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German Pages 136 Year 2014
Jochen Winkler
Titandioxid Produktion, Eigenschaften und effektiver Einsatz 2., überarbeitete Auflage
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Umschlagbild: Sachtleben Chemie, Duisburg/Germany
Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Jochen Winkler Titandioxid: Produktion, Eigenschaften und effektiver Einsatz, 2., überarbeitete Auflage Hannover: Vincentz Network, 2013 Farbe und Lack edition ISBN 978-3-7486-0216-3 © 2013 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover Vincentz Network, P.O. Box 6247, 30062 Hannover, Germany Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge aus Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchtnamen, Warenzeichen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen. Das Verlagsverzeichnis schickt Ihnen gern: Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany Tel. +49 511 9910-033, Fax +49 511 9910-029 E-mail: [email protected], www.farbeundlack.de Satz: Vincentz Network, Hannover, Germany ISBN 978-3-7486-0216-3
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Farbe und Lack Edition
Jochen Winkler
Titandioxid Produktion, Eigenschaften und effektiver Einsatz 2., überarbeitete Auflage
Jochen Winkler: Titandioxid © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hannover, Germany
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Auf ein Wort Das Buch „Titandioxid“ ist erstmals im Jahre 2003 erschienen. Zwischenzeitlich war die erste Auflage vergriffen und so kam der Entschluss, eine zweite Auflage zu verlegen. Dies wurde zum Anlass genommen, alle Kapitel im Hinblick auf neuere Entwicklungen hin zu überarbeiten, bzw. um Informationen zu ergänzen, die mir zum Zeitpunkt der ersten Auflage noch nicht bekannt waren. Für den Praktiker stellt dieses Buch eine Informationsquelle zu den Eigenschaften und Anwendungen von Titandioxid-Pigmenten dar. Die Kapitel 2 bis 6 dieses Buches behandeln die Pigment-Eigenschaften von Titandioxid. Kosten zu minimieren und effizient zu formulieren sind wichtige Themen. Deshalb beleuchtet das Kapitel 4 die Möglichkeiten und Grenzen des Ersatzes von Titandioxid-Pigmenten durch andere Stoffe bzw. durch andere Umformulierungsstrategien. In den verbleibenden Kapiteln ist der derzeitige Stand der Entwicklungen und der Anwendungen von Titandioxid als UV-Absorber bzw. als Effektpigmente und in der Katalyse skizziert. Während dies bereits lediglich ein momentanes Bild wiedergeben kann, gilt das umso mehr für die Verwendung von TiO2 in Photozellen und als stationäre Phasen in der Hochdruckflüssigchromatographie (HPLC). Trotzdem werden diese potenziellen Anwendungen in den letzten beiden Kapiteln der neuen Auflage behandelt und für den interessierten Leser einige weiterführende Literatur angegeben. Mein Dank geht an Dirk Marschke für die Überarbeitung der Tabelle zu den legislativen Anforderungen an Titandioxid-Pigmente. Außerdem möchte ich mich besonders bei Dr. Bernd Proft für die vergleichenden Berechnungen der Lichtstreuung von Luftblasen und von Titandioxid-Pigmenten in Verbundwerkstoffen bedanken. Für die vielfältige Hilfe, die ich von meinen anderen Kollegen bei der crenox GmbH, nunmehr Sachtleben Pigment GmbH, erfahren habe, möchte ich mich an dieser Stelle ebenfalls herzlich bedanken! Jochen Winkler Krefeld, im April 2013
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Inhalt
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung...............................................................................9
2 Physikalische, chemische und toxikologische Eigenschaften...............................................11 2.1 Physikalische Eigenschaften von Titandioxid........................11 2.3 Toxikologische Eigenschaften von Titandioxid......................22 2.3.1 Orale Aufnahme.....................................................................26 2.3.2 Parenterale Verabreichung......................................................27 2.3.3 Perkutane Verabreichung........................................................27 2.3.4 Subkutane Injektion................................................................27 2.3.5 Inhalation................................................................................27 2.4 Literatur..................................................................................29 3 Herstellung von Titandioxid-Pigmenten............................31 3.1 Rohstoffe zur Titandioxid-Herstellung...................................31 3.2 Sulfatverfahren.......................................................................34 3.3 Chloridverfahren.....................................................................37 3.4 Anorganische und organische Oberflächenbehandlung.........39 3.5 Literatur..................................................................................42 4 Optische Eigenschaften von Titandioxid-Pigmenten........43 4.1 Grundlagen der Farbmetrik....................................................43 4.1.1 CIELAB-Werte von Titandioxid-Pigmenten..........................47 4.2 Elektromagnetische Strahlung................................................47 4.3 Lichtabsorption, Lichtstreuung, Reflexion und Beugung.......48 4.3.1 Teilchengrößenabhängigkeit der Lichtabsorption...................51 4.3.2 Teilchengrößenabhängigkeit der Lichtstreuung......................51 4.4 Mie-Theorie............................................................................53 4.4.1 PVK-Abhängigkeit des Streuvermögens von Titandioxid ..... 58 4.5 Kubelka-Munk-Theorie; relatives Streuvermögen .................59 4.6 Bestimmung des spektralen Streukoeffizienten...................... 62
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Inhalt
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4.7 Deckvermögen........................................................................62 4.8 Aufhellvermögen....................................................................66 4.9 Farbstich eines Weißpigments in Buntabmischung................67 4.10 Glanz und Glanzschleier.........................................................69 4.11 Ersatz von Titandioxid-Pigmenten in Formulierungen .........70 4.12 Literatur..................................................................................73 5 Photokatalytische Eigenschaften von Titandioxid.............74 5.1 Kreidungszyklus.....................................................................74 5.2 Photoaktivität von Anatas und Rutil.......................................78 5.4 Schnellteste zur Bestimmung der Photoaktivität....................82 5.5 Literatur..................................................................................83 6 Dispergieren von Titandioxid-Pigmenten..........................84 6.1 Vorgänge beim Dispergieren..................................................84 6.2 Benetzung...............................................................................86 6.3 Mechanische Zerteilung.........................................................88 6.3.1 Dispergieransatz.....................................................................88 6.3.2 Agglomeratfestigkeit...............................................................88 6.3.3 Dispergierdauer, Leistungseintrag und Dispergiererfolg.......90 6.4 Stabilisierung gegen Flockung...............................................92 Elektrostatische Stabilisierung............................................... 93 6.4.1 6.4.2 Zetapotential...........................................................................93 6.4.3 Stabilisierung durch Adsorption von Polyelektrolyten...........97 6.4.4 Adsorption von Ionen..............................................................99 6.4.5 Sterische oder entropische Stabilisierung...............................101 6.5 Rub-Out-Effekte und Bénard-Zellen......................................103 6.6 Schlussbemerkung..................................................................104 6.7 Literatur..................................................................................105 7 Nano-Titandioxid..................................................................106 7.1 Herstellung..............................................................................106 7.2 Eigenschaften von Titandioxid-Nanoteilchen.........................107 7.3 Nano-Titandioxid als UV-Absorber........................................109
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Inhalt
7.4 Nano-Titandioxid als Effektpigment......................................111 7.5 Literatur..................................................................................112 8 Titandioxid in der Katalyse.................................................113 8.1 DeNOx-Katalysatoren.............................................................116 8.2 Dieselabgaskatalysatoren........................................................117 8.3 Titandioxid in der Photokatalyse............................................118 8.4 Titandioxid als Katalysator für die Produktion von Biodiesel..................................................................................122 8.5 Literatur..................................................................................123 9 Titandioxid in Photozellen und für die Chromatographie..................................................................125 9.1 Titandioxid in Photozellen......................................................125 9.2 Titandioxid für die Chromatographie.....................................127 9.3 Literatur..................................................................................128 Autor......................................................................................129 Index.......................................................................................130
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Einleitung
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Einleitung
Titandioxid-Pigmente stellen etwa 60 % der weltweiten Pigmentproduktion dar. Im Jahr 2011 wurden etwa 5,5 Millionen Tonnen Titandioxid-Pigmente hergestellt. Der jährliche Zuwachs der Pigmentproduktion lag in den letzten Jahren im Durchschnitt zwischen 2 und 5 %. Für die USA und Europa werden Wachstumsraten von ca. 2 % pro Jahr vorhergesagt, während die Nachfrage in Indien und in China zu einem jährlichen Zuwachs von ca. 6,5 % führen wird. Für das Jahr 2015 wird der weltweite Bedarf vermutlich bei etwa 7 Millionen Tonnen liegen. Während noch vor zwanzig Jahren die Produktion an Schwefelsäure als Wirtschaftsindikator galt, gebührt heute dem Titandioxid (TiO2) diese Stellung. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Titandioxid (TiO2) kann als Indikator für den Lebensstandard in einem Land herangezogen werden. Im Jahr 2011 wurden in den Industrienationen etwa 4 kg TiO2 Person verarbeitet, während in Indien oder in China diese Zahl bei 0,5 kg lag. Dabei ist das Titandioxid-Pigment ein relativ junges Industrieerzeugnis, das erst nach dem zweiten Weltkrieg zu Bedeutung gekommen ist. Aufgrund seiner hohen Brechzahl hat es Lithopone, ein Fällungsprodukt bestehend aus Zinksulfid und Bariumsulfat, als Standardweißpigment abgelöst. Diese Entwicklung war dem Titandioxid jedoch nicht in die Wiege gelegt. Außer der für ein Weißpigment wünschenswerten hohen Brechzahl hat es auch eine zunächst einmal unerwünschte Eigenschaft: Titandioxid ist ein Photohalbleiter. Es absorbiert ultraviolettes Sonnenlicht und setzt die absorbierten Photonen in elektrochemische Reaktionen um, die zum Abbau des Einbettungsmediums führen. Die Überwindung dieses Problems führte zur Entwicklung neuer Technologien: zur Dotierung und zur anorganischen Oberflächenbehandlung von Titandioxid. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Verfahren werden heute zunehmend auf andere Problemstellungen bei der Pigmentherstellung, aber auch bei der heterogenen Katalyse, angewandt und weiterentwickelt. „Transparente“ Titandioxide nutzen die Teilchengrößenabhängigkeit der Lichtstreuwirkung dieses Stoffs. Titandioxid-Nanoteilchen streuen das sichtbare Licht weit weniger als TiO2-Pigmente, haben aber immer noch die dem TiO2 eigene Eigenschaft der UV-Lichtabsorption. Aus Sonnenschutzmitteln mit hohen LichtJochen Winkler: Titandioxid © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
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Einleitung
schutzfaktoren ist bereits heute Nano-Titandioxid nicht wegzudenken. Demgegenüber steckt die Verwendung von Titandioxid-Nanopartikeln als Photokatalysator zur Verhinderung der Verschmutzung polymerer Werkstoffoberflächen oder deren Belegung durch Bakterien noch in den Kinderschuhen. Es ist sogar denkbar, dass diese Anwendungen keine ökonomische Signifikanz erreichen werden.
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Physikalische Eigenschaften von Titandioxid
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2 Physikalische, chemische und toxikologische Eigenschaften 2.1 Physikalische Eigenschaften von Titandioxid Titandioxid kommt in drei chemischen Modifikationen mit unterschiedlichen Kristallstrukturen und damit verschiedenen physikalischen Eigenschaften vor. Es sind Rutil, Anatas und Brookit.
Stabilität Rutil ist die thermodynamisch stabilste Form, weswegen sich Anatas und Brookit bei höheren Temperaturen, um ca. 750 °C (Brookit) bzw. 915 °C (Anatas), monotrop zu Rutil umlagern. Diese Modifikation ist bis zu ihrem Schmelzpunkt bei ca. 1.830 °C bis 1.850 °C stabil. Die Umwandlung von Anatas zu Rutil ist exotherm und generiert 12,6 kJ/Mol an Wärme. In allen drei Kristallmodifikationen sind die Titanatome verzerrt oktaedrisch von Sauerstoffatomen umgeben. Die einzelnen Oktaeder unterscheiden sich jedoch bei Rutil, Anatas und Brookit in ihrer Anordnung zueinander. Von technischer Bedeutung sind nur Rutil und Anatas, die sich allerdings in einigen physikalischen Eigenschaften voneinander unterscheiden.
Kristallstruktur Eine Möglichkeit zur Beschreibung der Kristallstrukturen [1] besteht darin, von der Verteilung der Sauerstoffatome auszugehen: Rutil:
Hexagonal dichteste Kugelpackung der Sauerstoffatome, bei der die Hälfte der oktaedrischen Lücken von Titanatomen ausgefüllt sind.
Anatas: Kubisch dichteste Kugelpackung der Sauerstoffatome, bei der die Hälfte der tetraedrischen Lücken von Titanatomen ausgefüllt sind.
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Physikalische, chemische und toxikologische Eigenschaften
Abbildungen 2.1: Elementarzelle des Rutils; schwarze Punkte: Titan-Atome, weiße Kugeln: Sauerstoff-Atome
Die Abbildungen 2.1, bis Abbildung 2.3 zeigen die Elementarzellen von Rutil, Anatas und Brookit. Die Kristallstruktur ergibt sich, indem die Elementarzellen nach vorn, hinten, links und rechts sowie oben und unten aneinandergesetzt werden. In Abbildung 2.1 ist das für Rutil visualisiert und man kann erkennen, dass beim Rutil die Oktaeder, die zu dem raumzentrierten (in der Mitte der Elementarzelle befindlichen) Titanatom gehören, eine über jeweils zwei gemeinsame Kanten verbrückte Oktaederkette bilden. Die Oktaederketten verlaufen in die c-Richtung der Elementarzelle. Außerdem zeigt Abbildung 2.4 für Rutil einen Ausschnitt des Kristallgitters als Aneinanderreihung von Oktaedern. Außen sind die besagten Oktaederketten (jeweils zwei Oktaeder) zu erkennen. Dabei sind vier dieser Oktaeder in der dargestellten Weise durch einen weiteren Oktaeder (in der Mitte des Bildes) verbunden.
Abbildungen 2.2: Elementarzelle des Anatas; schwarze Punkte: Titan-Atome, weiße Kugeln: Sauerstoff-Atome
Abbildungen 2.3: Elementarzelle des Brookits; schwarze Punkte: Titan-Atome, weiße Kugeln: Sauerstoff-Atome
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Beim Anatas ergibt sich durch das gleiche Vorgehen als Kristallgitterausschnitt ein anderer Aufbau, dies zeigt Abbildung 2.5. In diesem Fall verläuft die Blickrichtung entlang der b-Achse der Elementarzelle. Man erkennt, dass die Oktaeder einer Lage jeweils über vier Ecken miteinander verbunden sind. Nach oben und unten ist jeder Oktaeder über jeweils zwei Kanten mit den benachbarten Oktaedern verknüpft. Abbildung 2.6 schließlich stellt die Verhältnisse beim Brookit dar. Tabelle 2.1 enthält eine vergleichende Gegenüberstellung der kristallographi-
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Physikalische Eigenschaftenvon Titandioxid
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schen Daten von Rutil, Anatas und Brookit sowie deren Härten und Dichten.
Härte Anatas hat im Vergleich zu Rutil eine geringere Mohs’sche Härte von 5,5 bis 6 an Stelle von 6,5 bis 7. Deswegen werden Anatase vorwiegend dort eingesetzt, wo die geringere Abrasivität einen technischen Vorteil bietet. Das ist vor allem in der Textilindustrie der Fall, wo Anatas-Pigmente zum Mattieren von Synthesefasern dienen. Genauso auch in Kunststoffen, bei denen die Wetterbeständigkeit im Hintergrund steht, wird aufgrund des geringeren Maschinenverschleißes oft Anatas eingesetzt. Ebenso kommt für die Papierindustrie – zur Schonung der Schneidwerkzeuge – meistens nur der weichere Anatas als Weißpigment in Betracht. Ein weiterer Grund dafür liegt in dessen, im Vergleich zum Rutil, kurzwelligerer Absorptionskante für UV-Licht – siehe im weiteren –, denn im Papier werden oft optische Fluoreszenzaufheller benutzt, die UV-Licht in sichtbare, blaue Strahlung umwandeln. Rutile absorbieren das dafür notwendige UV-Licht.
Abbildung 2.4: Kristallgitterausschnitt von Rutil
Brechzahlen Die hohe Brechzahl von Titandioxid, in Verbindung mit fehlender Absorption im sichtbaren Spektralbereich zwischen 380 nm und 700 nm, ist die Grundlage für seine Verwendung als Weißpigment. Sowohl Rutil als auch Anatas bilden doppelbrechende Kristalle, bei denen
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Abbildung 2.5: Kristallgitterausschnitt von Anatas
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Physikalische, chemische und toxikologische Eigenschaften
Tabelle 2.1: Kristalleigenschaften und physikalische Eigenschaften von Rutil, Anatas und Brookit Rutil
Anatas
Brookit
TiO2
TiO2
TiO2
tetragonal
tetragonal
orthorhombisch
Punktgruppe nach Schönflies
D4h
D4h
D2h
Punktgruppe nach Hermann-Mauguin
4 mmm
4 mmm
mmm
a [nm]
0,4594
0,3785
0,9184
b [nm]
0,4594
0,3785
0,5447
c [nm]
0,2958
0,9514
0,5245
Volumen der Elementarzelle [nm³]
62,07
136,25
257,38
Molvolumen [cm³/mol]
18,693
20,156
19,377
Härte nach Mohs
6,5–7
5,5–6
5,5–6
3,8–3,9
3,9–4,1
Chemische Formel Kristall-system
Dichte [g/cm³] Schmelzpunkt [ °C]
4,2–4,3 1830–1850
Umwandlung zu Rutil Umwandlung zu Rutil
die Brechzahlen des ordentlichen (no) und des außerordentlichen Strahls (na) wellenlängenabhängig sind. Aus Abbildung 2.7 (Werte aus [2]) ist zu erkennen, dass die Brechzahlen zur Absorptionskante im UV hin ansteigen, was für Dielektrika1, wie eben auch Titandioxide, ein ganz normales Verhalten ist, („optische Dispersion“). Während beim Rutil der außerordentliche Strahl den höheren Brechzahlverlauf aufweist, ist das für Anatas umgekehrt. Rutil ist „positiv einachsig“ (no < na) und Anatas ist „negativ
Abbildung 2.6: Kristallgitterausschnitt von Brookit
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ielektrische Stoffe sind Substanzen, die D polarisierbar, jedoch nicht elektrisch leitend sind.
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einachsig“ (no > na). Auch unterscheiden sich die Brechzahlen der beiden Strahlen beim Anatas weniger als beim Rutil. Bei Titandioxid-Pigmenten handelt es sich um submikroskopische Teilchen der mittleren Teilchengröße zwischen 0,2 µm und 0,3 µm. Deshalb macht eine Unterscheidung zwischen ordentlichem und außerordentlichem Strahl für den praktischen Gebrauch keinen Sinn. Man ordnet gewöhnlich jeder Wellenlänge den Mittelwert der beiden Brechzahlen zu. Gemäß der „mittleren Index-Näherung“ ist die mittlere Brechzahl n eines einachsigen, doppelbrechenden, tetragonalen Kristalls durch
Gleichung 2.1
n=
2 · no + na 3
gegeben [3]. Der Mittelwert ist gewichtet, weil die ordentliche Brechzahl für Licht gefunden wird, welches sowohl parallel zur a-Achse, wie auch zur b-Achse der Elementarzelle polarisiert ist, während die außerordentliche Brechzahl nur für Licht gilt, welches parallel zur c-Achse polarisiert ist. In der Praxis hat sich eingebürgert, über den gesamten Spektralbereich Rutil eine Brechzahl von 2,75 und Anatas eine Brechzahl von 2,55 zuzuordnen. Dies korre-
Abbildung 2.7: Wellenlängenabhängigkeit der Brechzahlen der ordentlichen (no) und außerordentlichen (na) Strahlen von Rutil und Anatas
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Physikalische, chemische und toxikologische Eigenschaften
Abbildung 2.8: UV-Vis-Spektren von Rutil- und Anatas-Pigmentpresslingen
spondiert in etwa mit den mittleren Brechzahlen, die sich mithilfe von Gleichung 2.1 bei einer Wellenlänge von 550 nm berechnen lassen. Das menschliche Auge arbeitet am empfindlichsten in diesem Wellenlängenbereich. Die hohe Brechzahl beruht auf einer ausgeprägten Polarisierbarkeit der Bindungselektronen im Kristallgitter. Diese sind in dem Ionenkristall vornehmlich den Sauerstoffatomen zuzuordnen.
Absorptionsspektren Im UV-Vis-Spektrum gibt es charakteristische Unterschiede zwischen Rutil und Anatas (vgl. Abbildung 2.8). Auffällig in der Abbildung 2.8 ist zunächst der Unterschied in der Absorptionskante im nahen UV. Durch Differentiation der Absorptionskurven findet man deren Wendepunkte, die der genauen Lage der Absorptionsbanden entsprechen. Sie liegen bei den Wellenlängen λ = 397 nm (Rutil) und 377 nm (Anatas). Mithilfe der Gleichung Gleichung 2.2
E=h·
c
λ
h = Planck’sches Wirkungsquantum (6,626 · 10 -34 Js) c = Lichtgeschwindigkeit (2,99793 · 108 ms-1)
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lassen sich die Energien E dieser Absorptionen kalkulieren. Sie liegen bei 50 · 10 -20 Joule (Rutil) bzw. 52,7 · 10 -20 Joule (Anatas). Gemäß den Gepflogenheiten in der Festkörperphysik werden diese Energien oft in Elektronenvolt (eV) angegeben (1 eV = 1,602 · 10 -19 J). Somit ergibt sich für Rutil eine „Bandlücke“ von 3,127 eV und für Anatas eine Bandlücke von 3,289 eV1. Der Begriff „Bandlücke“ stammt vom „Bändermodell“ der chemischen Bindung her [4].
Photoaktivität Bei der Lichtabsorption werden Elektronen aus dem Valenzband des TiO2 in das Leitungsband angehoben. Das getrennte Elektron/Loch-Paar nennt man „Exciton“. Die Excitonenbildung ist die Ursache für die Photohalbleiter-Eigenschaft von TiO2. Die Photoaktivität ist bei Titandioxid-Pigmenten in der Regel unerwünscht, denn die Excitonen können auf ihre Umgebung oxidierend wirken (vgl. Kapitel 5) und z.B. eine Bindemittelmatrix zerstören. Deswegen unternimmt die Titandioxid-Pigmentindustrie einige Anstrengungen, um die Photoaktivität zu verringern. Andererseits macht man sich bei Titandioxid-Photokatalysatoren (vgl. Kapitel 8.3) diese Eigenschaft gerade zu Nutze.
Blaustich Die eben noch im sichtbaren Spektralbereich (oberhalb von 385 nm) stattfindende Remission der Anatase führt dazu, dass sie für das menschliche Auge blaustichiger erscheinen als ein Rutil vergleichbarer Reinheit. Um den Blaustich weiter zu erhöhen, lassen sich dem Anatas Fremdmetalle mit höherer Oxidationsstufe (zum Beispiel Sb5+, Mo6+, W6+, Ta5+, Nb5+) zur Calcination zusetzen. Sie wirken vermutlich in der Weise, dass sie im Kristallgitter einen Teil des Ti4+ zu Ti3+ reduzieren, welches blau gefärbt ist.
Remission Aus Abbildung 2.8 ist auch ersichtlich, dass Anatas im langwelligen, roten Teil des Spektrums etwas weniger Remission als Rutil aufweist. Abbildung 2.9 zeigt zusätzlich zum UV-Vis-Bereich die Remission von Rutil und Anatas im nahen Infrarot (NIR von 700 nm bis 2500 nm). Im NIR kommt es beim Anatas bereits im sichtbaren Spektrum und beim Rutil ab ca. 1.300 nm mit Oft wird als Bandlücke für Rutil 3,03 eV und für Anatas 3,15 eV angegeben. Die dazugehörigen Wellenlängen der Absorption sind 415 nm bzw. 385 nm. Auf diese Wellenlängen kommt man, wenn man durch Extrapolation der beiden linearen Teile der Remissionskurven diejenigen Wellenlängen sucht, bei denen Rutil bzw. Anatas beginnen, das UV-Licht zu absorbieren.
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Physikalische, chemische und toxikologische Eigenschaften
Abbildung 2.9: UV-Vis/NIR-Spektren von Rutil- und Anatas-Pigmentpresslingen
Abbildung 2.10: IR-Spektren von Rutil- (Hombitan R320) und Anatas- (Hombitan LW-S) Pigmentpresslingen
zunehmender Wellenlänge zu einer immer stärker werdenden Absorption, die nur durch wenig charakteristische Banden strukturiert ist. Der weitere Verlauf der Remission von Rutil und Anatas im Wellenlängenbereich zwischen 2,5 µm und 25 µm geht aus Abbildung 2.10 hervor. Bei 5 µm (oder 2000 cm-1 Wellenzahlen) werden ca. 27 % des Lichtes reflektiert. Bei 10,75 µm (930 cm-1) hat Anatas und bei 11,1 µm (900 cm-1) hat Rutil die nächste starke
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Physikalische Eigenschaftenvon Titandioxid
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Abbildungen 2.11: Röntgendiffraktogramm von Rutil
Abbildungen 2.12: Röntgendiffraktometrie von Anatas
Absorption von angenähert 100 %. Danach haben Rutil und Anatas bis ca. 20 µm (500 cm –1) wieder höhere Remissionswerte.
Sonstige Merkmale Rutil und Anatas unterscheiden sich sehr deutlich in der Röntgendiffraktometrie. Dazu zeigen die Abbildungen 2.11 (Rutil) und 2.12 (Anatas) die Lage der Diffraktions-Signale bis zu einem 2-Theta-Wert von 70°. Tabelle 2.2 gibt im Detail die Lage der Signale und ihre relativen Intensitäten bezogen auf den Hauptpeak (= 100 %) an.
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Physikalische, chemische und toxikologische Eigenschaften
Tabelle 2.2: Lage und relative Intensität der 2-Theta-Peaks bei der Röntgendiffraktometrie von Rutil und Anatas Anatas
Rutil
2-Theta [Grad]
rel. Intensität [%]
2-Theta [Grad]
Rel. Intensität [%]
25,289
100
27,436
100
36,949
10
36,087
50
37,791
20
39,183
8
38,566
10
41,226
25
48,052
35
44,048
10
53,902
20
54,313
60
55,065
20
56,651
20
62,109
4
62,739
10
62,688
14
64,03
10
68,77
6
65,485
2
70,317
6
69,005
20
74,024
2
69,791
12
72,413
2
74,403
1
Titandioxid ist im Grunde ein elektrischer Isolator. Die Dielektrizitätskonstanten der Titandioxide sind mit Werten um 100 verhältnismäßig hoch. Deswegen werden sie zur Herstellung von elektrisch isolierender Keramik verwendet. Aus Titandioxid (bzw. Titanoxidhydrat) sehr hoher Reinheit wird Bariumtitanat zur Herstellung von Kondensatoren gemacht. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Präparation geeigneter Pulverpresslinge sind Messungen dielektrischer Eigenschaften von TitandioxidPulvern vermutlich weniger relevant und mit Vorsicht zu interpretieren. Die Wärmekapazität von TiO2 liegt bei 0,69 Jg-1K-1. Titandioxide sind überdies schwach paramagnetisch. Dies ermöglicht die Abtrennung von Rutil von ferromagnetischen Erzen bei Aufbereitungsprozessen. Titandioxid ist thermisch relativ stabil, obwohl es leicht geringe Mengen an Sauerstoff abgibt. Bei ca. 100 °C führt dies bereits – aufgrund der Bildung von Ti3+ an der Oberfläche – zu einer leichten Graufärbung, die jedoch reversibel ist. Bei etwa 400 °C erscheint Titandioxid gelb, was auf eine ebenfalls reversible Aufweitung des Kristallgitters zurückzuführen ist. Der Schmelzpunkt liegt, wie vorab beschrieben, zwischen 1830 °C und 1850 °C.
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Chemische Eigenschaften von Titandioxid
2.2
21
Chemische Eigenschaften von Titandioxid
Titan selbst ist ein relativ unedles Metall, welches – ähnlich wie Aluminium – nur wegen einer oxidischen Passivierungsschicht an der Atmosphäre beständig ist. Es hat eine ausgeprägte Tendenz zur Bildung von Oxiden, die sehr stabil sind. Die bei weitem bevorzugte Oxidationsstufe des Titans ist Ti4+. Entsprechend reaktionsträge ist Titandioxid aus chemischer Sicht.
Löslichkeit Titandioxid ist unlöslich in Wasser. Geglühtes Titandioxid, speziell in der Rutil-Modifikation, ist selbst in heißen, konzentrierten Säuren nicht oder nur schwer löslich. In sauren und basischen Schmelzen wird hingegen auch Rutil aufgeschlossen. Deswegen lassen sich mithilfe von Titandioxid Gläser mit hoher Brechzahl herstellen.
Reduktionsreaktionen Geringe Sauerstoffmengen werden von TiO2 relativ leicht abgegeben. Dabei entsteht Ti3+, das aufgrund violetter Färbung zum Vergrauen des Pigments führt. Diese oberflächliche Reduktion ist jedoch reversibel. Bereits mit Luftsauerstoff bildet sich unbuntes Ti4+ zurück. Beim Bestrahlen von TiO2 mit UV-Licht in Gegenwart von Reduktionsmitteln, wie Mandelsäure, Glyzerin oder SnCl2 und unter Ausschluss von Luftsauerstoff verfärbt sich TiO2 ebenfalls blau-grau. Dabei auftretende Unterschiede in der Vergrauungsneigung dienen als Indikator für die Photobeständigkeit verschiedener Titandioxid-Proben. Mit Glyzerin geht die Reduktion bis zur Bildung von Ti2O3. Auch ohne das Vorhandensein eines Reduktionsmittels zeigen vor allem AnatasPigmente geringerer Reinheit bei intensiver Lichtbestrahlung eine leichte Vergrauung. Dieses reversible Verhalten wird als „Phototropie“ bezeichnet. Selbst unter stark reduzierenden Bedingungen wird TiO2 jedoch nicht zum metallischen Titan reduziert. In Gegenwart von Stickstoff, Kohlenstoff, Halogenen oder Schwefel bilden sich Titannitride, Titancarbide, Titanhalogenide und Titansulfide. Beim Hochofenprozess hilft die Zugabe von natürlichen und synthetischen Titanträgern, die Nutzungsdauer der Hochöfen zu verlängern. Die gebildeten Titancarbide und Titannitride lagern sich innen an die Ausmauerungen der Hochöfen an und regenerieren sie auf diese Weise [5, 6]. Das Reaktionsverhalten gegenüber Chlor wird beim Chloridverfahren der Titandioxid-Herstellung genutzt, wobei es zum Aufschluss der Erze zu TiCl4 kommt. Auch mit Wasserstoff gelingt die Reduktion selbst unter drastischen Bedingungen (130 atm, 2.000 °C) nur bis zum (zweiwertigen) TiO.
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Physikalische, chemische und toxikologische Eigenschaften
Erst beim Erhitzen von TiO2 mit elementarem Silicium, Calcium oder Magnesium bildet sich Titan-Metall neben den entsprechenden Oxiden des Siliciums bzw. Calciums oder Magnesiums. Die Reaktion mit Magnesium wird technisch zur Titanmetall-Erzeugung genutzt, wobei allerdings von Titantetrachlorid ausgegangen wird [7]. Unter Schutzgasatmosphäre entsteht bei der Reaktion ein Metallschwamm aus Titan und MgCl2, das mit Salzsäure ausgewaschen wird. Der Titanschwamm wird anschließend im elektrischen Lichtbogenofen zum kompakten Metall zusammengeschmolzen. Titan-Metall wird für sich, und als Legierungsbestandteil, dank seiner geringen Dichte (4,51 g/cm³) und seiner guten mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit, Biegsamkeit und Hitzefestigkeit geschätzt. Aufgrund seines hohen Preises setzt man es jedoch mit Bedacht ein, beispielsweise im Schiffs- und Flugzeugbau, in der Reaktortechnik, hier beispielsweise für chemisch resistente Wärmetauscher, und zur Herstellung von Brillenfassungen und -bügeln. Weiterhin wird Titan wegen seiner zusätzlich guten Biokompatibilität in der Medizin- und Dentaltechnik als Material für Implantate verwendet. Neuerdings nimmt man es auch zunehmend zur Herstellung von Schmuck, namentlich aufgrund seines gräulichen, matten Glanzes.
Reaktion mit Peroxiden Mit Hydroperoxiden bildet sich sehr leicht schon bei Raumtemperatur die gelb gefärbte Struktureinheit –TiOOH. Bei Pigmenten erscheint eine derartige Mischung, aufgrund der relativ geringen spezifischen Oberfläche, nur leicht gelb. Nicht anorganisch oberflächenbehandelte Pigmente haben ca. 5,5 (Rutil) bis 8 (Anatas) OH-Gruppen pro nm² [8, 9]. Mit fester Metatitansäure (TiO(OH)2) beispielsweise bildet sich jedoch – wegen der höheren spezifischen Oberfläche von mehr als 150 m 2/g – ein stark gelb gefärbtes Produkt. Die Reaktion mit Hydroperoxid ist, abgesehen von der Photooxidation, bei der das Titandioxid selber jedoch nicht verändert wird, die einzige Reaktion, die in der Praxis bei Anwendungen von TiO2-Pigmenten auftritt. Die Gelbfärbung ist gewöhnlich nicht erwünscht.
2.3 Toxikologische Eigenschaften von Titandioxid Tabelle 2.3 ist eine Zusammenstellung der wichtigsten Kennzeichnungen, Zulassungsnummern und Zulassungsanforderungen von Titandioxid-Pigmenten und UV-Absorbern.
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Toxikologische Eigenschaften von Titandioxid
23
Tabelle 2.3: Kennzeichnungen, Zulassungsnummern und Zulassungsanforderungen von Titandioxid-Pigmenten Quelle: Überarbeitete Tabelle 2.3 aus der 1. Auflage von P. Wetzig durch D. Marschke (Sachtleben, Duisburg)
Bezeichnungen IUPAC-Bezeichnung
Titanium-(IV)-dioxide
Chemical Abstracts-Bezeichnung
Titanium dioxide
Chemische Formel
TiO2
Molekulargewicht [g/mol]
79,9
Zulassungsnummern Chemical Abstracts Services Register-Nummern Titandioxid
13463-67-7
Anatas-Titandioxid
1317-70-0
Rutil-Titandioxid
1317-80-2
Color Index-Bezeichung
CI 77891; Pigment White 6
Regulation (EC) No. 1907/2006 „REACH“ Titandioxid musste aufgrund der Produktionsmenge gemäß Art. 6, Paragraph 1 bereits 2010 registriert werden
01-2119489379-17-XXXX
Regulation (EC) No. 1272/2008 „CLP (GHS)“ (Regulation on Classification, Labelling and Packaging of Substances)
Nicht als „gefährlich“ einge- stuft
EINECS (European Inventory of Existing Chemical Substances
236-675-5
Dye Code
E 171
National Cancer Institute (USA)-Nummer
NCI-15204
Internationale Zulassungen TSCA (Toxic Substances Control Act; EPA Inventory)
13463-67-7
AICS (Australian Inventory of Chemical Substances)
13463-67-7
DSL (Canadian Domestic Substances List)
13463-67-7
KECI (Existing and New Chemical Substances; Kashin Act of Korea)
KE 30900
PICCS (Philippinian Inventory of Commercial Chemical Substances)
522.5600
BAGT (Giftliste des Bundesamts für Abfall und Gesundheitswesen der Schweiz)
G 2950 gkf
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Physikalische, chemische und toxikologische Eigenschaften
Fortsetzung Tabelle 2.3 ENCS/MITI (Ministry of International Trade and Industry 5-5225/1-558 – Japan) China (IECSC)
gelistet
Nationale Zulassungsanforderungen Deutschland Empfehlung IX des BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung, früher BgVV)
Die Reinheitsanforderungen für Färbemittel werden erfüllt
Europäische Zulassungsanforderungen EN 71-3 (1994) Sicherheit im Spielzeug (Migration einzelner Elemente)
Der erlaubte Gehalt an regulierten Schwermetallen wird gewöhnlich nicht überschritten
AP 89/1; AP 96 (5) (EU-Resolution für Beschichtungen, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen)
Gelistet unter Ref.-Nr. 93440
TabakVO (Tabakverordnung)
Zugelassen in E-171-Form
Directive 2008/128/EC Reinheitsanforderungen an Färbemitteln zum Gebrauch in Lebensmitteln (Ersatz für 95/45/EC).
Zugelassen in E-171-Form
Directive 2009/35/EC Anforderungen an Farbstoffe zum Gebrauch in pharmazeutischen Erzeugnissen (Ersatz für Directive 78/25/ EEC) Commission Decision 2002/739/EC Überarbeitete Kriterien zur Erteilung des Umweltzeichens der Europäischen Union (eco label) für BautenInnenfarben, überarbeitet in 2010
Zugelassen in E-171-Form
Zugelassen
Commission Decision 1999/178/EC Kriterien zum Erhalt des Umweltzeichens der Europäischen Union (eco label) für Textilien
Zugelassen
Directive 76/768/EEC Direktive für kosmetische Erzeugnisse, zuletzt ersetzt durch Directive 2008/88/EEC und Directive 2002/34/EG (26. Anpassung der KosmetikRichtlinie)
Zugelassen in E-171-Form
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Obergrenze für Titandioxid als UV-Filter: 25 Gew.-%
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Toxikologische Eigenschaften von Titandioxid
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Fortsetzung Tabelle 2.3 Regulation (EU) No. 10/2011 “PIM” Zubereitungen aus Kunststoff, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen sowie Überarbeitungen (Gültig ab dem 1. Mai 2011 als Ersatz für Directive 2002/72/EC und dessen Revisionen)
Titandioxid ist als Additiv oder als Produktionshilfsmittel in der Polymerherstellung zugelassen und ist als FCMNo. 610 gelistet. Als anorganisches Pigment ist es migrationsstabil und erfüllt* die üblichen Reinheitsanforderungen und Färbemittel. (* In Abhängigkeit von der Oberflächenbehandlung. Es liegt in der Verantwortung des Anwenders, die Migrationsbeständigkeit in dem fertigen Erzeugnis unter den Bedingungen des normalen Gebrauchs zu gewährleisten.)
Directive 2011/65/EC – „RoHS-Directive“ Restriction of hazardous substances; Einschränkungen für gefährliche Stoffe
Der Gehalt an relevanten Substanzen liegt gewöhnlich weit unter den Grenzwerten
Directive 2000/53/EC – „ELV-Directive“ End of Life vehicles; Fahrzeug-Recycling
Keine Kennzeichnungspflicht für Titandioxid
Directive 94/62/EC – „Packaging Directive“ Verpackungsdirektive
Der Gehalt an relevanten Substanzen liegt gewöhnlich weit unter den Grenzwerten
Liste von Substanzen mit östrogenen Eigenschaften Nicht gelistet (Substanzliste mit CAS-Nummern) Zulassungsanforderungen USA FDA (Food and Drugs Administration): 21 CFR § 73.575 „Listing of color additives exempt from certification – Subpart A – Foods – Titanium dioxide“
Zugelassen in E-171-Form
21 CFR § 73.1575 575 „Listing of color additives exempt from certification – Subpart B – Drugs – Titanium dioxide“ 21 CFR § 73.2575 575 „Listing of color additives exempt from certification – Subpart C – Cosmetics – Titanium dioxide“ 21 CFR § 178.3297 „Colorants for Polymers“ 21 CFR § § 176.170 „Components of paper and paperboard in contact with aqueous and fatty foods“
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Gelistet
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Physikalische, chemische und toxikologische Eigenschaften
Fortsetzung Tabelle 2.3 CONEG (Coalition of the North-Eastern Governers)
Der Gehalt an relevanten Schwermetallen liegt gewöhnlich weit unter den Grenzwerten
Clean Air Act Amendments 1990 (Controlled Ozone Depleting Substances (US)
Nicht schädlich für Ozon
HAPS (Hazardous Air Pollutants (USA))
Nicht luftverschmutzend
Weitere Anforderungen Kennzeichnung Gemäß der deutschen Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)
Titandioxid (Rutil und Anatas) ist kein gefährlicher Stoff gemäß der GefStoffV
Ökologie Deutsche Wassergefährdungsklasse (WGK); Selbsteinschätzung
Nicht wassergefährdend
Entsorgung EWC (European Waste Catalogue)
EWC 06 04 01, Metalloxid
2.3.1 Orale Aufnahme Langzeitfütterungen von Ratten und Mäusen mit bis zu 5 Gew.-% Titandioxid im Futter ergab keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen [10]. Feinteiliges Titandioxid der Primärteilchengröße von 30 nm wurde zu einer Dosis von 10.000 mg/kg Körpergewicht an Ratten verabreicht. Diese Menge löste keine Reaktionen aus [11]. Der LD50 -Wert (Ratte) für die orale Aufnahme von Titandioxid liegt oberhalb des als unkritisch angesehenen Grenzwerts von über 10 g/kg. Titandioxid-Pigmente werden in Tabletten, Zahnpasten und auch in Lebensmitteln verwendet. Bei Untersuchungen von entzündetem Gewebe im Abschlussbereich des menschlichen Dickdarms (Morbus Crohn), wurden u.a. darin Titandioxid-Partikel festgestellt [12]. Ob die Partikel die Erkrankung auslösen können oder nicht, wird jedoch unterschiedlich beurteilt. Einerseits finden sich solche Granulome lediglich in 35 bis 60 % der Fälle [13], andererseits existiert offenbar kein Zusammenhang zwischen der Exposition und einer Erkrankungswahrscheinlichkeit [14].
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Toxikologische Eigenschaften von Titandioxid
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2.3.2 Parenterale Verabreichung Die Verabreichung einer Substanz direkt in ein Gewebe unter Umgehung der Aufnahme durch den Magen-und-Darm-Trakt wird „parenteral“ genannt. Intraperitoneale (ins Bauchfell gehende) Injektionen von Titandioxid-Suspensionen wurden bei Meerschweinchen zwar längere Zeit retendiert, jedoch traten aufgrund dessen keine Gewebeveränderungen auf [15]. Auch bei Mäusen ergaben sich nach intraperitonealen Injektionen von bis zu 25 mg TiO2 keine Hinweise auf Tumorbildungen, weder im Bereich der Einstichstelle, noch an anderen Stellen [16]. Wöchentliche intratracheale (in die Luftröhre erfolgende) Administrationen von bis zu 3 mg TiO2, verabreicht an Hamstern über einen Zeitraum von 15 Wochen, hinterließen ebenfalls keine Tumore. Zwei Trachealpapillome (Papillom = meistens gutartiges Geschwulst) traten in dieser Untersuchung bei der Vergleichspopulation auf [17].
2.3.3 Perkutane Verabreichung „Perkutan“ bedeutet: „durch die Haut“. Titandioxide mit Teilchengrößen um 0,3 µm sind schon seit langem Bestandteil von kosmetischen Zubereitungen, die auf die Haut aufgetragen werden. Seit etwa 1990 werden auch sehr feinteilige Titandioxide als UV-Absorber in Sonnenschutzmitteln eingesetzt (s. Kapitel 7.3). Titandioxid löste weder entzündliche Hautveränderungen oder Sensibilisierungsreaktionen aus, noch wurde eine Aufnahme durch die Haut festgestellt [18]. Speziell für transparente Titandioxide für den Sonnenschutz ergaben Untersuchungen des Permeationsverhaltens an menschlicher Kadaverhaut, an abgezogener menschlicher Kadaverhaut und an Maushaut, jeweils unabhängig vom pH-Wert der Titandioxid-Suspension, nur eine vernachlässigbare Permeation [19]. Der dermale LD50 -Wert (Kaninchen) liegt bei Werten über 10 g/kg.
2.3.4 Subkutane Injektion „Subkutan“ bedeutet: „unter die Haut“. Vierzig Ratten erhielten eine einmalige Injektion von 30 mg Titandioxid unterschiedlicher Reinheit. Nach dem natürlichen Tod war bei keinem der Tiere eine Tumorbildung an den Injektionsstellen zu beobachten [20].
2.3.5 Inhalation Die Reaktionen auf die Aufnahme von TiO2-Staub in die Lunge hängen im Tierversuch ursächlich damit zusammen, wie gut der Organismus die Teilchen auf natürlichem Wege wieder ausscheiden kann. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass kleinere Partikel in Schwebstäuben generell gesundheitsschädlicher sind, als gröbere [21]. Dies scheint auch für TiO2 zu gelten, wobei aber Titandioxid nicht
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Physikalische, chemische und toxikologische Eigenschaften
durch spezielle chemische Wechselwirkungen zu Entzündungen führt [22]. So verursachen erst 250 mg TiO2/m3 Luft eine ähnliche Tumorhäufigkeit wie 1 mg SiO2/m3 [23]. Zum Mechanismus der Entzündungsentstehung durch Feststoffteilchen in der Lunge siehe [24].
Titandioxid-Stäube Im Tierversuch wurden Ratten, jeweils sechs Stunden pro Tag an fünf Tagen in der Woche, über einen Zeitraum von zwei Jahren Titandioxid-Stäuben ausgesetzt. Bei 10 mg/m3 bzw. 50 mg/m3 Staubbelastung in der Luft ergaben sich keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Erst eine Staubkonzentration von 250 mg/m3 führte zu einer Erhöhung der Tumorrate [25].
Nano-Titandioxid In weiteren Untersuchungen, speziell mit Nano-Titandioxiden, wurden Ratten, Mäuse und Hamster jeweils achtzehn Stunden pro Tag an fünf Tagen in der Woche, über einen Zeitraum von zwei Jahren 7,5 bis 15 mg/m3 TiO2-Staub ausgesetzt [26]. Nach weiteren sechs Monaten ohne TiO2-Exposition wurden die Folgen dieser Behandlung ermittelt. Während sich bei den Mäusen und Hamstern keine Tumore gebildet hatten, zeigte sich bei den Ratten diesbezüglich eine statistisch signifikante Zunahme. Die vergleichsweise erhöhte Tumoranfälligkeit der Ratte wird auf ihre längere Schnauze zurückgeführt, die das Ausscheiden von inhalierten Stäuben erschwert. Die Autoren kommen zum Ergebnis, dass Titandioxid vermutlich keine Genotoxizität (Giftigkeit gegenüber dem Genom in den Zellen) aufweist [26].
Arbeitsschutz Für den Bereich der Humantoxikologie existieren derzeit eine Reihe von epidemiologischen Studien, bei denen der Einfluss von Titandioxid-Pigmenten auf die Gesundheit von Arbeitern, die dem Stoff an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt waren, untersucht und ausgewertet wurden [27–29]. Dabei haben sich weder in Bezug auf Lungenkrebs, chronische Atemwegserkrankungen, Brustfellerkrankungen und Lungenfibrose (Fibrose = Vermehrung des Bindegewebes), noch auf andere Erkrankungen irgendwelche bzw. keine Hinweise auf Gefährdungen durch den Kontakt mit TiO2 ergeben. Eine umfassende Zusammenstellung der toxikologischen Eigenschaften von Titandioxid findet sich in dem „IARC Monograph on the Evaluation of the Carcinogenic Risks to Humans“ [30]. Im Sinne eines vorsorglichen Arbeitsschutzes wurden dennoch seitens der Gesetzgeber zunehmend niedrigere Expositionsgrenzwerte für anorganische Feinstäube festgesetzt. Im Jahr 2010 lagen die maximal zulässigen Konzentrationen am Arbeitsplatz in den bedeutenden Industrieländern zwischen 3 mg/m3 und 20 mg/m3 bei einem mittleren Wert von 8,5 mg/m3 [30]. 1989 lagen beispielsweise
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Toxikologische Eigenschaften von Titandioxid
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die maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen in den wichtigsten Industriestaaten zwischen 5 mg/m3 und 20 mg/m3 mit einem Mittelwert von 9,5 mg/m3 [28]. Die momentan in Deutschland dazu in der „TRGS 900“ (Technische Regeln für Gefahrstoffe) festgelegten Grenzwerte berücksichtigen die Teilchengröße als Kriterium. Man unterscheidet dabei zwischen „einatembarem Staub“ und „alveolengängigem Staub“. In letzterem gibt es Partikel mit aerodynamischen Durchmessern von 0 bis ca. 10 µm. Der MAK-Grenzwert für einatembaren Staub liegt bei 10 mg/m3, der für alveolengängen Staub bei 3 mg/m3. Andere europäische Länder haben ihrerseits nationale Gesetze mit eigenen Grenzwerten. Eine Harmonisierung steht noch aus. In den USA hat die OSHA (Occupational Safety and Health Administration) die zulässige Exposition (PEL, Permissible Exposure Limit) für „inerte und lästige Stäube“ (inert and nuisance dusts; Anwendbar auf Titandioxid-Pigmentstäube) auf 10 mg/m3 festgelegt, mit einem einatembaren („respiratory“) Staubwert von maximal 5 mg/m3. Die PEL-Grenzwerte sind rechtlich bindend im Gegensatz zu den „Threshold Limit Values“ (TLV), die von der „American Conference of Governmental Industrial Hygienists“ (ACGIH) vorgeschlagen werden. Der TLV-Wert für Titandioxid liegt allerdings ebenfalls bei 10 mg/m3. Sowohl PEL-, als auch TLV-Werte verstehen sich als gewichtete 8-Stunden Durchschnitte (time weighted average, TWA) pro Tag. Sie entsprechen damit den MAK-Werten. Sowohl die OSHA-, als auch die ACGIH-Grenzwerte, basieren auf Annahmen über die physikalische Reizung, die von dem Kontakt mit Titandioxid-Stäuben in der Lunge ausgeht. 2.4 Literatur [1] A.F. Wells, „Structural Inorganic Chemistry“, 4th Ed., Clarendon Press, Oxford (1975) S. 143, 146, 447 (Anatas); S. 14, 141, 158, 200, 447, 487, 488 (Rutil) [2] „Handbook of Optical Constants of Solids“, E. D. Palik Ed., Elsevier, 1998 [3] E.S. Thiele, R. H. French, Adv. Mat. 10, No. 15 (1998) 1271–1276 [4] Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5th Edition, VCH Weinheim (1993), Vol A 23, p. 539 [5] J.-Ch. Dierich et al., Stahl und Eisen 119 (1999) Heft 8, S. 85 [6] H.-G. Grabietz et al., 45th International Colloquium on Refractories, 16 and 17 October 2002, Aachen, Congress Book, p. 56 [7] V.I. Evdokimov, V. A. Krenev, Inorganic Materials, 38, No. 5 (2002) 490 [8] T. Rentschler, Europ. Coatings J., 10 (1997) p. 939 [9] H.P. Boehm, M. Hermann, Z. Anorg. Allg. Chemie, 352 (1967) p. 156 [10] US National Cancer Institute, Bioassay of Titanium Dioxide for Possible Carcinogenicity, Tech. Rep. Ser. No. 97 (1979) [11] H.S. Tichy, Seifen-Öle-Fette-Wachse 117, Nr. 10 (1991) 389, Citation No. 23 [12] J.J. Powell et al., Gut 38 (1996) 390 [13] D. Hollander et al., Intern. Med. 105 (1986) 883
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30
Physikalische, chemische und toxikologische Eigenschaften
[14] R.V. Heatley et al., Digestion 20 (1980) 307 [15] Documentation of the Treshold Limit Values, 4. Edition, American Conference of Governmental Hygienists, Cincinnati, Ohio, USA (1980) p. 399 [16] F. Bischoff, G. Bryson, Res. Commun. Chem. Pathol. Pharmacol. 38 (1982) 279 [17] F. Stenbäck et al., Oncology 33 (1976) 29 [18] H.E. Stockinger, Patty’s Industrial Hygiene and Toxicology, 3. Edition, Vol. 2A, G.D Clayton and F.E. Clayton Eds., J. Wiley, New York (1981), p. 1968 [19] H.S. Tichy, Seifen-Öle-Fette-Wachse 117, No.10 (1991); Citation No. 24 [20] C. Maltoni et al., in „Advances in Modern Environmental Toxicology“, Vol. 2, A. Englund, K. Ringen, K. Mehlman, M. A. Mehlman Eds., Occupational Health Hazards of Solvents, Princeton, N.J., Princeton Scientific Publishers, p. 77 [21] H.E. Wichmann et al., Health Effects Institute, Cambridge, USA, Report 98 (2000) [22] World Health Organization, „Environmental Health Criteria“, 24, Titanium, WHO, Geneva, Switzerland [23] P.M. Hext, Human & Experimental Toxicology 13 (1994) 700 [24] S. Diabaté et al., Nachrichten Forschungszentrum Karlsruhe 34, No. 1 (2002) 75 [25] K.P. Lee et al., Toxicol. Appl. Pharmacol. 79 (1985) 179 [26] U. Heinrich et al., Inhalation Toxicology 7 (1995) 533 [27] J.L. Chen, W.E. Fayerweather, J. Occup. Med. 30 (1988) 937 [28] J.P. Fryzek, B. Chadda, D. Marano et al., J. Occup. Environm. Med., 45 (2003) 400–409 [29] P. Boffetta, A. Soutar, J.W. Cherrie, Cancer Causes Control, 15 (2004) 697–706 [30] JARC Monogr. Eval. Carcinog. Risks Hum., Volume 93, Lyon, France (2010) 211
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Rohstoffe zur Titandioxid-Herstellung
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3 Herstellung von Titandioxid-Pigmenten 3.1
Rohstoffe zur Titandioxid-Herstellung
Titan ist das vierthäufigste Metall und das neunthäufigste Element der Erde. In der Natur kommt Titan immer nur in Form von Oxiden oder Mischoxiden mit anderen Elementen vor. Abbauwürdige Vorkommen sind in der Regel magmatischen Ursprungs. Je höher der Verwitterungsgrad ist, umso höher ist der Titangehalt der Erze. Die Titandioxid-Pigmentindustrie verbraucht zwischen 90 % und 95 % der gesamten Titanerzförderung. Der Rest wird zur Gewinnung von Titanmetall, zur Herstellung von Schweißelektroden und in der Roheisen-Herstellung zur Regenerierung der Innenauskleidung von Hochöfen benutzt. Weiter ist Titan Bestandteil [1] bunter Rutil-Mischphasenpigmente, wie Nickeltitangelb und Chromnickelgelb. In DENOxWabenkatalysatoren zur Aufreinigung von Kraftwerksabgasen katalysiert Titandioxid die Reduktion von Stickoxiden in einer Komproportionierungsreaktion mit Ammoniak oder Harnstoff. In der Elektronikindustrie schließlich werden hochreine Bariumtitanate wegen ihrer hohen Dielektrizitätskonstanten eingesetzt. Titandioxid-Pigmente werden entweder nach dem Sulfatverfahren oder nach dem Chloridverfahren (siehe Kapitel 3.2 und 3.3) hergestellt. Die beiden Verfahren konkurrieren nicht um dieselben Rohstoffe, weil beide Produktionsverfahren unterschiedliche Anforderungen stellen. Generell lässt sich sagen, dass das Chloridverfahren auf Rohstoffe mit höheren Titangehalten angewiesen ist, weil alle Metallatome in die Chloride überführt werden. Das führt einerseits zu einem höheren Verbrauch an Chlorgas und andererseits zu erhöhtem Anfall an Abfallstoffen. Die Abfallstoffe aus dem Chloridverfahren (hauptsächlich FeCl2) sind im Vergleich zu denen aus dem Sulfatverfahren problematischer, weil Verwertungsmöglichkeiten fehlen. Weiterhin reagiert das Chloridverfahren empfindlich auf Calcium und Magnesium im Erz, weil CaCl2 und MgCl2 unter den Bedingungen des Chloraufschlusses nicht flüchtig sind, und das Reaktorbett stören und verkleben können. Auch
Jochen Winkler: Titandioxid © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
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Herstellung von Titandioxid-Pigmenten
Zirkonsilikat ist nicht erwünscht, weil es nur sehr langsam chloriert wird und sich deswegen im Flüssigbettreaktor anreichert. Tabelle 3.1 zeigt eine Auflistung von Titanerzen. Zur Titandioxid-Produktion werden nur die ersten fünf Rohstoffe (siehe Übersichtsartikel [2]) eingesetzt. Ilmenit, Leucoxen und natürliches Rutil kommen in der Natur vor, während synthetisches Rutil und Titanschlacke extra für die Titandioxid-Produktion gemacht werden. Leucoxen ist, wie natürliches Rutil, ein Verwitterungsprodukt des Ilmenits. Titanschlacken werden aus Ilmenit hergestellt, indem in einem metallurgischen Prozess das Eisenoxid mit Anthrazitkohle in einem Lichtbogen reduziert und als Roheisen gewonnen wird (Sorel-Prozess). Bis vor kurzem wurden Titanschlacken hauptsächlich in Kanada (Quebec Iron and Titanium Company, QIT) und in Südafrika (Richard Bay Minerals, RBM) hergestellt und unter dem Namen „Sorel-Schlacke“ gehandelt. In Norwegen wird „Tinfos-Schlacke“ produziert. Heute machen diese Schlacken etwa 30 % der weltweiten Rohstoffmenge für die TiO2-Pigmentproduktion aus. Hoch angereicherte Schlacken mit Titandioxid-Gehalten von mehr als 85 % werden heute auch im Chloridverfahren der Titandioxid-Pigmentherstellung eingesetzt („Chloridschlacken“). Inzwischen werden auch bedeutende Mengen an Titanschlacken in China, Vietnam, Australien und demnächst auch in Saudi Arabien produziert. Ausgelöst durch die Rohstoffverknappung in 2011 sind derzeit eine Reihe von Produktionsstätten in Planung bzw. bereits in der Entstehung. Einige TitandioxidPigmenthersteller haben sich aus demselben Grund zu einer Rückwärtsintegra-
Tabelle 3.1:Natürliche und synthetische Rohstoffe zur Titandioxid-Herstellung Rohstoff
% TiO2 – Gehalt
Verwendung im
natürliches Rutil
92–98
Chlorverfahren
synthetisches Rutil
89–93
Chlorverfahren
Leucoxeniertes Ilmenit
55–65
Chlorverfahren
Titanschlacke
75–85
Sulfatverfahren
Ilmenit
37–54
Sulfatverfahren
Anatas
90–95
ohne Verwendung
Brookit
90–100
ohne Verwendung
Perovskit
40–60
ohne Verwendung
Titanit („Sphene“)
30–42
ohne Verwendung
2–20
Sulfatverfahren nach Eisenextraktion
Titanomagnetit
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Rohstoffe zur Titandioxid-Herstellung
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Abbildung 3.1: Rohstoffe für das Sulfat- und Chloridverfahren zur Titandioxid-Pigmentherstellung
tion entschlossen, um ihren Rohstoffbedarf in Zukunft auch in Krisenzeiten zu sichern. Synthetisches Rutil wird entweder aus Ilmenit, nach dem „Benelite-Prozess“, oder im „Becher-Prozess“ aus Leucoxen gewonnen [3]. Beim Benelite-Prozess wird das Erz im Drehrohrofen mit Kohlenstoff oder einem anderen Energieträger reduziert, wobei das Eisen vom dreiwertigen in den zweiwertigen Zustand gelangt. Anschließend wird das Eisen mit 20%iger Salzsäure herausgelöst. Das entstehende synthetische Rutil hat einen TiO2-Gehalt von ca. 96 %. Aufgrund seiner Reinheit ist synthetisches Rutil vergleichsweise teuer. Dennoch stellt es das ideale Ausgangsmaterial für die Produktion von Titan-Metall dar. Beim Becher-Prozess wird Leucoxen erst oxidiert und dann reduziert. Diese „Potenzierung“ [4] hat die Aufgabe, Poren und Risse in der Erzoberfläche zu erzeugen und gleichzeitig das Eisen in die elementare Form zu überführen, das in einem anschließenden Schritt – mit Ammoniumchlorid als Katalysator – mit Luft oxidiert und in Lösung gebracht wird. Dabei entsteht ein Titanrohstoff mit ca. 90 % bis 92 % TiO2-Anteil. Die Abbildung 3.1 zeigt die Zusammenhänge in einem Fließdiagramm. Neuere Verfahrensoptimierungen zum Aufkonzentrieren von Titanerzen haben vor allem Energieeinsparungen und eine generell umweltschonendere Produktionsweise zum Ziel [z.B. 5].
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Herstellung von Titandioxid-Pigmenten
Titanmagnetit ist ein wichtiger Rohstoff für die Titandioxid-Herstellung speziell in China, weil es dort häufig vorkommt. Ebenfalls in der Natur kommen Anatas, Perovskit (CaTiO3), Titanit (CaTi[SiO4]O) und Brookit vor, ohne jedoch bislang als Rohstoff für die Titandioxid-Herstellung eingesetzt zu werden. Denkbar ist jedoch, dass in Zukunft natürlicher Anatas und Perovskit genutzt werden könnten. Jedoch stört in beiden Fällen das Vorhandensein von Calcium, das in jedem Fall in irgendeiner Form als nicht verwertbarer Bestandteil anfiele. Einige Lagerstätten weisen auch relativ hohe Gehalte an Uran und Thorium aus, die je nach Isotopenzusammensetzung zu einer erhöhten Strahlenbelastung führen und deswegen nicht als Rohstoff eingesetzt werden. Der bevorzugte Rohstoff für das Chloridverfahren ist nach dem vorher beschriebenen natürliches Rutil, gefolgt von synthetischem Rutil. Synthetisches Rutil ist porös und hat deshalb eine geringere Dichte als natürliches Rutil. Deswegen muss bei dessen Verwendung stärker darauf geachtet werden, dass unreagierter Rohstoff nicht aus dem Fließbettreaktor ausgetragen wird. Mit der zunehmenden Verknappung von natürlichem Rutil wird immer mehr Chloridschlacke eingesetzt. Weil die Kapazitäten für die Schlackeherstellung begrenzt sind, beeinflusst dies natürlich auch die Versorgungslage der SulfatTiO2-Produzenten mit Schlacken. Auch Leucoxen und besonders Calcium-arme Sulfat-TiO2-Schlacken können direkt im Chloridverfahren verarbeitet werden, was aber aufgrund des niedrigen Titangehalts nur im Einzelfall sinnvoll ist. Ein bedeutender Titandioxid-Produzent nach dem Chloridverfahren ist in einigen seiner Produktionsstätten in der Lage, feste Metallchloride in Deponien und wässrige Metallchlorid-Lösungen unter Tage in „deep wells“ zu verbringen. Unter diesen Umständen ist der so genannte „Chlorid-Ilmenit-Prozess“ ökonomisch rentabel, bei dem Ilmenite mit Titandioxid-Gehalten von 65 % eingesetzt werden.
3.2 Sulfatverfahren Wie einführend erwähnt, werden Titandioxid-Pigmente heute nach zwei Verfahren hergestellt: Entweder nach dem Sulfatverfahren oder nach dem Chloridverfahren. Das Sulfatverfahren wird seit 1919 zur Pigmentproduktion genutzt. Beim Sulfatverfahren (vgl. Fließbild Abbildung 3.2) wird Ilmenit oder Schlacke zunächst aufgemahlen, dann getrocknet und gesichtet. Das getrocknete Erz mit definierter Körnung wird mit Schwefelsäure und Oleum in einer sehr heftig verlaufenden Reaktion zu einem festen Aufschlusskuchen umgesetzt. Der Aufschlusskuchen besteht aus Sulfaten des Titans, des Eisens und anderer im Erz vorkommende Metalle. Er wird nach vollendeter Reaktion mit verdünn-
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Sulfatverfahren
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Abbildung 3.2: Herstellung von TiO2-Pigmenten nach dem Sulfatprozess im Fließbild dargestellt
ten, aus dem Prozess rückgeführten Schwefelsäuren in Lösung gebracht. Durch Zugabe von Eisenschrott wird sichergestellt, dass das vorhandene Eisen als Fe2+ anstatt Fe3+ vorliegt. Fe2+ ist unter den Bedingungen der später stattfindenden „Hydrolyse“ (siehe im Weiteren) besser löslich als Fe3+, das spätestens dort als rotes Fe2O3 mit ausfiele. Durch die Eisenschrottzugabe wird auch ein kleiner Teil des Ti4+ zu Ti3+ reduziert. Das Ti3+-Ion, welches tief violett gefärbt ist, lässt die Aufschlusslösung schwarz erscheinen. Deshalb, und wegen der hohen Viskosität der Aufschlusslösung, wird sie „Schwarzlösung“ (englisch: black liquor) genannt. In ihr liegt das gelöste Tian als Titanylsulfat (TiOSO4) vor. Anschließend werden die ungelösten Bestandteile aus der Aufschlusslösung durch Flockung, Sedimentation und Filtration entfernt. In manchen Sulfatanlagen wird die Aufschlusslösung abgekühlt, wobei das sogenannte Grünsalz (FeSO4 · 7H2O) ausfällt. Es wird in der Wasseraufbereitung als Flockmittel eingesetzt und dient in der Zementindustrie zur Reduktion von Chrom in der Oxidationsstufe 6+ zu Chrom in der Oxidationsstufe 3+ („Chromatreduzierer“). Chrom 6+ löst die so genannte „Zementallergie“ aus, von denen Maurer und Bauarbeiter betroffen sein können.
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Herstellung von Titandioxid-Pigmenten
Bei der anschließenden „Hydrolyse“ wird aus der Aufschlusslösung durch Erwärmen und Verdünnen mit Wasser ein Titanoxidhydrat der allgemeinen Formel TiO(OH)2 („Metatitansäure“) als Feststoff ausgefällt. An dieser Stelle des Prozesses lässt sich bereits die Entscheidung treffen, ob ein Rutil- oder ein AnatasPigment hergestellt werden soll. Soll Rutil entstehen, so werden der Hydrolyse „Rutil-Keime“ (Rutilisierungskeime) zugegeben. Rutil-Keime sind aus Titanylchlorid (TiOCl2) hergestelltes TiO(OH)2, welches beim Erhitzen in der Rutil-Modifikation kristallisiert. Manche Sulfat-Pigmenthersteller setzen die Rutil-Keime allerdings erst zur „Salzbehandlung“ (Synonym: „Einstellung“, siehe im Weiteren) vor der Calcination ein. Der Vorteil liegt in einer besseren Flexibilität bei der Fertigung. Ein möglicher Nachteil kann allerdings darin liegen, dass höhere Keimmengen benötigt werden, was wiederum kostspielig ist. Außerdem werden dann, wie bei der Anatas-Hydrolyse, so genannte Fällkeime bei der Hydrolyse erforderlich. Anatase lassen sich sowohl mit als auch ohne separate Keimzugaben hydrolysieren. Wenn Keime zugegeben werden, fällt man sie, im Gegensatz zu Rutilisierungskeimen, allerdings aus TiOSO4-Lösungen aus. Hierzu werden die Keime entweder durch Fällung mit Natronlauge (Mecklenburg-Verfahren), oder durch Kochen („Hydrolyse“) einer Titanylsulfat-Lösung (Blumenfeld-Verfahren) erzeugt. Die gefällte Metatitansäure wird anschließend mehrfach filtriert, gewaschen und wieder angeschlämmt. Dabei wird separat hergestellte Ti3+-Lösung zugegeben, um die beim Verbleib farbgebenden Metallionen des Fe, Cr, Cu, Mn, V etc., zur besseren Auswaschbarkeit in löslichere, niedrige Oxidationsstufen zu überführen. Das so gereinigte Titanoxidhydrat wird dann zur Vorbereitung der Calcination mit Glühsalzen versehen. Sie haben die Aufgabe, beim Glühen einerseits das Entstehen der gewünschten Teilchengrößenverteilung des Pigments zu fördern (Alkaliionen und Phosphationen), andererseits dem im Glühprozess entstehenden „Grundkörper“ Wetterbeständigkeit zu verleihen (beim Rutil: Aluminiumhydroxide oder -oxide, früher auch Zinkoxide). Die Aluminiumionen dringen während der Calcination in einer Festkörperdiffusionsreaktion in die entstehenden Titandioxid-Grundkörper ein, wo sie ins Kristallgitter eingebaut werden. Man spricht von einer „Dotierung“ des Grundkörpers. Es wurde gezeigt [6], dass das zugegebene Aluminiumoxid beim Sulfatprozess das Kristallwachstum ebenfalls mit beeinflusst. Die Aluminiumatome nehmen bei geringeren Konzentrationen zuerst Gitterplätze des Titans ein [7] und dienen dort als Rekombinationszentren für bei der Bestrahlung mit UV-Licht gebildete Excitonen (vgl. Kapitel 5). In höheren Konzentrationen besetzen die Aluminiumatome auch Zwischengitterplätze. Eingebautes Aluminium lässt die Abmessungen der Elementarzelle des Rutils kleiner werden [7].
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Chloridverfahren
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Beim Sulfatprozess muss die Menge an zugesetztem Aluminium zur Salzbehandlung deshalb begrenzt bleiben, weil die Pigmente ansonsten, aufgrund einer Aufkonzentrierung des Aluminiums an der Pigmentoberfläche, gelbstichig werden. Das Glühen selbst erfolgt in Drehrohröfen bei Temperaturen um 1.000 °C. Nach der Calcination fällt das TiO2, das nun schon „Pigmentcharakter“ hat (es färbt jetzt weiß) in eine Kühltrommel, wo es genügend abkühlt wird, um weiter aufgearbeitet zu werden (vgl. Kapitel 3.4).
3.3 Chloridverfahren Das Chloridverfahren ist das jüngere der beiden industriell genutzte TiO2-Pigmentherstellverfahren. Es wurde in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts maßgeblich von Chemikern der Firma DuPont de Nemours entwickelt. Beim Chloridverfahren [8] (vgl. Abbildung 3.3) wird natürliches oder synthetisches Rutil mit Chlorgas und Koks nach folgender Reaktionsgleichung in einem Fließbettreaktor in Gegenwart von Sauerstoff umgesetzt: TiO2 + 2Cl2 + C
TiCl4 + CO2
Abbildung 3.3: Herstellung von TiO2-Pigmenten nach dem Chloridprozess im Fließbild dargestellt
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Herstellung von Titandioxid-Pigmenten
Das bei der Verbrennung des Koks nach der Boudouard-Gleichung CO2+C
2CO
intermediär entstehendes Kohlenmonoxid entzieht dem Titanrohstoff den Sauerstoff, so dass die Reaktion mit Chlor erfolgen kann. Außer Titan reagieren auch andere Metalloxide unter Bildung von Chloriden, die (mit Ausnahme von MgCl2 und CaCl2) ebenfalls bei der Reaktionstemperatur flüchtig sind. Das TiCl4 wird nach der Chlorierung durch Kondensation von den meisten anderen Chloriden getrennt. Anschließend werden zur weiteren Aufreinigung Reduktionsmittel zugesetzt, um Vanadintetrachlorid (V4+Cl4) und Vanadylchlorid (V5+OCl3) zu Vanadintrichlorid V3+Cl3 zu reduzieren. Nur so ist eine spätere destillative Trennung von Titan- und Vanadinchloriden möglich. Bereits geringe Spuren von Vanadin (ab ca. 5 ppm) im TiO2 führen zu einem Gelbstich des entstehenden Grundkörpers. Das gereinigte TiCl4 wird anschließend in einem Brenner (Englisch: burner) mit Sauerstoff-Überschuss nach folgender Reaktionsgleichung zu Titandioxid umgesetzt: TiCl4 + O2
TiO2 + 2 Cl2
Dazu werden die Reaktanden auf 500 °C bis 1000 °C (TiCl4) bzw. 1000 °C (O2) vorgeheizt. Das nach obiger Reaktionsgleichung entstehende TiO2 wäre ein Gemisch aus Anatas und Rutil und somit für industrielle Anwendungen als Pigment kaum geeignet. Durch Zugabe von etwa 0,5 bis 1,5 Gew% Al2O3 – als AlCl3 – zum Gasstrom des TiCl4 wird das entstehende TiO2 zu annähernd 100 % Rutil. Gleichzeitig dient das ins Kristallgitter eingebaute Aluminium wie beim Sulfatprozess zur Verbesserung der Photo- und Wetterbeständigkeit (vgl. Kapitel 5). Ein weiterer Effekt der Al2O3-Zugabe ist eine Förderung der Feinteiligkeit des Pigments. Durch alternative Zugabe von Phosphortrichlorid (PCl3) oder Siliciumtetrachlorid (SiCl4) soll es möglich sein, die Rutil-Bildung zu unterdrücken und ein reines Anatas herzustellen [9]. Ein so hergestelltes Anatas wird allerdings derzeit am Markt nicht angeboten. Hinter dem Brenner muss das Produkt schnell auf Temperaturen unter 600 °C abgekühlt und das gebildete Chlorgas abgetrennt werden. Dies geschieht thermisch und durch Spülen mit Luft oder Stickstoff. Bei der weiteren pneumatischen Förderung des TiO2 wird ein feinteiliger Sand zugesetzt. Er verhindert, dass sich das zum Aufbauen neigende TiO2-Pulver in den Rohrleitungen festsetzt. Dieser Sand muss zu einem späteren Zeitpunkt selbstverständlich vom Pigment wieder abgetrennt werden. Dies geschieht durch Sieben des mit einer Sandmühle
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Anorganische und organische Oberflächenbehandlung
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aufgemahlenen Chloridgrundkörpers. Da das Pigment an dieser Stelle als wässrige Slurry vorliegt, werden – im Gegensatz zum Sulfatprozess – nach dem Chloridverfahren fast ausschließlich anorganisch oberflächenbehandelte Sorten hergestellt.
3.4 Anorganische und organische Oberflächenbehandlung Nach dem Abkühlen wird der nach dem Sulfat- oder Chloridverfahren hergestellte Titandioxid-„Grundkörper“ (entweder Anatas oder Rutil) in der Regel anorganisch oberflächenbehandelt. Bei diesem Schritt werden die Grundkörper aufgemahlen und daraufhin mit einer Schicht oder mit mehreren Schichten anorganischer Substanzen belegt. Nach [10] sollen bis zum Jahr 1998 etwa zweitausend Patente zu diesem Teilschritt der Pigmentherstellung erteilt worden sein. Dieser Verfahrenstechnik liegt das Prinzip zu Grunde, dass eine wässrige Dispersion des aufgemahlenen Grundkörpers vorgelegt und die aufzufällende Verbindung in zunächst gelöster Form zugegeben wird. Dazu ist es notwendig, in der Suspension einen pH-Wert einzustellen, bei dem die Anorganik noch nicht ausfällt. Aus dieser Suspension wird dann durch eine pH-Wert-Veränderung zum Neutralpunkt hin die anorganische Substanz feinteilig ausgefällt [11–13]. Aufgrund der hohen Ionenstärke (vgl. Kapitel 6.4.2) sind diese Fällungsprodukte nicht flockungsstabil, sondern agglomerieren und fallen auf dem Titandioxid-Grundkörper aus. Die Kunst einer solchen Oberflächenbehandlung („Nachbehandlung“) liegt darin, durch geeignete Prozesssteuerung eine möglichst vollständige Umhüllung der Titandioxid-Grundkörperteilchen zu erzielen. Die Nachbehandlungen lassen sich entweder „diskontinuierlich“ in gerührten, heizbaren Behältern, oder aber „kontinuierlich“ in aufeinander folgenden, heizbaren Kaskadenbehältern durchführen. Beide Verfahren liefern vergleichbare Ergebnisse, obgleich das diskontinuierliche Verfahren dann leichter anzuwenden ist, wenn die Nachbehandlung zum Generieren niedriger spezifischer Oberflächen sehr langsam erfolgen soll. Zur Oberflächenbehandlung finden die Oxide bzw. Hydroxide des Aluminiums, des Siliciums, des Zirkons, aber auch des Titans Verwendung. Die Nachbehandlungsmengen werden üblicherweise als Gewichtsprozent des Oxids, bezogen auf den eingesetzten TiO2-Grundkörper, angegeben, z.B. „3 % Al2O3“. Und dies, obwohl es sich in Wahrheit um gemischte Oxide/Hydroxide des Aluminiums handeln dürfte. Typische Reagenzien sind NaAlO2, Al2(SO4)3, Na2SiO3, ZrOSO4 und TiOSO4.
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Herstellung von Titandioxid-Pigmenten
Durch Zusammenbringen basischer und saurer Fällungsreagenzien lassen sich zwei verschiedene Oberflächenbehandlungssubstanzen gemeinsam ausfällen, z.B. als deren Salz, wie etwa Aluminiumsilikat. Anorganische Oberflächenbehandlungen müssen nicht unbedingt nur oxidischer Natur sein, sondern können auch andere Anionen enthalten. Beispielsweise bilden Aluminium und Titan schwerlösliche Phosphate, die sich ebenfalls an Pigmentoberflächen anlagern und als Nachbehandlung bestimmte Zwecke erfüllen können. Es besteht die Möglichkeit, die Nachbehandlungskomponenten alle gemeinsam oder auch wie Zwiebelschalen in Schichten hintereinander aufzubringen. Im Anschluss an die anorganische Oberflächenbehandlung werden die Pigmente filtriert, gewaschen, getrocknet und anschließend mit einer organischen Oberflächenbehandlung versehen, um dann in einer Dampfstrahlmühle aufgemahlen zu werden. Die organischen Oberflächenbehandlungen werden in aller Regel zu einer Menge von ca. 0,3 bis 0,6 Gew.-% aufgetragen. Näheres zu ihrer Wirkung ist in Kapitel 6.2 und 6.3 ausgeführt. Sowohl die Wetterbeständigkeit und die Photobeständigkeit als auch pigmentoptische und kolloidchemische Eigenschaften werden durch die anorganische Oberflächenbehandlung beeinflusst. Tabelle 3.2 [aus 14] zeigt einige Beispiele für anorganische Oberflächenbehandlungen aus einer Laborversuchsreihe. Dabei wurden ein bzw. zwei Nachbehandlun-
Tabelle 3.2: Anwendungstechnische Eigenschaften verschieden nachbehandelter Titandioxid-Pigmente
erste Behandlung
1
2
3
4
5
6
7
3% Al2O3
1% TiO2
3% Al2O3
1% TiO2
0,5 % SiO2
0,5 % SiO2
3% Al2O3
–
–
1% TiO2
3% Al2O3
–
3% Al2O3
0.5 % SiO2
98
106
105
107
98
107
108
13,7
14,8
14,8
14,8
13,4
14,9
15
77
80
79
79
66
77
77
8,4
16,0
13,9
8,0
13,1
13,1
zweite Behandlung relatives Streuvermögen CBU 20° Glanz spez. Oberfläche in [m²/g]
11,1
60° Glanz nach 36 Monaten Freibewitterung
12 %
9%
34 %
46 %
2%
10 %
10 %
Zeitdauer für die Waschung von 2 kg in [min]
63
180
55
48
>250
57
57
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Anorganische und organische Oberflächenbehandlung
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gen hintereinander auf jeweils den gleichen Grundkörper aus dem Sulfatprozess aufgebracht. Die Muster mit nur Aluminiumoxid (Nr. 1) oder nur SiliciumdioxidNachbehandlung (Nr. 5) zeigen vergleichsweise schlechtes relatives Streuvermögen (vgl. Kapitel 4.5). Die übrigen Muster sind in etwa vergleichbar in dieser Beziehung, jedoch auch hinsichtlich ihres Farbstichs in Abmischungen mit Buntpigmenten, bzw. Ruß (CBU, s. Kapitel 4.9). Der 20° Glanz (s. Kapitel 4.10) wurde in einer Lack-Prüfrezeptur bei einer PVK (Pigmentvolumenkonzentration) von 17 % bestimmt. Auch in dieser Eigenschaft sind die Proben 1 und 5 deutlich schlechter, wobei die Nachbehandlung mit Kieselsäure erfahrungsgemäß immer zu etwas niedrigeren Werten führt. Der drastische Einbruch des Glanzes bei der Probe Nr. 5 ist vermutlich auch darauf zurückzuführen, dass die Gesamtmenge an Nachbehandlung mit 0,5 Gew.-% sehr gering ist. Die Proben Nr. 6 und 7 zeigen diese Tendenz im Vergleich zu den Proben Nr. 3 und 4 aber deutlich. Die Werte der spezifischen Oberflächen der Proben unterscheiden sich wiederum deutlich voneinander. Gegenüber dem nicht nachbehandelten Grundkörper, mit einer spezifischen Oberfläche von ca. 8 bis 10 m2/g, führen anorganische Oberflächenbehandlungen – in praxisüblichen Mengen von 2 bis 4 % Gesamtmenge – gewöhnlich zu einer Erhöhung der spezifischen Oberfläche. Dazu zeigt Abbildung 3.4 eine transmissions-elektronenmikroskopischeAufnahme eines Titandioxid-Teilchens mit einer Oberflächenbehandlung aus einer Kombination von SiO2 und Al2O3. Im Gegensatz zum kristallinen Grundkörper, der durch sein Interferenzmuster sichtbar wird, ist die Oberflächenbehandlungsschicht amorph und stärker strukturiert als der darunter liegende Oberflächenbereich des Grundkörpers, was zu der beobachteten Oberflächenvergrößerung führt. Große Unterschiede gibt es wieder bei der Glanzhaltung nach 36 Monaten Freibewitterung der lackierten Tafeln. Hier zeigt die Probe Nr. 4 das beste Ergebnis und auch im Hinblick auf die Auswaschbarkeit der Salze nach erfolgter Nachbehandlung. Handelsübliche Titandioxid-Pigmente haben eine „Leitfähigkeit“ von weniger als 100 µS/cm (Kehrwert des nach ISO 787 T14 bestimmten Widerstandes einer
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Abbildung 3.4: TEM-Aufnahme eines Titandioxid-Pigmentteilchens mit einer anorganischen Oberflächenbehandlung aus SiO2 und Al2O3 Quelle: T.A. Egerton
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Herstellung von Titandioxid-Pigmenten
Aufschlämmung von 20 g Pigment in 180 g Wasser). Um dies zu erreichen, müssen die Pigmente nach der Nachbehandlung mit der etwa fünffachen Menge an Wasser auf dem Filter gewaschen werden. Die Probe Nr. 4 verhielt sich in dieser Beziehung produktionstechnisch am günstigsten. Aluminiumoxid ist heute sicher die gebräuchlichste Nachbehandlungskomponente, insofern, als es immer wenigstens einen Bestandteil der anorganischen Oberflächenbehandlung bildet. Die erzielten anwendungstechnischen Pigmenteigenschaften hängen jedoch nicht nur von der Art der Aufbringung, sondern offenbar auch von der Vorgeschichte des Grundkörpers ab. Deshalb unterscheiden sich Produkte unterschiedlicher Hersteller selbst für ein und dieselbe Anwendung voneinander.
3.5 Literatur [1] Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5. Edition, VCH, Weinheim, Volume A20, S. 276 [2] K.J. Stanaway, Mining Engineering, 46, Nr. 12 (1994) 1367 [3] P.N. Mohan Das et al., Metals Materials and Processes 13, Nr. 2-4 (2001) 205 [4] Patent WO 02/49964 A1, 27. Juni.2002 [5] D.E Moore, “Key strategic, economic and technical issues in the supply of titaniferrous feedstocks”, TiO2-93 Conference, Chicago, 14.-15. September 1993, Intertec Conferences, Portland ME, S. 16 [6] U. Gesenhues, Solid State Ionics, 101-103 (1997) 1171 [7] U. Gesenhues, J. Solid State Chemistry 143 (1999) 210 [8] Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5. Edition, VCH, Weinheim, Volume A20, S. 279 [9] Patent US 6444189 B1, 3. September, 2002 [10] R. Davies et al., Advanced Materials 10, Nr. 5 (1998) 1264 [11] U. Gesenhues, J. Colloid Interface Sci. 168 (1994) 428 12] U. Gesenhues; FARBE&LACK 94, Nr. 3 (1988) 184 [13] U. Gesenhues, 21. Fatipec-Kongress, 14.-18. June 1992, Amsterdam, Congress Book, Vol. 1, S. 44 [14] J. Winkler, High Performance Pigments 2000, Berlin, 11.-13. September 2000, Kongressband, Lecture Nr. 19, Intertec Conferences, Portland ME
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Grundlagen der Farbmetrik
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4 Optische Eigenschaften von Titandioxid-Pigmenten 4.1
Grundlagen der Farbmetrik
In diesem Kapitel werden die Grundzüge der Farbmetrik nur so weit beschrieben, dass der Leser in der Lage ist, die Kenngrößen, mit denen Titandioxid-Pigmente charakterisiert werden, zu verstehen. Ziel der Farbmetrik ist es, den Sinneseindruck, den der Mensch beim Sehen erfährt, in Zahlen auszudrücken. Für die Industrie spielt diese Quantifizierung von Farbe insofern eine wichtige Rolle, als danach im Geschäftsverkehr Liefertoleranzen vereinbart und eingehalten werden können. Bei farbigen Objekten unterscheidet man zwischen „Selbstleuchtern“, wie z.B. Glühlampen oder der Sonne, und „Nichtselbstleuchtern“. Bei Nichtselbstleuchtern spricht man auch von „Körperfarben“. Eine Körperfarbe entsteht dadurch, dass beispielsweise unbuntes (Tages-) Licht auf einen Körper trifft. Ein Teil der Strahlung wird absorbiert und in Wärme überführt, während der verbleibende Teil reflektiert wird. Dieser reflektierte Anteil trifft die Netzhaut des Auges, wo „Stäbchen“ und „Zäpfchen“, die für rotes, grünes und blaues Licht empfindlich sind, diesen Farbreiz verarbeiten und in Form eines elektrischen Signals über den Sehnerv an das Gehirn weiterleiten. Dort im Gehirn entsteht der Sinneseindruck: „Farbe“ sowie „hell“ und „dunkel“. Die Farbmetrik beruht bei der „additiven Farbmischung“ darauf, dass man jede Farbe aus verschiedenen Anteilen von Rot, Grün und Blau zusammensetzen kann. Durchstrahlt man ein rotes, ein grünes und ein blaues Glas mit einem Diaprojektor und überlagert die drei Farben übereinander (Abbildung 4.1), so
Abbildung 4.1: Prinzip der additiven Farbmischung
Jochen Winkler: Titandioxid © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany ISBN: 978-3-86630-893-0
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Optische Eigenschaften von Titandioxid-Pigmenten
Abbildung 4.2: Normalspektralkurven gemäß DIN 5033, Teil 2
ergibt sich Weiß oder „Unbunt“. Natürlich gilt dies exakt nur für ganz bestimmte Farbfilter. Abbildung 4.2 zeigt die Durchstrahlungsspektren solcher Farbfilter, wie sie in der DIN 5033, Teil 2, für die 2° und 10° Normalbeobachter festgelegt sind. Der 2 °(10 °)-Normalbeobachter schaut aus 40 cm Entfernung auf einen Kreis mit dem Durchmesser 1,4 cm (7 cm). Die „Normspektralwerte“ Rot xλ, Grün yλ und Blau z λ für die beiden Beobachter unterscheiden sich deshalb voneinander, weil je nach Sehfeld unterschiedlich große Anteile der Netzhaut am Sehvorgang teilnehmen und die menschliche Netzhaut nicht überall gleich empfindlich ist. Aus der von der Körperfarbe remittierten Strahlung R λ und den Normspektralwerten werden nach folgenden Gleichungen die Farbwerte X, Y und Z ermittelt:
X=
Gleichung 4.1
720nm
∫ ( x λ · R λ)dλ
λ = 380nm
Y=
Gleichung 4.2
720nm
Gleichung 4.3
Z=
∫ ( yλ · R λ)dλ
λ = 380nm
720nm
∫ ( zλ · R λ)dλ
λ = 380nm
Aus den Farbwerten lassen sich die Normfarbwertanteile x, y und z leicht berechnen: Gleichung 4.4
X
Y
Z
x= ; y= und z = X + Y + Z X + Y + Z X+Y+Z
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Grundlagen der Farbmetrik
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Da sich x,y und z zu 100 % addieren, ist mit festgelegten Werten für x und y der Farbort bereits eindeutig beschrieben. Unbunt ist die Farbe, die für Bestrahlung mit Tageslicht gleichgroße Anteile an Rot, Grün und Blau hat. Das ist bei x = 0,33, y = 0,33 der Fall, wie Abbildung 4.3 zeigt. An der Stelle ist automatisch z = 0,33. Geht man in der „Farbschuhsohle“ (Abbildung 4.3) vom Unbuntpunkt aus strahlenförmig auf einer Linie nach außen, so bewegt man sich auf einer Linie gleichen Farbtons. Der Farbton wird allerdings umso gesättigter, je weiter man nach außen kommt. Am Rand der Farbschuhsohle ist die Farbe vollständig gesättigt, weil der Körper entsprechend seiner Farbe das Licht zu 100 % absorbiert. Eine weitere Farbintensitätssteigerung („Sättigung“) ist dann nicht mehr möglich. Die Zahlen an der Umrandung der Farbschuhsohle geben die farbtongleichen Spektralwellenlängen an. Sie sind nur für den Bereich von Rot über Grün nach Blau definiert. Auf der sogenannten „Purpurgeraden“, als direkte Verbindung zwischen Rot und Blau, stehen keine Spektralwellenlängen, weil diese Farben keine Spektralfarben sind, sondern durch eine Überlagerung von Blau und Rot entstehen.
Abbildung 4.3: Normfarbtafel nach DIN 6164, Teil 1, auch Farbschuhsohle genannt
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Optische Eigenschaften von Titandioxid-Pigmenten
Abbildung 4.4: Farbenraum nach DIN 6174, CIELAB-Formel
Senkrecht zur x/y-Ebene steht im Unbuntpunkt noch eine Helligkeitsachse. Somit wird ein dreidimensionaler Farbraum aufgespannt, der alle Farben (= Farbtöne), Sättigungen und Helligkeiten, die optisch wahrnehmbar sind, enthält. Nachteilig an der Farbschuhsohle ist allerdings, dass die Farben unterschiedlich große Bereiche einnehmen. Während Rot und Blau ziemlich kleine Felder besetzen, nimmt die Farbe Grün einen großen Teil der Farbschuhsohle ein. Im roten Feld macht sich eine kleine Änderung der x- und y-Werte bereits im Farbton bemerkbar, während im grünen Feld eine ähnlich große Änderung u.U. gar nicht bemerkt wird. Zur Festlegung von Farbtoleranzen ist das natürlich ungünstig, und daher hat es nicht an Versuchen gefehlt, durch Dehnung und Stauchung von Farbachsen zu einem Farbenraum zu gelangen, der diesen Nachteil nicht oder nicht mehr so sehr hat. Das Ergebnis ist die DIN 6174: „Farbmetrische Bestimmung von Farbabständen bei Körperfarben nach der CIELAB-Formel“. CIE steht für „Commission Internationale de l’Eclairage“. Die CIELAB-Formel definiert einen Farbenraum (Abbildung 4.4), der durch eine a*-Achse, die von Grün nach Rot geht, und eine b*-Achse, die von Blau nach Gelb geht, sowie durch eine senkrecht dazu stehende Helligkeitsachse L* aufgespannt wird. Wie beim Farbschuh kennzeichnet ein vom Unbuntpunkt ausgehender Strahl einen Farbton, der nach außen hin immer gesättigter wird. Nach oben nimmt die Helligkeit zu und nach unten ab.
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Grundlagen der Farbmetrik
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Zwei Orte im Farbraum haben den Farbabstand ∆Eab von: Gleichung 4.5
∆Eab = √(∆L*)2 + (∆a*)2 + (∆b*)2
wenn ∆L*, ∆a* und ∆b* die Differenzen der entsprechenden Koordinaten im Farbraum sind. Unabhängig vom Ort im Farbenraum des CIELAB Systems werden gleiche ∆Eab-Werte im Allgemeinen als „gleich verschieden“ beurteilt. Generell wird in der Industrie ein Farbabstand ∆Eab von ± 1 als Lieferschwankung akzeptiert.
4.1.1 CIELAB-Werte von Titandioxid-Pigmenten Im Allgemeinen ist der Helligkeitswert L* und der Gelbstich b* nach DIN 6174 ein Bestandteil der Lieferspezifikationen von Titandioxid-Pigmenten. Um diese Werte zu bestimmen, werden Pulverpresslinge hergestellt und meistens mit Spektralphotometern vermessen. Es ist dabei wichtig, dass Messgeometrie, Lichtart und oftmals auch das Modell des Messgerätes genau vereinbart werden, weil die Messergebnisse davon abhängen bzw. abhängen können. Anatas-Pigmente können unter starker, anhaltender Beleuchtung in der Helligkeit abnehmen und gelbstichig werden. Deswegen macht es Sinn, an Stelle von Remissionsphotometern mit kontinuierlicher Beleuchtung sogenannte FlashPhotometer zu benutzen, bei denen nur ein kurzer Lichtblitz zur Beleuchtung der Probe verwendet wird.
4.2
Elektromagnetische Strahlung
Zwei grundlegende Zusammenhänge (Gleichungen 4.6 und 4.7) charakterisieren elektromagnetische Strahlung: Die Geschwindigkeit elektromagnetischer Strahlung im Vakuum c ist eine Konstante (2,998 108 m/s). Sie ist das Produkt aus der Wellenlänge λ und der Frequenz v der Strahlung Gleichung 4.6
c=λ·v
Die zugehörige Energie der Strahlung ist direkt proportional zu der Frequenz v. Die Proportionalitätskonstante ist h, das Planck’sche Wirkungsquantum. Gleichung 4.7
E=h·v
Absorbiert ein Körper eine Strahlung vollständig, so nimmt er genau diese Energie auf. Die Energie einer elektromagnetischen Welle wird durch ihr elektrisches Feld getragen. Der elektrische Feldvektor einer elektromagnetischen Welle verläuft sinusförmig entlang der Ausbreitungsrichtung der Welle. Senkrecht dazu verläuft, um 180° phasenverschoben, der magnetische Feldvektor der Welle. Schwingt der elektrische Feldvektor nur in einer Ebene, so spricht man von polarisiertem Licht.
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Das für das menschliche Auge sichtbare Licht überstreicht den Wellenlängenbereich zwischen ca. 380 nm und 700 nm. Alle Pigmente gehen grundsätzlich zweierlei Wechselwirkungen mit Licht ein, Lichtabsorption und Lichtstreuung. In Verbundwerkstoffen tragen Pigmente durch Strukturierung der Oberfläche zu einer weiteren optischen Erscheinung bei, dem Oberflächenglanz, der für die Wahrnehmung einen ähnlichen Stellenwert hat wie die Farbe.
4.3 Lichtabsorption, Lichtstreuung, Reflexion und Beugung Lichtabsorption, Lichtstreuung, Reflexion und Beugung sind Wechselwirkungen von Materie mit Licht. Sie beruhen auf einer Wechselwirkung der Elektronen der Substanz mit dem elektrischen Feld der Lichtwellen. Fallen Lichtwellen auf Materie, so werden die Elektronen darin zu Schwingungen angeregt. Stimmt die Frequenz der Lichtwelle mit der Eigenfrequenz eines Elektronenübergangs von einem niedrigeren in einen höheren Energie-Zustand überein, so wird die Energie der Lichtwelle absorbiert und (meistens) „strahlungslos desaktiviert“, d.h. in Wärme überführt. Fällt unpolarisiertes Licht auf einen transparenten Stoff, d.h. ein Stoff, der das Licht nicht absorbiert, so geben die zur Schwingung angeregten Elektronen – da bei als schwingende Dipole wirkend – ihrerseits wieder Strahlung ab. Da ein
Abbildung 4.5: Richtungsabhängigkeit der Polarisation gestreuter Strahlung an einem Streuzentrum
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Lichtabsorption, Lichtstreuung, Reflexion und Beugung
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schwingender Dipol die Strahlung aber nicht in seiner Schwingungsrichtung aussendet, sondern nur senkrecht dazu, ist das „gestreute“ Licht, je nach Beobachtungsrichtung, ganz oder teilweise polarisiert. Abbildung 4.5 zeigt diesen Zusammenhang für ein Streuzentrum, das viel kleiner ist, als die Wellenlänge der einfallenden Strahlung („Rayleigh- Streuung“). Von vorn fällt unpolarisiertes Licht auf das Streuzentrum. In diesem Strahl deuten die Doppelpfeile, zur besseren Unterscheidung in zwei verschiedenen Farben, in Abbildung 4.5 dargestellt, zwei zueinander senkrecht stehende elektrische Feldvektoren an. Im Streuzentrum werden Elektronen zur Schwingung in den Ebenen der beiden Feldvektoren des Lichtes angeregt. Als schwingende Dipole (Hertz’sche Dipole) senden sie – wie Antennen – die Strahlung senkrecht zu ihren Schwingungsrichtungen aus. Das im Bild in der Verlängerung des einfallenden Strahls gestreute Licht (üblicherweise „vorwärts gestreutes“ Licht genannt) ist demzufolge unpolarisiert. Die um 90° nach oben, unten, links und rechts gestreuten Strahlen sind in der angezeigten Weise polarisiert. Alle anderen Strahlen (nicht eingezeichnet) sind teilpolarisiert. Abbildung 4.6 zeigt die nach Mie (s. Kapitel 4.4) berechnete Intensität der beiden polarisierten Strahlen, z.B. in der (waagerechten) x/y-Ebene um das Streuzentrum der Abbildung 4.5. Dabei kennzeichnet 0° die Vorwärtsrichtung, 90° die Seitwärtsrichtung und 180° die Rückwärtsrichtung in Bezug auf den einfallenden Strahl.
Abbildung 4.6: Winkelabhängigkeit der Intensitäten der gestreuten, polarisierten Strahlungen in der waagerechten Ebene um das Streuzentrum der Abbildung 4.5 sowie der sich daraus ergebende Polarisationsgrad
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Optische Eigenschaften von Titandioxid-Pigmenten
Die Intensität des senkrecht zur Beobachtungsebene polarisierten Strahls (Farbe Rot wie in Abbildung 4.5) ist winkelunabhängig. Die des waagerecht polarisierten Strahls (Farbe Blau wie in Abbildung 4.5) nimmt von 0° ausgehend ab und wird bei 90° zu Null. Von dort nimmt die Intensität wieder bis 180° zu. Ebenfalls mit eingezeichnet ist der Polarisationsgrad. Er ist Null, wenn keine Vorzugspolarisation vorliegt, und Eins, wenn das Licht vollständig polarisiert ist. Befindet sich das Streuzentrum in einem idealen Kristall, d.h., ist es in regelmäßiger Anordnung von weiteren Streuzentren umgeben, so löschen sich die nicht in Vorwärtsrichtung gestreuten Strahlen durch Interferenz aus1. Übrig bleiben der vorwärtsgestreute Strahl, der zusammen mit dem einfallenden Strahl den Stoff durchdringt, und die rückwärts gestreuten, „reflektierten“ Strahlen. Die von Partikelrändern seitlich gestreuten Strahlen werden nicht vollständig ausgelöscht. Sie werden als „gebeugte“ Strahlen bezeichnet. Im Mikroskop, beispielsweise, sind deswegen auch submikroskopische Teilchen sichtbar. Man spricht von „Beugungsbildern“ der Teilchen. Haben die Streuzentren jedoch keine geregelte Anordnung, so löschen sich die gestreuten Lichtanteile auch nicht aus. Hat der Stoff zudem im sichtbaren Wellenlängenbereich keine Absorption, so erscheint das gestreute Licht weiß. Beispiele hierfür sind Wolken am Himmel, die durch Lichtstreuung an mikrometer-großen Nebeltröpfchen ihre weiße Farbe bekommen. Aber auch Weißpigmente wirken nach genau diesem Prinzip. Bei bunten Pigmenten ergibt sich der Farbeindruck durch die nicht absorbierten, dafür aber gestreuten Lichtwellen. Ein Grünpigment, beispielsweise, absorbiert blaues und rotes Licht und streut das mittelwellige, grüne Licht. Aus dieser Betrachtung ergibt sich, dass Farbstoffmoleküle, die Licht so gut wie nicht streuen, sondern lediglich zur Lichtabsorption fähig sind, in einem Lack oder Kunststoff nur in Transmission eine Farbwirkung erzielen. In der Aufsicht entsteht auf einer solchen Fläche nur dann ein Farbeindruck, wenn zum Beispiel Titandioxid als lichtstreuendes Pigment zusätzlich vorhanden ist. Das Buntpigment filtert durch Absorption bestimmte Wellenlängenbereiche raus, und die nicht absorbierte Strahlung wird vom Titandioxid aus dem farbigen Material (z.B. Lack oder dem Kunststoff) herausgestreut. Sowohl die Lichtabsorption, als auch die Lichtstreuwirkung ist teilchengrößenabhängig.
1
ies gilt streng genommen nur für den Fall, dass die elektromagnetische Strahlung nicht zu kurzwellig D ist. Für den Durchgang von sichtbarem Licht durch einen Kristall ist diese Voraussetzung aber erfüllt.
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Lichtabsorption, Lichtstreuung, Reflexion und Beugung
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4.3.1 Teilchengrößenabhängigkeit der Lichtabsorption Die Lichtabsorption lässt sich beispielsweise messen, indem – in Transmission – die Intensität des durchgehenden Strahls I mit der Intensität des einfallenden Strahls I0 verglichen wird. Es gilt die Lambert-Beer’sche Gleichung: I ln – = -k · c · d I0 c = Konzentration des Farbstoffs/Pigments d = Schichtdicke κ = Absorptionskoeffizient Gleichung 4.8
Aus der Messmethodik ergibt sich, dass der Absorptionskoeffizient von der Verteilung der farbgebenden Substanz abhängt. Da es sich bei den Buntpigmenten um um Feststoffteilchen handelt, ist der Absorptionskoeffizient teilchengrößenabhängig. Wie Abbildung 4.7 verdeutlicht, ist bei gleicher Konzentration die Flächenabdeckung von gröberen Teilchen weit schlechter als die von kleinen Teilchen. Die kleineren Teilchen in Abbildung 4.7 haben etwa 57 % des Durchmessers der großen Teilchen. Entsprechend haben etwa elf kleine Teilchen dasselbe Volumen wie zwei große Teilchen. Das Licht trifft auf seinem Weg durch einen Werkstoff nur mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf irgendeines der Pigmentteilchen, wenn diese gröber sind. Der Absorptionskoeffizient hat daher eine Teilchengrößenabhängigkeit, wie sie in Abbildung 4.8 gezeigt ist.
4.3.2 Teilchengrößenabhängigkeit der Lichtstreuung Das Streuverhalten von Materie ist außerordentlich abhängig von dessen Größe relativ zur Lichtwellenlänge. Dies betrifft sowohl die Intensität des gestreuten Lichts selbst, als auch ihre Winkelabhängigkeit und die Polarisation. Für Moleküle und sehr kleine Teilchen gelten diesbezüglich die Aussagen zu Abbildungen 4.5 und 4.6. In diesem Fall steigt die Lichtstreuintensität proportional zum Volumen der Teilchen an, also proportional zur dritten Potenz ihrer Durchmesser. Dies gilt
Abbildung 4.7: Einfluss der Teilchengröße auf die „Schattenwirkung“, links: grobe Titandioxid-Partikel mit geringer Schattenwirkung, rechts: feine Titandioxid-Partikel mit hoher Schattenwirkung
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Abbildung 4.8: Teilchengrößenabhängigkeit des Absorptionskoeffizienten und des Streukoeffizienten (schematisch)
für Teilchengrößen bis zu ca. einem Zehntel der eingestrahlten Wellenlänge. Außerdem ist die „Rayleigh-Streuung“ stark wellenlängenabhängig, nämlich umgekehrt proportional zur vierten Potenz der Wellenlänge. 3 I d 4.9 Gleichung – ∼ —4 I0 λ Blaues Licht der Wellenlänge 400 nm wird daher ca. 10-mal so stark gestreut wie rotes Licht mit 700 nm. Mit Hilfe dieser Zusammenhänge lässt sich die Farbe des Himmels (Himmelsblau, Abendrot, etc.) mit Streuprozessen an den Gasmolekülen der Atmosphäre erklären. Ein Beispiel für das Streuverhalten eines Titandioxid-Pigmentteilchens der Größe 0,22 µm, in einem Bindemittel der Brechzahl 1,5 gegenüber Licht der Wellenlänge 550 nm ist in Abbildung 4.9 gezeigt. Man erkennt, dass in diesem Fall der Anteil der Rückwärtsstreuung nur sehr klein ist (ca. 3 bis 5 %) und dass die Polarisation nun nicht mehr im 90°-Winkel zur einfallenden Strahlung die höchste Polarisation hat, sondern bei etwa 125°. Aus Abbildung 4.9 wird deutlich, dass selbst Titandioxid auf Mehrfachstreuung angewiesen ist, um Licht aus einem Werkstoff herauszustreuen. Die Darstellung in Abbildung 4.9 ist wiederum ein (vorweggenommenes) Ergebnis der Mie-Theorie (vgl. Kapitel 4.4). Nach dieser Theorie lässt sich aus der Winkelabhängigkeit der Intensität des gestreuten Lichtes ein Streukoeffizient errechnen. Er ist ein Maß für die Fähigkeit eines Partikels, Licht rückwärts zu streuen
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Abbildung 4.9: Winkelabhängigkeit der Intensitäten der gestreuten, polarisierten Strahlung in der waagerechten Ebene um ein Titandioxid-Pigmentteilchen in einem Bindemittel sowie der sich daraus ergebenden Polarisationsgrad (analog zu Abbildung 4.6 mit angegebenen Randbedingungen)
und gilt klein für sehr kleine und für große Teilchen. Dazwischen durchläuft er ein Maximum. Das liegt daran, dass das Streugeschehen umso wirksamer ist, wenn alle Dipole, d.h. Elektronen, in einem Teilchen durch eine einzige Lichtwelle zur Schwingung angeregt werden. In erster Näherung ist das der Fall, wenn die Teilchen einen Durchmesser haben, der in etwa der halben Wellenlänge des einfallenden Lichts entspricht. Daraus resultiert die in Abbildung 4.8 ebenfalls gezeigte Abhängigkeit des Streukoeffizienten von der Teilchengröße eines Pigments.
4.4 Mie-Theorie Die mathematische Beschreibung der Wechselwirkung von Licht mit dielektrischen Teilchen wurde erstmals von Mie [1] vorgenommen. Sie ist jedoch schwierig und übersteigt den Anspruch dieses Buches. Deswegen sind hier nur die wesentlichsten Aspekte und wichtigsten Ergebnisse der Mie-Theorie aufgeführt. Der darüber hinaus interessierte Leser möge sich der weiterführenden Literatur [2, 3] bedienen. Liegt ein Teilchen zwischen einer Lichtquelle und einem Beobachter, so kann das Teilchen, wie bereits erwähnt, Licht absorbieren und Licht streuen. Das Teilchen übt somit eine Schattenwirkung aus. Nach der Mie-Theorie wird dies durch den Extinktionsquerschnitt Cext ausgedrückt, der sich additiv aus dem Absorptionsquerschnitt Cabs und dem Streuquerschnitt Cstr zusammensetzt. Gleichung 4.10
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Cext = Cabs + Cstr
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Bei einem Weißpigment ist Cabs idealerweise Null. Teilt man Cext, Cabs und Cstr durch den geometrischen Querschnitt G der Partikel, so erhält man Wirkungsfaktoren für die Extinktion, Qext, die Absorption Qabs und die Streuung Qstr . Cext Cabs Csca Qabs = Qsca = G G G Gleichung 4.11 Qext =
Dabei ist wichtig, dass der Wirkungsfaktor der Streuung größer als eins sein kann. In dem Fall streut das Pigmentteilchen das Licht aus einem größeren Volumen, als seiner eigenen Raumausdehnung entspricht. Dieser zunächst vielleicht unverständliche Umstand wird einsehbar, wenn man bedenkt, dass die Lichtstreuung auf der Wechselwirkung zwischen einem Dielektrikum und elektromagnetischen Wellen beruht. Es handelt sich also um eine Feldwechselwirkung. Der Streuquerschnitt Cstr, und damit der Streuwirkungsfaktor, hängt in komplizierter Weise einerseits von dem Brechzahlunterschied zwischen dem Teilchen und seiner Umgebung ab und andererseits auch von dem Verhältnis von Teilchengröße zu Lichtwellenlänge. Die Lichtstreuwirkung ist nur möglich, wenn sich die Brechzahl eines Teilchens von der Brechzahl des umgebenden Mediums unterscheidet. Sind die Brechzahlen identisch, so gibt es keine Lichtstreuung. Die Lichtstreuung steigt mit steigendem Brechzahlunterschied kontinuierlich an. Hinsichtlich des Verhältnisses von Teilchengröße zur Lichtwellenlänge gibt es ein Optimum. Zur Berechnung des Streuquerschnitts werden sogenannte Bessel-Funktionen rekursiv verwendet. Das heißt, dass man mit dem Ergebnis einer Rechnung immer wieder in dieselben Formeln eingeht, bis das Ergebnis zu einem Endwert hin konvergiert. Nicht nur das Ausmaß an Lichtstreuung variiert mit den angegebenen Parametern, sondern auch die Verteilung der in den Raum gestreuten Strahlung (vgl. Kapitel 4.3.2). Dieses Verhalten, das vor allem teilchengrößenabhängig ist, lässt sich durch den Asymmetrieparameter g ausdrücken. Ein Teilchen, das genau so viel Licht nach vorn wie nach hinten streut, hat einen Asymmetrieparameter Null. g ist positiv, wenn das Teilchen vorwiegend nach vorn (in Verlängerung der Richtung der einfallenden Strahlung) streut und negativ, wenn vorwiegend nach hinten gestreut wird1. Nach Bohren [3] gilt für den Lichtstreukoeffizienten SB2:
∫
3 Qsca Gleichung 4.12 SB = – · (1 – g) · q(d) 2d d Uneinigkeit besteht darüber, ob negative Asymmetrieparameter überhaupt möglich sind oder nicht. Siehe z.B. M. Mishchenko, A. Macke, J. Quant. Spectrosc. Radiat. Transfer, Vol 57; No. 6, (1997), pp. 767–794. Andere Autoren, z.B. R. Gómez-Medina et al., Physical Review A – Atomic, molecular and optical physics 85(3):035802, (2012), pp. 1–5, sagen unter bestimmten Umständen negative Asymmetrieparameter voraus. 2 SB unterscheidet sich von dem Lichtstreukoeffizienten S der Kubelka- Munk-Theorie, s. Kapitel 4.5 1
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Abbildung 4.10: Abhängigkeit des Streukoeffizienten von Anatas in Abhängigkeit vom Teilchendurchmesser und der Lichtwellenlänge unter Berücksichtigung der Wellenlängenabhängigkeit der Brechzahl
mit q(d) = Teilchengrößenverteilung und d = Teilchendurchmesser Die Teilchengrößenverteilung von TiO2-Pigmenten lässt sich in der Regel hinreichend gut durch eine logarithmische Normalverteilung beschreiben: 1 ln (d/d50) 2 ln σ
- l q(d) = · e 2 d ln σ √2π
Gleichung 4.13
Darin ist d50 der mittlere Durchmesser der logarithmischen Normalverteilung. Für eine Standardabweichung der Normalverteilung von σ = 1,3 sind in den Abbildungen 4.10 und 4.11 die Streukoeffizienten von Anatas und Rutil als Funktion von Teilchendurchmesser d und der Wellenlänge λ aufgetragen. Folgende Befunde ergeben sich: •
1
Anatas und Rutil haben ein Maximum des Streukoeffizienten im sichtbaren Wellenlängenbereich bei einer Teilchengröße von ca. 0,22 µm (λ = 550 nm) 1
Obwohl 0,22 µm die optimale Größe eines TiO2-Teilchens für die Lichtstreuung ist, wird die beste Streuleistung an Pigmentproben gemessen, wenn das Gewichtsmittel der Teilchengrößenverteilung bei 0,28 µm liegt.
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Abbildung 4.11: Abhängigkeit des Streukoeffizienten von Rutil in Abhängigkeit vom Teilchendurchmesser und der Lichtwellenlänge unter Berücksichtigung der Wellenlängenabhängigkeit der Brechzahl
• •
Der Streukoeffizient ist für kurze Wellenlängen (blaues Licht) höher, als für längere Wellenlängen. Das liegt daran, dass die Brechzahlen zur Absorptionskante hin ansteigen (vgl. Abbildung 2.7 in Kapitel 2.1) Rutil hat über alle Wellenlängen und Teilchengrößen integriert einen höheren Streukoeffizienten als Anatas
Aufgrund des niedrigeren Streukoeffizienten haben Anatas-Pigmente weniger Deckvermögen (vgl. Kapitel 4.7) als Rutil-Pigmente. Ihre Anwendung beschränkt sich daher auf Einsatzgebiete, wo vor allem ihre geringe Mohs’sche Härte einen Vorteil darstellt. Nach Palmer [5] lässt sich bei Kenntnis der Streukoeffizienten SB die Remission eines Lackfilms in Abhängigkeit von der Pigmentvolumenkonzentration PVK und der Schichtdicke h berechnen: Gleichung 4.14
R λ = SB · PVK · h 2 + S · PVK · h B
Dazu zeigt Abbildung 4.12 das Ergebnis der Berechnung für eine Rutil-Pigment enthaltende Lackschicht mit einer PVK von 0,5 % und einer Schichtdicke von 50 µm. In Abbildung 4.13 ist die zur mittleren Teilchengröße von 0,33 µm (Gewichtsmittel) berechnete Remission von Abbildung 4.12 der gemessenen Remissionskurve eines Handelsproduktes in einem Alkydharzlack bei derselben PVK und einer gemessenen Schichtdicke von 53 µm gegenübergestellt. Man sieht, dass
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Abbildung 4.12: Abhängigkeit der Remission von Rutil in Abhängigkeit vom Teilchendurchmesser und der Lichtwellenlänge unter Berücksichtigung der Wellenlängenabhängigkeit der Brechzahl
Abbildung 4.13: Remission eines Rutil-Pigmentes, gemessen und gerechnet, dazugehörige Voraussetzungen siehe Text
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die Übereinstimmung zwischen gerechneten und gemessenen Werten recht gut ist. Die wesentlichsten Unterschiede ergeben sich vermutlich dadurch, dass das Pigment im Experiment eine schlechtere Verteilung hatte, als für die Berechnung angenommen wurde. Erstaunlich, wenn auch theoriekonform, ist aber auch, dass bereits bei dieser niedrigen PVK das Licht zu etwa 40 % bis 50 % herausgestreut wird. Daraus lässt sich ersehen, wie wirksam Titandioxid als Weißpigment ist.
4.4.1 PVK-Abhängigkeit des Streuvermögens von Titandioxid Ein wichtiges Ergebnis der Beschreibung der Lichtstreuung mit Hilfe der Mie-Theorie ist, dass die Pigmentteilchen das Licht aus einem Volumen streuen, das größer als ihr geometrisches Volumen ist. Haben zwei Pigmentteilchen einen Oberflächenabstand zueinander, der größer ist als etwa ihr dreifacher Durchmesser, so kann jedes Teilchen unabhängig vom benachbarten Teilchen das Licht streuen. Wird also der spektrale Streukoeffizient einer Beschichtung in Abhängigkeit von der PVK (Pigmentvolumenkonzentration) an Titandioxid bestimmt (Abbildung 4.14), so ergibt sich zunächst eine lineare Zunahme des Streukoeffizienten. Ab einer PVK von ca. 10 % bis 15 % kommen sich die Pigmentteilchen aufgrund ihrer regellosen Verteilung im Lack so nahe, dass sich die Streuvolumina zu überlappen beginnen. Diese Teilchen liefern nun keinen hundertprozentigen Streubeitrag mehr, sondern einen geringeren. Der Streukoeffizient steigt daher nicht mehr linear an, sondern unterproportional mit zunehmender Pigmentierungshöhe. Bei einer PVK von ca. 30 % ist es dann so weit, dass zusätzlich eingebrachte Pigmentanteile nicht nur selber einen geringen Streubeitrag leisten, sondern auch die Streuwirkung der bereits vorhandenen Teilchen verringern. Als Folge nimmt das Streuvermögen und damit das Deckvermögen der Beschichtung mit weiterer Pigmentzugabe ab. Der Lack wird also tatsächlich transparenter! Abbildung 4.14: Abhängigkeit des spektralen Streukoeffizienten von der Pigmentvolumenkonzentration an Pigment (experimentell ermittelte Werte für ein Rutil-Handelsprodukt)
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Die Abnahme des Streuvermögens schreitet fort bis zur „kritischen PVK“, bei der nicht mehr genügend Bindemittel vorhanden ist, um die Pigmentober-
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fläche zu benetzen. Ab der kritischen PVK, d.h. bei überkritischer Pigmentierung, entsteht zunehmend mehr Grenzfläche von Pigment zu Luft, so dass die relative Brechzahl enorm ansteigt. Bei Beschichtungen, die überkritisch pigmentiert sind, spricht man von „dry Hiding“ („trockenes Deckvermögen“). Bei solchen Beschichtungen können auch Füllstoffe mit einer Brechzahl von nur ca. 1,6 als Weißpigmente dienen. Das ist beispielsweise in Dispersionsfarben der Fall, wo vor allem Calciumcarbonat aus diesem Grund gern eingesetzt wird. Aus dem Gesagten ergibt sich auch sofort, dass Titandioxid-Pigmente nur dann eine optimale optische Leistung erbringen können, wenn die Primärpartikel nicht durch Flockung aneinandergelagert sind, sondern gut stabilisiert, vereinzelt im Anwendungsmedium vorliegen.
4.5 Kubelka-Munk-Theorie; relatives Streuvermögen Die Kubelka-Munk-Theorie eröffnet die Möglichkeit, allgemeine Lichtabsorptionseigenschaften und Lichtstreueigenschaften von Lacken, Kunststoffen und anderen pigmentierten Systemen mit Hilfe von Remissionsmessungen zu beschreiben. Es handelt sich um eine sogenannte „phänomenologische“ Theorie. Das heißt, sie ist nur beschreibend und macht keinerlei Annahmen über die zugrundeliegenden physikalischen Ursachen für Lichtabsorption oder Lichtstreuung. Das Ergebnis, die Kubelka-Munk-Funktion, ist eine der wichtigsten farbmetrischen Beziehungen in der Pigmenttechnik, denn sie erlaubt sowohl das Färbevermögen von Buntpigmenten als auch das Streuvermögen von Weißpigmenten durch Messungen an pigmentierten Schichten zu bestimmen. Der gedankliche Ansatz besteht darin, die beim Beleuchten des farbigen (bzw. weißen) Objekts auftretenden Strahlungsströme zu definieren und zu bilanzieren. Im einfachsten Fall, der sogenannten „2-Kanal-Theorie“, wird nur diffuse Strahlung berücksichtigt, die von oben auf eine pigmentierte Schicht auftrifft und in sie eindringt (s. Abbildung 4.15). Die Strahlung (hier also Licht) ist gekennzeichnet durch ihre „Strahldichte“, d.h. ihre Energieverteilung L. Der Strahl in Vorwärtsrichtung bekommt den Index plus. (Variablenkennzeichnung wie bei Völz [6]), der rückwärts gestreute Strahl den Index minus. Dabei ist K, der spektrale Absorptionskoeffizient, definiert als die relative Abnahme der Strahldichte durch Absorption beim Durchgang durch den Film. l dL Gleichung 4.15 K=–· /abs L dz Analog dazu ist der spektrale Streukoeffizient S definiert als die Abnahme der Strahldichte durch Lichtstreuung.
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Abbildung 4.15: Prinzipskizze zur Herleitung der Kubelka-Munk-Funktion; 2-KanalTheorie; Bilanzierung von Strahlungsströmen
l dL Gleichung 4.16 S=–· /sca L dz K und S haben demzufolge die Dimension einer reziproken Länge. Die vorwärtsgerichtete Strahlung erleidet eine Abnahme durch Absorption und Streuung, wird aber verstärkt durch wieder in den Lackfilm zurückgestreute Rückwärtsstreuung S · L .
Gleichung 4.17
dL+ dz
-
= - (K + S) · L+ + S · L
Für die rückwärtsgerichteten Lichtstrahlen ergibt sich analog folgende Bilanz: -
dL Gleichung 4.18 = - (K + S) · L + S · L+ dz -
Teilt man Gleichung 4.17 durch S · L+ und Gleichung 4.18 durch S · L so ergibt sich Gleichung 4.19
-
l dL+ (K + S)L+ SL · =+ + SL+ dz SL+ SL
beziehungsweise Gleichung 4.20
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-
-
l dL (K + S)L SL+ =+ - · SL dz SL SL
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-
Der Quotient SL /SL+ ist die durch Lichtstreuprozesse verursachte Remission ρ∞ einer optisch deckenden Schicht. Im Inneren dieser Schicht herrscht ein Gleichgewicht der Strahlungsflüsse in Vorwärts- und Rückwärtsrichtung vor. Setzt man daher 4.19 und 4.20 gleich und substituiert SL /SL+durch ρ∞, die Remission, so erhält man nach Umstellung die Kubelka-Munk-Funktion:
Gleichung 4.21
K (1 - ρ∞)2 = S 2 ρ∞
Diese Beziehung wird herangezogen, um sowohl relative Farbstärken als auch relative Streuvermögen von Pigmenten zu bestimmen. Dazu wird angenommen, dass das Absorptionsgeschehen in einem Werkstoff nur von den Buntpigmenten verursacht wird, während das Streugeschehen auf das Weißpigment zurückzuführen ist. Hält man also das Buntpigment in einer Rezeptur konstant, setzt darin aber unterschiedliche Weißpigmente ein, so bekommt man durch Quotientenbildung der K/S-Werte das relative Streuvermögen Srel in Prozent1. S · K S Gleichung 4.22 Srel = Probe · 100 = Probe· 100 SBezug · K SBezug Dieser Wert ist gewöhnlich ein Bestandteil der spezifizierten Produkteigenschaften und wird in den Produktdatenblättern von TiO2-Pigmentherstellern angegeben. Relative Streuvermögen beziehen sich auf ein willkürlich gewähltes Bezugspigment und sind deswegen zum Vergleich von Pigmenten verschiedener Hersteller untereinander nicht geeignet. Nach DIN ISO 787, Teil 24, ist lediglich vorgegeben, dass das Bezugspigment mindestens 95 % TiO2 enthalten sollte. Weiter ist zu beachten, dass das relative Streuvermögen von der Pigmentvolumenkonzentration abhängt. In DIN ISO 787, Teil 24, wird eine Weißpigment PVK von 17 % vorgeschlagen. Dieser Wert ist oberhalb der PVK, bei der das Streuvermögen proportional zur PVK ansteigt. Das relative Streuvermögen lässt sich auch nach dem sogenannten „Graupastenverfahren“ (DIN 53165) bestimmen, das im Wesentlichen mit der DIN ISO 787, Teil 24 übereinstimmt. Schließlich sei noch vermerkt, dass zur Evaluierung der Leistungsfähigkeit eines Pigmentes mit diesen Methoden immer darauf geachtet werden muss, dass keine Pigmentflockung vorliegt. Geflockte Systeme sind sowohl hinsichtlich Lichtabsorption (im Falle der Buntpigmente) als auch hinsichtlich des Lichtstreuverhaltens (vornehmlich bei Weißpigmenten) immer suboptimal. 1
lternativ lässt sich das relative Färbevermögen eines Buntpigments gegenüber einem BuntpigmentA standard durch Division des K/S-Werts der Probe durch den K/S-Wert der Bezugsprobe ermitteln.
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Tritt eine Buntpigmentflockung ein, so verringert sich der Absorptionskoeffizient und die Farbe wird farbschwächer. Das Gegenteil tritt bei einer selektiven Weißpigmentflockung ein: die Farbe wird gesättigter. Gleichung 4.21 ist besonders interessant, weil sie den Farbeindruck des Betrachters wiedergibt. Mit diesem Wissen ist es nicht erstaunlich, dass man in pigmentierten Systemen dieselbe Farbe beibehält, wenn man in der Rezeptur Bunt- und Weißpigmente im gleichen Verhältnis belässt. Hat man das aus farblicher Sicht richtige Verhältnis gefunden, so kann das Deckvermögen (vgl. Kapitel 4.7) gesenkt oder erhöht werden, indem man bei gleichbleibendem Verhältnis insgesamt weniger oder mehr Pigmente zugibt.
4.6 Bestimmung des spektralen Streukoeffizienten Absolutwerte des spektralen Streukoeffizienten lassen sich ebenfalls bestimmen. Hierzu benötigt man entweder eine deckende Lackschicht und eine nicht deckende Lackschicht über einem beliebigen Untergrund, oder aber eine nicht deckende Lackschicht über weißem und schwarzem Untergrund [7]. Die Verfahren sind teilweise genormt. So beschreibt DIN 55984 die Bestimmung des spektralen Streukoeffizienten aus Messungen an einer deckenden und mindestens drei nicht deckenden Schichten. Bezüglich der Auswertformeln sei hier auf die Norm selbst verwiesen. Die Verfahren zur Bestimmung des spektralen Streukoeffizienten erfordern ein sehr genaues Arbeiten und setzen eine gewisse Übung voraus, um zu verlässlichen Ergebnissen zu führen. Während den Titandioxid-Pigmenthersteller das Streuvermögen seines Pigments besonders interessiert, ist für den Pigmentanwender vornehmlich das Deckvermögen (in Lacken) bzw. das Aufhellvermögen (in Kunststoffen) von Interesse.
4.7 Deckvermögen Das „Deckvermögen eines pigmentierten Stoffes ist sein Vermögen, die Farbe oder Farbunterschiede des Untergrundes zu verdecken“ (DIN 55 943). Zum Deckvermögen tragen sowohl Lichtabsorption, als auch Lichtstreuung bei. Die Lichtabsorption ist dabei ein sehr effizienter Beitrag zum Deckvermögen (Begriffe wie „Deckkraft“ oder „Deckfähigkeit“ sind nicht physikalisch definiert und sollten daher vermieden werden.) Das Deckvermögen wird in Quadratmeter pro Liter oder Quadratmeter pro kg trockener Farbe angegeben.
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Deckvermögen
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Nach DIN 55 984 wird das Deckvermögen D aus dem Streuvermögen (spektraler Streukoeffizient S der Gleichung 4.21) und der Remission ρ∞ einer optisch deckenden Schicht bestimmt. Gleichung 4.23
D = (c1 · ρ∞2 + c2 · ρ∞ + c3) · S
Die Faktoren c1 bis c3 hängen von ρ∞ ab und sind in der Norm in Tabellen angegeben. Diese Faktoren bewirken, dass der Klammerterm der Gleichung größer wird, wenn die Remission abnimmt. Das Deckvermögen D steigt daher mit steigendem Streukoeffizienten und mit fallender Remission (= steigender Absorption). Die Remission ρ∞ wird bei allen Farbmessungen um die Oberflächenreflektion von 4 % korrigiert („Saunderson-Korrektur“), sofern nicht mit „Glanzfalle1“ gemessen wurde. Die Saunderson-Korrektur, die von der gemessenen Remission abgezogen wird, berücksichtigt, dass nach der Fresnel-Formel jeder Stoff mit einer Brechzahl n gegenüber Vakuum (auch ohne lichtstreuende Pigmente) eine Reflexion R von (n - 1)2 Gleichung 4.24 R= (n + 1)2 aufweist. Setzt man für die Brechzahl den Wert 1,5 ein, was für die meisten Polymere hinreichend genau ist, so ergibt sich der Wert 0,04 oder 4 %. Für Lackhersteller wie Lackanwender stellt sich oft die Frage, in welcher Schichtdicke ihre Lacke optisch deckend sind. Dazu existieren zwei weitere Verfahren: Zum einen DIN 55 987, zum andern DIN 55 601. Nach DIN 55 987 werden auf schwarz-weiße Kontrastuntergründe Schichten unterschiedlicher Dicke aufgetragen und der Farbabstand ∆Eab (nach DIN 6174) bestimmt. Der Wert von ∆Eab wird gegen die reziproke Trockenschichtdicke in mm, bzw. gegen das reziproke flächenbezogene Gewicht in m 2/kg, graphisch aufgetragen [9]. Durch Extrapolation wird derjenige Wert des Deckvermögens abgelesen, bei dem ∆Eab gleich Eins ist, oder einen anderen vereinbarten Wert annimmt. Erfahrungsgemäß sind Farbunterschiede von ∆Eab = 1, zumindest bei titandioxidpigmentierten Schichten, gut zu erkennen. In diesem Fall sollte ∆Eab ≤ 0,5 sein. Nach DIN 55 601 wird das Deckvermögen mit Hilfe eines Metallblocks mit einer schräg eingefrästen, keilförmigen Rinne erhalten. Die keilförmige Rinne hat am Boden in Längsrichtung ein schwarzes und ein weißes Glas eingelassen. Ein Tropfen der Beschichtung wird (wie bei einem Grindometer, DIN 53 203 oder ASTM
1
Eine Glanzfalle blendet den im Ausfallwinkel reflektierten Lichtstrahl bei der Messung aus.
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Optische Eigenschaften von Titandioxid-Pigmenten
D 1210) mit einem keilförmigen Schaber durch die Rinne gezogen. Anschließend lässt man die Beschichtung erhärten, stellt dann visuell fest, an welcher Stelle kein Unterschied im Kontrastverhältnis mehr wahrnehmbar ist und bestimmt schließlich an dieser Stelle mit dem Lichtschnitt-Mikroskop die Schichtdicke. Das Deckvermögen errechnet sich aus dem Kehrwert der Trockenschichtdicke XD .
1000 D= XD
Gleichung 4.25
Wird XD in µm eingesetzt, so ergibt sich D in der Dimension m2/l (Beispiel: für XD = 100 µm ist das Deckvermögen 10 m²/l). Dieses Verfahren nach DIN 55 601 ist allerdings weniger gebräuchlich, weil die Genauigkeit nicht so gut ist und weil die Prüfkeile durch Quellung oder Veränderung des Klebstoffs, mit dem die schwarz/weiß-Gläser eingebettet sind, leicht Schaden nehmen. Ursache hierfür sind Lösemittel und höhere Temperaturen, z.B. bei der Prüfung von Einbrennlacken. Ein Vergleich verschiedener Verfahren zur Bestimmung des Streuvermögens ist bei [8] erfolgt. In den USA wird das Deckvermögen (leider etwas irreführend „Spreading Rate“ genannt) vorwiegend nach ASTM D 2805 bestimmt. Dazu wird, wie bei DIN 55987, die Farbe auf schwarz-weiße Kontrastkartons aufgezogen. Die Schichtdicke wird ebenfalls aus der Dichte der Farbe und ihrem Flächengewicht bestimmt. Als Kriterium für das Deckvermögen gilt in diesem Fall aber nicht der Farbabstand ∆Eab, sondern das Kontrastverhältnis KV, definiert als Quotient der Remission über schwarzem RS und weißem RW Untergrund: Gleichung 4.26
KV =
RS
RW
Die „Spreading Rate“ (entspricht Deckvermögen) wird für dieses gegebene Kontrastverhältnis mithilfe der Formel A·N·ρ H= 10 · M
Gleichung 4.27
errechnet, wobei die Eingaben in den folgenden physikalischen Dimensionen gemacht werden müssen. H = „Spreading Rate“, welches mit dem Kontrastverhältnis korrespondiert; m²/l A = beschichtete Fläche; cm² N = nichtflüchtige Anteile der Beschichtung als Dezimalfraktion (z.B. 0,6 bei 60 %)
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Deckvermögen
ρ = Trockenfilmdichte; g/cm³ M = Trockenfilmmasse; g Um angenähert vollständiges Deckvermögen zu erlangen, sollte gemäß ASTM D2805 das Kontrastverhältnis annähernd bei 0,98 (oder 98 %) liegen. Das korrespondierende Deckvermögen (Spreading Rate) lässt sich mittels Gleichung 4.27 kalkulieren. Demzufolge gibt die ASTM D2805 die Antwort auf die Frage, mit welcher Trockenfilmdicke Schichten mit einem bestimmten Kontrastverhältnis entstehen. Dies ist eine Maßzahl für die Effizienz einer Beschichtung bzw. eines Pigments. ASTM D 344 schließlich beschreibt ein visuelles Vergleichsverfahren. In Tabelle 4.1 ist an einigen Beispielen verdeutlicht, dass das Deckvermögen nicht nur vom Streuvermögen abhängt, sondern auch von der Absorption (ausgedrückt als Gelbstich b*) der Pigmente. Im Allgemeinen haben Titandioxid-Pigmente, die nach dem Sulfatverfahren hergestellt wurden, tendenziell etwas weniger Streuvermögen, als Pigmente aus dem Chloridverfahren. Das liegt daran, dass die Steuerung der Teilchengrößenverteilung beim Sulfatverfahren eher durch Sinterprozesse erschwert wird und vielleicht auch den Grund, dass die Primärteilchen etwas weniger sphä-
Tabelle 4.1: Gemessene Streuvermögen und Deckvermögen einiger Titandioxid-Pigmente aus den unterschiedlichen Herstellverfahren Sulfat- und Chlorid-Prozess von verschiedenen Herstellern Hersteller
Typ
S [mm-1]
L*
b*
D [m²/l]
182
95,98
1,14
18,4
A
Sulfat
B
Sulfat
174
95,99
1,16
18,2
B
Sulfat
169
95,90
1,21
17,2
B
Sulfat
157
95,89
1,33
16,3
C
Chlor
193
96,54
0,50
18,1
C
Chlor
180
96,41
0,39
17,4
D
Chlor
171
96,29
0,51
16,4
B
Chlor
169
96,37
0,28
15,7
E
Sulfat
135
93,84
4,65
17,1
E
Sulfat
125
93,64
4,74
16,1
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Optische Eigenschaften von Titandioxid-Pigmenten
risch sind als beim Chloridverfahren. Sulfatpigmente sind andererseits meistens etwas gelbstichiger als Chloridpigmente (vgl. b*-Werte), was darauf zurückzuführen ist, dass mehr farbgebende Fremdionen in dem Kristallgitter eingeschlossen sind. Hinsichtlich des Deckvermögens sind die Titandioxid-Pigmente aus dem Chlorid- und Sulfatprozess deswegen gewöhnlich vergleichbar. Aufgrund ihres (optisch kaum auffälligen) erhöhten Gelbstichs kommen Titandioxid-Pigmente aus dem Sulfatprozess mit bis zu 10 % geringerem Streuvermögen auf dieselbe „optische Leistung“ (Deckvermögen), wie aus dem Chloridprozess. Tabelle 4.1 zeigt, dass sogar die sehr niedrigen Streuvermögen aufweisenden Produkte des Herstellers „E“ – aufgrund des ebenfalls starken Gelbstichs – beim Deckvermögen wenigstens im Mittelfeld mithalten. Nicht im prinzipiellen Widerspruch zu dieser Aussage steht die Feststellung, dass einige Pigmenthersteller sehr gut aufgemahlene Spezialprodukte aus dem Sulfatprozess mit sehr hohen Streuvermögen für die Anwendung in Druckfarben anbieten. In Druckfarben besteht die Anforderung, dass die Systeme auch in dünnsten Schichten bereits deckend sind. Andererseits spielt die Abrasivität der Pigmente eine entscheidende Rolle, um Abrieb an den Druckwalzen zu vermeiden. Hier haben „Sulfatpigmente“ die Nase vorn. In bunt-pigmentierten Lackfilmen sind beide Herstellprozesse, Chlorid wie Sulfat, im Hinblick auf die b*-Werte nicht-unterscheidbar. Selbst rein weiße Farbtöne werden in der Praxis „gebrochen“, um nuancieren zu können. Nur in seltenen Fällen wird das „kalte“, blaustichige Weiß eines sehr reinen „Chloridpigments“ angestrebt (s. aber Kapitel 4.9 zum Thema Farbstich in Buntabmischungen).
4.8 Aufhellvermögen „Das Aufhellvermögen ist die Fähigkeit eines Pigments, die Helligkeit eines bunten, grauen oder schwarzen Mediums zu erhöhen“ (siehe DIN 55 982). Der Aufhellvermögenswert AV der nach dieser Norm bestimmt wird, ist die zu einem Bezugspigment relative Menge an Pigment, die einer Farbpaste zugegeben werden muss, um dieselbe Helligkeit L* zu erreichen.
mB AV = · 100 mP Gleichung 4.28
Dabei ist mB die Masse an Bezugspigment und mP die Masse an Probepigment. Das Aufhellvermögen spielt vor allem bei der Anwendung von Titandioxid in Kunststoffen eine Rolle, wo es nicht darum geht, in dünnen Schichten bereits ein hohes Deckvermögen zu erzielen. Theoretisch sollten Aufhellvermögen und Streuvermögen zueinander parallel gehen. In der Praxis ist das leider nicht immer der Fall. Das mag im Einzelnen
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Farbstich eines Weißpigments in Buntabmischung
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an der verschiedenen Pigmentpartikelverteilung in den unterschiedlichen Prüfmedien liegen. Pigmente für Kunststoffe und Pigmente für Lacke (bei denen Streuvermögen und Deckvermögen gemessen werden) unterscheiden sich in der Art der anorganischen Oberflächenbehandlung und können deswegen im einen oder anderen Prüfsystem relativ besser rauskommen. Ein weiterer Aspekt ist, dass das Aufhellvermögen bei einer weit geringeren Pigmentierungshöhe bestimmt wird, als das Streuvermögen.
4.9
Farbstich eines Weißpigments in Buntabmischung
Unter dem Farbstich (englisch: tint) eines Weißpigments in einer Buntabmischung versteht man eine Verschiebung des Farbtons einer mit Weißpigment versetzten Buntpaste oder Rußpaste zu Blau oder Gelb hin. Die Ursache für diesen „CBU“ (= Carbon Black Undertone) des Weißpigments liegt in der Teilchengrößenabhängigkeit der Streuung von kurzen und langen Wellenlängen. Je höher der Feinstanteil in der Teilchenverteilung ist, umso bevorzugter werden die kurzen, blauen Wellenlängen gestreut. Abbildung 4.16 zeigt den Fall einer Rußabmischung mit einem TitandioxidPigment, das verstärkt blaues Licht streut, grünes und rotes hingegen weniger. Als Folge dessen legen die grünen und roten Lichtwellen einen längeren Weg durch den Lackfilm zurück, ehe sie den Werkstoff wieder verlassen. Weil sie einen längeren Weg zurücklegen, treffen sie allerdings auch häufiger auf Rußteilchen, die die Lichtwellen absorbieren. Aus diesem Grund verlässt mehr blaues, weniger
Abbildung 4.16: Lichtstreuung an einem Pigment mit hohem CBU (schematische Darstellung)
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Optische Eigenschaften von Titandioxid-Pigmenten
Abbildung 4.17: Lichtstreuung an einem Pigment mit niedrigem CBU (schematische Darstellung)
grünes und noch weniger rotes Licht den Werkstoff. Er erscheint dem Betrachter deswegen blau-grau. Ein Titandioxid-Pigment, das von seiner Verteilung her grobteiliger ist, streut umgekehrt bevorzugt rotes und grünes Licht. In dem Fall legen die kurzen, blauen Lichtwellen einen längeren Weg zurück und werden daher stärker absorbiert (vgl. Abbildung 4.17). Die Grauabmischung erscheint gelb-grau. Dem menschlichen Auge erscheinen Buntabmischungen oder Grauabmischungen mit einem Blaustich frischer. Gelbstichige Buntabmischungen sehen wirklich „vergilbt“ aus. Deswegen wird bei handelsüblichen Pigmenten ein gewisser CBUWert nicht unterschritten. Die Steuerung der Teilchengrößenverteilung zu einer höheren Feinteiligkeit und damit höherem CBU hin lässt sich zwar einigermaßen leicht bewirken, jedoch führt die Feinteiligkeit ab einem bestimmten Ausmaß zu Einbußen im Streuvermögen für lange Wellenlängen und damit zum Verlust an Deckvermögen. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass der CBU sich nur in Kombination mit Buntpigmenten oder Ruß im Farbstich bemerkbar macht. Für sich allein eingesetzt zeigen Hoch- oder Niedrig-CBU-Pigmente keine Unterschiede im Farbstich. Für die Bestimmung des CBU existiert keine Norm. Das liegt daran, dass man zur Bestimmung des Farbstichs immer eine Referenzprobe mit einem bekannten CBU-Wert haben muss, auf die man sich bezieht. Da sowohl Buntpigmente als auch Weißpigmente von Charge zu Charge niemals völlig identisch sind, muss man bei jedem Wechsel der Referenzprobe die Unterschiede zwischen alt und neu rechnerisch angleichen. Das geht bestenfalls innerhalb eines Hauses, nicht jedoch in der Industrie allgemein.
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Glanz und Glanzschleier
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4.10 Glanz und Glanzschleier Der Glanz von Beschichtungen mit Titandioxid wird – wie bei allen anderen Pigmenten auch – wesentlich von der Teilchengrößenverteilung und dem Dispergierzustand bestimmt. Ein gutes Titandioxid-Pigment hat eine mittlere Teilchengröße (Gewichtsmittel) von ca. 0,3 µm. Die Teilchengrößenverteilung sollte nicht über 1 µm als Obergrenze hinausgehen, um für hochglänzende Beschichtungen geeignet zu sein. Genormt sind als Reflektometer bezeichnete Glanzmessgeräte (DIN 67 530, ISO 2813), die im Einfallswinkel von 20°, 60° und 85° einstrahlen und im zugehörigen Ausfallswinkel die Strahlung detektieren. Hochglänzende Beschichtungen haben einen 20°-Glanz von mehr als 95 %, bezogen auf eine polierte Schwarzglasplatte als Standard. Im Hochglanzbereich unterscheiden sich Beschichtungen noch im sogenannten Glanzschleier [10–12]. Der Glanzschleier ist ein Maß dafür, wie viel Strahlungsintensität direkt neben dem Ausfallswinkel (z. B. 43 %) im Verhältnis zum spiegelnd reflektierten (im Ausfallswinkel 45°) Anteil gemessen wird. Ein höherer Glanzschleier äußert sich dem Betrachter in der Weise, dass ein an der Oberfläche gespiegeltes Objekt, z.B. eine leuchtende Neonröhre oder ein anderer Körper, nicht mit scharfen Konturen erscheint. Der Name Glanzschleier (englisch: „haze“) kommt daher, dass die Konturen einen „Schleier“ haben. Sehr anschauliche Abbildungen des Glanzschleiers finden sich in der ASTM D4449, „Visual Evaluation of the Gloss Differences between Surfaces of Similar Appearance“, insbesondere die Abbildungen 2 und 3 aus dieser Norm. Der Name „Haze“ oder „Glanzschleier“ ist mehr oder weniger selbsterklärend. Glanzschleiermessungen sind in der ASTM E430, der ASTM D4039 und der ISO 13803 genormt. Neuere Gerätekonstruktionen bestimmen laseroptisch die Rauigkeit und die Welligkeit der Substratoberfläche, woraus sich der sogenannte DOI-Wert (Distinctiveness of Image) errechnen lässt, der mit 20° Reflektometerwerten korreliert. Ein mit Titandioxid pigmentierter Lackfilm wird nie einen so geringen Glanzschleier erreichen können, wie beispielsweise ein mit einem feinteiligen Ruß pigmentierter Lackfilm. Die Ursache ist nicht nur in der Teilchengröße zu suchen, sondern auch in der Tatsache, dass Titandioxid als Folge der Lichtstreuung relativ viel ungerichtetes Licht aus der Beschichtung aussendet, das bei der Messung mit erfasst wird. Bei der Bewitterung von mit Titandioxid pigmentierten Polymer-Werkstoffen liefert vor allem die Glanzmessung eine gute Unterscheidung zwischen wetterbeständigen und weniger wetterbeständigen Typen.
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Optische Eigenschaften von Titandioxid-Pigmenten
4.11 Ersatz von Titandioxid-Pigmenten in Formulierungen Die Titandioxid-Pigmente können bisweilen ein wesentlicher Kostenfaktor in Formulierungen sein, deshalb hat es viele Versuche gegeben, sie durch andere Materialien zu ersetzen. Der wesentliche Grund dafür, dass Titandioxid als Weißpigment so gut geeignet ist, liegt in seiner hohen Brechzahl. Alle Materialien, wie Füllstoffe, die eine niedrigere Brechzahl aufweisen, können TitandioxidPigmente nur in überkritisch pigmentierten Systemen ersetzen („Dry Hiding“). In diesem Fall erfolgt die Lichtstreuung an der Phasengrenze von Pigment zu Luft an Stelle von Pigment zu Medium. Füllstoffe als Abstandshalter Das so genannte „Spacing“ (Abstandshaltung) durch Füllstoffe ist keineswegs universell, sondern bestenfalls auf ausgewählte Formulierungen beschränkt. Alle festen Partikel in einer Formulierung stellen für Titandioxid-Pigmentpartikel ausgeschlossenes Volumen dar. Deswegen fördern sie grundsätzlich das Zusammendrängen der Pigmente und nicht etwa deren Gleichverteilung. Nur in den Fällen, in denen die Titandioxid-Pigmentpartikel miteinander flocken, können Füllstoffe deren Verteilungszustand verbessern, und zwar dann, wenn sie zusammen mit ihnen flocken. Eine weitere Strategie, den Titandioxid-Einsatz zu verringern, besteht darin, es einfach durch Füllstoffe zu ersetzen. In diesem Fall müssen natürlich auch die Buntpigmentanteile entsprechend verringert werden, wenn der Farbton der Beschichtung nicht verändert werden soll. Das ist in der Praxis natürlich nur dann möglich, wenn die Ausgangsrezeptur hinsichtlich Deckvermögen noch nicht optimiert ist, d.h., wenn sie Deckvermögensreserven aufweist. Polymere oder anorganische Hohlkugeln Polymere oder anorganische Hohlkugeln stellen eine weitere Substitutionsmöglichkeit für Titandioxid-Pigmente dar. Im Prinzip weist eine in einem Polymer eingeschlossene Luftblase eine ähnliche relative Brechzahl (ca. 1,5) auf, wie ein in einem Polymer eingebettetes TiO2-Teilchen (ca. 1,8). Berechnungen des Streukoeffizienten nach Bohren (Gleichung 4.12) zeigen jedoch, dass das Streuvermögen solcher Hohlkugeln in einem Polymer aber lediglich etwa 10 % des Streuvermögens von Titandioxid-Pigmenten aufweisen. Dies ist in der Abbildung 4.18 gezeigt, in der der Streukoeffizient monodisperser (d.h. gleichgroßer) Luftblasen mit dem Streukoeffizienten von polydispersem Rutil-Titandioxid verglichen wird. In Anbetracht der Entstehung der Lichtstreuung durch die Wechselwirkung des elektrischen Feldvektors der Lichtwellen mit den Elektronen einer
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Minimaler TiO2 Einsatz Maximale Kosteneffizienz Nie war der partielle Ersatz von TiO2 in Farben wichtiger als heute. Imerys’ Extender können sowohl den Anteil des TiO2 als auch des Bindemittels und damit auch die Kosten pro Liter Farbe deutlich reduzieren.
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Optische Eigenschaften von Titandioxid-Pigmenten
dielektrischen Substanz ist dieses Ergebnis nicht verblüffend. In einer Luftblase sind einfach weniger Elektronen, die mit dem Feld wechselwirken können, als in einem Feststoff. Wegen ihrer geringen Dichte haben Hohlkugeln natürlich einen prinzipiellen Vorteil in Lacken, die nach Volumen an Stelle von Gewicht vermarktet werden. Auf der anderen Seite können sie aufgrund ihrer geringen Dichte an die Oberfläche der Formulierungen aufschwimmen. Synthetisches Rutil als Ersatzprodukt Es gibt Ersatzprodukte für Titandioxid auf dem Markt, die aus dem BeneliteProzess der synthetischen Rutil-Herstellung entstehen. Es handelt sich um RutilPigmente mit geringen Verunreinigungen an Eisenverbindungen, so dass diese Produkte nicht unbunt sind, wie Titandioxid, sondern leicht gefärbt sind. Die Farbtöne reichen von Grau über Beige nach Orange. Entsprechend könne sie dort nur eingesetzt werden, wo diese Eigenschaft nicht stört. Ähnliches gilt für RutilMischphasenpigmente, die allerdings zu den Buntpigmenten zählen. Da es keine wirklich überzeugenden Ersatzstoffe für Titandioxid-Pigmente gibt, macht es Sinn, die Partikel in den Formulierungen möglichst optimal gegen Flockung zu stabilisieren. Zu diesem Zweck stehen eine ganze Reihe von Additiven sowohl für wässrige, als auch für Lösemittel basierende Beschichtungen zur Verfügung. Die Auswahl eines geeigneten Produkts setzt allerdings in den meisten
Abbildung 4.18: Vergleich der Streukoeffizienten (nach Bohren [4]) von Luftblasen einheitlicher Größe und Titandioxid mit einer handelsüblichen Korngrößenverteilung mit einer Standardabweichung von 1,3
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Literatur
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Fällen eine Anzahl von experimentellen Versuchen voraus. Die Mechanismen der Stabilisierung von Pigmenten gegen Flockung werden im Kapiteln 6.4 behandelt. Latexpartikel als Ersatzprodukt Ein neueres Konzept in Dispersionsfarben besteht darin, Latexpartikel zuzusetzen, die an die Oberfläche von Titandioxid-Pigmenten chemisorbieren. Die Stabilisierung von TiO2-Teilchen mit leicht positivem Zetapotenzial durch negativ geladene Latexteilchen ist in der Literatur beschrieben [13].
4.12 Literatur [1] G. Mie, Ann. Physik, 25, Nr. 4 (1908) 377 [2] M. Kerker, „The Scattering of Light and other electromagnetic radiation“, Volume 16 of Physical Chemistry, E. M. Loebl Editor, Academic Press Inc., New York, 1969 [3] C.F. Bohren, D.R. Huffman, „Absorption and Scattering of Light by Small Particles“, John Wiley & Sons, New York, 1983 [4] C.F. Bohren et al., Am. J. Physics 55, No. 6 (1987) 524 [5] B.R. Palmer et al., J. Coatings Technol. 61 (1989) 41 [6] H.G. Völz, „Industrielle Farbprüfung“, Verlag Chemie, Weinheim, 1990, S. 55 [7] H.G. Völz, „Industrielle Farbprüfung“, Verlag Chemie, Weinheim, 1990, S. 71 [8] M. Cremer, Progress in Organic Coatings, 9 (1981) 241 [9] H.G. Völz, Farbe & Lack 71 (1965) 725 [10] H. Becker et al., Farbe & Lack 74 (1968) 145 [11] U. Zorll, Farbe & Lack 79 (1973) 191 [12] F. Fensterseifer, Metall Oberfläche 42 (1988-1989) 3 [13] K. Kato et al., Bull. Chem. Soc. Jpn., 60 (1987) 3379–3383
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Photokatalytische Eigenschaften von Titandioxid
5 Photokatalytische Eigenschaften von Titandioxid 5.1
Kreidungszyklus
Im Kapitel 2.1, „Physikalische Eigenschaften“, wird erklärt, dass Titandioxid sowohl in der Rutil- wie in der Anatas-Modifikation ein Photohalbleiter ist. Zur Beschreibung der elektrischen Eigenschaften von Halbleitern wird das „Bändermodell“ [1] herangezogen. Betrachtet man Titandioxid als Ionenkristall, so werden die Bindungselektronen vollständig den Sauerstoffatomen zugeordnet. Die Kristallmatrix besteht nach diesem Formalismus aus O2– -Ionen und Ti4+-Ionen. Oberflächenständig endet das Kristallgitter mit OH-Gruppen, die folgerichtig als OH– -Ionen beschrieben werden können. Nach dem Formalismus des Bändermodells der chemischen Bindung besetzen die Sauerstoffatome die niedrigsten Energieniveaus im Kristallgitter und haben daher die Bindungselektronen bei sich. Die Bindungselektronen befinden sich im „Valenzband“. Die Absorption von UV-Licht führt bei Titandioxid zu einer Ladungstrennung im Kristall. Dabei werden Bindungselektronen auf ein höheres Energieniveau angehoben, in dem sich die Elektronen wie in einem Metall frei bewegen können. Deswegen wird dieses Energieniveau das „Leitungsband“ genannt. Bei der Ladungstrennung verbleibt ein positiv geladenes „Loch“ im Valenzband, welches durch „Lochleitung“, d.h. Ladungsaustausch mit einem benachbarten Sauerstoffion, ebenfalls frei beweglich ist. Das getrennte Elektron/Loch-Paar wird „Exciton“ (lateinisch excitare = ermuntern, erregen) genannt [2] und stellt einen chemisch sehr reaktiven Zustand der Titandioxid-Teilchen dar. Die aus diesem Zustand heraus auftretenden Reaktionen führen zu einem Abbau der organischen Einbettungsmedien, was sich zunächst durch Glanzverlust und dann durch „Kreiden“ der Werkstoffe bemerkbar macht. Der Name Kreiden rührt daher, dass in einer solchen verwitterten Oberfläche die Pigmentteilchen nicht mehr fest eingebettet sind und sich daher leicht abwischen lassen [3], ähnlich wie Kreide von einer Tafel. Jochen Winkler: Titandioxid © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany
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Kreidungszyklus
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Die der Kreidung zugrunde liegenden chemischen Reaktionen wurden erst in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zufriedenstellend aufgeklärt. Ermöglicht wurde dies durch Nutzung der Elektronenspinresonanz-Spektroskopie (ESR), mit der sich Radikale bestimmen lassen, in Kombination mit Experimenten unter selektivem Ausschluss von Sauerstoff und Wassermolekülen [4]. Abbildung 5.1 zeigt eine graphische Präsentation der vier Teilschritte des „Kreidungszyklus“. Im ersten Schritt (1) kommt es, wie vorab beschrieben, zu einer Ladungstrennung im Titandioxid-Pigmentteilchen. Es entsteht das Exciton mit einem Elektron e- im Leitungsband und einem positiven Loch p+ im Valenzband. Schritt (1)
TiO2 + hv
TiO2 (e- + p+)
Im nächsten Schritt (2) oxidiert das Loch ein oberflächenständiges Hydroxylanion, wobei ein Hydroxylradikal entsteht. Schritt (2)
p+ + OH -
HO ·
Hydroxylradikale sind sehr reaktiv und greifen Polymermoleküle leicht an. Gewöhnlich treten im ersten Schritt H-Abstraktionsreaktionen unter Bildung von H2O und einem Polymerradikal R• auf. Das R• Radikal reagiert weiter, z.B. mit Sauerstoff zu Peroxiradikalen R-O-O•. Diese können Wasserstoff von einem benachbarten Polymer abstrahieren, wobei ein neues Radikal R• und ein Hydroperoxid R-O-O-H entsteht. Hydroperoxide spalten wiederum leicht in ein Alkoxyradikal R-O• und ein Hydroxylradikal •O-H. Beim Auslöschen des Lochs durch ein Elektron des Hydroxylanions beim Schritt (2) bleibt ein Elektronenüberschuss im Leitungsband des Pigmentkristalls übrig. Dieses kann im nächsten Schritt (3) ein Ti4+-Kation zu einem Ti3+-Kation reduzieren. Schritt (3)
Ti4+ + e-
Ti3+
Das Ti3+-Kation kann in einem weiteren Schritt (4) von vorhandenem oder neu adsorbiertem Sauerstoff wieder oxidiert werden, wobei Ti4+ und ein SauerstoffRadikalanion entsteht. Schritt (4)
Ti3+ + O2-
Ti4+ + O2-
Das so gebildete Sauerstoff-Radikalanion ist an der TiO2-Oberfläche adsorbiert. Erst mit Feuchtigkeit erfolgt in einem anschließenden Schritt (5) die Bildung eines Hydroperoxyradikals, das desorbieren kann und seinerseits wieder das Polymer angreifen kann, und eines Hydroxylanions, welches die oberflächenständige Hydroxylgruppe wiederherstellt, die im Schritt 2 extrahiert wurde. Schritt (5)
Ti4+ + • O2-+H2 0
Ti4+ + OH - + • O2 H
Somit ist der Kreidungszyklus geschlossen. Insgesamt sind zwei Radikale nach folgender Gesamtreaktion entstanden:
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Photokatalytische Eigenschaften von Titandioxid
Abbildung 5.1: Der Kreidungszyklus
Gesamtreaktion H2 0 + O2
TiO2 + hν
• OH + • O2 H
Nicht immer werden Werkstoffe durch Sonnenlicht und Feuchtigkeit belastet. Daher unterscheidet man zwischen der Photobeständigkeit und der Wetterbeständigkeit von TiO2-Pigmenten und nutzt entsprechende Tests. Von Photobeständigkeit wird gesprochen, wenn dabei nur UV-Licht wirksam wird. Zur Messung der Wetterbeständigkeit wird der kombinierte Einfluss von UV-Licht und Befeuchtung, entweder als Beregnung oder als Betauung, geprüft. Der Unterschied lässt sich leicht am Kreidungszyklus verstehen. Aus dem Reaktionsschema wird deutlich, dass der Kreidungszyklus ohne Sauerstoff und Wasser nur bis zum Teilschritt 3, der Bildung von Ti3+, abläuft. Das Ti3+ lässt sich ESRspektroskopisch nachweisen [4]. Das gegenüber Ti4+ zusätzliche Elektron des Ti3+ hat seine energetische Lage zwischen dem Valenzband und dem Leitungsband von TiO2, und zwar recht nahe am Leitungsband. Die Anregungsenergie für den Übergang in das Leitungsband entspricht einer Absorption, die gerade noch im sichtbaren Spektrum liegt und zu der intensiv violetten Färbung von Ti3+ führt. Deshalb werden auch Werkstoffe, die mit TiO2 pigmentiert sind, bei der Bildung von Ti3+ bläulich grau. Diese Eigenschaft wird bei Kurztests für die Photobeständigkeit genutzt und die Verfärbung üblicherweise als Maß für die Photobeständigkeit gewählt [5].
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Kreidungszyklus
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Bei der Prüfung der Wetterbeständigkeit müssen Licht, Sauerstoff und Feuchtigkeit vorhanden sein, damit auch der vierte und fünfte Teilschritt des Kreidungszyklus stattfinden kann. Bei Fehlen eines der beiden Atmosphärilien schützt das Titandioxid – unabhängig von seiner Stabilisierung (Gitterdotierung und anorganische Oberflächenbehandlung) – die Polymermatrix vor Abbau, anstatt sie photokatalytisch anzugreifen [4]. In dem Fall reagiert nur das anfänglich vorhandene O2 und H2O gemäß Teilschritten (4) und (5). Ist das aufgebraucht, bleibt die Reaktion beim Schritt (3) stehen. Anschließend laufen die Teilschritte (2) und (3) nicht mehr ab, weil es sich um Gleichgewichtsreaktionen handelt, die erst nach rechts verlagert werden, wenn der Zyklus ganz durchlaufen werden kann. Der Abbau der Polymeren unter dem Einfluss von Licht, Sauerstoff und Wasser macht sich gewöhnlich nicht in einer Verfärbung bemerkbar, weil das gebildete Ti3+ immer wieder aufoxidiert wird. Hingegen verschlechtert sich der Glanz aufgrund der zunehmenden Strukturierung der Oberfläche beim Polymerabbau. Bei der fortgeschrittenen Zerstörung kommt es zum besagten Kreiden. Einige Polymere verfärben sich gelblich, weil sich bei ihnen Chromophore, wie z.B. konjugierte Doppelbindungen, ausbilden. Das Kreiden lässt sich nach zwei unterschiedlichen Verfahren bestimmen. Entweder wird auf die zu prüfende Oberfläche ein transparentes Klebeband aufgebracht, dann abgezogen und daran die durch anhaftende Pigmentpartikel verringerte Transparenz gemessen (DIN 53 223), oder aber es wird ein schwarzes Photopapier auf die Oberfläche gedrückt („Kämpf-Stempel“) und die Aufhellung des Papiers bestimmt (DIN 53 159). Die ASTM D4214 empfiehlt eine Reihe von unterschiedlicher Methoden zur Bestimmung der Wetterbeständigkeit. Bei der ersten Methode, dem „Wet-FingerTest“, wird eine Fingerkuppe angefeuchtet und die zu prüfende Werkstoffoberfläche auf einer Länge von etwa 2 bis 2,5 Inches (50 bis 65 mm) gerieben. Der Abrieb am Finger wird mit einem Referenzbild verglichen, welches in der Norm gezeigt ist. Beim zweiten Verfahren, der „Transparent-Tape-Method“, wird ein durchsichtiges Klebeband auf die Werkstoffoberfläche gedrückt und abgezogen. Das Klebeband wird anschließend auf ein schwarzes Klebeband aufgeklebt und die Helligkeit, die von übertragenem Pigment herrührt, bestimmt. Darüber hinaus werden fünf weitere Teste beschrieben, deren Auswahl vom Untergrund abhängt. Vier dieser Varianten sind vergleichend, d.h., von der Oberfläche wird mit einem angefeuchteten Finger, einem schwarzen Samttuch oder aber einem transparenten Klebestreifen eine Probe gezogen und die Erscheinungsbilder jeweils mit photographischen Referenzbildern verglichen. Bei einer Methode wird ebenfalls ein transparentes Klebeband benutzt, von dem dann die Remission Ry über einem schwarzen Untergrund gemessen wird.
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5.2
Photokatalytische Eigenschaften von Titandioxid
Photoaktivität von Anatas und Rutil
Anatas-Pigmente sind erfahrungsgemäß generell weniger photo- und wetterbeständig als Rutil-Pigmente. Das erstaunt zunächst. In Abbildung 5.2 ist dazu das Spektrum des Sonnenlichts auf der Erdoberfläche gezeigt [6]. Darin sind auch die Absorptionskanten von Rutil (415 nm) und Anatas (385 nm) eingetragen. Aufgrund der Lage der Absorptionskanten sollte bei natürlicher Exposition Anatas weniger Excitonen bilden (Schritt (1) des Kreidungszyklus) als Rutil, weil weniger Photonen mit dieser Energie im Sonnenspektrum zur Verfügung stehen. Das Rätseln um die Rolle der oberflächenständigen OH-Gruppen in diesem Zusammenhang ist sicher noch nicht abgeschlossen. Zwar unterscheiden sich Anatas und Rutil in der Anzahl oberflächenständiger OH-Gruppen. Man findet etwa 6 Hydroxylgruppen pro nm2 bei Rutil und 7 bis 8 Hydroxylgruppen pro nm 2 bei Anatas [7]. Allerdings ist auch gefunden worden, dass die photokatalytische Aktivität von Anatas mit zunehmender OH-Gruppen-Zahl abnahm [8, 9], während es bei Rutil umgekehrt war [9]. Erschwerend für ein Verständnis kommt hinzu, dass TiO2-Oberflächen sowohl saure, als auch basische Hydroxylgruppen haben [10, 11], die unterschiedliche Reaktivität aufweisen können. In einer Untersuchung [12] wurde ein Titanoxidhydrat, welches durch Hydrolyse von Titantetraisopropoxid gewonnen wurde, bei Temperaturen zwischen 500 °C und 1200 °C geglüht. Bei Glühtemperaturen unter 600 °C bildete sich Anatas. Oberhalb 800 °C entstand hingegen ausschließlich Rutil während Glühtemperaturen zwischen 600 °C und 800 °C zu Mischungen aus Anatas und Rutil führ-
Abbildung 5.2: Spektrum des Sonnenlichtes auf der Erdoberfläche und Absorptionskanten von Rutil und Anatas
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Photoaktivität von Anatas und Rutil
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ten. Mit zunehmender Glühtemperatur nahm die Hydroxylgruppendichte an der TiO2-Oberfläche von 34,6 µmol auf 3,9 µmol pro Quadratmeter (ca. 21 bis 2,5 OH-Gruppen pro nm 2) ab. Die photokatalytische Aktivitäten der Proben wurden durch die Bestimmung ihres Einflusses auf die Oxidation von Isopropanol zu Azeton (siehe Kapitel 5.4) erfasst. Die Autoren fanden die höchste katalytische Aktivität bei den Anatas-Proben, die zwischen 600 °C und 650 °C geglüht worden waren. Sie interpretierten ihre Ergebnisse in der Weise, dass bei hohen Glühtemperaturen und damit geringen OH-Gruppendichten nicht genügend OH-Gruppen vorhanden sind, um durch Reaktion mit den Löchern OH-Radikale zu bilden. Dadurch überwiegt die Rekombinationsreaktion der Excitonen. Bei niedrigen Glühtemperaturen und damit hohen OH-Gruppendichten sollen die Hydroperoxyradikale zu Wasserstoffperoxid rekombinieren, welches weniger oxidierend auf Isopropanol wirkt, als die OH-Radikale selber. Aus diesen Gründen waren mittlere OH-Gruppendichten zwischen 11 und 24 µmol pro Quadratmeter (6,5 bis 14,5 OH-Gruppen pro nm 2) photokatalytisch am effektivsten. Nicht nur Titandioxid-Grundkörper, sondern auch anorganisch oberflächenbehandelte Pigmente, haben gewöhnlich saure und basische Hydroxylgruppen an ihrer Oberfläche [13]. Anorganische Oberflächenbehandlungen, die bekanntlich die Wetterbeständigkeit der Pigmente verbessern, erhöhen in den meisten Fällen die Dichte der OH-Gruppen geringfügig auf Werte um ca. 8 bis 9 OH-Gruppen pro nm2 [14]. Die derzeit vermutlich plausibelste Erklärung für die höhere Photoaktivität von Anatas wurde von Gesenhues vorgeschlagen [15]. Die Differenz zwischen der Absorptionsenergie von Anatas (3,15 eV) und Rutil (3,02 eV) beträgt 0,13 eV. Nach Gesenhues liegen die Energien der Leitungsbänder von Rutil und Anatas in etwa auf gleicher Höhe, so dass das Energieniveau des Valenzbandes von Anatas um diesen Betrag niedriger liegt. Deswegen ist das bei der Excitonenbildung im Anatas entstehende Loch auf einem niedrigeren Potenzial (ca. -215 mV) als das Loch beim Rutil. Gemäß allgemeiner Zusammenhänge [16] sind deswegen die im Teilschritt (2) des Kreidungszyklus beim Anatas entstehenden Hydroxylradikale ebenfalls auf einem niedrigeren Potenzial und wirken deswegen stärker oxidierend, d.h. mehr elektronenziehend als beim Rutil. Diese Erklärung steht in prinzipiellem Einklang mit den Ergebnissen aus PEMF-Messungen (siehe Kapitel 5.4), bei denen unbehandelter Anatas ein höheres, positives Potenzial (charakteristisch für einen n-Halbleiter) aufweist, während ein unbehandeltes Rutil ein niedriges, negatives Potenzial (charakteristisch für einen p-Halbleiter) zeigt.
5.3 Kurz- und Freibewitterung Generell wäre es wünschenswert, die Beständigkeit der Pigmente bzw. der Werkstoffe immer unter natürlichen, d.h. dem praktischen Einsatz nahe kommenden Bedingungen zu prüfen. Dafür bleibt bei dauerhaft stabilen Systemen, bei denen
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Photokatalytische Eigenschaften von Titandioxid
gerade diese Eigenschaft in der Regel von Bedeutung ist, jedoch meistens nicht die Zeit. Außerdem werden die Umstände dadurch weiter verkompliziert, dass es eine „Wetterbeständigkeit“ schlechthin nicht gibt. Beispielsweise können sich bei Freibewitterung die Reihenfolgen der Beständigkeiten von Ort zu Ort ändern. Bekannte Expositionsorte sind Arizona (Wüstenklima, trocken mit hohen Temperaturschwankungen) und Florida (maritimes, feucht-warmes Klima mit hoher Sonneneinstrahlung). Aber auch schon in Deutschland kommt es erfahrungsgemäß oft zu unterschiedlichen Ergebnissen z.B. bei der Bewitterung an der Meeresküste, dem Niederrhein oder dem Schwarzwald. Hinzu kommt, dass die Lebensdauer einer Beschichtung im Zuge einer Freibewitterung nicht nur von der Vorbehandlung, sondern auch von der Jahreszeit abhängt, bei der die Exposition begann. Schließlich bleibt festzustellen, dass selbst am gleichen Ort das Wetter von Jahr zu Jahr verschieden ist. Wenn es auch in Anbetracht des Einflusses von Licht, Sauerstoffkonzentration und Feuchtigkeit nicht verwundert, dass Expositionsparameter einen großen Einfluss auf den Kreidungszyklus haben, so bleibt doch festzustellen, dass Vorhersagen, aber auch nachträgliche Erklärungen dazu nur schwer machbar sind. (Das stimmt natürlich in dieser Stringenz nur, wenn man „vergleichbare“ Pigmente betrachtet, nicht also ein Anatas einem Rutil gegenüberstellt.) Üblich sind deswegen verkürzte Bewitterungen. Hierbei sollte Sorge getragen werden, dass das eingestrahlte Spektrum im Bereich des UV zumindest in der relativen Intensitätsverteilung dem Sonnenlicht entspricht. Das ist z.B. bei der Verwendung von Hochdruck-Xenon-Lichtbogenlampen oder aber auch mit Xenon- oder Quecksilber-Hochdruckdampflampen in Kombination mit geeigneten optischen Filtern gewährleistet [17]. Freiheiten bestehen hingegen in der Wahl der Abfolge von Bestrahlung und Befeuchtung, entweder als Beregnung oder als Betauung. Die Betauung ist aggressiver [18], weil einzelne Wassermoleküle besser durch einen Polymerfilm diffundieren als Wassertropfen. Die Temperatur spielt dabei ebenfalls eine Rolle. Höhere Temperaturen haben eine zeitraffende Wirkung [18]. Das gilt allerdings generell und nicht unbedingt nur beim Vorhandensein von Titandioxid in einer Rezeptur [19]. Systeme mit guter Wetterbeständigkeit (z.B. Isocyanatvernetzte Acrylatharze) benötigen ca. 1000 Stunden (6 Wochen) in einem Kurzbewitterungsgerät, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen. Weniger wetterbeständige Systeme (z.B. lufttrocknende Alkydharze) sind nach ca. 500 Stunden zu Ende geprüft. Obwohl moderne Bewitterungsgeräte ein hohes Maß an Prozesskontrolle aufweisen, sollte nach wie vor ein Standard mitgeführt werden.
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Kurz- und Freibewitterung
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Generell wird akzeptiert, dass für Prüfungen von Titandioxid-Pigmenten Freibewitterungen nicht vollständig durch Kurzbewitterungen ersetzt werden können. Eine Reihe von Einflussgrößen, angefangen von der Art der Lampen über die Temperatur bis hin zur Feuchte und dem Einfluss von Atmosphärilien, erschweren den quantitativen Vergleich zwischen Kurz- und Freibewitterung. Ob ein Titandioxid-Pigment eher UV-stabilisierend wirkt, oder aber photokatalytische Eigenschaften aufweist, hängt in hohem Maße von der Beständigkeit des Einbettungsmediums ab. Auch Polymere absorbieren UV-Licht, was Abbaureaktionen zur Folge haben kann. Besonders wetterbeständige Bindemittel sind es deswegen, weil sie für UV-Licht transparent sind. In einem sehr wetterbeständigen Bindemittel wird selbst ein sehr wetterbeständiges Titandioxid-Pigment daher eher als Photokatalysator wirken und den Polymerabbau beschleunigen, als Schutz zu bieten. Bei einem nicht wetterbeständigen Bindemittel ist das umgekehrt. Hier schützt das Titandioxid eher, als dass es zur Zerstörung beiträgt. Ob das eine oder andere überwiegt, lässt sich feststellen, indem man bei verschiedener PVK prüft. Ist bei höherer PVK die Wetterbeständigkeit (i.d.R. die Glanzhaltung) besser oder gleich gut, so hat die Schutzwirkung überwogen. Aus dem vorher Beschriebenem ergibt sich für die Prüftechnik, dass sich wetterbeständige Titandioxid-Pigmente nur in wetterbeständigen Bindemitteln sinnvoll prüfen lassen. In nicht wetterbeständigen Bindemitteln ist die Unterscheidung zwischen besser und schlechter wetterbeständigen Pigmenten nicht deutlich, zumindest was die Glanzhaltung angeht. Im Kreiden gibt es dann eher noch Unterschiede, aber die stellen sich erst am Ende der Bewitterungen ein, wenn das Polymer oberflächlich schon sehr stark angegriffen wurde. Im Falle von Kunststoffen muss das Prüfkriterium nicht unbedingt eine Glanzhaltung oder eine Farbtonveränderung sein, sondern auch mechanische Eigenschaften verschlechtern sich. Beispielsweise ist für PE-Folien untersucht worden, dass bei der Bewitterung die Reißdehnung abnimmt und dass dies von dem verwendeten Titandioxid-Pigment abhängt [20]. Bei Lacken tritt eine Versprödung ein [21], was letztlich Rissbildung zur Folge hat. (s. Abbildung 5.3). Nicht nur die Photoaktivität, sondern auch die Dispergierbarkeit und
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Abbildung 5.3: Lichtmikroskopische Aufnahme einer verwitterten Lackoberfläche
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Photokatalytische Eigenschaften von Titandioxid
die Teilchengrößenverteilung des Titandioxid-Pigments haben einen sehr großen Einfluss auf die Glanzhaltung bei der Bewitterung [22]. Der Abbau der Polymere erfolgt im Zuge der Bewitterung von der Oberfläche her. Dadurch kommen in jedem Fall irgendwann die eingebetteten Pigmente an die Oberfläche. Bei besserer Pigmentpartikelverteilung in der Bindemittelmatrix ist die Oberfläche dann weniger stark strukturiert und der Glanz kann erheblich besser sein. Titandioxide mit Teilchenbestandteilen über 1 µm machen sich diesbezüglich bereits deutlich negativ bemerkbar.
5.4 Schnellteste zur Bestimmung der Photoaktivität Bei den Photoaktivität-Kurzzeittests lassen sich solche unterscheiden, bei denen eine Vergrauungsreaktion durch Bildung von Ti3+ eintritt, und andere, bei denen ein Medium chemisch umgesetzt wird. Zur ersten Gruppe zählt vor allem der „Bleicarbonat-Test“, bei dem das Pigment mit Glyzerin und Bleicarbonat als Katalysator vermischt und unter Sauerstoffausschluss mit UV-Licht bestrahlt wird [5]. Das Glyzerin reduziert dabei Ti4+ zu Ti3+. Zur zweiten Gruppe gehört der „Isopropanol-Test“ [23], bei dem Isopropanol von TiO2 unter UV-Beleuchtung zu Aceton oxidiert wird. Das gebildete Aceton lässt sich gaschromatographisch leicht quantitativ bestimmen. Beide Tests liefern zwar innerhalb weniger Stunden Ergebnisse, jedoch sind diese mit Vorsicht zu interpretieren. Vor allem unterschiedliche Feuchte- und Sauerstoffgehalte beeinflussen die Messresultate. Eine weitere Möglichkeit, die Photoaktivität von TiO2-Pigmenten zu untersuchen, ist die Messung der transienten (d.h. sehr kurzzeitigen) photoelektromotorischen Kraft (PEMF; engl. photo electromotive force) [24]. Zu diesem Zweck werden Formlinge aus Pigment und sehr wenig Bindemittel hergestellt. Wenn diese Tabletten von einer Seite durch einen UV-Lichtblitz beleuchtet werden, lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit der bei der Excitonenbildung entstehenden Löcher und Leitungselektronen nach wenigen Millisekunden eine Spannung an den Tabletten messen. Wenn die Löcher eine höhere Wanderungsgeschwindigkeit haben als die Elektronen (p-Halbleitertyp), so wird eine negative Spannung gemessen. Sind jedoch die entstehenden Leitungselektronen jedoch beweglicher (n-Halbleitertyp), so entsteht eine positive Spannung. Die maximale PEMF-Spannung korreliert mit der Phototaktivität der Pigmente [24]. Die Photoaktivität ist am höchsten für Proben mit hoher positiver Spannung. Diese tritt besonders bei nicht oberflächenbehandelten Anatasen auf. Man kann sich vorstellen, dass bei ihnen die Löcher der Excitonen eher an der Oberfläche der Pigmentpartikel verbleiben, anstatt ins Innere der Partikel abzuwandern, um dort wieder mit den Leitungselektronen zu rekombinieren.
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Literatur
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In wissenschaftlichen Untersuchungen wird manchmal der so genannte „Carbonyl-Index“ bestimmt, um den Einfluss von TiO2-Pigmenten auf die Kurz- und Freibewitterung zu bestimmen. Der Carbonyl-Index ist das Verhältnis der Intensitäten der Absorption der Carbonyl (=C=O)-Bande im IR-Spektrum bezogen auf die Intensität einer Referenzbande, üblicherweise die der Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindung. Mit fortschreitender Zerstörung des Bindemittels durch Oxidation nimmt die Stärke der Carbonyl-Bande zu. Der Vorteil dieser spektroskopischen Methode liegt darin, dass Unterschiede bei einzelnen Proben schon weit früher festgestellt werden können, als dass Änderungen anderer Polymereigenschaften, wie der Oberflächenglanz, in Mitleidenschaft gezogen werden.
5.5 Literatur [1] Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5. Edition, VCH, Wenheim, (1993) Vol. A 23, S. 539 [2] Ch. Kittel, „Einführung in die Festkörperphysik“, 7. Edition, Oldenbourg Verlag, Munich, (1988), S. 347 [3] H.G. Völz, et al., Farbe und Lack 86 (1980) 1047 [4] H.G. Völz et al., Farbe und Lack 82 (1976) 805 [5] U. Gesenhues, Farbe und Lack 94 (1988) 184 [6] Handbook of Chemistry and Physics, 56. Edition, 1975-1976, CRC Press, Cleveland, F196 [7] T. Rentschler, European Coatings J. 10 (1997) 939 [8] Y. Oosawa, M Grätzel, J. Chem. Soc. Faraday Trans. I: 84 (1988) 197 [9] K. Kobayakawa et al., Ber. Bunsenges. Phys. Chem. 94 (1990) 1439 [10] J.A. Davies et al., J. Colloid Interface Sci. 63 (1978) 480 [11] U. Gesenhues, Farbe und Lack 101 (1995) 7 [12] K. Kobayakawa et al., Ber. Bunsenges. Phys. Chem. 94 (1990) 1439–1434 [13] U. Gesenhues, 19. FATIPEC-Kongress, Aachen, 18.-24. September 1988, Congress Book, Vol. 1, S. 237 [14] T. Rentschler, Farbe und Lack 106 (2000) 62 [15] U. Gesenhues, Farbe und Lack 100 (1994) 244 [16] F. Beck, „Elektroorganische Chemie“, Verlag Chemie, Weinheim, (1974) , S. 21–25 und S. 63–66 [17] J. Lamaire et al., Kunststoffe, 76 (1986) 149 [18] W. Miehlke, P. Trubiroha, Materialprüfung, 30 (1988) 10 [19] P. Schutyser, D.Y. Perera, Industrie Lackierbetrieb, 60, Nr. 11 (1992) 382 [20] R. Wolny, Kunststoffe, 76, No. 2 (1986) 145 [21] D. Corless, Surface Coatings Australia, 26, No. 6 (1989) 18 [22] A. Mackor et al., 19. FATIPEC-Kongress, Aachen, 18.-24. September 1988, Congress Book Vol. 1, S. 197 [23] J.R. Brand, Plastics Compounding, July/August (1987) 27 [24] M. Schiller, F. W. Müller, C. Damm, Journal of Photochemistry and Photobiology A: 149 (2002) 227–236
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Dispergieren von Titandioxid-Pigmenten
6 Dispergieren von Titandioxid-Pigmenten 6.1
Vorgänge beim Dispergieren
Wie bei allen Pigmenten und Füllstoffen liegt Titandioxid als Pigmentpulver in Form von Primärpartikeln, Agglomeraten und Aggregaten vor (s. Abbildung 6.1, DIN 53 206, Teil 1). Definitionsgemäß sind Primärpartikel die kleinsten Einzelteilchen, während Agglomerate über Kanten und Ecken verbrückte Teilchenassoziate sind. Aggregate wiederum bestehen aus flächig verwachsenen Teilchen. Agglomerate unterscheiden sich von Aggregaten dadurch, dass ihre spezifische Oberfläche so groß ist wie die der darin enthaltenen Primärteilchen. Aggregate haben demgegenüber eine kleinere spezifische Oberfläche. Die Zerteilung von Agglomeraten, bei der nur adhäsive Kräfte überwunden werden müssen, nennt man Dispergieren. Beim Zerteilen von Aggregaten, bei der chemische Bindungen gelöst werden müssen, spricht man hingegen von Mahlen.
Abbildung 6.1: Pigmentmodell nach DIN 53 206, Teil 1
Agglomerate entstehen immer, wenn Pigment- oder Füllstoffteilchen aufeinandertreffen und es keine Kräfte gibt, die
Jochen Winkler: Titandioxid © Copyright 2013 by Vincentz Network, Hanover, Germany ISBN: 978-3-86630-893-0
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Vorgänge beim Dispergieren
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sie vor gegenseitiger Anlagerung schützen1. Aggregate hingegen entstehen bei Sinterprozessen während der Herstellung, entweder bei der Calcination (Sulfatverfahren) oder bei der Verbrennung von Titantetrachlorid (Chloridverfahren). Für die Agglomeratbildung ist primär die van der Waals-Anziehungskraft (dispersive Kraft) der Teilchen untereinander verantwortlich2. Für Teilchen in der Größe von TiO2-Pigmentpartikeln ist die van der Waals-Anziehungskraft bei ihrer Berührung untereinander um ein Vielfaches größer als die Erdanziehungskraft. Auch Titandioxid-Pigmentteilchen würden sich ohne diese anziehende Kraft durch die Brown’sche Molekularbewegung „von alleine“ in der Luft verteilen. Titandioxidteilchen entwickeln im Anwendungsmedium (z.B. Lacken, Kunststoffen, Fasern etc.) jedoch nur dann das höchste Deckvermögen, Aufhellvermögen und die gewünschten mechanischen Eigenschaften, wenn sie optimal in Primärpartikel zerteilt wurden. Deswegen ist das Dispergieren ein kritischer Teilschritt der Verbundwerkstoffherstellung. Beim Dispergieren von Pigmenten laufen drei voneinander unabhängige Teilschritte simultan nebeneinander her: 1) Die Benetzung der Agglomeratoberflächen durch flüssige Bestandteile 2) Die mechanische Zerteilung der Agglomerate in kleinere Agglomerate und Primärpartikel 3) Die Stabilisierung der Primärpartikel und kleiner Agglomerate und Aggregate gegen Flockung Wenn auch nur einer dieser Teilschritte nicht hinreichend erfolgreich abläuft, so ist das gesamte Dispergierergebnis in Frage gestellt. Im Vergleich zu vielen anderen Pigmenten und Füllstoffen lassen sich Titandioxid-Pigmente im Allgemeinen relativ problemlos in Flüssigkeiten dispergieren. Trotzdem gibt es von Produkt zu Produkt Unterschiede, die auch darauf beruhen, dass TiO2-Teilchen mit verschiedenen anorganischen und organischen Oberflächenbehandlungen modifiziert wurden oder einfach nur, weil sie bei der Herstellung unterschiedlich gut aufgemahlen wurden. Ein Titandioxid mit einer Al2O3-Oberflächenbehandlung verhält sich kolloidchemisch ganz anders als eines mit einer SiO2-Oberflächenbehandlung. Beide Oberflächen unterscheiden sich wiederum von der des reinen TiO2. Deswegen sollen im Folgenden die wesentlichsten Aspekte der drei Teilschritte zur Sprache kommen. 1 Agglomerate, die in Pigmentsuspensionen entstehen, werden „Flockulate“ genannt. 2 Diese Kraft ist für das Leben auf der Erde ein Segen, denn ohne sie wäre die Luft voller Staubpartikel, so dass kein Sonnenlicht die Atmosphäre durchdringen könnte und Lebewesen nicht atmen könnten.
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Dispergieren von Titandioxid-Pigmenten
6.2 Benetzung An einer ebenen Fläche lässt sich die Benetzung mit Hilfe der Young-Gleichung beschreiben. In Abbildung 6.2 ist ein Flüssigkeitstropfen auf einer Feststoffoberfläche dargestellt. Am Fußpunkt des Tropfens wirken verschiedene Kräfte, die von den freien Oberflächenenergien (= Oberflächenspannungen) des Feststoffs γs und der Flüssigkeit γ1 sowie der Grenzflächenspannung zwischen der dem Feststoff und der Flüssigkeit σ SL herrühren. γs, σ SL und γ1 sind die freie Energien, die aufgebracht werden müssen, um Grenzflächen zwischen Feststoff und Luft, zwischen Feststoff und Flüssigkeit und zwischen Flüssigkeit und Luft zu schaffen. Wie es das Kräfteschema in Abbildung 6.2 veranschaulicht, ist γ1 cosΘ die Projektion des Vektors γ1 auf die Ebene der Grenzfläche fest-flüssig. Die freie Oberflächenenergie des Feststoffs ist dabei bestrebt, den Tropfen auseinander zu ziehen, während die Oberflächenspannung der Flüssigkeit und die Grenzflächenspannung zu Kräften führen, die den Tropfen zusammenhalten. Im Gleichgewicht gilt die besagte Young-Gleichung: Gleichung 6.1
γs = σsl + γ1 cos Θ
Durch Umstellung der Gleichung 6.1 erhält man Gleichung 6.2, die den Randwinkel mit eben diesen freien Energien verknüpft: cos Θ= Gleichung 6.2
γsl – σ sl γl
Prinzipiell gelten die Gleichungen 6.1 und 6.2 auch für die Benetzung von Pigmentteilchen, auch wenn es nur auf Umwegen gelingt, für diesen Fall einen Randwinkel zu bestimmen (s.u.).
Abbildung 6.2: Flüssigkeitstropfen auf einer Feststoffoberfläche
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Benetzung
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Wird ein Pigment-Agglomerat in eine Flüssigkeit (z.B. in ein Lösemittel oder eine Bindemittellösungen) gegeben, so strömt sie zunächst von allen Seiten in das Agglomerat hinein. Der Druck, mit der die Flüssigkeit in das Agglomerat einzudringen versucht, (der „Kapillardruck“) ist umso ausgeprägter, je größer γs, die freie Oberflächenenergie des Pigments, je kleiner σ sl, die Grenzflächenspannung zwischen Pigmentoberfläche und Flüssigkeit, und je kleiner γ1, die Oberflächenspannung der Flüssigkeit, ist. Ein Vergleich mit Gleichung 6.2 zeigt, dass in diesem Fall gleichsinnig auch der Randwinkel kleiner wird. Die beste und damit schnellste Benetzung erfolgt dann, wenn der Randwinkel Θ Null ist (cos Θ = 1). Dies geht aus der Washburn-Gleichung hervor, die die Eindringgeschwindigkeit einer Flüssigkeit in eine Pigmentschüttung beschreibt.
Gleichung 6.3
m
=K·r· √ t
gl cos Q η
Dabei ist m die in der Zeit t (die hier als Quadratwurzel in die Gleichung eingeht) eingedrungene Flüssigkeitsmenge, K ein Kapillaritätsterm, ρ die Dichte und η die dynamische Viskosität der Flüssigkeit. Die Flüssigkeit dringt jedoch nur so weit in das Agglomerat ein, bis der Kapillardruck gleich dem Gegendruck der eingeschlossenen, komprimierten Luft ist. Wenn das Agglomerat eine entsprechend niedrige Festigkeit hat, kann der interne Druck der komprimierten Luft ausreichen, um das Agglomerat aufzubrechen. Wenn nicht, so wird eine vollständige Benetzung des Agglomerats erst im Laufe der Zeit erfolgen, wenn sich die Gasmoleküle der eingeschlossenen Luft in der Flüssigkeit gelöst haben. Früher wurde bei der Lackherstellung daher oftmals das untergerührte Pigment über Nacht in der Flüssigkeit gelagert („eingesumpft“) und erst am nächsten Tag dispergiert. Heutzutage wird diese Geduld selten aufgebracht und stattdessen lieber gleich mit effektiven Dispergiergeräten (z.B. schnelllaufende Rührwerkskugelmühlen [1]) oder aber mit Sandmühlen [2] dispergiert. Völlig durchfeuchtete Agglomerate oder Agglomeratteile können auch mehr oder weniger von alleine zerfallen, ähnlich wie eine pharmazeutische Tablette in Wasser. Die Benetzung von Titandioxid-Pigmentagglomeraten lässt sich durch geeignete anorganische und organische Oberflächenbehandlungen positiv beeinflussen, wenn dadurch die Wechselwirkung zwischen der Pigmentoberfläche und der eindringenden Flüssigkeit verbessert wird. Das geht beispielsweise dadurch, dass man Säure-Base-Wechselwirkungen ausnutzt, oder aber die Oberfläche des Pigments mit organischen Verbindungen belegt, die der benetzenden Flüssigkeit chemisch möglichst ähnlich ist. Durch beide Maßnahmen wird σ sl, die Grenzflächenspannung zwischen Flüssigkeit und Feststoff, verringert (vgl. Gleichung 6.1 und 6.2).
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Dispergieren von Titandioxid-Pigmenten
Organische Oberflächenbehandlungen erniedrigen zudem die Packungsdichte der Primärpartikel in den Agglomeraten. Dies wird im nächsten Abschnitt behandelt. Eine weitere Möglichkeit, die Benetzung zu fördern, ist das Anlegen eines Vakuums an die Pigmentsuspension. Ist der Unterdruck betragsmäßig größer als der Kapillardruck an den Agglomeraten, so entweicht die Luft aus ihnen und die Flüssigkeit kann ungehindert einströmen. Das Vakuum wird gewöhnlich gleich an die Dispergiergefäße angelegt (Vakuumdissolver). Beim Betreiben dieser Geräte muss jedoch darauf geachtet werden, dass der Siedepunkt der Lösemittel des Dispergieransatzes bei dem verringerten Druck nicht überschritten wird.
6.3
Mechanische Zerteilung
6.3.1 Dispergieransatz Die mechanische Zerteilung der Agglomerate wird in Dispergiermaschinen vorgenommen. Für die meisten Anwendungen von Titandioxid-Pigmenten reicht eine Dispergierung mit diesen Geräten [3]. Es lassen sich in der Regel Feinheiten von weniger als 10 µm mit dem Dissolver erreichen (gemessen mit dem Grindometer nach DIN EN 21 524, DIN 53 203 oder ASTM D1210). Optimal hierfür ist ein mit Pigmenten hochgefüllter Dispergieransatz [4], so dass ein leicht dilatantes Fließverhalten entsteht (Dilatanz: die Schubspannung, und damit die Viskosität, steigt mit der Schergeschwindigkeit überproportional an). Es reicht auch, wenn die Dilatanz nur in einem bestimmten Schergeschwindigkeitsbereich auftritt. Ist allerdings Hochglanz gefordert, wird auch Titandioxid zweckmäßigerweise in schnelllaufenden Rührwerkskugelmühlen dispergiert. Diese Geräte bestehen aus mit Mahlkugeln („Mahlperlen“) gefüllten Gefäßen, durch die die „Mahlpaste“ kontinuierlich durchgepumpt wird. Dabei wird die Mahlperlenschüttung durch eine Rührwelle in Bewegung gehalten. Die Dispergierung erfolgt zwischen den aneinander vorbeigleitenden Mahlperlen. Hierfür sollte der Dispergieransatz entweder Newton’sches Fließverhalten aufweisen (die Viskosität steigt linear mit der Schergeschwindigkeit), oder aber strukturviskos (die Viskosität steigt unterproportional zur Schergeschwindigkeit) sein.
6.3.2 Agglomeratfestigkeit Es liegt auf der Hand, dass der Dispergiererfolg von der Festigkeit der Agglomerate abhängt. Bei Titandioxid-Pigmenten wird die Festigkeit der Pigmentagglomerate vor allem durch Aufbringen organischer Oberflächenbehandlungen und die Dampfstrahlmahlung beeinflusst. Gegenüber einem nicht organisch oberflächenbehandelten Material kann die Festigkeit (ausgedrückt als der Quotient aus Zerdrückungsarbeit und Agglomeratvolumen) auf etwa den hundertsten Teil reduziert sein [5].
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Organische Oberflächenbehandlungen werden dem TiO2-Pigment meistens vor der Dampfstrahlmahlung zugegeben. Dabei verteilen sich die organischen Moleküle gleichmäßig auf der Pigmentoberfläche und verringern die van der Waals’schen-Anziehungskräfte zwischen den Teilchen [6]. In Folge dessen entstehen nach der Mahlung Agglomerate, die weniger dicht gepackt sind und deswegen im Agglomerat weniger Kontaktstellen der Primärteilchen untereinander aufweisen. Zudem hat jede Kontaktstelle weniger Haftkraft. Äußerlich macht sich das allerdings auch durch teilweise unerwünschte Eigenschaften bemerkbar, wie geringe Schüttdichte des Pigments, starke Neigung zum Fließen (auch der in Säcken abgepackten Ware) und höhere Staubentwicklung [6]. Eine wichtige Kenngröße der verwendeten organischen Substanz ist ihre Hamaker-Konstante A. Sie ist eine energetische Konstante, die die van der WaalsWechselwirkung bestimmt [7]. Die Anziehungsenergien E Anz und -kräfte zwischen Molekülen, aber auch zwischen kolloidalen Teilchen, lassen sich bei Kenntnis der Hamaker-Konstanten als Funktion der Teilchenabstände x berechnen, indem A mit einer Abstandsfunktion H(x) multipliziert wird. Gleichung 6.4 E Anz = - A H(x) 12 Dazu zeigt Abbildung 6.3 den prinzipiellen Verlauf von E Anz als Funktion des Teilchenabstands x für zwei größere und zwei kleinere Teilchen. Größere Teilchen ziehen sich also stärker an als kleinere.
Abbildung 6.3: Prinzipieller Verlauf der Anziehungsenergie von Teilchen als Funktion ihres Abstands
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Dispergieren von Titandioxid-Pigmenten
Die Hamaker-Konstante A hängt einerseits von der Hochfrequenzpolarisierbarkeit α der Substanz und andererseits von der „charakteristischen Frequenz“ vv (Eigenfrequenz, Resonanzfrequenz) der Elektronen in dem Molekül ab. Die Hochfrequenzpolarisierbarkeit ist wiederum mit der Brechzahl nD verbunden und kommt in deren Größe zum Ausdruck. Es gilt dabei: 3 3 n 2 - 1 A = · h · vv · D2 4 nD + 2 Gleichung 6.5
Darin ist h das Planck’sche Wirkungsquantum. Es lassen sich auch Anziehungsenergien zwischen Teilchen berechnen, die mit einer organischen oder anorganischen Oberflächenbehandlung versehen sind, vorausgesetzt man kennt auch die Hamaker-Konstanten dieser Belegungen [8]. Je kleiner die Hamaker-Konstante der gewählten Organik ist, umso stärker ist ihre agglomeratfestigkeits-erniedrigende Wirkung [6]. Aufgrund ihrer niedrigen Hamaker-Konstanten eignen sich beispielsweise Silikonöle besonders gut zur organischen Oberflächenbehandlung von TitandioxidPigmenten für den Einsatz in Kunststoffen. Weil Kunststoffschmelzen – schon wegen ihrer hohen Viskosität – keine guten Benetzungseigenschaften haben, kommt es in diesem Fall umso mehr darauf an, dass die Agglomerate leicht zerfallen. Werden Organika mit höheren Hamaker-Konstanten benutzt, so führen erst größere Mengen davon zu ähnlich festigkeitserniedrigender Wirkung. Bei der Wahl der organischen Oberflächenbehandlung kann eine gezielte Optimierung erfolgen, wenn die Anwendung des Pigments genau bekannt ist. Bei Titandioxid-Pigmenten für Farben und Lacke sollen die Produkte jedoch meistens universell einsetzbar sein. Deswegen ist die verwendete Organik dort eher eine Kompromisslösung.
6.3.3 Dispergierdauer, Leistungseintrag und Dispergiererfolg Bei der mechanischen Zerteilung von Pigmentagglomeraten in Dispergiermaschinen muss grundsätzlich zwischen zeitlichen und energetischen Einflussgrößen unterschieden werden [9]. Die Pigmentagglomerate in einem Dispergieransatz werden nicht ständig einer Belastung ausgesetzt, die zu ihrer Zerteilung führt. Dies erfolgt nur an bestimmten Stellen im Dispergiergerät, und d.h. nur zu den Zeiten, in denen sich die Agglomerate dort aufhalten. Die Dispergierdauer bestimmt die Wahrscheinlich-
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Abbildung 6.4: Dispergiererfolg als Funktion von der mechanischen Leistung bei unterschiedlichen Dispergierdauer (schematisch; t1