber seinem Gegenüber etwas erzählt, kann es neben den bisher beobachteten Fällen auf der Erzählebene behandelt werden. Hier wird mitten im Redebeitrag ein neuer Referent als Topic etabliert, der jedoch keinen Bezug zum Vortext aufweist. Die Topic-Etablierung wird durch den Diskursmarker ora signalisiert.129 Da es sich um einen «brandneuen» Referenten handelt – das

129 Zur Diskursfunktion von ora in der frühen italienischen Dichtung cf. Dardano (2012c, 52): «[È] un S[egnale] D[iscorsivo] che ha una funzione essenzialmente introduttiva e presentativa […].»

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

Element in Prolepse ist ein Indefinitpronomen –, muss dieser nachträglich spezifiziert werden, um als Topic fungieren zu können, was durch verschiedene Attribute erfolgt (cf. auch Bsp. 233).130 4.3.2.2 Prolepse in Fragesätzen (Wortfragen) Die Prolepse eines Subjekts wurde, wie bereits erwähnt, häufig in Fragesätzen beobachtet. Da bei Fragen das Gegenüber im nächsten turn das Wort ergreifen soll, ist dem Sprecher besonders daran gelegen, dasjenige, über das etwas erfragt wird (das Topic), deutlich zu kennzeichnen, damit sein Gegenüber das, worüber gesprochen werden soll, klar identifizieren kann. Fragesätze sind außerdem aufgrund ihres interaktionalen Charakters – die Präsenz eines konkreten Gesprächspartners wird vorausgesetzt – oft an Mündlichkeit gebunden. In literarischer Sprache wie auch im vorliegenden Korpus tauchen sie deshalb hauptsächlich in der direkten Rede auf, in der mündliche Interaktion imitiert wird. Wenn dies so ist, dann kann die Prolepse in Fragen auch als ein Merkmal gesprochener Sprache im Altitalienischen betrachtet werden (cf. Wehr 2012a, Xs.). Im Folgenden wenden wir uns zunächst den Prolepsen von NP (inklusive Demonstrativa) zu und im Anschluss denjenigen von Personalpronomina. In Fragesätzen wird die Prolepse häufig zur Etablierung eines +NEUEN Topics verwendet, das aufgrund der Situation +IDENT ist; cf. etwa: (237) [Migliore delli Abati zu Besuch bei Karl von Anjou:] Tra li quali li mostràno palla stanpate di rame nelle quali ardíano li ciciliani anbra e aloe, e del fumo che n’esce odoriferano le camere loro. Domandò messer Migliore: «Queste palle che diletto vi rendono? ditelmi per cortesia.» Fugli risposto: «In quelle palle ardiamo ambra e aloe, onde le nostre donne e le camere sono odo‹ri›fire» (UrNov 34, 6–9; cf. Bsp. 86). (238) [Messer Dianese unterwegs:] Et andando lui per la diritta istrada, et quelli si vedea andare inanzi asai giente a piè et a chavallo; et andando loro, et quelli vidde uscire tutta questa giente della diritta istrada, et andavano per una via istretta ch’era: sicchè domandò alchuno, et disse: «Questa giente perchè fae questo, che lasciano la buona istrada e vànone per questa rea?» (Pan32 CLIV, 191) In seiner Frage bezieht sich der Sprecher jeweils auf einen in der Gesprächssituation vorhandenen Referenten, der noch nicht versprachlicht wurde, über

130 Dass ein neuer Protagonist aber nicht immer nachträglich spezifiziert sein muss, um vom Gegenüber identifiziert werden zu können, zeigt Bsp. (221).

4.3 Prolepse

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den er aber mehr erfahren möchte. Das Demonstrativpronomen hat dabei eine deiktische Funktion und es besteht keinerlei Bezug zum Vortext. Besonders deutlich ist die gesprächseröffnende Funktion der Prolepse in Bsp. (238), in dem der Sprecher eine ihm unbekannte Person anspricht (cf. dazu Bsp. 233; auch Bsp. 42 und Anm. 27, S. 47). In folgenden Fällen wird die Prolepse verwendet, um ein Ereignis anzusprechen, das sich aufgrund der Situation als Topic aufdrängt: (239) [Ein reicher Mann will die Zollgebühr nicht zahlen und versteckt Eier in seiner Hose; als die Zöllner ihn dazu auffordern, sich zu setzen, gehen die Eier entzwei:] E fannolo alzare a poco a poco e, brievemente, veggono certo giallore venire giú per le calze, e dicono: «Questo che è? Noi vogliamo vedere le brache, donde pare che venga questa influenza» (Tre CXLVII, 9). (240) […] e essendo egli nel letto entrato e lietamente salutatala, ella, dalla sua letizia preso ardire, disse: «O signor mio, questa che novità è stanotte? voi vi partite pur testé da me e oltre l’usato modo di me avete preso piacere, e così tosto da capo ritornate? Guardate ciò che voi fate» (Dec III, 2, 17; cf. Bsp. 217). Im ersten Beispiel werden die Zöllner misstrauisch, als eine verdächtige gelbe Substanz – das Eigelb – dem Durchreisenden das Bein herunterläuft. Im zweiten reagiert die Sprecherin erstaunt darüber, dass ihr Gatte sie zum zweiten Mal in der Nacht aufsucht. Eher denn als eine Frage scheint die Prolepse hier einen Ausruf darzustellen. Die Subjekt-NP in den interrogativen Prolepsen kann auch ein vorerwähntes, also –NEUES Konzept darstellen. Topic-Reetablierung liegt vor in: (241) [Isolde:] «E sapete bene, se voi non vi infingete di non saperlo, che Tristano non uccise l’Amoroldo a tradimento; anzi sapete bene, per lo detto dello Amoroldo medesimo, e anche degli suoi baroni, ch’ella fue battaglia bene e lealmente tra loro ordinata de l’una parte e della altra. Ora, se l’Amoroldo perdèe la battaglia e fue morto, Tristano a che tradimento è tenuto?» (Tav XXIII, 143) (242) A cui Maso rispose: «Sí, due maniere di pietre ci si truovano di grandissima virtú. L’una sono i macigni da Settignano e da Montisci […]. L’altra si è una pietra, la quale noi altri lapidarii appelliamo elitropia, pietra di troppo gran vertú, per ciò che qualunque persona la porta sopra di sé, mentre la tiene, non è da alcuna altra persona veduto dove non è.» Allo-

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

ra Calandrin disse: «Gran virtú son queste; ma questa seconda dove si truova?» (Dec VIII, 3, 19–21) In Bsp. (241) verteidigt Isolde Tristan, der vom König von Irland zu Unrecht beschuldigt wird, Morold hinterrücks umgebracht zu haben. Nachdem sie den König daran erinnert hat, dass es sich bei der Auseinandersetzung zwischen Morold und Tristan um einen fairen Kampf handelte, kommt sie auf das eigentliche Diskurstopic, Tristan, zurück. In Bsp. (242) möchte der Sprecher mehr Informationen über ein zuvor erwähntes Topic (einen Stein mit magischen Kräften) erfahren. Bevor er dieses aber zum Topic seines Beitrags deklariert, knüpft er an den Beitrag seines Gegenübers an, indem er sich zunächst über die Zauberkraft der vorher erwähnten Steine äußert (Gran virtú son queste). Erst dann kommt er auf das zu sprechen, was ihn wirklich interessiert. Dabei wird der Topic-Wechsel durch die Konjunktion ma eingeleitet. In beiden Fällen spielt die alternative Funktion ebenfalls eine Rolle (cf. auch Kap. 4.3.3.1). Circa ein Drittel der beobachteten Prolepsen in Fragesätzen weisen ein Subjektpronomen der zweiten Person auf. Dabei stellt das Element in Prolepse selten das Diskurstopic dar. Hier geht es vielmehr darum, das Gegenüber nach seiner Meinung zum aktuellen Diskurstopic zu fragen. Eine weitere Funktion der Prolepse ist in diesem Zusammenhang sicherlich auch die der turn-Abgabe. Damit signalisiert der Sprecher das Ende seines Redebeitrags und lädt seinen Gesprächspartner dazu ein, das Wort zu ergreifen. Dem Subjektpronomen geht fast immer die Konjunktion e voraus, die die Funktion hat, den Sprecherwechsel zu signalisieren (paraphrasierbar durch quanto a); cf. etwa: (243) Disse Buffalmacco: «Per certo tu di’ il vero; e tu, Calandrino, che di’? voglianlo [= vogliamolo] fare?» (Dec VIII, 6, 36) (244) Allora Dinadano si volge verso Alcardo, dicendo: «E voi, con quale v’accordate? Deh dite, per vostra fè, o collo innamorato o collo disamorato? […]» (Tav LXXIII, 300) (245) E voltosi alla brigata disse: «E voi che dite?» (Tre CXXXVI, 10) (246) […] e l’uno de’ masnadieri, che eran tre, disse verso Rinaldo: «E voi, gentile uomo, che orazione usate di dir camminando?» (Dec II, 2, 6)131

131 Zur Markierung der zweiten Person als Topic im Französischen cf. (Thörle 2000, 223s.); im Italienischen cf. Meier (2008, 266s.); im Französischen und Spanischen cf. Ewert-Kling (2010, 214–216); im Spanischen des 16. Jahrhunderts cf. Thörle (2012, 250s.).

4.3 Prolepse

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4.3.3 Weitere Funktionen der Prolepse 4.3.3.1 Komparative Funktion In Bsp. (226) haben wir bereits einen eindeutigen Fall von Listing Topics gesehen. Im vorliegenden Korpus wird die Prolepse jedoch eher zur Gegenüberstellung von zwei Konzepten, also von alternativen Topics verwendet. Neben der Anzeige des Sprecherwechsels in Wortfragen (cf. oben) kann die Prolepse ebenfalls zum Wechsel von Topic-Referenten verwendet werden wie in Bsp. (241) und (242).132 In den folgenden Beispielen ist das alternative Topic durch ein Subjektpronomen der zweiten Person repräsentiert. In Bsp. (247) versuchen die beiden Sprecher, sich gegenseitig wegzuschicken, in Bsp. (248)s. vergleicht der jeweilige Sprecher sein Gegenüber mit sich selbst (io) bzw. mit einem vorerwähnten Referenten (gli altri). Dem Subjektpronomen in Prolepse geht die Konjunktion ma oder e (hier in adversativer Funktion, paraphrasierbar durch mentre) voraus: (247) Crivello diceva alla fante: «Come non ti vai tu a dormire oramai? che ti vai tu pure avviluppando per casa?» E la fante diceva a lui: «Ma tu perché non vai per signorto? che aspetti tu oramai qui, poi hai cenato?» (Dec V, 5, 16s.) (248) [Messer Ricardo zu seiner Ehefrau:] «Donna, caro mi costa il menarti a pescare, per ciò che simil dolore non si sentì mai a quello che io ho poscia portato che io ti perdei, e tu non par che mi riconoschi, sì salvaticamente motto mi fai […]» (Dec II, 10, 24). (249) [Antonio zu seiner verärgerten Ehefrau:] «Deh, non dir piú; gli altri se ne stanno cheti, e tu par che ’l vogli bandire»133 (Tre CXLVII, 18). 4.3.3.2 Anaphore résomptive Es wurden nur einige Fälle von anaphorisch zusammenfassenden Demonstrativpronomina beobachtet: (250) E Brandina disse: «Bel Sire, sacciate bene certanamente, che lo cavaliere che vinse la battaglia dello re di Cento Cavalieri e che abbattèe Palamides due volte, egli fue lo nostro cavaliere, quello che voi avete fatto

132 Cf. die Unterscheidung zwischen «Topic-Markierung diskursexterner Referenten» und «Topic-Markierung der Diskursteilnehmer» bei Ewert-Kling (2010, 195s.). 133 [B]andire: «annunciare pubblicamente, tramite banditore» (Marucci 1996, 463, Anm. 4).

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

guarire a vostra figliuola Isotta.» E lo re disse: «Brandina, questo come puote essere?» (Tav XXII, 139) (251) [Martuccio:] «Signor mio, […]. A voi convien far fare corde molto piú sottili agli archi de’ vostri arcieri che quelle che per tutti comunalmente s’usano e appresso far fare saettamento, le cocche del quale non sien buone se non a queste corde sottili; e questo conviene che sia sí segretamente fatto, che il vostro avversario nol sappia, per ciò che egli ci troverebbe modo» (Dec V, 2, 32). (252) [Ermellina:] «Amico di Dio, assai conosco vere le cose le quali ragionate e in gran parte per la vostra dimostrazione conosco chi sieno i frati, infino a ora da me tutti santi tenuti. E senza dubbio conosco il mio difetto essere stato grande in ciò che contro a Tedaldo adoperai e, se per me si potesse, volentieri l’amenderei nella maniera che detta avete. Ma questo come si può fare? Tedaldo non ci potrà mai tornare: egli è morto, e per ciò quello che non si dee poter fare non so perché bisogni che io il vi prometta» (Dec III, 7, 56). In Bsp. (250) bedient sich der Sprecher der anaphore résomptive, um die vorausgegangene Erzählung seines Gegenübers, Brandina, wieder aufzugreifen und mittels einer Prolepse als Gesprächstopic vorzuschlagen, worauf Brandina anschließend eingeht. In Bsp. (251)s. dagegen fasst der jeweilige Sprecher seine eigene Rede zusammen, weil er das zuvor Gesagte im nächsten Redeschritt thematisieren möchte.

4.4 Right Detachment (RD) Eine weitere und letzte topicmarkierende Konstruktion im Altitalienischen ist das Right Detachment (RD), auch «dislocazione a destra» genannt. Das RD besteht darin, in einem Satz ein nominales oder pronominales (nicht klitisches) Satzglied zunächst durch ein klitisches Pronomen korreferentiell vorwegzunehmen, um dieses dann rechts vom Satzrand nachträglich zu liefern (cf. Koch/Oesterreicher 2011, 96).134 Damit stellt das RD formal das spiegelverkehrte Bild zum LD dar und gehört wie dieses zu den «phrases segmentées» von Bally (1965, §§ 79–99). Die hier verwendete Terminologie erfolgt analog zum LD. Der erste Bestandteil der Konstruktion ist der «Kernsatz», der zweite ist

134 Klitische Vorwegnahmen von Nebensätzen wie «Sallo Dio che pena m’è stata ad avere questo brieve!» (Tre CCXVII, 8) sind damit nicht Teil dieser Untersuchung. Cf. Anm. 57, S. 62.

4.4 Right Detachment (RD)

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durch das «RD-Element» (oder: «Element in RD») konstituiert und die korreferentielle Proform ist die «pronominale Vorwegnahme» (oder: «Antizipation»). Der vom RD-Element bezeichnete Referent heißt «RD-Referent». (Zur Terminologie cf. Dudtenhöfer 2000, 183 und Meier 2008, 5.) Der RD-Referent kann im Kernsatz verschiedene syntaktische Funktionen erfüllen, wobei das RD-Element mit der korreferentiellen Vorwegnahme obligatorisch kongruiert, d. h., bei präpositional markierten Funktionen führt das RDElement die entsprechende Präposition mit sich. Im Unterschied zum LD kann diese nicht fehlen. Rechts vom Kernsatz gibt es also kein Pendant zum HT,135 auch nicht zum CST. Einige Belege: (253) «Molto tosto l’avete voi trangugiata, questa cena» (Dec V, 10, 29). (254) «[…] non sia io mai uomo, se io non gnene fo una piú sucida a lui» (Tre CLXXXV, 8). (255) E poi ne fece tre delle battaglie di campo ordinate (UrNov 32, 17). (256) «E che ci hai fatto a Bologna?» (Tre XL, 3) In Bsp. (253) liegt das RD eines direkten Objekts vor, in Bsp. (254) das eines indirekten Objekts, in Bsp. (255) das eines partitiven Objekts (Reprise durch ne) und in Bsp. (256) das eines Ortsadverbials (Reprise durch ci). Es wurden ebenfalls RD von Subjekten festgestellt, d. h. Fälle, in denen das RD-Element durch ein freies Subjektpronomen vorweggenommen wird. Das Subjekt in RD ist eine lexikalische NP in: (257) E non fu ella al mondo sopra tutte le altre usanza maravigliosa questa della gorgiera? (Tre CLXXVIII, 11) Häufiger sind RD von Subjektpronomina der ersten und zweiten Person, naturgemäß in der direkten Rede: (258) «S’io gliele promisi, e io gliele sprometto; ch’io non voglio per suo elmo di queste derrate, io» (Tav XCIV, 391).

135 Theoretisch, denn im folgenden Beispiel fehlt die Präposition di: «Io n’ho de’ miei dí mille veduti vagheggiatori, amatori, visitatori non solamente delle donne secolari ma de’ monisteri» (Dec III, 7, 43). Cf. dazu auch die Bemerkungen von Ashby (1988, 208s.) mit Beispielen für RD ohne syntaktische Kongruenz im Französischen.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

(259) «E’ par che mi cresca ’l corpo, e parmi sentir guizzare il fanciullo; sentilo tu ancora, tu?» (Tre CCXIX, 14) Dieser Typus «Subjektpronomen – Verb, SubjektpronomenTOP» darf nicht mit der homographen Konstruktion «Subjektpronomen – Verb – SubjektpronomenFOC» verwechselt werden (cf. im Folgenden Bsp. 262 und 263). Im ersten Fall wird ein Subjektpronomen zum Zweck der Topic-Markierung rechts abgesetzt, während die pronominale Verdoppelung im zweiten Fall der FocusMarkierung des Subjektreferenten dient. Formal zeichnet sich das RD durch eine syntaktische Segmentierung aus, die in der Regel vom Herausgeber durch ein Komma signalisiert ist. Oft aber fehlt das Komma, und eine Unterscheidung ist nur dann aufgrund des Kontexts möglich, da wir nicht direkt auf die Intonation zurückgreifen können. Analog zum LD eines Subjekts, bei dem das Konjugationsmorphem das Subjekt nach einem Einschub korreferentiell repräsentieren kann (cf. die Fälle von Doppel-LD auf S. 65s.), kann die korreferentielle Vorwegnahme eines Subjekts allein durch das Konjugationsmorphem des Verbs im Kernsatz, also ohne pronominale Vorwegnahme, realisiert werden (Typus: V, STOP). Da die Intonation im Geschriebenen fehlt, lassen sich diese Strukturen schwer von der homographen Subjektinversion (V – S) unterscheiden. Sie werden deshalb separat behandelt (cf. Kap. 4.4.4). Mehrfache Segmentierungen sind, wenn auch selten, belegt; cf. die folgenden Fälle: (260) «Tu non te ne avvedesti miga cosí tosto tu di quel che io valeva, come ha fatto egli […]» (Dec VIII, 9, 66). (261) «[…] ma di quelli del lamento della Madalena non me ne tocca niuno a me» (Tre CXVIII, 10). In Bsp. (260) werden ein Subjektpronomen und eine Präpositionalphrase gleichzeitig rechts abgesetzt (Fall von Doppel-RD). In Bsp. (261) werden links eine Präpositionalphrase und rechts ein freies indirektes Objektpronomen zugleich abgesetzt (Kombination von LD und RD). In beiden Fällen liegt eine zweifache Topic-Markierung vor. Das RD ist im untersuchten Korpus auffallend seltener belegt als das LD. Vor allem wird man mit einer Fülle von Belegen konfrontiert, die man nicht als RD in seiner Eigenschaft als topicmarkierende Konstruktion betrachten kann (RD-Lookalikes).136 Es handelt sich hierbei zunächst um korreferentielle 136 Gebildet nach dem Terminus «Cleft Lookalike» von Katz (1997, 4–6).

4.4 Right Detachment (RD)

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Vorwegnahmen von dem Verb nachgestellten betonten Personalpronomina, die eine Focus-Funktion aufweisen. Dieses Phänomen tritt vor allem bei Subjektpronomina auf: (262) [Donna Vanna zu ihrem Gatten:] «Traluna bene, ché tu hai bene di che; tu se’ stato stanotte un pro’ cavaliere, ché hai macinato sette volte; e sa’ ben dove, ma non con cui tu hai creduto, ché io sono stata IO, e non monna Collagia, quella dove tu hai macinato istanotte sette volte […]» (Tre CCVI, 20). (263) «Io non ci fui IO: chi fu colui che ci fu? come andò? chi ci venne?» (Dec III, 2,18) In Bsp. (262) liegt kontrastiver Focus (‘X, nicht Y’) vor, wobei der nicht zutreffende Kandidat durch e non monna Collagia deutlich ausgeschlossen wird. In Bsp. (263) handelt es sich hingegen um die Funktion Exhaustive Listing (‘X und niemand anders’), wie aus der folgenden Wortfrage chi fu colui che ci fu? hervorgeht. Im Geschriebenen besteht eine Verwechslungsgefahr mit pronominalen RD des Typus «Subjektpronomen – Verb, SubjektpronomenTOP» (cf. Bsp. 258s.), die nur aufgrund des Kontexts beseitigt werden kann. Im Gesprochenen ist die Prosodie bedeutungsunterscheidend.137 Auch diejenigen Fälle, bei denen nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund die Verdoppelung des Pronomens bedingt sein kann, müssen aus der Diskussion ausgeschieden werden: (264) […] e s’egli era perdente, cioè che ’l cavaliere non potea durare in contro al conte e gli suoi cento cavalieri, il conte gli faceva tagliare la testa a lui e suo scudiere (Tav CXV, 465). (265) «Se a Dio piacerà, Egli ci guarderà e voi e me di questa noia […]» (Dec V, 3, 29). In Bsp. (264) bleibt unklar, ob das klitische Pronomen gli anaphorisch auf den vorerwähnten Subjektreferenten verweist oder a lui e suo scudiere vorwegnimmt. Bei a lui e suo scudiere könnte es sich um einen bloßen Nachtrag handeln (cf. im Folgenden die Fälle von Afterthought). In Bsp. (265) werden zwei betonte Pronomina durch die zweiteilige Konjunktion e … e ‘sowohl … als auch’

137 Auf den Unterschied zwischen beiden Konstruktionstypen hat auch Lauta (2012, 75s.) in Anlehnung an Palermo (1997, 163–165) hingewiesen. Cf. auch Kap. 5.3.5.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

verbunden. Da RD-Elemente nicht durch eine Konjunktion eingeleitet werden, scheiden derartige Beispiele ebenfalls aus. Vom RD zu unterscheiden sind außerdem Konstruktionen, die in der Forschungsliteratur «Afterthought», it. ‘ripensamento’, genannt werden. Während das RD ein topicmarkierendes Verfahren darstellt, versteht man unter «Afterthought» ein Reparaturphänomen, das darin besteht, den Referenten des Personalpronomens nachträglich zu nennen, als wäre dem Sprecher erst im Augenblick der Äußerung klar geworden, dass er die Kenntnis des Konzepts bei seinem Gegenüber doch nicht wie zuerst angenommen voraussetzen kann und dieses im Nachhinein klarstellen sollte: […] è in effetti chiaramente imparentat[o] con le glosse esplicative, e si tratta in fondo di una forma di deissi, o di anafora, corretta all’ultimo momento con l’enunciazione di un’aggiunta esplicativa, che riempie di materiale semantico il ‹posto vuoto› indicato dal clitico, che risulta così micro-sintatticamente cataforico (mentre sarà, quanto all’interpretazione, deittico – esoforico – o anaforico) (Berruto 1986, 58).

Dieses Phänomen lässt sich vor allem im Gesprochenen beobachten, in dem der Sprecher seine Gedanken in Echtzeit formulieren muss. Formal unterscheidet es sich vom RD darin, dass nach dem Kernsatz eine Pause eintritt und das nachgelieferte Element (das zur Reparatur dient) einen hohen oder halbfallenden Ton aufweist (cf. Berruto 1986, 58 in Anlehnung an Lambrecht 1981). Im Geschriebenen, in dem Afterthought naturgemäß selten vorkommt (da der Sprecher die Möglichkeit hat, das Gesagte zu tilgen und zu korrigieren), ist eine Unterscheidung zwischen RD und Afterthought nur möglich, wenn Letzterer morphologisch angezeigt wird wie in folgenden Beispielen: (266) Dioneo, presa la corona, ridendo rispose: «Assai volte già ne potete aver veduti, io dico delli re da scacchi, troppo piú cari che io non sono […]» (Dec VI, Conclusione, 3). (267) El santo romito la fuggío, cioè la morte dell’anima […]. (Pan32 CXLIX, 183). In Bsp. (266) und (267) wird die Reparatur durch io dico bzw. cioè, die beide eine explikative Funktion haben, eingeleitet. Cf. auch die Beispiele aus dem Neuitalienischen bei Meier (2008, 255s.). Wenden wir uns nun den klaren Fällen von RD-Konstruktionen zu. Im folgenden wird wie bisher verfahren, d. h., die gesammelten Materialien werden hinsichtlich der Identifizierbarkeit des RD-Elements und seiner pragmatischen Funktion im Diskurs untersucht.

4.4 Right Detachment (RD)

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4.4.1 Identifizierbarkeit des RD-Referenten 1. Theoretisch kann die Identifizierbarkeit des RD-Referenten auf Vorerwähnung beruhen wie in allen topicmarkierenden Konstruktionen, im vorliegenden Korpus lassen sich aber –NEUE RD-Referenten praktisch nur schwer belegen. So verweist das RD-Element costui im folgenden Beispiel zwar anaphorisch auf das unmittelbar vorerwähnte questo mutolo, ein deiktischer Bezug ist aber aufgrund der Präsenz des Referenten in der Situation nicht ganz von der Hand zu weisen (cf. auch Kommentar zu Bsp. 275): (268) «Per che io m’ho piú volte messo in animo, poi che con altrui non posso, di volere con questo mutolo provare se cosí è; e egli è il miglior del mondo da ciò costui, ché, perché egli pur volesse, egli nol potrebbe né saprebbe ridire […]» (Dec III, 1, 24). 2. Wesentlich häufiger belegt sind RD-Referenten, deren Kenntnis sich aus einem zuvor erwähnten Konzept erschließen lässt. Im folgenden Beispiel erfordert der Ableitungsprozess vom Leser jedoch mehr Aufwand als sonst, denn das RD-Element di tali ist elliptisch und folgendermaßen zu ergänzen: di tali [chierici]. Von einem vorerwähnten spezifischen Konzept, sí devoto cherico, wird zur ganzen Gattung gewechselt (Subtyp-Typ-Relation): (269) Che diremo che fosse quella ostia da sí devoto cherico sacrata e portata? Io per me non credo che cattivo arbore possa fare buon frutto. E tutto il mondo n’è pieno di tali, che Dio il sa tra cui mani è venuto (Tre LXXXIX, 8). Diese Art der Identifizierbarkeit ist im vorliegenden Korpus häufig anzutreffen und betrifft in erster Linie RD-Referenten, die im Kernsatz eine partitive Funktion übernehmen. Einige Belege hierfür sind: (270) Allora il prete disse: «Io non so, chiedi pur tu: o vuogli un paio di scarpette o vuogli un frenello o vuogli una bella fetta di stame o ciò che tu vuogli.» Disse la Belcolore: «Frate, bene sta! Io me n’ho di coteste cose; ma se voi mi volete cotanto bene, ché non mi fate voi un servigio, e io farò ciò che voi vorrete?» (Dec VIII, 2, 25s.) (271) Disse allora Bruno a Buffalmacco: «Che ti pare? Tu nol mi credevi quando io il ti diceva. Alle guagnele! egli non ha in questa terra medico che s’intenda d’orina d’asino a petto a costui, e fermamente tu non ne trove-

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resti un altro di qui alle porti di Parigi de’ cosí fatti. Va tienti oggimai tu di non far ciò ch’e’ vuole!» (Dec VIII, 9, 70) (272) Molto n’è pieno il mondo di questi cosí fatti preti; che Dio il sa se, non sapiendo le parole della messa altramente che s‹i› sappiano se quello che celebrano è il corpo di Cristo […] (Tre CCV, 10). In Bsp. (270) verweist das Demonstrativpronomen coteste nicht auf die im vorigen turn vorerwähnten spezifischen Referenten, sondern auf die Klasse, der diese Elemente angehören. Es bedeutet nichts weiter als di tale genere ‘dieser Art’. Dies trifft auch auf Bsp. (271) und (272) zu, in denen der generische Ableitungsvorgang durch cosí ermöglicht wird. 3. Das folgende RD-Element verweist auf ein in der Situation vorhandenes Konzept und ist deshalb +IDENT: (273) E detto questo, e prese a quattro a quattro l’uova, alzandosi il lembo dinanzi cominciasele a mettere nelle brache. Dice il fante: «O ove le mettete voi? O voi non potrete andare per la via.» Dice Antonio: «Nòe! ell’hanno138 un fondo in giuso, queste mie brache, che ci capirrebbono le galline che l’hanno fatte, non che l’uova» (Tre CXLVII, 4s.). Trotz Vorerwähnung auf der Erzählebene muss die NP queste mie brache auf der Protagonistenebene als +NEU betrachtet werden. Dem Demonstrativpronomen kann daher eine deiktische Funktion beigemessen werden. Zu dieser Art der Identifizierbarkeit zählen ebenfalls RD betonter Pronomina der ersten und zweiten Person (Personaldeixis); cf. etwa Bsp. (258) und (259). 4. RD-Referenten, die aufgrund des permanenten Repertoires +IDENT sind, sind zwar theoretisch denkbar, in den vorliegenden Materialien aber nicht eindeutig ermittelbar. 5. Die Kenntnis des RD-Referenten wird nachträglich hergestellt in: (274) «Carissime donne mie, elle son tante le beffe che gli uomini vi fanno, e spezialmente i mariti, che, quando alcuna volta avviene che donna niuna139 alcuna al marito ne faccia, voi non dovreste solamente esser con-

138 [E]ll’hanno: Lesart nach Faccioli (1970, 394) und nicht «E’ l’hanno», wie von Marucci angenommen, der hier zitiert wird. Richtig hingegen bei Marucci das Komma nach dem Kernsatz. Dieses fehlte bei Faccioli. Cf. Nicolosi (2012b, 231, Anm. 9). 139 [D]onna niuna: ‘einige Frauen’, it. ‘qualche donna’ (Branca 1992, 798, Anm. 5).

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tente che ciò fosse avvenuto o di risaperlo o d’udirlo dire a alcuno, ma il dovreste voi medesime andar dicendo per tutto, acciò che per gli uomini si conosca che, se essi sanno, e le donne d’altra parte anche sanno […]» (Dec VII, 2, 3). In Bsp. (274) wird die NP le beffe durch einen restriktiven Relativsatz näher bestimmt. Der RD-Referent kann auch in Verbindung zum Thema des siebten Erzähltages «[le] beffe le quali […] le donne hanno già fatte a’ lor mariti» (Dec VI, Conclusione, 6) gesehen werden.140

4.4.2 Topicmarkierende Funktionen von RD Die ermittelten Belege kommen hauptsächlich in direkter Rede vor und sind häufig in Fragesätzen belegt. Im Folgenden wird daher zwischen RD in Aussagesätzen und RD in Fragesätzen unterschieden.

4.4.2.1 RD in Aussagesätzen Die beobachteten Fälle von RD in Aussagesätzen dienen vor allem dazu, ein Konzept als Topic zu setzen, das +NEU oder –NEU sein kann, aber noch nicht Topic war. Ist das Konzept als Nicht-Topic vorerwähnt, liegt die Funktion der Topic-Hervorholung vor: (275) Allora la baldanzosa incominciò: «Io non so se tu t’hai posto mente come noi siamo tenute strette, né che mai qua entro uomo alcuno osa entrare se non il castaldo ch’è vecchio e questo mutolo; e io ho piú volte a piú donne che a noi son venute udito dire che tutte l’altre dolcezze del mondo sono una beffa a rispetto di quella quando la femina usa con l’uomo. Per che io m’ho piú volte messo in animo, poi che con altrui non posso, di volere con questo mutolo provare se cosí è; e egli è il miglior del mondo da ciò costui, ché, perché egli pur volesse, egli nol potrebbe né saprebbe ridire: tu vedi che egli è un cotal giovanaccio sciocco, cresciuto innanzi al senno. Volentieri udirei quello che a te ne pare» (Dec III, 1, 23s.; cf. Bsp. 268).

140 Bei Nicolosi (2012b, 231) wurde deshalb angenommen, dass der RD-Referent vom Thema des siebten Tages abgeleitet sei. Nun erscheint es mir aufgrund des restriktiven Relativsatzes adäquater, von nachträglicher Spezifizierung zu sprechen.

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Im zitierten Beispiel unterhalten sich zwei Nonnen, die durch den Klostergarten spazieren gehen. Auch anwesend ist der (angeblich) stumme Gärtner (questo mutolo), der den eigentlichen Grund des vorliegenden Redebeitrags darstellt. Dieser wurde gegen Anfang des turns in den Diskurs eingeführt, aber nicht gleich als Topic weiterverwendet, weil die Sprecherin im Vorfeld ihre Gesprächspartnerin über ihr Vorhaben (Sex mit dem stummen Gärtner) noch aufklären möchte. Nachdem sie die Prämissen dafür gesetzt hat, führt sie den Gärtner diesmal als Präpositionalobjekt erneut in den Diskurs ein, bevor sie ihn mittels eines RD zum Diskurstopic macht. Die Weiterverwendung als Diskurstopic erfolgt durch pronominale Wiederaufnahme (dreimal egli). In den folgenden Beispielen wird ein +NEUES Konzept, das einen starken Bezug zum Vortext aufweist, als Topic gesetzt (cf. auch Bsp. 269–272): (276) [Bruno:] «Stanotte fu’ io alla brigata: e essendomi un poco la reina d’Inghilterra rincresciuta, mi feci venir la gumedra del gran can d’Altarisi.» Diceva il maestro: «Che vuol dir gumedra? Io non gl’intendo questi nomi.» «O maestro mio,» diceva Bruno «io non me ne maraviglio, ché io ho bene udito dire che Porcograsso e Vannaccena non ne dicon nulla» (Dec VIII, 9, 36). (277) [Nikostratus’ Frau vergnügt sich mit ihrem Liebhaber in Anwesenheit ihres Mannes, macht diesem aber weis, es sei nicht wahr, was er vom Birnbaum aus mit eigenen Augen gesehen habe:] La donna appresso, che quasi tutta turbata s’era levata in piè, cominciò a dire: «Sia con la mala ventura, se tu m’hai per sí poco sentita, che, se io volessi attendere a queste tristezze che tu di’ che vedevi, io le venissi a fare dinanzi agli occhi tuoi […].» Nicostrato, al quale vero parea ciò che dicea l’uno e l’altro, che essi quivi dinanzi a lui mai a tale atto non si dovessero esser condotti, […] cominciò a ragionare della novità del fatto […]. Ma la donna, che della opinione che Nicostrato mostrava d’avere avuta di lei si mostrava turbata, disse: «Veramente questo pero non ne farà mai più niuna, né a me né a altra donna, di queste vergogne, se io potrò […]» (Dec VII, 9, 74–77). Nachdem der Sprecher in Bsp. (276) das Konzept gumedra zum Topic seiner Frage gemacht hat (cf. «Che vuol dire gumedra?»), markiert er mittels eines RD questi nomi als Topic. In Bsp. (277) bezieht sich der RD-Referent queste vergogne auf ein im vorigen turn vorerwähntes Konzept queste tristezze che tu di’ che vedevi.141 In beiden Fällen wird ein einem vorerwähnten Referenten über141 Tristezza heißt ‘disonestà’ (cf. Branca 1992, 874, Anm. 11).

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geordnetes Konzept als Topic markiert. Das Demonstrativ ist dabei zwar jeweils anaphorisch, es nimmt aber nicht den jeweiligen vorerwähnten Referenten auf. Hier ist vielmehr die ganze Klasse gemeint, wobei dem Demonstrativ die Bedeutung von simile, di tale genere ‘derartig, solch’ beigemessen wird. Es liegt Topic-Etablierung vor. Im folgenden Beispiel wird ein Ortsadverbial als +NEUES Topic etabliert: (278) Quando li Fiorentini nel MCCCLXII ebbono guerra co’ Pisani, essendo elli [= messer Ridolfo] capitano di guerra e avendo posto il campo in Valdera, avendo due consiglieri fiorentini, forse mercatanti o lanaiuoli, li quali una notte pensarono che ’l campo non stava bene in quel luogo e che egli starebbe meglio su uno monte ivi vicino; e levatisi la mattina con questo pensiero, tirorono messer Ridolfo da parte e dissono che parea loro che ’l campo stesse molto meglio nel tal luogo; messer Ridolfo, come gli ebbe uditi, ghignando e guardandogli disse: «Iate, iate, iateci alle botteghe a vennere i panni.»142 Se dicea il vero ogni uomo il pensi, quello che ha a fare la mercatan‹t›ia o l’arte meccanica143 con la industria militare (Tre XLI, 14s.). Die Topic-Markierung von alle botteghe mag im vorliegenden Gespräch, in dem es um das Feldlager der Truppe geht, zunächst überraschen. Die Kenntnis des neuen Topics lässt sich aber aus dem ursprünglichen Beruf der Gesprächspartner von Ridolfo (hier in der Rolle des Kriegskapitäns), die im Vorausgehenden als Händler oder Wollhändler vorgestellt werden, ableiten. So auch die Interpretation Maruccis, der Ridolfos Äußerung folgendermaßen paraphrasiert: «andate alle vostre botteghe a vender panni» (Marucci 1996, 131, Anm. 2). Dabei tut Ridolfo, als ob seine Kriegsberater ihren Stoffhandel mit der Art, einen Krieg zu führen, verwechseln würden, was auch aus dem nachfolgenden Kommentar des Erzählers deutlich hervorgeht. Dieses Beispiel besitzt zudem aufgrund des ironischen Untertons eine abtönende Funktion, auf die wir später näher eingehen werden und der hier aber kurz vorgegriffen werden soll. Das RD in Bsp. (278) stellt rein formal gesehen einen Aufforderungssatz dar, unter funktionalem Gesichtspunkt aber handelt es sich vielmehr um eine rhetorische Aufforderung, die den Wert einer beteuernden Aussage besitzt und folgendermaßen paraphrasiert werden könnte: «Es geht doch hier nicht um Stoffhandel,

142 Cf. aber «Iate, iate, iate sí alle botteghe a vennere i panni» mit der Verstärkungspartikel sí anstelle des korreferentiellen Pronomens in der Ausgabe von Faccioli (1970, 114). 143 [A]rte meccanica: «qualsiasi lavoro comporti attività manuale» (Marucci 1996, 131, Anm. 3).

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sondern um Kriegsführung.» Genau in dieser Verschiebung der semantischen Bedeutung des eigentlichen Satztyps liegt Waltereit (2006, 37) zufolge das Phänomen «Abtönung». Näheres über die abtönende Funktion (oder: den Effekt) des RD cf. Kap. 4.4.3.2. Weitere Beispiele für Topic-Etablierung wurden in (273) und (274) zitiert und sollen hier nicht wiederholt werden.

4.4.2.2 RD in Fragesätzen Wie wir bereits am Beispiel der Prolepse gesehen haben, nehmen topicmarkierende Konstruktionen in Fragesätzen eine Sonderstellung ein. Der Grund hierfür ist, dass der Sprecher im Begriff ist, das Rederecht an das Gegenüber abzugeben. Da das Topic der Frage in der Antwort als Diskurstopic weiter verwendet werden soll, erscheint es besonders wichtig, dieses deutlich zu kennzeichnen, damit es vom Gegenüber leicht identifiziert werden kann. In diesem Sinne blicken RD in Fragesätzen im Vergleich zu RD in Aussagesätzen weniger «nach hinten» als vielmehr «nach vorne» (cf. Dudtenhöfer 2000, 201). Nach Dudtenhöfer lässt sich die Hauptfunktion von RD in Fragesätzen als «TopicVorgabe» beschreiben. Es ist damit nicht überraschend, wenn das RD an übergaberelevanten Stellen auftritt. Im folgenden Beispiel schließt das RD den Redebeitrag ab: (279) Calandrino semplice, veggendo Maso dir queste parole con un viso fermo e senza ridere, quella fede vi dava che dar si può a qualunque verità è piú manifesta, e cosí l’aveva per vere; e disse: «Troppo ci è di lungi a’ fatti miei: ma se piú presso ci fosse, ben ti dico che io vi verrei una volta con esso teco pur per veder fare il tomo a quei maccheroni e tormene una satolla. Ma dimmi, che lieto sie tu, in queste contrade non se ne truova niuna di queste pietre cosí virtuose?» (Dec VIII, 3, 18) Am Anfang des Redebeitrags schließt Calandrino zunächst mit dem aktuellen Topic ab, einem märchenhaften Land, in dem vermeintlich magische Steine zu finden sind, von denen zuvor die Rede war. Dann stellt er das vorige Diskurstopic queste pietre cosí virtuose (neun Absätze zuvor letztmalig erwähnt) wieder in den Mittelpunkt des Gesprächs, indem er weitere Information darüber verlangt. Unter Berücksichtigung des vorausgehenden Kontexts handelt es sich somit um eine Topic-Reetablierung, die einen Topic-Wechsel einleitet, was durch ma dimmi deutlich angezeigt wird. Im Hinblick auf den nachfolgenden Kontext liegt hier also die oben beschriebene Funktion der Topic-Vorgabe vor.

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Ähnliches liegt vor in: (280) La donna disse: «Egli mente ben per la gola, ché con la Niccolosa non è egli giaciuto: ché io mi ci coricai io in quel punto che io non ho mai poscia potuto dormire; e tu se’ una bestia che gli credi. Voi bevete tanto la sera, che poscia sognate la notte e andate in qua e in là senza sentirvi e parvi far maraviglie: egli è gran peccato che voi non vi fiaccate il collo! Ma che fa egli costí Pinuccio? perché non si sta egli nel letto suo?» (Dec IX, 6, 26) Am Ende ihres Redebeitrags kommt die Ehefrau des Wirts nach einer kurzen Abschweifung, in der sie sich sowohl an ihren Gatten als auch Pinuccio wendet, wieder auf ihren Gast Pinuccio zu sprechen, der eigentlich im Mittelpunkt der Diskussion steht. Hiermit liegt abermals eine Topic-Reetablierung vor. Auch hier schließt das RD zusammen mit einer weiteren Frage den Redebeitrag ab (Topic-Vorgabe). Auch dem RD von Subjektpronomina der zweiten Person kann die Funktion der turn-Abgabe beigemessen werden (cf. Thörle 2000, 223s.; Meier 2008, 266s.; Ewert-Kling 2010, 247s.): (281) Dice Ballerino: «Sete voi Ugolotto, voi?» Dice Ugolotto: «Sí, sono» (Tre LXXVIII, 4). (282) E Antonio rispondea: «Or ecco, donna, io ho errato; de’ si mai restare? Errasti tu mai, tu?» (Tre CXLVII, 16) (283) Pinuccio, che non era il piú savio giovane del mondo, avveggendosi del suo errore, non ricorse a emendare come meglio avesse potuto, ma disse: «Di che mi pagherai? che mi potrestú far tu?» (Dec IX, 6, 21) In manchem Fall können solchen Belegen von RD auch eine komparative Funktion zugeschrieben werden; cf. etwa Bsp. (282), in dem beide Gesprächsbeteiligten (io vs. tu) in Bezug auf den gleichen Sachverhalt verglichen werden (cf. auch Bsp. 259).

4.4.3 Weitere Funktionen von RD Unter funktionalem Gesichtspunkt ist das RD vielseitiger als sein spiegelverkehrtes Pendant, das LD (cf. Meier 2008, 197). Neben der Topic-Markierung kann es nämlich zur Focus-Markierung des letzten Kernsatzelements und/oder

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zur Abtönung verwendet werden. Dabei handelt es sich m. E. um Nebenfunktionen des RD,144 die keine notwendige Voraussetzung für das Vorkommen dieser Strukturen darstellen, die aber erklären können, warum der Sprecher von allen topicmarkierenden Konstruktionen (OTOP – V, LD, Prolepse, RD) am ehesten das RD auswählt. Im Folgenden wird zunächst auf die focusmarkierende Funktion des RD eingegangen, anschließend auf ihre abtönende Funktion und schließlich auf die Markierung von alternativen Topics und die der anaphore résomptive, die, wie wir sehen werden, kaum eine Rolle spielen und deshalb unter der Überschrift «Varia» zu finden sind. 4.4.3.1 Fokussierung des letzten Kernsatzelements Neuere Studien145 haben gezeigt, dass das RD im Romanischen neben der Topic-Markierung auch eine focusmarkierende Funktion erfüllen kann.146 Dabei wird das letzte Kernsatzelement fokussiert (Focus in situ, cf. Kap. 5.1). Prosodisch trägt das letzte Kernsatzelement den Hauptakzent, während das RDElement durch einen Intonationsbruch vom Kernsatz getrennt wird und im Tiefton kodiert ist: (284) frz. Ils sont FOUS, ces Romains! (zit. nach Dudtenhöfer 2000, 184)147 Dieses Phänomen lässt sich bereits im Altitalienischen nachweisen. Ob das letzte Kernsatzelement den Focus konstituiert, lässt sich bei fehlender Intonation jedoch nur aus dem Zusammenhang erschließen. Eine emphatische FokusMarkierung148 des letzten Kernsatzelements ist beispielsweise im folgenden Fall vertretbar: (285) Lo conte si mosse, e parvelli essere menato via in una bella cittade; venerli inanzi cavalieri di grande paragio, bello distrieri e l’arme li apresentonno, e disseno al conte: «Questi sono per te obedire.» Poi li mostròno li nimici: vennero a la battaglia. Lo conte li sconfisse et franchò lo

144 Cf. auch Berruto (1986, 61). 145 Cf. Dudtenhöfer (2000, 197–199) zum Französischen; Meier (2008, 257–260) und Wehr (2012c, 217–219) zum Italienischen; Ewert-Kling (2010, 249–253) zum Französischen und Spanischen. 146 Thematisch gehört dieser Absatz zum Kapitel über die Focus-Markierung im Altitalienischen (Kap. 5). Da es sich aber um eine Nebenfunktion des RD handelt, während die Hauptfunktion nach wie vor die der Topic-Markierung ist, soll sie hier behandelt werden. 147 Cf. auch Meier (2008, 257s.). 148 β-Focus, cf. Kap. 2.3.2.2.

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paese. E poi ne fece TRE delle battaglie di campo ordinate (UrNov 32, 14–17; cf. Bsp. 255). Ein partitives Objekt (delle battaglie di campo ordinate ‘Feldschlachten’) wird rechts abgesetzt und im Kernsatz durch ne korreferentiell vorweggenommen, wobei der Mengenausdruck tre in die Endposition des Kernsatzes vor den Intonationsbruch rückt. Damit soll neben der Etablierung des partitiven Objekts als Topic hervorgehoben werden, dass es sich bei der Menge der gelieferten Schlachten um eine beträchtliche Zahl handelt, was sich mithilfe der neutralen Wortstellung weniger gut erreichen ließe (cf. etwa ‘E poi fece tre battaglie di campo ordinate’). Noch deutlicher ist folgender Fall, in dem der Kernsatz einen Exklamativsatz darstellt: (286) E Tristano sempre stava malinconoso, e Lancialotto sempre lo confortava, dicendo: «Sapete voi, Tristano, perchè lo leale amante sta sempre addolorato e maninconoso?» «Sì, so» ciò disse Tristano. «Così nollo sapessi IO tale convenente!» E Lancialotto disse: «Io credo che perchè l’amante non à la cosa ch’egli ama, istà maninconoso, perch’egli nolla crede mai avere; e s’egli l’à, vive in paura di non perderla, e però sta sempre malinconoso» (Tav CXXVI, 500s.). In Bsp. (286) reagiert Tristan empört darüber, dass Lancelot in Betracht zieht, dass er nicht wisse, woher die Schwermut des Liebenden komme, obwohl ja gerade er es am besten wissen sollte. Das Subjektpronomen io trägt einen emphatischen Focus-Akzent. Das Topic in RD ist durch ein Passepartout-Wort mit der Funktion der anaphore résomptive repräsentiert. In folgenden Beispielen kann ebenfalls eine Hervorhebung des letzten Kernsatzelements angenommen werden: des Verbs in Bsp. (270): «Frate, bene sta! Io me n’HO di coteste cose», des Adverbs in Bsp. (273): «Nòe! Ell’hanno un fondo in GIUSO, queste mie brache» und des korrelativen Elements in Bsp. (274): «elle son TANTE le beffe che gli uomini vi fanno, […] che […]». 4.4.3.2 Abtönung Im Italienischen wird dem RD bekanntlich eine abtönende Funktion zugeschrieben (cf. Koch/Oesterreicher 2011, 67 und vor allem Waltereit 2006, 151– 173). «Abtönung» lässt sich Waltereit (2006, 37) zufolge als eine «illokutionäre Operation» definieren, die den eigentlichen Sprechakt des Satzes modifiziert. So ist folgende Äußerung Non lo sai che ora è?, womit sich ein Vorgesetzter an einen verspäteten Mitarbeiter wendet, nicht als Frage zu verstehen, wie es bei

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der unmarkierten Konstruktion (Non sai che ora è?) der Fall wäre, sondern vielmehr als Vorwurf. Laut Rossi (1999, 186s.) wird diese Interpretation durch die pronominale Vorwegnahme überhaupt möglich gemacht. Gerade dieser pragmatische Effekt unterscheidet laut Waltereit (2006, 158) das RD vom LD.149 Meinen Daten zufolge lassen sich bereits im Altitalienischen RD in abtönenden Kontexten nachweisen. Ein schönes Beispiel ist: (287) [Pietros Frau bekommt Besuch von ihrem Liebhaber, während Pietro bei einem Freund zum Abendessen eingeladen ist; als er unerwartet nach Hause zurückkehrt, muss seine Frau ihren Liebhaber verstecken:] La donna […] prestamente fece aprire al marito. Al quale entrato in casa ella disse: «Molto tosto l’avete voi trangugiata, questa cena.» Pietro rispose: «Non l’abbiam noi assaggiata.» «E come è stato cosí?» disse la donna (Dec V, 10, 29; cf. Bsp. 253). In Bsp. (287) eröffnet die RD-Konstrukion das Gespräch. Daraus folgt, dass der RD-Referent nicht vorerwähnt sein kann, sondern im Augenblick der Äußerung als +NEU im Diskurs anzusehen ist. Dieser wird jedoch von der Sprecherin als hoch aktuell präsentiert. Das Demonstrativ in questa cena, das weder anaphorisch noch deiktisch sein kann, knüpft an ein gemeinsames Wissen an, das beide Sprecher von der Vorgängersituation haben (memorielle Funktion). Durch die emphatische Voranstellung der Temporalangabe molto tosto wird zudem die Präsupposition gesetzt, dass es gegen alle Erwartungen ein sehr schnelles Abendessen gewesen sein muss. Die Äußerung von Pietros Frau ist somit nicht als bloße Aussage zu verstehen, sondern vielmehr als Berichtigung einer falschen Annahme. Die Sprecherin drückt dabei ihr Erstaunen über die plötzliche Rückkehr ihres Gatten aus, mit dem sie viel später gerechnet hatte. Im Deutschen lässt sich dieser abtönende Effekt durch die Verwendung der Modalpartikel ja wiedergeben: «Nun […] ihr habt ja das Abendessen gewaltig schnell heruntergeschluckt» (Üb. von K. Witte 1964, 466; Hervorh. Fr. N.) oder aber: «Ihr habt euer Essen aber rasch hinuntergeschlungen» (Üb. von P. Brockmeier 2012, 474; Hervorh. Fr. N.).150 Der abtönende Effekt des RD lässt sich auch in rhetorischen Fragen sehr gut beobachten: (288) Il prete dice: «Ah Petruccio mio, tu non m’hai bene inteso; ché io ti dicea che cento per uno ti darebbe nell’altro mondo!» Dice Petruccio: 149 Dieser Absatz nimmt Überlegungen aus Nicolosi (2015, 158) auf. 150 Zur Abtönungsfunktion von dt. ja cf. Waltereit (2006, 39–73); von dt. aber cf. Hentschel/ Weydt (2003, 317).

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«Sí ché m’assegni quello che non saccio? E che saccio che ci sia ne l’altro mondo?151 E che bisogno ci avrò là di denari?152 Arò a comprare delle fave? Se non ci sono pagato interamente, vedrai quello che ti farò» (Tre CXXXIV, 9). (289) […] e Tristano allora disse: «Ahi Isotta, or come è potuto intervenire che voi m’avete cosìe ingannato e tradito? Or chi lo potrebbe credere questo? chi, che voi abandonassi Tristano e lasciaste per Ghedino? Certo, io non posso credere nè pensare tanta malvagità […]» (Tav LXX, 288). (290) E cosí rimase la cosa. E non fu ella al mondo sopra tutte le altre usanza maravigliosa153 questa della gorgiera? Di tutte l’altre che furono mai nel mondo, questa fu la piú strana e la piú noiosa154 (Tre CLXXVIII, 10s.; cf. Bsp. 257). Der Sprecher greift jeweils einen im vorigen Redebeitrag erwähnten Referenten auf und markiert ihn mittels eines RD als Topic. Eine Antwort auf die Frage wird nicht erwartet, was sich besonders in Bsp. (288) und (289) durch die Aneinanderreihung von Fragen («Fragebatterie») gut nachvollziehen lässt. In beiden Fällen weist der Fragesatz keinen interrogativen Wert auf, sondern der jeweilige propositionale Gehalt wird hier vielmehr indirekt verneint. Im Deutschen lässt sich dieser pragmatische Effekt mit Hilfe von Modalpartikeln wiedergeben: ‘Im Jenseits brauche ich ja ohnehin kein Geld’ bzw. ‘das würde ja doch niemand glauben’. In Bsp. (290) wird die vom Autor-Erzähler Sacchetti gestellte Frage nicht weiter diskutiert. Anstelle der erwarteten Antwort tritt eine Feststellung, die die Meinung von Sacchetti lapidar zusammenfasst, paraphrasierbar etwa durch: ‘Ob dieser Brauch zu den unglaublichsten gehört, bleibt dahingestellt. Tatsache ist, dass er zu den merkwürdigsten und unerfreulichsten zählen kann’ (cf. «usanza maravigliosa» und «la piú strana e la piú noiosa»).

151 Die Form c’è ‘es gibt’ ist im Altitalienischen noch nicht grammatikalisiert. Ci bzw. vi bedeutet hier noch ‘in questo luogo’ bzw. ‘in quel luogo’. Migliorini (1996, 487s.) zufolge ist die Grammatikalisierung erst im Settecento vollzogen. Die Verwendung von ci in «ci sia ne l’altro mondo» kann daher als klitische Vorwegnahme des Ortsadverbials angesehen werden. Cf. auch Salvi (2010, 175). Einer anderen Meinung ist Blasco Ferrer (2013, 148s.). 152 Hierbei handelt es sich um den im Altitalienischen selten belegten Fall von Detachment eines Ortsadverbs. 153 [M]aravigliosa: hier ‘unglaublich’, ‘außergewöhnlich’, it. ‘fuori del comune’, ‘straordinaria’ (Marucci 1996, 601, Anm. 4). 154 [N]oiosa: ‘lästig’, it. ‘fastidiosa’ (Marucci 1996, 601, Anm. 5).

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4.4.3.3 Varia Obwohl das Topic in der Konstruktion des RD im Vergleich zu den anderen topicmarkierenden Konstruktionen nicht an der Satzspitze, sondern rechts vom Satzrand steht, spielt der Bezug zum Vortext, wie wir in Kap. 4.4.2 gesehen haben, auch hier eine wichtige Rolle. Was die Markierung von alternativen Topics und vor allem die der anaphore résomptive betrifft, sind die Belege allerdings spärlich. Diese beiden Funktionen scheinen daher «links topicmarkierenden» Konstruktionen vorbehalten zu sein. Die Markierung alternativer Topics konnte nur in Bezug auf betonte Personalpronomina beobachtet werden (cf. Bsp. 282: «Errasti tu mai, tu?»). Bezüglich der anaphore résomptive konnten, wie bereits erwähnt, nur sehr wenige Fälle beobachtet werden, vielleicht deshalb, weil sich der Satzanfang aufgrund seiner syntagmatischen Nähe zum Vortext für anaphorisch zusammenfassende Formen besser eignet als das Satzende. Ein Grund für die Markierung der anaphore résomptive in RD-Position könnte vielleicht darin liegen, dass das letzte Kernsatzelement fokussiert werden soll (cf. Bsp. 286: «Così nollo sapessi IO tale convenente!»), eine Abtönung der Äußerung intendiert ist (cf. Bsp. 289: «Or chi lo potrebbe credere questo?») oder/und der Sprecher das, worüber er mehr erfahren möchte, markieren will (cf. Kap. 4.4.2.2): (291) Et mangiando in tal maniera la baronía, ed eccoti venire uno cavaliere, al quale Gurone aveva morto il compagno; et essendo davanti allo re Utter Pandragon, disse: «Monsignore, fommi grande maraviglia che a mangiare a vostra tavola è uno cavaliere lo quale, per sua codardia, perdè sua dama et donzella per lo cammino; chè innanzi si vorrebbe préndarlo e legare in sulla carretta, sicondo vostra leggie.» Et allora lo re domanda il cavaliere: «Per cui le dite voi queste parole?» (Tav I, 73) Darüber hinaus finden sich – jedoch äußerst selten – auch pronominale Antizipationen von anaphorisch zusammenfassenden Demonstrativa wie in den folgenden Beispielen: (292) E Tristano, vedendo la corte tutta cosìe turbata, fassene di ciò grande maraviglia […] (Tav XVII, 123). (293) […] e vedendo morto suo buono cavallo, ne fue di ciò molto dolente (Tav XLIX, 222). Derartige Elemente (di ciò) befinden sich in der Regel am Satzanfang, werden nicht obligatorisch wieder aufgenommen und sind oft an eine bestimmte Verbsemantik (dolersi, maravigliarsi) gebunden (cf. hier S. 86s.). Die Nichtinitial-

4.4 Right Detachment (RD)

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stellung des Präpositionalobjekts ist umso erstaunlicher, als es nicht im Anschluss an den Kernsatz, sondern innerhalb desselben steht. Es stellt sich daher die Frage, ob hier tatsächlich eine Topic-Markierung intendiert ist.

4.4.4 RD von Subjekten ohne pronominale Vorwegnahme So wie es unter bestimmten syntaktischen Bedingungen LD von Subjekten gibt, in denen die pronominale Reprise fehlen kann (cf. die Fälle von Doppel-LD, S. 65s.), gibt es auch RD von Subjekten ohne pronominale Vorwegnahme (Typus: V, STOP).155 Obwohl das postverbale Subjekt la tua im folgenden Beispiel nicht pronominal vertreten ist, wird hier dennoch eine segmentierte Aussage angenommen, wobei è la compagnia del lupo den Kernsatz und la tua das RDElement darstellt: (294) […] è la compagnia del lupo la tua […] (Tre CXL, 13). Es stellt sich aber die Frage, wie solche RD von Subjekten zu erkennen sind, wenn das konstruktionsspezifische Merkmal, sprich das vorwegnehmende Pronomen, fehlt. Wie lassen sie sich vor allem von der Subjektinversion (V – S) abgrenzen? Die Intonation, die sich beim Abgrenzen des RD vom V – S im Neuitalienischen als unerlässlich erweist (cf. dazu Wehr 2012c; auch Meier 2008, 210–219),156 ist in älteren Texten nicht mehr zugänglich und muss aufgrund des Kontexts rekonstruiert werden. Die folgenden Überlegungen beziehen sich nur auf V – S im Aktiv bei absoluter Initialstellung des Verbs. Der erste Schritt besteht darin, aus den Materialien alle Fälle von postverbalen Subjekten herauszunehmen, die aus pragmatischen Gründen nicht als RD in seiner Eigenschaft als topicmarkierende Konstruktion betrachtet werden können. Dies ist der Fall, wenn die Subjektinversion in Verbindung mit einem Verb der Existenz oder des In-Erscheinung-Tretens vorkommt. In diesem Fall liegt keine Mitteilung über einen Subjektreferenten vor, sondern es wird nur gesagt, dass es ihn gibt (cf. Wehr 1984, 6). Existenzsätze werden dazu verwendet, um einen neuen Referenten in den Diskurs einzuführen, der nicht oder noch nicht Topic ist (Typus: V – SNONTOP). Im Fall einer Weiterverwendung als

155 Cf. Gossen (1954, 74–77, 87 und 93s.); Meier (2008, 205–224); Nicolosi (2012b, 230–232); De Cesare (2014). Cf. auch Ewert-Kling (2010, 140–143) zum Spanischen. 156 Zur Unterscheidung zwischen Subjektinversion und dem RD eines Subjekts schlägt Meier (2008, 205s.) insgesamt drei Kriterien vor: die Semantik des Verbs, die Intonation und die Distanz zwischen dem RD-Element und dem konjugierten Verb.

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4 Topic-Markierung im Altitalienischen

Diskurstopic oder Paragraph Topic kann man mit Wehr (1984, 6s. und 15–25) von «Topic-Introduktion» sprechen. Derartige Referenten sind +NEU und in der Regel –IDENT: (295) Fu, secondo che io già intesi, in Perugia un giovane […] (Dec II, 5, 3). (296) Fu adunque nel suo tempo uno vagliatore a Linari in Valdelsa nel contado di Firenze […] (Tre III, 3). Verben des In-Erscheinung-Tretens können auch dazu verwendet werden, um zuvor erwähnte Referenten, die jedoch nicht mehr Topic sind – weil sie z. B. die «Bühne des Geschehens» verlassen haben –, in den Diskurs wieder einzuführen («Topic-Reintroduktion» bei Wehr 1984, 17; cf. auch Nicolosi 2012b, 225). Der Subjektreferent ist +IDENT und wird vom Sprecher als +NEU behandelt: (297) Merlino era allora molto fanc‹i›ullo, e istava a guardia d’una sua balia. Una mattina che·lla balia era alla chiesa, e lo malvagio ipocrito con fuocho tenperato apprese la casa là ov’era Merlino, la quale casa era di capo d’una ruga là ove abitava questo Argistres quasi da l’altro capo. […] Merlino istava in su lo fuoco e non ardea. Tornò la balia e atollo e portollo dinanzi al vescovo […] (UrNov 70, 13–20). Die Subjektinversion kann auch zur Focus-Markierung eingesetzt werden, wobei das Subjekt den Focus konstituiert (Typus: V – SFOC ). Im folgenden Kontext wird aus einem Set von Alternativen die einzig richtige ausgewählt, die für einen präsupponierten Sachverhalt in Frage kommt (α-Focus): (298) [Der Gastwirt:] «Che diavol è questo? Chi dormí in questo letto?» Lapaccio, che tremando stava in ascolto, non sapea s’era morto o vivo, e uno romeo […] dice: «Dormívi COLUI», accennando verso Lapaccio (Tre XLVIII, 15s.). Lapaccio teilt in einer überfüllten Herberge ohne sein Wissen sein Bett mit einem einen Tag zuvor verstorbenen Gast. Er wirft ihn nachts aus dem Bett und denkt, er hätte ihn dabei umgebracht. Am nächsten Tag entdeckt der Gastwirt die Leiche und fragt: Chi dormí in questo letto? Die Präsupposition: ‘X hat in diesem Bett geschlafen’, wobei X die zu identifizierende Variable ist, geht somit eindeutig aus dem Vortext hervor. Mittels V – SFOC wird Lapaccio als der einzig richtige Kandidat genannt, wobei alle anderen in Frage kommenden

4.4 Right Detachment (RD)

135

Gäste, die in der Gesprächssituation vorhanden sind, explizit ausgeschlossen werden. Es liegt die Funktion Exhaustive Listing vor (‘X und niemand anders’). Auf den Konstruktionstypus V – SFOC wird in Kap. 5.3 näher eingegangen. Im Altitalienischen kann das postverbale Subjekt auch eine Topic-Funktion aufweisen (Typus: V – STOP). Die Belege lassen sich nach der Semantik des Verbs einteilen. Die erste Gruppe umfasst Subjektinversionen in Verbindung mit essere oder avere. Hier hat V – STOP die Aufgabe, den Übergang zwischen Erzähl- und Beschreibungsebene zu signalisieren: (299) Era Pericone uomo di fiera vista e robusto molto […] (Dec II, 7, 22). (300) Aveva Pasimunda un fratello minor di tempo di lui ma non di virtú, il quale […] (Dec V, 1, 49). Die zweite Gruppe enthält Subjektinversionen in Verbindung mit einem Verbum actionis. Dieser Konstruktionstypus (VACTIONIS – STOP) soll den Beginn einer neuen Erzähleinheit anzeigen: (301) Andârne gli anbasciadori […] (UrNov 2, 9). (302) Andò lo pelegrino in suo viaggio […] (UrNov 14, 2). Eine weitere Gruppe enthält schließlich Subjektinversionen nach einem Verbum dicendi (VDICENDI – STOP): (303) Rispuose lo greco: […] (UrNov 4, 28). Dieser Typus steht mit STOP – VDICENDI in freier Variation, sodass keine besondere Diskursfunktion bestimmt werden kann (cf. aber Wehr 1984, 19). Überall, wo V – S sich durch die oben genannten Faktoren begründen lässt, kann kein RD eines Subjekts vorliegen. Wenden wir uns nun den positiven Merkmalen dieser Konstruktion zu. RD von Subjekten ohne pronominale Vorwegnahme sind unter denselben Bedingungen zu erwarten wie ihr Pendant mit korreferentiellem Pronomen. Eine Interpretation als RD ist immer dann vertretbar, wenn die dem Subjekt vorausgehende Konstituente fokussiert wird. Dies ist häufig bei Kopula-Sätzen der Fall, die eine Negation enthalten oder ein Werturteil darstellen: (304) Dicono i gabellieri: «Che hai tu sotto, che fece cosí grande scrosciata? Sta’ un poco su.» […] Dice Antonio: «Io non ho sotto nulla», e alzò il mantello, dicendo: «E’ sarà questa panca che avrà cigolato.» «Che panca? Non fu BUSSO DI PANCA quello […]» (Tre CXLVII, 8s.).

136

4 Topic-Markierung im Altitalienischen

(305) [Ironisch:] «Come non sai? Che déi avere parecchi grossi in ariento piú di noi, e tu ce la cali a questo modo: è LA COMPAGNIA DEL LUPO la tua: tu hai nome Grazia, ma a noi se’ tu disgrazia» (Tre CXL, 13; cf. Bsp. 294). (306) [Ironisch:] «E’ son BE’ RISPARMI i nostri; e’ ci potrà costare questa venuta ancora sí cara, che tristi a noi che mai ci venimo […]» (Tre CCX, 17).157 (307) [Selbstlobend:] Per certo questo è un bel brieve; e fu pur BUONA SPESA quella di cinque fiorini! (Tre CCXVII, 12) In Bsp. (304) weist der Sprecher ein Konzept (busso di panca) zurück, das er für den in Frage kommenden Sachverhalt (che fece cosí grande scrosciata?) für nicht zutreffend hält (‘nicht X!’). Das RD in (305), (306) und (307) enthält jeweils ein Werturteil, womit eine bestimmte speaker attitude (jeweils in eckigen Klammern angegeben) ausgedrückt wird. Dabei wird der dem Subjekt vorausgehenden Konstituente jeweils ein besonderer Nachdruck verliehen. Bezüglich des Subjekts fällt auf, dass dieses entweder ein Demonstrativ mit anaphorischer Funktion oder ein Possessiv beinhaltet (cf. auch Nicolosi 2012b, 231). Auf die segmentierte Struktur von Kopulasätzen, insbesondere wenn ein Demonstrativ- oder ein Possessivpronomen am Satzende auftritt, hatte bereits Gossen (1954, 88 und 91) in Bezug auf das Neuitalienische hingewiesen. In all den oben genannten Fällen kann das Subjekt als vom Kernsatz segmentiert betrachtet werden. Im Gesprochenen ist ein Intonationsbruch zwischen dem letzten Kernsatzelement und dem RD-Element anzunehmen. Bei Nicolosi (2012b, 231) wird ebenfalls angenommen, dass sich hinter Konsekutivsätzen mit folgender Konstituentenanordnung: «V – sì X – S» RDKonstruktionen verbergen könnten, also: «V – sì XFOC , STOP». Es geht um folgende Beispiele: (308) E era SÍ FUORI DELLE MENTI DI TUTTI questa scala, per ciò che di grandissimi tempi davanti usata non s’era, che quasi niuno che ella vi fosse si ricordava […] (Dec IV, 1, 10). (309) […] e era SÍ GRANDE e SÍ CONTINUA questa loro usanza, che non parea che senza Bruno il maestro potesse né sapesse vivere (Dec VIII, 9, 33). Indizien dafür, dass es sich hierbei um RD-Konstruktionen handeln könnte, sind folgende Tatsachen: i) das Demonstrativ zeigt an, dass der Subjektreferent 157 Bei dem satzinitialen e’ handelt es sich hier um ein nicht referentielles Subjektpronomen (Dummy-Subjekt), das nicht als pronominale Vorwegnahme gewertet werden kann.

4.4 Right Detachment (RD)

137

einen starken Bezug zum Vortext hat, ii) das durch das Korrelat sí eingeleitete Element ist emphatisch, iii) es existieren vergleichbare Fälle von pronominaler Vorwegnahme in Konsekutivsätzen (cf. Bsp. 273 und 274) und iv) die Distanz zwischen Verb und Subjekt,158 cf. dagegen das Pattern V – S – X wie in «Ed erano gli loro colpi tanto pesanti, che tutte le loro armi si falsavano indosso» (Tav LXXXI, 332). RD-Konstruktionen werden, wie zuvor gezeigt (cf. Kap. 4.4.2.2), durch interrogative Kontexte begünstigt. RD von Subjekten ohne pronominale Vorwegnahme sind daher in diesen Kontexten zu erwarten. In Fragesätzen stellt sich abermals das gleiche Abgrenzungsproblem zwischen Subjektinversion (V ‒ S) und RD (V, STOP) wie in Aussagesätzen, zumal hier die neutrale Wortstellung V ‒ S ist. Bei Entscheidungsfragen (Ja/Nein-Fragen) ist V – S sogar das einzige Mittel, das bei fehlender Intonation den Satz als Frage kennzeichnet (cf. Patota 2010, § 3.3). Geht dem Subjekt aber ein fokussiertes Element voraus, so kann es als RD-Element betrachtet werden (Typus: V ‒ XFOC , STOP ?): (310) Ma molti ignoranti averanno figliuoli, e sarà alcuno domandato: «È TUO questo?», e quelli risponde: «Io credo di sí, ma io non ne so altro.» E chi dicesse a lui che possederà quello del padre con grande avere: «E tu come sai che tu sie figliuolo di cui tu ti tieni?» Non lo saprebbe né provare né mostrare (Tre CXXVI, 5). Hier wird um Bestätigung der Identität des in Frage kommenden Referenten gebeten, paraphrasierbar durch ‘X oder jemand anderes’ (Exhaustive Listing). Der Sprecher fragt sein Gegenüber, ob dieses Kind tatsächlich seines sei, wobei das Possessivpronomen tuo fokussiert wird. Was den Subjektreferenten angeht, so ist dieser Topic. Das Demonstrativ hat eine deiktische Funktion. Wie oben dargelegt wurde, weist das RD in rhetorischen Fragen eine abtönende Funktion auf. Fälle von rhetorischen Fragen sind: (311) [Ironisch:] Il signore adirato chiama Nutino e dice: «È da fanciulli maschi questa farina? Anzi è da figliuoli delle forche, che sie mort’a ghiado, ch’io credo che tu ne sia stato col mugnaio» (Tre CXCIX, 14). (312) [Indirekte Behauptung:] E non disse il vero questo Spagnuolo? Che cristiani siàn noi, e che fé è la nostra? (Tre CXXV, 8)

158 Cf. Anm. 156, S. 133.

138

4 Topic-Markierung im Altitalienischen

(313) [Indirekte Behauptung:] E non fu grande discrezione la sua verso le mosche? (Tre XXI, 9)159 Rhetorische Fragen sind an die Einstellungen und Emotionen des Sprechers (attitude) gebunden. Die entsprechende attitude ist jeweils in eckigen Klammern angegeben. Weitere Indikatoren für eine syntaktische Segmentierung bzw. RD-Konstruktion sind hier der starke Bezug zum Vortext, der in zwei Fällen durch ein Demonstrativ zum Ausdruck kommt, und die Opposition zwischen da fanciulli maschi und da figliuoli delle forche (kontrastiver Focus) in Bsp. (311). In Bsp. (313) kann das Prädikatsnomen grande discrezione aufgrund des intensivierenden Elements grande als emphatisch betrachtet werden. In anderen Fällen kann man in interrogativen Sätzen nicht ohne Weiteres die Subjektinversion von einer RD-Konstruktion unterscheiden. Man vergleiche folgende Beispiele: (314) La buona donna, veggendosi molto sollicitare e parendole frate Rinaldo forse piú bello che non pareva, essendo un dí molto da lui infestata a quello ricorse che fanno tutte quelle che voglia hanno di concedere quello che è addimandato, e disse: «Come, frate Rinaldo, o fanno cosí fatte cose i frati?» (Dec VII, 3, 14) (315) La Belcolore cominciò a ridere e a dire: «O che ve fo io?» Disse il prete: «Non mi fai nulla ma tu non mi lasci fare a te quel che io vorrei e che Idio comandò.» Disse la Belcolore: «Deh! andante andate: o fanno i preti cosí fatte cose?» (Dec VIII, 2, 20–22) Im ersten Fall schließt der Fragesatz mit der Subjekt-NP ab, im zweiten Fall dagegen mit der Objekt-NP. Darüber, ob im ersten Fall ein RD des Subjekts vorliegt, kann nur spekuliert werden. Der einzige Indikator, der syntaktische Unterschied zwischen beiden Sätzen, ist nicht hinreichend, um behaupten zu können, das Subjekt sei in Bsp. (314) rechts abgesetzt. Eine Fokussierung der NP cosí fatte cose ist in Abwesenheit eines intensivierenden Elements auch nicht gerechtfertigt. Ohne Intonation ist eine Bestimmung der hier vorliegenden Konstruktion nicht möglich.

159 Vergleiche dagegen: «Ed era, la sua, grandissima forza […]» (UrNov 57, 2). Zwar suggeriert hier die Interpunktion des Herausgebers eine syntaktische Segmentierung, aber nach meinem Verständnis entspricht dieses Beispiel eher dem Inversionstypus: V – STOP. Die Kommata verstehe ich als Verdeutlichung der Grenze zwischen den verschiedenen Satzgliedern.

4.5 Zusammenfassung von Kapitel 4

139

4.5 Zusammenfassung von Kapitel 4 Um ein Nicht-Subjekt als Topic zu markieren, genügt es im Altitalienischen, dieses vor das Verb zu platzieren (OTOP – V). Neben diesem weit verbreiteten topicmarkierenden Verfahren verfügt das Altitalienische über drei weitere Konstruktionen, und zwar: das Left Detachment (LD), die Prolepse und das Right Detachment (RD). Im Vergleich zu OTOP – V, das als Wortstellungsphänomen der «syntaxe liée» zuzuordnen ist, gehören diese zur «syntaxe segmentée». Das LD kann aufgrund seiner syntaktischen Zweiteilung komplexe TopicElemente an der Satzspitze aufnehmen, die in der Regel nicht mittels OTOP – V gekennzeichnet werden. Durch syntaktische Segmentierung können außerdem Topic-Elemente markiert werden, die mit der Reprise syntaktisch nicht kongruieren (Fälle von Hanging Topics) oder die syntaktisch nicht in den Kernsatz integriert werden können (Fälle von Chinese Style Topics). Neben der TopicMarkierung von Nicht-Subjekten können segmentierte Konstruktionen, vor allem die Prolepse, außerdem dazu verwendet werden, um das Subjekt als Topic zu markieren. Schließlich kann mittels des RD das Topic anstatt links auch rechts vom Satzrand kodiert werden. Durch diese Umkehrung der pragmatischen Verhältnisse innerhalb der Äußerung («Comment – Topic» statt «Topic – Comment») können, wie sich herausgestellt hat, neben der Topic-Markierung des RD-Referenten besondere pragmatische Funktionen wie die Focus-Markierung des letzten Kernsatzelements und Abtönung erreicht werden. Zwecks einer vergleichenden Betrachtung wurden die besprochenen topicmarkierenden Konstruktionen in Bezug auf die Identifizierbarkeit des Topics und ihre Funktionen im Diskurs behandelt. Hinsichtlich des Parameters der Identifizierbarkeit hat die Untersuchung gezeigt, dass ein markiertes Topic unabhängig davon, durch welches Verfahren die Kennzeichnung erfolgt, einer Bedingung (constraint) unterliegt: Nicht vorerwähnte Konzepte sind als Topic zugelassen, sofern diese nach Meinung des Sprechers für das Gegenüber identifizierbar sind.160 Zwar wurden einige Beispiele auf S. 61 gesehen, die diese These zu widerlegen scheinen, da es sich aber um unklare Fälle handelt, können sie zunächst unberücksichtigt bleiben. Insgesamt kann das Topic aus fünf verschiedenen Gründen «gegeben» sein: es ist entweder vorerwähnt (I) oder aus dem Vorangegangenen bzw. der Situation ableitbar (II) oder in der Situation (III) bzw. im permanenten Reper-

160 Nicht markierte Topics können hingegen auch –IDENT sein; cf. dazu Wehr (1984, 11) mit dem Beispiel «Un giorno un giovane disse: –». Im Neufranzösischen und Neuitalienischen können –IDENT Konzepte in der Konstruktion der phrase à deux sommets als Topic markiert werden. Cf. Bsp. (427) «è un coperchio che è caduto» in Kap. 6.1.

140

4 Topic-Markierung im Altitalienischen

toire (IV) vorhanden. Lässt sich die Kenntnis des Konzepts aus keinem dieser vier Gründe sicherstellen, muss dieses nachträglich spezifiziert werden (V). Bei allen Konstruktionen konnte jede Art der Identifizierbarkeit belegt werden, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. So stellen vorangestellte Objekte ohne Reprise sehr häufig ein vorerwähntes Konzept dar, während nachträglich spezifizierte Konzepte hauptsächlich mit Hilfe eines LD als Topic markiert werden. Situationsbezogene Konzepte lassen sich vor allem in interrogativen Prolepsen und in RD in direkter Rede beobachten, in der eine konkrete Gesprächssituation fingiert wird. Am schwächsten belegt sind Konzepte, die aufgrund des permanenten Repertoires gegeben sind. Im Fall eines RD konnte sogar kein einziges Beispiel festgestellt werden, das aus diesem Grund +IDENT wäre, was offensichtlich an der zu geringen Zahl der Belege liegt. Unter funktionalem Gesichtspunkt dienen alle Konstruktionen hauptsächlich zur Topic-Markierung. Unter Berücksichtigung des Informationswerts des Konzepts und seines pragmatischen Status im Vortext wurden vier Diskursfunktionen bestimmt: Topic-Bestätigung (ein unmittelbar vorerwähntes Topic wird fortgeführt), Topic-Reetablierung (ein nicht unmittelbar vorerwähntes Topic wird in seiner Funktion als Topic reetabliert), Topic-Hervorholung (ein vorerwähntes Konzept, das noch nicht Topic war, wird zum Topic befördert) und Topic-Etablierung (ein nicht vorerwähntes Konzept wird als Topic markiert). Auffallend ist in erster Linie die besonders frequente topic-(re)etablierende Funktion des LD komplexer Elemente. Hiermit können u. a. bekannte Konzepte (re)etabliert werden, die der Sprecher aber im Augenblick der Äußerung nicht mehr als identifizierbar für sein Gegenüber voraussetzen kann und somit wieder als +NEU behandelt. Ebenfalls durch ihre besondere topic-vorgebende Funktion stechen die Prolepse und das RD in Fragesätzen heraus. Fragen sind an die turn-Abgabe gebunden und deshalb nicht nur rückwärts verweisend, sondern auch vorwärts gerichtet (cf. Dudtenhöfer 2000, 201). Das RD zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass es neben der Topic-Markierung des RD-Referenten auch zur Focus-Markierung des letzten Kernsatzelements und zur Abtönung dienen kann. Dabei handelt es sich um Nebenfunktionen oder -effekte. Topicmarkierende Konstruktionen erfüllen häufig, indem sie an Vorangegangenes anknüpfen, eine kohäsionsstiftende Funktion. Als kohäsive Struktur schlechthin hat sich vor allem die Wortstellung OTOP – V erwiesen, die zur Markierung der anaphore résomptive und von alternativen Topics in komparativer Funktion bevorzugt verwendet wird. Bezüglich der anaphore résomptive hat sich die Objektvoranstellung in bestimmten Kontexten, in denen sie zur Erfüllung bestimmter textueller und konversationeller Funktionen dient, so automatisiert, dass sie auf der paradigmatischen Achse sogar die einzige Alterna-

4.5 Zusammenfassung von Kapitel 4

141

tive darzustellen scheint, womit sie die Definitionskriterien einer Formel erfüllt (cf. dazu De Roberto 2013, 160). Die Fälle von Markierung der anaphore résomptive mittels einer anderen Konstruktion sind recht bescheiden und weisen vor allem keine formelhaften Merkmale auf. Alternative Topics in komparativer Funktion können, wenn auch in geringerem Maße als bei OTOP – V, auch mittels eines LD oder einer Prolepse gekennzeichnet werden, aber soweit ersichtlich, nicht mittels eines RD, es sei denn, es handelt sich um freie Pronomina der ersten oder zweiten Person, bei denen das RD dazu dient, den Sprecherwechsel kenntlich zu machen; eine Funktion, die sich auch bei der Prolepse nachweisen lässt. Schließlich lässt sich die Topic-Funktion des markierten Elements bei den segmentierten Konstruktionen aus der Struktur selbst ablesen. Durch die korreferentielle Proform bei LD und RD sowie die externe Position des Subjekts in der Prolepse wird die Topic-Markierung sichtbar. Bei OTOP – V hingegen ist die pragmatische Funktion des vorangestellten Elements hauptsächlich aus dem Kontext ersichtlich, denn die Objektvoranstellung kann, wie wir im folgenden Kapitel sehen werden, auch zur Fokussierung des präverbalen Objekts dienen. Im Gesprochenen werden beide Voranstellungstypen durch die Prosodie unterschieden, die in geschriebenen Texten aufgrund des Zusammenhangs rekonstruierbar ist. Im Geschriebenen wohnt OTOP – V also eine gewisse Ambiguität inne, die nicht bei den segmentierten Konstruktionen zu finden ist. Hier ist die pragmatische Funktion immer sichtbar, bei O – V hingegen nicht, weil sie nicht hörbar ist.

5 Focus-Markierung im Altitalienischen «Focus» wird hier im Gegensatz zu gängigen Definitionen nicht als «neue» Information (in welchem Sinn auch immer) verstanden, sondern nach Wehr (2000, 257) als eine «Informationseinheit, die dem Sprecher aus einem bestimmten Grund [cf. unten] ‹besonders wichtig› ist». Anders als bei Topics muss Focus immer markiert sein, «soll die Intention der ‹Aufmerksamkeitslenkung auf eine bestimmte Informationseinheit› das Gegenüber auch erreichen» (Wehr 2000, 259). Das natürlichste Mittel zur Focus-Markierung ist die Prosodie, wobei morphologische und syntaktische Indikatoren hinzutreten können. Im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen sowohl prosodische (Focus in situ) als auch syntaktische Verfahren, darunter die Objektvoranstellung (OFOC – V), die Subjektinversion (V – SFOC ) und die Cleft-Konstruktion. In Anlehnung an Hammarströms Beschreibungsmodell (cf. Abb. 1, S. 10) und Wehr (2000, 259) kann man zwischen α- und β-Focus unterscheiden (cf. Kap. 2.3.2). Die Funktion α-Focus liegt vor, wenn mögliche Alternativen, die für einen bestimmten Sachverhalt in Frage kommen, explizit ausgeschlossen werden. Dabei kann mit Wehr (2000, 256) zwischen einer Opposition zu etwas Bestimmtem (‘X, nicht Y’) und einer Opposition zu etwas Unbestimmtem (‘X und nichts anderes/niemand anders’) unterschieden werden. Im ersten Fall korrigiert der Sprecher eine falsche Präsupposition seines Gegenübers (Kontrast), während er im zweiten Fall eine Lücke im Wissen seines Gegenübers schließt (Exhaustive Listing). Bei β-Focus markiert der Sprecher dagegen eine Informationseinheit aus emotionalen Gründen (emphatischer Focus). Dabei sind weder Präsuppositionen noch eine explizite Abgrenzung zu weiteren Kandidaten intendiert. Anders als bei der Topic-Markierung spielt der Faktor der Identifizierbarkeit keine Rolle bei der Markierung von Focus. Von größerem Interesse für die Beschreibung ist bei α-Focus vielmehr der Informationsstatus der Präsupposition, die entweder explizit vorerwähnt oder aus dem Kontext erschließbar sein kann oder im Augenblick der Äußerung gesetzt werden kann. Da diese beiden Parameter (α-Focus und Informationsstatus der Präsupposition) aufeinander bezogen sind, werden sie im Folgenden nicht separat, sondern zusammen behandelt. Bei β-Focus liegen, wie bereits erwähnt, keine Präsuppositionen vor.

5.1 Focus in situ Das natürlichste Mittel, den Focus anzuzeigen, ist die prosodische Markierung in situ (kurz: Markierung in situ), d. h. in der Position, die das fokussierte Elehttps://doi.org/10.1515/9783110614114-005

144

5 Focus-Markierung im Altitalienischen

ment auch besitzen würde, wenn es nicht hervorgehoben wäre.1 Der Focus wird hier also allein mit Hilfe der Prosodie (einer starken Akzentuierung) gekennzeichnet, ohne dass eine syntaktische Markierung (Voranstellung oder Inversion) stattfindet. Diese Markierung in situ, die naturgemäß im Gesprochenen zu erwarten ist, kann auch in geschriebener Sprache vorkommen. Hier muss die Prosodie aufgrund des Kontexts (sprachlicher Zusammenhang und Situation) rekonstruiert werden. Bei älteren Sprachzuständen kommt noch erschwerend hinzu, dass der Linguist (im Zweifelsfall oder zur Verifizierung) keinen Muttersprachler mehr befragen kann. Oft aber lässt der Kontext nur eine einzige Interpretation zu, und die pragmatische Funktion des fraglichen Elements kann dadurch leicht bestimmt werden. Fälle von β-Focus in situ können allerdings bei fehlender syntaktischer Markierung nicht ermittelt werden, da diese Funktion im Vergleich zu α-Focus weder eine explizite Opposition zwischen zwei oder mehreren Alternativen noch eine Präsupposition voraussetzt (cf. aber Bsp. 327). Focus-Markierungen in situ sind, wie bereits erwähnt, an die Mündlichkeit gebunden. Es ist daher nicht überraschend, wenn sie im untersuchten Korpus vor allem in der direkten Rede beobachtet werden. Dabei können die verschiedensten Elemente betroffen sein wie Hauptsatzglieder (Subjekt, Objekt), aber auch Teile von Satzgliedern (Teilfocus). Da Focus eine Informationseinheit bezeichnet, die «von übergeordneter Bedeutung»2 ist, ist er vor allem in Hauptsätzen zu erwarten, man findet ihn aber auch in untergeordneten Sätzen, sofern diese die Hauptinformation vermitteln (etwa bei Kausalsätzen und Konjunktionalsätzen, die von einem Verb des Sagens, des Denkens oder des Wollens eingeleitet werden). Im Folgenden werden drei Typen von Markierungen in situ behandelt: fokussierte Subjekte in situ, fokussierte Objekte in situ und Teilfocusphänomene.

5.1.1 Fokussierte Subjekte in situ (SFOC – V) Im Alt- sowie im Neuitalienischen konstituieren prototypische Subjekte das Topic und befinden sich links vom Verb (Typus: STOP – V). Subjekte links vom Verb können aber gelegentlich auch den Focus konstituieren (Typus: SFOC – V).

1 Dies gilt vor allem für Sprachen, die einen freien Wortakzent kennen, wie das Alt- bzw. Neuitalienische oder das Altfranzösische. Im heutigen Französisch, das keinen freien Wortakzent mehr hat, ist die Focus-Markierung in situ nur noch bedingt möglich. 2 Wehr (1984, 98) in Bezug auf Foregrounding. Focus-Markierungen sind Foregrounding-Phänomene.

5.1 Focus in situ

145

Diese sind oftmals morphologisch markiert, was ihre Identifizierung erleichtert (cf. etwa: «e questi […] dice che non TU ma EGLI l’ha ucciso», Dec X, 8, 100). Wird die Opposition aber weder morphologisch noch durch die Wortstellung ausgedrückt, so kann die Focus-Markierung nur prosodisch erfolgen (cf. Lambrecht 1994, 31).3 Um die fokussierende Funktion der Prosodie im Altitalienischen zu veranschaulichen, sind also in erster Linie Belege von SFOC – V ohne morphologische Indikatoren von Belang. Der Grund für Fokussierung in situ kann sowohl Kontrast (‘X, nicht Y’) als auch Exhaustive Listing (‘X und nichts anderes/niemand anders’) sein. Letzterer ist in interrogativen Kontexten besonders deutlich. Hier antwortet der Sprecher auf eine Ergänzungsfrage seines Gegenübers, wobei der Focus die erfragte Information (X wird gesucht) liefert: (316) E a tanto, ecco quivi giugnere messer Adriette e altri cavalieri, e domandavano chie aveva morti quegli pastori; e lo re allora disse: «QUELLO FOLLE gli à morti» (Tav LXXI, 290s.). (317) […] et ella [la badessa] li dicea: «Sire merchatante, mira qualunque più ti piace di tutte noi.» Et quelli […]: «QUESTA mi piace»; ciò era quella che più li atalentava (Pan32 CLI, 186). Dass das Subjekt 4 hier jeweils den Focus konstituiert, erkennt man daran, dass der Restsatz, der die Präsupposition enthält, weglassbar ist. Die präsupponierte Information braucht deshalb nicht wieder aufgenommen zu werden, weil sie durch die vorausgehende Frage explizit vorerwähnt ist. Man vergleiche Bsp. (316) und (317) mit folgendem Beleg, in dem die Antwort nur aus dem Focus besteht: (318) Domandollo allora l’amiraglio che cosa a quello l’avesse condotto; a cui Gianni rispose: «AMORE E L’IRA DEL RE» (Dec V, 6, 32). Bsp. (318) könnte folgendermaßen ergänzt werden: ‘AMORE E L’IRA DEL RE mi ci hanno condotto’, womit eine Fokussierung in situ des Subjekts vorläge.5 3 Im Neuitalienischen sind Subjekte, welche Topics sind, durch eine steigende bzw. schwebende Intonation gekennzeichnet, während fokussierte Subjekte eine fallende Intonation aufweisen und vom Restsatz, der im Tiefton kodiert ist, durch einen Intonationsbruch getrennt sind. 4 In beiden Fällen ist der Subjektreferent in der Situation vorhanden, so dass dem Demonstrativpronomen jeweils eine deiktische Funktion beigemessen werden kann. 5 Die Focus-Markierung könnte auch durch Subjektinversion erreicht werden: ‘Mi ci hanno condotto AMORE E L’IRA DEL RE’. Cf. dazu Kap. 5.3.

146

5 Focus-Markierung im Altitalienischen

Im folgenden Fall wird ein Subjektpronomen aus kontrastiven Gründen (‘X, nicht Y’) markiert.6 Hier ist die Präsupposition nicht explizit vorerwähnt und muss aus dem Vortext bzw. der Gesprächssituation abgeleitet werden: (319) Lo imperadore rispuose: «Io ti sodisfaroe, quando saroe tornato.» E la femina disse: «Se tu non redissi?» Ed elli disse: «Se io non rediroe, e’ ti sodisfarae lo mio soccessore.» Ed ella disse: «Se lo tuo soccessore mi viene meno, TUE mi sè debitore […]» (UrNov 62, 4–7). Die Sprecherin verlangt vom Kaiser Vergeltung für den Tod ihres Sohnes. Die Bemerkung des Kaisers, sowohl er als auch sein Nachfolger könnten ihrem Wunsch nachkommen, akzeptiert sie nur bedingt: ‘ER (X) sei ihr Schuldner und nicht sein Nachfolger (nicht Y).’ Im nächsten Beispiel liegt ein Fall von Doppelkontrast in situ vor. Hier wird eine Präsupposition an zwei verschiedenen Stellen korrigiert, wobei beide in Frage kommenden Alternativen miteinander ausgetauscht werden: (320) «Da che non vogli che io la [= questa erba] pruovi a te, et TUE la proverai A ME» (Pan 32, CXLV, 167). Um eine potenzielle Verwechslungsgefahr mit einem komparativen Topic zu vermeiden, kann die Focus-Funktion des Subjekts überprüft werden, indem der Satz durch eine Cleft-Konstruktion ins Neuitalienische übersetzt wird: ‘e allora sei TU che la proverai su di ME.’ An der Focus-Funktion der Subjekt-NP kann ebenfalls kein Zweifel bestehen, wenn diese negiert ist. In diesem Fall ist der Focus nicht nur prosodisch gekennzeichnet, sondern auch morphologisch durch die Negation. Negierte NP (‘nicht X’) konstituieren insofern den Focus des Satzes, als sie eine Entität darstellen, die ersetzt werden soll, weil sie für einen bestimmten Sachverhalt nicht in Frage kommt. Die Ersetzung kann dann nachträglich erfolgen wie im folgenden Beispiel: (321) [Uno antico cavaliere:] «Quale peccato, quale disavventura v’à qui menati a morire?» E Lancialotto disse: «Sire, NIUNA ERRANZA NÈ DISAV-

6 Subjektpronomina werden im Alttoskanischen, wie Palermo (1997 und 1998) gezeigt hat, häufiger gesetzt als im Neuitalienischen (cf. hier S. 26s.). Vor allem ist ihre Verwendung nicht pragmatisch begründet. Sie können aber aus Gründen der Fokussierung prosodisch (sowie zusätzlich zur Prosodie durch Inversion, cf. S. 171) markiert werden.

5.1 Focus in situ

147

VENTURA ci à qui condotto, se none la nostra propria spontana [sic] volontà, per essere alla battaglia cogli due giuganti […]» (Tav CXII, 456). Lancelot wird nach dem Grund seines Kommens gefragt, wobei die erfragte Information vom Sprecher nahegelegt wird, d. h., es wird nicht nur X gesucht, sondern es wird auch angenommen, dass X eine Sünde oder ein Unglück gewesen sein muss. Dementsprechend besteht Lancelots Antwort nicht nur darin, eine Lücke im Wissen seines Gegenübers zu schließen, sondern auch eine falsche Annahme zu berichtigen: ‘weder Y, noch Z, sondern X’.

5.1.2 Fokussierte Objekte in situ (V – OFOC ) Bei fokussierten Objekten in situ, d. h. rechts vom Verb, haben wir das Problem, dass der Focusakzent mit dem Endsatzakzent zusammenfällt, welcher in der Regel die neue Information in einer Aussage kennzeichnet. Nach dem hier vorgeschlagenen theoretischen Rahmen ist Focus jedoch verschieden von neuer Information. Es kann somit angenommen werden, dass sich ein fokussiertes Objekt in situ von einem Objekt, das nur neue Information vermittelt, d. h. ohne dass Kontrast bzw. Exhaustive Listing mit intendiert ist, unterscheidet (zum prosodischen Unterschied cf. Wehr 2012c, 214). Wenn dieser pragmatische Unterschied nicht syntaktisch ausgedrückt wird, kann er also analog zu SFOC – V nur prosodisch erfolgen. In den beobachteten Belegen ist es jedoch oft so, dass der Focus zusätzlich morphologisch angezeigt wird: ‘X, non Y’ oder ‘non Y, ma X’. An dieser Stelle muss etwas präzisiert werden. Die Konjunktion ma ist im Italienischen zweideutig, denn sie kann zwei verschiedene Arten von Opposition ausdrücken. Im ersten Fall dient sie der Gegenüberstellung von zwei Konzepten, die miteinander verglichen werden, und wird mit però ‘aber’ synonym verwendet. Dieser Gebrauch ist uns bereits beim alternativen Topic begegnet (cf. S. 49ss.). Im zweiten Fall dient sie der Berichtigung einer Aussage, wobei ein vorerwähntes Konzept durch ein anderes, das für dieselbe Aussage in Frage kommt, ersetzt wird. In diesem Sinn wird die Konjunktion ma im Fall einer Focus-Markierung verwendet, wo sie dann die Bedeutung von bensì ‘sondern’ hat. Trifone/Palermo (2000, 171) sprechen bezüglich des komparativen ma von «avversativo-limitativo» und bezüglich des korrigierenden ma von «avversativo-oppositivo». Eine deutlichere Terminologie ist die von Dardano/Trifone (1995, 442): «valore avversativo» vs. «valore sostitutivo» (cf. auch Consales 2012, 103). In folgenden Fällen liegt eindeutig kontrastiver Focus vor, so dass der Konjunktion ma die Bedeutung von neuit. bensì beigemessen werden kann:

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

(322) [Seneca tröstet eine Frau, deren Sohn gestorben ist:] «Duncqua perché piangi? Se mi dici: piango lo figliuolo mio, ché per sua bontade mi facea onore, dico che non piangi LUI, ma piangi LO TUO DANNO […]» (UrNov 81, 7s.). (323) Leggesi del re Currado, padre di Churradino, che quando era gharzone, sí avea in sua conpagnia .XII. fanc‹i›ulli di sua etade. E quando lo re Churrado fallía in nessuna cosa, e gli maestri che·lli erano dati a guardia non battevano LUI, ma battevano DI QUESTI SUOI CONPANGNI per lui (UrNov 82, 1s.). (324) [Breus antwortet auf eine abfällige Bemerkung von Astore:] E Breus disse: «Astore, no’ ringraziare ME se tu se’ campato, ma ringráziane LA BUONA COMPAGNIA CH’AVETE […]» (Tav CXXIV, 496). In allen drei Fällen stehen sich zwei Konzepte gegenüber, die auf dieselbe Aussage Bezug nehmen. Dabei korrigiert der Sprecher jeweils eine falsche Präsupposition; eine Korrektur, die jeweils in zwei Schritten erfolgt: Nachdem der Sprecher die falsche für seine Aussage in Frage kommende Alternative ausgeschlossen hat, nennt er ersetzend diejenige, die er für einzig richtig hält. Fokussiert wird dabei sowohl die verneinte Alternative als auch die richtige. Im zweiten Teilsatz könnte das jeweilige Verb weggelassen werden (also etwa ‘non piangi lui, ma lo tuo danno’ usw.). In Bsp. (322) ist die Präsupposition im Vortext explizit vorhanden (cf. «piango lo figliuolo mio»), während sie in Bsp. (323) aus dem Vortext erschlossen werden muss (wenn König Konrad als Kind etwas falsch machte, erwartet der Leser doch, dass er bestraft wurde und nicht seine Gefährten). In Bsp. (324) scheint die Äußerung des Sprechers keinen Zusammenhang mit dem Vortext zu haben. Dennoch ist auch hier eine Präsupposition vorhanden, die aber erst im Augenblick der Äußerung gesetzt wird. Breus legt Astore nahe, dass er gerade eben einer gefährlichen Situation entkommen sei und dass er dafür nicht ihm danken solle, sondern seinem Gefährten Tristan.

5.1.3 Teilfocus Die Focus-Markierung in situ ist am augenfälligsten, wenn der Focus-Akzent nur einen Teil der NP betrifft (Teilfocus).7 Mit der partiellen Fokussierung geht 7 Terminus nach Wehr (mündlich). Cf. auch Berretta (2002b, 226, 229s. und Anm. 8) für Fälle von Focus nur auf dem «quantificatore» einer NP und Berretta (2002c, 243, Anm. 4) für Focus nur auf dem «modificatore» einer NP.

5.1 Focus in situ

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ein Bedeutungsunterschied einher, der, wenn er vom Gegenüber verstanden werden soll, nur durch die Prosodie erfolgen kann. (325) «[…] vivi sicuro che non MIA ma TUA moglie verrà nella mia camera» (Dec X, 8, 30). (326) [Tristan spricht:] «[…] noi non […] vogliamo […] osservare la leggie antica degli imperadori, che per loro forza e potenza signoreggiavano il mondo; ma osservare vogliam la legge DI DIO, al quale piace, non per potenzia ma per ragione e per giustizia si posseda, ma non per forza o per rapina, faccendo obrigare le genti e’ paesi indegnamente» (Tav XVIII, 125). In Bsp. (325) fällt der Focus-Akzent auf das Possessivpronomen innerhalb der Subjekt-NP. Durch die Ersetzung von mia durch tua bewirkt der Sprecher, dass sich die NP moglie auf einen anderen Referenten bezieht als den von seinem Gegenüber ursprünglich gemeinten. In Bsp. (326) ist das fokussierte Element die präpositionale Fügung innerhalb der NP (di Dio), wie aus der Opposition zum vorerwähnten Konzept la leggie antica degli imperadori hervorgeht. In beiden Beispielen liegt kontrastiver Focus vor. Ein deutlicher Fall von Focus in situ ist der Artikel uno in der Bedeutung von «[s]olo, unico» oder «[p]er indicare completa eguaglianza: stesso, identico, medesimo» (GDLI, s. v. uno, 2; cf. auch Nicolosi 2012b, 233): (327) E questo, tutto loro [= Tristan und Isold, Fr. N.] intervenía per quello beveraggio, il quale fue fatto e ordinato bene, che non fue maraviglia gli due cuori essere UNA cosa; ma fue maraviglia come gli due cuori non si partirono di loro luogo, e non si congiunsoro insieme, e essere UNO cuore ed essere in UNA forma, sì come erano UNA volontà (Tav XXXIV, 172). Bsp. (327) lässt sich nur sinnvoll verstehen, wenn man uno eine spezielle Betonung beimisst, die uno im Sinne von ‘uno solo’ bzw. ‘uno unico’ von uno als unbestimmtem Artikel unterscheidet. Obwohl due im Vortext vorkommt, lässt sich uno nicht gut als kontrastiv beschreiben, aber problemlos als β-Focus. Dass die Emphase auf β-Ebene eine «sinngemäße Hervorhebung» (Hammarström 1998, 115) bewirken kann, darauf hat Hammarström an mehreren Stellen hingewiesen (cf. etwa 1976a, 62 und 79).

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

5.2 Objektvoranstellung (OFOC – V) In Kap. 4.1 haben wir die Objektvoranstellung in ihrer Eigenschaft als topicmarkierende Konstruktion kennengelernt. Das vorliegende Kapitel befasst sich mit vorangestellten Objekten, die nicht als Topic fungieren, sondern als Focus (OFOC – V).8 Der Grund für die Markierung kann sowohl α- als auch β-Focus sein. Angesichts der Homographie zwischen OTOP – V und OFOC – V stellt sich die Frage, wie beide Konstruktionstypen auseinanderzuhalten sind. Lombardi Vallauri (2004, 296) bemerkt hierzu: «Non è usuale, e si spiega piuttosto male, che in una lingua gli stessi strumenti formali servano a esprimere categorie opposte.» Diese Situation aber, die er als «‹schizofrenica›» bzw. «contraddittoria» beschreibt, resultiert nur aus einer unvollständigen Beschreibung (cf. Nicolosi 2012a, 124). Wenn wir die Syntax des Altitalienischen sinnvoll beschreiben wollen, darf die Prosodie nicht a priori ausgeschlossen werden (cf. Schafroth/Selig 2012, 19 in Bezug auf Nicolosi 2012b). Wie Lambrecht (1994, 31) feststellt: «What syntax does not code, prosody does […].» Dies bedeutet, dass die Topic- bzw. Focus-Markierung primär nicht durch die Voranstellung des Objekts erreicht wird, sondern vielmehr durch die Prosodie, die im Geschriebenen fehlt, jedoch unter Berücksichtigung des Kontexts rekonstruiert werden kann. Dass das markierte Element zusätzlich an den Satzanfang rückt, mag daran liegen, dass der Initialposition eine besondere Bedeutung beigemessen werden kann: The importance of this position may be that a correct understanding of preceding segments by the hearer (or the reader) is important for an easy and correct understanding of following segments. Also the first segment of a sentence has sometimes a special relationship to the preceding text (Hammarström 2012, 105).

Diese Funktion der Initialposition wird von Hammarström «prominence» genannt (cf. auch Vanelli 1999). Im Geschriebenen besitzt die Voranstellung von Nicht-Subjekten im Hinblick auf eine Topic-Markierung eine «Wegweiser»Funktion, «die dem Gegenüber die Identifizierung des jeweiligen Gesprächsgegenstandes ermöglich[t]» (Wehr 1994, 621) und im Hinblick auf eine Focus-

8 Diese Konstruktion wird unterschiedlich genannt, cf. etwa «focalizzazione» bei Vanelli (1999, 231), «rematizzazione a sinistra» bei Berretta (2002a, 186), «focalizzazione a sinistra» bei Roggia (2008, 213). Der bei Benincà/Salvi/Frison (2001, 149) verwendete Begriff der «topicalizzazione» ist zu vermeiden, weil das vorangestellte Objekt nicht Topic, sondern Focus ist (cf. dazu auch Berretta 2002a, 186).

5.2 Objektvoranstellung (OFOC – V)

151

Markierung eine eye-catcher-Funktion,9 die dazu dient, die Aufmerksamkeit des Gegenübers auf eine besonders wichtige Information zu lenken.10 Die Identifizierung von α-Focus bereitet in der Regel keine Schwierigkeiten, denn diese Funktion setzt eine an einer Stelle zu korrigierende oder zu ergänzende Präsupposition voraus (cf. aber unklare Fälle, Kap. 5.2.3). Die Opposition zwischen zwei oder mehreren Alternativen wird oft zusätzlich morphologisch markiert, was natürlich die Bestimmung der Funktion erheblich erleichtert. An der Focus-Funktion von negierten NP besteht kein Zweifel. Zur Abgrenzung von kontrastivem Focus und alternativem Topic (cf. S. 49s.) muss man sich fragen, ob ein expliziter Ausschluss intendiert ist oder nicht. Ist das vorangestellte Objekt Focus, kann die altitalienische Objektvoranstellung in der Regel mittels einer neuitalienischen Cleft-Konstruktion übersetzt werden.11 Schwieriger erweist sich die Bestimmung von β-Focus, da diese Funktion keine Präsupposition und auch keinen expliziten Ausschluss weiterer Alternativen impliziert. Wie wir aber sehen werden, zeigen die Objekt-NP, die aus diesem Grund vorangestellt werden, oft Merkmale, die Topic-Objekte nicht besitzen. So stellen sie oft einen indefiniten Mengenausdruck dar, der –IDENT ist (cf. Kap. 5.2.2). Während ein Initialobjekt, welches Topic ist, klitisch wieder aufgenommen werden kann, ist die Reprise eines fokussierten Initialobjekts in der Regel nicht möglich. Daraus resultiert, dass die pronominale Wiederaufnahme in der LDKonstruktion bereits im Altitalienischen eine topic-anzeigende Funktion besitzt und nicht nur zum «controllo sintattico» dient (cf. auch S. 67). Es finden sich jedoch einige isolierte Fälle von Reprise eines fokussierten Objekts, die dieser Annahme zu widersprechen scheinen (cf. Nicolosi 2012a, 125; auch Wehr 2007, 484 und Prévost 2009, 434s. mit Beispielen aus dem Altfranzösischen): (328) «Grandissima grazia, onorabili donne, reputar mi debbo che il nostro re ME a tanta cosa, come è a raccontar della magnificenzia, m’abbia preposta […]» (Dec X, 1, 2).

9 Terminus nach Schöpp (2003, 47). 10 Bei Nicolosi (2016, 52s.) wird ein weiterer Grund für OFOC – V angeführt: ein zu fokussierendes Objekt lässt sich am Satzanfang aus prosodischen Gründen besser hervorheben als am Satzende. Die Betonung eines Segments tritt tatsächlich deutlicher hervor, wenn diesem ein unbetontes Segment folgt. Im vorliegenden Fall trägt das Initialobjekt den Hauptakzent, während der Restsatz im Tiefton liegt. 11 Die Cleft-Konstruktion ist ebenfalls im Altitalienischen belegt; wie wir aber sehen werden, kommt sie äußerst selten vor. Cf. dazu Kap. 5.4.

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

(329) Egli abbassa sua buona lancia, e vae incontro a loro; sicchè innanzi ch’ella fosse rotta, TREDICI CAVALIERI alla terra con essa egli gli gittò giù morti (Tav LI, 235s.). (330) E appresso, egli abbatte lo re di Nerbois; e veramente, in questo assalto fino a qui DUE PRODI CAVALIERI, egli gli fece passare per forza di questa vita (Tav XCVI, 400). Bsp. (328) enthält die Verdoppelung eines Objektpronomens, wobei die betonte Form durch eine schwach betonte wieder aufgenommen wird. In Bsp. (329) und (330) wird jeweils eine Objekt-NP zusätzlich klitisch repräsentiert. In allen drei Fällen ist das hervorgehobene Element vom Verb durch einen oder mehrere Einschübe getrennt. Unter funktionalem Gesichtspunkt liegt in Bsp. (328) Exhaustive Listing vor, während Bsp. (329) und (330) als emphatische Foci (βFocus) betrachtet werden können (durch β-Focus-Markierung wird hervorgehoben, dass es sich im ersten Fall um eine beträchtliche Menge und im zweiten Fall um eine bewundernswürdige Tat handelt). Bezüglich Bsp. (328) lässt sich bemerken, dass die pronominale Verdoppelung eines fokussierten Objektpronomens auch im Neuitalienischen belegt ist, und zwar vor allem in der normalerweise topicmarkierenden Konstruktion des RD (cf. D’Achille 1990a, 97). Wie wir sehen werden, lässt sich diese pronominale Verdoppelung im Altitalienischen vor allem bei Subjektpronomina beobachten (cf. Kap. 5.3.5). In Bsp. (329) und (330) lässt sich die pronominale Reprise schwer begründen. Die Distanz zwischen präverbalem Objekt und Verb in Bsp. (329) könnte ein Grund sein. Oder es könnte sich um einen Fehler des Kopisten handeln, nämlich um einen Fall von Dittographie (egli gli).12 Derartige Beispiele stellen Ausnahmen dar und sollten nicht als LD beschrieben werden. In der Regel ist die pronominale Reprise ein eindeutiges unterscheidendes Merkmal, insofern als sie die Funktion als Focus des wiederaufgenommenen Elements «blockiert» und dieses als Topic kennzeichnet. Die focusmarkierende Objektvoranstellung wurde in der Forschungsliteratur unterschiedlich interpretiert. Laut Vanelli (1986, 261) dient sie der Hervorhebung neuer Konstituenten («per ‹enfatizzare› l’elemento Nuovo»). Bei Vanelli (1999, 240) konstituieren Initialobjekte, die nicht Topic sind, den «argument-

12 Der Vollständigkeit halber wird hier ein weiterer Fall von Reprise eines fokussierten Elements, nämlich eines Ortsadverbs angeführt: «Ma chie mi domandasse perchè Tristano non diceva che fosse di Lionis, essendovi nato, io diròe […] ch’egli s’appellava di Cornovaglia, perchè QUIVI egli era statovi fatto cavaliere» (Tav XXX, 164), wohl zu verstehen als: ‘weil er HIER und nicht in Leonis (seinem Geburtsort) zum Ritter geschlagen wurde’ (kontrastiver Focus).

5.2 Objektvoranstellung (OFOC – V)

153

focus» (Terminus und Definition nach Lambrecht 1994, 228–233). Obwohl sie keinen klaren Fall von explizitem Kontrast (‘X, nicht Y’) belegen kann, nimmt sie in Fällen, bei denen das Initialobjekt einen Mengenausdruck enthält, impliziten Kontrast an, wobei die Betonung auf dem quantitativen Aspekt liege («per porre l’accento sull’informazione relativa alla dimensione quantitativa», Vanelli 1999, 240). Diese Interpretation lehnt Fesenmeier (2003, 76) ab, weil die von Vanelli behandelten Beispiele aufgrund von fehlender Präsupposition nicht mit Kontrast zu vereinbaren seien. Im Altitalienischen ist ihm zufolge allem Anschein nach keine kontrastive Focus-Markierung mittels O – V möglich («ci pare pressocché impossibile trovare in testi toscani antichi esempi di anteposizione contrastiva di tipo moderno», Fesenmeier 2003, 72). Die Voranstellung von nicht topikalen Objekten habe vielmehr die Aufgabe der Weiterrhematisierung (it. ‘ulteriore rematizzazione’, Terminus und Definition nach Oesterreicher 1991, 370s.). In manchen Fällen liege die Funktion Exhaustive Listing vor. In anderen Fällen verlasse das Objekt seine kanonische Position, damit das Verb aus Gründen der Hervorhebung in die Endposition, eine nach ihm im Satz prominente Position, rücken könne (cf. Fesenmeier 2003, 328, 330 und 331s.). Suzuki (2001, 73–75) hingegen hält Kontrast mit Hilfe von O – V für möglich. Auch bei Renzi (2008, 2833) wird auf die kontrastive Funktion von O – V im Altitalienischen hingewiesen. Im Gegensatz zu allen anderen Autoren, die der Objektvoranstellung in irgendeiner Form eine hervorhebende Funktion beimessen, ist Lombardi Vallauri (2004, 297 und 319) der Ansicht, dass es eine literarische, am Latein orientierte Norm gab, nach der das Objekt im Normalfall vor dem Verb steht. Demnach seien nicht topikale Objekte in Initialposition als nicht markiert anzusehen. Nun, wenn es wahr ist, dass O – V mit dem Verb in Endposition in der altitalienischen Kunstprosa ein latinisierendes Merkmal sein kann, handelt es sich hierbei m. E. um einen β2-Fakt (Register),13 aber bestimmt nicht um eine Regel. Dieser kurze Forschungsüberblick zeigt, dass der Unterschied zwischen αund β-Focus übersehen wurde. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass wir nicht auf diesen Unterschied verzichten können, wenn wir den Materialien gerecht werden wollen (cf. auch Nicolosi 2012a, 122–124).

5.2.1 α-Focus Die Hauptfunktionen von α-Focus sind Kontrast (‘X, nicht Y’) und Exhaustive Listing (‘X und nichts anderes/niemand anders’).

13 Cf. Abb. 1, S. 10.

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

Die kontrastive Funktion der Objektvoranstellung im Altitalienischen ist, wie bereits erwähnt, umstritten. Nach manchen Autoren sind Fälle wie neuit. I CAMPI mi ha lasciato, non i soldi (Meriggi 1938; auch Rohlfs 1969, § 983) nicht belegt (cf. Vanelli 1986, 256; Fesenmeier 2003, 72 und 84; Lombardi Vallauri 2004, 297 und 319). In Wirklichkeit kommen sie äußerst selten vor. Ein möglicher Grund hierfür ist, dass kontrastiver Focus meist morphologisch ausgedrückt wird, z. B. durch ‘X, non Y’ oder ‘non Y, ma X’. In diesem Fall kann das fokussierte Objekt in situ bleiben und trotz fehlender Intonation im Geschriebenen dennoch als Focus leicht identifiziert werden (cf. die Beispiele in Kap. 5.1.2). Eine zusätzliche Markierung durch Initialstellung erübrigt sich. Will der Sprecher aber sein Anliegen besonders beteuern, so kann er den Focus zusätzlich syntaktisch markieren. Ein deutlicher Fall von kontrastiver Objektvoranstellung ist: (331) [Tedaldo äußert sich gegen die Bigotterie der Mönche:] «E per ciò, acciò che io piú vero parli, NON LE CAPPE DE’ FRATI hanno costoro ma solamente i colori delle cappe. E dove gli antichi la salute disideravan degli uomini, quegli d’oggi disiderano le femine e le ricchezze […]» (Dec III, 7, 35). In Bsp. (331) ist das fokussierte Objekt durch die negierte Alternative non le cappe de’ frati (‘non Y’) repräsentiert, während die korrekte Alternative i colori delle cappe (‘ma X’) nachträglich genannt wird. Hierbei berichtigt bzw. präzisiert der Sprecher seine vorige Annahme «niuna altra cosa hanno di frate se non la cappa» (Dec III, 7, 34). Durch Verzögerung der wesentlichen Information erzeugt der Sprecher zudem einen überraschenden Effekt. Im Unterschied zu Kontrast sind Fälle von Exhaustive Listing durch Objektvoranstellung wesentlich häufiger. Dies lässt sich teilweise dadurch erklären, dass die Opposition zu etwas Unbestimmtem (‘X und nichts anderes/niemand anders’) insbesondere in interrogativen Kontexten (cf. unten) oft implizit vorhanden ist. Ein fokussiertes Objekt in situ könnte ohne zusätzliche morphologische Indikatoren daher zu unauffällig sein. Damit die wesentliche Information das Gegenüber dennoch erreicht, kann die Wortstellung dem Sprecher zu Hilfe kommen, indem er den Focus in Initialposition bringt. Dies heißt natürlich nicht, dass der Ausschluss von weiteren Alternativen nicht zugleich explizit markiert werden kann. Kombinationen von morphologischer und syntaktischer Markierung lassen sich vor allem in Kontexten registrieren, in denen der Sprecher seine Äußerung besonders beteuern will. In den folgenden Fällen schränkt der Sprecher die in Frage kommenden Alternativen auf eine einzige ein (man beachte in Bsp. 333 die dreifache Focus-Markierung):

5.2 Objektvoranstellung (OFOC – V)

155

(332) Uno giorno il padre l’ebbe in una camera tutto solo, et feceli mostrare di tutte quelle belle gioie, et delle più chare di tutto il mondo. Anche li fece mostrare grande tesoro d’oro et d’ argento, et di tutte belle cose. E apresso li fece mostrare di molte belle donne et donzelle, et feceli dire ch’elle si chiamavano domoni de l’inferno. In quella giunse il padre, et domandò questo suo figliuolo quale di tutte quelle cose li piacea […]. Udito il giovane quello che ’l suo padre li avea detto, disse: «Padre mio, sia che vole, or sappiate, che sopra tutte le chose del mondo mi piacciono li domoni del ninferno, et tutte l’altre cose non sono neente appo loro; et però se mi volete sodisfare, DI QUELLI voglio et non d’altro» (Pan32 CLII, 188).14 (333) [Der König von England möchte dem König von Schottland seine Tochter zur Frau geben; die Tochter hat sich aber einen anderen Mann auserkoren und betont ihr Anliegen beim Papst:] «LUI ho adunque preso e LUI voglio, né mai ALCUNO ALTRO n’avrò, che che se ne debba parere al padre mio o a altrui […]» (Dec II, 3, 40). In den nächsten Beispielen ist die Opposition nicht explizit ausgedrückt. Dass es sich jeweils um einen Fall von Exhaustive Listing handelt, geht allein daraus hervor, dass die Voranstellungskonstruktion die Antwort auf eine vorerwähnte Ergänzungsfrage (kursiv markiert) ist, wobei das Initialobjekt die erfragte Information darstellt: (334) Ma se alcuno domandasse quanto era lo trebuto che l’Amorotto domandava al re Marco, dirò che al tempo del re Derianfer, che conquistò per forza d’arme quello reame, pose questo trebuto et censo: che lo re Felis gli dovesse pagare ogni anno tre dobre d’oro, dieci donzelle da maritare, dieci donzelli da fare cavalieri, dieci falconi, dieci astori, dieci sparvieri, dieci bracchi et dieci levrieri, tre camelli, tre leoni, tre leopardi et tre nani; et QUESTO MEDESIMO TREBUTO domandava l’Amorotto al re Marco (Tav IV, 77). (335) […] per che, fattolsi chiamare, il domandò che viaggio avuto avessero e quando a Genova fosser giunti. Al quale costui disse: «Signor mio, MALVAGIO VIAGGIO fece la galea, sí come in Creti senti’, là dove io rimasi […]» (Dec X, 9, 66).

14 Zum partitiven Objekt mit di im Altitalienischen cf. Salvi (2010, 130).

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

In einzelnen Fällen ist es nötig, mehr Kontext als sonst in Betracht zu ziehen, um Interpretationsschwierigkeiten zu vermeiden. Im Folgenden handelt es sich um ein Gespräch zwischen Tristan und Dinadan, der Tristan nicht erkennt; die Focus-Markierung erfolgt erst im letzten Satz: (336) [S. 379:] [Dinadan:] «Io sono uno cavaliere che vado cercando quello cavaliere che io non posso trovare […]. Quel ch’io vado cercando, è uno cavaliere il quale è venuto in questo paese novellamente, ed èe molto mio amico e mio signore; il quale è appellato messer Tristano di Cornovaglia.» […] [S. 380:] «Per mia fè» ciò dice Tristano, «che non’èe ancora grande tempo, che uno cavalier che mai d’amor non s’era impacciato; e per caso, adunque, sì avvenne ch’egli s’innamorò d’una dama, la quale era appellata dama Losanna dalla Torre Antica: per lo quale innamoramento, egli s’adiròe con uno suo compagno, e per lei egli fue ferito: ma lo cavaliere che lo abbattèe, si fue uno cavaliere il quale era appellato Tristano di Cornovaglia. Non so io se voi già mai l’udiste ricordare.» E Dinadano rispuose e disse: «LUI vo io cercando» (Tav XCIII, 379s.). Ein Hinweis auf die focusmarkierende Funktion von O – V ist hier das betonte Objektpronomen. Ausschlaggebend für die Interpretation als Focus ist aber letzten Endes der Kontext. Im ersten Ausschnitt des Gesprächs erfahren wir von Dinadan, dass er vergeblich nach Tristan sucht. Um so erstaunlicher ist es dann, als sein Gegenüber ihn im Laufe des Gesprächs fragt, ob er einen Ritter namens Tristan kenne. Dinadan wird geradezu dazu herausgefordert, sein Anliegen zu bestätigen, als ob sein Gesprächspartner begriffsstutzig oder schwerhörig wäre: ‘Gerade nach ihm suche ich doch.’ Derartige Beteuerungen, bei denen eine schon genannte Information mit Nachdruck wiederholt werden soll, werden vorzugsweise durch eine Focus-Markierung realisiert. Im Folgenden werden noch fokussierende Voranstellungen von anderen Konstituenten als dem direkten Objekt angeführt, um aufzuzeigen, dass die Focus-Markierung (insbesondere Kontrast) durch Initialstellung im Altitalienischen doch häufiger vorkommt, als in der Forschungsliteratur (cf. oben) bisher angenommen wurde: (337) «Io l’amava tanto, che mai non voglio essere piú consolata, ma IN PIANTO voglio finire li miei dí» (Novellino LIX, 8). (338) «La sanità del vostro figliuolo non è nell’aiuto de’ medici, ma NELLE MANI DELLA GIANNETTA dimora […]» (Dec II, 8, 47).

5.2 Objektvoranstellung (OFOC – V)

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(339) Il fante disse: «AD ALTRUI farete fare cotesta pruova che non a me» (Pan32 CXLV, 167). (340) E mandòli l’angelo suo, et feceli cosí dire: «David, tu ài peccato. E cosí ti manda a dire lo tuo Singnore: o voli tu stare .III. anni infermo o tre mesi in mano delli tuoi nimici, o vogli stare innello giudicio delle mani del tuo Singnore?» David rispuose: «NELLE MANI DEL MIO SINGNORE mi metto: faccia di me ciò che·lli piace» (UrNov 8, 3–5). In Bsp. (337) und (338) wird jeweils ein Adverbial als kontrastiver Focus markiert. In Bsp. (339) wird ein indirektes Objekt kontrastiv hervorgehoben (in diesem Zusammenhang cf. auch Bsp. 320). In allen drei Fällen kommt die kontrastive Funktion durch den expliziten Ausschluss der falschen Alternative deutlich zum Ausdruck. In Bsp. (340) liegt dagegen eine Funktion vor, die man mit Dik (1997, 331) «Selecting Focus» nennen kann (cf. dazu auch Bsp. 373s.). Dabei wählt der Sprecher aus einem Set von drei vorerwähnten Elementen diejenige Alternative aus, die er für seine Aussage relevant hält, ohne dass Korrektur intendiert ist.15

5.2.2 β-Focus Ein weiterer Grund für die Objektvoranstellung ist die Markierung von β-Focus (Wehrs «emphatischer Focus»). Hier markiert der Sprecher das Objekt in Initialposition, um seine Einstellung (attitude, β1 im Modell von Hammarström, cf. Abb. 1 S. 10) bezüglich des Geäußerten explizit zu kennzeichnen. Durch Abweichen von der üblichen Wortstellung wird dem Gegenüber signalisiert, dass der Äußerung eine besondere Bedeutung beizumessen ist, die über den bloßen propositionalen Gehalt hinausgeht. Ein charakteristisches Beispiel hierfür ist: (341) [Der Graf zum Kaiser:] «Poi che io mi partio, abbo avuto moglie, e figliuoli di quaranta anni. TRE BATTAGLIE hoe fatte di canpo ordinate. Poi che io andai, lo mondo he tutto rivolto e rinovato: come va questo fatto?» (UrNov 32, 31–33)

15 Bsp. (337) und (340) werden von Fesenmeier (2003, 294s.) als Exhaustive Listing gedeutet. Dass es sich im ersten Fall um Kontrast handelt, geht aus der Opposition zwischen in pianto und non essere più consolata deutlich hervor. Im zweiten Fall besteht keine Opposition zu etwas Unbestimmtem, da alle drei Alternativen explizit vorerwähnt sind.

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

Das Initialobjekt tre battaglie ist –IDENT, so dass von einer Topic-Funktion abgesehen werden kann. Da keine Präsupposition vorhanden ist, kommt αFocus ebenso wenig in Betracht. Hier soll vielmehr durch Voranstellen der Objekt-NP die Aufmerksamkeit des Gegenübers auf die Mengenangabe (tre) gelenkt werden.16 Der Sprecher drückt nicht nur aus, dass er drei Feldschlachten geführt hat, sondern auch dass drei eine beträchtliche Zahl ist, und fragt deshalb erstaunt, wie es sein kann, dass trotz seiner langen Abwesenheit am Hof des Kaisers alles beim Alten geblieben ist.17 Bezüglich der Form der Initialobjekte, die eine Interpretation als β-Focus zulassen, konnte Folgendes festgestellt werden. Entweder enthält das Initialobjekt einen Mengen- bzw. Steigerungsausdruck oder/und ein Attribut wie malo, buono, bello. Bei den Mengen- bzw. Steigerungsausdrücken handelt es sich vor allem um die Indefinitpronomina tutto, ogni, tanto, assai, molto, poco, die Adjektive maggiore, grande, piccolo oder eine genaue Zahlangabe (cf. Bsp. 341). Es sieht so aus, als würden derartige Konzepte aufgrund ihrer Semantik den Sprecher dazu einladen, dem Geäußerten einen besonderen Nachdruck zu verleihen. Oder der Sprecher wählt je nach seinen Einstellungen und Emotionen das zu seiner Äußerung passende Attribut aus. Im ersten Fall bedingen semantische Eigenschaften (die zur α-Ebene gehören) eine Emphase auf β1 , also: α→β1 , während im zweiten Fall die β1-Ebene der Kommunikation lexikalische Varianten auf α bedingt, also: β1→α. Man kann auch von einer Wechselbeziehung ausgehen: α↔β1 .18 In allen Fällen ist die Syntax (die ebenfalls auf α angesiedelt ist) durch die Emotionen und Einstellungen des Sprechers (β1) bedingt. Das Vorkommen eines der oben genannten Ausdrücke impliziert jedoch nicht unbedingt, dass β-Fokussierung vorliegt. Es muss daher unter Berücksichtigung des Kontexts stets geprüft werden, ob nicht eine andere Funktion in Betracht käme. Der folgende Fall weist beispielsweise eine topicmarkierende Objektvoranstellung auf und keine fokussierende: (342) E tanta villania non faceva Tristano per sè, ma facéala per la grande gelosia e paura ch’egli avea di tanta buona gente ch’erano in prigione […] (Tav LXXXVII, 361). 16 Cf. De Jong (1989, 528). De Jong bezieht sich zwar auf das Lateinische, seine Überlegungen können aber für das Altitalienische übernommen werden. 17 In Wirklichkeit hat der Sprecher den Hof des Kaisers nie verlassen, sondern er wurde von drei Zauberkünstlern hypnotisiert. Cf. auch Bsp. (285), in dem die Hervorhebung der gleichen Informationseinheit mittels eines RD erreicht wird: «E poi ne fece TRE delle battaglie di campo ordinate». 18 «→» bedeutet: «konditioniert Varianten auf». Der doppelköpfige Pfeil «↔» meint, dass die Konditionierung wechselseitig ist (cf. Hammarström 1995, 10; auch 1987).

5.2 Objektvoranstellung (OFOC – V)

159

Die vorangestellte Objekt-NP tanta villania verweist hier anaphorisch auf das zuvor Gesagte und kann durch ein einfaches Demonstrativpronomen ciò mit der Funktion der anaphore résomptive ersetzt werden (Substitutionstest). Anderen Voranstellungen quantifizierter NP (Typus «qualche + N») kann weder Topic- noch Focus-Funktion beigemessen werden: (343) Rinaldo, rimaso in camiscia e scalzo, essendo il freddo grande e nevicando tuttavia forte, non sappiendo che farsi, veggendo già sopravenuta la notte, tremando e battendo i denti, cominciò a riguardare se da torno alcuno ricetto si vedesse dove la notte potesse stare, che non si morisse di freddo. Ma niun veggendone, […], trottando si dirizzò verso Castel Guiglielmo, […] pensando, se dentro entrar vi potesse, qualche soccorso gli manderebbe Idio (Dec II, 2, 15). (344) Era frate Rinaldo spogliato, cioè senza cappa e senza scapolare, in tonicella; il quale questo udendo disse: «Voi dite vero: se io fossi pur vestito, qualche modo ci avrebbe; ma se voi gli aprite e egli mi truovi cosí, niuna scusa ci potrà essere» (Dec VII, 3, 26). (345) Onde li disse che, di quelli dí che v’era stato, avea trovato nella camera una gran serpe, e alcuna volta nel letto. Il prete, pauroso di ciò, come si dee credere, dicea ciò mai non avere veduto elli; e se ciò era, elli abandonerebbe Parma, non che la camera. Disse il Pistoia: «Forse non è quello che mi pare; ma se pur fia, qualche cosa per inanzi ne vedremo» (Tre CCXXIX, 13s.). Zwar kann hier dem Initialobjekt keine Emphase beigemessen werden, durch die Voranstellung wird jedoch ein besonderer pragmatischer Effekt erzielt, der im Deutschen der Wirkung der Abtönungspartikeln schon, wohl o. Ä. nahekommt;19 cf. etwa Bsp. (344) in der Übersetzung von K. Witte (1964, 537): «wäre ich nur angekleidet, so fänden wir wohl irgendein Mittel».20 Dadurch soll die Wahrscheinlichkeit der Äußerung unterstrichen werden. Im Neuitalienischen weisen derartige Fälle keine Pause zwischen vorangestelltem Element und

19 Die deutschen Partikeln schon und wohl können verschiedene abtönende Funktionen aufweisen. Schon kann u. a. «die Wahrscheinlichkeit einer Aussage [in zuversichtlichem Ton als Reaktion auf bestehende Zweifel]» unterstreichen (Duden, s. v. schon, Partikel, 4; eckige Klammern im Original), wohl «eine Bekräftigung, Verstärkung aus[drücken]» (Duden, s. v. wohl, Partikel, 2). 20 P. Brockmeier (2012, 541) übersetzt wie folgt: «wenn ich angezogen wäre, fände sich eine Ausrede», wobei der Abtönungseffekt verloren geht.

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

Restsatz auf, und das Verb ist in der Endposition (nicht in Bsp. 343) emphatisch hervorgehoben (cf. Benincà/Salvi/Frison 2001, 157).21, 22 Die emphatische Funktion von OFOC – V ist nicht festgelegt: hiermit können verschiedene attitudes markiert werden. Es kann beispielsweise die beachtliche Natur einer Mengenangabe akzentuiert werden wie in Bsp. (341) oder dessen Gegenteil wie im folgenden Beleg: (346) [Der Königssohn spricht:] «[…] Onde PICCOLO GUIDERDONE li rendetti di cosí riccho insegnamento» (UrNov 11, 27). In Bsp. (346) geht es darum, die Unverhältnismäßigkeit zwischen der zur Diskussion gestellten Belohnung und der dafür erhaltenen Lehre zu betonen. Der Lohn (guiderdone) ist somit nicht nur gering, sondern vergleichsweise äußerst gering in Anbetracht der erteilten Lektion, die sich dem Sprecher als unschätzbar erweist. Aus der Voranstellung resultiert außerdem eine syntaktische Gegenüberstellung von piccolo guiderdone und cosí riccho insegnamento. Es kann auch der wahre und unbestreitbare Charakter einer Aussage verstärkt werden, was sich vor allem in Werturteilen beobachten lässt (dies wird im dritten Beispiel durch das Adverb veramente zusätzlich verdeutlicht): (347) [Der König spricht:] «Maestro mio, GRANDE PRUOVA òe ricevuta della tua sapienzia; or ti prego che mi dichi come tue sai queste cose» (UrNov 4, 27). (348) [Lancelot:] «Tristano, Tristano, MAL CAMBIO avete fatto a lasciare Lancialotto per Brunoro» […] (Tav C, 416). (349) E lo re scontrando certi pastori, sì gli domandòe: «Chi abita in quello casamento?» Ed egli rispuosono: «E’23 v’è ora uno bello cavaliere, e veramente UNA BELLA DAMA àe a sua compagnia» (Tav XLVI, 214).

21 Leonetti (2016) erkennt darin einen eigenen Konstruktionstypus, dem keine pragmatische Gliederung (also weder Topic-Comment noch Focus-Präsupposition) unterliegt und den er «Non-Focal Fronting» nennt. Bei ihm gilt dieser besondere Konstruktionstypus jedoch für alle quantifizierten Objekt-NP in Initialposition (und nicht nur für «qualche + N»). In der vorliegenden Arbeit wird zu zeigen sein, dass in vielen Fällen ein emphatischer Akzent auf der InitialNP angenommen werden kann. 22 Interessanterweise werden ähnliche Fälle von quantifizierten Initialkonstituenten im Neuitalienischen zunehmend pronominal wiederaufgenommen oder vorweggenommen, d. h. durch eine LD- oder RD-Konstruktion markiert. Mehr dazu cf. Bsp. (428c) und (429c). 23 Heijkant (1999, 214) schreibt irrtümlicherweise «È», Polidori (1864, 169) hat «E’».

5.2 Objektvoranstellung (OFOC – V)

161

Diese somit versprachlichte attitude, die man assertorisch nennen kann, sowie ihre syntaktische Hervorhebung kann, wie folgendem Beleg (allerdings dem einzigen ermittelten Fall, aber cf. Bsp. 9 im Neuitalienischen: Bel lavoro mi faceva fare!) zu entnehmen ist, ironischen Zwecken dienen. Folgende Äußerung erfolgt, als der Sprecher erfährt, dass sein Gast doch nicht der große Künstler ist, für den er ihn hält, und daher die für das Abendessen entstandenen Kosten bereut: (350) [Innerer Monolog:] «BUONA SPESA ho fatta; se io fo l’altre a questo modo, io potrò tosto lavorare vasi di terra, come costui, e lasciare stare quelli de l’ariento» (Tre CLXXXIII, 9). Der Duden definiert Ironie als «feine[n], verdeckte[n] Spott, mit dem jemand etwas dadurch zu treffen sucht, dass er es unter dem augenfälligen Schein der eigenen Billigung lächerlich macht» (Duden, s. v. Ironie). Wie emphatische Voranstellungen den Ausdruck von Ironie begünstigen können, haben Escandell-Vidal/Leonetti (2014) anhand spanischer Materialien überzeugend dargestellt. Ohne in allen Punkten ihre Interpretation übernehmen zu wollen, lässt sich den Autoren zufolge sagen, dass die Hervorhebung einer im Kontext unpassenden Behauptung den Kontrast zwischen derselben und dem eigentlichen Sachverhalt deutlicher macht (cf. Escandell-Vidal/Leonetti 2014, 325). So sticht in Bsp. (350) die Unangemessenheit des Geäußerten in Anbetracht der Situation ins Auge. Gemeint ist hier tatsächlich der Widerruf einer vorausschauenden Annahme (eine erwartete gute Investition), und nicht deren Bestätigung. Ironie entsteht somit dadurch, dass der Sprecher, statt seine «dissociative attitude» (Escandell-Vidal/Leonetti 2014, 325) direkt auszudrücken, genau das Gegenteil äußert, obwohl dies aufgrund des Zusammenhangs offensichtlich nicht der Fall sein kann. Die präverbale Position kann auch durch ein Negativpronomen bzw. -adverb wie nullo, nessuno, niente oder eine negierte NP des Typs ‘kein X’ besetzt werden. Hiermit wird die totale Abwesenheit einer Sache zum Ausdruck gebracht und durch syntaktische Markierung verstärkt: (351) […] chè chi stava dentro, essendo serrata, chiaramente di fuori egli vedeva; ma quegli di fuori, NIUNA COSA vedeano dentro (Tav LIX, 262). (352) […] ed egli andò cercando per la casa se fuoco o legne d’accenderlo trovasse: NIUNO BENE vi trovò, però che era povero scudiere, e la sua magione parea la Badía a Spazzavento (Tre XXXIV, 4). (353) Costoro cercano e ricercano, e NULLA trovavano […] (Tre CLXXIV, 7).

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

Die negierte NP kann durch einen Relativsatz näher bestimmt werden, der dieser in der Regel nicht unmittelbar folgt, sondern erst nach dem Prädikat in Erscheinung tritt, vermutlich aus prosodischen Gründen (kurze Segmente können besser betont werden als längere): (354) […] che sapere dobbiamo che non puote essere neuna grande né forte battaglia, s’ella non è di grande durata; e NIUNA BATTAGLIA fece mai Tristano ch’avesse durata, ch’egli non ne fosse vincitore (Tav CXXVIII, 509). (355) Il padre lasciò al giovane la carta accesa, e NIUNO RICORDO lasciò che n’avesse fatto fine, o che fosse pagato […] (Tre LII, 17). Folgende Beispiele belegen einen besonderen Typus, paraphrasierbar durch ‘nichts als/außer X’, wobei das ausgenommene Element (‘außer X’) in der Regel nach dem Prädikat ausgedrückt wird (nicht in Bsp. 357). Die folgenden Beispiele kommen in direkter Rede vor: (356) Lo Cavaliere rispuose: «NESSUNA ALTRA COSA hoe fatta, se no che io hoe voluto mettere la veritade inanzi» (UrNov 42, 10). (357) «[…] E per tanto la ragione è fatta; NESSUNA ALTRA COSA che quello che io ci recai me ne porterò; e cosí me n’andrò povero, com’io ci venni: tutto l’altro mio rimanente e la casa con ciò che v’è dentro lascio alla vostra signoria» (Tre LXII, 7). (358) [Tristan wird gefangen gehalten; einer der Geiselnehmer zu ihm:] «[…] E NIUNO RIMEDIO voi avete a potervene deliberare [aus diesem Gefängnis], salvo se voi non foste di tanta prodezza, che voi dismontaste nel fondo della torre […]» (Tav LXXVIII, 318). Dieser Typus ist insofern interessant, als es sich um eine Variante der Exhaustive Listing-Funktion (‘X und nichts/niemand anderes’) handelt, mit dem Unterschied, dass hier die aus dem Sachverhalt ausgeschlossenen Alternativen in den Vordergrund rücken. Durch Hervorhebung der Abwesenheit alles anderen wird die Einmaligkeit der nachträglich genannten Ausnahme beteuert. Das Vorkommen von Initialobjekten, die als β-Focus beschrieben werden können, ist im untersuchten Korpus sehr hoch, und zwar sowohl in der direkten Rede als auch im Erzähltext. Dies liegt möglicherweise daran, dass sich β-Focus in situ im Geschriebenen schwer oder nicht erkennen lässt (cf. auch Bsp. 8s.). Im Unterschied zu α-Focus kennt das Altitalienische keine morphologische Markierung für β-Focus wie ‘X, non Y’ oder ‘non X, ma Y’. Außerdem

5.2 Objektvoranstellung (OFOC – V)

163

liegen keine Präsuppositionen und auch keine explizite Opposition vor. Auch das Vorkommen eines Mengenausdrucks ist kein Garant für die Existenz von β-Focus (cf. Bsp. 342). Deshalb ist der Schreiber auf die Syntax angewiesen, wenn er eine bestimmte attitude hervorheben möchte. Ist es nicht möglich, auf die Intonation zurückzugreifen, so dient die markierte Syntax als eye-catcher.24

5.2.3 Unklare Fälle 1. Von der Untersuchung ausgeklammert wurden Fälle, in denen das vorangestellte Objekt kataphorisch auf einen dem Verb folgenden, meist untergeordneten Satz verweist.25 Die kataphorische Objektkonstituente ist meistens durch eine indefinite NP (una cosa) oder ein Demonstrativpronomen (ciò, tanto), seltener durch eine definite NP (hier: questo guadagno) vetreten. In jedem Fall handelt es sich um ein inhaltsloses Element («Leerelement»): (359) «Una cosa farò, che Bozzolo mai non mi sbozzolerà mio grano […]» (Tre CXCIX, 17). (360) […] ma ben ciò conoscono che questo era stata operazione della Dama del Lago (Tav CV, 438). (361) «Messer, elli he di bella guisa, ma tanto iudico, che lo cavallo he notrichato a latte d’asina» (UrNov 4, 6). (362) «Questo guadagno non farà Tristano sopra di me, ch’io non mangi la parte mia» (Tav CI, 421). Bemerkungen zu diesem Konstruktionstypus finden sich bei Dardano (1969a, 220s.: «porre in rilievo determinati elementi del periodo», «volontà di oganizzare i vari elementi del periodo intorno ad un centro»; 2012b, 146: «facilita la suddivisione del periodo in unità minori»). Rati (2008, 21) beschreibt dieses Phänomen als syntaktisches Verfahren zwischen Parataxe und Hypotaxe: «sembra avere […] la precisa funzione di consentire una soluzione sintattica che, come la paratassi, renda il testo più lineare, ma al tempo stesso mantenga intatti i rapporti di dipendenza semantica esistenti fra reggente e subordinate.»

24 Cf. Anm. 9, S. 151. 25 Es kann sich auch um einen unabhängigen Satz handeln. In solchen Fällen wird in den modernen Ausgaben die syntaktische Grenze zwischen vorausgehendem und nachfolgendem Satz durch einen Doppelpunkt signalisiert; cf. etwa: «Una cosa vi voglio dire […]: il diavolo non è nero come si dipigne» (Tre CXXXIII, 4).

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

Stempel (1964, 202s.), der das gleiche Phänomen im Altfranzösischen beobachtet, spricht von «‹Signalisierung› eines folgenden, meist untergeordneten Satzes durch vorausweisende Pronomina», deren Funktion ihm zufolge in der expressiven Lockerung der Satzstruktur besteht. In einem anderen Zusammenhang hat Wehr (1984, 122–124) auf die Spannungsfunktion solcher Leerelemente aufmerksam gemacht, die es dem Sprecher ermöglichen, die Setzung der wesentlichen Information zu verzögern bzw. auf die besondere Relevanz der folgenden Mitteilung hinzuweisen. Welche Funktion nun aber die Voranstellung des kataphorischen Elements selbst hat, bleibt weiterhin unklar.26 Berretta (2002b, 230s.) misst in Bezug auf das Neuitalienische dem vorangestellten Objekt zwar eine «rhematische» Funktion bei, aber was heißt hier «rhematisch»? Handelt es sich um α- oder β-Focus? Berretta zufolge lassen sich diese Strukturen nicht mit einer CleftKonstruktion paraphrasieren, sondern mit einer präsentativen wie in c’è una cosa che so. Da Cleft-Konstruktionen bekanntlich eine Präsupposition voraussetzen, kann es sich in Bsp. (359)–(362) nicht um die Funktion α-Focus handeln, jedoch könnte man β-Focus dafür verantwortlich machen.27 Wenn dies aber die Voranstellung von una cosa o. Ä. zu erklären vermag (UNA cosa könnte Teilfocus sein; cf. S. 149), passt es nicht gut auf kataphorische Demonstrativa. Außerdem können solche Objekte mit kataphorischer Funktion im Neuitalienischen pronominal wieder aufgenommen werden, womit wir es mit einer topicmarkierenden LD-Konstruktion zu tun hätten.28 Handelt es sich deshalb um ein Topic? Wie dem auch sei, ein Grund für die Voranstellung ist sicherlich, dass sich der Sprecher dadurch der Aufmerksamkeit seines Gegenübers versichern und zugleich der funktionalen Abnutzung, der solche Leerelemente aufgrund ihrer häufigen Verwendung im Altitalienischen ausgesetzt sind, entgegenwirken kann (cf. Wehr 1984, 122). 2. Grenzfälle stellen ebenfalls folgende Beispiele dar, in denen der Autor die focusmarkierende Objektvoranstellung stilistisch einsetzt, um den Übergang zwischen zwei Novellen oder zwei verschiedenen Episoden innerhalb einer Novelle zu vollziehen. Der Bezug zum Vortext wird mittels altro oder più etabliert, paraphrasierbar durch ‘altro che X’, ‘più…di X’, wobei X in der Voran-

26 Die Voranstellung des kataphorischen Elements ist nicht obligatorisch; cf. etwa: «Messer Prenzivalle […], noi vogliamo fare una cosa che vi parrà forse strana, che io Stecchi cacherò quanto uno granello di panico, e non piú né meno» (Tre CXLIV, 3). 27 Enthält die kataphorische Objekt-NP eine Focuspartikel, so ist eine Bestimmung der Funktion als Focus immer möglich; cf. etwa: «[…] ma SOLAMENTE UNA COSA almeno mi dite, […]: se voi siete quello cavaliere che metteste in isconfitta lo re di Scozia e abbatteste Palamides lo Pagano» (Tav XXII, 139). 28 Cf. im Folgenden Bsp. (430)s.

5.2 Objektvoranstellung (OFOC – V)

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stellungskonstruktion nicht explizit ausgedrückt ist und im Vortext ausfindig gemacht werden muss. Die ermittelten Belege finden sich funktionsgemäß immer am Anfang einer neuen Novelle (vier Beispiele aus den Trecentonovelle) oder einer neuen Erzähleinheit (ein Beispiel aus dem Ur-Novellino):29 (363) E piue di cortesia fece [lo Re Giovano] una notte che poveri cavalieri intròno nella camera sua, e credendo sichuramente ch’elli dormisse, raunarono li arnesi e le chose a modo di furto (UrNov 27, 8). (364) Piú nuova e piú archimiata mostra fece colui che si mostrò in questa novella essere femina, ed era uomo (Tre XXVIII, 2). (365) Altro gastigamento diede Ferrantino da Spuleto a uno calonaco di Todi […] (Tre XXXIV, 2). (366) Un’altra bella sperienza mi fa venire a memoria la precedente novella […] (Tre CLXVII, 2). (367) Un bello inganno, o piú sapere, voglio raccontare nella presente novella (Tre CCXXII, 2). In den vorliegenden Fällen wird jeweils eine Anzahl von Erzählungen vorausgesetzt, die thematisch zusammenhängen und unter denen der Erzähler eine auswählt. So soll in Bsp. (363) ein weiteres Beispiel angeführt werden, anhand dessen die Großzügigkeit des König von England bewiesen werden soll. In der vorangegangenen Episode hatte der König einem armen Ritter dabei geholfen, aus seinem Silbergeschirr einen Deckel zu stehlen, und ihm sogar zum Schluss die dazugehörige Schüssel geschenkt. In Bsp. (364) soll gezeigt werden, wie viel eigenartiger und verschlagener als in der vorigen Novelle jemand vorging, um sein Ziel zu erreichen. In Bsp. (365) soll analog zur vorigen Novelle jemand mit einem Stock gezüchtigt werden. In Bsp. (366) soll über eine ebenso schöne Erfahrung wie zuvor berichtet werden. Schließlich soll in Bsp. (367) erzählt werden, wie jemand auf eine schlauere Art und Weise als in der vorigen Novelle um sein Geld betrogen wird. Fraglich bleibt, welche Focus-Funktion das vorangestellte Objekt aufweist. α-Focus käme insofern in Frage, als ein Set von verschiedenen Erzählungen vorliegt, zwischen denen der Autor dasjenige auswählt, das für seine Aussage relevant ist. β-Focus könnte aber ebenfalls eine Rolle spielen, da die ObjektNP – zumindest in vier der zitierten Beispiele – ein intensivierendes Element 29 Die Objektvoranstellung ist nicht obligatorisch; cf. etwa: «Poiché qui sono, io voglio raccontare un altro inganno con una sottile astuzia fatto per lo conte Giovanni da Barbiano» (Tre CCXXIII, 2).

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

(piue, piú, bello, bella) enthält. Als weiterer Grund ließe sich schließlich anführen, dass die Objekt-NP in Initialposition rückt, um an das Vorangegangene anzuschließen, auf das sie sich bezieht. Festgehalten werden kann, dass es sich hierbei um eine Erzähltechnik handelt, die zur Überleitung zwischen verschiedenen Geschichten eingesetzt wird und zugleich die Aufmerksamkeit des Lesers auf den Anfang einer neuen Novelle bzw. einer neuen Erzähleinheit lenken soll. 3. Abschließend sollen noch einige Fälle diskutiert werden, die teilweise in der Sekundärliteratur häufig zitiert, jedoch unterschiedlich interpretiert wurden. Fall 1: (368) Ed elli si mise in pregione in mano delli soprastanti, e disse: «Rendete lo figliuolo a questa buona femina, e me tenete per lui» (UrNov 22, 3). In Bsp. (368) liegen zwei Oppositionspaare vor, und zwar {rendere; tenere} und {lo figliuolo bzw. lui; me}. Derartige Fälle werden «Doppelkontrast» genannt. Die Frage ist, ob das präverbale Objektpronomen me als kontrastiver Focus oder als alternatives Topic fungiert. Darüber konnten sich die Forscher bisher nicht einigen: Renzi (1988, 125 und 2008, 2833) nimmt zwischen me und lui Kontrast an. So auch Suzuki (2001, 73): «anteposizione con un valore pragmatico simile a quello di topicalizzazione».30 Vanelli (1999, 240) ist indessen nicht dieser Meinung: «sulla base del contesto, non è plausibile interpretare i[l] costituent[e] antepost[o] come portator[e] di un valore, anche solo implicitamente, contrastivo.» In einem früheren Aufsatz (cf. Vanelli 1986, 256) hatte sie dasselbe Beispiel dennoch als potenziell kontrastiv eingestuft. Die Interpretationsschwierigkeit liegt offenbar darin, dass der Vortext in Bsp. (368) keine explizite Präsupposition enthält. Diese kann aber aus dem Kontext erschlossen werden. Denn wenn lo figliuolo befreit werden soll, wer soll an seiner Statt gefangen gehalten werden? Dass man ohne Weiteres einen bestimmten Gefangenen gegen eine andere Person austauschen kann, mag zwar für den modernen Leser befremdlich wirken, dies scheint aber der Logik des Textes zu folgen. Das Objektpronomen me wäre demnach kontrastiver Focus. Fall 2: (369) [Ein Pilger gibt einem Freund vor seiner Abreise 300 byzantinische Taler31 unter der Bedingung, dass dieser ihm nach seiner Rückkehr soviel zurückgibt, wie es ihm beliebt:] Andò lo pelegrino in suo viaggio, ritornò 30 Terminus nach Benincà/Salvi/Frison (2001, 149–155), zu ersetzen durch «focalizzazione». Cf. auch Anm. 8, S. 150. 31 Cf. Riesz (2002, 236, X, 1).

5.2 Objektvoranstellung (OFOC – V)

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al termine ordinato, dimandò li bisanti suoi. L’amico rispuose: «Come istà lo patto?» Lo pelegrino lo contò a punto a punto. «Ben dicesti» disse l’amico, «tè: .X. bisanti ti voglio rendere; li .CCL XXXX. mi tengnio» (UrNov 14, 2–5). Erneut liegt hier ein Fall von «Doppelkontrast» vor, und zwar {.x. bisanti; li .cclxxxx.} und {rendere; tenere}. Im Unterschied zum vorigen Beispiel werden beide Objektreferenten in Initialposition markiert. Welche pragmatische Funktion beide Konstruktionen aufweisen, ist umstritten: Die NP .x. bisanti lässt laut Marcantonio (1976, 60) zwei Interpretationen zu: «[S]i può interpretare sia come DATA (gli elementi di una ‹elencazione› sono DATI), sia come NUOVA (l’amico del pellegrino potrebbe voler mettere in evidenza che egli ha intenzione di restituirgli ‹solo› diece bisanti […])» (Hervorh. im Original). So auch Suzuki (2001, 74): «‹[D]iece bisanti›, potrebbe essere reso in it. mod. con una dislocazione a sinistra […]. D’altra parte, siccome per il destinatario (sia per il pellegrino che per un lettore) dieci bisanti sono una somma che non si aspetterà affatto, l’O anteposto potrebbe pure essere marcato da una certa enfasi.» Fesenmeier (2003, 83) zufolge ist O – V nicht auf die «intenzione di segnalarne il denotato come contrastato» zurückzuführen, sondern vielmehr auf «quella di collocare il verbo nella posizione prominente finale dell’enunciato per sottolineare il contrasto tra ‹rendere› e ‹tenersi›». Vorschlag einer Beschreibung: Man hat bezüglich Bsp. (369) nicht gesehen, dass zwei Konzepte, die in Opposition zueinander stehen, verschiedene Funktionen haben können (cf. aber Suzuki 2001, 70). .X. bisanti ist meines Erachtens α-Focus (Exhaustive Listing), während li .cclxxxx. ein alternatives Topic darstellt, dessen Kenntnis aus dem zuvor Gesagten erschließbar ist. Beide Objektvoranstellungen antworten auf eine implizite Frage, die sich angesichts der Gesprächssituation aufdrängt. Im ersten Fall stellt das präverbale Objekt die unbekannte Information dar, nach der implizit gefragt wird (‘Wie viel gibst du mir zurück?’). Im zweiten Fall wird über ein ableitbares Konzept etwas erfragt (‘Was ist mit dem Rest?’).32, 33 32 Einen weiteren Hinweis darauf, dass die Glieder eines Oppositionspaars offensichtlich einen unterschiedlichen pragmatischen Status haben können, gibt folgendes Beispiel: «NESSUNA ALTRA COSA che quello che io ci recai me ne porterò; e cosí me n’andrò povero, com’io ci venni: tutto l’altro mio rimanente e la casa con ciò che v’è dentro lascio alla vostra signoria» (Tre LXII, 7; cf. Bsp. 357). An der Focus-Funktion von nessuna altra cosa besteht aufgrund der Negation kein Zweifel. Über das abgeleitete Konzept tutto l’altro mio rimanente wird hingegen eine neue Mitteilung gemacht, es ist Topic. Derartige Fälle können folgendermaßen formalisiert werden: «OFOC – V, OTOP – V». 33 Anders in Bsp. (135): «‹[…] Onde ‹i› .CCLXXXX. bisanti› ne vuoli, rendeli, e li .X. che tue non volei ti tiene» (UrNov 14, 12), bei dem die jeweilige Initialkonstituente als Topic fungiert.

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

Fall 3: (370) Quando li figliuoli del re Priano ebbero rifatta Troia, ché l’avieno li Greci disfatta e aveanonde menata loro sora Esionam in Grecia (lo re Talamone e Agramone e gli altri ne la menonno), e fecero li Troiani loro raghunanza e amistà di loro amici, e parlàno cosí: «Li Greci ci fenno grande onta. La gente uciseno, la·ccità disfecero, nostra soro Ansionam ne menarono. Noi siamo afforzati, la città he rifatta, l’amistà nostra he grande, lo tesoro he raunato. Mandiamo alli Greci che ci facciano la menda e che·cci rendano nostra soro Ansionam» (UrNov 41, 1–4). In Bsp. (370) ist der jeweilige Objektreferent auf der Dialogebene (jedoch nicht auf der Erzählebene) +NEU, aber aufgrund seines Vorhandenseins im permanenten Repertoire +IDENT. Der bestimmte Artikel in la gente und la·ccità und das Possessivpronomen in nostra soro Ansionam zeigen die Identifizierbarkeit an. Diskurstopic sind die Feinde von Troia, sprich die Griechen, die jeweils durch die Verbendung ausgedrückt werden. Es stellt sich abermals die Frage, welche pragmatische Funktion das vorangestellte Objekt jeweils innehat. Da keine Präsupposition vorliegt, kommt α-Focus nicht in Betracht. Soll O – V vielleicht den deklamatorischen Ton des Sprechers signalisieren, womit βFocus vorläge? Obwohl die Initialobjekte der üblichen Merkmale (Mengenausdruck usw.) entbehren, ist dies durchaus vorstellbar. Es könnte sich aber auch angesichts der vorliegenden Teil-von-Beziehung zwischen den drei Objektreferenten und den Trojanern (cf. das Pronomen ci im vorausgehenden Satz) um Listing Topics handeln. Die aufgeführten Beispiele sollen nicht die in der vorliegenden Arbeit angestellten Überlegungen in Frage stellen, sondern lediglich veranschaulichen, welche Schwierigkeiten bei der Beschreibung von Diskursfunktionen auftreten können, wenn die Intonation, ein wichtiger Indikator pragmatischer Funktionen, fehlt.

5.3 Subjektinversion (V – SFOC ) Eine weitere syntaktisch markierte Konstruktion im Altitalienischen ist die Subjektinversion (kurz: V – S). Im Unterschied zur «neutralen» Wortstellung, in der das Subjekt dem Verb vorausgeht (S – V), steht dieses bei der Subjektinversion rechts von ihm, jedoch nicht unbedingt in der Endposition. Das postverbale Subjekt kann verschiedene pragmatische Funktionen erfüllen (cf. Nicolosi 2012b). Es ist entweder Nicht-Topic (Typus: V – SNONTOP), Focus (Typus: V – SFOC ) oder Topic (Typus: V – STOP). Davon klar zu unterscheiden sind Subjekte in der Konstruktion des RD (Typus: V, STOP). Im letzte-

5.3 Subjektinversion (V – SFOC )

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ren Fall handelt es sich um einen segmentierten Satz, in dem das Subjekt als zweiter Bestandteil der Konstruktion außerhalb des Kernsatzes steht (cf. dazu Kap. 4.4.4). Die Subjektinversion stellt hingegen ein Wortstellungsphänomen dar. In gesprochener Sprache werden diese verschiedenen Konstruktionstypen (inklusive des RD) durch die Prosodie auseinandergehalten, die in geschriebener Sprache anhand des Kontexts rekonstruiert werden muss. Welche Unterscheidungskriterien außerdem verwendet werden können, wurde bereits im Kapitel über das RD von Subjekten ohne pronominale Vorwegnahme erörtert (cf. Kap. 4.4.4). Da die Subjekt-NP bei besetzter Initialposition tendenziell nachgestellt wird, wurden bei Nicolosi (2012b) nur Fälle von Subjektinversionen am absoluten Satzanfang behandelt, um eventuelle syntaktische Faktoren auszuschließen: Wenn wir die pragmatischen Bedingungsfaktoren von V – S erschließen wollen, müssen wir zunächst den V – S-Typ bei absoluter Initialstellung des Verbs berücksichtigen. Erst wenn sich X – V2 – S in ähnlichen Gebrauchskontexten nachweisen lässt wie V1 – S (also bei Initialstellung des Verbs), kann bezüglich der Inversion von syntaktischen Bedingungen abgesehen werden. Auf jeden Fall sind beide Typen bei der Untersuchung zu unterscheiden (Nicolosi 2012b, 223).34

In der vorliegenden Untersuchung wird zwischen zwei Fällen unterschieden: denjenigen, bei denen das Verb in absoluter Initialstellung, nach e, ma oder in der Apodosis steht, und denjenigen, bei denen die präverbale Position durch ein markiertes Topic besetzt ist (cf. Kap. 5.3.4). Zu der ersten Gruppe gehören auch Sätze, die in Initialposition ein nicht referentielles Subjektpronomen haben (Typus: egliNONREF – V – S).

5.3.1 α-Focus mit Präsuppositionen im Vortext So wie das Objekt vorangestellt wird, weil Kontrast oder Exhaustive Listing vorliegt, kann das Subjekt aus denselben Gründen nachgestellt werden. Für folgende Beispiele kommt Kontrast in Betracht: (371) Lo imperadore rispuose: «Io ti sodisfaroe, quando saroe tornato.» E la femina disse: «Se tu non redissi?» Ed elli disse: «Se io non rediroe, e’35 ti sodisfarae LO MIO SOCCESSORE» (UrNov 62, 6). 34 Cf. auch Wehr (1984, 22s.) in Bezug auf die Subjektinversion im Altfranzösischen. 35 Bei e’ kann es sich nicht, wie von Conte, A. (2001, 243, Anm. 10) behauptet wird, um ein «soggetto anticipato» handeln, da Focus-Elemente in der Regel nicht durch ein Pronomen korreferentiell repräsentiert werden wie beim RD. Dasselbe gilt für Bsp. (372).

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

(372) [Tristan zu Isolde:] «Dama, non dubitate di niente, […] chè io saròe nella isola in tale maniera divisato, e terròe il cotal modo e la cotale condizione: e se nostra maestria non valesse, e’ varr[àe] LA TRINCIANTE SPADA» (Tav LXIV, 275). In Bsp. (371) sowie (372) besteht die Diskursfunktion von V – SFOC darin, eine vorerwähnte Alternative durch eine neue zu ersetzen, was sich folgendermaßen paraphrasieren lässt: ‘Wenn X die Bedingung nicht erfüllt, soll Y für X eintreten’ oder ‘wenn nicht X, dann Y’. Wenn der Sprecher eine Wahl zwischen zwei vorgegebenen Alternativen trifft, ohne dass Korrektur intendiert ist, liegt die Funktion «Selecting Focus» (Dik 1997, 331) vor (cf. auch Bsp. 340): (373) [Frate Rinaldo:] «[…] Ma ditemi: chi è piú parente del vostro figliuolo, o io che il tenni a battesimo o vostro marito che il generò?» La donna rispose: «È piú suo parente MIO MARITO» (Dec VII, 3, 17s.). (374) [Zwei Ritter zu Tristan:] «E se ci arriva dama la quale non voglia dimorare in prigione, sìe dee essere provveduta incontra la dama del signore; e a quella che èe più laida, dee essere tagliata la testa; e dêgliele tagliare LO CAVALIERE VINCENTE, e quella più bella egli deve prendere per mogliere» (Tav XXXV, 176s.). In Bsp. (373) sind die beiden in Frage kommenden Kandidaten explizit vorerwähnt. Im Gegensatz zur gängigen Meinung ist die referentielle Neuheit des Konzepts daher keine Voraussetzung für eine Focus-Markierung. Die Präsupposition ist in Form einer Alternativfrage im Vortext enthalten. Der Sprecher hätte alternativ zu V – SFOC nur die erfragte Information nennen können (‘X!’). In Bsp. (374) sind beide Glieder des Oppositionspaars zwar +NEU, aber aus dem Zusammenhang leicht erschließbar: {lo cavaliere vincente; lo cavaliere perdente}. Die Präsupposition ist ebenfalls implizit im Vortext enthalten. Tristan erfährt gerade, was den Damen der beiden Gegner widerfahren soll: Der hässlicheren soll der Kopf abgeschlagen werden. Daraus lässt sich leicht folgende Alternativfrage ableiten: ‘Wer soll ihr den Kopf abschlagen: der Sieger oder der Verlierer?’ Die richtige Alternative wird dann durch V – SFOC genannt. Fälle von Exhaustive Listing wurden im untersuchten Korpus vor allem in interrogativen Kontexten beobachtet. V – SFOC gilt dann als Antwort auf eine Wer-Frage (cf. auch Bsp. 298: «Chi dormí in questo letto? […] Dormívi COLUI»): (375) Ma se alcuno mi domanderàe come era appellata quella rôcca e per cui si manteneva, io diròe ch’ell’era appellata la rôcca del Dianfer, e la fo-

5.3 Subjektinversion (V – SFOC )

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resta s’appellava lo diserto di Lionferfero; ed erane signore LO PIÙ FOLLE GIGANTE DEL MONDO, lo quale […] (Tav LXXIV, 302). (376) E quelli dice: «Guardo questo tetto, che fu cosí ben fatto: chi lo fece?» Dice messer Ridolfo: «Fecelo MAESTRO SOFFIACI; nol conosci tu?» (Tre XLI, 20) (377) [Ugolotto:] «O chi è morto?» E que’ rispondono: «È morto UGOLOTTO DELI AGLI» (Tre LXXVIII, 11). (378) Dice Giovanni: «Vie’ qua: dimmi il vero, chi c’è venuto?» Ed ella dice: «Venneci MICHELE CINI» (Tre XCVIII, 19). In Bsp. (378) tritt V – S in Verbindung mit einem Verb des In-ErscheinungTretens auf, das in der Regel eingesetzt wird, um einen Referenten in den Diskurs einzuführen, der im nachfolgenden Text als Diskurstopic fungieren sollte (Wehrs «Topic-Introduktion», cf. dazu S. 133s.). Dass es sich in diesem Fall aber um eine Focus-Markierung (V – SFOC ) handelt, erkennt man daran, dass das Verb weggelassen werden kann,36 was im Fall einer Topic-Introduktion nicht möglich wäre. Im Gesprochenen werden beide Typen durch die Prosodie unterschieden (cf. Nicolosi 2012b, 232). Die fokussierte NP ist in folgenden Beispielen ein betontes Subjektpronomen: (379) Il prete va, e truova Petruccio e dice: «Io ci ho trovato il tal lavorío fatto in chiesa; ed èmmi detto tu fosti là; averesti veduto chi ce l’avessi fatto?» Dice Petruccio: «Oh, ce l’ho fatt’IO» (Tre CXXXIV, 7). (380) Salutârlo cosí di subito; elli dimandò: «Quale he lo maestro di voi tre?» L’uno si fece inanzi, e disse: «Mesere, sono IO» (UrNov 32, 3s.). In Bsp. (379) steht das Subjektpronomen io in Opposition zu etwas Unbestimmtem (‘ich und niemand anders’). Es liegt Exhaustive Listing vor. In (380) hingegen wählt der Sprecher zwischen drei bestimmten Referenten den für seine Aussage einzig richtigen, wobei die beiden anderen ausgeschlossen werden. Da mehr als zwei Alternativen involviert sind und keine Korrektur intendiert ist, liegt Selecting Focus vor.

36 Wenn die Wer-Frage (die Präsupposition) nicht explizit im Vortext enthalten ist, kann man die Weglassprobe nicht mehr anwenden, und beide Typen sind nur noch durch die Intonation oder im Geschriebenen anhand des Kontexts unterscheidbar.

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

Die Grenze zwischen den Funktionen Kontrast und Exhaustive Listing ist fließend: (381) Lo re disse: «Tristano, chi ti fae dire queste parole?» Ed egli rispuose: «Sire, non me lo fae dire VERUNA PERSONA, se non sola LA MIA PROPRIA VOLONTÀ […]» (Tav XIII, 110). In Bsp. (381) geht der Sprecher auf eine Wortfrage ein und füllt dabei eine Lücke im Wissen seines Gegenübers. Eine Opposition zu etwas Unbestimmtem liegt vor, paraphrasierbar durch ‘niemand anders als X’. Es handelt sich somit um Exhaustive Listing. Beim Antworten berichtigt der Sprecher aber zugleich eine falsche Annahme seines Gegenübers. Die Frage chi ti fae dire queste parole? beruht nämlich auf der irrtümlichen Annahme, dass jemand anders Tristan die Worte in den Mund gelegt hat; eine Annahme, die Tristan beim Antworten gleich widerlegt. Hiermit liegt kontrastiver Focus vor.

5.3.2 α-Focus ohne Präsuppositionen im Vortext Es wurden – in erster Linie in der Tavola Ritonda – auch Fälle von V – S beobachtet, in denen offenbar eine für das Gegenüber (nach Meinung des Sprechers) relevante Information mitgeteilt wird, aber ohne dass im Vortext Präsuppositionen vorhanden sind. Die Subjektinversion knüpft dabei immer mittels eines anaphorischen Pronomens an den Vortext an, und das postverbale Subjekt stellt immer ein +NEUES Konzept dar: (382) E sappiate che innanzi che messer Tristano si partisse, egli fece dipignere in figura la bella Isotta la bionda […]: e sì gliele affiguròe UNO MAESTRO DELLA CITTÀ DI GIPPI […] (Tav LIV, 246). (383) E ’l duca […] sìe gli fece menare davanti uno cucciolino, lo quale egli sìe teneva per suo grande diletto […]; ed avealo donato al duca LA PULCELLA DELL’ISOLA DI VALLONE (Tav LXV, 278). (384) La seconda [Tavola] […] fue ordinata per volontà di Cristo; e mantenèlla GIUSEPPE DI BRAMANZIA, con più di seimila persone (Tav CXVII, 472s.). Eine Präsupposition (etwa in Form einer Frage) ist im Vortext nicht vorhanden, weder explizit noch implizit. Der jeweilige Subjektreferent gehört dennoch einem Set von möglichen Kandidaten an, aus dem der Sprecher denjenigen aus-

5.3 Subjektinversion (V – SFOC )

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wählt, den er in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt für richtig hält. Hier scheint es also vielmehr so zu sein, dass die Präsupposition im Augenblick der Äußerung gesetzt wird, als würde der Sprecher eine Frage seines Gegenübers vorwegnehmen, die sich angesichts der Situation aufdrängt (cf. Nicolosi 2012b, 226s.; auch Wehr 2012c, 215s.). Dies ist paraphrasierbar durch eine Wer-Frage, also etwa: ‘Wer hat die blonde Isolde abgebildet?’ in Bezug auf Bsp. (382). Es stellt sich die Frage, wie die Subjektinversion das Hervorrufen einer weder kotextuell noch situationell vorhandene Präsupposition bewirkt. Dieses Phänomen lässt sich m. E. nur in Analogie zu Subjektinversionen verstehen, die aus Gründen von Kontrast oder Exhaustive Listing bedingt sind und eine Präsupposition im Vortext voraussetzen. Wenn sich eine Konstruktion mit einer bestimmten Funktion in der Sprache gefestigt hat, scheint es möglich zu sein, sie zu verwenden, ohne dass die Bedingungen hierfür realisiert sind, nämlich so, dass diese Bedingungen im Augenblick der Äußerung gesetzt werden. Die Konstruktion selbst hat sozusagen eine «evozierende» Kraft, d. h., sie kann die Voraussetzungen hervorrufen, unter denen sie üblicherweise vorkommt. Sie lässt sich somit am besten als Anweisung an das Gegenüber beschreiben, seine Kenntnisse an den Diskurs so anzupassen, dass die Äußerung sinnvoll erscheint. Dieses Phänomen kann mit Waltereit (2006, 158–163) «Manipulation der Diskurswelt» oder mit Lambrecht (1994, 65–73) «pragmatic accomodation» genannt werden. In der literarischen Sprache kann dieses Verfahren durchaus als Erzähltechnik verwendet werden, um bestimmte Informationen auf ökonomische Art und Weise zu vermitteln. Im vorliegenden Fall werden ein Set von Alternativen und die dazugehörige Präsupposition, die für α-Focus Voraussetzung sind, allein durch die evozierende Kraft von V – SFOC geschaffen, ohne dass der Sprecher dies vorab ankündigen muss (etwa durch eine Wer-Frage).37

5.3.3 β-Focus Grundsätzlich können alle bisher beobachteten Fälle von α-Focus von einer bestimmten speaker attitude begleitet sein. Im Gegensatz zu OFOC – V aber scheinen Subjektinversionen, die allein aufgrund von Sprechereinstellungen und -emotionen (attitudes) bedingt wären, nicht vorzukommen. Folgendes Beispiel

37 Die Anregung zu dieser Beschreibung verdanke ich der Lektüre von Waltereit (2006). Der Frage, ob V – SFOC ohne Präsupposition im Vortext eine abtönende Funktion aufweist, soll hier nicht weiter nachgegangen werden (cf. Nicolosi 2012b, 226s., Anm. 4).

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

(385) «Sì, so» ciò disse Tristano. «Così nollo sapessi IO tale convenente!» (Tav CXXVI, 500) zeigt zwar ein postverbales Subjekt in einer emphatisch markierten Äußerung, aber die emphatische Hervorhebung wird eher durch das RD realisiert als durch die Subjektinversion, zumal V – S hier durchaus aufgrund des Adverbs così in Initialstellung syntaktisch bedingt sein kann (cf. den Kommentar zu Bsp. 286).

5.3.4 Topic links – Focus rechts In diesem Kapitel sollen Fälle von mehrfacher Markierung behandelt werden. Wir haben bereits gesehen, dass es möglich ist, innerhalb ein und derselben Äußerung mehrere Topics zu markieren, z. B. im Fall eines Doppel-LD (cf. Bsp. 91s.) oder eines Doppel-RD (cf. Bsp. 260). In einem Fall traten das LD und das RD zusammen auf (cf. Bsp. 261). Auch die Kombination von Topic- und Focus-Markierung ist möglich, z. B. in der Konstruktion des RD, wenn neben der Topic-Markierung des RD-Referenten auch das letzte Kernsatzelement fokussiert wird (cf. Kap. 4.4.3.1). Im Folgenden soll eine weitere Kombinationsmöglichkeit behandelt werden, die darin besteht, das Topic «links» und den Focus «rechts» zu markieren. Bei der fokussierten NP handelt es sich hauptsächlich um ein postverbales Subjekt. a) Das Topic links vom Verb ist ein vorangestelltes Objekt ohne Reprise.38 In dieser Konstruktion geht die Inversion eines fokussierten Subjekts mit der Voranstellung eines als Topic markierten Objekts einher (Typus: OTOP – V – SFOC ). Da das Subjekt bei besetzter Initialstellung im Altitalienischen tendenziell nachgestellt wird (cf. S. 25s.), ist sie in diesem Pattern als doppelt motiviert anzusehen. Zum einen kann sie aufgrund der Initialkonstituente syntaktisch bedingt sein, zum anderen ist sie wegen der Focus-Funktion der Subjekt-NP pragmatisch begründet. Einige signifikanten Beispiele sind: (386) Lo re si mosse incontanente, e andò nel campo. Dimandò: «Perché mi ci ài fatto venire?» Aminadab rispuose: «Messer, perché la·ccità non si pue p‹i›ú tenere, e io voglio che·lla vostra persona abbia lo pregio di cosí nobile vittoria, anzi che io.» Conbatteo la città, e vinsela; lo pregio e l’onore n’ebbe LO RE DAVID (UrNov 16, 3–6; Kontrast).

38 Cf. Nicolosi (2012a, 121s.).

5.3 Subjektinversion (V – SFOC )

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(387) In Chostantinopoli sì avea, antichamente, una grande piazza di fuori dalla cittade, ne la quale piazza sì avea apicchata una chanpana, la quale no’ la sonava alchuno se no’ a chui fosse fatto grande torto, o in avere o in persona, da·ttale di chui elli non si potesse atare; et quella chotale chanpana sonavano QUE’ CHOTALI A CHUI ERA FATTA LA ’NGIURIA, e non neuna altra persona (Pan32 CL, 184; Exhaustive Listing). (388) «E chi vi diede questo scudo?» ciò disse lo re Artù. E Tristano disse: «Veramente, questo scudo mi donò LA FATA MORGANA, sorella dello re Artus […]» (Tav LXXXII, 338; Exhaustive Listing; cf. Bsp. 93). (389) A cui Sicuran disse: «Deh, se Idio ti dea buona ventura, se egli non è disdicevole diccelo come tu le [una borsa e una cintura] guadagnasti.» «Messere,» disse Ambruogiuolo «queste mi donò con alcuna altra cosa UNA GENTIL DONNA DI GENOVA chiamata madonna Zinevra, moglie di Bernabò Lomellin, una notte che io giacqui con lei, e pregommi che per suo amore io le tenessi […]» (Dec II, 9, 52–53; Exhaustive Listing). Das fokussierte Subjekt ist ein Personalpronomen in: (390) Come Calandrino udí questo, dolorosamente cominciò a gridare e a dire: «Oimè! Tessa, questo m’hai fatto TU, che non vuogli stare altro che di sopra: io il ti diceva bene!» (Dec IX, 3, 21; Exhaustive Listing) (391) E fatto questo, cominciò l’uno a dire: «Chi entrerà dentro?» A cui l’altro rispose: «Non io.» «Né io» disse colui «ma entrivi Andreuccio.» «Questo non farò IO» disse Andreuccio (Dec II, 5, 72–75; Exhaustive Listing). In den folgenden Beispielen kommt OTOP – V – SFOC in einem untergeordneten Satz vor. Das Subjekt ist nominal in Bsp. (392) und pronominal in Bsp. (393) und (394): (392) […] e Lancialotto diceva che egli non fue mai nè era traditore, ma che gli gran tradimenti faceva LO RE D’ORBERLANDO E CHI DI LUI ERA DISCESO (Tav C, 415, Kontrast). (393) Vera cosa è che alcuni dicono che la donna aveva ben volto il teschio dello asino verso Fiesole, ma un lavoratore per la vigna passando v’aveva entro dato d’un bastone e fattol girare intorno intorno, e era rimaso volto verso Firenze, e per ciò Federigo, credendo esser chiamato, v’era venuto; e che la donna aveva fatta l’orazione in questa guisa: «Fantasi-

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

ma, fantasima, fatti con Dio, ché la testa dell’asino non vols’IO, ma altri fu, che tristo il faccia Iddio, e io son qui con Gianni mio» […] (Dec VII, 1, 31s.; Kontrast). (394) La famiglia del vescovo correndogli drieto per pigliarlo, il signore mostrandosi turbato disse: «Menatelo a casa mia, ché questa punizione voglio fare IO» (Tre XXXIII, 8; Exhaustive Listing). Im nächsten Beispiel wird die focusmarkierende Subjektinversion mit der Markierung von Listing Topics kombiniert. Es liegen zwei Listen von Alternativen vor, deren Elemente paarweise funktionieren: Von X aus der einen Liste wird gesagt, dass es mit Y aus der anderen Liste zusammenpasst, wobei X TopicFunktion und Y Focus-Funktion hat. Im vorliegenden Fall werden die Schwerter der Ritter der Tafelrunde abwechselnd als Topic markiert und einem bestimmten Adressaten (als Subjekt kodiert) zugeordnet: (395) E la spada di Galasso ebbe LO RE CARLO e appellòssi Gioiosa, cioè spada virtudiosa. Edeficòlla da prima il savio Salamone, e fue da prima del santo Giuseppe di Bramanzia, e fue appellata spada Istragies Ragies. E quella di Lancialotto ebbe IL MARCHESE ULIVIERI, e appellòlla Altaclera, cioè spada bella. E quella dello re Amoroldo ebbe RINALDO DA MONTE ALBANO, e fue appellata Fulberta, cioè spada bene trinciante; e quella di Palamides ebbe ILDUSNAMO DI BAVIERA (Tav XCIX, 414). b) Das Topic links vom Verb ist ein LD-Element. Das Topic links vom Verb kann ebenfalls als LD-Element auftreten. In diesem Fall liegt die Inversion eines fokussierten Subjekts mit dem LD eines Nicht-Subjekts vor. Im Vergleich zu OTOP – V – SFOC ist die Subjektinversion nur pragmatisch motiviert, da das LDElement aufgrund seiner satzexternen Stellung eine Subjektinversion theoretisch nicht bedingen kann. Hierzu wurden allerdings nur wenige Beispiele beobachtet: (396) Ed èe cosa certa, che il mondo, cioè il cielo e la terra e l’acqua e l’aria, le mantiene L’ONNIPOTENTE IDDIO, padre, figliuolo nato della vergine Maria […] (Tav XXXIII, 169; Exhaustive Listing). (397) E sì vi dico, ch’io vi credo bene, imperò che così fatto mercato, lo feci IO colle MIE mani (Tav CXXV, 498; Exhaustive Listing). (398) [Fra Michele:] «[…] e ha fatto sí che tu se’ ‹mia› moglie, acciò che quello gastigamento che ’l tuo Castrone non ti dava, io te lo dea IO […]» (Tre LXXXVI, 17; Kontrast; zur Subjektverdoppelung cf. Kap. 5.3.5).

5.3 Subjektinversion (V – SFOC )

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Vergleiche auch Bsp. (79): «Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene, trenta anni le possette PARTE S(AN)C(T)I BENEDICTI»; Bsp. (80): «Sao cco kelle terre, p(er) kelle fini que tebe mostrai, trenta anni le possette PARTE S(AN)C(T)E MARIE». Hier kann die Subjektinversion aber auch auf die Voranstellung von trenta anni zurückgeführt werden, das übrigens emphatisch fokussiert wird (cf. Nicolosi 2012a, 125). In Bsp. (399) liegt von Neuem eine Kombination von focusmarkierender Subjektinversion und Listing Topics vor. Links wird das jeweilige LD-Element durch ein Demonstrativpronomen repräsentiert, das ein unmittelbar vorerwähntes Topic, eines der fünf Pferde von Tristan, wieder aufgreift und dabei in seiner Funktion als aktuelles Topic bestätigt. Der Subjektreferent rechts vom Verb konstituiert jeweils den Focus (Exhaustive Listing): (399) E sappiate che messer Tristano ebbe in questo mondo, in sua cavallería, cinque cavalli principali. Lo primo fue uno nobile e buono cavallo baio, il quale fue appellato Gulistardo; e questo gliel donò BELLICES, figlia dello re Fieramonte. Lo secondo fue morello, e fue appellato Passabrunello: questo fue de’ migliori del mondo, che gliele donòe lo re Marco. Il terzo fue bianco o vero ferrante, e fue appellato Piantagiorno; e questo gliel donò IL DUCA BRAMANTE. Il quarto fue nero, e fue appellato Brunfort; e questo gliel donò LA FATA MORGANA. Il quinto fue sagginato, e fue appellato Giuriando; e questo gliel donò MESSER INAMANTE DELLA VALLE BRUNA (Tav LXXIV, 304; cf. Bsp. 94).

5.3.5 Exkurs: Subjektpronomen – Verb – Subjektpronomen Neben V – SFOC gibt es, um ein Subjektpronomen als Focus zu markieren, ein weiteres syntaktisches Mittel, das mit der Subjektinversion zwar verwandt ist, dennoch nicht als solche bezeichnet werden kann. Dieses Verfahren besteht in der Verdoppelung des Subjektreferenten, der sowohl links als auch rechts vom Verb pronominal vertreten ist (Typus: Subjektpronomen – Verb – Subjektpronomen). Das Subjektpronomen links vom Verb ist Topic, während das zweite rechts davon den Focus konstituiert. Die ermittelten Belege stammen fast ausschließlich aus Boccaccios Decameron und Sacchettis Trecentonovelle und zeigen meistens die Verdoppelung eines Personalpronomens der ersten Person Singular. Dabei kann der Grund sowohl Kontrast als auch Exhaustive Listing sein (cf. auch Bsp. 262: «ché io sono stata IO, e non monna Collagia» und Bsp. 263: «Io non ci fui IO»):

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

(400) «Che paura avete voi? credete voi che egli vi manuchi? Li morti non mangian gli uomini: io v’entrerò dentro IO» (Dec II, 5, 82; Exhaustive Listing). (401) [Scolaio:] «Io vo’ che voi sapiate che nel principio del mondo fu deliberato che Scolaio beesse questo bicchiere di trebbiano.» […] [Capo del Corso:] «Anzi fu deliberato che io il dovea bere IO»; e detto questo e beútolo, fu tutt’uno (Tre CLXXVI, 6s.; Kontrast). Bemerkungen zu diesem Konstruktionstyp finden sich bei Gossen (1954, 86s., Anm. 1): «Bei frühen Autoren findet sich eine doppelte Stellung des Subjektpronomens, so daß das Verb von der unbetonten und der betonten Form eingerahmt ist» (mit Beispielen aus Texten verschiedener Autoren); Contini (zit. nach Branca 1992, 198, Anm. 9): «Il primo ‹io› è proclitico, il secondo enfatico.» Dieses Phänomen ist nicht mit der Konstruktion des RD zu verwechseln, bei der ein pronominales Subjekt rechts vom Kernsatz abgesetzt wird, innerhalb dessen dieses pronominal repräsentiert ist (Typus: Subjektpronomen – Verb, SubjektpronomenTOP, cf. S. 117s.): (402) […] ma io lo voglio ora riguadagnare da voi, io (Tav XCIV, 390). Im Unterschied zur homographen focusmarkierenden Konstruktion steht das zweite Subjektpronomen in Bsp. (402) außerhalb des Kernsatzes und repräsentiert das Topic. Im Gesprochenen werden beide Typen durch die Prosodie unterschieden. Im Fall einer Focus-Markierung fällt der Akzent auf das letzte Subjektpronomen, während im Fall einer Topic-Markierung der Akzent auf dem letzten Kernsatzelement liegt, welches fokussiert werden kann. Das RD-Element hingegen ist vom Kernsatz durch einen Intonationsbruch getrennt und steht im Tiefton. Die syntaktische und prosodische Segmentierung des RD kann im Geschriebenen durch ein Komma signalisiert werden. Die focusmarkierende Subjektverdoppelung findet sich nicht nur in Aussagesätzen, sondern auch in Fragesätzen. In diesem Fall stehen beide Pronomina zwar rechts vom Verb, aber nicht unmittelbar nebeneinander: (403) Li frati, […] tiratisi da parte, disse l’uno all’altro: «Vuo’ tu predicare TU, o vuogli che io predichi IO?» (Tre XXII, 4; Kontrast) (404) [Torello del maestro Dino] disse al figliuolo: «Ché non uccidiàn noi questi porci NOI e conciànli? Noi abbiamo il fante, e risparmierenci i danari che vorrebbe chi gli acconciasse; e credo che noi farèn bene come loro» (Tre LXX, 3; Exhaustive Listing).

5.4 Cleft-Konstruktion

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In Bsp. (403) nimmt das erste Subjektpronomen die Position zwischen Modalverb und Infinitiv ein und wird vom zweiten durch den Infinitiv getrennt. Als Zwischenelement kann, wie in Bsp. (404), auch ein Objekt auftreten.

5.4 Cleft-Konstruktion Neben der Objektvoranstellung und der Subjektinversion kennt das Italienische ein weiteres syntaktisches Mittel, um den Focus zu markieren, nämlich die Cleft-Konstruktion (nach dem englischen Terminus «cleft sentence», auch «Spaltsatz» genannt, it. «frase scissa», fr. «phrase clivée»). Dabei handelt es sich um eine Struktur, die sich durch syntaktische Zweiteilung in einen fokussierten Teil (eingeleitet durch die Copula essere) und eine Präsupposition im untergeordneten Teilsatz auszeichnet, Bsp. È Matteo che è venuto a trovarci in maggio, wobei immer das Gegenstück einer unmarkierten monopropositionalen ‹frase canonica› existiert (Matteo è venuto a trovarci in maggio), die in Bezug auf den propositionalen Gehalt äquivalent mit der ‹frase scissa› ist (Wehr 2013, 261).

Das Element zwischen è – che ist prosodisch hervorgehoben, während der cheSatz, der die präsupponierte Information enthält, im Tiefton liegt. Der syntaktische Status beider Bestandteile ist umstritten. Der erste Teil der Konstruktion wird z. B. als «struttura copulare […] di tipo specificativo» bei Benincà/Salvi/Frison (2001, 210), bei Berretta (2002a, 190) aber als «struttura copulare identificazionale» aufgefasst. Da die Funktion der Cleft-Konstruktion nicht identifizierend (‘X = Y’), sondern spezifizierend ist, ist Benincàs Beschreibung vorzuziehen.39 Unklar bleibt jedoch, ob essere wirklich als Kopula bezeichnet werden kann. Als noch schwieriger gestaltet sich die Bestimmung des untergeordneten Satzes, der, um nur einige Beispiele zu nennen, als «clausola relativa restrittiva» (Sornicola 1991, 52) oder als «pseudorelativa» (Berretta 2002a, 190) betrachtet wurde (cf. die weiterführende Diskussion bei Panunzi 2011, § 2 und Roggia 2012, 195). Diese klassifikatorischen Probleme hängen offenbar damit zusammen, dass man die Cleft-Konstruktion als eine aus verschiedenen Teilen zusammengesetzte Struktur zu beschreiben versucht hat. Roggia (2012, 195) zufolge lässt sich diese jedoch besser als eigenständige Konstruktion definieren, deren Bestandteile nicht getrennt von der Gesamtgestalt angesehen werden können:

39 Zum Unterschied zwischen «identifizierend» und «spezifizierend» cf. Di Tullio (2006, 485s.).

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

[…] la costruzione rivela un forte carattere non-composizionale, nel senso che le due parti in cui si articola non hanno una identità sintattica separabile dalla specifica configurazione che assumono nella [frase scissa].

In diese Richtung geht m. E. auch Wehr (1984, 63 und 2011, 198), wenn sie fr. c’est – qui/que als «diskontinuierliches Morphem» mit pragmatischer Funktion beschreibt.40 In der vorliegenden Arbeit wird essere der Einfachheit halber als Kopula bezeichnet. Das fokussierte Element wird «Cleft-Element» genannt. Der zweite Teil der Konstruktion ist der «che-Satz» bzw. der «untergeordnete Teilsatz» (nach Wehr 2013, 260s.). Die Cleft-Konstruktion dient hauptsächlich zur Markierung von Kontrast oder Exhaustive Listing. Dies liegt darin begründet, dass beide α-Funktionen eine Präsupposition voraussetzen, die ihren Ausdruck im zweiten Bestandteil der Konstruktion findet.41 Im Unterschied zum Neuitalienischen, in dem die Cleft-Konstruktion ein verbreitetes Kennzeichnungsmittel von Focus ist, kommt sie im Altitalienischen äußerst selten vor.42 Im untersuchten Korpus ist sie nur in den Trecentonovelle eindeutig belegt (lediglich zwei Fälle), zu denen zwei strittige Fälle hinzukommen (cf. unten). Es lassen sich jedoch deutlich ältere Belege finden wie im folgenden Fall, in dem das Cleft-Element eine Subjekt-Funktion im untergeordneten Teilsatz übernimmt (weitere Beispiele werden bei Roggia 2012, 198– 204 und 216 angeführt): (405) VOSTRO AMOR è che mi tene in disiro […] (Pier della Vigna, Amore, in cui disio ed ho speranza, zit. nach Roggia 2012, 199; cf. auch Durante 1981, 204 mit weniger Kontextangabe).

40 Im Französischen, wo c’est – qui/que weitgehend grammatikalisiert ist, zeigt die Kopula être keine Kongruenz mit dem Cleft-Element auf außer noch in der dritten Person Plural im geschriebenen Standard und im höheren Register der gesprochenen Sprache. Das ce dient als Dummy-Subjekt der kategoriellen Füllung der Subjektposition und ist nicht referentiell. Tendenzen zur Grammatikalisierung lassen sich ebenfalls im Italienischen beobachten, wo die Kongruenz zwischen Kopula und Cleft-Element bei Pluralformen fehlen kann. (Nicht jedoch bei Pronomina der ersten bzw. zweiten Person, nach der sich die Kopula ohnehin richtet: sono io che l’ho rotto; cf. aber fr. c’est moi qui l’ai cassé. Dies war im Altfranzösischen noch möglich: ço sui jo que ai pecchied, in Li Quatre Livre des Reis, zit. nach Wehr 2012b, 301.) 41 Im Neuitalienischen kann der untergeordnete Teilsatz jedoch auch neue Information enthalten. Zu diesem Typus cf. Schöpp (2005, 101–103); Roggia (2009, 154–156). Zum Neufranzösischen cf. Wehr (2011, 203–210). Cleft-Konstruktion mit neuer Information im zweiten Teil sind bereits im Altfranzösischen belegt. Cf. dazu Wehr (2012b, 307–309). 42 Zur Entstehung und Verbreitung der Cleft-Konstruktion im Altitalienischen cf. D’Achille/ Proietti/Viviani (2005, 267–276); Panunzi (2011, § 5); Roggia (2012).

5.4 Cleft-Konstruktion

181

Die Cleft-Konstruktion lässt sich bis ins Lateinische zurückverfolgen (cf. Löfstedt 1966): (406) CORCILLUM est, quod homines facit, cetera quisquilia omnia (Petron, Satyricon, zit. nach Löfstedt 1966, 260; cf. auch Roggia 2012, 205). Im Unterschied zum neuitalienischen Pendant kann sich das Cleft-Element im Altitalienischen sowohl vor essere (Typus: è X che) als auch danach (Typus: X è che) befinden wie in Bsp. (405) (cf. Roggia 2006, 272s.). Dies scheint meistens der Fall zu sein, wenn das Cleft-Element eine Subjektfunktion im untergeordneten Teilsatz aufweist (cf. Roggia 2012, 200). Diese syntaktische Besonderheit teilt sich das Altitalienische mit dem Lateinischen (cf. Bsp. 406), was Roggia (2012, 207) zufolge als Hinweis auf die Kontinuität zwischen beiden Sprachen zumindest im Hinblick auf die Cleft-Konstruktion mit fokussiertem Subjekt verstanden werden kann. Eine Typologie der Cleft-Konstruktionen im Altitalienischen gibt Roggia (2012, 196). Zuerst unterscheidet er – teilweise analog zu seiner Klassifizierung für das Neuitalienische (cf. Roggia 2009) – zwei Gruppen nach der Satzart (Aussage- und Fragesätze), die sich wiederum in mehrere Subtypen aufteilen. Die Cleft-Konstruktion in Aussagesätzen weist vier Typen auf: 1) die prototypische Cleft-Konstruktion («frase scissa prototipica») wie in Bsp. (405), 2) der Typus, bei dem die syntaktische Funktion des Cleft-Elements durch die subordinierende Konjunktion angezeigt wird («frase scissa con relativo flesso») wie unten in Bsp. (407), 3) der Typus mit einer präpositionslosen Temporalangabe als Cleft-Element («frase scissa temporale») wie in Bsp. (409), 4) der Typus mit Infinitiv anstelle des untergeordneten Teilsatzes («frase scissa implicita»). Typus 1 spaltet sich wiederum in zwei weitere Kategorien auf: a) mit FokusMarkierung eines Subjekts und b) mit Focus-Markierung eines Komplements. Außer für Typus 4, für den er kein eindeutiges Beispiel anbringen kann (cf. aber Bsp. 422 aus dem vorliegenden Korpus), sind alle anderen Konstruktionstypen im Altitalienischen (im weitesten Sinn) belegt (cf. Roggia 2012, 198–204). Bezüglich Typus 1 kann das Cleft-Element zwar theoretisch alle syntaktischen Funktionen übernehmen, am häufigsten anzutreffen sind aber Subjekte (Typus 1a) und Adverbialbestimmungen (Typus 1b), während andere syntaktische Funktionen (direktes, indirektes und präpositionales Objekt) schwerer zu belegen zu sein scheinen. Auch selten belegt ist Typus 2. Da dieser im vorliegenden Korpus nicht vorkommt, wird hier ein Beispiel aus Roggias Sammlung angegeben: (407) m’accorsi ch’ogni vita è cassa / salvo che quella che contempla in Dio / o ch’alcun pregio dopo morte lassa. / E QUESTO fu onde accese il disio /

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

di volermi affannare in alcun bene, / che fosse frutto dopo il tempo mio (Fazio degli Uberti, Dittamondo, zit. nach Roggia 2012, 216).43 Schließlich können alle Typen auch in Fragen vorkommen, bis auf Typus 2, der keine Entsprechung im Fragesatz hat. In Wortfragen stellt das Fragewort das Focus-Element dar (cf. unten Bsp. 422). Zum Typus 3 («frase scissa temporale») lässt sich Folgendes bemerken. Dieser konstituiert Roggia zufolge einen eigenen Typus, denn das Cleft-Element weist nicht die Präposition auf, die es im unmarkierten Fall mit sich führen würde. Man vergleiche folgende Belege aus dem vorliegenden Korpus: (408) «Egli è da ottantasei anni […] che io non òe mai mangiato altro che erbe e frutte salvatiche, e bevuta ò acqua» (Tav LVII, 249).44 (409) «Sire cavaliere, egli èe veramente ora dodici giorni che qui vennoro due cavalieri erranti […]» (Tav LVII, 250). In Bsp. (408) führt die Temporalangabe die Präposition mit sich, die sie in der frase canonica, im unmarkierten Fall, aufweisen würde (etwa ‘io non òe mai mangiato altro che erbe […] da ottantasei anni’). Nach Roggias Klassifizierungskriterien liegt demnach eine Cleft-Konstruktion vor. In Bsp. (409) hingegen fehlt die Präposition, womit wir es mit einer «frase scissa temporale» zu tun hätten. Roggia (2012, 213) weist außerdem darauf hin, dass es sich dabei um «un tipo sintattico sostanzialmente proprio dell’italiano» handelt, der auf «un […] uso non copulare di ‹essere›» zurückzuführen sei. Im Neufranzösischen wird die entsprechende Struktur mit il y a – que bzw. cela/ça fait – que konstruiert (z. B. neufr. cela fait longtemps que je ne l’ai pas vu). Wehr (2013, 263) schlägt deshalb vor, «derartige Wendungen […] als ‹idiomatisch› aus der Beschreibung heraus[zu]halten». Bereits bei Benincà (1978), die von «scisse spurie» (‘unechten Clefts’) spricht, scheiden sie aus. In der vorliegenden Untersuchung bleiben sie daher unberücksichtigt.

5.4.1 Probleme der Abgrenzung Wie es im Geschriebenen häufig der Fall ist, da die Intonation fehlt, besteht Verwechslungsgefahr zwischen der focusmarkierenden Cleft-Konstruktion und 43 Cf. dazu auch lat. «quid propero: SCYTHIA est, quo mittimur» (Ovid, Tristia, zit. nach Löfstedt 1966, 259; Hervorh: Fr. N.) und altfr. «Cio fud LUSOS ut il entrat» (Il Sant Lethgier, zit. nach Wehr 2012b, 299). 44 Für eine detaillierte Beschreibung dieses Beispiels cf. S. 191s.

5.4 Cleft-Konstruktion

183

formal ähnlichen Konstruktionen (Lookalikes),45 die keine fokussierende Aufgabe haben.46 Von der eigentlichen Cleft-Konstruktion zu unterscheiden sind in erster Linie existenzielle Aussagen. Potenzielle Ambiguität besteht hier immer dann, wenn die Existenz eines Referenten mittels essere gesetzt wird und dieser durch einen Relativsatz nachträglich spezifiziert ist; cf. etwa: (410) Però raunò [Satanasso] tutti i demonî e le Furie infernali, e pigliò consiglio da loro che via sopra questi fatti dovesse tenere, che de le genti del mondo così al tutto perdente non fosse. E fuoro certi demonî che diedero per consiglio che con Dio onnipotente cominciassero la guerra […]. E altri v’ebbe che dissero che per li demonî si turbassero e commovessero i pianeti e impedimentissesi il corso loro (Bono Giamboni, Libro de’ vizî e delle virtudi, zit. nach Roggia 2012, 198). Roggia (2012, 198s.) zufolge, dem Bsp. (410) entnommen ist, lässt fuoro certi demonî che […] trotz formaler Ähnlichkeit mit einer Cleft-Konstruktion keine fokussierende Interpretation zu. Hier werde lediglich die Existenz eines Referenten gesetzt, der durch einen Relativsatz näher bestimmt ist. Dass es sich bei essere um ein Verb der Existenz (neuit. esserci, dt. ‘es gibt’) handle, gehe aus dem nachfolgenden Text deutlich hervor, in dem ein zweiter neuer Referent in den Diskurs eingeführt wird: altri v’ebbe che, wobei als Verb der Existenz avere (cf. fr. il y a) zum Einsatz kommt.47 Ebenfalls nicht mit der Cleft-Konstruktion zu verwechseln sind Kopulasätze.48 Hier wird nichts fokussiert, sondern es werden lediglich zwei Konzepte gleichgesetzt (‘X = Y’). Man betrachte folgendes Beispiel: (411) «Sono due asini che Michelozzo manda a messer Bernabò» (Tre CLII, 10). Ohne Kontext (und ohne Intonation, die im Geschriebenen ohnehin fehlt) sind zwei Lesarten möglich. Nach der ersten Interpretationsmöglichkeit liegt eine Cleft-Konstruktion vor, wobei die NP due asini als fokussiert gilt, während der che-Satz die Präsupposition enthält: ‘Es sind ZWEI ESEL (und nichts anderes), die Michelozzo an Bernabò schickt.’ Nach der zweiten möglichen Auffassung

45 Cf. Anm. 136, S. 118. 46 Cf. dazu D’Achille/Proietti/Viviani (2005, 272–274); Roggia (2006, 273s.; 2012, 198s.). 47 Bsp. (410) wurde von Durante (1981, 204) jedoch als «frase scissa» interpretiert. Diese Auffassung wurde bereits von Roggia (2012, 198s.) kritisiert. 48 Zum Neuitalienischen cf. Benincà/Salvi/Frison (2001, 213–215). Zum Altfranzösischen cf. Sornicola (1991, 48); Wehr (2005, 364s.); Rouquier (2012, 225s.); Wehr (2012b, 292–295).

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

handelt es sich um einen Kopulasatz, in dem der Subjektreferent nicht ausgedrückt wird, weil er im Vortext oder in der Gesprächsituation präsent ist und eine Realisierung daher nicht notwendig ist (also etwa: ‘questi sono due asini che…’). Der Relativsatz enthält keine Präsupposition, sondern +NEUE Information und dient dazu, das Konzept due asini näher zu bestimmen. Aufgrund des vorliegenden Kontexts ist nun aber nur die letztere Interpretation zulässig. Der Sprecher, der zwei Esel zu Bernabò führt, wird unterwegs gefragt: «O che è questo?» (Tre CLII, 9), worauf er antwortet, dass es sich hierbei um zwei Esel handle, die Michelozzo an Bernabò schicke. Grenzfälle stellen Kopulasätze mit präsupponierter Information im Relativsatz dar. Die Unterscheidung zwischen Cleft-Konstruktion und Kopulasatz kann sich dann als äußerst schwierig, ja sogar unmöglich erweisen wie im folgenden Beispiel: (412) [Breus konnte vor Perceval und seinen Freunden unerkannt fliehen, weil diese ihn mit Briobris verwechselt hatten:] Allora Briobris sìe si trae avanti, dicendo a loro: «Signori cavalieri, e troppo siete da biasimare, e troppo avete fallito per certo, quando prendeste a difendere tale persona come è quello Breus sanza pietà; però che sua vita è onta e disinore d’ogni cavaliere arrante.» «E come, cavaliere» disse Prezzivalle, «è stato quello Breus che sì à fatto, e poi se n’è fuggito?» «Sì, fu, per la mia fè» ciò disse Briobris; «aggiatelo a certano» (Tav XCII, 378). Aus funktionaler Perspektive ist Percevals Frage è stato quello Breus che sì à fatto, e poi se n’è fuggito? mit einer fokussierenden Lesart deshalb vereinbar, weil der propositionale Gehalt des Relativsatzes gegeben ist. Dieser bezieht sich nämlich auf das zuvor Geschehene, sodass der Sprecher ihn im Bewusstsein seiner Gesprächspartner als bekannt voraussetzen kann. Aus formaler Sicht lässt die fragliche Konstruktion jedoch verschiedene Interpretationen zu: a) ‘è stato quello Breus [= Subjekt] che […]?’ b) ‘è stato quello [= Subjekt] Breus [= Prädikatsnomen] che […]?’ c) ‘è stato [ciò = nicht ausgedrücktes Subjekt] quello Breus [= Prädikatsnomen] che […]?’ Nur Fall a) entspricht einer Cleft-Konstruktion. Fälle b) und c) stellen hingegen jeweils einen Kopulasatz dar, wobei das Demonstrativ quello unterschiedlich zu interpretieren ist: als deiktisches Subjektpronomen (etwa: ‘quello è stato Breus’) in b) oder als attributives Determinativ (‘quello Breus’) in c). In b) und c) liegt keine Focus-Markierung (etwa ‘X und niemand anders’) vor, sondern bloße Identifizierung (‘X = Y’). Im letzten Fall ist das Subjekt syntaktisch nicht

5.4 Cleft-Konstruktion

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ausgedrückt. Die Frage, welche von diesen drei möglichen Interpretationen richtig ist, wird aber ungelöst bleiben, denn der Kontext liefert keinen deutlichen Hinweis zur Disambiguierung. Vielleicht liegt hier eine Mischkonstruktion vor.49 Zu den Kopulasätzen zählen ebenfalls Strukturen des Typus X EST ILLE QUI,50 bei denen X mit einem Konzept gleichgesetzt wird, das durch einen restriktiven Relativsatz mit einem Demonstrativpronomen als Antezedens repräsentiert ist (cf. auch Wehr 2012b, 301–303).51 Das kataphorische Demonstrativpronomen ist es, das den Kopulasatz und die eigentliche Cleft-Konstruktion formal auseinanderhält. Dieser Unterschied wurde aber nicht immer erkannt. So gilt folgendes Beispiel nach Durante (1981, 204) als «frase scissa»: (413) «Ma tra gli altri che molto l’amarono, mia madre […] fu quella che piú l’amò […]» (Dec II, 5, 19). Verwechslungsgefahr besteht außerdem, wenn ein vorerwähntes Subjekt (X), also ein –NEUES Konzept, weggelassen und lediglich durch die Verbendung ausgedrückt wird. Es entsteht dann eine mit der Cleft-Konstruktion homographe Struktur wie im folgenden Beispiel: (414) Ora avvenne che, tra l’altre sue popolane che prima gli eran piaciute, una sopra tutte ne gli piacque, che aveva nome monna Belcolore […]; la qual nel vero era pure una piacevole e fresca foresozza, brunazza e ben tarchiata e atta a meglio saper macinar che alcuna altra; e oltre a ciò era quella che meglio sapeva sonare il cembalo e cantare ‹L’acqua corre la borrana› e menar la ridda e il ballonchio, quando bisogno faceva, che vicina che ella avesse, con bel moccichino e gente in mano (Dec VIII, 2, 8s.). 49 Cf. Wehr (2012b, 303–307), die in Anlehnung an Muller von «construction mixte», dt. ‘Mischfall’, spricht. «Ces constructions se trouvent à mi-chemin entre les phrases à copule et les clivées, ou mieux dit, elles représentent les deux à la fois. Le fait que de tels exemples soient assez fréquents nous renseigne peut-être sur la genèse de la clivée en ancien français: bien que cette construction soit attestée déjà en latin, la présence du démonstratif est une innovation» (2012b, 307). Im Altfranzösischen weist die «construction mixte» ein anaphorisches oder deiktisches Demonstrativpronomen (cio/ço/ce) in Initialposition auf. In der CleftKonstruktion ist das Demonstrativ dagegen nicht mehr referentiell (2012b, 304s.). 50 Da das Antezedens des Relativsatzes verschiedene Formen annehmen kann (ciò, quello, colui o. Ä.), wird der Typus der Vereinfachung halber auf Lateinisch bezeichnet (analog zu Wehr 2015). 51 Sornicola (1991, 52) zufolge handelt es sich bei diesem Konstruktionstypus (bei ihr «struttura scissa con clausola relativa libera» genannt) um den «tipo patrimoniale italiano», während sie die Cleft-Konstruktion für einen Gallizismus hält.

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

In Bsp. (414) ist quella nicht Subjekt, sondern Prädikatsnomen. Der Subjektreferent monna Belcolore (‘monna Belcolore era quella che’) ist Diskurstopic und muss nicht mehr explizit ausgedrückt werden (Topic chain). Außerdem ist die im Relativsatz enthaltene Information +NEU. Kopulasätze des Typus X EST ILLE QUI sind zwar keine focusmarkierenden Konstruktionen, das Element X kann aber durchaus prosodisch fokussiert werden (Typus: XFOC EST ILLE QUI). In diesem Fall enthält der Relativsatz präsupponierte Information, die vorerwähnt oder aus dem Vortext ableitbar ist. X stellt einen Focus in situ dar in: (415) Dice lo Inquisitore: «Se’ tu prete Iuccio, il quale fai tante cattivanze?» E quelli rispose: «Non fe’ mai niuna cattività.» E detto questo, dà di piglio alli testicoli con l’altre apartinenze dello Inquisitore e dice: «Perché tenete voi questo pascipeco?52 QUESTO è quello che va facendo le cattivanze, e contra li comandamenti di Dio» (Tre CXVI, 6s.). In Bsp. (415) liegt folgendes Oppositionspaar {prete Iuccio; questo} vor, wobei das erste Glied vom Sachverhalt ausgeschlossen wird (Kontrast). Das Element X kann sich zwischen der Kopula und dem Relativsatz befinden (Typus: EST XFOC ILLE QUI): (416) [Monna Tessa ironisch:] «Alla fé di Dio, egli non era ora LA TESSA quella che t’impregnava […]» (Dec IX, 5, 64).53 oder in Endposition, wobei der Relativsatz in die Initialposition rückt (Typus: ILLE QUI – EST XFOC ): (417) La donna, udito questo, alquanto stette; poi disse: «Come? che cosa è questa che voi m’avete fatta mangiare?» Il cavalier rispose: «Quello che voi avete mangiato è stato veramente IL CUORE DI MESSER GUIGLIELMO GUARDASTAGNO […]» (Dec IV, 9, 21s.). In Bsp. (416)s. liegt Kontrast bzw. Exhaustive Listing vor. Im ersten Fall korrigiert die Sprecherin eine falsche Präsupposition ihres Gegenübers (genauer ge-

52 [P]ascipeco: «bastone pascigregge, pascipecore, met[afora] che indica il pene, dal lat. ‹pascere pecus›» (Marucci 1996, 352, Anm. 3). 53 Es handelt sich hier um eine Anspielung auf Dec IX, 3, 21. Cf. auch Bsp. (390).

5.4 Cleft-Konstruktion

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sagt: «Rejecting Focus» nach Dik 1997, 331–333), während im zweiten Fall eine unvollständige Präsupposition ergänzt wird.54 Wenn ILLE QUI in Wortfragen vorkommt (Typus: QUID/QUIS EST ILLE QUI), ist eine Focus-Markierung immer intendiert. Fokussiert wird dabei das Fragepronomen, das eine Lücke im Wissen des Sprechers darstellt, die das Gegenüber beim Antworten schließen soll (α-Focus); cf. etwa: (418) Allora il santo frate disse: «Va via, figliuolo, CHE è ciò che tu di’? […]» (Dec I, 1, 68). (419) La donna, udendo questo, tutta sbigottita rispose: «Oimè, padre mio, CHE è ciò che voi domandate? […]» (Dec III, 8, 24). (420) «Io non ci fui io: CHI fu colui che ci fu? come andò? chi ci venne?» (Dec III, 2, 18; cf. Bsp. 263) Der langen Form (z. B. che è ciò che tu di’?) steht immer ein unmarkiertes Gegenstück gegenüber (also etwa: che di’ tu?), das semantisch gleichwertig ist. Es stellt sich die Frage, welche Funktion die längere Form haben kann. In beiden Fällen wird das Fragepronomen fokussiert. Laut Wehr (2005, 365), die ähnliche Beispiele im Altfranzösischen beobachtet hat,55 hat die längere Variante jedoch «a strong emphatic function and is not equivalent to the simple form». In den vorliegenden Fällen (418)ss. sind tatsächlich Emotionen involviert (attitudes auf β1 des Beschreibungsmodells von Hammarström, cf. Abb. 1, S. 10), was man in Bsp. (418) und (419) an den Ausrufen va via bzw. oimè erkennen kann. In beiden Fällen wundert sich der Sprecher über die vorige Aussage seines Gegenübers. Dabei handelt es sich nicht um eine echte Frage, sondern vielmehr um einen Ausruf, der in Form eines Fragesatzes ausgedrückt wird. In Bsp. (420) ist der Sprecher aufgeregt, was durch das Aneinanderreihen von Fragen deutlich wird. Es scheint also so zu sein, dass die längeren Formen zusätzlich zur α-Fokussierung dem Ausdruck von β-Focus dienen.

5.1.2 Cleft-Konstruktion im untersuchten Korpus Im untersuchten Korpus ist die Cleft-Konstruktion, wie gesagt, nur in den Trecentonovelle eindeutig belegt. Es handelt sich hierbei lediglich um zwei Fälle, 54 Beim Typus ILLE QUI – EST XFOC handelt es sich um die sogenannte «Pseudo-Cleft-Konstruktion» (it. ‘frase pseudoscissa’). Der Typus EST XFOC ILLE QUI wird bei Roggia (2009, 37– 38) «frase pseudoscissa inversa» genannt. 55 Im Altfranzösischen handelt es sich hingegen um echte Cleft-Konstruktionen, wobei das Demonstrativ ce als Dummy-Subjekt aufgefasst werden soll (cf. Wehr 2005, 365s.). Cf. etwa:

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

darunter einen Fragesatz. Hinzu kommen zwei weitere Belege, die etwas diskussionswürdiger sind. Erster Beleg: (421) Alla per fine disse Ghino: «Poiché questo partito non si vince, commettete in due di noi che mandino per lo maestro Dino, e dicangli quello che si conviene, facendogli una gran paura»; e cosí feciono. E fu GHINO E UN ALTRO, che mandorono per 56 lo maestro Dino; e come fu venuto […] (Tre LXXXVII, 17). In Bsp. (421) liegt ein eindeutiger Fall von Exhaustive Listing vor. Dino di Geri Tagliamochi soll unter den Anwesenden zwei beauftragen, Maestro Dino da Olena herbeizuzitieren. Aus einem Set von möglichen Kandidaten, die für einen bestimmten Sachverhalt relevant sind, werden also zwei gewählt, wobei alle anderen ausgeschlossen werden. Die Präsupposition ist explizit im Vortext enthalten (cf. che mandino per lo maestro Dino / che mandorono per lo maestro Dino). Formal-syntaktisch entspricht Bsp. (421) dem, was Roggia (2012, 196) als prototypische Cleft-Konstruktion («frase scissa prototipica») bezeichnet hat, in der das Cleft-Element die Funktion des Subjekts im che-Satz übernimmt. Im Unterschied zu den von ihm (2012, 199s.) angeführten Beispielen aber befindet sich das Cleft-Element nicht in präverbaler Position (Typus: X è che), sondern in postverbaler Position (Typus: è X che). Während sich das Verb des che-Satzes (mandorono) nach dem Cleft-Element in Person und Numerus richtet, steht die Kopula im Singular. Im Altitalienischen kann bei vorangehendem Verb die Kongruenz fehlen, wenn der Subjektreferent noch nicht geklärt ist (cf. Durante 1981, 125). Zweiter Beleg: (422) E quelli dice: «Io andai istamane alla tale badía e sommi stato oggi con don Fortunato, e ora tornava a Todi, e l’ora tarda e ’l tempo reo m’hanno condotto qui, e non so che mi fare.» […] Dicono le romite: «CHE fu a muovervi cosí tardi?» Dice l’Appostolo: «E’ non è stato sole, li nuvoli m’hanno ingannato: poiché la cosa è qui, io vi priego che mi mettiate un poco costí dentro al coperto» (Tre CI, 5).

altfr. «Ha! sire, fet Morgue, QUE est ce que vos dites et QUE est ce que vos me demandez?» (La Mort le roi Artu. Roman du XIIIe siècle, ed. Frappier, J., Genève/Paris, 1964, § 52, 22s., zit. nach Wehr 2005, 365). 56 [M]andare per: ‘herbeizitieren’. Ghino e un altro konstituieren das Subjekt und nicht das Objekt.

5.4 Cleft-Konstruktion

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Dieser Beleg zeichnet sich durch zwei formale Besonderheiten aus: das CleftElement ist ein Fragewort, und der subordinierte Teilsatz ein Infinitivsatz. In Roggias Klassifizierung entspricht er dem Typus der «frase interrogativa scissa implicita». Da der Focus durch ein Fragewort konstituiert ist, ist die Diskursfunktion der interrogativen Cleft-Konstruktion verschieden von jener im Aussagesatz. Hier wird weder eine falsche Annahme korrigiert wie bei Kontrast noch eine Lücke im Wissen des Gegenübers aufgefüllt wie bei Exhaustive Listing, sondern der Sprecher fragt nach einer ihm unbekannten Information, die vom Gegenüber geliefert werden soll. Bei Dik (1997, 331) wird diese Funktion «Questioning Focus» genannt. Dabei kann die Präsupposition entweder im Vortext vorhanden oder wie hier aus der Gesprächssituation erschließbar sein. Zum zweiten Bestandteil der Konstruktion, dem Infinitvsatz, lässt sich Folgendes bemerken. Im Italienischen kann bekanntlicherweise in der CleftKonstruktion ein Infinitivsatz anstelle eines Relativsatzes mit finiter Verbform dann treten, wenn das Cleft-Element als «Subjekt» des Infinitivs fungiert (cf. etwa neuit. è stato Mario a dirmelo). Hierfür kann Roggia (2012, 202) aber kein eindeutiges Beispiel im Altitalienischen nachweisen und verweist auf D’Achille/ Proietti/Viviani (2005, 272), nach denen die implizite Cleft-Konstruktion frühstens bei Goldoni, also ab dem 18. Jahrhundert belegt ist. Roggia (2012, 203) erwähnt zwar einen älteren Beleg, den er D’Achille/Proietti/Viviani verdankt, dieser sei aber «di interpretazione non del tutto limpida». Bsp. (422) zeigt nun, dass es diesen Konstruktionstypus bereits früher gab, jedoch nicht vor der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Handschrift von Sacchettis Werk, aus dem dieses Beispiel stammt, ist nämlich jünger als das Original, sodass der Eingriff eines späteren Kopisten nicht ausgeschlossen werden kann. Neben diesen klaren Fällen von Cleft-Konstruktionen finden sich zwei weitere Belege, die aber weniger eindeutig sind. Dritter Beleg: (423) E non è perciò da maravigliare, però ch’e’ ciechi sono di molto piú sottile intendimento che gli altri; ché la luce il piú delle volte, mirando or una cosa e or un’altra, occupa l’intelletto dentro; e di questo si potrebbono fare molte prove, e massimamente una piccola ne conterò. E’ seranno due che favelleranno insieme; quando l’uno è a mezzo il ragionamento, passerà una donna o un’altra cosa: quelli, guardando, resta il dire suo e non lo segue; e volendolo seguire, dice al compagno: «Di che diceva io?» E questo è solo che quel vedere occupò lo ’ntelletto in altro; di che la lingua, la quale era mossa dallo ’ntelletto, non poté seguire il corso suo. E però [= per ciò] fu che Democrito filosofo si cavò gli occhi per avere piú sottili intendimenti (Tre CXCVIII, 34–36).

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5 Focus-Markierung im Altitalienischen

Allem Anschein nach erfüllt Bsp. (423) alle Kriterien, um als Cleft-Konstruktion eingestuft zu werden. Formal besteht die Aussage aus einem Teil mit essere und einem untergeordneten Teilsatz. Im Unterschied zu Bsp. (421) geht das Cleft-Element, ein Kausaladverb (altit. però), der Kopula voraus (Typus: X è che), was aber in der älteren Sprache ohne Weiteres möglich ist (cf. oben). Das funktionale Bestimmungskriterium ist insofern ebenfalls erfüllt, als der Äußerungskontext eine focusmarkierende Interpretation zulässt. Da eine Opposition zu etwas Bestimmtem nicht vorliegt, kann nur Exhaustive Listing in Betracht kommen, paraphrasierbar durch: ‘deswegen (und aus keinem anderen Grund)’. Der propositionale Gehalt des che-Satzes, der die Präsupposition darstellen sollte, ist zwar nicht vorerwähnt, kann aber als zur Allgemeinbildung gehörend betrachtet werden. Dass sich Demokrit vermeintlich die Augen ausstach, um Einsicht zu gewinnen, sollte zumindest dem gebildeten Leser des Mittelalters bekannt gewesen sein. Cleft-Konstruktionen von Kausaladverbien wie in Bsp. (423) können zu Cleft-Konstruktionen von Präpositionalphrasen (cf. etwa è per questo che) gezählt werden, bei Roggia (2012, 200s.) «frase scissa con focalizzazione di un complemento» genannt. Während es sich aber hierbei im Neuitalienischen um eindeutige Cleft-Konstruktionen handelt, lässt sich ihr altitalienisches Pendant laut Roggia (2012, 209–213) nicht ohne Weiteres einordnen. Grund hierfür sei der Ursprung dieses Konstruktionstypus im Altitalienischen, der im Gegensatz zur Cleft-Konstruktionen von Subjekten nicht lateinisch sein könne: Im Latein werde der subordinierte Teilsatz durch ein flektiertes Relativpronomen eingeleitet, während das Cleft-Element im Nominativ stehe («Scythia est quo mittimur», Ovid, Tristia, zit. nach Roggia 2012, 205). In Fällen wie Bsp. (423) liegt aber laut Roggia (2012, 209) ein im Altitalienischen verbreiteter Gebrauch von essere in der Bedeutung von ‘geschehen’ vor: «un uso assoluto del verbo ‹essere› con valore eventivo (‹avvenire, aver luogo, svolgersi, compiersi […]; verificarsi›: GDLI, s. v. essere8)». In diesem Zusammenhang stelle essere im ersten Bestandteil der Konstruktion einen eigenen lexikalischen Eintrag dar, während der subordinierte Teilsatz kompletiv sei (also etwa: ‘es geschah deshalb, dass …’). Derartige Fälle seien zwar mit einer focusmarkierenden Lesart vereinbar (compatibile), in Wirklichkeit zunächst jedoch nicht focusmarkierend. Indem wir derartige Fälle als focusmarkierend auslegten, verliehen wir daher der ursprünglichen Semantik von essere eine Bedeutung, die sie einst noch nicht gehabt hätte. Aber genau auf diese Uminterpretation sei der Grammatikalisierungsvorgang zurückzuführen, infolgedessen die Cleft-Konstruktion mit Subjekten und die mit Präpositionalphrasen zu einer einzigen Kategorie zusammengefallen wären (Roggia 2012, 212). Wenn diese Hypothese stimmt, kann unser dritter Beleg, Bsp. (423), korrekterweise nicht als eindeutiger Fall bewertet werden.

5.4 Cleft-Konstruktion

191

Vierter Beleg: (424) […] e Tristano disse: «Avventura ci à qui apportati, e siamo cavalieri di lontano paese, agli quali fae mestiere lo albergare; e ancora, per lo dì d’oggi, non abbiamo ancor mangiato niente.» E lo romito disse allora: «Egli è da ottantasei anni ch’io entrai in quella cella, che io non òe mai mangiato altro che erbe e frutte salvatiche, e bevuta ò acqua» (Tav LVII, 249; cf. Bsp. 408). Bsp. (424) stellt der Form nach eine Cleft-Konstruktion dar. Es liegt eine zweigeteilte Struktur vor, die aus einem durch essere eingeleiteten Teil und einem untergeordneten Teilsatz besteht. Das Cleft-Element ist durch eine präpositional markierte Temporalbestimmung repräsentiert, was die vorliegende Konstruktion von Roggias frase scissa temporale (Benincàs «scisse spurie») unterscheidet (cf. hier S. 182). Welcher der beiden untergeordneten Sätze (ch’io entrai in quella cella oder che io non òe mai mangiato altro che […]) der zweite Teil der Konstruktion ist, erkennt man an der Tempusform des untergeordneten Verbs, das im Einklang mit der durativen Eigenschaft der Temporalbestimmung (da, dt. ‘seit’) stehen muss. Der erste Nebensatz scheidet aufgrund des passato remoto somit aus. Die formalen Voraussetzungen für eine Cleft-Konstruktion sind hiermit zwar erfüllt, nicht jedoch die funktionalen. Ein Hinweis darauf, dass Bsp. (424) nicht mit einer focusmarkierenden Lesart vereinbar ist, ist die Tatsache, dass der che-Satz keine Präsupposition, sondern eine +NEUE Information enthält.57 Die Äußerung des Eremiten steht zwar irgendwie in Opposition zum zuvor Gesagten, aber nicht im Sinn von Kontrast oder Exhaustive Listing. Expliziter Ausschluss von möglichen Alternativen ist hier nicht intendiert. Der Dialog zwischen Tristan und dem Eremiten lässt sich folgendermaßen paraphrasieren: ‘Tristan: ‹[…] Außerdem haben wir heute noch nichts gegessen.› Der Eremit: ‹Seitdem ich vor sechsundachtzig Jahren diese Zelle betreten habe, habe ich nichts anderes als Wildkräuter und -früchte gegessen und nur Wasser getrunken.›’ Dies bedeutet, dass die vorliegende Struktur trotz Präposition am CleftElement mit einer «frase scissa temporale» (nach Roggia) gleichwertig ist. Die Präposition könnte fehlen: ‘Egli è ottantasei anni […] che io non òe mai mangiato altro che erbe e frutte salvatiche […].’ Wenn diese Interpretation richtig ist, dann ist die Präposition am Cleft-Element in Konstruktionen, in denen der erste Bestandteil eine Temporalbestimmung enthält, kein ausreichendes Unter-

57 Im Neuitalienischen kann der subordinierte Teilsatz aber neue Information enthalten. Solche Fälle gibt es sogar bereits im Altfranzösischen. Cf. hier Anm. 41, S. 180 und S. 200s.

192

5 Focus-Markierung im Altitalienischen

scheidungskriterium. Es stellt sich die Frage, ob der von Roggia angenommene Unterschied wirklich geltend gemacht werden kann. Es liegen mir jedoch nicht genug Beispiele vor, um dieses Problem der Beschreibung im vorliegenden Rahmen ausreichend diskutieren zu können.

5.5 Zusammenfassung von Kapitel 5 Bei der Focus-Markierung hat sich die Intonation als entscheidender Faktor erwiesen. Um im Altitalienischen den Focus zu markieren, genügt es, das Element, das hervorgehoben werden soll, mit Hilfe von suprasegmentalen Mitteln (starker Akzentuierung) anzuzeigen (Fokus-Markierung in situ). Neben der Intonation gibt es auch syntaktische Verfahren wie die Objektvoranstellung (OFOC – V) und die Subjektinversion (V – SFOC ), aber diese können nicht adäquat beschrieben werden, wenn die Intonation a priori ausgeschlossen wird. Denn auch wenn die Wortstellung bei fehlender Intonation zu mehr Sichtbarkeit der pragmatischen Funktion in der geschriebenen Sprache verhelfen kann, ist sie nicht ausreichend, um OFOC – V und V – SFOC von homographen Strukturen auseinanderzuhalten. Wie wir in Kap. 4 gesehen haben, können vorangestellte Objekte nämlich auch eine Topic-Funktion (OTOP – V) haben, während postverbale Subjekte auch Nicht-Topic (V – SNONTOP) oder Topic (V – STOP) sein können, wenn sie nicht gerade als abgesetzt in der Konstruktion des RD gelten (V, STOP). Daraus ergibt sich im Geschriebenen eine Ambiguität, die im Altitalienischen so nicht bestanden haben kann (cf. auch Wehr 2007, 477 auf das Altfranzösische bezogen). Im Gesprochenen werden diese verschiedenen Diskursstrategien durch die Intonation unterschieden, die es im Geschriebenen aufgrund des Textzusammenhangs zu rekonstruieren gilt. Das Altitalienische kennt zwar in Form der Cleft-Konstruktion ein weiteres focusmarkierendes Verfahren, bei dem der Focus in eine eigene Intonationseinheit gebracht und damit von der Präsupposition deutlich getrennt wird, diese Struktur stellt aber einen äußerst geringen Anteil der beobachteten Belege dar und spielt de facto synchronisch gesehen kaum eine Rolle. Außerdem hat sich die Bestimmung der Cleft-Konstruktion im Altitalienischen als äußerst schwierig erwiesen (cf. Kap. 5.4.1). Die ermittelten Belege wurden nach der jeweiligen Subfunktion der FocusMarkierung klassifiziert. Entscheidend dabei war, ob eine Präsupposition ‒ die explizit vorerwähnt oder aus dem Vorausgegangenen ableitbar sein kann oder im Augenblick der Äußerung gesetzt werden kann ‒ vorhanden ist oder nicht. Bei vorhandener Präsupposition liegt α-Focus, bei fehlender Präsupposition hingegen β-Focus vor. Im ersten Fall werden für einen bestimmten Sachverhalt

5.5 Zusammenfassung von Kapitel 5

193

in Frage kommende Alternativen explizit ausgeschlossen, während im zweiten Fall speaker attitudes (β1) emphatisch markiert werden. Die Gründe für α-Fokussierung sind hauptsächlich Kontrast (‘X, nicht Y’) oder Exhaustive Listing (‘X und nichts anderes/niemand anders’), welche bei allen Verfahren belegt werden konnten. Die vorliegende Untersuchung hat im Besonderen gezeigt, dass die Objektvoranstellung im Gegensatz zur gängigen Meinung durchaus kontrastiv verwendet werden kann, wenn auch selten, was vielleicht darin begründet liegt, dass kontrastiver Focus im Geschriebenen oft morphologisch (etwa durch ‘non X, ma Y’) zum Ausdruck gebracht wird und deshalb nicht syntaktisch markiert werden muss, um sichtbar zu sein. Außerdem wurden Fälle von V – SFOC hervorgehoben, bei denen keine Präsupposition im Vortext enthalten ist und die zur Realisierung von bestimmten kommunikativen Zwecken eingesetzt werden. In diesen Fällen macht sich der Sprecher die «evozierende» Kraft von bewährten focusmarkierenden Strukturen zunutze, um Präsuppositionen im Augenblick der Äußerung zu setzen. Dies kann u. a. dazu verwendet werden, um eine Information, die nicht in deutlicher Opposition zu anderen Alternativen steht, als «besonders interessant» für das Gegenüber zu kennzeichnen. Eine weitere wichtige Funktion von Focus ist eben das, was hier β-Focus genannt wurde und in vielen Studien bisher übersehen oder mit α-Focus verwechselt wurde (cf. «identificazione […] ‹quantitativa›» bei Vanelli 1999, 240). Die Untersuchung hat ergeben, dass Sprechereinstellungen und Emotionen, die in Hammarströms Modell der β1-Ebene der Kommunikation entsprechen, Varianten auf der Syntaxebene (auf α) konditionieren können. Dies gilt allerdings nur für die Objektvoranstellung, während die Subjektinversion und die Cleft-Konstruktion hierfür nicht geeignet sind, was sich bei Letzerer dadurch erklären lässt, dass sie aufgrund ihrer zweigeteilten Struktur an die Gliederung «Focus – Präsupposition» gebunden ist und somit nicht zum Ausdruck des präsuppositionslosen β-Focus dienen kann. Außerdem wurde festgestellt, dass das Vorkommen von β-Focus mit bestimmten semantischen Eigenschaften einhergeht. So enthält das fokussierte Element entweder einen Mengen- oder Steigerungsausdruck oder ein Attribut wie malo, buono, bello oder eine Kombination aus diesen Merkmalen. Eine Wechselbeziehung zwischen der α- und β1-Ebene wurde angenommen, wobei Semantik, Pragmatik und Syntax einander bedingen.

6 Ausblick auf das Neuitalienische Das vorliegende Kapitel soll einen Überblick über die wichtigsten topic- und focusmarkierenden Konstruktionen des Neuitalienischen bieten, wobei das Hauptaugenmerk unter Einbeziehung der Ergebnisse von Kap. 4 und 5 auf den Unterschieden zwischen Alt- und Neuitalienisch liegen soll. Die folgenden Bemerkungen betreffen in der Regel die geschriebene Sprache, während die gesprochene Sprache nur am Rande kommentiert wird. Die angegebenen Beispiele stammen aus der Forschungsliteratur sowie nicht systematisch untersuchten Prosatexten.

6.1 Topic-Markierung im Neuitalienischen Um ein Nicht-Subjekt als Topic zu markieren, verwendet das Neuitalienische hauptsächlich das LD und das RD. Bei einem direkten Objekt an der Satzspitze, welches Topic ist, hat sich die korreferentielle Reprise sogar grammatikalisiert. Von dieser Regel ausgenommen sind präverbale Objekte in der sogenannten Konstruktion der «anteposizione anaforica», die mittels eines anaphorischen Elements (Demonstrativ, uguale, stesso usw.) Bezug auf den unmittelbaren Vortext nehmen, z. B. Uguale sorte ebbe il vicepresidente.1 Derartige Fälle, die an die altitalienische Wortstellung erinnern, kennzeichnen in der modernen Sprache vor allem ein hohes Register (Benincà/Salvi/Frison 2001, 156). Bei indirekten Satzkonstituenten an der Satzspitze hingegen ist die Reprise nach wie vor fakultativ. Aber auch hier sind Tendenzen zur Automatisierung zu verzeichnen, was sich vor allem in der Umgangssprache (lingua colloquiale) beobachten lässt, cf. etwa a me mi (a me mi piace) und di questo ne (di questo ne abbiamo già parlato).2 Obwohl a me mi im Italienischen noch nicht obligatorisch ist wie im Spanischen (a mí me), betrachtet Scarano (2003, 193) dieses Phänomen im Gesprochenen als «complètement grammaticalisé». Unter präskriptiven Aspekten gilt es nach Sabatini (1985, 162) jedoch noch, eine derartige Konstruktion zu vermeiden, es sei denn, zwischen LD-Element und Reprise sind ein oder

1 Cf. Benincà/Salvi/Frison (2001, 155s.); auch Benincà (1986, 228‒230); Stammerjohann (1988, 41: «topicalisation thématique»); Berretta (2002b, 231–235; 2002c, 243–247); Ferrari (2003, 153). Nach Stammerjohann (1988, 41) gilt der anaphorische Bezug jedoch nicht als Unterscheidungskriterium, denn auch fokussierte Initialobjekte können anaphorisch sein. Zur Diskussion cf. auch Ferrari (2003, 150–154). Roggia (2008, 212), von dem ich hier die Beschreibung übernehme, spricht von «anteposizione sintattica». 2 Cf. Sabatini (1985, 162s.); auch Berretta (1985, 192s.). https://doi.org/10.1515/9783110614114-006

196

6 Ausblick auf das Neuitalienische

mehrere Einschübe vorhanden («A me non me la fai»; «A me, di questa faccenda nessuno mi aveva detto nulla»; «Di tutti i libri che ti ho regalato, non ne hai letto nemmeno uno», zit. nach Sabatini 1985, 162). Eine Tendenz zur Grammatikalisierung weisen ebenfalls LD von Demonstrativa in Verbindung mit bestimmten Verben auf, insbesondere dire und sapere, wie in: Questo lo dico.3 Als vollständig grammatikalisiert gelten hingegen Fälle von RD in Verbindung mit bestimmten Verben, bei denen das korreferentielle Klitikum lexikalisiert ist und mit dem Verb eine Einheit (einen Lexikon-Eintrag) bildet wie fregarsene, fottersene, sbattersene (cf. etwa «Io me ne fotto dell’Europa!» bei Meier 2008, 292). In anderen Fällen kann die Form mit Reprise zwar noch nicht als obligatorisch gelten, sie wird aber zunehmend bevorzugt. Ein typischer Fall von semilexikalisierter Reprise ist «averci + Klitikum» (cf. etwa «Ce l’hai cento dollari?», Baricco, Novecento, s.p.; vergleiche dagegen «ci hai il cellulare?» bei Zamora Muñoz 2002, 465, Anm. 14). Als quasi-grammatikalisiert zählen ebenfalls RD von Objektsätzen in Verbindung mit bestimmten Verben, z. B. dirlo che, vederlo che, saperlo che (cf. Rossi 1999; auch Meier 2008, 299–308 und zur abtönenden Funktion insbesondere Waltereit 2006, 160 sowie hier Kap. 4.4.3.2). Ähnliche Fälle von lexikalisierter bzw. semi-lexikalisierter Reprise finden sich ebenfalls in Verbindung mit dem LD. Sie kommen allerdings häufiger in RD vor (cf. Meier 2008, 292; zum LD cf. Nicolosi 2015, 156). Spezialfälle wie Hanging Topic- und Chinese Style Topic-Konstruktionen (HT und CST) sind aufgrund ihrer gemeinsamen (vermeintlichen) «anakoluthischen» Eigenschaft vor allem charakteristisch für die gesprochene informelle Sprache.4 Zur Topic-Markierung des Subjekts im Neuitalienischen werden das LD und das RD verwendet, wobei die korreferentielle Vertretung im Kernsatz mor-

3 Cf. Gaudino-Fallegger (1992, 217): «[L]’automatismo nominale in presenza di ‹dire›, ‹sapere› ecc. ci porta a supporre che essa [= la dislocazione] […] non abbia funzioni di tipo pragmatico (centro d’interesse ecc.) bensì testuale: essa scatterebbe al fine di garantire la posizione di topic al dimostrativo anche quando esso sia un complemento oggetto, ossia in ultima analisi per garantire il corretto espletamento delle funzioni connettive e di rinvio di ‹quest-› e, più raramente, ‹quell-›.» Cf. auch Nicolosi (2015, 153). 4 Cf. Berruto (1985, 63s.) mit den Beispielen «lo psichiatra, ne ho un’alta considerazione» [= HT] und «lo psichiatra, ho un’alta considerazione» [= CST]; auch Berretta (2002a, 179–181); Benincà/Salvi/Frison (2001, 145–149); Scarano (2003, 197s.); Meier (2008, 178–193); Roggia (2008, 213). Eine Unterscheidung zwischen HT- und CST-Konstruktionen erfolgt allerdings nicht immer: Roggia (loc. cit.) fasst beide Typen unter «tema sospeso» zusammen, Scarano (loc. cit.) unter «anacoluthes». Anders bei Berruto (loc. cit.): «anticipazione senza concordanza di caso ma con ripresa pronominale» vs. «anticipazione senza ripresa pronominale», Berretta (loc. cit.) «tema libero» (= CST) vs. «semi-libero» (= HT) und Meier (loc. cit.) «Hanging Topic» und «Chinese Style Topic». Bei Benincà/Salvi/Frison (loc. cit.) wird nur das HT (bei ihnen «tema sospeso») berücksichtigt.

6.1 Topic-Markierung im Neuitalienischen

197

phologisch durch die Verbendung erfolgt. Meier (2008, 76s.) zufolge ist das LD eines Subjekts nur möglich, wenn zwischen Subjekt und Verb längeres lexikalisches Material eingeschoben wird. Zur Topic-Markierung des Subjekts dient außerdem immer noch die Prolepse (bei Meier 2008, 89–100 zum LD gestellt). Das LD eines Subjekts mit pronominaler Reprise ist im Standarditalienischen hingegen nicht mehr möglich (cf. aber die Fälle von Reprise durch «‹pseudoklitische› Subjektpronomina» bei Meier 2008, 100). Beim RD eines Subjekts (V, STOP) besteht nach wie vor bei fehlender Intonation im Geschriebenen eine mögliche Ambiguität mit der Subjektinversion, die im Neuitalienischen u. a. zur Topic-Introduktion (V – SNONTOP) sowie zur Focus-Markierung (V – SFOC ) verwendet werden kann. Einige Vorschläge zur Abgrenzung von RD und V – S finden sich bei Meier (2008, 207–209), Wehr (2012c, 218s.) und De Cesare (2014). Neben LD und RD kennt das Neuitalienische außerdem eine weitere topicmarkierende Konstruktion, die es möglich macht, ein +NEUES Subjekt als Satztopic zu kennzeichnen. Hierfür existieren verschiedene Varianten, die unter dem Begriff «phrase à deux sommets»5 zusammengefasst werden können.6 Alle haben eine zweigliedrige Struktur gemein, die aus einem Topic-Element und einem durch che eingeleiteten Teilsatz besteht: (425) c’è Giovanni che viene (Berretta 2002a, 169). (426) ho la testa che mi fa male; ho mio padre che non sta bene (Berretta 2002a, 170). (427) è un coperchio che è caduto; ecco Maria che arriva; Maria che arriva! (Berretta 2002a, 170) Im Vergleich zu LD- und RD-Konstruktionen sind die phrases à deux sommets stärker kontextgebunden, man findet sie häufig als Antwort auf die Frage Cos’è successo? (für weitere Kontexte cf. Wehr 2000, 265s.). Der Hauptunterschied besteht aber darin, dass es keine Restriktion in Bezug auf die Identifizierbarkeit gibt (cf. un coperchio in Bsp. 427). In Bezug auf die Neuheit/Nicht-Neuheit im Diskurs aber muss das markierte Topic hier immer +NEU sein.

5 Terminus nach Bally (1965, § 108). In der Definition folge ich Wehr (2000, 242; auch 261–267 und 275–277). 6 Die Diskursfunktion der phrases à deux sommets ist umstritten. Berretta (2002a, 170) beschreibt sie als topiclose Sätze («enunciati tetici»). Koch/Oesterreicher (2011, 181) bemerken hingegen, «dass es sich in allen Fällen um ‹markierte Thematisierungen› und nicht etwa um Rhematisierungen handelt». Diese Auffassung hatte bereits Wehr (1984, 55–94; auch 2000, 275–277) in Bezug auf das Französische vertreten.

198

6 Ausblick auf das Neuitalienische

Voraussetzungen für das LD und das RD sind in der Regel die Topic-Funktion und die Identifizierbarkeit des zu markierenden Konzepts. Diese Eigenschaften büßen jedoch aufgrund einer fortschreitenden Grammatikalisierung (cf. oben) zunehmend an Bedeutung ein. Einen Hinweis darauf stellen LD und RD indefiniter NP dar (cf. Meier 2008, 148–175 und 267–282; Waltereit 2006, 170–172;7 Floricic 2006, § 3). Das Konzept kann dabei auf verschiedene Weise indefinit sein (nach Meier 2008, 148–175): generisch im Sinn von «beliebigem Element einer Klasse», durch ein Komplement spezifiziert (z. B. durch einen Relativsatz oder Vergleichselemente wie così oder come) oder in vereinzelten Fällen spezifisch-indefinit.8 LD und RD spezifisch-indefiniter Elemente, die bisher eigentlich als nicht zulässig (nicht grammatikalisch) galten, sind zwar belegt, sie stellen aber noch eine Ausnahme dar.9 Meier (2008, 344) sieht darin einen Hinweis auf eine neue Grammatikalisierungsphase beider Konstruktionen im Italienischen. Während durch ein Komplement spezifizierte Elemente bereits im Altitalienischen als Topic vorkommen, sind LD bzw. RD generischindefiniter Konzepte in der Funktion eines «beliebigen Elements einer Klasse» eine Innovation der modernen Sprache. Einige Beispiele hierfür sind: (428) LD: (a) E una sigaretta non me l’offri? (Gossen 1954, 95) (b) Capirete, in questi tempi di disoccupazione, un lavoro bisogna pure trovarlo (Gossen 1954, 97). (c) Tu qualche informazione bisogna che gliela dai a Monsignore, a noi ci fa gioco allearcelo, non credi? (Meier 2008, 161) (429) RD: (a) Me lo fate un piacere?; Lo vuoi anche tu un bicchierino? (Gossen 1954, 104) (b) Lui l’aveva una … buona storia (Baricco, Novecento, s.p.). (c) [Diskurstopic: Modellhubschrauber:] Cmq ora con il 500 riesco a farla qualche piccola traslazione, non un granche [sic] (Internetforum, Eintrag Juli 2014). Nach Meier (2008, 42) sind derartige Konzepte als +IDENT zu betrachten, sofern die gesamte Klasse für das Gegenüber auch als +IDENT gilt. Bezüglich

7 Waltereit spricht von «Konventionalisierungseffekte[n]». 8 Das Beispiel bei Meier (2008, 168) lautet: «Io un cinese l’ho veduto che mangiava pane e nient’altro» (cf. auch Gossen 1954, 68). Vielleicht handelt es sich hier aber auch um einen beliebigen Repräsentanten einer Gattung. 9 Meier (2008, 345) beschreibt sie als «merkwürdig und selten».

6.2 Focus-Markierung im Neuitalienischen

199

der pragmatischen Funktion weisen sie neben der Topic-Markierung andere Diskursfunktionen auf: In (a) schafft der Sprecher jeweils eine Atmosphäre von «camaraderie» bzw. «familiarità» (cf. Berruto 1986, 61s. in Anlehnung an Lambrecht 1981, 98; Meier 2008, 150 und 268‒271); in (b) und (c) liegt jeweils eine Funktion vor, die im Deutschen in den Bereich der Abtönungspartikeln fällt (cf. Meier 2008, 149–163 und 268–274; zum RD vor allem Waltereit 2006, 151– 173). Beispiele (c) weisen interessanterweise LD quantifizierter NP auf, die dem altitalienischen nicht fokussierenden und nicht topicmarkierenden Typus «qualche + N» ohne pronominale Reprise entsprechen (cf. S. 159s.).10

6.2 Focus-Markierung im Neuitalienischen Zur Anzeige des Focus kann wie im Altitalienischen auf die Intonation in situ,11 die Objektvoranstellung (OFOC – V), die Subjektinversion (V – SFOC ) und die Cleft-Konstruktion zurückgegriffen werden (cf. im Folgenden Bsp. 432ss.). Während OFOC – V und V – SFOC an bestimmte syntaktische Funktionen (NichtSubjekt/Subjekt) gebunden sind, sind die Focus-Markierung in situ und die Cleft-Konstruktion in dieser Hinsicht keinen Restriktionen unterworfen. Die textsortenspezifische und -übergreifende Untersuchung Bernoths (2003) zeigt, dass sowohl im Gesprochenen als auch im Geschriebenen die Voranstellung (bei ihr «Linksrhematisierung») und die Cleft-Konstruktion (bei ihr «Spaltsatz») zur Hervorhebung des Objekts (direkt sowie indirekt) selten verwendet werden, wobei sich eine leicht erhöhte Frequenz beider Phänomene in der imitierten gesprochenen Sprache verzeichnen lässt (Bernoth 2003, 149, 178 und 239). Die kontrastive Studie Schöpps (2005, 95), die nicht auf das Objekt beschränkt ist, zeigt, dass in Prosatexten am häufigsten die Cleft-Konstruktion, gefolgt von V – SFOC und der Voranstellung eines Nicht-Subjekts, verwendet wird. Bezüglich der Cleft-Konstruktion im Besonderen zeigt Roggia (2009, 69– 80), dass a) der implizite Konstruktionstypus (mit einem Infinitiv anstelle des subordinierten Teilsatzes) im Geschriebenen häufiger als die prototypische Struktur mit einem subordinierten Satz im zweiten Teil der Konstruktion vorkommt (cf. 2009, 71), b) es sich beim Cleft-Element meistens um ein Subjekt handelt (2009, 74) und c) die Cleft-Konstruktion vor allem in formellen Kontex-

10 Zur syntaktischen Markierung quantifizierter NP cf. Benincà/Salvi/Frison (2001, 156–159 und 171–182); Leonetti (2016). Zu LD quantifizierender Indefinitpronomina cf. insbesondere Floricic (2006; 2013), mit einer Interpretation als topicmarkierend wie bei Meier (2008). 11 Ein Beispiel hierfür ist: «[R]egalerò un libro ad una raGAZza [e non a un ragazzo]» (Berretta 2002b, 222; Hervorh. im Original).

200

6 Ausblick auf das Neuitalienische

ten anzutreffen ist (2009, 77; auch Berretta 2002a, 193).12 Wenn man diese statistischen Angaben mit dem im vorliegenden Korpus ermittelten Material vergleicht, stellt man also bezüglich der Distribution im Geschriebenen eine Verschiebung zugunsten der Cleft-Konstruktion fest, die in der älteren Sprache nur einen äußerst marginalen Anteil der Belege ausmachte. Für die Ausbreitung der Cleft-Konstruktion in der modernen Sprache kommen De Cesare (2012, 13–14) zufolge zwei Gründe in Frage. Zum einen werde diese auf die heutige Tendenz zurückgeführt, syntaktische Strukturen der gesprochenen Sprache in die geschriebene aufzunehmen, um den geschriebenen Standard an den alltäglichen Sprachgebrauch (italiano dell’uso medio) anzunähern. Zum anderen werde sie als Folge fremdsprachlichen Einflusses aufgefasst, wobei früher das Französische (cf. hier S. 8), heutzutage das Englische als in Frage kommendes Adstrat genannt wird. Zum ersten Punkt bemerkt De Cesare jedoch, dass die Registerzugehörigkeit der Cleft-Konstruktion stark von ihrer Form abhängt. Während Strukturen des Typus chi è che ha telefonato (Bsp. zit. nach De Cesare 2012, 14) informell sind, kommen diejenigen mit einem Infinitiv anstelle des subordinierten Teilsatzes häufiger in formellen Kontexten vor (cf. auch oben Roggia). Zum zweiten Punkt zeigt De Cesares kontrastive Untersuchung zu Online-Meldungen italienischer und englischer Nachrichtenagenturen, dass das Vorkommen von Cleft-Konstruktionen in italienischen OnlineMeldungen nicht dem Einfluss des Englischen geschuldet sein könne. Zur Häufigkeit der Cleft-Konstruktion trägt außerdem ein neuer Typus bei, bei dem der untergeordnete Teilsatz neue, also nicht präsupponierte Information vermittelt (cf. Roggia 2009, 80).13 Auf diesen besonderen Konstruktionstypus hat zuerst Prince (1978, 898–903) aufmerksam gemacht (bei ihr «informativepresupposition it-cleft» genannt). Im Italienischen unterscheidet Berretta (2002a, 195s.) dabei zwischen anaphorischen und nicht-anaphorischen CleftElementen. Im ersten Fall liege eine satzverbindende Strategie vor, die die neue, im untergeordneten Teilsatz enthaltene Information als gegeben («come un dato di fatto») präsentieren soll. Das Cleft-Element sei dabei Focus. Im zweiten Fall handle es sich um eine Strategie ohne focusmarkierende Funktion, deren Aufgabe es sei, neues Material in den Text einzuführen. Auch Schöpp (2005, 101–103) erkennt zwei Funktionen: eine satzverbindende («è … che-coesivo») und die des Exhaustive Listing (bei ihm «Gap filling» genannt), wobei er sich unsicher darüber ist, ob beide Funktionen getrennt oder zusammen

12 Cf. auch Wehr (2013, 264). 13 Ein Beispiel: «Fu allora che, guardando l’orologio, mi resi conto nell’ordine: a) che Margherita era già pronta […]; b) che non ero affatto pronto; c) che forse stavo leggermente rincoglionendo» (Carofiglio, Ad occhi chiusi, 43–44). Cf. auch Anm. 41, S. 180.

6.2 Focus-Markierung im Neuitalienischen

201

vorkommen. Laut Roggia (2009, 154–156), der nur den Konstruktionstypus mit anaphorischem Cleft-Element behandelt, soll durch «pragmatic accommodation» (Terminus nach Lambrecht 1994, 65–73) neue Information als bekannt vorgestellt werden. Im vorliegenden altitalienischen Korpus liegen keine vergleichbaren Beispiele vor, auch nicht im Korpus Roggias (2012), im Altfranzösischen allerdings schon (cf. Wehr 2012b, 307–309).14 Die empirische Untersuchung in Kap. 5 ergab, dass den focusmarkierenden Mitteln im Altitalienischen eine gewisse Ambiguität innewohne, weil immer die Gefahr einer Verwechslung mit homographen Konstruktionen besteht und die Intonation, wichtigster Indikator pragmatischer Funktionen, in der geschriebenen Sprache nicht mit transkribiert wird. Die moderne geschriebene Sprache kennt nun in der Form der Cleft-Konstruktion ein eindeutigeres Mittel, um den Focus zu markieren, was zumindest ein weiterer Grund für ihr häufigeres Vorkommen im schriftlichen Kommunikationsmodus sein könnte.15 Ebenfalls eindeutig ist die pragmatische Funktion des direkten Objekts, da ein direktes Objekt, welches als Initialtopic kodiert wird, in der Regel klitisch wieder aufgenommen werden muss, während bei einem fokussierten Objekt die Reprise fehlt (cf. Meriggi 1938, 3s.; auch Gossen 1954, 78s.; Stammerjohann 1988, 38s.).16 Bei Nicolosi (2012a, 133) wird dieser Sprachwandel folgendermaßen dargestellt:17

italiano antico

italiano moderno

O–V

LD

FOCUS

TOPIC

O–V

LD

Abb. 4: Sprachwandel bei der Markierung des direkten Objekts.

14 Zum Neufranzösischen cf. Wehr (2011, 203–210). 15 Eine potenzielle Verwechslungsgefahr besteht allerdings mit der homographen phrase à deux sommets des Typus è…che und mit Kopulasätzen (cf. Benincà/Salvi/Frison 2001, 213–214). 16 Meriggi (1938, 3), wenn auch in anderer Terminologie: «la frase colla ripresa ha senso concessivo, la frase senza ripresa e con tutt’altra intonazione ha senso avversativo o, diciam meglio, oppositivo». Das Beispiel bei Meriggi lautet: «i campi me li ha lasciati, ma i soldi no» (Topic-Markierung) vs. «I CAMPI mi ha lasciati, non i soldi» (Focus-Markierung; Hervorh. Fr. N.). 17 D’Achille (1990b, 291) zufolge lässt sich die Grammatikalisierung der Reprise eines direkten Objekts, welches Topic ist, auf die Phase zwischen 1612 und 1799 zurückführen.

202

6 Ausblick auf das Neuitalienische

Allerdings lassen sich immer häufiger Initialobjekte beobachten, die klitisch wieder aufgenommen werden, obwohl sie keine Topic-Funktion besitzen. Man vergleiche folgende Beispiele: (430) Ma una cosa voglio dire: mai mi sono arreso e mai lo farò..!! (Internet, Eintrag vom 18.05.2014) (431) Sono senza parole, ma una cosa la voglio dire: Vergogna! (Internet, Eintrag vom 12.08.2012) In beiden zitierten Fällen wird eine kataphorische Objekt-NP in Initialstellung markiert. Während aber in Bsp. (430) eine Objektvoranstellung vorliegt, wird die kataphorische Objekt-NP in Bsp. (431) klitisch wieder aufgenommen. Laut Meier (2008, 166s.), die derartige Fälle als nachträglich spezifizierte Konzepte beschreibt, dient das LD hier nicht zur Topic-Markierung, sondern dazu, «Spannung aufzubauen». Überhaupt stellt sich die Frage, ob derartige Beispiele als LD beschrieben werden dürfen, wenn sie nicht durch die Funktion der Topic-Markierung bedingt sind. Wenn ja, würde dies die in Kap. 6.1 beobachteten Grammatikalisierungstendenzen bestätigen. Berretta (2002a, 187; 2002b, 230s.; 2002c, 249s.) stellt fest, dass eine Paraphrasierung durch die Cleft-Konstruktion hier nicht möglich ist, sondern vielmehr diejenige durch eine phrase à deux sommets (bei ihr «frase presentativa» genannt); cf. etwa: «c’è una cosa che tiene a far sapere» (2002b, 231). Im Altitalienischen wird zur syntaktischen Markierung von una cosa ausschließlich O – V verwendet. Eine pronominale Reprise des vorangestellten Leerelements ist nicht belegt (Kap. 5.2.3). Unter funktionalem Gesichtspunkt lassen sich durchaus Parallelen zwischen Alt- und Neuitalienisch feststellen, was sich vor allem in der Hauptfunktion von α-Focus («expliziter Ausschluss von möglichen Kandidaten, die für einen bestimmten Sachverhalt in Frage kommen») beobachten lässt: (432) OFOC – V: [Giuliano:] «Addio…. Cioè…. ora, se divento vostro segretario, dovrò darvi del voù.» [Duca:] «Tu scherzi!… Allora non mi sono spiegato. … UN COMPAGNO, io cerco … non un servo» (Bellini, Tignola, 61; cf. auch Gossen 1954, 78, aber ohne Kontextangabe; Kontrast). (433) V – SFOC: «Ci portano loro alle case, domani?» […] «No, no» […]. «Vi ci porto IO, architetto» (De Carlo, Giro di vento, 16; Kontrast).

6.2 Focus-Markierung im Neuitalienischen

203

(434) Cleft-Konstruktion: «Architetto, io non vi volevo portare subito» […]. «È stata LA SIGNORINA NOVELLI che ha insistito. Io avevo programmato tutto per portarvi domattina» (De Carlo, Giro di vento, 43; Kontrast). Durch V – SFOC und die Cleft-Konstruktion kann auch eine Präsupposition im Augenblick der Äußerung gesetzt werden. Diese spezielle Diskursfunktion steht in eindeutiger Kontinuität mit dem, was wir im Altitalienischen beobachtet haben; cf. etwa zu V – SFOC Bsp. (383): «ed avealo donato al duca LA PULCELLA DELL’ISOLA DI VALLONE» mit folgendem Fall aus dem Neuitalienischen: (435) Riconosce i salami, sono infatti di sua proprietà. Glieli aveva portati PIETRO PALAZZI dalla bottega del fratello (Tomizza, La finzione di Maria, zit. nach Wehr 2012c, 215; Exhaustive Listing). Wie im Altitalienischen zeigen derartige Belege ein anaphorisches Objektpronomen in Initialstellung, das einen Topic-Status innehat.18 β-Focus wird im Neuitalienischen hauptsächlich durch die Intonation (cf. hier Kap. 2.3.2.2) und die Objektvoranstellung zum Ausdruck gebracht; cf. Bsp. (436). Hinzu kommt noch das RD, insofern als es zur Hervorhebung des letzten Kernsatzelements dienen kann; cf. Bsp. (437): (436) OFOC – V: Giacchè i miei fratelli hanno detto di no… – UNA SCIOCCHEZZA hanno detto! (Verga, Mastro-don Gesualdo, 95; cf. auch Stammerjohann 1988, 42).19 (437)

V – SFOC und RD: … cadendo nel fascino del cane Capi, per il quale (…) aveva una gran simpatia. – Mi piacerebbe averlo IO un cane cosí! (Ginzburg, Lessico famigliare, zit. nach Wehr 1995, 82)

18 De Cesare (2012, 24–25) zufolge ist dieser besondere V – S-Typus in Online-Meldungen von Nachrichtenagenturen häufig anzutreffen, und zwar mit der Funktion, die Nachrichtenquelle hervorzuheben. 19 «Ici, le complément d’objet topicalisé [zu ersetzen durch ‹focalisé›, Fr. N.] fait le plus explicitement partie de ce que j’appellerai une ‹évaluation› de ce qui précède, que ce soit quelque chose de dit ou de sous-entendu» (Stammerjohann 1988, 42).

204

6 Ausblick auf das Neuitalienische

Bezüglich der Objektvoranstellung stellt Gossen (1954, 79) fest, dass diese oft im exklamativen Satz vorkommt. Wie im Altitalienischen lassen sich viele Beispiele beobachten, die einen Mengenausdruck oder ein intensivierendes Element enthalten (cf. Berretta 2002b, 229s.). In Kontinuität mit dem Altitalienischen sind auch Voranstellungen von negierten NP zu beobachten (z. B. «NULLA DI NULLA io sapevo», Baldini, Michelaccio, zit. nach Stammerjohann 1988, 36; Hervorh. im Original). Wer sich die in der Forschungsliteratur angegebenen Beispiele für focusmarkierende Voranstellungen (α wie β) ansieht, stellt fest, dass diese überwiegend aus geschriebenen Texten stammen (z. B. Meriggi 1938, Gossen 1954, 79s., Stammerjohann 1988). Duranti/Ochs (1979, 386 und Anm. 9) und Stammerjohann (1988, 43) konnten in ihren jeweiligen Tonaufnahmen tatsächlich nur sehr wenige Beispiele beobachten (zwei bei Duranti/Ochs). Einige zufällig gehörte Beispiele gibt Berretta (2002a, 186–189; 2002b, 226–230) an. Bei Benincà/ Salvi/Frison (2001, 149–154) finden sich nur konstruierte Beispiele. Diese Tatsache ist durchaus bemerkenswert, denn im Geschriebenen kommen die meisten Beispiele vorwiegend in direkter Rede, oft in Ausrufen, vor, wo sie die gesprochene Sprache fingieren sollen. Ein Zusammenhang zur Mündlichkeit, wenn auch indirekt, kann also nicht bestritten werden, so selten diese Konstruktion im Neuitalienischen auch sein mag. Manche Forscher sind der Meinung, OFOC – V sei eher eine formelle Konstruktion (cf. etwa Koch/Oesterreicher 2011, 181 zum Französischen). Dies stimmt m. E. nur in bestimmten Kontexten wie auf der Erzählebene, in der «die Voranstellung des Objektes, besonders bei älteren Autoren, wie z. B. Alfieri, oft die Folge satzrhythmischer Erwägungen» sein kann (Gossen 1954, 79). Auch Berretta (2002b, 229s.) macht auf den gehobenen Charakter («effetto di stile ‹alto›») einiger Fälle aufmerksam: (438) MILLE SAVI CONSIGLI mi dava continuamente […] (Alfieri, zit. nach Gossen 1954, 79). (439) uno spettacolo che AMPIO SUCCESSO ha riscosso qui a Roma (Berretta 2002b, 230). Derartige Beispiele sind deshalb stilistisch markiert, weil sie an die altitalienische Wortstellung erinnern. In anderen Fällen aber liegt solch ein stilistischer Wert offenbar nicht vor.

7 Zusammenfassung Ziel dieser Arbeit war es, zu zeigen, dass man nicht auf die pragmatischen Funktionen Topic und Focus verzichten kann, wenn man die Syntax des Altitalienischen adäquat beschreiben will. Die empirische Untersuchung hat deutlich gezeigt, dass die syntaktische Markierung von Satzgliedern maßgeblich pragmatisch bedingt ist. Weicht der Sprecher von der üblichen Wortstellung ab, so will er entweder das Topic oder den Focus markieren. Für die TopicMarkierung sind die Objektvoranstellung, das LD, die Prolepse und das RD zuständig (Kap. 4). Um den Focus anzuzeigen, kann der Sprecher auf die Intonation in situ, die Objektvoranstellung, die Subjektinversion und in vereinzelten Fällen die Cleft-Konstruktion zurückgreifen (Kap. 5). Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist, dass manche markierte Strukturen nur in Verbindung mit der im Geschriebenen zu rekonstruierenden Intonation als topic- oder focusmarkierend beschrieben werden können (Kap. 5.5). Während eine segmentierte Struktur, wenn wir von vereinzelten Ausnahmen absehen, das Topic (LD, RD, Prolepse) oder den Focus (Cleft-Konstruktion) deutlich anzeigen, besitzt die Wortstellung im Altitalienischen keine unterscheidende Funktion. So kann ein Objekt, das links vom Verb steht, sowohl das Topic als auch den Focus konstituieren, während ein postverbales Subjekt je nach Kontext Nicht-Topic, Focus oder Topic sein kann. Liegt nun kein morphosyntaktisches distinktives Merkmal vor, so kann es dann nur die Intonation sein, die homographe Strukturen auseinanderhält (cf. Lambrecht 1994, 31): Also OFOC – V und V – SFOC weisen Focus-Intonation des vorangestellten Objekts bzw. des nachgestellten Subjekts auf. Zu welchem Ergebnis der Ausschluss der Intonation aus der Sprachbeschreibung führt, wird bei Lombardi Vallauri (2004) oder in generativen Studien mehr als deutlich. Während Lombardi Vallauri die focusmarkierende Funktion von O – V abstreitet, sind sich generativ orientierte Forscher über die Zahl der in einer virtuellen Satzstruktur anzunehmenden Positionen uneinig (cf. Lombardi/ Middleton 2004 und Benincà 2010). Unter Berücksichtigung der Intonation lässt sich aber dieses Problem jedoch einfach beheben. Handelt es sich um geschriebene Sprache, so muss man eine «stille» Intonation voraussetzen, die beim «reading act» (Hammarström 1976a, 3) mental realisiert wird, wobei der Leser sie durch lautes Vorlesen mündlich realisieren kann. Im letzteren Fall liegt «scritto parlato» (Meier 2008, cf. auch Kap. 2.2) bzw. «spoken written language» (Hammarström 2000, 5) vor. Durch systematische Beschreibung der pragmatischen Merkmale der Konstruktionen (Identifizierbarkeit des Topics und Diskursfunktionen der TopicMarkierung einerseits, Präsupposition und Art von Focus andererseits) war es möglich, die verschiedenen Strukturen unter pragmatischem Gesichtspunkt zu https://doi.org/10.1515/9783110614114-007

206

7 Zusammenfassung

vergleichen. (Zu syntaktischen Unterschieden cf. die jeweiligen Zusammenfassungen in Kap. 4.5 und 5.5). Bezüglich der Topic-Markierung lässt sich zusammenfassend sagen, dass es Konstruktionen gibt, die geeigneter sind, an das zuvor Gesagte anzuknüpfen wie OTOP – V, während andere wie das LD oder die Prolepse eine stärkere topic-etablierende Funktion aufweisen, wobei das TopicElement jeglichen Bezugs zum unmittelbaren Vortext entbehren kann. Andere Konstruktionen wie das RD können neben der Funktion der Topic-Markierung zur Fokussierung des letzten Kernsatzelements oder zur Abtönung verwendet werden. Was die Focus-Markierung angeht, hat sich herausgestellt, dass Kontrast im Vergleich zu Exhaustive Listing selten mit Hilfe der Syntax markiert wird, was bei Kontrast auf begleitende morphologische Focus-Indikatoren zurückgeführt werden konnte, die eine zusätzliche syntaktische Markierung fakultativ machen (cf. S. 154). Viel häufiger anzutreffen ist die Markierung von β-Focus, die hauptsächlich durch OFOC – V realisiert wird. Der emphatische Focus ist per se an die Mündlichkeit gebunden und soll deshalb im Geschriebenen deutlicher signalisiert werden, indem er zusätzlich zur zu rekonstruierenden Prosodie syntaktisch markiert wird (cf. S. 162s.). Ein besonderes Augenmerk lag auf der syntaktischen Variation zwischen der Objektvoranstellung und dem LD; einer Variation, die sich auch in anderen Sprachen findet und der viele Forscher Aufmerksamkeit geschenkt haben.1 Die Untersuchung des vorliegenden Korpus führte zu folgendem Ergebnis hinsichtlich der Hauptfunktionen von O – V und des LD im Altitalienischen: Während O – V sowohl das Topic als auch den Focus anzeigen kann, kann das LD nur zur Markierung des Topics dienen. Was insbesondere das LD betrifft, wurde zwischen LD einfacher NP und LD komplexer NP differenziert. Im letzteren Fall ist die Segmentierung insofern doppelt motiviert, als die Länge des LDElements aus syntaktischen und kognitiven Gründen eine pronominale Reprise im Kernsatz erfordert. Fälle von komplexen Initialobjekten ohne pronominale Reprise sind für O – V zwar belegt, im Unterschied zum LD aber äußerst selten. Die Variation zwischen OTOP – V und LD betreffend besteht in funktionaler Hinsicht theoretisch kein Unterschied. Allerdings werden beide Strukturen verschieden eingesetzt, was sich am Augenfälligsten im Bereich der komparativen Funktion und der anaphore résomptive äußerte (Näheres cf. Kap. 4.1.3 und die Zusammenfassung in Kap. 4.5).

1 Bezüglich des Englischen verfügen wir beispielsweise über die interessanten Studien von Prince (1981b, 1984 und 1997) und Birner/Ward (1998) mit teilweise ähnlichen Ergebnissen wie unseren. Im Gegensatz zum Englischen setzt aber die Objektvoranstellung im Fall von FocusMarkierung im Altitalienischen nicht immer eine Präsupposition voraus (cf. etwa β-Focus-bedingte Voranstellungen in Kap. 5.2.2).

7 Zusammenfassung

207

In Bezug auf das Texttypenmodell Meiers (2008) konnten wir aus den Untersuchungsergebnissen außerdem schließen, dass manche Konstruktionen durchaus als Merkmal des gesprochenen Altitalienisch betrachtet werden können. Meiers Modell zeigt deutlich, dass es Textsorten gibt, die von vornherein an beide Modi der Kommunikation gebunden sind, wie in unserem Fall die fingierte Mündlichkeit (cf. Kap. 2.2). Im hier untersuchten Korpus narrativer Prosa wurde ein häufigeres Vorkommen von LD und RD in direkter Rede beobachtet. Hinzu kommt, dass das RD und die Prolepse auffällig oft in Fragen auftreten, die, weil sie an die turn-Übergabe gekoppelt sind, sprachliche Interaktion, wenn auch fiktiv, voraussetzen. Auch wenn es sich hier nur um indirekte Hinweise handelt, so können wir doch daraus auf den mündlichen Charakter mancher Diskursstrategien schließen, zumal diese im Neuitalienischen vor allem im Gesprochenen anzutreffen sind. Schließlich wurden die hier behandelten Konstruktionen auf ihre formale und funktionale Kontinuität im Italienischen hin geprüft, indem sie mit ihrem Gegenstück im Neuitalienischen verglichen wurden. Das Neuitalienische zeichnet sich im Vergleich zum Altitalienischen durch funktionale Spezialisierung und größere Deutlichkeit bei der Markierung der pragmatischen Funktionen Topic und Focus aus. Dies trifft vor allem auf die gesprochene Sprache zu, in der das LD und das RD zur Grammatikalisierung tendieren, was allerdings nicht ohne eine gewisse Einbuße an Funktionalität einhergegangen ist (cf. die Typen a me mi und di questo ne, LD und RD von Indefinita, RD in Verbindung mit bestimmten Verben). Das LD hat sich auf die Topic-Markierung des direkten Objekts spezialisiert, während ein vorangestelltes direktes Objekt ohne Reprise in der Regel nur noch Focus sein kann. Ein weiterer Hinweis auf die funktionale Spezialisierung der Konstruktionen in der modernen Sprache ist das häufigere Vorkommen der Cleft-Konstruktion, die den Focus eindeutig markiert. Die Diskussion über die hier behandelten Probleme ist mit dieser Arbeit noch nicht abgeschlossen. Vor allem sollten die erzielten Ergebnisse anhand eines textsortenübergreifenden Korpus überprüft werden.

8 Überblick über die verschiedenen Konstruktionstypen von Topic- und Focus-Markierung im Altitalienischen Topicmarkierende Konstruktionen I. II.

Objektvoranstellung lo pregio diede tutto per Dio alli poveri

...............................

46

Left Detachment einfacher Elemente la vostra venuta, io l’òe molto cara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Left Detachment komplexer Elemente quelle quatro orazioni che m’imponeste, io l’ho dette tutte

................

78s.

............................

92

...................................

95

.....................................

99

Prolepse in Aussagesätzen li muli non so che si hanno aúto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messer Polo, quando li vidde, non si levò da sedere per loro . . . . . . . . . . . . . .

100 101

Right Detachment Molto tosto l’avete voi trangugiata, questa cena

130

Hanging Topic-Konstruktion questo homo li venne uno male nelgli occhi Chinese Style Topic-Konstruktion Voi, singnore, né metto né tragho III.

IV.

Prolepse in Wortfragen O vostro marito come ha nome?

........................

Focusmarkierende Konstruktionen I.

II. III. IV.

Fokussierung in situ eines Subjekts [chie aveva morti quegli pastori:] QUELLO FOLLE gli à morti

..............

145

Fokussierung in situ eines Objekts non piangi LUI, ma piangi LO TUO DANNO

............................

148

Objektvoranstellung TRE BATTAGLIE hoe fatte di canpo ordinate

...........................

157

....................................

170

Subjektinversion È piú suo parente MIO MARITO

Cleft-Konstruktion VOSTRO AMOR è che mi tene in disiro

..............................

180

Anmerkung: Es wird immer die Seitenzahl des Beispiels angegeben. Zu den verschiedenen Konstruktionen cf. das Inhaltsverzeichnis. https://doi.org/10.1515/9783110614114-008

9 Literaturverzeichnis 9.1 Korpus Verwendete Ausgaben Dec = Boccaccio, Giovanni, Decameron, ed. Branca, Vittore, 2 vol., Torino, Einaudi, 31992 [zitiert wird nach Tag, Novelle und Paragraph]. Pan32 = [Novelle del Panciatichiano 32], in: Le novelle antiche dei codici PanciatichianoPalatino 138 e Laurenziano-Gaddiano 193, ed. Biagi, Guido, Firenze, Sansoni, 1880, 133–204 [zitiert wird nach Novelle und Seite]. Tav = La Tavola Ritonda, ed. Heijkant, Marie-José, Milano, Luni Editrice, 31999 [zitiert wird nach Kapitel und Seite]. Tre = Sacchetti, Franco, Il Trecentonovelle, ed. Marucci, Valerio, Roma, Salerno Editrice, 1996 [zitiert wird nach Novelle und Paragraph]. UrNov = Libro di novelle e di bel parlare gientile [Ur-Novellino], in: Il Novellino, ed. Conte, Alberto, Roma, Salerno Editrice, 2001, 163–264 [zitiert wird nach Novelle und Paragraph].

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Personenregister Ascoli, Graziadio Isaia 25 Ashby, William J. 117 Bally, Charles 5, 62, 116, 197 Barnes, Betsy K. 15–16, 24, 41, 45, 49, 62, 94 Bazzanella, Carla 46, 88 Benincà, Paola 4, 6, 25–26, 34, 53, 60, 62, 89–90, 100, 108, 150, 160, 166, 179, 182–183, 191, 195–196, 199, 201, 204– 205 Bernini, Giuliano 62 Bernoth, Anja 19, 199 Berretta, Monica 20–21, 69, 87, 148, 150, 164, 179, 195–197, 199–200, 202, 204 Berruto, Gaetano 6, 120, 128, 196, 199 Biagi, Guido 28–29 Bianco, Francesco 29, 62 Birner, Betty J. 23–24, 37, 55, 59, 105, 111, 206 Bisang, Walter 49–50 Blasco Ferrer, Eduardo 131 Blumenthal, Peter 8 Boström, Ingemar 26 Branca, Vittore 26, 29, 109, 122, 124, 178 Brockmeier, Peter 130, 159 Bußmann, Hadumod 98 Cardinaletti, Anna 26–27 Castellani, Arrigo C. 47, 62 Chafe, Wallace L. 13, 18–20, 23, 94–96 Ciepielewska-Janoschka, Anna 28–29, 83 Cinque, Guglielmo 89, 98 Colella, Gianluca 27, 58 Consales, Ilde 109, 147 Conte, Alberto 26, 29, 51, 83, 95, 169 Conte, Maria-Elisabeth 55 D’Achille, Paolo 5–6, 8–9, 15, 31, 62, 66– 69, 83, 87, 90, 152, 180, 183, 189, 201 Daneš, František 17 Dardano, Maurizio 1, 4, 12, 25, 27, 31, 57– 58, 73, 88, 91–92, 111, 147, 163 De Cesare, Anna-Maria 133, 197, 200, 203 De Jong, Jan R. 21, 158 https://doi.org/10.1515/9783110614114-010

De Roberto, Elisa 40, 49, 91, 141 Debanne, Alessandra 4 Di Tullio, Angela Lucia 179 Dik, Simon C. 16, 18, 49–50, 157, 170, 187, 189 Dudtenhöfer, Ulrich 3, 16, 41–42, 44, 117, 126, 128, 140 Durante, Marcello 8, 180, 183, 185, 188 Duranti, Alessandro 204 Egerland, Verner 26–27, 91–92 Escandell-Vidal, Victoria 21, 161 Ewert-Kling, Karin 5, 16, 22–24, 35, 37, 41– 42, 44–45, 55, 89, 94, 114–115, 127– 128, 133 Faccioli, Emilio 83, 122, 125 Ferrari, Angela 6, 96, 195 Fesenmeier, Ludwig 4, 7–8, 26, 31, 34–35, 153–154, 157, 167 Fiorentino, Giuliana 62, 67 Fleischman, Suzanne 1, 22 Floricic, Franck 198–199 Fornaciari, Raffaello 15 Frison, Lorenza 6, 60, 62, 89–90, 100, 150, 160, 166, 179, 183, 195–196, 199, 201, 204 Gaudino-Fallegger, Livia 79, 196 Geluykens, Ronald 16, 53–54 Gossen, Carl Theodor 21, 26, 66, 133, 136, 178, 198, 201–202, 204 Gundel, Jeanette K. 16 Halliday, Michael A. K. 17 Hammarström, Göran 9–13, 17–18, 20, 25, 38, 62, 143, 149–150, 157–158, 187, 193, 205 Härmä, Juhani 64, 98 Harold, Bruce B. 53 Havers, Wilhelm 89 Heijkant, Marie-José 29, 70, 96, 160 Hentschel, Elke 60, 130 Herslund, Michael 5, 55

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Personenregister

Katz, Stacey L. 118 Kayne, Richard S. 62 Kiss, Katalin É. 18 Koch, Peter 9, 11, 89, 116, 129, 197, 204 Kuno, Susumu 19 Lambrecht, Knud 7, 14, 18, 49–50, 120, 145, 150, 153, 173, 199, 201, 205 Lauta, Gianluca 4, 25, 119 Leonetti, Manuel 21, 160–161, 199 Ley, Klaus 91–92 Li, Charles N. 14 Löfstedt, Bengt 8, 181–182 Lombardi, Alessandra 4, 26, 205 Lombardi Vallauri, Edoardo 4, 7, 150, 153– 154, 205 Manni, Paola 31, 34, 47, 73, 90, 92 Marcantonio, Angela 4, 167 Marucci, Valerio 27, 30, 38–40, 44, 48, 83, 93, 105, 115, 122, 125, 131, 186 Maslova, Elena 62 Meier, Sandra Maria 5–6, 9–12, 16–17, 24, 37, 41–42, 44–45, 49, 62, 66, 86, 89, 94, 97, 100–101, 114, 117, 120, 127–128, 133, 196–199, 202, 205, 207 Meriggi, Piero 7, 50, 154, 201, 204 Middleton, Roberta S. 4, 26, 205 Migliorini, Bruno 8, 31, 131 Monzoni, Chiara M. 47 Mussafia, Adolfo 26, 68 Nicolosi, Frédéric 4–9, 18–19, 29, 35, 41, 49, 56, 62, 68–69, 73, 82, 87, 106, 122–123, 130, 133–134, 136, 149–151, 153, 168–169, 171, 173–174, 177, 196, 201 Nilsson-Ehle, Hans 66 Ochs, Elinor 204 Oesterreicher, Wulf 9, 11, 89, 116, 129, 153, 197, 204 Palermo, Massimo 27, 65, 119, 146–147 Panunzi, Alessandro 179–180 Parry, Mair 4 Patota, Giuseppe 137

Paul, Hermann 15 Pernicone, Vincenzo 30 Pilch, Herbert 92 Poletto, Cecilia 3–4, 34 Polidori, Filippo-Luigi 29, 70–71, 83, 96–97, 160 Prévost, Sophie 67, 73, 151 Prince, Ellen F. 23–24, 36–37, 39–40, 59, 72, 106, 200, 206 Proietti, Domenico 8, 180, 183, 189 Punzi, Arianna 29 Pusch, Luise F. 31 Rati, Maria Silvia 163 Reinhart, Tanya 3 Renzi, Lorenzo 3, 25, 60, 62, 68, 153, 166 Riesz, János 28–30, 95, 166 Roggia, Carlo Enrico 8, 19, 150, 179–183, 187–192, 195–196, 199–201 Rohlfs, Gerhard 7, 26–27, 47, 63, 80, 83, 154 Rossi, Fabio 130, 196 Rouquier, Magali 183 Sabatini, Francesco 62, 195–196 Salvi, Giampaolo 3, 6, 25, 27, 60, 62, 89– 90, 100, 131, 150, 155, 160, 166, 179, 183, 195–196, 199, 201, 204 Scarano, Antonietta 195–196 Schafroth, Elmar 150 Schiaffini, Alfredo 64 Schöpp, Frank 151, 180, 199–200 Segre, Cesare 30, 34 Selig, Maria 150 Škerlj, Stanko 91 Söll, Ludwig 11 Sonaiya, Remi 49–50 Sornicola, Rosanna 8, 94, 179, 183, 185 Stammerjohann, Harro 18, 195, 201, 203– 204 Stark, Elisabeth 16, 94–95 Stempel, Wolf-Dieter 72, 98–102, 164 Stussi, Alfredo 73, 90, 92 Suzuki, Shingo 7–8, 47, 50, 67, 83, 153, 166–167 Tesi, Riccardo 25, 27 Thompson, Sandra A. 14

Personenregister

Thörle, Britta 24, 42–45, 59, 77, 94–95, 109, 114, 127 Togeby, Knud 18 Tomasin, Lorenzo 25 Trifone, Pietro 73, 147 Vanelli, Laura 6–7, 27, 34–35, 66, 68, 73, 77, 83, 150, 152–154, 166, 193 Veldre-Gerner, Georgia 5, 55 Viviani, Andrea 8, 180, 183, 189 Waltereit, Richard 81, 126, 129–130, 173, 196, 198–199

227

Ward, Gregory 23–24, 37, 59, 206 Waugh, Linda R. 1 Wehr, Barbara 3–4, 8–9, 11–24, 27, 30–31, 33–34, 41–42, 44–45, 49, 59, 62–63, 67–68, 83, 88, 95, 101, 103, 112, 128, 133–135, 139, 143–144, 147–148, 150– 151, 157, 164, 169, 171, 173, 179–180, 182–183, 185, 187–188, 192, 197, 200– 201, 203 Weydt, Harald 60, 130 Wilhelm, Raymund 88 Witte, Karl 130, 159 Zamora Muñoz, Pablo 196