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German Pages 585 [588] Year 1977
de Gruyter Lehrbuch Keller • Thermodynamik der irreversiblen Prozesse Teil 1
Jürgen U. Keller
Thermodynamik der irreversiblen Prozesse mit Aufgaben, Rechenweg und Lösungen
TeiM Thermostatik und Grundbegriffe
W DE
G Walter de Gruyter • Berlin • New York 1977
Privatdozent Dr. sc. techn. Jürgen U. Keller Institut für Thermodynamik Technische Universität Berlin
Das Buch enthält 71 Abbildungen
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
KeUei, Jürgen U. Thermodynamik der irreversiblen Prozesse: mit Aufgaben, Rechenweg und Lösungen. — Berlin, New York: de Gruyter. Teil 1. Thermostatik und Grundbegriffe. - 1. Aufl. - 1977. (de Gruyter-Lehrbuch) ISBN 3-11-005732-8
©Copyright 1977 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Goschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz: IBM Composer, Walter de Gruyter & Co., Berlin. — Druck: Color Druck, Berlin. — Bindearbeiten: Dieter Mikolai, Berlin.
Für Ursula und Ingrid
Vorbemerkung für studentische Leser
Das vorliegende Buch ist für Studenten der Natur- und Ingenieurwissenschaften, speziell der Physik, Physikalischen Chemie, Physikalischen Ingenieurswissenschaften und des Chemie-Ingenieurwesen geschrieben worden. Es wendet sich aber auch an Studierende solcher Disziplinen, in denen die Thermodynamik zwar eine prinzipiell wichtige, aber untergeordnete Rolle spielt, wie z. B. in der Biologie, der Geologie, der Meteorologie, der Astrogasdynamik, der Energietechnik, der Klimatechnik oder auch der Umwelttechnik. Alle diese Wissenschaften beschreiben gewisse Klassen von Zuständen und Vorgängen in der Materie. Konkrete Beispiele für solche Vorgänge werden in der Einleitung zu Kap. A (S. 2) angeführt. Ein wesentlicher Teil der Aufgabe der genannten Wissenschaften ist es, die von ihnen beschriebenen Vorgänge vorhersagbar zu machen. Dazu müssen Methoden bereitgestellt werden, mit deren Hilfe die zukünftige Entwicklung eines Vorgangs berechnet werden kann. Diese Aufgabe nennt man ganz allgemein das Vorhersageproblem eines Vorgangs. Die Thermodynamik der irreversiblen Prozesse leistet nun einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieses Problems: Sie reduziert es auf die rein mathematische Aufgabe, ein Gleichungssystem (zumindest numerisch) zu lösen. Mit anderen Worten: die Thermodynamik der irreversiblen Prozesse ist eine auf viele Vorgänge anwendbare Methode, Beziehungen zu entwickeln, die ein vollständiges System von Bedingungsgleichungen für alle den Vorgang beschreibenden Größen darstellen. Die Universalität dieser Methode beruht auf der Universalität ihrer Grundlagen: den Hauptsätzen der Thermodynamik! Die Grundlagen dieser Methode können an Hand des vorliegenden Buches erlernt werden. Dazu bedarf es natürlich gewisser Vorkenntnisse. Diese sind: die Grundbegriffe der Gleichgewichtsthermodynamik oder Thermostatik wie sie in jeder einführenden Physikvorlesung gebracht werden. Ferner angewandte Mathematik wie sie heute noch an Technischen Hochschulen und Universitäten in den ersten vier Semestern eines natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Studiums gelehrt wird. Darüber hinaus können eine gute Allgemeinbildung in klassischer Physik, speziell in Mechanik und Elektrodynamik zuweilen sehr nützlich und hilfreich sein. (vgl. auch diesbezüglich das Literaturverzeichnis am Ende des Buches.) Im übrigen ist festzustellen, daß es auch zur Thermodynamik der irreversiblen Prozesse keinen Königsweg gibt: sie muß nach dem Aneignen der Grundbegriffe durch das möglichst selbständige Lösen von Übungsaufgaben und konkreten Problemen erarbeitet werden. Berlin-Charlottenburg, März 1977
J. U. Keller
Vorwort
Phänomenologische Beschreibungen von Vorgängen in gasförmigen, flüssigen oder festen Stoffen spielen in vielen Bereichen der Natur- und Ingenieurwissenschaften eine wichtige Rolle. Die physikalische Grundlage zur Beschreibung von Vorgängen in so verschiedenartig erscheinenden Gebieten wie der Hydromechanik, der Meteorologie, der Plasmathermodynamik, der Thermoelastizitätslehre, der Thermochemie und der Verfahrenstechnik bildet die Thermodynamik derNichtgleichgewichtserscheinungen oder Thermodynamik der irreversiblen Prozesse. Diese Disziplin der Theoretischen Physik ist eine fast universell anwendbare Methode, Bedingungsgleichungen für alle einen makroskopischen Vorgang beschreibenden Größen aufzustellen. Die Universalität der Methode ist dabei eine Konsequenz der Universalität ihrer Grundlagen: den Hauptsätzen der Thermodynamik! Das vorliegende Buch ist der erste Teil einer vor allem für Studierende gedachten, einführenden Darstellung der Thermodynamik der Nichtgleichgewichtserscheinungen. Der gesamte Stoff ist in fünf Kapitel geteilt worden, die auf drei Bände verteilt werden sollen. Die Titel der einzelnen Kapitel lauten: Teil 1 Kap. A Erinnerungen an die Thermostatik Kap. B Grundbegriffe Teil 2 Kap. C Vorgänge in diskontinuierlichen Systemen Teil 3 Kap. D Vorgänge in kontinuierlichen Systemen Kap. E Ergänzungen und Ausblicke. Im Mittelpunkt der Darstellung steht die von L. Onsager begründete „Klassische Thermodynamik der irreversiblen Prozesse". Diese Theorie der Vorgänge in Materie spielt auch heute noch für Anwendungen unter allen zur Verfügung stehenden Kontinuumstheorien die weitaus größte Rolle. Die Voraussetzungen der Theorie, insbesondere die Hypothese vom lokalen thermodynamischen Gleichgewichtszustand, sind in der überwältigenden Mehrzahl der in Natur und Technik auftretenden Prozesse erfüllt! Zur Entwicklung der klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse ist es zunächst notwendig, die Thermodynamik der Gleichgewichtserscheinungen oder Thermostatik bereitzustellen. Dies wird im ersten Kapitel dieses Buches getan. Danach werden die Grundbegriffe der Klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse an Hand einiger einfacher Vorgänge entwickelt. In den folgenden Kapiteln werden Vorgänge in diskontinuierlichen bzw. kontinuierlichen thermodynamischen Systemen diskutiert. Erstere können durch nur zeitabhängige Größen, letztere müssen durch zeit- und ortsabhängige Größen, also zeitlich veränderliche Felder beschrieben werden. In einem letzten Kapitel sollen zunächst die physikalischen Grundlagen der klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse
X
Vorwort
noch näher erläutert werden. Anschließend werden einige moderne Theorien der Vorgänge in kontinuierlicher Materie diskutiert: die nichtlinearen Feldtheorien der Mechanik und ihre thermodynamischen Erweiterungen, die Entropiefreie Thermodynamik der Vorgänge und die Theorie Linear Passiver physikalischer Systeme. Die vorliegende Darstellung der Thermodynamik irreversibler Prozesse wendet sich vornehmlich an Studenten der Natur- und Ingenieurwissenschaften ab dem 3. Semester. Wir haben versucht, diesem Leserkreis besonders dadurch entgegenzukommen, daß nicht abstrakte Formalismen, sondern konkrete Probleme in Form von Übungsaufgaben und zugehörigen, ausführlich formulierten Lösungen den Schwerpunkt der Darstellung bilden. Ferner haben wir bei der Entwicklung abstrakter Zusammenhänge — in der Thermostatik etwa bei der Formulierung der Hauptsätze — bewußt eine etwas breitere Darstellung gewählt und auch Wiederholungen nicht grundsätzlich vermieden. Der Text enthält an einigen Stellen Einschübe, meistens Beispiele oder rein mathematische Ergänzungen. Anfang und Ende dieser Einschübe sind durch dünne, waagerechte Striche deutlich gekennzeichnet. Im übrigen sind wir uns der Tatsache bewußt, daß ein Lehrbuch nie zu Ende geschrieben ist: Argumente, dies oder jenes zu verändern, hier etwas hinzuzufügen und dort etwas wegzulassen gibt es immer. Ein Manuskript spiegelt nur den jeweiligen Stand der Bemühungen eines Autors wieder, sich einer wirklichen oder vermeintlichen Idealform der Darstellung eines Stoffes zu nähern. Bei der Drucklegung muß sich der Autor vom Manuskript trennen, um es sodann der kritischen wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorzulegen. Wir tun das mit der Bitte an unsere Leser, mögliche sachliche oder orthographische Fehler freimütig mitzuteilen. An diese Bitte knüpfen wir die Hoffnung, der Erfolg des Buches möge die aufgewandte Mühe und Arbeit lohnen! Der Unterzeichnete möchte nun noch die Gelegenheit nützen und verschiedenen Persönlichkeiten für ihre Unterstützung bzw. Mitarbeit an diesem Buch danken. Zunächst ist Frau E. Schöneberg (TU Berlin) für das mühevolle Korrektur-Lesen, und Frau R. Dulinski (TU Berlin) für das sorgfältige Tippen des Manuskripts zu danken. Ferner bin ich Frl. S. Gräbner (FU Berlin) für die gewissenhafte Anfertigung etlicher Figuren zu Dank verpflichtet. Den Professoren Dr. W. Muschik (TU Berlin), Dr. E. Schütt und Dr. J. Yang (Ann Arbor, USA) danke ich für die mit ihnen geführten Diskussionen. Herrn Professor Dr. H. Knapp gilt mein besonderer Dank für die Gewährung großzügiger Arbeitsbedingungen. Schließlich möchte ich - last not least — allen Kollegen am Institut für Thermodynamik der TU Berlin für das Mitlesen einzelner Manuskriptteile und für Diskussionen danken. Mein spezieller Dank gilt dabei Herrn Dr. U. Haas. Ferner den Herrn Dipl.-Ing. L. Oellrich, Dipl.-Ing. U. Plöcker, W. Baldauf und H. Kunz. Herrn Dr. R. Weber vom Verlag de Gruyter u. Co. Berlin gilt mein besonderer Dank für das entgegengebrachte Vertrauen und die stets erfreuliche Zusammenarbeit. Berlin-Charlottenburg, März 1977
J. U. Keller
Inhalt
Allgemeines und Historisches
1
A
Erinnerungen an die Thermostatik
7
A 1 A2 A3
Grundbegriffe Der Nullte Hauptsatz Allgemeines zum Ersten Hauptsatz für quasistatische Prozesse in einfachen thermodynamischen Systemen Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen Bemerkungen zum Ersten Hauptsatz für offene Systeme ohne chemische Reaktionen Diskussion des Wärmedifferentials Eine andere Wahl der unabhängigen Variablen Bemerkungen zum Ersten Hauptsatz für offene Systeme mit chemischen Reaktionen Diskussion des Wärmedifferentials Zur Formulierung des Ersten Hauptsatzes der Thermodynamik für natürliche Vorgänge in einfachen Systemen Der Erste Hauptsatz für stationäre Vorgänge in offenen Systemen . . . Vorbereitende Bemerkungen zum Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik Verbale Formulierungen des Zweiten Hauptsatzes nach R. Clausius und W. Thomson Irreversible und reversible Vorgänge Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik Geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen Geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen Offene Systeme mit und ohne chemische Reaktionen Bemerkungen zu den Maxwell-Relationen Eine weitere Form der Gibbsschen Fundamentalgleichung Der Zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik Geschlossene Systeme Natürliche Vorgänge in geschlossenen Systemen Quasistatisch irreversible und reversible Vorgänge in geschlossenen Systemen Anwendungsbeispiele Eine mögliche Form des Zweiten Teils des Zweiten Hauptsatzes für offene Systeme
A4 A5 A6 A6.1 A 6.2 A7 A7.1 A8 A8.1 A9 A 9.1 A 9.2 A 10 A 10.1 A 10.2 A 10.3 A 10.4 A 10.5 All A 11.1 A 11.2 A 11.3 A I 1.4 A 11.5
9 17 18 21 30 37 41 46 50 52 57 66 69 75 77 85 87 91 96 105 108 111 111 113 116 120 125
XII
A A A A A A
Inhalt
12 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5
A 12.6 A A A A A
12.7 12.8 12.9 12.10 13
A 13.1 A 13.2 A 13.3 A 13.4 A 13.5 A 14 A A A A A A A A A
14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 14.8 14.9
A 14.10 A14.ll A 14.12 A 14.13 A 14.14 A 14.15 A 14.16 A 14.17
Gleichgewichtsbedingungen und thermostatische Stabilität Das Extremalprinzip für die Entropie Weitere Extremalprinzipien Eine Anwendung des Extremalprinzips für die Entropie Diskussion der Gleichgewichtsbedingungen fluider Mehrstoffsysteme . Zur physikalischen Bedeutung der chemischen Potentiale eines Mehrstoffsystems Gleichgewichtsbedingungen für thermodynamische Systeme mit inneren Variablen Thermostatische Stabilitätsbedingungen Mathematische Vorbereitung: Der Satz von Sylvester Formulierung und Anwendung differentieller Stabilitätsbedingungen . Integrale Stabilitätsbedingungen Einige Bemerkungen zu thermodynamischen Systemen mit chemischen Reaktionen Linear abhängige und unabhängige chemische Reaktionen Ein Satz über die Maximalzahl linear unabhängiger Reaktionen in einem Mehrstoffsystem Die Laufzahl einer chemischen Reaktion Gleichgewichtsbedingungen für Systeme mit einer Reaktion Gleichgewichtsbedingungen für Systeme mit mehreren linear unabhängigen Reaktionen Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen in speziellen thermodynamischen Systemen Verhalten der Materie im elektrostatischen Feld Elemente der Elektrostatik Dielektrische Materie im elektrostatischen Feld Die adiabate Elektrisierungsarbeit Thermostatik isotroper fluider Dielektrika Die elektrische Zustandsgieichung Thermostatik anisotroper fluider Dielektrika Einige elektro-thermostatische Effekte Ein Gleichgewichtsprinzip für offene thermodynamische Systeme mit elektrostatischen Feldern Die Bedingung für elektro-thermostatische Stabilität Elektrochemische Systeme (Elektrolyte) Der Erste Hauptsatz für elektrolytische Systeme Der Zweite Hauptsatz für elektrolytische Systeme Der Zusammenhang zwischen den elektrochemischen und den chemischen Potentialen eines Elektrolyten Ein Ausdruck für das Wärmedifferential offener elektrolytischer Systeme Ein Gleichgewichtsprinzip für elektrolytische Systeme Die thermostatische Stabilitätsbedingung für Elektrolyte
130 130 133 138 140 144 146 154 158 159 166 168 170 172 174 175 179 184 185 186 190 193 196 202 205 209 212 219 220 223 224 228 229 230 232
Inhalt
XIII
A 14.18 Elemente der Magnetostatik A 14.19 Bemerkungen zur mikroskopischen Deutung des Magnetismus der Materie A 14.20 Die adiabate Magnetisierungsarbeit A 14.21 Thermostatik isotroper fluider Stoffe in magnetostatischen Feldern . . A 14.22 Die magnetostatische Zustandsgieichung A 14.23 Zur Thermostatik anisotroper fluider Stoffe in homogenen Magnetfeldern A 14.24 Einige magneto-thermostatische Effekte A 14.25 Ein Gleichgewichtsprinzip für offene thermodynamische Systeme mit magnetostatischen Feldern A 14.26 Die Bedingung für magneto-thermostatische Stabilität A 14.27 Vorbereitende Bemerkungen zur Thermostatik offener Systeme in homogenen elektromagnetischen Feldern A 14.28 Der Erste Hauptsatz für offene Systeme in elektromagnetischen Feldern A 14.29 Der erste Teil des Zweiten Hauptsatzes für offene Systeme in elektromagnetischen Feldern A 14.30 Ein Ausdruck für das Wärmedifferential A 14.31 Der Zusammenhang zwischen den elektrochemischen und den chemischen Potentialen des Systems A 14.32 Die Gibbs-Duhem-Relation offener Systeme in elektromagnetischen Feldern A 14.33 Gleichgewichtszustände inhomogener Systeme in äußeren Kraftfeldern A 14.34 Ein qualitatives Kriterium dafür, daß der Einfluß äußerer Kraftfelder auf ein thermodynamisches System vernachlässigt werden kann A 14.35 Beschreibung des thermodynamischen Systems und der einwirkenden Kräfte A 14.36 Mathematische Beschreibung des Zustandes eines inhomogenen thermodynamischen Systems A 14.37 Ein Gleichgewichtsprinzip für inhomogene thermodynamische Systeme A 14.38 Die Bedingungen für thermostatisches Gleichgewicht in inhomogenen fluiden elektrischen Leitern und Dielektrika A 14.39 Eine Bedingung für mechanisches Gleichgewicht A 14.40 Zusammenstellung aller Gleichgewichtsbedingungen A 14.41 Beispiele von Gleichgewichtszuständen inhomogener thermodynamischer Systeme in äußeren Kraftfeldern
233
A 15
Übungsaufgaben zur Thermostatik
Aufgabe A I Zum Ersten Hauptsatz der Thermodynamik Aufgabe A 2 Wärmeaustausch eines offenen Systems Aufgabe A 3 Zur Entropie eines thermodynamischen Systems
239 241 242 247 252 256 260 266 267 268 272 274 276 277 278 279 280 284 287 293 295 298 300 312 312 313 313
XIV
Inhalt
Aufgabe A 4 Aufgabe A 5 Aufgabe A 6 Aufgabe A 7 Aufgabe A 8 Aufgabe A 9 Aufgabe A 10 Aufgabe A l l Aufgabe A 12 Aufgabe A 13 Aufgabe A 14 Aufgabe A 15 Aufgabe A 16 Aufgabe A 17 Aufgabe A 18 Aufgabe A 19 Aufgabe A 20 Aufgabe A 21 Aufgabe A 22 Aufgabe A 23 Aufgabe A 24 Aufgabe A 25 Aufgabe A 26 Aufgabe A 27 Aufgabe A 28 Aufgabe A 29 Aufgabe A 30 Aufgabe A 31
Isotherme Verdampfung von Stickstoff (N 2 ) Das ideale Gas mit einer Komponente Das ideale Gas mit mehreren Komponenten Der elastokalorische Effekt Ein technisches Beispiel für einen quasistatisch irreversiblen Kreisprozeß Adiabate Kompressionsschwingungen eines idealen Gases Der Versuch von Joule und Thomson Ein Beispiel zur Mischungsentropie Gleichgewicht zwischen zwei thermodynamischen Systemen . . . Gleichgewicht zwischen thermodynamischen Systemen Gleichgewicht zwischen thermodynamischen Systemen Thermodynamische Systeme mit Oberflächen Thermische Ionisation Chemisches Gleichgewicht der Wassergas-Reaktion Dichte isothermer Dunkelsterne (Barometrische Höhenformel). . Differenz der Wärmekapazitäten eines Dielektrikums (Cve-CVD) Bestimmung der Permittivität dielektrischer Flüssigkeiten nach der Steighöhenmethode Gleichgewicht in einer Konzentrationskette (Donnan-Potential) . Thermostatik der elektrolytischen Zelle Elektrostriktion von Festkörpern Ideale paramagnetische Substanzen (Adiabate Entmagnetisierung) Zu stand sgleichungen eines elastischen und paramagnetischen Stabes Temperaturverlauf in der „adiabaten" Atmosphäre Zustandsgieichungen fluider Materie im elektrostatischen Feld . . Thermostatisches Gleichgewicht fluider Materie im homogenen elektrischen Feld Thermostatisches Gleichgewicht fluider Materie im homogenen Magnetfeld Dissoziationsgleichgewicht von Distickstofftetroxid in einer Ultrazentrifuge Thermostatisches Gleichgewicht fluider Materie im homogenen elektrischen Feld
Lösungen zu den Aufgaben A 1—31 Anhang: Abstrakte Formulierung der Thermostatik geschlossener Einphasensysteme A 16.1 Gleichgewichtsprinzipien und thermostatische Stabilität
314 315 315 317 318 319 319 320 320 321 321 322 322 323 323 324 325 326 327 328 328 329 330 330 331 332 333 334
336
A 16
431 437
Inhalt
B B1 B 1.1 B2 B 2.1 B3 B 3.1 B4 B 4.1 B 4.2 B 4.3 8 4.4 B5 B 5.1 B 5.2 B 5.3 B6
Darlegung von Grundbegriffen der klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse
XV
443
Arbeitsaustausch zwischen zwei idealen Gasen Die Entropieproduktion des Vorgangs Wärmeaustausch zwischen Festkörpern Die Entropieproduktion des Vorgangs Massenaustausch zwischen isothermen fluiden Stoffen Die Entropieproduktion des Vorgangs Massen- und Wärmeaustausch zwischen fluiden Systemen Die phänomenologischen Transport- oder Verhaltensgleichungen des Systems Zwei stationäre Zustände des Systems Die Entropieproduktion des Vorgangs Die Symmetriebeziehung von L. Onsager Die elastische Spannungs-Dehnungs-Relaxation von Kork Eine dynamische Materialgleichung für Kork Thermostatik von Medien mit einer inneren Variablen Die Entropieproduktion des Deformationsvorganges und die Materialgleichung von Thomson-Poynting
491
Übungsaufgaben zu Abschnitt B
494
Aufgabe B 1 Aufgabe B 2 Aufgabe B 3 Aufgabe B 4 Aufgabe B 5
446 451 454 460 462 468 470 474 478 479 482 484 485 487
Quasistatisch irreversible Expansion eines idealen Gases Ein Beispiel zur Wärmeleitung Wärmeaustausch Wohnraum-Außenluft Permeation Ein Beispiel für Massenaustausch zwischen thermodynamischen Systemen Aufgabe B 6 Die Überführungswärme bei isothermer Permeation Aufgabe B 7 Thermoosmose von Kohlendioxid ( C 0 2 ) durch Gummimembranen Aufgabe B 8 Der kaloromechanische Effekt bei idealen Gasen Aufgabe B 9 Mechanische Modelle für das elastische bzw. inelastische Verhalten fester Körper Aufgabe B I O Experimentelle Bestimmungen der Materialparameter eines Voigtschen Mediums mittels Biegeschwingungen
494 494 495 495 496 496 497
Lösungen zu den Übungsaufgaben B 1 - 1 0
503
B 7 Der Formalismus der klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse
526
Bezeichnungen und Symbole Biographische Notizen Zeittafel Schrifttum Sachwortverzeichnis
530 543 549 551 565
498 498 499 501
Allgemeines und Historisches
Die Thermodynamik der irreversiblen Prozesse ist die phänomenologische Theorie der Vorgänge in kontinuierlicher Materie. Sie kann deshalb auch kurz als Thermodynamik der Vorgänge bezeichnet werden. Sie ist keine „Anwendung" der Thermodynamik der Gleichgewichtserscheinungen oder Thermostatik auf Nichtgleichgewichtserscheinungen. Die Thermodynamik der irreversiblen Prozesse ist vielmehr eine logisch selbständige Theorie, welche die Thermostatik quasi als Randbedingung enthält und sich für eine besonders einfache Klasse von Vorgängen, nämlich den quasistatischen Prozessen in diskontinuerlichen Systemen, auf sie reduziert. Die Thermodynamik der irreversiblen Prozesse hat die Aufgabe, möglichst einfache und physikalisch begründete Formalismen und Gleichungssysteme zu entwickeln, mit denen Vorgänge in der Natur makroskopisch-phänomenologisch beschrieben werden können. Unter der makroskopischen Beschreibung eines Vorgangs verstehen wir eine solche, bei welcher die Materie als Kontinuum aufgefaßt, und damit ihre atomistische Struktur vernachlässigt wird. Eine Beschreibung heißt phänomenologisch, wenn sie nur Begriffe verwendet, die durch ein physikalisches Experiment, d. h. durch eine Meßvorschrift definiert sind. Der Vorteil einer makroskopisch-phänomenologischen Beschreibung liegt darin, daß ihre Resultate und Prognosen unabhängig von unseren Vorstellungen über den mikroskopischen Aufbau der Materie sind*. Der Nachteil einer solchen Beschreibung von Vorgängen in Materie ist aber der, daß sie keine numerischen Werte für Stoffparameter wie z. B. Viskositäten, Wärmeleitfähigkeiten oder Diffusionskoeffizienten liefert. Diesem Umstand entspricht im Bereich der Gleichgewichtserscheinungen die Tatsache, daß die Thermostatik auch keine numerischen Werte für die Wärmekapazitäten, Kompressibilitäten und thermischen Ausdehnungskoeffizienten eines Stoffes anzugeben vermag. In beiden Theorien sind solche Berechnungen nur mit Hilfe mikroskopischer Modelle über den Aufbau der Materie — vor allem über die Wechselwirkung zwischen den Atomen und Molekülen - möglich. Häufig müssen aber alle genannten Stoffparameter einfach empirisch, d. h. durch gezielte Experimente bestimmt werden, da auch die statistischen Theorien bislang nur zu sehr begrenzt brauchbaren Resultaten geführt haben. Die Thermodynamik der irreversiblen Prozesse ist gemäß ihrer obigen Definition ein Teil der Kontinuumsphysik, nämlich jener, der sich mit Vorgängen in der Materie beschäftigt. Sie ist eine Grundlagenwissenschaft und umfaßt in diesem Sinne die klassische Elastizitätslehre, die Hydro- und Gasdynamik, die Theorie thermoelastischer und thermoinelastischer Erscheinungen sowie die Rheologie. Sie bildet aber auch die Grundlage für die phänomenologische Theorie chemischer Reaktionen (Reaktionskinetik), *
Die Thermodynamik der irreversiblen Prozesse und die Thermostatik sind die einzigen Disziplinen der klassischen Physik, welche z. B. durch die Entwicklung der Quantentheorie praktisch nicht berührt worden sind.
2
Allgemeines und Historisches
für die Elektrochemie, die Elektrodynamik der Kontinua und Teile der Plasmaphysik. Aus diesen Feststellungen ergibt sich zwanglos, daß die Thermodynamik der Vorgänge die physikalische Grundlage für eine Reihe von Angewandten Wissenschaften, wie z. B. die Technische Physik, die Technische Chemie und die Verfahrenstechnik, bildet. Dies gilt zumindest in dem Bereich, in dem sich diese Disziplinen mit der phänomenologischen Beschreibung von Vorgängen in Materie beschäftigen. Die Thermodynamik der Vorgänge ist nicht nur in der Lage, die vier klassischen irreversiblen Prozesse, nämlich die Wärmeleitung, die innere Reibung, Diffusion und chemische Reaktionen durch klare Begriffe und mathematische Beziehungen zwischen ihnen zu beschreiben. Im Rahmen ihres Formalismus ist es auch möglich, die sogenannten Kreuzeffekte zwischen diesen Prozessen, wie z. B. die Thermodiffusionserscheinungen, die Thermo-Elastizität, die elektro-kalorischen Effekte oder die chemischen Reaktionen in strömenden Medien (Flammen), zu behandeln. Einige weitere Beispiele für Vorgänge, die mit der Thermodynamik der irreversiblen Prozesse beschrieben werden können, sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Physik
Massen- und Wärmeaustausch zwischen verschiedenen Körpern (Diffusion, Thermodiffusion, Wärmeleitung)
Physikalische Chemie
Ladungsaustausch und Stoffwechsel in elektrischen Batterien und Akkumulatoren
Rheologie
Schrumpfen und Dehnen von Kunststoffrohren unter mechanisch-thermischer Belastung
Verfahrenstechnik
Verarbeitung von Rohöl zu Benzin und Teer (Destillation, Rektifikation)
Energietechnik
Erzeugung von elektrischem Strom in magnetohydrodynamischen Energiewandlern
Biologie
Massenaustausch durch die Membranen biologischer Zellen
Geologie
Gesteinsumwandlungen, d. h. chemische Reaktionen in festen und flüssigen Stoffen unter hohem Druck und Temperatur
Meteorologie
Bewegung von Luftmassen unter dem Einfluß thermischer und mechanischer Kräfte
Astrogasdynamik
Verhalten der „Sonnenatmosphäre" (Korona) unter dem Einfluß solarer und extrasolarer elektromagnetischer Felder
Die Thermodynamik der Vorgänge gliedert sich heute in eine Reihe von Formalismen, die historisch teils nacheinander, teils nebeneinander entwickelt worden sind. Jeder dieser Formalismen stellt eine Methode dar, Vorgänge in der Materie phänomenologisch zu beschreiben. Eine einheitliche, alle diese Formalismen umfassende Theorie, gibt es aber heute noch nicht. Das historisch älteste Beispiel für einen solchen Formalismus ist die von Onsager und Eckart um 1931 begründete Klassische Thermodynamik der irreversiblen Prozesse [31, 32, 29, 33, 36, 35, 14, S. 302]. Diese Theorie hat sich bei einer großen Zahl von Anwendungen bewährt und spielt auch heute noch, zumin-
Allgemeines und Historisches
3
dest bei der Beschreibung von Vorgängen in fluiden, d. h. flüssigen oder gasförmigen Systemen, eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund werden wir uns hier und im folgenden überwiegend mit dieser Theorie beschäftigen. Insbesondere soll versucht werden, die Bedeutung der Theorie für praktische Anwendungen an Hand einer Reihe von Beispielen zu demonstrieren! Dabei soll nicht verschwiegen werden, daß die Lösung der von der Theorie bereitgestellten Gleichungen oft mit erheblichen mathematischen Schwierigkeiten verbunden ist. Dadurch wird de facto die Anwendbarkeit der Theorie auf praktische Probleme eingeschränkt. Ferner gibt es auch Fragestellungen und Probleme, welche die Klassische Thermodynamik der irreversiblen Prozesse nicht ohne weiteres beantworten kann, ja, wo sie zu gewissen grundsätzlichen Schwierigkeiten fuhrt (vgl. Kap. E). Diese und andere Umstände veranlaßten einige Vertreter der Mechanik, insbesondere Truesdell und Noll, die Mitte der fünfziger Jahre vorliegenden Nichtlinearen Feldtheorien der Mechanik um den Temperaturbegriff zu erweitern und auf diese Weise eine Rationale Thermodynamik der Vorgänge zu entwickeln [104, 85, 113, 86, 106, 100]. Diese Theorie ist eine mathematische Kontinuumstheorie, d. h. die von ihr verwendeten Begriffe und Hypothesen werden meist nur mathematisch-axiomatisch eingeführt, während die Frage nach deren physikalischen Bedeutung in den Hintergrund tritt.* Da wir uns hier im wesentlichen auf die Beschreibung von Vorgängen in fluiden Systemen beschränken, genügt es, auf diese Theorie hingewiesen zu haben (vgl. Kap. E). Ein anderer Versuch, die Klassische Thermodynamik der irreversiblen Prozesse zu erweitern und zu verbessern, ist um 1969 von Meixner gemacht worden. Ausgangspunkt der Überlegungen war eine kritische Diskussion des Entropiebegriffes bei thermodynamischen Systemen, die sich in einem Nichtgleichgewichtszustand befinden. Es zeigte sich, daß es wünschenswert ist, eine Thermodynamik der Vorgänge zu entwickeln, in welcher dieser Begriff nicht enthalten ist. Dies scheint tatsächlich möglich zu sein [96, 103, 95, 82]. Die entsprechende Theorie wird heute als Entropiefreie Thermodynamik der Vorgänge bezeichnet. Diese Theorie enthält die Klassische Thermodynamik der irreversiblen Prozesse als Spezialfall! Außerdem vermeidet sie einige der formalen und physikalisch schwer durchschaubaren Annahmen, die in der Rationalen Thermodynamik gemacht werden. Aus diesen Gründen sehen wir die Entropiefreie Thermodynamik als echten Fortschritt gegenüber den anderen thermodynamischen Formalismen an, wenn auch zu betonen ist, daß auch diese Theorie gewisse physikalische Schwierigkeiten enthält. Ihre Entwicklung kann daher heute noch keineswegs als abgeschlossen gelten (vgl. Kap. E). Eine ausführliche Darstellung der Beziehungen der drei erwähnten thermodynamischen Formalismen zueinander ist in [98, 105, 25, S. 706] enthalten. Neben diesen Formalismen gibt es eine Anzahl weiterer thermodynamischer Theorien der Vorgänge in kontinuierlicher Materie, die mehr oder minder als Erweiterungen, Abarten bzw. Ergänzungen zu diesen Formalismen angesehen werden können. Wir erwähnen hier nur die Theorien von Coleman-Owen [87], Day [88], Gal-Or [90, S. 3], Gyarmati [93, 94], Keller [95], Mueller [104, 100, S. 335], Muschik [25, S. 706], Nicolis [100, S.-379], Pacault [108], und Prigogine *
Der Anwendungsbereich und die praktische Bedeutung der Rationalen Thermodynamik sind heute schwer abzuschätzea Sie scheint aber besonders daraufhin angelegt zu sein, Vorgänge in Festkörpern, insbesondere Nachwirkungserscheinungen, zu beschreiben.
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Allgemeines und Historisches
[91, S. 1, 92], Im übrigen sei auf die Literatur verwiesen [36, 100, 91, 105, 81, 136, 173, 185, 88a], Die Anfänge der Thermodynamik der irreversiblen Prozesse reichen bis Newton, Fourier, Ohm und Fick zurück, die durch Aufstellung der nach ihnen benannten Gesetze für die innere Reibung von Flüssigkeiten, die Wärmeleitung, die elektrische Stromleitung und die Diffusion die ersten phänomenologischen Gesetze der kontinuierlichen Materie angegeben haben. Ein weiterer wichtiger Schritt zur Entwicklung einer alle diese Phänomene umfassenden Theorie wurde von Bertrand und Boltzmann getan. Diese beiden Forscher sprachen unabhängig voneinander um 1887 den Gedanken aus, daß die bisher nur in der Thermostatik verwendete Entropie auch als Quantität aufgefaßt werden könne, die in der Materie strömen und produziert werden kann. Die mathematische Formulierung dieser Idee in Form einer Entropiebilanzgleichung ist bereits 1911 von Jaumann [50] und in verallgemeinerter Form 1916 von Lohr [52] gegeben worden. Der eigentliche Anstoß zur Entwicklung der klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse erfolgte aber erst durch L. Onsager [56], P. W. Bridgman [40] und C. Eckart [45], Diese Autoren erkannten in den dreißiger Jahren, daß sich alle bis dahin bekannten phänomenologischen Gesetze als Beziehungen zwischen einzelnen Faktoren einer algebraischen Darstellung der Entropieproduktion deuten lassen. Damit entpuppte sich diese Größe als Schlüsselbegriff zur systematischen Entwicklung der phänomenologischen Gleichungen eines Systems. Darüber hinaus wurden von Onsager Symmetriebeziehungen zwischen gewissen phänomenologischen Koeffizienten angegeben, die sich besonders bei praktischen Anwendungen der Theorie bewährt haben. In den folgenden Jahren wurde die Theorie durch Beiträge von de Groot, Prigogine und Meixner [48, 47, 54, 59] systematisch ausgebaut. Insbesondere hat Casimir 1945 eine bis dahin in den Onsagerschen Symmetriebeziehungen enthaltene Schwierigkeit behoben und ihre allgemeine Formulierung angegeben [42, 43]. Der Gültigkeitsbereich der Theorie wird zunächst durch die ihr zugrunde liegende Kontinuumsvorstellung der Materie bestimmt. Diese kann stets dann verwendet werden, wenn sich die charakteristischen makroskopischen Größen, wie z. B. die Materiedichte, die Temperatur oder der Druck, zeitlich und räumlich sehr wenig ändern über gewisse mikroskopische Zeiten und Längen des Systems. Als mikroskopische Länge kann etwa die mittlere freie Weglänge der Moleküle eines Gases, die Korrelationslänge der Wechselwirkungskräfte zwischen den Molekülen einer Flüssigkeit [24, 25] oder die Gitterkonstante eines Kristalls angesehen werden. Entsprechende mikroskopische Zeiten ergeben sich aus diesen Größen und der Schallgeschwindigkeit in dem betreffenden Medium. Diese Bedingung ist notwendig, aber nicht hinreichend. In der klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse wird nämlich noch die Annahme gemacht, daß die einzelnen Massenelemente eines makroskopischen Systems als thermodynamische Systeme angesehen werden können, die sich in einem (zeitlich und örtlich veränderlichen) Gleichgewichtszustand befinden. Tatsächlich bestimmt gerade diese Voraussetzung den praktischen Anwendungsbereich der Theorie: Sie kann z. B. thermoelastische Erscheinungen in langsam erwärmten Festkörpern, nicht aber chemische Reaktionen in den Fronten von Stoßwellen (Explosionen) beschreiben.
Allgemeines und Historisches
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Die größte Leistung der Klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse besteht darin, Systematik in eine Fülle von Vorgängen und empirischen Beziehungen der kontinuierlichen Materie gebracht zu haben. Sie enthält einen allgemeinen Formalismus, der es erlaubt, die Materialgleichungen für eine große Klasse thermodynamischer Prozesse aufzustellen. Die Struktur dieser Gleichungen kann explizit angegeben werden. Darüberhinaus ist es möglich, wesentliche Aussagen über Art und Anzahl der in diesen Gleichungen auftretenden „phänomenologischen Koeffizienten" zu machen. Die Aussagen der Theorie sind dabei sehr allgemein und unabhängig von mikroskopischen Vorstellungen über die Materie. Sie zeichnen sich ferner gegenüber den Aussagen statistisch-molekularer Theorien der Vorgänge in Materie durch besondere Einfachheit aus. Die Entwicklung der Klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse kann, soweit sie Vorgänge in fluiden Mehrstoffsystemen mit nur einer Phase betrifft, heute als abgeschlossen betrachtet werden [36]. Außerdem gibt es eine Reihe von Erweiterungen und Ergänzungen der Theorie: In [136, 137] werden Vorgänge in dünnen Schichten, Membranen und an Phasengrenzflächen behandelt. Von F. R. Block [83] ist eine Erweiterung der Klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse auf multifluide Systeme entwickelt worden*. Ferner ist versucht worden, die Theorie zur Beschreibung von Vorgängen in Festkörpern mit großen Deformationen [111], von Vorgängen in Systemen mit elektromagnetischen Feldern [33, 47, 48] und zur Beschreibung relativistischer Vorgänge zu erweitern [45, 51, 54], Ob dies in physikalisch befriedigender Weise bereits gelungen ist, kann allerdings heute noch nicht entschieden werden, da etliche Resultate der Theorie noch der experimentellen Bestätigung bedürfen. Im übrigen ist die wissenschaftliche Entwicklung auf den genannten Gebieten noch zu sehr im Fluß. Bei allen Erfolgen der Klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse darf aber nicht übersehen werden, daß es noch eine Reihe von Erscheinungen gibt, welche sie heute noch nicht beschreiben kann. Beispiele dafür sind der Ferromagnetismus, die Ferroelektrizität, die Plastizität sowie Vorgänge in den Fronten von Stoßwellen und in Vielphasensystemen (Schaumstoffen etc). Ebenso ist die Theorie in ihrer heutigen Form nicht in der Lage, Vorgänge zu beschreiben, die weit weg vom lokalen thermodynamischen Gleichgewichtszustand ablaufen, wie z. B. Explosions- oder Implosionsvorgänge. Ferner stehen Erweiterungen der Thermodynamik der irreversiblen Prozesse auf Vorgänge in Halbleitern, in suprafluiden Medien (He II), in Flüssigkeitskristallen, in Materie sehr hoher Dichte und (oder) Temperatur (Weiße Zwerge, Neutronensterne) und auf Vorgänge mit großer räumlicher Ausdehnung — d. h. eine allgemeine relativistische bzw. kosmologische Thermodynamik der Vorgänge - heute noch aus. Aber auch in den Grundlagen der Thermodynamik gibt es wichtige Fragen, die heute noch nicht vollständig geklärt sind. So gibt es z. B. noch keine allgemein anerkannte Formulierung des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik für offene thermodynamische Systeme — d. h. für Systeme, die mit ihrer Umgebung außer Arbeit und Wärme auch *
Unter einem multifluiden System versteht man ein solches, bei welchem jeder Komponente ein eigener Satz von Intensivparametern (Temperatur, Spannungstensor, chemische Potentiale) zugeordnet wird.
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Allgemeines und Historisches
noch Masse austauschen — bzw. für Systeme in äußere Kraftfeldern (vgl. Kap. A l l , (S. 125)*. Ferner ist die Ensemble-Theorie der Vorgänge in kontinuierlicher Materie, also eine Theorie, welche die Gibbssche statistische Mechanik mit der Klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse verknüpft, bisher nur in Ansätzen entwickelt worden [33, 36,103,95,102], Der Grund dazu scheinen mathematische Schwierigkeiten zu sein**. Gleichwohl wäre eine solche Theorie, vor allem im Hinblick auf mögliche statistische Aussagen über turbulente Strömungen, von großer praktischer Bedeutung. Schließlich ist auch noch die Frage nach dem Gültigkeitsbereich der in der Klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse stets verwendeten Kontinuums-Beschreibung der Materie im Hinblick auf deren atomistische Struktur keineswegs vollständig geklärt. Wichtige Aussagen darüber sind aber von Meixner und Reik gemacht worden [36], Der vorliegende Band behandelt nun - quasi als Vorbereitung auf die eigentliche Thermodynamik der Vorgänge — zunächst im Kapitel A die Phänomenologie der Gleichgewicht serscheinungen in kontinuierlicher Materie, also die Thermostatik. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei bei der Formulierung des Ersten und des Zweiten Hauptsatzes sowie bei der Entwicklung der Thermostatik von Systemen in elektromagnetischen Feldern. Viele andere Fragestellungen und Resultate der Thermostatik mußten deswegen in den Hintergrund treten, so z. B. die praktisch extrem wichtige Frage nach der expliziten Form von thermischen oder kalorischen Zustandsgieichungen realer Stoffe. Der interessierte Leser sei daher auf die Literatur, insbesondere auf die Lehrbücher von Callen [2], Kestin [8], Päsler [11] und Zemansky [19], sowie auf die Artikel von Martin [130] und das Werk von Hougen et all. [124] verwiesen. Im folgenden Kapitel B ist versucht worden, die Grundbegriffe der Klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse an Hand von fünf konkreten und dabei besonders einfachen Vorgängen schrittweise einzuführen bzw. zu entwickeln. Abschließend wird die methodische Struktur der Theorie durch Vergleich der einzelnen Vorgänge und der sie beschreibenden Begriffe herausgearbeitet. Der behandelte Stoff wird in beiden Kapiteln durch insgesamt 41 Aufgaben ergänzt. Die zugehörigen Lösungen sind bewußt breit dargestellt worden, um dem Leser die einzelnen Denkschritte möglichst klar vor Augen zu führen. Weitere Anwendungen der Klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse auf Vorgänge in diskontinuierlichen und kontinuierlichen Systemen werden in den Teilen II und III dieses Lehrbuchs gebracht werden.
Die wesentlichsten Schwierigkeiten bei diesen Systemen scheinen darin zu bestehen, daß nicht klar ist, wie der Entropiestxom bzw. die Entropieproduktion des Systems zu definieren ist! ** Kollmann, W., J. Mathematical Physics, 16 (1975), 2197. *
A Erinnerungen an die Thermostatik
A1 Grundbegriffe
Wir wollen in diesem Abschnitt die wichtigsten Grundbegriffe der Thermostatik kurz erläutern und zusammenstellen. Bezüglich einer ausführlichen Darstellung und Kritik dieser Begriffe sei der Leser auf die Literatur [16, 4, 5] verwiesen.
Das thermodynamische System Unter einem thermodynamischen System verstehen wir im Sinne von W. Schottky* [16, S. 5] ein abgegrenztes System von gasförmigen, flüssigen oder festen Körpern, welches mit seiner Umgebung nur dadurch in Wechselwirkung steht, daß es (mechanische) Arbeit, Wärme und Masse austauscht. Diese Definition kann sinngemäß auf Systeme, welche elektrische Ladungen oder magnetische Momente enthalten und welche mit ihrer Umgebimg nicht mechanische, sondern elektrische Arbeit austauschen, erweitert werden. Sie gilt im übrigen nicht nur für Gleichgewichssituationen, sondern ist auch auf Nichtgleichgewichtssituationen, also auf Vorgänge anwendbar. Dies folgt aus dem Umstand, daß diese Definition, im Gegensatz zu manchen anderen [11, S. 14, 194, S. 1], nur Begriffe enthält, die nicht nur für Gleichgewichtszustände, sondern auch für Prozesse erklärt sind. Beispiele für thermodynamische Systeme sind: das Treibstoff-Luft-Gemisch im Zylinder einer Verbrennungskraftmaschine, eine elektrische Batterie, ein kalorisches Kraftwerk, das Wasser eines Sees, die Erdatmosphäre und die Sonne. Thermodynamische Systeme lassen sich nun klassifizieren, entweder nach den mit ihrer Umgebung tatsächlich ausgetauschten Größen, oder nach ihrem stofflichen Aufbau. Wir unterscheiden: a) Das isolierte oder abgeschlossene System. Dieses tauscht mit seiner Umgebung weder Arbeit noch Wärme oder Masse aus. b) Das wärmeisolierte oder adiabate System. Dieses kann Wärme von seiner Umgebung weder aufnehmen noch an sie abgeben. c) Das arbeitsisolierte System. Dieses kann mit seiner Umgebung keine mechanische (oder elektrische) Arbeit austauschen. d) Das massenisolierte (bzw. ladungsisolierte) oder geschlossene System. Dieses kann mit seiner Umgebung keine Masse (bzw. elektrische Ladung) austauschen.
* Walter Schottky, 1886-1976, Deutscher Physiker und Thermodynamiker (Schottky-Defekte, Schottky-Effekt).
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A 1 Grundbegriffe
e) Das offene System. Bei ihm sind sowohl Arbeits- als auch Wärme- und Massenaustausch mit der Umgebung möglich. Der stoffliche Aufbau eines thermodynamischen Systems wird durch Angabe seiner Phasen und der zugehörigen Komponenten beschrieben. Unter einer Phase verstehen wir einen räumlichen Bereich im thermodynamischen System, in welchem die Materie nur in einem Aggregatzustand mit einheitlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften vorkommt. Unter einer Komponente verstehen wir eine Stoffart im Sinne der Chemie. Ein wichtiger Sonderfall eines thermodynamischen Systems ist das sogenannte einfache System. Darunter verstehen wir ein System, welches nur aus einer homogenen* und isotropen** Phase besteht und eine, oder auch mehrere Komponenten enthält. Auf das System sollen keine äußeren Kräfte wirken und es sei so groß, daß Oberflächenerscheinungen gegenüber Volumenphänomenen vernachlässigt werden können. Ein Beispiel für ein einfaches System ist Traminer-Wein in einer satt gefüllten Flasche. Die einfachen thermodynamischen Systeme sind quasi die Bausteine, aus denen man sich ein beliebiges thermodynamisches System zusammengesetzt denken kann.
Thermodynamische Variable oder Parameter Als thermodynamische Variable oder thermodynamischen Parameter bezeichnen wir jede durch eine Meßvorschrift experimentell definierte Größe, die man benötigt, um den momentanen Zustand eines thermodynamischen Systems physikalisch zu beschreiben.*** Diese Größen können von der Vorgeschichte des Systems abhängen, wie etwa die Arbeit oder die Wärme, die ein System beim Übergang von einem Zustand in einen anderen mit seiner Umgebung austauscht. Sie können aber auch von der Vorgeschichte des Systems unabhängig sein. In diesem Falle heißen sie Zustandsgrößen oder Zustandsvtfriable des Systems. Beispiele für solche Zustandsvariable sind das Volumen, der Druck, die Temperatur, die Stoffmenge (Molzahlen) oder die elektrische Ladung eines Systems. Diese aufgezählten Variablen werden zuweilen auch als äußere Zustandsvariable bezeichnet, da sie von außen vorgebbar sind und damit in einfacher Weise variiert werden können. Neben ihnen werden noch sogenannte innere Zustandsvariable verwendet**** [17, 54, 75, 72], Diese Parameter können im allgemeinen nicht unmittelbar gemessen bzw. vorgegeben werden. Mit ihrer Hilfe kann aber der innere Zustand eines thermodynamischen Systems in phänomenologischer Weise beschrieben werden, ohne * Eine Phase heißt homogen, wenn die Materie in ihrem Inneren überall dieselben physikalischen und chemischen Eigenschaften besitzt, also z. B. Uberall dieselbe Dichte aufweist. ** Eine Phase heißt isotrop, wenn die Materie in ihrem Inneren für alle durch einen beliebigen Punkt gehenden Richtungen dieselben physikalischen und chemischen Eigenschaften besitzt *** Die Meßvorschrift kann durch Rechenvorschriften ergänzt werden. **** In der Literatur werden diese Größen häufig als „innere Variable" bezeichnet.
A 1 Grundbegriffe
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die genaue atomistische Struktur der Materie zu kennen! Beispiele für innere Zustandsvariable sind etwa die Besetzungszahlen gewisser Anregungszustände von Atomen und Molekülen, die Anzahl von Gitterdefekten in einem Kristall, der Polymerisationsgrad eines amorphen Mediums, die Orientierungen von Molekülen in einem elektromagnetischen Feld oder der Deformationszustand (Verknäulung bzw. Streckung) der Makromoleküle einer Kunststoffschmelze. Es ist nun eine wichtige empirische Tatsache, daß jede Zustandsgröße der Thermostatik bei Vervielfachung eines Systems entweder proportional zur Systemmasse wächst oder aber konstant bleibt. Im ersten Fall bezeichnet man die Zustandsgröße als extensive Größe. Beispiele für solche Größen sind das Volumen, die elektrische Ladung, die innere Energie oder die Entropie eines Systems. Im zweiten Fall nennt man die Zustandsgröße intensive Größe. Beispiele für solche Größen sind die Temperatur, der Druck oder die chemischen Potentiale des Systems.* Ein einfaches thermodynamisches System besitzt stets eindeutige Extensivparameter (Energie, Volumen, Masse, elektrische Ladung etc.) unabhängig davon, ob es sich in einem Gleichgewichts- oder einem Nichtgleichgewichtszustand befindet. Eindeutige Intensivparameter (Temperatur, Druck, chemisches Potential, elektrische Feldstärke etc.) besitzt es aber nur in Gleichgewichtszuständen, die im folgenden noch genauer erläutert werden sollen. Das Verhältnis einer Extensivgröße X zur Masse m eines Systems wird spezifische Größe genannt und meist mit dem zugehörigen Kleinbuchstaben (x) bezeichnet:
Das Verhältnis einer Extensivgröße X zum Volumen V eines Systems wird die Dichte % von X genannt: *=
(A 1.2)
Bezieht man eine Extensivgröße X auf die Molzahl n eines Systems, so erhält man die zugehörige molare Größe X
*
m
= f .
(A1.3)
Nach Extensivgrößen kann man mit „Wieviel i s t . . . " , nach Intensivgrößen mit „Wie stark i s t . . . " fragen. Das oben angeführte Kriterium kann mathematisch in folgender Weise formuliert werden: Bei Vervielfachung eines thermodynamischen Systems Z ->• \ > 0 transformieren sich alle thermodynamischen Größen X des Systems nach der Beziehung X-> Xn X mit einem gewissen Exponenten n > 0. Ist X eine extensive Größe, so ist n = 1. Ist X eine intensive Größe, so ist n = 0.
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A I Grundbegriffe
Die Molzahl n ist hierbei definiert als Verhältnis der Systemmasse m zur Molmasse M = Mr g/mol eines Stoffes: n
m = M-
(A1-4)
(Vgl. Bemerkungen im Abschnitt „Bezeichnungen und Symbole" (S. 000)). Zwischen dem molaren und dem spezifischen Wert einer Größe besteht nach (1) und (3) der Zusammenhang Xm = M x .
(A 1.5)
Der thermostatische Gleichgewichtszustand Ein thermodynamisches System befindet sich in einem thermostatischen Gleichgewichtszustand, wenn es folgende Eigenschaften besitzt: 1. Das System hat eindeutige thermodynamische Extensiv- und Intensivparameter. Alle diese Größen haben zeitlich konstante Werte. 2. Nach Isolation des Systems von seiner Umgebung, d. h. nach Unterbindung des Arbeits- Wärme- und Massenaustausches mit seiner Umgebung, treten im Innern des Systems keine Vorgänge oder Veränderungen auf. Alle thermodynamischen Parameter bleiben konstant. Die Gleichgewichtszustände eines thermodynamischen Systems sind besondere Zustände, die sich vor möglichen anderen Zuständen, etwa stationären Zuständen oder Nichtgleichgewichtszuständen, dadurch auszeichnen, daß sie durch einige wenige Parameter wie Druck, Volumen und Temperatur thermodynamisch „vollständig" beschrieben werden können. „Vollständig" heißt dabei, daß der bei einer (quasistatisch) durchlaufenen Folge von Gleichgewichtszuständen zwischen dem System und seiner Umgebung auftretende Austausch von Arbeit, Wärme und Masse durch diese wenigen Parameter vollständig bestimmt ist. Ein Gleichgewichtszustand heißt gehemmt bzw. ungehemmt je nachdem der Arbeits-, Wärme- oder Massenaustausch zwischen einzelnen Teilen des Systems gehemmt bzw. nicht gehemmt ist. Solche Hemmungen können durch starre Wände, adiabatische, d. h. wärmeundurchlässige Platten und chemische Dekatalysatoren realisiert werden. Hebt man die Hemmungen auf, so laufen im System Vorgänge ab, bei denen es aus dem ursprünglichen gehemmten Gleichgewichtszustand in einen ungehemmten Gleichgewichtszustand übergeht. Ein bekanntes Beispiel für ein (chemisch) gehemmtes System ist Knallgas, eine Mischung aus Wasserstoff- und Sauerstoffgas. Diese Mischung kann etwa bei Zimmertemperatur beliebig lange bestehen. Sie geht aber bei Aufhebung der Hemmung der chemischen Reaktion 2H 2 + 0 2 -*• 2 H 2 0 durch lokale Überhitzung (elektrischer Funke) explosionsartig in Wasserdampf, d. h. in einen anderen Gleichgewichtszustand, über.
A 1 Grundbegriffe
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Ändern sich die thermodynamischen Parameter wie Druck, Temperatur etc. eines Systems im Laufe der Zeit, so befindet es sich streng genommen nicht mehr in einem Gleichgewichtszustand, sondern in einem Nichtgleichgewichtszustand. Erfolgt die Änderung aber sehr langsam, ändern sich also die thermodynamischen Parameter des Systems nur wenig in Zeiten, die viel größer als die Relaxationszeiten* der zugehörigen Meßinstrumente (Manometer, Thermometer, Aräometer etc.) sind, so durchläuft das System praktisch eine stetige Folge von Gleichgewichtszuständen. Man sagt, es erleidet eine quasistatische Zustandsänderung, oder, es befindet sich in einem schleichenden (oder währenden) Gleichgewichtszustand. Beispiele für Systeme, die sich im schleichenden Gleichgewicht befinden, sind Glaskörper (optische Linsen), die im Laufe von Jahren erhebliche Deformationen zeigen können, oder Wein, der nach Jahren unsachgemäßer Lagerung beachtliche Geschmacksveränderungen aufweisen kann.
Der stationäre Zustand Ein thermodynamisches System befindet sich in einem stationären Zustand, wenn es folgende Eigenschaften besitzt: 1. Das System hat eindeutige Extensivparameter wie Volumen, Masse oder Energie. Diese sind zeitlich konstant. Das System kann zugehörige Intensivparameter besitzen, muß es aber nicht. Können im Inneren des Systems lokal für einzelne Massenelemente thermodynamische Extensiv- und Intensiwariable definiert werden, so können diese Größen zwar vom Ort, nicht aber von der Zeit abhängen. 2. Nach Isolation des Systems von seiner Umgebung können im Inneren Veränderungen und Vorgänge auftreten, wobei das System asymptotisch einem thermostatischen Gleichgewichtszustand zustrebt. Ein Beispiel für ein thermodynamisches System, welches sich in einem stationären Zustand befindet, ist jeder Ziegelstein in der Mauer eines beheizten Hauses. Infolge der an seinen Enden herrschenden verschiedenen Temperaturen erfolgt durch ihn stationäre Wärmeleitung. Der Stein besitzt zwar eine eindeutige innere Energie, aber keine zugehörige Temperatur, da sich diese in ihm von Ort zu Ort ändert. Wird der Stein von seiner Umgebung adiabat isoliert, so gleichen sich die Temperaturunterschiede in seinem Inneren im Laufe der Zeit aus. Der stationäre wärmeleitende Zustand geht in einen isothermen Gleichgewichtszustand über.
* Unter der Relaxationszeit eines Meßinstrumentes versteht man die Zeit, die der Zeiger des Instrumentes braucht, um sich von seiner Ausgangslage auf einen Meßwert einzustellen. Diese Zeit ist meist kleiner als 1 Sekunde.
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A I Grundbegriffe
Der Nichtgleichgewichtszustand Alle Zustände eines thermodynamischen Systems, die weder Gleichgewichtszustände noch stationäre Zustände sind, werden Nichtgleichgewichtszustände genannt. Solche Zustände treten immer dann auf, wenn ein thermodynamisches System einen Vorgang oder einen natürlichen Prozeß durchläuft. Bei langsamen Vorgängen, etwa dem Abkühlen einer Wärmflasche oder beim Abbau des Feldes eines Ferromagneten, ist es häufig noch möglich, dem System sowohl thermodynamische Extensivparameter wie Volumen, Masse und Energie, als auch noch Intensivparameter wie Druck, chemische Potentiale und Temperatur zuzuordnen. Alle diese Größen sind aber jetzt nicht mehr unveränderlich, sondern variabel, also Funktionen der Zeit. Bei raschen Vorgängen, etwa der Ausbreitung von Schallwellen in chemisch reagierenden Medien, kann man einem System häufig zwar nicht mehr „global", wohl aber noch lokal thermodynamische Extensiv- und Intensivparameter zuordnen. Diese sind dann Funktionen von Ort und Zeit. Der Vorgang wird also durch einen Satz zeitabhängiger Felder beschrieben. Bei sehr raschen Vorgängen, z. B. bei chemischen Reaktionen in und nach Stoßfronten, kann es sein, daß auch diese Art der Beschreibung des Nichtgleichgewichtszustandes nicht mehr genügt. Häufig versagt aber dann die Kontinuumsvorstellung der Materie als solche und man muß zu kinetischen Theorien übergehen, in denen die Existenz einzelner Atome und Moleküle explizit berücksichtigt wird. Diese Bemerkungen zur Frage der Beschreibung von Nichtgleichgewichtszuständen mögen vorläufig genügen. Bezüglich einer genaueren Diskussion dieser wichtigen Frage sei der Leser auf die Kapitel B und D verwiesen.
Die Temperatur Berührt man irgend einen Körper mit der Hand, so verspürt man eine subjektive Wärmeempfindung. Diese ist Ausdruck der „Warmheit" des Körpers und wird etwa durch die Worte: eiskalt, kalt, lau, warm und heiß beschrieben. Die Temperatur eines Körpers ist nun nichts anderes, als irgend ein objektives Maß für den subjektiven Begriff der „Warmheit" eines Körpers. Wird dieses Maß durch die Eigenschaften eines speziellen Stoffes definiert, so nennt man es empirische Temperatur. Das wichtigste Beispiel einer solchen Temperatur ist die ursprünglich durch die Länge eines in eine Glasröhre eingeschmolzenen Hg-Fadens definierte Celsius-Temperatur mit der Einheit Grad-Celsius (°C). Neben den empirischen Temperaturen gibt es noch stoffunabhängige Temperaturbegriffe, etwa die ideale
A 1 Grundbegriffe
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Gastemperatur [16] oder die mit ihr identische* absolute thermodynamische Temperatur. Die ideale Gastemperatur T wird durch die Beziehung r ; R T = Um (PV(P, T, m »
(A 1.6)
zwischen dem Druck P, dem Volumen V und der Masse m eines beliebigen Gases definiert. Die Größen M und R sind die Molmasse des Gases und die absolute Gaskonstante. Die absolute thermodynamische Temperatur T kann über den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik definiert werden [11, 19]. Ihre Einheit ist das Kelvin (K). Zwischen ihr und der Celsius-Temperatur & besteht die Beziehung (A 1.7) Die thermodynamische Temperaturskala, de facto definiert durch Wirkungsgrade von idealen Carnot-Maschinen, kann nicht unmittelbar experimentell realisiert werden. Es gibt aber verschiedene indirekte Möglichkeiten, sie als Funktion irgend einer empirischen Temperatur zu berechnen. Kennt man z. B. aus der Beobachtung der Gleichgewichtszustände zwischen der flüssigen und der dampfförmigen Phase die Dampfdruckkurve P = P(T) eines reinen Stoffes, so gilt nach der (exakten) Phasengleichgewichtsbedingung von Clausius und Clapeyron [11, Kap. 55,194, S. 55] dP= Q m (T) dT T(V;(T, P ) - V ^ ( T , P ) ) '
(A 1.8)
Hier bedeuten Q m > 0 die molare Verdampfungswärme und Vj, bzw. V ^ die molaren Volumina des Stoffes in beiden Phasen. Faßt man nun die absolute Temperatur T als Funktion irgend einer empirisch definierten Temperatur auf: T = T(#), so folgt aus (8)
oder nach Integration über das Intervall (i? + , ß) T(fl) = T(# + ) e®W > 0 ,
(A 1-9) ) dt?.
* Ein eleganter Beweis für die Gleichheit der idealen Gastemperatur und der absoluten thermodynamischen Temperatur ist in [7, 15, S. 2] enthalten.
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A I Grundbegriffe
Da V", V', Q m und die Dampfdruckkurve P = P(t?) als Funktionen der empirischen Temperatur d experimentell bestimmbar sind, kann die Funktion ©(#) und damit nach (9) die absolute thermodynamische Temperatur des betrachteten Phasengleichgewichtszustandes berechnet werden (M. Planck). Eine weitere Möglichkeit, die thermodynamische Temperatur experimentell zu realisieren, bietet das Gasthermometer [19, S. 14]. Praktisch werden heute aber alle absoluten thermodynamischen Temperaturen aus der sogenannten Internationalen absoluten Temperaturskala (IPTS 68) nach gewissen Interpolations- und Korrekturformeln berechnet. (Vgl. Mitteilungen der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt 81 (1971), 3 1 - 4 3 und [180,194].) Diese internationale absolute Temperatur wird intervallweise durch eine Reihe von genauen Meßvorschriften unter Angabe der zugehörigen Thermometer definiert. Sie ist heute in den meisten Ländern der Erde als Norm anerkannt und gesetzlich verankert [191, DIN 1345],
A 2 Der Nullte Hauptsatz
Der Nullte Hauptsatz der Thermodynamik ist die Existenzaussage der Zustandsgröße Temperatur. Wir formulieren diese Aussage in Anlehnung an R. H. Fowler und E. A. Guggenheim zunächst für einfache Systeme: „Jedes einfache thermodynamische System besitzt in jedem Gleichgewichtszustand eine intensive und zugleich transitive Zustandsgröße: die absolute Temperatur (T)". Unter einer Zustandsgröße bzw. Zustandsfunktion verstehen wir dabei eine Größe, die den momentanen Zustand eines thermodynamischen Systems charakterisiert und von dessen Vorgeschichte unabhängig ist. Besitzen zwei Systeme dieselben Temperaturen, so treten bei gegenseitiger Berührung längs einer starren und dichten, aber wärmeleitenden Wand keinerlei Veränderungen in ihnen auf. Man sagt: die beiden Systeme stehen miteinander im thermischen Gleichgewicht. Besitzen zwei Systeme verschiedene Temperaturen, so treten nach gegenseitigem Kontakt im allgemeinen Veränderungen auf. Die beiden Systeme stehen miteinander nicht im thermischen Gleichgewicht. Sie tauschen untereinander „Wärme" aus und streben im Laufe der Zeit Gleichgewichtszuständen mit derselben Temperatur zu. Die Temperatur eines einfachen fluiden, d. h. flüssigen oder gasförmigen Systems, ist eine eindeutige Funktion des Druckes P, des Volumens V und der Massen mj (i = 1 ... n) des Systems: •
T = T(P,V,mi...mn).
(All)
Diese Beziehung ist eine mögliche Form der thermischen Zustandsgieichung des Systems. Aus ihrer Existenz folgt unmittelbar, daß die Temperatur tatsächlich eine Zustandsgröße bzw. eine Zustandsfunktion in den Variablen P, V, mj, i = 1 ... n ist. Durchlaufen diese eine geschlossene Folge von Werten, also einen Kreisprozeß, so durchläuft auch die Temperatur eine gewisse Folge von Werten und nimmt danach ihren ursprünglichen Wert (und keinen anderen) wieder an.
A 3 Allgemeines zum Ersten Hauptsatz für quasistatische Prozesse in einfachen thermodynamischen Systemen
Wir wollen in diesem Abschnitt einige allgemeine Bemerkungen zum Ersten Hauptsatz der Thermostatik machen. Dabei beschränken wir uns zunächst auf die Formulierung dieses Satzes für Gleichgewichtszustände bzw. für Folgen solcher Zustände, nämlich quasistatische Prozesse. Ferner betrachten wir hier nur einfache, offene oder geschlossene thermodynamische Systeme. Eine Erweiterung des Satzes auf natürliche, auch Nichtgleichgewichtszustände enthaltende Prozesse wird in Kapitel A8 angegeben werden. Bezüglich einer Formulierung des Ersten Hauptsatzes für thermodynamische Systeme in äußeren Kraftfeldern sei der Leser auf Kapitel A 14.35-36 verwiesen. Der Erste Hauptsatz der Thermostatik ist seinem physikalischen Wesen nach nichts anderes als das Prinzip von der Erhaltung der Energie, welches 1841 von J. R. Mayer entdeckt und ausgesprochen worden ist. Dieses Prinzip besagt, daß „Energie" weder erzeugt noch vernichtet werden kann. In der Technischen Thermodynamik wird dieses Prinzip zuweilen auch so formuliert: Es ist nicht möglich, eine Maschine zu konstruieren, die nichts weiter tut, als dauernd Arbeit (also eine Form von Energie) an ihre Umgebung abzugeben. Diese Aussage wird auch als „Unmöglichkeitsprinzip für ein Perpetuum mobile 1. Art" bezeichnet. Die folgende Formulierung des Ersten Hauptsatzes lehnt sich an die von A. Sommerfeld in [194] gegebene an: „Jedes einfache thermodynamische System besitzt in jedem Gleichgewichtszustand eine extensive Zustandsgröße: die innere Energie (U)". Sie ist die Summe aller auf ein Schwerpunktsystem bezogenen kinetischen und potentiellen Energien der Moleküle und Atome des Systems. Bei einem zusammengesetzten thermodynamischen System bezeichnet man die Summe der inneren Energien seiner Teile als innere Energie des Systems. Unter einem Schwerpunktsystem verstehen wir ein kartesisches Koordinatensystem, dessen Ursprung der Massenschwerpunkt des betrachteten thermodynamischen Systems ist. Wir setzen hier und im folgenden stets voraus, daß dieses System außerdem ein Inertialsystem im Sinne der Mechanik ist [191, S. 85, 174, S. 75]. Zur kinetischen Energie eines Moleküls gehören die Energie seiner bezüglich des Schwerpunktsystems erfolgenden Translationsbewegung sowie die Rotations- und Schwingungsenergie seiner Atome. Zur potentiellen Energie gehört die Energie infolge äußerer Kraftfelder, die Wechsel-
A 3 Allgemeines zum Ersten Hauptsatz für quasi-statische Prozesse
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Wirkungsenergie des Moleküls mit seinen Nachbarn und die Bindungsenergie zwischen seinen Atomen (chemische Energie). Wir beschränken uns in diesem Abschnitt auf die Untersuchung einfacher thermodynamischer Systeme mit fluider, d. h. flüssiger oder gasförmiger Phase und n Komponenten. Zwischen den Komponenten können chemische Reaktionen ablaufen. Das System selbst kann offen oder geschlossen sein. Die innere Energie solcher Systeme ist eine eindeutige Funktion der Temperatur T, des Volumens V und der Massen m^ i = 1 ... n der einzelnen Komponenten des Systems: •
U = U(T, V, m t ... m n ) .
(All)
Diese Gleichung ist eine mögliche Form der kalorischen Zustandsgieichung des Systems. Will man die innere Energie eines thermodynamischen Systems für einen beliebigen Gleichgewichtszustand berechnen, so muß das Verhalten des Systems bei Arbeits-, Wärme- bzw. Massenaustausch bekannt sein. Dieses Verhalten wird durch die thermostatischen Zustandsgieichungen des Systems beschrieben. Es kann für infinitesimale quasistatische Zustandsänderungen, also für solche, bei denen das System von einem Gleichgewichtszustand in einen infinitesimal benachbarten Gleichgewichtszustand übergeht, qualitativ in folgender Weise charakterisiert werden: Die innere Energie eines thermodynamischen Systems nimmt zu, wenn ihm aus der Umgebung nur Wärme zugeführt wird. Sie nimmt ab, wenn das System nur Arbeit an seine Umgebung abgibt. Wird dem System Masse zugeführt, so kann seine innere Energie entweder zu- oder abnehmen. Bei einer infinitesimalen quasistatischen Zustandsänderung gilt also für das totale Differential dU der inneren Energie
•
du = ao - aA + aum.
(A3.2)
In dieser Beziehung bedeutet dQ ein Differential der vom System aufgenommenen „Wärme". Unter Wärme verstehen wir dabei eine gewisse Übertragungsform von Energie. Wärme wird zwischen geschlossenen und arbeitsisolierten Systemen nur dann ausgetauscht, wenn diese verschiedene Temperaturen besitzen. Dabei fließt die Wärme stets von Gebieten höherer Temperatur zu Gebieten niedrigerer Temperatur. Wir wollen eine Wärmemenge positiv zählen, wenn sie einem System zugeführt wird, negativ, wenn sie vom System an seine Umgebung abgegeben worden ist. In (3) bedeutet ferner dA ein Differential der vom System an seiner Umgebung geleisteten „Arbeit". Unter Arbeit verstehen wir dabei zunächst nur den Arbeitsbegriff der Mechanik. Wir wollen die Arbeit positiv bzw. negativ zählen, je nach dem sie vom System an seine Umgebung abgegeben bzw. von ihm aufgenommen worden ist. Das Differential äU m in (2) beschreibt eine Änderung der inneren Energie infolge eines Massenaustausches des
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A 3 Allgemeines zum Ersten Hauptsatz für quasi-statische Prozesse
Systems mit seiner Umgebung, soweit diese Energieänderung noch nicht in dQ bzw. dA enthalten ist. Diese Größe enthält also z. B. die bei einem Massenaustausch dem System konvektiv mit der Materie zugeführte Energie. Sie kann auch die mit einer Massenzufuhr stets verbundene Volumenänderungsarbeit enthalten. Im übrigen verschwindet sie per definitionem identisch für Zustandsänderungen in geschlossenen Systemen. Explizite Differentialformen für dU m werden im folgenden noch angegeben werden. Die Differentialform des Ersten Hauptsatzes (2) kann nun phänomenologisch auf zwei verschiedene Weisen gedeutet werden. Zunächst, wie oben angegeben, als Definitionsgleichung für die innere Energie eines Systems. Tatsächlich kann man aus dieser Beziehung mit Hilfe der thermostatischen Zustandsgieichungen des Systems eine Meßvorschrift für die innere Energie ableiten. Diese wird im folgenden für verschiedene Arten von Systemen noch angeführt werden. Zum anderen kann man die Gleichung (2) in der Form dQ = dU + dA — dU m (A3.3) schreiben. Diese Beziehung besagt: Führt man einem (offenen oder geschlossenen) einfachen thermodynamischen System während eines quasistatischen Prozesses Wärme zu, so erhöht sich seine innere Energie. Außerdem gibt das System an seine Umgebung (mechanische) Arbeit ab und tauscht mit ihr Masse, und damit die an sie gebundene Energie, aus. Umgekehrt kann diese Relation aber auch als Definitionsgleichung für das Wärmedifferential dienen, wenn für alle Glieder auf der rechten Seite explizite Differentialausdrücke etwa in den Variablen T, V, m i ; i = 1 ... n bekannt sind. Wir werden im folgenden keine dieser Interpretationen gegenüber den anderen bevorzugen, sondern sie alle nebeneinander verwenden. Zu den auf der rechten Seite von (2) bzw. (3) auftretenden Gliedern können noch weitere hinzukommen, wenn das System mit seiner Umgebung Energie noch auf andere Weise als durch Arbeit, Wärme oder Masse austauschen kann. Solche Möglichkeiten bestehen, wenn sich das System in äußeren Kraftfeldern, z. B. elektromagnetischen Feldern, befindet, oder wenn es mit seiner Umgebung elektrische Ladung oder molekular gebundene Rotations- und Schwingungsenergie austauschen kann. — Der interessierte Leser sei diesbezüglich auf die Kapitel A 12.6 und A 14.28 verwiesen. Nun wollen wir darangehen, den Ersten Hauptsatz der Thermostatik, nämlich die Existenzaussage (1) und die Differentialformen (2), (3) für quasistatische Prozesse noch etwas genauer zu diskutieren. Wir wollen dies zunächst für geschlossene Systeme, dann für offene Systeme mit und ohne chemische Reaktionen tun.
A 4 Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen
Wir betrachten ein einfaches, geschlossenes, fluides Mehrstoffsystem mit der Temperatur T, dem Volumen V, den Komponentenmassen m^ i = 1 ... n und der inneren Energie U. Zwischen den einzelnen Komponenten mögen keine chemischen Reaktionen auftreten: das System sei inert. Die Massen mj, i = 1 ... n bleiben also bei beliebigen Zustandsänderungen des Systems konstant. Wir können sie daher als Variable unterdrücken. Die innere Energie des Systems ist somit nach (A 3.1) nur eine Funktion der Temperatur und des Volumens: U = U(T, V).
(A4.1)
Für das Energiedifferential gilt nach (A 3.2) dU=aQ-aA.
(A 4.2)
In dieser Beziehung bedeutet dA die bei einer infinitesimalen quasistatischen Zustandsänderung vom System an die Umgebung abgegebene Volumänderungsarbeit im Sinne der Mechanik (vgl. [19, 11, 33, 191]). Es gilt also aA = PdV.
(A 4.3)
Hierbei ist P der mechanische Druck, den das System auf seine Gefaßwände ausübt. Er ist im allgemeinen eine Funktion der Temperatur T, des Volumens V und der Massen der einzelnen Bestandteile mj, i = 1 ... n des fluiden Systems: P = P(T, V, m t ... m n ) .
(A 4.4)
Diese Beziehung ist eine weitere Form der thermischen Zustandsgieichung des fluiden Systems. Sie muß gewissen allgemeinen Bedingungen genügen, durch welche ihre mathematische Struktur eingeschränkt wird. Im übrigen muß sie für jedes Mehrstoffsystem durch Messung von P, V und T experimentell bestimmt werden, da es auch heute noch keine „universelle" Zustandsgieichung in analytischer Form gibt [130, 133, 142, 19, 15], Die wichtigste theoretische Forderung an die Zustandsgieichung (4) ist wohl die, daß der Druck als intensive Variable eine homogene Funktion Nullter Ordnung in den Variablen T, V, m j ... m n sein muß. Er kann daher nicht von V und den m ; selbst ab-
22
A 4 Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen
hängen, sondern nur von der Massendichte p = m/V und den (hier konstanten) Masn
senkonzentrationen
= m j m , i = 1 ... n, m = 2 mj. Es gilt also
P = P(T, p,
... 7 n ) .
(A 4.5)
Dies kann am einfachsten mit Euler's Satz über homogene Funktionen [11, 2, S. 47] gezeigt werden. Die in (5) auftretende Funktion hat eine unabhängige Variable weniger als die Funktion in (4): zwischen den Massenkonzentrationen 7; besteht nämlich die Ben
Ziehung 2 ^ = 1. i
Die vom System bei einer quasistatischen Zustandsänderung von einem Ausgangszustand Z 0 zu einem beliebigen anderen Gleichgewichtszustand Z an seine Umgebung abgegebene „Volumenänderungsarbeit" ist z A = i PdV.
(A 4.6)
Z0
Zur Berechnung des Integrals in (6) muß noch der Integrationsweg und damit das Verhalten der Temperatur während der Zustandsänderung Z 0 -»• Z festgelegt werden. Es zeigt sich, daß die Arbeit nicht nur von Z 0 und Z, sondern auch vom ganzen Verlauf des Integrationsweges in der PV-Ebene abhängt. Dies kann z. B. an Hand der isothermen bzw. adiabaten Expansion eines idealen Gases leicht nachgewiesen werden. Die Arbeit ist keine Zustandsgröße eines thermodynamischen Systems! Das Arbeitsdifferential (3) ist — etwa bezüglich der Variablen T, V — ein unvollständiges Differential, was durch den Anstrich am Differentialzeichen „d" ausgedrückt werden soll. Ein reines ideales Gas ist ein Stoff, der per definitionem die thermische Zustandsgleichung PV = nRT, n = m/M
(A 4.7)
besitzt. Die Größe R = 8.3143 J/Kmol ist die absolute Gaskonstante, n heißt die Molzahl des Systems, m ist die Masse und M = Mrg/mol die Molmasse des Gases. Viele reale Gase wie H 2 , 0 2 , N 2 , C0 2 , S0 2 etc. können bei nicht zu tiefen Temperaturen (T > 300 K) und nicht zu hohen Drücken (P < 1 bar) praktisch als ideale Gase angesehen werden und genügen unter diesen Bedingungen der Gleichung (7) recht genau. Wir betrachten nun ein ideales Gas, welches sich in einem durch einen verschiebbaren Kolben abgeschlossenen Zylinder befindet.
A 4 Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen
23
a) Das Gas expandiere quasistatisch isotherm von einem Zustand Z 0 (T 0 , V 0 , P 0 ) auf Z(T 0 , V, P) mit V > V 0 . Dann gibt es nach (6) und (7) die Arbeit Z
V
A T = f PdV = nRT 0 /
z„
dV
v0
V
_ , V = nRT 0 In ~ > 0 Vi0
(A4.8)
an die Umgebung ab. Dieser Ausdruck kann für genügend großes V größer als jede beliebig groß vorgegebene Zahl werden: lim A x = °°.
(A 4.9)
Bei isothermer Expansion kann also beliebig viel Arbeit gewonnen werden! b) Nun seien Zylinder und Kolben zunächst gegenüber ihrer Umgebung adiabat isoliert. Das Gas expandiere also, ohne Wärme mit seiner Umgebung auszutauschen, von Z 0 (T 0 , V 0 , P 0 ) in einen Zwischenzustand Z 1 (T 1 , Vj, P). Von diesem Zustand aus erfolge die Expansion unter Wärmezufuhr isobar bis der Endzustand Z(T 0 , V, P) erreicht ist. Man kann nun zeigen [11, S. 73; 1, S. 12], daß bei adiabaten Zustandsänderungen zwischen Druck und Volumen des Ausgangszustandes und den entsprechenden Größen eines beliebigen anderen Zustandes die Beziehung PVK = P0Vq = const
(A4.10)
besteht. Hierbei ist k = (C P /C V ) > 1 das Verhältnis der Wärmekapazitäten des Gases bei isobarer bzw. isochorer Erwärmung. Dies ist eine der „Adiabatengleichungen" des idealen Gases. Mit ihr kann die Arbeit, welche das Gas bei einer adiabaten Expansion an seine Umgebung abgibt, nach (6) elementar berechnet werden: v z. 'P0Vg P0V0 p 1-7 f PdV = / ——- dV = ——^ (1 —V (=-) K ) . 7 J yK K 1 P0 ' £ v o o
Die Arbeit bei isobarer Expansion Z1
(A4.11)
Z ist
z p 1 A „ = * PdV = P ( V - V , ) = P ( V - V 0 ( y ) K ) .
z,
(A4.12)
Somit ist die gesamte, bei der Expansion Z 0 -> Zj -> Z abgegebene Arbeit gleich Aa + A p = ¡ ^ 1 n R T 0 ( l - ( ^ ) 1 " 7 ) .
(A4.13)
24
A 4 Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen
Dieser Ausdruck ist im allgemeinen von (8) verschieden! Insbesondere bleibt er, im Gegensatz zu A T , für V °° beschränkt! Die bei der Expansion vom Gas abgegebene Arbeit hängt also nicht nur vom Anfangs- und Endzustand, sondern darüberhinaus vom Verlauf des Expansionsvorganges zwischen Z 0 und Z ab. Wir bilden nun das totale Differential von (1):
dU =
dT (W>v Ol V,m
+
Ädv T,m d V '
m
=
COnSt
•
(A4-14)
Hier und im folgenden bedeutet m = (mj, m 2 ... m n ) . Die Beziehung (14) beschreibt die Änderung der inneren Energie des Systems, wenn dieses von einem Gleichgewichtszustand (T, V) zu einem infinitesimal benachbarten Gleichgewichtszustand (T + dT, V + dV) übergeht. Setzt man (14) in (2) ein, so folgt zunächst für isochore Zustandsänderungen (dV = 0), mit der dann geltenden Beziehung dQ = C v d T , V = const,
(A4.15)
(|^)Vm = Cv.
(A 4.16)
die Aussage
Die Größe C v ist die Wärmekapazität des Systems bei konstantem Volumen. Das ist jene Wärme, die man benötigt, um die Temperatur des Systems bei unverändertem Volumen um eine Einheit zu erhöhen. Die Wärmekapazität ist eine homogene Funktion 1. Ordnung der Temperatur, des Volumens und der Massen des Systems: Cv = C v ( T , V , m 1 . . . m n ) .
(A4.17)
Für ihren spezifischen Wert gilt entsprechend cv = c v ( T , p , 7 l . . . T n ) .
(A4.18)
Diese Beziehungen sind zwei mögliche Formen der „kalorischen Zustandsgieichung" des Systems. Ihre experimentelle Bestimmung ist Aufgabe der Kalorimetrie.
A 4 Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen
25
Ferner kann aus (2) und (14) mit Hilfe des im folgenden Abschnitt noch zu besprechenden Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik gezeigt werden, daß die Volumenabhängigkeit der inneren Energie durch
O x ,
m
= < > v
) m
-
P
(A4
"19)
bestimmt wird. Setzt man umgekehrt (3), (16) und (19) in (2) ein, so ergibt sich für das Wärmedifferential der Ausdruck 3Q = C v dT + T(|jp) dl
V,m
dV.
(A4.20)
Dies gilt für quasistatisch und reversibel wie auch für quasistatisch und irreversibel erfolgenden Wärmeaustausch zwischen System und Umgebung*. Der erste Term auf der rechten Seite von (20) ist jener Anteil einer zugeführten differentiellen Wärmemenge, welcher zur isochoren Temperaturerhöhung im System verwendet wird. Der zweite Term gibt den Anteil an, der zur isothermen Expansion gebraucht wird. Bei diesem Vorgang wird ein Teil der zugeführten Wärme in Form von Arbeit wieder an die Umgebung des Systems abgegeben, der Rest aber nach (19) als innere Energie im System gespeichert. Die bei einer quasistatisch (reversibel oder irreversibel erfolgenden) Zustandsänderung Z 0 ->• Z vom System mit seiner Umgebung ausgetauschten Wärmemenge ist nach (20)
•
Q = f (C v dT + T ( | | ) v dV). z.
(A 4.21)
Der Wert des Integrals in (21) hängt nun ähnlich wie in (6) nicht nur von den Zuständen Z 0 und Z, sondern auch noch vom Verlauf des ganzen Integrationsweges zwischen Z 0 und Z ab. Dies kann man sich an Hand einfacher Beispiele klar machen. Auch die Wärme Q ist keine Zustandsgröße eines thermodynamischen Systems! Das Differential (20) ist ein unvollständiges Differential in den Variablen T und V. (Vgl. auch A 6.1.) Ein ideales Gas mit der thermischen Zustandsgieichung (7) und der kalorischen Zustandsgleichung Q = const
(A 4.22)
* Ein System hat einen quasistatischen Vorgang Z 0 ->• Z reversibel (bzw. irreversibel) durchlaufen, wenn nach Durchlaufen der umgekehrten Folge von Gleichgewichtszuständen Z -• Zo keinerlei Veränderungen (bzw. wenn doch Veränderungen) in seiner Umgebung zurückgeblieben sind. (Vgl. auch den folgenden Abschnitt über den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.)
26
A 4 Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen
expandiere isotherm vom Zustand Z 0 (P 0 , V 0 , T 0 ) nach Z(P, V, T 0 ) mit V > V 0 . Es nimmt dabei nach (21) und (7) die Wärme Q = nRT 0 In t ^ > 0 *o
(A 4.23)
aus der Umgebung auf. Diese wird gemäß (8) vollständig in mechanische Arbeit verwandelt! Erfolgt der Übergang von Z 0 nach Z aber.so, daß man das Gas zunächst isochor von Z 0 auf einen Zwischenzustand Z'(P, V 0 , T') mit T' < T 0 abkühlt und danach isobar von Z' auf Z(P, V, T 0 ) expandiert, so tauscht es nach (21), (7) und (22) mit seiner Umgebung die Wärme Q= nRT0(l-^)
(A 4.24)
aus. Dieser Ausdruck ist von (23) verschieden! Man beachte insbesondere, daß die Wärme (23) für V -*• °° über alle Grenzen wächst, während (24) endlich bleibt. Wir wollen nun noch auf eine wichtige Umkehrung der Beziehungen (16) und (19) hinweisen. Setzt man diese Beziehungen in (14) ein und integriert in beliebiger Weise zwischen zwei Zuständen Z„(T 0 , V 0 ) und Z(T, V), so erhält man für die innere Energie des Systems die Darstellung •
U(T, V) = U(T0, V 0 ) + f (C v dT + ( - P + T ( | | ) ) dV) . z„
(A 4.25)
Wählt man als speziellen Integrationsweg die Geradenstücke T 0 = const, V 0 < V' < V und V = const, T 0 < T' < T, so folgt daraus T
U(T, V) = U(T0, V 0 ) + / C V (T', V) dT' + T0
+ 7 [ - P(T 0 , V') + To ( # ) „ , ] dV . 3T v0 ° v
(A 4.26)
Nach dieser Formel kann die innere Energie eines beliebigen Gleichgewichtszustandes Z berechnet werden, wenn die kalorische und die thermische Zustandsgieichung des Systems (17) bzw. (4) bekannt sind! Die bisher verwendeten Formulierungen des Ersten Hauptsatzes der Thermodynamik (1) und (2) eignen sich wegen (3) und (20) besonders gut, um isotherme oder isochore
A 4 Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen
27
Zustandsänderungen des Systems zu beschreiben. Will man aber z. B. isobare Zustandsänderungen beschreiben, so erscheint es zweckmäßig, anstelle von T, V neue unabhängige Variable, etwa T, P einzuführen. Dies ist am einfachsten durch eine LegendreTransformation der Beziehung (2) möglich. Setzt man (3) in (2) ein und addiert auf beiden Seiten das Differential d(PV), so erhält man die Beziehung •
dH = aQ - dA t
(A 4,27)
üA t = - VdP
(A 4.28)
mit
und der „Wärmefunktion" oder Enthalpie des Systems •
H = U + PV.
(A 4.29)
Die Größe A t heißt „technische Arbeit".* Sie spielt in der Technischen Thermodynamik bei der Untersuchung von stationär arbeitenden offenen Systemen (Kompressoren, Kolbenmotoren, Turbinen) eine wichtige Rolle [114, 120]. Sie wird durch (28) definiert und ist ebenso wie die Arbeit keine Zustandsgröße des Systems! In (28) wird das Volumen als Funktion des Druckes, der Temperatur und der Komponentenmassen aufgefaßt V = V(T, P, m j ... m n ) . (A4.30) Dies ist eine weitere Form der thermischen Zustandsgieichung des Systems. Sie ist thermodynamisch (aber nicht imbedingt mathematisch) äquivalent mit (4). Die Enthalpie des Systems, definiert durch (29), ist nach (1) und (30) eine eindeutige Funktion der Temperatur, des Druckes und der Komponentenmassen: •
H = H(T, P, m t ... m n ) .
(A4.31)
Diese Beziehung ist eine weitere Form der kalorischen Zustandsgieichung des Systems. Damit kann der Erste Hauptsatz auch in folgender Weise formuliert werden: „Jedes einfache thermodynamische System besitzt in jedem Gleichgewichtszustand eine extensive Zustandsgröße: die Enthalpie (H)". Sie ist die Summe aus der inneren Energie und dem Produkt aus Druck und Volumen des Systems. Sie ist eine eindeutige Funktion der Temperatur, des Druckes und der Massen der einzelnen Komponenten des Systems.
*
Die Wahl des Vorzeichens in (28) wird plausibel, wenn man den Expansionsvorgang (P, V) -»• (P — dP, V + dV) eines Gases in einem PV-Diagramm betrachtet.
28
A 4 Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen
Die Enthalpie nimmt nach (27) zu, wenn dem System Wärme zugeführt wird, sie nimmt ab, wenn das System technische Arbeit an seine Umgebung abgibt. Wir bilden nun das totale Differential von (31) dH
= #)p,
m
d T +
(i)T,mdP>
m^const,
i = 1 ... n , (A 4.32)
und setzen es in (27) ein. Dann folgt zunächst für isobare Zustandsänderungen (dP = 0) mit (28) und der dann geltenden Relation aQ = CpdT ,
P = const
(A 4.33)
die Aussage ( f f ) p , m = Cp.
(A 4 . 3 4 )
Die Größe C P ist die Wärmekapazität des Systems bei konstantem Druck. Die Beziehung C P = C P (P, T, m t ... m n ) (A 4.35) ist eine weitere Form der kalorischen Zustandsgieichung des Systems. Diese Form ist nicht unabhängig von (17); vielmehr kann sie daraus und aus (30) mit Hilfe einer allgemeinen thermodynamischen Beziehung berechnet werden. (Vgl. [11, S. 133].) Ferner kann aus (27), (28) und (32) mit Hilfe des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik geschlossen werden, daß für die Druckabhängigkeit der Enthalpie gilt:
(f)T
> m
=
V
-
T
^)p,
m
-
(A436>
Setzt man umgekehrt (32), (28), (34) und (36) in (27) ein, so erhält man für das Wärmedifferential den Ausdruck dQ = C p d T - T ( P ) p m d P .
(A 4.37)
Diese Relation gilt analog zu (20) für quasistatisch reversibel oder auch irreversibel erfolgenden Wärmeaustausch zwischen Systemen und Umgebung (vgl. Fußnote auf S. 25). Der erste Term auf der rechten Seite von (37) ist jener Anteil einer zugeführten differentiellen Wärmemenge, welcher zur isobaren Temperaturerhöhung verwendet wird. Der zweite Anteil ist die Wärme, die zur isothermen Druckänderung im System verbraucht wird. Der Differentialquotient (3V/9T)p >ra ist meistens positiv. (Ausnahme: H 2 0 , 0—4 °C.) Ein fluides Mehrstoffsystem gibt also bei isothermer Kompression nach (37) im allgemeinen Wärme an seine Umgebung ab.
A 4 Der Eiste Hauptsatz für geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen
29
Die bei einer infinitensimalen quasistatischen Zustandsänderung vom System an seine Umgebung abgegebene Arbeit ist nach (3) und (30) dA = P d V = P ( ( g ) p m d T
+
(f)T>mdP)
= PV(a P dT — K T dP).
(A 4.38)
Hierbei bedeuten ap=ap(T,P) = i ( ^ ) P > m ,
(A 4.39)
k t = k t ( T , P) = - ^ ( | ^ ) T > m ,
(A 4.40)
den isobaren thermischen Expansionskoeffizienten und die isotherme Kompressibilität des Systems. Beide Koeffizienten können entweder direkt gemessen oder aus der Zustandsgleichung (30) berechnet werden. Bei einer endlichen Zustandsänderung Z 0 (P 0 , T 0 ) Z(P, T) tauscht das System mit seiner Umgebung die Arbeit z A = i PV(P, T ) ( a p d T - / c T d P ) Zo
(A4.41)
aus. Der Wert dieses Kurvenintegrals hängt außer von Z 0 und Z vom Verlauf des ganzen Integrationsweges zwischen Z 0 und Z ab! Abschließend sei noch auf eine Meß- bzw. Rechenvorschrift für die Enthalpie hingewiesen. Setzt man (34) und (36) in (32) ein und integriert zwischen Z 0 (P 0 , T 0 ) und Z(P, T) auf beliebigem Wege, z. B. längs der Geradenstiicke P 0 = const, T 0 < T' < T und T = const, P 0 < P' < P, so erhält man: H(P, T) = H(T 0 , P 0 ) + J C P (P 0 , T') dT' + T0
+ / (V(T, P') - T ( | | ) p , m ) dP'. Po
(A 4.42)
Nach dieser Formel kann die Enthalpie eines beliebigen Gleichgewichts-Zustandes berechnet werden, wenn die kalorische und die thermische Zustandsgieichung des Systems (34) bzw. (30) bekannt sind.
A 5 Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen
Nun wollen wir den Ersten Hauptsatz der Thermostatik (A 3.1) bzw. (A 3.2) für quasistatische Vorgänge in einfachen, geschlossenen und fluiden Mehrstoffsystemen mit chemischen Reaktionen diskutieren. Die innere Energie U eines solchen Systems ist nach (A 3.1) eine eindeutige Funktion der Temperatur T, des Volumens V und der nunmehr veränderlichen Massen mj, i = 1 ... n der einzelnen Komponenten des Systems: U = U(T, V, m j ... m n ) . (A 5.1) Da das System geschlossen ist, gilt für das Differential der inneren Energie nach(A 3.2) (A 5.2)
dU = dQ - aA .
Die innere Energie des Systems nimmt bei Wärmezufuhr zu und bei Arbeitsleistung an der Umgebung ab. Kann das System mit seiner Umgebung weder Arbeit noch Wärme austauschen, z. B. weil es isochor — adiabatisch isoliert ist, so bleibt seine innere Energie konstant, auch wenn in seinem Inneren chemische Reaktionen ablaufen. Bei diesen wird nur potentielle Energie der Moleküle und Atome des Systems in kinetische Energie und umgekehrt verwandelt. Die Summe dieser Energien bleibt aber konstant!* * Läuft in einem isolierten Mehrstoffsystem eine chemische Reaktion ab, so ändert sich im allgemeinen die Temperatur des Systems, gerade weil seine innere Energie konstant bleibt. Aus dem Ersten Hauptsatz (2) für isolierte Systeme dU = 0 folgt mit (1) und der Bedingung V = const
mf := (m t ... mj_j, m j + i . . . m n ) ,
i = 1... n .
Für die Massenänderungen dmj gilt nun dmj = f j d \ ,
i = 1 ... n .
Hier bedeuten i>j, i = 1 ... n die „stöchiometrischen Koeffizienten" und dX ein Differential des „Umsatzes" der chemischen Reaktion (vgl. A 13.3). Setzt man diese Beziehungen in den Ersten Hauptsatz ein, so folgt mit (9U/9T) V m = Cy die Beziehung dT =
1 " 3U » C V ¡=i ^m^T.V.miü
1 dx. vt
Aus ihr ist unmittelbar zu ersehen, daß zu jedem infinitesimalen Massenumsatz (dX entsprechende Temperaturänderung dT des Systems gehört.
0) eine
A 5 Der Erste Hauptsatz fiir geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen
31
Die chemischen Reaktionen können allerdings, und sind es auch häufig, die Ursachen für einen Arbeits- und Wärmeaustausch zwischen System und Umgebung sein. In diesem Fall ändert sich auch die innere Energie um die in (2) angegebenen Beträge. Das System kann nun nach den oben gemachten Voraussetzungen Arbeit nur in Form von Volumenänderungsarbeit und nicht in anderen Formen, z. B. elektrischer Arbeit, mit seiner Umgebung austauschen. Somit gilt für das Arbeitsdifferential analog zu (A 4.3): SA = PdV. (A 5.3) Für das Wärmedifferential dQ in (2) läßt sich ein Differentialausdruck in den Variablen T, V, mj, i = 1 ... n nicht unmittelbar angeben. Man kann aber einen solchen aus dem Ersten Hauptsatz (2) in folgender Weise ableiten: Wir betrachten zunächst das totale Differential von (1)*:
dU
= (frVm
dT
+ (§\,
m
1=1
( | ^ T1 , v , m f
d
c
.
(A 5.4)
Für die einzelnen Differentialquotienten gelten nun folgende Relationen: (|^)v>m
= Cy(T, V, m t ... m n ) ,
Ox.m
=
T
| k
m
-
p
>
(A5.5)
Die Beziehungen (5) und (6) sind identisch mit den Gleichungen (A 4.16), (A 4.19) des vorhergehenden Abschnittes. Die Beziehung (7) macht eine Aussage über die Differentialquotienten (3U/dmi) T) v,m*- Diese Größen geben formal an, um wieviel sich die innere Energie des (sehr groß gedachten) Systems ändert, wenn sich in ihm durch chemische Reaktionen bei konstanter Temperatur und Volumen eine Masseneinheit der Komponente i gebildet hat. Sie enthalten in thermodynamischer Hinsicht die „chemischen Zustandsgieichungen" des Systems. Mit Hilfe des in einem folgenden Abschnitt noch zu besprechenden Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik kann man zeigen, daß diese Differentialquotienten mit den von J. W. Gibbs eingeführten *
Das Symbol m* bedeutet: Gesamtheit der Massen mj, j = 1, 2,... i — 1, i + 1... n. Der Index „c" am Differential d c m j soll andeuten, daß diese Massenänderungen durch chemische Reaktionen, und nicht durch Massenzufuhr, bedingt werden. Da Masse weder erzeugt noch vernichtet werden kann, gilt bei chemischen Reaktionen in geschlossenen Systemen für die Massendiffen rentiale: 2 d c m; = 0. i=l
32
AS Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen
„chemischen Potentialen" n t , i = 1 ... n des Systems gemäß (7) zusammenhängen. (Vgl. (A 10.3-4).) Unter einem chemischen Potential /Uj wollen wir hierbei zunächst rein phänomenologisch eine Art „chemischen Druck" verstehen, der jeder einzelnen Komponente zugeordnet werden kann [3, S. 78]. Diese Deutung stützt sich auf den Umstand, daß thermodynamische Systeme mit verschiedenen chemischen Potentialen bei gegenseitiger Berührung Masse austauschen. Diese Erscheinung ist ganz analog zu der, daß Systeme, die unter verschiedenem Druck stehen, bei geeignetem Kontakt mechanische Arbeit austauschen. Bezüglich einer genauen Definition und weiterer Interpretationen des chemischen Potentials sei der Leser auf Kap. A 12.5 verwiesen. Setzt man nun (5), (6) in die Differentialform (4) ein, so erhält man die Beziehung
dU = C v d T + ( T ( | | ) v
- P ) dV +
m
dc m,.
(A 5.8)
Wir wollen sie zunächst unter Beachtung von (7) zwischen zwei Zuständen Z 0 (T 0 , V 0 , m 1 0 ... m n 0 ), Z(T, V, m j ... m n ) mit Ej m i 0 = 2; m; = m 0 integrieren. Man erhält so die folgende Darstellung der inneren Energie eines geschlossenen fluiden Mehrstoffsystems mit chemischen Reaktionen: U(T, V, m t ... m n ) = U(T 0 , V 0 , m 1 0 ... m n 0 ) + n-l
mj
3/jj
+ z ; [ M j ( - ) - 0T1 0 (v j Ä . - G a - ) j=l mjo 0 ' ÖMn
,
V
3P
»0 T
- P(T0, V', m, ... m n )] dV + / Cv(V, T', m i ... m n ) dT', (A 5.9) T„
(—) = T 0 , V 0 , m j ... mj_ 1) mj, m j + 1 ) 0 ... m n j , j-i
n-l
n ^ •'= m0— 2 m k - mj 2 mk0 . k=l k=j + l Aus dieser Beziehung kann die innere Energie eines beliebigen Zustandes Z berechnet werden, wenn die thermische, die kalorische und die chemischen Zustandsgieichungen des Systems bekannt sind. Die erste Integralsumme beschreibt die Änderung der inneren Energie infolge isothermer und isochorer Massenumwandlungen. Das zweite Integral ist der Zuwachs an innerer Energie infolge der bei konstanten Massen und Temperatur erfolgenden Volumenänderung V 0 -* V. Das letzte Integral beschreibt die Energie-
A 5 Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen
33
änderung des Systems bei isochorer Erwärmung. Man erkennt ferner aus (9) bzw. (8), daß man durch partielles Ableiten der Funktion U = U(T, V, m j ... m n ) zwar die kalorische Zustandsgieichung C v = Cy(T, V,... mj...), nicht aber die thermische bzw. die chemischen Zustandsgieichungen P = P(T, V,... rri;...) bzw. fi{ = Mi(T, V,... m k ...), i = 1 ... n gewinnen kann. Für letztere erhält man gemäß (6) und (7) nur partielle Differentialgleichungen, bei deren Integration noch willkürliche Funktionen auftreten, die nur aus der Entropiefunktion S = S(T, V, nij ... m n ) des Systems bestimmt werden können. Aus der Differentialform (8) für die innere Energie kann man nun über den Ersten Hauptsatz (2) und das Arbeitsdifferential (3) einen Ausdruck für das Wärmedifferential gewinnen: dQ = C v dT + T ( | | ) V ) m dV +
( ^ ) T > V ; m . dc m , .
(A 5.10)
Die ersten beiden Terme sind die Anteile der zugeführten Wärme, die bei gehemmten chemischen Reaktionen (mj = const, i = 1 ... n) zur Temperaturerhöhung bzw. Volumenveränderung des Systems benützt werden. Der letzte Ausdruck beschreibt die Wärme, die bei isotherm und isochor ablaufenden chemischen Reaktionen — z. B. in einer Berthelot'schen Bombe — als „Wärmetönung" zwischen System und Umgebung ausgetauscht wird. Wir wollen nun noch einige Bemerkungen zur Interpretation der Differentialterme (3U/3m;)x> v m * bzw. der nach (7) mit ihnen gleichwertigen Ausdrücke (juj — T(9jUj/3T) v>m ) machen. Vergleicht man die Differentialformen (8) und (10) miteinander, so erkennt man, daß der letzte Summenterm auf der rechten Seite von (8) als Wärmeanteil (und nicht als Arbeitsanteil) zu interpretieren ist. Dies ist deswegen der Fall, weil das hier betrachtete System entsprechend den oben getroffenen Voraussetzungen nur Volumenänderungsarbeit mit seiner Umgebung austauschen kann. Mathematisch bedeutet dies: das Arbeitsdifferential enthält nur einen Term mit V, aber keine Terme mit den Massendifferentialen d c m i ; die grundsätzlich auch auftreten könnten! Tatsächlich gibt es Systeme, bei denen dies der Fall ist. Es sind Systeme, die mit ihrer Umgebung nicht nur mechanische, sondern auch andere Arten von Arbeiten — z. B. elektrische Arbeit — austauschen können. Dieser Arbeitsaustausch kann durch chemische Reaktionen im System verursacht werden. Ein einfaches Beispiel für ein solches System ist das Daniell-Element [19, S. 43; 3, S. 74], Bei ihm wird die bei der Reaktion Z n + CuS0 4 Z n S 0 4 + Cu freiwerdende Energie nicht als Wärmetönung, sondern als elektrische Arbeit an seine Umgebung abgegeben. Bei diesem System können also die Terme (9U/9nij) x v d c m; nicht mehr dem Wärmedifferential zugeschlagen werden. Vielmehr enthalten sie sowohl die elektrische Arbeit als auch eine gewisse Wärme, die bei der (isotherm und isochor ablaufenden) Reaktion zwischen dem Element und seiner Umgebung ausgetauscht werden. Wir wollen nun noch die Formulierung des Ersten Hauptsatzes der Thermostatik für quasistatische Vorgänge in geschlossenen Systemen mit chemischen Reaktionen in den
34
A S Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen
unabhängigen Variablen P, T, m^ i = 1 ... n anführen. Addiert man auf beiden Seiten von (2) das totale Differential d(PV), so erhält man die Beziehung dH = dQ — d A t .
(A 5.11)
Hier bedeutet dA t = — VdP
(A 5.12)
das Differential der „Technischen Arbeit". Das Volumen kann dabei als Funktion der Temperatur, des Druckes und der Komponentenmassen aufgefaßt werden: V = V(T, P, m, ... m n ) .
(A5.13)
Die Größe H heißt „Wärmefunktion" oder Enthalpie des Systems. Sie ist definiert durch die Beziehung H = U + PV.
(A 5.14)
Sie ist nach (1) und (13) eine eindeutige Funktion der Temperatur, des Druckes und der Komponentenmassen des Systems: H = H(T, P, m j ... m n ) .
(A5.15)
Das totale Differential dieser Funktion lautet
dH
= (f)p,m
dT
+ ( f ) T , m dP + l
(||)t,p,
m?
dc m i •
(A 5.16)
Für die einzelnen Differentialquotienten gilt nun ( f f V m =CP(T,P,m1 ...mn),
^ T , P , m j = hi(T> P '
m
l -
m
(A 5.17)
( A 5.:19)
n> '
m = (m t ... m n ) m
i* = ( m i - n>i-i» m i + i - H i n ) >
i = 1 ... n .
A 5 Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen
35
Die Beziehungen (17) und (18) sind identisch mit (A 4.34) und (A 4.36). Die Beziehungen (19) sind einerseits die Definitionsgleichungen für die Größen hj, i = 1 ... n die nach Lewis und Randall als „partielle spezifische Enthalpien" bezeichnet werden. Andererseits sind sie wieder Folgerungen aus dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik bzw. aus einer „Maxwell-Relation" des Systems (vgl. A 10.4). Setzt man ( 1 7 ) - ( l 9) in (16) ein und integriert zwischen zwei Zuständen Z 0 (T 0 , P 0 , m i 0 ) und Z(T, P, mj) mit n
n
m,) = 2 m i 0 = 2 mi5 so erhält man folgende Darstellung für die Enthalpie: i—1 i— 1
H(T,P)mi) = Ho(T0)P0)mi0) + 1,-1
m
+ 2 / i=imj0
i
9/ij
9m„
[ M j ( - ) - T 0 ( ^0 ) M - M n ( - ) + T 0 (äT 0! L ) ( _ ) ]dmj +
+ / (V(T 0 , P', m t ... m n ) - T 0 ( J ^ ) p , u P
dP' +
0 T
+ / Cp(T', P, m x ... m n ) d T ' , (—)
j-l m
nj
(A 5.20)
T„ = T 0 , P 0 , m t ... mj_ 1 ; mj, m j ' + 1 0 ... m n j ,
:= m
0
—
2
k=l
n-l m
k ~
m
j
—
2
m
k=j+l
k0 •
Setzt man (16) mit (17)— m ) d c m , .
(A 5.21)
Führt man einem System Wärme zu, so wird ein Teil bei zunächst gehemmten chemischen Reaktionen zur Temperatur- bzw. Druckänderung verwendet. Der Rest wird bei isotherm und isobar erfolgenden Massenänderungen infolge chemischer Reaktionen verbraucht.
36
A 5 Der Erste Hauptsatz für geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen
Bei einer infinitesimalen quasistatischen Zustandsänderung gibt das System an seine Umgebung die Arbeit
dA = PdV = P ( ( | ^ ) p > m d l + ( f ) T n
dP + j
m
i
( ^ ) T , P > m . dc
mi)
v
= PV(a P dT — K x dP + 2 ^ d c m,). i=l v
(A 5.22)
ab. Die Koeffizienten a und k sind bereits durch (A 4.39) und (A 4.40) definiert worden. Die Größen Vj sind die „partiellen spezifischen Volumina" des Systems. Sie werden definiert durch v,(T, p, 71 - 7n) = ( ^ T . p . m * .
i= 1- n ,
(A 5.23)
und hängen als homogene Funktionen Nullter Ordnung nicht mehr von den Massen mj der einzelnen Komponenten, sondern nunmehr von den Massenkonzentrationen 7i, i = 1 ... n ab. Im übrigen folgt aus der Extensivitätseigenschaft des Volumens, d. h. aus der Funktionalgleichung V(P, T,... km;...) = kV(P, T,... m,...) durch Differentiation nach k für k = 1 die Beziehung n
V = 2 Vi m i . i—1
(A 5.24)
A 6 Bemerkungen zum Ersten Hauptsatz für offene Systeme ohne chemische Reaktionen
In diesem Kapitel wollen wir einige Bemerkungen zur Formulierung des Ersten Hauptsatzes der Thermostatik für einfache offene Systeme machen*. Bei solchen Systemen tritt die grundsätzliche Schwierigkeit auf, daß zunächst der Begriff der „zugeführten Wärme" nicht eindeutig festgelegt ist. Offene Systeme können nämlich, im Gegensatz zu den geschlossenen Systemen, Wärme nicht nur durch Wärmeleitung durch die Systemgrenze, sondern auch konvektiv durch Massenzufuhr bzw. Abfluß mit ihrer Umgebung austauschen. Da nun die „Wärme" bzw. der „Wärmeinhalt" keine Zustandsgröße eines thermodynamischen Systems ist, kann man dieser zuströmenden bzw. abfließenden Masse keine eindeutige „Wärmemenge" zuordnen. Damit ist auch offen, welche „Wärme" dem System gleichzeitig mit der Masse zugeführt wird. Andererseits zeigt die Erfahrung, daß sich die Temperatur eines thermodynamischen Systems erhöht bzw. erniedrigt, wenn man dem System sehr heiße bzw. sehr kalte Masse zuführt. Dieser Effekt, nämlich die gleichzeitige Änderung von Masse und Temperatur des Systems, kann auch dadurch erzielt werden, daß man dem System zunächst Masse gleicher chemischer Zusammensetzung isotherm und isobar zuführt. Dabei ändern sich nur die Masse und die übrigen Extensivparameter des Systems, nicht aber dessen Temperatur. Sodann schließt man das System ab und sorgt dafür, daß es über seine Begrenzungsfläche Wärme und Arbeit mit seiner Umgebung austauschen kann, bis es seinen Endzustand erreicht hat. Die thermodynamische Äquivalenz beider Arten von Zustandsänderungen zeigt, daß es physikalisch sinnvoll ist, vom Wärmeaustausch zu sprechen, der durch den Massenaustausch bedingt wird und gleichzeitig mit ihm erfolgt. Es wäre daher wünschenswert, etwa für infinitesimale quasistatische Zustandsänderungen einen Differentialausdruck für diesen Wärmeaustausch zu kennen. Ein solcher kann nun aus dem Ersten Hauptsatz der Thermostatik in seiner Differentialform (A 3.2) abgeleitet werden. Auf diese grundsätzliche Möglichkeit ist wohl zum ersten Mal von C. Caratheodory und später insbesondere von R. Haase in [33, S. 20] hingewiesen worden. Eine ähnliche Schwierigkeit tritt übrigens auch bei der Erklärung des Arbeitsbegriffes für offene Systeme auf. Wir werden dazu im folgenden noch Stellung nehmen. Nunmehr wollen wir aber versuchen, den Ersten Hauptsatz für inerte offene Systeme zu formulieren. Wir betrachten ein Gefäß, in dem sich ein fluides Mehrstoffsystem befindet, welches mit seiner Umgebung mechanische Arbeit, Wärme und Masse austauschen kann. Im System mögen aber zunächst keine chemischen Reaktionen auftreten. Der Arbeitsaustausch erfolge durch einen zur Systemhülle gehörenden verschiebbaren Kolben. Der Wärmeaustausch sei einerseits durch Wärmeleitung durch die Gefaßwände, anderer* Wir beschränken uns hier auf die Untersuchung quasistatischer Prozesse (vgl. Kap. A 9). Die Formulierung des Eisten Hauptsatzes für Vorgänge, die mit endlicher Geschwindigkeit ablaufen, wird in Kapitel A 8 bzw. D, Bd2 angegeben werden.
38
A 6 Bemerkungen zum Ersten Hauptsatz für offene Systeme ohne chemische Reaktionen
seits konvektiv durch Massenzufuhr bzw. Abfuhr möglich- Letztere erfolge durch eine gewisse Anzahl von Öffnungen 0 (a >, a = 1, 2, 3 ... A am Gefäß, durch welche dem System über Rohrleitungen fluide Stoffgemische zugeführt (oder auch zugetropft) werden können. Die Öffnungen selbst können noch mit Drosseln oder semipermeablen Wänden versehen sein, wodurch Druck- bzw. Konzentrationsgefälle auf- oder abgebaut werden können. Die Gemische mögen die Massenkonzentration 7 ^ , i = 1 ... n, a = 1, 2, 3 ... A, die Drücke Temperaturen T ^ , spezifischen Volumina v ^ , spezifischen inneren Energien u ^ und spezifischen Enthalpien h ^ besitzen. Alle diese Größen spielen die Rolle von „äußeren Parametern" die willkürlich vorgegeben werden können. Im übrigen zählen wir die Massen positiv, wenn sie dem System zugeführt werden, negativ, wenn sie vom System an die Umgebung abfließen. Dem System mögen nun bei einer infinitesimalen quasistatischen Zustandsänderung durch die einzelnen Öffnungen die Massenelemente d m ^ zugeführt werden. Diese Elemente enthalten jeweils die Massen d m , ^ der Komponente i des Systems. Es gilt also n d m ^ = 2 dm[ a ) , i=l
a = 1 ... A .
(A 6.1)
Für die gesamte, bei dieser Zustandsänderung erfolgenden Änderung dm; der Masse der Komponente i des Systems gilt:
dm; = 2
dm[ a ) ,
i = 1 ... n .
(A 6.2)
Q=1
Ferner gilt nach Definition der Massenkonzentrationen 7 ^ dm}"0 = 7? 0 dm,
i = 1 ... n ,
a=l,2,3...A.
(A63)
Das System selbst möge das Volumen V, die innere Energie U, die Temperatur T, den Druck P und die chemischen Potentiale JUJ besitzen. Die innere Energie des Systems ist eine Zustandsgröße und hängt nur von der Temperatur, dem Volumen und den Massen der einzelnen Komponenten ab: U = U(T, V, m t ... m n ) .
(A 6.4)
Bei einer infinitesimalen quasistatischen Zustandsänderung, bei welcher das System von einem Gleichgewichtszustand mit den Parametern (T, V, m, ... m n ) in einen be-
A 6 Bemerkungen zum Ersten Hauptsatz für offene Systeme ohne chemische Reaktionen
39
U« V1"1^.1«1 jla) pW (o)
Abb. A 1 Offenes thermodynamisches Mehrstoffsystem.
nachbarten Gleichgewichtszustand (T + dT, V 4- dV, m j + dnij ... m n + d m n ) übergeht, ändert sich die innere Energie des Systems um die Größe*
dU
= Ov,m « + (i>T,m + l
(^T.V.mJ ^
*
Für die partiellen Ableitungen der inneren Energie nach den Variablen T, V, m^ i = 1 ... n gelten wie im vorhergehenden Abschnitt die Beziehungen
Ov.« =Cv> Ot.« =-P+TOv,m' *
(A 66)
Das Symbol „ m " an Differentialquotienten bedeutet im folgenden stets die Gesamtheit der Komponentenmassen: m = (mi, m 2 ... m n ). Das Symbol „mj i = 1... n bedeutet die Komplementärmenge zu m^m* = (mi ... mj_i, m ; + 1 . . . m n ). Die gesamte Masse des Systems wird n mit rao = £ mj bezeichnet i=l
(A
6 5
" >
40
A 6 Bemerkungen zum Ersten Hauptsatz für offene Systeme ohne chemische Reaktionen
Die Relation (6) ist eine Folgerung aus der Differentialform (A 3.2) und (5) für den Fall eines geschlossenen und isochoren Systems (dA = 0, dU m = 0). Die Beziehungen (7) und (8) sind Maxwell-Relationen. Sie werden im Zusammenhang mit dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik im Kapitel (A 10.1) begründet werden. Neben der Existenzaussage (4) gilt nun noch die differentielle Formulierung des Ersten Hauptsatzes (A 3.2), die wir zunächst nur formal anschreiben: dU = dQ - ÜA + a u m .
(A 6.9)
Eine rein qualitative Interpretation dieser Beziehung ist bereits in Kap. A 3 angegeben worden. Wir wollen nun darangehen, die einzelnen Differentiale in (9) für das in Abb. A 1 dargestellte System noch genauer zu diskutieren. Wir beginnen mit dem Arbeitsdifferential dA.'Darunter ist die gesamte mechanische Arbeit zu verstehen, die das System bei einer initesimalen Verrückung des Kolbens (dV) und Massenzufuhr ( d m ^ , a = 1 ... A) mit seiner Umgebung austauscht. Diese ist offenbar: A
•
dA = PdV — 2 P dm.
(A 6.19)
a=l
Dies ist derjenige Anteil der zugeführten Wärme, welcher nicht eine Temperatur- oder Volumenänderung, sondern einen isotherm und isochor erfolgenden Massenaustausch zwischen Systemen und Umgebung hervorruft. Dabei wird dem System einerseits konA
vektiv der Energiebetrag 3U m nach (12), andererseits die Einschubarbeiten 2 P ^ v ^ a=l
d m ^ zugeführt. Diese Energien werden zusammen mit dQ m als innere Energie im System gespeichert. Dies erkennt man, wenn man (19) unter Verwendung von (8) in folgender Form schreibt: A
dQ m + d U m + 2 P ( a ) v(a> dm = > 1
dm; = (dU) TV .
(A 6.20)
Es ist nun nützlich, einige Spezialfälle der Darstellung (13) des Wärmedifferentials zu betrachten. Dazu ist zunächst festzustellen, daß diese Darstellung die Wärmedifferentiale für geschlossene Systeme mit bzw. ohne chemische Reaktionen enthält: (13) geht nämlich mit dm(a> = 0, a = 1, 2, 3 ... A und ( 6 - 8 ) in (A 4.20) bzw. (A 5.10) über. Für
A 6 . 1 Diskussion des Wärmedifferentials
43
offene Systeme scheinen die folgenden speziellen Zustandsänderungen von besonderem Interesse zu sein: 1. Alle zu- und abgeführten Massen mögen denselben Druck, gleiche Temperaturen und gleiche Konzentrationen wie die Materie im Inneren des Systems besitzen. Es gilt also: p(a) =
T (a) = T >
F)
7 (a)
=
(A6.21)
7i)
a = 1 ... A , i = 1 ... n . Dann lautet (13) wegen ( l ) - ( 3 ) : aQ = C v d T + T ( | | ) V m d V +
+ l
{Mi" T ( ^ ) m >
y
- h(T, P,
... 7 „ ) } dm;.
(A 6.22)
Mit Hilfe der Eulerschen Relation für die innere Energie [172, Bd. 1, S. 392]*
1
^T,v,
m
?
dm
i + (i>T,m
dV
=
udm
o
( A 6-23)
und (7) folgt aus (22): aQ = C v d T + T ( | | ) v
m
(dV - vdm 0 )..
(A 6.24)
Hierbei ist: n
dm 0 = 2 dmj
(A 6.25)
i= l
das Differential der gesamten Masse und v = V/m 0 das spezifische Volumen des Systems. Bei dieser Art von Massenzufuhr bzw. Abfuhr kann also das Wärmediffe*
Aus der Extensivitätseigenschaft der inneren Energie: U(T, \V, Xmj ... \ m n ) = \U(T, V, m j ... m n ) folgt nach Differentiation nach \ für \ = 1: n V(3U/3V)m.T+ X miOU/dmi^v.mi = U .
i—1
Betrachtet man nun anstelle des Systems nur ein Massenelement, setzt also V U dU = udmo, so erhält man aus dieser Beziehung die Gleichung (23)!
dV, m,
dmj,
44
A 6 Bemerkungen zum Ersten Hauptsatz für offene Systeme ohne chemische Reaktionen
rential im Gegensatz zu (13) durch die Differentiale der Temperatur, des Volumens und der gesamten Masse des Systems ausgedrückt werden. Erfolgt speziell die Massenzufuhr isotherm, isobar und mit gleichbleibenden Massenkonzentrationen 7j, i = 1 ... n, so gilt: dT = 0 , dP = 0
(A 6.26)
dV = vdm .
(A 6.27)
und
In diesem Falle ändert sich das Systemvolumen gerade um den Betrag, der dem Massenzuwachs entspricht. Nach (24) gilt in diesem Spezialfall mit (26), (27): aQ = 0 .
(A 6.28)
Führt man einem fluiden Mehrstoffsystem quasistatisch Masse gleichen Druckes, Temperatur und Zusammensetzung isotherm und isobar zu, so tauscht das System dabei durch seine Wände keine Wärme aus. Die mit der Massenzufuhr verknüpfte Einschubarbeit wird unmittelbar als mechanische Arbeit wieder an die Umgebung des Systems abgegeben. Dieses plausible Ergebnis kann als weiterer Hinweis dafür angesehen werden, daß die Definition des Wärmedifferentials nach (13) thermodynamisch vernünftig zu sein scheint. 2. Für ein Einstoffsystem (n = 1, m 0 = m) gibt (24) speziell die Wärme an, die ein reiner Stoff bei Änderung seiner Temperatur und seines Volumens und bei Zufuhr (dm > 0) von Masse gleichen Druckes und gleicher Temperatur mit seiner Umgebung austauscht. Für isotherme und isochore Zustandsänderungen (dT = 0, dV = 0) gilt insbesondere aQ = - T v ( | | ) V m d m . Dieser Ausdruck läßt sich mit dem thermischen Spannungskoeffizienten
in folgender Form schreiben: aQ = - y
ßdm.
(A 6.29)
Diese Beziehung besagt: Ein offenes Einstoffsystem gibt bei isothermer und isochorer Zufuhr von Massen gleichen Druckes und gleicher Temperatur um so mehr
A 6 . 1 Diskussion des Wärmedifferentials
45
Wärme an seine Umgebung ab, je geringer seine Dichte und je größer sein Druck, seine Temperatur und sein thermischer Spannungskoeffizient sind. Ist dieser aber negativ, kühlt sich also das System bei Druckerhöhung ab, so fließt infolge der Massenaufnahme (und der dadurch bedingten Druckzunahme) zur Wahrung der Isothermie dem System Wärme aus seiner Umgebung zu. 3. Die quasistatisch stationäre Zustandsänderung Wir bezeichnen im folgenden eine infinitesimale quasistatische Zustandsänderung eines offenen Systems als stationär, wenn ihm von außen an Masse einer beliebigen Komponente (i) genausoviel zugeführt, wie abgeführt wird. Bei solchen Zustandsänderungen bleibt die Masse aller einzelnen Komponenten konstant. Es gilt also: A
dmj = 2 a=l
dm(a> = 0 ,
i = 1 ... n .
(A 6.30)
Die Wärme, die das System bei einer stationären Zustandsänderung mit seiner Umgebung austauscht, ist nach (13), (30) und (2) d V - 2 h( dm (o,) .
ÜQ = C v dT +
(A6.31)
Dieser Ausdruck ist im Gegensatz zu (13) von den chemischen Potentialen des Systems unabhängig. Wir wollen ihn noch speziell für isochore Systeme mit adiabatisch isolierten Wänden betrachten. Bei solchen Systemen tritt bei einer quasistatisch stationären Zustandsänderung stets eine Änderung der Temperatur auf. Nach (31) gilt mit dQ = 0, d V = 0: 1 A dT = pf- 2 h ( a ) dm fa >. W a= 1
(A6.32)
Diese Änderung ist proportional dem Nettogewinn an Enthalpie und indirekt proportional zur isochoren Wärmekapazität des Systems. Es ist lehrreich, das Ergebnis (32) noch für ein spezielles offenes System, die Drossel [11, S. 82, 16, S. 104], zu diskutieren. Diese besteht aus einem porösen Stoff, z. B. einem Wattepropfen oder gefrittetem Glas, welches in einer Rohrleitung fixiert wird. Durch die Rohrleitung werde ein fluides Stoffgemisch gepreßt. Dieses ändert beim Passieren der Drossel im allgemeinen seinen Druck und seine Temperatur (Joule-Thomson-Effekt). Die Stationaritälsbedingung (30) liefert mit (2) und a = 1, 2 die Aussage dmp } + dm[2) = 0 ,
i = 1 ... n .
(A 6.33)
46
A 6 Bemerkungen zum Ersten Hauptsatz für offene Systeme ohne chemische Reaktionen l.V.m,
= = = = =
Adiabate Isolierung
Abb. A 2 Die Drossel.
Nach Summation über alle Komponenten (i) folgt daraus dm*1) + dm = 0 , oder
(A 6.34) dm*1* = - dm ( 2 ) = d m .
Aus (3), (33) und (34) folgt ferner 7f»>
= 7p>,
i = 1 ... n .
(A 6.35)
Die Massenkonzentrationen des ein- und austretenden Stoffstromes sind einander gleich. Man kann ferner zeigen, daß auch die (spezifischen) Enthalpien der einbzw. austretenden Materie einander gleich sind (vgl. [11, S. 83]): hCK»), P « , 7, ... 7n) = h(T (2) , J*2\ 7 l ... 7n) •
Mit dieser Bedingung und (34) folgt aus (32): dT =
[h(T ( 1 ) ...) - h(T (2 >...)] dm = 0 .
(A 6.36)
Die Temperatur der (an den Seitenwänden adiabatisch isolierten) Drossel selbst ändert sich also beim Joule-Thomson-Prozeß nicht. Das wird durch die experimentelle Erfahrung bestätigt. Damit kann das Ergebnis (36) als weiterer Hinweis dafür angesehen werden, daß die Definition des Wärmedifferentials offener Systeme nach (13) thermodynamisch „vernünftig" zu sein scheint.
A 6.2 Eine andere Wahl der unabhängigen Variablen
Bei allen bisherigen Überlegungen haben wir als unabhängige Variable die Temperatur T, das Volumen V und die einzelnen Komponentenmassen m;, i = 1 ... n des thermodynamischen Systems benutzt. Diese Variablen sind besonders vorteilhaft, wenn man
A 6.2 Eine andere Wahl der unabhängigen Variablen
47
etwa den Wärmebegriff bei isochor und isotherm erfolgendem Massenaustausch zwischen System und Umgebung analysieren will. Erfolgt der Massenaustausch aber z. B. isobar und isotherm, so ist es zweckmäßig, neue Variable, etwa P, T, mi( i = 1 ... n einzuführen. Wir wollen dies hier als Vorbereitung für die Untersuchung von Vorgängen in diskontinuierlichen thermodynamischen Systemen tun (vgl. Kap. B, C). In diesen Variablen lautet der Erste Hauptsatz anstelle von (4): (A 6.37)
U = U ( T , P , m 1 ... m n ) . Das totale Differential dieser Funktion ist:
dU
= d T + (§U +j/irWdmi •
(A 638)
Für die einzelnen partiellen Ableitungen gilt:
c,Z2) + Um(Z1,c,Z2).
(A 8.11)
Dies ist die allgemeine Form der Energiebilanz eines einfachen thermodynamischen Systems für einen beliebigen quasistatischen Prozeß. Diese Bilanz hat zwei Besonderheiten: Sie enthält nicht den Zeitbegriff und sie enthält auch keinen Produktionsterm. Sie besagt vielmehr, daß sich die gesamte Energie eines Systems gerade um die Beträge ändert, die das System während des Vorgangs als Wärme, Arbeit oder konvektiv zugleich mit Masse mit seiner Umgebung austauscht. Ist das System von seiner Umgebung isoliert, so gilt speziell Q = A = U m = 0 und somit U(Z2)=U(Z1).
(A8.12)
Die Energie eines solchen Systems bleibt also bei beliebigen quasistatischen Zustandsänderungen konstant. Nach diesen Wiederholungen wollen wir nun darangehen, den Ersten Hauptsatz der Thermodynamik für natürliche, also auch Nichtgleichgewichtszustände enthaltende Vorgänge zu diskutieren. Wichtige Beispiele für solche Vorgänge in einfachen Systemen sind etwa der Explosionstakt in einem Ottomotor, oder die in einem Mischgefäß bei turbulenter Strömung erfolgende Mischung zweier Flüssigkeiten oder Gase. In Nichtgleichgewichtszuständen bzw. fiir Prozesse, welche solche Zustände enthalten, gelten nun die oben unter (1—3) gemachten Aussagen nicht mehr! Zwar besitzt jedes thermodynamische System auch in jedem Nichtgleichgewichtszustand eine eindeutige innere Energie. Dies folgt aus der „mikroskopischen" Definition dieser Größe als Summe der kinetischen und potentiellen Energien aller Atome und Moleküle des Systems (vgl. Kap. A 3). Aber diese Energie kann nicht mehr als Funktion gewisser Zustandsparameter des Systems angegeben werden, da das System in Nichtgleichgewichtszuständen solche Parameter gar nicht besitzt! Vielmehr ist diese Energie in mikroskopischer Hinsicht irgendeine Funktion der Lagen und Impulse aller Atome und Moleküle des Systems [22]. In makroskopischer Hinsicht hängt sie (oft in komplizierter Weise) *
Unter einem Funktional versteht man nach A. Volterra eine Rechenvorschrift, bei welcher einer Funktion f (x), (a < x < b) eine Zahl zugeordnet wird. Ein Funktional kann also qualitativ als Funktion von unendlich vielen unabhängigen Variablen angesehen werden. Ein einfaches Beispiel
b
für ein Funktional ist das Riemannsche Integral F(a, f(x), b) = / f(x) dx. a
60
A 8 Zur Formulierung des Ersten Hauptsatzes der Thermodynamik für natürliche Vorgänge
von einem gewissen Satz von unabhängigen Parametern (N a , a = 1 ... ft) ab, durch welche der betrachtete Nichtgleichgewichtszustand des Systems, N = (Nb> a = 1 ... S2)
(A8.13)
phänomenologisch beschrieben werden soll. Beispiele für solche Parameter sind etwa die auch für Nichtgleichgewichtszustände definierbaren thermodynamischen Extensivparameter wie Volumen oder Masse des Systems. Ferner die zeitlichen Änderungen dieser Größen erster, zweiter und höherer Ordnung. Außerdem können unter Umständen „dynamische" Erweiterungen der thermostatischen Intensivparameter als solche Parameter angesehen werden. In diesem Zusammenhang ist vor allem das von W. Muschik entwickelte Konzept der Kontakttemperatur zu erwähnen, welches erlaubt, auch einem Nichtgleichgewichtszustand einen Temperaturparameter zuzuordnen* [25, S. 706]. Die Entwicklung eines „geeigneten" Parametersatzes zur Beschreibung voa Nichtgleichgewichtszuständen thermodynamischer Systeme ist eine der wichtigsten und zugleich schwierigsten Aufgaben der Thermodynamik der Vorgänge. Über gewisse Versuche, dieses Problem in systematischer Weise zu behandeln, wird noch in Kapitel E berichtet werden. Die innere Energie eines thermodynamischen Systems, welches sich zu Zeit t in einem Nichtgleichgewichtszustand N(t) befindet, hängt nun im allgemeinen nicht nur von den momentanen Werten seiner Nichtgleichgewichtsparameter N(t) = (N a (t), a = 1 ... £2), sondern darüber hinaus auch von seiner Vorgeschichte ab**. Diese wird durch die Werte, welche die Nichtgleichgewichtsparameter zu früheren Zeiten — 00 < s < t angenommen hatten, beschrieben. Die innere Energie ist also im allgemeinen keine Funktion, sondern ein Funktional der Parameter, die den Nichtgleichgewichtszustand des Systems beschreiben. Anstelle von (2) gilt nunmehr: •
U=U+{N(s),-°o = m d t . Ferner ist die innere Energie des Systems konstant. Es gilt daher dU = 0 .
(A 8.39)
Für die im Zeitelement dt von der Maschine mit ihrer Umgebung ausgetauschte Wärme und Arbeit setzen wir nun formal dO = q dm = q m d t ,
(A 8.40)
dA = a dm = a m d t .
(A8.41)
Die Größen q und a sind die Wärme und die Arbeit, welche die Maschine pro Zeiteinheit für den Massenstrom m = 1 von ihrer Umgebung aufnimmt bzw. an sie abgibt. Diese Größen hängen nicht von der Zeit ab, sind aber im allgemeinen Funktionale des stationären Nichtgleichgewichtszustandes, in dem sich das fluide Medium im Inneren der Ma-
A 8.1 Der Erste Hauptsatz für stationäre Vorgänge in offenen Systemen
67
schine befindet. Wir nehmen nun noch an, die zu- bzw. abströmende Materie befinde sich in gewissen (gleichen oder verschiedenen) thermostatischen Gleichgewichtszuständen, die durch ihren Druck P;, spezifisches Volumen V; und spezifische innere Energie Uj mit i = 1, 2 beschrieben werden. Außerdem seien wj und Zj die Geschwindigkeiten und die Höhen, unter denen der Arbeitsstoff zu — bzw. abfließt. Für die im Zeitelement dt konvektiv zu- bzw. abgeführte Energie gilt dann 2 , d U m = Z (u i + P i v i + T w ? + g z i ) d m « = z i=l = (h t - h 2 + i (w? - w!) + g(zj - z 2 )) rii d t .
(A 8.42)
Setzt man (39)-{42) in (32) ein, so erhält man die Beziehung •
a = q + (h1-h2) + y(w?-wl) + g(z1-z2).
(A 8.43)
Die pro Masseneinheit des durchgesetzten Arbeitsstoffes von der Maschine im stationären Betrieb abgegebene (technische) Arbeit ist gleich der zugeführten Wärme, vermehrt um die spezifischen Änderungen der Enthalpie, der kinetischen und der potentiellen Energie des Arbeitsmediums. Die Beziehung (43) enthält folgende Spezialfälle: a) Die wärmeisolierte Maschine mit geringer Fall- bzw. Förderhöhe: q = 0,
Z!=z2.
Aus (43) folgt a= h1-h2+i(W2-wl).
(A 8.44)
Bei diesen Maschinen wird die Arbeit aus der Änderung der Enthalpie und der kinetischen Energie des Arbeitsmediums gewonnen. Bei Dampfturbinen (w t ~ w 2 ) überwiegt die Enthalpieänderung, bei Wasserturbinen (hj ~ h 2 ) die der kinetischen Energie. b) Die Düsenströmung (Laval-Düse) [ 114, S. 257] Hier gilt q = 0 , a = 0 , Zj = z 2 . Damit folgt aus (43) w 2 = x/w'f + 2(hj — h 2 ) .
(A 8.45)
68
A 8 Zur Formulierung des Ersten Hauptsatzes der Thermodynamik für natürliche Vorgänge
Wird der Arbeitsstoff adiabat und ohne Arbeitsleistung an die Umgebung entspannt (h 2 < h j ),so vergrößert sich die Strömungsgeschwindigkeit auf den angegebenen Wert (w2 > W!). c) Der Drossel-Effekt von Joule und Thomson Ein fluider Stoff wird quasistatisch durch eine Drossel (Abb. A 2) gepreßt, ohne daß er dabei Arbeit oder Wärme mit seiner Umgebung austauscht. Dabei ändern sich im allgemeinen Druck und Temperatur des Stoffes. Für diesen Vorgang gilt q = 0, a = 0 , w ! = w 2 = 0 ,
zl=z2
.
Damit folgt aus (43) h j = h2 .
(A 8.46)
Die (spezifische) Enthalpie des Arbeitsmediums ändert sich beim Passieren der Drossel nicht. Die Gleichung (46) ist in mathematischer Hinsicht eine Bedingungsgleichung für die Drücke P j , P 2 und Temperaturen T j , T 2 des fluiden Mediums vor bzw. nach der Drossel. In technischer Hinsicht bildet der Joule-Thomson-Effekt auch heute noch die Grundlage zur Verflüssigung von Gasen.
A 9 Vorbereitende Bemerkungen zum Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik
Wir haben uns in den vorhergehenden Kapiteln mit dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik, also mit der Energiebilanz thermodynamischer Systeme beschäftigt. Dieser Satz besagt für abgeschlossene oder isolierte Systeme, daß die gesamte Energie des Systems - das ist seine innere Energie — sich beim Übergang von einem Gleichgewichtszustand Z 0 zu einem anderen Gleichgewichtszustand Z nicht ändert, sondern konstant bleibt. Ohne mit dieser Aussage in Widerspruch zu gelangen, sollte es also möglich sein, im System sowohl die Zustandsänderung Z 0 -*• Z als auch die entgegengesetzte Änderung Z Z 0 zu realisieren. Tatsächlich zeigt die Erfahrung, daß alle natürlichen Vorgänge in abgeschlossenen Systemen einen gewissen Richtungssinn zeigen, also einseitig ablaufen. Ist also in einem abgeschlossenen System der Vorgang Z 0 -*• Z abgelaufen, so ist es nicht möglich, das System allein durch Aufhebung gewisser, in seinem Inneren bestehenden thermodynamischen Hemmungen in seinen ursprünglichen Zustand Z t zurückzufuhren. Dazu ist stets ein mit Arbeitsaufwand verbundener Eingriff von außen notwendig. Dieser Richtungssinn aller natürlichen Vorgänge in abgeschlossenen Systemen wird durch den Ersten Hauptsatz nicht beschrieben! Dies wird verständlich, wenn man beachtet, daß der Erste Hauptsatz der Thermodynamik in mathematischer Hinsicht eine Gleichung ist. Ein Richtungssinn kann aber mathematisch nicht durch eine Gleichung, sondern nur durch eine Ungleichung, welche etwa die Monotonieeigenschaft einer geeigneten Kenngröße eines thermodynamischen Zustandes ausdrückt, beschrieben werden. Wir wollen nun versuchen, diese etwas allgemeinen Bemerkungen an drei konkreten Beispielen zu erläutern. Als solche wählen wir den Rührversuch von Joule, den Überströmversuch von Gay—Lussac und den Wärmeleitungsversuch von Fourier. 1. Der JoulescheRührversuch [16, S. 14; 143, S. 73; 19, S. 74] Eine Flüssigkeit befinde sich in einem adiabatisch isolierten und mit einem Rührer versehenen Gefäß. Der Rührer kann durch das Absenken eines Gewichtes (Masse m, Schwerebeschleunigung g, Höhe h) angetrieben werden. Dabei wird potentielle mechanische Energie zunächst in kinetische Energie einer turbulenten Flüssigkeitsbewegung verwandelt. Diese Bewegung wird durch innere Reibung abgebaut, also die kinetische Energie in Wärme, d. h. in innere Energie der Flüssigkeit verwandelt. Dies führt stets zu einer Erhöhung der Temperatur der Flüssigkeit (Cv > 0). J. P. Joule hat auf diese Weise um 1843 durch Messung der mit einer bestimmten Fallhöhe verknüpften Temperaturerhöhung das mechanische Wärmeäquivalent bestimmt. Wir nehmen nun an, das System gehe von einem anfänglichen Gleichgewichtszustand Z 0 mit der Temperatur T 0 , der Gewichtshöhe h 0 und der inneren Energie der Flüssig-
70
A 9 Vorbereitende Bemerkungen zum Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik Rührer
Thermometer
Isolierung
Abb. A 4 Der Rührversuch von Joule.
keit U 0 in einen anderen Gleichgewichtszustand Z mit den entsprechenden Parametern T, h und U über. Nach dem Ersten Hauptsatz (A 8.33) mit Q = 0, U m = 0 und (A 8.22) besteht zwischen diesen Größen die Beziehung U-U0=mg(h0-h).
(A 9.1)
Der Änderung der inneren Energie der Flüssigkeit entspricht eine Änderung ihrer Temperatur gemäß der kalorischen Zustandsgieichung U-Uo^CT-To).
(A 9.2)
Hier bedeutet Cy die als konstant angenommene Wärmekapazität der Flüssigkeit bei konstantem Volumen. Aus (1) und (2) folgt ms T= T0+-^(h0-h).
(A 9.3)
Aus dieser Beziehung kann bei bekannter Höhe h die Temperatur T des Endzustandes berechnet werden. Man beobachtet nun stets, daß das System, etwa nach Lösen einer Seilklemme, aus einem Zustand mit gehobenem Gewicht und kalter Flüssigkeit in einen Zustand mit gesunkenem Gewicht und erwärmter Flüssigkeit übergeht, daß also zwischen den Höhen des Gewichtes und den Temperaturen der Flüssigkeit zu Beginn und am Ende des Vorganges die Ungleichungen hT0
(A9.4)
bestehen. Alle tatsächlich beobachteten Rührvorgänge laufen also stets so ab, daß bei ihnen mechanische Arbeit in Reibungswärme bzw. innere Energie der Flüssigkeit verwandelt wird. Der umgekehrte Vorgang, bei dem das Gewicht unter Abkühlung der
A 9 Vorbereitende Bemerkungen zum Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik
71
Flüssigkeit gehoben würde, ist noch nie beobachtet worden. Bei einem solchen hypothetischen Vorgang würden anstelle von (4) folgende Ungleichungen gelten: h>h0,
T• Z bzw. Z -> Z 0 tatsächlich durchzuführen, ist qualitativ wohl schon 1824 von S. Camot erkannt worden. Die Erkenntnis, daß diese zunächst an einzelnen speziellen Vorgängen beobachtete Eigenschaft ein allgemein gültiges Naturprinzip ist, verdanken wir R. Clausius und W. Thomson (Lord Kelvin). Diese beiden Forscher haben um 1850 unabhängig voneinander und in verschiedener Weise dieses Prinzip, welches heute als Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik bezeichnet wird, klar ausgesprochen: Die Formulierung nach R. Clausius [16, S. 25 ff; 19, S. 184; 11, S. 94]: Es gibt keinen Vorgang, dessen einzige Wirkung darin besteht, daß Wärmeenergie von Gebieten tiefer Temperatur zu Gebieten höherer Temperatur übertragen wird. Eine thermodynamisch äquivalente Kurzform dieser Aussage lautet [13, S. 87]: Wärme kann nicht von selbst von einem kälteren in einen wärmeren Körper übergehen. Die Formulierung nach W. Thomson (Lord Kelvin) lautet: Es gibt keine periodisch arbeitende Maschine, die nichts anderes tut, als Wärme vollständig in Arbeit zu verwandeln. Bezeichnet man eine Maschine, die periodisch arbeitet und nichts tut, als ein Wärmereservoir abzukühlen und dafür Arbeit an die Umgebung abzugeben, als „Perpetuum mobile" Zweiter Art, so kann man die Thomsonsche Aussage auch so formulieren: Es gibt kein Perpetuum mobile Zweiter Art*. Die in der Kelvinschen Formulierung des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik erwähnte Maschine, würde praktisch wie ein Perpetuum mobile wirken und unbegrenzte Arbeitsbeträge an ihre Umgebung abgeben können. Sie könnte die zu ihrem Antrieb erforderliche Energie in Form von Wärme aus dem Erdboden, der Atmosphäre oder den Ozeanen entnehmen, die als Wärmereservoire mit praktisch unbegrenzten Wärmeenergien zur Verfügung stehen. Eine solche wäre nach M. Planck [13, S. 87] „die vorteilhafteste von der Welt". Ein Schiff, welches mit einer derartigen Maschine ausgerüstet wäre, könnte beliebig lange fahren, müßte nie Treibstoff (Kohle, Erdöl oder Uranstäbe) aufnehmen und würde nur einen Streifen kalten Wassers hinter sich zurücklassen. * Es gibt aber in einem Daseinsbereich, der zum größten Teil außerhalb des Gültigkeitsbereichs der Thermodynamik liegt, nämlich in der Musik, ein „Perpetuum mobile", welches wegen seiner Einzigartigkeit als von Nullter Art bezeichnet werden sollte. Es ist die von J. Strauß (Sohn) in Wien im Jahre 1869 komponierte Polka gleichen Namens, die auch heute noch, etwa beim traditionellen Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, zu hören ist.
A 9.2 Irreversible und reversible Vorgänge
77
Es ist aber trotz zahlreicher, zum Teil durch ausgesetzte hohe Geldpreise initiierter Versuche, bis heute nicht gelungen, eine solche Maschine zu konstruieren. Daher zog man aus den gemachten negativen Erfahrungen die Konsequenzen und erhob die Nichtexistenz einer solchen Maschine zum Naturprinzip. Dieses Prinzip, der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik, hat sehr vielfältige und weitreichende Konsequenzen, die sich bis heute experimentell durchweg bestätigt haben und über die noch an anderer Stelle zu berichten sein wird. Die angegebenen Versionen des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik werden in zahlreichen Lehrbüchern der Thermostatik diskutiert. Man vergleiche insbesondere die von M. Planck [13], W. Schottky [16] und M. Zemmansky [19] gegebenen Darstellungen. Wir können daher hier auf eine Diskussion verzichten, wollen aber erwähnen, daß alle angegebenen Formulierungen einander in thermodynamischer und logischer Hinsicht gleichwertig sind. Für die Thermodynamik der Vorgänge ist es nun besonders wichtig, eine mathematische Formulierung des Zweiten Hauptsatzes zu entwickeln. Bevor wir dies in Anlehnung an R. Qausius tun, erscheint es aber zweckmäßig, zunächst den bislang nur an Beispielen demonstrierten Begriff des irreversiblen Prozesses zu vertiefen. Dazu ist es notwendig, alle denkbaren Vorgänge in kontinuierlicher Materie zu klassifizieren und insbesondere den prinzipiellen Unterschied zwischen quasistatischen und natürlichen, bzw. zwischen reversiblen und irreversiblen Vorgängen herauszuarbeiten. Wir wollen nun versuchen, dies an Hand eines konkreten Vorganges, nämlich der Expansion bzw. Kompression eines Gases, zu tun.
A 9.2 Irreversible und reversible Vorgänge Wir betrachten ein Gas in einem mit einem Kolben abgeschlossenen Zylinder, der sich in einem Wärmebad der Temperatur T befindet. Der Kolben sei in lotrechter Richtung reibungsfrei verschiebbar und mit einem Gewicht G = mg beschwert. Das Gas befinde sich zunächst in einem gewissen thermostatischen Gleichgewichtszustand Z 0 . In der Umgebung des Zylinders befinde sich ein gleich großes Gewicht G! = G. Dieses sei an einem ideal biegsamen und masselos gedachten Seil in einer gewissen Höhe h über dem Kolben befestigt.
Abb. A 7 Natürliche (irreversible) Expansion eines Gases: Anfangszustand Zp.
78
A 9 Vorbereitende Bemerkungen zum Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik
Der Zylinder bildet zusammen mit dem Gewicht G j ein abgeschlossenes System a) Der irreversible Expansions- und Kompressionsvorgang Wir entfernen nun plötzlich das Gewicht G vom Kolben und lagern es auf seiner ursprünglichen Höhe. Dazu ist keine Arbeit notwendig, da die Horizontale eine Äquipotentialfläche der Schwerkraft ist. Nach Entfernen des Gewichtes wird der Kolben infolge des Überdruckes des Gases über den äußeren Luftdruck spontan in die Höhe schnellen (Abb. A 8).
Abb. A 8 Irreversible Expansion eines Gases.
Danach wird er einige Schwingungen ausführen und schließlich in einer neuen Lage, etwa gerade in der Höhe h über der Ausgangslage, zur Ruhe kommen. Während dieses „natürlichen Prozesses" befindet sich das Gas nicht in einem Gleichgewichtszustand, sondern durchläuft eine Folge von Nichtgleichgewichtszuständen: In seinem Inneren treten zeitlich und räumlich veränderliche Strömungen, Wirbel, Zonen verschiedener Dichte, Drücke und Temperaturen auf. Genügend lange Zeit nachdem der Kolben seine neue Ruhelage angenommen hat, befindet sich das Gas in einem neuen thermostatischen Gleichgewichtszustand, den wir mit Z bezeichnen wollen (Abb. A 9).
Abb. A 9 Irreversible Expansion eines Gases: Endzustand Z.
Wir wollen nun versuchen, diesen Vorgang umzukehren und das Gas vom Zustand Z in seinen ursprünglichen Zustand Z 0 zurückführen. Dazu heben wir das Gewicht G mit Hilfe des Gewichts G j auf die Höhe h und schieben es längs einer Horizontalen auf den Kolben, Abb. A 10.
A 9.2 Irreversible und reversible Vorgänge
t:
o
6
79
/ / /T /
Abb. A 10 Beginn der irreversiblen Kompression des Gases.
Nun wird das Gas infolge des äußeren Überdruckes komprimiert: der Kolben sinkt und kommt — wiederum unter der Voraussetzung reibungsfreier Bewegung — schließlich in seiner ursprünglichen Lage zur Ruhe, Abb. A l l . Der Expansionsprozeß des Gases ist mithin vollständig umkehrbar. Allerdings nur zum Preise von bleibenden Veränderungen in der Umgebung des Systems: das Gewicht G t befindet sich nicht mehr in der Höhe h über dem Gewicht G, sondern auf derselben Höhe neben G. Es kann ohne Eingriffe von außen nie mehr in seine ursprüngliche Lage zurückgebracht werden.
0 £
6
/ /
/T ZG
/
"7~7~7~y,
Abb. A l l
Irreversible Kompression eines Gases: Endzustand Z 0 .
Dies folgt auch formal aus der Thomsonschen Formulierung des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik: die beim Expandieren und Komprimieren des Gases „verbrauchte" potentielle Energie G t h = mg h ist durch innere Reibung in innere Energie des Gases transformiert und als Wärme an das Bad abgegeben worden. Es ist nicht möglich, diese Wärme vollständig, und ohne daß weitere Veränderungen in der Umgebung des Systems zurückbleiben, wieder in Arbeit zu verwandeln. Man kann nun die grundsätzliche Frage stellen, ob der Expansionsvorgang Z0 -*• Z (Abb. A 7—9) vielleicht auf irgend eine andere Weise rückgängig gemacht werden könnte, ohne daß Veränderungen in der Umgebung des Gases zurückbleiben. Die Erfahrung beantwortet diese Frage negativ: Will man das Gas vom Expansionszustand Z in den Ausgangszustand Z 0 zurückführen, so ist dies grundsätzlich nur so möglich, daß nach Erreichen des Zustandes Z 0 Veränderungen in der Umgebung des Gases - z. B. das herabgesunkene Gewicht G t — mit in Kauf genommen werden.
80
A 9 Vorbereitende Bemerkungen zum Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik
Wir wollen nun Zustandsänderungen und Prozesse, die sich nicht ohne bleibende Veränderungen in der Umgebung des Systems rückgängig machen lassen, als irreversible Zustandsänderungen bzw. als irreversible Prozesse bezeichnen. Praktisch verlaufen alle in der Natur tatsächlich ablaufenden Vorgänge irreversibel. Sie können zwar rückgängig gemacht werden, aber nur zum Preis von bleibenden Veränderungen in der Umgebung des betrachteten thermodynamischen Systems. Dies ist ein Erfahrungssatz. Er wird verständlich, wenn man bedenkt, daß alle makroskopischen Vorgänge stets mit (äußerer oder innerer) Reibung verbunden sind und diese offensichtlich ein irreversibler Prozeß ist [13]. b) Der quasistatisch reversible Expansions- und Kompressionsvorgang Der obige Expansionsvorgang Z 0 -»• Z kann nun als Gedankenexperiment auch so geführt werden, daß nach Ausfuhrung seiner Umkehr keinerlei Veränderungen in der „Umgebung" des Gases zurückbleiben. Dazu nehmen wir zunächst an, das Gewicht, mit dem der Kolben beschwert ist, sei nicht kompakt wie etwa ein Stück Eisen, sondern bestehe aus vielen kleinen Teilchen vom Gewicht AG, sei also z. B. ein Haufen sehr feinen Sandes.
Abb. A 12 Quasistatisch reversible Expansion eines Gases: Anfangszustand Z 0 .
Greifen wir nun ein Sandkorn heraus, entfernen es vom Kolben und lagern es auf einer schiefen Ebene E in seiner ursprünglichen Höhe, so wird sich der Kolben sehr langsam und kaum merklich um ein kleines Stück nach oben bewegen. Entfernen wir in der selben Weise weitere Sandkörner, so wird das Gas allmählich expandieren, Abb. A 13.
Abb. A 13 Quasistatisch reversible Expansion eines Gases: Zwischenzustand Z'.
A 9.2 Irreversible und reversible Vorgänge
81
Ist aller Sand verbraucht und das letzte Sandkorn etwa in der Höhe h — Ah gelagert worden, so steigt der Kolben noch um ein letztes Ah. Seine Oberseite befindet sich danach gerade wieder in der Höhe h über dem Ausgangsniveau. Das Gas befindet sich also wieder im Zustand Z, Abb. A 14.
Abb. A 14 Quasistatisch reversible Expansion eines Gases: Endzustand Z.
Um nun das Gas vom expandierten Zustand Z in den Ausgangszustand zurückzuführen, kann man folgendermaßen vorgehen: Wir bringen einen kleinen Bruchteil AG t des „Umgebungsgewichtes" G x durch Verschiebung längs einer Horizontalen auf die Kolbenoberseite. Dann sinkt der Kolben um Ah auf die Höhe des zuletzt entfernten Sandkornes. Dieses kann nun wieder durch Verschiebung längs einer Horizontalen auf den Kolben zurückgebracht werden. Analog verfährt man mit allen übrigen Körnern, Abb. A 15, bis der Kolben seine ursprüngliche Lage wieder erreicht hat.
GrAGjf^ Cv
/ /
R
/
AG,
/T
Abb. A 15 Quasistatisch reversible Kompression eines Gases: Zwischenzustand Z".
Dann befindet sich das Gas wieder im Ausgangszustand Z 0 . Die Umgebung des Gases befindet sich fast im selben Zustand wie zu Beginn des Prozesses: neben dem Kolben liegt noch ein Sandkorn vom Gewicht AG!, in der Höhe h über dem Kolben befindet sich das Gewicht G j — AGj, Abb. A 16.
Abb. A 16 Quasistatisch reversible Kompression eines Gases: Endzustand ZQ.
82
A 9 Vorbereitende Bemerkungen zum Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik
Macht man nun den Sand immer feiner und feiner, so erkennt man, daß der ganze Vorgang Z 0 -»• Z -> Z 0 im Grenzfall AGj -> 0 zumindest in Gedanken durchgeführt werden kann, ohne daß Veränderungen in der Umgebung des Systems zurückbleiben. Natürlich läuft er dann extrem langsam ab, mathematisch gesprochen unendlich langsam oder „mit der Geschwindigkeit Null". Ein solcher Grenzprozeß ist physikalisch gesehen kein eigentlicher Prozeß mehr, sondern eine Folge von Gleichgewichtszuständen, die vom System innerhalb sehr großer Zeitintervalle nacheinander angenommen werden. Wir haben solche Folgen von Gleichgewichtszuständen in den vorhergehenden Kapiteln A 1 und A 4—7 schon mehrfach betrachtet, und wollen sie wie dort als quasistatische Prozesse, oder als quasistatische Zustandsänderungen, bezeichnen. Da außerdem nach Rückkehr des Gases in den Ausgangszustand Z 0 keine Veränderungen in seiner Umgebung zurückbleiben, wollen wir den Vorgang als umkehrbar oder reversibel bezeichnen. Der durch die Figuren A 12—16 beschriebene Expansions- und Kompressionsvorgang ist also im Grenzfall AGj 0 ein quasistatisch reversibler Prozeß. Wir wollen ganz allgemein eine Zustandsänderung Z 0 -*• Z bzw. einen Vorgang dann als quasistatisch reversiblen Prozeß bezeichnen, wenn er folgende Eigenschaften besitzt: a) Das System durchläuft nur eine Folge von Gleichgewichtszuständen. b) Führt man das System längs der zu dieser Folge umgekehrten, also zeitlich gespiegelten Folge von Gleichgewichtszuständen* in seinen Ausgangszustand Z 0 zurück, so befindet sich auch die Umgebung des Systems in ihrem ursprünglichen Zustand. Ein quasistatisch reversibler Prozeß kann experimentell natürlich nicht in Strenge, wohl aber näherungsweise realisiert werden. Die Bedeutung der quasistatisch reversiblen Prozesse für die Thermodynamik liegt vor allem darin, daß sie viel leichter beschrieben und berechnet werden können als die natürlichen Prozesse, die außer Gleichgewichtszuständen auch im allgemeinen schwierig zu beschreibende Nichtgleichgewichtszustände enthalten. c) Der quasistatisch irreversible Expansions- bzw. Kompressionsvorgang Unter einem quasistatisch irreversiblen Prozeß wollen wir eine Folge von Gleichgewichtszuständen eines thermodynamischen Systems verstehen, die sich nicht ohne bleibende Veränderungen in der Umgebung des Systems rückgängig machen läßt. * Den zu einem Vorgang zeitlich gespiegelten Vorgang kann man auf folgende Weise demonstrieren: Man filme den Vorgang und lasse den Film in umgekehrter Richtung, also von hinten nach vorne, durch einen Projektor laufen. Dann erscheint auf einer Projektionsfläche der zeitgespiegelte Vorgang. In ihm sind die Orte von Gegenständen gegenüber ihren Orten im ursprünglichen Vorgang nicht geändert. Aber alle Geschwindigkeiten haben gegenüber den Geschwindigkeiten im ursprünglichen Vorgang entgegengesetzte Richtungen. Beispiel: Wein fließt vom Glas in die Flasche zurück.
A 9.2 Irreversible und reversible Vorgänge
83
Dieser Fall liegt bei unserem oben diskutierten Beispiel etwa dann vor, wenn der Kolben nicht mehr reibungsfrei, sondern — wie es tatsächlich stets der Fall ist — reibungsbehaftet ist und das Gas durch Entfernen einzelner Sandkörner von der Kolbenoberseite (Abb. A 13), sehr langsam, also quasistatisch expandiert. Ein Teil der vom Gas geleisteten Expansionsarbeit wird durch die Kolbenreibung in Wärme verwandelt, an das Wärmebad abgeführt und kann nicht mehr in mechanische Arbeit zurückverwandelt werden, ohne bleibende Veränderungen in der Umgebung des Systems zu erzeugen: Nach quasistatischer Rückführung des Gases in seinen Ausgangszustand Z 0 liegt nämlich ein Gewicht AGj ^ 0 des „Umgebungsgewichtes" neben dem Kolben und nicht mehr auf der ursprünglichen Höhe h über dem Kolben. Beim Hin- und Hergang des Kolbens ist die Reibungsarbeit AGj • h irreversibel in Wärme umgewandelt worden. Zusammenfassend seien alle drei Expansionsprozesse Z 0 -» Z des Gases, nämlich der natürliche, der quasistatisch reversible und der quasistatisch irreversible Prozeß in einem Arbeitsdiagramm (P, V) dargestellt, Abb. A 17.
V Abb. A 17
Darstellung der isothermen Expansion eines Gases im PV-Diagramm: (1)... natürlicher (irreversibler) Prozeß, (2)... quasistatisch reversibler Prozeß, (3)... quasistatisch irreversibler Prozeß.
Der natürliche, irreversibel verlaufende Expansionsprozeß kann eigentlich nicht eingezeichnet, sondern nur angedeutet werden: er beginnt in einem Gleichgewichtszustand Z 0 , durchläuft dann Nichtgleichgewichtszustände, denen keine Punkte im Zustandsdiagramm entsprechen, und endet in einem anderen Gleichgewichtszustand Z. Den quasistatisch reversibel bzw. irreversibel geführten Prozessen entsprechen stetige Kurven. Diese können zusammenfallen, müssen es aber nicht. Diese beiden Prozesse unterscheiden sich in unserem Beispiel durch die Wärmemengen AQrev bzw. AQ^, die das Gas bei seiner Expansion isotherm mit seiner Umgebung austauscht. Es läßt sich zeigen (vgl. (A 11.17)), daß AQrev > AQirr ist. Wir wollen nun die oben am Beispiel der Gasexpansion entwickelten Begriffe und Definitionen zusammenfassen: 1. Der irreversible Prozeß Unter einem irreversiblen Prozeß versteht man einen Vorgang in einem thermodynamischen System, nach dessen Ablauf es nicht möglich ist, das System in seinen Ausgangszustand zurückzubringen, ohne daß die Umgebung des Systems bleibend verändert wird.
84
A 9 Vorbereitende Bemerkungen zum Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik
Alle in der Natur ablaufenden Vorgänge sind erfahrungsgemäß irreversible Prozesse. Die wichtigsten Eigenschaften eines natürlichen, d. h. irreversiblen Vorgangs sind: a) Der Vorgang setzt spontan ein und läuft mit endlicher Geschwindigkeit ab. b) Nach Zurückführung des Systems in seinen Ausgangszustand auf beliebigem Weg bleiben Veränderungen in der Umgebung des Systems zurück. c) Zwischen den zu Beginn und am Ende eingenommenen Gleichgewichtszuständen durchläuft das SystemNichtgleichgewichtszustände, die durch thermostatische Parameter im allgemeinen nicht mehr beschrieben werden können. 2. Der quasistatische Prozeß Unter einem quasistatischen Prozeß versteht man eine (dichte) Folge von Gleichgewichtszuständen, die ein thermodynamisches System nacheinander durchläuft. Kann das System von seinem Endzustand auf irgend eine Weise wieder in seinen Ausgangszustand gebracht werden, ohne daß danach Veränderungen in seiner Umgebung zurückbleiben, so heißt der ursprüngliche Vorgang quasistatisch reversibel, andernfalls quasistatisch irreversibel. Quasistatische Prozesse sind mathematische Idealisierungen der natürlichen Prozesse, ähnlich wie etwa der starre Körper, oder der Massenpunkt der Mechanik Idealisierungen der natürlichen, deformierbaren Körper sind. Die wichtigsten Eigenschaften eines quasistatischen Vorgangs sind: a) Der Vorgang läuft unendlich langsam ab. b) Nach Umkehr des Vorgangs können Veränderungen in der Umgebung des Systems zurückbleiben, müssen aber nicht. c) Das System durchläuft nur Gleichgewichtszustände. Der Vorgang kann also durch (veränderliche) thermostatische Parameter allein beschrieben werden. Quasistatische Prozesse können nicht in Strenge, wohl aber in beliebig guter Näherung im Experiment realisiert werden. Ihre Bedeutung für die Thermodynamik der Vorgänge liegt vor allem darin, daß sie viel leichter beschreibbar und damit berechenbar sind, als die natürlichen Prozesse. Nach diesen Vorbereitungen sind wir nun in der Lage, den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik für natürliche bzw. für quasistatisch reversibel oder irreversibel verlaufende Vorgänge in analytischer Weise zu formulieren. Dies soll im nächsten Abschnitt geschehen.
A 1 0 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Im vorhergehenden Kapitel haben wir die auf R. Clausius und W. Thomson zurückgehenden verbalen Formulierungen des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik angegeben und kurz diskutiert. Nun wollen wir eine analytische, also aus mathematischen Beziehungen bestehende Formulierung dieses Satzes anfuhren und einige Folgerungen aus ihr ziehen. Die Ableitung dieser analytischen Formulierung aus der ursprünglichen Clausiusschen bzw. Thomsonschen Form des Zweiten Hauptsatzes ist in jedem guten Lehrbuch der Thermostatik enthalten. Wir können daher hier auf sie verzichten und verweisen auf die Literatur (11, S. 85ff; 19, S. 214ff; 16, S. 25ff; 13, S. 77ff; 23, Bd. 1, S. 22 ff). Die analytische Formulierung des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik ist von R. Clausius um 1850 angegeben worden. Wir führen sie hier in einer auf A. Sommerfeld zurückgehenden Form an [194]. Diese enthält zwei Teile. Im ersten Teil wird die Existenz einer gewissen Zustandsgröße, nämlich der Entropie, für thermodynamische Systeme postuliert. Im zweiten Teil wird eine Aussage über die Änderung dieser Zustandsgröße bei quasistatisch reversiblen bzw. irreversiblen und bei natürlichen Vorgängen gemacht. Wir beschäftigen uns in diesem Kapitel nur mit dem ersten Teil. Dieser kann in folgender Weise ausgesprochen werden: „Jedes einfache thermodynamische System besitzt in jedem Gleichgewichtszustand (Z) eine extensive Zustandsgröße: die Entropie (S)". Diese ist definiert durch z
S(Z) = S ( Z 0 ) + i z„
äQrev (A 10.1)
In dieser Beziehung bedeutet S(Z 0 ) die Entropie des Systems in einem gewissen Bezugszustand Z 0 . Als solcher kann irgend ein Gleichgewichtszustand gewählt werden, in welchem das System dieselbe Masse wie im Zustand Z besitzt. Ferner bedeutet dQ rev die dem System beim quasistatisch reversiblen Übergang längs einer beliebigen Zustandskurve C von Z 0 nach Z bei der absoluten Temperatur T zugeführte Wärme. Bei diesem Übergang kann das System mit seiner Umgebung quasistatisch reversibel Arbeit und Wärme, aber keine Masse austauschen. Unter der Temperatur T kann man einerseits die Temperatur eines Wärmebades T a = T verstehen, welches das System umgibt und aus welchem dem System Wärme zugeführt wird. Andererseits kann man aber auch unter T die Temperatur des Systems selbst verstehen, da der Wärmeaustausch zwischen System und Umgebung voraussetzungsgemäß quasistatisch reversibel, also bei verschwindendem Temperaturunterschied erfolgen soll.
86
A 10 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Die Entropie eines thermodynamischen Systems ist nach (1), bis auf eine Konstante, einfach der integrale Grenzwert einer Summe von reduzierten, d. h. durch T dividierten Wärmemengen*. Diese Definition ist „unanschaulich". Wir begnügen uns aber hier mit ihr und werden andere Interpretationen des Entropiebegriffes erst im Zusammenhang mit dem zweiten Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik im folgenden Abschnitt bringen. Sind die Zustände Z 0 und Z infinitesimal benachbart, unterscheiden sich also die Werte ihrer Gleichgewichtsparameter nur um Differentiale, so gilt für die Entropieänderung beim Übergang von einem zum anderen Zustand nach Gleichung (1) •
äQrev
dS = — ^ .
(A 10.2)
Dies ist die differentielle Form der Definitionsgleichung der Entropie für ein massenisoliertes thermodynamisches System. Wir wollen nun noch die im Zweiten Hauptsatz enthaltene fundamentale Existenzaussage besonders betonen: Jedes einfache thermodynamische System besitzt eine Zustandsgröße, die Entropie. Diese muß, da sie eben nur vom momentanen Zustand und nicht von anderen Umständen, z. B. von der Vorgeschichte des Systems, abhängen kann, eine eindeutige Funktion aller Parameter sein, die einen Gleichgewichtszustand des Systems bestimmen. Im Falle eines einfachen fluiden Mehrstoffsystems sind dies z. B. die Temperatur T, das Volumen V und die Massen m i ; i = 1 ... n der einzelnen Komponenten. Es gilt also S = S(T, V, m t ... m „ ) .
(A 10.3)
Eine andere wichtige Darstellung der Entropie erhält man, wenn man in (3) die Temperatur mit Hilfe des Ersten Hauptsatzes der Thermostatik eliminiert. Die innere Energie U des Systems ist auch eine eindeutige Funktion der Parameter T, V und rrij, i = 1 ... n (vgl. (A 3.1)): U = U(T, V, m t ... m n ) .
( A I 0.4)
Löst man diese Beziehung nach T auf und substituiert sie in (3), so erhält man die Darstellung •
*
S = S(U, V, m j ... m n ) .
(A 10.5)
Über den Wert der noch offenen Konstanten macht der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik keine Aussage, wohl aber der Dritte Hauptsatz: Nach W. Nernst strebt die Entropie bei Annäherung an den absoluten Nullpunkt der Temperatur (T -0
mens V, der komponentenmassen m t ... m n und eventueller weiterer thermodynamischer Parameter des Systems [11, S. 203; 194; Aufgabe A 16].
A 10.1 Geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen
87
Wir werden im folgenden noch zeigen, daß sich aus dieser Darstellung, im Gegensatz zu (3), alle thermostatischen Eigenschaften des Systems, insbesondere seine thermische, kalorische und auch seine chemischen Zustandsgieichungen durch einfaches Differenzieren ableiten lassen. Mit anderen Worten: Die Entropie ist ein thermostatisches Potential in den Variablen U, V, m;, i = 1 ... n, nicht aber in den Variablen T, V, m i( i = 1 ... n [11, S. 145; 2, S. 98], Die Entropiefunktion in (5) enthält also dieselbe thermodynamische Information, wie die beiden Funktionen (3) und (4) zusammen. Dabei ist zu beachten, daß die Existenzaussagen (3) bzw. (5) sowohl für massenisolierte als auch für offene einfache Systeme gelten, wohingegen die eigentlichen Definitionsgleichungen für die Entropie (1) bzw. (2) nur für massenisolierte Systeme gültig sind. Nach diesen Vorbereitungen wollen wir nun darangehen, für die Entropie einfacher thermodynamischer Systeme Differentialformen und Integraldarstellungen in den Variablen U, V, mj bzw. T, V, m i ( i = 1 ... n zu entwickeln.
A 10.1 Geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen Wir betrachten zunächst einfache fluide Mehrstoffsysteme, in denen keine chemischen Reaktionen ablaufen und die mit ihrer Umgebung nur Arbeit und Wärme, aber keine Masse austauschen. Geht das System quasistatisch reversibel von einem Gleichgewichtszustand (U, V, m t ... m n ) in einen infinitesimal benachbarten Zustand (U + dU, V + dV, m j ... m n ) über, so gilt nach dem Ersten Hauptsatz (A 4.2) mit (A 4.3) die Beziehung dQ r e v = dU + P d V .
(A 10.6)
Setzt man diese in (2) ein, so folgt •
dS = ^ d U + | d V .
(A 10.7)
Diese Beziehung wird als Gibbssche Fundamentalgleichung des Systems bezeichnet. Sie beschreibt die Änderung der Entropie des Systems, wenn sich seine innere Energie um dU und sein Volumen um dV vergrößert. Sie gilt nach ihrer Herleitung zunächst nur für quasistatisch reversible Prozesse. Da die Entropie nun aber eine Zustandsgröße ist, und damit ihr Zuwachs dS nur wiederum von Zustandsgrößen bzw. deren Änderungen abhängen kann, nicht aber von der Art und Weise, wie das System von einem Gleichgewichtszustand zum anderen übergegangen ist, gilt die Gibbssche Fundamentalgleichung auch für quasistatisch irreversible Prozesse. Trotzdem besteht zwischen beiden Arten von Vorgängen noch ein grundsätzlicher Unterschied: Bei quasistatisch reversiblen Vorgängen kann man aus der nach (7) berechneten Entropieänderung dS auf die während der Zustandsänderung zwischen System und Umgebung ausgetauschte Wärmeenergie schließen. Nach (2) gilt nämlich dQrev =
TdS.
(A 10.8)
88
A 10 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Bei quasistatisch irreversiblen Prozessen ist dies nicht mehr möglich. Wie in Kapitel A l l noch näher ausgeführt werden wird, gilt dann anstelle von (8) nurmehr die Ungleichung dQ irr < TdS . (A 10.9) Vergleicht man die Gibbssche Fundamentalgleichung (7) mit dem aus (5) folgenden totalen Differential der Entropie dS
= (i)v,mdU
m = (m, ... m n ) ,
+
( § V
m
d V
(A10-10)
'
m{ = const, i = 1 ... n ,
so erhält man folgende Beziehungen:
f=(§v m -
(Aio-i2>
Die rechten Seiten dieser Gleichungen sind gewisse Funktionen von U, V, rrij, i = 1 ... n. Löst man (11) nach U auf, so erhält man die kalorische Zustandsgieichung des Systems U = U(T, V, m, ... m n ) .
(A 10.13)
Setzt man (11) und (13) in (12) ein, so erhält man die thermische Zustandsgieichung P = P(T, V, mi ... m n ) .
(A 10.14)
Die Entropiefunktion (5) enthält also sowohl die kalorische als auch die thermische Zustandsgieichung des Systems. Diese können nach (11) bzw. (12) berechnet werden. Kennt man umgekehrt die Zustandsgieichungen (13) und (14) des Systems, so kann man in der Gibbsschen Fundamentalgleichung T und P ab bekannte Funktionen von U, V (und m x ... m n ) ansehen und damit die Entropie — etwa durch Integration längs eines „U-V-Haken" - berechnen: S(U, V, m i ... m n ) = S(U 0 , V 0 , nu ... m n ) + U
+ I
JTT'
,
^
U0 T(U, V, m j ... m n )
+
v P(U , V', m,1 ... m n ) , V 00 + / , dV. T(U 0 , V', m! ... m n ) v
(A 10.15)
A 10.1 Geschlossene Systeme ohne chemische Reaktionen
89
Der Integrationsweg zwischen den beiden Zuständen Z 0 (U 0 , V 0 , m t ... m n ) und Z(U, V, m j ... m n ) kann in der UV-Ebene an und für sich beliebig gewählt werden. Es ist aber zweckmäßig, ihn aus Teilstücken zusammenzusetzen, längs denen sich nicht beide Variable U und V, sondern jeweils nur eine von ihnen verändert. Solche Wege bezeichnen wir in Anlehnung an W. Schottky [16, S. 128] als „U-V-Haken". Sie sind zur Verdeutlichung in der folgenden Figur dargestellt.
•( Uo
S> (U.V)
M,)
Abb. A 18 Integrationsweg zur Entropiedarstellung (14): der U-V-Haken.
Eine andere oft wertvolle Darstellung der Entropie erhält man, wenn man in der Gibbsschen Fundamentalgleichung die innere Energie mit Hilfe der kalorischen Zustandsgieichung (13) eliminiert. Dazu bilden wir das totale Differential der inneren Energie
dU =
(|f)v)mdT
m ; - const,
+
OT,
m
d V
'
(A1016)
i = 1 ... n ,
und setzen es in (7) ein. Dann folgt mit (A 4.16) dS = ^ d T + ; J r ( P + ( | ^ ) T m ) d V .
(A 10.17)
Da die Entropie eine Zustandsgröße ist, muß die rechte Seite dieser Gleichung ein totales Differential sein. Nach dem Satz von H. Schwarz [162, Bd. II, S. 44] müssen die gemischten zweiten Ableitungen der Entropie nach T und V einander gleich sein. Daher gilt
Setzt man diese Beziehung in (17) wieder ein, so folgt dS = ^ d T + ( | | ) V m d V .
(A 10.19)
90
A 10 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Daraus ergibt sich durch Integration längs eines „T-V-Haken" die Darstellung S(T, V, m, ... m n ) = S(T0, V 0 , m i ... m n ) + T
+ f t1 o
CvV (T', V, mj1 ... m„) , — dT' + T
+ 7 ( ¿ f r P(T 0) V, Vo
mi
... m n )) v ,
m
dV . (A 10.20)
Mit dieser Formel kann die Entropie eines einfachen Mehrstoffsystems mit konstanten Massen als Funktion von T, V und mj, i = 1 ... n berechnet werden, wenn dessen thermische und kalorische Zustandsgieichung U = U(T, V, iri] ... m n ) bzw. P — P(T, V, mj ... m n ) bekannt ist. Umgekehrt können aber diese Zustandsgieichungen nicht aus der Entropiefunktion S = S(T, V, m t ... m n ) gewonnen werden. Zwar gilt nach (19)
Ov,m =T(|)v,m'
(A10-21>
Die Integration dieser Beziehungen führt aber zu den Darstellungen U(T, V, m t ... m n ) = U(T0, V, m, ... m n ) + T To
P(T, V, m t ... m n ) = P(T0, V, nu ... m n ) + T +
Tf0 ( § ) T >
dT
' >
(A10-24)
m s (mj ... m n ) . Die hier auftretenden Funktionen U(T0, V, mj ... m n ) bzw. P(T0, V, m t ... m n ) sind zunächst unbestimmt und können aus der Funktion S = S(T, V, mx ... m n ) nicht ermittelt werden. Dazu ist vielmehr die Kenntnis der Funktion S = S(U, V, mj ... m n ) notwendig. Damit ist gezeigt, daß die Entropiefunktion S(T, V, mj ... m n ) kein „thermodynamisches Potential" ist [194]. Diese Eigenschaft besitzt nur die Funktion S = S(U, V, m i ... m n )!
A 10.2 Geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen
91
A 10.2 Geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen Wir wollen nun den Entropiebegriff für ein einfaches fluides Mehrstoffsystem mit chemischen Reaktionen untersuchen. Nach dem Zweiten Hauptsatz ist die Entropie S eine Zustandsgröße des Systems, deren Wert durch die Werte aller Parameter, welche zur eindeutigen Beschreibung eines Gleichgewichtszustandes nötig sind, festgelegt wird. Diese Parameter sind z. B. die innere Energie U, das Volumen V und die Massen nij, i = 1 ... n der einzelnen Komponenten des Systems. Es gilt also (vgl. (5)): S = S(U, V, m x ... m n ) .
(A 10.25)
Das totale Differential dieser Funktion lautet:* dS
= (füVm
dU +
dV +
j ,
U.V.-i ^
^ *
(A
10 26)
'
Diese Beziehung gibt an, wie sich die Entropie des Systems ändert, wenn sich seine innere Energie, Volumen und Massen differentiell um dU, dV und d c m i( i = 1 ... n ändern. Die in (26) auftretenden partiellen Differentialquotienten können nun teilweise durch die Temperatur und den Druck des Systems ausgedrückt werden. Bei konstant gehaltenen Massen (d c mj = 0, i = 1 ... n) gelten nämlich wieder die Beziehungen (11) und (12). Setzt man diese in (26) ein, so folgt dS = i dU + 1 dV +
( £ : ) u > v > m . dc m ; .
(A 10.27)
Diese Beziehung legt nun nahe, auch für die Differentialquotienten (8S/9m i ) U i V) m * neue Symbole einzuführen. Wir setzen nach J. W. Gibbs i = 1
-
n
>
( A i a 2 8 )
und nennen die hierdurch formal erklärten Größen JUJ die „chemischen Potentiale" des Systems. Diese Größen sind homogene Funktionen Nullter Ordnung der Parameter U, V, m! ... m n : Mi = //¡(U, V, m i ... m n ) ,
i = 1 ... n .
(A 10.28a)
Diese Beziehungen heißen die chemischen Zustandsgieichungen des Systems. Über ihre thermodynamische Bedeutung wird noch im folgenden berichtet werden. Mit (28) lautet die Beziehung (27) •
*
dS = ^rdU + | d V -
2 ydcm;.
(A 10.29)
Im folgenden bedeutet m* = (mi ... m;_i, m j + 1 ... m n ), i = 1 ... n und m = (mi ... m n ).
92
A 10 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Dies ist die Gibbs'sche Fundamentalgleichung. Sie beschreibt die Änderung der Entropie des Systems, wenn dieses durch Austausch von Arbeit und Wärme und durch chemische Reaktionen von einem Gleichgewichtszustand Z(U, V, m, ... m n ) in einen infinitesimal benachbarten Zustand Z + dZ: (U + dU, V + dV, m j + d c m t ... m n + d c m n übergeht. Die Größen T, P und ß1 ... jun werden dabei als bekannte Funktionen von U, V, m! ... m n aufgefaßt. Da bei der Herleitung der Gibbs'schen Fundamentalgleichung (29) nur die Existenzaussage (25) der Entropie benutzt worden ist, aber keinerlei Voraussetzungen über die Art und Weise des Übergangs Z -*• Z + dZ getroffen worden sind, gilt diese sowohl für quasistatisch reversible als auch für quasistatisch irreversible Zustandsänderungen. Allerdings kann man nur bei reversiblen Zustandsänderungen aus dem Entropiedifferential dS auf die beim Übergang Z -> Z + dZ zwischen dem System und seiner Umgebung ausgetauschte Wärme schließen. Nach (2) gilt (A 10.30)
dQ rev = TdS.
Für quasistatisch irreversible Vorgänge gilt diese Beziehung aber nicht mehr. An ihre Stelle tritt die schwächere Aussage (vgl. Kap. A l l ) : (A 10.31)
dQin- < TdS.
Die Gibbs'sche Fundamentalgleichung (29) kann nun zunächst dazu benutzt werden, die Entropie eines geschlossenen fluiden Mehrstoffsystems mit chemischen Reaktionen aus dessen Zustandsgieichungen T = T(U, V, m t ... m n ), P = P(U, V, m j ... m n ), = Mi(U, V, m j ... m n ), i = 1 ... n zu berechnen. Dazu ist nur eine formale Integration von (29) zwischen zwei Zuständen Z 0 (U 0 , V 0 , m 1 0 ... m n 0 ) und Z(U, V, m, ... m n ) mit gleicher gesamter Masse n
n
(A 10.32)
m 0 = E m i 0 — S rrij i=l i=l nötig. Es gilt u S(U, V, m t ... m n ) = S(U 0 , V 0 , m 1 0 ... m n 0 ) + / tI
+ / Vo
T(U,, V, m)
+
P(Uo>V»dV'T(U 0 ,V',m) (A 10.33)
= (U 0 , V 0 , m, ... m j _ j , m], m j + l i 0 ... m n _ 1 > 0 , j-l
= m0 — 2
n-l
m k — mj —
E
mk0 .
mnj)
A 10.2 Geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen
93
Der letzte Term in dieser Darstellung wird verständlich, wenn man in (29) die Massen n-1
n^ ... m n _i als unabhängige, m n = nio — Z mj jedoch als abhängige Variable ansieht i— 1 und die Differentialbedingung n-l
d c m„ = - 2 d c mj i=l
(A 10.32a)
beachtet. Die Darstellung der Entropie nach (33) ist für praktische Anwendungen nicht besonders geeignet, da die Zustandsgieichungen des Systems nur selten in der erforderlichen Form, nämlich mit U, V, m t ... m n als unabhängigen Variablen, vorliegen werden. Es ist daher angebracht, neben (33) noch eine andere Darstellung der Entropie anzuführen, nämlich diejenige, die als unabhängige Variable T, V, m, ... m n enthält. Der entsprechende Differentialausdruck ergibt sich aus (29), wenn man dort für das Differential dU die Darstellung (A 5.4) einsetzt:
dS =
^ i V m d T + ;F[OT(m+PidV + +
fj1((^)T,v,mi-Mi)dc^-
(A 10.34)
Die rechte Seite dieser Beziehung muß ein totales Differential sein. Also gelten nach dem Schwarzachen Satz [162, Bd. II, S. 44] die Beziehungen:
^ T . v . m i - M i — T ^ V . .
(A 10.36)
Setzt man diese zusammen mit (A 5.5) in (34) ein, so erhält man
dS
= T dT + (ffVm dV "
d
c^ *
Integriert man diese Gleichung zwischen zwei Zuständen gleicher gesamter Masse m 0 : Z 0 (T 0 , V 0 , m 1 0 ... m n 0 ) und Z(T, V, m, ... m n ), so folgt mit (32a):
94
A 10 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik T
S(T, V, inj) = S(T 0 , V 0 , m i 0 ) + f
CV(T', V, m) , - dT' + T
T„ v v
_(
9P
,
o
n_1
'
m
J
1m
äMi
j0
3T^V)]dlV
(A 10.38)
(-)
= (V 0 , m! ... mj_ 1; m], m j + 1 0 ... m n _ 1 0 , m n j ) ,
m
= m0 -
nj
j-l 2 m k - m| k=i
n-l S mk0 . k=j+l
Nach dieser Formel kann die Entropie des Systems als Funktion seiner Temperatur T, seines Volumens V und seiner Komponentenmassen mj, i = 1 ... n berechnet werden, wenn die kalorische, thermische und die chemischen Zustandsgieichungen in der Form Cy = CV(T, V, nii ... m,,), P = P(T, V, mx ... m n ) und jUj = //¡(T, V, mx ... m n ) bekannt sind. Der erste Term auf der rechten Seite von (38) ist die Entropie eines (beliebig wählbaren) Bezugszustandes gleicher Gesamtmasse m. Der zweite Term gibt den Entropiezuwachs an, der mit einer isochoren und bei gehemmten chemischen Reaktionen erfolgenden Temperaturänderung T 0 T verbunden ist. Der dritte Term ist die Entropieänderung, die bei isothermer und bei gehemmten chemischen Reaktionen ablaufender Volumenänderung V 0 -*• V auftritt. Der Summenterm gibt die Entropieänderung an, die mit gewissen isotherm und isochor erfolgenden Massenumsetzungen verbunden ist. Bei diesen gehen die Massen der einzelnen Komponenten i = 1 ... n von ihren Anfangswerten m i 0 zu ihren Endwerten mj über. Die gesamte Masse m 0 des Systems ändert sich dabei aber nicht. Die Erfahrung zeigt, daß bei realen Stoffen die Entropiefunktion S(T, V, m t ... m n ) nach (38) im allgemeinen einfacher zu berechnen ist, als die Funktion S(U, V, m t ... m n ) nach (33). Tatsächlich kann letzteres vermieden werden, wenn man etwa S(T, V, m t ... m,,) nach (38) berechnet hat und in diese Funktion die kalorische Zustandsgleichung in der Form T = T(U, V, m 1 ... m n ) substituiert. Es ist aber zu beachten, daß nur die Funktion S = S(U, V, m, ... m n ) ein thermodynamisches Potential ist in dem Sinne, daß sich aus ihr alle thermostatischen Zustandsgieichungen durch einfaches Differenzieren ermitteln lassen. Nach (29) gilt nämlich T =T(U,V,m, ...mn) = ( f g ) v » m , P =P(U)V,m1...mn) = ( § ) u > m / ( | § ) V ) m , « = wCU, V, m i ... m n ) =
v>m.
/(|§)v
m
,
i = 1 ... n .
A 10.2 Geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen
95
Diese Beziehungen sind äquivalent mit den gewöhnlichen Formen der kalorischen, thermischen und chemischen Zustandsgieichungen: U = U(T, V, m t ... m n ) P = P(T, V, m t ... m n ) Mi = Mi(T, V, m j ... m„),
i = 1 ... n .
Diese Information kann aus der Funktion S = S(T, V, m j ... m n ) nicht gewonnen werden, wie aus (37) unmittelbar abgelesen werden kann. (Vgl. auch Bemerkungen vor (23) und (24)). Zum Abschluß dieses Abschnittes wollen wir noch aus den Relationen (30) und (31) zwei naheliegende Konsequenzen ziehen. Setzt man in (30) für dS den Ausdruck (37) ein, so erhält man folgende Darstellung der bei einer infinitesimalen quasistatisch reversiblen Zustandsänderung zwischen dem System und seiner Umgebung ausgetauschten Wärme: aq r e v = CydT + T ( | | ) V
m
dv -
|
T(^)v
m.
d c im .
(A 10.39)
Wir vergleichen diesen Ausdruck mit der in (A 5.10) angegebenen Darstellung des Wärmedifferentials für einen solchen Prozeß:
dQ rev = Q d T + T ( | | ) v > m dV + j
i
( ^ ) T > V ) m t dc
mi
.
Man erkennt: diese beiden Darstellungen sind nur dann identisch, wenn im Hinblick auf (36) zwischen den Massendifferentialen d c mj die Beziehung n
2 ßi d c m; = 0 i=l
(A 10.40)
besteht. Dies ist gerade die Bedingung, die gelten muß, soll im System chemisches Gleichgewicht herrschen. Dies muß aber der Fall sein, soll die Zustandsänderung nicht nur quasistatisch sondern auch reversibel erfolgen. (Vgl. auch Kap. A 13.4—5.) Für quasistatisch irreversible Zustandsänderungen folgt zunächst aus (31) mit (37) SP a Q i r r < CydT + T ( ^ ) V
m
n 9tfi dV - J Z T ( - ^ ) V
m.
dc m i .
(A 10.41)
96
A 10 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Setzt man in diese Ungleichung für dQ iir die Darstellung (A 5.10) ein, so folgt mit (36) die Aussage n
(A 10.42)
2 Mi d c mj < 0 .
i— 1
Man kann zeigen, daß gerade diese Bedingung zwischen den chemischen Potentialen und den Massendifferentialen bestehen muß, wenn die betrachtete chemische Reaktion im geschlossenen System tatsächlich realisierbar sein soll (Kap. A 13.5). Reaktionen, für welche in (42) anstelle des Kleiner-Zeichens () steht, laufen in der Natur nicht ab. Gilt weder das Größer- noch das Kleiner-Zeichen, so gilt anstelle von (42) die Gleichung (40) und das System befindet sich im chemischen Gleichgewicht [3],
A 10.3 Offene Systeme mit und ohne chemische Reaktionen Nun betrachten wir ein offenes, einfaches, fluides Mehrstoffsystem mit n verschiedenen Komponenten, zwischen denen chemische Reaktionen ablaufen können aber nicht müssen. Das System befinde sich in einem mit verschiedenen Öffnungen O ^ , a = 1, 2 ... A versehenen Gefäß, durch welches es Masse mit seiner Umgebung austauschen kann (Abb. A I ) . Für die Massendifferentiale gilt also wieder die Beziehung (A 7.1):
dmj = d c m; + S dmf"*,
i = 1 ... n .
(A 10.43)
Hier bedeuten d c mj, i = 1 ... n eine différentielle Änderung der Masse der Komponente i infolge chemischer Reaktionen im System und dmf*\ i = 1 ... n, a = 1 ... A ein Massendifferential der Komponente i, welches entweder rein, oder als Teil einer Mischung, durch die Öffnung O ^ dem System zugeführt wird. Ein Gleichgewichtszustand des Systems kann nun z. B. durch Angabe seiner Temperatur T, seines Volumens V und der Menge seiner Bestandteile mj, i = 1 ... n beschrieben werden. Nach dem Ersten Hauptsatz der Thermostatik ist der gesamte Energieinhalt des Systems, also seine innere Energie U, eine Zustandsfunktion des Systems. Es gibt also eine eindeutige Funktion U = U(T, V, m j ... m n ) .
(A 10.44)
Nach dem ersten Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik besitzt das System eine weitere Zustandsfunktion, die Entropie S. Auch diese ist eine eindeutige Funktion aller Parameter, die einen Gleichgewichtszustand des Systems beschreiben. Somit gilt (A 10.45) S = S(T, V, mx ... m n ) .
A 10.3 Offene Systeme mit und ohne chemische Reaktionen
97
Löst man (44) nach T auf und setzt den sich ergebenden Ausdruck in (45) ein, so erhält man als Kombination von (44) und (45) für die Entropie die Darstellung S = S(U, V, m t ... m n ) .
(A 10.46)
Die Bedeutung der zunächst unscheinbaren Beziehung (46) für die Thermostatik einfacher fluider Systeme kann nicht genug betont werden. Sie besagt: die Entropie des Systems ist eine eindeutige Funktion der inneren Energie, des Volumens und der Massen der einzelnen Komponenten des Systems, aber keiner weiterer Parameter! Als solche könnten Größen auftreten, die z. B. die Vorgeschichte des Systems oder seine Umgebung und deren Vorgeschichte beschreiben! Die Beziehung (46) besagt gerade, daß dies nicht der Fall ist. Der Wert der Entropie des Systems hängt nur von den Werten der Parameter U, V, mj ... m n des betrachteten Gleichgewichtszustandes ab, nicht aber davon, wie das System in diesen Zustand gebracht worden ist. Er ist also z. B. unabhängig davon, ob die Masse einer Komponente durch chemische Reaktionen im Inneren des Systems, oder durch Massenzufuhr aus der Umgebung des Systems ihren gegenwärtigen Betrag erreicht hat. Die Funktion (46) enthält die gesamte Information, die man benötigt, um die Eigenschaften von Gleichgewichtszuständen des Systems zu beschreiben. Speziell kann man aus ihr die thermostatischen Zustandsgieichungen des Systems ableiten, jene Beziehungen also, die man braucht, um das Verhalten des Systems bei Wärme-, Arbeits- und Massenaustausch mit seiner Umgebung zu beschreiben. Dies wird im folgenden noch erläutert werden. Geht das System von einem Gleichgewichtszustand Z: (U, V, m t ... m n ) in einen infinitesimal benachbarten Gleichgewichtszustand Z + dZ: (U + dU, V + dV, m, 4- dmj ... m n + dm n ) über, so ändert sich die Entropie nach (46) um die Größe
Hierbei sind für die Differentiale dnij, i = 1 ... n die Ausdrücke (43) zu verwenden. Die hier auftretenden Differentialquotienten sind im allgemeinen Funktionen der Zustandsgrößen U, V, m t ... m n , also wieder Zustandsgrößen. Als solche muß ihre Bedeutung unabhängig davon sein, wie der betrachtete Gleichgewichtszustand erreicht worden ist, bzw. auch davon, welche Größen das System mit seiner Umgebung austauscht. Daher kann man zu ihrer Identifizierung Spezialfälle des eigentlichen Systems benutzen. Unterbinden wir zunächst den Massenaustausch und die chemischen Reaktionen, so geht (47) in (10) über und es gelten die Relationen (11) und (12). Ist das System andererseits massenisoliert, so geht (47) in (27) über und wir können wieder die Bezeichnung (28) verwenden. Insgesamt gilt also '9U V,m
T '
(A 10.48)
98
A 10 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
(A 10.49)
am/u.v.m-
fh T '
i = 1 ... n ,
m = (iti!, m 2 ... m n ) .
(A 10.50)
Hierbei sind T, P und ¿¿¡, i = 1 ... n die absolute Temperatur, der Druck und die „chemischen Potentiale" des Systems. Setzt man diese Beziehungen in (47) wieder ein, so erhält man
i=l
(A 10.51)
Dies ist die Gibbs'sche Fundamentalgleichung des Systems. Diese gilt nach ihrer Herleitung, bei welcher eigentlich nur die Existenzaussagen der inneren Energie und Entropie des Systems benutzt worden sind, sowohl für geschlossene als auch für offene Systeme. Da sie nur Zustandsgrößen enthält, gilt sie ferner sowohl für quasistatisch reversible als auch für irreversible Zustandsänderungen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Arten von Vorgängen ist für geschlossene Systeme bereits in den Abschnitten a) und b) dieses Kapitels durch die Beziehungen (8), (9) bzw. (30), (31) angegeben worden. Entsprechende Relationen für offene Systeme werden im Zusammenhang mit dem 2. Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik im Kapitel A 11.5 noch angegeben werden. Die Gibbs'sche Fundamentalgleichung (51) kann einerseits dazu dienen, bei bekannten Intensivparametern T, P, i = 1 ... n die Änderung der Entropie bei einer infinitesimalen quasistatischen Zustandsänderung des Systems auszurechnen. Diese Größe braucht man, um zu entscheiden, ob eine durch willkürliche Werte der Differentiale dU, dV, dm;, i = 1 ... n beschriebene Zustandsänderung des Systems bei vorgegebenem Massen- und Wärmeaustausch überhaupt realisierbar ist und wenn ja, ob sie reversibel oder irreversibel abläuft. (Vgl. Kap. A l l ) . Andererseits kann (51) auch dazu benutzt werden, um aus der „Grundfunktion" (46) die Intensivparameter des Systems, d. h. nach ( 4 8 - 5 0 ) seine thermostatischen Zustandsgieichungen abzuleiten. Dabei ist zu beachten, daß jeder der am System zulässigen Operationen, nämlich Wärme-, Arbeits- und Massenaustausch n vieler Komponenten, gerade ein Term in der Gibbs'schen Gleichung und damit auch ein charakteristischer Intensivparameter zugeordnet werden kann. Der erste Term auf der rechten Seite von (51) beschreibt die Entropieänderung infolge einer „Änderung der inneren Energie" bei konstant gehaltenem Systemvolumen und Massen, also infolge Wärmeaustausches mit der Umgebung. Der charakteristische Intensivparameter dieses Terms ist der Kehrwert der absoluten Temperatur. Der zweite Term auf der rechten Seite enthält als charakteristischen Intensivparameter den mechanischen (bzw. hydrostatischen) Druck. Dieser Term beschreibt die Änderung der Entropie infolge einer Volumenänderung bei konstanter innerer Energie und Massen des Systems.
A 10.3 Offene Systeme mit und ohne chemische Reaktionen
99
Bei dieser Zustandsänderung nimmt das System von seiner Umgebung eine differentielle Wärmemenge auf und gibt (wegen dV > 0) einen gleichen Arbeitsbetrag PdV an seine Umgebung ab, verwandelt also Wärme in Arbeit (Vgl. A 4.8, A 4.23). Im letzten Term auf der rechten Seite von (51) treten die „chemischen Potentiale" als charakteristische Intensivparameter auf. Dieser Term beschreibt formal die Änderung der Entropie des Systems, wenn sich die Massen der einzelnen Komponenten bei konstanter innerer Energie und Volumen durch Massenaustausch oder durch chemische Reaktionen im System ändern. Bei geschlossenen Systemen mit chemischen Reaktionen wird bei diesem Vorgang Bewegungsenergie der Moleküle in chemische Energie, d. h. in atomare oder molekulare Bindungsenergie verwandelt. Dabei tauscht das System mit seiner Umgebung keine Arbeit bder Wärme aus. Seine innere Energie bleibt konstant. Seine Temperatur ändert sich aber im allgemeinen! (Vgl. Fußnote Kap. A 5). Bei offenen Systemen ohne chemische Reaktionen kann eine Massenänderung nur durch Massenaustausch mit der Umgebung verursacht werden. Soll dies bei konstanter innerer Energie und Volumen des Systems geschehen, so muß die in der zugeführten Materie dm,, i = 1 ... n enthaltene Enthalpie (d. h. innere Energie und Einschubarbeit!) dem System in Form von Wärme — z. B. über die Mischungswärme — wieder entzogen werden. Der Term (Pi/T) dmj gibt dann die Änderung der Entropie des Systems beim gesamten Vorgang, d. h. Massenzufuhr und Wärmeabfluß, an. Sind am System noch weitere Operationen erlaubt, z. B. Energieaustausch mit der Umgebung durch äußere Kraftfelder, oder laufen im System noch Vorgänge ab, die durch endlich viele „innere Variable" beschrieben werden können, so treten in der Gibbs'schen Fundamentalgleichung noch weitere Terme auf. Diese beschreiben gerade die Entropieänderungen infolge dieser Operationen bzw. „inneren Vorgänge" und können in analoger Weise gedeutet werden. (Vgl. Kap. A 12.6 und A 14.9, 25, 29) Die Entropie eines einfachen, offenen oder geschlossenen fluiden Mehrstoffsystem kann nun aus den Zustandsgieichungen des Systems mit Hilfe der Gibbs'schen Gleichung (51) berechnet werden. Integriert man diese Beziehung zwischen zwei Zuständen Z 0 : (U 0 , V 0 , m 1 0 ... m n 0 ) und Z: (U, V, m , ... m n ) längs eines „U, V, m r Haken", und faßt man die Massen m j ... m n als voneinander unabhängige Variable auf, so gilt u S(U, V, m t ... m n ) = S(U 0 , V 0 , m 1 0 ... m n 0 ) + / v P(U 0 , V', m) dV'+ J Vo T ( U 0 , V ' , m )
(A 10.52)
("=") = U 0 , V 0 , m j ... m ; . ! , mj, m i + 1 0 ... m n 0 . m = (m, ... m n )
100
A 10 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Hierbei ist zu beachten, daß die gesamte Masse des Systems in den beiden Zuständen Z 0 und Z im allgemeinen voneinander verschieden sein wird:
2
mi0
2 m,.
(A 10.53)
Bei geschlossenen Systemen empfiehlt es sich zuweilen, als Bezugszustand Z 0 einen solchen mit gleicher Gesamtmasse zu wählen. Dann gilt statt (53) die Beziehung (32) und anstelle von (52) ist die Darstellung (32a) zu verwenden. (Vgl. Übungsaufgabe kl.) Eine für praktische Anwendungen oft nützliche Modifikation der Gibbs'schen Fundamentalgleichung ergibt sich, wenn man in ihr von den unabhängigen Variablen U, V, m j ... m n zu T, V, irij ... m n übergeht. Dazu hat man nur für dU die Differentialform (A 7.5) in (51) einzusetzen. Wendet man auf diese das Schwarz'sehe Lemma an, so erhält man wieder die Beziehungen (35) und (36). Mit diesen und (A 7.6) ergibt sich folgende Differentialform für die Entropie:
dS
= T
dT + (
iVm
dV
- j/^V.m
dm
i "
(A
10 54
" )
Diese Beziehung geht für geschlossene Systeme (dmf^ = 0, i = 1 ... n) in Gleichung (37) über. Aus (54) kann die Entropie des Systems als Funktion von T, V, mj, i = 1 ... n durch einfache Integration — z. B. längs eines „T, V, mj-Haken" — berechnet werden, wenn die Zustandsgieichungen des Systems in der Form Cy = CV(T, V, m j ... m n ) P = P(T, V, mx ... m n ) und jU; = jUj(T, V, m x ... m n ) bekannt sind: S(T, V, mx ... m n ) = S(T 0 , V 0 , m 1 0 ... m n 0 ) + T
+ / T•l ft
CvV , V(T', V, m1t ... m n ) — dT + T '
»0 n
m
1 m
i
dßi (är;V)
dm
' •
(A 10.55)
i0
( - ) = (V 0 , m t ... m j - i , mj, m i + 1 0 ... m n 0 ) . Hierbei sind die Komponentenmassen m^ i = 1 ... n — im Gegensatz zu (38) — als voneinander unabhängige Variable aufgefaßt worden. Die Gesamtmassen des Systems im
A 10.3 Offene Systeme mit und ohne chemische Reaktionen
101
Bezugszustand und im Endzustand werden also im allgemeinen voneinander verschieden sein.
Aus der Entropiedarstellung (54) können durch Anwendung des Schwarzachen Satzes, d. h. durch Bildung der Maxwell-Relationen, einige interessante Beziehungen zwischen den Zustandsgieichungen eines thermodynamischen Systems abgeleitet werden. Es gilt:
Ä
^ay-'T.m
= T ( ^ |2) 9T
3mj 9T v, mi
v
>m
9V
,
m
(A 10.54a)
(A 10.54c)
Diese Relationen verknüpfen der Reihe nach die kalorische Zustandsgieichung mit der thermischen, die kalorische mit den chemischen und die thermische mit den chemischen Zustandsgieichungen.
Zum Abschluß dieses Kapitels wollen wir nun noch kurz einige andere Formen der Gibbs'schen Fundamentalgleichung (51) diskutieren. Diese Formen gelten für einfache, offene und geschlossene Systeme mit und ohne chemische Reaktionen gleichermaßen. Aus ihnen können verschiedene Deutungen der chemischen Potentiale des Systems abgeleitet werden. Außerdem können mit ihrer Hilfe interessante Aussagen über das Verhalten des Systems bei quasistatischen Zustandsänderungen gemacht werden (Maxwell-Relationen). Ferner können aus diesen neuen Formen der Gibbsschen Fundamentalgleichung einige allgemeine Zusammenhänge zwischen den thermostatischen Zustandsgleichungen des Systems begründet werden. Wir lösen die Beziehung (51) nach der inneren Energie auf. Dann erhält man
dU = TdS - PdV + 2 jUj dnij.
(A 10.56)
i=l
In dieser Beziehung wird die innere Energie U des Systems als Funktion seiner Entropie S, seines Volumens V und seiner Massen mj, i = 1 ... n aufgefaßt:
U = U ( S , V , m 1 ... m n ) .
(A 10.57)
102
A 10 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Auch diese Funktion ist ein thermodynamisches Potential. Tatsächlich kann man aus ihr durch Bildung der partiellen Ableitungen alle thermostatischen Zustandsgieichungen des Systems gewinnen. Im Hinblick auf (56) gilt
(fVm
=T>
(A10-58)
Os,m
=-p>
(A10-59)
^
W
i
i=l~n.
(A 10.60)
Die linken Seiten dieser Beziehungen sind gewisse Funktionen in den Variablen S, V, m! ... m n . Drückt man nun z. B. mit (58) die Entropie S als Funktion von V, m t ... m n und T aus und setzt diesen Ausdruck in (57), (59) und (60) ein, so erhält man die kalorische, die thermische und die chemischen Zustandsgieichungen des Systems in gewohnter Form: U = U(T, V, m t ... m n ) ,
(A 10.61)
P = P(T, V, m t ... m n ) ,
(A 10.62)
ßi = ßi(T, V, m t ...
i = 1 ... n .
(A 10.63)
Die „Energieform" der Gibbs'schen Fundamentalgleichung (56) kann nun ähnlich wie (51) in systematischer Weise gedeutet werden. Jeder Term auf der rechten Seite entspricht gerade einer Operation, die am thermodynamischen System zulässig ist. Er enthält auch einen für diese Operation charakteristischen Intensivparameter. Der erste Term beschreibt die Energieänderung des Systems infolge von Wärmeaustausch bei konstantem Volumen und Komponentenmassen. Der charakteristische Intensivparameter ist die Temperatur, ihr „thermodynamisch konjugierter" Extensivparameter die Entropie!* Der zweite Term auf der rechten Seite von (56) beschreibt die Änderung der inneren Energie des Systems infolge von Arbeitsaustausch bei konstanter Entropie und Komponentenmassen. Der charakteristische Intensivparameter ist der mechanische Druck. Der Summenterm in (56) beschreibt die Energieänderung des Systems infolge einer bei konstanter Entropie und Volumen erfolgenden Änderung der Massen der einzelnen Komponenten des Systems. Diese Massenänderung kann entweder durch Massenaustausch zwischen System und Umgebung, durch chemische Reaktionen oder durch beides verursacht werden. Die charakteristischen Intensivparameter dieses Vorgangs sind die Gibbs'schen „chemischen Potentiale" piy i = 1 ... n. Sie geben
*
Zwei thermodynamische Zustandsgrößen X und Y heißen per definitionem „thermodynamisch konjugiert", wenn das totale Differential der inneren Energie des Systems, aufgefaßt als Funktion von Y und eventueller weiterer Parameter: U = U(... Y ...), den Ausdruck dU = ... + XdY ... enthält.
A 10.3 Offene Systeme mit und ohne chemische Reaktionen
103
nach (60) an, um wieviel sich die innere Energie eines sehr groß gedachten Systems ändert, wenn ihm die (kleine) Masseneinheit Am{ = 1 der Komponente i isochor und isentrop zugeführt wird. Die Bedingung V = const.kann experimentell bei der Massenzufuhr verhältnismäßig einfach erfüllt werden. Die Bedingung S = const kann auf folgende Weise realisiert werden: Man führe die Masse Arnj zunächst isotherm zu. Dann kühle man das gesamte System ein wenig ab, so daß seine Entropie wieder ihren ursprünglichen Wert annimmt. Die entsprechende Temperaturänderung AT ist durch die Bedingung S ( T - AT, V, m t ... m i _ 1 , mj + Am i; m i + 1 ... m n ) = S(T, V, m0 bestimmt. Die chemischen Potentiale können also zunächst als charakteristische spezifische Energien angesehen werden, die bei einer speziellen Art von Massenzufuhr auftreten! Aus der „Energiedarstellung" der Gibbs'schen Gleichung (56) kann man nun durch Legendre Transformationen [11, S. 149] weitere interessante Beziehungen und neue thermodynamische Potentiale ableiten. Wir definieren zunächst die Enthalpie H, die freie Energie F und die freie Enthalpie G des fluiden Mehrstoffsystems durch die Beziehungen H: = U + PV,
(A 10.64)
F: = U —TS ,
(A 10.65)
G: = U + PV — TS .
(A 10.66)
Für die Differentiale dieser Größen ergeben sich aus (56) folgende Ausdrücke n
dH(S, P, m, ... m n ) = TdS + VdP + 2
dnij,
(A 10.67)
i— 1 n
dF(T, V, m, ... m n ) = — SdT - PdV + 2 Mi dm, ,
(A 10.68)
i=l n
dG(T, P, m, ... m n ) = - SdT + VdP + 2 ß t dm;.
(A 10.69)
i=l
Man kann leicht zeigen, daß H, F und G thermodynamische Potentiale des Systems in den jeweils angegebenen Variablen sind. Daß heißt, daß auch die Funktionen H = H(S, P, m t ... m n ), F = F(T, V, m, ... m n ), G = G(T, P, m, ... m n ) alle Gleichgewichtseigenschaften des Systems beschreiben können und insbesondere seine thermostatischen Zustandsgieichungen enthalten. Diese können aus jeder dieser Funktionen mit Hilfe einer der Beziehungen (67—69) durch einfaches Differenzieren wieder gewonnen werden. Für praktische Anwendungen spielen unter diesen Potentialen die freie Energie und insbesondere die freie Enthalpie die größte Rolle, da die in ihnen vorkom-
104
A 10 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
menden unabhängigen Variablen experimentell besonders leicht kontrolliert werden können. Als erste Folgerung aus den Beziehungen (67—69) wollen wir nun weitere Darstellungen bzw. Interpretationen der chemischen Potentiale ableiten. Zunächst gilt formal
W = (^ 1m^j )S«. Pp. mm *i = v69rm- > v . m .j = N^m; T . Pp . m•j • j rT . V
(A 10.70)
Unter diesen Differentialquotienten kann jener der freien Energie am einfachsten gedeutet werden. Dazu ist es notwendig, zunächst an die Interpretation der freien Energie als „isotherme Aufbauarbeit" eines thermodynamischen Systems zu erinnern. Wir betrachten dazu die isotherme und reversible Überführung eines Mehrstoffsystems von einem gewissen Bezugszustand Z 0 (T, V 0 , m x ... m n ) in einen Zustand Z(T, V, m j ... m n ). Das System tausche dabei mit seiner Umgebung nur Arbeit und Wärme, aber keine Masse aus. Der Erste und Zweite Hauptsatz lauten für einen solchen Vorgang nach (A 4.2, A 5.2) und (2): aQ rev = TdS , dQ rev = dU + dA . Aus diesen Beziehungen folgt mit T = const T(S — S 0 ) = U — U 0 + A , bzw. — A = F — F0 .
(A 10.71)
Wir nennen die Größe — A die „reversible isotherme Aufbauarbeit" des Systems. Es ist jene Arbeit, die man dem System zuführen muß, um es reversibel und isotherm von Z 0 in den Zustand Z überzuführen. Nach (71) ist diese Arbeit gerade gleich der Zunahme der freien Energie des Systems. Nach (70) und (71) gilt nun Mi1 Am:1 = ( , , * Am: • Am: = 1 = — dmj T,V,mi 9nij T>V,mi i = - (A(T, V,... m;...) - A(T, V,... m, + Anij ...)) . Das chemische Potential der Komponente i des Systems ist also gleich der Änderung der „reversiblen isothermen Aufbauarbeit" des Systems, wenn man diesem bei konstanter Temperatur und konstantem Volumen die Masseneinheit Amj = 1 der Komponente zufuhrt.
A 10.4 Bemerkungen zu den Maxwell-Relationen
105
Eine dritte Deutung der chemischen Potentiale, nämlich als „chemische Drücke" eines Systems, die bestrebt sind, unterschiedliche Massenkonzentrationen innerhalb des Systems auszugleichen, wird noch in Kapitel A 12.5 diskutiert werden.
A 10.4 Bemerkungen zu den Maxwell-Relationen Als weitere Folgerung aus (67—69) bzw. (56) wollen wir nun einige „Maxwell-Relationen" anfuhren. Diese Beziehungen ergeben sich aus dem Umstand, daß die rechten Seiten von (56) bzw. (67—69) totale Differentiale sind, die gemischten zweiten Differentialquotienten von U, H, F, G also unabhängig von der Reihenfolge der Differentiationen sein müssen. Damit ergeben sich z. B. aus (56) die Relationen
Os,
=
m
3P ^m/S.V.ml
"
i
(A10-72>
w
^av-'s.m ' i = 1 ... n ,
C>s,v,
m î
=(lfV
m
-
(A10-74>
Diese Gleichungen stellen nicht nur formale mathematische Beziehungen zwischen den Intensivparametern T, P, ß v i = 1 ... n eines thermodynamischen Systems, aufgefaßt als Funktionen von S, V, m t ... m n dar. Sie enthalten vielmehr konkrete physikalische Aussagen über das Verhalten des Systems in ganz verschiedenen experimentellen Situationen, welche durch die in (72—74) auftretenden Differentialquotienten beschrieben werden. Betrachten wir z. B. die Beziehung (72) für ein gasförmiges thermodynamisches System, welches sich in einem mit einem verschiebbaren Kolben abgeschlossenen Zylinder befindet. Wir fuhren nun die in den folgenden Figuren angedeuteten zwei Experimente durch:
AQ-0 Abb. A 19a Isentrope Expansion (und Abkühlung) eines Gasgemisches. Abb. A 19b Isochore Erwärmung eines Gasgemisches.
106
A 10 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
a) Wir vergrößern das Volumen des Systems AV, halten aber dabei die Entropie S und die Komponentenmassen m j ... m n des Systems konstant. Da S im allgemeinen eine mit V monoton wachsende Funktion ist, (vgl. Aufg. A 5, A 6) ist dazu eine gewisse Kühlung des Systems notwendig (AQ < 0). Die Wärmeabgabe erfolge dabei reversibel, also bei „verschwindender" Temperaturdifferenz System-Umgebung. Bei dieser Zustandsänderung wird sich auch die Temperatur T des Systems um AT ändern. Das Verhältnis der Änderungen AT/AV wird thermodynamisch durch den Differentialquotienten
(A10
§=(§-)S,m
-75a)
beschrieben. b) Nun führen wir in einem zweiten Experiment demselben System zunächst reversibel etwas Wärme AQ zu, halten nun aber sein Volumen und seine Massen konstant. Dann nimmt nach (2) auch die Entropie um AS = AQ/T zu. Außerdem wird sich im allgemeinen der Druck im System etwas erhöhen (AP). Das Verhältnis dieser Änderungen wird thermodynamisch durch den Differentialquotienten
i=(§)v,
(A10^b)
m
beschrieben. Die Maxwell Relation (72) besagt nun: die Quotienten (75a) und (75b) sind nicht willkürlich wählbar, sondern einander entgegengesetzt gleich! Nimmt die Temperatur im ersten Experiment ab, so muß der Druck im zweiten Versuch zunehmen. In ähnlicher Weise können nun auch die Relationen (73) und (74) gedeutet werden. Wir wollen dies hier nicht tun, sondern an ihrer Stelle die aus (68) bzw. (69) folgenden „entropiefreien" Maxwell-Relationen anführen und diskutieren. Aus (68) folgt
-^)T,V)mi=(W)T.m'
1
=
1
~ ° '
(A
ltt76
>
Diese Beziehung besagt: Führt man einem fluiden Mehrstoffsystem die Masse Am{ der Komponente i isotherm und isochor zu, so ändert sich der Druck im System gerade entgegengesetzt, wie sich das chemische Potential dieser Komponente bei einer isothermen Volumen Vergrößerung relativ zu dieser verändern würde. Die zu (76) gehörenden Zustandsänderungen sind in den folgenden Figuren A 20 a, b angedeutet. Aus (69) folgt mit Hilfe des Schwarzen Satzes ferner
A 10.4 Bemerkungen zu den Maxwell-Relationen
107
IM'ÄHi Abb. A 20 b
Isotherme Expansion eines fluiden Gemisches.
Diese Beziehung besagt: Führt man einem fluiden Mehrstoffsystem isotherm und isobar die Masse Am; der Komponente i zu, so ändert sich das Volumen des Systems relativ zu dieser Masse genau so wie sich das chemische Potential der Komponente i bei einer isothermen Druckerhöhung relativ zu dieser ändern würde. Die in (77) miteinander verknüpften Zustandsänderungen sind in den folgenden Figuren angedeutet.
AM,
VÖNI;/^»
Abb. A 21 a Isotherm und isobare Massenzufuhr zu einem fluiden Gemisch.
ÄP
Abb. A 21 b
"vap
T.m:
Isotherme Druckerhöhung in einem fluiden Gemisch.
108
A 10 Der Erste Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Die Maxwell-Relationen gestatten also ganz allgemein, aus dem Verhalten eines thermodynamischen Systems in einer gewissen experimentellen Situation, auf das Verhalten des Systems in ganz anderen Situationen zu schließen. Dies ist der wesentlich physikalische Inhalt dieser Relationen! Ihre Richtigkeit kann grundsätzlich experimentell überprüft werden. Ihre Gültigkeit ist ein indirekter Beweis bzw. eine Bestätigung für die Gültigkeit des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik.
A 10.5 Eine weitere Form der Gibbsschen Fundamentalgleichung Der Vollständigkeit halber sei noch eine weitere Form der Gibbs'schen Fundamentalgleichung erwähnt, nämlich die Darstellung der Entropie als Funktion der unabhängigen Variablen H, P, m 1 ... m n bzw. T, P, m t ... m n . Löst man (67) nach dS auf, so erhält man die Relation
•
dS = ^ d H - ^ d P -
2 ydmj.
(A 10.78)
Hier wird die Entropie als Funktion der Enthalpie, des Druckes und der Massen aufgefaßt: S = S(H, P, m, ... m n ) .
(A 10.79)
Auch diese Funktion ist ein thermodynamisches Potential. Nach (78) gilt nämlich
(A1 80)
#)p,m H.«
°-
?^-. z, a
(A 11.1)
Hier ist dQ die dem System während des Prozesses „bei der Temperatur T a " reversibel oder irreversibel zugefuhrte Wärmemenge. Das Ungleichungszeichen gilt für natürliche und für quasistatisch irreversible Zustandsänderungen, das Gleichheitszeichen für quasistatisch reversible Prozesse. Unter der Temperatur T a hat man bei natürlichen, also auch Nichtgleichgewichtszustände enthaltenden Vorgängen, die zeitlich konstante, oder aber veränderliche Temperatur des Wärmebades zu verstehen, in welchem sich das Sy-
112
A l l Der Zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
stem befindet. Durchläuft es nämlich Nichtgleichgewichtszustände, so kann ihm im_allgemeinen gar keine einheitliche Temperatur zugeordnet werden! Bei quasistatisch irreversibel oder reversibel geführten Prozessen kann T a entweder als Badtemperatur, oder auch als Systemtemperatur T a = T angesehen werden. Bei solchen Vorgängen befindet sich das System nach Voraussetzung stets in einem thermostatischen Gleichgewichtszustand und besitzt damit eine Temperatur T. Diese ist gleich der Temperatur T a des Bades, welches das System umgibt. Die Ungleichung (1) ist der Zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik für geschlossene Systeme. Sie ist von R. Clausius um 1865 angegeben worden [44], und wird heute daher als CJausiussche Ungleichung bezeichnet. Sie wird gewöhnlich mit Hilfe der „Carnot-Relation" durch Betrachtungen an Kreisprozessen abgeleitet [16, S. 52ff; 19, S. 225ff; 11, S. 114; 95], Wir wollen diese Ableitung hier nicht wiederholen, sondern uns auf eine Diskussion der Ungleichung (1) beschränken. Diese Ungleichung erlaubt zunächst, reversible und irreversible Vorgänge nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ voneinander zu unterscheiden. Sie ist also physikalisch ein Kriterium dafür, ob man ein thermodynamisches System nach Durchlaufen eines Vorganges Z1 -> Z 2 wieder in seinen Ausgangszustand zurückführen kann, ohne daß Veränderungen in der Umgebung des Systems zurückbleiben, oder nicht. Setzt man in (1) für die linke Seite die Beziehung (A 10.1) mit Z 0 -* Zx, Z -*• Z 2 ein, so erhält man für irreversible Vorgänge die Aussage:
z
i
z,
a
Die Summe der reduzierten Wärmemengen, die einem geschlossenen System bei einer Zustandsänderung Z1 -* Z 2 zugeführt werden, ist für den natürlichen, d. h. irreversibel ablaufenden Übergang stets kleiner, als für den quasistatisch reversiblen Vorgang. Die Ungleichung (1) ist ferner das historisch erste Beispiel eines Evolutionskriteriums'. ein geschlossenes System kann von einem Ausgangszustand Zx allein durch Arbeitsund Wärmeaustausch nicht in jeden beliebigen anderen Zustand Z 2 übergehen, sondern nur in solche, deren Entropie die Ungleichung (1) erfüllen. Evolutionskriterien spielen in der Thermodynamik der Vorgänge heute eine aktuelle Rolle, insbesondere bei der Beschreibung von Vorgängen in biologischen Systemen (Wachstumsvorgänge). (Vgl. Kap. E und [88 a, 92].) Der Zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes (1) spielt auch in der phänomenologischen Theorie der Vorgänge in kontinuierlicher Materie, d. h. in der sogenannten „Thermodynamik der irreversiblen Prozesse", eine wichtige Rolle. Er macht eine allgemeine Aussage über die „Richtung" der natürlichen Vorgänge oder, allgemeiner ausgedrückt, über die „Richtung" der in der Natur vorkommenden Energietransformationen.
A 11.2 Natürliche Vorgänge in geschlossenen Systemen
113
Diese Aussage ist von grundsätzlicher Bedeutung für die physikalische Begründung einer gewissen Klasse von Gleichungen, den Materialgleichungen eines thermodynamischen Systems. Diese Gleichungen beschreiben, im Gegensatz zu den thermostatischen Zustandsgieichungen, nicht Gleichgewichtseigenschaften, sondern echt thermodynamische Eigenschaften des Systems, also sein Verhalten bei dynamischen Zustandsänderungen und Prozessen. Sie beschreiben z. B. das unterschiedliche Verhalten von Öl und und Wasser, oder von Holz, Kunststoff und Beton bei Vorgängen wie Wärmeleitung, Diffusion oder auch bei Deformation unter dem Einfluß äußerer Kräfte. Diese Gleichungen werden in den folgenden Kapiteln noch begründet und diskutiert werden. Insbesondere werden wir dabei noch ihren Zusammenhang mit dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik aufzeigen. Es ist nun Zweckmäßig, die Ungleichung (1) für natürliche und für quasistatisch irreversible bzw. reversible Vorgänge noch gesondert zu betrachten.
A 11.2 Natürliche Vorgänge in geschlossenen Systemen Die Ungleichung (1) lautet für natürliche, also auch Nichtgleichgewichtszustände enthaltende Vorgänge:
S ( Z 2 ) - S ( Z , ) > /* ^ K
(A 11.3)
Zl
Durchläuft ein geschlossenes thermodynamisches System einen beliebigen, zwischen zwei Gleichgewichtszuständen Zl und Z 2 eingebetteten Prozeß, so muß die Entropie des Endzustandes Z 2 größer sein als die Entropie des Ausgangszustandes, vermehrt um die integrale Summe der dem System zugeführten reduzierten Wärmemengen. Die Größe T a ist die absolute Temperatur des Wärmebades, welches nach Voraussetzung das System umgibt. Das Wärmedifferential in (3) muß durch eine Meßvorschrift erklärt werden, welche im allgemeinen von der Natur des Systems abhängen wird. Eine Definition dieser Größe durch eine Differentialform in den thermostatischen Zustandsvariablen des Systems (Kap. A 4—8), ist nur bei quasistatischen Vorgängen, nicht aber bei natürlichen Prozessen möglich, da bei solchen dem System gar keine thermostatischen Parameter wie Druck, Temperatur oder Volumen zugeordnet werden können. Ein Beispiel soll diese Feststellung erläutern: Wasser in einem Topf werde durch einen Tauchsieder erwärmt. Kocht das Wasser sprudelnd, so ist es thermodynamisch betrachtet ein kompliziertes Mehrphasensystem (Dampfblasen!), welches eine turbulente Schlingerbewegung ausfuhrt. Ein solcher Nichtgleichgewichtszustand kann noch unter bestimmten Voraussetzungen durch einen Satz von Feldern beschrieben werden, etwa durch ein Temperaturfeld, ein Druckfeld oder ein Dichtefeld. Er kann aber nicht mehr durch einige wenige thermostatische Parameter charakterisiert werden! Die dem Wasser in einem Zeitelement dt irreversibel zugeführte Wärme ist die Joule'sche Wärme dQ i n = JUdt, wo J und U Strom und Spannung an der Tauchsiederheizung bedeuten.
114
A l l Der Zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Diese Definition ist zugleich eine Meßvorschrift für die Wärme, da Strom und Spannung gemessen werden können! Auch über den Verlauf der Entropie des Systems während des Prozesses kann man keine Aussage machen:
da das System zwischen Z, und Z 2 im allgemeinen auchNichtgleichgewichtszustände durchläuft, besitzt es während eines natürlichen Vorganges weder eine Entropie noch eine Temperatur im Sinne der Thermostatik! Auf diesen Umstand ist seinerzeit insbesondere von G. Kirchhoff anläßlich seiner Begutachtung der Dissertation von M. Planck*, von W. Schottky [16, S. 56], von van der Waals [18, S. 40, 44] und in jüngster Zeit auch von Meixner [103, 102] und dem Verfasser hingewiesen worden. (Vgl. auch [95].) Man kann auch Argumente dafür anführen, daß sich die Entropie für Nichtgleichgewichtszustände — ähnlich wie der Temperaturbegriff — gar nicht eindeutig definieren läßt. Dies gilt sowohl im Rahmen der phänomenologischen, als auch der statistischen Thermodynamik! Zur Klärung der Frage, ob und wie der Entropiebegriff und mit ihm dann auch der Temperaturbegriff auf Nichtgleichgewichtszustände eines thermodynamischen Systems übertragen werden können, ist es aber zunächst notwendig, den physikalischen Inhalt des Begriffes „Entropie eines thermodynamischen Systems in einem Nichtgleichgewichtszustand" zu klären. Die klassischen Interpretationen der Entropie eines in einem Gleichgewichtszustand befindlichen thermodynamischen Systems scheinen nicht auszureichen, diese Frage physikalisch befriedigend zu beantworten. Nach M. Planck [13, S. 90, 99] kann die Entropie als „Wahrscheinlichkeit" bzw. als Maß für die Vorliebe, Tendenz oder Neigung des Systems angesehen werden, einen vorgegebenen Zustand tatsächlich anzunehmen. Nach L. Boltzmann [2] kann die Entropie als „Maß für den Ordnungszustand der Moleküle des Systems" interpretiert werden. C. E. Shannon [ 190] deutet die Entropie schließlich als „Maß für unsere Unkenntnis bzw. den Mangel an Information über das System". (Vgl. auch die Diskussion der Ungleichung (4).) Wenn auch diese Interpretationen zumindest formal auf Nichtgleichgewichtssituationen übertragen werden können, so scheint es nicht leicht zu sein, aus ihnen für konkrete Vorgänge in thermodynamischen Systemen echten Nutzen zu ziehen. Im übrigen gehört die oben aufgeworfene Frage nicht mehr zur Thermostatik, sondern zur Thermodynamik der Vorgänge. Über einige Versuche, sie im Rahmen moderner Entwicklungen der Thermodynamik zu beantworten, soll noch in Kapitel E berichtet werden.
* M. Planck selbst macht in seinen Lebenserinnerungen eine entsprechende Bemerkung zu seiner Dissertation: „Kirchhoff lehnte ihren Inhalt ausdrücklich ab mit der Bemerkung, daß der Begriff der Entropie, deren Größe nur durch einen reversiblen Prozeß meßbar und daher auch definierbar sei, nicht auf irreversible Prozesse angewendet werden dürfe". VgL M. Planck: Wissenschaftliche Selbstbiographie S. 7 - 3 4 , J. A. Barth, 1948.
A 11.2 Natürliche Vorgänge in geschlossenen Systemen
115
Ein interessanter Spezialfall der Ungleichung (3) ergibt sich, wenn das System nicht nur geschlossen, sondern sogar vollständig isoliert ist (3Q in . = 0). Dann gilt •
S(Z2)>S(Z!).
( A I 1.4)
Dies ist das „Wachstumsprinzip" für die Entropie. Es besagt: In der Natur laufen in abgeschlossenen einfachen thermodynamischen Systemen nur solche Vorgänge von selbst und mit endlicher Geschwindigkeit ab, bei denen die Entropie des neuen Gleichgewichtszustandes größer als die des ursprünglichen Zustandes ist. Dieses Prinzip zeigt, daß die Entropie tatsächlich als Maß für die Neigung bzw. Vorliebe eines thermodynamischen Systems angesehen werden kann, einen gewissen Zustand anzunehmen: Bei einem im System von selbst ablaufenden Vorgang kann das System nur in solche Zustände übergehen, deren Realisierungstendenz größer ist als die des Ausgangszustandes. Interpretiert man die Entropie nach Boltzmann als Maß für den „Ordnungszustand" der Moleküle des Systems im Phasenraum der Statistischen Mechanik, so ist zu beachten, daß kleine Entropiewerte einem hohen Ordnungsgrad (Kristall), große Werte einem hohen Maß an „Unordnung" (Gas) entsprechen. Die Ungleichung (4) besagt dann: In abgeschlossenen Systemen laufen Vorgänge stets so ab, daß die „molekulare Unordnung" gegenüber dem Ausgangszustand zunimmt. (Vgl. auch die folgende Diskussion des Gay—Lussac'schen Überströmversuchs.) Interpretiert man die Entropie nach Shannon als „Maß für die Unkenntnis", die wir vom System haben, so ist zu beachten, daß kleine Werte der Entropie geringer Unkenntnis, also einem hohen Informationsgrad, große Werte der Entropie aber einem geringen Kenntnisstand über den „Zustand" des Systems entsprechen [190, 112]. Die Ungleichung (4) besagt dann: die Kenntnis über den „Zustand" eines abgeschlossenen Systems kann bei einem im Inneren des Systems ablaufenden Vorgang nur abnehmen, aber niemals zunehmen. Dies erscheint selbstverständlich, da man Informationen über den „Zustand" eines Systems grundsätzlich nur durch Wechselwirkungen des Systems mit seiner Umgebung gewinnen kann. Gerade diese sind aber nicht möglich, da das System nach Voraussetzung von seiner Umgebung isoliert sein soll. Die Information über den „Zustand" des Systems kann also beim Übergang Z j Z 2 nicht zunehmen. Sie muß im Gegenteil nach (4) durch „Vergessen" bzw. „Informationszerstreuung" stets abnehmen. Die Aussage (4) sollte im übrigen nicht bedenkenlos auf das gesamte Weltall, aufgefaßt als thermodynamisches System, angewandt werden [44]. Zunächst steht nicht fest, wie A. Sommerfeld bemerkt, ob das Weltall tatsächlich als abgeschlossenes System angesehen werden kann. Ferner kann man nur Vermutungen darüber anstellen, ob der „Anfangszustand" des Weltalls als thermostatischer Gleichgewichtszustand (Zl) aufgefaßt werden kann, in dem dann durch das Aufheben von „Hemmungen" ein Vorgang initiiert worden ist. Zumindest scheint es nicht einfach zu sein, diese Vorstellung
116
All
Der Zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
mit der heute von Astrophysikern favorisierten „Urknallhypothese" zu vereinigen. Sollten alle diese Voraussetzungen richtig sein, ist zu beachten, daß die Ungleichung (4) nichts über den gegenwärtigen Zustand des Weltalls oder gar über eine Entwicklungstendenz dieses Zustandes aussagen würde, sondern nur Anfangs- und Endzustand des Weltalls miteinander verknüpft. Im übrigen sollte nicht vergessen werden, daß auch der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik nur Teil eines von Menschen ersonnenen Formalismus ist, der bestenfalls die physikalische Wirklichkeit beschreiben kann. Diese ist aber nach der Überzeugung des Verfassers nur ein Teilaspekt des vergangenen und gegenwärtigen Wirkens eines Schöpfers, der die Welt nicht nur geschaffen hat, sondern auch um ihr zukünftiges Schicksal weiß!
A 1 1 . 3 Quasistatisch irreversible und reversible Vorgänge in geschlossenen Systemen a) Quasistatisch irreversible Vorgänge: Diese Vorgänge sind erklärt als irreversibel durchlaufene Folgen von Gleichgewichtszuständen (Kap. A 9). Das System besitzt also auch während des Ubergangs Z1 Z 2 in jedem Augenblick eindeutige thermostatische Parameter, insbesondere eine Entropie S und eine Temperatur T. Letztere ist gleich der Badtemperatur T a ! Da nun die Ungleichung (1) für zwei beliebige zeitlich geordnete Gleichgewichtszustände gilt, kann sie auch auf zwei zwischen Zj und Z 2 liegende und infinitesimal benachbarte Zustände angewandt werden. Bezeichnen wir diese symbolisch mit Z und Z + dZ, so gilt nach (1) mit T a = T *: S(Z + d Z ) - S ( Z ) >
z+dz ao. f
Nun wenden wir auf das Integral den Mittelwertsatz der Integralrechnung an (T > 0, [162, Bd. 1 ]) und bezeichnen die Entropiedifferenz mit dS(Z). Dann gilt •
dS(Z) >
aQirr
.
(A 11.5)
Geht eii\ einfaches geschlossenes System quasistatisch irreversibel von einem Gleichgewichtszustand Z in einen infinitesimal benachbarten Zustand Z + dZ über, so ist die zugehörige Entropieänderung stets größer als die zugeführte reduzierte Wärmemenge. *
Bei quasistatisch irreversiblen Prozessen befindet sich das System mit seiner Umgebung im thermischen Gleichgewicht. Daher ist seine Temperatur T stets gleich der Umgebungstemperatur T a . Beide Temperaturen können sich aber im Laufe der Zeit „quasistatisch", d. h. sehr langsam verändern.
A 11.3 Quasistatische irreversible und reversible Vorgänge in geschlossenen Systemen
117
Die Ungleichung (5) wird zuweilen als différentielle Formulierung des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik bezeichnet. Sie gilt nur für quasistatisch irreversible, nicht aber für natürliche Prozesse. Für diese gilt nur die (mathematisch schwächere) integrale Formulierung (3). Wir wollen nun die Aussage (5) noch in einer anderen Form schreiben. Dazu führen wir zwei neue Größen S a und S i n ein, die bis auf Integrationskonstante durch folgende Gleichungen definiert sind: 3Qi,
asa: = •
(AI 1.6)
T
dSj n : = dS — dS a .
( A I 1.7)
Die Größe dS a kann als die Entropie angesehen werden, welche dem (geschlossenen) System beim Übergang Z -> Z + dZ durch Wärmeaustausch mit seiner Umgebung zugeführt wird; dS i n ist die Entropie, die im Inneren des Systems beim Übergang Z -*• Z + dZ produziert oder vernichtet wird. Die Aussage (5) lautet nun mit (6) und (7): •
asin>0.
( A I 1.8)
Bei quasistatisch irreversiblen Vorgängen kann im Inneren von geschlossenen Systemen Entropie stets nur erzeugt, nicht aber vernichtet werden. Ist das System nicht nur geschlossen, sondern sogar abgeschlossen (dQ jrr = 0), so gilt nach (6)—(8) asa = 0 ,
(A 11.9a)
dS = a s i n > 0 .
( A I 1.9b)
In isolierten, einfachen thermodynamischen Systemen kann die Entropie während eines quasistatisch irreversiblen Prozesses nur zunehmen. Für natürliche Vorgänge gilt diese Aussage im allgemeinen nicht, da bei diesen anstelle von (9b) nur die schwächere Ungleichung (4) gültig ist. b) Quasistatisch reversible Vorgänge: Diese in Strenge nicht realisierbaren hypothetischen Vorgänge sind erklärt als reversibel durchlaufene Folgen von Gleichgewichtszuständen (Kap. A 9). Für solche gilt in (1) das Gleichheitszeichen. Ferner ist unter dQ = dQ rev ein Differential der dem System reversibel zugeführten Wärme zu verstehen. Damit folgt aus (1) mit T a = T *: z
S(Z2)-S(Z0=/
* 3Qrev -y21.
(A 11.10)
* Bei quasistatisch reversiblen Vorgängen stehen System und Umgebung miteinander stets im thermischen Gleichgewicht. Daher gilt T = T a !
118
A l l Der Zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Dies ist gerade die integrale Definitionsgleichung für die Entropie des Systems (A 10.1). Wendet man sie auf zwei infinitesimal benachbarte Gleichgewichtszustände Z und Z + dZ an, so erhält man die zugehörige différentielle Form (A 10.2) 3Qrev
dS = — .
(All.11)
Teilen wir wieder die Entropieänderung dS in einen von außen zugeführten Anteil dS a und einen im Inneren des Systems produzierten Anteil 3S i n und definieren wir
dS
a =
äQrev
.
(A 11.12)
so folgt aus (7) mit (11) und (12)
as i n = 0 .
(A 11.13)
Bei quasistatisch reversiblen Vorgängen wird im Inneren eines geschlossenen Systems keine Entropie erzeugt! Wir wollen nun den zweiten Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik für quasistatische Prozesse in folgender Weise zusammenfassen: Bei einer infinitesimalen quasistatischen Zustandsänderung eines thermodynamischen Systems, welches mit seiner Umgebung nur Arbeit und Wärme, aber keine Masse austauscht, kann die Änderung der Entropie stets in zwei Anteile aufgespalten werden: dS = a s a + a s i n .
(A 11.14)
Hierbei ist stets ÜSa = f
(A 11.15)
die von außen dem System zugeführte Entropie. Ferner gilt für die im Inneren des Systems produzierte Entropie nach (8) und (13) dSin>0.
(A 11.16)
Das Größer-Zeichen gilt für quasistatisch irreversible, das Gleichheitszeichen für quasistatisch reversible Vorgänge. Es ist zu beachten, daß weder S a noch S, n für sich Zustandsgrößen sind, wohl aber die Summe beider, nämlich die Entropie des Systems. Zum Abschluß des allgemeinen Teils in diesem Kapitel sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, daß für natürliche, auch Nichtgleichgewichtszustände enthaltende
A 11.3 Quasistatische irreversible und reversible Vorgänge in geschlossenen Systemen
119
Vorgänge nur die Ungleichungen (3) bzw. (4) gelten. Die Gültigkeit der Ungleichungen (5) und (16) ist zunächst auf quasistatische Vorgänge beschränkt! Wir wollen nun zwei allgemeine Folgerungen aus dem zweiten Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik für quasistatische Prozesse ziehen: a) Setzt man für dS in (5) den Ausdruck (11) ein, so erhält man die Aussage dQrev>dQirr.
(A 11.17)
Führt man ein und dieselbe infinitesimale quasistatische Zustandsänderung Z Z + dZ eines geschlossenen thermodynamischen Systems bei derselben Temperatur einmal reversibel, dann beliebig irreversibel durch, so tauscht das System beim reversiblen Vorgang mit seiner Umgebung stets mehr Wärme aus, als beim irreversiblen Prozeß. Nach dem Ersten Hauptsatz der Thermostatik gilt nun für die Wärmemengen in (17) dQrev=dU + dArev,
(A 11.18a)
dQ irr = dU + d A i r r .
(A 11.18b)
Hier bedeuten dA rev bzw. dA irr die bei den einzelnen Zustandsänderungen vom System an seine Umgebung abgegebenen Arbeiten. Aus (17) und (18a, b) folgt aArev>dAirr.
(A 11.19)
Wird ein und dieselbe Zustandsänderung Z -»• Z + dZ einmal reversibel, dann irreversibel durchgeführt, so gibt das System beim reversiblen Vorgang stets mehr Arbeit an seine Umgebung ab als beim irreversiblen Prozeß! Beispiel: Die quasistatische Expansion eines Gases in einem Zylinder, Kap. A 9, kann reversibel geführt werden, wenn zwischen Zylinder und Kolben keine Reibungskräfte wirken. Tatsächlich verläuft die Expansion stets irreversibel, da eben Reibungskräfte auftreten. Setzt man aA r e v = P d v , aAirr = (P + P r ) d V , wo P den Gasdruck und P r einen durch die Reibungsspannungen a vorgetäuschten zusätzlichen Druck bedeuten, so folgt aus (19) P r dV < 0 . Die Reibungsspannungen a ~ P r sind stets entgegengesetzt zur Volumenänderung, d. h. zur Kolbenbewegung gerichtet, versuchen also, diese zu hemmen. Diese Erfahrungstatsache ist also thermodynamisch gesehen nichts anderes, als eine Folgerung aus dem Zweiten Hauptsatz.
120
A l l Der Zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
b) Setzt man die Gibbs'sche Fundamentalgleichung für geschlossene Systeme mit chemischen Reaktionen (A 10.29) und den Ersten Hauptsatz (A 5.2, 5.3) in (5) bzw. (11) ein, so erhält man die Aussage n
2 JUJ d c m; < 0 . i=l
(A 11.20)
Das Ungleichheitszeichen gilt für quasistatisch irreversible, das Gleichheitszeichen für quasistatisch reversible chemische Reaktionen. Diese Bedingung muß erfüllt sein, wenn in einem System quasistatische chemische Umwandlungen erfolgen sollen ( 0 ,
(A 11.21)
(dG) TP < 0 .
(AI 1.22)
Bei quasistatischen chemischen Reaktionen nimmt die Entropie des Systems bei konstanter innerer Energie und konstant gehaltenem Volumen stets zu. Laufen die Reaktionen isotherm und isobar ab, so nimmt die freie Enthalpie des Systems stets ab.
A11.4
Anwendungsbeispiele
Es erscheint nun angebracht, die bisher gegebenen allgemeinen Formulierungen des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik an einigen konkreten Beispielen zu demonstrieren. Als solche wählen wir den Rührversuch von Joule, den Überströmversuch von Gay—Lussac und den Wärmeleitungsversuch nach Fourier. Diese Vorgänge sind qualitativ bereits in Kap. A 9 diskutiert worden. 1. Der Joulesche Rührversuch Dieser Versuch ist in Abb. A 4 (S. 70) dargestellt. Im Anfangszustand Z 0 (gehobenes Gewicht) besitze die Flüssigkeit im Rührgefäß die Temperatur T 0 und das Volumen V 0 . Im Endzustand Z (gesunkenes Gewicht) seien die entsprechenden Parameter T und V = V 0 . Die Wärmekapazität der Flüssigkeit bei isochoren Zustandsänderungen C v > 0 sei unabhängig von der Temperatur. Das Rührgefäß sei von seiner Umgebung adiabatisch isoliert. a) Faßt man die Zustandsänderung Z 0 -»• Z als natürlichen Vorgang auf, so gilt für die Entropie der Flüssigkeit nach (4) die Ungleichung S(Z)>S(Z0).
(A 11.23)
A 11.4 Anwendungsbeispiele
121
Die Differenz der Entropie kann nun aus der Gibbs'schen Fundamentalgleichung (A 10.7) für isochore Zustandsänderungen (dV = 0) und der kalorischen Zustandsgieichung des Systems dU = C v dT, Cy = const elementar berechnet werden. Man erhält S(Z) - S(Z 0 ) = C v In ^ . in
(A 11.24)
Aus (23) folgt damit T > T0 .
(A 11.25)
Der Rührversuch kann nach dem Zweiten Hauptsatz nur so ablaufen, daß sich das Gewicht nach seiner Freigabe senkt und die Flüssigkeit im Rührgefäß erwärmt. Der energetisch mögliche umgekehrte Vorgang: Heben des Gewichtes und Abkühlen der Flüssigkeit wird durch (25) bzw. (23) ausgeschlossen! b) Sinkt das Gewicht sehr langsam, so kann die Zustandsänderung Z 0 -*• Z auch als quasistatisch irreversibler Prozeß aufgefaßt werden. Die Änderung der Entropie des Systems kann nach (14) in zwei Anteile zerlegt werden: dS=aSa + dSin.
( A I 1.26)
Wegen der vorausgesetzten Adiabasie des Rührgefäßes ist nun dSa = 0 .
(A 11.27)
Für die im Inneren des Gefäßes beim Rührvorgang produzierte Entropie machen wir den Ansatz aS i n =
ÜA:_
(A 11.28)
Hierbei ist dAitT = mgdh die der Flüssigkeit über den Rührer irreversibel zugeführte mechanische Arbeit, m und h die Masse und Höhe des äußeren Gewichtes und g die Schwerebeschleunigung. Nach dem Ersten Hauptsatz (A 4.2) gilt nun O = aA irr + dU, bzw. mit der kalorischen Zustandsgieichung Cy = const und unter Beachtung der Bedingung V = const dAjj,. = — CydT.
(A 11.29)
122
A l l Dei Zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Setzt man (29) in (28) ein und integriert zwischen den Zuständen Z 0 und Z, so erhält man für die im Inneren des Rührgefäßes produzierte Entropie den Ausdruck
S i n (z 0 ,Z) = / as in = / c 7
*•
T1
v
0
^ - = cvin^>o. 1
( a i 1.30)
Diese Größe muß nach (16) stets positiv sein. Damit ergibt sich aber wieder die Aussage (25): Beim Rührversuch kann sich die Flüssigkeit nur erwärmen, aber nicht abkühlen. 2. Der Überströmversuch von Gay-Lussac Dieser Versuch ist in Abb. A 5 (S. 71) dargestellt. Wir setzen voraus, das gesamte System ist von seiner Umgebung adiabatisch isoliert. Ferner verhalte sich die in den Kammern eingeschlossene Luft wie ein ideales Gas, ändere also bei der Expansion ihre Temperatur nicht! Im Anfangszustand Z 0 (Luft in linker Kammer, rechte Kammer evakuiert) habe die Luft das Volumen V 0 , die Temperatur T 0 und den Druck P 0 . Im Endzustand Z (Luft zu gleichem Druck in beiden Kammern) seien die entsprechenden Parameter V, T = T 0 und P. a) Die Luft expandiere durch eine kleine Öffnung in der zwischen den Kammern liegenden Trennwand. Dieser Vorgang ist ein natürlicher Prozeß, da bei ihm die Luft im allgemeinen auch Nichtgleichgewichtszustände durchlaufen wird. Nach (4) besteht zwischen den Entropien der Luft im Anfangs- bzw. Endzustand die Ungleichung S(Z)>S(Z0).
(A 11.31)
Die Differenz der Entropie kann aus der Gibbs'sehen Fundamentalgleichung (A 10.7) für isotherme Zustandsänderungen (dT = 0) und der thermischen Zustandsgieichung idealer Gase P(V, T) = nRT/V berechnet werden. (Für die Molzahl n gilt: n = m/M, wo m die Masse und M = 29 g/mol die Molmasse der Luft ist.) Man erhält S(Z) - S(Z 0 ) = nR In
»o
.
(A 11.32)
Aus (31) folgt somit V>V0.
( A I 1.33)
Beim Gay—Lussac-Versuch muß das Gas expandieren! Die energetisch ebenso mögliche, aber noch nie beobachtete Kontraktion, bei welcher sich das Gas etwa aus der rechten in die linke Kammer zurückziehen müßte, wird durch die Ungleichung (33) bzw. (31) ausgeschlossen.
A 11.4 Anwendungsbeispiele
123
b) Wir nehmen nun an, die Luft expandiere durch sehr langsames Verschieben der (jetzt undurchlöcherten) Zwischenwand. Dieser Vorgang ist praktisch ein quasistatisch irreversibler Prozeß, da zwischen der Zwischenwand und dem Gehäuse stets Gleitreibung auftritt. Die mit einer infinitesimalen Zustandsänderung verbundene Änderung der Entropie der Luft kann nach (14) wieder in zwei Anteile zerlegt werden: dS = aS a + a S i n .
( A I 1.34)
Da das ganze System von seiner Umgebung wärmeisoliert sein soll, gilt
as a = 0 .
(A 11.35)
Für die beim Reibungsvorgang zwischen Wand ung Gehäuse erzeugte Entropie machen wir den Ansatz dQ, 1
as in = y
.
(A 11.36)
Die Größe aQ r ist die Reibungswärme, die bei einer kleinen Verschiebung der Zwischenwand erzeugt wird. Da die Luft bei ihrer Expansion nach außen keine Arbeit abgibt und ihre innere Energie U = U(T) konstant bleibt (vgl. (A 9.7)), gilt nach dem Ersten Hauptsatz (A 4.2) mit (A 4.3):
aQr = PdV.
(A 11.37)
Aus (37), (36) und der thermischen Zustandsgieichung idealer Gase folgt für die beim Expansionsvorgang produzierte Entropie z
v
S i n (Z 0 ! Z) = f as i n = / "7
P(V
\r
nR In — > 0. v o
x)
v
dV = nR / i;
dy
,
V
(A 11.38)
Nach (16) muß diese Größe stets positiv sein. Damit ergibt sich wieder die Aussage (33): Die Luft kann nur expandieren! Ein energetisch ebenso möglicher Kontraktionsvorgang wird vom Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik ausgeschlossen.
3. Der Wärmeleitungsversuch nach Fourier Dieser Versuch ist in Abb. A 6 (S. 73) dargestellt: Zwei Metallblöcke gleicher Wärmekapazität C mögen untereinander im thermischen Kontakt stehen, von ihrer Umgebung aber adiabat isoliert sein. Der Wärmeübergang zwischen ihnen erfolge langsam im Vergleich zum Temperaturausgleich innerhalb jedes einzelnen Blockes. Dann kann der thermische Zustand jedes Blockes bereits durch eine einzige Temperatur (und nicht
124
A l l Der Zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
erst durch ein Temperaturfeld) charakterisiert werden. Diese Temperaturen bezeichnen wir zu Beginn bzw. am Ende des Wärmeaustausches mit T 1 0 , T 2 0 bzw. mit Tj und T 2 . Zwischen ihnen besteht nach dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik, angewandt auf das ganze System, die Beziehung (A 9.10). Da beide Blöcke gleiche und temperaturunabhängige Wärmekapazitäten C besitzen sollen, folgt aus ihr die Relation Tio + T ^ T , + T
2
.
(A 11.39)
Zwischen den Entropien im Anfangszustand Z 0 bzw. Endzustand Z des Systems besteht nach (4) die Ungleichung S(Z)>S(Z0).
( A I 1.40)
Die Entropien setzen sich dabei additiv aus den Entropien der beiden einzelnen Metallblöcke zusammen: S(Z) = S, (Z) + S 2 (Z) ,
(A 11.41 a)
S(Z 0 ) = S 1 (Z 0 ) + S 2 ( Z 0 ) .
(A 11.41b)
Die Entropieänderungen der einzelnen Blöcke können aber wieder nach (A 10.7) mit dV = 0, dU = CdT, C = const berechnet werden. Man erhält T , S k (Z) — S k (Z 0 ) = C In A k0
k=l,2.
(A 11.42)
Setzt man dies und (41) in (40) ein, so erhält man folgende Bedingung zwischen den Anfangs- und Endtemperaturen der Blöcke: T1T2>TI0T20.
( A I 1.43)
Aus ihr folgt mit (39) in elementarer Weise iTi-TjKlT^-Tjol.
( A I 1.44)
Der Wärmeaustausch zwischen den beiden Teilsystemen erfolgt stets so, daß die zwischen ihnen bestehende Temperaturdifferenz abgebaut wird. Diese kann im Falle idealen Wärmekontaktes gänzlich verschwinden. Dann gilt mit (39) T i = T 2 = i ( T 1 0 + T20). Die Beziehung (43) wird dann identisch mit dem mathematischen Satz, daß das arithmetische Mittel zweier Größen stets größer (oder gleich) ihrem geometrischen Mittel ist.
A 11.5 Eine mögliche Form des Zweiten Teils des Zweiten Hauptsatzes für offene Systeme
125
Der zu dem wirklich beobachteten Wärmeleitungsvorgang energetisch mögliche Umkehrvorgang, bei dem sich die Temperaturdifferenzen nicht ausgleichen, sondern weiter aufbauen würden, wird durch den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik (40)ausgeschlossen. A 11.5 Eine mögliche Form des Zweiten Teils des Zweiten Hauptsatzes für offene Systeme Wir betrachten wie in Abschnitt 1 ein einfaches, fluides Mehrstoffsystem 2 mit oder ohne chemische Reaktionen, welches sich in einem Wärmebad der zeitlich veränderlichen Temperatur T befindet. Das System möge jetzt aber offen sein, also mit seiner Umgebung mechanische Arbeit, Wärme und Masse austauschen. Der Massenaustausch erfolge dabei über gewisse Öffnungen a = 1, 2, 3 ... A, an welche sich Rohrleitungen schließen. Diese seien von ihrer Umgebung adiabat isoliert. Die Materie in den Leitungen möge sich stets in einem (quasistatisch veränderlichen) thermostatischen Gleichgewichtszustand befinden. Unter diesen Voraussetzungen kann man den zweiten Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik, also eine zu (1) analoge Ungleichung für offene Systeme, in folgender Weise begründen: Wir ergänzen zunächst das ursprüngliche System durch die in den einzelnen Zu- bzw. Ableitungen vom System enthaltene Materie, die wiederum als thermodynamisches System 2 ^ , a = 1, 2,... A aufgefaßt werden kann. Das so gebildete Gesamtsystem A
2 = 2+
2
2 (a)
ist, im Gegensatz zu 2 , ein geschlossenes System. Der Massenaustausch zwischen 2 und seiner Umgebung kann nun als „innerer Vorgang" im Verbundsystem 2 aufgefaßt werden.
Abb. A 22 Verbundsystem zur Formulierung des Zweiten Hauptsatzes (2. Teil) für offene thermodynamische Systeme.
126
All
Der Zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik
Für einen beliebigen natürlichen Vorgang, bei welchem das System 2 von einem Gleichgewichtszustand Z 0 = ( Z 0 , a = 1 ... A) in irgend einen anderen Gleichgewichtszustand Z = (Z, , a = 1 ... A) übergeht, gilt nun zunächst formal nach (1):
i
S(Z)-S(Z0)> / z„
aQirr
( A I 1.45)
Die Größe dQ i n . ist dabei ein différentielles Element der Wärme, die zwischen 2 und seiner Umgebung bei der Temperatur T a ausgetauscht wird. Da nun die Rohrleitungen adiabat isoliert sein sollen, kann 2 mit seiner Umgebung Wärme nur durch die Oberfläche von 2 austauschen. Daher ist dQ i r r de facto gleich der zwischen 2 u n d dem Wärmebad der Temperatur T a = T a ausgetauschten Wärme dQ i r r . Da ferner die Entropie eines zusammengesetzten thermodynamischen Systems gleich der Summe der Entropie seiner Teile ist, gelten zwischen den Entropien der Systeme 2 , 2 und 2 ^ , a = 1 ... A die Beziehungen A
Z 0 : S(Z0) = S ( Z 0 ) +
2
S(Zq^) ,
( A I 1.46a)
a =1 Z:
S(Z) = S(Z) +
2A S ( Z ( a ) ) . a =1
(A 11.46b)
Nun setzen wir noch voraus, daß die Materie in den Zuleitungen während des Vorgangs allenfalls einen adiabaten quasistatisch-reversiblen Prozeß, aber keinen natürlichen Prozeß durchläuft. Nichtgleichgewichtszustände der Materie sollen also nur in 2 , nicht aber in den Systemen 2 ^ , a = 1 ... A auftreten. Dann gilt z(«)
S(Z) - S(z£ a ) ) = -
/ s(a) d m ( a ) , z_(... 7 ^ ) * die spezifische Entropie der Materie im System 2 ( o i ) . Ferner ist d m ^ ein Element der Masse, die dem System 2 durch die
*
Die Größe p ( a ) ist die Massendichte in Z ( a \ definiert durch p ( o ) = m ^ / V ^ mit m^ =
2 mf^. Die Größen
i = 1 ... n sind die Massenkonzentrationen in
Es gilt
A 11.5 Eine mögliche Form des Zweiten Teils des Zweiten Hauptsatzes für offene Systeme
Öffnung zugeführt, also von ein, so erhält man die Aussage
•
127
abgeführt wird. Setzt man (46) und (47) in (45)
z A dOS(Z)-S(Z0)> j { ~ 1 £ r + 2 s(a)dm(a'}. la z0 «=»
( A I 1.48)
Diese Ungleichung ist der zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik für natürliche Prozesse in einfachen offenen Systemen. (Vgl. [14, S. 197 ff].) Für den Wärme- und Massenaustausch gelten hierbei die oben getroffenen Einschränkungen, nämlich a) Wärme wird nur durch die eigentliche Systemoberfläche, nicht aber durch die Wandungen der Zu- bzw. Ableitungen ausgetauscht; b) Masse, die zu- oder abgeführt wird, befindet sich stets in einem thermodynamischen Gleichgewichtszustand. Die Ungleichung (48) besagt: Bei jedem natürlichen, d. h. tatsächlich realisierbaren Prozeß in einem offenen thermodynamischen System, wächst die Entropie des Systems um mehr als die Summe der reduzierten Wärmemengen, vermehrt um die gesamte konvektiv zugeführte Entropie. Für geschlossene Systeme ( d m ^ = 0, a = 1 ... A) reduziert sich (48) wieder auf (3). Man beachte, daß die Ungleichung (48) vom System nur die Parameter S(Z 0 ) und S(Z) enthält, Größen also, die sich nur auf den Anfangs- bzw. den Endzustand des Systems beziehen und im übrigen wohldefiniert sind. Das Wärmedifferential dQ irr muß, ähnlich wie bei natürlichen Vorgängen in geschlossenen Systemen, durch eine Meßvorschrift definiert werden. Eine Definition dieser Größe durch eine Differentialform in thermostatischen Parametern ist bei natürlichen Vorgängen nicht möglich, da sich das System 2 während des Prozesses im allgemeinen nicht in einem Gleichgewichtszustand befindet und somit keine solchen Parameter besitzt. (Vgl. Anmerkung nach (3)). Für quasistatische Vorgänge kann die Ungleichung (48) noch weiter verschärft werden! Solche Vorgänge bestehen aus einer Folge von Gleichgewichtszuständen. Soll das System bei einem quasistatischen Vorgang mit seiner Umgebung auch Masse austauschen, so muß die in den Zuleitungen a = 1 ... A enthaltene Masse mit der im System E vorhandenen Masse im thermodynamischen Gleichgewicht stehen (vgl. Abb. A 22). Es gilt also pC) = p ,
Z + dZ angewandt werden. Mit Hilfe des Mittelwertsatzes der Integralrechnung erhält man dann die Aussage
•
dS>Y
+ s d
a
m
-
( A I 1.50)
Dies ist der zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik für quasistatische Vorgänge in offenen fluiden Systemen. Das Größer-Zeichen ( > ) gilt für quasistatisch irreversible, das Gleichheitszeichen für quasistatische reversible Zustandsänderungen. Für das Wärmedifferential gilt nach (A 7.12) und (49) der Differentialausdruck dQ = C v d T
+
T(|)v>mdV +
+ E „ * d . m: — h d a m . i = 1 9nij T,V,mj a 1 a
(A 11.51)
Hierbei ist dnij = d c m; + d a mi dam=
2 d a m: i= l
i= 1
(A 14.52a) ( A I 1.52b)
Die Größe d a m; ist die gesamte Masse der dem System beim Übergang Z Z + dZ quasistatisch zugefuhrten Komponente i. Ferner bedeutet s = s(T, P, y 1 ... 7 n ) in (50) die spezifische Entropie des Systems im Zustand Z. Wir wollen nun den Zweiten Hauptsatz (50) für quasistatisch reversible Vorgänge noch etwas ausführlicher diskutieren. Für solche Vorgänge gilt nach (50): 3Qrev
dS = - ^
+ sdam.
(A 11.53)
Diese Gleichung besagt: Bei quasistatisch reversiblen Vorgängen ändert sich die Entropie nur infolge von Wärme- oder Massenaustausch, nicht aber infolge von Arbeitsaustausch zwischen System und Umgebung! Bei Wärmezufuhr wächst die Entropie um
A 11.5 Eine mögliche Form des Zweiten Teils des Zweiten Hauptsatzes für offene Systeme
129
den Wert der „reduzierten" Wärmemenge dQ rev /T. Bei Zufuhr eines Massenelementes d a m wächst die Entropie um den konvektiv in d a m enthaltenen Wert s d a m. Wir setzen nun in (53) für dS die Gibbs'sche Gleichung (A 10.51) und für dQ rev den ersten Hauptsatz (A 7.9—11) ein. Unter Beachtung von (49), (52) und einer aus der Gibbs-Duhem-Gleichung (A 15.7) folgenden Beziehung n
h-Ts=
S Mi Ti,
i—1
folgt dann die Relation n
2 Mid c mi = 0 . !—1
(A 11.54)
Sollen die chemischen Reaktionen im System 2 quasistatisch reversibel ablaufen, so muß zwischen den chemischen Potentialen und den Differentialen der bei den Reaktionen gebildeten bzw. verbrauchten Massen diese Beziehung bestehen! In Kapitel A 13 wird gezeigt werden, daß diese Beziehung gerade die Bedingung dafür ist, daß zwischen allen Komponenten chemisches Gleichgewicht herrscht (vgl. (A 13.27, 30, 32)). Dies ist aber selbstverständlich im Hinblick auf die Voraussetzung, die Zustandsänderung des offenen Systems möge quasistatisch und reversibel verlaufen. Für quasistatisch irreversible Zustandsänderungen eines offenen Systems folgt aus (53): •
äQirr d S > - ^ + sdam.
(All.55)
Diese Ungleichung besagt: Bei offenen thermodynamischen Systemen können nur solche quasistatischen Zustandsänderungen realisiert werden, bei denen die Änderung der gesamten Entropie des Systems stets größer als die reduzierte Wärme und die konvektiv und zugleich mit Masse zugeführte Entropie ist. Aus (55) erhält man auf dieselbe Weise, auf welche (54) aus (53) abgeleitet werden kann, mit Hilfe der Gibbs'schen Gleichung (A 10.51) und des ersten Hauptsatzes (A 7.9-11) die Ungleichung n
2 Mi d c mj < 0 . i= l
(A 11.56)
Diese Bedingung haben wir schon in Kapitel A 10 für chemische Reaktionen in geschlossenen Systemen gefunden. Sie muß auch hier beim offenen System erfüllt sein, wenn in ihm chemische Reaktionen quasistatisch ablaufen sollen.
A 1 2 Gleichgewichtsbedingungen und thermostatische Stabilität
In diesem Abschnitt wollen wir zunächst einige Kriterien für den Gleichgewichtszustand in zusammengesetzten thermodynamischen Systemen anführen. Im Zusammenhang damit werden wir einige Bemerkungen zum Begriff der inneren Variablen thermodynamischer Systeme machen. Danach wollen wir uns mit den Stabilitätseigenschaften thermostatischer Gleichgewichtszustände beschäftigen. Wir werden Stabilitätsbedingungen in verschiedener Form angeben und zeigen, daß man mit ihnen einige allgemeine Aussagen über die Struktur der Zustandsgieichungen thermostatisch stabiler Substanzen machen kann. Einführende Darstellungen des hier gebrachten Stoffes kann der Leser in [2, 8, 16,19, 3] finden. A 12.1 Das E x t r e m a l p r i n z i p für die Entropie Wir betrachten nun ein zusammengesetztes, einfaches, fluides Mehrstoffsystem 2. Ein solches System besteht aus mehreren einfachen, fluiden thermodynamischen Systemen a = 1, 2, 3 ... A, die untereinander im „thermodynamischen Kontakt" stehen, also Arbeit, Wärme und Masse austauschen können. Die Frage, wann thermodynamische Systeme miteinander im Gleichgewicht stehen, ist offenbar äquivalent der Frage, wann ein zusammengesetztes thermodynamisches System sich in einem vollkommenen Gleichgewichtszustand befindet. Dies ist dann der Fall, wenn alle thermodynamischen Parameter des Systems zeitlich konstante Werte besitzen. Ferner dürfen nach dem Aufheben von „inneren Hemmungen" — also z. B. Wänden zwischen den Teilsystemen die den Arbeits-, Wärme- und Massenaustausch gerade hemmen — im System 2 keine Veränderungen auftreten, also keine irreversiblen Prozesse ablaufen. (Vgl. auch Kap. A 1) Diese Eigenschaft des Gleichgewichtszustandes kann man nun mit Hilfe des Zweiten Hauptsatzes der Thermostatik As Extremalprinzip formulieren! Dazu nehmen wir zunächst an, das gesamte System 2 sei geschlossen und befinde sich in einem Wärmebad der Temperatur T a . Außerdem werde von seiner Umgebung der allseitige (hydrostatische) Druck Pa auf 2 ausgeübt. Arbeitsreservoir
Wärmebad (TJ
Teilsystem Abb. A 23
Zusammengesetztes thermodynamisches Mehrstoffsystem. 1: Arbeits-, Wärme- und Massenaustausch. 2: Arbeits- und Wärmeaustausch.
A 12.1 Das Extremalprinzip für die Entropie
131
Ferner mögen sich die einzelnen Teilsysteme 2 ^ , a = 1 ... A für sich genommen, aber nicht untereinander, im Gleichgewicht befinden. Die Gleichgewichtszustände der Systeme 2 ( a ) bezeichnen wir mit Z ( a ) : S ( a ) , l / a ) , V ^ , mf*\ i = 1 ... n, a = 1, 2, 3 ... A. Das Gesamtsystem befindet sich in einem sogenannten heterogenen Zustand mit der inneren Energie U, dem Volumen V, der Entropie S und den einzelnen Komponentenmassen mj, i = 1 ... n, gegeben durch A
U
= 2
U< a ) ,
(A 12.1)
V< a ) ,
(A 12.2)
S(a),
(A 12.3)
a =1 A
V
= 2 a =1 A
S
=
nij
=
2
a =1 A
2
»
nij
,
i = 1 ...n.
(A 12.4)
a =1
Geht nun das Gesamtsystem 2 — z. B. durch Aufhebung einer inneren Hemmung — von einem heterogenen Zustand Z reversibel oder irreversibel in einen infinitesimal benachbarten Zustand Z + dZ: U + dU, V + dV, S + dS, m t ... m n über, so gilt nach dem zweiten Teil des Zweiten Hauptsatzes für geschlossene Systeme (A 11.5a), (A 11.11) und dem Ersten Hauptsatz (A 4.2, A 5.2) die Beziehung
dS>;pdU + ^ d V . la
^a
(A 12.5)
Das Ungleichheitszeichen gilt für quasistatisch irreversible, das Gleichheitszeichen für reversible Zustandsänderungen. Man beachte, daß in dieser Aussage nur die Extensivparameter S, U, V gemäß (1—3) eigentliche Parameter des Systems 2 sind. Die Temperatur T a und der Druck P a sind die Intensivparameter des Bades, in welchem 2 sich befindet! Im Inneren von 2 gibt es in einem heterogenen Zustand keine einheitlichen Intensivparameter wie Druck oder Temperatur. Diese Parameter verändern sich vielmehr im allgemeinen von einem Teilsystem zum anderen.* *
Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß zwischen der Ungleichung (A 1Z5) und der ihr formal ähnlichen Gibbsschen Beziehung (A 10.7) eines einfachen thermodynamischen Systems kein Widerspruch besteht. Letztere gilt nur für quasistatisch reversible bzw. irreversible Zustandsänderungen des Systems, wenn dieses sich im inneren Gleichgewicht befindet, also eindeutige Intensivparameter P und T besitzt. Befindet sich ein solches System in einem Druck- und Wärmebad, so sind diese Intensivparameter gleich den Badparametern P a und T a . Nur in diesem Fall gilt also P = P a und T = T a !
132
A 12 Gleichgewichtsbedingungen und thermostatische Stabilität
Wir nehmen nun an, das Gesamtsystem 2 sei von seiner Umgebung arbeits- und wärmeisoliert. Dann bleiben seine innere Energie und sein Volumen bei allen Zustandsänderungen erhalten: dU = 0 ,
U = const,
(A 12.6)
dV = 0 ,
V = const.
(A 12.7)
Aus (5) folgt damit dS>0.
(A 12.8)
Laufen in einem isolierten thermodynamischen System — hervorgerufen durch Aufhebung von „Hemmungen" im Inneren des Systems - quasistatische Vorgänge ab, so nimmt die Entropie des Systems dabei stets zu oder bleibt allenfalls konstant. Sind alle inneren Hemmungen aufgehoben, haben also alle Teilsysteme Arbeit, Wärme und Masse untereinander ausgetauscht, so können im System keine weiteren Vorgänge ablaufen und das gesamte System befindet sich in einem thermostatischen Gleichgewichtszustand. Dieser ist nach (6)—(8) dadurch ausgezeichnet, daß die Entropie des Systems gegenüber beliebigen heterogenen Zuständen gleichen gesamten Volumens, gleicher Komponentenmassen und gleicher innerer Energie einen Maximalwert besitzt. Für isolierte, zusammengesetzte thermodynamische Systeme gilt also das Gleichgewichtsprinzip A
•
S
= 2 S(0>(U, (P,S< a >,mf...m< o ' ) )=0,
(A 12.25a)
01=1
A
d2H = 2 d 2 H < a ) ( P , S ( a ) , m f ) . . . n 4 r ) ) > 0 . a= 1
(A 12.26a)
A 12.2 Weitere Extremalprinzipien
137
Es gelten die Nebenbedingungen
dS
= 2 dS (a) = 0 , a= 1
dnij = 2 dm( a) = 0 , a= 1 P
(A 12.27 c)
i = 1 ... n ,
(A 12.27b)
= P- = const.
Aus (25a) und (27b, c) können bei vorgegebenem Druck P die Entropien S ^ und die Komponentenmassen mf^, i = 1 ... n, a = 1 ... A der Teilsysteme im Gleichgewichtszustand berechnet werden. d) Führt man in (21) die freie Enthalpie G = F + PV ein (vgl. (A 10.66)), so erhält man für Systeme, die mit ihrer Umgebung im thermischen und im mechanischen Gleichgewicht stehen, für welche also T a = T, Pa = P gilt die Aussage dG < — S dT + V dP.
(A 12.28)
Aus ihr folgt, daß bei isothermen und isobaren quasistatischen Zustandsänderungen (dT = 0, dP = 0), die freie Enthalpie eines geschlossenen thermodynamischen Systems stets abnehmen muß: dG0
Es gelten die Nebenbedingungen
dm; = 2
dm^ = 0 ,
T
= T a = const,
P
= P a = const.
i = 1 ... n ,
(A 12.34)
Aus (32) und (34) können bei vorgegebenem Druck P und Temperatur T die Komponentenmassen m ^ , i = 1 ... n, a = 1 ... A der Teilsysteme 2 ^ im Gleichgewichtszustand berechnet werden. Dieses letzte Gleichgewichtsprinzip ist besonders für die chemische Thermodynamik von großer Bedeutung, da alle in ihm vorkommenden Variablen (T, P, mf**, i = 1 ... n, a = 1 ... A) experimentell vergleichsweise leicht meßbar und beeinflußbar sind.
A 12.3 Eine Anwendung des Extremalprinzips für die Entropie Wir wollen nun mit Hilfe des Maximumprinzips der Entropie (9), (10) bzw. (11), (13) die Frage untersuchen, wann zwei thermodynamische Systeme miteinander im Gleichgewicht stehen. Wir beschränken uns hier darauf, zwei einfache, fluide Mehrstoffsysteme 2 ^ und 2 ^ zu betrachten, die untereinander Arbeit, Wärme und Masse austauschen können, gegen ihre Umgebung aber vollständig isoliert sind. (Abb. A 24, S. 140.) Faßt man beide Systeme als Teile eines zusammengesetzten Systems auf, 2 = S + 2 , so stehen sie offenbar dann miteinander im thermostatischen Gleichgewicht, wenn sich das Gesamtsystem 2 selbst in einem thermostatischen Gleichgewichtszustand befindet. Seien a = 1, 2, i = 1 ... n die inneren Energien, Volumina und Massen der Systeme 2 ^ und in diesem Gleichgewichtszustand, so darf sich nach (11) die Entropie des gesamten Systems nicht ändern, wenn man den Zustand der Teilsysteme 2 ^ und 2 ^ unter Beachtung der Nebenbedingungen (13) infinitesimal wenig
A 12.3 Eine Anwendung des Extremalprinzips für die Entropie
139
ändert. Mit den Bezeichnungen S ( a ) = S ^ U ^ , V = (mf ... m, m{ 2 ) ... m),
(A 12.41)
P(1)(
»
) = P(
„
),
(A 12.42)
»
) = 42)(
-
),
(A 12.43)
k = 1 ... n . Sie bilden zusammen mit den Nebenbedingungen U(D + U ( 2 ) = U = const,
(A 12.44)
y d ) + y(2> = V = const,
(A 12.45)
mp} + mp}
= mi = const,
i = 1 ... n
(A 12.46)
ein System von 2(n + 2) vielen Bedingungsgleichungen. Aus diesen können die ebensovielen unbekannten Werte der Extensivparameter lK1) ... m f der Systeme und im Gleichgewichtszustand bestimmt werden!
A 12.4 Diskussion der Gleichgewichtsbedingungen fluider Mehrstoffsysteme Es ist nützlich, noch einige Spezialfälle der Gleichgewichtsbedingungen (41)—(46) zu diskutieren. Dazu nehmen wir an, zwischen den beiden Teilsystemen und befindet sich eine gewisse „Membran", die den quasistatischen Austausch von Volumenarbeit, Wärme und Masse ermöglichen, oder aber auch gerade verhindern kann.
Abb. A 24 Abgeschlossenes thermodynamisches System bestehend aus zwei Teilsystemen £(*) und r(2).
Das Gleichgewicht, welches sich zwischen den Teilsystemen einstellt, hängt nun entscheidend davon ab, welche Größen ausgetauscht werden können. Zur besseren Über-
A 12.4 Diskussion der Gleichgewichtsbedingungen fluider Mehlstoffsysteme
141
sieht sind die fünf physikalisch möglichen Fälle von einzelnem oder gemeinsamen Arbeits*, Wärme- und Massenaustausch in einer Tabelle zusammengestellt: Tab. 1: Zur Systematik des Wärme-, Arbeits- und Massenaustausches zwischen zwei thermodynamischen Systemen. 1 Wärme Arbeit Masse X 0
2
a
3
X X
4
b
5
X
X 0 0
X X X
X 0
X
Austausch möglich Austausch nicht möglich
Fall 1: Reiner Wärmeaustausch. Die Membran ist starr, fixiert und dicht. Gleichgewichtsbedingungen (GB): T(i) =
j(2)
Im Gleichgewichtszustand (GZ) können zwischen den Teilsystemen noch Druck- und Konzentrationsunterschiede bestehen. Fall 2: Reiner Arbeitsaustausch. Die Membran ist adiabatisch isolierend und dicht. GB:
p(i) = p(2).
Im GZ können zwischen den Teilsystemen noch Temperatur- und Konzentrationsunterschiede bestehen. Fall a: Reiner Massenaustausch. Dieser Fall ist nicht realisierbar, da mit einem quasistatischen Massenaustausch auch stets ein (konvektiver) Arbeits- und Wärmeaustausch zwischen den Teilsystemen verbunden ist (vgl. (A 6.13)). Fall 3: Austausch von Wärme und Arbeit. Die Membran ist beweglich, diatherman (d. h. wärmeleitend) und dicht. GB: T ( 1 ) = T ( 2 ) , p(i) = p(2). Im GZ können zwischen den Teilsystemen noch Konzentrationsunterschiede bestehen.
142
A 12 Gleichgewichtsbedingungen und thermostatische Stabilität
Fall 4: Austausch von Wärme und Masse. Die Membran ist starr, fixiert, diatherman und a) für alle, b) nicht für alle Komponenten permeabel. a) Alle Komponenten können ausgetauscht werden. GB: T ( 1 ) = T ( 2 ) Mi(i)=Mp),
i = 1 ... n .
Wir fassen die chemischen Potentiale als Funktionen von Temperatur, Druck und den Molenbrüchen Xj auf: Mf)=M^)(T,P,Xl
...xn),
i = 1 ... n ,
a = 1,2.
al) Sind die beiden Drücke P ^ und P ^ einander gleich und enthalten die beiden Teilsysteme 2 ^ , S ( 2 ) vollständig mischbare Stoffe derselben Phase, so müssen auch die Massenkonzentrationen bzw. die Molenbrüche für alle Komponenten in beiden Systemen einander gleich sein: XP>
= X P>,
i = 1 ... n .
Dies folgt aus den obigen Gleichgewichtsbedingungen. Die beiden Teilsysteme besitzen dieselben Intensivparameter. Das gesamte System befindet sich in einem homogenen Gleichgewichtszustand. Enthalten die Teilsysteme 2 ^ , 2 ^ verschiedene Phasen, z. B. eine gasförmige und eine flüssige Phase, so sind die Massenkonzentrationen ein und derselben Komponente im allgemeinen voneinander verschieden, obwohl in beiden Systemen gleicher Druck und gleiche Temperatur herrschen: x
p)#xp),
i = 1 ... n .
a2) Sind die Drücke P ^ und P ^ voneinander verschieden, so werden im allgemeinen auch die Massenkonzentrationen xp^ bzw. x\2\ i = 1 ... n voneinander verschieden sein. Die Teilsysteme und 2 ^ stehen miteinander im pseudoosmotischen Gleichgewicht. Ein Beispiel für ein System, bei welchem diese Art von Gleichgewicht auftreten kann, sind zwei Mischungen von Helium und Neon mit gleicher Temperatur, aber mit verschiedenen Drücken und Massenkonzentrationen. Die Gase mögen voneinander durch eine „Membran" aus Stahl (oder Glas) getrennt werden. Die Membran verhindert praktisch den Arbeitsaustausch, erlaubt aber Massenaustausch, da beide Edelgase durch Stahl (und auch durch Glas) permeieren bzw. diffundieren können (Vgl. Aufgabe B 4). Dieser Effekt kann industriell z. B. zur Reinigung des Erdgases von Helium benutzt werden!
A 12.4 Diskussion der Gleichgewichtsbedingungen fluider Mehrstoffsysteme
143
b) Nicht alle Komponenten können ausgetauscht werden. Die Membran ist starr, diatherman und semipermeabel. Wir kennzeichnen die austauschbaren Komponenten mit den Indizes i = l ...ß, die nicht austauschbaren Komponenten mit i = ß + 1 ... n . Der Index ß kann irgend einen Wert zwischen 0 und n — 1 haben. G. B.:
T (D = T (2)
}
l4 1} = mP ,
i = 1 ... M < n .
Die Molkonzentrationen i = 1 ... n, a = l , 2 i n beiden Teilsystemen werden durch die Gleichgewichtsbedingungen zwar in ihrem Wertebereich eingeschränkt, aber nicht eindeutig festgelegt. Dies gilt auch dann, wenn die Drücke P ^ bzw. P'2^ vorgegeben sind. Im Gleichgewicht können also zwischen den Teilsystemen noch Druck- und Konzentrationsunterschiede bestehen! Diese Art von Gleichgewicht wird osmotisches Gleichgewicht genannt [ 176, 187], Fall b: Arbeits- und Massenaustausch ohne Wärmeaustausch (vgl. Tab. 1). Dieser Vorgang ist quasistatisch nicht realisierbar, da mit einem Massenaustausch und auch stets ein konvektiver Arbeits- und Wärmeaustausch zwischen S ( 2 ) verbunden ist (A 6.13). Fall 5: Gleichzeitiger quasistatischer Austausch von Arbeit, Wärme und Masse. Die Membran ist beweglich, deformierbar, wärmeleitend und entweder für alle (a), oder aber nur für einige Komponenten (b), permeabel. a) Alle Komponenten können ausgetauscht werden. GB:
T ( 1 ) = T(2> = T , p(l) = p(2) = p ^ i = 1 ... n .
Wir fassen die chemischen Potentiale ßf*\ i = 1 ... n, a - 1, 2 wieder als Funktionen von Druck, Temperatur und den Molenbrüchen xf^ ... x ^ des betrachteten Systems Z auf: Mi
= M i a ) ( P , T , x f ...x< a >),
«=1,2,
i = 1 ••• n .
144
A 12 Gleichgewichtsbedingungen und thermostatische Stabilität
Die Molenbrüche x[ a ) = n{ a) l E n f ° bzw. die Molzahlen n( a ) , i = 1 ... n, a = 1, 2 der j= i Teilsysteme sind dann durch die Gleichgewichtsbedingungen und die Normierungen x^ + xP^l,
i = 1 ... n
bzw. die Massenerhaltungssätze n p } + n[ 2) = ^ = const, Mj
i = 1 ... n ,
vollständig bestimmt. Befinden sich in beiden Teilsystemen gleiche Phasen, so sind die Massenkonzentrationen bzw. die Molkonzentrationen in ihnen gleich: xj1^ = x | 2 \ i = 1 ... n. Sind die Phasen der Teilsysteme voneinander verschieden, so werden auch die Molkonzentrationen im Gleichgewicht in beiden Teilsystemen voneinander verschieden sein (xp> ¥= x p \ i = 1 ... n). In beiden Fällen herrscht aber zwischen und totales Gleichgewicht: der Zustand der Systeme ändert sich nicht, wenn die „Membran" zwischen ihnen entfernt wird. b) Nicht alle Komponenten können ausgetauscht werden. Die Membran ist beweglich, diatherman und semipermeabel. Bezeichnen wir wieder die austauschbaren Komponenten mit den Indizes i = 1 ... ju, die nicht austauschbaren mit i = ß + 1 ... n, so lauten die Gleichgewichtsbedingungen GB:
T = T ( 2 >, p(l)
=
p(2)
)
4I)=/42).
i=l-M 0 .
(A 12.60)
Dabei ist zu beachten, daß bei diesen Zustandsänderungen die innere Energie U, das Volumen V und die Komponentenmassen m¡ ... m n des Systems konstant bleiben. Es gilt also dU = 0 ,
(A 12.61a)
dV = 0 ,
(A 12.61b)
dm¡=0,
i = 1 ... n .
(A 12.61c)
Laufen im System nun keine Vorgänge mehr ab, hat es also einen vollständigen Gleichgewichtszustand erreicht, so muß seine Entropie nach (60) einen maximalen Wert besitzen. Aus der zugehörigen Extremalbedingung, dS = 0, folgt dann mit (59) und (61) K
2 A k d£ k = 0 . k= 1
( A I 2.62)
A 12.6 Gleichgewichtsbedingungen für thermische Systeme mit inneren Variablen
151
Wir nehmen nun an, alle inneren Variablen seien voneinander unabhängig, ihre Variationen d£ k , k = 1 ... K also willkürlich wählbar. Dann kann (62) nur bestehen, wenn alle Affinitäten des Systems verschwinden: AjCU, V, nij ... m n , £ 1 G ... £ n G ) = 0 •
: AK(U, v,
: m i
:
(A 12.63)
. . . mn, 11G... ?nG) = 0 .
Dies sind die Bedingungen für vollständiges Gleichgewicht in einem thermodynamischen System mit inneren Variablen. Faßt man die Affinitäten gemäß (57) als Funktionen von U, V, m t ... m n , ... £ K , auf, so stellen die Beziehungen (63) K viele Bedingungsgleichungen für die Werte £ k G der inneren Variablen £ k , k = 1 ... K im vollständigen Gleichgewicht dar. Diese Gleichgewichtswerte sind dabei nach (58) und (63) wieder Funktionen der Parameter U, V, und mj, i = 1 ... n: HO = ?KG(U, V, m , ... m n ) ,
k = 1 ... K .
( A I 2.64)
Setzt man diese Funktionen für die inneren Variablen £ k in (51) ein, so erkennt man, daß im vollständigen Gleichgewicht die Entropie des Systems nur eine Funktion von U, V, rrij, i = 1 ... n ist. Dasselbe gilt dann auch nach (54)—(56) für die Temperatur, den Druck und die chemischen Potentiale des Systems!
Zur Vermeidung möglicher gedanklicher Schwierigkeiten sind noch zwei Bemerkungen zur Gibbs'schen Gleichung (59) am Platze. Löst man diese Beziehung nach dU auf, so gilt n
K
dU = TdS - PdV + 2 juj dm; + 2 A k d£ k . i=l k=1
(A 12.65)
Für quasistatisch reversible Vorgänge in geschlossenen Systemen folgt daraus mit (A 10.2). n
dU = dQ r e v - PdV + 2 / i i d c m i + i— 1
K
2 A k d£ k . k= 1
(A 12.66)
Diese Differentialbeziehung ist nicht der Erste Hauptsatz für geschlossene fluide Mehrstoffsysteme mit inneren Vorgängen. Dieser lautet vielmehr dU = dQ r e v - P d V .
(A 12.67)
Die innere Energie kann sich nur ändern, wenn dem System von außen Wärme zugeführt wird oder wenn es nach außen Arbeit abgibt, nicht aber, wenn in seinem Inneren chemische Reaktionen (d c m ; ) oder „innere Vorgänge" (d£ k ) ablaufen.
152
A 12 Gleichgewichtsbedingungen und thermostatische Stabilität
Ein Vergleich von (66) und (67) zeigt, daß bei quasistatisch reversiblen Zustandsänderungen in geschlossenen Systemen die Bedingungen (63) für vollständiges (d. h. auch inneres) Gleichgewicht und die Relation n
2 ßi d c m; = 0 i— 1
(A 12.68)
gelten müssen. Diese ist gerade die Bedingung dafür, daß im System chemisches Gleichgewicht herrscht (vgl. Kap. A 13). Sind bei einer quasistatischen Zustandsänderung die Bedingungen (63) und (68) nicht erfüllt, so verläuft die Zustandsänderung nicht reversibel, sondern irreversibel! Anstelle von (66) gilt die aus (65) und (A 11.5) folgende Ungleichung n
K
dU > dQ irr - PdV + 2 ßi d c m; + 2 A k d£ k . i=l k=1
(A 12.69)
Sie liefert mit dem Ersten Hauptsatz für quasistatisch irreversible Vorgänge in geschlossenen Systemen dU = dQ irr - PdV,
(A 12.70)
die Ungleichung n
K
2 M i d c m ; + 2 A k d£k < 0 . i— 1 k= 1
(A 12.71)
Diese ist eine Bedingung dafür, daß die durch die Differentiale d c mj, i = 1 ... n und d£ k , k = 1 ... K definierte Zustandsänderung des Systems auch tatsächlich realisiert werden kann. Quasistatische Zustandsänderungen, welche dieser Ungleichung nicht genügen, widersprechen dem Zweiten Hauptsatz und werden in der Natur nicht beobachtet. Wir wollen uns nun der Frage zuwenden, wann zwei thermodynamische Systeme mit inneren Variablen, die jedes für sich in einem gehemmten Gleichgewichtszustand sind, auch untereinander im thermostatischen Gleichgewicht stehen. Dazu fassen wir die beiden Systeme als Teile eines zusammengesetzten und gegen seine Umgebung isolierten thermodynamischen Systems auf. Ferner setzen wir voraus, daß beide Systeme durch dieselbe Entropiefunktion beschrieben werden können, also dieselben Stoffe und Mechanismen für „innere Vorgänge" enthalten: S (i)
= S(U(1),V(1),m(11)...m
Max .
(A 12.72)
Nebenbedingungen : U = U (1) + U = const,
i = 1 ... n
(A 12.73c)
k = 1,... K .
( A I 2.73 d)
Die différentielle Formulierung dieses Prinzips lautet: dS = dS (1) + dS(2> = 0 ,
( A I 2.74)
d 2 S =d 2 S ( 1 > + d 2 S ( 2 > < 0 .
(A 12.75)
Nebenbedingungen : dU^> + dU = 0 ,
(A 12.76a)
dV^> + dV = 0 ,
(A 12.76b)
dmp^ + dm[2^ = 0 , dlk} +
= 0,
i = 1 ... n
(A 12.76c)
k = 1 ... K .
( A I 2.76d)
Setzt man in (74) für die Entropiedifferentiale die zugehörigen Gibbs'schen Fundamentalgleichungen (59) ein und beachtet die Nebenbedingungen (76), so erhält man
(J
Vpd)
L x d UU ( D + t0, a 2 1 a22 a
12
a
13
a
21 22
a
23
a
31 a32
a
33
a
ll
»In
ll
a a
>0, (A 12.88a)
> 0 . a
nl
A 12.9 Formulierung und Anwendung differentieller Stabilitätsbedingungen
159
Die Elemente der Matrix genügen dann für beliebige (reelle oder komplexe) Werte x = (x x ... x n ) der Ungleichung
2
(A 12.89 a)
x* a i k x k > 0
i,k= 1
Das Gleichheitszeichen wird nur für den „Nullvektor" x = (0 ... 0) angenommen. Die Größe x* bedeutet die zu x; konjugiert komplexe Zahl. Die Bedingung (89 a) ist nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend dafür, daß die Ungleichungen (88a) gelten. Die Matrix (87) ist negativ definit, wenn folgende Ungleichungen gelten: a
n 0 . i=l
(A 1 2 . 9 8 )
Dies sind die Bedingungen für thermische, mechanische und chemische Stabilität des betrachteten Gleichgewichtszustandes bzw. Systems. Setzt man in ( 9 6 ) die Beziehung (A 4 . 1 6 ) ein, so erhält man
C V ( T , V, m t ... m n ) = ( ^ )
V
> 0 .
m
(A 1 2 . 9 6 a )
Die isochore Wärmekapazität stabiler thermodynamischer Systeme muß stets positiv sein. In geschlossenen stabilen Systemen kann also die Temperatur bei isochorer Wärmezufuhr nur zu- aber nicht abnehmen! Setzt man in ( 9 7 ) die Beziehung (A 4 . 4 0 ) ein, so erhält man die Aussage
1 k t (rr T, v V, m 1 ... m n )^ = - - ( g p )
T
m
>0.
(A 1 2 . 9 7 a )
Die isotherme Kompressibilität stabiler thermodynamischer Systeme muß stets positiv sein. Erhöht man den von außen auf ein geschlossenes, stabiles thermodynamisches System wirkenden Druck, so kann sich das Volumen des Systems nur verkleinern, aber nicht vergrößern. Die Ungleichung ( 9 8 ) kann auch in folgender Weise geschrieben werden:
2
i,k=l
¿ r H r p * dm, dm k > 0 . 9mk T'P'mk
(A 1 2 . 9 8 a )
Um diese Stabilitätsbedingung zu interpretieren, betrachten wir ein thermodynamisches System 2 in einem Wärme- und Arbeitsreservoir. Das System befinde sich in einem Gleichgewichtszustand. In diesem ist die Materie im System homogen verteilt. Nun teilen wir 2 in zwei isotherme und isobare Teilsysteme mit zunächst gleichen Komponen-
A 12.9 Formulierung und Anwendung différentielle! Stabilitätsbedingungen
163
tenmassen ni! ... m n . Wir ändern nun die Massenverteilung in 2 infinitesimal, indem wir vom homogenen Ausgangszustand ^ : T > ? , m 1 ... m n ^ • S ^ T . P . m ! ... m n zum inhomogenen Zustand 2 ( 1 ) : T, P, m, + dm t ... m n + dm n " S ( 2 ) : T, P, m! - dm t ... m n - dm n übergehen und diesen durch geeignete Hemmungen fixieren. Die Ungleichung (98 a) ist dann gerade die Bedingung dafür, daß die freie Enthalpie des neuen Zustandes größer als die des ursprünglichen Gleichgewichtszustandes ist. Dies folgt aus (33) mit (34) und (A 10.69), Hebt man also die Hemmungen auf, so geht das System von selbst bei Abnahme der freien Enthalpie (und Zunahme der Entropie) aus dem inhomogenen Zustand in den homogenen Gleichgewichtszustand wieder zurück. Ist also (98 a) erfüllt, so ist das System stabil gegenüber Entmischung. Genügen die chemischen Potentiale eines Mehrstoffsystems nicht dieser Bedingung, so entmischt sich das System im Laufe der Zeit und geht vom Zustand mit homogener Massenverteilung in ein Mehrphasensystem über. Beispiel: Eine durch Ultraschall-Schütteln hergestellte Mischung von Wasser und öl zersetzt sich nach einigen Tagen wieder in eine Öl- und eine Wasserphase. Die Ungleichung (98a) muß für beliebige Werte der Massendifferentiale dmi5 i = 1 ... n gelten. Die Differentialquotienten (9/jj/3m k ) T j p m *, i, k = 1 ... n bilden also die Elemente einer positiv définit en Matrix. Nach (88 a) gelten daher neben anderen die Ungleichungen (
I^T,r
(
35£>T.P,«l 0
'
9/ik
(A 12.98b) 9/ij W T . P X
ÖM k ^hn^T,P,m*k-
(A 12.98c)
Durch sie wird einerseits die mathematische Struktur der chemischen Potentiale eingeschränkt. Andererseits kann man mit ihnen prüfen, in welchem Wertebereich der Variablen T, P, m , ... m n ein vorgegebenes Mehrstoffsystem gegenüber Entmischung stabil ist. Dabei ist zu beachten, daß diese Bedingungen gemäß (88 a) für Gemische mit einer beliebigen Komponentenzahl n nur notwendig, aber nicht hinreichend sind. Eine Mischung zweier idealer Gase ist für beliebige Werte der Parameter T, P, m , , m 2 stabil gegenüber Entmischung. Die chemischen Potentiale der Gase genügen nämlich
164
A 12 Gleichgewichtsbedingungen und thermostatische Stabilität
den Bedingungen ( 9 8 b, c). Diese sind in diesem Fall, d. h. für n = 2, für die Stabilität nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend! Es gilt nun
MiCT, P , i
1
,m
2
) = M?(T, P) +
nj nj + n2
n
'
i1
=
nij \ MF; '
RT
In jq ,
( A I 2.99)
i=l,2.
Hier bedeuten R die absolute Gaskonstante, x ; den Molenbruch, M; die Molmasse und /U? das chemische Potential der reinen Komponente i bei der Temperatur T und dem Druck P der Mischung. Daher wird (ÜB.) ^m/P.T.mJ
RT x i + 1 > 0 , MjlTli RT
dm^ P> T, m k
M; m k
xk ,
i = 1, 2 ( m o d 2 ) ,
i=£k,
i, k =
1,2.
Diese Ausdrücke genügen ersichtlich für alle Werte von P, T und x i ; i = 1 , 2 den Ungleichungen ( 9 8 b, c). Eine andere F o r m der Stabilitätsbedingung ergibt sich, wenn man anstelle des Maximumprinzips für die Entropie das Minimumprinzip für die innere Energie ( 1 6 ) , ( 1 7 ) verwendet. Soll der Gleichgewichtszustand eines einfachen, fluiden Mehrstoffsystems thermodynamisch stabil sein, so muß für beliebige Zustandsvariationen (dS, dV, dm x ... d m n ) die Ungleichung
•
dT dS — dP dV +
n 2 d^dmi^O i=l
(A 12.100)
bestehen. Hierbei können die Parameter T, P,
... ß n als bekannte Funktionen von
S, V und m x ... m n aufgefaßt werden. Das Gleichheitszeichen gilt wiederum nur für eine triviale Klasse von Zustandsänderungen, nämlich den Vervielfachungen des Systems. Aus (10.0) folgen die Aussagen ( 9 8 a) und
C p ( T , P , m i ... m n )
k s ( S , P, m l ... m n )
9R =(gr)
P > m
1 9V =-^(gp)S
(A 1 2 . 1 0 0 a )
>0,
m
> 0 .
(A 1 2 . 1 0 0 b )
Die Ungleichung ( 1 0 0 a ) besagt: Bei isobarer Wärmezufuhr kann die Temperatur stabiler, geschlossener Systeme (ohne chemische Reaktionen) nur zu-, aber nicht abnehmen.
A 12.9 Formulierung und Anwendung differentieller Stabilitätsbedingungen
165
Die Ungleichung (lOC o) besagt: Bei isentroper, also praktisch adiabater Erhöhung des äußeren Druckes, kann das Volumen eines stabilen thermodynamischen Systems nur kleiner, aber nicht größer werden. Die Stabilitätsbedingungen (95) und (100) können in einfacher Weise auf fluide thermodynamische Mehrstoffsysteme mit inneren Vorgängen erweitert werden. Man hat dazu nur die Bedingungen (72) oder (75) für die Entropie eines zusammengesetzten Systems bzw. die entsprechenden Bedingungen für die innere Energie des Systems auszuwerten. Man erhält dann die Ungleichungen
d4)dU+d(£)dV-
2
i—1
d&dm;-
K
-
Av Z d(-=r) d£ k < 0 ,
k= 1
(A 12.101)
1
dT dS — dP dV + 2 d/Uj dmä + 2 d A k d ? k > 0 . i=l k=1
(A 12.102)
Soll ein gehemmter Gleichgewichtszustand eines thermodynamischen Systems mit inneren Umwandlungen stabil sein, so müssen für beliebige Zustandsvariationen diese beiden Ungleichungen gelten. Hierbei können in (101) z. B. die Variationen dU, dV, dm i ; d£ k , i = 1 ... n, k = 1 ... A unabhängig voneinander vorgegeben werden. Die Variationen d(l/T), d(P/T), dOij/T), d(A k /T), i = 1 ... n, k = 1 ... K sind dann durch die kalorische, die thermische, die chemischen und inneren Zustandsgieichungen (58) eindeutig festgelegt. Analog kann man sich in (102) die Variationen dS, dV, dm! ... dm n , d£j ... d£ K unabhängig voneinander vorgegeben denken. Dann sind die Variationen dT, dP, d/i/i, dA k , i = 1 ... n, k = 1 ... K wiederum durch die thermostatischen Zustandsgleichungen des Systems bestimmt. Soll also ein gehemmter Gleichgewichtszustand thermostatisch stabil sein, so müssen die Zustandsgieichungen des Systems gewisse Bedingungen erfüllen. Beispiele für solche Bedingungen sind etwa die Ungleichung (96a), (97a), (98b, c), (100a), (100b). Alle in diesen vorkommenden Größen sind nun aber auch Funktionen der inneren Variablen ... £ K ! Eine spezielle, nur die inneren Zustandsgieichungen des Systems betreffende Bedingung erhält man aus (101) bzw. (102), wenn man Zustandsvariationen bei konstanter Temperatur, Druck und Massen des Systems betrachtet. Gilt dT = 0, dP = 0, dm; = 0, i = 1 ... n, so folgt aus (101) oder (102)
K
(A 12.103)
166
A 12 Gleichgewichtsbedingungen und thermostatische Stabilität
Da diese Ungleichung für beliebige Werte der Variationen d£ k , k = 1, 2 ... K gilt, muß die Matrix der partiellen Ableitungen ( 3 A k / 8 ? | ) T t p , m , g j , k, 1 = 1 ... K gemäß (89a) positiv definit sein. Nach (88 a) gelten also neben anderen die Ungleichungen
(A 1 2 . 1 0 3 . )
9A k
dAj
« ^ r . p . m . t t ^ V p . - . t i -
k;l=l-K.
(A 12.103b)
Die entsprechenden höheren Ungleichungen spielen bei der Behandlung konkreter Systeme mit inneren Variablen nur selten eine Rolle. Wir verzichten daher darauf, sie explizit anzugeben.
A 12.10 Integrale Stabilitätsbedingungen Die Bedingungen für thermostatische Stabilität (95) und (100) beziehen sich nun stets auf infinitesimale Variationen des betrachteten Gleichgewichtszustandes. Andere Formen der Stabilitätsbedingung erhält man, wenn man an Stelle dieser infinitesimalen Zustandsvariationen endliche Zustandsänderungen des Systems untersucht. Wir betrachten dazu ein stabiles, einfaches, fluides Mehrstoffsystem und bezeichnen zwei seiner Gleichgewichtszustände mit Z(U, V, m t ... m n , S) bzw. Z + ( U + , V + , mj" ... m „ , S + ) . Ist die Entropiefläche S = S(U, V, m , ... m n ) für alle irgendwo im Wertebereich (U, U + ) , (V, V + ) , ( m j , m ^ ... m n , m „ ) gelegenen Gleichgewichtszustände stabil, gilt also für alle diese Zustände die Konvexitätseigenschaft (85), so muß zwischen den Parametern von Z und Z + folgende Ungleichung bestehen [158, S. 29]*:
S - S
+
n
< ^ ( U - U
+
) + ^ ( V - V
+
)
(A 12.104)
ßt
2 ^(mj-m,*). i= l 1
*
Eine relle Funktion f = f ( x j ... x n ) der reellen Veränderlichen x t ... x n heißt in einem Gebiet G(xü < x; < Xj 2 , i = 1 ... n] konvex (nach oben), wenn in diesem Gebiet d 2 f(x' 1 ... x„) < 0 ist. Dann genügt die Funktion für alle (Xj0) eG, (x,) eG der Ungleichung n 3f f(X! ... x n ) - f ( x 1 0 . . . x n 0 ) < 2 (-d x HXj-Xjo). i=l i0
A 12.10 Integrale Stabilitätsbedingungen
167
Vertauscht man die beiden Zustände Z und Z + , so erhält man aus (104) die Ungleichung S-S+ > | ( U - U
+
) + £(V-V+)- 2 Y(mi_mi+)i=l 1
(A 12.105)
Subtrahiert man (105) von (104), so erhält man die „entropiefreie" Bedingung
-
2 (f-^imi-m^XO. i—1 1
(AI2.106)
Die Ungleichungen (104—106) sind Stabilitätsbedingungen des Systems in integraler Form. Sie gelten für zwei beliebige Gleichgewichtszustände Z und Z + , die innerhalb eines stabilen Zustandsbereiches des Systems liegen. Unter einem stabilen Zustandsbereich verstehen wir dabei einen gewissen Wertebereich der unabhängigen Variablen U, V, mj ... m n , innerhalb dessen alle Gleichgewichtszustände des Systems thermostatisch stabil sind. Die Ungleichungen (104) und (105) drücken geometrisch gesprochen nur die Tatsache aus, daß die Entropiefläche eines stabilen thermodynamischen Systems eine überall konvexe Hyperfläche ist und als solche stets „unter" ihrer Tangentialebene liegt. (Vgl. auch Abb. A 26) Wir werden diese Ungleichungen noch bei der Begründung der sogenannten Passivitätseigenschaft thermodynamischer Systeme in Kapitel E, Bd. III verwenden. Zum Abschluß sei betont, daß alle angeführten Stabilitätsbedingungen (85), (95), (96—98), (100—102), (105) nur für flüssige bzw. gasförmige Systeme mit einer homogenen Phase gelten. Entsprechende Bedingungen für Festkörper konnten bislang trotz intensiver Bemühungen [113, 88, 109, 111 ] noch nicht in physikalisch befriedigender Weise formuliert werden.
A13 Einige Bemerkungen zu thermodynamischen Systemen mit chemischen Reaktionen
In diesem Abschnitt wollen wir einige Grundbegriffe und Ergebnisse der Thermostatik von Systemen mit chemischen Reaktionen diskutieren. Wir wollen damit die Grundlagen bereitstellen, die man braucht, um chemische Reaktionen in ihrem zeitlichen Ablauf im Rahmen der Thermodynamik irreversibler Prozesse studieren zu können. Wir beschränken uns dabei auf die Untersuchung von Reaktionen in räumlich homogenen Systemen, sogenannten „Homogenreaktionen". Bezüglich chemischer Reaktionen in heterogenen Systemen sei auf die Literatur verwiesen [33, S. 66; 16, S. 307; 7, S. 246ff; 176, S. 413 ff]. Wir wollen nun zunächst die stöchiometrischen Gleichungen chemischer Reaktionen diskutieren und insbesondere einen Satz über die lineare Abhängigkeit solcher Gleichungen zitieren und beweisen. Danach wollen wir den Begriff der Laufzahl einer chemischen Reaktion, die Reaktionsgeschwindigkeit und die thermostatische chemische Affinität besprechen. Anschließend sollen die Gleichgewichtsbedingungen für ein einfaches thermodynamisches System mit einer beliebigen Anzahl chemischer Reaktionen formuliert werden. Sie werden durch eine kurze Diskussion der zugehörigen Stabilitätsbedingungen ergänzt. Es bleibt zu erwähnen, daß die folgenden Überlegungen nicht nur für herkömmliche chemische Reaktionen, z. B. die Bildung von Wasser und Salz aus einer Säure und einer Base, gelten, sondern auch zur Beschreibung von Dissoziations-, Rekombinationsoder Ionisationsreaktionen verwendet werden können (vgl. Aufgabe A 16). Allgemein gesprochen können in den im folgenden diskutierten thermodynamischen Systemen ganz beliebige Massenumwandlungen auftreten. Sie-müssen nur von der Art sein, daß sich bei ihnen „Elementarteilchen" definieren lassen, deren Anzahl bei der Reaktion erhalten bleibt (Satz von der Erhaltung der Teilchenzahl). Bei gewöhnlichen chemischen Reaktionen sind diese Elementarteilchen die Atome der einzelnen chemischen Elemente. Bei der Ionisation sind diese Elementarteilchen die Elektronen bzw. die im Atomkern gebundenen Protonen. Bezüglich ausführlicher Darstellungen des hier gebrachten Stoffes sei der Leser auf die umfangreiche Literatur zur Physikalischen Chemie und Chemischen Thermodynamik verwiesen [16, 3, 9, 12, 8, Kap. 21, 22; 10, 176, 187,189,192, 195]. Wir betrachten nun ein einfaches, fluides thermodynamisches System mit einer Phase und n vielen Komponenten. Enthält das System r < n viele chemische Elemente, mit
A 13 Einige Bemerkungen zu thermodynamischen Systemen mit chemischen Reaktionen
169
den Symbolen p = 1 ... r, so kann die chemische Summenformel Z ; , i = 1 ... n jeder einzelnen Komponente nach J. Berzelius in der Form Zi = E E0, dU = 0 , dV = 0 , dm; = 0 , d(VD a ) = 0 ,
(A 14.76)
i = 1 ... n , a = 1, 2, 3 , bzw. A
•
S=
2 S ( a ) ->Max, a=l
* Die elektrische Erregung D des Systems 2 ist für inhomogene Zustände definiert durch die BeA .« ^ S Dp , 0 = 1, 2, 3. Sie entspricht also näherungsweise der mittleren a=l elektrischen Polarisation des Systems. Ziehungen VDß =
A 14.9 Ein Gleichgewichtsprinzip für offene thermodynamische Systeme
215
N. B. A
U=
2
U0= 2 V«*> D ^ = const,
0=1,2,3.
a =1
Die letzten Nebenbedingungen sind unter der hier getroffenen Voraussetzung stets paralleler elektrischer Erregungen D ^ , a = 1, 2 ... A physikalisch äquivalent mit der Bedingung, daß die gesamte elektrische Polarisation des Systems konstant bleibt (vgl. (16))! Im Gleichgewichtszustand besitzt die Entropie des gesamten isoliert gedachten Systems ein Maximum gegenüber ihren Werten in Zuständen mit gleicher gesamter Energie U, Volumen V, Massen mj, i = 1 ... n und Werten der Größen VD a , a = l , 2 , 3. Besitzt die Entropie in (76 a) ein relatives Maximum (vgl. Abb. A 25 d), so ist der betreffende Gleichgewichtszustand gehemmt: mindestens zwei der Teilsysteme 2 ^ , a = 1 ... A befinden sich noch nicht vollständig miteinander im Gleichgewicht. Hat die Entropie (76 a) ein absolutes Maximum angenommen, so ist der Gleichgewichtszustand von 2 ungehemmt: alle Teilsysteme 2 ^ befinden sich miteinander im vollständigen thermostatischen Gleichgewicht und haben - wie aus (76) bzw. (76 a) gefolgert werden kann — dieselben Intensivparameter. Diese werden dann kurz als Intensivparameter des Systems 2 im betreffenden Gleichgewichtszustand bezeichnet. — Durch Legendre-Transformationen kann man aus (75) noch weitere Gleichgewichtsprinzipien ableiten (vgl. Kap. A 12). Wir gehen hier nicht darauf ein, sondern verweisen auf die Literatur [2, 7]. Wir wollen nun das Gleichgewichtsprinzip (76) an zwei einfachen Beispielen demonstrieren. Als erstes Beispiel betrachten wir einen starren und gegenüber seiner Umgebung adiabat isolierten Zylinder mit der Querschnittsfläche q. Die Deckflächen des Zylinders seien die Platten eines Kondensators mit den konstanten elektrischen Ladungen ± Q e . Das Innere des Zylinders ist mit zwei verschiedenen fluiden und dielektrischen Stoffen gefüllt, die voneinander durch eine starre, reibungsfrei verschiebbare und wärmeleitende Wand getrennt werden.
216
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
-,121 Eu>
E121
0
q (,l
Qe .P .1
D
p12I,t121
l,)
-Üe o c \
-a, Isolierung
Kolben Abb. A 31a Gleichgewicht zwischen thermodynamischen Systemen mit elektrischen Feldern.
Die Stoffe bilden zwei thermodynamische Systeme, die miteinander mechanische Arbeit, Wärme und indirekt auch elektrische Momente bzw. Energie austauschen können. Wir bezeichnen die Entropie, die innere Energie, das Volumen, den Druck, die Temperatur, die elektrische Erregung und Feldstärke im System a mit 2 ( a ) : S(a\ U(a), V, E ( a ) ,
a=
1,2.
Nach (7) sind die elektrischen Erregungen in beiden Systemen einander gleich. Es gilt also D
(1)=D(2)
=
D
Die Gleichgewichtsbedingungen des Systems können mit Hilfe des Extremalprinzips (76) bzw. (76 a) entwickelt werden. Dieses lautet für unser System S (D + S(2)
H> M ax,
U = 0,
dD = 0 .
(A 14.77 a)
A 14.9 Ein Gleichgewichtsprinzip für offene thermodynamische Systeme
217
Wir setzen nun die Gibbs'schen Fundamentalgleichungen (56) der beiden Teilsysteme ds(ö)
=^
+^
d(V D) ,
a = 1, 2 ,
in die erste Gleichung aus (77 a) ein. Unter Beachtung der übrigen in (77 a) enthaltenen Beziehungen ergibt sich die Gleichgewichtsbedingung 1
1 - ife>
„x
d U ( 1 )
PW-E^D P< 2 )-E (2 >D 1 +C-^rr -
= 0
•
Da U*1* und V ^ voneinander unabhängige Variable des Systems 2 ^ sind, kann diese Gleichung für beliebige Werte der Variationen d V ^ nur dann erfüllt sein, wenn die Beziehungen XO) = t ® = t , p(D _ E (i) D = P(2) _ E(2) d
(A 14.78a) ( A !4
78 b)
bestehen. Sie besagen: Bei vorgegebener und unveränderlicher Kondensatorladung Qe = Dq befinden sich die beiden Systeme 2 ^ , a = 1, 2 miteinander im Gleichgewicht, wenn sie gleiche Temperaturen T ^ und „reduzierte Drücke " P^) - E (a) D besitzen. Letztere sind definiert als Differenz zwischen dem im System herrschenden hydrostatischen Druck und einem von der Coulombschen Anziehung der Kondensatorenladungen herrührenden „Coulombdruck" E ^ D, a = 1, 2. Ein interessanter Sonderfall von (78 b) ergibt sich, wenn ein System — etwa S O — ein fluider elektrischer Leiter ist. Dann ist E ^ = 0 und es gilt p(D = p(2) + E^) D .
(A 14.78b')
Der im System 2 ^ herrschende hydrostatische Druck P ^ setzt sich zusammen aus dem von außen wirkenden Druck P ^ und dem Coulombdruck E ^ D . Da letzterer stets positiv ist, gilt in diesem Fall p(l) > p(2) Kennt man die kalorischen, thermischen und elektrischen Zustandsgieichungen der Teilsysteme, so bilden die Gleichgewichtsbedingungen (78a, b) zusammen mit den Nebenbedingungen in (77) ein System von vier Gleichungen für die vier unbekannten
218
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
Gleichgewichtswerte der Parameter a = 1, 2. Zur besseren Übersicht stellen wir dieses Gleichungssystem noch zusammen: T (D
(.i.) =TÖ)(.2-),
p(i)(.1.)_E(D(.1.)D
=p(2)(.2-)-E(-2-)D,
U, V)
T ( a)> p( a) )
. . . i g \ E < p ...£
0
•
Diese Ungleichung ist durch die Erfahrung bisher stets bestätigt worden: Alle bekannten Dielektrika haben positive Permittivitätszahlen. Für Vakuum gilt speziell er = 1. Damit wollen wir die Thermostatik der Dielektrika abschließen und uns im nächsten Kapitel den Gleichgewichtserscheinungen in elektro-chemischen Systemen zuwenden.
A 14.11 Elektrochemische Systeme (Elektrolyte)
Flüssige oder feste Stoffe, die bewegliche, elektrisch positiv oder negativ geladene Teilchen, d. h. Ionen enthalten, heißen Elektrolyte.* Die beweglichen Ionen eines Elektrolyts sind die Ursache für dessen elektrische Leitfähigkeit. Elektrolyte werden daher auch als „Ionenleiter" bezeichnet. Die Größe der elektrischen Leitfähigkeit wird durch die Beweglichkeit der Ionen im Elektrolyt bestimmt. Beispiele für Elektrolyte sind die wäßrigen Lösungen von Salzen, Oxyden, Säuren und Basen, ferner geschmolzene Salze und manche Festkörper wie z. B. Silberjodid (AgJ2). Thermodynamische Systeme, die Elektrolyte enthalten, nennen wir elektrochemische Systeme. Beispiele für solche Systeme sind die Elektrolyte selber, die galvanischen Elemente, alle elektrischen Batterien und die Akkumulatoren. In diesem Abschnitt wollen wir nun die Grundlagen einer Thermostatik der einfachsten elektrochemischen Systeme, nämlich der Elektrolyte, entwickeln. Wir gehen dabei von der Feststellung aus, *
Das elektrisch positiv geladene Ion heifit Kation; ihm fehlen Elektronen in seiner Hülle. Beispiel: K + , H \ Das elektrisch negativ geladene Ion heißt Anion, dieses besitzt zu viele Elektronen in_ seiner Hülle, („an-" griechische Vorsilbe der Verneinung bzw. Negation!) Beispiel: C1 , S 0 4 . Kationen wandern im elektrolytischen Trog zur negativen Elektrode, der Kathode. Anionen wandern zur positiven Elektrode, der Anode.
A 1 4 . l l Elektrochemische Systeme (Elektiolyte)
221
daß ein Elektrolyt in thermodynamischer Hinsicht nichts anderes ist als ein System, welches mit seiner Umgebung nur dadurch in Wechselwirkung steht, daß es — z. B. durch eine Membran — mechanische und elektrische Arbeit, Wärme, Masse und elektrische Ladung austauschen kann. Der Elektrolyt sei eine Flüssigkeit mit einer Phase und n vielen elektrisch geladenen, oder aber auch neutralen Komponenten. Zwischen diesen mögen keine chemischen Umwandlungen auftreten! Ferner setzen wir voraus, daß auf den Elektrolyten, mit Ausnahme eines konstanten elektrostatischen Feldes E a , keine äußeren Kräfte einwirken.
Abb. A 32 Fluides elektrolytisches System.
Der Elektrolyt möge sich nun in einem Gleichgewichtszustand befinden. Ein solcher Zustand zeichnet sich gegenüber beliebigen anderen Zuständen dadurch aus, daß keine Massenströme oder elektrische Ströme im Elektrolyt auftreten. Alle Massen und elektrischen Ladungen sind makroskopisch in Ruhe! Die Oberfläche des Elektrolyts ist stets eine Fläche konstanten elektrischen Potentials
i = l . . . n.
(A 14.106)
Diese Beziehungen können formal auch als die chemischen Zustandsgieichungen des Elektrolyts bezeichnet werden. Dazu ist aber zu bemerken, daß die chemischen Potentiale der Komponenten eines Elektrolyten experimentell nur für elektroneutrale Komponenten, nicht aber für Ionenkomponenten bestimmt werden können. Die Ursache dafür liegt in der Definition dieser Größen begründet: die Bedingung potentialfreier Massenzufuhr = ipe) kann experimentell grundsätzlich nicht realisiert werden! (Vgl. z. B. [10, S. 210ff].) Anstelle des chemischen Potentials ist aber bei Ionenkomponenten das durch (95) oder ( 1 0 2 ) definierte elektrochemische Potential zumindest näherungsweise meßbar. Unter gewissen Voraussetzungen — z. B. für stark verdünnte Elektrolyte - ist es sogar exakt meßbar!
A 14.14 Der Zusammenhang zwischen den elektrochemischen und den chemischen Potentialen eines Elektrolyten Wir wollen nun einen einfachen Zusammenhang zwischen den elektrochemischen Potentialen ( 1 0 2 ) und den chemischen Potentialen ( 1 0 5 ) eines Elektrolyts herleiten. Dazu betrachten wir eine infinitesimale Zustandsänderung des Elektrolyts (S, V, m , ... m n ) -> (S + dS, V + dV, m t + dirij ... m n + dm n ). Diese werde auf zwei verschiedene Weisen durchgeführt. Einmal bestehe zwischen Elektrolyt und Umgebung eine Potentialdifferenz (14 e). Im ersten Fall gilt die Gibbs'sche Beziehung (98). Im zweiten Fall gilt (104). Subtrahiert man beide Beziehungen voneinander, so erhält man die Relation
dUl (o)
- d U l (o) _
fe
fe
~ fe
n = 2 (/}{— jUj) d m } .
(A 14.107)
i= 1
Beschreibt man andererseits die Änderungen der inneren Energie bei beiden Zustandsänderungen mit Hilfe des Ersten Hauptsatzes ( 8 6 ) und ( 8 7 ) - ( 8 9 ) , so erhält man die Beziehung n
dUl (o)
fe
„ — dUl (o) = Ve - Ve
2
* fe
j_ j
qeidmi.
(A 14.108)
Da die Relationen (107), ( 1 0 8 ) für beliebige Wahl der Massenelemente dmj, i = 1 ... n gelten müssen, folgt aus ihnen: •
JÜi = ( ^ e - ^ 0 ) ) q e i + M i ,
i = 1 ... n .
(A 14.109)
A 14.15 Ein Ausdruck für das Wärmedifferential offener elektrolytischer Systeme
229
Das elektrochemische Potential einer Komponente ist gleich dem chemischen Potential der Komponente, vermehrt um die elektrische Arbeit, die man leisten muß, um die spezifische elektrische Ladung der Komponente vom Umgebungspotential i p ^ auf das Potential des Elektrolyts zu heben. Für elektrisch neutrale Komponenten (q ei = 0) ist das elektrochemische Potential identisch mit dem chemischen Potential der betreffenden Komponente. Aus der Beziehung (109) ersieht man ferner, daß es selbst bei Kenntnis der elektrochemischen Potentiale (102) im allgemeinen nicht möglich ist, die chemischen Potentiale und die elektrostatische Potentialdifferenz (ipe — yf^) für sich zu bestimmen. Eine solche Aufspaltung der elektrochemischen Potentiale gelingt nur, wenn man noch gewisse Näherungsannahmen macht, oder statistische Modellvorstellungen über die molekulare Struktur des Elektrolyts einführt. Wir verweisen diesbezüglich auf die Literatur zur Elektrochemie [176, 187, 10]. (Vgl. auch Aufgabe A 21.)
A 14.15 Ein Ausdruck für das Wärmedifferential offener elektrolytischer Systeme Wir sind nunmehr in der Lage, für das Wärmedifferential dQ in (86) einen Differentialausdruck in den thermodynamischen Parametern des Elektrolyts anzugeben. Dazu betrachten wir zunächst das formale Differential der inneren Energie nach (85):
Für die einzelnen Differentialquotienten gilt:
W V m
~
Cv
(A 14.85 a)
'
(A 14.111)
i = 1 ... n .
(A 14.112)
Die Beziehungen (111) und (112) sind Maxwell-Relationen, die man erhält, wenn man (110) in (97) einsetzt und beachtet, daß der sich ergebende Differentialausdruck für dS ein totales Differential sein muß.
230
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
Setzt man nun umgekehrt (110) mit (85 a), (111), (112) in (86) ein, so erhält man mit (87)-(89) folgenden Ausdruck für das Wärmedifferential:
dQ = C v d T + T ( | | ) V m d V + A
+ 2
n
{ 2 [Mi —TC
0)
- ( } dm^).
(A 14.113)
Dieser Ausdruck kann explizit berechnet werden, wenn die kalorische, die thermische und die elektrochemischen Zustandsgieichungen sowie die spezifischen Enthalpien der zugeführten Massen und die Potentialdifferenz (Max . 7=1 U = U (1) + U = const, •
v = v + V = const, mj = mp^ +
= const,
(A 14.114) i = 1 ... n .
n
(Qe = 2 q e i m i = const) . i=l Die differentielle Form dieses Prinzips lautet: dS = 2 d S ™ ( l P \ VW, m™... m « ; q e l ... q e n ) = 0 , 7=1 d 2 S = 2 d 2 S « ( u M V™, m f ... m™; q e l ... q e n ) < 0 , 7=1 dU = d l ^ + dU = 0 ,
(A 14.115)
dV = dV (1) + dV (2) = 0 , dmj = dmp } + dmp } = 0 , n
( d Q e = 2 q e i dm; = 0 ) . i=1
i = 1 ... n ,
232
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtseischeinungen
Wendet man die Gibbs'sche Gleichung (97) auf die Elektrolyte und einzeln an, und setzt man diese Beziehungen in (115) ein, so erhält man die Relation: dS = ( - — ) dV ( 1 ) y(2) TW ¿(0
¿(2)
- . J ^ - ^ t o P ^ O -
(A 14.116)
Hier sind die Variationen dU*1), dV*1), d m p \ i = 1 ... n unabhängig voneinander wählbar. Daher gilt: j ( l ) _ j(2) ._ y ^ J>(1) = p(2) , = P ) W - i P i - i k .
(A 14.117) i = 1 ... n .
Zwischen den beiden Elektrolyten besteht thermostatisches Gleichgewicht, wenn sie gleiche Temperaturen, Drücke und elektrochemische Potentiale besitzen! Die letzte Bedingung in (117) kann mit (109) auch in folgender Form geschrieben werden: Mp>(T, P, 7(i1} -
- q e „) +
Qei =
Mp)(T,P)7f)...7i2);qel...qe„) + ^2)qei.
i = 1 ... n .
(A 14.118)
Aus dieser Beziehung erkennt man, daß zwischen Elektrolyten auch dann Gleichgewicht bestehen kann, wenn die Massenkonzentrationen i = 1 ... n, a = 1, 2 voneinander verschieden sind! In diesem Falle sind auch die chemischen Potentiale der einzelnen Komponenten in beiden Elektrolyten voneinander verschieden. Diese Verschiedenheit kann aber durch verschiedene Oberflächenpotentiale der Elektrolyte wieder kompensiert werden, so daß gerade wieder die elektrochemischen Potentiale in beiden Systemen für alle Komponenten einander gleich sind.
A 14.17 Die thermostatische Stabilitätsbedingung für Elektrolyte Aus der in (115) enthaltenen Bedingung über die zweite Ableitung der Entropie des gesamten Systems E = + kann eine Bedingung für die thermostatische Stabilität eines einzelnen, fluiden Elektrolyten abgeleitet werden (vgl. Kap. A 12 und A 16). Diese Bedingung lautet:
dcbdU+d(£)dV-
2 d S h dmj < 0 . i=l
(A 14.119)
A 14.18 Elemente der Magnetostatik
233
Ist sie für alle mit den thermostatischen Zustandsgieichungen (93-95) bzw. (100-102) verträglichen Zustandsvariationen erfüllt, so heißt der Elektrolyt thermostatisch stabil. Das heißt: Variiert man den Zustand (U, V, m j ... m n ) des Elektrolyts, so kehrt er nach Aufhebung der Variation in den ursprünglichen Zustand zurück und strebt nicht irgend einem anderen, z. B. aus mehreren Phasen mit unterschiedlichen Massenkonzentrationen und Oberflächenpotentialen bestehenden neuen Zustand zu.
A 14.18 Elemente der Magnetostatik Wir wollen uns in den folgenden Abschnitten mit Magneto-Thermostatik beschäftigen. Dies ist die Lehre von den Gleichgewichtserscheinungen thermodynamischer Systeme, die sich in einem äußeren Magnetfeld befinden. Es wird dazu notwendig sein, zunächst einige Grundtatsachen aus der Magnetostatik bereit zu stellen. Danach wollen wir für ein einfaches, fluides thermodynamisches System, welches sich in einem äußeren Magnetfeld befindet, die Hauptsätze der Thermostatik und die Gibbs'sche Fundamentalgleichung formulieren. Anschließend werden wir die Materialgleichungen eines solchen Systems diskutieren, einige magneto-thermostatische Effekte besprechen und Gleichgewichtsprinzipien sowie Stabilitätsbedingungen angeben. Permanent magnetisierte Körper wie z. B. Stabmagnete oder Kompaßnadeln verändern den Raum in ihrer Umgebung: sie besitzen ein magnetisches Feld. Dieses Feld kann mit Hilfe von Eisenfeilspänen sichtbar gemacht werden. Die Feldlinien scheinen stets von einem gewissen Gebiet im Magnet auszugehen und in ein anderes Gebiet wieder zu münden. Diese Gebiete heißen die Pole des Magneten. Bringt man einen einzelnen Pol — etwa das Ende einer schwach magnetisierten langen Stricknadel — in das Feld eines Permanentmagneten, so wird auf den Pol eine gewisse Kraft K = (K t , K 2 , K 3 ) ausgeübt. Diese hängt von der Stärke des Pols, bzw. von seiner „magnetischen Ladung" Q m ab. Der Grenzwert-Vektor
n B a =
KQm) lim —zr ,
a = 1, 2, 3 ,
(A 14.120)
wird als „Stärke des Magnetfeldes", als magnetische Flußdichte bzw. als magnetische Induktion bezeichnet. Das Experiment zeigt nun, daß die Kraft K auf eine „magnetische Probeladung" Q m dieser direkt proportional ist: Ka = Q m B a ,
a = 1, 2, 3 .
(A 14.121)
234
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
Die magnetische Induktion ist also die Kraft, die das Magnetfeld auf die Einheit der magnetischen Ladung Q m ausübt.* Diese Tatsache kann grundsätzlich dazu benützt werden, die magnetische Induktion im Vakuum oder in fluiden Medien zu messen.
Diese Methode ist auch auf Festkörper übertragbar. Allerdings ist es dazu notwendig, eine allgemeine Stetigkeitseigenschaft der magnetischen Induktion zu beachten, die erst später formuliert werden soll (vgl. (129)). Praktisch wird allerdings die magnetische Induktion nicht über die Messung von Kräften nach (121), sondern vielmehr durch Messung von Induktionsspannungen bestimmt [179, 193, 197]. Die Dimension der magnetischen Induktion ist im internationalen Einheitensystem (SI), welches wir hier ausschließlich verwenden wollen, nicht mehr frei wählbar, sondern durch eine andere wichtige Erfahrungstatsache bereits festgelegt: Magnetfelder üben auf bewegte elektrische Ladungen Kräfte aus. Diese werden nach H. A. Lorentz als „Lorentz-Kräfte" bezeichnet. Die Lorentz-Kraft ist proportional der elektrischen Ladung Qe und dem äußeren Produkt aus der Geschwindigkeit v der Ladung und der durch (120) definierten magnetischen Induktion B:
(A 14.122)
K = Qe v X B .
In Komponenten gilt also:
Kq = Qe taßv vß B 7 »
*
0=1,2,3
(A 14.122a)
Diese Definition der magnetischen Induktion mag etwas künstlich erscheinen, da magnetische Ladungen bislang nicht frei, sondern stets nur gekoppelt in Form magnetischer Dipole beobachtet worden sind. Dazu ist aber zu bemerken, daß die in (120) auftretende Kraft auf einen einzelnen Magnetpol experimentell zumindest bei sehr langgestreckten Magneten, bei denen die Wirkung des Gegenpoles wegen seiner großen Entfernung vernachlässigbar ist, recht genau gemessen werden kann. Im übrigen kann die magnetische Induktion auch durch Untersuchung des Verhaltens von magnetischen Dipolen erklärt werden. Der Vektor B besitzt die Richtung, in welcher auf den Dipol kein Drehmoment wirkt. Sein Betrag ist der Grenzwert des Verhältnisses, aus dem mechanischen Drehmoment M, welches auf ihn wirkt, wenn er senkrecht zu B steht, zum magnetischen Dipolmoment, definiert als Produkt aus magnetischer Ladung Q m und Ladungsabstand d. Es gilt also:
Qm-0
Q
md
Schließlich ist zu bemerken, daß die Frage nach der Existenz magnetischer Monopole in der Natur auch heute noch als unentschieden angesehen werden muß. Es gibt experimentelle Hinweise dafür, daß magnetische Monopole in der Höhenstrahlung enthalten sein könnten. (Physikalische Blätter 31K11), 525, 1975; Physik in unserer Zeit 6/165 (1975)).
A 14.18 Elemente der Magnetostatik
235
In dieser Beziehung bedeutet e = (e a ß y ), a, ß, y = 1, 2, 3, den antisymmetrischen Tensor dritter Stufe: e
123 ~ e231 _ e312 — 1 >
*132 = c321 =^213 = - 1 .
(A 14.123)
£aßy = 0 ... wenn mindestens zwei Indizes gleich sind. Ferner gilt die Einsteinsche Summenkonvention, wonach in einem Ausdruck wie z. B. (122a) über doppelt vorkommende Indizes (ß, y) automatisch von 1 bis 3 summiert wird. Aus (121) folgt, daß die Einheit der magnetischen Induktion
m
mz
ist. (Wb = Weber, T = Tesla). Damit folgt aus (120), daß die magnetische Polstärke oder Ladung folgende Einheit besitzt: [Qm]=Am. Die Kraft, mit der sich zwei Magnetpole anziehen oder abstoßen, ist nun proportional zu den magnetischen Ladungen Q m j , Q m 2 der beiden Pole und umgekehrt proportional zum Quadrat ihres Abstandes: „ 1 Qml Qm2 K = -—; . 4tt/mo r2
,. . . (A 14.124)
Dies ist das Gesetz von Coulomb für Magnetpole. Es gilt nur dann, wenn die räumlichen Ausdehnungen der beiden Pole klein sind gegenüber ihrem gegenseitigen Abstand r! Aus (124) folgt mit (121), daß das Feld einer (hypothetischen) punktförmigen magnetischen Ladung durch den Ausdruck: Qm
—,
4n/ß0 r3
a = l ,, 2o, a3 ,
r^ — Xa XQ — Xj 4"
(A 14.125)
"t" Xj
beschrieben wird. Dabei haben wir angenommen, daß sich Q m im Ursprung eines Inertialsystems befindet und der „Aufpunkt", d. h. der Punkt, in welchem das Magnetfeld betrachtet wird, die Koordinaten x = (xt, x 2 , x 3 ) besitzt.
236
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
Die Größe ß0 in (124) ist die magnetische Feldkonstante. Da wir über die Einheit der magnetischen Ladung bereits verfugt haben, wird sowohl die Einheit als auch der numerische Wert von ß 0 durch das Coulomb'sche Gesetzt (124) eindeutig festgelegt. Es gilt: H0 = 1.256 •
(A 14.126)
Die magnetische Induktion besitzt noch folgende wichtige Eigenschaft: das Hüllenintegral über eine beliebige geschlossene Fläche O ist proportional der von O umschlossenen magnetischen Ladung: # Badfa=M0Qmo
(A 14.127)
In dieser Beziehung bedeutet df = (df x , df 2 , df 3 ) ein nach außen orientiertes Element der Fläche O, wie es bereits nach Formel (6) dieses Kapitels erklärt worden ist. Da nun freie magnetische Ladungen zumindest unter terrestrischen Bedingungen nicht zu existieren scheinen, verwenden wir im folgenden anstelle von (127) stets die einfachere Beziehung # B a df a = 0 .. o
(A 14.128)
Diese besagt: der „magnetische Fluß" durch eine beliebige geschlossene Fläche ist stets gleich Null: das magnetostatische Feld besitzt — im Gegensatz zum elektrostatischen Feld — keine Quellen oder Senken, d. h. es gibt keine freien magnetischen Ladungen. Aus der Beziehung (128) folgt, daß die magnetische Induktion an der Grenzfläche zweier Medien eine stetige Normalkomponente besitzt. Bezeichnen wir die Normalkomponenten der Induktion zu beiden Seiten der Grenzfläche mit B n i , und B n 2 , so gilt: B n ia = B n 2 a ,
a = 1, 2, 3 .
(A 14.129)
Die Ableitung dieser Stetigkeitsbeziehungen aus (128) kann ganz analog zur Ableitung der Gleichungen (7) aus (6) erfolgen. Magnetfelder treten nun nicht nur in der Umgebung von magnetisierten Stoffen — z. B. Permanentmagneten — auf. Sie sind auch stets in der Umgebung stromdurchflossener elektrischer Leiter vorhanden. Dies ist zum erstenmal von H. C. Oersted 1820 durch die Ablenkung einer Kompaßnadel in der Umgebung eines stromführenden Drahtes demonstriert worden. Wir beschreiben das von einem elektrischen Strom erzeugte Magnetfeld durch ein gewisses Vektorfeld H = (Hj, H 2 , H 3 ). Dieses besitzt nach A. Ampère die fundamentale Eigenschaft, daß sein linienintegral längs einer beliebigen geschlossenen Kurve C gleich dem von der Kurve umschlossenen elektrischen Strom J e ist: f Ha dx a = J e . c
(A 14.130)
A 14.18 Elemente der Magnetostatik
237
Der Wert des Kurvenintegrals ist dabei unabhängig davon, ob der Integrationsweg durch Vakuum oder durch materieerfüllten Raum fuhrt! Dies ist eine Erfahrungstatsache. Der Vektor H heißt magnetische Feldstärke oder magnetische Erregung. Er hat nach (130) die Dimension: [H] =
A m
Die magnetische Feldstärke besitzt eine wichtige Stetigkeitseigenschaft. Setzen wir voraus, daß in der Grenzfläche zweier thermodynamischer Phasen keine flächenhaften elektrischen Ströme fließen, so kann man aus (130) folgern, daß die Tangentialkomponente der magnetischen Feldstärke stetig sein muß. Bezeichnet man die Tangentialkomponenten der magnetischen Feldstärke zu beiden Seiten der Grenzfläche mit H t j und H t 2 , so gelten die Beziehungen Htia
—
^t2a »
a — 1, 2, 3 .
(A 14.131)
(Vgl. Abb. A 27a und Formel (3)). Die Stetigkeitsbedingung (131) ist der Schlüssel zur Entwicklung einer Meßmethode für die magnetische Feldstärke, der sogenannten Gegenfeldmethode: Bohrt man in einen Festkörper parallel zur Richtung der an einem gewissen Ort herrschenden magnetischen Feldstärke einen schmalen „Längsschlitz" (Abb. A 34), so herrscht innerhalb und außerhalb des Schlitzes wegen (131) dieselbe Feldstärke H.
Abb. A 34 Gegenfeldmethode zur Bestimmung der magnetischen Feldstärke in Materie.
Wir führen nun in den Schlitz eine Probespule (Windungszahl n, Länge 1) und eine Magnetnadel ein. Der Spulenstrom J e wird so gewählt, daß das von ihm im Inneren der Spule erzeugte homogene Magnetfeld H* das ursprüngliche Feld
238
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen gerade kompensiert. In diesem Fall wird also auf die Magnetnadel kein mechanisches Drehmoment ausgeübt! Die gesuchte Feldstärke ergibt sich dann dem Betrag nach gemäß ( 1 3 0 ) durch die Beziehung H = -Jen/1.*
Die Erfahrung zeigt nun, daß die Wirkungen eines von magnetisierter Materie bzw. von einem elektrischen Strom erzeugten Magnetfeld auf Magnetpole oder bewegte elektrische Ladungen völlig gleichartig sind, so lange sich die Magnetpole bzw. die Ladungen im Vakuum befinden. Im Vakuum müssen daher die Felder der magnetischen Induktion B und der magnetischen Feldstärke H zueinander proportional sein. Im internationalen Einheitensystem gilt: •
B = m0H,
(A 14.132)
wobei ß 0 die in ( 1 2 6 ) angegebene magnetische Feldkonstante ist.** In Materie besteht kein so einfacher Zusammenhang zwischen den Vektoren H und B. Es gibt zwar einen Zusammenhang. Dieser ist aber im allgemeinen viel komplizierter und muß durch eine
*
Die magnetische Feldstärke wird heute praktisch nicht mehr nach dieser Methode bestimmt. An ihrer Stelle gibt es eine Reihe anderer Verfahren. Wir erwähnen die Messung von H mit Hilfe des Hall-Effektes in Halbleitern (vgL Bd. II), die Elektronenspin- bzw. Kernspinresonanzmethode und den besonders in der Astrophysik zur Bestimmung stellarer Magnetfelder verwendeten Zeemann-Effekt.
** Manche Autoren (Mie, Sommerfeld, Meixner) bevorzugen es, die Beziehung (132) in der Form H = —B MO
(A 14.132a)
*
zu schreiben. Dies wird mit dem Hinweis getan, zwischen den Größen des magnetostatischen und des elektrostatischen Feldes bestehe physikalisch die „Korrespondenz" B«E, H«D.
(I)
Tatsächlich wäre dann die der Gleichung (12) der Elektrostatik entsprechende Beziehung der Magnetostatik nicht (132), sondern vielmehr (132a). Bei aller Würdigung der von den genannten Autoren gegebenen Argumente für die erwähnte Korrespondenz (193, 8], neigen wir doch eher dazu, von einer Korrespondenz B~D,
zu sprechen. Wir stützen uns dabei nicht nur auf die Analogie der Beziehungen (6) und (127) bzw. (128), sondern vor allem auf den Energiesatz der Maxwellschen Theorie [193, S. 24 ff], [186, S. 59, 151] bzw. auf die aus ihm ablesbaren Energiedifferentiale des elektrostatischen und des magnetostatischen Feldes (19) und (139). Diese Ausdrücke sprechen für die Korrespondenz (II)!
A 14.19 Bemerkungen zur mikroskopischen Deutung des Magnetismus der Materie
239
eigene Beziehung, nämlich die magnetostatische Zustandsgieichung des Stoffes beschrieben werden. Wir werden uns mit dieser Zustandsgieichung im folgenden noch zu beschäftigen haben.
A 14.19 Bemerkungen zur mikroskopischen Deutung des Magnetismus der Materie Wir haben das Magnetfeld bislang rein makroskopisch-phenomenologisch durch zwei Vektorfelder, nämlich die magnetische Induktion B und die magnetische Feldstärke H beschrieben. Diese Felder sind gemäß (120) und (130) bzw. durch die zugehörigen, oben kurz erwähnten Meßvorschriften sowohl im Vakuum als auch im materieerfüllten Raum wohl definiert. Wir wollen nun noch eine kurze Bemerkung zur mikroskopischmolekularen Deutung der Zustände und Vorgänge in magnetisierter Materie machen. Die Tatsache, daß die Bruchstücke eines Permanentmagneten, also eines magnetischen Dipols, stets wieder magnetische Dipole und keine Monopole sind, führt zwangsläufig zur Vorstellung, daß die einzelnen Moleküle und Atome des Magneten selbst magnetische Dipole sind. Diese Hypothese kann mit Hilfe einer „elektromagnetischen Analogie" [193, S. 10] noch plausibler gemacht werden: das Magnetfeld einer kreisförmigen Leiterschleife (Radius r), durch welche ein elektrischer Strom J e fließt, ist in großer Entfernung von der Schleife identisch mit dem Magnetfeld, welches ein magnetischer Dipol (Polstärke Q m , Polabstand d) mit dem Dipolmoment m m = Q m d = n r 2 J e erzeugt. Nun enthält jedes einzelne Atom eine große Anzahl mikroskopischer Kreisströme, erzeugt durch Bahn- und Eigenrotationen (Spins) einzelner elektrisch geladener Elementarteilchen, nämlich der Protonen und Mesonen im Atomkern und der Elektronen in der Hülle des Atoms. Jeder dieser Kreisströme erzeugt ein (schwaches) Magnetfeld, welches aus makroskopischer Entfernung betrachtet dem Feld eines Dipoles entspricht. Diese Felder können sich je nach Bau des Atoms gegenseitig verstärken oder aber auch (ganz oder teilweise) kompensieren. In jedem Fall erzeugt das einzelne Atom in seiner Umgebung ein Magnetfeld, welches in Entfernungen, die groß gegenüber den atomaren Dimensionen sind, wieder ein Dipolfeld ist. Sind die Richtungen der zu diesen atomaren Dipolfeldern gehörenden magnetischen Momente statistisch über alle Richtungen des Raumes verteilt, so besitzt die Materie kein makroskopisches magnetisches Moment: sie ist amagnetisch. Bringt man aber die Materie in ein äußeres Magnetfeld, so dringt dieses in sie ein und „erregt" sie magnetisch! Auf die einzelnen Atome, näherungsweise aufgefaßt als magnetische Dipole, wird ein Drehmoment ausgeübt (vgl. Fußnote S. 234), durch welches sie mehr oder minder in die Richtung des äußeren Magnetfeldes orientiert werden. Die Materie besitzt dann makroskopisch gesehen ein magnetisches Moment, welches einerseits vom erregenden Magnetfeld, andererseits von der Struktur der Atome und Moleküle des betrachteten Stoffes abhängt. Die vektorielle Summe der magnetischen Dipolmomente aller Moleküle in der Volumeneinheit wird magnetische Polarisation der Materie genannt. Auch sie ist ein Vektorfeld. Wir bezeichnen sie mit dem Buchstaben P m = P m (x). Zwischen der magnetischen Polarisation, der Induktion und der magnetischen Feldstärke besteht in isotropen Medien ein universeller, d. h.
240
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtseischeinungen
von den speziellen Eigenschaften des betrachteten Stoffes unabhängiger Zusammenhang. Wir wollen nun darangehen, diesen Zusammenhang herzuleiten. Wir denken uns dazu aus der magnetisierten Materie ein kleines zylinderförmiges Stück mit Erzeugenden parallel zur magnetischen Induktion herausgeschnitten. Dadurch wird das Magnetfeld in der Materie zunächst gestört bzw. verändert. Um das ursprüngliche Feld wieder herzustellen, denken wir uns in der Grund- und Deckfläche des Zylinders flächenhaft verteilte (hypothetische) magnetische Ladungen aj,, »m angebracht, derart, daß die magnetische Feldstärke im Hohlraum und in der ihn umgebenden Materie genau dieselbe ist, wie vor dem Herausschneiden der Materie.* 0*
1 vielen Komponenten in einem äußeren Magnetfeld entwickeln. Zunächst beschränken wir uns wieder auf homogene und isotrope fluide Medien, die sich in einem homogenen, also ortsunabhängigen Magnetfeld befinden. Anisotrope Medien, wie z. B. optisch aktive Flüssigkeiten, schließen wir in den folgenden Untersuchungen ausdrücklich aus*. Als konkretes Beispiel betrachten wir nun irgend ein fluides Medium, z. B. Luft unter Normalbedingungen, welches sich in einem „Solenoid-Gefäß" befindet. Darunter verstehen wir einen durch einen verschiebbaren *
Streng genommen muß man auch noch voraussetzen, daß das Medium in seinem magnetischen Verhalten keine quasistatischen Nachwirkungserscheinungen wie z. B. Ferro- oder Antiferromagnetismus zeigt Nur unter dieser Voraussetzung kann ein Gleichgewichtszustand des Fluidums thermodynamisch wieder durch endlich viele Zustandsparameter eindeutig beschrieben werden. Insbesondere ist es nicht notwendig, die Vorgeschichte des Gleichgewichtszustandes zu kennen. Die getroffene Einschränkung mag übertrieben erscheinen, da Ferromagnetismus lange Zeit nur bei festen Stoffen (Fe, Co, Ni, Dy, Gd) beobachtet wurde. Tatsächlich gibt es aber auch fluide ferromagnetische Substanzen, nämlich die Schmelzen der genannten Stoffe und gewisse ihrer Legierungen.
A 14.21 Thermostatik isotroper fluider Stoffe in magnetostatischen Feldern
243
Kolben verschlossenen Zylinder, der von einem elektrischen Leiter umwickelt ist. Schickt man durch die so gebildete Spule einen zeitlich konstanten elektrischen Strom J e ) so bildet sich im Inneren des Zylinders ein (näherungsweise) homogenes Magnetfeld H aus. dQ
h
Spule dA Spannungs/quelle
P.V.T.m V—r « /»
dw„
Abb. A 36a Fluides thermodynamisches System im homogenen Magnetfeld.
Die Spule sei in einzelne Teile geteilt, die über den Kolben so geschaltet werden können, daß der über den Kolben nach rechts hinausragende Teil der Spule stets stromfrei ist. Damit bleibt das Magnetfeld im wesentlichen auf den abgeschlossenen Raum im Inneren des Zylinders beschränkt. Das Medium kann nun mit seiner Umgebung Wärme (dQ), mechanische Arbeit (3A) und durch Änderung des elektrischen Stromes in der Spule auch magnetische Energie (dW m ) austauschen! Nach dem Ersten Hauptsatz der Thermostatik besitzt das Medium eine Zustandsgröße: die gesamte in seinem Inneren enthaltene Energie U. Diese ändert sich bei einer infinitesimalen Zustandsänderung offenbar gemäß der Beziehung: dU = a Q - d A + aW m .
(A 14.140)
Die innere Energie nimmt zu,- wenn dem Medium Wärme oder magnetische Energie zugeführt wird. Sie nimmt ab, wenn das Medium mechanische Arbeit an seine Umgebung abgibt. — Da nun das Medium homogen und isotrop sein soll, müssen die magnetische Feldstärke und die Induktion vom Ort unabhängige und zueinander parallele Vektoren sein. Damit reduziert sich der allgemeine Ausdruck (139) für das Differential der magnetischen Energie auf die Form dWm = VHdB .
(A 14.141a)
Dieser Ausdruck gilt gemäß seiner Herleitung nur für adiabate Zustandsänderungen, bei denen sich die magnetische Induktion B, nicht aber das Volumen V des Mediums ändert. Für das Arbeitsdifferential in (140) gilt nach (A 4.3) ÜA = P a dV.
244
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
Hierbei ist P a der von außen auf das Medium einwirkende hydrostatische Druck. Dieser unterscheidet sich von dem im Inneren des Mediums herrschenden Druck P um den „magnetostatischen Druck" BH. Es gilt die Beziehung P = P a + HB . Diese Relation wird in Aufgabe A 29 begründet (vgl. auch A 14.78b'). Setzt man diese Beziehung zusammen mit dem obigen Ausdruck für die vom System an seine Umgebung abgegebene mechanische Arbeit in (140) ein, so erhält der 1. Hauptsatz die Form •
dU = dQ - PdV + Hd(VB).
(A 14.142)
Aus ihr folgt, daß es zweckmäßig ist, für die „magnetische Energie" Wm nicht das Differential (141a), sondern vielmehr den Ausdruck dWm = Hd(VB)
(A 14.141b)
zu verwenden. Dieser geht für isochore Zustandsänderungen in den Ausdruck (141 a) über. Ferner ist er — im Gegensatz zu (141 a) das Produkt aus einer echten Intensitätsgröße (H) und dem Differential einer echten Extensivgröße (VB), wie alle übrigen Terme auf der rechten Seite von (142) auch. Aus der Beziehung (142) liest man ab, daß die innere Energie eines homogenen, isotropen und fluiden Mediums eine eindeutige Funktion seiner Temperatur, seines Volumens, seiner magnetischen Induktion und seiner Komponentenmassen ist: •
U = U(T, V, B; m j ... m n ) .
(A 14.143)
Diese Beziehung ist eine mögliche Form der kalorischen Zustandsgieichung des Mediums. Durch partielle Differentiation kann aus ihr die Wärmekapazität des Mediums bei konstantem Volumen und konstanter magnetischer Induktion berechnet werden: C
v,B = ( § ) V ( B > m i . . . m n -
(A 14.143a)
Diese Größe hängt im allgemeinen wieder von den Variablen T, V, B, m x ... m n ab! Wir wollen nun den ersten Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik formulieren: Das Medium besitzt eine Zustandsgröße, die Entropie S. Diese ist eine eindeutige Funktion der Temperatur, des Volumens, der magnetischen Induktion und der Komponentenmassen: •
S = S(T f V > B,m 1 ...m,,).
(A 14.144)
A 14.21 Thermostatik isotroper fluider Stoffe in magnetostatischen Feldern
245
Betrachten wir nun eine infinitesimale quasistatische Zustandsänderung des Mediums: (T, V, B, m j ... m n ) -»• (T + dT, V + dV, B + dB, m 1 ... m n ). Um eine physikalische, d. h. etwa zu (A 10.2) und (A 11.5) äquivalente Aussage über die dabei auftretende Änderung der Entropie dS machen zu können, brauchen wir noch eine Hypothese über den Austausch von magnetischer Energie zwischen dem Medium und seiner durch Zylinder, Spule und Spannungsquelle repräsentierten Umgebung. Ausgangspunkt der hier zu entwickelnden Hypothese ist die Erfahrungstatsache, daß das in Abb. A 36a dargestellte thermodynamische System nicht nur mechanische Arbeit, sondern auch magnetische Energie adiabat und quasistatisch reversibel mit seiner Umgebung austauschen kann. Ferner ist zu bedenken, daß sich die Entropie eines einfachen thermodynamischen Systems nicht ändert, wenn dieses mit seiner Umgebung quasistatisch reversibel nur mechanische Arbeit, aber keine Wärme austauscht. (Dies folgt aus (10.2) mit dQ rev = 0.) Diese beiden Umstände legen es nun nahe, folgende Hypothese zu formulieren: die Entropie eines Mediums im magnetostatischen Feld soll sich nicht ändern, wenn das Medium mit seiner Umgebung quasistatisch reversibel mechanische Arbeit oder magnetische Energie, aber keine Wärme austauscht. Für quasistatisch reversible Zustandsänderungen mit Austausch von mechanischer Arbeit, magnetischer Energie und Wärme gilt dann wieder die Beziehung:
dS =
äQrev
•
(A 14.145)
In ihr hätte grundsätzlich auch ein Glied mit der Änderung der magnetischen Induktion dB auftreten können! Dies wird aber gerade durch die obige Hypothese ausgeschlossen. (Vgl. auch die Bemerkungen zur analogen Hypothese der Elektro-Thermostatik vor Gleichung (31).) Auf ähnliche Weise kann man nun begründen, daß der zweite Teil des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik, für quasistatisch irreversible Vorgänge in Medien mit homogenen Magnetfeldern einfach wieder äQirr
dS>-Y^
(A 14.146)
lauten muß. Bei quasistatisch irreversiblen Prozessen wächst die Entropie des Mediums mindestens um den Betrag der reduzierten zugeführten Wärmemenge. Glieder mit den Differentialen dV oder dB treten aber in (146) nicht auf! Ist das Medium von seiner Umwelt isoliert, tauschen aber seine Teile untereinander Wärme, mechanische Arbeit oder magnetische Energie aus, so kann seine Entropie nur zu- aber nicht abnehmen. Eine Formulierung des Zweiten Teils des Zweiten Hauptsatzes für natürliche, also auch Nichtgleichgewichtszustände enthaltende Prozesse in Systemen mit Magnetfeldern scheint nicht einfach zu sein. Eine mögliche Formulierung, welche quasi eine Erweiterung der Ungleichung (A 11.1) auf fluide Systeme in äußeren magnetischen Feldern darstellt, wird in Bd. II, Kap. C noch angegeben werden.
246
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
Aus (142) und (145) erhält man die Gibbs'scheFundamentalgleichung fluider Medien in homogenen Magnetfeldern: •
dU = TdS - PdV + Hd(VB).
(A 14.147)
Diese Beziehung gilt gemäß ihrer Herleitung zunächst nur für quasistatisch reversible Zustandsänderungen. In (147) kommen aber nur Zustandsgrößen bzw. deren Änderungen vor. Beide Arten von Größen sind unabhängig von der Art und Weise wie eine infinitesimale Zustandsänderung am System durchgeführt wird. Daher gilt (147) auch für quasistatisch irreversible Prozesse! Integriert man die Gibbssche Beziehung (147) zwischen zwei Zuständen Z 0 (S 0 , V 0 , B0 = 0) und Z(S, V, B) längs eines „S, V, B-Hakens", so erhält man die Beziehung U(S, V, B) = U(S, V, 0) + W m (S, V, B) . Hierbei ist s v U(S, V, 0) = U(S 0 , V 0 , 0) + / T(S', V 0 ) 0) dS' - / P(S, V', 0) d V , So v0 B
Wm(S,V,B)=
/
H(S, V, B') VdB'.
B' = 0
Die innere Energie des magnetisch erregten Mediums besteht aus der inneren Energie im feldfreien Zustand U(S, V, 0) und der adiabat-isochoren Magnetisierungsarbeit W m (S,V,B). Diese Magnetisierungsarbeit ist für eine spezielle Klasse von Stoffen, nämlich für „lineare isotrope magnetische Medien" gleich der im homogenen Magnetfeld enthaltenen Energie. Aus der Zustandsgieichung solcher Medien (159) folgt nämlich mit
(162): B
Wm(S,V,B)=
/
R'
vr2
— r r r VdB' = 2ju(S,V)ß , = o M ( S.V)
Wir wollen nun noch die Gibbs'sche Gleichung (147) für die Volumen- bzw. die Masseneinheit des Mediums formulieren. Setzt man in (147) V = 1, d. h. dV = 0, so ergibt sich: div = Tdsv + HdB .
(A 14.147a)
A 14.22 Die magnetostatische Zustandsgieichung
247
In dieser Beziehung bedeuten u v bzw. s v die Dichten der inneren Energie bzw. Entropie des Systems. Dividiert man (147) durch die gesamte Masse m des Fluids, so erhält man die Beziehung: du = Tds - Pd
+ Hd(®).
(A 14.147 b)
Hier bedeuten u, s, p die spezifische innere Energie, die spezifische Entropie und die Dichte des fluiden Mediums. Aus der Gibbs'schen Gleichung (147) folgt nun, daß die Funktion U = U(S, V, B; m j ... m n )
(A 14.148)
ein thermostatisches Potential des Mediums ist: Differenziert man sie nach ihren unabhängigen Variablen, so erhält man alle thermostatischen Zustandsgieichungen des Systems: T = T(-l-) = ( f ) V ) B > m ,
(A 14.149)
P = POI-) = - ( ^ ) s > B > m ,
(A 14.150)
VH = VH(.|.) = ( | f ) s > v > m ,
(A 14.151)
(-I-) = ( S , V , B ; m 1 ... m n ) . Eliminiert man die Entropie mit Hilfe von (144) aus diesen Beziehungen, so geht (149) in (143) über. Die Beziehungen (150) und (151) können dann in der Form P = P(T, V, B; m x ... m n ) ,
(A 14.152)
H = H(T, V, B; m, ... m n ) ,
(A 14.153)
geschrieben werden. Die Beziehung (152) ist die thermische Zustandsgieichung des Mediums. Der Druck, der vom Medium auf eine umhüllende Grenzfläche ausgeübt wird, hängt im allgemeinen auch von der magnetischen Induktion ab!
A 14.22 Die magnetostatische Zustandsgieichung Die Beziehung (153) ist die magnetostatische oder auch magnetische Zustandsgieichung des Mediums. Sie muß experimentell für alle Stoffe separat bestimmt werden! Sie gibt den Betrag der im Inneren des Mediums herrschenden magnetischen Feldstärke als
248
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
Funktion der Temperatur, des Volumens, der magnetischen Induktion und der Komponentenmassen an. Die magnetische Feldstärke ist nach (130) eine intensive Größe. Sie kann de facto also nur von nichtextensiven Kombinationen der vorgenannten Pan
rameter abhängen. Als solche wählen wir die Massendichte p = ( 2 m^/V und die i—1 n Massenkonzentrationen = m;/( 2 m k ), i = 1 ... n. Damit folgt aus (153): k= 1 •
H = H(T, B, p ; . . . 7 n ) .
(A 14.154)
Wir entwickeln diese Funktion in eine Taylor-Reihe nach der magnetischen Induktion B: H = h0(*l*) + hj(• I•) B + h 2 ('l*) B2 + ..., (-I-) = ( T , p ,
(A 14.155)
... 7 n ) .
Für B = 0 gilt speziell: H = h0(T,p,7l ...7n).
(A 14.156)
Setzt man dies in (136a) ein, so erhält man die Aussage: B = 0: P m = - M o h o = c o n s t .
(A 14.157)
Stoffe, in deren magnetischer Zustandsgieichung der Koeffizient h 0 nicht verschwindet, besitzen also auch bei verschwindender Induktion B ein magnetisches Moment (remanenter Magnetismus). Solche Stoffe heißen permanente magnetische Stoffe. Beispiele für sie sind — sowohl im festen als auch im geschmolzenen Zustand — die Ferromagnetika Fe, Co, Ni und auch die ferrimagnetischen Stoffe, wie etwa der Bluteisenstein F e 3 0 4 . Diese Stoffe können als Permanentmagnete zur Erzeugung konstanter Magnetfelder benützt werden. Wir werden zu diesen Stoffen noch an anderer Stelle einige Bemerkungen machen, schlièfien sie aber bei den folgenden Betrachtungen aus. Wir setzen also voraus, daß ho 5= 0
(A 14.158)
ist. Die Reihenentwicklung (155) beginnt dann mit dem linearen Glied. Tatsächlich reicht dieses bei vielen Stoffen und schwachen äußeren Magnetfeldern Ha aus, um den Zusammenhang zwischen der in ihrem Inneren herrschenden magnetischen Feldstärke H und Induktion B zu beschreiben. Solche Stoffe haben die. magnetostatische Zustandsgieichung H = h i ( T , p, 7 i ... 7 „ ) B .
(A 14.159)
A 14.22 Die magnetostatische Zustandsgieichung
249
Sie heißen „lineare isotrope magnetische Stoffe". Aus der Voraussetzung der Isotropie des Stoffes folgt, daß die Vektoren H und B dieselbe Richtung haben müssen. Daher gilt (159) auch für die einzelnen Komponenten: Ha=h1(T,p,yi...yn)Ba,
«=1,2,3.
(A 14.160)
Diese Zustandsgieichungen werden meist in der Form •
Ba =
p, 7X ... 7 n ) H a ,
a = 1, 2, 3
(A 14.161)
geschrieben. Der Koeffizient M = hj f i
(A 14.162)
heißt die statische Permeabilität des Stoffes. Er hat die Dimension: r i
Vs
Das dimensionslose Verhältnis der Permeabilität des Mediums ß zur „Permeabilität des Vakuums" (vgl. (132)), d. h. zur magnetischen Feldkonstanten n0, wird als statische Permeabilitätszahl oder als relative Permeabilität des Stoffes bezeichnet: Hr = 7TMo
(A 14.163)
Auch diese Größe ist im allgemeinen eine Funktion der Temperatur, der Dichte und der einzelnen Massenkonzentrationen des Stoffes: Pr = ßrCT, P,
... 7„) .
Für Vakuum gilt speziell
= 1. Die Zustandsgieichungen (161) lauten nun mit (163):
Ba^ofrHa»
a = 1, 2, 3 .
(A 14.164)
Die magnetische Induktion im Medium ist proportional zur magnetischen Feldstärke oder „magnetischen Erregung". Der Proportionalitätsfaktor hängt im allgemeinen von Temperatur, Dichte und stofflicher Zusammensetzung des Mediums ab! Eine andere wichtige Form der Zustandsgieichung linearer magnetischer Stoffe ergibt sich, wenn man (164) in (136a) einsetzt: P m a - Mo
Ha
(A 14.165)
250
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
Die Größe: n
m
=(Jr-R0
(A 14.166)
heißt (rationale) magnetische Suszeptibilität des Mediums. Sie kann, anders als die elektrische Suszeptibilität (52), nicht nur positive, sondern auch negative Werte annehmen und hängt im allgemeinen wieder von Temperatur, Dichte und stofflicher Zusammensetzung des Mediums ab! Lineare magnetische Medien können nun phänomenologisch je nach Vorzeichen, Größe und Temperaturabhängigkeit ihrer Suszeptibilität klassifiziert werden [181,186, 197]. Man unterscheidet:
a) Diamagnetika Bei diesen Stoffen ist Km < 0 bzw. /ir < 1. In inhomogenen, also räumlich veränderlichen Magnetfeldern wird auf diamagnetische Stoffe eine Kraft ausgeübt, die sie in Gebiete kleinerer Feldstärke zu drängen sucht. Dies kann aus (121), (164), (166) geschlossen werden. Befindet sich ein Diamagnetikum z. B. am Ende einer Magnetspule (Solenoid), so wird es aus dieser herausgedrängt und nicht hineingezogen. Ein diamagnetischer Stoff heißt einfach bzw. normal, je nachdem seine magnetische Suszeptibilität von der Temperatur des Stoffes unabhängig bzw. abhängig ist. Beispiele für einfache Diamagnetika sind alle Edelgase (He, Ne, Ar, Kr, Xe), ferner Au, Zn, und viele fluide und feste organische Substanzen. Für diese Stoffe ist größenordnungsmäßig Km 10~6. Ferner gilt per definitionem (8K m /9T) p = 0. Beispiele für normale Diamagnetika sind Graphit (C), Sb, Bi, Ga und In. Hier ist in etwa Km = — 1CT5. Außerdem gilt (9K m /9T) p # 0. Neben diesen beiden Arten diamagnetischer Stoffe gibt es noch die idealen Diamagnetika. Diese sind dadurch definiert, daß für sie « m = — 1 bzw. 1^ = 0 ist. Nach (164) kann in solchen Medien kein Induktionsfeld bestehen. Bringt man solche Medien in ein äußeres Magnetfeld, so weichen die Feldlinien dem Medium aus bzw. umschließen es ohne einzudringen. Diese Erscheinung wird bei allen elektrischen Supraleitern beobachtet (Meissner-Effekt). Materie im supraleitenden Zustand kann also in magnetischer Hinsicht als ideales Diamagnetikum angesehen werden. Diamagnetismus kann atomistisch in folgender Weise erklärt werden: Bringt man ein Atom in ein äußeres Magnetfeld, so verändert sich unter dem Einfluß der auf die einzelnen Elektronen wirkenden Lorentzkraft (122) die Elektronenhülle und evtl. auch die Spinkonfiguration des Atoms. Dieses erhält ein magnetisches Moment, welches in seiner Umgebung ein zusätzliches Magnetfeld erzeugt (vgl. (138)). Dieses „atomare" Magnetfeld ist nach der Lenzschen Regel [193] stets so orientiert, daß das äußere Magnetfeld geschwächt wird. Diese Erscheinung tritt grundsätzlich bei allen Stoffen auf. Sie ist aber nur bei solchen beobachtbar, deren Atome oder Moleküle kein eigenes, von einem äußeren Feld unabhängiges magnetisches Moment besitzen.
A 14.22 Die magnetostatische Zustandsgieichung
251
b) Paramagnetika Bei diesen Stoffen ist Km > 0 bzw. ß j > 1. In inhomogenen Magnetfeldern wird auf paramagnetische Stoffe eine Kraft ausgeübt, die sie in Gebiete größerer Feldstärke zu drängen sucht. Dies kann wieder aus (121), (164), (166) gefolgert werden. Befindet sich ein paramagnetischer Stoff am Ende einer Magnetspule, so wird er in diese hineingezogen und nicht herausgedrängt. Mißt man die dabei auftretende Kraft, z. B. mit einer Federwaage, so kann aus ihr die Suszeptibilität des Stoffes berechnet werden. Ein paramagnetischer Stoff heißt einfach bzw. normal, je nachdem seine magnetische Suszeptibilität von der Temperatur des Stoffes unabhängig bzw. abhängig ist. Alle Alkalimetalle (Li, Na, K, Rb, Cs, Fr) sind einfache Paramagnetika. Bei diesen Stoffen ist Km ~ K T 8 . Ferner gilt per definitionem (9K m /9T) p = 0. Alle Stoffe, die nicht diamagnetisch sind, verhalten sich für genügend hohe Temperaturen normal paramagnetisch Ihre Suszeptibilität genügt dem Gesetz von Curie-Weiss: Km
X
C _T(;.
C = C(p, 7i ... 7 n ) ,
(A 14.167)
T c = T c (p, 7l ... 7 n ) • Der Stoffparameter C wird meist als „Curie-Konstante", der Parameter T c als „CurieTemperatur" des Paramagnetikums bezeichnet. Eine Tabelle mit numerischen Werten dieser Größen ist z. B. in [2, S. 251] angegeben (vgl. auch [149, 155]). Ist für ein spezielles Medium T c = 0, so reduziert sich (167) auf das Curie'sehe Gesetz
Km = § .
(A 14.168)
Diese Beziehung kann für beliebige normal paramagnetische Substanzen bei hohen Temperaturen, d. h. für T > T c , als Näherung des Curie-Weiss-Gesetzes angesehen werden. Paramagnetismus kann atomistisch in folgender Weise erklärt werden: Die Atome und Moleküle vieler Stoffe besitzen natürliche magnetische Momente. Befindet sich der Stoff nicht in einem Magnetfeld, so erlaubt die ungeordnete Wärmebewegung keine gemeinsame Orientierung der Vektoren der atomaren magnetischen Momente: der Stoff scheint unmagnetisch zu sein. In einem homogenen äußeren Magnetfeld werden aber die atomaren magnetischen Momente näherungsweise in Richtung des Feldes orientiert. Damit verstärken die „atomaren" Magnetfelder das äußere Feld. Tatsächlich weisen die magnetischen Momente nie genau in die Richtung des äußeren Feldes. Sie präzidieren vielmehr mit der zur äußeren Feldstärke proportionalen „Larmor-Frequenz" um die Richtung des äußeren Magnetfeldes [181, S. 452],
252
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
Genügt die lineare Beziehung (159) bzw. die zu ihr äquivalenten Relationen (160, 161, 164, 165) nicht, einen experimentell bestimmten Zusammenhang zwischen magnetischer Induktion B und magnetischer Feldstärke H in einem isotropen Medium zu beschreiben, so muß man auf die allgemeine Reihenentwicklung (155) zurückgreifen. Diese führt dann zu den sogenannten nichtlinearen magnetischen Zustandsgieichungen. Aber selbst mit diesen Gleichungen kann das magnetische Verhalten vieler Stoffe nicht exakt, sondern grundsätzlich nur näherungsweise beschrieben werden. Ferromagnetische Stoffe wie z. B. Fe, Co, Ni oder die Verbindung LaSr. (Mn0 3 ) 2 zeigen nicht nur einen nichtlinearen Zusammenhang zwischen magnetischer Induktion und Feldstärke, sondern darüber hinaus auch noch sogenanntes „Hysterese-Verhalten": Das Magnetfeld im Medium hängt nicht nur vom momentanen Wert der Induktion, sondern auch noch von deren Werten zu früheren Zeiten, also von der magnetischen Vorgeschichte des Mediums ab. Ein solches Verhalten kann in der Thermostätik, die ja den Zeitbegriff nicht explizit verwendet, nicht mehr durch endlich viele Zustandsvariable, sondern allenfalls noch durch unendlich viele — z. B. durch Angabe der Induktionswerte zu allen unendlich vielen Zeitpunkten vor dem momentan betrachteten — beschrieben werden. Bei solchen Medien verlieren die Größen H, B, P m ihre fundamentale Eigenschaft thermodynamische Zustandsgrößen zu sein [84]! Magnetisches Hysterese-Verhalten tritt nun nicht nur bei den erwähnten ferromagnetischen Stoffen, sondern auch bei zahlreichen anderen, z. B. den antiferromagnetischen Stoffen CoCl2, CuO, MnO und FeS sowie den ferrimagnetischen Medien wie z. B. Magnetit F e 3 0 4 auf. Alle diese Stoffe schließen wir in den folgenden Betrachtungen ausdrücklich aus, beschränken uns also praktisch darauf, hier eine Magneto-Thermostatik nur für dia- oder paramagnetische Stoffe zu entwickeln. Wir sind dazu gezwungen, da eine systematische Theorie der Gleichgewichtserscheinungen in Stoffen mit magnetischem Hysterese-Verhalten anscheinend bis heute noch nicht entwickelt worden ist. Es ist aber zu betonen, daß diese Erscheinungen näherungsweise durch nichtlineare magnetische Zustandsgieichungen — im Falle ferromagnetischer Stoffe etwa durch die Gleichung von Langevin-Weiss [2, S. 253] — beschrieben werden können. Die Näherung besteht darin, daß man die mehrdeutige Zustandsfläche H = H(T, B, ß, ? ! ... 7 n ) in einzelne „Blätter" aufspaltet und sich auf die Untersuchung solcher Zustandsänderungen beschränkt, die auf ein und demselben Blatt liegen.
A 14.23 Zur Thermostätik anisotroper fluider Stoffe in homogenen Magnetfeldern Wir betrachten in diesem Abschnitt anisotrope, homogene und fluide Medien, also z. B. Kristallflüssigkeiten oder Kunststoffe mit orientierten Kettenmolekülen. Bei diesen Stoffen weisen die Vektoren der in einem Punkt herrschenden magnetischen Feldstärke und Induktion im allgemeinen in verschiedene Richtungen. Bei infinitesimalen Zustandsänderungen gilt zwar noch der Erste Hauptsatz in der Form (140). Für die Änderung der magnetischen Energie ist aber anstelle von (141 b) der Ausdruck
A 14.23 Zur Thermostatik anisotroper fluider Stoffe in homogenen Magnetfeldern
•
aWm=Had(VBa)
253
(A 14.169)
zu setzen (Summenkonvention). Dieser folgt aus (139) und der Homogenitätsforderung an das Medium. Die Gibbs'sche Gleichung anisotroper, fluider magnetischer Medien lautet somit •
d U = T d S - P d V + H Q d(VB a ).
(A 14.170)
Aus ihr folgt unmittelbar, daß die innere Energie nur dann ein thermostatisches Potential ist, wenn ihre Abhängigkeit von allen Komponenten der magnetischen Induktion berücksichtigt wird: •
U = U ( S , V , B 1 , B 2 , B 3 ; m i ... m n ) .
(A 14.171)
Die partielle Differentiation dieser Funktion nach B a , a = 1, 2, 3 liefert nach (170) die drei magnetischen Zustandsgieichungen des Mediums:* ^
^
W
.
m
'
«=1.2.3.
(A 14.172)
Die zu (155) analogen Reihenentwicklungen dieser Zustandsgieichungen lauten: H a = h 0 a ( - l - ) + h1^(-l-)Bß + + h 2 a 0 7 ( - l - ) B ß B 7 + ..., (•!•) = (T,p,
a = 1, 2, 3 ,
(A 14.173)
... 7 n ) .
Die Koeffizienten h 0 a , h l a ( 3 . . . bilden Tensoren erster, zweiter ... Stufe. Es gilt die Einsteinsche Summenkonvektion. Für lineare, homogene, anisotrope magnetische Medien ohne permanenten Magnetismus reduziert sich (173) auf die Form: Ha=hiaß(-I-)B„,
a = 1, 2, 3 .
(A 14.174)
Der zu h 1 p 7 inverse Tensor 2, Stufe heißt Permeabilitätstensor des Mediums. Er wird mit ßaß - ß0 ßTOlß, a, ß = 1, 2, 3 bezeichnet und ist durch folgende Beziehungen definiert (vgl. (62)): ß a ß ^ i ß y =Sv V, m
a = 1, 2, 3
(A 14.194)
beschrieben werden. Die Wahl der unabhängigen Variablen ist im Hinblick auf die aus (178) folgende Relation d ( Ü - TS) = - SdT — PdV + H ^ W ^ )
*
(A 14.195)
Unter der magnetischen Spannung zwischen zwei Punkten Xj, x 2 längs der Kurve C, versteht man das Kurvenintegral f H a dx a . Umschließt die Kurve C keine elektrischen Ströme, so ist
*i
der Wert dieses Integrals von ihrem Verlauf unabhängig [193, 182].
260
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
getroffen worden. Der Differentialquotient in (194) kann grundsätzlich wieder aus den Zustandsgieichungen des Mediums (152), (153) mit (136a) und (179b) berechnet werden. Er wird ferner durch eine aus (195) folgende Maxwell-Relation mit einem Differentialquotienten der isothermen Magnetostriktion verknüpft: (
3P _ 9Pma )T ' V > P m = ^
+ V(
9Hq 1)V ) TP m '
Piezomagnetische Spannungen sind meist sehr klein, d. h. selten größer als 10" 6 A. Hinsichtlich praktischer Anwendungen wollen wir hier nun bemerken, daß es möglich ist, piezomagnetische Effekte zur Erzeugung von Ultraschall bzw. zur Messung hoher Drücke auszunützen.
A 1 4 . 2 5 Ein Gleichgewichtsprinzip für offene t h e r m o d y n a m i s c h e Systeme m i t magnetostatischen Feldern In diesem Abschnitt wollen wir die Frage diskutieren, wann fluide thermodynamische Systeme, die miteinander mechanische Arbeit, Wärme, Masse und magnetische Energie austauschen können, miteinander im thermostatischen Gleichgewicht stehen. Diese Frage kann, wie bei Systemen mit elektrischen Feldern, mit Hilfe eines aus den Hauptsätzen der Thermodynamik ableitbaren Extremalprinzips beantwortet werden. Zur Formulierung dieses Prinzips ist es aber notwendig, die Gibbs'sche Gleichung (147) zu verallgemeinern. Wir betrachten ein fluides, homogenes, aber nicht notwendigerweise isotropes diaoder paramagnetisches Medium (£) mit einer Phase und n vielen Komponenten in einem homogenen magnetostatischen Feld (B, H). Kann das Medium mit seiner Umgebung Wärme, mechanische Arbeit und magnetische Energie austauschen, so gilt für infinitesimale Zustandsänderungen die Gibbs'sche Fundamentalgleichung (170). Kann das Medium darüber hinaus auch noch Masse austauschen, so schreiben wir anstelle von (170) zunächst formal n
•
dU = TdS — PdV + 2 i=l
dmj + H^ d(VB a ).
(A 14.196)
Die Größen juj, i = 1 ... n in dieser Beziehung sind die chemischen Potentiale des Systems. Sie werden formal definiert durch Mi = (
§s,v,mt,B'
i=l-n-
(A 14.196a)
Sie geben also an, um wieviel sich die innere Energie des Systems ändert, wenn diesem isentrop-isochor und bei konstanter magnetischer Induktion die Masseneinheit der Komponente i zugeführt wird. Die Beziehungen (196 a) sind die chemischen Zustandsgieichungen des Systems. Sie müssen im allgemeinen experimentell bestimmt werden.
A 14.25 Ein Gleichgewichtsprinzip für offene thermodynamische Systeme
261
In Einzelfällen ist es auch möglich, sie aus den chemischen Zustandsgieichungen im feldfreien Fall (B = 0) und der magnetostatischen Zustandsgieichung des Mediums zu bestimmen (vgl. Aufgabe A 29). Die Gibbs'sche Beziehung (196) enthält nur Zustandsgrößen des Systems. Sie gilt also für quasistatisch reversible und irreversible Zustandsänderungen in gleicher Weise. Wir betrachten nun ein thermodynamisches System 2, welches aus mehreren fluiden Teilsystemen a = 1, 2 ... A der oben angegebenen Art besteht. Es sei vorausgesetzt, daß die Vektoren der magnetischen Induktionen B ^ , a = 1 ... A in den einzelnen Teilsystemen 2 ^ stets in dieselbe Richtung weisen. Die Systeme 2 ^ können, müssen aber nicht miteinander im Gleichgewicht stehen. Im letzteren Fall besitzt das gesamte System zwar noch eindeutige thermostatische Extensivparameter, aber keine Intensivparameter mehr. Das ganze System 2 befinde sich ferner in einem „Bad" der konstanten Temperatur T a , des Druckes P a , der chemischen Potentiale juai, i = 1 ... n und der konstanten magnetischen Induktion B. (Letztere kann z. B. im Inneren einer mit Materie homogen erfüllten Magnetspule realisiert werden.) Das System kann mit dem Bad Wärme, mechanische Arbeit, Masse und magnetische Energie reversibel oder irreversibel austauschen. Wir machen nun über den Wärmeaustausch folgende Annahme: Er soll stets dann verschwinden, wenn das System Masse oder magnetische Energie mit dem Bad quasistatisch und isentrop-isochor, d. h. bei konstanten Werten der Entropie und des Volumens des Systems austauscht. Dies ist die Hypothese vom adiabat und isentrop-isochor möglichen Austausch von Masse und magnetischer Energie. Sie ist das Analogon zu der in Kap. A 14.9, für Systeme mit elektrischen Feldern formulierten Hypothese über den adiabat und isentrop-isochor möglichen Austausch von Masse und elektrischer Energie. Wendet man diese Hypothese auf das Bad und das System 2 an, so können die Hauptsätze der Thermodynamik für infinitesimale Zustandsänderungen in folgender Weise formuliert werden: n
dU = 3 Q - P a d V + 2 ¿uia dm; + H a a d(VB a ) , i—1
Die extensiven Parameter U, V, irij ... m n , VB sind Systemgrößen*. Die Intensivparameter T a , P a , juai) H a sind aber dem Bad zugeordnet! Durch Kombination der Hauptsätze erhalten wir die Aussage n 1 P Li dS > =r- dU + =r- dV — 2 y *
a
*
a
j—j
3
dm
H i ~ y 2 d(VB) • a
(A 14.197)
Die magnetische Induktion B des Systems £ in einem inhomogenen bzw. gehemmten GleichgeA wichtszustand ist definiert durch die Beziehung VBß = E V ^ Bp , ß = 1, 2, 3. Sie entspricht a =1
also in etwa einer mittleren magnetischen Polarisation des Systems.
262
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
Diese Ungleichung gilt unabhängig davon, ob die in 2 enthaltenen Teilsysteme 2 ^ miteinander im Gleichgewicht stehen oder nicht. Sie muß bei beliebigen infinitesimalen, quasistatisch reversibel oder irreversibel erfolgenden Zustandsänderungen erfüllt sein! Schließt man das System von seiner Umgebung ab, hält man also die Parameter U, V, mj, i = 1 ... n, B a , a = 1, 2, 3 konstant, so kann das System nach (197) nur von Zuständen niedrigerer Entropie zu solchen höherer Entropie übergehen: Hat die Entropie daher einen maximalen Wert erreicht, so können keine weiteren Zustandsänderungen auftreten, und das System befindet sich in einem Gleichgewichtszustand. Für diesen gilt also dS > 0 , dU = 0 , dV = 0 , dm ; = 0 , d(VB a ) = 0 ,
(A 14.198)
i = 1 ... n, a = 1, 2, 3, bzw. A
•
S=
S ( a ) ->Max,
2
(A 14.198a)
a=1 mit den Nebenbedingungen A
U = 2 U (a) = const, a— A \ V= 2
V ( a ) = const,
a= 1 A
mj = 2 m[ a) = const, a= 1
i = 1 ... n
A
VBß =
2
V ( a ) B ^ = const,
(3=1,2,3.
a= l
Die letzten Nebenbedingungen sind physikalisch äquivalent mit der Bedingung, daß nur Zustände gleicher gesamter Magnetisierung miteinander verglichen werden dürfen (vgl. (136))!
A 14.25 Ein Gleichgewichtsprinzip für offene thermodynamische Systeme
263
Im Gleichgewichtszustand besitzt die Entropie des ganzen, nunmehr isoliert gedachten Systems ein Maximum gegenüber ihren Werten in Zuständen mit gleicher Energie U, Volumen V, Massen m;, i = 1 ... n und Werten der Größe VB a , a = l , 2 , 3. Ist das Maximum relativ (vgl. Abb. A 25 d), so ist der Gleichgewichtszustand des Systems 2 gehemmt: mindestens zwei der Teilsysteme 2 ^ , a = 1 ... A befinden sich nicht im vollständigen, sondern im gehemmten Gleichgewicht miteinander*. Ist das Maximum absolut, so ist der Gleichgewichtszustand „vollständig" oder ungehemmt: Alle Teilsysteme 2 ^ können miteinander Wärme, Masse, Arbeit und magnetische Energie austauschen und befinden sich auch miteinander im Gleichgewicht. Man kann aus (198) folgern, daß in diesem Zustand in allen Teilsystemen dieselben Intensivparameter (T, P, j u j ... jun, E j ... E 3 ) herrschen müssen. Diese werden dann als Intensivparameter des ganzen Systems 2 bezeichnet. Wir wollen nun das Gleichgewichtsprinzip (198) an einem einfachen Beispiel demonstrieren und das Gleichgewicht untersuchen, welches sich zwischen einem fluiden System mit und einem ohne Magnetfeld einstellt. Wir betrachten dazu wieder einen starren und von seiner Umgebung adiabat isolierten Zylinder, der auf dem linken Teil seines Mantels eine Magnetspule trägt. Die Spule besitze w viele Windungen und werde von einem Strom J e durchflössen. Der Zylinder sei mit fluider dia- oder paramagnetischer Materie gefüllt. Diese befindet sich teilweise im von der Spule erzeugten homogenen Magnetfeld, teilweise im feldfreien Raum.** Diese beiden Teile des Fluidums bilden zwei thermodynamische Systeme 2 ^ und 2 ( 2 ) , die untereinander Masse und Wärme austauschen können. Zu ihnen tritt als weiteres thermodynamisches System die Spannungsquelle 2 * ! Erst das vereinigte System ( 2 ^ + 2 ^ + 2 * ) ist ein gegenüber seiner Umgebung abgeschlossenes System.
/ /
p(11 J » l
//
H.B
/
/ /
: V (2) = c o n s t ) t ( 2 ) j
p( 2 ) )
2* : S* , U * . Die Gleichgewichtsbedingungen für das gesamte System lauten nach (198a) S (D
+ s (2) +
s*
->• Max ,
U(i) + u(2) + u* = const, m(i)
+ m (2)
(A 14.199)
= const (
V ( 1 ) = const, V ( 2 ) = const, B
- const.
Ferner gilt zwischen magnetischer Feldstärke H und elektrischem Strom in der Spule J e das Amperesche Gesetz (130): V^H = wqJe.
(A 14.200)
Die differentielle Formulierung der Gleichgewichtsbedingungen lautet dSW + d S ® + dS* = 0 , dlK 1 ) + dU ( 2 ) + dU* = 0 , dm(1> + dm(2>
= 0,
dV = 0, dB
(A 14.199 a)
dV 0 •
(A 14.205)
Die Permeabilitätszahl linearer magnetischer Stoffe muß stets positiv sein. Dies wird durch die Erfahrung bestätigt. Bezüglich einiger Anwendungen der hier entwickelten Theorie sei der Leser auf die Übungsaufgaben A 24, 25, 29 verwiesen. Ausführlichere Darstellungen der Elektro- und der Magneto-Thermostatik sind in [8, 2, 131, 132, 186] zu finden.
A 14.27 Vorbereitende Bemerkungen zur Thermostatik
267
A 14,27 Vorbereitende Bemerkungen zur Thermostatik offener Systeme in homogenen elektromagnetischen Feldern In diesem Abschnitt wollen wir die Grundzüge der Thermostatik von homogenen, fluiden Einphasen- und Mehrstoffsystemen entwickeln, die sich in statischen, homogenen, elektrischen und magnetischen Feldern befinden. Das System kann offen oder geschlossen, isotrop oder anisotrop sein, elektrische Ladungen tragen oder aber auch elektrisch neutral sein. Im Inneren des Systems können chemische Reaktionen aller Arten, also z. B. auch Ionisations- oder Rekombinationsvorgänge ablaufen. Wir setzen aber voraus, daß auf das System außer den genannten keine weiteren äußeren Kraftfelder einwirken. Ferner wollen wir unterstellen, daß das System als „kleines System" aufgefaßt werden kann: Seine äußeren Abmessungen seien so klein, daß die potentielle Energie seiner Ladungen im elektrischen Feld praktisch unabhängig davon ist, wo diese sich im System befinden*. Das wichtigste Beispiel für ein solches System ist das elektrische Plasma bzw. ein Massenelement in einem solchen Plasma. Unter einem Plasma versteht man in der Physik die meist gasförmige Mischung von Elektronen, Ionen, d. h. elektrisch geladenen Atomen und Molekülen, und elektrisch neutralen Teilchen**. Alle diese Teilchen bilden im Plasma für sich einzelne thermodynamische Komponenten, nämlich das Elektronengas, das Ionengas und das sogenannte Neutralgas. Zu diesen treten häufig noch „Gase", bestehend aus angeregten Atomen oder Photonen, als weitere thermodynamische Komponenten hinzu. Unter den Photonen oder „Lichtteilchen" verstehen wir dabei die Quanten der im Plasma enthaltenen elektromagnetischen Strahlung [182, 184, 180, 197], Plasmen treten bei Gasentladungen (Geißlerröhre, Glimmlampen) und in Flammen auf. Beispiele für natürliche Plasmen sind die Ionosphäre der Erde*, die Sonnenmaterie, zahlreiche Sternatmosphären und planetarische Nebel. Elektrische Plasmen geben meist ihre Energie durch Strahlung und Wärmeleitung, ihre elektrische Ladung durch elektrische Ströme und innere Rekombination von Ionen und Elektronen an ihre Umgebung ab. Um sie in einem stationären Zustand zu erhalten, ist es notwendig, Energie und elektrische Ladungen dauernd neu zuzuführen. Die Energiezufuhr erfolgt beim Plasma einer Glühkathode durch den Einschuß schneller Elek-
*
Energetisch bedeutet diese Annahme: Verschiebt man die elektrischen Ladungen des Systems aus seinem Inneren auf die Oberfläche, so ist die dabei auftretende Änderung der potentiellen Energie der Ladungen im (äußeren) elektrischen Feld sehr klein gegenüber der inneren Energie des Systems.
** Grundsätzlich kann nicht nur der gasförmige, sondern jeder beliebige Zustand der Materie, in dem diese nicht mehr aus neutralen, sondern aus elektrisch geladenen Teilchen aufgebaut ist, als „Plasma" angesehen werden. In diesem Sinne sind Metalle und nichtmetallische Ionenkristalle (z. B. NaCl) als feste Plasmen, Elektrolyte ah flüssige Plasmen aufzufassen. *
Dies ist jene Schicht der Erdatmosphäre, die sich von 6 0 - 1 5 0 km Höhe erstreckt und Radiowellen reflektieren bzw. stören kann.
268
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
tronen, bei Flammen durch Wärmezufuhr und bei der Ionosphäre durch die von der Sonne kommende Ultraviolette Strahlung. Elektrische Ladungen können im Plasma bei der Ionisation neutraler Atome durch Stöße (Stoßionisation) erzeugt werden [193, 181, 197],
A 1 4 . 2 8 Der Erste Hauptsatz für offene Systeme in elektromagnetischen Feldern Wir wollen nun versuchen, den Ersten Hauptsatz der Thermostatik für das in Kap. 27 beschriebene System zu formulieren. Dazu stellen wir zunächst alle Parameter eines Gleichgewichtszustandes zusammen: U...
innere Energie
T...
Temperatur
V...
Volumen
P...
Druck
Komponentenmassen
Ti
m,, i = 1 ... n ...
rriQ = 2 mj ... gesamte Masse i—1 qei D... B... Qe .. Vip ...
:
m
i — ... Massenkonzentrationen mn
m0 p = — ... gesamte Massendichte
Molmassen
Z; ..
Ladungszahlen
spezifische elektrische Ladungen
E..
Elektrische Feldstärke
H ..
Magnetische Feldstärke
Elektrische Erregung
e a=l + Ead(VDa) + Had(VBa).
2 qei i=l
d ^ + (A 14.212)
Die Größen = u ( a ) + P ( a ) v ( a ) , a = 1, 2 ... A sind die spezifischen Enthalpien der zugeführten Massen. - Der Vollständigkeit halber führen wir noch einige Beziehungen zwischen den Massendifferentialen an. Die Masse einer einzelnen Komponente des Systems kann sich bei der betrachteten Zustandsänderung durch Massenaustausch mit der Umgebung und durch chemische Reaktionen ändern. Dementsprechend gilt dmj = d a m, + d c m ; ,
i = 1 ... n .
(A 14.213)
A 14.28 Der Erste Hauptsatz Air offene Systeme in elektromagnetischen Feldern
271
Die gesamte ausgetauschte Masse einer K o m p o n e n t e ist gleich der S u m m e der durch alle „ Ö f f n u n g e n " , a = 1, 2 ... A ausgetauschten Massen dieser K o m p o n e n t e :
damj=
A 2
dmf*\
i = 1 ... n .
(A 14.214)
a= 1
Ferner gelten die Beziehungen
n dm= 2 d m ^ , d m [ a ) = i — 1dmD,B)mdU
+
(ÍVD)B,mdV
+
< 3 ( l í b > U , V.D'.B.»
+
* ( £ V1 v , D , B , m ' d m i i= l
d ( V D a ) +
+
(ä^ü.V.D.B*,« «W») +
(A14"22°)
Für die Massendifferentiale sind dabei die Ausdrücke (213) zu verwenden. Vergleicht man geeignete Spezialfälle von (220) mit den Gibbs'schen Beziehungen (56), (97) und (170), so erkennt man, daß zwischen den partiellen Ableitungen der Entropie und den Intensivparametern des Systems folgende Beziehungen bestehen müssen: ,3S, _ 1 9U V.D.B, m - Tay as 3V u>d,b,m *
=
(A 14.221)
P(7.)
T('/.) '
(A 14.222)
Die im folgenden verwendeten Symbole an deij Differentialquotienten bedeuten: D = ( D j , D 2 , D 3 ) , D => (Dq,.!, D a + 1 ) , B = ( B l B 2 , B 3 ) , B =» ( B a _ i , B a + 1 ) , m = ( m , ... m n ) , m, = ( m j ... m j _ i m j + j ... m n ) , i = 1 ... n. Ferner gilt für den Index a = 1, 2, 3 stets die Einsteinsche Summenkonvention: aa b a =
3 S a a ba. a=l
A 14.29 Der erste Teil des Zweiten Hauptsatzes für offene Systeme E
as
(3(VD a )i^U, V,D*
a('A)
B, m
273
a = 1, 2, 3 ,
(A 14.223)
a = 1, 2, 3 ,
(A 14.224)
i = 1 ... n ,
(A 14.225)
T(7.) '
HTa((77. ). )
d3 (üV B - aa) UiV,D, B ,m as
'
¿i ('/.)
9rrij u> v , D, B, m*
T(7.) '
( /.) = (U, V, VDX ... VD 3 , VB! ... VB 3 , m
i -m
n
;q
e l
... q e n ) •
Dies sind die thermostatischen Zustandsgieichungen des Systems. Die Gleichung (221) ist eine Form der kalorischen Zustandsgieichung. Sie ist äquivalent mit (217). Die Beziehung (222) ist im wesentlichen die thermische Zustandsgieichung des Systems. Sie kann mit (217) in der Form P = P(T, V, D t ... D 3 ) B! ... B 3 , m x ... m n ; q e l ... q e n )
(A 14.226)
geschrieben werden. Die Beziehungen (223) und (224) sind die elektrischen bzw. die magnetischen Zustandsgieichungen des Systems. Die Gleichungen (225) sind die „elektrochemischen Zustandsgieichungen" des Systems. Hierbei ist zu beachten, daß die elektrochemischen Potentiale ¿¡, i = 1 ... n zunächst nur formal eingeführte Hilfsgrößen sind, die durch (225) definiert werden. Die physikalische Bedeutung dieser Größen wird im folgenden noch erläutert werden. Kennt man alle thermostatischen Zustandsgieichungen, so kann man aus ihnen die Potentialfunktion (219) berechnen. Dies erkennt man, wenn man formal alle Beziehungen (221)—(225) in die Differentialbeziehung (220) einsetzt. Man erhält darum die Beziehung •
dS = i d U + | d V - y d ( V D a ) Ha - y d(VB a ) -
n
Mj 2 y dnij. i=l
(A 14.227)
Dies ist die „Entropie-Darstellung" der Gibbs'schen Fundamentalgleichung eines fluiden, homogenen, mechanisch und chemisch isotropen, offenen oder geschlossenen Mehrstoffsystems mit chemischen Reaktionen und elektromagnetischen Feldern. Die Beziehung (227) gibt an, wie sich die Entropie des Systems ändert, wenn dieses von einem beliebigen Gleichgewichtszustand (U, V, D, B, n ^ ... m n ) durch Wärme-ArbeitsMassen- und Ladungsaustausch, durch chemische Reaktionen oder Änderung der aufgeprägten elektromagnetischen Felder quasistatisch reversibel oder irreversibel in einen infinitesimal benachbarten Gleichgewichtszustand (U + dU, V + dV, D + dD, B + dB,
274
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
rri! + drrij ... m n + dm n ) übergeht. Alle bisher angegebenen Gibbs'schen Gleichungen, (A 10.7, 29), (56), (97), (170) u. a., können als Spezialfälle aus "dieser Gleichung gewonnen werden. Wir führen noch zwei Spezialfälle der Gibbs'schen Gleichung (227) an, die für Systeme mit dem konstanten Volumen V = 1 bzw. für solche mit der konstanten Gesamtn
masse m 0 = 2 m; = 1 gelten: i=1 a)
i V=l:dSv=YdU
-
b)
v
E -Y
d D
H a-^fdBa-
2 (¿¡/T) dpj, i—1
(A 14.228)
Eq: Da, Bq m0 = l : d s = ^ d u - ^ d ( - ^ ) - ^ d ( - ^ ) +
+ JT d ( - ) P
Z ^T d 7 i . i
(A 14.229)
i =
Die Größen pj = rrij/V, i = 1 ... n sind die Partialdichten, p = m 0 / V die gesamte Massendichte, 7j = mi/m 0 = pj/p, i = 1 ... n die Massenkonzentrationen des Systems.
A 14.30 Ein Ausdruck für das Wärmedifferential Löst man die Gleichung (227) nach dU auf, so erhält man die „Energie-Darstellung" der Gibbs'schen Fundamentalgleichung: n
•
dU = TdS — PdV + E a d(VD a ) + Had(VB a ) + 2 i—1
dnij.
(A 14.230)
Jeder Term auf der rechten Seite dieser Beziehung stellt die Änderung der inneren Energie bei einer der am System zugelassenen, reversibel durchführbaren Operation dar. Diese Operationen sind: der reversible Austausch von Wärme, Arbeit, elektrischer und magnetischer Energie, und der Austausch von Masse und elektrischer Ladung. Letzterer ist stets mit einem Massenaustausch verbunden. Daher entspricht ihm kein eigener Term. Vielmehr werden beide Operationen durch einen gemeinsamen Term beschrieben. Werden eine oder mehrere der erwähnten Operationen nicht quasistatisch reversibel, sondern irreversibel durchgeführt, so gelten die Beziehungen (230) bzw. (227) weiter. Man kann dann nur nicht mehr schließen, daß die bei der infinitesimalen Zustandsänderung ausgetauschte Wärme 3Q durch den Term TdS gegeben ist. Für diese Wärme kann aber nach (212), (217) und (230) ein Differentialausdruck abgeleitet werden. Dazu setzen wir für dU in (212) das totale Differential nach (217) ein:
A 14.30 Ein Ausdruck für das Wärmedifferential
d U
=(i)v,D
>
B,
d T
m
+
(i)T,D)B)mdV
+
iä(^)>T.V.D-.B.»
+
S ÖT>v i = l °1Ui
> D >
+
+
B ( m i1 d
m
275
^ a )
i-
+
(A 1 4 . 2 3 1 )
Ferner b e a c h t e n wir die Relation (f)v>D)B>m =
C
vDBra,
(A 1 4 . 2 3 2 )
sowie die aus ( 2 3 0 ) folgenden Maxwell-Relationen:
< f $ r , D . B , » = ^ V . D . B . m " 'T '
(
3U a(VD a ) ) T,V,D*,B > m
=
~
T
3E ("är)v,D,B)m
+
(A
E
( A
• (T + dT, V + dV, D + dD, B + dB, n ^ + d m j ... m n + d m n ) mit seiner Umgebung austauscht. Sie kann berechnet werden, wenn die Zustandsgleichungen des Systems und die spezifischen Enthalpien, sowie die Massenkonzentrationen der zu- bzw. abgeführten Massen, bekannt sind. Die Beziehung (234) kann in folgender Weise gedeutet werden: Führt man dem System ein wenig Wärme zu, so wird ein Teil zur Temperaturerhöhung verwendet (Cy.D.B.m > 0)- Weitere Anteile werden zur Änderung des Volumens, des elektromagnetischen Zustandes, zum Austausch von Masse und elektrischer Ladung und schließlich bei den im Inneren des Systems ablaufenden chemischen Reaktionen verbraucht. Über die Vorzeichen dieser Anteile können keine allgemeinen Aussagen gemacht werden. Die Anteile selbst müssen über die Zustandsgleichungen bzw. die stöchiometrischen Gleichungen des Systems berechnet werden.
A 14.31 Der Zusammenhang zwischen den elektrochemischen und den chemischen Potentialen des Systems Eine andere Konsequenz aus der Energie-Darstellung der Gibbs'schen Gleichung (230) ist, daß die durch (225) nur formal definierten elektrochemischen Potentiale i = 1 ... n auch als spezielle Änderungen der inneren Energie mit den Komponentenmassen des Systems gedeutet werden können:
*
= (
I ^ s , v , D B mi •
N.
i= 1
(A 14.225a)
V>e * f e Bei der Bildung dieser Differentialquotienten ist zu beachten, daß im allgemeinen ifie # sein wird. Dieser Umstand ist durch die in (225 a) gewählte Schreibweise bereits vermerkt worden. Wir ordnen nun dem thermodynamischen System chemische Potentiale fi u i = 1 ... n zu, die analog zu (105) durch die Beziehungen
*
=
i = 1
-
n
(A 14.225b)
definiert sind. Diese Größen geben an, um wieviel sich die innere Energie des Systems ändert, wenn man ihm die (kleingedachte) Masseneinheit der Komponente i bei Konstanter Entropie, Volumen, elektrischer Erregung und magnetischer Induktion und bei verschwindender Potentialdifferenz zwischen System und Umgebung zuführt. Aus (225a, b) folgt nun mit (230) folgende Beziehung zwischen den Differentialen der in-
A 14.32 Die Gibbs-Duhem-Relation offener Systeme in elektromagnetischen Feldern
277
neren Energie, die bei Zustandsänderungen mit bzw. ohne Potentialdifferenz zwischen System und Umgebung auftreten: n
dUl fe^Ve
— dU I >Pe-fe
= 2 Oüi-MOdmi. '= 1
(A 14.235)
Andererseits folgt für dieselbe Zustandsänderung aus (212): n
dUl
- dUl 1 vielen elektrisch geladenen oder neutralen Komponenten besteht. Im Inneren des Systems können chemische Reaktionen ablaufen. Außerdem kann die Materie unter dem Einfluß inhomogener, aber statischer elektromagnetischer Felder stehen und damit örtlich veränderliche elektrische und magnetische Momente besitzen. Ferner wollen wir die Möglichkeit zulassen, daß noch weitere äußere Kräfte auf das System einwirken. Von diesen setzen wir aber voraus, daß sie zeitlich konstant und konservativ sind; Das System befinde sich in einem gewissen „Gefäß" mit starren, massedichten und adiabat isolierenden Oberflächen O®, ß = 0, 1, 2 ... B, die aber für die äußeren Kräfte durchlässig seien. Jede Oberfläche 0 ® kann eine gewisse elektrische Ladung Q^P, ß = 0, 1, 2 ... B tragen. Außerdem enthalte das Medium im Inneren des Systems räumlich verteilte elektrische Ladungen, deren Gesamtwert wir mit Q e bezeichnen wollen. Ist das Medium ein elektrischer Leiter, so findet bei einer Zustandsänderung im allgemeinen auch ein Austausch elektrischer Ladungen zwischen dem Inneren und den
A 14.35 Beschreibung des thermodynamischen Systems und der einwirkenden Kräfte
B- Linie
281
ilOI nIO)
////... Auflenraum bzw. Umgebung des Systems Abb. A 37 Inhomogenes, isoliertes, thermodynamisches System in äußeren Kraftfeldern.
Oberflächen des Systems statt. Die Größen Q P> E,H, m* '
3Äi
1
=
1
n
'
(A 1 4 . 2 8 2 a )
9(VDg)
oE^ T.P.E* H,m
=
dßi
_ _
W/T.P.E.H'.m-
8nij
T,P,E,H,m* '
(A 14.282b)
^T,P,E,H(m* '
(A 14.282c)
3(VBg) (
9m.
i = 1, 2 ... n , ß = 1, 2, 3 . Aus der zu (281), (281 a) gehörenden Gibbs-Duhem-Relation
SdT — VdP + V(D a dE a + B a dH a ) + 2 mj d/tj = 0 , i—1
(A 14.283)
folgt ferner die Beziehung
2 m i (djü i ) T p E h = 0 ; i= l
bzw. nach Division durch V auch
2 Pi(9 a ¿i) T p E h = i=l ' ' '
0
>
1,2,3.
(A 14.284)
A 14.39 Eine Bedingung für mechanisches Gleichgewicht
297
Die thermische, die elektrische und die magnetische Zustandsgieichung des Systems können in folgender Form angesetzt werden: V = V(-/.), üß
= Dß(-/.)
(A 14.285) ,
Bß = BßC/.) ,
(A 14.286)
0=1,2,3,
(A 14.287)
(•/.) = (T, P, E l ... E 3 , H, ... H 3 , m , ... m n ; q e l ... q e n ) . Diese Gleichungen müssen fiir beliebige Werte von X > 0 folgenden Homogenitätsbeziehungen genügen: XV = V ( - ) ,
(A 14.285 a)
Dß = Dß( ) ,
(A 14.286 a)
Bß = B 0 ( - ) ,
(A 14.287 a)
(3=1,2,3
( - ) = ( T . P . E i . . . E 3 , X m 1 ... X m n ; q e l ... q e n ) • Aus diesen Funktionalgleichungen folgen die Beziehungen 3V i
f/
i (
9^)T,P>E,H,m
3B fl i= l
1
= 1,
(A 14.285 b)
= 0,
(A 14.286 b)
0,
(3=1,2,3.
(A 14.287b)
Aus (282 b) folgt mit (286 b) und (285 b):
(A 14.288) 1= 1
p
Analog dazu ergibt sich aus (282c) mit (287b) und (285b):
dpi
i= l
Pi(
9HA,P,E,H*,m
•
ß - 1,2,3 .
(A 14.289)
298
A 14 Diskussion einiger Gleichgewichtserscheinungen
Wir setzen nun die Beziehungen (282 a), (285 b) und (288), (289) in (280) ein. Mit (274) und (284) erhält man dann die Relation n
¿i = d a P — D(3 d a Eß — Bß d a Hß .
S Pi i—1
(A 14.290)
Aus ihr folgen mit (278) die Gleichungen n
•
a a P = 2 ßi F i a + Dß da Eß + BßdaHß, i—1
a = 1,2, 3 .
(A 14.291)
Dies sind die drei mechanischen Gleichgewichtsbedingungen für ein inhomogenes, fluides System mit einer Phase und n vielen elektrisch und magnetisch polarisierbaren, geladenen oder elektrisch neutralen Komponenten, die sich in einem konservativen äußeren Kraftfeld befinden. Der Gradient des hydrostatischen Druckes muß gleich der gesamten äußeren Kraftdichte sein, vermehrt um gewisse elektromagnetische Kraftdichten. Diese werden von einigen Autoren als „Helmholtzsche-", von anderen als „Kelvinsche-Kräfte" bezeichnet werden [33, S. 473], Man beachte, daß diese Kraftdichten nur für inhomogene Felder auftreten, für homogene aber verschwinden! Die Gleichgewichtsbedingungen (291) ist hier zunächst für elektrisch leitende Medien abgeleitet worden. Man kann sich aber leicht überzeugen, daß sie für fluide Dielektrika in gleicher Weise gilt.
A 14.40 Zusammenstellung aller Gleichgewichtsbedingungen Zur größeren Übersicht wollen wir nun die Gleichgewichtsbedingungen, die elektromagnetischen Feldgleichungen und die Materialgleichungen des in den Abschnitten A 14.35—36 beschriebenen thermodynamischen Systems in einer Tabelle zusammenstellen (vgl. auch Abb. A 37). Tab. A 2: Gleichgewichts-Beziehungen für ein inhomogenes, fluides thermodynamisches System mit einer Phase und n vielen Komponenten, mit chemischen Reaktionen, elektromagnetischen Feldern und konservativen äußeren Kräften.
Felder
Anzahl Gleichgewichtsbedingungen*
Anzahl Ziffer in Kap. 14
T
1
T(x) = const
1
(274)
P
1
3 a P ( x ) = 2 Pi F i a + Dß 9 a Eß + Bß da Eß i=l
3
(291)
n
A 14.40 Zusammenstellung aller Gleichgewichtsbedingungen
299
Tab. A 2: Fortsetzung Felder
¿i
Anzahl
n
Gleichgewichtsbedingungen*
Anzahl
P = PC/.)
1
(222)
¿ j + i/>i(x) = const
n
(275)
Mi=MiC/•)
n
(225) (221)
Uv
1
UV=UVC/.)
1
s
i
s
1
n
pi(x) = p i 0 +
v
Z i f f e r in Kap. 14
v
= sv(-/.) r
Pi
2
M j vip ?p V (x)
n
( 2 5 5 a)
r
(277)
3
(269)
3
(223)
B + 1
(276)
1
(268)
3
(271)
Ha = BJß0**
3
(132)
3aBa = 0
1
(270)
B+l
(244)
P = I
Pio = m i 0 / V n fpv
r
S M; ¿ j (x) i= l
Ea
3
eaßy
= 0
dßEy=0
E a = Ea(-/.) : ip® = c o n s t , Da
3
a
a
D
a
n 2
=
ß = 0, 1 ... B
q e i ßi
i= l Ha
Ba
3
3
eaßy
0
(iJ)
H7 = 0
: B a = B