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German Pages 477 [480] Year 1998
Theorie der Raumplanung Regionalwissenschaftliche Grundlagen für die Stadt-, Regional- und Landesplanung Von
Dr.-Ing. Dieter Bökemann o. Professor und Vorstand des Instituts für Stadt- und Raumforschung der Technischen Universität Wien
Zweite Auflage zugleich unveränderter Nachdruck der ersten Auflage
R Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Bökemann, Dieter: Theorie der Raumplanung : regionalwissenschaftl. Grundlagen für d. Stadt-, Regional- u. Landesplanung / von Dieter Bökemann. - 2. Aufl., zugl. unver. Nachdruck der 1. Aufl. - München ; Wien : Oldenbourg, 1999 ISBN 3-486-24988-6
© 1999 R. Oldenbourg Verlag Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0, Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München ISBN 3-486-24988-6
.5
Inhaltsverzeichnis
Vorwort Einfuhrung
11 14
1.
Grundlagen dieser Raumplanungstheorie
14
1.1. 1.2. 1.3. 1.4.
Problemfeld Grundbegriffe Basishypothesen Plädoyer für gerechte Siedlungen
14 20 23 26
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
31
2.
Technologie des Standortes
31
2.1.
Kriterien zur technologischen Standort-Definition
31
2.2. 2.2.1.
Räumliche Lage von Standorten Wirkungen der zwischenstandörtlichen Entfernung auf die Standortqualität Entfernungsrelativierender Zweck von zwischenstandörtlichen Leitungen und Grenzen Modelle zwischenstandörtlicher Beziehungen
33
2.2.2. 2.2.3. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.3.3.1. 2.3.3.2. 2.3.3.3. 2.3.4. 2.3.4.1. 2.3.4.2. 2.3.4.3. 2.4. 2.4.1. 2.4.2. 2.4.3.
Ausstattungsfaktoren von Standorten Hierarchie der Standorteigenschaften Bodenbezogene Standorteigenschaften Infrastrukturelle Standorteigenschaften Zu den Begriffen „infrastrukturelle Gelegenheiten" und „Leitungssysteme" Infrastrukturtechnologie Merkmale von Leitungssystemen der Infrastruktur Bodenordnungsbezogene Standorteigenschaften Zu den Begriffen „Barriere" und „Grenzen" Bodenordnungstechnologie Merkmale von Grenzsystemen der Bodenordnung Standortbezogene Nebenwirkungen von infrastrukturellen Leitungen und Eigentumsgrenzen Überlegungen zur ursprünglichen Funktionsidentität von infrastrukturellen Leitungen und Grundstücksgrenzen Grenzwirkungen von infrastrukturellen Leitungen Leitungswirkungen von bodenbezogenen Eigentumsgrenzen
33 39 41 48 48 52 53 53 57 59 63 63 64 64 67 67 70 71
6 2.4.4. 2.5.
Inhaltsverzeichnis
Funktionswechsel von Leitungen und Grenzen in der Regionalentwicklung
71
Zur standortspezifischen und gebietlichen Bewertung der Netzgestalt von Leitungs- und Grenzsystemen
72
2.5.1.
Bewertungsgrundlagen
72
2.5.2.
Standorte in Leitungsnetzen der Infrastruktur
74
2 . 5 . 2 . 1 . Gestalteigenschaften von Leitungsnetzen der Infrastruktur 2 . 5 . 2 . 2 . Randbedingungen für die Netzgestalt von infrastrukturellen Leitungssystemen
75
2 . 5 . 2 . 3 . Messung der Erreichbarkeit und der Versorgungssicherheit in infrastrukturellen Leitungsnetzen
77
2.5.3.
82
Standorte in Grenznetzen der Bodenordnung
74
2 . 5 . 3 . 1 . Gestalteigenschaften von Grenznetzen
82
2 . 5 . 3 . 2 . Randbedingungen für die Netzgestalt von Grenzsystemen
83
2 . 5 . 3 . 3 . Zur Messung der Isoliertheit und der Eigentumssicherheit in Grenznetzen der Bodenordnung
84
2.5.4.
Zur gebietlichen Bewertung der Netzgestalt von Leitungs- und Grenzsystemen
86
2.6.
Die Siedlungsstruktur in graphentheoretischer Interpretation
88
2.6.1.
Zur graphentheoretischen Kennzeichnung von Leitungs- und Grenznetzen
89
2.6.2.
Ausgewählte graphentheoretische Meßzahlen der Netzstruktur . . . .
93
2.6.3.
Abbildung der Siedlungsstrukur mit Hilfe von Leitungs- und Grenzgraphen
97
3.
Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
102
3.1.
Begriffe, Annahmen und Befunde zur Standortnutzung
102
3.1.1.
Begriffliche Grundlagen der standörtlichen Nutzungstheorien
102
3.1.2.
Empirische Regelhaftigkeiten bei Standortentscheidungen
105
3.1.3.
Zur Rationalität der Standortnutzung
111
3.2.
Optimale Zuordnung von Standorten und Aktivitäten
115
3.2.1.
Standörtliche Nutzungsfunktionen
115
3.2.2.
Der optimale Standort für eine bestimmte Nutzungsfunktion
119
3.2.3.
Standörtliche Nutzbarkeit
124
3.2.4.
Die optimale Nutzung eines bestimmten Standortes
127
3.3.
Individueller Nutzen aus Standorten
133
3.3.1.
Standortbezüge des individuellen Nutzens
133
3.3.2.
Nutzungstechnologische Beschreibung des standortbezogenen individuellen Nutzens
136
3.3.3.
Zugangstechnologische Beschreibung des standortbezogenen individuellen Nutzens
138
Inhaltsverzeichnis
3.4. 3.4.1. 3.4.2. 3.4.3. 3.4.3.1. 3.4.3.2. 3.4.3.3. 3.4.3.4. 3.5. 3.5.1. 3.5.2.
Soziales Handlungssystem der Standortnutzung Soziale Bedingungen für die Standortnutzung Soziale Rollen im Handlungssystem der Standortnutzung Handlungsspielräume bei der Standortnutzung Der Handlungsspielraum der Arbeitskraft Der Handlungsspielraum der Nutzungstechnologen Der Handlungsspielraum des Nutzungskapitaleigners Interdependenz der verschiedenen rollenspezifischen Handlungsspielräume
7
142 142 143 146 147 148 148 149
3.5.3. 3.5.3.1. 3.5.3.2. 3.5.3.3. 3.5.4. 3.5.5. 3.5.5.1. 3.5.5.2.
Standortmarkt Standorte als Marktobjekte Zur Bewertbarkeit von Standortqualität auf heterogenen Standortmärkten: das standörtliche Nutzungspotential Die Faktoren des standörtlichen Nutzungspotentials Standörtliches Kombinationspotential Nutzungsfunktionsspezifische und gesamte Standortkapazität Nutzungsfunktionsspezifische und standörtliche Lage Subjekte des Standortmarktes Rentenbildung auf dem Standortmarkt Begriffliche Ergänzungen und Annahmen Formalisierung der Rentenbildung auf dem Standortmarkt
152 156 157 159 161 163 167 167 170
4.
Regionalentwicklung
179
4.1.
Skizze der Regionalentwicklung
179
4.2. 4.2.1.
Empirische Regelhaftigkeiten in der Regionalentwicklung Begriffliche Grundlagen und erkenntnisleitende Prinzipien zur Empirie der Regionalentwicklung Die Spezialisierungsregel Die Interaktionsregel Die Zentralisierungsregel Die Verteilungsregel (Rank-Size-Rule) Sozialökologische Befunde zur Dynamik im Siedlungsgefüge
182
4.2.2. 4.2.3. 4.2.4. 4.2.5. 4.2.6. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.3. 4.4.
150 150
182 185 187 190 192 195
Zur regionalen Aggregation von Standorten und Nutzungen Das regionale System der Verfügungsrechte, Austauschmöglichkeiten und Flächennutzungen Regionale Wirkungen einzelwirtschaftlicher Entscheidungen Einzelstandörtliche Wirkungen politischer Entscheidungen
200 200 210 216
Erklärung der Regionalstruktur aus sozialen und technischen Normen
223
8
4.4.1. 4.4.2. 4.4.3. 4.4.4. 4.5. 4.5.1. 4.5.2. 4.5.3. 4.6. 4.6.1. 4.6.2. 4.6.3. 4.6.4. 4.6.5.
Inhaltsverzeichnis
Wichtige Argumentationslinien bei der Erklärung der Regionalstruktur Formalisierte Beschreibung von normierten gebietlichen Verfügungsrechten mit Hilfe der Theorie der zentralen Orte Formalisierte Beschreibung der durch technische Nonnen bestimmten gebietlichen Infrastruktur und Bodenordnung Zur Entwicklung des regionalen Zentralitätsgefüges Einzelstandörtliche Dynamik in der Regionalstruktur Nutzungsveränderungen auf dem einzelnen Standort Veränderungen der standörtlichen Nutzungspotentiale in einer Region Definition und Kriterien des standörtlichen Niederlassungspotentials Agglomeration in der Regionalentwicklung Befunde zum Agglomerationsprozeß Begriffliche Grundlagen der Agglomerationsforschung Makroanalytische Erklärung der regionalen Agglomeration Mikroanalytische Erklärung der regionalen Agglomeration Migrationen: zugleich Ursache und Wirkung des Agglomerationsprozesses
224 236 241 246 257 257 263 269 278 278 286 289 308 313
Teil B: Politikbezogene Raumplanung
321
5.
Standorte als Produkte politischer Entscheidung
323
5.1.
Ein neues Paradigma zur Erklärung der Regionalentwicklung: Standorte als von Gebietskörperschaften produzierte Güter
323
5.2. 5.2.1. 5.2.2. 5.2.3. 5.3. 5.3.1.
Institutioneller Rahmen der Standortproduktion Zur institutionellen Struktur „Standorte produzierenden Betriebe" in Gebietskörperschaften Beziehungen zwischen verschiedenrangigen Gebietskörperschaften im Prozeß der Standortproduktion Beziehungen zwischen gleichrangigen Gebietskörperschaften im Prozeß der Standortproduktion
328 329 331 334
5.3.2. 5.3.3.
Zur politisch-ökonomischen Bedeutung der Raumplanung Regionalpolitik und Raumplanung im traditionellen wissenschaftlichen Verständnis Raumplanung als Management der Standortproduktion Raumplanung und Fachplanung
335 335 339 341
6.
Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
344
6.1.
Produkteigenschaften von Standorten orientiert am Nutzungspotential
344
Inhaltsverzeichnis
6.1.1. 6.1.2.
9
Standörtliche Nutzungsfunktion und Produktfunktion für Standorte Standörtliches Nutzungspotential als technologisches Ziel der Standortproduktion
344
6.2. 6.2.1. 6.2.2. 6.2.3. 6.2.4.
Faktoren der Standortproduktion Kriterien für die Definition von Standort-Produktionsfaktoren . . . . Boden als Produktionsfaktor für Standorte Infrastruktur als Produktionsfaktor für Standorte Bodenordnung als Produktionsfaktor für Standorte
348 348 350 351 353
6.3. 6.3.1. 6.3.2.
Produktionsfunktion für den einzelnen Standort Struktur der Produktionsfunktion für Standorte Die Ausprägung der Faktorarten und Faktormengen in der Produktionsfunktion zum standörtlichen Nutzungspotential Einfluß der Faktormengen „Infrastruktur" und „Bodenordnung" auf das standörtliche Kombinationspotential Substitution zwischen den Faktormengen „Boden" und „Infrastruktur" Substitution zwischen den Faktormengen „Boden" und „Bodenordnung" Kombination der Faktoren „Boden", „Infrastruktur" und „Bodenordnung" Die Ausprägung der Standortnutzung in bezug auf die Faktorkapazität
354 354
6.3.2.1. 6.3.2.2. 6.3.2.3. 6.3.2.4. 6.3.3. 6.4. 6.4.1. 6.4.2. 6.4.3. 6.4.4. 6.4.5. 6.5. 6.5.1. 6.5.2. 6.5.3. 6.5.4.
Produktionskosten für den einzelnen Standort Struktur der Kostenfunktion für den einzelnen Standort Kosten der Faktorkombination „Infrastruktur" und „Bodenordnung" Kosten der Faktorkombination „Boden" und „Infrastruktur" Kosten der Faktorkombination „Boden" und „Bodenordnung" . . . . Kosten für die Kombination der Faktoren „Boden", „Infrastruktur" und „Bodenordnung" Nutzentheoretische Erwägungen zur Optimierung der Standortproduktion Der Nutzen aus der Standortproduktion Die nichteindeutige Zuordnung von Gütern und deren Nutzung bei Lancaster Das Gut „Standort" in der Nutzenfunktion der Gebietskörperschaften Anmerkungen zur Optimierung der Standortproduktion
Exkurs: Zur Standortproduktion analoge Interpretationen anderer Staatstätigkeiten 6.6.1. Produktion von Arbeitskräften 6.6.1.1. Eigenschaften und Nutzungspotential der Arbeitskräfte
346
355 356 359 362 364 366 366 366 367 369 370 372 373 373 376 377 378
6.6.
382 382 384
Inhaltsverzeichnis
6.6.1.2. Institutioneller Rahmen der Arbeitskräfteproduktion 6.6.1.3. Produktionsfaktoren, Produktionsfunktion, Produktionskosten für Arbeitskräfte 6.6.2. Produktion neuer standörtlicher Nutzungstechniken
385 387
7.
Politische Rationalität der Raumplanung
390
7.1.
Zur Forderung nach rationaler Raumplanung
390
7.2.
Raumplanung im regionalpolitischen Dilemma
392
7.2.1. 7.2.2. 7.2.3.
Regionalbezug privater und Staridortbezug politischer Interessen . . . Politische Funktion der Standortproduktion Effiziente Raumplanung: Zur betriebswirtschaftlichen Bewertung der Standortproduktion Optimale Raumplanung: Zur politischen Bewertung der Standortproduktion Exkurs: Zur politischen Bewertung von Ausbildungskonzepten eine dem Raumplanungsproblem entsprechende Analyse
392 394
7.2.4. 7.2.5. 7.3. 7.3.1. 7.3.2. 7.3.3. 7.3.4. 7.4. 7.4.1. 7.4.2.
7.4.3.
Skizze eines politikeinschließenden Modells des regionalen Gleichgewichts Erklärung der Regionalstrukturentwicklung: Gleichgewichts- versus Polarisationsmodelle Politisch bestimmte Grenzen der regionalen Agglomeration Politische Rationalität in einem umfassenden Modell des regionalen Gleichgewichts Regionalpolitische Effekte von standortaufwertenden Maßnahmen: Das Problem der Pareto-Optimalität Zur regionalpolitischen Zustands- und Maßnahmenbewertung als Grundlage der Raumplanung Mikro- und makroanalytische Indikatoren für die regionalpolitische Zustands- und Maßnahmenbewertung Beispiel 1: Zur regionalpolitischen Zustandsbewertung: Wohnstandörtliche Versorgungsqualität und zentrenspezifische Entwicklungschancen (Wien-Modell) Beispiel 2: Zur regionalpolitischen Maßnahmenbewertung: Dringlichkeit von Infrastrukturmaßnahmen (KASIM)
384
398 408 421 426 427 430 432 435 442 442
452 462
Literaturverzeichnis
469
Sachregister
477
11
Vorwort Dieses Buch habe ich aus mehreren Gründen geschrieben. Schon während meines Ingenieur-Studiums (Bauingenieurwesen mit Vertiefung in die Fächer Verkehrs- und Stadtplanung bis 1962) habe ich jene Theorie vermißt, aus welcher der technische Gehalt der Raumplanung begründet werden kann; begründet mit den politischen Zielen der Regierenden und begründet nach den Kriterien der ökonomischen Rationalität. Eine solche Theorie erscheint mir notwendig, um Raumplanung als institutionalisierte und bürokratische Funktion der Gebietskörperschaften und als berufliche Befugnis zu legitimieren. Mit sozialwissenschaftlich und technologisch geprägtem Verständnis der Siedlungsdynamik und mit sozial orientiertem politischem Engagement will ich einen Beitrag leisten, diesen Theorie-Mangel zu beheben. Seit nahezu 10 Jahren drängen mich Freunde und Fachkollegen mit wachsender Intensität, meine verstreut publizierten Vorstellungen vom Standort, als einem von den Gebietskörperschaften produzierten Gut, zu einer Raumplanungstheorie zu erweitern. Den damit verbundenen Erwartungen will ich mit diesenvBuch entsprechen. Nicht nur das: Als akademischer Lehrer für die regionalwissenschaftlichen Grundlagen der Raumplanung bin ich regelmäßig mit der Klage meiner Studenten konfrontiert, mein Lehrstoff sei in der verfügbaren Fachliteratur nur schwach repräsentiert und darüber hinaus allzu weit verstreut: Diese Studenten vermissen ein Lehrbuch, in welchem regionalwissenschaftliche Theorien in der Weise aufbereitet sind, daß sie ihnen bei der Studienorientierung an ihrer zukünftigen Berufsrolle und bei der Lösung ihrer praktischen Aufgaben helfen könnten. Besonders im Hinblick auf die Tatsache, daß die bestehenden ökonomischen, politologisch-soziologischen und technologischen Erklärungs- und Entscheidungstheorien zur Siedlungsstrukturentwicklung bisher kaum planungsbezogen synthetisiert worden sind, wird das Unbehagen der Raumplanungsstudenten gegenüber der angebotenen Fachliteratur verständlich. Mit diesem Buch möchte ich dem Unbehagen meiner Studenten angemessen begegnen. Mein ganzer Respekt gehört jenen Autodidakten, die als Architekten, Ingenieure, Geographen, Ökonomen und Soziologen ohne angemessene Vorbildung in den zuständigen Behörden auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene gute Raumplanung machen. Manche von ihnen haben mich aus ihrer praktischen Erfahrung gelehrt, Raumplanung als „politisches Geschäft" zu begreifen. Sie haben mir jedoch auch demonstriert, wie groß mittlerweile die Kluft zwischen der Problemsicht vieler lehrender und gutachtender Regionalwissenschaftler und der Problemsicht der zum praktischen Handeln gezwungenen Planungsbeamten geworden ist. Dieses Buch habe ich nicht zuletzt geschrieben, um die Kommunikation zwischen den entscheidenden politischen Mandataren, den planenden und vollziehenden Beamten und den gut(oder auch schlecht-) achtenden Regionalwissenschaftlern zu intensivieren. Schließlich habe ich dieses Buch verfaßt, um mit dem Ergebnis mehrjährigen Nachdenkens zu provozieren. In dem Maße, in welchem ich die realen Ergebnisse der Stadtentwicklungs- und Raumordnungspolitik kritisierte, erschien es mir absurd, daß die überlieferte ökonomische Standort- und Landschaftsstrukturtheorie die Regierenden als verantwortliche Aktoren im Siedlungsprozeß überhaupt nicht wahrgenommen hat. Während mir im besonderen die neoklassischen Ansätze des räumlichen Gleichgewichts in ihrer mathematischen Klarheit und wegen ihrer logischen Konsistenz so gut gefielen, mußte ich mich zugleich immer wieder ärgern, daß bei dem umfassenden
12
Vorwort
Anspruch dieses Modells dort eine ökonomisch-rationale Begründung für das die Siedlungsstruktur verändernde Handeln der Gebietskörperschaften fehlte: Infrastrukturinvestitionen, durch welche Standortqualität seit jeher und ständig variiert wird, kommen in den so hochentwickelten neoklassischen Modellen der Regionalwissenschaft ebensowenig vor, wie die Regelungen der Bodenordnung (von der Grundstücksparzellierung über die Flächenwidmung bis zu Gemeinde- und Ländergebietsreformen), aus denen ständig neues oder mehr privates Eigentum an Standortqualität erwächst. Damit soll nicht gesagt werden, daß nicht einzelne ökonomisch argumentierende Partialansätze für die Regionalpolitik und Raumplanung der Gebietskörperschaften Entscheidungshilfen liefern können. Es fehlt jedoch bisher die befriedigende Einbettung der regionalpolitisch aktiven Regierenden (und ihrer Vollzugsorgane in den Behörden) als mikroökonomische Subjekte in eine umfassende Theorie. Es erscheint mir an der Zeit, daß die überlieferte regionalwissenschaftliche Basis der Raumplanung und Regionalpolitik etwas kritischer als bisher reflektiert wird und daß einigen neuen Ideen mehr Geltung verschafft wird. Dies ist nicht zuletzt wegen der Glaubwürdigkeit der regionalwissenschaftlichen Argumentation im Rahmen der Politikberatung erforderlich. Unter diesem Aspekt habe ich eine Reihe von theoretischen Ansätzen fachfremder Autoren, die im Rahmen der Regionalwissenschaft bisher nahezu unbeachtet geblieben sind, im Rahmen dieser Raumplanungstheorie mit eigenen Beiträgen verknüpft. Indem ich auf solche Weise den üblicherweise mit einem Lehrbuch verbundenen Informationsanspruch wesentlich erweitere, urix die fachinterne Diskussion anzuregen, gehe ich bewußt das Risiko der Fehlinterpretation und Falsifikation ein. In seinem Werk spiegelt sich die Persönlichkeit des Autors wider. Ein Autor ist jedoch nicht denkbar ohne sein intellektuelles Milieu. Unter diesem Aspekt bewerte ich diese Raumplanungstheorie auch als das Produkt meiner wechselnden Umgebungen, aus denen ich vielfältig günstige Reize empfangen habe, und meinen vielen glückhaften Begegnungen, aus denen ich großen (nicht nur fachlichen) Gewinn gezogen habe: ohne diese stimulierenden Umgebungen und ohne diese persönlichen Begegnungen wäre dieses Buch nicht entstanden. Aus diesem Grund gehört folgende kurze Entstehungsgeschichte eigentlich dazu, um den Inhalt meiner Raumplanungstheorie zu verstehen. Daß ich Raumplaner wurde, verdanke ich meinem Freund Egon Martin, der mir schon 1961 anläßlich meiner Diplomarbeit als Karlsruher Student erste und wichtige Problemeinsichten vermittelt hat. Weiterreichendes Verständnis ist bei mir am Institut für Städtebau und Landesplanung der Universität Karlsruhe als Assistent von Gadso Lammers (1963-67) geweckt worden: er hat damals für jenes intellektuelle Klima und jenen wissenschaftlichen Freiraum gesorgt, ohne die sich erworbene Erfahrungen nicht ordnen und ohne die neue Ideen nicht gedeihen können. Mit Vergnügen erinnere ich mich an die langen Diskussionen mit Raimund Herz und Klaus Füsslin, mit Alfons Steiner, Klaus Heinemann und anderen. Als kritische und anregende Lehrer haben mir damals besonders Hans Linde und Rolf Funck die Dimensionen sozialwissenschaftlichen Denkens und Wertens eröffnet. Noch an der Universität Karlsruhe erhielt ich, 1967, die große Chance, beim Aufbau des Instituts für Regionalwissenschaft und bei der Gestaltung des interdisziplinären Aufbaustudiums für Raumplanung erste ausbildungspolitische Erfahrungen zu sammeln. Dabei sind mir die Politik- und Praxisbezogenheit als Werte eines Raumplanerstudiums in ihrer Tragweite bewußt geworden. Auf der Basis des Karlsruher Instituts für Regionalwissenschaft sind viele für die Entwicklung meiner theoretischen Position
Vorwort
13
wichtige persönliche Beziehungen gegründet worden: Insbesondere während der dortigen, jeweils mehrwöchigen regionalwissenschaftlichen „Summer Institutes for Advanced Studies" (1970, 1972, 1974) ist mir nach oft nächtelangen Disputen mit William Alonso, John Dyckman, Walter Isard, Jean Paelinck, John Parr u. a. der Rahmen und die Richtung meines eigenen Forschungsanspruches bzw. meines Forschungsansatzes bewußt geworden. Die Tätigkeit an der Technischen Universität in Wien (seit 1971) hat mich in der Nähe des so dynamisch tätigen Raumplaners Rudolf Wurzer gelehrt, wie sich Politik, Planung und Wissenschaft wechselseitig bedingen. Die zeitweise intensiven Diskussionen mit meinen hiesigen Kollegen Hans Bobek und Egon Matzner, Sigurd Höllinger und Konrad Stöcker, mit meinen Mitarbeitern und Assistenten Hans-Jürgen Messelhäuser, Gerhard Palme, Josef Steinbach und Lutz Fiedler, auch mit meinen Studenten, insbesondere mit Thomas Heinze, Alfred Matzinger und Gerald Wödl, haben sehr viel dazu beigetragen, meine Ansichten zu klären und die Gewißheit von der Relevanz meines Ansatzes zu festigen. In der politisch und institutionell so komplexen Struktur der Weltstadt Wien konnte ich jene theoretischen Anregungen erproben, die ich in einem idyllischen Tiroler Dorf, in Alpbach, empfangen hatte. Dort kam ich während des Europäischen Forums (an dem ich auf Veranlassung von Simon Moser seit 1970 alljährlich teilnehme) in persönlichen Kontakt mit den Vertretern einer neuen Denkrichtung, der „ökonomischen Theorie der Politik" und der „ökonomischen Theorie der Eigentumsrechte". Die Freundschaft mit Hans Albert und die intensiven Diskussionen in der ihn umgebenden Runde (mit Peter Bernholz, Thomas Ellwein, Bruno Frey, Kurt Stapf u. a.) gaben meinem theoretischen Denken wichtige Akzente. Dabei hatte ich das große Glück, daß sich meine unmittelbaren Fachkollegen, im besonderen Martin Beckmann, Edwin von Böventer, Rolf Funck und Rainer Thoss, immer wieder in freundschaftlicher Verbundenheit meiner Außenseiter-Kritik gestellt haben und daß sie mich trotz oftmals anderer Positionen mit Nachdruck ermutigt haben, meine Argumente konstruktiv in einer regionalwissenschaftlichen Theorie der Raumplanung zusammenzubinden. Wissenschaftliches Milieu wird nicht nur von Personen bestimmt, die materiellen und institutionellen Rahmenbedingungen gehören dazu. So gesehen hat an der Entstehung meiner Raumplanungstheorie die Deutsche Forschungsgemeinschaft besonderen Anteil. Die DFG hat auch während meiner Zeit in Wien meine empirischen Forschungen (in Räumen der Universität Karlsruhe) großzügig gefördert. Der DFG-Schwerpunkt „Regionalforschung und Regionalpolitik" war in den 70er Jahren jedoch mehr als nur eine materielle Grundlage: Nicht zuletzt die regelmäßigen Schwerpunkt-Seminare in Bad Homburg waren für mich eine ständige wissenschaftliche Herausforderung und ermöglichten es mir, meine Position einer kritischen Überprüfung auszusetzen. Den Lehrern, die mir die Fertigkeit des wissenschaftlichen Argumentierens vermittelt haben, den Freunden und Kollegen, die mich provoziert und kritisiert haben, den Institutionen, die meine Forschungen finanziert haben und den Mitarbeitern, die mein Produkt aufbereiten halfen, danke ich herzlich. Dieter Bökemann
Einführung 1. Grandlagen dieser Raumplanungstheorie 1.1. Problemfeld Raumplanung ist eine Aufgabe der einzelnen Gebietskörperschaften (Bund, Land, Gemeinde) in der staatlichen Hierarchie. Raumplanung bezieht sich auf die Veränderung der jeweils innergebietlichen Standortqualität (standörtliche Nutzbarkeit als Zielgröße) mit staatlichen Investitionen und Regelungen (als Instrumente insbesondere: Infrastrukturinvestitionen und Maßnahmen zur Bodenordnung). Raumplanung muß von der bestehenden Siedlungsstruktur des betreffenden Gebietes ausgehen. Raumplanung soll nach den politischen Zielen der Regierenden und nach deren Anweisung in entsprechenden Behörden der betreffenden Gebietskörperschaft vollzogen werden. Raumplanung soll im besonderen infrastrukturelle und bodenordnerische Maßnahmen so aufeinander abstimmen, daß die politischen Ziele, nach denen die bestehende Siedlungsstruktur langfristig und umfassend verändert werden soll, ohne Verschwendung der knappen Investitionsmittel erreicht werden.
Raumplanung existiert Raumplanung existiert heute • als politischer Anspruch • als behördliche Kompetenz • als berufliche Option. Die Möglichkeiten des zwischenstandörtlichen Austausches und die Nutzungsrechte über einzelne Grundstücke bestimmen wesentlich die soziale Existenz der Menschen. Es gehört zu den ursprünglichen Regierungsfunktionen, den zwischenstandörtlichen Austausch durch entsprechenden Wegebau zu erleichtern und das individuelle Eigentum an Grund und Boden durch Grenzmarkierungen zu sichern. Mit dem Bemühen der Regierenden um rationale politische Entscheidungen (Vermeidung sozialer Ungerechtigkeit und Mittelverschwendung) entsteht Raumplanung als politischer Anspruch: Mit und ohne Legitimation haben die (gleichsam durch Raumplanung koordinierten) Maßnahmen zur Veränderung der Siedlungsstruktur dazu gedient, gebietliche Herrschaft zu begründen, zu sichern und zu intensivieren. Mit ihren Machtmitteln haben die Regierenden bis heute ihr Gebiet planvoll durch Grenzbefestigungen gesichert und durch Straßen und Kanäle erschlossen, sie haben das Land enteignet und zugeeignet, aufgeteilt und umverteilt, sie haben es nach Plänen durch Entwässerung oder Bewässerung, durch Rodung oder Bepflanzung, durch Einebnung oder Terrassierung fruchtbar gemacht. Mit oftmals weit entfernten staatlichen Eingriffen wurden und werden dabei private Grundbesitze auf- und abgewertet. Oftmals
1. Grundlagen dieser Raumplanungstheorie
15
waren es in der Geschichte die gebietlichen Entwicklungspläne (als Ausfluß einer wie auch immer bezeichneten Raumplanung), welche Regierende bei ihren Völkern haben als weise, weitsichtig und auf den allgemeinen Wohlstand bedacht erscheinen lassen. Das Attribut „Städtegründer" zum Namen eines Fürsten galt als besondere Auszeichnung. In modernen Staaten ist Raumplanung verfassungsmäßig als Regierungsaufgabe definiert und durch die Verwaltungsordnung der Gebietskörperschaften zum Vollzug bestimmten Behörden zugewiesen. Von den Raumplanungsbehörden sind, den politischen Zielen sowie den geltenden Gesetzen und Verordnungen entsprechend, alternative Planvorschläge zur politischen Entscheidung zu konzipieren. Der danach beschlossene regionale Entwicklungsplan muß bis zur Durchführungsreife detailliert werden. Gesetze und Verordnungen regeln den Inhalt der Pläne nach der Art der Maßnahmen sowie die Verfahrensweise, insbesondere die notwendigen Koordinationen mit anderen Behörden. Raumplanung wird auf den verschiedenen Ebenen der staatlichen Hierarchie in den einzelnen Gebietskörperschaften vollzogen: (1) Auf Gemeindeebene unter dem Begriff Stadtplanung oder örtliche Raumplanung, umfassend StadtentwicklungsFlächennutzungs- und Bebauungsplanung, städtische Verkehrs- und Infrastrukturplanung (Versorgungssysteme), Bauordnung und Baupolizei; (2) auf Landesebene unter dem Begriff Landesplannng, umfassend Landesentwicklungsplanung, Kontrolle und Koordination der gemeindlichen Raumplanung, Landesverkehrsplanung sowie Landesinfrastruktur und Regionalpolitik; (3) auf Bundesebene unter dem Begriff Bundesraumordnung, umfassend u. a. das Bundesraumordnungsprogramm, regionale Schwerpunktprogramme und die Koordination der sogenannten Gemeinschaftsaufgaben. Raumplanung erfordert ein bestimmtes Fachwissen, das für die Lösung des politischökonomisch-technologisch-ökologischen Problemkomplexes geeignet ist. Dieses Fachwissen wird bisher teils additiv (ökonomische, soziologische, geographische, politologische, rechtliche, verkehrstechnische, bauliche, ökologische, . . . „Aspekte der Raumplanung") teils integrativ (Regionalwissenschaft als rationales Kalkül, welches umfassend die Siedlungsstruktur, ihre Entstehung und Veränderung sowie ihren Optimalzustand erklärt) an den Universitäten vermittelt. Das für die Raumplanung bisher als notwendig angesehene Fachwissen stammt überwiegend aus dem Theorien- und Methodenschatz der traditionellen Sozialwissenschaften (Ökonomie, Soziologie, Geographie, Verwaltungs- und Rechtswissenschaften) und Ingenieurwissenschaften (Verkehrsplanung, Städtebau, Geodäsie) sowie neuerdings mehr und mehr aus der integrativ angelegten Regionalwissenschaft. Bei der Universitätsausbildung von Raumplanern bestehen bis heute Unklarheiten über die Relevanz des zu vermittelnden Fachwissens: es gibt weder Konventionen über die zugrundezulegenden Vorstellungen von der Rolle des Raumplaners und seinem Berufsbild („Spezialist" versus „Generalist") noch über das terminologische, theoretische, methodische und empirische Grundwissen. In dieser Situation ist es nicht verwunderlich, daß sich besonders viele, als hochqualifiziert anerkannte Raumplaner stolz als Autodidakten bezeichnen. Im deutschen Sprachraum begreifen sich Stadtplaner seit etwa 50 Jahren als einem eigenen Beruf zugehörig; dies, obwohl die Ausbildung zum Stadtplaner bis vor kurzer Zeit ausschließlich als etwa zweijährige Vertiefung innerhalb der traditionellen Universitäts-Studienrichtungen Architektur und Bauingenieurwesen (im englischen Sprachraum häufig im Rahmen des Geographie-Studiums) absolviert wurde.
16
Einführung
Seit etwa 10 Jahren werden in der Bundesrepublik Deutschland (u. a. in Dortmund, Berlin und Karlsruhe), in Österreich (in Wien) und in der Schweiz (in Zürich) Raumplaner nach eigenen Studienplänen und mit eigenem akademischen Abschluß („Dipl.-Ing. Raumplanung" bzw. „lic. rer. reg.") ausgebildet. Somit ist der politische Anspruch auf Raumplanung und die behördliche Kompetenz in der Durchführung mehr und mehr an die berufliche Qualifikation von Spezialisten gebunden.
Raumplanung ist notwendig Die Entfaltungsmöglichkeiten der einzelnen Menschen sind wesentlich von ihren Standorten im Siedlungsgefüge bestimmt. Ihre Standorte ermöglichen ihnen einen mehr oder weniger guten Zugang zum gesellschaftlichen Leben. Standorte enthalten für ihren Inhaber mehr oder weniger Chancen zur Erhaltung seiner Gesundheit, zu seiner Ausbildung und zu seinem beruflichen Aufstieg, zur Kommunikation und Versorgung. Ob unmittelbar im Eigentum oder zur eigenen Nutzung verfügbar, die Qualität seines Standortes ist für den einzelnen ein wichtiges Wohlstandskriterium, die Verteilung der Standortqualität über die Bevölkerung ist wesentlicher Ausdruck von sozialer Gerechtigkeit. Standorte konstituieren Siedlungsstrukturen, diese sind Grundlage für soziale Prozesse, Rahmen für marktlichen Austausch und Gegenstand politischer Steuerung. Siedlungsstrukturen sind bestimmend für Zufriedenheit und Frustration der Bevölkerung, sie sind jedoch auch bestimmend für das gebietliche Sozialprodukt und die Einnahmen der betreffenden Gebietskörperschaft. Standortqualität ist immer weniger natürlich und immer mehr Zivilisationsprodukt; in zunehmendem Maße wird Standortqualität durch den Einsatz staatlicher Mittel, insbesondere durch Infrastruktur- und Bodenordnungsinvestitionen, nach politischen Zielen verändert. Damit stehen hinter der gegenwärtigen Siedlungsstruktur und hinter der gegenwärtigen Verteilung der Standortqualität über die Bevölkerung politische Entscheidungen in der Vergangenheit. Man muß dabei wohl auch früheren Herrschern und Regierungen unterstellen, daß sie die Siedlungsstruktur ihres Gebietes nach umfassenden Konzepten gestalten und verändern wollten; sei es, daß sie dadurch das Sozialprodukt und die Staatseinnahmen steigern oder daß sie dadurch eine gleichmäßige Verteilung des Wohlstandes anstrebten oder sei es, daß sie die Sicherheit und Beherrschbarkeit ihres Gebietes vergrößern wollten. Standortaufwertende Maßnahmen, wie der Bau einer Straße oder die Befestigung einer Grenze, sind in der Regel nur Teile von umfassenden Konzepten, nach welchen Regierungen die Siedlungsstruktur ihres Gebietes gestalten wollen. Um keine Staatsmittel zu verschwenden, müssen sachliche und rechtliche Investitionsalternativen bewertet und die politisch entschiedenen Projekte zu ihrer Verwirklichung (insbesondere bei knapper Kapazität u. ä.) zeitlich gereiht werden. Um sparsam und effizient einen höheren politischen Zweck (soziale Gerechtigkeit, Chancensicherung und Wachstum des Sozialproduktes) zu erfüllen, müssen Einzelmaßnahmen funktional, räumlich und zeitlich aufeinander bezogen und abgestimmt werden. Diese Zuordnung gilt als Planung. Die Koordination von Maßnahmen, welche auf die Standortqualität wirken und wirken sollen und welche die Verteilung der Standortqualität über die Bevölkerung verändern, bezeichnen wir heute als Raumplanung; das Ergebnis der Raumplanung sind sogenannte rechtskräftige Pläne zur räumlichen und zeitlichen Anordnung von regionalpolitischen Maßnahmen. Um politisch-rationale Entschei-
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düngen der Regierenden zur Veränderung des sozial-institutionellen und technischwirtschaftlichen Komplexes „Siedlungsgefüge" zu ermöglichen, ist Raumplanung notwendig.
Raumplanung sollte theoretisch begründet werden Wenn man die verschwendeten Mittel und die soziale Ungerechtigkeit, aber auch entgangene Wohlstands- und Sozialproduktssteigerungen überschlägt, dies und was alles zusätzlich durch mangelhafte Raumplanung verursacht werden kann, dann wird deutlich, warum Raumplanung gut theoretisch begründet werden sollte. Eine theoretische Begründung von regionalen Entwicklungsplänen der verschiedenen gebietskörperschaftlichen Kategorien sollte u. a. folgende Argumente detaillieren und darin enthaltene Fragen beantworten: • bestimmte soziale, ökologische, wirtschaftliche un^ technische Mißstände im Siedlungsgefüge führen zu bestimmten politischen Konsequenzen • bestimmte soziale, ökologische, institutionelle und technische Mißstände im Siedlungsgefüge können durch den Einsatz bestimmter staatlicher Mittel (insbesondere aus den Bereichen Infrastruktur und Bodenordnung) gemildert oder behoben werden • warum entsprechen die einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen (und keine denkbar anderen) den politischen Zielen bei gegebenen behördlichen Rahmenbedingungen am besten? • warum entsprechen die vorgeschlagene räumliche Anordnung und zeitliche Reihung der Maßnahmen (und keine denkbar anderen) den politischen Zielen bei gegebenen behördlichen Rahmenbedingungen am besten? • bestimmte regionale Entwicklungspläne haben bei und nach ihrer Verwirklichung bestimmte politische Konsequenzen Um die Vielschichtigkeit des Problems anzudeuten, stelle man sich vor: Meist stehen sämtliche einen Plan konstituierenden Maßnahmen untereinander und mit der Ausgangssituation in einem vielfältigen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Im einzelnen belasten zunächst beschlossene Maßnahmen und die ihnen vorlaufenden Entwürfe die behördliche Planungskapazität der betreffenden Gebietskörperschaft, und dann, bei der Verwirklichung, belasten sie das Budget und die privatwirtschaftliche Baukapazität; dabei konkurrieren die einzelnen Maßnahmen bzw. ihre Befürworter und Nutznießer untereinander. Nach ihrer Verwirklichung haben gleiche Maßnahmen an verschiedenen Standorten meist sehr unterschiedliche Wirkungen; in der Regel wirken sie auch noch weit entfernt von ihren Investitionsstandorten und betreffen - begünstigend oder schadend - auch solche Individuen und soziale Gruppen, an welche die Maßnahmeneffekte ursprünglich nicht adressiert waren. Die Konsequenzen solcher - im einzelnen oft schwer vermeidbarer - Nebeneffekte können sich häufen und im negativen Fall zu einem entscheidenden Loyalitätsentzug der unzufriedenen Bevölkerung gegenüber den regierenden Politikern führen. Vor etwa 25 Jahren wurde zwischen den traditionellen Disziplinen Wirtschaftswissenschaften, Geographie und Soziologie sowie einzelnen Ingenieurwissenschaften (insbesondere Verkehrsplanung und Städtebau) die sogenannte „Regionalwissenschaft" („regional science") als eigener Wissenschaftszweig gegründet. Regionalwissenschaft beansprucht, die Entstehung der Siedlungsstruktur und die einzelwirtschaftlichen Standortentscheidungen zu erklären und darüber hinaus regionalpolitische
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Entscheidungshilfen zu erzeugen. Im Rahmen der Regionalwissenschaft wurde, diesem Anspruch (W. Isard) entsprechend, das relevante über viele Disziplinen verstreute Wissen zunächst synthetisiert und dann sowohl empirisch als auch theoretisch ergänzt. Es fehlt jedoch immer noch eine umfassende und konsistente, Raumplanung begründende Theorie; dies, wenngleich viele einzelne Facetten des Problemkomplexes „Planung der Siedlungsstruktur" mit einer Fülle von positiven und normativen Theorien abgebildet werden. So beschreiben und erklären die relevanten ökologischen und technologischen Theorien die Siedlungsstruktur und ihre Entwicklung meist ohne Bezug zu Politik und Staat, das Funktionieren der regionalpolitischen Instrumente ohne Bezug zur Rolle und zu den Interessen der regierenden Politiker, die standörtlichen Reaktionen der von bestimmten Politiken Betroffenen (Abwanderung = Abstimmung mit den Füßen) ohne Bezug zu deren Veranlassern. Somit bleiben trotz umfangreicher regionalwissenschaftlicher Forschungsarbeit besonders viele politikund planungsbezogene Fragen unbeantwortet. In dieser Situation ergibt es sich zwangsläufig, daß die Praktiker der Raumplanung fehlende Theorie pragmatisch durch vage Erfahrungssätze und durch Intuition überbrücken.
Raumplanungstheorie sollte politikorientiert sein In zunehmendem Maße wird von den Praktikern der Stadt- und Landesplanung erkannt und beklagt, daß in den meisten regionalwissenschaftlichen Theorien die Rolle des Staates als regionalpolitisches Subjekt nicht enthalten ist: die Entwicklung der Siedlungsstruktur wird erklärt, ohne daß staatliche Eingriffe, wie Infrastrukturinvestitionen und Regelungen der Bodenordnung berücksichtigt werden. Offen bleibt auch die Frage nach den Motiven und Zwängen jener Politiken, die hinter bestimmten die Standortqualität verändernden Maßnahmen und Planungen stehen. Nicht zuletzt aus diesen Mängeln in den meisten relevanten regionalwissenschaftlichen Theorien folgt, daß die Effekte regionalpolitischer Maßnahmen nur schwer abgeschätzt werden können und daß somit weithin auf theoretisch fundierte Qualitätskriterien für die Ergebnisse der Raumplanung verzichtet werden muß. Eine Raumplanungstheorie soll die Entwicklung der Siedlungsstruktur von politischen Entscheidungen und von behördlich geplanten Maßnahmen abhängig machen und einer markttheoretisch optimalen Siedlungsstruktur die Kriterien einer rationalen Regionalpolitik gegenüberstellen. Damit sind zugleich die regionalpolitischen Mittel, im besonderen Infrastrukturinvestitionen und Regelungen der standörtlichen und gebietlichen Verfügungsrechte (Grundeigentum) als jene Einflußgrößen definiert, mit denen im Rahmen einer Raumplanungstheorie primär argumentiert werden sollte. Wenn im Rahmen der Raumplanungstheorie die Wirkungen staatlicher Eingriffe in die Siedlungsstrukturentwicklung differenziert betrachtet und erklärt werden sollen, dann ist zusätzlich die ämtergebundene Kompetenz über die regionalpolitischen Mittel mit den Kategorien „Politiker-Interesse" und „körperschaftliches Interesse" zu verbinden. Erst mit der Integration dieser Begriffe und entsprechender Verhaltensannahmen in die traditionellen Standort- und Landschaftsstrukturtheorien kann eine Theorie der politikbestimmten Siedlungsstrukturentwicklung erarbeitet werden. Auf die häufig artikulierte Kritik der Stadt- und Landesplaner reagierend soll mit dieser „Raumplanungstheorie" versucht werden, die Gebietskörperschaften als Aktoren der Siedlungsstrukturentwicklung zu interpretieren und - darauf aufbauend — im besonderen jene Kriterien zu präzisieren, an denen die Qualität von Raumplanung gemessen werden kann. Mit diesem Anliegen sollen die Beiträge (1) zur einzelwirt-
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schaftlichen Standorttheorie und (2) zur neoklassischen und polarisationstheoretisch orientierten Landschaftsstrukturtheorie als Fundament benutzt werden; darauf aufbauend soll versucht werden, einige neue Hypothesen zum Investitionsverhalten des Staates in das überlieferte regionalwissenschaftliche Theoriegebäude zu integrieren. Für das Verständnis regionalstruktureller Zusammenhänge erscheinen die traditionellen Ansätze zur einzelwirtschaftlichen Standorttheorie (also: [1] die Frage nach der optimalen Nutzungstechnologie für einen vorgegebenen Standort [J.H. von Thünen, W. Alonso u. a.J und [2] die Frage nach dem optimalen Standort für eine vorgegebene Nutzungstechnologie [W. Launhardt, A. Weber, W. Isard u. a.]) sowie die auf dem neoklassischen Verständnis vom wirtschaftlichen Gleichgewicht beruhenden Landschaftsstrukturmodelle (also: die Frage nach den optimalen Zuordnungen verschiedener Nutzer als Wirtschaftssubjekte und verschiedener Standorte aufgrund definierter einzelwissenschaftlicher Komplementaritäts- und Konkurrenzbeziehungen [W. Christaller, A. Lösch, L. Lefeber, E. von Böventer u. a.]) unentbehrlich und eine notwendige Voraussetzung. Zusätzlich zu diesen eher statischen Ansätzen der Standort- und Landschaftsstrukturtheorie erbringen die im Rahmen der Polarisationstheorie (Theorien zum kumulativen Wachstum und kumulativen Verfall nach G. Myrdal, A. Pred u. a.) gewonnenen Erkenntnisse besonders für das Verständnis der Regionalentwicklung wichtige Anregungen. Die wichtigste Hypothese dieser „Raumplanungstheorie" lautet danach: der Staat bestimmt durch seine Investitionen, Normensetzungen und Transfers wesentlich (1) das Entwicklungsniveau einer Region und (2) die Entwicklungschancen der einzelnen Wirtschaftssubjekte innerhalb einer Region. Diese Hypothese soll im folgenden differenziert und mit überlieferten Ansätzen zur Standort- und Landschaftsstrukturtheorie verknüpft werden. Einen ersten Ansatzpunkt zum Verständnis des regionalpolitischen Verhaltens des Staates bietet die „ökonomische Theorie der Demokratie", wie sie aufbauend auf den Erkenntnissen von J. Schumpeter („Sozialismus, Kapitalismus, Demokratie") von A. Downs, M. J. Buchanan und G. Tidlock u. a. entwickelt worden ist. Im Gegensatz zu den in der Regionalwissenschaft bisher dominanten Vorstellungen vom Staat als dem Hüter des Gemeinwohls wird in der „ökonomischen Theorie der Demokratie" der Staat als Apparat im Besitz der Regierenden behandelt. In Demokratien nutzen die Regierenden danach den ihnen durch Wahlen anvertrauten Staatsapparat (Bürokratie) auf analoge Weise wie private Wirtschaftssubjekte ihr Eigentum: nach der ökonomischen Rationalität des Eigennutzes zur Erhaltung und Vermehrung ihrer Verfügungsrechte über bestimmte Mittel. In spezieller Anwendung von Befunden aus der „ökonomischen Theorie der Demokratie" erscheint es nur konsequent, den Staat als Produktionsapparat und die Regierenden in einer dem privatwirtschaftlichen Unternehmer analogen Rolle zu interpretieren. Mit dieser Einsicht erscheinen schließlich „Standorte" und „Arbeitskräfte", die in der klassischen ökonomischen Theorie als ursprüngliche Produktionsfaktoren behandelt werden, als vom Staat produzierte Güter. Mit der hier grundlegenden Annahme, daß im besonderen Standorte von Gebietskörperschaften nach bestimmten Zielen und unter bestimmten Restriktionen produzierte Guter sind, eröffnet sich ein Potential von weiteren speziellen Hypothesen. Diese beziehen sich einerseits auf die Erklärung der Siedlungsstruktur aus politischen Entscheidungen in der Vergangenheit, andererseits auf die Bewertung von regionalpolitischen Maßnahmen und Raumplanungskonzepten nach entsprechenden Rationalitäts- bzw. Optimalitätskriterien.
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1.2. Grundbegriffe Die im folgenden definierten Begriffe bilden den Grundraster, auf dem die theoretische Argumentation dieser Abhandlung aufbaut. Eine derartige Sprachregelung erscheint vor allem deshalb angebracht, weil eine Reihe von Begriffen auch in der regionalwissenschaftlichen Fachsprache relativ vieldeutig verwendet werden. Es wird somit nichts weiter versucht, als die Aussagegehalte der folgenden Begriffe theoriebezogen einzuschränken. Primärer Gegenstand dieser Abhandlung ist die Siedlung. In der Regionalwissenschaft wird Siedlung im allgemeinen verstanden als (1) eine nach bestimmten sozialen oder wirtschaftlichen Kriterien abgegrenzte Fläche, die (2) mit tätigkeits- bzw. nutzungsbezogenen Eigenschaften (Eignungskriterien) ausgestattet ist und die (3) von bestimmten Wirtschaftssubjekten auf bestimmte Weise besetzt ist. Für die folgenden Überlegungen ist es wichtig, dem so definierten funktionalen Oberbegriff „Siedlung" die Begriffe „Standort" und „Nutzung" nachzuordnen: Siedlung Standort(e)
Nutzung(en)
Die Begriffe „Standort" und „Nutzung" sind in ihrer Bedeutung zueinander komplementär: bestimmte Standorte sind notwendige Voraussetzung für bestimmte Tätigkeiten von Personen und umgekehrt benötigen Personen für bestimmte Tätigkeiten bestimmte Standorte. Nur die auf einem Standort unter möglichen Alternativen wirklich ausgeübte Tätigkeit von Personen wird als „standörtliche Nutzung" bezeichnet. Im besonderen sind Standorte hier definiert durch die Verfugungs- und Eigentumsrechte von Personen über bestimmte, innerhalb von festgelegten Grenzen befindlichen natürlichen Ressourcen und infrastrukturellen Gelegenheiten. Infrastrukturelle Gelegenheiten sind Anschlüsse an zwischenstandörtliche Leitungssysteme zur Kommunikation und Versorgung. Diese befähigen die betreffenden Standortbesitzer, auch alle jene Produktionsfaktoren (Güter) zu beziehen und jene Produkte (Faktoren) abzusetzen, die auf anderen, zugleich an entsprechende Systeme angeschlossenen Standorten angeboten bzw. nachgefragt werden. In der arbeitsteiligen Wirtschaft eröffnen die Ressourcen und die infrastrukturellen Gelegenheiten eines Standortes seinem Eigenr
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Gelegenheit als Teil eines zwischenstandörtlichen Kommunikations- und Versorgungssystems Abb. 1.1.
Barriere als Teil eines zwischenstandörtlichen Grenzsystems
Standörtliche Gelegenheiten und Barrieren
1. Grundlagen dieser Raumplanungstheorie
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tümer somit einen Handlungsspielraum von mehr oder weniger alternativen standörtlichen Nutzungen, indem er einzelne der beziehbaren Güter (Faktoren) nach seinen Vorstellungen zu neuen absetzbaren Produkten kombiniert. Das standörtliche Eigentum in Form von Ressourcen und infrastrukturellen Gelegenheiten wird geschützt durch materielle und institutionelle Barrieren, die (analog wie infrastrukturelle Gelegenheiten als Teile von zwischenstandörtlichen Kommunikations- und Versorgungssystemen) als Teile von zwischenstandörtlichen Grenzsystemen definiert sind. Während infrastrukturelle Gelegenheiten den Bezug und Absatz bestimmter Güter von bzw. auf anderen Standorten erschließen, verhindern oder behindern Barrieren zwischenstandörtliche Güterströme. Da sich in der Regel die Eigentümer ihren Standortwert zumindest erhalten möchten, sind sie daran interessiert, (1) daß keine nutzbaren Ressourcen unentgeltlich von ihren Standorten abgezogen und (2) daß von anderen Standorten keine die eigenen Nutzungsmöglichkeiten störenden Stoffe unentgeltlich auf den eigenen Standort einströmen. Diesen Interessen der Standorteigentümer dienen die hiermit definierten Barrieren. Standörtliche Nutzungen sind hier im besonderen definiert als zweckmäßige Kombinationen von fertigkeitenspezifischen und auf Gelegenheiten und Ressourcen des Standorts gerichteten Handlungen von Personen; es sind bestimmte Transformationen von vorhandenen und/oder bezogenen Gütern oder Faktoren zu neuen Produkten, die ihrerseits gelagert oder andernorts abgesetzt werden können. Standörtliche Nutzungen können sowohl produktiver als auch konsumtiver Art sein; jedenfalls bedürfen sie bestimmter technologischer Kenntnisse und Fertigkeiten. Nach dieser Definition sind „Standort" und „Nutzung", der Realität entsprechend, unterschiedlichen Personen oder zumindest verschiedenen Interessen zugeordneten Rollen zugewiesen: der Standort der Person des Grundeigners, die Nutzung der Person des Technologieeigners. Die hier definierten Grundbegriffe „Siedlung", „Standort" und „Nutzung" sind im folgenden auf die institutionellen Merkmale der hierarchischen Organisation des Staates zu beziehen. In unserer Gesellschaft sind die Verfügungsrechte über einen Standort nicht nur einer Person, etwa nur dem Grundstücksbesitzer, zuzurechnen; diese Verfügungsrechte teilen sich vielmehr, einander hierarchisch überlagernd der Grundstücksbesitzer und die verschiedenen hier relevanten politischen Entscheidungsträger der Gemeinde, des Landes und des Bundes, in denen das jeweils betrachtete Grundstüfck liegt; denn sämtliche benannten Personen sind entweder durch Miete und Pacht oder durch Steuern in unterschiedlichem Ausmaß am Nutzungsertrag des betrachteten Standorts beteiligt. Dabei fungiert die Bundesregierung, mit einer genau definierten Menge an Verfügungsrechten ausgestattet, als Gebietskörperschaft höchster Ordnung; ihr untergeordnet haben das Land und die Gemeinde jeweils eigene territoriale Befugnisse, die als Differenzmengen von Verfügungsrechten über den betrachteten Standort begreifbar sind, den Grundstücksbesitzern als letztrangigen Eigentümern von Standorten verbleibt schließlich eine Residualmenge der Verfügungsrechte. Im Sinne dieser realen hierarchischen Eigentumsstruktur werden hier Standorte definiert als nachgeordnete Teile von Gebieten, welche von Gebietskörperschaften (1) innerhalb einer gemeinsamen räumlichen Grenze und (2) mittels einer gemeinsamen, die Regionen verbindenden Infrastruktur organisiert werden. Gebiete sind somit Standorte höherer Ordnung, wenn man sie in der gebietskörperschaftlichen Hierarchie von einem höheren Rang aus betrachtet.
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Abb. 1.2.
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Gebietliche Infrastruktur und Bodenordnung
Es erscheint nur konsequent, im folgenden die oben begründete Trennung der Begriffsinhalte „Standorte" und „Nutzung" auf die gesamte gebietskörperschaftliche Hierarchie auszuweiten. Danach sei „Gebiet" ein begriffliches Äquivalent für „Standort" auf der in der gebietskörperschaftlichen Hierarchie jeweils übergeordneten Ebene; dort entspreche der „standörtlichen Nutzung" die „gebietliche Nutzung". Genutzte Gebiete werden als „Regionen" bezeichnet, das Ergebnis der gebietlichen Nutzung heißt „Regfonalprodnkt". Damit sind alle Standorte, über die innerhalb einer gemeinsamen Grenze mittels einer gemeinsamen Infrastruktur von einer bestimmten Gebietskörperschaft verfügt werden kann, Elemente desselben Gebiets. Dieses enthält die nachgeordneten Standorte und die ihnen zugeordneten Kommunikations- und Versorgungssysteme als „gebietliche Binnen-Infrastruktur", während ihre Außenbeziehungen von ihrer „gebietlichen Außen-Infrastruktur" bestimmt sind.
Abb. 13.
Die Infrastruktur zwischen den Standorten in einem Gebiet und die Infrastruktur eines Gebietes
Die Nutzer der einzelnen nachgeordneten Standorte sind Teilmengen der Nutzer des Gebietes. Während demnach die Gesamtmenge der Nutzer mit der Gesamtmenge von
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Grundstücken, als Standorten niedrigster Ordnung zusammenfällt, teilen sich die eigentumsmäßigen Verfügungs- und kommunikativen Grenzüberschreitungsrechte von Standorten gleicher Ordnung die politischen Entscheidungsträger mehrer Gebietskörperschaften. Diese Definitionen und terminologischen Zuordnungen ermöglichen es, das Siedlungsgefüge als ein „hierarchisches System" von ineinandergeschachtelten Standorten und Nutzungen zu begreifen. Dabei sind auf jeder hierarchischen Stufe Standorte in Gebieten durch rangadäquate Kommunikations- und Versorgungssysteme der Infrastruktur verbunden und durch rangadäquate Grenzsysteme eigentumsmäßig getrennt; ein hierarchisches System, das auf einer Basismenge von Nutzern organisiert ist.
1.3. Basishypothesen Dieser „Raumplanungstheorie" liegen folgende Hypothesen zugrunde: (1) Bestimmte Standorte sind notwendige Voraussetzungen für bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten (Nutzungen). (2) Standortveränderungen induzieren Nutzungsveränderungen. (3) Standorte sind von Gebietskörperschaften produzierte Güter. (4) Politische Entscheidungsträger handeln im eigenen Interesse. (5) Die regionale Entwicklung wird primär vom Staat bestimmt. Diese Hypothesen werden zunächst erläutert. Zu Hypothese (1): Bestimmte Standorteigenschaften sind notwendige Voraussetzungen für bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten (Nutzungen). Arbeitsteilung ist nur unter der Voraussetzung möglich, daß die verschiedenen wirtschaftlichen Faktoren und Güter zwischen den Standorten ihrer Produzenten und Konsumenten ausgetauscht werden können. Zu diesem Zweck müssen die Standorte komplementärer Wirtschaftssubjekte an jene Kommunikations- und Versorgungssysteme der Infrastruktur angeschlossen sein, welche den besonderen Transportbedingungen der jeweils zu beziehenden Faktoren und abzusetzenden Güter entsprechen. Die Frage, an welche bestimmten Infrastruktursysteme mit welchen Kapazitäten ein bestimmter Standort angeschlossen ist, kann dafür entscheidend sein, ob und in welchem Umfang dort bestimmte Produktions- oder Konsumtätigkeiten verwirklicht werden können. Analoge Überlegungen gelten für die Barrieren, von denen ein Standort umgeben ist: Mit der Differenzierung der Nutzimgsarten werden nicht nur Güter ausgetauscht, vielmehr entstehen auch Abfallprodukte, welche die Produktions- und Konsumbedingungen auf Standorten, die in Nachbarschaft zur Störquelle liegen, beeinträchtigen können. Um bestimmte nachbarliche Störungen zu vermeiden und um somit das standörtliche Eigentum und die standörtlichen Nutzungsmöglichkeiten zu sichern, werden entsprechende Grenzsysteme eingerichtet. Die Frage, von welchen bestimmten Barrieren, als Elemente entsprechender Grenzsysteme, ein Standort umgeben ist, kann ebenso wie seine infrastrukturellen Gelegenheiten dafür entscheidend sein, ob und in welchem Umfang dort bestimmte Produktions- und Konsumtätigkeiten verwirklicht werden können. Die Hypothese, daß bestimmte Standorteigenschaften notwendige Voraussetzungen für bestimmte wirtschaftliche Nutzungen sind, durchzieht die gesamte traditionelle
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Standort- und die neoklassische Landschaftsstrukturtheorie. Diese Hypothese führt sowohl zu der Frage nach der optimalen Nutzungstechnologie für einen gegebenen Standort (J. H. von Thünen, W. Alonso u. a.) als auch zu der dazu komplementären Frage nach dem optimalen Standort für eine gegebene Nutzungstechnologie (W. Launhardt, A. Weber, A. Predöhl, T. Palander, W. Isard u.a.). Ein Zusammenhang zwischen Standorteigenschaften und technologischen Nutzungsforderungen wird auch unterstellt in den Ansätzen zur Optimierung der Landschaftsstruktur aufgrund definierter Konkurrenz- und Komplementaritätsbeziehungen zwischen den verschiedenen Wirtschaftssubjekten (IV. Christaller, A. Lösch, L. Lefeber, E. v. Böventer u. a.). Zu Hypothese (2): Standortveränderungen induzieren Nutzungsveränderungen. Mit jedem zusätzlichen Anschluß an ein Kommunikations- oder Versorgungssystem und mit jedem zusätzlichen Ausschluß einer Störmöglichkeit durch entsprechende Barrieren werden in der Regel die Nutzungsmöglichkeiten auf dem betrachteten Standort verbessert. Wenn angenommen wird, daß sowohl in der Produktion als auch im Konsum die mittels infrastruktureller Gelegenheiten bezogenen Güter kombiniert und in besonderen Einrichtungen des Nutzers (Maschinen, Gebäude u.a.) durch Arbeitseinsatz transformiert werden, dann läßt sich vereinfachend folgern: eine linear zunehmende Zahl von beziehbaren Gütern bzw. Faktoren (als Funktion einer entsprechenden Zahl von infrastrukturellen Gelegenheiten) läßt sich zu einer exponentiell zunehmenden Zahl von Produktarten kombinieren. Diese Annahme kann durch das Argument gestützt werden, daß mit jeder zusätzlichen Kommunikations- oder Versorgungsgelegenheit auf einem Standort in der Regel zusätzliche komplementäre Wirtschaftssubjekte mit einer zusätzlichen Produktnachfrage oder mit einem zusätzlichen Faktorenangebot erschlossen werden. Unterstellt man, der Realität entsprechend, daß in einem Gebiet die Zahl der Standorte mit der Zahl ihrer Gelegenheiten exponentiell abnimmt (Rank-Size-Rule), dann erscheint die Annahme plausibel, daß Standorte, die an zusätzliche Kommunikations- und Versorgungssysteme der Infrastruktur angeschlossen werden, zugleich für neue Nutzungsarten wirtschaftlich profitabel verwertbar werden. Nach diesem Prinzip, so wird angenommen, verdrängen dann Nutzer mit höherwertigen Technologien die eingesessenen Nutzer mit jener Technologie, die dem Standort vor seiner ausstattungsmäßigen Verbesserung entsprach. In der traditionellen Standorttheorie wird der dynamische Aspekt der Nutzungsveränderung als Folge von Standortveränderung nicht betrachtet, entweder weil dort die Standorteigenschaften oder weil die Nutzungstechnologie als gegeben invariabel in die Kalkulation und Argumentation eingehen. In der Interpretation ihrer theoretischen Befunde haben allerdings sowohl W. Christaller und A. Lösch als auch W. Alonso eingehender dieses Problem diskutiert. Vor allem wird die Frage der Nutzungsveränderungen im privatwirtschaftlichen Bereich als Folge von kommunal- und regionalpolitischen Maßnahmen immer wieder in eher praxisbezogenen Beiträgen zur Theorie der Stadtentwicklungs- und Infrastrukturplanung angesprochen. Zu Hypothese (3): Standorte sind von Gebietskörperschaften produzierte Güter. Im Sinne der hier zugrundegelegten Definition können Standorte als „Güter" angesehen werden, weil sie für definierte Verwendungszwecke bzw. Nutzungen geeignet sind; sie können als „wirtschaftliche Güter" gelten, weil die Verfügungsgewalt über sie, also das Recht zur Verwendung, erworben und veräußert werden kann. Standorte sind „knappe Güter".
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Hier wird angenommen, daß der Wert eines Standortes für seinen Eigentümer im wesentlichen von der Zahl seiner alternativen Verwendungsmöglichkeiten abhängt. Dieser als standörtliches Nntzungspotential bezeichnete Wertparameter ist bestimmt (1) durch die standörtlichen Ressourcen im besonderen, (2) durch die den Zugang zu Faktor- und Gütermärkten (auf anderen Standorten) vermittelnde Infrastruktur und (3) durch die Störungen und Eingriffe von außerhalb ausschließenden Barrieren- bzw. Grenzsysteme (Bodenordnung). Insbesondere die Infrastruktur und die Bodenordnung als Faktoren des Standortwertes sind - das ist Hauptinhalt der hier angeführten Hypothese - konstituiert durch gebietskörperschaftliche Maßnahmen. Mit jeder Infrastrukturinvestition (vom Straßenbau bis zum Telephonanschluß) und mit jeder territorialen Grenzziehung (von der Grundstücksparzellierung bis zur Gemeinde- und Ländergebietsreform) werden Standorte auf- oder abgewertet, oder (was im Prinzip dasselbe ist) es werden neue Standorte produziert. Da zudem unterstellt werden kann, daß sämtliche hier benannten gebietskörperschaftlichen Maßnahmen primär mit dem Ziel „Standorte für technologisch höherwertige und ertragreichere Nutzungen geeignet zu machen und entsprechenden Nutzern zur Verwendung zuzueignen" geplant werden (Infrastruktur-, Flächennutzungs-, Stadtentwicklungs- und Regionalpläne sind ebenso wie Landesentwicklungs- und Bundesraumordnungsprogramme mehr oder minder explizit an diesem Ziel orientiert), erscheint es gerechtfertigt, Standorte als von Gebietskörperschaften produzierte Güter zu bezeichnen. Diese Hypothese weiterführend, wird in dieser Abhandlung nach einer Präzisierung der Rolle des Standortproduzenten (Gebietskörperschaft) nach seinen Produktionszielen und -mittein gefragt werden. Im Rahmen der traditionellen Standort- und Landschaftsstrukturtheorie konnten dynamische Aspekte nur recht schwer, politische Ansätze zur Regionalentwicklung hingegen überhaupt nicht in die Betrachtung einbezogen werden. Dieser Befund erscheint besonders bemerkenswert, wenn in der Landschaftsstrukturtheorie neoklassischer Prägung (E. von Böventer) die Kategorien „Bodenkosten", „Transportkosten" und „externe Effekte" zwar als diejenigen gekennzeichnet werden, welche die standörtlichen Nutzungen differenzieren, wenn dort aber zugleich der Staat als jener Aktor außer Acht gelassen wird, der in Wirklichkeit das Ausmaß dieser Effekte durch seine Infrastruktur- und eigentumsregelnden Maßnahmen determiniert und permanent variiert. Es erscheint demnach für diese Raumplanungstheorie besonders wichtig, die hier erläuterte Hypothese „Standorte sind von Gebietskörperschaften produzierte Güter" mit einer umfassenden Handlungstheorie für den Staat bzw. für die Regierenden zu verknüpfen. Zu Hypothese (4): Politische Entscheidungsträger handeln in eigenem Interesse. Diese Hypothese ist die Kernaussage der „ökonomischen Theorie der Demokratie", wie sie auf der Grundlage von J. Schumpeter's Aussagen von A. Downs und anderen entwickelt worden ist. Danach handeln die Regierenden als politische Entscheidungsträger im Rahmen des ihnen durch demokratische Wahlen befristet zugeeigneten Staatsapparates, um sich ihren einmal gewonnen politischen Handlungsspielraum längerfristig zumindest zu erhalten, wenn nicht zu vergrößern. Mit diesem Axiom wird der Staatsapparat (Administration) als eine private Handlungsspielräume determinierende Institution interpretiert. Politiker im Besitz des Staatsapparates (Regierende) benutzen diesen wie private Unternehmer ihren Betrieb. In Anwendung dieser das politische Verhalten vereinfachenden Annahme wird hier der Standortproduktion innerhalb der Gebietskörperschaften ein eigener, institutionell abgegrenzter Bereich als „Produktionsapparat für Standorte" zugewiesen: das Stadtplanimgsamt oder das
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Stadtenwicklungsreferat innerhalb der kommunalen Administration, die Abteilungen für Landesentwicklungsplanung und Raumordnung in den entsprechenden Landesund Bundesministerien. Innerhalb und mit Hilfe dieser administrativen Organisationen entscheiden die entsprechenden politischen Entscheidungsträger über die besondere Struktur des Ergebnisses und über den besonderen Mitteleinsatz bei der Standortproduktion, indem sie etwa nach (legal verabschiedeten) Plänen ihre aktuellen Anweisungen zur Standortaufwertung geben. In Verfolgung des persönlichen Interesses, sich ihren politischen Entscheidungsspielraum zumindest zu erhalten, orientieren sich die Regierenden auch bei der Standortproduktion an der auf sich selbst bezogenen ökonomischen Effektivität, im besonderen an Budget-Rückflußerwartungen; denn diese bestimmen schließlich den zukünftigen politischen Handlungsspielraum. Daß bei allen politischen Kalkulationen in den hier betrachteten gesellschaftlichen Systemen der mehrheitliche Wählerwillen für die Stabilisierung des politischen Entscheidungsspielraums der Regierenden eine wichtige Rolle spielt, soll als Erklärungskategorie für das standortbezogene Verhalten der Gebietskörperschaften nicht außer Acht gelassen werden. Zu Hypothese (5): Die regionale Entwicklung wird primär vom Staat bestimmt. Diese Hypothese ist eine transitive Schlußfolgerung aus den Hypothesen (1) bis (4): Wenn Standortveränderungen Nutzungsveränderungen induzieren und wenn der Staat, differenziert in Gebietskörperschaften, die einzelstandörtlichen Eigenschaften und die territoriale Standortstruktur bestimmt und variiert, dann wird die regionale Entwicklung in ihrer Gesamtheit primär vom Staat bestimmt. Mit dieser Hypothese erhalten somit die standortproduzierenden Gebietskörperschaften (allerdings endogen) für die Regionalentwicklung eine ähnliche Bedeutung, wie sie der Export von spezialisierten Produkten für die örtliche Beschäftigung und Produktion in der „Exportbasistheorie" besitzt.
1.4. Plädoyer für gerechte Siedlungen Siedlungen mag man sich als eine Menge von genutzten Standorten vorstellen; Standorte, die sich nach ihrer Lage und nach ihrer Ausstattung mit natürlichen, infrastrukturellen und verfügungsrechtlichen Eigenschaften, nach ihrer Nutzbarkeit und nach ihrer wirklichen Nutzung unterscheiden. In allen Gebieten sind die aus den Standorten erzielbaren individuellen Nutzen und Gewinnchancen ungleich verteilt. Die Ungleichverteilung von solcherart Standortqualität wird als räumliche Disparität bezeichnet und gilt als das fundamentale Problem der Regionalpolitik. Indikator für Standortqualität ist der Handlungsspielraum, den ein bestimmter Standort seinem Eigentümer und Nutzer vermittelt. Dieser Handlungsspielraum wird bestimmt durch die Nutzbarkeit des eigenen Standorts oder die von dort andernorts erreichbaren Nutzungsgelegenheiten oder Chancen zur individuellen Entfaltung. Solche Nutzungsgelegenheiten zur individuellen Entfaltung sind den Bereichen Kultur (-ausübung, -erlebnis, -aufnähme), Bildung und Ausbildung, sozialer Kontakt und individuelles oder kollektives Vergnügen zuzuordnen, sie mögen sich auf Arbeit oder Erholung, Konsum oder Produktion, private Selbstdarstellung oder politische Repräsentanz, Hingabe oder Machtausübung beziehen. Oper und Museum, Kaufhaus und Boutique, Universität und politischer Stammtisch, Bowlingbahn und Eislaufplatz,
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all das sind typisch „städtische Nutzungsgelegenheiten", Chancen, die der einzelne wahrnehmen oder auslassen kann; Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten, zwischen denen er seine Interessen entfalten kann. Konzentriert bieten sich vor allem in Städten eine Vielzahl von solchen Nutzungsgelegenheiten — und zwar: je mehr, desto größer sie sind. Ihre Nutzungsgelegenheiten machen somit die Stadt gegenüber dem Land, die größere Stadt gegenüber den kleineren exklusiv. Daß viele Menschen ihre Zuwanderungs- und Niederlassungsentscheidungen mit dem exklusiven Zugang zu den vielen städtischen Gelegenheiten motivieren, erklärt schließlich die ungebrochene Attraktivität der Großstädte, auch wenn sich ihr Wachstum bei fehlenden innerstädtischen Bauflächen immer mehr außerhalb ihrer Gemarkungsgrenze vollzieht. Zweifellos können die meisten Zuwanderer ebenso wie die meisten Alteinwohner der Großstädte nur einen kleinen Teil der zugänglichen Gelegenheiten nutzen, dies infolge mangelnder produktiver und konsumtiver Fertigkeiten, infolge knapper Zeitbudgets und bei beschränkten Informationen und fehlenden persönlichen Beziehungen. Indes wird vielen Menschen dort erst im Laufe der Zeit bewußt, in welchem Maße die exklusive Verfügungsgewalt bestimmter gesellschaftlicher Gruppen über bestimmte Nutzungsgelegenheiten die Angehörigen anderer gesellschaftlicher Gruppen in ihrem Handlungsspielraum einschränkt. Oder ist es gerade die Fähigkeit bestimmter Menschen, die sich ihrer Bedürfnisstruktur entsprechenden Gelegenheiten verfügbar zu machen und nutzungsgerecht zu kombinieren, ist es diese Fähigkeit (und Macht), welche soziale Gruppen und Klassen definiert und differenziert? Jedenfalls erscheint es als wesentliches Kennzeichen des sozialen Aufstiegs, daß sich einzelne Menschen immer mehr Nutzungsgelegenheiten verfügbar und nutzbar machen. Durch staatliche Maßnahmen werden einzelne Standorte im Siedlungsgefüge aufgewertet, andere abgewertet. Dadurch werden zugleich entsprechende Standorteigentümer und -nutzer begünstigt, andere benachteiligt. Den Betroffenen ist diese Tatsache zumindest in dem Maße bewußt, wie Raumplanung (in der Form von Stadtenwicklungsplänen, Landesentwicklungsplänen und Bundesraumordnungsprogrammen) öffentlich diskutiert wird: Aus Infrastrukturinvestitionen und aus Umwidmungen in Flächenwidmungsplänen ziehen einzelne Einwohner und Betriebe, im besonderen jedoch auch Grundstücksspekulanten, hohe Gewinne, hingegen werden andere Einwohner und Betriebe (z.B. durch Lärm induzierende Verkehrsbauwerke) in den Nutzungsmöglichkeiten ihrer Standorte eingeschränkt und müssen mühsam um entsprechende Entschädigimg kämpfen. Akzeptiert man die hier zugrundegelegte Hypothese, nach welcher Standorte von Gebietskörperschaften produziert werden, dann muß zugleich nach jener sozialen Gerechtigkeit gefragt werden, mit welcher das Produkt „Standortqualität" über die gebietliche Bevölkerung verteilt wird. Hinter der Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit steht allerdings zunächst jener institutionalisierte Mechanismus, welcher den Weg des Produktes Standort zu seinem Eigentümer und Nutzer lenkt. In unserer Wirtschaftsordnung werden die Wertzuwächse aus der Standortproduktion von den Gebietskörperschaften an die meist privaten Eigentümer alter Standorte zugeteilt, ohne daß diese dem Produzenten für ihren realen Vermögenszuwachs ein entsprechendes Entgelt bezahlen müssen. Nach solcherart Zuteilung von Standortqualität an planmäßig ausgewählte Eigentümer vermarkten diese das neue „Produkt aus altem Standort plus gebietskörperschaftlicher Aufwertung", indem sie es entsprechend zahlungsfähigen Nutzern überlassen (Verkauf, Pacht). Dieses Zuteilungsverfahren für Standortqualität wird vielfach als ungerecht empfunden, führt es doch zweifellos zur
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Einführung
selektiven Begünstigung und Benachteiligung einzelner sozialer Gruppen und Individuen. Nicht nur das Zuteilungsverfahren erscheint jedoch ungerecht, vielmehr auch das historisch nach solchen Steuerungsmechanismen gewachsene Siedlungsgefüge, in welches der einzelne Einwohner, aber auch der einzelne Betrieb gleichsam hineingeboren wird. Die regierten privaten Subjekte sind aufgrund dieser Skizze in ihren Beziehungen untereinander, in ihren Handlungsmöglichkeiten und in der Verfolgung ihrer Interessen zunächst jeweils an einen bestimmten Standort (Wohn- und/oder Arbeitsplatz) und sein räumliches Umfeld (zur Versorgung und Erholung) gebunden; sie sind gleichsam gefangen in definierten - jedoch sehr verschiedenen - standörtlichen Handlungsspielräumen. Die Regierenden hingegen verändern in ihren Gebieten planmäßig (insbesondere durch Maßnahmen aus den Bereichen Infrastruktur und Bodenordnung) diese individuellen standörtlichen Handlungsspielräume. Für die Entwicklung des Siedlungsgefüges erscheint es zumindest bedenklich, daß bei der regionalpolitischen Begründung der Raumplanung die Kategorie „soziale Gerechtigkeit" gegenüber technisch-funktionalen und teilweise ästhetischen Argumenten in den Hintergrund tritt. Diese Theorie soll dazu beitragen, Gerechtigkeit im Siedlungsgefüge als politisches Raumplanungsproblem stärker bewußt zu machen.
Teil A Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
2. Technologie des Standortes 2.1. Kriterien zur technologischen Standort-Definition Wenngleich in der standorttheoretischen Standardliteratur der Basisbegriff „Standort" in unterschiedlichem Zusammenhang mit voneinander abweichender Bedeutung verwendet wird, gilt dennoch übereinstimmend: (1) Standorte sind in räumlichen Koordinaten geometrisch eindeutig definierbar und (2) Standorte sind Träger von Ressourcen und/oder von wirtschaftlichen Tätigkeiten (Nutzungen), die in Unternehmungen oder Haushaltungen ausgeführt werden. Auf diesem Begriffsinhalt aufbauend wurden insbesondere in der an der neoklassischen Theorie orientierten Regionalökonomie folgende Grundfragen behandelt 1 : (a) Welche ist die optimale Nutznngsart für einen bestimmten Standort? (b) Welcher ist der optimale Standort für eine bestimmte Nutzungsart? (c) Welche ist die optimale Zuordnung von verschiedenartigen Standorten zu verschiedenartigen Nutzungen? Bei der methodischen Behandlung dieser Grundfragen mit Hilfe von zum Teil stark formalisierten Modellen wird „Standort" in der Regel unter im Folgenden zu kritisierenden Restriktionen definiert und ceteris paribus interpretiert: (1) Standorte liegen in einer infrastrukturell homogenen Fläche. D a s bedeutet: Standorte werden durch undifferenzierte Entfernungen zu anderen Standorten gekennzeichnet. Damit bleiben besonders die güterartspezifischen Eignungsunterschiede der verschiedenen infrastrukturellen Leitungssysteme unberücksichtigt.
In neueren standorttheoretischen Modellen wird diese vor allem auf die Transporttarife und Reisezeiten bezogene Homogenitätsbedingung durch die Einführung von Entfernungsgewichten nach Infrastruktureigenschaften (u. a. Standortexklusivität bei bestimmten Leitungssystemen) gemildert (wesentliche Erkenntnisse zu diesem Problembereich stammen u. a. von F. Voigt1 und R. Jochimsen3) (2) Standorte sind geometrische Punkte ohne Flächenausdehnung. Das bedeutet: Die individuell verschiedenen Kapazitäts- und Nutzungsbeschränkungen der Standorte werden vernachlässigt oder gleichgesetzt. Eigentumsverhältnisse besonderer Art bleiben außer Acht.
1 2 3
Vgl. v. Böventer, E., Theorie des räumlichen Gleichgewichts, Tübingen 1962. Voigt, F., Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Verkehrssystems, Berlin 1960 Jochimsen, R., Theorie der Infrastruktur, Tübingen 1966
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Nur in wenigen standorttheoretischen Modellen zur Problematik der Flächennutzungsoptimierung wurden die Leitungskapazitäten der Infrastruktur, die Grundstücks- und Gemeindegrenzen, Flächenwidmungen und Bauordnungen, Vorkaufsrechte und andere Titel des Eigentumsrechtes ins Kalkül gezogen (wichtige Impulse zur Einführung der Standortkapazität in bestehende Ansätze wurden u. a. von W. Alonso4 und E. v. Böventer5 gegeben). (3) S t a n d o r t e sind O b j e k t e privatwirtschaftlicher E n t s c h e i d u n g o h n e staatlichen Bezug. Das bedeutet: bei der Standortbewertung werden die Investitionsinteressen der Gebietskörperschaften im Bereich der Infrastruktur und das (damit gekoppelte) Nutzungsinteresse staatlicher Institutionen an bestimmten Standorten außer Acht gelassen.
Eine solchermaßen auf die Dimension „Entfernung zu anderen Standorten" reduzierte Definition von „Standort" erweitert zwar das Modell der „Einpunkt-Wirtschaft", wie es in der Wirtschaftswissenschaft eine Zeitlang fast ausschließlich tradiert wurde; in Hinblick auf eine Theorie, in welcher Standorte als Handlungsobjekte der staatlichen Regional- und Raumordnungspolitik begriffen werden, erscheint diese Definition jedoch zu wenig differenziert und deshalb unbefriedigend. Geht man von der hier zugrundegelegten Vorstellung aus, wonach Standorte von Gebietskörperschaften im Rahmen ihrer Regionalpolitik produziert werden, dann erscheint es notwenig, Standorte so zu definieren, daß regionalpolitische Maßnahmen der Kategorien „Infrastruktur" und „Bodenordnung" unmittelbar als Veränderungen von Standorteigenschaften abgebildet werden können. Ein solcher unmittelbarer Bezug erscheint insbesondere für den zwischenstandörtlichen Wirkungsvergleich einzelner regionalpolitischer Maßnahmen notwendig zu sein, und stellt eine Voraussetzung für entsprechende Kosten-Nutzen-Analysen dar. Schließlich, so scheint es, werden offenkundige Mängel in den bestehenden Theorien der Regionalentwicklung nicht zuletzt aus dem definitionsgemäß beschränkten Informationsgehalt des terminologischen Konstruktes Standort verständlich. Um die Entstehung von Standortqualitäten zu erklären, ist es wohl notwendig, neben der Feststellung der vorhandenen regionalen Ressourcen und Aktivitätenverteilung den besonderen Einfluß der staatlich investierten Infrastruktur und Bodenordnung zu analysieren. Mit anderen Worten: Nicht nur die geometrischen Entfernungen zu den Ressourcen bestimmen die Nutzungsmöglichkeiten und den Wert eines Standortes, sondern auch (und oftmals dominant) jene Ausprägungen der Infrastruktur und Bodenordnung, welche den güter- und entfernungsspezifischen Transportaufwand sowie die Verfügungsrechte über Faktoren und Güter relativieren. Unter diesem Aspekt mag man sich die Entstehung von Standorten als Elemente der Regionalstruktur zu einem Zeitpunkt vorstellen, als materieller Weg (als standortverbindendes Element der Infrastruktur) und institutionelles Wegerecht (als nachbarschaftlich vereinbartes oder hoheitlich gesetztes Recht zur Standortüberschreitung), materielle Barriere (als Element der Kommunikation aber auch Störungen hemmenden Grenze) und institutionelles Eigentumsrecht (als nachbarschaftlich vereinbartes oder hoheitlich gesetztes Recht zur Nutzung der Standortfläche) differenziert und personal zugeordnet wurden. Dabei ist einerseits das Wegerecht als institutionelle Voraussetzung für den Ausbau von Wegen anzusehen (Wegerecht bewirkt somit unter 4 5
Alonso, W., Location and Land Use, London 1970 v. Böventer, E., Theorie des räumlichen Gleichgewichts, Tübingen 1962
2. Technologie des Standortes
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gewissen Voraussetzungen Bahnungsaufwände), andererseits definiert die Existenz von Wegen (mit der damit verbundenen Chance zur Verminderung von zwischenstandörtlichen Transportaufwänden) oft faktisches Wegerecht. Hingegen ist das standortflächenbezogene Eigentumsrecht Voraussetzung für die materielle Grenzsicherung, etwa durch Wall, Graben und Mauer, der Standortfläche; zugleich definiert die bestehende und zu verteidigende Grenzbefestigung oft faktisches Eigentum an Standortflächen. Aufgrund dieser Vorstellung werden die materiellen und institutionellen Aufwände, durch welche die Ressourcen eines Territoriums in das (standörtlich definierte) Eigentum von bestimmten Personen überführt und zugleich zur Nutzung durch andere Personen (als Nutzer auf anderen Standorten) erschlossen werden, zu politisch variablen Standorteigenschaften. Ihre Einbeziehung in die Definition von Standort erscheint eine notwendige Voraussetzung für die hier angestrebte „Theorie der Raumplanung". Dieses Bemühen um die Einbeziehung von technologischen und institutionellen Eigenschaften in die Definition und in den Bewertungsrahmen von Standorten als Basis für eine politisch relevante Theorie der Regionalentwicklung deckt sich mit entsprechenden Bestrebungen in anderen Bereichen der Wirtschaftstheorie. In diesem Zusammenhang wird besonders auf die Ergänzung der Nutzentheorie um eine technologische Komponente (K. Lancastei*) und auf die vielfältigen Ansätze zur Einführung von rechtlichen Institutionen in die neoklassische Wirtschaftstheorie (J. Buchanan1, A. Alchian', H. DemsetzR. Frey'0, S. Pejovich") hingewiesen.
2.2. Räumliche Lage von Standorten 2.2.1. Wirkungen der zwischenstandörtlichen Entfernung auf die Standortqualitat Die Qualität von Standorten wird technologisch nach deren Nutzbarkeit bewertet.Die standörtliche Nutzbarkeit hängt, stark abstrahierend, ab (1) von der Standortausstattung (2) von der räumlichen Lage des Standortes Man stelle sich einen Standort vor, ausgestattet mit bestimmten positiven und negativen natürlichen Eigenschaften. positive Eigenschaften seien beispielsweise: eine ebene Fläche mit einem geringen Umfang/ Fläche-Verhältnis (Kreisfläche, Quadrat, gleichseitiges Drei- oder Sechseck u. ä.), fruchtbarer und bebaubarer Boden, Vorkommen von Rohstoffen (Wasser u. a.) 6 7
• 9 10 11
Lancaster, K.,J., A New Approach to Consumer Theory, in: Journal of Political Economy, Vol. 84, 1966 Buchanan, J. M., Tullock, G., The Calculus of Consent, Logical Foundation of Constitutional Democracy, Ann Arbor, 1962 Alchian, A., Corporate Management and Property Rights, in: Furubotn, E., Pejovich, S., The Economics of Property Rights, Cambridge 1974 Demsetz, H., Towards a Theory of Property Rights, in: Furubotn, E., Pejovich, S., The Economics of Property Rights, Cambridge 1974 Frey, R. L., Grundlagen der Planung öffentlicher Investitionen, Tübingen 1970 Furubotn, E., Pejovich, S., The Economics of Property Rights, Cambridge 1974
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
negative Eigenschaften seien beispielsweise: hängiges Gelände mit grofier Reliefenergie, großes Umfang/Flächenverhältnis, unfruchtbarer Boden, Erdbebenneigung und Vorkommen von Schadstoffen und Störquellen wie Morasten, Lawinengefährdungen u. ä. Ein solches Bündel an bestimmten natürlichen Standorteigenschaften ist je nach seiner räumlichen Lage in unterschiedlichem Maße nutzbar; es hat je nach seiner räumlichen Lage einen unterschiedlichen Wert. Für die technologische Bewertung von Standorten nach ihrer Nutzbarkeit sind demnach (1) der Umfang und die Qualität ihrer Ausstattung und (2) die Qualität ihrer räumlichen Lage substituierbar: Ein Mehr an positiven Ausstattungseigenschaften eines Standortes kann für denselben Nutzbarkeitswert eine schlechtere räumliche Lage kompensieren (und umgekehrt). räumliche Lage
• Ausstattung
Abb. 2.1. Linie gleichwertiger standörtlicher Nutzbarkeit bei Substituierbarkeit von Ausstattung und räumlicher Lage der Standorte Ursprüngliches Kriterium für die Bewertung der räumlichen Lage eines Standortes ist dessen Entfernung zu anderen relevanten Standorten. Als relevant gelten solche anderen Standorte, welche die Nutzbarkeit des betrachteten Standortes beeinflussen. Das bedeutet: Die Nutzungen relevanter fremder Standorte vermehren oder vermindern die Nutzungsmöglichkeiten des betrachteten Standortes, indem sie (1) Vorleistungen oder Absatzmöglichkeiten für die Nutzungsergebnisse des betrachteten Standortes bieten und damit dort bestimmte Nutzungen begünstigen und/ oder (2) durch Schadstofftransfers oder durch die Verweigerung, Umweltstörungen seitens des betrachteten Standortes hinzunehmen, dort bestimmte Nutzungen behindern oder ausschließen. Mit den Begriffen Erreichbarkeit/Abgeschiedenheit Zugänglichkei^Isoliertheit werden Standorte in ihrer relativen Entfernung zueinander verglichen und bewertet. Dabei gilt die zwischenstandörtHche Entfernung für die Kommunikationsverhältnisse als kostenerzeugend, für die Eigentumsverhältnisse als kostensparend; denn Entfernungen werden ökonomisch relevant durch die Aufwände, welche (1) beim Transport von Gütern und Faktoren und (2) beim Behindern von Schadstoffströmen und
2. Technologie des Standortes
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Abwehren von Störungen entstehen. Sowohl die Transportkosten für den zwischenstandörtlichen Austausch von Gütern und Faktoren als auch die Kosten für das Behindern von Schadstoffströmen und das Abwehren von Störungen der standörtlichen Nutzung (Eigentumssicherung) werden ökonomisch erst notwendig, wenn die Standorte im Rahmen der räumlichen Arbeitsteilung unterschiedlich genutzt werden; insbesondere, wenn der einzelne in der privaten Haushaltung auf seinem Wohnstandort eine Vielzahl von Gütern konsumiert, zugleich auf einem anderen Betriebsstandort jedoch an der Produktion nur eines Gutes beteiligt ist. Die ökonomische Zweckmäßigkeit solcher räumlichen Arbeitsteilung setzt voraus, daß die aus der unterschiedlichen Standortnutzung erwachsenden Transport- und Eigentumssicherungskosten zumindest nicht größer sind als die Vorteile der spezialisierten großbetrieblichen Produktion und der großen Gütervielfalt im Konsum. Will man als Produzent spezialisierter Güter die Vorteile des Großbetriebes besser nutzen, muß das Produkt zu seinen Verbrauchern über größere Durchschnittsentfernungen transportiert werden; will man als Konsument seinen Nutzen mit der Gütervielfalt vermehren, dann muß das zusätzliche und spezialisiertem Produkt über eine größere Durchschnittsentfernung beschafft werden. Mit der Produktspezialisierung wächst in der Regel die Komplexität der Produktionsverfahren und damit die Vielfalt der Abfallprodukte und Störquellen. Umgekehrt wächst tendenziell mit dem Komplexitätsgrad der Standortnutzungen auch deren Störempfindlichkeit gegenüber den Aktivitäten der jeweils umgebenden Standorte. In der arbeitsteiligen Wirtschaft mit ihren vielfältig genutzten Standorten sind somit (1) der zwischenstandörtliche Faktorund Güteraustausch, der Verkehr, und (2) der zwischenstandörtliche Schadstofftransfer und die nutzungsspezifischen Störungen, die Umweltbelastung (Lärm, Abgase, Abwasser, Eigentumsdelikte . . .), gleichsam zwei Seiten derselben Medaille. Verkehr und Umweltbelastungen wachsen dabei in dem Ausmaß, in dem der einzelne die Vielfalt der von ihm verwendeten Güter vermehrt, und in dem er durch Spezialisierung auf zunehmend komplexere Produktionsverfahren seine güterbezogene fachliche Kompetenz einschränkt. Die Entfernung zwischen relevanten Standorten wirkt auf die Standortqualität in den beiden Kategorien (1) Transportkosten für den Faktoren- und Güteraustausch und (2) Kosten für den standörtlichen Schutz vor Schadstoffen, die Vermeidung von Störungen und das Verteidigen gegen Eingriffe von außen (Eigentumssicherungskosten) prinzipiell in entgegengesetzter Richtung: Sie läßt die Transportkosten wachsen und die Eigentumssicherungskosten abnehmen. Zu (1): Zur Entstehung von Transportkosten für den Faktoren- und Güteraustausch Güter und Faktoren müssen in der Regel in Behältern von Transportmitteln über Verkehrswege (Verkehrssystem) bewegt werden. Dabei muß eine Transportarbeit geleistet werden, die mit der Entfernung wächst. Die Transportarbeit wird, ökonomisch betrachtet, als Benutzung des Verkehrssystems preislich entgolten. Für den Benutzer des Verkehrssystems entstehen so Transportkosten, welche entfernungsspezifisch mit den Eigenschaften der ausgetauschten Güter (Gewicht, Volumen, Sperrigkeit, Verderblichkeit u. a.) und mit der Qualität des Verkehrssystems (Kapazität, Geschwindigkeit, Bedienungsqualität, Sicherheit u. a.) variieren.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Physikalisch betrachtet ist Transportarbeit das Produkt von transportierter Masse, Entfernung und weg- bzw. massenspezifischer Reibung. Berücksichtigt man neben der Entfernung die Transportgeschwindigkeit, dann wird der verderblichkeitsspezifische Wertverzehr der transportierten Güter und Faktoren kalkulierbar; denn sowohl organische Produkte, wie Nahrungsmittel, als auch anorganische, wie Maschinen, haben wegen ihrer Verderblichkeit, Korrosionsanfälligkeit u. ä. eine beschränkte Lebensdauer. Wegen ihres Aktualitätsverlustes gilt diese Aussage auch für Informationen. Der Wertverzehr AGW eines Gutes während des Transportes kann danach folgendermaßen formalisiert werden: AGW = GW0 - GW, GW, = G W 0 e k T - V T t wobei GW0 = Ursprungswert des Gutes GW, = Wert des Gutes nach der Transportzeit t im Transportmittel T kT = Eignung des Transportmittels T vT = Geschwindigkeit des Transportmittels T t = Transportzeit Die Transportkosten, TK, ergeben sich somit aus der Summe des Preises für die Benutzung des Transportmittels T, PT, und des transportbezogenen Wertverzehrs bei den transportierten Gütern und Faktoren, AGW. TK
= PT + AGW
Wenn ein Produzent die Vorteile des Großbetriebes nutzen und von seinem Standort aus seine Güter auf einem mit gleichmäßig verteilter Nachfrage besetzten Markt absetzen will, dann muß er mit progressiv wachsenden Grenz- und Durchschnittskosten für den Transport seiner Produktion rechnen. Entsprechendes gilt für jenen Konsumenten, der die Gütervielfalt seines Konsums erhöht. Verallgemeinernd kann dann geschlossen werden: (1) Die Kosten für den Transport eines Gutes wachsen mit der Entfernung. Dabei steigt der Transportkostenanteil durch Wertverzehr des transportierten Gutes mit dessen Verderblichkeit; diesem Trend entgegengerichtet ist die Transportgeschwindigkeit des Verkehrssystems, Transportkosten
-4
Abb. 2J.
Entfernung
Einfluß der Entfernung auf die gutspezifischen Transportkosten
2. Technologie des Standortes
37
(2) Die Transportkosten eines Betriebes (Haushaltung oder Unternehmung) für den Faktoren- und Güteraustausch (Bezug zu und Absatz von einem Betriebsstandort) wachsen mit der Nntznngsintensität des Standortes überproportional.
1
Grenzkosten des Transports
Nutzungsintensität des Standortes
Abb. 2.3. Wirkungen der standörtlichen Nutzungsintensität auf die betrieblichen Transportkosten
Zu (2) Zur Entstehung von Kosten zur Verteidigung und Sicherang des standörtlichen Eigentums Im Falle eines störenden Eingriffs von außen muß standörtliches Eigentum verteidigt, im Falle der Gefährdung von außen (Enteignung) muß es durch entsprechende Einrichtungen gesichert werden. In diesem Sinn gilt besonders der Schadstofftransfer von fremden Standorten als Entwertung der standörtlichen Nutzbarkeit. Schadstoffe, wie Lärm, Abgas u. ä., entstehen in der Natur oder werden als Abfall der betrieblichen Standortnutzung produziert. In der Regel enthalten diese Schadstoffe in der Störquelle eine eigene Emissionsenergie, die sich mit der Ausbreitung über die umgebende Bodenfläche verzehrt bzw. von dieser absorbiert wird. Die negative Wirkung von Schadstoffen bzw. Störpotentialen auf die Nutzung fremder Standorte nimmt deshalb in der Regel mit der Entfernung von der Störquelle ab. Je nach den besonderen Absorptionseigenschaften des Bodens und je nach den Eigenschaften der betrachteten Störpotentiale bzw. Schadstoffe vermindert sich der Störeffekt auf die betrachtete Nutzung in unterschiedlichem Ausmaß. Im allgemeinen kann man rechnen, daß sich die Störeffekte einer Störquelle j auf einen Standort i je nach dem schadstoffspezifischen Absorptionspotential des dazwischenliegenden Bodens q in bestimmten Entfernungsintervallen halbieren (im Sinne des chemisch-physikalischen Zerfallsgesetzes), so daß b
= f(Q)
SB; = SEj
2b
(dij + b)
hierbei ist: b = Entfernungsintervall, über welchem eine bestimmte Störintensität halbiert wird q = schadstoffspezifisches Absorptionspotential des Bodens bzw. der betrachteten Hindernisse SBj = Schadstoffbelastung (Störintensität) im Standort i SE: = Schadstoffemission der Störquelle j d« = Entfernung zwischen i und j
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Ans diesem Zusammenhang kann verallgemeinernd geschlossen werden: (1) Die Kosten zur standörtlichen Eigentumssicherung in bezug auf einzelne Schadstoffe bzw. Störpotentiale bzw. Eingriffe nehmen mit der Entfernung zur Störquelle degressiv ab.
cherang (Verhinderung von Schadstofftransfers, Schutz vor Störungen, Verteidigung gegen Eingriffe u. ä.) (2) Wenn unterstellt wird, daß jede zusätzliche Störquelle zu dem betrachteten Standort weiter entfernt ist, dann wachsen die Kosten für die gesamte (betriebliche) Eigentumssicherung des Standortes mit der Nutzongsintensität bzw. mit der Nutzungskomplexität bzw. mit der Störempfindlichkeit der Nutzungsart degressiv.
Kosten für die gesamte Eigentumssicherung
Nutzungsintensität •• des Standortes
Abb. 2.5. Wirkungen der standörtlichen Nutzungsintensität auf die Kosten der betrieblichen (gesamten) Eigentumssicherang Standortqualität ist demnach ein entfernungsabhängiger Wert, der (im Vergleich mit anderen Standorten) die relativen Ersparnisse beschreibt, die sich nutzungsspezifisch (1) bei der Beschaffung und beim Absatz von Gütern und Faktoren und (2) bei der Vermeidung von Eigentums- und Nutzimgsstörungen etgeben.
2. Technologie des Standortes
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Unter diesem Aspekt ist es zweckmäßig, Standorte in der Weise zu nutzen, daß die entfemungsabhängigen Aufwände der Standortnutzer für den Transport und für die Vermeidung von Nutzungsstörungen (Umweltbelastungen) minimiert werden. So erklärt sich, daß Haushaltungen und Unternehmungen in der räumlichen Zuordnung ihrer Standorte bestimmte Kriterien beachten: (1) Sofern ihre Produkte für die Tätigkeiten anderer bedeutsame Vorleistungen sind, suchen sie Standorte in deren räumlicher Nachbarschaft. (2) Sofern die Produkte fremder Wirtschaftssubjekte die eigene Tätigkeit stören oder verhindern (Schadstoffemissionen, Eigentumsgefährdungen u. ä.), suchen sie den Schutz durch räumliche Distanzierung von diesen. (3) Sofern Wirtschaftssubjekte mit gleichartigen Tätigkeiten an den Großbetriebsvorteilen von Lieferanten und/oder Abnehmern teilhaben können, suchen sie deren räumliche Nachbarschaft und bilden mit ihren Standorten Gebiete mit gleichartiger Flächennutzung (Wohngebiete u. ä.). (4) Sofern Wirtschaftssubjekte mit gleichartigen Tätigkeiten um Absatzmärkte konkurrieren, suchen sie entfernte Standorte, die ihnen ein gewisses Gebietsmonopol gewährleisten.
2.2.2. Entfernungsrelativierender Zweck von zwischenstandörtlichen Leitungen und Grenzen In einem gedachten Ursprungszustand der Landschaft gab es weder angelegte Verkehrswege, welche den zwischenstandörtlichen Austausch von Gütern und Faktoren begünstigten, noch gab es angelegte Grenzbefestigungen, welche das standörtliche Eigentum des einzelnen oder bestimmter Kollektive sicherten. Einerseits standen der Begegnung des Menschen eine Menge natürlicher Hindernisse im Wege, andererseits war der Platz des einzelnen feindlichen Zugriffen offen und mußte ständig bewacht werden. Die Gestaltung der Landschaft durch die Menschen ist offensichtlich an dem Ziel orientiert, laufende Transportarbeit zu sparen und Sicherheit der Eigentume zu gewinnen. Dies gilt sowohl für den einzelnen als auch für Kollektive (Städte, Staaten). Unter diesem Aspekt wurden in der Geschichte und werden fortwährend entsprechende Anlagen (1) zur Verbesserung der Transportbedingungen zwischen Standorten und (2) zum besseren Schutz der standörtlichen Eigentume gebaut. Physikalisch entspricht diese Bautätigkeit einer zweckmäßigen Verminderung des wegspezifischen (Reibungs-) Widerstandes für bestimmte Güterströme und einer zweckmäßigen Erhöhung des bodenbezogenen Absorptionspotentials (ebenfalls: Reibungswiderstandes) von diffusen Schadstoffausbreitungen und ungewissen Störpotentialen. Mit derselben Transportarbeit können einerseits bei geringem wegspezifischen (Reibungs-) Widerstand größere Entfernungen überwunden und/oder höhere Transportgeschwindigkeiten und kürzere Reisezeiten ermöglicht werden. Andererseits können durch die Erhöhung des bodenbezogenen Absorptionspotentials dieselben Störquellen in geringerer Entfernung relativ unwirksam gemacht werden. Leitungsinvestitionen folgen zweckmäßigerweise den Verbindungslinien zwischen Standorten, deren Nutzer Güter und Faktoren austauschen. Die Notwendigkeit von Leitungsinvestitionen wird in der Regel mit den bestehenden, relativ großen Kommu-
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
nikationspotentialen der besser zu verbindenden Standorte begründet. Im allgemeinen bestimmt ein Engpaß die Leistungsfähigkeit der gesamten Leitung. Die an der Leistungsfähigkeit eines bestimmten Leitungssystems (Verkehrssystems) orientierte Politik muß demnach primär an der Engpaßbeseitigung interessiert sein. In Grenzbefestigungen wird zweckmäßig zwischen jenen Standorten investiert, deren Nutzer das Eigentum des jeweils anderen stören könnten. Diese Investitionen werden in der Regel mit dem bestehenden Konfliktpotential (Eigentumsgefälle, Schadstoffemissionen u.ä.) begründet. Da sich die Schadstoffe (wie auch Störenfriede) mit eigener Energie von der Störquelle ausbreiten, suchen sie gleichsam den Ort der größten Grenzdurchlässigkeit. Die an einer gleichmäßigen Verteilung der Sicherheit orientierte Politik muß demnach primär an der Beseitigung von Schwachstellen in bestehenden Grenzsystemea interessiert sein. Ökonomische Effekte von Leitungsinvestitionen Ökonomisch betrachtet, bewirken Leitungsinvestitionen (neue Leitungen, wie Straßen, Bahnen, Kanäle oder Leitungsverbesserungen) mit einem bestimmten Bahnungsaufwand (ebnen, glätten, überführen, unterführen u. ä.) primär, daß bei den Benutzern der neuen oder verbesserten Leitung (verstanden als Teil eines Kommunikations-, Versorgungs- oder Entsorgungssystems bzw. eines Verkehrssystems) Transportaufwände gespart werden. Die Transportaufwandersparnisse betreffen in der Regel sowohl das Benutzungsentgelt für die Leitung als auch die Transportzeit. Besonders die Transportzeiterspamis.se haben bei den Benutzern der Leitungen u. a. folgende sekundäre Wirkungen: (1) Es sinkt der transportzeitspezifische Wertverlust der transportierten Güter. Verminderte Reisezeiten erhöhen bei der betroffenen Bevölkerung disponible Zeiten, die für produktive oder konsumtive Aktivitäten genutzt werden können. (2) Es wächst die räumliche Reichweite der betreffenden Faktor- und Gütermärkte. Damit wächst die Konkurrenz, es vermindern sich die (auf Gebietsmonopolen basierenden) außerordentlichen Gewinne, es sinkt das Preisniveau. (3) Auf größeren Märkten werden neue Güter (z. B. solche mit relativ hoher Verderblichkeit) absetzbar - und damit rentabel produzierbar. Ökonomische Effekte von Grenzinvestitionen Grenzinvestitionen zum besseren standörtlichen Eigentumsschutz (Zäune, Mauern u. a. Sicherungsanlagen) bewirken primär, daß die Eigentümer neben dem verminderten Risiko eines tatsächlichen Schadens auf solche Weise laufende Kontroll- und Wachaufwände ersparen. Insbesondere Kontroll- und Wachaufwände sind für den relativ schutzlosen Eigentümer eines Standortes zeitaufwendig. Die Verminderung der zeitlichen Kontroll- und Wachaufwände durch Investitionen in die Grenzbefestigung (eines Grundstücks, einer Stadtgemarkung oder eines Staatsgebietes) hat u. a. folgende sekundäre Wirkungen: (1) Bei der betroffenen Bevölkerung wächst die disponible Zeit, welche für andere (nutzenstiftende) Tätigkeiten verwendet werden kann. (2) Mit der gestiegenen Sicherheit vor äußeren Störungen und Eingriffen wächst die Sparneignng und die Bereitschaft zu längerfristigen betriebUchen Bindungen und zu internem Risiko (Betriebsgründung u. ä.).
2. Technologie des Standortes
41
2.2.3. Modelle zwischenstandörtlicher Beziehungen Die sogenannten „räumlichen Interaktionsmodelle" sind entwickelt worden, (1) um die Wirkungen der standörtlichen Flächennutzung auf die (Verkehrs-)Belastung von zwischenstandörtlichen Leitungen abzuschätzen und um die Dringlichkeit von Investitionen in Leitungs-(Verkehrs-)systemen begründen zu können und (2) um die Standortqualität mit den Variablen „räumliche Lage in den Leitungsnetzen" und „umgebende Flächennutzung" erklären und um die Wirkungen von Investitionen in Leitungs- und Grenzsysteme auf die Standortqualität kalkulieren zu können. Um diesem Zweck zu dienen, wurden in den räumlichen Interaktionsmodellen vor allem folgende Annahmen in einer mathematisch formalen Struktur verknüpft: (1) Die Interaktionshäufigkeit bzw. die Intensität der Austauschbeziebungen zwischen zwei Standorten nimmt mit deren Entfernung ab. (2) Die Nutzbarkeit eines Standortes wächst mit der Nutzungsintensität und Nähe der umgebenden komplementär gestalteten Standorte, sie nimmt ab mit der Intensität und Nähe der umgebenden Störquellen. (3) Der Transportaufwand für den zwischenstandörtlichen Austausch ist begrenzt durch den Marktwert der zu transportierenden Güter und Faktoren. Die mathematisch formale Struktur der räumlichen Interaktionsmodelle ist vor allem aus folgenden physikalischen Gesetzen abgeleitet:
(1) aus dem Gravitationsgesetz Danach wächst die Anziehungskraft KG zweier Massen Mi und Mj mit deren Größe, sie sinkt mit dem Quadrat ihrer Entfernung dy. KG
= k • Mj • Mj • dy 2 ,
wobei k die Gravitationskonstante bedeutet
(2) aus dem Absorptionsgesetz für radial sich ausbreitende Strahlen Danach vermindert sich die Strahlungsenergie SE zwischen dem Sender j und dem Empfänger i exponentiell mit ihrer Entfernung d^ S E = SEj • e~Xd* wobei X die Absorptionskonstante (einem Reibungswiderstand entsprechend) des durchstrahlten Mediums bedeutet. In der Entfernung dy =
• ln2 wird die Strahlungsenergie halbiert (Halbwertdistanz).
(3) aus dem 2. Hauptsatz der Wärmelehre (Entropiegesetz) Danach tendiert die Bewegung von Massenteilen in einem geschlossenen System (zum Beispiel: Gasmoleküle in einem geschlossenen Raum) unter Beibehaltung der gesamten Energie und Masse irreversibel zu jenem Verteilungszustand, der die größte Wahrscheinlichkeit (maximale Entropie) besitzt. Die Abweichung des wirklichen Zustandes H, nach dem die Massenteile in Raum und Zeit verteilt sind, von jenem Zustand maximaler Entropie Hraax, zu welchem der aktuelle Verteilungszustand mit größter Wahrscheinlichkeit tendiert, wird makroanalytisch mit einem relativen Entropie-Maß ausgedrückt.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse H = -rjä— ; "max
H = —1 -21 Pi • lgpi ;
Hmax=lgM
Dabei ist H
= relative Entropie als Maß für die Abweichung eines Verteilungszustandes vom wahrscheinlichsten H = gemessene Entropie Pi = relative Häufigkeit der Massenteile in einer bestimmten Situation M = Zahl der möglichen Situationen, in welchen sich die Massenteile finden. Hnm, = maximale Entropie
Zur Abbildung der räumlichen Verteilung des Verkehrs werden insbesondere zwei Ansätze benutzt: (1) das Gravitationsmodell (2) das Modell der dazwischenliegenden Gelegenheiten („intervening opportunities") Zu (1) GravitationsmodeD Im Rahmen der Verkehrs- und Raumplanung wurde schon im 19. Jahrhundert versucht, das Gravitationsgesetz zur Abbildung des Reise- und Migrationsverhaltens anzuwenden12. Die abzubildende Hypothese lautet dabei: • Der Verkehr (Austausch von Gütern und Faktoren, Reisen, Ab- und Zuwanderungen) Ijj zwischen den Städten i und j wächst mit deren Größe P i; P,, und sinkt mit der Entfernung dy zwischen ihnen. Im ersten Schritt der Analysierung des Gravitationsgesetzes wird der Verkehr Iy (Zahl der Interaktionen) zwischen den Standorten i und j als Massenanziehungskraft, die Einwohnerzahlen, Pi und Pj, der betrachteten Standorte als Massen behandelt. Die Luftlinie gilt als Distanz dy zwischen beiden Standorten. So ergibt sich h = k • Pi • Pj • - j r Uij
Zur Ermittlung von Erwartungswerten des Verkehrs (in nicht bekannten, nicht gemessenen oder geplanten Situationen) wurde zunächst nur der x-Wert (Gravitationskonstante) aus analogen realen und gemessenen Situationen errechnet. Bei dem Bemühen, das Gravitationsmodell zur Abbildung von komplexen Verkehrsverhältnissen anzupassen, ergeben sich folgende Probleme: (1) Die den zwischenstandörtlichen Verkehr begründende Komplementarität der Massenäquivalente kann durch die Einwohnerzahl der Standorte nicht korrekt abgebildet werden. (2) Die zunächst unterstellte Luftlinienentfernung kann nicht die durch unterschiedliche Leitungsqualität und Barrieren, durch unterschiedliche Fahrzeugqualität und durch unterschiedliche Transporteignung der Güter bedingte Transportaufwände bzw. Wegwiderstände abbilden. u
Litt, E.: Das Reisegesetz und seine Anwendung auf den Eisenbahnverkehr, Wien 1891 Ravenstein, E. G., „The Laws of Migration," Journal of the Royal Statistical Society, Vol. 48 (1885) and Vol. 52 (1889)
2. Technologie des Standortes
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(3) Die Konsistenzbedingung, wonach unter Berücksichtigung mehrerer konkurrierender Quellen und Ziele die einzelstandörtlichen Ziel- und Quellverkehre gleich sein müssen, kann in der einfachen Form des Modells nicht erfüllt werden. Um die bezeichneten Probleme wenigstens teilweise zu lösen, wurde das Gravitationsmodell zur Beschreibung der Verkehrsordnung in einer komplexen Regionalstruktur stark modifiziert: (1) Es wurden eine Reihe zusätzlicher, situationsspezifisch zu bewertende Parameter eingeführt, insbesondere solche, die den Fahrtenzweck, die Art der Standortnutzung (und damit die Komplementarität von Fahrtenursprung und -ziel), Leitungseigenschaften und die Sozialstruktur der Standortnutzer differenzierbar machen. (2) Es wurden situationsspezifisch unterschiedliche Typen von mathematischen Widerstandsfunktionen eingeführt. (3) Es wurden Normierungsgrößen eingeführt, durch welche die Konsistenzbedingungen des Verkehrs in der Regionalstruktur erfüllt werden. Auf diese Weise ist das Gravitationsmodell als mit dem Entropiemodell13 verträglich bzw. als dessen Spezialfall formuliert. Nach Mäcke14 und HertseP ergibt sich damit beispielsweise folgende, in der Praxis der Verkehrsplanung bewährte Formulierung Iij = kij • qFi • zFj • [fiWij)]-1 dabei ist qF, = sämtliche Fahrten, die in den Standorten i ihren Ursprung haben (Quellverkehr) zFj = sämtliche Fahrten, die in den Standorten j ihr Ziel haben (Zielverkehr) kij = Normierungsgröße Wy = Widerstandsfunktion, in welcher die Leitungseigenschaften sowie Wegwiderstände (Grenzen u. a.) ausgedrückt werden können. In der Widerstandsfunktion wird die Entfernung dy oder besser die Reisezeit ty (bzw. die Transportzeit) mit der Leitungs- (fahrtenzweck- oder guts-) -spezifischen Elastizität a parametrisch gewichtet, so daß beispielsweise Wij = < r
oder
Wij = t r
oder
Wij
"oder
Wij = e-V "gilt. 13 14
15
vgl. dazu Wilson, A. C., Entropy in Urban and Regional Modelling, London, 1970 vgl. dazu Mäcke, P. A., Modifizierung des Verkehrsverteilungsmodells, in: Stadt, Region, Land, Bd.38, Aachen, 1976 Mäcke, P. A. und Hensel, H., Arbeitsmethode der städtischen Verkehrsplanung, Wiesbaden und Berlin, 1973 vgl. dazu Hensel, H., Wörterbuch und Modellsammlung zum Algorythmus der Verkehrsprognose, Stadt, Region, Land, B4, Aachen, 1976
44
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Als Normierungsgröße ky wird von Mäcke (1976) gesetzt kit = 0,5 [
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Zu (2) Modell der dazwischenliegenden Gelegenheiten („intervening opportunities") Gegen allzu große Vereinfachung in der Anwendung des Gravitationsmodells zur Beschreibung sozialer Prozesse hat Stouffef argumentiert, als er das Migrationsverhalten nach den sogenannten „intervening opportunities" analysiert hat. Die Entscheidung über eine Fahrt ist danach vor allem von der räumlichen Verteilung der Nutzungsgelegenheiten (Arbeitsplätze, Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen) abhängig. Es wird angenommen: • Die Zahl der Personen (Fahrtenhäufigkeit), die zu einem Standort in bestimmter Entfernung reisen, ist direkt proportional zur Zahl der dortigen Nutzungsgelegenheiten und umgekehrt proportional zur Zahl der auf dem Wege dorthin (dazwischenliegenden) Nutzungsgelegenheiten. Nach M. Schneider18 (zitiert bei Hensel, H., 1976) kann das Modell der dazwischenliegenden Gelegenheiten folgendermaßen formuliert werden: lij
—
qFi ' Pij
wobei p^
= Wahrscheinlichkeit, daß eine Fahrt vom Standort i den Standort j zum Ziel hat
Pü = Pip - Pi,P+j. = e~ dip ' Ap = Wahrscheinlichkeit, daß die vom Standort i ausgehenden Fahrten über die in der Entfernung d ip dazwischenliegenden Gelegenheiten Ap hinausgehen. Pi_ p + j = edii (A"+Ai) = Wahrscheinlichkeit, daß die vom Standort i ausgehenden Fahrten über die in der Entfernung djj dazwischenliegenden Gelegenheiten (A p + Aj) hinausgehen.
wobei pip
Mit dem Konzept der „intervening opportunities" ist ein neuer Gedanke in die Regionalanalyse des Verkehrs eingeführt worden: die Komplementarität der standörtlichen Nutzungen (Gelegenheiten) gilt als notwendige Voraussetzung für zwischenstandörtliche Beziehungen der betreffenden Aktoren. Durch Einführung des Begriffs der „sozialen Distanz" hat W. Isard" versucht, das Modell der „intervening opportunities" mit dem Gravitationsmodell zu verbinden: „Der Gebrauch des Konzeptes der intervening-opportunities wirft die Frage nach dem problemgerechten Maßstab auf. Dies wiederum führt zum Konzept der „social distance", wie 17
18 19
vgl. dazu Stouffer, Samuel A., „Intervening Opportunities: A Theory Relating Mobility and Distance," American Sociological Review, Vol. 5 (Dec. 1940) vgl. dazu Chicago Area Transportation Study, Final Report, Vol. II, Chicago, 1960 Isard, Walter, Methods of Regional Analysis: An Introduction to Regional Science, Massachusetts 1960
2. Technologie des Standortes
45
unbestimmt und umfassend wir eine solche „Entfernung" auch zu definieren imstande sind. Neben anderen Einflußfaktoren muß der Analysierende, wenn er die soziale Distanz-definieren will, Menge und Art der Informationen, die die in Beziehungen zueinander eintretenden Aktoren besitzen, die Bindungskräfte kultureller Strukturen, die Verknüpfung zwischen sozialen und ökonomischen Rollen, u. s. w. berücksichtigen. So erkennt der in Kategorien der sozialen Distanz Denkende, daß der Puertoricaner der nach New York wandert (umzieht), damit vom Standpunkt der sozialen Distanz her gesehen, zum nächstliegenden für ihn bedeutsamen Standort geht. Als „Wandernder" (migrant) überwindet er, wenn überhaupt, nur eine kleine dazwischenliegende soziale Distanz und ist sich nur weniger, wenn überhaupt, alternativer Gelegenheiten bewußt."
Die lagebezogene Nutzbarkeit von Standorten wird prinzipiell mit denselben Annahmen erklärt und formal ähnlich abgebildet wie die räumliche Verkehrsverteilung. Dies gilt insbesondere für (3.) das Potentialmodell, mit seiner Variante (3.1.) dem sogenannten Einzelhandelsgesetz von Reilly, mit welchem die Grenzen der Einzugsgebiete von Versorgungszentren kalkuliert werden können sowie für (4.)
das Modell der individuellen Präferenz für konkurrierende Gelegenheiten nach Huff mit seinen Weiterentwicklungen, insbesondere (4.1.) dem Umsatzerwartungsmodell von Lakshmanan-Hansen, mit welchem die mögliche Größe eines Versorgungszentrums auf einem gegebenen Standort abgeschätzt werden kann (wirtschaftliche Gewinnchancen eines Standortes) und (4.2.) dem Modell der standörtlichen Versorgungsqualität (Bökemann), mit welchem die Lagegunst von Wohnstandorten verglichen werden kann Zu (3) Potentialmodell Mit Hilfe des Potentialmodells kann die Lagegunst eines Standortes für einzelne oder ein Bündel von Nutzungsarten oder die Kommunikationsmöglichkeiten eines Standortes ermittelt werden. Dabei lautet die zugrundegelegte allgemeine Hypothese: • Die allgemeine lagebezogene Nutzbarkeit, LP( (das Potential) eines Standortes i wächst mit der realen Nutzungsintensität der umgebenden Standorte Nj und nimmt mit deren Entfernung d,, (bzw. mit der entsprechenden Widerstandsfunktion wy) ab. tfi
= IN, • [ft^r 1
Die durch Schadstoffemissionen und andere Umweltbeeinträchtigungen veranlaßten Minderungen der lagebezogenen Nutzbarkeit von Standorten können analog abgebildet werden: Die entsprechende Hypothese lautet dann: • Die allgemeine lagebezogene Nutzbarkeit, LPi, eines Standortes i vermindert sich mit der Intensität und Nähe d^ von Störquellen S, ti? -
Sf* • tf(,Wü)J
46
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Diese allgemeinen Hypothesen werden nutzungsbezogen wenn die Komplementaritätsbedingungen zwischen Standorten, wie sie im Modell der dazwischenliegenden Nutzungsgelegenheiten zum Ausdruck kommt, berücksichtigt werden. Dann kann folgende Hypothese formuliert werden: • Die nutzungsbezogene Lagegunst eines Standortes i wächst mit der Nähe zu und der Ergiebigkeit (Lieferfähigkeit, Abnahmefähigkeit, Preis) von entsprechenden Rohstoffquellen, Faktor- und Gütermärkten, sie sinkt mit der Nähe und Intensität von entsprechenden Störquellen und Konkurrenten. Zu (3.1.) Das Einzelhandebgesetz30 Das allgemeine Potentialmodell wurde für eine Reihe regionalanalytischer Fragestellungen aufbereitet. Besonders häufig angewandt wurde das sogenannte Einzelhandelsgesetz nach Reilly, mit welchem die Dominanzgebiete bestimmter Versorgungszentren beim Absatz ihrer Güter kalkuliert werden können. Auf diese Weise kann im besonderen auch das erwartete Einzugsgebiet neu zu errichtender Versorgungszentren oder die Verschiebung der Dominanzgrenzen beim Ausbau bestehender Zentren ermittelt werden. Dabei ist die Dominanzgrenze d; des Zentrums i gegenüber dem Zentrum j (wobei dj + dj = djj) definiert als geometrischer Ort, wo die Anziehungskraft (Potentialbetrag), Tj und Tj, der Zentren Aj in i und Aj in j gleich groß sind. Die Formalisierung ergibt mit einer von der ursprünglichen Fassung (Reilly) abweichenden Widerstandsfunktion (statt w,j = djj wird gesetzt w^ = e _ds a ).
d., Abb. 2.6. Dominanzgrenze nach dem Einzelhandelsgesetz Aj • e _d,
wobei dj
20
a
= Aj •
e
-(d
«- < y - 0
— Entfernung der Dominanzgrenze vom Versorgungszentrum i.
vgl. dazu Reilly, W., The Law of Retail Gravitation, New York, 1931
2. Technologie des Standortes
47
Zu (4) Moden der individuellen Standortpräferenz für konkurrierende Gelegenheiten Das Modell der Gelegenheiten-Präferenz, wie es von D. Huff21 formuliert wurde, beschreibt für den Standort i die Beziehungsintensität (z.B. Fahrtenhäufigkeit) zu den konkurrierenden (gleichartigen) Nutzimgsgelegenheiten Nj, der Standorte j. Dieser Ansatz wird vor allem zur Abbildung des tätigkeitsspezifischen individuellen Verhaltens (Aufteilung des Zeit-, Aufwand-, Geldbudgets auf verschiedene Einkaufszentren u. ä.) angewandt. Dabei wird Präferenz als relative Häufigkeit, py, (im Analogfall als Erwartungswert bzw. Wahrscheinlichkeit) interpretiert und die Hypothesen zum Gravitations- bzw. Potentialmodell entsprechend variiert: • Aktivitäten, die sich auf die Nutzung von Gelegenheiten fremder Standorte beziehen, teilt der einzelne entsprechend seiner Präferenz auf. Dabei bewertet er um so höher, je größer die Zahl (Leistungsfähigkeit) der Gelegenheiten eines Standortes und um so niedriger, je größer deren Entfernung ist. Die Formalisierung mit einer von der ursprünglichen Fassung ( H u f f ) abweichenden Widerstandsfunktion (statt wy = djj a wird gesetzt w^ = e" di ' a ) ergibt N- • e - d ) i ' a py = —r 1 >w o b e i -dli 2 Nj • e ' °
n
?,Pij =
1
J
Zur Verfolgung des Anliegens, die nutzungsspezifische Lagegunst von Standorten vergleichbar abzubilden, wurde das Modell der Gelegenheiten-Präferenz zu einem nutzungsspezifischen Potentialmodell weiterentwickelt. Zu (4.1.) Umsatzerwartungsmodell für Versorgungszentren Ausgehend von der Präferenz py, einer Person auf ihrem Wohnstandort i zu den konkurrierenden Versorgungszentren j (mit der Gelegenheitenmenge Nj), kann auf die gesamte Kaufaktivität in einem bestimmten Versorgungszentrum j geschlossen werden. Nach Lakshmanan und Hansen22 erklärt sich die Umsatzerwartung Vj im Zentrum j (1) aus der räumlichen Verteilung der Bevölkerung, P i( über die Wohnstandorte i, (2) aus ihrer Präferenz, py, zu den alternativen Versorgungszentren j und (3) aus der einwohnerspezifischen Kaufkraft KK. Danach ist Uj = KK • .¿Pij • Pi = KK
21 22
2 i=l
Nj ZNj J=1
-
Pi
vgl. dazu Huff, D. L., A Probability Analysis of Shopping Center Trading Areas, in : Land Economics, Vol. 53,1963 vgl. dazu LakshmananlHansen, A Retail Market Potential Model, in: Journal of the American Institute of Planers, 1965
48
Teil A: Raumplanungshezogene Regionalanalyse
Zu (4.2.) Modell der wohnstandörtlichen Versorgungsqualität23 Es wird unterstellt, daß die präferenzbestimmten pij-häufigen Versorgungsaktivitäten zwischen dem Wohnstandort i und den Versorgungszentren j für die Verbraucher einerseits mit einem Nutzen andererseits mit einem Aufwand verbunden sind. Bewertet man den Nutzen, den ein Versorgungszentrum j stiften kann, als bestimmt durch die Gelegenheitenmenge Nj (Wahlmöglichkeiten), den Aufwand hingegen entsprechend der Widerstandsfunktion, dann ergibt sich folgender Indikator für die wohnstandörtliche Versorgungsqualität VQj. VQi = .Spij • ^
• e~d«a
Dieser Ansatz läßt sich auch im Bereich des Arbeitsmarktes und der Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten anwenden.
2.3. Ausstattungsfaktoren von Standorten 2.3.1. Hierarchie der Standorteigenschaften Standorteigenschaften sind Merkmale von Standorten, die je nach Erkenntnisinteresse und Analysenmethode und somit orientiert an bestimmten Bewertungskriterien, definiert werden können. So mögen etwa Standorteigenschaften in einer Naturschutzstudie primär aus den Überlebensbedingungen bestimmter Tierarten in einem bestimmten Gebiet abgeleitet sein. In dieser Untersuchung mögen Standorteigenschaften ausschließlich als auf wirtschaftliche Tätigkeiten (Standortnutzungen) bezogen gelten. In diesem Sinne sollen die hier zu definierenden Standorteigenschaften die Zuordnung von Standorten und Nutzungen zunächst folgendermaßen differenzierbar machen: • Bestimmte Standorte können für bestimmte Nutzungsarten sowohl günstige als auch ungünstige Eigenschaften besitzen. • Bestimmte Standorteigenschaften können einzige, mehrere oder sämtliche Nutzungsarten auf einem bestimmten Standort begünstigen (oder erst: ermöglichen) oder behindern (oder gar: verhindern). • Bestimmte Standorteigenschaften können zugleich bestimmte Nutzungsarten begünstigen (oder erst: ermöglichen) und andere Nutzungsarten behindern (oder gar: verhindern). Standorteigenschaften können auf verschiedenen Abstraktionsebenen definiert und miteinander vergleichbar gemacht werden. Die Wahl der Abstraktionsebene, in der die Standorteigenschaften zu definieren sind, wird zweckmäßigerweise wesentlich von den Gegenständen und Personen des zu untersuchenden Entscheidungsprozesses abhängig gemacht. Hier werden vor allem zwei interdependente Entscheidlingsebenen analysiert: 23
vgl. dazu Bökemann, D., Distributive Effects of Infrastructure Investments, in: Sistemi Urbani, Vol. 2, 1981
2. Technologie des Standortes
49
(1) jene, betreffend die Entscheidungen der privaten Wirtschaftssubjekte über die Nutzung bestimmter Standorte. Auf dieser Entscheidungsebene vollzieht sich in der Realität der Faktor- und Güteraustausch zwischen den Standorten der privaten Wirtschaftssubjekte. (2) jene, betreffend die Entscheidungen des Staates über die Veränderung der standörtlichen Produktions- und Konsumbedingungen. Auf dieser Entscheidungsebene vollzieht sich in der Realität insbesondere das Investitionsverhalten des Staates. Diesen beiden Entscheidungsebenen werden im folgenden jeweils eigene Kategorien von Standorteigenschaften definitorisch zugeordnet: der privatwirtschaftlichen Entscheidungsebene die faktor- bzw. güterbezogenen Standorteigenschaften erster Ordnung, der staatlichen Entscheidungsebene die (faktor- bzw. gütervermittelnd-) medienbezogenen Standorteigenschaften zweiter Ordnung. Zunächst werden hier Standorte nach ihrer Eignung für privatwirtschaftliche Nutzungen bewertet; die danach zu definierenden Standorteigenschaften erster Ordnung tragen deshalb unmittelbar zum privaten Nutzen bei. Für die folgende Argumentation auf der Entscheidungsebene „Interaktion privater Wirtschaftssubjekte" erscheint es zunächst zweckmäßig, die Standorteigenschaften ausschließlich auf die in der Produktion und im Konsum unmittelbar transformierten Güter (Faktoren) zu beziehen. Die Verfügbarkeit einer bestimmten, unmittelbar nutzenstiftenden Güterart (Faktorart) auf einem Standort sei somit eine Standorteigenschaft erster Ordnung. Diese beziehen sich somit (1) auf die materiellen Eigenschaften von Ressourcen im Hinblick auf Verwertbarkeit und (2) auf deren personale Zuordnung; das bedeutet: eigentumsrechtliche Bedingungen. unter denen eine bestimmte Person die materiellen Ressourcen nutzen kann. Standorteigenschaften erster Ordnung heißen im folgenden standortliche Nutzungsfaktoren. weil sie unmittelbar Elemente bzw. Argumente von standörtlichen Nutzungsfunktionen (das sind Produktionsfunktionen in Betrieben und Konsumfunktionen in privaten Haushaltungen) sind und dem privaten Wirtschaftssubjekt unmittelbar einen Nutzen stiften.
In der arbeitsteiligen Wirtschaft umfaßt das Verfügungsrecht über Standorte neben den dort bodengebundenen und direkt abbaubaren Rohstoffen (als gleichsam „bestandsbezogenes Eigentum") zusätzlich die Möglichkeit, über die entsprechende Infrastruktur des betrachteten Standortes Rohstoffe und Produkte als Güterströme von und zu anderen Standorten zwecks weiterer Verwendung zu vermitteln („strombezogenes Eigentum"). Dabei können sowohl die bodengebundenen Rohstoffe als auch die von und zu anderen Standorten (mehr oder minder geregelt) fließenden Güterströme als positive Standorteigenschaften bestimmte Standortnutzungen begünstigen (oder erst ermöglichen) oder als negative Standorteigenschaften bzw. Störungen diese behindern (oder gar verhindern).
50
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Im Gegensatz zu den privatwirtschaftlichen Aktoren bewerten die staatlichen Investoren Standorte nach regionalpolitischen Effizienzkriterien, die zugleich zum regionalpolitischen Instrumentarium Bezug haben. Die danach zu definierenden Standorteigenschaften zweiter Ordnung sind deshalb auf die staatlichen Maßnahmekategorien (1) im zwischenstandörtlichen Kommunikations- und Versorgungsbereich der Infrastruktur und (2) im Bereich zwischenstandörtlicher Grenzziehung und der standörtlichen Eigentumssicherung bezogen. In diesem Sinn umfaßt die standörtliche Ausstattung, durch welche einzelne oder mehrere Güterarten den privaten Standortnutzern erschlossen oder verschlossen werden, die Standorteigenschaften zweiter Ordnung. Die Ausprägung von Standorteigenschaften zweiter Ordnung entspricht den besonderen Bedingungen, unter denen die betrachteten Güter beschafft (abgebaut oder bezogen), gelagert und abgesetzt werden können (Kosten, Kapazitäten). Als Kategorien von Standorteigenschaften zweiter Ordnung gelten: (1) der Boden als Träger von Rohstoffen, Störpotential in bezug auf bestimmte Standortnutzungen und Absorptionspotential bezüglich bestimmter Störungen, (2) die Kommunikations- und Versorgungssysteme der Infrastruktur als Vermittler von andernorts bezieh- und absetzbaren Gütern und Faktoren (einschließlich der die Grenzüberschreitungs- und Austauschbeziehungen regelnden Vereinbarungen und Normen), (3) die Grenzsysteme zur Eigentumssicherung {Bodenordnung), durch welche unkontrollierte (positive oder negative) Güterströme zwischen den Standorten verhindert werden. Die Grenzsysteme können sowohl durch private Verträge und staatlich kontrollierte Normen als auch durch materielle Barrieren (Mauern etc.) konstituiert sein. Es erscheint konsequent im Sinne der hier verfolgten Argumentation, sowohl den Boden eines Standortes als auch seine Infrastruktur und Grenze (Gelegenheiten und Barrieren) nicht nur als Eigenschaften, sondern zugleich auch als Faktoren höherer Ordnung zu interpretieren. Dann sind die in die Nutzung eingehenden, transformierbaren Faktoren solcher niedriger Ordnung, welche durch höherrangige Faktoren (als Lager-, Transport- und Sicherheitsmedien) zur Verwendung vermittelt werden. Standorteigenschaften zweiter Ordnung heißen im folgenden standörtliche Ausstattungsfaktoren, weil sie als Elemente bzw. Argumente die Produktionsfunktion 2 ' für das Gut Standort konstituieren. Die Eigenschaften der Nutzungsfaktoren eines Standortes werden erst eigentumsmäßig nutzbar und übertragbar durch die Eigenschaften der Ausstattungsfaktoren. Durch die vermittelnde Funktion des Bodens, der Infrastruktur und der Grenzen entstehen den Standortnutzern je nach Umfang und Präzision der angewandten 24
vgl. Kapitel 5 und 6
2. Technologie des Standortes
51
technischen Normen zwischen Bezugs- und Absatzort in unterschiedlichem Ausmaß: (1) Mengeneinbußen (durch die Kapazitätsrestriktionen des Mediums) (2) Qualitätseinbußen (durch das Fehlen bestimmter technischer Normen zur Erhaltung bestimmter Eigenschaften des vermittelten Gutes) (3) Transport- und Sicherungsaufwendungen (durch Investition, Betrieb und Erhaltung des vermittelnden Gutes). Nach diesen Überlegungen vereinigen die Eigenschaften der standörtlichen Ausstattungsfaktoren mit gewissen Einbußen jene der Nutzungsfaktoren. Standorte schließlich vereinigen durch entsprechende personelle Eigentumsregelungen die Eigenschaften sämtlicher sie konstituierenden vermittelbaren Nutzungsfaktoren und vermittelnden Ausstattungsfaktoren (Boden, Gelegenheiten, Barrieren), weshalb sie als relativ höchstrangige Güter betrachtet werden können.
Standort Standorteigenschaften 2. Ordnung: Standörtliche Ausstattungsfaktoren (Lager, Gelegenheiten, Barrieren) Standorteigenschaften 1. Ordnung: Standörtliche Nutzungsfaktoren
Abb. 2.7. Hierarchie der Standorteigenschaften
Aufgrund dieser Argumentation wird die hier dargestellte Hierarchie der Standorteigenschaften eindeutig definiert durch die geltenden Regelungen (Gesetze) des Eigentums; Regelungen, die sich in mengentheoretischer Interpretation als verschiedenen Personen zugeordnete Teilmengen bestimmter Gegenstandseigenschaften darstellen lassen (vgl. Abbildung 2.8.).
Eigenschaften des vermittelten Nutzungsfaktors A Eigenschaften des A und B vermittelnden Produktionsfaktors für Standorte identische Eigenschaften von Nutzungsfaktoren Eigenschaften des vermittelten Nutzungsfaktors B
Abb. 2.8. Beziehungen zwischen den Standorteigenschaften erster und zweiter Ordnung (Substitutionsbereich im VENN-Diagramm)
52
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
2.3.2. Bodenbezogene Standorteigenschaften Als bodenbezogene standörtlicbe Nutzungsfaktoren (Standorteigenschaften erster Ordnung) können angesehen werden: (1) alle auf einem Standort bodengebundenen, somit unvermittelten Ressourcen bzw. Rohstoffe, die (auf dem betrachteten Standort oder andernorts) produktive oder konsumtive Nutzungen positiv beeinflussen können (Arten von Rohstoffen als positive Standorteigenschaften erster Ordnung). (2) alle auf einem Standort unvermittelten, bodengebundenen Störpotentiale, die (auf dem betrachteten Standort oder andernorts) produktive oder konsumtive Nutzungen negativ beeinflussen können (Arten von Störpotentialen als negative Standorteigenschaften erster Ordnung). Als bodenbezogene standörtlicbe Ausstattungsfaktoren (Standorteigenschaften zweiter Ordnung) mögen gelten: (1) sich ständig in bestimmtem Ausmaß regenerierende Rohstoff- und Schadstoffströme (mit jeweils begrenzter Stromkapazität) und (2) erschöpfbare bzw. auffüllbare Rohstoff- und Abfallager (mit einer jeweils begrenzten Lagerkapazität). Ausprägungen dieser Standorteigenschaften des Bodens sind u. a. die erforderlichen Aufwendungen für den Zugang zu den Rohstoffströmen oder -lagern, für die verarbeitungsgerechte Aufbereitung der Rohstoffe und für die Abschirmung oder nutzungsgerechte Neutralisierung von Störungen. Die Verfügungsrechte über die bodengebundenen Rohstoffe sind (u.a. gemäß den „Allgemeinen Berggesetzen") unter privaten Grundeignern und dem Staat (im besonderen unter den Ländern und dem Bund) aufgeteilt: Den privaten Grundeignern gebührt das Verfügungsrecht über „Steine und Erden", während sich Bund und Länder das Verfügungsrecht über alle anderen Rohstoffe („Bodenschätze") gesichert haben. Für den Wert eines Standortes bezüglich seiner bodenbezogenen Eigenschaften ist neben der Ergiebigkeit einzelner Rohstofflager und neben der Stromkapazität einzelner Rohstoffquellen im besonderen die Vielfalt der dort vorhandenen Rohstoffe bedeutsam. Fehlen auf einem Standort die infrastrukturellen Voraussetzungen, um eine besonders ergiebige Rohstoffquelle oder um ein besonders umfangreiches Rohstofflager über den Eigenbedarf des Grundeigners hinaus für den Austausch gegen fehlende Güter auszubeuten, dann ist der Wert dieses Bodenschatzes allein an der Präferenz des Grundeigners im Rahmen seines Eigenverbrauchs zu bemessen. In diesem Fall bleibt somit die eventuell große Strom- oder Lagerkapazität und der eventuell günstige Zugang für seinen Eigentümer fast ohne Nutzen. Nur auf der Grundlage einer relativ großen Rohstoffvielfalt ist allerdings auf einem Standort jene hauswirtschaftliche Selbstversorgung möglich, wie sie für frühe Gesellschaftsformen kennzeichnend war. Mit zunehmender Arbeitsteilung und mit zunehmendem zwischenstandörtlichen Faktor- und Güteraustausch wird die Ergiebigkeit von einzigen Rohstoffströmen und -lagern auf einem Standort gegenüber der Vielfalt weniger ergiebiger Rohstofflager immer vorteilhafter, sofern die Bedingungen für einen günstigen zwischenstandörtlichen Austausch gegeben sind. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieses Bedeutungswandels der Standorteigenschaften zugunsten einziger aber ergiebiger Rohstofflager ist die Veränderung der Siedlungsstruktur in der modernen Industriegesellschaft zu beurteilen.
2. Technologie des Standortes
53
2.3.3. Infrastrukturelle Standorteigenschafken 2.3.3.1. Zu den Begriffen „infrastrukturelle Gelegenheiten" und „Leitungssysteme" Die Definition im Kapitel 2.2. präzisierend, wird der Begriff Infrastruktur hier mit folgender Bedeutung gebraucht: Infrastruktur ermöglicht den geregelten Austausch von Gütern zwischen verschiedenen Standorten und deren Eigentümern bzw. Nutzern. Somit umfaßt Infrastruktur alle technischen Leitungssysteme, welche jeweils bestimmte wirtschaftliche Güter und Faktoren über die Eigentumsgrenzen von Standorten transportierbar machen 25 . Der moderne Wirtschaften kennzeichnende hohe Grad der Arbeitsteilung ist nur unter der Voraussetzung möglich, daß die verschiedenen Faktoren und Güter zwischen den Standorten ihrer Verwender, Produzenten oder Konsumenten, ausgetauscht werden können. Zu diesem Zweck müssen die Standorte komplementärer Wirtschaftssubjekte an jene technischen Kommunikations- und Versorgungssysteme angeschlossen sein, welche den besonderen Transportbedingungen für die verschiedenen Produktionsfaktoren und Produkte (einschließlich der Abfallprodukte) entsprechen. Die Frage, an welche bestimmten Kommunikations- und Versorgungssysteme ein bestimmter Standort angeschlossen ist, wird im folgenden als entscheidend dafür angesehen, ob er für eine bestimmte Produktions- oder Konsumnutzung geeignet ist. Jede konsumierende private Haushaltung und jede produzierende Unternehmung kombiniert eine Reihe von Gütern, die durch infrastrukturelle Gelegenheiten vermittelt werden (so aus dem öffentlichen Versorgungsbereich: Wasser + Gas + Elektrizität + Fernwärme + Leistungen der Müll- und Abwasserbeseitigungssysteme u.a.; aus dem privaten Kommunikationsbereich: Benützung der Straßen-, Bahn- und Kanalnetze, der Telephon-, Telex- und Computerverbundsysteme zum Austausch von besonderen Informationen und Materialien u.a.m.). Allerdings nutzen sie die den verwendeten Gütern zugeordneten infrastrukturellen Gelegenheiten in unterschiedlicher Kombination und Intensität. Aus diesem Grunde kann ein Standort, je nach seiner Ausstattung mit infrastrukturellen Gelegenheiten für keine der üblichen oder für einzelne wenige oder für alle denkbaren Nutzungsarten zugleich technisch geeignet sein. Unter diesem Aspekt sind bestimmte infrastrukturelle Gelegenheiten auf einem Standort für fast sämtliche Nutzungsarten in einer arbeitsteiligen Wirtschaft erforderlich (wie der Straßenanschluß), andere Gelegenheiten (wie etwa der Telex-Anschluß) dienen nur exklusiven Konsumentengruppen oder zur Produktion bestimmter hochwertiger Güter. Zwischenstandörtliche Wege, wie Straßen, Bahnen und Kanäle, Feststoff-, Flüssigkeiten- und Gasleitungen, Energie- und Informationsleiter konstituieren jeweils eigene Leitungssysteme der Infrastruktur, welche auf den angeschlossenen Standorten die institutionalisierten Gelegenheiten bieten, direkt oder mit Hilfe bestimmter Trägermedien (wie Personen als Träger, Fahrzeuge und andere bewegliche Behälter) mit den Eigentümern oder Nutzern anderer Standorte bestimmte Güter (Informationen, Energie oder Materialien) auszutauschen. Indem die einzelnen Leitungssysteme der Infrastruktur bzw. die entsprechenden standörtlichen Gelegenheiten jeweils für den Transport bestimmter Güter in besonderem Maße geeignet sind, bieten sie allen zugleich angeschlossenen Nutzern jeweils in bezug auf die für das betreffende System 23
Die technologische Vorstellung von der regional wirksamen Infrastruktur wird begründet und in ähnlicher Weise wie hier entwickelt in: Bökemann, D., Utility Systems as Determinants of Settlement Patterns, in: Karlsruhe Papers in Regional Science, London 1971
54
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
geeigneten Güter die Möglichkeit, zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug (zum Eigenverbrauch und/oder gegebenenfalls zum Vertrieb) die kostengünstigere Lösung zu wählen.
Abb. 2.9.
Infrastrukturelle Leitungssysteme und Versorgungseinrichtungen (differenziert in standörtliche Gelegenheiten und zwischenstandörtliche Beziehungen)
Aus der Chance zum Fremdbezug ergeben sich für den Nutzer eines angeschlossenen Standortes zumeist folgende Vorteile: • Kostenvorteile: Das über das Leitungssystem beziehbare Produkt wird in der Regel in einem größeren Aggregat erstellt, als dies bei Eigenfertigung der Fall wäre. Das damit verbundene Auftreten von Großbetriebsvorteilen (economies of scale) führt dazu, daß das Produkt kostengünstiger bezogen als selbst gefertigt werden kann. • Innovationsvorteile: Der Fremdbezug führt zu einer Freisetzung jener Ressourcen, die bislang an die Eigenerstellung des nunmehr beziehbaren Produktes
55
2. Technologie des Standortes
gebunden waren. Da die freigesetzten Ressourcen nun anderweitig zu verwenden sind, wird durch den Anschluß an ein Leitungssystem eine Situation geschaffen, die den Unternehmer gleichsam zur Entfaltung von Initiative „zwingt"; es wird also ein Potential für Innovationen generiert. Je mehr standörtliche Anschlüsse an Leitungssysteme, desto größer ist - ceteris paribus - die Wahrscheinlichkeit, daß auf diesem Standort hochwertige (komplexe) Produktions- und/oder Reproduktionstechnologien in entsprechenden Nutzungen realisiert werden können. Mit dem Anschluß einer Haushaltung beziehungsweise einer Unternehmung an ein entsprechendes infrastrukturelles Leitungssystem entsteht auf ihrem jeweiligen Standort eine Gelegenheit • am rationellen Abbau andernorts gewonnener Rohstoffe, • an der rationellen Ablagerung und/oder Vernichtung selbst erzeugter Abfallstoffe auf anderen Standorten, • an den Großbetriebsvorteilen andernorts erzeugter Güter, • an den transportkostenmäßigen Erschließungskosten eines größeren Marktes für die eigene Produktion vorteilhaft teilzuhaben. Umgekehrt müssen die Standorte, auf denen Rohstoffe rationell abgebaut, Abfallstoffe rationell gelagert und/oder vernichtet, Güter im Großbetrieb hergestellt und Großmärkte einen günstigen Güterabsatz garantieren, jeweils mit den Standorten ihrer komplementären Wirtschaftssubjekte in einer Weise verbunden sein, daß die Transportkosten im Leitungssystem der Infrastruktur nicht die Vorteile des Fremdbezugs- oder -absatzes bzw. des Großbetriebes aufzehren. Durch diese Bedingungen sind die meisten zwischenörtlichen Austauschbeziehungen innerhalb von infrastrukturellen Leitungssystemen regional begrenzt. Wegen der gutspezifischen Verknüpfung von Rohstoff- und Abfallagern sowie von Produktions- und Marktstandorten einerseits und infrastrukturellen Leitungssystemen andererseits, muß der im Großbetrieb kostengünstiger erzeugte größere Output auch über ein größeres Gebiet — und damit über eine größere Entfernung — an die entsprechenden Abnehmer verteilt werden. Die abnehmenden durchschnittlichen Einheitskosten im Produktionsbereich werden demnach in zunehmendem Maße durch die ansteigenden mittleren Transportkosten pro Gütereinheit kompensiert. Es ergibt sich dann bei vorgegebener Produktions- und Infrastrukturtechnologie eine regionsspezifisch optimale Produktionsmenge bei mini0 Kosten / Einheit
output
—
Abb. 2.10. Substitution von Großbetriebsvorteilen in der Produktion gegen Transportmehrkosten
56
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
malen Gesamtkosten; eine Produktionsmenge, der eine bestimmte maximale Reichweite des Systems entspricht. In den infrastrukturellen Leitungssystemen können zusätzlich Großbetriebsvorteile im Sinne dieser Ausführungen nur durch den Einsatz neuer Technologien kombiniert mit zusätzlichem Kapital erzielt werden. Es erscheint für die folgenden Überlegungen zweckmäßig, die Leitungssysteme der Infrastruktur nach technologischen Gesichtspunkten zu unterscheiden in (1) Kommunikationssysteme und (2) Versorgungssysteme. Zu (1): Kommunikationssysteme der Infrastruktur sind unmittelbar für die Fortbewegung von Transportträgern bzw. -medien und nicht von Transportgütern konstruiert. Wegen der mehrmaligen Verwendbarkeit der Transportmittel (z. B. Lkw, Schiff) ist bei Kommunikationssystemen (z.B. Straße, Wasserstraße) grundsätzlich ein standörtlicher Austausch in zwei (Fluß-) Richtungen gegeben. Ein standörtlicher Anschluß an ein infrastrukturelles Kommunikationssystem schafft also eine Gelegenheit sowohl für einen Zugang als auch für einen Abgang von Gütern, Personen, Informationen: er bedeutet eine Kommunikationsgelegenheit. Zu (2): Versorgungssysteme der Infrastruktur sind unmittelbar für die Fortbewegung von Gütern und Faktoren konstruiert. Infrastrukturelle Versorgungssysteme regeln den Zugang (aber nicht zugleich auch den Abgang) zu bestimmten Ressourcen auf anderen Standorten. Die Fließrichtung in Versorgungssystemen der Infrastruktur ist grundsätzlich nur in einer Richtung möglich, nämlich vom Ort der Ressourcen zum Ort der Verwendung; sind die Ressourcen keine freien Güter, dann ist der Ort der Ressourcen der Produktionsort von bestimmten Versorgungsgütern (Wasser, Elektrizität etc.). Ein standörtlicher Anschluß an ein infrastrukturelles Versorgungssystem schafft eine Chance zur vorteilhaften Teilhabe an der Erschließung von Ressourcen auf anderen Standorten: er bedeutet eine Versorgungsgelegenheit. Je nach Beschaffenheit der zu transportierenden Güter sind im Laufe der Zeit innerhalb und zwischen den einzelnen Leitungssystemen der Infrastruktur unterschiedlich strenge Zuordnungen zwischen den Produktions-, Lager- und Verwendungsstätten entstanden. Die folgenden drei Kombinationsmöglichkeiten kommen in der Wirklichkeit vor und präzisieren die Vorstellung von Kommunikations- und Versorgungssystemen:26 (1) Die Nutzungsart nN und das infrastrukturelle Leitungssystem SL sind auf das gleiche Gut spezialisiert und auf der Grundlage gleicher Dimensionierungsgrößen für Produktionsanlagen und Leitungssysteme auch regional streng zugeordnet. In 26
vgl. Bunge, W., Patterns of Location. Michigan Inter-University Community of Mathematical Geographers, Discussion papers, 3, 1964
2. Technologie des Standortes
57
solchen Versorgungssystemen können die technischen Normen des Systems den spezifischen Eigenschaften einzelner Güter besonders angepaßt werden. Beispiel: Städtische Wasserversorgung mit Wasserwerk und Rohrleitungsnetz.
0
.©
Abb. 2.11. Zuordnung von Produktion und Transport von Versorgungsgütern I
(2) Ausgehend von mehreren verschiedenen Nutzungsarten nN, n = 1, . . ., m, werden unterschiedliche Güter über die gleichen infrastrukturellen Leitungssysteme verteilt. In diesem Fall müssen die Leitungen den Eigenschaften verschiedener Güter angepaßt werden; dann allerdings wird diese Leitung nicht optimal auf die spezifischen Eigenschaften der einzelnen Güter eingerichtet werden können. Beispiele sind Versorgungsgüter wie Essenszustellung im Rahmen der Altenfürsorge, Postzustellung und Müllbeseitigung, die über dasselbe Straßennetz, das als Kommunikationssystem ausgebildet ist, verteilt werden.
(3) Das einzige Gut einer Nutzungsart nN wird über mehrere unterschiedliche Leitungssysteme, S L, s = 1, . . ., 1, verteilt. Diese Kombination ist etwa für die Erdölversorgung kennzeichnend, wo von einer Raffinerie aus meist sowohl Rohrleitungen als auch Schiffswege, Schienen und Straßen für die Güterverteilung benutzt werden.
2.3.3.2. Infrastrukturtechnologie Infrastruktortechnologie umfaßt die Gesamtheit der technischen Normen, die notwendig sind, um einzelne infrastrukturelle Leitungssysteme (1) funktionsfähig herzustellen, (2) zu betreiben und (3) bezüglich ihrer standörtlichen Nutzungseffekte aufeinander abzustimmen. Dabei prägen jeweils bestimmte Bündel von technischen Normen, wie etwa spezielle Anweisungen zur Wegüberwindung mittels Schwer-, Hub-, Schub- oder Zugkraft bei den Transportmitteln oder wie solche zu kontinuierlichem oder diskontinuierlichem Transport, die einzelnen infra-
58
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
strukturellen Leitungssysteme in besonderer Weise. Somit wird eine regionalpolitisch definierte Kommunikations- oder Versorgungsaufgabe dadurch erst technisch realisierbar, daß entsprechende technische Normen zur Herstellung und zum Betrieb eines aufgabengerechten Systems widerspruchsfrei kombiniert werden. Die einzelnen realen Leitungssysteme der Infrastruktur unterscheiden sich somit vor allem durch die Eigenständigkeit ihrer Normensysteme. Die so erzwungene Isolation der einzelnen Systeme wäre solange problemlos, wie jedem infrastrukturellen System eindeutig ein bestimmter regionalpolitischer Aufgabenbereich zugewiesen sei. In der Wirklichkeit überschneiden sich jedoch die Aufgabenbereiche verschiedener infrastruktureller Systeme sehr stark (beispielsweise die Aufgabenbereiche der Straße und der Schiene). In diesem Falle scheitert eine Integration mehrerer Systeme oft an der Widersprüchlichkeit der ihnen im einzelnen zugrunde liegenden technischen Normen. Je komplexer die regionalpolitische Kommunikations- oder Versorgungsaufgabe (meßbar in der Zahl der Einzelanforderungen und Randbedingungen), die das zu errichtende infrastrukturelle Leitungssystem zu erfüllen hat, desto aufwendiger wird es in der Planung, in der Bauausführung und im Betrieb. Um ein derartiges System wirtschaftlich betreiben zu können, muß die Zahl der angeschlossenen Standorte mit der Zahl der angewandten technischen Normen (Komplexitätsgrad des Systems) wachsen. Stückkosten Komplexitätsgrad (Zahl der Normen)
Menge, notwendige Reichweite
Abb. 2.14. Großbetriebsvorteile bei unterschiedlichen Komplexitätsgraden Gleichartige regionalpolitische Kommunikations- und Versorgungsaufgaben können im Rahmen derselben Technologie mit unterschiedlicher Qualität erfüllt werden, wenn man beispielsweise als Qualitätskriterien die Komparative „sicherer", „sauberer", „schneller", „bequemer" oder allgemein: „Sonderanforderungen besser angepaßt" so interpretiert, daß jeweils bestimmte technische Normen mit größerer Strenge angewandt werden. (Qualitative Differenzierung) Die zeitliche Reihenfolge der Fixierung technischer Normen orientiert sich in der Regel am Genauigkeitsgrad der Aufgabendefinition für das geplante Leitungssystem. Erste Normierungen für ein infrastrukturelles Leitungssystem sind deshalb meist relativ allgemein; erst schrittweise werden sie spezifizierter. Da sich technische Normen erst nach ihrer Realisierung in technischen Systemen bewähren, ergibt sich die Möglichkeit zur Verbesserung immer nur durch Orientierung am Systembestand und damit an früher entwickelten Technologien. Die ökonomische Begründung dafür lautet: Das alte System muß möglichst mit all seinen Teilen - auch nach der Einbeziehung neuer technischer Normen - funktionsfähig bleiben (alternativ müssen der Abbruch des alten und der Neubau eines Systems kostengünstiger sein). Infolge dieses Zusammenhangs veralten im Laufe ihrer Entwicklung mit dem Systembestand auch die angewandten Technologien trotz ständiger Verbesserung (als Beispiel gelte etwa unser Rad-Schiene- System für viele Fälle des Massenverkehrs).
2. Technologie des Standortes
59
Historisch gesehen werden demnach neue Leitungssysteme der Infrastruktur in einem Prozeß der Aufgabenteüung und Spezialisierung immer auf der Basis der bestehenden konzipiert und geplant. Die so definierte funktionale Differenzierung der Infrastruktur in Versorgungsbereiche (Sektoren) dürfte entsprechend der bisherigen Entwicklung weiter zunehmen, so daB auch künftig für die Bewältigung immer weiter spezialisierter Kommunikations- und Versorgungsprobleme im materiellen, energetischen und informatorischen Bereich neuartige eigene Systeme entwickelt werden.
2.3.3.3. Merkmale von Leitungssystemen der Infrastruktur Aufgrund der Tatsache, daß infrastrukturelle Leitungssysteme wirtschaftliche Beziehungen zwischen den Standorten ermöglichen, können infrastrukturelle Leitungssysteme nach folgenden Kriterien gekennzeichnet werden: (1) Spezialisierungsgrad, (Sortimentsbreite, -tiefe) (2) Leitungsspezifischer Widerstand und gutspezifische Transporteignung (3) Zahl der Standortanschlüsse (Gelegenheiten) (4) Bündelung und Hierarchisierung Zu (1) Spezialisierungsgrad Bestimmt durch die Art der zugrunde liegenden technischen Normen erstreckt sich das Sortiment von Leitungssystemen der Infrastruktur auf die Transportierbarkeit bzw. auf die Vermittelbarkeit entweder einziger oder mehrerer oder sämtlicher Güter bzw. Nutzungsfaktoren einer Wirtschaft; in diesem Sinn wird im folgenden hier unterschieden zwischen: • Eingutsystemen, • Mehrgutsystemen und • Aligutsystemen der Infrastruktur. In der Realität überlagern sich auf denselben Standorten die Leistungsbereiche der Leitungssysteme der Infrastruktur oftmals, woraus sich für die standörtlichen Nutzer Kosten pro Gelegenheit
Zahl der in einem Leitungssystem »• transportierbaren Güter Eingut-
Mehrgut-
Allgutsysteme
Abb. 2.15. Abhängigkeit zwischen gelegenheitenspezifischen Kosten und dem Spezialisierungsgrad eines infrastrukturellen Leitungssystems
60
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
die Möglichkeit zur Substitution der einen gegen die andere infrastrukturelle Gelegenheit ableiten läßt. Bei gleicher Leistungsqualität des infrastrukturellen Leitungssystems nehmen die Planungs-, Bauausführungs- und Betriebskosten eines infrastrukturellen Leitungssystems pro Gelegenheit mit der Zahl der erschließbaren Güterarten vermutlich degressiv zu. Zu (2) Leitungsspezifischer Widerstand und gutspezifische Transporteignung Infrastrukturelle Leitungssysteme kann man im Sinne der Physik nach ihrem leitungsspezifischen Reibungs- oder Flächennberwindnngswiderstand bewerten. Der Einsatz neuer Technologien in Verbindung mit zusätzlichem Investitionskapital kann als aufgewendete Bahnungsenergie verstanden werden. Die auf bestimmten Wegen einmalig aufgewendete Bahnungsenergie vermindert dort ein für allemal die ständig aufzuwendende Bewegungsenergie. D a aus der Perspektive des Systems den Energien Kosten entsprechen, setzen sich in analoger Weise die gesamten Transportkosten aus den Bahnungskosten (fixe Kosten) und den Bewegungskosten (variable Kosten) zusammen. Bestimmt durch die Anzahl und Strenge der zugrundeliegenden technischen Normen sind die Leitungssysteme der Infrastruktur für den Transport bzw. für die Vermittlung eines bestimmten Gutes in unterschiedlichem Maße geeignet. Als gutspezifische Transporteignung eines infrastrukturellen Leitungssystems gilt demnach die Eigenschaft des Systems, dem Benutzer Transportkosten einzusparen. Je höher die Anforderungen an die gutspezifische Transporteignung des infrastrukturellen Leitungssystems sind, desto höher können andererseits die Kosten für dessen Planung, Bau und Organisation (Bahnungskosten) angenommen werden. Ein Zuwachs an Transporteignung muß dann mit progressiv zunehmenden entfernungsspezifischen Bahnungskosten erkauft werden. entfernungsspezifische • i Bahnungskosten
—1
Abb. 2.16.
gutspezifische Transporteignung
Abhängigkeit zwischen der gutspezifischen Transporteigung und den entfernungsspezifischen Bahnungkosten in einem infrastrukturellen Leitungssystem
Bei gleichen Planungs-, Bau- und Organisationskosten pro Gelegenheit eines infrastrukturellen Leitungssystems kann dessen gutspezifische Transporteignung gegen die Zahl der gleichwertig transportablen Güterarten substituiert werden.
2. Technologie des Standortes
Abb. 2.17.
61
Beziehung zwischen gutspezifischer Transporteigung und Spezialisierungsgrad des Systems
Zu (3) Zahl der Standortanschlüsse Der Wert eines standörtlichen Anschlusses an ein bestimmtes Leitungssystem der Infrastruktur nimmt somit für jeden seiner Nutzer in der Regel mit der Zahl der ebenfalls angeschlossenen Standorte zu, da mit der Anschlußzahl die Zahl der potentiell komplementären Wirtschaftspartner mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wächst. Dies gilt, unter Beachtung der oben erläuterten Substituierbarkeit von Großbetriebsvorteilen gegen Transportmehrkosten, sowohl für Kommunikations- als auch für Versorgungssysteme. Im Falle einer nicht-monopolistischen Situation kann jedoch in einem infrastrukturellen Kommunikationssystem mit der Anschlußzahl auch durchschnittliche
Abb. 2.18.
Bahnungs- und Bewegungskosten in infrastrukturellen Leitungssystemen in Abhängigkeit von der Transporthäufigkeit
62
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
die Zahl der Konkurrenten zunehmen, was für den betrachteten Nutzer dann einer relativen Wertminderung seines Anschlusses an das betrachtete System entspricht. Zu (4) Bündelung und Hierarchisierung Vergleicht man gleichartige infrastrukturelle Leitungssysteme nach ihrem Leistnngsmengen-/Leistungsqualitäts-Verhältnis, dann ergibt sich in der Regel, daß von einer bestimmten Transporthäufigkeit an das vom Bahnungsaufwand her höherwertige System zugleich das rentablere ist. i durchschnittliche
Abb. 2.19.
Abhängigkeit der Stückkosten von der Transporthäufigkeit in verschiedenen infrastrukturellen Leitungssystemen
Die auf solche Weise in infrastrukturellen Leitungssystemen erzielbaren Großbetriebsvorteile erfordern eine Bündelung der Wege zwischen den Produktions- und den Verwendungsorten der betrachteten Güter. Wegbündelungen erzwingen Umwege, so daß beim Entwurf von Leitungsnetzen fallweise für Bündelungsvorteile des Wegebaus UmwegnachteUe für das einzelne Transportereignis in Kauf genommen werden müssen. Die Bündelung der Wege ergibt Leitungen mit unterschiedlicher Kapazität; diese, in Stufen technisch normiert, bilden innerhalb von Netzen eine kennzeichnende Leitungshierarchie (vgl. die Hierarchie von Strom- und Telefonleitungen, die Straßenund Bahnhierarchie).Über die Leitungskapazitäten werden linienförmig Nutzungsmöglichkeiten den Standorten zur Verfügung gestellt. Wird diese Leitungskapazität an einem Anschlußpunkt der Leitung beansprucht, dann fehlt sie andernorts. Daraus folgt, daß die Systeme entlang ihrer Leitungen nur so lange den zusätzlichen Nutzern eine günstige Anschlußgelegenheit bieten, bis die Kapazitätsreserven erschöpft sind.
2. Technologie des Standortes
63
2.3.4. Bodenordnungsbezogene Standorteigenschaften 2.3.4.1. Zu den Begriffen „Barriere" und „Grenze" Die in Kapitel 2.2. gegebene Definition präzisierend, werden die Begriffe „Barriere" und „Grenze" mit folgender Bedeutung verwendet: Zwischenstandörtliche Barrieren und Grenzen sichern das persönliche Eigentum auf Standorten und Territorien. Indem Barrieren und Grenzen den ungeregelten und somit unkontrollierbaren Abfluß von standörtlichen Ressourcen oder auf dem Standort erzeugten Produkten (generell: positiven Gütern), sowie den Zufluß von Störungen oder auf anderen Standorten erzeugten Abfallstoffen (generell: negativen Gütern) verhindern, garantieren sie zugleich die exklusive Verfügungsgewalt des Eigentümers über die auf seinem Standort befindlichen infrastrukturellen Gelegenheiten, welche den Bezug bestimmter Güter und Produktionsfaktoren von anderen Standorten regeln. (Unter diese Vorstellung wird implizit das Recht zur Überquerung anderer Standortgrenzen subsumiert). Barrieren und Grenzen verhindern somit Konflikte zwischen verschiedenen Personen um knappe Ressourcen. Sie sind komplementäre Standorteigenschaften zu infrastrukturellen Gelegenheiten und Leitungssystemen. Erst die eigentumssichernden Barrieren und Grenzen schaffen somit in Kombination mit den Gelegenheiten und Leitungssystemen der Infrastruktur den privaten Wirtschaftssubjekten, sowohl in ihrer Rolle als Produzenten als auch in ihrer Rolle als Konsumenten jenen Handlungsspielraum, der ihnen in arbeitsteiligen Wirtschaften als Standorteigentümer private Nutzungsentscheidungen unter Alternativen zuläßt. Barrieren und Grenzsysteme sind analog wie Gelegenheiten und Leitungssysteme der Infrastruktur jeweils aufgrund der Anwendung bestimmter technischer und legistischer Normen für ganz bestimmte Zwecke gewidmet. Das bedeutet: es werden jeweils ganz bestimmte (positive und negative) Güterströme von oder zu benachbarten Standorten durch entsprechende Barrieren verhindert. Allen Eigentümern von Standorten, die von entsprechenden Barrierensystemen bzw. Grenzsystemen umgeben sind, ist die Sicherheit gegeben (und meist durch Hoheitsakte garantiert), dort vorteilhaft (a) ungestört Rohstoffe abbauen zu können (b) Abfallstoffe abzulagern oder zu vernichten (c) selbst erzeugte Produkte zu verzehren oder zu lagern (d) andernorts erzeugte Abfallstoffe fernzuhalten. In erster Annäherung können zunächst materielle und immaterielle Barrieren unterschieden werden. Dabei werden die materiellen Barrieren, als Bauwerke vor allem gegen natürliche Störungen, wie Hochwasser und Lawinen, als Zäune, Grenzmauern und -wälle u.a. auch gegen personale Eigentumseingriffe errichtet. Immaterielle Barrieren sind vor allem vertraglicher und gesetzlicher Art und regeln bzw. garantieren bestimmte Besitzverhältnisse, wie Grundstücksgrenzen im Kataster, Baulinien und Nutzungsrestriktionen in rechtskräftigen Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, Gemarkungs-, Kreis-, Länder- und Nationalstaatengrenzen in Vereinbarungen, Verträ-
64
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
gen, Verordnungen und Gesetzen. (Den gesetzlichen Rahmen für die Regelung der Verfügungsrechte des Grundstückseigentümers bildet die sogenannte Bodenordnung ) Darüber hinaus können unterschieden werden: (1) beidseitig gerichtete Barrieren eines Standortes, welche sowohl einen unkontrollierten Zustrom von Störungen (negativen Gütern), wie Abfallstoffen von benachbarten Standorten als auch einen unkontrollierten Abfluß von Ressourcen und Produkten (positiven Gütern) zu benachbarten Standorten verhindern, sowie (2) einseitig gerichtete Barrieren, welche entweder einen Zustrom oder einen Abfluß von entsprechenden Gütern verhindern. Als eigentumsregelnde Grenze wird die Gesamtheit aller gleichartigen Barrieren, welche einem Standort zugeordnet sind, definiert. Gleichartige zwischenstandörtlfehe Grenzen bilden im Zusammenhang ein entsprechendes Grenzsystem, für das die legistischen und technischen Normen bei der Planung. Bauausführung und im Betrieb eine analoge Funktion erfüllen wie bei den Leitungssystemen der Infrastruktur. Ein solches Grenzsystem bietet den Eigentümern von Standorten und/oder Gebieten dadurch Schutz gegen Störungen von außen, daß beim Verursacher Aufwände für die Eigentumsstörung entstehen. Unter der schadensspezifischen Eignung eines Grenzsystems kann das Ausmaß dieser Aufwände verstanden werden. Die Gesamtheit aller Grenzsysteme wird als Bodenordnung bezeichnet.
2.3.4.2. Bodenordnungstechnologie Die Bodenordnungstechnologie umfaßt, analog wie die Infrastrukturtechnologie, die Gesamtheit der legistischen und technischen Normen, welche notwendig sind, um einzelne eigentumsregelnde Barrierensysteme (1) herzustellen» (2) zu betreiben und (3) bezüglich ihrer standörtlichen Nutzungseffekte aufeinander abzustimmen. Bezüglich des Zusammenhangs zwischen Normierungsaufwand und Zweckerfüllung gelten analoge Überlegungen, wie sie zur Infrastrukturtechnologie angestellt wurden.
2.3.4.3. Merkmale von Grenzsystemen der Bodenordnung Aufgrund ihrer technologischen und legistischen Struktur sind Grenzsysteme der Bodenordnung, analog den Leitungssystemen der Infrastruktur, durch folgende Kriterien gekennzeichnet: (1) Spezialisierungsgrad (2) Grenzspezifischer Widerstand und schadensspezifische Eigung zur Eigentumssicherung (3) Zahl der umfaßten Standorte (4) Bündelung und Hierarchisierung
2. Technologie des Standortes
65
Zu (1) Spezialisierungsgrad Auch für Barrierensysteme bestehen, je nach Art der zugrundeliegenden technischen Normen, unterschiedliche Leistungsbereiche in bezug auf die Arten der jeweils von einem Standort im Hinblick auf seine Nutzungsmöglichkeiten auszuschließenden Störmöglichkeiten. In diesem Sinn kann im Rahmen von Eigentumsregelungen unterschieden werden zwischen • spezialisierte Barrieren gegen eine, • gegen mehrere und • gegen sämtliche Arten von Stönnögttchkeiten. In der Realität überlagern sich auf demselben Standort oft, analog wie bei den infrastrukturellen Leitungssystemen, die Leistungsbereiche der verschiedenen die standörtliche Grenze konstituierenden Barrierensysteme (mit den analogen ökonomischen Konsequenzen). Bei gleicher störungsspezifischer Ausschlußqualität (als Kriterium für die Leistungsqualität einer Barriere) nehmen die Barrierenkosten vermutlich mit der Zahl der barrierenspezifisch auszuschließenden Störungsarten degressiv zu. Kosten pro i Barriere
riien gleicher stöj-ungsspezifisc Allsschlußqualität | Zahl der durch ein Grenzsystem "ausschließbaren Störungsarten
Abb. 2.20.
Abhängigkeit zwischen barrierenspezifischen Kosten und dem Spezialisierungsgrad einer Barriere
Zu (2) Grenzspezifischer Widerstand und schadensspezHbche Eignung zur Eigentumssicherung Bestimmt durch die Anzahl und Strenge der zugrundeliegenden legistischen und technischen Normen sind eigentumssichernde Grenzsysteme in unterschiedlichem Maße für den standortbezogenen Ausschluß von bestimmten Störungsarten geeignet. barrierenspezifische i Erstellungskosten
störungsspezifische _ Ausschlußqualität (Barrierenüberwindungsaufwand) Abb. 2.21.
Abhängigkeit zwischen der störungsspezifischen Ausschlußqualität und den Erstellungskosten einer Barriere
66
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Als Maß für die barrierenspezifische Eignung gelte der zur Überwindung der betrachteten Barrieren gut- bzw. schadstoffspezifisch erforderliche Aufwand („Barrierenüberwindungsaufwand"): Je höher die geforderte störungsspezifische Sicherheit einer Barriere, desto höher werden in der Regel die Kosten für deren Planung und bauliche oder legistische Durchführung; es muß, analog den infrastrukturellen Leitungssystemen, ein Zuwachs an Sicherheit sogar mit progressiv zunehmenden barrierenspezifischen Erstellungskosten erkauft werden. Zu (3) Zahl der umfaßten Standorte
Je mehr benachbarte Standorte eigentumsmäßig im einzelnen durch Barrieren gesichert sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß zwischen einem auf bestimmte Weise genutzten Standort und jenen, auf denen diese Nutzung als Störung wirken könnte, mehrere, hintereinander angeordnete Barrieren durch einen somit erhöhten Barrierenüberwindungsaufwand ausreichenden Schutz bieten. Zu (4) Bündelung und Hierarchisierung
Vergleicht man gleichartige (d. h. für den Ausschluß derselben Störungsarten konzipierte) Barrierensysteme nach ihrem Leistungsmengen-/Leistungsqualitätenverhältnis, dann ergibt sich, daß von einer bestimmten Störintensität an in der Regel das höherwertige System zugleich das rentablere ist. durchschnittliche
Abb. 232. Ersteliungs- und Betriebskosten von Barrierensystemen in Abhängigkeit von der Störintensität
2. Technologie des Standortes
67
i durchschnittliche 1 Gesamteigentumssicherungskosten/Störeinheit
CD»
©\ \\
,w
,
wobei 0 Aj = Standörtliche Erreichbarkeit des Versorgungsgutes o auf dem Standort i Oj = Menge des Versorgungsgutes o auf dem Standort j sdjj = Leitungslänge zwischen den Standorten i und j über das Versorgungsystem s sw = Leitungswiderstand (in der Regel abhängig vom Auslastungsgrad) im Versorgungssystem s Um die standörtliche Erreichbarkeit in Kommunikationssystemen der Infrastruktur bewerten zu können, muß die Nutzung der verschiedenen Standorte im betrachteten Gebiet in die Analyse einbezogen werden; denn erst der Vergleich der Standortnutzungen läßt auf die zwischen»tandörtlichen Komplementaritätsgrade und damit auf das Ausmaß der zwischenstandörtlichen Kommunikationsbedürfnisse (im gegenteiligen Fall: zwischenstandörtliche Konkurrenz) schließen.
78
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Der Komplementaritätsgrad beschreibt die Intensität der Input-Output-Relation zwischen zwei Nutzern bzw. zwischen zwei Standorten. Im Falle von komplementären Nutzungen im betrachteten Gebiet ist die standörtliche Erreichbarkeit in Kommunikationsnetzen der Infrastruktur im Sinne des sogenannten Potentialmodells bewertbar, indem sämtliche zwischenstandörtlichen Beziehungen zu dem betrachteten Standort nach dem Ausmaß der systemspezifischen Transportarbeit bzw. des systemspezifischen Widerstandes gewichtet und summiert werden. Dabei sind in der Kalkulation der zwischenstandörtlichen Beziehungen Ausmaß und Komplementaritätsgrad der standörtlichen Nutzungen zu berücksichtigen. „A, = 2 Cnm • „Nj • e-V.» wobei „A; = standörtliche Erreichbarkeit des Standortes i bezüglich der Nutzung der Art n c„m = Komplementaritätsgrad zwischen den Nutzungen n und m (Intensität der Input-Output-Relation) „Nj = Nutzung der Art n auf dem Standort j sdjj = Leitungslänge zwischen den Standorten i und j über das Kommunikationssystem s sw = Leitungswiderstand (in der Regel vom Auslastungsgrad abhängig) im Kommunikationssystem Bei der Messung der Standortlage in infrastrukturellen Leitungsnetzen erscheint die hier abgeleitete standörtliche Erreichbarkeit als relativer Wert, der erst einen Aussagegehalt im Vergleich mit den Erreichbarkeitswerten der übrigen Standorte im Gebiet erhält. Als Kriterium für regionalpolitische Entscheidungen beim Ausbau von Leitungsnetzen der Infrastruktur sollte die Abweichung einer bestimmten standörtlichen Erreichbarkeit vom gebietlichen Mittelwert gelten. AAi = A I — —^— , wobei AAj = Abweichung der Erreichbarkeit des Standortes 1 vom gebietlichen Mittel über die Standorte i i = Zahl der betrachteten Standorte im Gebiet Je nach der Art der Problemstellung kann bei der Errechnung der standörtlichen Erreichbarkeitsabweichung vom gebietlichen Mittelwert auch mit der standörtlichen Bevölkerung (oder Wirtschaftskraft) gewichtet werden. Die Netzgestalt von infrastrukturellen Leitungssystemen kann in der Regel nicht allein aus der regionalpolitischen Forderung nach einer bestimmten Verteilung der Erreichbarkeit über die Standorte eines Gebietes abgeleitet werden; die Netzgestaltung ist zusätzlich auch an dem Kriterium der standörtlichen Versorgungssicherheit bzw. an der regionalpolitischen Forderung nach Minimierung der Netzstörungen zu orientieren. Die standörtliche Versorgungssicherheit in Leitungsnetzen kann erklärt werden aus der Wahrscheinlichkeit, mit welcher Störungen in Form von zeitweiligen Unterbrechungen oder zeitweiligen Engpässen in einer Leitung zwischen komplementär genutzten Standorten auftreten. Störungen in Leitungen (zeitweilige Unterbrechungen) sind somit das Komplement zur zeitlich kontinuierlichen Versorgung.
2. Technologie des Standortes
79
Ausgehend von der kantenspezifischen Störwahrscheinlichkeit
wobei f" = Störhäufigkeit t§ = durchschnittliche Stördauer T = Beobachtungszeitraum kann auf die standörtliche Versorgungssicherheit geschlossen werden, indem die besonderen topologischen Verknüpfungen im Versorgungs-(Kommunikations-)netz auf dem Versorgungs-(Kommunikations-)weg Berücksichtigung finden. Die standörtliche Versorgungssicherheit ist in verschiedenen Netzformen von infrastrukturellen Leitungsnetzen unterschiedlich ausgeprägt: Wird in einem vollständig verästelten Netz eine Verbindung unterbrochen, dann ist die Versorgung aller am betroffenen Ast angeschlossenen Standorte mit dem betreffenden Gut unmöglich. Hingegen bestehen in vermaschten Netzen durch Umleitungen Aushilfsmöglichkeiten. Zwei Schaltungsprinzipien bestimmen demnach die Gestalt von Leitungsnetzen von Versorgungs- und Kommunikationssystemen: • die Serienschaltung mit aufeinanderfolgenden Kanten und • die Parallelschaltung mit Kanten auf Alternativrouten O
1
o 2
o
3
o
g
n
» o Prinzip der Serienschaltung
1
Abb. 2.30. Schaltungsprinzipien in Leitungsnetzen Verästelte Leitungsnetze sind ausschließlich nach dem Prizip der Serienschaltung, vernaschte Netze nach dem Prinzip der Parallelschaltung konzipiert. In vielen Leitungsnetzen von Versorgungs- und Kommunikationsnetzen sind Serien- und Parallelschaltungen einzelner Kantenzüge kombiniert. Denkt man sich jeden Weg zwischen Produktions- und Verbrauchsstandort — in Anlehnung an die Graphentheorie - aus einer bestimmten Anzahl von Kanten zusammengesetzt, dann errechnet sich die Störwahrscheinlichkeit LPj£,s auf dem gesamten Versorgungsweg in Abhängigkeit von der Netzform in folgender Weise unterschiedlich: (1) In einem vollständig verästelten Netz mit eindeutig festgelegten Wegen ist unter ceterjs-paribus Bedingungen die kontinuierliche Versorgung der Verbraucher um so weniger gewährleistet, je größer die Zahl der hintereinander zu durchlaufenden Kanten ist (Serienschaltung).
80
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse LPg« = 1 - [(1 " LPf') * (1 " i t f ) . . . (1 " LPn')] = 1 " , n (1 - L P f ) )=1 wobei l P ^ , < 1
Störwahrscheinlichkeit
Leitungslänge in Zahl der Kanten n Abb. 231.
Störwahrscheinlichkeit im Leitungsnetz bei Serienschaltung
(2) Mit der Zahl m alternativer Routen (Parallelschaltung) in einem vermaschten Netz vermindert sich die Störwahrscheinlichkeit LpgU auf dem Gesamtversorgungsweg infolge multiplikativer Verknüpfung der betreffenden Einzelwahrscheinlichkeiten. r»st — «St . st _st _ LPges - LPl LP2 • • • LPm -
m
f r _st U LPk k=1
wobei L pg^ < 1 k Störwahrscheinlichkeit
redundante Leitungen m Abb. 2.32. Störwahrscheinlichkeit im Leitungsnetz bei Parallelschaltung (3) Die Unterbrechung einer Kante in einem vermaschten Netz wirkt sich auch auf die Störwahrscheinlichkeit anderer als der betroffenen Versorgungswege aus. Werden nämlich infolge einer blockierten Kante im Netz die entsprechenden Versorgungsbeziehungen auf alternative Kanten umgeleitet, so erhöht dies deren Auslastungsgrad. Insbesondere im Bereich der Kapazitätsgrenze vergrößert sich damit die Störwahrscheinlichkeit der Alternativrouten („bedingte Störwahrscheinlichkeit").
2. Technologie des Standortes
81
Störwahrscheinlichkeit
1
1 Abb. 2.33.
Auslastungsgrad der Leitungskapazität
Der Einfluß des Auslastungsgrades der Leitungskapazität auf die Störwahrscheinlichkeit in vernaschten Netzen
Ungeachtet dieser Einschränkung kann der Vermaschungsgrad eines Wegenetzes als Sicherheitsmaß für die Versorgung eines Gebietes betrachtet werden. Die Notwendigkeit, gegebenenfalls mit höherem Investitionsaufwand ein weitgehend verästeltes Versorgungsnetz stärker zu vermaschen, muß demnach relativiert werden (1) an der Zahl der an einzigen Versorgungswegen angeschlossenen Standorte (gegebenenfalls gewichtet mit der Einwohnerzahl) (2) an der Bedeutung der Kommunikation bzw. des Versorgungsgutes fÜT deren Nutzer (das bedeutet: die Arbeitsfähigkeit der standörtlichen Bevölkerung). Wenn etwa vom Funktionieren bestimmter infrastruktureller Leitungssysteme die Tätigkeit großer Industriebetriebe oder das Wohlbefinden der Bevölkerung ausgedehnter Wohnquartiere abhängt, dann ist die Sicherheit im Versorgungsnetz entsprechend hoch zu bewerten. In hierarchisch organisierten Versorgungssystemen sollte unter diesem Aspekt die Vermaschung mit steigendem Leitungsrang zunehmen. Wenn man Leitungslänge als Menge der auf einem Versorgungsweg in Serie geschalteten Kanten n und Leitungskapazität als Menge der auf einem Versorgungsweg parallel geschalteten Kanten m interpretiert, dann kann aus (1) und (2) verallgemeinernd geschlossen werden: (4) Bei konstanter Belastung vermindert sich die Versorgungssicherheit bzw. die Sicherheit einer Interaktion degressiv mit der Leitungslänge des Versorgungsbzw. Kommunikationsweges, sie wächst hingegen degressiv mit der verfügbaren Leitungskapazität. Diese Aussage gilt analog für Transport- und Reiseaufwände in den Dimensionen Zeit und Kosten.
2.5.3. Standorte in Grenznetzen der Bodenordnung 2.5.3.1. Gestalteigenschaften von Grenznetzen Barrieren als Elemente von Grenzsystemen umfassen die Bodenflächen von Standorten und dienen dazu, Ressourcen und Nutzungsmöglichkeiten bestimmten Eigentümern zuzuordnen und diese zugleich vor außerstandörtlichen Störungen und vor Eingriffen durch Konkurrenten zu schützen. Auch die Grenznetze der Bodenordnung können zwischen den Extremen „vollständig verästelt" und „vollständig vermascht" topographisch ausgeprägt sein.
82
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Im Falle eines verästelten Grenznetzes ist die Barriere in der Regel gegen einzelne standörtlich definierte Störquellen gerichtet, die Bodenfläche des zu schützenden Standortes wird von ihr aber nicht vollständig umfaßt, (z. B. Lawinenschutzbauten, Schallschutzmauern). Ein verniaschtes Grenznetz verhindert hingegen Störungen, die sonst zwischen allen einzelnen Standorten entstehen könnten*, die Standorte werden dabei von der Barriere vollständig umfaßt und gelten daher als „isolierte Standorte".
vollständig verästeltes Grenznetz Abb. 2.34.
vollständig vermaschtes Grenznetz
Netzformen in Grenzsystemen der Bodenordnung
Während der Vermaschungsgrad in Leitungsnetzen makroanalytisch auf die Zahl der (redundanten) alternativen Routen für dieselben zwischenstandörtlichen Beziehungen (und damit auf ein Kriterium für die Versorgungssicherheit) schließen läßt, erlaubt der Vermaschungsgrad in Grenznetzen der Bodenordnung eine makroanalytische Schlußfolgerung auf die Zahl der redundanten, aufeinanderfolgenden Hindernisse für dieselben zwischenstandörtlichen Störungen.
alternative Routen für zwischenstandörtliche Beziehungen Abb. 2.35.
aufeinander folgende Hindernisse gegen zwischenstandörtliche Störungen
Redundanz in Leitungs- und Grenznetzen
2.5.3.2. Randbedingungen für die Netzgestalt von Grenzsystemen Die Netzgestaltung der Grenzsysteme erscheint aus der Perspektive der dafür verantwortlichen Gebietskörperschaften primär als verteilungspolitisches Instrument und sekundär als Mittel zur Nutzenstiftung bei einzelnen Standorteigentümern und Standortnutzern. Dies kann in Übereinstimmung mit den Hypothesen der ökonomischen Theorie der Demokratie und der Bürokratie-Theorie (insbesondere auf A. Downs aufbauend) angenommen werden, weil durch die Grenzsysteme der Bodenordnung standörtliche Nutzungspotentiale unter mehr oder weniger Eigentümern und unter
2. Technologie des Standortes
83
diesen mehr oder weniger gleichmäßig verteilt werden. (Die Kalkulation der Verteilungswirkung von Gesetzen zur Bodenordnung fällt in den Rahmen der „Ökonomie der Eigentumsrechte", vgl. Furubotn, Pejovich, The Economics of Property Rights, Cambridge, 1974). Diese Annahmen weiterverfolgend, erscheint es für die Regierenden in den Gebietskörperschaften zweckmäßig, die Aufwände und Erträge von Entscheidungen und Maßnahmen zu kalkulieren, welche die Bodenordnung verändern: Als Aufwände der Gebietskörperschaften können dabei insbesondere die Tätigkeiten der Verwaltung bei der Vorbereitung und Durchführung von einschlägigen Gesetzen und Verordnungen zur Gebiets- und Bodenreform, aber auch die Maßnahmen zur Bauleitplanung und Parzellierung angenommen werden; auf der Aufwandseite schlagen jedoch auch die Kosten für die Pflege der bestehenden Bodenordnung in Form der Landesvermessung und für das Kataster- und Liegenschaftswesen zu Buche. Zu den Erträgen der Gebietskörperschaften können im Fall von (die Verwaltung rationalisierenden) Standortzusammenlegungen, zum Beispiel im Rahmen der Gemeindegebietsreform erhöhte Budgetmittel, im Falle von Kleinparzellierungen und ähnlichen vermögensnivellierenden Maßnahmen Vertrauenszuwächse für die Regierenden kalkuliert werden. Den privaten Standorteigentümern und Standortnutzern erwachsen einerseits Kosten für die Grundstücksparzellierung in Form von Beiträgen und Gebühren, andererseits ein Nutzen durch die staatlichen Eigentumsgarantien und die Sicherheit vor Störungen ihrer Standortnutzung. In analoger Weise wie bei den Leitungsnetzen der Infrastruktur ergeben sich aus den Nutzenerwartungen der Regierenden in den Gebietskörperschaften und der privaten Wirtschaftssubjekte auch für die Grenzsysteme der Bodenordnung idealtypische Netzformen. (1) Bei gleichartigen Nutzungen der verschiedenen Grundstücke in einem Gebiet erscheint es am zweckmäßigsten, die Grenzlängen um die einzelnen (gleichgroßen) Grundstücke zu minimieren.
Abb. 2.36. Minimale Grenzlänge zur Sicherung gleichartig genutzter Standorte
(2) Bei komplementärer Nutzung der verschiedenen Grundstücke unter territorialer Hoheit erscheint es für den gemeinsamen Schutz besonders effizient, das Verhältnis von gebietsumfassender Grenzlänge und Gebietsfläche zu minimieren.
Standortfläche
Gebiet
Abb. 237.
Minimale Grenzlänge zur Sicherung komplementär genutzter Standorte
84
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
2.5.3.3. Zur Messung der Isoliertheit und der Eigentunissicherheit in Grenznetzen der Bodenordnung Die standörtliche Isoliertheit kann als reziprok zur standörtlichen Erreichbarkeit interpretiert werden. Das bedeutet, daß bei der standörtlichen Isoliertheit die aufzuwendende Transportarbeit von bzw. zu den übrigen relevanten Standorten im Gebiet positiv kalkuliert wird. (Je größer die zwischenstandörtliche Transportarbeit um so größer ist die Isoliertheit der betreffenden Standorte). Somit ist das zu messende Kriterium die minimale (nach ihrer Kapazität gewichtete) Zahl der Grenzen, die zwischen dem Standort einer potentiellen Störquelle und dem betrachteten Nutzerstandort in dem gegebenen Netz überwunden werden muß. Die weiteren Schlußfolgerungen können aus dem Erreichbarkeitsansatz im Sinne eines Modells zur Kalkulation des standörtlichen Störpotentials analogisiert werden. Die Netzgestalt von Grenzsystemen der Bodenordnung wird neben dem Kriterium „standörtliche Isoliertheit" in besonderem Maße beeinflußt von dem vielfach individuellen Interesse an standörtlicher Eigentumssicherheit. Die Abhängigkeit der standörtlichen Eigentumssicherheit von der Gestalt eines Grenznetzes erklärt sich aus der Wahrscheinlichkeit, mit welcher Störungen in Form von zeitweiligen Grenzdurchbrüchen oder Grenzdurchlässigkeiten zwischen Störquelle und dem betrachteten Standort auftreten. Wie bei Störungen in Leitungsnetzen kann man auch Störungen (zeitweise Durchbrechungen) in Grenznetzen als komplementär zur zeitlich kontinuierlichen Eigentumssicherung ansehen. In diesem Fall ist die eigentumsbezogene Störwahrscheinlichkeit G p j' der Kante j s, _
n oPj
f* • tg
j
wobei wieder gilt: f = Störhäufigkeit tg = durchschnittliche Stördauer T = Betrachtungszeitraum.
Sie wird außer von den auf besondere Störkategorien bezogenen Grenzeigenschaften vor allem durch die Grenzlänge und den Auslastungsgrad der Grenzkapazität beeinflußt. Denkt man sich die topographische Form des Grenznetzes aus einer (entsprechend der Grenzlänge) bestimmten Anzahl von gleichartigen Barrieren zusammengesetzt, dann errechnet sich die eigentumsbezogene Störwahrscheinlichkeit Pges für einen einzelnen Standort im Territorium in Abhängigkeit vom Vermaschungsgrad in folgender Weise unterschiedlich: (1) Befindet sich nur eine einzige Grenze zwischen einer Störquelle und einem Standort, dann ist unter ceteris-paribus-Bedingungen die kontinuierliche Eigentumssicherheit um so weniger gewährleistet, je größer die Grenzlänge bzw. die Zahl n der aneinandergereihten, gleichartigen Barrieren (der alternativen Grenzdurchbruchsmöglichkeiten), welche als Elemente die Standortgrenze konstituieren, ist. (Die verbundenen Barrieren einer Grenze entsprechen somit formal den aufeinanderfolgenden Leitungen in verästelten Netzen).
85
2. Technologie des Standortes GPges
= 1 -
[(1 -
= i - n
Gpf)
(1 -
J=1
wobei
GPges
(1 -
G p?)
. . . (1 - GpSn')]
oPf)
1
^
Störwahrscheinlichkeit
v- Grenzlänge in Zahl der Kanten n Abb. 2.38. Standörtliche Störwahrscheinlichkeit in Grenznetzen, abhängig von der Grenzlänge (Serienschaltung der Barrieren)
(2) Mit der Zahl m der zwischen Störquelle und Standort liegenden Grenzen (als sukzessive zu überwindende Störbehinderungen) vermindert sich die Störwahrscheinlichkeit p ^ für den einzelnen Standort (multiplikative Verknüpfung der betreffenden Einzel Wahrscheinlichkeiten: die hintereinander gestaffelten Grenzen entsprechen formal den alternativen Routen in vermaschten Leitungsnetzen). GPges
wobei
— GPI' GPges
GPL'
" ^
aPm =
n
k= 1
orf
1
Störwahrscheinlichkeit
» m
Zahl der redundanten Grenzen m
Abb. 239. Standörtliche Störwahrscheinlichkeit in Grenznetzen, abhängig von der Zahl der Grenzen (Parallelschaltung der Barrieren)
(3) In den hier dargestellten einfachen Fällen wurde ausgeschlossen, daß sich im betrachteten Gebiet mehrere Störquellen derselben Art befinden; Störquellen, deren Wirkungen sich insbesondere nach dem Durchbruch einer Grenze bezüglich eines bestimmten Standortes kumulieren können. Der Einbruch einer Grenze wirkt sich dann auf die Belastung der (sonst redundanten) anderen Grenzen eines
86
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse Standortes aus. Insbesondere im Bereich der systemspezifischen Kapazitätsgrenze erhöht ein Grenzdurchbruch die Störwahrscheinlichkeit der dahinter gelegenen Grenzen („bedingte Störwahrscheinlichkeit") in analoger Weise wie in vermaschten Leitungsnetzen.
keit (Grenzdurchbruch) Ungeachtet dieser Einschränkung kann der Vermaschungsgrad von Grenznetzen der Bodenordnung - wie der Vermaschungsgrad eines infrastrukturellen Leitungsnetzes — als makroanalytisches Maß für die Eigentumssicherung der einzelnen Standorte in einem Gebiet betrachtet werden.
2.5.4. Zur gebietltehen Bewertung der Netzgestalt von Leitungs- und Grenzsystemen Die Leitungssysteme der Infrastruktur integrieren Standorte in entsprechende Gebiete, die Grenzsysteme der Bodenordnung teilen Gebiete in verschiedenartige und verschiedenen Personen zugeordnete Eigentume auf. Insbesondere aus politischer Sicht ist es deshalb sinnvoll, über den einzelstandörtlichen Wert eines Leitungs- oder Grenzsystems hinaus nach dessen Wert für das Gebiet in seiner Gesamtheit zu fragen. Zu diesem Zweck müssen die einzelstandörtlichen Werte verglichen und gebietlich aggregiert werden. Zunächst bestimmt die Gestalt eines infrastrukturellen Leitungsnetzes (entsprechend den Ausführungen unter 2.5.2. und 2.5.3.), wie die standörtlichen Werte der Erreichbarkeit und der Versorgnngsskheiiieit im einzelnen ausgeprägt und wie sie über das betrachtete Gebiet verteilt sind. Analog gilt: Die Gestalt eines Grenzsystems der Bodenordnung bestimmt die einzelstandörtlichen Werte der Isoliertheit und der Eigentumsskherheit sowie deren Verteilung über das betrachtete Gebiet. Die gebietliche Verteilung dieser Netzgestalt-Indikatoren kann man mit Hilfe von Diagrammen als Rang-Größen-Verteilung darstellen und diskutieren.
2. Technologie des Standortes
87
Ausprägung des Standortindikators
Abb. 2.41. Rang-GröBen-Verteilung des Standortindikators (Erreichbarkeit oder Versorgungssicherheit oder Isoliertheit oder Eigentumssicherheit) für die Netzgestalt in einem Gebiet Als politische (makroanalytische) Kriterien für die gebietliche Bewertung der Netzgestalt von infrastrukturellen Leitungssystemen und von Grenzsystemen der Bodenordnung gelten (wie unter 7.4. ausgeführt wird): • der (gegebenenfalls nach der Nutzungsintensität der Standorte gewichtete) gebietliche Durchschnitt, das Niveau, der einzelstandörtlichen Indikatorwerte und • die gebietliche Konzentration (z. B. gemessen durch den Konzentrationsgrad nach Lorenz) der einzelstandörtlichen Indikatorwerte. Im Rahmen der Regionalpolitik wird in der Regel ein möglichst hohes Niveau der standörtlichen Indikatorwerte im betreffenden Gebiet angestrebt ; dabei soll (wie unter 7.2. und 7.3. begründet wird) deren Konzentrationsmaß im allgemeinen bestimmte Werte nicht überschreiten. Sowohl zur gebietlichen Niveau-Erhöhung als auch zur Verminderung des Konzentrationswertes der Standortindikatoren Erreichbarkeit, Versorgungssicherheit, Isoliertheit und Eigentumssicherheit trägt vor allem die Vermaschung der betreffenden Leitungs- und Grenzsysteme bei.
Abb. 2.42. Die Veränderung der Standortindikatoren für die Netzgestalt durch Erhöhung der Vermaschung Wenn der Ausbau von Leitungsnetzen der Infrastruktur und von Grenznetzen der Bodenordnung dem politischen Interesse an effizienter Erhöhung des gebietlichen Integrationsgrades und an gerechter Chancenverteilung folgt, dann werden die
88
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Standorte eines Gebietes in der zeitlichen Reihenfolge ihrer Bedeutung (Größe nach Einwohnerzahl, Zentralität, Nutzbarkeit, reale Nutzungsintensität) (1) an die betreffenden Systeme angeschlossen und (2) in den betreffenden Netzen mehrfach (redundant) verbunden und diese somit zunehmend vermascht. Diese Entwicklungscharakteristik ist besonders beim Ausbau von Verkehrsnetzen empirisch belegt29.
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U . U - l - ü
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Abb. 2.43. Ein idealisiertes Modell der Entwicklung eines Verkehrsnetzes in einem unterentwickelten Land; Quelle: E. J. Taaffe, R. L. Morrill, and P. R. Gould (1963), Transport Expansion in Underdeveloped Countries, Geographical Review S3, Copyright by the American Geographical Society of New York.
2.6. Die Siedlungsstruktur in graphentheoretischer Interpretation In den letzten Jahren ist die Graphentheorie als Instrument zur Lösung von Darstellungs- und Optimierungsaufgaben aus verschiedenen Gebieten der Natur- und Sozialwissenschaften sowie der Technik weiterentwickelt worden. Auch für die Abbildung der Siedlungsstruktur erscheint die Graphentheorie unter verschiedenen Aspekten geeignet. Im folgenden werden einführend die wichtigsten graphentheoretischen Begriffe in einem standorttheoretischen Kontext erklärt, um danach integrativ die Siedlungsstruktur mit den Elementen Standort, zwischenstandörtliche Beziehungen und zwischengebietliche Grenzen graphentheoretisch zu interpretieren.
29
vgl. dazu Taaffe, E. J., Morrill, R. L., Gould, P. R., Transport expansion in underdeveloped countries: a comparative analysis, in: Geographical Review, 53, 1963, sowie: Haggett, P., Network models in Geography, in: Chorley, R. J., Haggett, P., Models in Geography, London,1967
2. Technologie des Standortes
89
2.6.1. Zur graphentheoretischen Kennzeichnung von Leitungs- und Grenznetzen Sowohl Leitungsnetze der Infrastruktur als auch Grenznetze der Bodenordnung können durch Graphen abgebildet und ihre Struktur graphentheoretisch interpretiert und gegebenenfalls nach Vorgabe entsprechender Zielkriterien optimiert werden. Ein Graph G besteht aus einer Menge V von Knoten und einer Menge E von Kanten. Zwischen den Elementen der Mengen V und E besteht eine Beziehung (Inzidenz), welche durch die Inzidenzfunktion ausgedrückt wird. Jeder Kante eeE entspricht somit eindeutig ein „geordnetes" oder „angeordnetes Paar" von Knoten vj, v2 eV, d. h.: die Kante e ist mit den beiden Knoten v t , v2 inzident, oder auch: e verbindet V! mit v2. Da in diesem Fall sowohl die Menge der Knoten V als auch die der Kanten E endlich ist, spricht man von einem endlichen Graphen. Sollen Leitungssysteme mit Begriffen und Theoremen der Graphentheorie abgebildet werden, dann können die Standorte als Knoten v, . . . vn eines Graphen G t und die dazwischen liegenden Kommunikations-, Ver- oder Entsorgungswege als Kanten ej . . . e„ interpretiert werden.
Bei der Darstellung von Grenznetzen im Graphen G ö sind die Knoten V[ . . . vn die Verknüpfungspunkte des Netzes und die Kanten ei . . . e n die einzelnen Grenzen; darüber hinaus werden die dazwischenliegenden, von Knoten und Kanten aufgespannten Flächen (Grundstücke, Regionen, Gebiete) betrachtet.
90
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Standortstrukturen können mit Hilfe von Leitungs- und Grenzgraphen beschrieben werden, wobei sich beide im Informationsgehalt ergänzen. Im Leitungsgraphen werden die Standortflächerr zu Knoten reduziert, so daß die Grenzlängen nicht ausgedrückt werden können, während die zwischenstandörtlichen Leitungen bewertet werden. Im Grenzgraphen hingegen werden die Standortflächen und Grenzen bewertet, während die Leitungslinien nicht ausgedrückt werden können. Ein Graph heißt planar, wenn seine Knoten und Kanten so in einer Ebene liegen, daß sich zwei Kanten nur in einem Knoten kreuzen. Nach strenger Definition liegen die den Knoten in einem Leitungsgraphen entsprechenden Standorte des Leitungsnetzes zwar nicht in einer Ebene, sie liegen aber auch nicht übereinander, d. h. ihre Abbildungen fallen bei senkrechter Projektion auf die Erdoberfläche zusammen. Sind in einem Graphen je zwei verschiedene Knoten durch eine Kante verbunden, so heißt der Graph vollständig. Eben oder planar kann ein vollständiger Graph nur dann sein, wenn er höchstens 4 Knoten besitzt.
Abb. 2.46.
Minimaler planarer Graph
Die Anzahl der Kanten, deren Endpunkte in einem Knoten des Graphen zusammenfallen, ist der Grad dieses Knoten. Ein Knoten vom Grad 1 heißt ein Endpunkt des Graphen, eine Kante, die in einem Endpunkt endet, heißt eine Endkante. Die Anzahl der Knotenpunkte mit ungeradem Grad ist stets gerade. Eine Kantenfolge in einem Graphen ist eine endliche Folge von Kanten, so daß je zwei aufeinanderfolgende Kanten einen Endpunkt gemeinsam haben. Die Kantenfolge ist offen, wenn die Endpunkte dieser Kantenfolge nicht identisch sind, sonst heißt sie geschlossen. Ein Weg oder eine Bahn ist eine offene Kantenfolge, in der außerdem alle Knoten verschieden sind. Die Anzahl der Kanten in einer Kantenfolge wird als die Länge der Kantenfolge bezeichnet, der Weg kleinster Länge zwischen zwei Knoten Vj Vj ist der Abstand d (V| Vj) dieser Knoten. Die für die Versorgung- und Entsorgungsnetze charakteristische Eigenschaft, daß meist mehrere Anschlußpunkte von nur einer Art des entsprechenden Netzes versorgt bzw. entsorgt werden, wird durch einen Kantenzug, das ist eine Kantenfolge, in der alle Kanten voneinander verschieden sind, dargestellt. Ein Kreis oder Zyklus ist ein geschlossener Kantenzug, bei dem bis auf Anfangs- und Endknoten alle Knoten verschieden sind. Ein Teilgraph (Subgraph) G ^ V ^ ) eines gegebenen Graphen G(V,E) besitzt eine Teilmenge ViE V seiner Knoten und eine Teilmenge Eje E seiner Kanten. Behält man beim gegebenen Graphen G alle Knoten Vi=V zurück, entfernt jedoch eine oder mehrere Kanten, so erhält man einen spannenden Teilgiaphen (partiellen Graphen) von G. Entfernt man einen oder mehrere Knoten und alle Kanten, die nach diesem Knoten laufen, so spricht man von einem Untergraphen von G.
2. Technologie des Standortes
91
e^-Oj- e 2~°5 ••• offen« Kantenfolge ej-Oj-eg-e^-eg-ej...geschlossene Kantenfolge «j-Oj-eg-e^-e^
. . . Weg oder Bahn
e^- e^-eg-e^... Kantenzug e ^ - e j - e j - e ^ - e g - . . . Kreis oder Zyklus Abb. 2.47.
Graphentheoretische Grundbegriffe I
Ein Graph heißt zusammenhangend, wenn sich je zwei verschiedene Knoten durch zumindest einen Weg miteinander verbinden lassen. Ein isolierter Teilgraph (Subgraph) ist ein Teil eines Graphen ohne direkte Kantenverbindung zu diesem.
G, = spannender Teilgraph (partieller Graph) von G
G2 = Untergraph von G
G3 (p,, p2), pi, p2 = isolierte Teilgraphen von G. 1
Abb. 2.48.
2
Graphentheoretische Grundbegriffe II
Wird die Fließrichtung im Leitungsnetz vernachlässigt, so läßt sich die Netzform mit einem ungerichteten Graphen hinreichend genau beschreiben. In vielen praktischen Anwendungen der Graphentheorie jedoch bringen die Kanten eine nichtsymmetrische Beziehung zwischen den Knotenpaaren zum Ausdruck, wie etwa bei der eindeutig definierten Richtung des Abwasserflusses in Entsorgungsnetzen oder bei Einbahnsystemen in Straßennetzen. Dieser Fall eines Graphen, mit der zusätzlichen Eigenschaft, daß jede Kante orientiert ist bzw. eine Richtung besitzt, heißt gerichteter Graph. In der zeichnerischen Darstellung eines gerichteten Graphen wird die Richtung einer Kante durch einen Pfeil angedeutet. Entgegengesetzte Fließrichtungen in einer Kante,
92
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
z.B. bei einer Straße, die keine Einbahn ist, werden durch zwei entgegengesetzt parallele Kanten symbolisiert. Ein symmetrischer Graph, bei dem alle Kanten entgegengesetzt parallel sind, darf jedoch nicht mit dem scheinbar äquivalenten ungerichteten Graphen verwechselt werden.
Abb. 2.49. Graphentheoretische Grundbegriffe III Bei optimalen Kommunikationsnetzen kann man davon ausgehen, daß sämtliche Knoten auf kürzestem Wege miteinander verbunden und somit sämtliche benachbarten Standorte vollständig verknüpft sind (vollständiger Graph). Hingegen verbinden Versorgungs- und Entsorgungsnetze der Infrastruktur in der Regel nicht jeden Standort als Knoten mit jedem anderen, sondern entweder einen Ausgangsstandort (Wasserwerk) mit einer Menge von Zielstandorten (Wasseranschluß) oder umgekehrt eine Menge von Ausgangsstandorten (Kanalanschluß) mit einem Zielstandort (Kläranlage). Ein solcher Netzaufbau entspricht einem zusammenhängenden Graphen, der keine geschlossenen Kantenzüge enthält. Dieser Graph heißt ein Banm, und es gilt, daß für je zwei seiner Knoten nur jeweils ein Weg existiert, der diese Knoten verbindet. Zur Vollständigkeit eines Baumnetzes ist immer eine Kante weniger notwendig als Knoten vorhanden sind ( E = V - 1 ) . Ist ein Teilgraph G t von G zugleich spannender Teilgraph und ein Baum, so heißt G t spannender Baum oder Gerüst von G.
G = vollständiger Graph
Wird das Verteilerprinzip in seiner extremen Ausprägung, nämlich die Beziehung zwischen einem Ausgangsstandort und einer Menge von Zielstandorten, durch einen gerichteten Graphen dargestellt, so spricht man von einem „Wurzelbaum" (Arboreszenz). In einem solchen Graph existiert ein und nur ein Knoten, zu dem keine gerichtete Kante führt (Wurzel), während zu allen andern Knoten eine und nur eine gerichtete Kante führt.
2. Technologie des Standortes
Abb. 2.51.
93
Das Verteilerprinzip dargestellt als Wurzelbaum
Formal entsprechend kann natürlich auch das Sammelprinzip, also die Beziehung zwischen einer Menge von Ausgangsstandorten und einem Endstandort, in gerichteten Graphen dargestellt werden. Für die Gestaltung einer baumartigen Struktur von Leitungsnetzen sind soviele Varianten denkbar als spannende Bäume desjenigen vollständigen Graphen, dessen Knoten die Anschlußpunkte im Netz darstellen, konstruiert werden können. Ein Netz, in dem jeder einzelne Nachfrager eine direkte Verbindung, welche nur von ihm genutzt wird, zum Produktionsstandort des Versorgungsgutes besitzt und ein Netz, bei dem alle Benutzer an eine einzige Leitung angeschlossen sind, sind zwei mögliche Extreme.
Abb. 2.52.
Alternative Routen bei der Versorgung I
Zwischen diesen beiden Polen gibt es, je nach Anzahl der angeschlossenen Benutzer, beliebig viele Kombinationsmöglichkeiten, bei denen mehrere Benutzer die gleiche Leitung verwenden, oder der Fluß mehrerer einzel- oder mehrfach genutzter Leitungen in einer leistungsfähigen zusammengefaßt wird.
Abb. 2.53.
Alternative Routen bei der Versorgung II
2.6.2. Ausgewählte graphentheoretische Meßzahlen der Netzstruktur In der graphentheoretischen Interpretation werden Leitungs- bzw. Barrierennetze auf relativ abstrakte Begriffe reduziert, um die grundlegenden topologischen Eigenschaften der Netzstruktur aufzudecken; insofern, als der Begriff Struktur eine Reihe von räumlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Grundelementen des Netzes impliziert, kann durch Bewertung dieser Beziehungen die Struktur quantifiziert werden.
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
94
Ansätze zur mathematischen Beschreibung von Netzstrukturen wurden insbesondere von W. L. Garrison und D. F. Marble30 angeregt. K. J. Kansky31 entwickelte 14 Parameter (verschiedenen Komplexitätsgrades), die jeweils von vier Grundelementen des Netzes, nämlich der Zahl der Knoten und Kanten, der Zahl der Teilnetze und den einzelnen Kantenlängen abgeleitet sind. Im folgenden werden die hier relevanten graphentheoretischen Kennzahlen aus der bezeichneten Literatur anwendungsbezogen reflektiert. (1) Index ii (zyklomatische Zahl) H= e — v + q
wobei
e = Anzahl der Kanten v = Anzahl der Knoten q = Anzahl der Teilnetze (Subgraphen)
Bei isolierten Teilnetzen (Subgraphen) und Bäumen, die laut Definition keine geschlossenen Kantenzüge enthalten, nimmt der Index n als Maßzahl für den zyklischen Grad eines Graphen den Wert 0 an, mit zunehmender Zyklenzahl im Graphen die entsprechenden ganzzahligen Werte. e = v = q = (1 =
3 5 2 3 - 5 + 2 = 0
H=4-5+l=0
H=5-5+l=1
|i = 6 - 5 + l = 2
Abb. 2.54. Berechnungsbeispiele für die zyklomatische Zahl (2) Index ö (Durchmesser) 6 = xmMy d(x, y)
wobei
d = topologische Länge (Länge des Kantenzuges)
Der Parameter ö bezeichnet die topologische Länge oder die Ausdehnung des Graphen, d. h. die Kantenzahl im kürzesten Kantenzug zwischen den am weitesten voneinander entfernten Knoten.
30 31
Garrison, W. L., Marble, D., The Structure of Transportation Networks, Unpublished Report for the US-Army, Transportation Research Command, Virginia, 1961 Kansky, K. J., Structure of Transportation Networks, Chicago 1963
2. Technologie des Standortes
95
0 = 2
0=3
Ô =4
0=5 Abb. 2.55. Berechnungsbeispiele für den Durchmesser (3) Index a Für planare Graphen gilt:
a =
y
Der Index a erscheint als besser geeignetes Maß für den Vermaschungsgrad als die zyklomatische Zahl, weil er unabhängig ist von der Zahl der Knoten im Netz. Der Index a wird interpretiert als das Verhältnis zwischen tatsächlicher und maximal möglicher Zyklen- bzw. Maschenzahl im Netz. Werte von 0 gelten für alle Netzstrukturen ohne geschlossene Kantenzüge (isolierte Teilnetze und Bäume). Mitzunehmender Maschenzahl im Graphen nähert sich der Index gegen 1. Ein a-Index 1 gilt für Netze, bei denen jeder Knoten direkt mit jedem anderen benachbarten Knoten durch eine Kante verbunden ist (vollständiger Graph). (4) Index ß rß
=
v-
Der Index ß ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen der Kanten- und der Knotenzahl eines Graphen. Ähnlich wie bei den Indizes |x und a charakterisieren hohe Indexwerte komplizierte Netzstrukturen, niedere Werte einfache Netzstrukturen: Bäume und isolierte Teilnetze haben Werte ß < l , der Wert 1 gilt für Netze mit nur einem geschlossenen Kantenzug, hohe Werte für ß gelten für ausgedehnte Netze mit hoher Knotenzahl. Der Wertbereich für ß reicht von 0 bis für nicht-planare Graphen und von 0 bis 3 für planare Graphen. (5) Index y Für planare Graphen gilt:
y =
£
. _ .
96
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Der Index y gibt das Verhältnis zwischen der tatsächlichen und der maximal möglichen Zahl von Kanten in einem Graphen an und ist daher unabhängig von der Zahl der Knoten. Der Wert 1 gilt wiederum für jeden vollständigen Graphen, Werte gegen 0 differenzieren die verschiedenen Formen von isolierten Subgraphen und Bäumen. (6) Index T] (durchschnittliche Kantenlänge) T) =
wobei M = Gesamtweglänge im Netz (in m).
Das Verhältnis zwischen der Gesamtweglänge im Netz und der Kantenanzahl ergibt die durchschnittliche Kantenlänge. Der Index ist somit abhängig von der Definition der Knoten im Netz, weil mit zunehmender Anzahl der Knoten der Wert für rj abnimmt. v = 12 e = 12 M = 100 k m T] = 8,33 k m
v e M r) Abb. 2.56.
= = = =
8 8 100 km 12,5 km
Berechnungsbeispiele für die durchschnittliche Kantenlänge
(7) Der Index Jt jt =
wobei C = Gesamtweglänge im Netz (in m) d = Länge des Durchmessers (in m)
Der Index n dient ebenso wie der Durchmesser 6 dazu, die Gestalt eines Netzes zu erfassen. Dabei wird der Durchmesser als spezielles Strukturelement zu den Dimensionen des ganzen Netzes (ausgedrückt durch die Gesamtweglänge) in Beziehung gesetzt. M = 10 d = 10 11
Abb. 2.57.
"1
Berechnungsbeispiel für den Index Jt
10 =10-=
1
M = 90 di [Xl, *2] = 40 d2 [x„ x3] = 50 di + d2 d = 45 2 90 — 9 jt - —z 45
2. Technologie des Standortes
97
Auf Kommunikationsnetze angewendet, sind die Indexwerte (jt > 1) ein brauchbares Maß für deren Entwicklungsniveau, indem z. B. das Eisenbahnnetz in hochentwikkelten Ländern einen Index bis 30 aufweisen kann, während sich in unterentwickelten Ländern oft ein Wert von nur knapp über eins ergibt. (8) Assoziationsindex (associated number32, KönigzahP) Dieser Index beschreibt für einen bestimmten Knoten die maximale Anzahl der Kanten, zwischen diesem Knoten und jedem übrigen Knoten im Netz. Er ist somit ein Maß für topologische Distanzen und deutet an, daß Knoten mit einem niedrigen Assoziationsindex eine zentrale Stellung im Netz einnehmen.
Abb. 2.58.
Beispiel für die Ermittlung des Assoziationsindexes
Der Index 6 (Durchmesser) kann als Sonderfall dieses Indexes bezeichnet werden, nämlich als maximaler Assoziationsindex im Netz.
2.6.3. Abbildung der Siedlungsstruktur mit Hilfe von Leitungs- und Grenzgraphen Daß die Infrastruktur einer Siedlung mit Hilfe von Leitungsgraphen (Flußgraphen), deren Bodenordnung mit Hilfe von Grenzgraphen (Bestandsgraphen) abgebildet werden kann, ist ohne weiteres einsichtig und im Rahmen der Verkehrsplanung und Geodäsie bewährt. Problematischer und für die Regionalanalyse zugleich weiterführend erscheint die Zuordnung von Leitungs- und Grenzgraphen auf die siedlungsspezifischen Kategorien Standort und Flächennutzung. Der Standort erscheint im Graphen der Infrastruktur als Knoten, im Graphen der Bodenordnung hingegen als die von Kanten umfaßte Fläche. Betrachtet man Standorte als geometrische Orte von definiertem Bodeneigentum und definierten Nutzungsmöglichkeiten, dann kann der Begriff Niemandsland (das bedeutet: Boden ohne Eigentumswidmung und ohne Nutzungsmöglichkeit) als dessen Dual gelten. Entsprechend ist das Niemandsland im Leitungsgraphen als die von Kanten (Leitungen) umfaßte (somit unzugängliche) Fläche definiert, während es im Grenzgraphen als Knoten abgebildet wird. Während im Leitungsgraphen die Nutzungsmöglichkeiten eines Standortes nur als geregelte aktivierbare Außenbeziehungen in den Dimensionen infrastrukturelle Gelegenheiten (Zahl der standörtlichen Systemanschlüsse) bewertet werden können, erscheinen im Grenzgraphen die standortinternen Nutzungsbedingungen als schutz-
32 33
nach K. J. Kansky (1963), S. 2 8 - 2 9 nach D. König (1936), S. 6 3 - 6 4
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
würdiges Eigentum in den Dimensionen Bodenfläche und Ressourcen besonders günstig abbildbar und bewertbar. Dabei werden die zwischenstandörtlichen Eigenschaften, wie gut- bzw. faktorspezifische Widerstände und Kapazitäten (im Leitungsgraphen bezogen auf die zwischenstandörtliche Entfernung, im Grenzgraphen bezogen auf die zwischengebietliche Kontaktlänge) dargestellt. Die Dualität von Leitungs- und Grenzgraphen bezieht sich somit im Sinngehalt von Standort und Niemandsland auf das Begriffspaar Knoten und Fläche; der Begriff Kante im Leitungs- bzw. Grenzgraphen unterscheidet sich hingegen nur wertmäßig, wobei die kantenspezifischen Entfernungs- und Widerstandswerte im Falle des Leitungsgraphen bezüglich Transportaufwandes, im Falle des Grenzgraphen bezüglich des Eigentumsaufwandes substituierbar sind. Kennzeichnenderweise besteht unter dem Aufwandsaspekt zwischen folgenden Verhältniswerten eine duale Beziehung: (1) für das im Leitungsgraphen in bezug auf die Transportaufwände gemessene Verhältnis zwischen den Flächen des Niemandslandes und den Längen der sie umgebenden Leitungen (als Kantenwerte) und (2) für das im Grenzgraphen in bezug auf die Eigentumssicherungsaufwände gemessene Verhältnis zwischen den Standortflächen und der sie umgebenden Grenzlängen (als Kantenwerte). Mit den hier hergestellten terminologischen Bezügen eröffnet sich ein weites Interpretationsfeld für Probleme der Regionalpolitik. Aus solcher Perspektive erscheint die Anwendbarkeit der Graphentheorie in der Regionalanalyse noch bei weitem nicht ausgenutzt. Insbesondere könnten wohl auf der hier skizzierten begrifflichen Grundlage die Optimierungsverfahren der Graphentheorie auf Problemfelder wie „Gebietsreform" und „Flächennutzungsoptimierung" extensiver als bisher vorteilhaft angewandt werden.
Mit Hilfe der strukturdefinierenden Kategorien Leitungsgraph und Grenzgraph kann im besonderen die Siedlungsentwicklung, wie folgt, interpretiert (und zugleich den Elementen der bezeichneten Graphen ein zusätzlicher Sinn gegeben) werden. Es wird von der allgemeinen Vorstellung ausgegangen, daß Siedlungsstrukturen aus mehreren, zunächst relativ isolierten, pionierhaft besetzten und genutzten Bodenflächen zusammenwuchsen, indem die zwischenstandörtlichen Verhältnisse schrittweise • in bezug auf den Austausch von Gütern und Nutzungsfaktoren und • in bezug auf die eigentumsmäßige Zuordnung von Bodenressourcen geregelt worden sind und weiterhin ständig geregelt werden. Unter diesem Aspekt steht am Beginn der gedachten Entwicklung eine Menge von oasenhaften, sich selbstversorgenden Siedlungselementen (entsprechend den Vorstellungen von A. Lösch in „Die räumliche Ordnung der Wirtschaft"), die jeweils (etwa im Sinne von J. H. v. Thünen im „Isolierten Staat") von unkultiviertem Niemandsland umgeben sind. Nach überlieferten Vorstellungen entwickelt sich eine Siedlung positiv, wenn einerseits die Flächennutzung mit zunehmender Arbeitsteilung intensiviert und vielfältiger wird, und wenn andererseits Bevölkerung und Regionalprodukte wachsen. Voraussetzung für dieses Ergebnis der Regionalentwicklung sind allerdings laufende Verbesserungen der zwischenstandörtlichen „Infrastruktur" und „Bodenordnung". Unter diesem Aspekt ist eine intensivere und vielfältigere Nutzung der betrachteten Fläche, nur durch mehr und vielfältigere zwischenstandörtliche Austauschbeziehungen (im Sinne von Kommunikation und Handel) möglich. Die Zunahme des zwischen-
2. Technologie des Standortes
99
standörtlichen Faktor- und Güteraustausches erfordert einen entsprechenden Ausbau der dafür geeigneten Leitungssysteme der Infrastruktur. Den Ausbau der Infrastruktur kann man sich nach zwei Dimensionen vorstellen: (1) in der Ausweitung der einzelnen Leitungssysteme durch eine wachsende Zahl der angeschlossenen Standorte, dies verbunden mit der Bündelung und Kapazitätserweiterung der einzelnen Wege und (2) in der Zahl der nach Faktor- und Güterarten spezialisierten einzelnen Leitungssysteme. Die Strukturbildung von Siedlungen durch den Ausbau der Infrastruktur betrifft sowohl die Dimension „Anzahl der an ein System angeschlossenen Standorte" als auch die Dimension „Vielfalt der die Siedlung erschließenden Leitungssysteme": A m Anfang der hier gedachten regionalen Entwicklung steht somit ein, bezogen auf die Flächenwidmung, diffuser, (eher ungeregelter) zwischenstandörtlicher Faktor- und Güteraustausch über kaum markierte (und somit relativ Undefinierte) Wege. Die gedachte Entwicklung der Siedlungsstruktur zielt auf eine infrastrukturelle Verknüpfung sämtlicher Standorte in der Weise, daß jeder Standort durch Schaffung entsprechender Bezugs- und Absatzverhäitnisse mit Hilfe von Infrastrukturinvestitionen für bestimmte Nutzungstechniken (aufgrund entsprechender Kosten-Nutzen-Kalkulationen) geeignet gemacht wird; dabei ist die Art der verknüpfenden Leitungen von der Art und Menge der ausgetauschten Nutzungsfaktoren bzw. -ergebnisse bestimmt. Der Vielfalt der standörtlichen Nutzungen steht innerhalb der Siedlungsstruktur die Vielfalt der infrastrukturellen Leitungssysteme gegenüber.
Jedes auf „ursprünglichen" Verhältnissen aufbauende infrastrukturelle Leitungssystem kann dabei als Stimulus der regionalen Arbeitsteilung interpretiert werden, begünstigt es doch auf den angeschlossenen Standorten spezielle Produktionen auf der Basis bodengebundener Ressourcen; unter dem Aspekt gilt die folgende, graphentheoretisch orientierte Definition: Das infrastrukturelle Leitungssystem ist der geometrische Ort aller Punkte, auf welchen die Kombination bestimmter Nutzungsfaktoren von verschiedenen angeschlossenen Standorten möglich ist. Standorte, in denen die meisten Leitungssysteme und solche mit der größten Reichweite koinzidieren, haben das größte Kombinationspotential; Standorte, die nur an einzige Leitungssysteme mit nur geringer Reichweite angeschlossen sind, haben das geringste Kombinationspotential. Leitungssysteme der Infrastruktur sind den Eigentümern sämtlicher angeschlossener Standorte zugleich verfügbar; in ihnen sind somit die Verfügungs- und Nutznngsrechte der Eigentümer sämtlicher angeschlossener Standorte zugleich konzentriert und geregelt. Synchron mit dem Ausbau der Infrastruktur entsteht die Bodenordnung als gewissermaßen komplementärer strukturbildender Faktor der Siedlung. Die Regelung von territorialem Eigentum durch Grenzziehungen erscheint erst als notwendig, wenn die ursprünglich als im Niemandsland verstreut liegend gedachten Nutzflächen durch Kultivierung Wert erhalten und soweit ausgedehnt werden, bis das ursprüngliche Niemandsland zusammengeschrumpft und schließlich als Fläche verschwunden ist, und bis sich die Besitzansprüche verschiedener Personen auf denselben Boden beziehen. Von diesem Zeitpunkt an sind die Grenzsysteme der Bodenordnung erforderlich, um jedes Stück Boden einem bestimmten Eigentümer zuzuordnen.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Die Ausweitung der Bodenordnung kann man sich, analog wie den Ausbau der Infrastruktur, nach zwei Dimensionen vorstellen: (1) in der Ausweitung der einzelnen Grenzsysteme durch eine wachsende Zahl der erfaßten Standorte und der im einzelnen umfaßten Standorte (als Äquivalent zur Bündelung der Infrastruktur: territoriale Hierarchie) und (2) in der Zahl der nach (Stör-) Faktor- und Güterarten spezialisierten einzelnen Grenzsysteme. Die Strukturbildung von Siedlungen durch den Ausbau der Bodenordnung betrifft — analog wie durch den Ausbau der Infrastruktur - sowohl die Dimension „Anzahl der von einem Grenzsystem er- und umfaßten Standorte" als auch die Dimension „Vielfalt der in der Siedlung durch spezielle Grenzsysteme differenzierten Eigentums-, Verfügungs- und Nutzungsrechte". A m Beginn der hier gedachten Regionalentwicklung war das Bodeneigentum relativ unpräzise markiert. Die gedachte Entwicklung der Siedlungsstruktur zielt auf eine nutzungsspezifische Widmung des einzelnen Standorteigentums in der Weise hin, daß sämtliche Standorte entsprechend den an den Nutzungsergebnissen bewerteten Erfordernissen und nach ihrer Eignung als Nutzungseigentum einzelnen Personen zugeordnet werden können. Dabei ist die Art und Menge der eigentumsregelnden Barrieren am Konfliktpotential, welches aufgrund der zwischenstandörtlichen Konkurrenzverhältnisse in bezug auf Nutzungs- bzw. Störfaktoren entsteht, orientiert. Der Vielfalt der standörtlichen Nutzungen steht somit innerhalb der Siedlungsstruktur (neben einer entsprechenden Vielfalt der infrastrukturellen Leitungssysteme) die Vielfalt der (eigentumswidmenden und -regelnden) Grenzsysteme der Bodenordnung gegenüber.
Jedes auf „ursprünglichen" Verhältnissen aufbauende eigentumsregelnde Grenzsystem kann als Stimulus zur standörtlichen Besitznahme interpretiert werden, signalisiert es doch Sicherheit und Nutzungsrecht in bezug auf bestimmte Gelegenheiten. Unter diesem Aspekt gilt die folgende, graphentheoretisch orientierte Definition:
Das Grenzsystem der Bodenordnung ist der geometrische Ort aller Punkte, auf welchen die Interessenkollision in bezug auf bestimmte Nutzungs-(Stör-)faktoren durch Regelung (Widmung) vermieden wird. (Zweckmäßigerweise sollte deshalb die Beschaffenheit der Grenzsysteme am Konfliktpotential orientiert sein.)
Die Grenzsysteme der Bodenordnung sind als gedachte Reduktion von Niemandsländern - im Gegensatz zu den Leitungssystemen als Infrastruktur - keinen Eigentümern zugeordnet („geometrischer Ort des Niemandslandes"). Sie sind deshalb nicht nutzbar. Die hier skizzierte Entwicklung der Siedlungsstruktur, erklärt mit Hilfe der strukturbildenden Faktoren „Infrastruktur" und „Bodenordnung", kann bei Anwendung der graphentheoretischen Terminologie und Methodik simuliert werden, indem die zueinander komplementären Leitungs- und Barrieresysteme in der graphentheoretischen Abbildung, der realen Entwicklung entsprechend, schrittweise um einzelne Kanten und Knoten, sowie um zusätzliche (neue Systeme abbildende) Graphen ergänzt werden.
2. Technologie des Standortes
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Mit Hypothesen über die nutzungsergebnisbezogene Standortqualität als Funktion der standörtlichen Infrastruktur- und Eigentumsbedingungen sind nun die politischen Bedingungen für die Kanten- bzw. Knotenergänzung („Standortproduktion") zu erfragen. Mit Hilfe eines derartigen Simulationsmodells können schließlich bei Kenntnis der spezifischen Investitionsabsichten oder -kriterien der Gebietskörperschaften die Nutzungsveränderungen im Siedlungsgefüge kalkuliert werden.34
34
Theoretische Hinweise auf die Zuordnungsregeln beim Ausbau der Infrastruktur und der Bodenordnung in der Siedlungsentwicklung finden sich unter anderem bei J. Schumpeter („Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung", „Kapitalismus, Sozialismus, Demokratie"), in W. Christaller („Die zentralen Orte in Süddeutschland"), A. Lösch („Die räumliche Ordnung der Wirtschaft") und E. v. Böventer („Theorie des räumlichen Gleichgewichts").
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte In der ökonomischen Standort- und Landschaftsstrukturtheorie gelten die natürlichen, infrastrukturellen und verfügungsrechtlichen Eigenschaften der Standorte in der Regel als Daten, deren Veränderbarkeit kaum diskutiert wird. Das wissenschaftliche Interesse ist vielmehr konzentriert auf die Frage der optimalen Verteilung der wirtschaftlichen Aktivitäten über die a priori als vorgegeben betrachteten Standorte der besiedelten Fläche. Den Argumenten der so ausgeprägten Raumwirtschaftstheorie folgend, wird in diesem Kapitel die Nutzbarkeit von Standorten analysiert. Somit bleibt hier wie dort das für die Regionalentwicklung so bedeutsame Investieren und Intervenieren des Staates (durch Infrastrukturmaßnahmen und Nutzungsbeschränkungen) außerhalb der Betrachtung.
3.1. Begriffe, Annahmen und Befunde zur Standortnutzung 3.1.1. Begriffliche Grundlagen der standörtlichen Nutzungstheorien Die Zuordnung von Standorten und Tätigkeiten mit jeweils entsprechend definierten Eigenschaftsprofilen gilt als ein zentrales Problem der analytischen Regionalwissenschaft. Je nach Erkenntnis oder Politikinteresse wird dann diese Zuordnung an unterschiedlichen technologischen, ökonomischen oder politischen Eignungskriterien orientiert. In der einschlägigen Literatur (und in noch stärkerem Maße in interdisziplinären Diskussionen) werden die Begriffe Standort und Nutzung aus verschiedenen theoretischen und methodischen Zusammenhängen gelöst und dadurch mit verschiedenem Sinngehalt verwendet. Dies wäre an sich kaum bemerkenswert, wenn nicht bei der quantitativen Analyse und bei der wissenschaftlichen und politischen Bewertung (sowohl bezüglich der Eingangsdaten als auch bezüglich der empirischen Befunde) die Begriffe Standort und Nutzung mit von den ursprünglichen Intentionen abweichenden Inhalten versehen worden wären. So werden beispielsweise in der Planungsliteratur nicht selten Tätigkeitsklassen, die aus individuellen Zeitbudgets vor allem nach dem Kriterium der Gleichzeitigkeit (oder gar als Residualkategorie) aggregiert worden sind (wie etwa die Tätigkeitsklasse „Erholung"), a priori mit standortbezogenen Präferenzen belegt (wie etwa die Aussage: „Dienstleistungen haben eine regional kontraktive Tendenz"); Werturteile also, die erst das Ergebnis einer Mikroanalyse erbringen kann. Unter diesen Aspekten erschiene es immerhin konsequent, wenn sich (1) um die volkswirtschaftliche Theorie der optimalen Landschaftsstruktur einerseits und (2) um die technologischen Begründungen der Regionalplanung andererseits unterschiedliche Terminologien zum Zuordnungsproblem Standort - Tätigkeit entwickelt hätten. Analysiert man jedoch die literarischen Beiträge sowohl der regionalwissenschaftlichen Theoretiker als auch der Planungspraktiker verschiedener Denkrichtungen, dann fällt auf, wie sehr sich sowohl die Terminologie als auch die Argumentationsketten wechselseitig durchdringen; dies allerdings mit dem Ergebnis, daß die Assoziationen der Leser und Diskutanten in deutlich zunehmendem Ausmaß fehlgeleitet werden. Kennzeichnend für diesen Befund erscheint, daß gegenwärtig die Praktiker der Stadt- und Regionalplanung wieder mit Nachdruck über die Verneblung der „wahren" Probleme durch die Theoretiker klagen.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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Die Zuordnung von Standorten und Tätigkeiten kann analysiert werden • im Vergleich von Standorten und Tätigkeiten nach Eigenschaftsprofilen, d. h. durch eine Analyse der einzelstandörtlichen Nutzungs- und Niederlassungsbedingungen sowie der tätigkeitsspezifischen Standorteignung und • in den Ursachen einzelstandörtlicher Nutzungsveränderungen und deren Rückwirkungen auf die übrigen Standortnutzungen im betrachteten Gebiet als dynamische Analyse der gebietlichen Nutzungsstruktur. Unter dem Titel „Standorttheorie" werden in der regionalwissenschaftlichen Literatur in der Regel die einzelwirtschaftlichen Bedingungen der Standorteigentümer, insbesondere der Grundstücksbesitzer, Und jene der Betriebseigentümer, hier vor allem die der produzierenden Unternehmungen und der konsumierenden Haushaltungen, analysiert und einander gegenübergestellt. Im Rahmen der „Landschaftsstrukturtheorie" und der „Theorie des räumlichen Gleichgewichts" hingegen werden die gesamtwirtschaftlichen Bedingungen der zwischenstandörtlichen Komplementarität und Konkurrenz von verschiedenen Standorteigentümern sowie von verschiedenen Unternehmungen und Haushaltungen als Standortnutzer betrachtet. Sieht die theoretische betriebs- und volkswirtschaftliche Literatur zum Thema „Standortnutzung" fast immer sowohl die Zahl der Standorte und deren räumliche Anordnungsmuster als auch deren einzelne Ausstattungsfaktoren mit natürlichen und gemachten (insbesondere infrastrukturellen) Faktoren als unveränderbar gegeben an, so konzentrieren sich die Argumentationen der genannten Theorien auf die optimale Zuordnung der Tätigkeit zu diesen Standorten nach einzelwirtschaftlichen Kriterien. Unter diesem Aspekt wird in der Regel die Eignung verschiedener Standorte für eine definierte Tätigkeit analysiert und optimiert (das Problem des „optimalen Standortes") oder die Eignung verschiedener Tätigkeiten für einen bestimmten Standort mit dem Ziel der Optimierung variiert (das Problem der „optimalen Nutzung"). Indem so entweder von der Existenz alternativer Tätigkeiten im Falle der Standortoptimierung oder von der Existenz alternativer Standorte im Falle der Nutzungsoptimierung abstrahiert wird, erscheinen diese Partialmodelle nur für die Marginalanalyse der Individualentscheidung interessant. Die Integration der Partialmodelle in räum wirtschaftliche Gesamtmodelle führt allerdings nur unter der benannten Bedingung konstanter Standortverhältnisse zur Konvergenz in einem sogenannten räumlichen Gleichgewicht. Es erscheint jedoch fraglich, ob dieses eher statische Bild der Wirklichkeit auch nur annähernd entsprechen kann. In der Literatur zur Stadt- und Regionalplanung, wo die Standortbedingungen als manipulierbar angesehen und behandelt werden, gelten andere Kriterien für die Zuordnung von Tätigkeiten und Standorten. Von bestimmten politisch anerkannten Grundbedürfnissen der Bevölkerung abgeleitet werden gebietsweise Versorgungsund Sicherheitsnormen zunächst auf die sogenannten Daseinsfunktionen („Wohnen", „Arbeit", „Erholung", „Bildung", „Verkehr", . . . ) bezogen. Auf diesem Normierungsprinzip ist die „Flächenwidmung" als Planungsverfahren begründet, indem dort das Ausmaß der zwischenstandörtlichen Beziehungen, bewertet nach Normen für Größtabstände zwischen komplementären Aktoren (Kommunikation, Versorgung) und für Mindestabstände zwischen sich störenden Aktoren (Sicherheit, Schutz), zum Klassifikationskriterium für die Standortnutzung erhoben wird. Zweifellos bleiben bei diesem Kriterium technologische Unterschiede zwischen den Nutzungsarten, sofern sie sich nicht auf die zwischenstandörtlichen Beziehungen auswirken, unberücksichtigt.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Berechtigterweise läßt sich indessen einwenden, daß die aus Analysen der individuellen Zeitbudgets abgeleiteten sogenannten Daseinsgrundfunktionen (vgl. auch die „städtischen Funktionen" der „Charta von Athen") als Bewertungsgrundlage für die zwischenstandörtlichen Beziehungen der Betriebe (Unternehmungen und Haushaltungen) nach den Kriterien der Komplementarität und Verträglichkeit relativ unzweckmäßig sind. Somit erscheint eine neue Klassifikation der Tätigkeiten nach einer komplementaritäts- und verträglichkeitsspezifischen Abstandsfunktion als Grundlage für eine den stadtentwicklungspolitischen Zielen besser entsprechende Flächenwidmung erforderlich und der Tragweite des Problems angemessen. Es muß jedoch bedacht werden, daß Flächenwidmung, als Teil der Bauleitplanung interpretiert, Randbedingungen primär für die Baumassendichte - Verteilung und für die Gebäudegestalt setzt und nur sekundär (bzw. mit Hilfe der Gewerbepolizei) die besondere Art der Gebäude- und Standortnutzung beeinflussen kann. Insofern ist schon aus Kontrollgründen eine relativ grobe Klassifikation der standörtlichen Tätigkeiten bzw. Nutzungsarten durchaus gerechtfertigt.
Aus diesen Bemerkungen kann gefolgert werden, daß im Rahmen der volkswirtschaftlichen Landschaftsstrukturtheorie die wirtschaftlichen Tätigkeiten als Standortnutzungen in hohem Maße differenziert worden sind (oder: differenzierbar gemacht worden sind) und daß die Beziehungen zwischen den Betrieben (Unternehmungen und Haushaltungen) als Standortnutzer vielfältig in dynamischer Betrachtungsweise analysiert worden sind. Dabei wurden jedoch Menge, Anordnung und Einzelausstattung der Standorte nur oberflächlich und fast prinzipiell statisch betrachtet. Das bedeutet, daß bei der Konzentration der ökonomischen Analyse auf den „marginalen Standortnutzer" die Dynamik der Standortbedingungen bzw. des Standortgefüges, als politikinduzierter Prozeß, weitgehend unbeachtet blieb. Im Gegensatz dazu werden im Rahmen der einschlägigen Konzepte zur Stadt- und Regionalplanung (per definitionem) die Mengen, Arten und Anordnungsmilster von Standorten seit jeher als variabel angesehen, das theoretische Interesse konzentrierte sich hier auf die Gestaltung der Merkmale des „marginalen Standortes". Dies geschah unter Vernachlässigung der technologischen Veränderungen auf der Nutzungsseite,sowie der sozialen Prozesse in den Beziehungen zwischen den Nutzern; zwei Argumenten, die schon wegen des hohen Aggregationsniveaus der Flächenwidmung kaum erkannt wurden. Diese Kritik an der in der Regel allzu einseitigen literarischen Behandlung des Problems der Zuordnung von Standort und Tätigkeit spiegelt sich auch darin wieder, wie wenig differenziert und wenig zweckbezogen die Begriffe „Standort" und „Nutzung" verwendet werden. Kennzeichnend erscheint zunächst die häufig synonyme Verwendung von Standort, Fläche und Boden nicht nur im Kontext zur Nutzung (also: Standortnutzung = Flächennutzung = Bodennutzung). In aller Regel wird hier die Dimension der Bodenordnung ausgeblendet, indem von den territorialen Grenzen und hoheitlichen Nutzungsrestriktionen durch Widmung als jenen Kategorien, durch welche Grundstücke oder auch Gemeinden erst als verfügungsrechtliche Einheiten begreifbar werden, abstrahiert wird. Erst durch Grenzziehung und Widmung werden Standorte für einen potentiellen Nutzer benutzbar. Zugleich sei bemerkt, daß die gleiche Fläche oder Bodenmenge einer unterschiedlichen Menge von Eigentümern und somit gleichartigen konkurrierenden oder verschiedenartigen komplementären Nutzern zugeordnet werden kann. Eine in anderem Sinn eingeschränkte Sicht der Standortproblematik wird in der Eigenschaftsbezeichnung „Lage" deutlich: Mit dem Begriff „Lage" wird nur allzu oft verunklart, daß die räumliche Verbindung von Standorten und damit die Komplementaritäts- und Konkurrenzbeziehungen zwischen den Standortnutzern sowohl durch die Infrastruktur als
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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auch durch die Bodenordnung relativiert sind, und daß sie durch entsprechende Investitionsmaßnahmen ständig manipuliert werden. Die für die Verwendung des Begriffs Standort skizzierte Unschärfe wird durch eine nicht minder problematische Vieldeutigkeit des Begriffs Nutzung ergänzt. Dabei reicht die Breite der Assoziationen von • Standortnutzung ist definiert durch eine Flächenwidmungskategorie (z. B. „Wohnen", „Arbeiten", „Erholen", . . . im Sinne von „Daseinsgrundfunktionen" oder aufbauend auf den „städtischen Funktionen" gemäß der „Charta von Athen") • Standortnutzung ist definiert durch einen sogenannten Wirtschaftssektor (z. B. „primärer Sektor", „sekundärer Sektor", „tertiärer Sektor", . . . ) im Sinne der Klassifikationen von C. Clark (Reifegrad als Klassifikationskriterium der Produktion) oder von J. Fourastie (Produktivitätsfortschritt als Klassifikationskriterium). • Standortnutzung ist definiert durch spezielle technische Prozesse in Betrieben, wie sie in der mikroökonomischen Produktions- oder Konsumfunktion abgebildet werden. Problematisch und unzweckmäßig erscheint jede dieser Definitionen von wirtschaftlicher Tätigkeit für die funktionale Zuordnung zu Standorten solange, wie im Hinblick auf bestimmte Eignungskriterien (wie: wirtschaftlicher Erfolg) das aus der definierten Tätigkeit ableitbare Profil der nachgefragten Standorteigenschaften nicht auf ein äquivalent differenziertes Profil der Eigenschaften eines angebotenen Standortes bezogen werden kann. Dieses Problem wird beispielsweise aktuell, wenn im Rahmen sogenannter Standortfaktorenkataloge standörtliche Ausstattungsfaktoren mit betrieblichen Niederlassungsbedingungen verglichen werden, um regionalpolitische Entscheidungshilfen für die Industrieansiedlung zu gewinnen. Unter diesen Aspekten wird dem regionalanalytischen und -politischen Zuordnungsproblem von Standort und Tätigkeit vermutlich am ehesten eine Definition von Standortnutzung gerecht, in welche (1) die standortbezogenen Eigentumsverhältnisse (2) die zwischenstandörtlichen Austausch- und Störeffekte und (3) die standortbezogene Differenzierung sozialer Rollen konstitutiv eingehen.
3.1.2. Empirische Regelhaftigkeiten bei Standortentscheidungen Standortentscheidungen beziehen sich • auf die Art und Weise, wie eine Person (Haushaltung, Unternehmung) ihren Standort verwendet (Nutzungsart, technologische Nutzungsfunktion) und • auf den Standort, welchen eine Person (Haushaltung, Unternehmung), für eine bestimmte Verwendung (technologische Nutzungsfunktion) auswählt. Im Rahmen der Regionalwissenschaft wird das so umrissene Standortproblem sowohl (1) empirisch-deduktiv als auch (2) modellorientiert-induktiv analysiert.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Zu (1): Empirisch-deduktiv wird das Standortproblem als rollenspezifisches Verhalten einzelner Personen in einer durch Sachen und Institutionen definierten räumlichen Umwelt behandelt. Diese Betrachtungsweise ist vor allem an folgenden Fragen orientiert: • Wie nehmen die Menschen in ihren besonderen Rollen, mit ihren besonderen Interessen und mit ihrem besonderen Verständnis ihre räumliche Umwelt wahr? (Wahrnehmungsproblem) und • Wie reagieren sie — dabei bewertend — auf die von ihnen wahrgenommene räumliche Umwelt? (Bewertungsproblem) Diese eher öko-psychologische Interpretation des Standortproblems basiert auf der Vorstellung eines einfachen Reiz-Reaktions-Schemas: Eine bestimmte räumliche Umwelt stimuliert Personen mit bestimmten Wahrnehmungsfähigkeiten (Erfahrungen, Talenten, Fertigkeiten) und bestimmten Bedürfnissen zu bestimmten umweltverändernden Handlungen. Dabei entstehen lernend neue Erfahrungen, mit denen die zukünftige Wahrnehmungsfähigkeit beeinflußt wird. In seinem Verhalten drücken sich die Präferenzen des einzelnen aus. Zu (2): Modellorientiert-induktiv werden Standortentscheidungen aus dem Rationalitätskalkül der mikroökonomischen Theorie erklärt und prognostiziert: Danach entscheiden Personen (Haushaltungen und Unternehmungen) über Standortnutzung und Standortwahl mit dem Ziel, ihren Nutzen zu maximieren oder zumindest ein für sie befriedigendes Nutzenniveau zu erreichen. Diese Betrachtungsweise führt vor allem zu folgender Frage: • Welche Standortentscheidung ist bei bestimmten (rollenspezifisch variierenden) subjektiven Präferenzen in einer bestimmten Menge von objektiv unterscheidbaren Alternativen die nutzenmaximale bzw. die günstigste? Bei dieser mikroökonomischen, in der Regionalwissenschaft dominierenden Betrachtungsweise wird das Standortproblem auf eine Zuordnung bestimmter Mittel zu bestimmten Zielen reduziert. Reale Abweichungen von den durch Präferenzen meist a priori definierten Optimalsituationen werden meist mit Informationsmängeln bei den betreffenden Entscheidungsträgern erklärt. Die mikroökonomische Standorttheorie beschreibt somit vor allem die Konsequenzen zweckrationaler Entscheidungen einzelner Wirtschaftssubjekte unter dem Aspekt, daß diese (über Märkte) wechselseitig voneinander abhängen.
Um die, auch in dieser Raumplanungstheorie vorherrschende, mikroökonomische Argumentationsweise zu ergänzen, werden im folgenden einige öko-psychologische Befunde zum besseren Verständnis der bestehenden Standortnutzung referiert. Für die Interpretation von Standortentscheidungen gelten dabei vor allem solche empirischen Regelhaftigkeiten als relevant, die das Verhalten von einzelnen Personen in ihren verschiedenen Rollen (als Familien vorstand, als Arbeitnehmer, als Betriebsinhaber, als Erholungssuchender . . .) gegenüber bestimmten Standorttypen (wie Wohnstandorten, Betriebsstandorten, Erholungsstandorten, Versorgungsstandorten . . .) kennzeichnen. Die öko-psychologische Argumentation baut auf folgenden (hier stark vereinfachten) Vorstellungen auf. Das individuelle Verhalten erklärt sich • aus der Umwelt mit ihren personalen, materialen und institutionellen Reizen und • aus der Persönlichkeit mit ihren Wahrnehmungsfähigkeiten (Erfahrung, Fertigkeiten und Talente) und ihren Bedürfnissen.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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Die wechselnden räumlichen Umwelten werden vom einzelnen selektiv und subjektiv verschieden wahrgenommen; dies, indem bestimmte Umweltelemente mangels spezieller Wahrnehmungsfähigkeit (fehlendes Verständnis u. a.) gleichsam ausgefiltert, andere interessen- oder bedürfnisbestimmt überbetont werden. Um den Raster subjektiver Wahrnehmungen abzubilden, wird im Rahmen der Sozialpsychologie (vgl. dazu W. Mol?1) der psychische Raum vom physischen unterschieden: Im psychischen Raum wird allein die vom einzelnen wahrgenommene Umwelt in ihren subjektiv bewerteten Elementen (als sogenannte „behavior settings") geordnet abgebildet (und gegebenenfalls in der Form sogenannter „mental maps" kartographisch reproduziert). Hingegen entspricht dem physischen Raum die gleichsam objektive (geltenden Konventionen entsprechende), geographische Anordnung der Personen, Sachen und Institutionen. Die vom einzelnen wahrgenommenen Elemente des psychischen Raumes, die „behavior settings", sind nach R. G. Barker36 vorgeprägte Verhaltensmuster (meist) mehrerer Personen in komplementären Rollen und in bestimmten standörtlichen Milieus. Als Beispiel eines behavior settings beschreibt W. Molt (nach R. G. Barker) das Fußballspiel, dem der Fußballplatz genauso wie die Spieler, die Schiedsrichter, die Zuschauer, die Reporter u. a. zugerechnet werden. In einem behavior setting, wie dem Fußballspiel, stimmen verschiedene Personen in ihren besonderen Rollen und Motiven ihr Handeln aufeinander ab. Andere, ähnlich strukturierte behavior settings werden mit Begriffen wie „Wohnen" (bestimmte Tätigkeiten von Familienangehörigen in einem bestimmten gebauten Wohnmilieu), „Arbeiten" (bestimmte Tätigkeiten mit Kollegen in einem bestimmten umbauten Arbeitsplatz), „Einkaufen" (Einkaufsstraße, Läden, Verkäufer, Ladenregale, Preisvergleich, Warteschlange, Autoparkplatz) u. a. assoziiert und individuell verschieden im psychischen Raum eingeordnet. Als Erlebnisse wiederholen sich behavior settings im allgemeinen an bestimmten Standorten und zu bestimmten Zeiten; auf diese Weise entstehen im psychischen Raum einer jeden Person bestimmte Strukturen von behavior settings, welche als „Synomorphe" bezeichnet werden. Insbesondere K. Lewin37 hat mit dem Ziel, subjektive Wahrnehmungen und Bewertungen nachzuzeichnen, den psychischen Raum in der Weise definiert, daß seine Elemente auf elementare Bedürfnisse, wie „Privatheit" und „Öffentlichkeit" bzw. „Besitz" und „Kommunikation" bezogen werden können. Unter diesem Aspekt werden die Begriffe „Territorium" und „Orbit" als Grundkategorien des psychischen Raumes definiert: Als Territorium gilt ein als Eigentum besetztes Gebiet, innerhalb dessen sämtliche fremden Aktivitäten kontrolliert, bewertet und sanktioniert werden. Im Gegensatz dazu ist der Orbit eine Fläche, die vom einzelnen regelmäßig benutzt wird, die ihm Öffentlichkeit bietet, die jedoch seiner Kontrolle entzogen ist. Die Orbits verschiedener Personen überlagern sich im psychischen (und physischen) Raum konfliktfrei, während zwischen den Territorien verschiedener Personen (und auch entsprechender Sozialgruppen) eindeutige, mit Sanktionen belegte Grenzen bestehen. Analog zum physischen Raum wird nach K. Lewin auch der psychische Raum durch Wege und Barrieren gegliedert bzw. organisiert.
35
vgl. dazu: Molt, W., Raum- und Sozialverhalten, in: Atteslander, P. (Herausgeber), Soziologie und Raumplanung, Berlin, 1976
36
vgl. dazu: Barker, R. G., Ecological Psychology, Stanford/USA, 1968; zitiert u. a. in Fox K. A . , Social Indicators and Social Theory, New York, 1974 vgl. dazu: Lewin, K., Topologische Psychologie, Bern, 1969
3
'
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Man mag sich vorstellen, daß die behavior settings, als individuelle Erlebnisse, durch psychische Wege erschlossen und von psychischen Barrieren umfaßt sind. Um individuelles Verhalten wie Standortentscheidungen öko-psychologisch zu interpretieren, wird definitorisch unterstellt, daß der einzelne die Wege und Barrieren seines psychischen Raumes nach seinen Erfahrungen und Bedürfnissen mit speziellen Widerständen (subjektiv) bewertet, um auf diese Weise seine eigentumsbezogene Verteidigungsbereitschaft und seine öffentlichkeitsbezogene Kommunikationsbereitschaft („Lokomotion") zu steuern. Auf diesem begrifflichen Vorverständnis aufbauend wurden im Rahmen der ÖkoPsychologie und deskriptiven Soziologie' für das Standortverhalten der Haushaltungen und Unternehmungen wichtige Erkenntnisse gewonnen. Aus den empirischen Befunden zum Standortverhalten des einzelnen (wahrnehmen, besetzen; ausnutzen, benutzen) wird hier vereinfachend auf folgende, für die Raumplanung relevante, Regelhaftigkeiten geschlossen: (1) (2) (3) (4)
Standort Wahrnehmungsregel, Standortbesetzungsregel, Standortausnutzungsregel und Standortbenutzungsregel.
Zu (1): Die Standortwahrnehmungsregel Die Standortwahrnehmungsregel bezieht sich auf die Transformation des physischen zum psychischen Raum. Standorte des physischen Raumes (mit ihren natürlichen, infrastrukturellen und verfügungsrechtlichen Eigenschaften sowie mit ihrer realen und potentiellen Nutzung) werden im psychischen Raum als behavior settings erlebnishaft aufgenommen und gegebenenfalls als persönliche Chance bewertet. Dabei gilt: • Je häufiger ein Standort mit seinen Aktivitäten als „behavior setting" bzw. ais Erlebnis wahrgenommen wird, desto bedeutsamer erscheint er im psychischen Raum des einzelnen. • J e mehr ein Standort mit seinen Aktivitäten als „behavior setting" den auf Erfahrungen gründenden Bedürfnissen entspricht, desto bedeutsamer erscheint e r im psychischen Raum des einzelnen. Zu (2): Die Standortbesetzungsregel Das „in Besitznehmen" und „Besetzen" von Standorten beruht auf einem elementaren Bedürfnis der Menschen nach einer ihnen exklusiv eigenen (und als solcher anerkannten) gebietlichen Intimsphäre. Als gebietlicher Besitz (sei es nun in Eigentum, Pacht oder Miete) wird ein Grundstück oder eine überbaute Geschoßfläche je nach individueller Macht in einer mit der Flächengröße abnehmenden Intensität gegen Störungen und Störenfriede verteidigt. Dabei kann man sich die von einer Person (oder auch: von einem Kollektiv wie Familie, Betrieb, Gemeinde . . .) besetzte Fläche als zonal gegliedert vorstellen: Um den durch ein maximales Bedürfnis nach Intimität und Privatheit gekennzeichneten Mittelpunkt bestehen ringförmige Zonen mit radial abnehmenden Bedürfnis nach Zugangskontrolle. Schließlich verliert sich das Interesse an Zugangskontrolle und Verteidigungsbereitschaft in einer gewissen Entfernung im sogenannten Orbit, wo das Interesse an spontaner Begegnung und Kommunikation, das Interesse an einem unkontrollierten Erlebnis der Öffentlichkeit („Urbanität") zunimmt.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
109
k Öffentlichkeitsbezogenes T Kommunikationsbedürfnis
Die Bedürfnisse des einzelnen, sein Gebiet zu kontrollieren, kommen in den sogenannten „proxemics" (vgl. E. T. Hall nach W. Molf*) zum Ausdruck: Danach können die Zonen eines von einer Person „besetzten Gebietes" entfernungsspezifisch nach dem Grad und der Reichweite ihrer Zugangskontrolle unterschieden werden:
• in einen Kernbereich intimer Distanz, der durch die Funktionen „lieben, Trösten und Schätzen" mittels Körperkontakt gekennzeichnet ist. Gegen unerwünschte Körperkontakte hat der einzelne starke Abwehrmechanismen entwikkelt. • in eine erste Ringzone persönlicher Distanz: Dieser Bereich wird durch Beziehungen zu Personen bestimmt, die dem einzelnen „nahe stehen", ohne daß Intimkontakte gepflegt werden. Als beispielhaft gelten Gespräche zwischen Bekannten in einer Wohnung und zwischen Kollegen am Arbeitsplatz. Das Eindringen dieser Personen in die „Armlängen-Distanz" wird im allgemeinen als störend empfunden und entsprechend sanktioniert. • in eine zweite Ringzone sozialer Distanz: In diesem Bereich werden gewöhnlich unpersönliche Geschäfte (Einkauf u. ä.) erledigt. • in eine dritte Zone öffentlicher Distanz: Dort fehlt die persönliche Beteiligung, Flucht und Abwehrbewegungen sind möglich. 38
vgl. dazu: Hall, E. T., The hidden dimension, Garden City/N. Y., 1966 und Molt, W., Raumund Sozialverhalten, in: Atteslander, P., (Herausgeber), Soziologie und Raumplanung, Berlin, 1976
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Nach H. P. Bahrdf ist das individuelle Bedürfnis des einzelnen nach geschützter Privatheit und nach einem guten Zugang zur Öffentlichkeit grundlegend für sein räumliches Verhalten und für seine Standortentscheidungen. Das Bedürfnis des einzelnen nach Kontrolle des eigenen Gebietes bezieht sich vor allem darauf, • positive Beziehungen zu Partnern und Freunden (komplementäre Aktoren, Gleichgesinnte) zu erleichtern und • Störungen eigener Tätigkeiten zu vermeiden bzw. zu behindern. Unter dem Aspekt der Komplementarität und Subsidiarität organisieren sich Individuen zu Kollektiven (Familie, Betrieb, Gemeinde . . .). Auch dabei gilt im Prinzip die Standortbesetzungsregel, nun allerdings in entsprechend größeren gebietlichen Dimensionen. Zu (3): D i e Standortausnutzungsregel Die Standortausnutzungsregel bezieht sich auf die Verwendung des eigenen bzw. besetzten Standortes und beruht auf dem Bedürfnis jedes einzelnen, dieses Eigentum (1) zur Ersparnis persönlicher Arbeit und/oder (2) zur Verbesserung der persönlichen Position in der Gesellschaft einzusetzen. Unter diesem Aspekt gilt der Standort als ein exklusiv verfügbares Bündel günstiger Gelegenheiten. Von diesen standörtlich gebündelten Gelegenheiten wirkt auf den Eigentümer ein Reiz zur entsprechenden Ausnutzung. Danach gilt: • Je umfangreicher ein Standort mit günstigen (natürlichen, infrastrukturellen, verfügungsrechtlichen) Eigenschaften ausgestattet und je besser seine räumliche Lage ist. desto intensiver und desto komplexer wird er genutzt. • Je höher der wirtschaftliche und soziale Status (Macht) einer Person (als Haushaltsvorstand oder als Betriebseigentümer) ist, desto besser ausgestattet und desto besser die Lage der Standorte, die er mit seiner Wohnung und seinem Betrieb besetzt. Umgekehrt gilt die Qualität eines Standortes als Statussymbol für seinen Eigentümer und Nutzer. • Personen mit höherem sozialen und wirtschaftlichen Status (Macht) nutzen ihren Wohnstandort im allgemeinen weniger intensiv und weniger komplex als Penionen mit niedrigerem Status. Standortqualität
sozialer Status Nutzungskomplexität " und Nutzungsintensität Abb. 33. 39
Standortqualität und Standortausnutzung
vgl. dazu: Bahrdt, H. P., Die moderne Großstadt, rororo, Hamburg, 1961
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
111
Standortqualität
Nutzungskomplexität und -intensität sozialer Rang des Nutzers, "" Statuswert Abb. 3.4.
Standortqualität und sozialer Status des Standortnutzers
Zu (4): Die Standortbenutzungsregel D i e Standortbenutzungsregel bezieht sich auf j e n e individuellen Bedürfnisse, die auf f r e m d e n Standorten befriedigt werden. Dabei gilt: • Je häufiger ein fremder Standort von einer Person benutzt wird, desto bedeutsam e r ist er in dessen psychischem R a u m . Daraus folgt das Bedürfnis, die reale Distanz zwischen eigenem und fremdem Standort im Ausmaß der Benutzungshäufigkeit zu verringern. • Die Menge der von einer Person benutzten Standorte wird durch die Benutzungshäufigkeit der einzelnen Standorte sowie durch Benutzungsdauer und die Reisezeiten zwischen den benutzten Standorten bestimmt. Daraus folgt: Person e n . die über schnelle Verkehrsmittel verfügen und/oder in Gebieten mit einer großen Nutzungsvielfalt (großstädtischen Agglomerationen) leben, benutzen mehr Standorte als Personen, die in verkehrlich schlecht erschlossenen Gebieten mit nur wenigen Nutzungsarten (sogenannte periphere Gebiete) leben. Benutzungshäufigkeit
Entfernung zwischen eigenem und benutztem Standort Abb. 3.5.
Benutzungshäufigkeit und Entfernung zwischen eigenem und benutztem Standort
3.1.3. Zur Rationalität der Standortnutzung Bei d e r Standortnutzung aktiviert ein K o n s u m e n t oder Produzent die Potential-
faktoren
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
• • • •
Standort, Arbeitskraft bzw. Kaufkraft, Nutzungskapital und technisches Wissen. Die Aktivierung dieser Potentialfaktoren setzt voraus, daß deren Eigentümer bereit sind, ihr Eigentum dem Standortnutzer zur Verfügung zu stellen. Falls diese eigentumsbezogenen Rollen nicht in einer Person zusammenfallen, müssen deshalb vor jeder Standortnutzung zwischen den Eigentümern der verschiedenen Potentialfaktoren vertragliche Vereinbarungen über deren Benutzung und/oder Leistungsabgabe getroffen werden. Damit ist die Nutzung von Standorten zunächst ein Entscheidungsproblem: Unter mehr oder weniger Alternativen entscheiden verschiedene Wirtschaftssubjekte darüber, wo und wie sie ihre Potentialfaktoren arbeiten lassen. Dabei unterstellen wir im allgemeinen, daß sich die Eigentümer die Benutzung und Leistungsabgabe ihrer Potentialfaktoren höchstmöglich entgelten lassen. Erst die Aktivierung der Potentialfaktoren führt (1) zur Güterproduktion, bei der auf Betriebsstandorten bestimmte Einsatzfaktoren kombiniert werden, und (2) zum Güterkonsum, bei dem auf den Standorten von Haushaltungen Güter zur Genußerzeugung und zur Erhaltung der Potentialfaktoren (insbesondere der Arbeitskraft) kombiniert werden. Die Einsatzfaktoren der Produktion werden ebenso wie die Konsumgüter in der Regel käuflich erworben. Während jedoch die Potentialfaktoren der Standortnutzung durch Eigentümer-Verträge (Miet-, Arbeits-, Darlehensverträge u. ä.) längerfristig gebunden und relativ indisponibel sind und somit „fixe Kosten" verursachen, gelten die Einsatzfaktoren der Produktion und die Verbrauchsgüter, hier gemeinsam „standörtliche Nutzungsfaktoren" genannt, als kurzfristig entscheidbar und variabel. Verträge über die standörtliche Zuordnung der Potentialfaktoren werden in unserem Gesellschaftssystem über Märkte (Standortmarkt, Arbeitsmarkt, Kapitalmarkt u. a.) begründet. Die Probleme der marktmäßigen Zuordnung der Potentialfaktoren zur Standortnutzung sollen hier nicht mit der Frage nach der Herkunft der Potentialfaktoren vermischt werden. Daß die Potentialfaktoren zur Standortnutzung, insbesondere die Standorte selbst, Ergebnis eigener Produktionsprozesse sind und daß sie permanent vermehrt und verbessert werden, ist Gegenstand einer anderen Betrachtung in Teil II dieses Buches. Wenn hier unterstellt wird, daß die Zuordnung der Potentialfaktoren zur Standortnutzung marktlich und privatwirtschaftlich geregelt ist, dann wird damit nicht ausgeschlossen, daß nicht auch der Staat in diesem Geschehen eine wesentliche Rolle spielt: Die Gebietskörperschaften, insbesondere die Gemeinden, beeinflussen den Standortmarkt (Grundstücksmarkt) vielmehr in zweierlei Hinsicht. (1) Indem sie dessen Rahmenbedingungen (bis zur Teilung des Grundstücksmarktes in Märkte für Wohn-, für Gewerbe-, für Büro- u. a. Grundstücke durch Flächenwidmung) bestimmen und (2) indem sie als Anbieter und als Nachfrager nach Standorten in der Rolle von privaten Wirtschaftssubjekten (mit besonders starker Marktposition) auftreten. Betrachtet man Standortnutzung als Ergebnis von privatwirtschaftlichen Entscheidungen einzelner Potentialfaktor-Eigentümer (im Sinne von Verträgen zwischen
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
113
Marktpartnern), dann lassen sich für die Analyse die Instrumente der mikroökonomischen Theorie anwenden. Im Rahmen der MikroÖkonomik werden für den besonderen Bereich der Standortnutzung folgende Fragen gestellt und beantwortet: • Welche Prinzipien bestimmen das Verhalten der einzelnen Wirtschaftssubjekte in der Rolle von Produzenten und Konsumenten von Gütern (Waren und Dienstleistungen) und Produktionsfaktoren; welche Prinzipien bestimmen ihr Verhalten als Anbieter und Nachfrager auf dem Faktor- und Gütermarkt? • Welche Konsequenzen hat das Verhalten einzelner Wirtschaftssubjekte auf die Handlungsspielräume der anderen, sofern die Austauschbeziehungen über Preise marktlich geregelt sind? Im Rahmen der mikroökonomischen Theorie wird prinzipiell unterstellt, daß die Wirtschaftssubjekte in jeder ihrer Rollen (als Eigentümer der verschiedenen Potentialfaktoren, als Produzenten und Anbieter oder als Konsumenten und Nachfrager von Gütern) ihren eigenen Nutzen bis zu einem höchstmöglichen (oder zumindest bis zu einem sie befriedigenden) Ausmaß anstreben. (Eigennutz-Axiom) Bei der Analyse der Standortnutzung werden diese allgemein gefaßten Annahmen der mikroökonomischen Theorie übernommen und zur Erklärung von standortbezogenen Optimalsituationen wie • die optimale Nutzung eines bestimmten Standortes • der optimale Standort für eine bestimmte Nutzungsart, • der Preis für einen bestimmten Standort benutzt. In Anlehnung an die mikroökonomische Theorie wird im Rahmen der überlieferten Standortnutzungstheorien auch unterstellt, daß sich alle am Marktgeschehen beteiligten Personen in ihren besonderen Rollen beim Anstreben ihres Eigennutzes zweckrational verhalten. Das bedeutet: Jeder am Marktgeschehen Beteiligte kennt seine rollenspezifischen Ziele und Mittel und jeder setzt seine Mittel ausschließlich und in der wirkungsvollsten Weise zur Erreichung seiner Ziele ein. Im Gegensatz zur empirisch beschreibenden Analyse ist die Annahme der Zweckrationalität für die mikroanalytische Erklärung sozialer Prozesse erforderlich. Es muß jedoch bewußt bleiben, daß die der mikroökonomischen Theorie zugrundeliegende Annahme der Zweckrationalität bei weitem nicht genügt, um das wirkliche Verhalten der Menschen als Zusammenhang zwischen ihren Motiven und Wirkungen in der Welt der natürlichen und gemachten Sachen und Normen abzubilden. Die Aussage gilt in besonderem Maß für die folgenden Ausführungen zur Standortausnutzung. Folgende spezielle Annahmen werden für die mikroökonomische Erklärung der Standortnutzung aus den allgemeinen Annahmen zweckrationalen Verhaltens zum Eigennutzmaximum abgeleitet: (1) Die Wirtschaftssubjekte beziehen ihr Einkommen aus dem Verkauf ihrer Produktionsfaktoren. Sie verwenden ihr Einkommen zum Erwerb von Eigentums- oder Nutzungsrechten über Güter und Faktoren. Standorte gelten dabei ebenso wie Arbeitskraft, Nutzungskapital und Wissen über Nutzungsfunktionen als Potentialfaktoren, die entweder verkauft oder aus denen Renteneinkommen erzielt werden können. Standorte gelten zugleich als nutzbare Güter. (2) Die Wirtschaftssubjekte bewerten die Güter und Faktoren nach dem ihnen gestifteten Nutzen. Unter diesen Aspekten gelten sie als in der Lage, den Wert von Standorten und Nutzungsarten zumindest ordinal zu bewerten. Das
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
bedeutet, daß die einzelnen Standortnachfrager die Standorte eines Gebietes nach ihrer dort zu realisierenden Nutzungsfunktion wertmäßig in einer Rangfolge reihen; das bedeutet auch, daß die einzelnen Standorteigentümer (Grundstücksbesitzer, Bürgermeister u.a.) die alternativen Nutzungsfunktionen, die auf ihrem Standort alternativ realisiert werden können, wertmäßig reihen. (3) Anbieter und Nachfrager von Gütern und Faktoren werden unter der Annahme analysiert, daß sie die Preise, zu denen sie verkaufen und kaufen, im einzelnen nicht beeinflussen können, vielmehr bestimmen die individuellen Entscheidungen der Anbieter und Nachfrager in ihrer Gesamtheit den Preis. (Annahme der vollkommenen Konkurrenz) Vor allem die letztgenannte Annahme der vollkommenen Konkurrenz setzt voraus, daß • die gehandelten Güter homogen sind • Anbieter und Nachfrager so zahlreich sind, daß ihre Marktposition bezüglich des Umsatzvolumens sehr klein ist • Anbieter und Nachfrager über die Marktverhältnisse vollständig informiert sind • alle Kauf- und Verkaufswilligen einen ungehinderten Marktzugang haben. Auf dem Standortmarkt, wo die Standorteigentümer als Anbieter, die Eigentümer von Nutzungskapital und von technologischem und Management-Wissen (Produktions- und Konsumfunktion) in der Rolle von Standortnutzern als Nachfrager auftreten, sind die Annahmen der vollkommenen Konkurrenz nur sehr beschränkt gültig; denn • Standorte sind keine homogenen Güter, sie können nur über zusätzliche Annahmen analog behandelt werden; • oft existieren auf Standortmärkten Angebot- und Nachfragemonopole; • weder die Anbieter noch die Nachfrager von Standorten sind vollständig über die Marktverhältnisse informiert. Makler nehmen die Informationsfunktion nur in Verbindung mit eigenem Interesse wahr; • der Marktzugang wird durch gebietskörperschaftliche Privilegien (Vorkaufsrechte, Begünstigtenlisten u. ä.) stark gestört. U m zu verstehen, warum Standort- und Nutzungsentscheidungen der Unternehmer und Haushaltsvorstände von den theoretisch erwarteten (am Eigennutzmaximum orientierten) Werten abweichen, sei hier auf das wahrnehmungspsychologische Problem der „kognitiven Dissonanz" hingewiesen: Danach betrachten viele Menschen ihren gegebenen standörtlichen Handlungsspielraum gleichsam durch eine die negativen Eigenschaften ausfilternde Brille und beurteilen diese Situation als besonders wünschenswert (subjektiv: befriedigend); dies unabhängig von der Tatsache, daß sie andernorts mit ihren Mitteln ein (nach gleichsam objektiven Kriterien meßbares) höheres Nutzenniveau erreichen könnten. Unter diesem Aspekt verharren viele Familien in für sie ungünstig gelegenen, schlecht ausgestatteten Wohnungen, behalten viele Betriebe ihren Standort bei, obwohl sich die Konsum- und die Produktionsbedingungen verschlechtert haben und obwohl die Kaufkraft abgewandert ist. Unter diesem Aspekt bleibt auch ein Betriebsinhaber schließlich bei der seiner Meinung nach „bewährten" Produktionsfunktion,
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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obwohl sich die relevanten technologischen Rahmenbedingungen geändert haben. Nach der mikroökonomisch orientierten Theorie der Standortnutzung wird ein solcherart von der Rationalität abweichendes Verhalten der Standortnutzer und Grundstücksbesitzer im Marktprozeß bestraft: Kurzfristig entgeht dem Eigentümer eines Potentialfaktors ein Teil des für die Benutzung erzielbaren Entgeltes, langfristig verliert er sein Eigentum. Da jedoch alle am Marktgeschehen und an der Siedlungsentwicklung beteiligten Wirtschaftssubjekte nur beschränkt (allerdings in unterschiedlichem Ausmaß) über ihre Mittel und deren Wirkungen auf die eigenen Ziele informiert sind, ist jede Entscheidung zur Standortwahl und Standortnutzung mit einer (die Abweichung vom Nutzungsmaximum kennzeichnenden) Irrtumswahrscheinlichkeit behaftet. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß sich mit fast jeder Entscheidung über die Nutzung eines Standortes die Rahmenbedingungen für die Nutzung vieler anderer Standorte verändern: Jede einzelwirtschaftliche Entscheidung hat somit viele Betroffene. Aus diesem Grund ändern sich auch permanent und unvorhersehbar die Kalkulationsgrundlagen für die (zweckrational) optimale Nutzung eines bestimmten Standortes und für den (zweckrational) optimalen Standort einer bestimmten Nutzungsfunktion. Die im folgenden beschriebenen Optimalsituationen sind deshalb von der Realität mehr oder minder entfernte theoretische Konstrukte; dessen ungeachtet sind sie jedoch die im Prinzip wichtigsten Orientierungshilfen für praktisches Handeln. 4 "
3.2. Optimale Zuordnung von Standorten und Aktivitäten 3.2.1. Standörtliche Nutzungsfunktionen Standortnutzungen werden hier als zweckmäßige und spezialisierte Tätigkeiten auf Standorten im Rahmen der arbeitsteiligen Wirtschaft verstanden. Im einzelnen werden unterschieden: (1) Produktionsprozesse, die als Kombinationen und Transformationen von Rohstoffen verstanden werden, die auf dem betrachteten Standort abgebaut werden, mit Faktoren, die von anderen Standorten bezogen werden, zu Gütern, die auf dem betrachteten Standort verzehrt und auf anderen Standorten abgesetzt werden. Von so produzierten und zu vermarktenden Gütern sind Nebenprodukte zu unterscheiden, die als Abfallstoffe auf dem betrachteten Standort abgelagert oder zu anderen Standorten abgeleitet werden und unter Umständen dort mögliche Nutzungen behindern oder verhindern (Schäden, Störungen). (2) Konsumprozesse, interpretiert als Kombinationen und Transformationen von Gütern, die auf dem betrachteten Standort gewonnen oder von andernorts bezogen werden, zu Faktoren (fertigkeitenspezifische Arbeitskraft, Kaufkraft), die auf dem betrachteten Standort ge- oder verbraucht oder andernorts im Betrieb (nach marktmäßiger Bewertung) eingesetzt werden (Reproduktion). Auch beim Konsum ergeben sich Abfallstoffe, die andernorts die Nutzungen negativ beeinflussen können. 40
vgl. dazu: Albert, H., Erkenntnis und Entscheidung. Die Wertproblematik in kritizistischer Sicht; in: Albert, H., Traktat über kritische Vernunft, Tübingen, 1968
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Es wird im folgenden unterstellt, daß Standortnutzung entweder in Betrieben als Ausübung produktiver Tätigkeiten oder in privaten Haushaltungen als Ausübung konsumtiver Tätigkeiten realisiert wird. Innerhalb der Kategorien produktive und konsumtive Tätigkeiten lassen sich eine Vielzahl von Nutzungsarten unterscheiden. Jede Nutzung der Art n und der Menge N ist gekennzeichnet • durch einen definierbaren Zweck bzw. durch ein nach Art und Menge definiertes Produkt als Tätigkeitsziel (output) • durch die verfugbaren Produktionsmittel, das sind die Arten und Mengenverhältnisse der zu kombinierenden und transformierenden Potentialfaktoren. Als Potentialfaktoren der Nutzung gelten in diesem Sinne: • der nach seinen Ausstattungseigenschaften (-faktoren) gekennzeichnete Standort (Standortbedingungen) • die nach produktiven bzw. konsumtiven Fertigkeiten gekennzeichnete Arbeitsbzw. Kaufkraft • das nach seinen technischen Eigenschaften gekennzeichnete investierte Sadikapital und • die Machtmittel zur Durchsetzung einer bestimmten Betriebsorganisation sowie das verfügbare flüssige Kapital. Diese Produktionsmittel sind innerhalb eines jeden Betriebes (produzierende Unternehmung oder konsumierende Haushaltung) in Form von infrastrukturellen Gelegenheiten, Arbeitsplätzen (Konsumplätzen), Maschinen, Gebäuden und Kommunikations- und Versorgungsleistungen auf eine besondere Art und Weise angeordnet bzw. organisiert (Nutzungstechnik). Eine bestimmte Nutzungsart ist weiter gekennzeichnet • durch die Arten- und Mengenverhältnisse der zu kombinierenden und transformierenden Nutzungsfaktoren (inputs) • durch die mehr oder minder unzweckmäßigen Nebenprodukte, die als Abfall (-Stoffe, -energien, -informationen) abgelagert bzw. abtransportiert werden müssen. Für die folgenden Analysen relevant ist die Tatsache, daß die Beziehbarkeit der Inputs und die Absetzbarkeit der Outputs in besonderem Ausmaß durch den Potentialfaktor „Standort" limitiert wird. Es sind die infrastrukturellen Gelegenheiten als standörtliche Leitungsanschlüsse, über welche die Beziehbarkeit der Einsatzfaktoren (mit Ausnahme der unmittelbar verfügbaren Ressourcen des eigenen Bodens) und die Absetzbarkeit der Produkte nach Kosten und Kapazität bewirkt werden, es sind die eigentumssichernden Barrieren, durch welche die Störmöglichkeiten aus der Nachbarschaft begrenzt und damit die Nutzbarkeit des betrachteten Standortes gesichert werden. Wie im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Standorttheorie und im Rahmen der volkswirtschaftlichen Landschaftsstrukturtheorie üblich, werden die standörtlichen Vektoren der bodenmäßigen, infrastrukturellen und bodenordnungsbezogenen Ausstattungsfaktoren als gegeben und immobil betrachtet. Die übrigen Potentialfaktoren (Arbeitskraft, nutzungsspezifisches Kapital) der Standortnutzung werden als mobil angesehen. Danach erscheint es sinnvoll, die Beziehung zwischen den Einsatzfaktor-
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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mengen einerseits und dem Nutzungsergebnis andererseits als standörtliche Nutzungsfunktion zu bezeichnen. In dieser sind die Einsatzfaktormengen-Werte und die Produktionsmenge auf die standörtlichen Ausstattungsfaktoren bezogen: Auf diese Weise werden die Nutzungsfunktionen (Einzelfaktoren und Güter der Produktionsund Konsumprozesse) standortspezifisch u. a. mit den von der Infrastrukturqualität abhängigen Transportkosten gewichtbar. Die standörtliche Nutzungsfunktion hat demnach folgende allgemeine Form q(P¡) = f(vj), wobei v{ = f( Xi ) dabei ist qipf) = die Menge des Produktes (Nutzens) k, das (der) auf dem Standort i erzeugt werden kann vj = die Menge der erforderlichen Einsatzfaktoren j, die auf Standort i zugleich verfügbar sind x¡ = die Ausprägung der Ausstattungsfaktoren des Standortes i, welche die Menge der erforderlichen Einsatzfaktoren vi limitieren Das Problem der standörtlichen Nutzungsfunktion liegt wohl darin begründet, daß implizit von einer optimalen Zuordnung zwischen den Einsatzfaktoren und dem Produkt einerseits und den standörtlichen Ausstattungsfaktoren andererseits ausgegangen werden muß. Diese Zuordnung ist jedoch, wie später ausgeführt wird, nicht eindeutig; können doch über eine bestimmte infrastrukturelle Gelegenheit verschiedene Einsatzfaktoren und über verschiedene Gelegenheiten dieselben Einsatzfaktoren bezogen werden. Unter diesem Aspekt muß der die Nutzungsfunktion beschreibende Vektor, der Einsatzfaktor- (bzw. Nutzungsfaktor-) Koeffizient, ( a ¡ j ) , auf den einen Standort i beschreibenden Vektor der Ausstattungsfaktor-Koeffizienten (welche die Qualität und Kapazität der Standortausstattung kennzeichnen), (b,), abbildbar gemacht werden. Die Abbildung der Nutzungsfaktoren auf die Ausstattungsfaktoren ist durch eine sogenannte nutzungsfaktorspezifische Eignungsfunktion für jeden standörtlichen Ausstattungsfaktor möglich: a
ij
=
wobei
Cjjbj, Cy = dem nutzungsfaktrospezifischen Eignungskoeffizienten eines standörtlichen Ausstattungsfaktors entspricht bj = Vektor der standörtlichen Ausstattungsfaktoren
Die standörtliche Nutzungsfunktion entspricht somit einer speziellen mikroökonomischen Produktions- oder Konsumfunktion. Im besonderen können standörtliche Nutzungsfunktionen (wie die Produktionsfunktion eines Betriebes) als gerichtete Graphen abgebildet werden, wenn — der Realität weitgehend entsprechend — unterstellt wird, daß bestimmte input-Faktoren in einer (durch die zugrundeliegende Nutzungstechnologie) festgelegten Reihenfolge kombiniert und sukzessive zu dem bestimmten Nutzungsergebnis (output) transformiert werden. In einem diesen Prozeß abbildenden Nutzungsgraphen repräsentieren (ähnlich wie die Argumente in einer mikroökonomischen Produktions- oder Konsumfunktion) die Knoten die inputFaktormenge und das Nutzungsergebnis (output), während die Kanten die Arbeit der eingesetzten personalen Fertigkeiten, der materialen Leitungen, Maschinen und Gebäude des Nutzungskapitals ausdrücken. Knoten und Kanten können jedoch außer geleisteter Arbeit, wie im Nutzungsgraphen, auch die nutzungsspezifischen Kapazitäten des Rohstofflagerabbaus, die infrastrukturellen Gelegenheiten sowie die Lei-
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
stungsfähigkeiten der Betriebselemente abbilden. Mit einem derartigen standörtlichen Nutzungskapazftätsgraphen kann für eine bestimmte Nutzungsfunktion auf einem bestimmten Standort das maximale Nutzungsergebnis aufgrund eines kritischen Engpasses bei einem der Knoten oder bei einer der Kanten gekennzeichnet werden. ei, e 2 personale Fertigkeiten, Leitungen, Maschinen, Gebäude des Nutzungskapitals v,
über infrastrukturelle Gelegenheit vermittelter input-Faktor
v2
bodengebundener Rohstoff
v3
über infrastrukturelle Gelegenheit abgesetzter Output
Standortgrenze
Abb. 3.6. Nutzungsgraph Im folgenden wird als Standortnutzer eine Person bezeichnet, die auf einem bestimmten Standort mit ihren in besonderer Weise technisch ausgeprägten Produktionsmitteln, ihrer Arbeitskraft und ihrem Nutzungskapital ein bestimmtes Nutzungsergebnis (entweder ein gewinnbringendes Produkt oder einen nutzen[genuß-¡stiftenden Güterverzehr) erzielen möchte. Der Standortnutzer besitzt zumindest Informationen darüber, mit welcher Nutzungstechnik (Produktions- oder Konsumfunktion) ein bestimmtes Nutzungsergebnis an einem bestimmten Standort erzielt werden kann. Wenn man rationales Verhalten unterstellt, dann wird ein Betriebseigner (Unternehmer oder Haushaltsvorstand) sämtliche angebotenen Standorte im Hinblick auf ihre nutzungsspezifische Eignung bewertend vergleichen, bevor er den seinen Präferenzen entsprechend günstigsten Standort auswählt. (Dieses Verhalten gilt unter der unrealistischen Annahme, daß die Informationskosten vernachlässigt werden können.) Der optimale Standort für einen Nutzer ist in der Regel jener, auf welchem seine Nutzungsfunktion maximiert, im besonderen kostenminimal realisiert wird. Unter diesem Aspekt wird er schließlich auch die Eignungsfunktion zwischen Ausstattungs- und Nutzungsfaktoren sowie die Distanzen zu den komplementären und konkurrierenden Aktoren bewerten. (Daß hierbei letztlich die infrastruktur- und distanzabhängigen Transportkosten eine dominante Rolle spielen, wird in dem folgenden Überblick zur Entwicklung der „Theorie des optimalen Standortes" dargestellt .) Der Entscheidungsspielraum eines Betriebseigners (bezogen auf eine produzierende Unternehmung oder eine konsumierende Haushaltung) umfaßt somit sämtliche Niederlassungsalternativen in einem Gebiet. Unterstellt man, daß der Nutzer nicht nur für jene Ausstattungsfaktoren ein Entgelt bezahlen muß, die er benutzt, sondern auch für die nicht in seine Nutzungsfunktion eingehenden, so ergibt sich, daß der optimale Standort für ihn nicht unbedingt der absolut bestausgestattete und am besten gelegene Standort im Gebiet ist.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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Je nach Art der in einer Nutzungsfunktion kombinierten input-Faktoren und je nach Art des Nutzungsergebnisses (sowohl bezüglich der vermarktbaren Güter oder Faktoren als auch bezüglich der Abfallstoffe) können sich in einer arbeitsteiligen Wirtschaft die Interessen der verschiedenen Nutzer (1) ergänzen und stützen oder (2) stören und gegenseitig ausschließen. In diesem Sinne ist eine bestimmte Nutzungsfunktion zu einer anderen komplementär, wenn das Ergebnis (bzw. der Output) der einen Nutzungsfunktion Einsatzfaktor (bzw. input) der anderen Nutzungsfunktion ist (Zwischennutzungskomplementarität). Komplementaritätsbeziehungen zwischen Nutzungsfunktionen sind somit als Faktor- und Güterströme („Verkehrsmenge") realisiert und werden über die verschiedenen Leitungssysteme der Infrastruktur und schließlich über standörtliche Gelegenheiten vermittelt. Hingegen ist eine bestimmte standörtliche Nntzungsfunktion zu einer anderen konfliktär, wenn das Ergebnis (bzw. die Ursache) der einen Nutzungsfunktion die Realisierung der anderen unmöglich macht (Zwischennutzungs- bzw. Nutzerkonflikt). Konfliktsituationen zwischen standörtlichen Nutzungsfunktionen stellen sich in der Realität dar (1) als Ströme von Abfallprodukten (wie Lärm, Abgase), die auf dem betrachteten Standort bestimmte Nutzungen behindern oder verhindern (diese Vorstellung entspricht ungefähr jener von „externen Effekten") oder (2) als Güterströme die bestimmte für die betrachtete Nutzungsfunktion notwendige Inputfaktoren entziehen oder die Absatzlager für die betreffenden Güter auf anderen Standorten überfüllen. Unverträglichkeit zwischen Nutzungen sind identisch mit der Konkurrenz verschiedener Nutzer auf denselben Faktor- und/oder Gütermärkten. In der regionalen Dimension werden Unverträglichkeiten zwischen Nutzungen durch die verschiedenen eigentumdefinierenden und sichernden Grenzsysteme der Bodenordnung geregelt. (In diesem Zusammenhang erscheint auch die Gewerbeordnung relevant. 41 )
3.2.2. Der optimale Standort für eine bestimmte Nutzungsfunktion Die Frage nach dem optimalen Standort für eine bestimmte Nutzungsfunktion stellt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht (1) für einen Unternehmer, der mit flüssigem Kapital und einem bestimmten technischen Wissen (eventuell in Ergänzung anderer Betriebe) eine neue Produktionsstätte errichten will und (2) für einen Haushaltungsvorstand, der aufgrund bestimmter Präferenzen (wie guter Zugang zu Einkaufs-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, ruhige Lage, bestimmte Standortausstattung) eine Wohnung bestimmter Qualität und Größe sucht. Ohne daß dies theoretisch bei ihrer Ableitung ausgeführt wird, sind die meisten „räumlichen Interaktionsmodelle" nur durch unterstellte Komplementaritätsbeziehungen zwischen verschiedenen Nutzungsarten auf verschiedenen Standorten sinnvoll.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
(3) Im Prinzip gilt diese Frage auch für die Verortung jeder öffentlichen Einrichtung. Aufgrund der Annahme, daß die Eignung eines Standortes für eine bestimmte Tätigkeit letztlich durch die Transportkosten für den Bezug der Inputfaktoren und für den Absatz des Produktes bestimmt werden, ist das Problem des optimalen Standortes schon sehr früh gesehen und unter einer Reihe vereinfachender Annahmen auch mit Hilfe verschiedener Methoden gelöst worden. Die grundlegenden theoretischen Arbeiten zum Problem der unternehmerischen Standortwahl stammen von Wilhelm Launhardt und Alfred Weber. Die Standortwahl des Industriebetriebs nach W. Launhardt Wohl als erster hat Wilhelm Launhardt die Bedeutung der Transportkosten für die Standortwahl von Industrieunternehmen! untersucht: Er schreibt: „Die Bestimmung des Standortes einer gewerblichen Anlage ist in der Regel in entscheidender Weise von der Lage der Gewinnungsorte der Roh- und Hilfsstoffe und dem Verwendungsort des fertigen Gutes abhängig. Neben der Berücksichtigung dieser Transportverhältnisse sind in manchen Fällen freilich auch noch andere Umstände in Betracht zu ziehen, wie z. B. die örtlich verschiedenen Preise für den Grunderwerb, die Ausnutzung einer Wasserkraft, die nicht überall gleichen Bedingungen für den Lebensunterhalt und Lohn der Arbeiter oder für die Heranziehung eines geschulten Arbeitsstammes usw. Diese nur ausnahmsweise entscheidend auftretenden Umstände können aber zutreffend erst dann in Rechnung gezogen werden, wenn die zweckmäßigste Lage des Standortes der gewerblichen Anlage in Abhängigkeit von den Transportverhältnissen bestimmt ist".42 Von Interesse dabei ist die Auffassung, man könne die Wirkungen der anderen, standortbestimmenden Faktoren erst dann in die Analyse einführen, wenn man bereits die Wirkung der Transportkosten isoliert untersucht habe. Diese Auffassung hat später durch A. Weber und seine Nachfolger die theoretische Standortliteratur vollkommen beherrscht. Launhardt geht aus von einer Fläche mit überall und nach allen Richtungen gleich guten Transportbedingungen. Die Kosten werden als proportional zum Gewicht der Ware und zur Transportentfernung, d. h. also zur Anzahl der Tonnenkilometer, angenommen. Den transportkostengünstigsten Betriebsstandort ermittelt W. Launhardt analytisch mit Hilfe des geometrischen Polsatzes. Danach findet er auf einer infrastrukturell homogenen Fläche den optimalen Betriebsstandort als jenen, wo das Produkt aus transportierten Materialgewichten und Entfernungen minimal ist. Die Standortwahl des Industriebetriebs nach A. Weber Unabhängig von Launhardt hat Alfred Weber später die theoretischen und methodischen Grundlagen zur Ermittlung des optimalen Betriebsstandortes wiederholt, verfeinert und ergänzt. Wie bei W. Launhardt lautet die wichtigste These in A. Webers Standorttheorie:
42
Wilhelm Launhardt, Die Bestimmung des zweckmäßigsten Standortes einer gewerblichen Anlage, in: Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, Band 26, März 1882
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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Die Standortwahl eines Industriebetriebes wird vor allem bestimmt durch die Kriterien • Materialpreise auf den Bezugsstandorten • Produktpreise auf den Absatzstandorten • Arbeits- und Bodenkosten auf dem Betriebsstandort • Transportkosten zwischen den Bezugsstandorten und Betriebsstandort sowie zwischen dem Betriebsstandort und den Absatzstandorten Der optimale Betriebsstandort ist jener, wo die produktbezogene Kostensumme minimal ist. Um die Niederlassungsalternativen eines Unternehmers besser vergleichbar zu machen, interpretiert Weber die regionalen Unterschiede in den Material- und Produktpreisen (auf den entsprechenden Faktor- und Gütermärkten) als zusätzliche Transportkosten, in dem er teurere Materialien als entsprechend weiter vom Betriebsstandort entfernt betrachtet. Unter Vernachlässigung der Bodenkosten reduziert A. Weber das Problem der Standortwahl auf die Einflußfaktoren Transport- und Arbeitskosten. Erst wenn die isolierte Betrachtung einer definierten Produktionsfunktion aufgegeben und die Flexibilität der Produktion eines Betriebes zum Argument wird, sind als weiterer Einflußfaktor der Standortwahl die Agglomerationskosten bzw. -vorteile zu berücksichtigen. A. Weber untersucht zunächst den Einfluß der Transportkosten auf die Standortwahl und unterstellt, daß die Höhe der Transportkosten ausschließlich von derEntfernung und dem Gewicht des zu transportierenden Materials abhängt, so daß der Standort, für den die Transportkostenbelastung am niedrigsten ist, rein technisch als „tonnenkilometrischer Minimalpunkt" charakterisiert werden kann. Entscheidend für die Transportkosten ist die Beschaffenheit des in der Produktion eingesetzten Materials. Die in die Produktion eingehenden materialen Einsatzfaktoren werden von A. Weber eingeteilt in: (1) „Lokalisiertes Material": Stoffe, deren Gewinnung an bestimmte Orte, Fundorte, gebunden ist. • Reingewichtsmaterial: das mit seinem vollen Gewicht in die Produktion eingeht. • Gewichtsverlustmaterial: das gewichtsmäßig entweder nur zum Teil oder überhaupt nicht im Fertigerzeugnis enthalten ist. (2) „Ubiquitäten": Stoffe, die praktisch überall vorkommen, deren Gewinnung nicht an bestimmte Fundstellen gebunden ist. Den Einfluß, den die Transportkosten je nach Beschaffenheit des Materials auf den Industriestandort nehmen, wird mit Hilfe des sogenannten Materialindex verdeutlicht. Materialindex =
Gewicht der lokalisierten Materialien Gewicht des Fertigerzeugnisses
Die auf einem Standort für eine bestimmte Produktion aufzuwendende Transportleistung (Entfernung x transportierte Materialmenge) für die insgesamt zu transportierenden Materialien wird als Standortgewicht bezeichnet. Indem A. Weber aufgrund dieser Definitionen die möglichen Lösungen klassifiziert, kommt er zu der Feststellung einer allgemeinen Tendenz: Industrien mit hohem Materialindex sind bezüglich ihres optimalen Produktionsstandortes mehr zu den
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Bezugsorten des input-Materials („material-") orientiert, solche mit kleinem Materialindex sind mehr zu den Standorten der Konsumenten („konsum-") orientiert. Mit Hilfe von sogenannten Isodapanen (das sind nach A. Weber Linien, welche die Standorte mit gleichen Transportkostensummen für eine bestimmte Produktionsfunktion, verbinden) kennzeichnet A. Weber die standörtlichen Transportkostenabweichungen vom Transportkostenminimum des günstigsten Standortes. Als Isovekturen
X A Y Rohstoffquelle Abb. 3.7.
B Markt
Beispiel für die Ermittlung von Isodapanen aus Isovekturen nach A. Weber. Quelle: P. E. Lloyd u. P. Dicken, Location in Space: A Theoretical Approach to Economic Geography, New York, 1972
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werden die Linien gleicher Transportkosten für einen einzelnen Einsatzfaktor bezeichnet. Die Kreise um A und B bedeuten in der obigen Abbildung die Erhöhung der Transportkosten bei einer Verlagerung des Betriebes. Die Transportkosten des Rohmaterials von A nach B sind doppelt so groß als umgekehrt (d. h. in unserem Fall wird angenommen, das Gewicht des Rohmaterials ist zwei mal dem Gewicht des Fertigproduktes).
Solange nur die Transportkosten die Standortwahl des Unternehmens bestimmen, geben die Isodapanen wichtige entscheidungsrelevante Informationen. Der zusätzliche Einfluß der Arbeitskosten auf die industrielle Standortwahl bei gefundenem tonnenkilometrischen Minimalpunkt (transportkostengünstigster Standort) bewirkt eine Ablenkung, und stellt die Arbeitskostenorientierung als einen die Transportkostenorientierung überlagernden Tatbestand dar. Im Sinne dieser begrifflichen Vorstellungen und Thesen definiert Alfred Weber verallgemeinernd einen Standortfaktor als „einen seiner Art nach scharf abgegrenzten Vorteil, der für eine wirtschaftliche Tätigkeit dann eintritt, wenn sie sich an einem bestimmten Ort oder auch generell an Plätzen bestimmter Art vollzieht". 43 Standortfaktoren sind Merkmale, welche die Eignung eines Standortes für bestimmte industrielle Produktionsweisen kennzeichnen. Nach A. Weber können Standortfaktoren folgendermaßen eingeteilt werden: (1) nach dem Umfang ihrer Geltung in • Allgemeine Standortfaktoren, die für jede industrielle Produktion mehr oder weniger von Bedeutung sind (z. B. die Höhe der Transportkosten, der Grundrente, der Arbeitskosten). • Spezielle Standortfaktoren, die nur für bestimmte Industriezweige relevant sind (z.B. mangelnde Haltbarkeit des Rohmaterials oder des Produktes, u. a.). (2) Nach ihrer räumlichen Wirkung in • Regionalfaktoren, welche die Betriebe an geographisch konkret gegebene Punkte ziehen. • Agglomerativfaktoren, durch welche die Unternehmungen in bestimmten Gebieten zusammengeballt werden. • Deglomerativfaktoren, die dezentralisierend wirken. (3) Nach der Art ihrer Beschaffenheit: • Natürlich-technische Standortfaktoren (z. B. Klima, Qualität der Arbeitskraft). • Gesellschaftlich-kulturelle Standortfaktoren. Für seine standorttheoretischen Ableitungen schließt Alfred Weber die speziellen und die gesellschaftlich-kulturellen Standortfaktoren aus, unterstellt eine interregionale Gleichheit der Höhe der Grundrente und betrachtet die Standortgesetzmäßigkeit einer „isolierten Produktion".
43
Alfred Weber, Über den Standort von Industrien, Tübingen 1909 Die Aussagen A. Weber''s wurden im besonderen kritisch reflektiert und in einen umfassenden Kontext gestellt von Tord Palander Beitrag zur Standorttheorie, Uppsala 1935
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Weiterfuhrende Ansätze zum Problem der betrieblichen Standortwahl Das theoretische Konzept von Wilhelm Launhardt und Alfred Weber wurde besonders von Andreas Predöhl44 und Walter Isard'5 fortgeführt, indem diese Autoren die Leistungen des Transportsystems als unmittelbare inputs der Produktionsfunktion interpretieren und - als Output der Produktion - standortbezogene Güter definieren. Indem auf solche Weise nicht nur die verschiedenen input- und outputspezifischen Transportkosten einer bestimmten Nutzungsfunktion untereinander (wie bei W. Launhardt und A. Weber) sondern darüber hinaus auch die Arbeits-, Kapital- und Bodenkosten mit den Transportkosten substituiert werden, ist theoretisch eine Anpassung der Nutzungsfunktion an die Standorteigenschaften in die Argumentation eingeführt: Der Standort selbst wird zu einem Substitut innerhalb der Nutzungsfunktion. Nach ihren technischen Eigenschaften gleiche Güter und Faktoren werden nun nach ihren Produktionsstandorten als verschieden definiert. Vor allem Andreas Predöhl kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, mit Hilfe des Substitutionsprinzips (Analyse der Veränderung der Kostenstruktur einer Nutzung durch „Verschiebung" über die Standorte eines Gebietes) die technologische Argumentation von A. Weber (u. a. in den Dimensionen „Materialgewichte" und geographische Lage) in das Gebäude der Wirtschaftstheorie zu integrieren. Bei ihrem Bemühen, die Theorie A. Weber's mit Hilfe des Substitutionsprinzips zu einer Theorie des raumwirtschaftlichen Gleichgewichts zu erweitern, argumentieren A. Predöhl (verbal) und auch W. Isard (in mathematischer Formulierung) mit gegebenen Bodenrenten. Im Rahmen einer Marginalbetrachtung erscheint dieses Vorgehen gerechtfertigt, bei einer umfassenden Analyse der Regionalstruktur erscheint hingegen eine technologisch weiterführende Erklärung der Boden- bzw. Standortwerte unumgänglich.
3.2.3. Standörtliche Nutzbarkeit Für jeden bestimmten Standort steht die Frage nach der den Präferenzen seines Eigentümers entsprechenden (optimalen) Nutzungsfunktion. Dabei erscheint es wichtig, der Person, der Rolle und den Präferenzen des Betriebseigentümers die Person, Rolle und Präferenzen des Standorteigentümers gegenüberzustellen; denn nur auf der Grundlage eines privatrechtlichen Kontraktes zwischen diesen Rollenträgern kommt eine Standortnutzung zustande. Vor dem Vertrag bietet der Eigentümer seinen Standort (als Offerte von Ausstattungsfaktoren) auf dem Markt an, zu dem prinzipiell jeder Betriebseigner (als Produktionsgelände- oder Wohnungssuchender) Zugang hat; es sei denn, flächenwidmende Normen der Bodenordnung würden bestimmte Nutzungsfunktionen und damit eine Teilmenge niederlassungswilliger Betriebseigner von der Nachfrage ausschließen. In diesem Zusammenhang sei auf die Funktion der Flächenwidmung, Teilmärkte von Standorten zu erzeugen, hingewiesen. Nur bei exakt kalkulierter Aufteilung des Standortmarktes durch die Flächenwidmungsplaner kann vermieden werden, daß sich auf den Teilmärkten für gewidmete Standorte nicht die Angebot-Nachfrage-Verhältnisse und Preisrelationen verzerren.
Während sich das Interesse der niederlassungswilligen Betriebseigner auf dem Standortmarkt darauf konzentriert, sämtliche angebotenen Standorte im betrachteten 44
45
Andreas Predöhl, Das Standortproblem in der Wirtschaftstheorie, in: Welt und Wirtschaftliches Archiv, 21 (1925) Walter Isard, Location and space-economy, A General Theory Relation to Individual Location, Market Areas . . . New York, 1956
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Gebiet nach ihren Ausstattungsfaktoren nutzungsspezifisch zu vergleichen und zu bewerten (nutzungsspezifisches Eignungsprofil der im Gebiet angebotenen Standorte), wird der Standorteigentümer darum bemüht sein, sämtliche Nutzungsfunktionen, die mit niederlassungswilligen Betriebseignern besetzt sind, seiner Präferenz entsprechend zu bewerten. Damit bildet der Standorteigentümer seine Wahlmöglichkeiten in einem standortspezifischen Eignungsprofil der zugelassenen und mit Nachfrage belegten Nutzungsfunktionen ab. Während sich der Entscheidungsspielraum der niederlassungswilligen Betriebseigner auf eine bestimmte Menge von Standorten bezieht, enthält der Entscheidungsspielraum des Standorteigners eine bestimmte Menge von von ihm zu bewertenden Nutzungsfunktionen. Der Entscheidungsspielraum des Standorteigners wird im folgendem als standörtliche Nutzbarkeit bezeichnet. Die Nutzbarkeit eines Standortes in einem Gebiet ist demnach am größten, wenn dort sämtliche Nutzungsfunktionen mit Gewinn verwirklicht werden können, sie ist Null, wenn keine Nutzung mit Gewinn möglich ist. Die standörtliche Nutzbarkeit wird in der Offerte des Standorteigners als Vektor von standörtlichen Ausstattungsfaktoren und Widmungen (als Nutzungsrestriktionen) beschrieben. Dahinter steht die Vorstellung, daß das Bündel der standörtlichen Ausstattungsfaktoren in der Weise auf die Nutzungsfunktionen bezogen werden kann, daß zwischen den Nutzungsfaktoren einerseits und den Ausstattungsfaktoren eines jeden Standortes andererseits eine Eignungsfunktion hergestellt werden kann und daß über diese schließlich die standortspezifischen Ertrags- bzw. Gewinnchancen für jede Nutzungsfunktion ermittelt werden können. Auf diesem Verständnis aufbauend kann für die Rolle des Standorteigners unterstellt werden, daß er seine Standortrente (als Entgelt dafür, daß er seinen Standort dem Nutzer überläßt) aus seiner Marktposition am ehesten mit Hilfe jener Nutzungsfunktion und mit Hilfe jener Betriebseigentümer maximieren kann, die ihrerseits die größten Gewinnchancen (bzw. Nutzerchancen) besitzen. Jede von dieser optimalen Nutzungsfunktion abweichende somit suboptimale Nutzung muß bei rationalem Verhalten des Betriebseigners (einschließlich des Vertragsabschlusses zwischen Standort- und Betriebseigner) zu Lasten der realisierbaren Bodenrente des Standorteigners gehen. Unter diesem Aspekt ist die standörtliche Nutzbarkeit an der Marktposition des Standorteigners zu relativieren. Die absolute standörtliche Nutzbarkeit ergibt sich einzig aus der Menge und Beschaffenheit der Ausstattungsfaktoren des betrachteten Standortes. Hingegen ist die relative standörtliche Nutzbarkeit zusätzlich auf die Ausstattung der übrigen Standorte im betrachteten Gebiet zu beziehen. Die absolute standörtliche Nutzbarkeit ist letztlich gekennzeichnet durch die Arten der beziehbaren Nutzungsfaktoren und die Arten der produzierten Güter sowie im besonderen durch die Bezugspreise und Absatzkosten, soweit sie transportabhängig sind. Dabei sind die Bezugskosten f ü r die Nutzungsfaktoren und die Absatzkosten für die Produkte für die an verschiedene Infrastruktursysteme angeschlossenen Lieferanten und Märkte in verschiedener Distanz zu vergleichen, weil die faktor- und produktionsspezifische Eignung der einzelnen Leitungssysteme der Infrastruktur eventuell gegen die Distanz zu den entsprechenden Lieferanten und Märkten substituiert werden kann. Im übrigen gelten die entsprechenden Ausführungen über die
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Eignungsfunktionen zwischen standörtlichen Ausstattungs- und Nutzungsfaktoren unter Abschnitt 3.2.2. Die absolute standörtliche Nutzbarkeit umfaßt somit sämtliche günstigen, d.h. ertragbringenden Nutzungsfunktionen, die auf dem betrachteten Standort möglich sind. Ihre Zahl ist eine direkte Funktion der Kombinationsmenge über die günstig beziehbaren Nutzungsfaktoren. (Diese formale Hypothese gründet auf der Definition: Eine Nutzungsfunktion ist eine bestimmte Kombination von Nutzungsfaktoren. Danach wird argumentiert: Die Anzahl der wirtschaftlich sinnvollen Nutzungsfunktionen ist eine Teilmenge der theoretisch möglichen.) Über die Beziehung zwischen der Anzahl der standörtlich realisierbaren Nutzungsfunktionen und der Anzahl der verfügbaren Nutzungsfaktoren kann entsprechendes abgeleitet werden über eine Beziehung zwischen der Zahl der standörtlichen Ausstattungsfaktoren und dem Umfang der absoluten standörtlichen Nutzbarkeit.
Ausstattungsfaktoren
Die relative standörtliche Nutzbarkeit ergibt sich aus einem Standortvergleich der absoluten Nutzbarkeiten. Im allgemeinen kann dabei wohl von einer Verteilung der absoluten standörtlichen Nutzbarkeit nach der Rank-Size-Rule ausgegangen werden.
Betrachtet man den Standort i (in der obigen Abbildung), dann ist dessen gebietliche Position durch die Tatsache gekennzeichnet, daß (i—1) Standorteigner über mehr oder bessere Ausstattungsfaktoren verfügen. Das bedeutet, daß (i—1) der niederlassungswilligen Betriebseigner mit entsprechender Nutzungsfunktion einen günstigeren Standort finden können.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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Für die Kalkulation der Niederlassungschance eines Nutzers auf einem bestimmten Standort ist, in dem dargestellten Zusammenhang begründet, die relative standörtliche Nutzbarkeit zugrundezulegen. Nach der Definition des „standörtlichen Nutzungspotentials" sowie nach der Erläuterung des Standortmarktes wird das Problem der nutzerspezifischen standörtlichen Niederlassungsbedingungen im 4. Kapitel detailliert abgehandelt.
3.2.4. Die optimale Nutzung eines bestimmten Standortes Die Frage nach der optimalen Nutzung stellt zunächst der Eigentümer eines Standortes. Geht man davon aus, daß sich das Standorteigentum verschiedene Körperschaften in einem durch Verfassung und Gesetze geregelten Ausmaß teilen, dann berührt die Frage nach der optimalen Standortnutzung die Interessen (1) der Grundstücksbesitzer bezüglich ihres Handlungsspielraumes gegenüber möglichen Nutzern als alternativen Vertragspartnern, (2) der Regierenden in den Gemeinden bezüglich ihres politischen Handlungsspielraums bei der Grundstückserschließung, -parzellierung und -widmung und (3) der Regierenden der Länder und des Bundes bezüglich ihres politischen Handlungsspielraums bei der regionalen Entwicklungsplanung, Raumordnung und bei der kommunalen und länderbezogenen Gebietsreform. Es kann wohl unterstellt werden, daß jede der bezeichneten Personen bzw. Körperschaften versucht, eine Standortnutzung bzw. eine Flächennutzungsstruktur anzustreben, die ihren jeweiligen Präferenzen entspricht. Grundsätzlich stellt sich hier zunächst die Frage, ob die Präferenzen der verschiedenen hier tangierten Eigentümerkategorien („Gebietskörperschaften") übereinstimmen oder ob sie divergieren. Vermutlich lassen sich die Präferenzfunktionen der verschiedenen Eigentümer eines Standortes letztlich auf die Besitzerhaltung und Ertragsvermehrung reduzieren. Diese Aussage impliziert jedoch einzig die Vermutung, daß das gemeinsame Interesse sich auf dieselbe Vorstellung von optimaler Nutzung des betrachteten Standortes beziehen könnte; bei dieser Aussage bleiben mögliche Interessenkonflikte etwa über die Aufteilung der Verfügungsrechte und Erträge unter den verschiedenen Standorteigentümern mit gebietskörperschaftlichem Charakter unberührt. Die Frage nach der optimalen Nutzung eines bestimmten Standortes steht, historisch betrachtet, am Anfang der Standorttheorie und am Anfang der Regionalwissenschaft. Aufgrund der Annahme, daß letztlich die Transportkosten von den Bezugs- und zu den Absatzmärkten der Güter und Faktoren die Standortqualität bestimmten (dieselbe Hypothese begründet auch die Frage nach dem optimalen Standort für eine bestimmte Nutzungsfunktion), wurde von Johann Heinrich von Thünen46 schon vor über 150 Jahren ein Modell der optimalen Flächennutzung entwickelt. Der Problemsicht seiner Zeit und seiner fachlichen Herkunft entsprechend war das Thünensche Flächennutzungsmodell zunächst nur auf die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten im landwirtschaftlichen Bereich bezogen. Die Unterscheidung der sozialen Rollen „Grundstücksbesitzer" und „Grundstücksnutzer" ermöglichten es William Alonso*1, das theoretische 46
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Johann Heinrich von Thünen, Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie, Hamburg 1826 (1. Auflage) William Alonso, A Theory of Urban U n d Market, in PPRSA, Vol. 6, 1960 und ders., Location and Land Use, Harvard 1960
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Konzept von J. H. von Thünen um die Gesamtheit der nichtlandwirtschaftlichen Nutzungsfunktionen zu ergänzen. Durch die Einführung der Rollendifferenzierung verbunden mit der Definition der Angebotsrenten-Funktion kann W.Alonso den Mechanismus des Standortmarktes beschreiben. Die Einbeziehung eines Maßes für die infrastrukturell bestimmte Standortqualität ermöglicht es ihm, das Modell von J. H. von Thünen in der Weise zu verallgemeinern, daß auch die innerstädtische Flächennutzungsstruktur (in der städtischen Flächennutzung fällt, im Gegensatz zur landwirtschaftlichen, in der Regel die Rolle des Grundstücksbesitzers und des Nutzers nicht in einer Person zusammen) erklärt wird. Zum Flächennutzungsmodell von J. H. von Thünen Das landwirtschaftliche Flächennutzungsmodell von J. H. von Thünen basiert auf folgender Definition der Boden- bzw. Landrente: „Wir müssen die Gutseinkünfte von dem Ertrage, den der Boden an sich gibt, genau unterscheiden. Ein Gut ist stets mit Gebäuden, Einzäunungen, Bäumen und anderen Gegenständen von Wert, die vom Boden getrennt werden können, versehen. Die Einkünfte, die ein Gut gewährt, entspringen also nicht ganz aus dem Grund und Boden, sondern sind zum Teil nur Zinsen des in diesen Wertgegenständen steckenden Kapitals. Was nach Abzug der Zinsen vom Wert der Gebäude, des Holzbestandes, der Einzäunungen und überhaupt aller Wertgegenstände, die vom Boden getrennt werden können, von den Gutseinkünften noch übrig bleibt, und somit dem Boden an sich angehört, nenne ich Landrente. Wer ein Gut kauft, auf welchem sämtliche Gebäude, Bäume und Einzäunungen niedergebrannt sind, wird bei der Veranschlagung des Werts zwar zuerst berechnen, welchen Reinertrag dieses Grundstück, nachdem es mit Gebäuden etc. versehen ist, geben wird - dann aber die Zinsen des auf Errichtung der Gebäude etc. zu verwendenden Kapitals in Abzug bringen, und nach der dann übrig bleibenden Rente den Kaufpreis bestimmen." In seinem Modell setzt von Thünen zunächst die Bodengüte über sämtliche betrachteten Standorte gleich, dann bezieht er die gesamte Landwirtschaft im betrachteten Gebiet auf einen einzigen städtischen Markt: „Man denke sich eine sehr große Stadt in der Mitte einer fruchtbaren Ebene gelegen, die von keinem schiffbaren Flusse oder Kanale durchströmt wird. Die Ebene selbst bestehe aus einem durchaus gleichen Boden, der überall der Kultur fähig ist. In großer Entfernung von der Stadt endige sich die Ebene in eine unkultivierte Wildnis, wodurch dieser Staat von der übrigen Welt gänzlich getrennt wird. Die Ebene enthalte weiter keine Städte, als die eine große Stadt, und diese muß also alle Produkte des Kunstfleißes für das Land liefern, so wie die Stadt einzig von der sie umgebenden Landfläche mit Lebensmitteln versorgt werden kann. Die Bergwerke und Salinen, welche das Bedürfnis an Metallen und Salzen für den ganzen Staat decken, denken wir uns in der Nähe dieser Zentralstadt — die wir, weil sie die einzige ist, künftig schlechthin die Stadt nennen werden — gelegen." Aus diesen Annahmen zum Modell des isolierten Staates folgerte von Thünen zunächst fragend: „Es entsteht nun die Frage: wie wird sich unter diesen Verhältnissen der Ackerbau gestalten, und wie wird die größere oder geringere Entfernung von der Stadt auf den Landbau einwirken, wenn dieser mit der höchsten Konsequenz betrieben wird."
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
JS^J Frei« Wirischaft
Abb. 3.1«.
ForstWirtschaft
S i l FfuchtwccftsdWillschalt
U m KoppelWirtschaft
129
EM3
Eil
DrcifdderWirtschaft
Vkfhzucht
„Der isolierte Staat" nach J. H. Thünen
Seine Befunde faßt er dann wie folgt zusammen: „Es ist im allgemeinen klar, daß in der Nähe der Stadt solche Produkte gebaut werden müssen, die im Verhältnis zu ihrem Wert ein großes Gewicht haben, oder einen großen Raum einnehmen und deren Transportkosten nach der Stadt so bedeutend sind, daß sie aus entfernten Gegenden nicht mehr geliefert werden können; so wie auch solche Produkte, die dem Verderben leicht unterworfen sind und frisch verbraucht werden müssen. Mit der größeren Entfernung von der Stadt wird aber das Land immer mehr und mehr auf die Erzeugung derjenigen Produkte verwiesen, die im Verhältnis zu ihrem Wert mindere Transportkosten erfordern. Aus diesem Grunde allein werden sich um die Stadt ziemlich scharf geschiedene konzentrische Kreise bilden, in welchen diese oder jene Gewächse das Haupterzeugnis ausmachen.
130
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Mit dem Anbau eines anderen Gewächses, als Hauptzweck betrachtet, ändert sich aber die ganze Form der Wirtschaft, und wir werden in den verschiedenen Kreisen ganz verschiedene Wirtschaftssysteme erblicken." In dem von Thünen entwickelten Modell werden explizit 7 landwirtschaftliche Nutzungsfunktionen betrachtet, die in ihrer technologischen Begründung der Kostenstruktur wohl nur noch historisch interessant sind. Jeder dieser landwirtschaftlichen Nutzungsfunktionen entsprechen im Modell gutspezifisch (1) bestimmte Flächenproduktivitäten (t Produkt/ha) (2) bestimmte Transportkosten (DM/t, km) und Transporteignungen und (3) bestimmte Marktpreise (DM/t). Transportkosten (DM)
GUT 1 GUT 2 GUTn Markt Abb. 3.11.
(km)
Entfernung des Produktionsstandortes
Gutspezifische Transportkostenfunktionen
Indem von Thünen unterstellt, daß die Transportkosten, welche zwischen dem ländlichen Produktionsort und dem städtischen Marktort entstehen, die Erträge des Landwirts entfernungs- und nutzungsabhängig verändern, lohnt sich eine bestimmte Nutzung in einer bestimmten Entfernung vom Markt nicht mehr. Diese Lage (im TTiunenschen Modell: ein Kreis um die Stadt) ergibt sich direkt aus dem (im Modell vorgegebenen) Marktpreis für das Produkt, indirekt aus der Menge der in einer bestimmten Lage verfügbaren Bodenfläche (als Angebotskategorie) und den Nachfragepräferenzen in der Stadt.
Abb. 3.12.
Nutzungsspezifische Kosten und Erträge in Abhängigkeit von der Entfernung des Produktionsstandortes zum Markt bei gegebenem Produktpreis
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
131
Durch Überlagerung der verschiedenen nutzungsspezifischen Ertragskurven ergibt sich für jede Lage (in Abhängigkeit von der Entfernung zum Marktstandort) die für den Landwirt günstigste (ertragsmaximale) Nutzungsfunktion. Dabei markieren die Schnittpunkte zweier nutzungsspezifischer Ertragskurven in die Fläche des „isolierten Staates" projiziert, die sogenannten „Thünenschen Ringe" als Indifferenzlinien. Ertrag (DM)
Entfernung des Produktionsstandortes
(km)
Abb. 3.13.
Thünensche Ringe
Zum Flächennutzungsmodell von W. Alonso Das theoretische Konzept von J. H. von Thünen verallgemeinernd und ergänzend, unterstellt W. Alonso in seinem Modell des städtischen Bodenmarktes (1) die Rollenteiluiig „Grundstücksbesitzer" und „Grundstücksnutzer" Für den Grundstücksbesitzer sind (im Gegensatz zum Landwirt mit seinem aus seiner Technologie beschränkten Entscheidungsspielraum) sämtliche Nutzungsfunktionen, deren Verwirklichung bestimmte Personen (Haushaltungen oder Unternehmungen) als potentielle Nutzer anbieten, Entscheidungsaltemativen. Bodenrente einer Nutzung (DM/At)
Isogewinn- bzw. Isonutzenlinie
Transportkosten einer Nutzung " (DM/At)
Abb. 3.14.
Substitution zwischen Bodenrente und Transportkosten
132
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Auf diese Weise hat W. Alonso die Analyse um die Gesamtheit der nichtlandwirtschaftlichen Nutzung erweitert. (2) die Snbstitutierbarkeit von Bodenrenten und Transportkosten in der Nutzungsfunktion. Mit dieser Annahme wird es dem Nutzer ermöglicht, höhere Transportkosten bei einer relativ ungünstigen Lage gegen eine mindere Bodenrente (Miete, Pacht) auszugleichen. (3) für die verschiedenen Nutzerkategorien „Landwirtschaft", „gewerbliche Wirtschaft" und „Wohnbevölkerung" gelten unterschiedliche Randbedingungen bei der Verwirklichung ihrer Zielfunktion. Unter diesem Aspekt konnte J. H. von Thünen in seinem die landwirtschaftliche Nutzung optimierenden Modell mit auf dem Markt (als Daten) vorgegebenen Produktpreisen rechnen. Damit sind die Gewinne des Landwirtes über eindeutige Transportkostenfunktionen einzig von der Wahl seiner Nutzungsfunktionen abhängig. Hingegen erkannte W. Alonso, daß bei Gewerbebetrieben der Gewinn in einer bestimmten Nutzungsfunktion nicht ausschließlich und unmittelbar lageabhängig, sondern über den erzielbaren Umsatz auch preisabhängig ist. Der Umsatz eines Betriebes wird erst über die Transportkosten beim Bezug lageabhängig. Die standortbestimmende Randbedingung der Wohnbevölkerung ist nach W. Alonso das Haushaltseinkommen. Da die Transportkosten (für Versorgung mit Gütern, Verkehr zum Arbeitsplatz, zur Ausbildung u. a.) einer Haushaltung vor allem von der Lage, die Bodenrente für die Wohnung jedoch außer von der Lage auch von der Grundstücksgröße (bzw. Siedlungsdichte) abhängt, wird demnach die nutzenspezifische Elastizität der Grundstücksfläche größer sein als die der Lage. Mit anderen Worten: einkommensschwache Bevölkerungsschichten nehmen eher eine höhere Siedlungsdichte als schlechtere (transportaufwendigere) Lagen in bezug auf Arbeitsplatz und Versorgungseinrichtungen in Kauf. Hingegen sind einkommensstärkere Schichten in der Lage, den Vorteil der größeren Grundstücke auch mit TransportMehraufwänden zu bezahlen. Aufgrund dieser Annahmen kennzeichnet W. Alonso für jeden Standort die Bereitschaft eines bestimmten Nutzers bei einem bestimmten kalkulierten Gewinn eine bestimmte Bodenrente an den Grundstücksbesitzer zu bezahlen mit der sogenannten Bodenrentenangebots-Funktion. Die gewinngleichen Bodenrentenangebotsfunktionen der verschiedenen Nutzungsarten überlagern sich auf jedem Standort. Bodenrente i ' ( D M / m , At)
— Abb. 3.15.
- =
(km) Entfernung vom Zentrum Bodenrentenangebotsfunktionen für eine bestimmte Nutzung
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
133
Bodenrente (DM/m2, At)
u
Landwirtschaft
G
W
L
(km)
Entfernung vom Zentrum
Abb. 3.16. Gewinngleiche Bodenrentenangebotsfunktionen für verschiedene Nutzungsarten
Die sämtliche Bodenrentenangebotsfunktionen umhüllende Kurve kennzeichnet dann die maximal erzielbare Bodenrente der einzelnen Grundstücksbesitzer. Im Rahmen seiner weiterführenden Überlegungen analysiert W. Alonso (partial) die Bedingungen der optimalen Flächennutzungsstruktur auch unter dem Einfluß von lagedifferenzierenden Verkehrssystemen (was in einfacherer Form auch J. H. von Thünen diskutiert hat). Der prinzipielle Befund, daß die „städtischen" Nutzungsfunktionen des Gewerbes, der Wohnbevölkerung und der Landwirtschaft um die mit Handels- und Dienstleistungseinrichtungen besetzten „zentralen" Standorte in ähnlicher Weise ihren wirtschaftlichen Rang erhalten und räumlich gereiht sind wie die verschiedenen landwirtschaftlichen Nutzungsarten im „isolierten Staat" von J. H. von Thünen, bleibt jedoch unberührt.
3.3. Individueller Nutzen aus Standorten 3.3.1. Standortbezüge des individuellen Nutzens Die einzelne Person zieht ihren Nutzen U aus einer Kombination verschiedener Mengen qj der Güter i im Konsum. U = U (q,) = U (q„ q2, qn) Dabei orientiert sie die Verhältnisse der nachgefragten Gütermengen q an ihren Präferenzen (Wertvorstellungen und Fertigkeiten), Pq. Bei der Verwirklichung ihrer Präferenzen sind jeder Person eine Reihe von Restriktionen, R,, gesetzt, die sich auf die einzelnen nachgefragten Güter beziehen. Als Restriktionen für den individuellen Nutzen gelten besonders: das individuelle Einkommen Y, das individuelle Zeitbudget T, gesellschaftliche Normen N und staatliche Institutionen I. U = f (Pq, R,,), wobei Pq = P (qO und R, = (Y, T, N, I, . . .) In der traditionellen Nutzentheorie wird unterstellt, daß der einzelne seinen Nutzen im Rahmen einer Menge definierter Güter, von denen der Wohnstandort einer sein mag, maximiert, indem er bei Abwägung seiner Präferenzen die gutspezifischen Grenznutzen den Grenzkosten gegenüberstellt. Die folgende Betrachtung ist auf die Standortabhängikeit der Präferenzen und der Restriktionen konzentriert. P, = f ( « ) , R , - f ( s )
134
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Dabei wird unterstellt, daß diese Standortabhängigkeit in der Dimension Zeitaufwand letztlich auf das individuelle Zeitbudget beziehbar ist. Vor der Bewertung der nutzenstiftenden Güter nach Zeitaufwänden stellt sich jedoch die Frage nach der Verfügbarkeit in eigentumsrechtlicher Hinsicht: Unter diesem Aspekt zeigt sich, daß das Ausmaß an individuellem Besitz des hochrangigen Gutes Standort zugleich für eine Reihe nachgeordneter Güter determiniert, ob sie Marktgüter sind oder nicht. Geht man davon aus, daß Güter das Ergebnis von standörtlichen Nutzungen sind, dann können unterschieden werden: • Güter aus der Nutzung des eigenen Standortes: das sind Selbstversorgungsgüter, die frei verfügbar sind. • Güter aus fremder Standortnutzung: das sind Fremdversorgungs- und somit Marktgfiter, die von fremden Standorten beschafft werden müssen. Technisch gleichartige Güter sind demnach je nach individuellem Standorteigentum Selbst- oder Fremdversorgungs- bzw. Marktgüter. Unter dem Aspekt des Standorteigentums steht dem gestifteten Nutzen gegenüber: • bei Selbstversorgungsgütern: ein Nutzungsaufwand auf dem eigenen Standort (Erschließungs- und Aufbereitungsaufwand) und • bei Fremdversorgungs- oder Marktgütern: ein Preis (als Entgelt für die eigentumsmäßige Übertragung vom fremden Produzenten) und zusätzlich ein Beschaffungsaufwand für den Transport zwischen Angebots- (Markt-)ort und Konsummarkt. Nicht nur der individuelle Nutzen hat einen durch die Eigentumsverhältnisse determinierten Standortbezug, sondern auch die individuell veranlaßten Schäden. Als bemerkenswert gilt hier besonders: • die Behinderung oder Störung der Selbstversorgung durch unentgoltene Entnahme von Ressourcen aus dem Standorteigentum sowie durch Zufügung von Schaden (Schadstoffen) auf dem eigenen Standort durch Nutzungen auf fremden Standorten (negative externe Effekte). Diesen Schäden stehen entsprechende Aufwände zur Verhinderung oder Beseitigung gegenüber. Selbstversorgung und Fremdversorgung sind somit durch Eigentum determinierte alternative Aktivitäten zur Stiftung des individuellen Nutzens; das bedeutet: dieselben Güter, welche eine Konsumfunktion konstituierten, können Teil der natürlichen Ressourcen auf dem eigenen Standort oder Produkt von standörtlicher Eigennutzung
Abb. 3.17.
Beziehung zwischen dem individuellen Selbstversorgungspotential und den natürlichen Standorteigenschaften
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
135
Macht man die Möglichkeiten zur individuellen Selbstversorgung, als die eine Nutzenkomponente, von den natürlichen Standorteigenschaften („Boden" als Träger nutzbarer Rohstoffe und von Absorbtionspotential für Störungen und Schadstoffe) abhängig, dann nimmt das Selbstversorgungspotential eines Standortes (als Teil von dessen Nutzbarkeit) mit der Vielfalt und mit der Kapazität der natürlichen Standortfaktoren zu. Entsprechend wachsen die Möglichkeiten zu individueller Fremdversorgung, der anderen Nutzenkomponente, mit den infrastrukturellen Standorteigenschaften. individuelles Fremdversorgungspotential
infrastrukturelle " Standorteigenschaften Abb. 3.18.
Beziehung zwischen dem individuellen Fremdversorgungspotential und den infrastrukturellen Standorteigenschaften
Da sich Selbstversorgung und Fremdversorgung auf dieselben Güter beziehen, durch welche die individuelle Konsumfunktion konstituiert ist, ergänzen sich beide Anteile zum Gesamtkonsum. Das Kriterium, wonach für Konsumgüter die Selbstversorgung oder die Fremdversorgung bevorzugt wird, ergibt sich aus den Aufbereitungsoder Nutzungsaufwänden bei der Selbstversorgung einerseits und den Güterpreisen samt Beschaffungskosten andererseits. In der Regel kann ein Konsument bei Marktgütern an den Vorteilen der großbetrieblichen Produktion teilhaben, andererseits wachsen mit diesen Preisvorteilen in der Regel auch die Beschaffungskosten für den Transport vom Angebots- zum Verbrauchsort. Deshalb muß der Konsument für jedes Gut im Hinblick auf die ihm dafür entstehenden Kosten fragen, ob auf seinem Standort der Selbstversorgung oder der Fremdversorgung der Vorzug zu geben sei. In gleicher Weise wie die Selbst- und Fremdversorgungsanteile in der Konsumfunktion über die
Abb. 3.19.
Indifferenzkurve der natürlichen und infrastrukturellen Standorteigenschaften als substituierbare Versorgungspotentiale
136
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
sie konstituierenden Güter können auch die zugeordneten Standorteigenschaften substituiert werden. Damit bestimmt die Struktur der Standorteigenschaften die Anteile der Selbst- und Fremdversorgung an individuellen Nutzen. Standorte können unter dem Aspekt der Nutzenstiftung als hochrangige Güter betrachtet werden; als Güter, welche als Eigentumskategorie sowohl Verfügungsrechte über eigene Nutzungsfaktoren (natürliche Standorteigenschaften des Bodens) aber auch über Zugangserleichterungen zu den Märkten der beziehbaren Nutzungsfaktoren (infrastrukturelle Standorteigenschaften) umfassen. Während die aus den natürlichen Eigenschaften des Bodens auf dem betrachteten Standort unmittelbar aufbereitbaren Nutzungsfaktoren nach ihrer Art durch Vorhandensein und Aufbereitungsaufwand zahlenmäßig sehr begrenzt sind, erscheinen der Beziehbarkeit von marktmäßig angebotenen Nutzungsfaktoren artmäßig kaum irgendwo Grenzen gesetzt; allerdings bestimmen dort die infrastrukturellen Standorteigenschaften wesentlich die Beschaffungskosten vom Markt.
Standorte stiften ihren Eigentümern somit einen Nutzen, indem sie Ihnen einen Handlungsspielraum erschließen, der mit Tätigkeiten (Konsumfunktionen) gefüllt gedacht werden kann. Elemente dieser als Konsumfunktionen beschreibbaren Tätigkeiten sind die auf dem Standort unmittelbar zugreifbaren (bodenbezogenen) und die (mittels Infrastruktur) beziehbaren Nutzungsfaktoren. Unter verfügungsrechtlichen Kriterien ergibt sich das standörtliche Selbstversorgungspotential als Gesamtheit jener Konsumfunktionen, die unter wirtschaftlichen Bedingungen auf dem betrachteten Standort aus dessen natürlichen Eigenschaften konstituiert werden können. Das standörtliche Fremdversorgungspotential umfaßt hingegen die Gesamtheit jener Konsumfunktionen, welche durch die auf dem betrachteten Standort unter wirtschaftlichen Bedingungen beziehbaren Nutzungsfaktoren realisiert werden können. Standörtliches Selbst- und Fremdversorgungspotential beschreiben als Teilmengen den standörtlichen Handlungsspielraum nicht vollständig, da in den meisten Nutzungsfunktionen eigene Nutzungsfaktoren mit bezogenen kombiniert werden.
3.3.2. Nutzungstechnologische Beschreibung des standortbezogenen individuellen Nutzens Im folgenden wird versucht, den standörtlichen Handlungsspielraum als Kategorie des individuellen Nutzens, (1) durch Kennzeichnung der nutzungstechnologischen Alternativen (Wahlhandlungen) und (2) durch Kennzeichnung der zugangstechnologischen Restriktionen zu beschreiben. Hier gelten Standorte als Güter im Sinne der Konsumtheorie; die Art der Nutzenstiftung wird analog behandelt wie die Wertschöpfung im Rahmen der Produktionstheorie. Standorte stiften danach ihren Eigentümern nicht unmittelbar Nutzen; (so wie der Produktionsfaktor „Boden" als Potential noch keinen Wert schöpft) vielmehr ergibt sich die individuelle Befriedigung erst aus der Standortnutzung. Das Nutzungsergebnis wird somit auch erst im Verzehr als Nutzen bewertbar. (Wie das Produkt in seiner
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
137
Verwendung.) Diese grundlegende Annahme wird aus der allgemeiner gültigen konsumtechnologischen Theorie von K. Lancaster48 gefolgert. Lancaster argumentiert (wie im folgenden unter dem Aspekt der „Standortproduktion" weiter ausgeführt wird), daß nicht die Güter selbst sondern erst ihre in besonderer Weise aktivierten Eigenschaften ihren Konsumenten Befriedigung und Nutzen verschaffen. In Zusammenhang mit dem Bewertungsproblem für die standörtlichen Nutzungsaltemativen erscheint die Argumentation von K. Lancaster besonders überzeugend.
Betrachtet man unter diesem Aspekt die Präferenzen des individuellen Nutzens etwa in den Dimensionen „sich gut ernähren", „ruhig schlafen", „gesellig wohnen", „gut informiert sein", „effizient arbeiten können" usw., dann stellt sich die Frage, wie Standorte auf diesen verschiedenen Wertskalen abgebildet werden können. Das Problem ist es somit, den Standort (mit seinen objektivierbaren infrastruktur- und bodenordnungsbezogenen Eigenschaften) den bezeichneten Nutzenargumenten der individuellen Präferenzfunktion zuzuordnen. Diese Zuordnung ist nur möglich, wenn man auf der Basis der Standorteigenschaften nach den Ergebnissen sämtlicher Nutzungen fragt, welche zu den verschiedenen Argumenten der individuellen Präferenzfunktion einen Beitrag leisten. Unter diesem Aspekt sind im Sinne von K. Lancaster als formale Schritte zur Nutzenbewertung von Standorten notwendig (1) die Zuordnung der Standorte zu möglichen Nutzungsfunktionen. Das bedeutet: Es wird abgefragt, welche Nutzungsfunktionen aufgrund der festliegenden Eigenschaften aufweichen Standorten möglich sind. Als Nutzungsfunktionen in diesem Sinn mögen etwa gelten: „Anbau von Gemüse, Obst und Blumen", (b) „Wohnen in einem 4-Personen-Haushalt", (c) „Sich durch Waldlauf entspannen" usw. Aufgrund der notwendigen Informationen über die standörtlichen Voraussetzungen für die verschiedenen Nutzungsfunktionen kann eine Matrix formuliert werden, in welcher die möglichen Ausprägungen der verschiedenen Nutzungsfunktionen von den vorhandenen Standorteigenschaften standortspezifisch abhängig gemacht sind. Dann steht in einer Spalte der bezeichneten Matrix beispielsweise: Auf dem betrachteten Grundstück (mit den gegebenen Topographie-, Humus-, Feuchtigkeits- und Besonnungsverhältnissen) kann Obst, Gemüse und Blumen in einer bestimmten Menge erzeugt werden. Oder: Dort kann unter den gegebenen Erschließungs- und Widmungsbedingungen auch ein EinfamilienReihenhaus erstellt werden. Standorte
standörtliche Nutzungsfunktionen
Abb, 3.20. Zuordnung von Standorten und den standörtlichen Nutzungsfunktionen in einer (objektiven) nutzungstechnologischen Matrix 48
Lancaster, K. J., A New Approach to Consumer Theory
138
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Diese (objektive) nutzungstechnologische Matrix beschreibt in jeder Spalte zugleich den standörtlichen Handlungsspielraum im Sinne möglicher Nutzungsalternativen. (2) Um den Wert eines Standortes zu bemessen, müssen die möglichen Ergebnisse der verschiedenen Standortnutzungen danach auf die Präferenzen des Standorteigentümers bezogen werden. Dabei wird durch jede Nutzungsfunktion zu jeder Zielgröße der individuellen Präferenzfunktion ein eigener Beitrag geleistet. Für die Abbildung dieser Zuordnung ist eine zweite (subjektive) Bewertungsmatrix sinnvoll. In der Bewertungsmatrix wird beispielsweise beantwortet, in welchem Maße der betrachtete Standort durch Wohnen in einem gegebenenfalls erbauten Einfamilien-Reihenhaus (Nutzungsfunktion) dazu beiträgt, (a) sich gut (z.B. durch Selbstversorgung aus dem Garten) zu ernähren, (b) ruhig zu schlafen (z. B keine Verkehrsbelastung), (c) Geselligkeit zu pflegen (z. B. durch gutnachbarliche Beziehungen), (d) gut informiert zu sein (z.B. durch Nähe zu Kultureinrichtungen) usw. Argumente der individuellen Präferenz
standörtliche Nutzungsfunktionen
Abb. 3.21.
Zuordnung der standörtlichen Nutzungsfunktionen und der individuellen Präferenz in einer (subjektiven) Bewertungsmatrix
(3) Erst auf der Grundlage der beiden Bewertungsmatrizen kann für jeden Standort die nntzenmaxfanale Nutzungsfunktion (im Rahmen des gegebenen Handlungsspielraumes) ermittelt werden und auf dem Standortmarkt der nutzenmaximale Standort ausgewählt werden.
3.3.3. Zugangstechnologische Beschreibung des standortbezogenen individuellen Nutzens Der Auswahl von Standorten auf dem Standortmarkt sind für den einzelnen vor allem durch sein Einkommen und sein Vermögen Grenzen gesetzt. Im folgenden wird unterstellt, der einzelne besitze einen festen (Wohn-)standort. Unter diesem Aspekt stellt sich weniger die Frage, auf welchem Standort eine Person ihren Nutzen maximiert (Standortentscheidung als Wahlhandlung), sondern eher, in welchem Ausmaß sie auf ihrem gegebenen Standort ihre Präferenzen verwirklichen kann. Damit wendet sich die Analyse von der subjektiven Bewertung der einzelnen Nutzungsfunktionen eines Standortes zu den objektiven Bedingungen, durch welche das Ausmaß des mit einem Standort gestifteten Nutzens begrenzt wird. Als wichtigste solche Bedingung bei der Verwirklichung von Konsumfunktionen erscheint das Zeitbndget welches einer Person zur Verfügung steht.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
139
So gesehen kann ein Standort in weitem Sinn des Wortes als Werkzeug4' betrachtet werden, mit welchem ein Konsument seine Bedürfnisse befriedigt, indem er damit die seiner Präferenz entsprechenden nachgeordneten Güter beschafft oder sich zu ihnen Zugang verschafft: Innerhalb eines bestimmten Zeitbudgets ermöglicht ein Standort, als Werkzeug betrachtet, die Beschaffung von unterschiedlichen Gütern. Damit ist dem „Zugang verschaffenden Werkzeug" Standort je nach seinen Eigenschaften ein unterschiedlicher Handlungsspielraum zugeordnet; dieser ist unmittelbar definiert durch die mit dem betrachteten Standort in bestimmter Zeit beschaffbaren Güter, woraus sich mittelbar die den individuellen Präferenzen entsprechenden nutzenstiftenden Aktivitäten (und Kombinationen von diesen) ableiten lassen. Wie nach der Leistungsfähigkeit eines Werkzeuges läßt sich auch für einen Standort fragen: • Welche Kombinationen von Güterarten und -mengen können in einem definierten Zeitraum von einem bestimmten Standort aus beschafft werden? • Zur Beschaffung eines (nach individuellen Präferenzen) definierten Güterbündels ist auf einem bestimmten Standort welche Zeit erforderlich? Wenn man sich bewußt macht, wie klein das Zeitintervall ist, das dem einzelnen zur Besorgung von Konsumgütern zur Verfügung steht, dann wird die Bedeutung der Zeitbudget-Restriktionen für den durch Standorte gestifteten Nutzen deutlich. Da für den einzelnen im allgemeinen die Fremd Versorgung im Konsum dominiert, erscheint es gerechtfertigt, die folgende Analyse auf die Problematik des einzelstandörtlichen Zugangs zu fremden Standorten und den von dort beschaffbaren nachgeordneten Gütern zu konzentrieren. Unter dem Fremdversorgungsaspekt zieht der einzelne Nutzen aus Gütern, die das Nutzungsergebnis mehrerer fremder Standorte sind; er verbindet somit unter zeitlichem Beschaffungsaufwand eine bestimmte Menge benachbarter fremder Standorte. Dabei entscheidet die Entfernung sowie die Qualität der Verkehrswege und -mittel über die erforderlichen zeitlichen Beschaffungsaufwände der Güter. Indem für den einzelnen, wie oben ausgeführt, die Beschaffungszeitaufwände im Rahmen seines täglichen oder wöchentlichen Zeitbudgets begrenzt sind, ergibt sich, bezogen auf seinen („ständigen") Wohnstandort, ein Handlungsspielranm, der die alternativ möglichen Kombinationen von täglichen (oder wöchentlichen) Beschaffungsaktivitäten umfaßt. Als relevant für die Fremdversorgung gelten u. a.: • Waren, die über den Einzelhandel vermittelt werden. Entsprechende Bezugsstandorte im Handlungsspielraum sind die innerhalb des Zeitbudgets erreichbaren Einzelhandelsgeschäfte. • Bildnngsgüter, die durch Ausbildungs- und Kultureinrichtungen vermittelt werden. Bezugsstandorte im Handlungsspielraum sind die innerhalb des Zeitbudgets erreichbaren Schulen, Theater, Kinos, . . . • Erholungsgüter, die durch Sport- und Freizeiteinrichtungen aber auch durch die natürliche Landschaft vermittelt werden. Bezugsstandorte im Handlungsspielraum sind die innerhalb des Zeitbudgets erreichbaren Sportplätze und entsprechende Erholungsgebiete.
49
vgl. dazu Freyer, H., Theorie des gegenwärtigen Zeitalters, Stuttgart, 1967 und Linde, H., Sachdominanz in Sozialstrukturen, Tübingen, 1972
140
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
• Gesundheitsfürsorge, die durch Ärzte, Krankenhäuser, Pflegeheime vermittelt wird, ist für den Handlungsspielraum in dem Maße relevant, wie sie innerhalb des Zeitbudgets zugänglich ist. • Verwaltungsleistungen, die durch Ämter u. ä. erbracht werden. Bezugsstandorte sind die innerhalb des Zeitbudgets ereichbaren Verwaltungseinrichtungen. Unter Verwendung des in der ingenieurmäßigen Verkehrsanalyse üblichen WegZeit-Diagramms (das von Pirathx zur Interpretation des Verkehrs als „Raum-ZeitSystem" benutzt worden ist) hat T. Hägerstrand151 individuelle Handlungsspielräume als auf einen festen Standort (Wohnstandort) bezogene Menge von zugänglichen Standorten abgebildet. Nur eine Teilmenge der im standörtlichen Handlungsspielraum des einzelnen erreichbaren Standorte trägt zur Versorgung bei; hingegen erzeugen jene Standorte im Handlungsspielraum, die nicht zur Versorgung der betrachteten Person beitragen, Flächenüberwindungs- und Zeitkosten. So gesehen ist für den einzelnen vor allem der Anteil derjenigen Standorte in seinem Handlungsspielraum relevant, der ihm durch ein entsprechendes Güterangebot einen Nutzen stiften könnte (Versorgungsdichte). Analog zur nutzungstechnologischen Bewertung der Standorte kann man sich eine zugangstechnologische Bewertung vorstellen. Während in der nutzungstechnologischen Matrix die Eignung der Standorte für verschiedene Nutzungsfunktionen abgebildet ist, enthält die zugangstechnologische Matrix die zur Güterbeschaffung erforderlichen zwischenstandörtlichen (Zeit-)aufwände, gegebenenfalls abhängig von den alternativ zur Verfügimg stehenden Verkehrssystemen. Für die Bewertung des aus der Fremdversorgung eines Standortes resultierenden individuellen Nutzens muß — wie im analogen Fall die nutzungstechnologische Matrix — auch die zugangstechnologische Matrix mit einer Bewertungsmatrix kombiniert werden, in welcher sowohl die individuellen Präferenzen für bestimmte Standorte bzw. für deren Nutzungsergebnisse als auch für bestimmte Verkehrssysteme enthalten sind. Wie die nutzungstechnologische Bewertung verbindet auch die zugangstechnologische Bewertung von Standorten objektive und subjektive Komponenten im Sinne von K. Lancaster. Auf der Grundlage dieser Vorstellung wird individueller Nutzen durch Aktivierung der Zugangseigenschaften von Standorten gestiftet, also analog wie unter nutzungstechnologischen Aspekten. Zum Optimierungsproblem im Rahmen der zugangstechnologischen Bedingungen wird für den einzelnen die Frage, wie er die verschiedenen zu
T = verfügbare Zeit der Ortsveränderung S = Menge der erreichbaren Standorte V = Geschwindigkeit standörtlicher Handlungsspielraum
S Abb. 3.22. 50 51
- s
Standörtlicher Handlungsspielraum im Sinne von T. Hägerstrand
Pirath, C., Das Raumzeitsystem der Siedlung, Stuttgart 1947 Hägerstrand, T., What about People in Regional Science? in: RSA-Papers Bd. 24, 1970
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte versorgende Standorte
versorgte Standorte
141
individuelle Präferenz
versorgte Standorte
Abb. 3.23. Zugangstechnologische (objektive) und bewertende (subjektive) Matrix seiner Versorgung beitragenden Standorte (zeit-)aufwandminimal oder (güterbezogen) nutzenmaximal auf einem (im Sinne von T. Hägerstrand) günstigsten „space-time path" kombiniert. In der Regel ergeben sich (im Sinne des „travelling-salesman"Verhaltens) die Bezugsstandorte verbindende räumliche Zyklen, als deren Ausgangsund Endpunkt jeweils der Wohnstandort der betrachteten Person gelten kann. T. Hägerstrand hat in seinem Raum-Zeit Modell des Individualverhaltens (mit anderen Worten) vor allem auf die den Nutzen zugangsbeschränkenden Einflußgrößen im Standortgefüge hingewiesen. Bei seiner Versorgung mit Gütern ist der einzelne danach beschränkt (1) in seinen persönlichen, ortsunabhängigen Mitteln (Zeitbudget, Verfügbarkeit über Fahrzeuge u. ä.): „capacity constraints" (2) durch die Kommunikationsbedingungen seiner potentiellen Kontaktpartner (deren Zeitbudget, Preise, Standort u. ä.): „coupiing constraints" und (3) durch öffentlich-rechtliche Zugangsregelungen (Privatbesitz, Öffnungszeiten u. ä.): „authority constraints". In welchem Maße diese zugangstechnologischen Einflußgrößen des individuellen Handlungsspielraums technisch und sozial bedingt sind, in welchem Maße sie jedoch auch politisch veränderbar sind, hat T. Hägerstrand in besonderem Maße betont. Der Ansatz von T. Hägerstrand wurde vor allem im Rahmen der schwedischen „Lund-Schule der Zeit-Geographie" weiterentwickelt, um die Bewertungsgrundlagen für die Regionalpolitik zu verbessern. Dabei gilt das Hauptaugenmerk der Frage, wie durch Maßnahmen aus dem Bereich der Verkehrsinfrastruktur zu einer „gerechteren Stadt" beigetragen werden kann. Dabei gilt als Hauptproblem die ungleiche Verteilung der individuellen Handlungsspielräume über die Gemeinden eines Landes und über die Grundstücke einer Stadt .-,2 Unter ähnlichen Aspekten wurde vom Autor33 versucht, innerstädtische grundstücksspezifische Handlungsspielräume („standörtliches Nutzungspotential" und „standörtliche Versorgungsqualität") zu quantifizieren und als Zielgröße der Stadtentwicklungspolitik zu definieren. G. Palme 52
53
Hägerstrand, T., Der Hinfluß des Verkehrs auf die Lebensqualität, Bericht von dem 5. Internationalen Symposium über Theorie und Praxis der Verkehrswirtschaft der CEMT, Athen, 1973 Lenntorp, B., Pathes in Space-Time Environments. A Time-Geography Study of Possibilities of Individuais, Lund, 1976 Matzner, E., Hemeler, P., Rüsch, G., Verteilungswirkungen der Verkehrspolitik, in: Der öffentliche Sektor 1/2 1978, (ein umfassender Literaturüberblick) Bökemann, D., (Mitarbeit: Steinbach, J., und Fiedler, L.) Infrastrukturpolitische Alternativen im Rahmen des Flächennutzungsplanes der Stadt Karlsruhe, unveröffentlichtes Manuskript, Karlsruhe, Wien, 1977 Bökemann, D., (Mitarbeit: Palme, G.; Puchinger, K.; Skarke, P.; Steinbach, J.), Wohnstandörtliche Versorgungsqualität in Wien, unveröffentlichtes Manuskript, Wien, 1978
142
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
und J. Steinbach54 haben mit Hilfe eines Systems von Sozialindikatoren die „gemeindespezifische Lebensqualität" kalkuliert und von den Instrumenten der Regionalpolitik abhängig gemacht. Bei all diesen empirischen Untersuchungen zeigt sich, wie sehr sich die individuellen standörtlichen Handlungsspielräume wechselseitig bedingen und voneinander abhängen: So gesehen beeinflußt jede Maßnahme der öffentlichen Hand, sei es nun aus dem Bereich der Infrastruktur oder aus dem Bereich der Bodenordnung, wenn nicht sämtliche so doch eine größere Teilmenge der individuellen Handlungsspielräume im betrachteten Gebiet zugleich.
Für die Bewertung des individuellen Nutzens von Standorten wird mit der abnehmenden Bedeutung der Selbstversorgung in der arbeitsteiligen Wirtschaft die zugangstechnologische Komponente immer bedeutender. Unter diesem Aspekt erscheint es besonders dringlich, den hier skizzierten Forschungsansatz weiterzuentwickeln.
3.4. Soziales Handlungssystem der Standortnutzung 3.4.1. Soziale Bedingungen für die Standortnutzung Voraussetzung für die Realisierung einer bestimmten Nutzungsfunktion ist, daß die Person eines potentiellen Nutzers vom Eigentümer eines nutzungsgerechten Standortes das (unteilbare) Verfügungsrecht darüber erwirbt. Neben dem Standort muß der Nutzer aber auch über folgende, für eine bestimmte Nutzung in besonderer Struktur notwendige Mittel disponieren können: • entsprechend ausreichende Arbeitskraft, • entsprechendes technisches Wissen und praktische Fertigkeiten, • entsprechend zweckmäßiges Gerät (wie Maschinen und Gebäude). Ursprünglich und im einfachsten Fall besitzt der Standortnutzer die Mittel sämtlicher drei Kategorien (die in gewissem Sinn den Produktionsfaktoren im Verständnis der klassischen Ökonomen entsprechen). Unterstellt man gemäß der fortschreitenden Spezialisierung realistischerweise, daß auch die Verfügungsrechte über die Mittel der Standortnutzung zunehmend über mehr Personen aufgeteilt sind, dann setzt Standortnutzung zusätzlich zum Erwerb des Verfügungsrechtes über den Standort auch den Erwerb der fehlenden Nutzungsfaktoren voraus. Unter diesem Aspekt wird letztlich der Entscheidungsspielraum bezüglich der Nutzung eines bestimmten Standortes wesentlich durch die Bedingungen der Vertrags- und Kooperationsbereitschaft einer tendenziell zunehmenden Zahl von Personen eingeengt. Diese Feststellung führt zu der Frage: wessen Handlungsziele bestimmen innerhalb welcher Handlungsspielräume die Nutzung eines Standortes? Um die verschiedenen Interessen der an der Standortnutzung beteiligten Personen abgrenzbar und aufeinander beziehbar zu machen, erscheint die im folgenden skizzierte Anwendung des soziologischen Rollenschemas als eine gewisse Hilfe. Das auf Standorte gerichtete Handeln der Wirtschaftssubjekte kann als soziales Subsystem im übergeordneten Handlungssystem der Wirtschaft begriffen und interpretiert werden. Das standortbezogene Handlungssystem ist dann durch die Rollen bestimmter, an der Standortnutzung interessierter Wirtschaftssubjekte, sowie durch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen konstituiert. In Anwendung der 54
Palme, G., Steinbach, ]., Lebensqualität in Kärnten, in: Raumordnung in Kärnten, Band 9, Klagenfurt, 1978
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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soziologischen Standardterminologie ist eine standortbezogene Rolle definiert durch die von anderen, an der Standortnutzung interessierten Wirtschaftssubjekte (Rollen) auf die betrachtete Person gerichteten Erwartungen und Sanktionen. Standortbezogene wirtschaftliche Beziehungen sind danach, gewissermaßen reziprok, aus den Eigenschaften der entsprechenden Rollen abzuleiten. In die Beschreibung der speziellen, hier: standortbezogenen Rollen wird zusätzlich das materielle Objekt, auf das sich das jeweilige rollenspezifische Interesse richtet, in die Beschreibung einbezogen. In diesem Sinn gilt es, nach den rollenspezifisch verfügbaren Mitteln zu fragen und nach dem besonderen Interesse, welches mit dem Einsatz dieser Mittel von Seiten eines Wirtschaftssubjektes und den Erwartungen und Sanktionen der anderen verbunden ist. Das soziologische Modell Handlungssystem kann ein und dieselbe Situation mit Hilfe von mehr oder weniger Rollen als Systemelemente abbilden; dabei wächst allerdings der Analyseaufwand (die Notwendigkeit also, Verhaltensannahmen zu definieren und zu testen) mit der Anzahl der im Modell definierten Rollen. Das mikroökonomische und neoklassische Theoriegebäude basiert auf Verhaltensannahmen in bezug auf relativ wenige interagierende Rollen; das bedeutet: auf einem relativ einfachen soziologischen Handlungssystem. Da in den Wirtschaftswissenschaften bisher „Standorte" zudem eher als Datum denn als produziertes Gut kalkuliert wurden, erübrigt es sich weitgehend, standortbezogene spezialisierte Rollen und entsprechende soziale Beziehungen mit ökonomischen Hypothesen zu belegen. Dieser wissenschaftshistorische Befund wird von der Tatsache gestützt, daß die Standort- und Landschaftsstrukturtheorie, seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts (von J. H. von Thünen bis A. Lösch und W. Isard) erarbeitet, bis heute nur unbefriedigend in das wirtschaftswissenschaftliche Theoriegebäude integriert worden sind.
3.4.2. Soziale Rollen im Handlungssystem der Standortnutzung Als soziale Rollen im Handlungssystem der Standortnutzung werden angesehen und aufeinander bezogen: (1) die Eigentümer von Arbeitskraft im Produktionsprozeß und (analog zu betrachten) die Eigentümer von Kaufkraft im Konsumprozeß. (2) der Nutzungstechnologieeigner (Nutzungstechnologe) und (3) der Nutzungskapitaleigner Jede dieser sozialen Rollen ist definiert durch den Besitz bestimmter, im folgenden zu detaillierender Kategorien von Nutzungsfaktoren. Auf diese Nutzungsfaktoren bezieht sich zugleich das rollenspezifische Interesse und der zugeordnete individuelle Handlungsspielraum. 55 55
In Erweiterung des einfachen soziologischen Rollenschemas, worin nur einzelne Personen als Träger bestimmter Rollen auftreten, gelten als Rollenträger für die hier benannten standortbezogenen Rollen neben Einzelpersonen auch größere, mehrere Personen umfassende, privatwirtschaftliche Entscheidungseinheiten der Kategorien Haushaltung und Unternehmung sowie staatliche Körperschaften (Gebietskörperschaften, Ressorts, Ämter). Die hier benannten Rollen des Handlungssystems der Standortnutzung können zweifellos weiter differenziert sein, je nachdem, wie viele Personen spezielle Mittel der Standortnutzung mit speziellen Handlungszielen verbinden. Es können jedoch auch die rollenspezifisch zugeordneten Mittel der Standortnutzung (das sind hier: Arbeitskraft, technisches Wissen und Fertigkeiten sowie Geräte) dispositionsmäßig in der Person eines einzigen Nutzers zusammenfallen.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
in diesem Sinn besitzt eine Person in ihrer Rolle als Arbeitskraft ebenso wie in ihrer Rolle als Konsument eine bestimmte Menge von Fertigkeiten, mit denen sie entsprechendes Gerät im Rahmen ihres Leistungsvermögens zur Transformation entsprechender Faktoren und Güter einsetzen kann. (Innerhalb des hier betrachteten Handlungssystems können die Rollen „Arbeitskraft" und „Konsument" analog behandelt werden, weil sie sich bei gleichartigen standortbezogenen sozialen Beziehungen nur in der Ausprägung der Nutzung des Standortes unterscheiden.) In der Regel überträgt die Arbeitskraft die Verfügungsrechte über ihre Fertigkeiten im Rahmen bestimmter Arbeitszeiten gegen Entgelt (Lohn), wobei meist die Gesamtheit ihrer produktiven Fertigkeiten als unteilbare Offerte gilt. In der Rolle des Konsumenten erwirbt eine Person in dem durch ihre Kaufkraft begrenzten Ausmaß die Verfügungsrechte über bestimmte Güter gegen Entgelt (Warenpreis), wobei die erworbenen Güterarten und Gütermengen von der Gesamtheit der konsumtiven Fertigkeiten der betrachteten Person (Präferenzen, Geschmack) abhängen. In der Rolle des Eigentümers einer bestimmten Nutzungstechnik für Standorte (Nutzungstechnologe) besitzt eine Person technisches Wissen über Produktionsund Konsumprozesse Dadurch ist diese Person in der Lage, auf bestimmten Standorten nach entsprechenden Bezugs- und Absatzplanen sowie Produktionsund Konsumprogrammen personale Fertigkeiten und Geräteeigenschaften zweckmäßig zu kombinieren. Der Nutzungstechnologe kann somit durch Variation spezieller Produktions- oder Konsumtechniken an speziellen Standorten zugleich die Beschaffenheiten, Mengen und Anordnungen der Arbeitsplätze eines Standortes oder der Konsumgegebenheiten eines Wohnstandortes festlegen. Durch seine Nutzungspläne bestimmt der Nutzungstechnologe zugleich seine Nachfrage nach Arbeitskräften und Geräten. In der Rolle als Eigentümer von Nntzungskapital besitzt eine Person das Gerät (Maschine. Gebäude, u.a.), um einen Standort zu nutzen, oder sie besitzt das Vermögen, solches Gerät zu beschaffen Diese, auf den Besitz bestimmter Nutzungsfaktoren begründete Rollendifferenzierung bei der Standortnutzung führt zu folgenden interpersonalen ökonomischen Beziehungen56 im sozialen Handlungssystem: (1) die Beziehung zwischen der Arbeitskraft bzw. dem Konsumenten und dem Nutzungstechnologen (2) die Beziehung zwischen dem Nutzungstechnologen und dem Nutzungskapitaleigner und (3) die Beziehung zwischen dem Nutzungskapitaleigner und der Arbeitskraft bzw. dem Konsumenten
56
Als interpersonale ökonomische Beziehungen gelten hier entgeltbare Transfers von personenbezogenen Faktorleistungen.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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(1) Beziehungen zwischen der Arbeitskraft bzw. dem Konsumenten und dem Nutzungstechnologen Arbeitskräfte in einem Gebiet liefern (direkt oder indirekt) den dortigen Nutzungstechnologen Informationen über ihre produktiven Fertigkeiten und ihre Leistungsvermögen, Konsumenten liefern analoge Informationen über ihre Präferenzen und ihre Kaufkraft. Hingegen informiert der Nutzungstechnologe die Arbeitskräfte über die Merkmale der von ihm konzipierten Arbeitsplätze, die Konsumenten über die Eigenschaften der nach seiner Technologie produzierten Ware. Die Arbeitskräfte eines bestimmten Gebietes (Arbeitsmarkt) erwarten von den dortigen Nutzungstechnologen, sie mögen die Merkmale der einzelnen von ihnen konzipierten Arbeitsplätze (in den jeweils nach ihren Technologien organisierten Betrieben) so bündeln, daß die einzelnen Arbeitskräfte möglichst viele ihrer jeweiligen produktiven Fertigkeiten einsetzen und als realisierte Arbeitsleistung verkaufen können. Die Konsumenten eines bestimmten Gebietes (Nachfrager) erwarten eine analoge Spezifizierung der produzierten Waren, damit sie mit ihrer Kaufkraft einen möglichst großen Nutzen erzielen können. Der Nutzungstechnologe richtet auf die Arbeitskräfte und Konsumenten seines Gebietes insofern entsprechende Erwartungen, als er mit seiner Technologie eine bestimmte Warenmenge mit minimalen Produktions- und somit auch Arbeitskosten produzieren möchte. Je nach dem Ausmaß, in welchem die nach personalen Fertigkeiten differenzierten Arbeitskraftressourcen und die nach Warenpräferenzen differenzierte Kaufkraft eines Gebietes der bestimmten Technologie eines Nutzungstechnologen entspricht, kann er seine Erwartungen verwirklichen; das heißt: er muß auf die Realisierung seiner bestimmten Nutzungstechnologie zumindest solange verzichten, wie die entsprechenden Arbeitskräfte und die entsprechenden Konsumenten fehlen. (2) Beziehungen zwischen Nutzungstechnologe und Nutzungskapitaleigner Der Nutzungstechnologe liefert an den Nutzungskapitaleigner einen Plan, nach welchem dessen Gerät in einem Betrieb so kombiniert wird, (1) daß einem bestimmten Güterbezug ein bestimmter Güterausstoß entspricht und (2) daß die Arbeitsplatzmerkmale einer bestimmten Menge von Arbeitskräften bestimmter Berufe entsprechen. Der Nutzungskapitaleigner bezahlt für diesen (der Realität ständig anzupassenden Plan) ein einmaliges oder laufendes Entgelt. Der Nutzungstechnologe erwartet dabei vom Nutzungskapitaleigner, daß er ihm alle zur Verwirklichung seiner (auf der Basis des standörtlichen Arbeitskräftepotentials und der dortigen Bezugs- und Absatzverhältnisse entwickelten) besonderen Nutzungstechnik notwendigen Geräte (Maschinen, Gebäude, u. a.) zur Verfügung stellt oder beschafft; unter diesem Aspekt sanktioniert (akzeptiert oder verweigert) der Nutzungstechnologe den Kontrakt mit dem Nutzungskapitaleigner (Auswahlprinzip). Hingegen erwartet der Nutzungskapitaleigner vom Nutzungstechnologen, daß dieser ihm eine bestimmte (in der Regel den sich veränderten Bedingungen ständig anzupassende) Nutzungstechnik anbietet, mit welcher er möglichst sein gesamtes Gerät zweckmäßig und in bezug auf seine Verwertungsziele (Gewinn, Rentabilität, Nutzen) wirksam einsetzen kann. Unter diesem Aspekt sanktioniert (akzeptiert oder verweigert) der Nutzungskapitaleigner den Kontrakt mit dem Nutzungstechnologen. Unter gebotenen Alternativen wird er den in bezug auf die Verwirklichung seines Kapitalverwertungszieles geeignetsten Nutzungstechnologen (etwa als Manager) auswählen.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
(3) Beziehungen zwischen Nutzungskapitaleigner und der Arbeitskraft bzw. dem Konsumenten Die Arbeitskraft liefert dem Nutzungskapitaleigner eine ihren produzierten Fertigkeiten und ihrem Arbeitsplatz entsprechende Arbeitsleistung, der Konsument eine seinen Präferenzen und dem Warenangebot entsprechende Kaufkraft. Dafür wird die Arbeitskraft vom Nutzungskapitaleigner entlohnt, der Konsument mit der Ware beliefert. Die Arbeitskraft erwartet dabei vom Nutzungskapitaleigner, daß er ihr Arbeitsvermögen höchstmöglich entlohnt, der Konsument erwartet von ihm, daß er für seine Kaufkraft einen möglichst hohen Warenwert erhält. Je nach dem Ausmaß, in welchem ihre jeweiligen Erwartungen erfüllt werden, akzeptieren bzw. verweigern die Arbeitskräfte die vom Nutzungskapitaleigner angebotenen und mit einem bestimmten Lohn bewerteten Arbeitsplätze, die Konsumenten die vom Nutzungskapitaleigner angebotenen und mit einem bestimmten Preis bewerteten Waren. Umgekehrt erwartet der Nutzungskapitaleigner von der Arbeitskraft, daß sie alle ihre produktiven Fertigkeiten zu einem möglichst geringen Lohn möglichst intensiv in die Produktion einsetzt und vom Konsumenten, daß er ihm von den produzierten Waren möglichst viele zu einem möglichst hohen Preis abnimmt. Werden die Erwartungen des Nutzungskapitaleigners an einer von der Kapitalrentabilität bestimmten Schwelle unterschritten, kommt es nicht zum Kontrakt zwischen bestimmten Nutzungskapitaleignern und bestimmten Arbeitskräften bzw. bestimmten Konsumenten. 3 . 4 . 3 . Handlungsspielräume bei der Standortnutzung In einer arbeitsteiligen Wirtschaft kann ein Standort nur genutzt werden, (1) wenn sämtliche für die Nutzung erforderlichen Faktoren (das sind die „Produktionsfaktoren'.' im hergebrachten Verständnis oder die Konsumgüter) dort unter wirtschaftlichen Bedingungen technisch erreichbar sind und (2) wenn die verschiedenen Eigentümer ihre Nutzungsfaktoren unter wirtschaftlichen Bedingungen zur Kombination zur Verfügung stellen. (Jede Nutzungsart ist durch eine besondere Kombination verschiedener Nutzungsfaktoren gekennzeichnet.) Sind (im Sinne des ausgeführten standortbezogenen Handlungssystems) bestimmte Kategorien von Nutzungsfaktoren (entweder standörtliche Gelegenheiten oder personale Fertigkeiten oder technisches Wissen oder Geräte) jeweils bestimmten Entscheidungsträgern (Standorteigner und Standortnutzer; Arbeitskraft/Konsument, Nutzungstechnologe und Nutzungskapitaleigner) rollenspezifisch im Eigentum zugeordnet, dann bedarf jeder Betrieb (ob Unternehmung oder Haushaltung) des Kontraktes zwischen diesen Entscheidungsträgern. Dabei hat jeder Entscheidungsträger rollenspezifisch für seine Nutzungsfaktoren mehr oder weniger alternative Einsatzmöglichkeiten, das heißt: ihm stehen in der Regel verschiedene Nutzungsmöglichkeiten offen. Die Gesamtheit der einem Entscheidungsträger solcherart rollenspezifisch zugeordneten alternativen Nutzungen seiner Faktoren (aus denen er durch eine Entscheidung eine bestimmte auswählt) wird als Handlungsspielraum bezeichnet. Es kann davon ausgegangen werden, daß jeder Entscheidungsträger versuchen wird, seinen rollenspezifischen Handlungsspielraum, also die Zahl der Nutzungsalternativen für seine Faktoren, zu maximieren, um so zugleich die Chance für eine günstige Entscheidung bzw. Auswahl zu verbessern.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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Die nutzungsbezogene Entscheidung der verschiedenen Aktoren wird sich, so kann im Sinne der wirtschaftswissenschaftlichen Grundhypothesen angenommen werden, an dem Ziel orientieren, mit dem Einsatz der jeweils rollenspezifisch eigenen Nutzungsfaktoren ein höchstmögliches Entgelt zu erhalten. Die Erreichung dieses Zieles der Faktoreigner wird in der Regel mit der Erwartung verbunden, daß der gebündelte Einsatz sämtlicher eigener Nutzungsfaktoren bei den kombinierenden Kontraktpartnern den größten ökonomischen Effekt hat und somit auch am besten entgolten wird. 3.4.3.1. Der Handlungsspielraum der Arbeitskraft In der Rolle der Arbeitskraft, so wird unterstellt, versucht eine Person ihr nutzbares Eigentum (Dimension: „produktive Fertigkeiten, Talente, Befugnisse" - im folgenden wird der Kürze halber nur von „Fertigkeiten" gesprochen) einer möglichst großen Zahl von gleich- und verschiedenartigen Nutzungskapitaleignern anzubieten, um auf diese Weise Informationsgrundlagen für die Entscheidung zugunsten jenes Arbeitsplatzes zu erhalten, mit dem sie bei Annahme ihrer unteilbaren Fertigkeiten-Offerte ein höchstmögliches Entgelt (als Lohn) erzielen kann. Der Handlungsspielraum der Arbeitskraft H A ist somit konstituiert durch die an verschiedenen (in verschiedenen Betrieben gleichartigen oder in gleichen Betrieben verschiedenartigen) Arbeitsplätzen von ihr ausführbaren Tätigkeiten (Nutzungsalternativen der Arbeitskraft). Dieser arbeitsplatzbezogene Handlungsspielranm der Arbeitskraft H A wird (1) erweitert durch die von ihren produktiven Fertigkeiten bestimmte Zahl der ausführbaren Tätigkeiten PF und durch die von Geräteeigenschaften (in den bestehenden Betrieben) bestimmte Zahl der von ihr erreichbaren Arbeitsplätze P E (2) beschränkt durch die der Arbeitskraft auferlegten Berufsrestriktionen, die sie von der Ausführung bestimmter Tätigkeiten auf entsprechenden Arbeitsplätzen P R ausschließen und durch die bereits besetzten Arbeitsplätze PK (welche sie möglicherweise hätte ausfüllen können). Der arbeitsplatzbezogene Handlungsspielraum der Arbeitskraft H A kann, wie folgt, in einem Venn-Diagramm dargestellt werden:
Eine zum arbeitsplatzbezogenen Handlungsspielraum der Arbeitskraft analoge Kalkulation kann für den „wohnplatzbezogenen Handlungsspielraum der Kaufkraft" angestellt werden.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
3.4.3.2. Der Handlungsspielraum des Nutzungstechnologen Der Nntzungstechnologe versucht, sein Eigentum (Dimension: „technisches Wissen über Nutzungstechnik") ebenfalls einer möglichst großen Zahl von kontraktfähigen Nutzungskapitaleignern anzubieten, um auf diese Weise die Informationen für seine Entscheidung zugunsten jenes Betriebes zu erhalten, mit dem und in dem er für seine dann angewandte Nutzungstechnik das höchstmögliche Entgelt erzielen kann. Der Handlungsspielraum des Nutzungstechnologen HT ist somit durch die verschiedenen Betriebe konstituiert, in denen seine Nutzungstechnik(en) angewandt werden können (Nutzungsalternativen des Nutzungstechnologen). Dieser betriebsbezogene Handlungsspielraum des Nutzungstechnologen HT wird (1) erweitert durch die Betriebe BE, die mit dem technologisch entsprechendem Gerät ausgestattet sind und durch die Betriebe BF, für welche die mit entsprechenden Fertigkeiten versehenen Arbeitskräfte verfügbar sind (2) beschränkt durch die Zahl jener Betriebe BR, in denen die betrachtete(n) Nutzungstechnologie(n) gemäß entsprechender Restriktionen (wie Umweltschutzbestimmungen) nicht angewandt werden dürfen und die Zahl jener Betriebe B k , in denen die betrachtete(n) Nutzungstechnologie(n) bereits angewandt werden. Diesen Bedingungen enstprechend, ergibt sich das im folgenden dargestellte VennDiagramm für den betriebsbezogenen Handlungsspielraum der Nutzungstechnologen
3.4.3.3. Der Handlungsspielraum des Nutzungskapitaleigners Der Nutzungskapitaleigner versucht, sein Eigentum (Dimension: „Gerät") zunächst einer möglichst großen Zahl von kontraktfähigen Nutzungstechnologen (dann den entsprechenden Arbeitskräften) anzubieten, um so Informationen für die Entscheidung zugunsten jener Nutzungstechnik (Produktionsfunktion) zu erhalten, die ihn die höchstmögliche Rentabilität für sein in den Betrieb eingebrachtes (unteilbares) Gerät (Maschinen, Gebäude u. a.) erwarten läßt. Es wird hier unterstellt, daß das Gerät des Nutzungskapitaleigners standortgebunden ist und bereits in seinen technologischen Eigenschaften mit den standörtlichen Gelegenheiten abgestimmt ist.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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Der Handlungsspielraum des Nutzungskapitaleigners HRE ist somit durch verschiedene Nutzungstechniken konstituiert, die in seinem Betrieb bzw. auf der Basis seines Eigentums angewandt werden können (Nutzungsalternativen des Nutzungskapitaleigners). Der nutzungstechnikbezogene Handlungsspielraum des Nutzungskapitaleigners H KE wird (1) erweitert durch die Nutzungstechniken (Nutzungsarten) T E , die mit dem für den Nutzungskapitaleigner verfügbaren Gerät (mit den entsprechenden technologischen Eigenschaften) und jenen Nutzungstechniken T F , die mit den vom Nutzungskapitaleigner erreichbaren Arbeitskräften (mit den entsprechenden Fertigkeiten) auskommen (2) beschränkt durch jene Nutzungstechniken T R , die in seinem Betrieb (auf seinem Standort oder aufgrund anderer Bedingungen) nicht zugelassen sind und durch jene Nutzungstechniken T K , die in konkurrierenden Betrieben bereits (mit demselben Ergebnis) angewandt werden. In einem Venn-Diagramm können diese Bedingungen für den nutzungstechnikbezogenen Handlungsspielraum des Nutzungskapitaleigners, wie folgt, dargestellt werden:
3.4.3.4. Interdependenz der verschiedenen rollenspezifischen Handlungsspielräume Die rollenspezifischen Handlungsspielräume H A , H T , H KE enthalten die für die entsprechenden Aktoren Arbeitskralt, Nntznngstechnologe und Nutzungskapitaleigner jeweils möglichen alternativen Nutzungen ihrer Nutzungsfaktoren. Nur innerhalb der so definierten Handlungsspielräume können die jeweiligen Aktoren ihre Handlungsziele verwirklichen. Geht man davon aus, daß jeder Aktor in seinen hier betrachteten Rollen versucht, die ihm verfügbaren (produktiven oder konsumtiven) Nutzungsfaktoren zur Maximierung des erzielbaren Entgelts in ihrer Gesamtheit einzusetzen, dann verbleibt nur eine Teilmenge des oben abgeleiteten Handlungsspielraumes als Bereich vorteilhafter Nutzung. Wird zusätzlich der Realität entsprechend angenommen, daß alle einzelnen Aktoren im Handlungssystem der Standortnutzung jeweils ihre sämtlichen Nutzungsfaktoren in die Produktion (oder in den Konsum) einsetzen wollen, dann können nur jene
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rollenspezifischen Nutzungsmöglichkeiten als wünschenswert kalkuliert werden, die im Bereich der Handlungsspielräume aller einzelnen Aktoren liegen. In einem Venn-Diagramm entspricht dieser günstige Bereich, wie im folgenden dargestellt, der Schnittmenge der rollenspezifischen Handlungsspielräume aller beteiligten Aktoren.
Abb. 3.27. Regionalpolitisch günstiger Bereich in den Handlungsspielräumen
3.5. Standortmarkt 3.5.1. Standorte als Marktobjekte Standorte sind knappe Güter. Folgt man dieser allgemein akzeptierten Annahme, dann erübrigt sich eine weitere Begründung für die Existenz von Standortmärkten. Besonders die Grundstücksmärkte sind Gegenstand des privaten und öffentlichen Interesses, spiegeln sich doch in den dort erzielten Preisen nach allgemeiner Erkenntnis die Veränderungen in der kommunalen Wirtschafts- und Siedlungsstruktur wieder. Während die theoretischen Arbeiten zum Standortmarkt vor allem die Grundstücksbewertung problematisieren, blieben bisher Gemeinden und höherrangige Gebietseinheiten als Gegenstand der Standortmarkt-Analyse weitgehend unbeachtet. Dies, wenngleich es evident ist, daß mit zunehmendem Engagement Gemeinde-Bürgermeister und Wirtschaftsförderungsämter in Verfolgung kommunaler Einkommensinteressen über verschiedene Marketing-Medien, wie Zeitungsannouncen und Werbebroschüren, das gesamte Gemeindegebiet „zu Markte tragen"; beispielsweise gilt dies gleichermaßen für die gemeindliche Konkurrenz um die Niederlassung von Gewerbebetrieben und um den Gast im Fremdenverkehr. Die Beschränkung der theoretischen Standortmarkt-Analysen auf Grundstücke kann vermutlich dadurch erklärt werden, daß sich letztlich jeder Standorthandel auf eine privatrechtliche Übertragung von Grundstückseigentum oder -nutzungsmöglichkeiten bezieht. Es sei an dieser Stelle jedoch festgehalten, daß auch Aggregate von Grundstücken, also Gemeinden, Kreise und höherrangige Gebietseinheiten Marktobjekte, im besonderen des politischen Handelns sind und - historisch betrachtet - wohl auch über lange Zeiträume waren. Wie bereits ausgeführt sind Standorte Güter, weil mit ihnen Nutzen gestiftet oder Gewinne erzielt werden können. Die für jeden Handel (das bedeutet: Eigentumsübertragung) notwendige Voraussetzung, wonach Güter durch Eigentumsrechte eindeutig definiert sein müssen, ist zweifellos auch für die Standorte verschiedenen Ranges, also für Grundstücke, Gemeinden, Landes- und Bundesgebiete, gleichermaßen erfüllt. Da nutzen- und gewinnstiftende Standorte knappe Güter sind und ihre Zahl nicht beliebig vermehrt werden kann, ergibt sich der Preis für einen Standort aus dem AngebotNachfrage-Verhältnis auf dem Standortmarkt. Für die Analyse der Marktverhältnisse
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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erscheint es dabei unerheblich, ob für eine vorbehaltlose, endgültige Übertragung des Standorteigentums bzw. der Verfügungsrechte über den Standort ein einmaliger Standortpreis oder ob bei vorbehaltlicher und befristeter Übertragung der standörtlichen Nutzungsrechte den Grundstücksbesitzern regelmäßig eine Miete oder Pacht bezahlt wird. Standorte sind Gebrauchsgüter, weil sie nicht unmittelbar verzehrt werden, sondern als Betriebsmittel in der warenproduzierenden Unternehmung oder in der warenkonsumierenden Haushaltung zur Transformation der Einsatz- (= Nutzungs-)faktoren genutzt werden. Unter diesem Aspekt kann man Standorten die Bedeutung von höchstrangigen Investitionsgütern zusprechen; denn sie haben bezüglich der für die Kennzeichnung von Investitionsgütern gültigen Kriterien • eine besonders laage (über einen Vergleich der Investitionsgüterarten vermutlich: die längste) Lebensdauer • eine durch die ressourcenmäßige, infrastrukturelle und eigentumsrechtliche Ausstattung sowie durch die Lage in der Siedlung gekennzeichnete besonders komplexe Merkmalsstruktur • eine durch die alternativ realisierbaren Nutzungsfunktionen bestimmte besonders vielseitige Verwendbarkeit. Betrachtet man auf der Grundlage der räumlichen Verteilung der natürlichen Ressourcen die einzelnen Standorte als durch die Infrastruktur und Bodenordnung gebietlich integriert, dann erkennt man die besondere Individualität eines jeden Standortes. Das „höchstrangige Investitionsgut Standort" unterscheidet sich in besonders extremem Ausmaß von dem in der Regel als Massenerzeugnis mit normierten Eigenschaften angebotenen Konsumgut. Durch diese Besonderheit ergeben sich für die Bewertung von Standorten auf dem Markt folgende Konsequenzen: (1) um den Erwerb der Verfügungsrechte über einen bestimmten Standort konkurrieren Nachfrager mit verschiedenen Nutzungsfunktionen (2) um den Verkauf der standörtlichen Verfügungsrechte für eine bestimmte Nutzungsfunktion konkurrieren Anbieter von Standorten mit unterschiedlichen Eigenschaftsprofilen . Auf der Grundlage dieser Erkenntnis muß zunächst jeder Standort in seinem individuellen Eigenschaftsprofil (und in seinen Unterschieden gegenüber den übrigen betrachteten Standorten) beschrieben werden, will man seine relative Eignung für die verschiedenen Nutzungsfunktionen bewerten. Erst wenn Standorte auf solche Weise nach Nutzungsfunktionen bewertet worden sind, kann ihre nutzungsspezifische Nachfrage ermittelt werden. Vergleicht man die Standorte eines Gebietes bezüglich ihrer nutzungsspezifischen Nachfrage, dann ergibt sich (im Gegensatz zu normierten Massenerzeugnissen mit eindeutig definierten Verwendungszwecken), daß jedem eine eigene Angebots- und Nachfragestruktur zuzurechnen ist. Kennzeichnend für solcherart heterogene Märkte ist, daß die Angebotsmengen für verschiedene Nachfrager bzw. die Nachfragemengen für verschiedene Anbieter im einzelnen zwar nicht identisch sind, daß diese sich jedoch mehr oder minder decken. Standortmärkte sind heterogen. Deshalb repräsentiert der Standortpreis (Rente, Pacht, Miete) ein Nachfrage-/Angebots- Verhältnis, in welchem (1) bei der Nachfrage von den Nutzern die Eigenschaftsprofile verschiedener Standorte und (2) beim
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Angebot von den Standorteigentümern die verschiedenen Nutzungsfunktionen voneinander abhängig gemacht werden. Während jeder potentielle Nutzer die ihm zur Niederlassung verfügbaren alternativen Standorte nach der Produktivität (bzw. Nützlichkeit) in seiner eigenen Nutzungsfunktion vergleicht und bewertet, kalkuliert der Eigentümer den Wert seines Standortes nach dem höchstmöglichen Gewinn, bzw. Grenzproduktivität, den ein unbestimmter Nutzer mit einer der alternativ realisierbaren Nutzungsfunktion erzielen könnte. Auf dem Standartmarkt werden somit die Gewinnchancen der Standortnutzung gehandelt, wobei der Eigentümer von der gewinnmaximalen Nutzungsfunktion seiner Standorte, der Nutzer vom gewinn-(nutzen-) maximalen Standort seiner Nutzungsfunktion ausgeht. SRi
= f ( E C r n » % ECf
= j _>
wobei SRj = Standortrente in i EC,n = Gewinnchance auf dem Standort i durch die Nutzung n n ma* = gewinnmaximale Nutzungsfunktion jmax = gewinnmaximaler Standort, wobei i ein bestimmter Standort unter j Standorten ist Dabei ist es kennzeichnend, daß die an den Grundstückbesitzer zu zahlende Standortrente in die Kalkulation des Standortnutzers als Kostenelement eingeht und somit dessen Gewinnchance entsprechend vermindert. n
EC" = EC" -
SRj, wobei NEC" = nutzerspezifische Gewinnchance auf dem Standort i
3.5.2. Zur Bewertbarkeit von Standortqualität auf heterogenen Standortmärkten: das standörtliche Nutzungspotential Als Investitionsgüter sind Standorte zugleich Potentialfaktoren in jeder Produktionsund Konsumfunktion. Durch die Standorte sind (ähnlich wie durch Verkehrsmittel) die Bezugs- und Absatzbedingungen für die Einsatzfaktoren der Nutzungsfunktion bestimmt: Je nach seiner Lage und seiner Ausstattung mit natürlichen Ressourcen, infrastrukturellen Gelegenheiten und eigentumsichernden Barrieren sind mit einem Standort über die dort entstehenden Transportkosten und externen Effekte zugleich die Betriebserträge (Gewinne oder Nutzen) festgelegt. Problematisch und unsicher erscheint es, die auf verschiedene Nutzungsfunktionen und auf Standorte mit unterschiedlichen Eigenschaftsprofilen bezogenen Gewinnchancen zu kalkulieren. In der Realität wird eine Kalkulation offensichtlich weitgehend durch Erproben des wirtschaftlichen Erfolges eines Betriebes („trial-and-error"Verfahren) oder durch Nachahmung der evident erfolgreichen Betriebe ersetzt. Im folgenden wird versucht, unter dem Begriff standörtliches Nutzungspotential einen makroanalytischen Indikator zu konstruieren, mit dessen Hilfe die verschiedenartigen Standorte eines Marktes aufeinander bezogen werden können. Mit dem standörtlichen Nutzungspotential soll somit die Standortnachfrage von den standörtlichen Eigenschaftsprofilen abhängig gemacht werden; dies unter der Prämisse, daß die standörtlichen Eigenschaftsprofile zugleich (über Transportkosten und externe Effekte) die Kosten der Betriebe nutzungsspezifisch variieren. Diese Definition des standörtlichen Nutzungspotentials zielt darauf ab, Eigenschaftsprofile von Standorten als relativen ökonomischen Vorteil der Nutzer (im Falle der vollständigen Kapazitäts-
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
153
auslastung sämtlicher Standorteigenschaften) auszudrücken. Unter diesem Aspekt stellt sich das Problem, die materiellen Eigenschaften von Standorten, wie Grundstücksgröße, -läge und -ausstattung im standörtlichen Nutzungspotential über die Kosten der verschiedenen Standortnutzungen substituierbar zu machen. Diese Vorstellung vom standörtlichen Nutzungspotential macht es erforderlich, sämtliche für eine Nutzungsfunktion relevanten Standorteigenschaften nach erzielbaren Kostenvorteilen zu bewerten. Dabei sind vor allem folgende Beziehungen zu berücksichtigen: • Mit der Zahl der standörtlichen Ausstattungsfaktoren (natürliche Ressourcen, infrastrukturelle Gelegenheiten, eigentumsichernde Barrieren) sinken tendenziell bei gleicher Standortlage die Bezugs- und Absatzkosten für Produktion und Konsum. Bezugs- und Absatzkosten des Betriebes
Zahl der Ausstattungsfaktoren eines Standortes
Abb. 3.28. Abhängigkeit der betrieblichen Bezugs- und Absatzkosten von der Zahl der standörtlichen Ausstattungsfaktoren
Aus dieser Beziehung folgt: Das standörtliche Nutzungspotential wächst mit den im Betrieb durch zusätzliche standörtliche Ausstattungsfaktoren ersparten Bezugs- und Absatzkosten. • Je geringer die Entfernungen zu den Bezugs- und Absatzmärkten (Standortlagen), desto geringer sind tendenziell bei gleichen standörtlichen Ausstattungsfaktoren die Bezugs- und Absatzkosten für Produktion und Konsum. Bezugs- und Absatzkosten des Betriebes
Entfernung zu den Bezugsund Absatzmärkten
Abb. 3.29. Abhängigkeit zwischen den betrieblichen Bezugs- und Absatzkosten und der Entfernung zu den Bezugs- u. Absatzmärkten
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Aus dieser Beziehung folgt: Das standörtliche Nutzungspotential wächst mit den im Betrieb durch die geographische Lage zu den Bezugs- und Absatzmärkten ersparten Transportkosten und externen Effekten. • Je weniger Einsatzfaktoren in einer standörtlichen Nutzungsfunktion kombiniert werden, desto wahrscheinlicher bleiben die standörtlichen Ausstattungsfaktoren unausgelastet oder ungenutzt. Die Grenzproduktivität der standörtlichen Ausstattungsfaktoren wächst demnach tendenziell mit dem Komplexitätsgrad der standörtlichen Nutzungsfunktion. Aus dieser Beziehung folgt: Das Nutzungspotential eines Standortes wird je nach dem Komplexitätsgrad der standörtlichen Nutzungsfunktion zu einem bestimmten Grad ausgenutzt. 1
standörtliche Gewinnchancen
n, n2 n3 = Nutzungsfunktionen mit steigendem Komplexitätsgrad „n,
_n 2 . n, Zahl der standörtlichen Ausstattungsfaktoren Abb. 3.30.
Abhängigkeit zwischen der Zahl der standörtlichen Ausstattungsfaktoren und der standörtlichen Gewinnchance für unterschiedlich komplexe Nutzungsfunktionen
Das standörtliche Nutzungspotential N Pj gilt hier ab Ausdruck jener (gedachten) Nachfrage, welche sich ergäbe, wenn sämtliche Betriebe unter Vernachlässigung der Standortrente im Ausmaß ihrer Ertragschancen als Nachfrager gezählt würden. Demnach ist NPi
=
1 ¡D n , n=1
wobei ¡Dn = f(ECP)
hierbei ist: NPi ¡Dn
= das Nutzungspotential des Standortes i = die Nachfrage nach dem Standort i aus Betrieben mit der Nutzungsfunktion n 1 . . . . k = Benennung der auf dem Standort i rentablen Nutzungsfunktionen EC ° = die Gewinnchance mit der Nutzungsfunktion n auf dem Standort i
Als Kriterien für die standortspezifische Rentabilität einer Nutzungsfunktion gelten folgende direkt oder indirekt in die Betriebsrechnung eingehenden Kostenkategorien: • die Bezugs- und Absatzkosten (Transportkosten) bezüglich der erforderlichen oder abzusetzenden Faktoren und bezüglich der zu vermarktenden oder abzuleitenden (positiven oder negativen) Güter • die Kosten für die Verhinderung eines ungeregelten Entzugs standörtlicher Ressourcen und die AusschlieBungskosten für eventuelle Störungen von benachbarten Standorten (Eigentumssicherungskosten)
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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• die Abbaukosten für Rohstoffe sowie gegebenenfalls die Ablagerungs- und Beseitigungskosten für Abfallstoffe. Im Falle einer beabsichtigten Niederlassung wird jede Haushaltung oder Unternehmung, ihrer Nutzungsfunktion gemäß, die in Frage kommenden Standorte nach folgenden technischen Einflußgrößen kostenmäßig vergleichen und bewerten: • der gutspezifisch-technologischen Eignung der infrastrukturellen Leitungssysteme, mit welchen die notwendigen Faktoren (Güter) von komplementären Standorten bezogen und zu denen die erzeugten Güter (Faktoren) abgesetzt werden können, sowie den technologischen Ausschlußkriterien für bestimmte Bezugsfaktoren oder Abfallstoffe durch Kriterien der Bodenordnung im allgemeinen und Barrierensysteme im besonderen (z.B. Umweltschutznormen) • systemspezifischen Entfernungen zu den jeweils komplementären bzw. konfliktären Nutzern (bzw. Standorten), welche die erforderlichen Faktoren anbieten und die produzierten Güter nachfragen bzw. bestimmte Nutzungen beeinträchtigen • den standortspezifischen Kapazitäten der Rohstofflager, der infrastrukturellen Gelegenheiten und den eigentumssichernden Barrieren. Diese betriebliche und nutzungsspezifische Kostenrechnung müßte der Standorteigentümer für jede Nutzungsfunktion nachvollziehen, wenn er die aus den Gewinnchancen der Nutzer abgeleitete Nachfrage nach seinem Standort zum Kriterium für seine Standortrentenforderung machen will. Indem der Standorteigentümer fragt, in welchem Ausmaß Eigenschaften seines Standortes die Gewinnchancen der verschiedenen Nutzer erhöhen oder die verschiedenen Nutzungsfunktionen restringieren, erkennt er seinen Verhandlungsspielraum auf dem Standortmarkt. Unter diesem Aspekt wird hier angenommen, daß vor allem folgende Standorteigenschaften das Nutzungspotential bestimmen: (1) faktor- und güterartenbe/ogene Eigenschaften; das sind • natürliche Eigenschaften des Bodens (Rohstoffvorkommen. Störpotential durch Schadstoffe, Bodenanbau- und Baugrundqualität u. a.) • infrastrukturelle Eigenschaften (Anschlüsse an Kommunikations-, Versorgungs- und Entsorgungssysteme: Gelegenheiten) • eigentums- bzw. verfügungsrechtliche Eigenschaften (standörtliche Elemente von Grenzsystemen: Barrieren) (2) lagebezogene Eigenschaften; das sind • Entfernungen zu den Standorten komplementärer Nutzungen (betreffend die Bezugs- und Absatzmöglichkeiten für Güter und Faktoren) • Entfernungen zu den Standorten konfliktärer Nutzungen (betreffend die Störmöglichkeiten in bezug auf die Nutzung des betrachteten Standortes) (3) kapazitätsbezogene Eigenschaften; das sind • die nutzbare Bodenfläche des betrachteten Standortes • die Anschlußkapazität seiner infrastrukturellen Gelegenheiten • die Anschlußkapazität seiner eigentumssicheraden Barrieren Mit Hilfe dieser technischen Standorteigenschaften kann, so wird angenommen, eine Funktion des standörtlichen Nutzungspotentials formuliert werden, welche zugleich
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
• die Zahl der auf dem betrachteten Standort technisch möglichen Nutzungsfunktionen und • die Verteilung der Gewinnchancen über diese Nutzungsfunktionen abbildet. 3.5.3. Die Faktoren des standörtlichen Nutzungspotentials Das standörtliche Nutzungspotential soll die Position eines Anbieters auf dem Standortmarkt abbilden. Es stellt zugleich die Größe des Handlungsspielraumes dar, den ein Standorteigentümer gegenüber den potentiellen Nutzern seines Standortes besitzt. Diesen Handlungsspielraum des Standorteigentümers kann man sich auch vorstellen als die Gesamtheit der nutzungsartspezifischen Gewinnchancen. Auf der Wirkungsseite ist das standörtliche Nutzungspotential demnach determiniert • durch die Menge der alternativ realisierbaren Nutzungsfunktionen, • durch die technischen Kapazitätsrestriktionen, mit denen die Realisierung jeder einzelnen Nutzungsfunktion verbunden ist und • durch die Rentabilität, deren Ausmaß die Realisierung jeder Nutzungsfunktion fördert oder verhindert. Hier wird die Menge der alternativ realisierbaren Nutzungsfunktionen im sogenannten Kombinationspotential eines Standortes ausgedrückt. Die Berechnung des standörtlichen Kombinationspotentials gründet auf der Vorstellung, daß für jede Nutzungsfunktion bestimmte darin kombinierte Nutzungsfaktoren beziehbar und die entsprechend erzeugten Produkte absetzbar sein müssen. Umgekehrt schließend werden hier die Arten der realisierbaren Nutzungen aus den Arten der standörtlich verfügbaren Nutzungsfaktoren abgeleitet. Die maximale Intensität der im standörtlichen Kombinationspotential enthaltenen Nutzungen wird nach allen einzelnen Nutzungsfaktoren anhaftenden standörtlichen Kapazitätsreserven gewichtet. Dabei gilt, daß in jeder standörtlichen Nutzungsfunktion jeweils für einen Nutzungsfaktor der die gesamte Produktion restringierende Engpaß entsteht. Die Engpaßanlayse der Nutzungsfaktoren (und der Absatzmärkte) ergibt dann eine den Standort zusätzlich kennzeichnende Verteilung der nutzungsfunktionsspezifischen Kapazitäten. Das mit den nutzungsfunktionsspezifischen Kapazitäten gewichtete standörtliche Kombinationspotential wird hier als Standortkapazität bezeichnet. Um definitionsgemäß als Elemente zum standörtlichen Nutzungspotential zurechenbar zu sein, müssen die nach ihrer Kapazität gewichteten standörtlichen Nutzungsfunktionen noch nach den die Betriebsrentabilität bestimmenden Stückkosten bewertet werden. Diese hängen neben den kapazitätsabhängig erzielbaren Großbetriebsvorteilen (interne Effekte) in bezug auf die standörtlichen Unterschiede vor allem ab von der Lage des betrachteten Standortes innerhalb der verschiedenen Systeme der Infrastruktur und der Bodenordnung. Da die Anbieter der verschiedenen Nutzungsfaktoren und die Nachfrager der verschiedenen Produkte ihre Standorte in unterschiedlicher Entfernung und mit unterschiedlicher Anbindung an die Systeme der Infrastruktur und Bodenordnung haben, ergibt sich ein für jede Nutzungsfunktion eigener Lagewert des betrachteten Standortes.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
157
Die Gesamtheit der nutzungsfunktionsspezifischen Lagewerte eines Standortes (im Hinblick auf die Stückkosten des Nutzungsergebnisses) kennzeichnet die standortspezifische Lage. Das standörtliche Nutzungspotential ergibt sich aufgrund dieser Überlegungen in mikroanalytischer Berechnung als Summe der Produkte von nutzungsspezifischer Standortkapazität und Standortlage über alle realisierbaren Nutzungsfunktionen. Da es empirisch unmöglich erscheint, jede einzelne auf einem Standort realisierbare Nutzungsfunktion in jedem Fall zu identifizieren und noch dazu nach Kapazitäts- und Lagekriterien zu bewerten, wird vorgeschlagen, das standörtliche Nutzungspotential näherungsweise und gleichsam makroanalytisch zu ermitteln. Eine Möglichkeit dazu wäre, daß man das standörtliche Kombinationspotential auf der Basis von standörtlichen Gelegenheiten und sowohl die Standortkapazität als auch die standortspezifische Lage auf der Basis ausgewählter Nutzungsfaktoren (unter Vernachlässigung der nutzungsfunktionsspezifischen Koeffizienten) kalkuliert. Während bei der Mikroanalyse die eigene Kalkulation des standörtlichen Kombinationspotentials und der standortspezifischen Lage teilweise redundant ist, wird in der Makroanalyse das Kombinationspotential zu einem bedeutenden erklärenden Faktor. Im folgenden werden (1) das standörtliche Kombinationspotential KP; (2) die Standortkapazität 0 Pi und (3) die Standortlage LP{ als Faktoren einer makroanalytischen Nutzungspotential-Funktion interpretiert. NP, = F (KP, oPi> LP.) Während man sich bei der Berechnung dieser Faktoren weitgehend auf bewährte Methoden der Potentialanalyse stützen kann, erscheint vor allem die Schätzung der zugehörigen Koeffizienten noch ein weites Feld der zukünftigen Forschung.
3.5.3.1. Standörtliches Kombinationspotential Bei der Kalkulation des faktor- und güterartbezogenen Kombinationspotentials eines Standortes (im folgenden kurz als Kombinationspotential bezeichnet) werden die standörtlichen Lagebedingungen und Kapazitätsrestriktionen außer acht gelassen. Das Kombinationspotential KPj des Standortes i ist somit konstituiert durch die Gesamtheit der dort verfügbaren und kombinierbaren Nutzungsfaktoren, es ist definiert durch die auf der Basis dieser Nutzungsfaktoren möglichen und ökonomisch sinnvollen Nutzungsfunktionen. Dabei gilt jede Nutzungsfunktion als eine bestimmte Kombination von (positiven) Gütern und Faktoren. (Als kombinierbare Güter und Faktoren gelten alle jene, die sich positiv auf zumindest ein Nutzungsergebnis auswirken und die zugleich nicht mehr Nutzungsfunktionen verhindern als sie begünstigen.) Es kann in erster Näherung angenommen werden, daß die Zahl der auf dem Standort i möglichen Nutzungsfunktionen (das entspricht der Zahl der dort möglichen Güterbzw. Faktorenkombinationen) exponentiell zur Basis der dort verfügbaren und kombinierbaren Güter bzw. Faktoren wächst.
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
158 kP,
= f«),
wobei rij = Zahl der in i kombinierbaren Nutzungsfaktoren Y = Kombinationsexponent (y > 1) Folgt man der Vorstellung vom Nutzungsgraphen, dann entspricht das standörtliche Kombinationspotential der Zahl der innerhalb einer vorgegebenen Knotenmenge realisierbaren Kantenzuge. Die durch verschiedene Kantenzüge (als Repräsentanten für die einzelnen standörtlichen Nutzungsfunktionen gedacht) zu verbindenden Knoten sind im Nutzungsgraphen äquivalent mit den auf dem betrachteten Standort i kombinierbaren Nutzungsfaktoren n^ Vereinfachend kann man die Menge K; der auf dem Standort i möglichen Nutzungsfunktionen (anstatt, wie es die Abbildung der Nutzungsfunktion im Nutzungsgraphen erwarten ließe, als Variationsmenge) als Kombinationsmenge über die standörtlich verfügbaren Nutzungsfaktoren ausdrücken. Kt = fo$)
wobei n| die Zahl der auf dem Standort i verfügbaren Nutzungsfaktoren und kj der Komplexitätsgrad der standörtlichen Nutzungsfunktionen bedeutet. Der Komplexitätsgrad kj entspricht der Zahl der in einer Nutzungsfunktion (im Sinne einer Leontieffsehen Produktionsfunktion) kombinierten Nutzungsfaktoren. Sind in der Betrachtung sämtliche Komplexitätsgrade von Nutzungsfunktionen eingeschlossen bzw. sollen die verschiedenen Wertigkeiten und Vorteilhaftigkeiten unterschiedlich komplexer Nutzungsfunktionen außer Acht bleiben, dann gilt Kj = f (2
k,j = 2
(£;)), wobei m > kj
Theoretisch folgerichtig ist es, die Menge der auf einem Standort möglichen Nutzungsfunktionen (standörtliches Kombinationspotential) nicht allein von der Menge der dort verfügbaren Nutzungsfaktoren abhängig zu machen, sondern es sind zusätzlich auch die dort vorhandenen Störfaktoren (Lärm, Abgase u. a.) in die Kalkulation einzubeziehen. Die standörtlichen Störfaktoren rTj bewirken, daß bestimmte verfügbare Nutzungsfaktoren überhaupt nicht oder nur mit zusätzlichen Aufwänden in entsprechenden Nutzungsfunktionen kombiniert werden können. Das bedeutet im Sinne der obigen Formulierung, daß infolge von Störfaktoren nj bestimmte NutzungsfaktorKombinationen verhindert werden, wenn diese nicht durch zusätzliche, die Störfaktoren (z. B. Lärm und Abgase) absorbierende Maßnahmen ergänzt werden. Standörtliche Störfaktoren vermindern somit, makroanalytisch betrachtet, den Komplexitätsgrad kj der in der Kombinationsmenge iC; auf dem betrachteten Standort i realisierbaren Nutzungsfunktionen. Danach gilt K, = (kj
Hj) • (kj - ff;)!
In der Realität sind zweifellos nicht alle theoretisch auf die dargestellte Weise kalkulierten standörtlichen Nutzungsfaktor-Kombinationen technisch und ökonomisch sinnvoll, vielmehr sind die realistischen Nutzungsfunktionen, welche das standörtliche Kombinationspotential konstituieren, eine Teilmenge der theoretisch möglichen. KPi = K,
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
A
159
standörtliches Kombinationspotential
kombinierbare Nutzungsfaktoren Abb. 3 3 1 .
Standörtliches Kombinationspotential in Abhängigkeit von der Zahl kombinierbarer Nutzungsfaktoren
Darüber hinaus erscheint es gerechtfertigt, das standörtliche Kombinationspotential als bestimmte Funktion (eventuell als bestimmten Anteil) der hier theoretisch kalkulierten Kombinationsmenge über die standörtlichen Nutzungs- und Störfaktoren anzunehmen. Danach gilt KPi
= f (Kj)
Darüber hinaus erscheint es berechtigt, den auf einem Standort i realisierbaren Komplexitätsgrad der Nutzungsfunktionen, das ist (kj — Sj), als besonderes Rentabilitätskalkül für die ökonomische Bewertung von Standorten im Auge zu behalten.
3.5.3.2. Nutzungsfunktionsspezifische und gesamte Standortkapazität Bei der Kalkulation der auf ein bestimmtes Nutzungsergebnis (output-) bezogenen Standortkapazität werden die Nutzungsfaktoren einer jeden realisierbaren Nutzungsfunktion n nach dem Ausmaß ihrer standörtlichen Verfügbarkeit bewertet; dabei bleibt die Lage zu den Bezugs- und Absatzstandorten unberücksichtigt. Die nutzungsfunktionsspezifische Standortkapazitat, „X; m a j , ist das in der Nutzungsfunktion n auf dem Standnort i erzielbare größtmögliche Nutzungsergebnis. Dieser Faktor wird zum einen definiert durch die nutzungsfaktorspezifischen Kapazitäten (1) des Bodens als Träger von Rohstoffen und Absorptionspotential für Störungen, (2) der infrastruktureüen Gelegenheiten als Vermittler der von andernorts bezogenen oder andernorts abgesetzten Güter bzw. Faktoren und (3) der eigentumsregelnden Barrieren, durch welche der Entzug eigener Ressourcen behindert und Störungen gleichsam ferngehalten werden. Zum anderen wird die Standortkapazität oPi definiert durch die einzelnen Nutzungsfaktoren, welche das Ergebnis einer jeden Nutzungsart bestimmen. Hier interessiert, in welchem Maß das Ergebnis einer bestimmten Nutzungsfunktion (also: die Produktionsmenge nach einer bestimmten Produktionsfunktion oder der Güterverzehr nach einer bestimmten Konsumfunktion) durch Kapazitätsrestriktionen bei den einzelnen Nutzungsfaktoren beschränkt wird.
160
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Ausgehend von der Vorstellung des Nutzungsgraphen, als Abbild einer bestimmten standörtlichen Nutzungsart, kann eine Nutzungsfanktion als mikroökonomische Produktions- oder Konsnmfuiiktion beschrieben werden. nX; =
fn ( X l . X 2 , X 3
Xm)
wobei n Xj = Ergebnis (output) in der Nutzungsfunktion n auf dem Standort i Xj = Faktormenge der Art j j = Faktorindex (j = 1 m) m = Anzahl der Inputfaktorarten f n = Kennzeichnung der Kombinationstechnik für die Nutzungsfunktion Bei Zugrundelegung einer mikroökonomischen Nutzungsfunktion (Leontieff-Typ) können bei Unterstellung strenger Limitationalität der Inputfaktoren deren Mengenanteile am Nutzungsergebnis in sogenannten technischen Input-Koeffizient aj ausgedrückt werden. „X; = „Xj. (a, + a 2 + . . . a m ) wobei
O ^ a ^ l
Jede Nutzungsfaktormenge ist auf jedem Standort kapazitätsmäßig beschränkt, was durch das Maß j0j Standort- und faktorspezifisch ausgedrückt werden kann. Für jede auf dem Standort i realisierbare Nutzungsfunktion muß dann für jeden einzelnen Inputfaktor gelten: aj • „Xj ^ ,0, Damit wird das größtmögliche Nutzungsergebnis einer bestimmten Nutzungsfunktion auf einem bestimmten Standort von der Kapazität eines sogenannten „Engpaßfaktors", ¡0h abhängig gemacht. Unter wahrscheinlichkeitstheoretischen Aspekten bezüglich der UngleichVerteilung der Faktoren kann gefolgert werden, daß die nutzungsfunktionsspezifische Kapazität eines Standortes „Xj m M um so kleiner wird, desto mehr Nutzungsfaktoren in der Nutzungsfunktion n kombiniert werden; denn mit der Zahl der auf einem Standort zu kombinierenden Nutzungsfaktoren wächst auch die Zahl der gleichsam überlagerten nutzungsfaktorspezifischen standörtlichen Kapazitätsrestriktionen, von denen die jeweils maßgebende bei der komplexeren Nutzungsart mit großer Wahrscheinlichkeit engere Grenzen setzt als bei der weniger komplexen Nutzungsart. nutzungsfunktionsspezifische K a p a z i t ä t e n des Standortes i
Kapazitätslinie für den Standort i
»• Nutzungsfunktionen
Abb. 3 3 2 .
Häufigkeitslinie der nutzungsfunktionsspezifischen Kapazitäten eines Standortes i (Kapazitätslinie für den Standort i)
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
161
Die nutzungsfunktionsspezifischen Kapazitäten eines Standortes können, in einer Häufigkeitskurve nach ihrem Ausmaß gereiht, als Kapazitätslinie des Standortes i dargestellt werden. D i e gesamte S t a n d o r t k a p a z i t ä t 0 P j . als m a k r o a n a l y t i s c h e s M a ß fiir die auf einem S t a n d o r t insgesamt erzielbaren G r o ß b e t r i e b s v o r t e i l e (interne E f f e k t e ) kann als Integral der oben dargestellten Kapazitätslinie f ü r d e n S t a n d o r t i interpretiert w e r d e n . D a n n ist V
oPi =
J
nXi„, • dn
Für diese Ableitung gelten zweifellos die selben theoretischen Vorbehalte, wie sie für diese in Input-Output-Analysen verwendeten Form der mikroökonomischen Produktionsfunktion vorgebracht werden; insbesondere die Annahme von nutzungsartspezifisch konstanten Inputkoeffizienten erscheint sehr problematisch, wird doch dadurch die Diskussion über den Einfluß von Großbetriebsvorteilen auf die Nutzungsfunktion unmöglich.
3.5.3.3. Nutzungsfunktionsspeziflsche und standörtliche Lage Bei der Kalkulation der nutzungsfunktionsspezifischen Lage und des standörtlichen Lagepotentials werden die standörtlichen Kapazitätsrestriktionen bei den Nutzungsfaktoren außer acht gelassen. Sowohl die nutzungsspezifische Lage als auch die standörtliche Lage sind somit allein determiniert durch (1) die entfernungsabhängigen Transportkosten, zu denen die nutzungsspezifisch relevanten Güter und Faktoren zwischen dem betrachteten Standort und den Standorten komplementärer Nutzungen bewegt werden und (2) die ebenfalls entfernungsabhängigen Eigentumssicherungskosten, zu denen der ungeregelte Entzug von nutzungsspezifisch relevanten Ressourcen und das Einströmen von Störeffekten zwischen dem betrachteten Standort und den Standorten konfliktärer Nutzungen geregelt oder verhindert wird. Die verschiedenen Ausprägungen der standörtlichen Lage, sind sowohl für die Nutzungsfaktoren (positive externe Effekte) als auch für die Störfaktoren (negative externe Effekte) zu kalkulieren. Die Bezugs- und Absatzbedingungen für die Nutzungsfaktoren und damit die standörtliche Lage einer Nutzungsfunktion verbessern sich (1) mit der systemspezifischen Nähe ^«J^ der Bezugs- bzw. Absatzstandorte j (2) mit der jeweiligen Menge n Mj der von dort für die betrachtete Nutzungsfunktion N zu beziehenden bzw. nach dort abzusetzenden Güterarten (Faktoren) n (3) mit dem gutspezifischen Eignungsgrad „s der die Standorte i und j verbindenden Kommunikations- und Versorgungs-(Entsorgungv)systeme s. Während die mikroanalytische, auf die einzelne Nutzungsfunktion bezogene, standörtliche Lage eindeutig aus den Bezugs- und Absatzkosten für die Nutzungs- und Störfaktoren sowie für die Produkte entsprechend den vorgegebenen FaktormengenRelationen kalkuliert werden kann, erscheint die Berechnung des standörtlichen Lagepotentials, LPj, als makroanalytischer Kennwert, methodisch problematisch.
162
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Hier wird angenommen, daß jeder zusätzlich beziehbare Nutzungsfaktor und jeder zusätzlich ausgeschlossene Störfaktor die Lagegunst eines Standortes im Sinne des traditionellen Potentialansatzes als Funktion von der gewichteten Distanz verbessern. Dann ist LPi
N„ l^lj = 2 2 2 s Js Z, djj""
dabei ist
rn2 d101" 2 j=i „Nj
#•
L Pi
= der das standörtliche Lagepotential i_Pi positiv beeinflussende Teil des Lagepotentials. 2 = Gesamtheit der an der Standort i angeschlossenen in* frastrukturellen Leitungssysteme s (Gelegenheiten). 2 = Gesamtheit der an das infrastrukturelle LeitungsJ " system s angeschlossenen Standorte j. 2 = Gesamtheit der auf den Standorten j jeweils verfügm d baren, bzw. nach j absetzbaren Nutzungsfaktoren. 2^ —L- = Normierungsgröße, das ist der reziproke Wert des posiJ_ n ' tiven Gesamtlagepotentialwertes über alle Standorte j, der gleich 1 gesetzt wird.
Durch Faktoren, die bestimmte Nutzungsfunktionen stören, schrumpft das Lagepotential L Pj des Standortes i. (1) mit der Nähe dy"™ der Standorte j, die mit dem Ergebnis V konfliktär genutzt werden. (2) mit der jeweiligen Intensität „Vy der auf dem Standort i als Störung gewerteten Nutzung V auf den Standorten j. (3) mit der Durchlässigkeit der Standortgrenzen bzw. es wächst mit dem barrierenspezifischen (s) Überwindungsaufwand bzw. Absorptionspotential für die Störung V. Daraus folgt für den (negativen) Beitrag der von benachbarten Standorten wirkenden Störfaktoren auf die standörtliche Lage: L Pi
= 2 2 2 *
i.
v,
• 2 djj""
j - 1
- V v
Vj
Die effektive standörtliche Lage ergibt sich dann als Differenz LPi
=
L Pi
"
L Pi
Die standörtliche Lage ist im wesentlichen vom systemspezifischen Eignungsparameter a bestimmt. Ein infrastrukturelles Leitungssystem ist danach - bei einem sinkenden a - um so besser geeignet, je geringer die gutspezifischen Transportkosten, ein eigentumregelndes Grenzsystem ist - bei einem steigenden a - um so besser geeignet, je höher die störungsspezifischen Grenzüberwindungs-(=Transport-)kosten sind.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
163
3.5.4. Subjekte des Standortmarktes Auf dem Standortmarkt werden Verfügungsrechte über Grundstücke gegen Entgelt übertragen. Je nachdem, ob diese Verfügungsrechte über Grundstücke dauernd oder zeitweilig befristet bzw. kündbar übertragen werden, sind auf dem Standortmarkt zu unterscheiden • die Standorteigner als unmittelbare und • die Standortnutzer als mittelbare Marktpartner. Standorteigner treten auf dem Standortmarkt in zwei Funktionen als Anbieter auf • als Zwischenhändler, indem sie die Verfügungsrechte über Standorte, im besonderen: Grundstücke, ohne Vorbehalte gegen ein einmaliges Entgelt, den Standortpreis, an andere Standorteigner übertragen. • als Einzelhändler, indem sie die Verfügungsrechte über Grundstücke an Standortnutzer als Endnachfrager zeitweilig gegen eine regelmäßig zu zahlende Pacht oder Miete übertragen. Bei der hierarchischen Aufteilung der territorialen Verfügungsrechte kann die Händlerrolle der Standorteigner zusätzlich unterschieden werden. Danach ergeben sich: • die Grundstücksbesitzer, welche in der Regel ein einziges Grundstück besitzen und dieses zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl auf dem Markt anbieten, • die Gebietskörperschaften, insbesondere die Gemeinden (und als deren Agenten tätige Erschließungsgesellschaften), welche gleichzeitig eine größere Menge von Grundstücken aus unmittelbarem Besitz oder als Vermittler anbieten. Diese Rolle scheint jener des Großhändlers und Maklers ähnlich zu sein. Die Interessen der Standorteigentümer, im speziellen der Grundstücksbesitzer, und die Interessen der Standortnutzer sind zunächst auf dasselbe Ziel gerichtet: auf die Gewinne aus der Standortnutzung; denn sowohl die standörtlichen Nutzergewinne als auch die Standortrente der Grundstücksbesitzer (wie übrigens auch die entsprechenden Steuererträge der Gebietskörperschaften) haben ihre Quelle in der Standortnutzung. Somit kann die Rente des Standorteigentümers für sein Grundstück im allgemeinen nicht (oder nur kurzfristig) den vom Nutzer erwirtschafteten standörtlichen Gewinn überschreiten. Jedes Grundstück, jedes Gemeindegebiet und auch jedes höherrangige Territorium wird von seinem Eigentümer (Grundstücksbesitzer, Bürgermeister, Landes- oder Bundesregierung) im Prinzip jedem niederlassungswilligen und (durch einschlägige Gesetze, Verordnungen und Satzungen wie etwa Bebauungs- und Flächennutzungspläne) zugelassenen Unternehmer und Haushaltsvorstand zur Nutzung durch seinen Betrieb angeboten. Während Grundstücksbesitzer in der Regel nur einzelne Grundstücke auf den Markt bringen (und somit mengenmäßig in ihrem Angebot unelastisch sind), sind Gebietskörperschaften mit ihrem größeren Angebotssortiment in der Lage sich mengenmäßig den Marktbedingungen anzupassen. (Diese Aussage erscheint besonders im Hinblick auf das im folgenden behandelte Thema „Standortproduktion" relevant.) Mit ihren Standorten verfolgen die Eigentümer der verschiedenen Kategorien (Grundstücksbesitzer, Gemeinden und höherrangige Gebietskörperschaften) somit in erster Linie ein Verwertungsinteresse; wobei es ihr Ziel ist, aus der Übertragung der
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Verfügungsrechte über ihre Grundstücke an entsprechende Nutzer eine möglichst hohe Standortrente zu erzielen. Bei der Verfolgung ihres Zieles, die Standortrente zu maximieren, ist es den Grundstücksbesitzern (als Anbieter einzelner Grundstücke) im Prinzip gleichgültig, welche Nutzungsfunktion auf ihrem Standort realisiert wird. Hingegen müssen Gebietskörperschaften, die ein größeres Sortiment von Grundstükken gleichzeitig anbieten, unter dem Aspekt der Gesamtrenten (bzw. Gesamtsteuern-) bei Maximierung für jedes einzelne angebotene Grundstück bedenken, in welcher Weise eine bestimmte dort realisierte Nutzungsfunktion wertmindernd auf die übrigen Standorte wirkt. In der Regel wird ein Grundstücksbesitzer bei einer bestimmten Standortrente bereit sein, das Nutzungsrecht (Verfügungsrecht) über seinen Standort an einen Nutzer zu übertragen." Seine Standortrentenfordening orientiert der Grundstücksbesitzer (1) an der aus dem standörtlichen Nntzungspotential abgeleiteten (maximalen) standörtlichen Gewinnchance (2) an jenen Standortrenten, die im Betrachtungszeitraum für ähnlich gelegene, ähnlich ausgestattete und ähnlich gewidmete andere Standorte bezahlt worden sind. Damit ist die Rentenerwartung des Grundstücksbesitzers für seinen Standort nach oben begrenzt durch die (maximale) standörtliche Gewinnchance. Jeden Betrag, der unter dem bezeichneten Standortrenten-Höchstwert liegt, wird der Grundstücksbesitzer als marktmäßiges „Entgegenkommen" auf die Nutzerforderungen begreifen. Ob die so abgeleitete Standortrentenforderung schließlich von einem mehr oder weniger ertragreich wirtschaftenden Nutzer erfüllt wird (d. h. auch von einem Nutzer, der das vorhandene und verfügbare standörtliche Nutzungspotential nicht voll ausnutzt), bleibt für den Grundstücksbesitzer ohne Belang. Die individuelle Angebotskurve des Grundstücksbesitzers hat somit folgende Gestalt: Standortrentenforderung des Grundstücksbesitzers
standörtliche Gewinnchan (nutzungspezifisch)
standörtliche Nutzungsfunktionen Auslastungsgrenze des standörtlichen Nutzungspotentials bei optimaler Nutzung Abb. 333.
57
Individuelle Angebotskurve des Grundstücksbesitzers
Diese Bereitschaft ist auch gegenüber anderen Grundstücksbesitzern in ihrer Händlerrolle durchaus gegeben, wenn diese beispielsweise einen besseren Marktzugang haben.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
165
Für den Grundstücksbesitzer sind nach diesen Überlegungen auch jene Standortnutzer, welche — bezogen auf die (maximale) standörtliche Gewinnchance - suboptimale Nutzungsfunktionen repräsentieren solange gleichwertige Nachfrager und seriöse Marktpartner, wie sie fähig und bereit sind, seine Standortrenten-Forderung zu erfüllen. Das bedeutet zugleich, daß Repräsentanten von Nutzungsfunktionen, welche durch die H ö h e der geforderten Standortrente nicht mehr rentabel zu wirtschaften in der Lage sind, als seriöse Nachfrager nicht in Betracht kommen. Mit dieser Einschränkung ist der Grundstücksbesitzer also bezüglich der auf seinem Standort realisierten Nutzungsfunktion indifferent. ( D e m entspricht die Ausbildung der individuellen Angebotskurve in der obigen Darstellung als steigungslose Gerade.) Im Gegensatz zur Standortrenten-Forderung des Grundstücksbesitzers hängt die ZahlungsbereHschaft der Standorte nachfragenden Nutzer für eine bestimmte Standortrente ab (1) von der standörtlichen Gewinnchance, welche auf dem betrachteten Standort der dem Nutzer eigenen Nutzungsfunktion zuzurechnen ist (betriebswirtschaftliche Höchstgrenze) (2) von jenen Standortrenten, die im Betrachtungszeitraum für ähnlich gelegene, ähnlich ausgestattete und ähnlich gewidmete andere Standorte bezahlt worden sind. Damit ist das Standortrenten-Angebot d e m Verwendungsinteresse des Standortnutzers seiner Nutzungsfunktion untergeordnet. In die Nutzungsfunktion geht der Standort, neben anderen Potentialfaktoren mit einer bestimmten Produktivität bewertet, kostenverursachend ein. (Im Gegensatz dazu verfolgt der Grundstücksbesitzer mit seinem Eigentum ein Verwertungsinteresse.) Als Endnachfrager auf dem Standortmarkt suchen die Standortnutzer demnach für die Verwirklichung ihrer Nutzungsfunktion das - unter Einschluß der zu bezahlenden Standortrente — kostengünstigste Grundstück. Mit anderen Worten: D i e Standortnutzer sind prinzipiell nicht bereit, für jenen Teil des angebotenen standörtlichen Nutzungspotentials, den sie mit ihrer Nutzungsfunktion nicht auslasten, zu bezahlen. Daraus folgt, daß ein Standortnutzer nur bis zu einer bestimmten Standortrente bereit ist, das Nutzungsrecht über ein Grundstück zu erwerben; dies unabhängig davon, o b das gebotene standörtliche Nutzungspotential durch andere Nutzungsfunktionen gewinnbringender ausgenutzt werden könnte oder nicht. Entscheidungen der Standortnutzer beziehen sich auf Standorte mit unterschiedlichem Nutzungspotential. Seine Marktpartner sind die verschiedenen Grundstücksbesitzer. Im Gegensatz dazu entscheidet der Grundstücksbesitzer bei seinem Kontrakt mit dem Standortnutzer über die auf seinem Standort realisierte Nutzungsfunktion. Seine Marktpartner sind somit die verschiedenen Standortnutzer. Die individuelle Nachfragekurve des Standortnutzers hat demnach folgende Gestalt:
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse standörtliches Nutzungspotential
Standortangebot des Standortnutzt | „marktmäßiges j Entgegenkommen 1
Standorte Standort mit dem nutzungsspezifischen Mindestnutzungspotential
Abb. 3.34.
Grenze des Standortmarktes
Die individuelle Nachfragekurve des Standortnutzers
Auf dem Standortmarkt einigen sich die Grundstücksbesitzer und die Nutzer auf eine Standortrente, die zwischen ihren in der Regel divergierenden Ausgangspositionen (Standortrentenforderung und -angebot) liegt. Dieser Marktwert eines Standortes ist als das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Grundstücksbesitzern und potentiellen Standortnutzern vorstellbar.
Rahmen dieser Verhandlungen ist der maximal auf dem betrachteten Standort erzielbare Gewinn. Dieser ergibt sich nur bei Realisierung der für den Standort günstigen Nutzungsfunktion. Ziel der Verhandlungen zwischen den Marktpartnern ist dann die Aufteilung der standörtlichen Gewinnchancen. Dabei sieht der Grundstücksbesitzer die Differenz zwischen der (maximalen) standörtlichen Gewinnchance und der von ihm beanspruchten Standortrente, also die (bei günstigster Nutzungsfunktion maximale) Nutzerertragschance, als ein marktbedingtes Entgegenkommen gegenüber den pauschalierten Nutzern an. Umgekehrt begreifen die Standortnutzer die Differenz zwischen der nutzungsspezifischen Gewinnchance auf einem Standort und ihrem wirklich erzielbaren Gewinn, also die Standortrente, als einen marktbedingten Verzicht gegenüber den pauschalierten Grundstücksbesitzern. Demnach erscheint es evident, daß sich die Verhandlungen auf dem Standortmarkt um die Relation Standortrente/standörtliche Gewinnchance drehen. Für eine quantitative Lösung des methodischen Problems der Einigung der Marktpartner (die formal als Gleichgewichtsanalyse zur Rentenbildung auf dem Standortmarkt im folgenden Abschnitt behandelt wird) sei hier auf die Möglichkeit hingewiesen, marktmäßig bedingte suboptimale Auslastungen des standörtlichen Nutzungspotentials als Opportunitätskosten zu definieren.
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
167
3.5.5. Rentenbüdung auf dem Standortmarkt 3.5.5.1. Begriffliche Ergänzungen und Annahmen In theoretischen Konzepten bedingen Definitionen und Annahmen einander. Die folgende Argumentation zielt auf die Erklärung der Rentenbildung auf dem Standortmarkt ab. Dazu erscheint es erforderlich, zunächst die besonderen Eigenschaften des Standortmarktes zu kennzeichnen, um, darauf aufbauend, die Angebotsund Nachfragemengen-Relation für die Bewertung der einzelnen standörtlichen Nutzungspotentiale ableiten zu können. Unter diesem Aspekt erscheint eine der folgenden Argumentation entsprechende definitorische Präzisierung (1) der Eigenschaften des Standortmarktes, (2) des standörtlichen Nutzungspotentials (3) des Standortangebots und (4) der Standortnachfrage erforderlich. (1) Eigenschaften des Standortmarktes Standortmarkt ist der ökonomische Ort des Austausches von Verfügungsrechten über Grundstücke gegen Geldzahlungen oder andere materielle Gegenleistungen. Im Gegensatz zu den standörtlichen Gütern der Massenproduktion sind Standorte in ihren Eigenschaften oft sehr verschieden. Unter Nutzungs- (Verwendungs-)Aspekten gelten allerdings Standorte, die durch verschiedene Eigenschaftsprofile gekennzeichnet sind, oftmals für die Nutzer als Nachfrager deshalb als Entscheidungsalternativen eines Standortmarktes, weil die sie unterscheidenden Standorteigenschaften substituierbar sind. Aus der Perspektive der Standorteigner erscheint es darüber hinaus gerechtfertigt, den Standortmarkt als eine Einheit zu betrachten, weil für die angebotenen Grundstücke nur im (ungünstigsten) Grenzfall (für den am schlechtesten ausgestatteten bzw. gewidmeten Standort) nur eine einzige Nutzungsart realisierbar ist und damit nur eine einzige Nutzerkategorie als Nachfrager auftritt. Die methodische Zusammenfassung von Märkten58 ähnlicher Güter zu Gesamtmärkten ist sinnvoll, wenn die Teilmärkte voneinander abhängen, indem die Nachfrager grundsätzlich zur Substitution bereit sind. Die Bereitschaft zur Substitution erstreckt sich dabei nicht nur auf diejenigen Standorte, die genau den Mindestanforderungen der Eignung für eine bestimmte Nutzungsart entsprechen, sondern auch auf alle jene, die über die Mindestanforderungen bezüglich dieser einen Nutzungsart hinaus für weitere Nutzungsarten geeignet erscheinen. Damit stehen die Anbieter dieser Standorte auch denjenigen Nachfragern gegenüber, die in jene anderen Nutzungsarten zu investieren beabsichtigen. Die Preise, die zwischen den letztgenannten Marktpartnern Zustandekommen, beeinflussen wieder die Preisvorstellungen bei den Marktpartnern der betrachteten Standorte.
Wie ausgeführt, werden Grundstücke auf dem Standortmarkt nach ihrer Gewinnchance bewertet; als Verhandlungsziel auf dem Standortmarkt war das Verhältnis zwischen Standortrente und standörtlicher Gewinnchance erkannt worden. 58
Das Problem der Form und Eigenschaften von Standortmärkten wird detailliert in: Bökemann, D., Messelhäuser, H.-J., Marktmodell für infrastrukturell differenzierte Standorte, TU-Wien, Diskussionspapier Nr. 10 des Instituts für Stadt- und Regionalforschung
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Hier wird angenommen, daß sowohl der Grundstücksbesitzer als auch der Nutzer die Gewinnchance des gehandelten Grundstückes kennen. Unter dieser Voraussetzung bewertet der Standortnutzer die Gewinnchance eines Standortes an seiner Nutzungsfunktion unter Berücksichtigung der vom Grundstücksbesitzer geforderten Standortrente, die damit selbst zum (negativ bewerteten) Standortfaktor in der betrieblichen Kalkulation des Nutzers wird. Das bedeutet zugleich, daß technologisch ungleiche Standorte für einen Standortnutzer durch Substituierbarkeit der standörtlichen Gewinnchance und der Standortrente bezüglich der Nutzergewinnchance gleichwertige Alternativen sein können. Umgekehrt bewertet ein Grundstücksbesitzer die Gewinnchancen seines Standortes an den Standortrenten, welche (durchaus verschiedene) Nutzer auf ähnlichen (in der Regel: benachbarten) Grundstücken bezahlen. So werden für den Grundstücksbesitzer Nutzer mit technologisch ungleichen Nutzungsfunktionen durch Variation von deren Nutzergewinnchance (im Rahmen der Rentabilität) gleichwertige Verhandlungspartner. Betrachtet man die Differenz zwischen der standörtlichen Gewinnchance und der Nutzergewinnchance (der durch die Nutzungsfunktion brachliegende Teil des Nutzungspotentials) als Opportunitätskosten des Grundstücksbesitzers, dann sind die standörtlichen Gewinnchancen, die Nutzgewinnchancen und die Standortrente (sowie gegebenenfalls die bezeichneten Opportunitätskosten) auf derselben monetären Skala abgebildet. Unter diesen Umständen kann das Verhandlungsziel auf dem Standortmarkt, nämlich das Verhältnis Standortrente/ standörtliche Gewinnchance, sowohl in der individuellen Nachfrage als auch in der individuellen Angebotsfunktion explizit gemacht werden. Vereinfachend wird als Marktforra für den Standortmarkt das Modell der vollkommenen Konkurrenz zugrundegelegt. Wenn auch die Realität (mit fehlender Markttransparenz, großem Heterogenitätsgrad der gehandelten Güter, vielfältigen Interventionen seitens der Gebietskörperschaften u.a.) stark von diesem Idealtyp abweicht, scheinen doch wichtige Erkenntnisse auch aus dieser beschränkten Sicht ableitbar. (2) Standörtliches Nutzungspotential Das standörtliche Nut/.ungspotential gilt als ein Indikator, in welchem die aus den Standorteigenschaften abgeleiteten Kosten als Bedingung jeder Nutzung aggregiert sind. Insofern kann unterstellt werden, daß die kostengünstigste Standortnutzung jene ist, bei der die Kapazität sämtlicher Ausstattungsfaktoren (= Standorteigenschaften) ausgelastet wird. Die hypothetisch günstigste Nutzungsfunktion gilt als Kriterium für die (maximale) standörtliche Gewinnchance. Mit Hilfe des aus objektiven Eigenschaften abgeleiteten Indikators standörtliches Nutzungspotential können aus der Perspektive der Grundstückseigentümer Standortwerte verglichen werden. Als relevant für die Bestimmung des standörtlichen Nutzungspotentials gelten unter diesem Aspekt insbesondere alle Standorteigenschaften (Ausstattungsfaktoren) durch welche (1) die Abbaukosten für die standörtlichen Rohstoffe und die Beseitigungskosten für standörtliche Störquellen (2) die Bezugs- und Absatzkosten für andere Nutzungsfaktoren bzw. produzierte Güter und
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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(3) die Eigentumsicherungskosten der Standortnutzer bestimmt werden. Es ist wohl davon auszugehen, daß auf dem Standortmarkt Standorte mit sehr unterschiedlichen Eigenschaftsprofilen angeboten und nachgefragt werden. Die Wirkungen der verschiedenen Standorteigenschaften gelten jedoch für jede Nutzung im Hinblick auf die entstehenden Kosten und die erzielbaren Gewinne der Nutzung als voll substituierbar. Diese Annahme entspricht nur sehr bedingt der Wirklichkeit. Sie ist jedoch notwendig, um das Marktmodell der vollkommenen Konkurrenz für die Abbildung des Standortmarktes anwenden zu können. Die Annahme der Substituierbarkeit erscheint insofern jedoch zu rechtfertigen, als für die großen innerstädtischen Standort-Teilmärkte nahezu alle Nutzungsfunktionen technologisch realisierbar sind. Als gewichtiges Argument gegen die Substituierbarkeit der Standorteigenschaften (und damit der Standorte) ist die Flächenwidmung der Gebietskörperschaften zu nennen. Durch diese wird der Standortmarkt faktisch geteilt. (3) Standortnachfrage Als Nachfrager auf dem Standortmarkt gelten hier die Standortnutzer. Sie bewerten das Nutzungspotential eines bestimmten Standortes im Hinblick auf den Gewinn, welchen sie aus den in ihrer Nutzungsfunktion aktivierbaren (und kombinierbaren) Eigenschaften dieses Standortes erwarten. Die Niederlassungsentscheidungen der Standortnutzer können hier im einzelnen nicht analysiert werden, vielmehr können nur die mikroökonomischen Prinzipien der individuellen Faktornachfrage seitens der Betriebe auf die Problematik der Standortwahl übertragen werden. Im allgemeinen hängt danach die von einer Unternehmung nachgefragte Menge eines Faktors (in der privaten Haushaltung: die nachgefragte Menge eines Gutes) vom Preis ab. Wenn alle anderen Bedingungen gleichbleiben, dann kauft ein Betrieb eine um so größere Menge eines Faktors bzw. Gutes je niedriger der geforderte Preis angesetzt ist. Auf dem Standortmarkt bezieht sich die Nachfrage des einzelnen Standortnutzers nicht auf die Stückzahl der Standorte sondern auf die Mengenausprägung des standörtlichen Nutzungspotentials. Daraus folgt, daß jeder einzelne Nutzer bereit wäre, eine um so größere Menge an standörtlichem Nutzungspotential zu erwerben, je geringer die vom Grundstücksbesitzer geforderte Einheits- bzw. Durchschnittsrente (z. B. pro m2) ist. Es wird unterstellt, daß die standörtlichen Gewinnchancen sich für die verschiedenen Nutzungsfunktionen in dem Maße unterscheiden, wie die betreffenden Standorteigenschaften in nutzungsspezifischer Kombination aktiviert werden; mit anderen Worten: die standörtlichen Gewinnchancen für eine Nutzungfunktion sind um so geringer, je kleiner die Zahl und die Auslastung der auf dem betrachteten Standort genutzten Ressourcen und Ausstattungsfaktoren ist. Daraus folgernd wird angenommen, daß die Gewinnchancen der Standortnutzer vom technologischen Komplexitätsgrad ihrer Nutzungsfunktion abhängen. Die Verteilung der standörtlichen Gewinnchancen über die nach ihrem technologischen Komplexitätsgrad gereihten Nutzungsfunktionen gelte als der Pareto- Verteilung entsprechend.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
(4) Standortangebot Als Anbieter auf dem Standortmarkt gelten hier die Grundstücksbesitzer. Sie bewerten das Nutzungspotential ihres Standortes hinsichtlich der damit erzielbaren Standortrente. Im Gegensatz zum warenproduzierenden Unternehmer kann der Grundstücksbesitzer weder die Eigenschaften seines Angebots noch dessen Menge variieren, um so den größtmöglichen Gewinn zu erwirtschaften, seine einzige Entscheidungsvariable ist die geforderte Standortrente. (Unter diesem Aspekt bleibt es somit außer Acht, daß Grundstücksbesitzer auf die infrastrukturelle Ausstattung und nutzungsmäßige Widmung ihres Standortes über die Gebietskörperschaften Einfluß nehmen können.) Hingegen kann der Grundstücksbesitzer in besonderem Ausmaß mit seiner Standortrentenforderung die Zahl der potentiellen Nachfrager variieren; denn über die Höhe der geforderten Standortrente werden mehr oder weniger Nutzungsfunktionen auf dem betrachteten Standort rentabel. Mit anderen Worten: Die Gewinnchancen der Nutzer variieren mit der an die Grundstücksbesitzer zu zahlenden Standortrente, da diese in die Betriebsrechnung als Kostenfaktor eingeht. Es kann allerdings angenommen werden, daß der Grundstücksbesitzer im allgemeinen wegen seines sehr kleinen Angebotsanteils am Standortmarkt nicht in der Lage ist, den Gleichgewichtspreis durch entsprechende Strategien zu beeinflussen. Diese Aussage gilt im besonderen, wenn die Einzigartigkeit der Standorte nach ihrem Eigenschaftsprofil vernachlässigt wird. Unter dieser Annahme steht der einzelne Grundstücksbesitzer neben vielen anderen einer großen Menge von Nachfragern gegenüber. Somit stützt die Annahme der Substitutivität der Standorteigenschaften die Gültigkeit des Modells der vollkommenen Konkurrenz für den Standortmarkt. Je mehr allerdings die Einzigartigkeit von Standorten durch Betonung einzelner nicht substituierbarer Eigenschaften hervorgehoben wird, desto stärker erscheint jeder Grundstücksbesitzer als Monopolist auf einem geteilten Standortmarkt. Bei der folgenden Betrachtung wird angenommen, daß die von den Grundstücksbesitzern erzielbaren Standortrenten über die auf dem Markt angebotenen Standorte entsprechend der maximalen (für die standörtlich jeweils günstigste Nutzungsfunktion) Gewinnchancen verteilt sind. Indem zusätzlich unterstellt wird, daß sämtliche Standorte eines Gebiets, auch wenn sie bereits genutzt werden, grundsätzlich auf dem Standortmarkt disponibel sind, wird hypothetisch gefolgert: Die von den Grundstücksbesitzern geforderten Staodortrenten gelten wie die standörtlich maximale Gewinnchance über die angebotenen Standorte als Pareto verteilt.
3.5.5.2. Formalisierung der Rentenbildung auf dem Standortmarkt Die Standortrente wird im folgenden aus dem Verhältnis von Standortnachfrage und Standortangebot abgeleitet: Als Standortrente ergibt sich marktmäßig jener Wert, bei dem das Standortangebot der Standortnachfrage entspricht.
(1) Standortnachfrage Es wird davon ausgegangen, daß der Gewinn aus einer bestimmten Nutzung zwischen Standortnutzer und Grundstücksbesitzer als Nutzungsgewinn und Standortrente auf-
3. Nutzung und marktmäfiige Bewertung der Standorte
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geteilt wird. Dabei wird im Interesse der Nachfrager nach Standorten dem Grundstücksbesitzer eine bestimmte Standortrente zugedacht, unabhängig von dem dann mit der gewählten Nutzungsfunktion variierenden Nutzergewinn. Grundsätzlich gilt, daß jeder Zuwachs an Standortrente zulasten der Nutzergewinne — und zwar für sämtliche alternativ realisierbaren Nutzungsfunktionen — geht. Für jeden Standort ergibt sich, daß die Zahl der dort noch rentablen Nutzungsfunktionen mit der Höhe der an den Grundstücksbesitzer zu zahlenden Standortrente abnimmt.
Abb. 3.35. Verteilung der Gewinnchancen über die (nach Komplexitätsgrad gereihten) Nutzungsfunktionen auf einem bestimmten Standort Je nach ihrem standörtlichen Nutzungspotential unterscheiden sich die Ausprägungen der nutzungsspezifischen Gewinnchancen, insbesondere werden mit der Erhöhung des Nutzungspotentials eines Standortes dort im allgemeinen (1) für jede einzelne Nutzungsfunktion die standörtlichen Gewinnchancen erhöht und (2) eine zusätzliche Menge von Nutzungsfunktionen rentabel realisierbar. nutzungsspezifische
Abb. 3.36. Verteilung der nutzungsspezifischen Gewinnchancen über Standorte mit unterschiedlichem Nutzungspotential
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Die Wahrscheinlichkeit mit der ein Standort nachgefragt wird, hängt — angenommenermaßen - vor allem ab von dem Gewinnanteil, den ein Nutzer als Standortrente an den Grundstücksbesitzer zu bezahlen hat. Dieser nutzungsfunktionsspezifische Gewinnanteil ist bei jeder Standortrente um so geringer, je höher der Komplexitätsgrad der betrachteten Nutzungsfunktion wird. Das bedeutet: Die Nachfragewahrscheinlichkeit für einen bestimmten Standort nimmt mit dem Verhältnis Standortrente zu standörtlicher Gewinnchance ab. Hier wird eine lineare Beziehung zwischen diesen Werten unterstellt. individuelle Nachfragebereitschaft (Nachfragewahrscheinlichkeit)
Standortrente / standörtliche Gewinnchance Abb. 3.37.
Beziehung zwischen der individuellen Nachfragewahrscheinlichkeit nach Standorten und dem Verhältnis Standortrente/standörtliche Gewinnchance
Die obige Abbildung kann als eine spezielle Form der individuellen Nachfragekurve interpretiert werden. Die Gesamtnachfrage nach Standorten mit einem bestimmten Nutzungspotential ist für jede Standortrente die Summe entsprechender individueller Nachfragewahrscheinlichkeiten der Nutzer über alle entsprechend realisierbaren Nutzungsfunktionen.
Abb. 3.38.
Verteilung der individuellen Nachfragewahrscheinlichkeiten (Nachfragebereitschaft) über die rentablen Nutzungsfunktionen eines Standortes bei variierter Standortrente
In dem Ausmaß, in welchem sich die Nutzungsgewinnchancen durch höhere Standortrenten verringern, vermindern sich für jede Nutzungsfunktion auch die individuellen Nachfrage Wahrscheinlichkeiten. Somit vermindert sich mit steigender
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
173
Standortrente nicht nur die Zahl der rentabel realisierbaren Nutzungsfunktionen sondern auch die individuelle Nachfragewahrscheinlichkeit für jede noch rentable Nutzungsfunktion. In der obigen Abbildung entspricht somit die Standortnachfrage (vorstellbar als Zahl der auf einem Standort mit bestimmten Nutzungspotential niederlassungswilligen Nutzer) der angelegten Fläche unter der Verteilungskurve der individuellen Nachfragewahrscheinlichkeiten. Durch Variation der Standortrente kann aus dieser Funktion (durch Integration) unmittelbar die Beziehung zwischen der Höhe der Standortrente und dem Ausmaß der Standortnachfrage abgeleitet werden. (Nachfragekurve für Standorte mit einem bestimmten Nutzungspotential.)
Standortnutzer
Abb. 3 3 9 . Nachfragekurve für Standorte mit einem bestimmten Nutzungspotential
Die Nachfragekurven für Standorte mit verschiedenem Nutzungspotential unterscheiden sich vor allem durch das Kurvenniveau: Je größer das standörtliche Nutzungspotential um so größer ist zugleich die maximale standörtliche Gewinnchance, die Zahl der (bei gleicher Standortrente) realisierbaren Nutzungsfunktionen und somit auch die bei jeder Standortrente erzielbare Gesamtnachfrage.
(2) Standortangebot Die mit unterschiedlichen Eigenschaftsprofilen und mit unterschiedlichen Nutzungspotentialen angebotenen Standorte werden auf dem Standortmarkt dadurch gleich-
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
wertig, daß die Grundstücksbesitzer die standörtlichen Gewinnchancen-Unterschiede durch entsprechende Standortrentenforderungen auszugleichen versuchen. Das bedeutet: Die Grundstücksbesitzer bemühen sich, durch Variationen der Standortrente mit ihren Standorten für die jeweils günstigste Nutzungsfunktion gleiche (möglichst geringe) Nutzergewinnchancen zu bieten. Im Gegensatz zum Verteilungsinteresse der Standortnutzer als Nachfrager (wonach der Grundstücksbesitzer unabhängig von der realisierten Nutzungsfunktion eine bestimmte Standortrente erhält) sind die standörtlichen Gewinnchancen im Interesse der Anbieter so aufgeteilt, daß die Nutzer unabhängig vom standörtlichen Nutzungspotential jeweils nur eine bestimmte Nutzergewinnchance zugedacht erhalten. Im Gegensatz zu den Standortnutzem interessieren sich die Grundstücksbesitzer vor allem für die höchstmöglichen (und weniger für die nutzungsfunktionsspezifischen) Gewinnchancen ihrer Standorte. Den Erkenntnissen von J. H. von Thünen und W. Alonso entsprechend kann die Verteilungskurve für die höchstmöglichen standörtlichen Gewinnchancen in einem Gebiet als Umhüllende der Verteilungskurven für die nutzungsfunktionsspezifischen Gewinnchancen interpretiert werden.
Abb. 3.41.
Verteilung der Gewinnchancen nach Nutzungsfunktionen über die Standorte eines Gebietes
Hier wird unterstellt, daß die maximalen standörtlichen Gewinnchancen über die Standorte eines Gebietes „rank-size" verteilt sind.
Abb. 3.42.
Rank-Size-Verteilung der (maximalen) standörtlichen Gewinnchancen über die Standorte eines Gebietes
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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Nach der oben dargestellten Verteilung der Gewinnchancen über die Standorte eines Gebietes ergibt sich zunächst, daß die Zahl der für die Grundstücksbesitzer noch rentablen Standorte mit der Höhe der (den Nutzern zugebilligten) Nutzergewinnchance abnimmt. Die Wahrscheinlichkeit mit der ein Standort angeboten wird, hängt analog wie die individuelle Nachfragewahrscheinlichkeit vermutlich vor allem vom Standortrentenanteil ab, der von der maximal erzielbaren standörtlichen Gewinnchance dem Grundstücksbesitzern zufließt: Je größer der Standortrentenanteil an der standörtlichen Gewinnchance, als um so größer gilt die individuelle Angebotswahrscheinlichkeit bzw. die individuelle Angebotsbereitschaft. Hier wird — analog wie für die Nachfrage Wahrscheinlichkeit - eine lineare Beziehung zwischen den beiden Werten unterstellt. i individuelle i Angebotbereitschaft
Standortrente / standörtliche " Gewinnchance Abb. 3.43.
Beziehung zwischen der individuellen Angebotswahrscheinlichkeit (Angebotsbereitschaft) der Grundstücksbesitzer und dem Verhältnis Standortrente/standörtliche Gewinnchance
Die obige Abbildung kann als eine spezielle Form der individuellen Angebotskurve interpretiert werden. Das Gesamtangebot an Standorten ergibt sich als Summe der entsprechenden individuellen Angebotswahrscheinlichkeiten der Grundstücksbesitzer über alle entsprechend rentablen Standorte. 1
maximale standörtliche Gewinnchance
Standortrente Standort eines Gebiets Standortangebot bei einer bestimmten Standortrente
Abb. 3.44.
| Angebotswahrscheinlichkeit Verteilung der individuellen Angebotswahrscheinlichkeiten (Angebotsbereitschaft) über die rentablen Standorte eines Gebiets bei variierter Standortrente
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Durch Variation der Standortrente kann aus der oben abgebildeten Funktion (durch Integration) unmittelbar die Beziehung zwischen der Höhe der Standortrente und dem Ausmaß des Standortangebots abgeleitet werden. (Angebotskurve für Standorte, die durch Fixierung der Nutzergewinnchancen über alle [rentablen] Standorte für die Nutzer gleichwertig gemacht worden sind.)
Standortanbieter A b b . 3.45.
Angebotskurve für Standorte (bei zugelassener Ausnutzung der maximalen standörtlichen Gewinnchancen)
(3) Gleichgewichtsrente auf dem Standortmarkt Zur Gleichgewichtsrente wird auf dem Standortmarkt von den prospektiven Nutzern die gleiche Menge an Standorten nachgefragt, wie die Grundstücksbesitzer davon anbieten.
Gleichgewichtsrente Zahl der Standorte Gleichgewichtsmenge A b b . 3.46.
Gleichgewicht auf dem Standortmarkt (für ein bestimmtes Nutzungspotential)
Das oben dargestellte Gleichgewicht auf dem Standortmarkt spiegelt zugleich das Verhandlungsergebnis zwischen den Grundstücksbesitzern und den prospektiven Standortnutzern über die Aufteilung der standörtlichen (maximal erzielbaren)
3. Nutzung und marktmäßige Bewertung der Standorte
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Gewinnchance wieder; denn jedem Wert der Standortrente entspricht bei einem bestimmten standörtlichen Nutzungspotential eine bestimmte Nutzergewinnchance für die günstigste Nutzungsfunktion. Geht man davon aus, daß auf dem Standortmarkt das Verhältnis zwischen Standortrente und Gewinnertrag das zentrale Verhandlungsziel von Grundstücksbesitzern und prospektiven Standortnutzern ist, dann kann der aus der Gleichgewichtsrente für ein bestimmtes Nutzungspotential ableitbare Verhältniswert auf unterschiedliche standörtliche Nutzungspotentiale verallgemeinert werden. standörtliche Gewinnchance (Nutzungspotential)
maximale Nutzer gewinnchance Gleichgewichtsstandortrente Standorte eines Gebiets Abb. 3.47.
Aufteilung der standörtlichen Gewinnchancen zwischen Grundstücksbesitzern und Standortnutzern über die Standorte eines Gebietes
Bei einer bestimmten Gleichgewichtsrente auf dem Standortmarkt können zusätzlich die auf einem Standort noch rentabel zu realisierenden Nutzungsfunktionen bestimmt werden. nutzungsspezifische Gewinnchancen
Gleichgewichtsrente standörtliche Nutzungsfunktionen rentable Nutzungsfunktionen Abb. 3.48.
Rentable Nutzungsfunktion bei einer bestimmten Gleichgewichtsrente und einem bestimmten Nutzungspotential
Der hier als Gleichgewichtsrente abgeleitete Betrag gilt, wie ausgeführt, immer für ein bestimmtes standörtliches Nutzungspotential, das bedeutet für einen bestimmten Standort aus der den Markt konstituierenden Menge verschiedener Standorte. Wenn
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
das standörtliche Nutzungspotential, wie hier, aus den standörtlichen Gewinnchancen abgeleitet wird, dann kann die marktgemäße Standortrente eines beliebigen Standortes, r i( auch aus dem entsprechenden Nutzungspotential-Verhältnis, N Pi/ N P, zur kalkulierten Gleichgewichtsrente, r für N P, ermittelt werden. Demnach ist
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4. Regionalentwicklung 4.1. Skizze der Regionalentwicklung Die Entwicklung von Regionalstrukturen wird häufig mit dem Begriff „Verstädterung" umschrieben, wobei aus historischer Erfahrung zuweilen angemerkt wird, die Verstädterung sei ein irreversibler Prozeß. In den hier relevanten Dimensionen bedeutet Verstädterung: immer mehr Menschen und immer mehr von ihnen erzeugte Sachen und Normen häufen sich auf immer weniger Standorten. Historisch betrachtet scheint dieser immer mehr Menschen, Sachen und Normen erfassende Agglomerationsprozeß begleitet von einem analogen Auszehrungs- und Verfallsprozeß. Diese gleichsam spiegelbildlich verlaufenden Prozesse lassen sich auf innerstädtische Aktivitäten ebenso wie auf die Stadt-Umland-Verflechtung, auf nationale wie auf internationale Strukturen beziehen. Als Beispiel für agglomerative und auszehrende Tendenzen der Standortstruktur kann die innerstädtische City- und Slumbildung angeführt werden, als solche können auch die sogenannten Landflucht-Bewegungen oder die Gastarbeiteremigrationen gelten. Gleichsam im Zeitraffer und idealtypisch mag man sich die Besiedelung unserer Landschaft folgendermaßen vorstellen: Ausgehend von einer relativ dispers verteilten Bevölkerung, wie sie in einer gedachten Urzeit im wesentlichen vom natürlichen Bodenertrag auf autarken Bauernhöfen lebte, haben sich im Laufe der Zeit immer neue Kommunikationssysteme, zuerst bestehend aus Pfaden und Furten mit menschlichen Trägern oder Tragtieren entwikkelt, daran anschließend wurden Kommunikationssysteme mittels Flüssen und Kanälen, befahren von Flößen und Schiffen, geschaffen. Neue Systeme waren nebeneinander auch einmal die Straßen mit ihren besonderen Fahrzeugen; die Schienen mit ihren Bahnen, die Draht- und Rohrleitungen mit oder ohne Trägermedium. Diese Systeme erschlossen immer größeren Städten ein immer größeres Umland. Zunächst brauchte jede Stadt dieses Umland als Nahrungsbasis, dann als Absatzmarkt. Ohne sonderlich ausgeprägte Infrastruktur war die Bevölkerungs- und Aktivitätenverteilung allein an der Qualität der Böden und anderer natürlicher Eigenschaften der Landschaft orientiert. Auf den landwirtschaftlich ertragreichen Böden, an Orten mit Bodenschätzen oder mit natürlicher Versorgungsgunst hatte sich die Bevölkerung zuerst konzentriert, während in Gegenden mit ungünstigen natürlichen Voraussetzungen die Bevölkerungsdichte schon immer relativ niedrig war. Daß sich trotz aller technischen Möglichkeiten und trotz der stark verminderten Bedeutung der Landwirtschaft die alten Verteilungsunterschiede im allgemeinen eher verstärkt haben, bedarf einer Erklärung. In diesem Zusammenhang spielt die Infrastruktur und die Bodenordnung eine wichtige Rolle: jedes neu hinzugefügte infrastrukturelle Kommunikations- und Versorgungssystem - aber auch jedes eigentumsichernde Grenzsystem - war in der Regel gegenüber den älteren weiter spezialisiert, indem es durch einen größeren Umfang an technischen Normen, an aufgewendeter Arbeit und Material einen präziser definierten Kommunikations- oder Versorgungszweck besser erfüllen konnte. Zugleich wurden den bereits bestehenden Systemen nicht selten neue Kapazitäts- und Qualitätsstufen gleichsam aufgepfropft, so daß im Laufe der Zeit eine die einzelnen Systeme kennzeichnende Hierarchie der Infrastruktur und Bodenordnung, der Erreichbarkeit
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
und der Verfügbarkeit entstand. Unter diesem Aspekt wurden aus der Allverfügungsgewalt des Grundherrn die überlagerten Verfügungsrechte über den Boden einerseits des Grundstückbesitzers, andererseits der Gemeinden des Landes und des Bundes. So wurden im Laufe der Zeit jedoch auch Netze von Transportpfaden überlagert von Landstraßen und Autobahnen; das Eisenbahnnetz wurde differenziert: Schnellzugverbindungen überlagern den Nahverkehr, während sich über das feinmaschige Schnellzugsnetz mittlerweile das Intercity-Netz ausgebreitet hat. Mit der Hierarchie der Kommunikationssysteme synchron entwickelte sich eine in ihrer Größe und Nutzungsvielfalt analoge hierarchische Verteilung von Städten; diese zunächst aus dem allseitigen Bedürfnis, landwirtschaftliche Erzeugnisse des städtischen Umlandes gegen Waren des städtischen Gewerbes einzutauschen. Wenn auch im Laufe der Zeit immer neue Standorte - ob Städte oder innerstädtische Grundstücke — an bestehende Systeme angeschlossen wurden, wenn auch die bestehenden Kommunikationsnetze immer weiter vermascht wurden (so daß die Distanz zwischen allen angeschlossenen Standorten sich immer mehr verminderte), konnte es doch nicht ausbleiben, daß einer sehr kleinen Menge von besonders gut ausgestatteten Standorten immer eine vielfach größere Menge von sehr schlecht ausgestatteten Standorten gegenüberstand. Unterstellt man (entsprechend den Ausführungen in Kapitel 3), daß die standörtliche Ausstattung die Standortnutzung determiniert, dann erklärt sich die Dynamik im Siedlungsgefüge insbesondere aus den Veränderungen der einzelstandörtlichen Nutzungsbedingungen — diese sowohl absolut als auch relativ betrachtet. Die Agglomerationstendenzen im Siedlungsgeffige sind gleichbedeutend mit der historischen Erfahrung, „Wo viel ist, kommt viel dazu!". Da (1) nur zusätzliche Standortfaktoren zusätzliche Nutzungsfaktoren und damit neue Nutzungsmöglichkeiten erschließen können, (2) die Grenzproduktivität der Standortfaktoren (entsprechend dem „Kombinationskriterium" gemäß den Ausführungen in Kapitel 3) in der Regel wächst und (3) mit jeder neuen Nutzungsfunktion zugleich mit den neuen Standortfaktoren die schon früher bestehenden kombiniert werden, gilt: Die Investitionen in zusätzliche zwischenstandörtliche Systeme der Infrastruktur und Bodenordnung induzieren standörtliche Nachfragen—Zuwächse auch in anderen, schon bereits bestehenden Infrastrukturbereichen. Engpässe in den alten Infrastruktursystemen und Ineffizienzen der überlieferten Bodenordnung können demnach als indirekte Folgen neuer Systeme angesehen werden. Das Prinzip der sich wechselseitig beeinflussenden Investitionsanreize, zum einen von den Gebietskörperschaften ausgelöst und auf die einzelnen privaten Standortnutzer wirkend, zum anderen durch (an gesetzte Normen reichende) Engpässe, die als Reklamationen der Privaten an die Gebietskörperschaften gerichtet wurden, dieses Prinzip scheint in erster Annäherung eine Erklärungsgrundlage für den historischen Agglomerationsprozeß im Siedlungsgefüge zu bieten. Die in diesem Kapitel detaillierte Argumentation baut auf dieser Erklärungsgrundlage weiter auf. Sollte diese wechselseitige Stimulation öffentlicher und privater Investitionen nach dem ökonomischen Rentabilitätskalkül der Produktivität als allgemeines Prinzip gelten, dann würde hier zugleich ein prognostischer Trend zur weiteren Agglomeration fortgesetzt: Neue Leitungssysteme der Infrastruktur würden zur besseren zwischenstandörtlichen Kommunikation, Ver- und Entsorgung in ähnlicher Weise über das nach Verfügungsrechten hierarchisch organisierte Siedlungsgefüge ausgebreitet, wie immer neue Flächenwidmungen und Verfügungen die individuellen Handlungsspielräume aufeinander abstimmen würden. Auf diese Weise wird immer mehr zu einer „gemach-
4. Regionalentwicklung
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ten Landschaft" beigetragen, einer „gemachten Landschaft", die als Überbau über der „naturlandschaftlichen Basis" immer gewichtiger wird. Daß dieser hier makroskopisch und mechanistisch skizzierte Prozeß mit einer Fülle von sozialen Problemen verbunden ist, braucht nicht eigens betont zu werden: Mit ihrer Ausdehnung sind immer wieder innerhalb der städtischen Agglomeration, zwischen ihnen und ihrem Umland Klassenkonflikte entstanden; es ergaben sich immer neue Versorgungsengpässe und immer neue Versorgungsbedürfnisse. Es entstanden jedoch auch immer neue Funktionen, Tätigkeiten und Lösungsmechanismen, neue Kommunikationsmöglichkeiten und neue Konfliktregelungen. Wegen der funktionalen Abhängigkeiten, so scheint es, stimuliert jedes qualitative und quantitative Wachstum einer Region andernorts Entleerung, soziale Erosion, Verfall. Citywachstum innerhalb der Agglomerationen scheint neue Slumbildung an der Peripherie zu stimulieren. Kalkuliert man in diesem Zusammenhang verallgemeinernd die Implikationen der Gastarbeiter-Wanderungen, dann zeichnen sich auch in unseren Großstädten jene Problemlagen ab, die wir lange Zeit geneigt waren, als besondere Ausprägung der US-amerikanischen Stadt zu kennzeichnen. Die städtischen Agglomerationen wurden für die NichtStädter, so erscheint es im historischen Rückblick, immer attraktiver - und zwar je größer um so mehr. Sie wurden attraktiver, indem sie dem einzelnen mehr Entfaltungschancen, mehr Freiheiten boten. Indem innerhalb der städtischen Agglomerationen schließlich auch die berufsständischen Restriktionen durch ein Mehr an Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit ersetzt wurden, konnten auch die territorialen Grenzen nicht mehr halten: Immer wieder sind einzelne Städte über ihre Gemarkung hinaus gewachsen und haben ihr Umland zuerst funktional von sich abhängig gemacht und dann innerhalb neuer Grenzen eingemeindet. Dieser Prozeß des städtischen Wachstums in der Regionalentwicklung hat jedoch auch einen, wie schon angedeutet, gleichsam spiegelbildlichen Prozeß im Gefolge: Die Entleerung, die soziale Erosion, die Auszehrung und den Verfall in den zu den Ballungen peripher gelegenen Regionen, auf den schlecht ausgestatteten Standorten mit ungünstiger Erreichbarkeit. Peripher gelegen sind Regionen unterschiedlichen Maßstabes: Es sind die ländlichen Räume zwischen den städtischen Agglomerationen, es sind die Entwicklungsländer, welche unmittelbar die hochindustrialisierten und reichen zentralgelegenen Staaten umgeben, es sind dies die größten Teile der Entwicklungskontinente Asien, Südamerika und Afrika. Das für die Regionalentwicklung als gültig erkannte Sprichwort „Wo viel ist, kommt viel dazu" stimmt offenbar auch hier in seiner Umkehrung: G. Myrdal sieht bei seiner Analyse der „kumulativen Prozesse mit zirkulärer Verursachung" eine gefährliche Tendenz zur Perpetuierung des „Wo nichts ist, kommt auch nichts dazu" und damit eine Tendenz zu wachsenden regionalen Ausstattungs- und Wohlstandsunterschieden. Oper und Museum, Kaufhaus und Boutique, Universität und politischer Stammtisch, Bowlingbahn und Eislaufplatz; Möglichkeiten für eine berufliche, für eine politische Karriere, aber auch die Chance, anonym unterzutauchen; das Mädchen an der Ecke und das Gedränge in der Vietnam-Demonstration, all das sind städtische Gelegenheiten im weitesten Sinn. Man kann sie wahrnehmen oder auslassen; Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten. Städtische Agglomerationen bieten in Konzentration eine Vielfalt von Gelegenheiten: Kommunikationsgelegenheiten, welche es erlauben, sich zu vergnügen, sich zu informieren, sich zu begegnen. Gelegenheiten zur Entfaltung von Kreativität, von Konsum und Produktion, von Macht und Einfluß; Entfaltungsmöglichkeiten auf der Grundlage der kommunalen Eigentumsgarantien durch die Bodenordnung. Je größer
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die städtische Agglomeration, um so mehr solcher Gelegenheiten. Soweit der empirische Befund. Für die betroffenen Menschen bedeutet dies jedoch auch: Exklusivität von „Stadt" als Besitz- oder Wohlstandskategorie, Exklusivität von „Stadt" gegenüber „Land". O h n e Zweifel versuchen die meisten Menschen im Rahmen ihrer Konsumfunktion aus einer möglichst großen Gesamtmenge von erreichbaren und verfügbaren Gelegenheiten eine ihren Vorstellungen und Wünschen entsprechende Kombination zu realisieren. A b e r was heißt hier „verfügbar" und „erreichbar"? Die Erreichbarkeit hängt, wie bereits dargestellt, vor allem von der Entfernung, vom Zeitbudget, von der Informiertheit und vom zugänglichen Verkehrsmittel ab, die Verfügbarkeit hingegen ist eine eigentumsrechtliche Kategorie, die mit Einkommensanteilen bezahlt werden muß. Durch Erreichbarkeit u n d Verfügbarkeit werden, wie vor allem T. Hägerstrand" ausgeführt hat, Gelegenheiten exklusiv; durch diese Kriterien werden die Menschen mehr oder weniger privilegiert oder diskriminiert. D i e Tatsache, daß sich in der Geschichte immer mehr Menschen in ihrer Rolle als Konsument und als Produzent immer mehr städtische Gelegenheiten verfügbar und zugänglich gemacht haben, beweisen die Migrationen der Wohn- und Arbeitsbevölkerung hin zu den Agglomerationen. In diesem Sinn erscheint das Phänomen „städtische Agglomeration" als ein gesellschaftliches System, das aufgrund seiner Verfaßtheit und mittels seines technologischen Innovationspotentials immer neue Gelegenheiten zu generieren vermag. Zwar sind diese neuen Gelegenheiten zunächst exklusiv, in der Regel werden sie jedoch nach und nach Allgemeingut, wenn auch meist erst auf politischen Druck der ursprünglich Ausgeschlossenen oder Unterprivilegierten.
4.2. Empirische Regelhaftigkeiten in der Regionalentwicklung 4.2.1. Begriffliche Grundlagen und erkenntnisleitende Prinzipien zur Empirie der Regionalentwicklung Siedlungsstruktur und Regionalentwicklung werden im Rahmen der Regionalwissenschaft nach zwei prinzipiell verschiedenen Verfahren analysiert: (1) nach der mikroanalytisch-ökonomischen und (2) nach der makroanalytisch-ökologischen Betrachtungsweise. (1) Mikroanalytisch wird Regionalentwicklung aus den Standortentscheidungen von Individuen und sozialen Gruppen erklärt, wobei das ökonomische Rationalitätskalkül als den Entscheidungen zugrundeliegend unterstellt wird. Diese Argumentation ist, wie später ausgeführt wird, vor allem auf die Erklärung der zwischenstandörtlichen Austauschverhältnisse und auf die standortbezogene Interpretation des Marktes orientiert. Während die Konsum- und die Produktionsfunktionen, nach sozialen Gruppen und wirtschaftlichen Branchen unterschieden, für verschiedene Standorte und Regionen analysiert werden, gehen die materialen und institutionellen Eigenschaften der Siedlungsstruktur nur indirekt, als Effekte (Transportkosten, Bodenkosten, externe Effekte u. ä.) in die Betrachtung
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Hàgerstrand, T., What about People in Regional Science, in: Papers of the Regional Science Association, Band 24, 1970
4. Regionalentwicklung
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(2) Makroanalytisch wird Regionalentwicklung als ein dynamisches ökologisches System interpretiert, das sich nach gleichsam „natürlichen" Eigengesetzlichkeiten (evolutionär) formt. Gegenstand der regional wissenschaftlichen Makroanalyse ist demnach vor allem die Beschreibung der räumlichen Verteilung und Zuordnung der personalen, materialen und institutionalen Eigenschaften des Siedlungsgefüges. Nach der makroanalytischen Argumentation leben die Menschen in einer material-begrenzten und institutional geregelten gesellschaftlichen Umwelt, in der jeder einzelne einen definierten Handlungsspielraum besitzt. In diesem aus individuellen Handlungsspielräumen konstituierten System „Siedlung" steuern sich die Aktivitäten nach dem zugrundeliegenden ökologischen Denkansatz selbst, wobei a priori jeder System-Zustand (analog den Gesetzen der Thermodynamik) als „gleichgewichtig" angesehen wird. Jene „natürlichen Eigengesetzlichkeiten", welche die Regionalentwicklung nach ökologischen Vorstellungen steuern, drücken sich in (empirisch nachweisbaren) makroanalytischen Regelhaftigkeiten aus. (Beispielsweise: die Tendenz zur Minimierung der Gesamtarbeit im System.)
Als empirische Regelhaftigkeiten der Regionalentwicklung gelten demnach vor allem Befunde, die, nach dem makroanalytisch-ökologischen Ansatz ermittelt, das „System Siedlung" in seinen personalen, materialen und institutionellen Eigenschaften kennzeichnen. Mit der empirischen Feststellung, daß die personalen, materialen und institutionellen Eigenschaften des Systems Siedlung regelmäßig verteilt und zugeordnet sind, steht die Regionalwissenschaft allerdings vor der Notwendigkeit, diese makroanalytischen Regelhaftigkeiten nach dem mikroökonomischen Ansatz, am Individualinteresse orientiert, zu erklären. Bei der makroanalytischen Beschreibung der Regionalentwicklung gelten vor allem folgende Aussagen als statistisch gesichert und regelhaft: (1) die Spezialisierungsregel Danach ist die Zahl der arbeitsteilig spezialisierten Funktionen (Tätigkeitsarten) vom Umfang und vom Integrationsgrad einer gebietlich definierten Wirtschaft bzw. Gesellschaft abhängig: Bei gegebenem Integrationsgrad (Infrastruktur im weiteren Sinn und Normengefüge) bedarf jede zusätzliche spezialisierte Funktion einer exponentiell wachsenden wirtschaftlichen Basis (Einwohnerzahl, Sozialprodukt u . ä . ) . (2) die Interaktionsregel Die arbeitsteilige Spezialisierung der Funktionen macht den zwischenstandörtlichen Austausch von Gütern und Faktoren notwendig. Die Intensität der Austauschbeziehungen zwischen den einzelnen Funktionsträgern (Personen, Haushaltungen und Betriebe, Gemeinden, . . . ) wird um sogeringer, je größer die Entfernung und desto zahlreicher die Hindernisse auf dem Weg dazwischen. (3) die Zentralisierungsregel Danach streben die Träger wirtschaftlicher Funktionen (private Haushaltungen, Unternehmungen) zu Standorten mit besserer gebietlicher Erreichbarkeit; diese Tendenz ist um so stärker, desto spezialisierter die Funktion ist: In einem Gebiet wächst demnach sowohl die Flächendichte der Aktivitäten als auch die Flächendichte der Funktionen exponentiell mit der Nähe zum Standort mit der größten Erreichbarkeit (Gebietszentrum).
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
(4) die Verteilungsrege! (Rank-Size-Rule) Die Verteilungsregel beschreibt einen Zusammenhang zwischen der Größe und der Zahl der in einem Gebiet organisierten selbständig konkurrierenden Aktivitätenbündel: Aus einer Rang-Häufigkeitsverteilung kann so beispielsweise die Einwohnerzahl einer Gemeinde (1) aus ihrem Rang und (2) aus der Einwohnerzahl der im Gebiet größten Gemeinde abgeleitet werden. Diese empirischen Regelhaftigkeiten der Siedlungsstruktur werden in der Regionalwissenschaft auf ein relativ einfaches begriffliches Schema bezogen. Dieses Begriffsschema erlaubt es, die makroanalytisch-ökologischen Befunde zur Regionalentwicklung (welche auf Kohärenzvorstellungen der Umwelteigenschaften im System Siedlung beruhen) zu verbinden mit den Argumenten der MikroÖkonomik (wobei die regionalen Aktivitäten aus dem einzelwirtschaftlichen Vorteil abgeleitet werden). Danach werden „Aktivitäten" bzw. Tätigkeiten nach ihrer Art als „Funktionen" klassifiziert und nach ihrem Spezialisierungs- oder Komplexitätsgrad (meist ordinal) bewertet. „Funktionsträger" sind Personen oder organisierte soziale Gruppen, wie Haushaltungen, Unternehmungen, Gemeinden u.a.; sie sind funktionsspezifisch tätig. Jeder Funktionsträger besetzt einen für seine Aktivität geeigneten Standort (Grundstück, Gemeindegebiet, Bundesland, Nationalstaatsgebiet). Jede Aktivität führt zu bestimmten funktionsspezifischen Ergebnissen (outputs) und kombiniert dazu bestimmte Einsatzfaktoren (inputs). Im Siedlungsgefüge bestehen zwischen den Trägern verschiedener Funktionen mehr oder minder intensive - mit Transportaufwand verbundene - Austauschbeziehungen (die Outputs der einen sind die inputs der anderen), aber auch — Sicherungsaufwände erfordernde — Störverhältnisse (die Outputs der einen, wie Schadstoffe oder Abfälle, behindern die Aktivitäten der anderen). Die Träger gleicher Funktionen konkurrieren um die inputs und/oder Outputs derselben Tauschpartner. Je nach dem Grad ihrer wechselseitigen Abhängigkeit bzw. der Intensität ihrer Austauschbeziehungen (Komplementarität) suchen entsprechende Funktionsträger zur Minderung ihres Transportaufwandes die räumliche Nachbarschaft, je nach dem Ausmaß realer und möglicher Störungen (Konfliktpotential) suchen sie zur Minderung ihres Sicherungsaufwandes von den entsprechenden Funktionsträgern die Isolation. Die Komplementarität der Funktionen und die räumliche Nachbarschaft der Funktionsträger führt oft zur Definition und Artikulation eines gemeinsamen Interesses: Es werden „Funktionsbündel" biozönotischer Art konstituiert. Die Verwirklichung gemeinsamer Interessen kann von den Trägern der das Funktionsbündel konstituierenden Einzelfunktionen an einen höherrangigen, selbständig agierenden Funktionsträger, den Verband, übertragen werden. Die Standorte eines Gebietes sind für die verschiedenen Funktionen (Nutzungsarten) in unterschiedlichem Maße geeignet; es gibt Standorte, die für fast alle Funktionen günstig sind, andere erlauben nur Aktivitäten in wenigen, noch dazu niedrigrangigen Funktionen. So wird das ökologische Problem „Kampf ums Dasein einer Art" bei der Betrachtung der Regionalentwicklung zu einem Problem „Kampf um den geeigneten Standort einer Funktion" eingeengt: Analog zu den Befunden der biologischen Evolutionstheorie im Sinne von Darwin setzt sich bei diesem Kampf der Träger der leistungsfähigeren, an die Umweltbedingungen besser angepaßten Funktion durch. Neue Funktionen entstehen dabei durch Zugewinnung günstigerer Eigenschaften (Aufnahme zusätzlicher inputs, Abgabe höher spezialisierter, komplexerer Outputs) sowie durch Mutation im Anpassungs-(Versuchs-/Irrtums-) und Selektionsprozeß. Indem sämtliche Funktionsträger von ihrem Standort im Siedlungssystem aus, nach
4. Regionalentwicklung
185
ihrer Funktion geregelt, mit einer ihre Aktivität begrenzenden Energie um ihr Überleben kämpfen, ergibt sich das ökologische Gleichgewicht im Siedlungssystem. Bei dieser Betrachtungsweise wird das System Siedlung definiert als räumliche Verteilung der Aktivitäten; diese werden klassifiziert nach Funktionen („regionale Branchenstruktur", „Zentralitätsgefüge") und Funktionsbündeln („Zentrengefüge") und aggregiert über die Funktionsträger („Gemeindestruktur"). Die räumliche Verteilung der Aktivitäten gilt als determiniert und im Gleichgewicht gehalten durch die Umweltbedingungen (insbesondere Boden, Infrastruktur und Bodenordnung), wobei (in analoger Anwendung des ursprünglichen ökologischen Konzeptes auf die Regionalentwicklung) eine Wechselbeziehung zwischen der Anpassung der einzelnen Funktionen an die regionale Umwelt einerseits und der Gestaltung der regionalen Umwelt durch die einzelnen funktionsspezifischen standörtlichen Aktivitäten andererseits unterstellt werden sollte. Dieses Begriffsschema bildet nach seiner Anreicherung mit quantitativ bewerteten Hypothesen die Grundlage für Deskriptions- und Simulationsmodelle der Regionalentwicklung. Wenngleich weder der mikroanalytisch-ökonomische Ansatz noch der makroanalytisch-ökologische bisher das Politikverhalten in bezug auf die Gestaltung des Systems Siedlung abbilden konnte, genügen erfahrungsgemäß die auf den ökologischen Regeln aufbauenden Modelle oftmals wenigstens näherungsweise, um die Wirkungen regionalpolitischer Maßnahmen auf die Regionalstruktur abschätzen zu können.
4.2.2. Die Spezialisierungsregel Die makroanalytische Spezialisierungsregel beschreibt die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft endogen als Evolutionsprozeß. Es wird angenommen, daß die Vielfalt der spezialisierten Funktionen in einer Wirtschaft bzw. in einer Gesellschaft abhängt • von der Menge der selbständig und kooperativ interagierenden Subjekte, also Personen, Betriebe, Gemeinden u. ä. • vom Integrationsgrad, mit welchem die Austauschbedingungen und Eigentumsverhältnisse der Subjekte beschrieben werden. E s wurde empirisch getestet, daß die Artenmenge der Aktivitäten (Funktionen) mit der Menge der selbständig in einem Verband kooperierenden Subjekte exponentiell wächst. Diese Aussage der Spezialisierungsregel bezieht sich auf: (1) die in einer Gesellschaft ausgeprägten sozialen Rollen (2) die auf einem Arbeitsmarkt bewerteten Berufe (Differenzierung der Arbeitskräfte nach Fertigkeiten und Befugnissen) (3) die Produktionsergebnisse der Betriebe (Differenzierung der Güter und Neben-[ A b f a l l p r o d u k t e ) (4) die Versorgung mit Einsatzfaktoren in Produktion und Konsum (insbesondere: Differenzierung der zentralörtlichen Versorgung, wie Einzelhandel, Ausbildung, Fürsorge u. ä.) (5) die Betriebsabläufe in Haushaltungen und Unternehmungen (Differenzierung in Typen spezieller technologischer Anpassung).
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Die einfachste mathematische Form der Spezialisierungsregel lautet F = F, wobei F . . . Menge der Funktionen P . . . Zahl der wirtschaftlich (gesellschaftlich) integrierten Subjekte (Bevölkerung eines Gebietes) e . . . Integrationsgrad der Wirtschaft (Gesellschaft) (0 < e < 1) wenn e = 0 besteht weder Arbeitsteilung noch Integration wenn e = 1 ist jedes Subjekt Träger einer eigenen einzigartigen Funktion. Gemessene Werte: e ~ 0,5 bis 0,8 In der doppellogarithmischen Darstellung erscheint die Beziehung zwischen der Funktionsmenge F und der Menge der sie ausübenden Subjekte P als eine Gerade. Als Beispiel dafür gelte die Beziehung zwischen der Menge der zentralen Funktionen im Einzelhandel und der Zahl der Einzelhandelsbetriebe in einer Stadt. (Dieselbe Beziehung kennzeichnet den Zusammenhang zwischen der Stadtgröße und dem Spezialisierungsgrad im Einzelhandel.)
200
2000
20 T
200 T 2 Mio
Abb. 4.1. Spezialisierungsfunktion des städtischen Einzelhandels Die Spezialisierungsregel ist regionalwissenschaftlich besonders relevant, weil der Integrationsgrad e sehr ungleich über die besiedelte Fläche verteilt ist: Dies gilt im besonderen Maße, wenn man e als mit der gebietlichen Infrastruktur und Bodenordnung variierend betrachtet. Die Spezialisierungsregel ist zu erläutern, • indem die technologischen Eigenschaften neuer Funktionen („gesellschaftliche" oder „wirtschaftliche Nischen" im evolutionären Anpassungsprozeß) erklärt werden, • indem die Standortbedingungen für das Entstehen neuer Funktionen erklärt werden, • indem die räumliche (eventuell sozialgruppenspezifische) Ausbreitung (zeitliche Folge der neue Funktionen aufnehmenden Standorte) erklärt wird.
4. Regionalentwicklung
187
Im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften wird die Spezialisierungsregel mit den Vorteilen der Arbeitsteilung (Unteilbarkeiten mit Skalenträgern und Routine-Vorteilen im Großbetrieb, Mischungsvorteile als externe Effekte) erklärt. Diesen betrieblichen Kostenvorteilen stehen im Wirtschafts- und Siedlungssystem als Integrationshemmnisse insbesondere Transportkosten und Monopole aus besonderen Herrschaftsund Eigentumsverhältnissen gegenüber. Aus der Spezialisierungsregel kann man demnach unmittelbar ableiten, daß Städte (Agglomerationen) mit (1) großer Bevölkerungszahl, (2) hoher Bevölkerungsdichte und (3) leistungsfähigen Verkehrssystemen wegen des dann relativ hohen Integrationsgrades e einen sehr viel höheren Spezialisierungsgrad (bevölkerungsspezifische Mengen der Funktionen) erwarten lassen als ländliche Gebiete mit kleinen Gemeinden, geringer Bevölkerungsdichte und dürftiger Verkehrserschließung. Außer in den sozialwissenschaftlichen Theorien der Arbeitsteilung (A. Smith . . . Schumpeter) ist die Spezialisierungsregel als zentrales Argument in der biologischökologischen Evolutionstheorie (Lamarck, Darwin, Haeckel) enthalten. Wichtige Beiträge zur Formalisierung der Spezialisierungsregel stammen aus dem Bereich der kybernetischen Wissenschaft (Wiener). In der Regionalwissenschaft geht die Spezialisierungsregel vor allem in folgende Theorien ein: • Theorie der zentralen Orte (Christaller, Berry, u.a.). Mit den Begriffen „zentrale Funktion" und „zentraler Ort" wird ein Zusammenhang zwischen der Funktionsvielfalt und dem standörtlich unterschiedlichen Integrationsgrad abgebildet. • Theorie der räumlichen Wirtschaft (Lösch, Isard, von Böventer, u. a.). Hier wird die Agglomeration im Siedlungsgefüge als der ökonomische Ort für höher spezialisierte Funktionen zugrundegelegt, wenn die Entwicklung der Regionalstruktur mit der fortschreitenden Arbeitsteilung erklärt wird. • Theorie der Wachstumspole (Perroux u.a.). Mit der Vorstellung, daß die Träger neuer höchstspezialisierter Funktionen zugleich ein wirtschaftliches Monopol und eine gebietliche Dominanz besitzen und daß sie damit in der Lage sind, wirtschaftliches Wachstum regional anzuregen, wird die Spezialisierungsregel räumlich dynamisiert. • Theorie der räumlichen Diffusion von Innovationen (Hägerstrand u. a ) . Indem die Frage beantwortet wird, in welcher zeitlichen Reihenfolge bestimmte neue Funktionen (Innovationen) auf Standorten mit bestimmter Ausstattung und Lage aufgenommen werden, wird die Spezialisierungsregel technologisch differenziert.
4.2.3. Die Interaktionsregel Die makroanalytische Interaktionsregel beschreibt den Verkehr zwischen den Bevölkerungen verschiedener Standorte als Analogon zur physikalischen Massenanziehungskraft.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Es wird angenommen, daß die Verkehrsmenge zwischen zwei Standorten abhängt • von ihren Bevölkerungen oder entsprechenden „verkehrserzeugenden" Subjekten (Betriebe u. a.), • von der zwischenstandörtlichen Entfernung, • vom Wegwiderstand, der den Verkehr zwischen den betrachteten Standorten mehr oder minder aufwendig macht. (Der Wegwiderstand ist inhaltlich äquivalent mit dem Integrationsgrad in der Spezialisierungsregel.) Die Integrationsregel sagt aus: Der Verkehr zwischen zwei Standorten nimmt mit deren Bevölkerungen zu und mit deren Entfernung ab. Diese Aussage bezieht sich auf: (1) verschiedene, zwischenstandörtlich sich ergänzende Funktionen (input-outputRelationen), (2) verschiedene zwischenstandörtliche Verkehrssysteme. Die ursprüngliche mathematische Form der Interaktionsregel lautet: Iii = x • Pj • Pj • djj - ", wobei Ijj Verkehrsmenge zwischen den Standorten i und j Pi, Pj . . . Bevölkerung (Menge der interaktionsfähigen Subjekte) in i bzw. j djj Entfernung zwischen i und j x Koeffizient, der die Komplementarität der interaktionsfähigen Subjekte (aufgrund der Spezialisierung) in i und j beschreibt a das Verkehrssystem zwischen i und j kennzeichnender (entfernungsgewichtender) Wegwiderstandsparameter Man kann sich das Produkt PjXPj als Ausdruck für die Menge der theoretisch möglichen Verkehrsbeziehungen zwischen i und j vorstellen; dies unter der Voraussetzung, es gäbe keine Wegaufwände. Das Verhältnis aus der wirklichen (gemessenen) Verkehrsmenge Iy und der theoretisch möglichen Menge an Verkehrsbeziehungen PjXPj wird nach der Interaktionsregel mit dem Wegaufwand, also dem Wert d ^ " , erklärt. Der entsprechende Zusammenhang erscheint in der doppellogarithmischen Darstellung als Gerade. Die Interaktionsregel ist regionalwissenschaftlich besonders relevant, weil der Wegwiderstand a sehr ungleich über die besiedelte Fläche verteilt ist: Dies gilt (analog zum Integrationsgrad in der Spezialisierungsregel) in besonderem Maße, wenn man a als variierend mit der infrastrukturellen und bodenordnerischen Ausstattung der gebietlichen Standorte betrachtet. Die Interaktionsregel ist zu erläutern, (1) indem die Komplementarität der verkehrserzeugenden standörtlichen Funktionen erklärt wird, (2) indem die funktionsspezifische Eignung der Verkehrssysteme erklärt wird, (3) indem die Bedeutung der einzelnen Verkehrssysteme erklärt wird.
4. Regionalentwicklung
Abb. 4.2.
189
Interaktionsfunktion
Im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften wird die Interaktionsregel aus den Transportkosten erklärt: Mit wachsender Entfernung und mit Qualitätsminderungen im Verkehrssystem werden die Vorteile der verkehrserzeugenden Arbeitsteilung aufgezehrt. Hingegen provozieren, so die Folgerungen aus der Interaktionsregel, Verbesserungen im Verkehrssystem eine weitere Arbeitsteilung und somit eine Zunahme der mit Verkehr identischen Austauschbeziehungen. Diese Annahme ist zugleich grundlegend für die Erklärung des StandortwahlVerhaltens, betreffs (1) die Einkaufs- und Verkaufsentscheidungen des einzelnen, (2) die Wahl des Wohn- und Arbeitsplatzes, (3) die Wahl der Freizeitgelegenheiten. Die Interaktionsregel entstammt als Analogie der Physik (Newtonsches Gravitationsgesetz). Sie wurde zunächst einerseits zur Erklärung des sozialen Prozesses der Migration (Ravenstein), andererseits als Bemessungsregel für Verkehrsbauwerke (Li//) angewandt. Die mathematische Differenzierung der Interaktionsregel hin zu den sogenannten „räumlichen Interaktionsmodellen" geht parallel mit dem Anspruch auf bessere Begründung geplanter regionalpolitischer Maßnahmen auf Seiten der Ingenieurwissenschaften (Schlums, Mäcke u.a.). Wichtige Beiträge zur theoretischen Fundierung der Interaktionsregel und ihrer Verknüpfung mit anderen Verhaltensannahmen wurden von Geographen (Wilson) erbracht. In der Regionalwissenschaft geht die Interaktionsregel in die meisten theoretischen Ansätze ein, mit denen (1) die Standortentscheidung einzelner Wirtschaftssubjekte und/oder (2) die Entwicklung der Siedlungsstruktur erklärt werden sollen. Dies gilt für die partialen Theorien zur Standortbewertung (u.a. das sogenannte Einzelhandelsgesetz nach Reilly, die Theorien der Standortpräferenzen für die Wohnbevölkerung und die Industriebetriebe nach Alonso u.a., die Migrationstheorien nach Ravenstein . . . Gatzweiler, die Theorien der regionalen Faktormobilität nach Klaasen . . . Siebert. . . Thoss); es gilt auch für die komplexen Modelle zur Simulation der innerstädtischen Flächennutzung {WegenerlMeise . . . Braun/Wermuth . . . Bökemann) und der inner- und zwischenstädtischen Verkehrsverteilung (Schlums . . . Mäcke).
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
4.2.4. Die Zentralisierungsregel D i e makroanalytische Zentralisierungsregel beschreibt die Flächennutzung nach der Zentren-Entfernung als Analogon zum physikalischen Absorptionsgesetz für sich radial ausbreitende Strahlen. E s wird a n g e n o m m e n , d a ß die Erreichbarkeit eines Standortes die Intensität der Flächennutzung bestimmt: In Stadtzentren, als den Standorten der maximalen Erreichbarkeit, ist danach die Intensität der Flächennutzung am größten, sie nimmt mit der E n t f e r n u n g vom Stadtzentrum, Ringe gleicher Nutzungsintensität bildend, ab. Der Höchstwert der innerstädtischen Nutzungsintensität hängt von der Stadtgröße ab: Je größer die betrachtete Stadt ist, desto intensiver ist die Flächennutzung in ihrem Z e n t r u m . Diese Aussagen beziehen sich auf folgende Ausprägungen der standörtlichen Nutzungsintensität: (1) auf die Aktivitäten-Dichte (gemessen u. a. durch die Dichte der Wohnbevölkerung, der Beschäftigten, der Einwohner + Beschäftigte, des Umsatzes, der Wertschöpfung, des Ziel- u n d Quellverkehrs, der Baumasse, jeweils bezogen auf das Nettobauland), (2) auf die Funktionen-Dichte (gemessen u. a. durch die Dichte der Branchenvielfalt, der Vielfalt des Güterangebotes, der Berufsvielfalt, der Binnenkommunikation, wie Telefonate u . ä . , jeweils bezogen auf das Nettobauland), (3) auf die Marktbewertung der Standorte (gemessen u . a . durch die flächenspezifischen Grundstückspreise, Mieten und Pachten).
Abb. 4.3.
Zentralisierungsfunktion
Die mathematische F o r m der Zentralisierungsregel lautet: D| = Dz • e"""
lna
, dabei ist
D, . . . Nutzungsintensität des Standortes i D z . . . Nutzungsintensität im Zentrum z, dem Standort maximaler Erreichbarkeit da . . . Entfernung des Standortes i zum Zentrum z a . . . . Zugangsbedingungen des Zentrums z vom Standort i kennzeichnender Parameter
4. Regionalentwicklung
191
In der doppellogarithmischen Darstellung erscheint der durch die Zentralisierungsregel ausgedrückte Zusammenhang als Gerade. Da der Maximalwert der Nutzungsintensität D z von der Stadtgröße P abhängt, gilt Dz = f(P)
Aus der Zentralisierungsfunktion kann formal durch Integration (1) über die Entfernung vom Stadtzentrum bis zur Gemarkungsgrenze dr und (2) über die durch Rotation mit dieser Entfernung um das Stadtzentrum entstehende Gemarkungsfläche die Gesamtaktivität Pr der Stadt r (Einwohnerzahl, Beschäftigtenzahl, Umsatz u. a.) errechnet werden (vgl. J. B. Parr). P r a 2 JI Dz • e - 2 d r l n a Für die Regionalwissenschaft ist die Zentralisierungsregel schon deshalb relevant, weil mit ihrer Hilfe die gegebene Ungleichverteilung der Flächennutzungsintensität im Siedlungsgefüge abgebildet werden kann. Ähnlich wie bei der Spezialisierungs- und bei der Interaktionsregel variiert der Parameter a die Bedeutung der Entfernung eines Standortes i zum Zentrum j. Damit erscheint auch hier der Einfluß der Infrastruktur und Bodenordnung auf die wichtigen Kenngrößen der Siedlungsstruktur, wie Flächennutzungsintensität, Funktionenvielfalt und Bodenpreise evident. Die Zentralisierungsregel ist zu erläutern, • indem der Zusammenhang zwischen der Erreichbarkeit eines Standortes und der Funktion der Intensität seiner Aktivitäten (Flächennutzung) erklärt wird, • indem die Attraktivität eines Zentrums als Ort maximaler Funktionsvielfalt erklärt wird, • indem die Erreichbarkeit der Zentren aus den verschiedenen Verkehrssystemen erklärt wird. Ähnlich wie die Interaktionsregel wird die Zentralisierungsregel im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften mit den Transportkosten erklärt: In der Betriebsrechnung sind die Bodenpreise und die Transportkosten substituierbar. Auf gut erreichbare Standorte, wo dem Nutzer nur relativ geringe Transportkosten entstehen, drängen deshalb viele Nachfrager; der Bodenpreis steigt dementsprechend bis zu jener Höhe, wo noch ein Nutzer zahlungsbereit ist. Jene Nutzer, welche den somit hohen Bodenpreis zahlen können, nutzen die Bodenfläche in der Regel besonders intensiv. Die Funktionenvielfalt in der Zentrennähe wird ökonomisch mit den sogenannten externen Effekten (Vorteile der Mischung, urbanization economies, Agglomerations-
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
effekte) begründet: Danach besteht ein Zusammenhang zwischen der Komplexität der Nutzungsfunktionen einerseits und der Verflechtung mit fremden Funktionen. Die Bedingungen für vielfältig komplementäre Außenbeziehungen sind in einem Zentrum mit großer Funktionsvielfalt besonders günstig. Die makroanalytische Zentralisierungsregel ist implizit bereits in der landwirtschaftlichen Flächennutzungstheorie (mit dem städtischen Markt als Zentrum) von J. H. v. Thünen enthalten und begründet; in der beschriebenen Form ist sie für den innerstädtischen Bodenmarkt von W. Alonso ausgeführt worden. Neben der ökonomischen Fundierung wurde die Zentralisierungsregel in einer großen Zahl von wirtschaftsgeographischen Untersuchungen (C. Clark, Berry, Bogue, Muth, Winsbrough u. a.) empirisch getestet. In der Regionalwissenschaft ist die Zentralisierungsregel im besonderen Teil der Theorie des Standortmarktes (Alonso, Mills, von Böventer u. a.). Hier wird die Zentralisierungsregel mit Kategorien wie „standörtliche Erreichbarkeit" und „Knappheitsgrade unterschiedlich gut erreichbarer Standorte" begründet. Dabei gelten die Standortpreise im allgemeinen als Entgelt für ersparte Transportkosten, für sogenannte Fühlungsvorteile (Lösch), Agglomerationsvorteile (A. Weber) und Urbanization economies (Isard).
4.2.5. D i e Verteilungsregel (Rank-Size-Rule) Die makroanalytische Verteilungsregel beschreibt in erster Linie die standörtlichen Eigentumsverhältnisse im Siedlungsgefüge. Als standörtliche Eigentume gelten hier einerseits die Grundstücke in einer Gemeinde (Individual- und Exklusiv-Eigentume), andererseits die Gemeinden in einem Land (Kollektiveigentum der Bürger an der Gemeindeausstattung mit Nutzungsgelegenheiten). Am Beispiel der Gemeindegrößen wurde empirisch ermittelt, daß in einem Land die Einwohnerzahl der einzelnen Gemeinden der Seltenheit ihrer Art in einer Größenklasse entspricht: Je größer die Einwohnerzahl desto kleiner die Gemeindezahl einer Größenklasse; je kleiner die Einwohnerzahl, desto größer die Gemeindezahl einer Größenklasse. Diese Aussage hat folgende Standortbezüge: (1) auf standörtliche Eigentumskategorien, wie die Grundstücke in einer Gemeinde und die Gemeinden in einem Land bzw. Staatsgebiet (2) auf standörtliche Vermögens- und Einkommenskategorien, wie Attraktivität, Erreichbarkeit, Bodenwert, Gewinnchance, Nutzen u. a. (3) auf standörtliche Aktivitäten, wie Bevölkerung, Beschäftigung, Wertschöpfung, Umsatz u.a. (4) auf standörtliche Funktionen, wie Branchen- oder Berufs Vielfalt, Menge der angebotenen Güterarten, Komplexität der Nutzungsfunktionen u. a. Die mathematische Form der Verteilungsregel (Rank-Size-Rule) lautet Pr = Pi • R ' e , dabei ist
PR
= Einwohnerzahl der Gemeinde des R-ten Ranges (anstelle der Einwohnerzahl gelten auch andere Größenindikatoren)
4. Regionalentwicklung
Pi Q
193
= Einwohnerzahl der Hauptstadt des betrachteten Landes (für die größte Gemeinde: R = 1) = ein den Zentralisierungsgrad eines Siedlungsgefüges kennzeichnender Parameter (für die Verteilungsregel der Gemeindegrößen gilt im allgemeinen p = 1)
In der doppellogarithmischen Transformation erscheint die Rang-Verteilungskurve der Standorte (Reihung der Gemeinden nach ihrer Einwohnerzahl) als eine Gerade.
Abb. 4.5. Standörtliche Verteilungsfunktion für die GemeindegröBen (Rank-Size-Rule)
Diese Verteilungsfunktion bildet (ähnlich wie die Zentralisierungsfunktion der Städte) nach Summierung der einzelnen gemeindlichen Einwohnerzahlen (bzw. nach Integration der Funktion) die Gesamtbevölkerung, Pges, des betrachteten Gebietes als KflM Pg« =
2
PR
R - 1
Wenn nach der Verteilungsregel die Einwohnerzahl der Hauptstadt, Pj, (es wird unterstellt, die Hauptstadt sei die einwohnermäßig größte Gemeinde des betrachteten Landes) abhängt (1) von der Gemeindezahl vom Rang R mM und (2) von der Einwohnerzahl der kleinsten Gemeinde, P„,in, dann läßt sich (bei q = const.) für die Entwicklung der Siedlungsstruktur eines Landes folgern: (1) mit der gebietlichen Expansion eines Staates und mit dem Zugewinn von Gemeinden (Rma* > Rmax) wächst ceteris paribus die Hauptstadt (P2! > Pi) (2) mit der wachsenden Gesamtbevölkerung und Nutzungsintensivierung eines gleichbleibenden Gebietes (gleichbleibende Gemeindezahl, R mM = const.) ist ceteris paribus mit einer Bevölkerungsverteilung zu rechnen, nach welcher die Gemeinden proportional zu ihrer Ausgangslage wachsen. Dieser Befund entspricht einer Analogie der Verteilungsregel im Siedlungsgefüge zum biologischen Gesetz des allometrischen Wachstums, wie sie von M. J. Beckmann erkannt worden ist. (Danach ist die relative Wachstumsrate eines Organs ein konstanter Anteil an der relativen Wachstumsrate des Organismus.)
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse i Einwohnerzahl Pi
gebietliche Expansion gcuituiuit LrfApailOlVll bei UVI •v-^" Verbesserung der Infrastruktur
Abb. 4.6. Veränderung des Siedlungsgefüges (nach der Gemeindegröße) durch gebietliche Expansion
A Einwohnerzahl
Abb. 4.7. Veränderung des Siedlungsgefüges (nach der Gemeindegröße) durch gebietliche Nutzungsintensivierung Zusätzlich zu den bezeichneten Variationen des Siedlungsgefüges durch gebietliche Expansion und gebietliche Nutzungsintensivierung besteht nach fortschreitender Integration der Bevölkerung über die Gemeindegrenzen und aus Gründen der Verwaltungsrationalisierung die Tendenz, daß die Zahl der in einem Gebiet selbständigen Gemeinden abnimmt.
Die Verteilung für das Siedlungsgefüge hat, darauf wurde vor allem von H. Singer und M. J. Beckmann hingewiesen, eine dem Paretoschen Einkommens-Verteilungsgesetz gleiche Struktur. Danach ist zu vermuten, daß sich die Verteilungsregel primär auf die relative Attraktivität (Erreichbarkeit, Gewinnchance) der betrachteten Standorte bezieht. Bevölkerungszahlen von Gemeinden sind dann, ähnlich wie die Nutzungsintensitäten in der Nähe von Stadtzentren, marktmäßige Reaktionen auf entsprechende Standort-Angebote. So erklärt sich die formale Verwandtschaft zwischen der Zentralisierungs- und der Verteilungsregel. Empirisch wurde die Verteilungsregel des Siedlungsgefüges für die Gemeindegrößen zunächst als ein städtestatistisches Phänomen von F. Auerbach („Auerbachsches Gesetz") entdeckt und von G. K. Zipf als eine spezielle Verwirklichung des AufwandMinimierungsprinzips begründet.
4. Regionalentwicklung
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In der RegionalWissenschaft ist die Verteilungsregel desSiedlungsgefüges enthalten in der • Theorie der zentralen Orte (W. Christaller u. a.) Während die Theorie der zentralen Orte mit der Unterstellung hierarchischer Regelhaftigkeiten eine gestufte Rang-Verteilung der Gemeindegrößen begründet, beschreibt die Verteilungsregel eine kontinuierliche Rangverteilung. M. J. Beckmann legt klar, daß zwischen beiden Aussagen im Gren/.fall kein Widerspruch besteht. • Theorie der Raumwirtschaft ( 4 . Lösch, E. v, Böventer u.a.) Die Theorie der Raumwirtschaft nach Lösch sowie die darauf aufbauenden räumlichen Gleichgewichtsmodelle begründen die Verteilungsregel des Siedlungsgefüges prinzipiell ähnlich wie die Theorie der zentralen Orte. Mit der unterschiedlichen Genesis-Hypothese (die Entwicklung der Siedlungsstruktur ist Ausdruck der Arbeitsteilung und funktionalen Spezialisierung) wird der kontinuierliche Verlauf der Verteilungskurve jedoch eher plausibel als dies nach der Theorie der zentralen Orte möglich erscheint. • Theorie der räumlichen Diffusion von Innovationen (T. Hägerstrand u.a.) Danach wird eine die Arbeitsteilungs-Hypothese nach Lösch spezifizierende Aussage über die Zuwachsraten von Gemeindegrößen durch eine Intensivierung der Standortnutzung möglich.
4.2.6. Sozialökologische Befunde zur Dynamik im Siedlungsgefüge Im Rahmen der Sozialökologie wird die Siedlungsentwicklung weitgehend gleichgesetzt mit dem Zusammenwirken der verschiedenen sozialen Gruppen in einer durch materiale und institutionelle Eigenschaften definierten räumlichen Umwelt. Angelehnt an das Argumentationsschema der allgemeinen Ökologie (verstanden als Zweig der Biologie) behandeln Sozialökologen (verstanden als empirische Soziologen) soziale Gruppen wie eigenständige biologische Arten, deren (gleichsam „biozönotische") Beziehungen nach ökonomischen Prinzipien (Verhaltensorientierung am individuellen Eigennutz) gesteuert werden. Als soziale Gruppe gelten verhaltenshomogene Mengen von Individuen, die nach Tätigkeits-, Status-, Sprach- und Rassenmerkmalen zusammengefaßt werden. Es wird unterstellt: • Soziale Gruppen konkurrieren um Standorte als ökologische Positionen. Der Wettbewerb der sozialen Gruppen um Standorte wird als analog zum biologisch-ökologischen Theorem des „Kampfes ums Dasein" angesehen. • Standorte unterschiedlicher ökologischer Qualität werden von den sozialen Gruppen in der Rangfolge ihrer ökonomischen Macht besetzt. Diese Rangfolge der sozialen Gruppen wird als analog zum biologisch-ökologischen Theorem des „Überlebens der stärkeren Art" angesehen. • Standortqualität wird sozialgruppenspezifisch nach den Entfaltungsmöglichkeiten bewertet.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Die Entfaltungsmöglichkeiten einer sozialen Gruppe auf einem bestimmten Standort gelten als umweit-unabhängig. Danach ist die Mischung der sozialen Gruppen im umgebenden Gebiet ein wichtiges Kriterium, um einen Standort nach möglicher Unterstützung oder Störung der sozialgruppenspezifischen Existenzbedingungen zu bewerten. • Zur Vermeidung von Konflikten wird der Wettbewerb der sozialen Gruppen um Standorte durch Institutionen kontrolliert und als Gleichgewicht von Austauschverhältnissen geregelt („soziale Kontrolle" im „kooperativen Wettbewerb"). Diese Vorstellung entspricht formal weitgehend dem biologischen Theorem vom „ökologischen Gleichgewicht". Dieser Ansatz wurde zuerst von den Stadtsoziologen der Universität von Chicago („Chicago-Schule" der Soziologie), R. E. Park, E. W. Burgess und R. D. W. McKenzie60 als theoretisches Rahmenkonzept für eine Fülle darauf aufbauender empirischer Studien entwickelt, später vor allem von L. Wirth 61 weitergeführt und schließlich als sogenannter faktorialökologischer Ansatz mit modernen statistischen Verfahren verbunden 62 .
nach Burgess
1 2 3 4 5
Stadtzentrum (CBD) Großhandel, Leichtindustrie Wohngebiet geringerer Qualität Wohngebiet mittlerer Qualität Wohngebiet gehobenerer Qualität
Abb. 4.8.
60 61 62
nach Hoyt
m
nach Harris und Ullmann
6 Schwerindustrie 7 Geschäfts- und Gewerbebetriebe in Nebenzentren 8 Wohnvorort 9 Industrievorort 10 Pendlerzone
Zusammenhang zwischen Dichte und Struktur beim konzentrischen (A), sektoralen (B) und polyzentrischen (C) Modell städtischen Wachstums Quelle dieser synoptischen Abbildung: Haggett P.
Park, R. E.; Burgess, E. W.; McKenzie, R. D. W., The City, Chicago, 1925 Wirth, L., Human Ecology, Chicago, 1945 Vgl. dazu: Shevky, E. und Williams, M., The social Areas of Los Angeles: Analysis and Typology, Berkeley, 1949 Bell, W., The Social Areas of the San Francisco Bay Area, in: American Sociological Review, 18, 1953 Shevky, E. und Bell, W., Social Area Analysis, 1955, in: Theodorson, A. (Herausgeber), Studies in Human Ecology, New York, 1961
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Gegenstand der empirischen Forschung ist primär die städtische Gemeinde („comunity") als sozialökologische Einheit. Die städtische Gemeinde gilt als von ihrem Umland und von anderen Gemeinden dadurch deutlich abgegrenzt, daß ihre Einwohner (1) dort in besonderem Maße wirtschaftlich und sozial aufeinander angewiesen sind und (2) in besonderem Maße um den ihnen sozialgruppenspezifisch angemessenen MikroStandort (Grundstück) konkurrieren. Die Siedlungsstruktur der Gemeinde wird von den Sozialökologen der ChicagoSchule (aufbauend auf Park, zitiert nach/. FriedrichsM) im wesentlichen mit folgenden Kategorien beschrieben: • Bevölkerung (artenmäßig differenziert nach verhaltenshomogenen sozialen Gruppen) als Aktor im Wettbewerb um ökologische Positionen • Artefakte (artenmäßig differenziert nach standörtlichen Entfaltungsmöglichkeiten für bestimmte soziale Gruppen) als Verhalten restringierende materiale (gebaute) Eigenschaften der ökologischen Position eines Standortes • Bräuche und Glauben (artenmäßig differenziert nach sozialen Gruppen auf bestimmten Standorten) als Verhalten restringierende nicht-materiale (gewachsene und gesetzte) Eigenschaften der ökologischen Positionen eines Standortes • natürliche Ressourcen (artenmäßig bewertet nach sozialgruppenspezifischen Präferenzen) als Verhalten steuernde Eigenschaften der ökologischen Positionen eines Standortes. In der solcherart begriffenen Siedlungsstruktur konkurrieren (nach Park) die Einwohner sozialgruppenspezifisch in einem Zwei-Ebenen-System um ökologische Positionen: (1) auf der biotischen Ebene ist der Wettbewerb der Einwohner um ökologische Positionen nach den ökonomischen Gesetzen des Marktes geregelt. (2) auf der kulturellen Ebene vollzieht sich dieser Wettbewerb in den Formen • Konflikt • soziale Anpassung • individuelle Angleichung durch Kommunikation und Konsens. Die kulturelle Ebene kann als nach politisch gesetzten Institutionen (der sozialen Kontrolle) geregelt angesehen werden. Im Rahmen der sozialökologischen Theorien sind die Beziehungen zwischen der biotischen und der kulturellen Ebene nur vage definiert. Allerdings besteht im Rahmen der soziologischen Argumentation dazu auch keine zwingende Notwendigkeit, solange die Veränderungen der Siedlungsstruktur, wie unterstellt wird, ausschließlich nach den ökonomischen Gesetzen des Marktes auf der biotischen Ebene geregelt werden. Der Wettbewerb der sozialgruppenspezifischen Individuen kann (1) statisch wirkend, auf die Siedlnngsstruktur einer Gemeinde, und (2) dynamisch wirkend, auf die Siedlungsentwicklung bezogen werden.
a
Friedrichs, J. Stadtanalyse, soziale und räumliche Organisation der Gesellschaft, Hamburg, 1977. Diese Abhandlung enthält einen sehr guten Überblick über die sozialökologische Denkweise.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
(1) Die Wirkungen des sozialökoiogischen Wettbewerbs auf die Siedlungsstruktur der Gemeinden (statisch) Danach sind sowohl die innerstädtischen Standorte, als sozial-ökologische Positionen, als auch die sozialen Gruppen ordinal gereiht: Hochrangige Standorte sind von Mitgliedern hochrangiger sozialer Gruppen, niederrangige Standorte von Mitgliedern niedrigrangiger sozialer Gruppen besetzt. Als Kriterium für den Rang eines Standortes als sozialökologische Position gilt nach Burgess und McKenzie in besonderem Maße dessen relative Erreichbarkeit und dessen Bodenpreis. Als Kriterium für den Rang einer sozialen Gruppe gilt deren wirtschaftliche und soziale Macht. Indem soziale Gruppen jeweils Standorte mit solcher sozialökologischer Position besetzen, die ihrer aktuellen wirtschaftlichen Macht entsprechen, bleiben die sogenannten Dominanz-Verhältnisse innerhalb des Sozial- und Siedlungsgefüges der Gemeinde zunächst stabil (sozialökologisches Gleichgewicht). Dies gilt im besonderen, weil mit der Besetzung eines bestimmten Standortes durch eine bestimmte soziale Gruppe auch der relative Gewinn- und Nutzenzuwachs als geregelt gilt. Neben dem Dominanz-Verhältnis zwischen den sozialen Gruppen ist von den Sozialökologen der Chicago-Schule für die Siedlungsstruktur die sogenannte Segregation als wichtiges Unterscheidungsmerkmal definiert worden (McKenzie). Segregation beschreibt die relative räumliche Absonderung einer sozialen Gruppe im Gebiet der Gemeinde. Als Extremfall der Segregation sind Gebiete anzusehen, die ausschließlich von einer sozialen Gruppe besetzt und genutzt sind (z. B. Ghettos). In der sozialökologischen Forschung der Chicago-Schule kommt unter diesem Aspekt der Frage nach der Entstehung und Entwicklung von Ghettos eine große Bedeutung zu. Mit den Kategorien Dominanz und Segregation wird die räumliche Siedlungsstruktur der Gemeinde in folgender Weise gesehen: (1) Die höchste sozialökologische Position haben in einer Gemeinde die CityStandorte. Dort, in der geographischen Mitte der Stadt, sitzen die mächtigsten sozialen Gruppen. (2) Um die City einer Gemeinde nimmt der sozialökologische Rang der Standorte in konzentrischen Ringen ab. Entsprechend dem sozialökologischen Rang der Standorte sind die sozialen Gruppen nach ihrer wirtschaftlichen Macht über das städtische Gebiet verteilt (Burgess und McKenzie). Die konzentrischen Ringe der städtischen Siedlungsstruktur sind folgendermaßen genutzt: • im Kern das Hauptgeschäftszentrum (City, CBD = Central Business District) • Randbereich und Übergangszone der City („friction zone" und „zone of transition") • Wohnviertel mit niedrigem sozialen Status • Wohnviertel mit mittlerem und höherem sozialen Status • Pendlereinzugsbereich (3) Die Bewohner einer Gemeinde suchen die räumliche Nähe zu Gleichartigen und die Ferne zu Fremden und eventuell Störenden.
4. Regionalentwicklung
199
Unter diesem Aspekt bilden soziale Gruppen homogen genutzte, sogenannte natürliche Gebiete („natural areas") mit einem hohen Segregationsgrad (Wirth und
Zorbaughf.
(4) Orientiert an der City bilden sich in der Siedlungsstruktur einer Gemeinde räumliche Sektoren, in denen die Art der Flächennutzung, bei zunehmender Intensität zur City, relativ ähnlich ist. ( H o y t ) a (5) Die Vorstellungen von der gemeindlichen Siedlungsstruktur als einer City mit nach Nutzungsintensitäten unterschiedenen Ringen und nach Nutzungsarten unterschiedenen Sektoren wird schließlich relativiert durch das sogenannte „multiple-nucleus"-Konzept von Harris uind Ullman'*, wonach die Existenz einer innerstädtischen Zentrenhierarchie als Organisationsprinzip berücksichtigt wird. (2) Die Wirkungen des sozialökologischen Wettbewerbs auf die Siedlungsentwicklung der Gemeinden (dynamisch) Dem allgemeinen ökologischen Konzept entsprechend wird unterstellt: Im sozialökologischen Wettbewerb entstehen ständig neue soziale Gruppen, die das bestehende Gleichgewicht in der Verteilung der Standorte dadurch stören, daß sie anderen traditionellen sozialen Gruppen ihren Standort streitig machen. Das Entstehen neuer sozialer Gruppen wird als Ergebnis eines Anpassungsprozesses zwischen den sozialökologischen Standorteigenschaften und den nutzungsbezogenen individuellen Fertigkeiten gesehen. Dabei werden sogenannte sozialökologische Nischen fertigkeitenspezifisch als Standortvorteile nutzbar gemacht, zugleich aber auch neue, dem entsprechenden Standort angepaßte Fertigkeiten entwickelt. Mit dieser Art von Innovation ist das Eindringen der neuen sozialen Gruppe („invasion") in das als sozialökologische Nische erkannte und bisher von anderen sozialen Gruppen besetzte Gebiet verbunden. Die Invasion neuer sozialer Gruppen in einem Gebiet wird sozialökologisch (McKenzie) als erste Phase in einem Sukzessionsprozeß verstanden. Der Invasionsphase (1) folgt demnach eine Phase, in welcher die neue soziale Gruppe langsam Fuß faßt. Dabei stößt sie auf einen mehr oder minder großen Widerstand aus der Solidarität der alteingesessenen Nutzer (2). In der sogenannten Ausreifungsphase entziehen die neuen sozialen Gruppen in zunehmendem Maße den alteingesessenen die Existenzgrundlagen bzw. sie verschlechtern deren Entfaltungsmöglichkeiten (3). In der Phase des sogenannten Climax beherrscht die eingedrungene neue soziale Gruppe das betrachtete Gebiet, sie etabliert sich zugleich in der Weise, daß sie Abwehrmechanismen gegen eine neuerliche Invasion errichtet. Aufgrund dieser Vorstellung verändert sich die Siedlungsstruktur der Gemeinden in folgender Weise: (1) Neue soziale Gruppen entstehen vor allem in der City; denn dort finden sie im allgemeinen zuerst eine entsprechende „sozialökologische Nische". 64
65
66
H. W. Zorbaugh, The Natural Areas of the City, 1926 in A. Theodorson (Hrsg.), Studies in Human Ecology, New York 1961 Hoyt, J., The Structure and Growth of Residential Neighborhoods in American Cities, Washington 1939 Harris, C. D.; Ullman, E. L„ The Nature of Cities, in: The Annals 242 (1945)
200
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
(2) Die Entstehung neuer sozialer Gruppen bewirkt einen Verdrängungsprozeß, in welchem die sozial schwächeren Gruppen auf Standorte mit geringerer sozialökologischer Position vertrieben werden. Dort induzieren sie entsprechende Veränderungen. (3) Besonders günstige sozialökologische Nischen für die Betroffenen des Verdrängungsprozesses, die niedrigrangigen sozialen Gruppen, werden in den sogenannten „zones of transition", den Übergangszonen zwischen Gebieten verschiedenartiger Nutzung gefunden.
4.3. Zur regionalen Aggregation von Standorten und Nutzungen Das Aggregat Region wird hier nicht nur als eine zusammengefaßte Menge von Standorten, Eigentümern und Nutzern betrachtet; Region gilt vielmehr auch als eine in ihren territorialen Grenzen und verfassungsmäßigen Kompetenzen definierte autonome politische Persönlichkeit: „die Gebietskörperschaft". Erst durch diese, die intraregionalen Standorte mit einem Verwaltungs- und Gestaltungsinteresse umfassenden Persönlichkeitsmerkmale erhält das statistische Aggregat von standörtlichen Informationen zu regionalmakroanalytischen Meßgrößen seinen Sinn: nämlich als Grundlage für infrastruktur- und bodenordnungsbezogene politische Entscheidungen. Mit dieser Feststellung soll zugleich auf die Fragwürdigkeit von solchen statistischen Aggregaten in der räumlichen Dimension hingewiesen werden, die sich nicht an politisch determinierten Kriterien, wie gebietlich definierten Kompetenzen, orientieren. Ausgehend von dem politischen Informationsgehalt des statistischen Aggregats wird im folgenden zunächst Region als ein System von Standorten und deren Eigentümern und Nutzern interpretiert. Danach wird gefragt, wie sich in diesem System private und politische Entscheidungen zur Nutzenmaximierung wechselseitig beeinflussen. Bei der Beschränkung dieser Analyse auf das „räumliche Verhalten" wird unterstellt, daß sich (1) private Entscheidungen über die Standortnutzung durch • Koppelungs- und • Binnenbetriebseffekte als Ansprüche auf das regionalpolitische Handeln in den Bereichen Infrastruktur und Bodenordnung auswirken, während - in umgekehrter Richtung - (2) regionalpolitische Entscheidungen über Infrastrukturinvestitionen und Anwendungen bzw. Veränderungen der Bodenordnung als • Bündelungs- und • Umfassungseffekte die privatwirtschaftlichen Vorteile bei der Standortnutzung wesentlich mitbestimmen.
4.3.1. Das regionale System der Verfügungsrechte, Austauschmöglichkeiten und Flachennutzungen Im folgenden soll nicht der (nach bisherigen Ansätzen in der Regionalanalyse eher wenig Erfolg versprechende) Versuch wiederholt werden, Regionalforschung primär als ein Problemfeld der Kybernetik zu begreifen und somit von etwa folgender
4. Regionalentwicklung
201
(sicherlich nicht falschen) Feststellung auszugehen: Regionen sind „sehr komplexe", „teiloffene", „in höchstem Maße probabilistisch variierte", „teils organische - teils künstliche", „teils von außen gesteuerte - teils sich selbstregelnde" (mit „homöostatischen Tendenzen" behaftete und mit einem hohen Grad von „Resilianz" ausgestattete) Systeme. Eine derartige, völlig politikferne Analyse erscheint für Planungszwecke verfehlt. Mit dem Begriff „System" soll hier vielmehr (methodologisch weit weniger anspruchsvoll) die begriffliche Grundlage für die problemorientierte und planungsrelevante Abbildung regionaler Strukturen und Prozesse verbessert werden. Eine Region kann als ein System interpretiert werden, wenn man (1) die einzelnen standörtlichen Nutzungen innerhalb der betrachteten Region als Systemeiemente, (2) die Faktor- und Güterströme, aber auch die Abfallströme, zwischen den einzelnen Standorten der Region als Beziehungen im System und (3) die politisch gesetzte Grenze der Region als „Systemgrenze" definiert. zu (1): Standorte sind durch die Grenzsysteme der Bodenordnung eigentumsmäßig festgelegt. Auf den verschiedenen Rängen der verfassungsmäßig und verfügungsrechtlich definierten gebietskörperschaftlichen Hierarchie kennzeichnet die Zahl der Standorte in einer Region jeweils die Zahl der dort selbständigen Wirtschaftssubjekte. Standortnutzungen sind Transformationen von bezogenen Faktoren in abzusetzende Güter bzw. von bezogenen Gütern in abzusetzende Faktoren (Arbeitskraft). Die Verschiedenartigkeit der einzelnen standörtlichen Nutzungen bestimmt prinzipiell die Bedingungen des zwischenstandörtlichen Austausches und der zwischenstandörtlichen Störungen. Das Ausmaß der nutzungsspezifischen zwischenstandörtlichen Kommunikations- und Konfliktpotentiale variiert mit der Entfernung und mit den Eigenschaften der zwischenstandörtlichen Systeme der Infrastruktur und Bodenordnung. Die Standorte einer Region können nach ihrer Eignung für eine bestimmte Nutzungsfunktion bewertet werden, indem man ihr Nutzungspotential (vgl. 3.5.2.) vergleicht: „Pi = K; • 2j Nf • e d , i'" wobek
n P,
nutzungsspezifisches Standortpotential in i Kapazität der Ausstattungsfaktoren in i Nutzungsintensität der erreichbaren Standorte j Entfernung zwischen i und j infrastruktursystembezogener Widerstandsparameter zur Bewertung der Transportkosten ß = der Komplementaritätsgrad der Nutzung in j bezüglich i beschreibender Parameter
Kj Nj dij a
= = = = =
Die formale Struktur des nutzungsspezifischen Standortpotentials kann aus der Annahme abgeleitet werden, wonach das individuelle Verhalten nach einer Bewertung der jeweiligen Aufwände und Erträge an der Maximierung des Eigennutzens orientiert sei. Danach gilt bei der nutzungsspezifischen Standortbewertung als Aufwandkomponente die Entfernungsüberwindung (in der Dimension Weg- oder Zeitkosten), als Ertragskomponente die standörtliche Verfügbarkeit über bezogene Faktoren und absetzbare Güter im Produktions- und über bezogene Güter und absetzbare Faktoren (Arbeitskraft) im Konsumbereich. Die Vorteilhaftigkeit des Bezugs oder Absatzes ergibt sich einerseits aus dem Komplementaritätsgrad ß der Nutzungen bei den
202
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
verglichenen Standorten, andererseits aus der faktor- und gutspezifischen Eignung a der benutzbaren zwischenstandörtlichen Infrastruktur. zu (2): Die zwischenstandörtlichen Faktor- und Güterströme, aber auch die Abfallströme, ergeben sich einerseits aus den standörtlichen Nutzungsfunktionen, andererseits aus den Entfernungen zwischen Liefer- und Absatzstandorten, jeweils nach der Transporteignung der verfügbaren Leitungssysteme der Infrastruktur bewertet. Das aus dem Gravitationsgesetz abgeleitete Modell beschreibt makroanalytisch die Intensität des zwischenstandörtlichen Austausches letztlich aufgrund der gleichen nutzentheoretischen Annahme wie das Potentialmodell67: Fy = N*e • Nj*'1
• e d "' °
wobei: F,j = Intensität des Austausches zwischen den Standorten i und j N*, N,* = Intensität der Nutzungen auf den Standorten i und j d^ = Entfernung zwischen i und j a = infrastrukturbezogener Widerstandsparameter zur Nutzenbewertung ß = den Komplementaritätsgrad der Nutzungen auf den Standorten i bzw. j beschreibender Parameter zu (3): Regionale Grenzen umfassen bestimmte Elemente der Kategorie „genutzte Standorte" als dem betrachteten System zugehörig. Der Gehalt von regionalen Grenzen ist in den Dimensionen Handlungsspielraum oder Verfügungsrechte ausdrückbar. Damit beschreiben regionale Grenzen das Ausmaß, in dem über die Benutzung des Bodens und der infrastrukturellen Gelegenheiten durch eine Person, den Standortbesitzer, disponiert werden kann. Im Sinne der verfassungsmäßig festgelegten Hierarchie der Gebietskörperschaften beziehen sich die Verfügungsrechte mehrerer Entscheidungsträger aus verschiedenen politischen Ebenen auf ein und dasselbe Grundstück. So gesehen können die regionalen Grenzen der verschiedenen Ebenen der gebietskörperschaftlichen Ebene auch als aggregierende Kriterien für bestimmte Nutzungsergebnisse und Nutzermengen interpretiert werden. Allerdings ist es wichtig, bei der regionalen Aggregation der Nutzungsergebnisse und Nutzermengen (und bei der dann notwendigen makroanalytischen Kennzeichnung der intraregionalen Infrastruktur und Bodenordnung durch entsprechende Strukturindikatoren) nicht den Bezug zu dem verfügungsrechtlichen Gehalt der Grenzen aus dem Auge zu verlieren. So fließen zwar innerhalb einer Gemeinde - einer Landes- oder Bundesgrenze bestimmte Steuern als Teile der privatwirtschaftlichen Leistungsentgelte von den jeweils innergebietlichen Standortnutzern in entsprechende gebietskörperschaftliche Budgets; im Gegensatz zu den Entgelten werden die Faktor- und Güterströme in der Regel durch regionale Grenzen nicht behindert. Allerdings konstituieren gerade die gebietskörperschaftlichen („regionalen") Budgets den politischen Handlungsspielraum für intraregionale Strukturmaßnahmen (Infrastruktur und Bodenordnung), die ihrerseits in der Regel die privatwirtschaftlichen standörtlichen Handlungsspielräume vergrößern. 67
Es sei hier nochmals auf die strukturelle Ähnlichkeit zwischen der hier bezeichneten Form des Gravitationsmodells und der Cofe6-Doug/as-Produktionsfunktion hingewiesen. Dabei erscheint es für eine angemessene Abbildung zwischenstandörtlicher Austauschbeziehungen besonders wichtig, wie hier durch Einführung des ß-Wertes vorgeschlagen, die Komplementarität der austauschenden Partner zu berücksichtigen.
4. Regionalentwicklung
203
Die Interpretation der Region als System ermöglicht es, die Systemelemente der Kategorie „standörtliche Nutzungen" selbst wieder als regionale Subsysteme zu begreifen. Unter diesem Aspekt kann Region als ein in mehrere Ebenen von Subsystemen gegliedertes hierarchisches System angesehen werden. Bezüglich seines niedrigsten Ranges, der Grundstücksebene, wird es (im materialen Bereich) durch die einzelnen Gebäude und Maschinen bzw. deren einzelne Nutzungen mit Hilfe von Arbeitskräften (als Systemelement) und durch die betriebsinternen Leitungen bzw. Güterströme (als zwischenstandörtliche Systembinnenbeziehung) konstituiert. Auf der nächsthöheren Ebene kann man sich die privatwirtschaftlichen grundstücksbezogenen Nutzungen als gemeindliches Aggregat vorstellen. Hier erscheint die privates Standorteigentum (Grundstücke) definierende Bodenordnung sowie die den zwischenbetrieblichen Austausch vermittelnde Infrastruktur als Binnenorganisation der Wirtschaftseinheit Gemeinde. Analoge Beziehungen gelten für die höherrangigen Aggregate Land und Bund, für die jeweils entsprechende Einsatzfaktoren und Produkte makroanalytisch definiert werden können. So gesehen unterscheidet sich die Kategorie Nutzungstechnologie als Abbild der einzelwirtschaftlichen grundstücksbezogenen Nutzungsfunktionen nur durch das Aggregationsniveau der Systemelemente bzw. durch den Maßstab der regionalen Analyse. Aufgrund dieser Erkenntnis können die formalen Methoden des Operations Research bzw. der Unternehmensforschung, soweit diese die Probleme der betriebsinternen Optimierung betreffen, zu einem großen Teil auf die Regionalplanung übertragen werden. Auf das bezeichnete Systemverständnis gründet sich die theoretische Vorstellung vom regionalen Gleichgewicht. Danach sind im Rahmen der gegebenen Ausstattungsfaktoren von Standorten (Rohstoffe, Infrastruktur und Bodenordnung) die standörtlichen Nutzungsbedingungen und die standörtlichen Nutzungen voneinander abhängig. Indem man aus dem Eigennutzenaxiom für die Wirtschaftssubjekte (Grundstücksbesitzer und Nutzer) ein bestimmtes Verhalten ableitet, läßt sich bei gegebener Infrastruktur und Bodenordnung, sowie aufgrund der vorhandenen Rohstoffverteilung im Raum, eine „optimale" räumliche Zuordnung der Standortnutzungen in einer Region kalkulieren. Als wichtigste Zuordnungskriterien für das regionale Gleichgewicht gelten nach E. von Böventer* die sogenannten „raumdifferenzierenden Faktoren": (1) die externen und internen Ersparnisse, (2) die Transportkosten und (3) die Abhängigkeit der Wirtschaft von Bodenleistungen. Auf gleicher Aggregationsebene können Regionen - wie auch Standorte - nach Ausstattungsfaktoren, Nutzungspotentialen und realisierten Nutzungsfunktionen unterschieden werden. Darüber hinaus können Regionen als Aggregate von Standorten und Nutzungen jedoch auch makroanalytisch differenziert („disaggregiert") werden. Unter diesem Aspekt lassen sich Regionalstrukturen zunächst nach (1) der 68
Böventer von, E., Theorie des räumlichen Gleichgewichts, Tübingen, 1962
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
internen Ausstattung, (2) der internen Flächennutzung und (3) der Abhängigkeit der Wirtschaft von Bodenleistungen unterscheiden. Die regionale Ausstattungsstruktur sollte vor allem nach verfügungsrechtlichen Normen und nach den technisch normierten Austauschbedingungen (wie sie durch die Infrastruktur vermittelt werden) unterschieden werden. Die regionale Flächennutzungsstruktur kann man sich als konstituiert vorstellen durch die am Kriterium Versorgung (Entsorgung) orientierte standörtliche Zentralität und durch die mit Hilfe von einzelwirtschaftlichen Produktionen und Konsumfunktionen definierte Standortnutzung. Bereits hier sei angemerkt, daß sich jeder der bezeichneten „raumdifferenzierenden Faktoren" nach E. v. Böventer als Funktion der in einem Gebiet bestehenden (und zu einem früheren Zeitpunkt durch politische Entscheidung investierten Elemente der) Infrastruktur und Bodenordnung ausdrücken läßt. Insofern erscheint es sinnvoll, die Analyse der Regionalstruktur soweit wie möglich bei den ursprünglichen Determinanten zu beginnen.
Betrachtet man Regionen makroanalytisch, dann lassen sich Regionalstrukturen durch die Verteilung bestimmter Merkmale über die intraregionalen Standorte kennzeichnen. Als strukturbildende Merkmale erscheinen hier besonders relevant: (1) die standortbezogenen individuellen Handlungsspielräume und (2) die standörtlichen Aktivitäten bzw. Flächennutzungen. zu (1): Die standortbezogenen individuellen Handlungsspielräume sind in einer Region bestimmt durch die räumliche Verteilung • der natürlichen Ressourcen • der standörtlichen Eigentumsrechte und • der zwischenstandörtlichen Austauschbedingungen. Indem die standörtlichen Eigentumsrechte im wesentlichen Ausfluß der politisch induzierten Bodenordnung, die zwischenstandörtlichen Austauschbedingungen im wesentlichen Ausfluß der politisch induzierten Infrastruktur sind, gelten die Bodenordnung und die Infrastruktur neben den natürlichen Bodeneigenschaften als ursprüngliche regionalstrukturbildende Faktoren der standortbezogenen individuellen Handlungsspielräume. Die Kategorie regionale Bodenordnung definiert die Verteilung der privaten und gebietskörperschaftlichen Verfügungsrechte über die Standorte einer Region. Die Verfügungsrechte über die meisten Standorte in einer Region teilen sich Bund, Länder, Gemeinden und private Grundstücksbesitzer. Standorte, an deren Verfügungsrechten sämtliche Gebietskörperschaften und je ein Grundstücksbesitzer beteiligt sind, konstituieren in einer hierarchischen Klassifikation der Standorte nach Verfügungsrechten den niedrigsten Rang. Auf den höherrangigen Standorten vereinigen sich die Verfügungsrechte mehrerer Körperschaften in einer Person, wie etwa auf gemeindeeigenen Grundstücken, wo in die Disposition der Gemeinde sowohl das private Grundeigentums- und Nutzungsrecht als auch das gemeindliche Planungs- und Investitionsrecht fallen. Im Sinne der regionalen Bodenordnung können solche Standorte als höchstrangige aufgefaßt werden, auf denen (wie beispielsweise auf Bundesdomänen) das private Grundeigentums- und Nutzungsrecht, das Planungs- und Investitionsrecht im Bereich der Infrastruktur und das landes- und bundesexklusive Schürf- und Bergbaurecht bei einem Eigentümer zusammenfallen.
4. Regionalentwicklung
205
Abb. 4.9. Hierarchie der standörtlichen Verfügungsrechte, beschrieben durch die Zahl der an der Nutzung beteiligten Entscheidungsträger Wie oben dargestellt, ist der verfügungsrechtliche Rang eines Standortes somit um so höher, je weniger Personen bzw. Körperschaften über die Nutzung mitentscheiden; d. h.: je direkter im Entscheidungsgraph die höchste Entscheidungsebene (Bundesregierung) mit der niedrigsten (Grundstücksbesitzer) verbunden ist (bzw. je geringer die Zahl der eine Mitbestimmung symbolisierenden Knoten auf dem Entscheidungsgraph). Neben den verfügungsrechtlichen Bedingungen umfaßt die Kategorie „regionale Bodenordnung" (gewissermaßen als Kehrseite) auch die Normen zur Sicherung des standörtlichen Eigentums. Die regionale Infrastruktur wird auf die einzelnen Standorte einer Region als ein Bündel von infrastrukturellen Gelegenheiten projiziert, durch welche die Beziehungen zu anderen Standorten qualifiziert werden. Ein Standort kann eine unterschiedliche Menge von infrastrukturellen Gelegenheiten enthalten. (Ähnliches gilt für die die Verfügungs- und Eigentumsrechte abbildenden Barrieren, welche einen Standort umfassen.) In einer Region gibt es in der Regel nur einen oder sehr wenige Standorte, welche sämtliche in der Region vorhandenen infrastrukturellen Gelegenheiten und sämtliche
206
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
e i g e n t u m s r e g e l n d e n B a r r i e r e n enthalten, es gibt schon sehr viel m e h r mittelmäßig a u s g e s t a t t e t e S t a n d o r t e a b e r ein Vielfaches davon an S t a n d o r t e n , die mit n u r sehr w e n i g e n G e l e g e n h e i t e n u n d Barrieren ausgestattet sind.
H i n t e r d e r A u s p r ä g u n g d e r regionalen B o d e n o r d n u n g u n d I n f r a s t r u k t u r s t e h e n soziale und technische Normen, welche die Herstellung u n d den B e t r i e b j e n e r standörtliches E i g e n t u m u n d zwischenstandörtlichen Austausch b e s t i m m e n d e n Einrichtungen d e r B o d e n o r d n u n g u n d Infrastruktur regeln. Jedes eigentumssichernde (Barrieren- oder) Grenzsystem und jedes austauschermöglichende (Leitungs- oder) Infrastruktursystem wird erst technisch realisierbar, wenn die aus den sozialen Anforderungen abgeleiteten Handlungsanweisungen in bezug auf das zu erstellende und zu betreibende System widerspruchsfrei kombiniert sind. Je komplexer der zu erfüllende Eigentumssicherungs- oder Kommunikationszweck (meßbar in der Zahl der Einzelforderungen und Randbedingungen), um so mittel- bzw. kostenaufwendiger ist das zugeordnete System. Mit zunehmener Spezialisierung der Tätigkeiten nimmt auch der Zwang zum Austausch der jeweils komplementären Güter zwischen den einzelnen Gliedern der Wirtschaft zu. Mit dem Austausch von immer mehr spezialisierten Gütern werden jedoch zugleich durch Einzelanforderungen immer neue und immer umfangreichere Versorgungs- und Kommunikationszwecke definiert. Der Schutz dieser Güter und das Ausschließen von ebenso immer mehr spezialisierten Störungen definiert daneben immer umfangreichere Eigentumssicherungszwecke. Die zeitliche Reihenfolge der Fixierung technischer Normen orientiert sich in der Regel am Genauigkeitsgrad der Zweckdefinition für das technische System. Erste Normierungen für ein technisches System sind deshalb meist relativ allgemein; erst schrittweise werden sie spezifiziert. Indem die Hierarchie von technischen Normen eine Hierarchie von technischen Systemen definiert, wird unter dem räumlichen Aspekt die Relevanz zur zentralörtlichen Hierarchie deutlich: normierte Kapazitäten und Kapazitätsstufen, normierte Einmündungs- und Sicherheitsabstände in Leitungen (von der Autobahn bis zum Kanal) beschränken unter Umständen die lokalen Nutzungsmöglichkeiten eigener Ressourcen, die Entfernung zu komplementären Nutzerstandorten wird virtuell verkürzt, wenn geometrisch weit entfernte Standorte im Fall ihres Anschlusses an entsprechende Systeme kosten- und zeitmäßig günstiger liegen als geometrisch nähere, aber nicht angeschlossene. Entsprechend kann etwa mit Normierung von Grundstücksgrößen oder mit bestimmten Arten der Flächenwidmung über die so beeinflußte Menge der Marktakteure (Anbieter oder Nachfrager) und der Marktform politisch Einfluß auf die Preisgestaltung genommen werden. zu (2): Standörtliche Aktivitäten bzw. Flächennutzungen sind identisch mit d e n L e i s t u n g e n der H a u s h a l t u n g e n und U n t e r n e h m u n g e n . D u r c h ihren Betriebszweck u n t e r s c h i e d e n , bilden sie zugleich die regionale Flächennutzungsstruktur. Sie w e r d e n abgebildet
4. Regionalentwicklung
207
• standortbezogen: als Produktions- oder Konsumfunktion • zwischenstandörtlich: als Bündel von Faktor- und Güterströmen. Liegt in der regionalen Synopsis das Gewicht mehr auf der Kennzeichnung der Vielfalt der standörtlichen Aktivitäten, erhält man als Bild die regionale Flächennutzungsstruktur; wird mehr die Intensität der standörtlichen Aktivitäten (Dimension : Umsatz) und die räumliche Konzentration, verbunden mit dem Ausmaß der zwischenstandörtlichen Beziehungen (Verkehrsströme) betont, dann erhält man als Bild das regionale Zentralitätsgefiige. Die Kategorie regionale Flächennutzungsstruktur kennzeichnet die Mengenverhältnisse und die räumlichen Zuordnungen der Bodenflächen in einer Region nach technologischen Nutzungsfunktionen, dies im besonderen unter dem Aspekt der nachbarschaftlichen Verträglichkeit verschiedener Nutzungsarten. Es gibt in einer Region Nutzungsarten, die sich in standörtlicher Nachbarschaft ergänzen (oder gar: wechselseitig bedingen) und solche, die sich in standörtlicher Nachbarschaft beeinträchtigen und stören (oder gar: wechselseitig ausschließen). Die Verträglichkeit verschiedener Nutzungsarten ist von der Entfernung der betreffenden Standorte und von der Nutzungsintensität abhängig: je weiter zwei verschieden genutzte Standorte voneinander entfernt sind und j e weniger intensiv ihre Nutzung ist, desto weniger kann sowohl die mögliche Komplementarität als auch die mögliche wechselseitige Störung effektiv werden. Durch die Ausnutzung von infrastrukturellen Kommunikations- und Ver-(Ent)sorgungssystemen wird die nachbarschaftliche Komplementarität auch über weitere Entfernungen ermöglicht, durch eigentumsregelnde Barrierensysteme und durch die Ausnutzung von entsprechenden standörtlichen Absorptionspotentialen werden die nachbarschaftlichen Störmöglichkeiten reduziert. Die nachbarschaftliche Verträglichkeit verschiedener Nutzungsarten kann sich sowohl auf die Nutzungsfaktoren (inputs) als auch auf die Nutzungsergebnisse (outputs) beziehen. Im Sinne dieser Überlegung kann man die regionale Flächennutzungsstruktur in einer standortspezifischen Verträglichkeitsmatrix darstellen, indem die einzelnen Matrixfelder mit den entfernungsabhängigen zwischenstandörtlichen Verträglichkeiten bezüglich der inputs und der Outputs (positive Werte für Komplementaritäten, negative Werte für Störungen) besetzt werden. Die hier abgebildete Verträglichkeitsmatrix für die Standorte einer Region kann mit einer Reihe von normativen Größen (Zumutbarkeitsmaßen 69 u . a . ) verglichen werden, um Hinweise für Maßnahmenprioritäten im Bereich der Infrastruktur- und Flächenwidmungsplanung abzuleiten. Mit der Kategorie regionales Zentralitätsgefiige wird die Qualität der Güterversorgung in einer Region gekennzeichnet. Zentralität gilt als Maß für die Menge der Versorgungsaktivitäten auf einem Standort, soweit diese an den Endverbraucher gerichtet sind. Das regionale Zentralitätsgefiige umfaßt somit die Verteilung der Zentralität über die Standorte einer Region. Mit der besonderen räumlichen Zuordnung solcherart Zentren wird eine Beziehung unterstellt zwischen (1) Standorten als Trägern von Zentralität, auf denen in entsprechendem Ausmaß Kaufkraft umgesetzt wird und (2) Standorten als Träger von Wohn49
z. B. maximal 15 Minuten Fahrzeit zur Erreichung bestimmter zentraler Einrichtungen
208
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
n nutzungsspezifische inputVerträglichkeit Abb. 4.11.
Verträglichkeitsmatrix für die standörtlichen Nutzungen einer Region
und Arbeitsstätten, welche gleichsam als Quellen von Kaufkraft gelten können. (Die Größe eines Zentrums bzw. die Zentralität eines Standortes entspricht somit der dort umgesetzten Kaufkraft.) Die Attraktivität eines Zentrums für die (unterschiedlich kaufkräftige) Bevölkerung ist gekennzeichnet (1) durch das Sortiment der Versorgungsaktivitäten und (2) durch die Entfernung zwischen Angebots- und Verbrauchsort. In einer Region konkurrieren Zentren mit gleichartigen Versorgungsaktivitäten, weshalb entsprechende Unternehmer bei ihrer Standortwahl (1) die Nähe zu den entsprechenden Kaufkraftquellen und zu den im Sortiment komplementären Zentren und (2) die Distanz zu den im Sortiment gleichartigen Zentren suchen. Versorgungsaktivitäten
Standorte in einer Region Abb. 4.12.
Regionalstruktur nach regionalen Versorgungsaktivitäten
4. Regionalentwicklung
209
(analog zum „Absonderungsprinzip" nach W. Christaller)
beziehungen (analog zum „Versorgungsprinzip" nach W. Christaller)
(analog zum „Verkehrsprinzip" nach W. Christaller)
Abb. 4.13.
Regionale Struktur differenziert nach infrastrukturellen und verfügungsrechtlichen Standortmerkmalen
210
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
In einer Region gibt es in der Regel nur ein Zentrum mit einem alle regionalen Versorgungsaktivitäten umfassenden Sortiment, während die Zahl der Zentren, die einem bestimmten Klassenumfang von Versorgungsaktivitäten entspricht, - entsprechend der „Rank-Size-Rule" (G. K. Zipf) - mit abnehmendem Klassenumfang exponentiell zunimmt.
4.3.2. Regionale Wirkungen einzelwirtschaftlicher Entscheidungen Einzelwirtschaftliche Entscheidungen über die Standortnutzung in einer Region wirken sich über die zwischenstandörtlichen Beziehungen in der Belastung der Infrastruktur und der Bodenordnung aus. Insofern gilt es zu überprüfen, wie sich aus bestimmten standörtlichen Nutzungen und Nutzungsveränderungen Ansprüche an den politischen Investor der Infrastruktur und Bodenordnung ableiten lassen. Die speziellen Be- und Überlastungen der regionalen Infrastruktur und Bodenordnung gelten hier als abhängig von einzelwirtschaftlich induzierten (1) bezugsorientierten Koppelungseffekten und (2) absatzorientierten Binnenbetriebseffekten, zu (1): Koppelungseffekte Mit dem Begriff Koppelung wird eine besondere Ausprägung des einzelwirtschaftlichen Verhaltens bei der Güterbeschaffung bzw. beim Güterbezug beschrieben: die Besorgung verschiedenartiger Güter auf einem Weg innerhalb einer begrenzten Zeit.
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Einzelbeschaffung der Güter
Güterbeschaffung durch Koppelung
Güterbeschaffung durch Koppelung in einem Versorgungszentrum
Legende: B = Bezugsstandort (Zentrum) V = Verwendungsstandort A b b . 4.14.
Arten der einzelwirtschaftlichen Güterbeschaffung
Wenn realistischerweise unterstellt wird, daß verschiedenartige Güter zu verschiedenen Zeitpunkten und oftmals in verschieden großen Zeitintervallen verwendet werden und oftmals von verschiedenen Standorten bezogen werden müssen, dann bedeutet „Koppelung" zugleich eine planmäßige Zuordnung (unter Minimierungsbedingungen) verschiedenartiger Aktivitäten in Raum-Zeit-Koordinaten. Bei der Koppelung verschiedenartiger Aktivitäten ergeben sich für die Bezieher, im besonderen für die warenkonsumierenden privaten Haushaltungen, folgende Effekte:
211
4. Regionalentwicklung
• Es wird an Wegaufwand gespart, indem sich ein mehr oder minder großer Teil der Wege, die für die gutspezifische Einzelbeschaffung notwendig wären, bei der gekoppelten Beschaffung erübrigt. • Dieser Vorteil muß allerdings durch höhere Lagerhaltungskosten und auch durch höhere wegspezifische Transportkosten (mehr transportierte Gütermengen am Ende des Weges) gewissermaßen erkauft werden. Stückkosten Gesamtkosten/Guteinheit Lagerkosten durch Koppelung/Guteinheit (=f(Lagerdauer))
Bezugskosten durch Koppelung/Guteinheit Zahl der gekoppelten Güterarten Abb. 4.15.
Koppelungseffekte in Abhängigkeit von der Zahl der gekoppelten Güterarten
Wie usg. dargestellt, gilt: Die Zahl der bei einer Besorgung gekoppelten Güterarten bestimmt die zeitliche Häufigkeit der Besorgungsfälle bei einem Wirtschaftssubjekt: je mehr Güter bei einer Besorgung beschafft werden, desto seltener sind die bezieherspezifischen Besorgungsfälle und desto größer ist die erforderliche Lagerkapazität, um die besorgten Güter über den gesamten Zeitraum des Besorgungsintervalls verfügbar zu haben.
#*
•
# #
•
mittleres
# # # #
zur Koppelung erforderliche Lagergröße Abb. 4.16.
kleines
Zur Koppelung erforderliche Bezugsweglänge und Transportkapazität
### ### # # # ###
großes Zentrum
Zahl der im Zentrum angebotenen Güterarten
Schematische Beziehung zwischen der Zahl der koppelbaren Güter, der zur Koppelung erforderlichen mittleren Weglängen zum entsprechenden Zentrum, der erforderlichen Transportkapazität und Lagerungsgröße beim Bezieher
212
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Diese Überlegungen begründen die ökonomischen Vorteile der Zentrenbildung aus dem Besorgungsverhalten der Konsumenten: es sind die Versorgungszentren, welche durch vielfältige zentrale Einrichtungen und ein entsprechendes Gütersortiment auf engem Raum die Koppelung verschiedenartiger Aktivitäten oft erst ermöglichen. Mit der Zentrengröße erhöht sich in der Regel die Zahl der angebotenen Güterarten. Der so erzielbare Wegkostenvorteil durch ein Mehr an Koppelung in den größeren Zentren, muß allerdings gegen längere Wege dorthin (wegen deren relativ geringerer räumlichen Häufigkeit) aufgerechnet werden. Es erscheint sinnvoll, die Beziehung zwischen den Beschaffungs- bzw. Bezugskosten für ein Gut und der Zahl der gekoppelten Güter unter regionaltechnologischen Aspekten zu variieren: • nach dem Maß der Zugänglichkeit eines Zentrums (als Kriterium für die durch verschiedene Kommunikationssysteme und Verkehrsmittel auf verschiedenen Weglängen erzielbaren Wegkosten-Ersparnisse) und • nach der Nutzerspezifischen Lagerkapazität und -qualität (als Kriterium für das Ausmaß der durch verschiedene Technologien erzielbaren Lagerhaltungsersparnisse).
0 Stückkosten
Gesamtkosten bei ungünstiger Zugänglichkeit Gesamtkosten bei günstiger Zugänglichkeit Lagerkosten Bezugskosten bei ungünstiger Zugänglichkeit Bezugskosten bei günstiger Zugänglichkeit Zahl der gekoppelten Güterarten Abb. 4.17.
Koppelungseffekte bei variierter individueller Zugänglichkeit eines Zentrums
Die Zugänglichkeit eines Zentrums für einen Bezieher wird bestimmt durch die Entfernung von dessen Standort sowie durch die Qualität der vorhandenen Kommunikationssvsteme und verfügbaren Verkehrsmittel: je besser die dem Bezieher verfügbaren Verkehrsmittel auf der Basis der ihm zugänglichen Kommunikationssysteme (Kraftfahrzeugbesitzer, U-Bahnanschluß), um so besser ausgestattete (und entsprechend weiter entfernte) Zentren kann er unter Ausnutzung des Koppelungsvorteils besuchen. Für den privaten Nutzer ist unmittelbar allerdings nur die Qualität (Eignungsgrad und Kapazität) seiner Fahrzeuge beeinflußbar, um auf den bestehenden Kommunikationssystemen seine Zugänglichkeit zu den Zentren zu verbessern.
In der usg. Darstellung des Einflusses unterschiedlicher Bezugskosten auf die Zahl der pro Besorgung gekoppelten Güterarten bleibt der regionalpolitische Beitrag zur Veränderung der Zentrenzugänglichkeit durch Infrastrukturinvestitionen außer Acht.
4. Regionalentwicklung
213
0 Stückkosten
Gesamtkosten bei ungünstigen Lagerhaltungsbedingungen Lagerkosten
min. .
Gesamtkosten bei günstigen Lagerhaltungsbedingungen Lagerkosten
min. -
Bezugskosten Zahl der gekoppelten Güterarten
Die nutzerspezifische Lagerkapazität und -qualität bestimmt wesentlich die Möglichkeiten eines Beziehers, Koppelungsvorteile zu nutzen: mit höher entwickelten Lagerungstechniken (Kühlschrank, Tiefkühltruhe u. ä.) werden somit die Besorgungsumfänge und die Besorgungsintervalle immer größer, zugleich wächst die Tendenz, trotz weiterer Entfernung größere und besser ausgestattete Zentren zu bevorzugen. Ähnlich wie die Gebietskörperschaften im Rahmen ihrer Regionalpolitik das Integrationsziel mit verschiedenen Mitteln erreichen können, ist der private Nutzer nach diesen Überlegungen in der Lage, seinen Nutzen (in Form von Bezugskostenverminderungen für die verwendeten Güter) auf verschiedene Weise zu vergrößern: in gewissen Grenzen sind die Investitionen des Nutzers in die technologische Aufwertung und zur Kapazitätserhöhung (1) seines Fuhrparks (z.B. Fahrzeuge mit entsprechendem Laderaum und mit entsprechenden Fahreigenschaften) und (2) seines Lagers (z.B. Abstellräume, Kühlschrank, Tiefkühltruhe) substituierbar. i
lagerverbessernde Investitionen «Indifferenzlinien für die nutzungsspezifischen Bezugskostenersparnisse
Isokostenkurve für die bezugsorientierten Investitionen des Nutzers
opt.
. fuhrpark- (bzw. fahrzeug-) verbessernde Investitionen
Abb. 4.19. Kosten- und nutzenspezifische Substitutionsbeziehungen zwischen bezugsorientierten lager- und fuhrparkverbessernden Investitionen des Nutzers Nach der usg. Darstellung ergibt sich die kostengünstigste Kombination von lagerund fuhrparkverbessernden Investitionen des Nutzers dort, wo die Indifferenzlinie für die laufenden Bezugskosten des Nutzers die entsprechenden Isokostenkurven für seine Investitionen berühren. zu (2): Binnenbetriebseffekte (interne Effekte)
214
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Im Gegensatz zu dem primär an fremden Standorten orientierten einzelwirtschaftlichen Verhalten der Kategorie „Koppelung" sind die Binnenbetriebseffekte oder internen Effekte als Verhaltenskriterium primär auf die Nutzung des eigenen Standortes gerichtet. Besonders bei der standörtlichen Güterproduktion werden die Binnenbetriebseffekte folgendermaßen relevant: (1) Der Produzent versucht, durch Spezialisierung seiner Produktionsanlagen immer größere Mengen standardisierter, gleichartiger Güter zu degressiven Stückkosten herzustellen. (2) Die Stückkostenersparnis in der großbetrieblichen Herstellung muß der Produzent im allgemeinen allerdings gegen eine Zunahme der marginalen Transportbzw. Absatzkosten erkaufen; denn jedes zusätzlich abzusetzende Gut wird in der Regel (nach Wahrnehmung der näherliegenden Absatzchancen) zu einem weiter entfernten Absatzmarkt transportiert werden.
F = Größe des Absatzmarktes R = maximale Transportweite im Absatzmarkt
Abb. 4.20. Vergrößerung der Produktion und Erweiterung des Absatzmarktes durch größere Transportweiten Abbildung 4.20. zeigt in vereinfachender Weise, daß mit der Erhöhung der Ausbringungsmenge (hier gleichbedeutend mit der Senkung der Produktionskosten pro Einheit) die Notwendigkeit für eine Vergrößerung des Absatzmarktes um AF besteht, was wiederum mit einer Erhöhung der Transportweite R um AR verbunden ist. Die Erhöhung der durchschnittlichen Gesamtkosten läßt sich wie folgt darstellen: Stückkosten Gesamtkosten Absatzkosten m Produktionskosten —< >
-
^ - Ausbringungsmenge Ausbringungsme (Output)
Abb. 4.21. Binnenbetriebseffekte abhängig von der Ausbringungsmenge
4. Regionalentwicklung
215
Diese Beziehung zwischen den Binnenbetriebseffekten und der Ausbringungsmenge kann ebenfalls variiert werden • nach dem technologischen Spezialisierungs- und Komplexitätsgrad der Produktion (als Kriterium für die erzielbare gutspezifische Kostendegression im Großbetrieb), • nach der nutzerspezifischen fahrzeugtechnologischen Erreichbarkeit der Absatzmärkte (als Kriterium für die entstehenden — und mit der Ausbringungsmenge wachsenden — Absatzkosten). Mit dem technologischen Spezialisierungs- und Komplexitätsgrad der Produktion wachsen in der Regel die Möglichkeiten, Großbetriebsvorteile durch eine Degression der Stückkosten über die Ausbringungsmenge zu erzielen. 0 Stückkosten Gesamtkosten bei niedrigem Komplexitätsgrad der Produktion (1) Gesamtkosten bei höherem Komplexitätsgrad Absatzkosten (2) Produktionskosten bei niedrigem Komplexitätsgrad Produktionskosten bei höherem Komplexitätsgrad Ausbringungsmenge (output) Abb. 4.22.
Binnenbetriebseffekte bei variiertem Komplexitätsgrad der Produktion
Mit der fahrzeugtechnologischen individuellen Erreichbarkeit der Absatzmärkte (auf der Basis der entsprechenden Infrastruktur) vermindern sich für die Produzenten die Absatzkosten ihrer Produktion (für die privaten Haushaltungen analog die Absatzkosten für den Faktor „Arbeit"). Im unmittelbaren Entscheidungsbereich der Nutzer wird die regionaltechnologische Erreichbarkeit der Absatzmärkte vor allem durch die Wahl entsprechend geeigneter Verkehrsmittel des Individualsektors (Fahrrad, Motorrad, PKW, LKW mit jeweils zu bewertenden besonderen Leistungsmerkmalen) bestimmt. (Die Möglichkeit, die regionaltechnologische Erreichbarkeit durch entsprechende regionalpolitische Maßnahmen zu verändern, bleibt hier somit außer Acht.) 0 Stückkosten
1
^s. ._
7
_
Gesamtkosten bei ungünstiger Erreichbarkeit (1) Absatzkosten bei ungünstiger Erreichbarkeit
m.
,
, !
^¿sZ^xT* —H
Abb. 4.23.
i
jjjjj
^
'
Gesamtkosten bei günstiger Erreichbarkeit (2) —Absatzkosten bei günstiger Erreichbarkeit
"——• Produktionskosten
•'"•Ausbringungsmenge (output)
Binnenbetriebseffekte bei variierter fahrzeugtechnologischer Erreichbarkeit
Aufgrund dieser Überlegungen sind für die Nutzer von Standorten die Investitionen in die technologische Aufwertung und Kapazitätserhöhung (1) seiner Fahrzeuge und (2) seines Produktionsapparates in gewissen Grenzen substituierbar.
216
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse produktionsverbessernde Investitionen - Indifferenzlinien für die nutzerspezifischen Absatzkostenersparnisse
•
Isokostenkurve für die absatzorientierten Investitionen des Nutzers
opt.
opt. Abb. 4.24.
fuhrpark- (bzw. fahrzeug-) verbessernde Investitionen
Substitutionsbeziehungen zwischen produktionsverbessernden und fuhrparkverbessernden Investitionen
Nach der obigen Darstellung werden die produktions- und die fuhrparkverbessernden Investitionen eines Nutzers in der Weise kostenminimal kombiniert, daß die Mengenverhältnisse der betreffenden Investitionen dem Tangentialpunkt zwischen der maßgebenden Isokostenkurve und der Indifferenzlinie mit dem höchsten Nutzen entsprechen.
4.3.3. Einzelstandörtliche Wirkungen politischer Entscheidungen Politische Entscheidungen über Infrastrukturinvestitionen oder über Änderungen in der regionalen Bodenordnung wirken sich auf den Standorten der privaten Wirtschaftssubjekte als deren Handlungsspielräume erweiternd oder in diese eingreifend aus. In der Regel beeinflußt eine einzige regionalpolitische Maßnahme die Nutzungspotentiale auf sämtlichen Standorten in der Region, dies zumindest relativ. Es erscheint danach wichtig, solche Indikatoren zu kennzeichnen, über die politisch induzierte Infrastruktur- und Bodenordnungsmaßnahmen auf das standörtliche Nutzungspotential einzelwirtschaftlich wirken. Im folgenden werden unter diesem Aspekt die Wirkungen der Regionalpolitik auf den einzelnen Standorten mit den Kategorien (1) infrastrukturbezogene Bündelungseffekte und (2) bodenordnungsbezogene Umfassungseffekte charakterisiert. Mit diesen Kategorien wird zugleich ein Bezug zur regionalen Integration der einzelnen Standorte und Nutzungen hergestellt. zu (1): Bündelungseffekte
nicht gebündelte Wege eines Leitungssystems Abb. 4.25.
gebündelte Wege in einem Leitungssystem
Durch einzelne und gebündelte Wege in infrastrukturellen Leitungssystemen verbundene Standorte
4. Regionalentwicklung
217
Unter Bündelung wird die räumliche und funktionale Zusammenfassung von mehreren individuellen Wegen in einer Leitung verstanden. Bei der Bündelung von Wegen in Kommunikations- und Versorgungssystemen der Infrastruktur ergeben sich für die Gebietskörperschaften sowohl unmittelbare als auch mittelbare (durch die einzelwirtschaftlichen Nutzer der Standorte vermittelte) Vorteile: • unmittelbare Vorteile der Gebietskörperschaft: Baukostenersparnisse. Es werden durch Bündelung Leitungslängen im Netz eingespart - unter Inkaufnahme höherer leitungsspezifischer Einheitskosten (wegen der im einzelnen notwendigen größeren Leitungskapazitäten) • mittelbare Vorteile der Gebietskörperschaft: höhere Qualitätsstandards und geringere spezifische Bewegungswiderstände auf den gebündelten Strecken im Netz. Zumindest auf den direkt an den gebündelten Strecken liegenden Standorten können zusätzliche (Transportkosten-) Vorteile erzielt und teilweise an die Gebietskörperschaft weitergegeben werden. Von der gebündelten Strecke entfernter gelegene Standorte verlieren diesen Vorteil: dort müssen die Nutzer die auf der gebündelten Strecke erzielten Transportkostenersparnisse mit um so höheren Umwegkosten aufrechnen, je mehr die gebündelte Strecke von der entfernungsmäßig kürzesten Route abweicht.
'
1
0 Wegkosten der Nutzer/Gutund Entfernungseinheit
Umwegkosten infolge Bündelung Kosten in der gebündelten Leitung • • Z a h l der angeschlossenen Standorte A b b . 4.26.
Bündelungseffekte durch ein infrastrukturelles Leitungssystem abhängig von der Zahl der angeschlossenen Standorte
Die oben dargestellte Beziehung zwischen den Transportkosten und der Zahl der Standorte, deren Verbindung durch eine Leitung gebündelt sind, ist geometrisch begründet. Unter regionalpolitischen Aspekten kann diese Beziehung in zweierlei Hinsicht technologisch variiert werden: • durch das Maß des leitungsspezifischen Bewegungswiderstandes Act, in der gebündelten Leitung (als Kriterium für die Qualitätsstufe in der infrastrukturellen Leitungshierarchie) und • durch die Länge des Umweges Ady infolge der Nutzung der höherwertigen Leitung. Da die Länge des nutzerspezifischen Umweges durch Vermaschung des Leitungsnetzes vermindert wird, kann der Vermaschungsgrad als Kriterium für das Ausmaß des Umweges für den Nutzer in infrastrukturellen Leitungsnetzen angesehen werden. Bei entsprechender Kapazitätsauslastung der Leitung vermindern sich mit dem leitungsspezifischen Bewegungswiderstand in der Regel auch die betreffenden leitungsspezifischen Wegkosten der Nutzer.
218
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
0 Wegkosten der Nutzer/Gutund Entfernungseinheit
Gesamtkosten bei höherem Bewegungswiderstand Gesamtkosten bei geringerem Bewegungswiderstand Umwegkosten Kosten in der gebündelten Leitung bei höherem Bewegungswiderstand Kosten in der gebündelten Leitung bei geringerem Bewcgungswidcrslani - Zahl der angeschlossenen Standorte
Abb. 4.27.
Bündelungseffekte durch ein infrastrukturelles Leitungssystem bei variiertem Bewegungswiderstand
Einen ähnlichen Effekt kann auch eine Erhöhung des Vermaschungsgrades in einem infrastrukturellen Leitungsnetz erbringen, indem so die Umwegkosten Ady der Nutzer verringert werden. 0 Wegkosten der Nutzer/Gutund Entfernungseinheit Gesamtkosten bei geringer Vermaschung Umwegkosten bei geringer Vermaschung Gesamtkosten bei mehr Vermaschung Umwegkosten bei mehr Vermaschung
0pt
Abb. 4.28.
opt
Kosten in der gebündelten Leitung ^ " Z a h l der angeschlossenen Standorte
Bündelungseffekte durch ein infrastrukturelles Leitungssystem bei variiertem Vermaschungsgrad des Netzes
Aufgrund dieser Überlegungen können Gebietskörperschaften die Integration der Standorte in einer Region durch Verminderung der zwischenstandörtlichen Wegkosten gleichermaßen verbessern, indem sie entweder durch höhere Leistungsqualitäten (geringeren Bewegungswiderstand) in einzelnen ausgewählten Leitungen die Hierarchie der infrastrukturellen Leitungssysteme differenzieren, oder durch stärkere Vermaschung des Leitungsnetzes innerhalb einer unveränderten Hierarchie (durch Einfügen von redundanten Kanten) die nutzerspezifischen Umwege verkürzen. Somit sind hiérarchie- und vermaschungsgradwirksame Infrastrukturinvestitionen in gewissen Grenzen substituierbar. Das günstigste Verhältnis von hierarchiegrad- und vermaschungsgraderhöhenden Investitionen in Leitungssysteme der Infrastruktur erbringt ein Vergleich der entstehenden Nutzen und Kosten: indem die nutzerspezifischen Wegkostenersparnisse als Nutzenkategorie unu die Bau- und Betriebskosten der Leitungssysteme als Kostenkategorie interpretiert werden, ergibt sich in der graphischen Darstellung das günstigste Verhältnis von hierarchiegrad- und vermaschungsgraderhöhenden Infrastrukturinvestitionen im Tangentialpunkt der Indifferenzlinien für die nutzerspezifischen Wegkostenersparnisse und der Isokostenkurve für die von den Gebietskörperschaften erstellte Infrastruktur.
4. Regionalentwicklung
219
Dabei ist unterstellt: • Der Ausbau eines Infrastruktursystems ist mit steigenden Grenzkosten verbunden. Diese Annahme wird aus der Siedlungsstruktur abgeleitet und ist empirisch bestätigt. • Der Ausbau eines Infrastruktursystems ist mit sinkendem Grenznutzen verbunden. Diese Annahme wird sowohl für die aufeinanderfolgend an das System angeschlossenen Standorte und Nutzer als auch für die am Budgetrückfluß interessierte investierende Gebietskörperschaft postuliert. hierarchiegraderhöhende ' Infrastrukturinvestitionen ; Indifferenzlinien für die nutzerspezifischen Wegkostenersparnisse
Isokostenkurve für die von den Gebietskörperschaften erstellte Infrastruktur
opt. Abb. 4.30.
vermaschungsgraderhöhende Infrastrukturinvestitionen
Kosten- und nutzerspezifische Substitutionsbeziehungen zwischen hierarchiegradund vermaschungsgraderhöhenden Infrastrukturinvestitionen zur Bestimmung optimaler Leitungssysteme (-netze)
In diesem Diagramm verbindet eine Indifferenzlinie für die nutzerspezifischen Wegkostenersparnisse alle Punkte, wo eine bestimmte Kombination von hierarchiegrad- und vermaschungsgraderhöhenden Infrastrukturinvestitionen dem Nutzer die gleichen Wegkostenersparnisse erbringt; die Isokostenkurve für die Infrastruktur verbindet alle Punkte, die kostengleiche Kombinationen von hierarchiegrad- und vermaschungsgraderhöhenden Investitionen repräsentieren.
220
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
zu (2): Umfassungseffekte Bei der Umfassung von mehreren Standorten durch einzelne Grenzsysteme in der Bodenordnung ersparen die Gebietskörperschaften (bei materiellen Barrieren) Bau-, (bei institutionellen Barrieren) legistische und Verwaltungskosten sowie Planungskosten, indem sie unter Inkaufnahme größerer Barrierenkapazitäten die Grenzlänge vermindern.
Standorte durch einzelne Barrieren abgegrenzt
Standorte durch umfassende Barriere abgegrenzt
Legende: A , . . . E Nutzungsarten, wobei B, C, D, E untereinander verträglich und gegenüber A unverträglich sind Barriere Abb. 4.31.
Durch mehrere Barrieren abgegrenzte und durch eine Barriere umfaßte Standorte
Wird auf Seiten der Gebietskörperschaft ein gleichbleibender Bau-, Verwaltungsund Planungsaufwand zur Realisierung der regionalen Bodenordnung durch Grenzsysteme unterstellt; dann können die durch gemeinsame Umfassung von größeren Standortmengen erzielten Einsparungen zur Erhöhung der spezifischen Leistungsqualität und damit zur Erreichung von höheren Grenzüberwindungswiderständen eingesetzt werden. Auf diese Weise wird den von einem solcherart höherwertigen Grenzsystem umgebenen Standorteigentümern und -nutzem bis zu einem gewissen Ausmaß ein Mehr an Sicherheit gewährt. Analog wie bei der Bündelung ziehen die Gebietskörperschaften aus der Umfassung durch Ersparung von Baukosten sowie von legistischen und von Verwaltungskosten direkte Vorteile. Durch die Standortnutzer vermittelt ergeben sich fürdie Gebietskörperschaften zusätzlich indirekte positive und negative Effekte der Umfassung: einerseits kann in der Umfassungsinvestition das Individualeigentum gegen bestimmte Störungen effektiver geschützt werden, andererseits sind.diese Maßnahmen bei Fehlen entsprechender Nutzungen unter Umständen überflüssig. Die oben dargestellte Beziehung zwischen den Umfassungseffekten und der Zahl der von dem betrachteten Grenzsystem eingeschlossenen Standorte (wie sie geometrisch leicht abgeleitet werden kann) wird unter dem regionalpolitischen Aspekt der Bodenordnung zweckmäßigerweise (analog wie jene für die Bündelungseffekte) variiert: • nach dem Ausmaß des Grenzüberwindungswiderstandes (als Kriterium für den Rang in der speziellen eigentumsregelnden Hierarchie) und
221
4. Regionalentwicklung 0 nutzungsart- und Standort spezifische Kosten für die Eigentumssicherung
Gesamtkosten für spezielle Standortnutzungen zusätzlich notwendige Sicherungskosten
Umfassungskosten
opt.
Abb. 4.32.
»-Zahl der eingeschlossenen Standorte
Umfassungseffekte durch ein eigentumssicherndes Grenzsystem, abhängig von der Zahl der eingeschlossenen Standorte
• nach dem Ausmaß der nutzungsspezifischen Relevanz eines mehrere Standorte umfassenden Grenzsystems (als Kriterium für die mögliche nutzungsspezifische Relevanz eines Grenzsystems gelte der Homogenitätsgrad nach Nutzungsarten der von einem Grenzsystem umschlossenen Standorte). Je mehr verschiedenartig genutzte Standorte demnach ein Mehrzweck-Grenzsystem umfaßt, um so weniger effizient ist es für den Nutzer mit einer bestimmten Technologie. Die Standortnutzer müssen daher die erreichten Ersparnisse bei der speziellen Eigentumssicherung mit den Kosten für solche Barrieren aufrechnen, die nur gegen im Einzelfall relevante Störungen gerichtet sind. Mit der Erhöhung des Grenzüberwindungswiderstandes in einem Grenzsystem verringern sich für die eingeschlossenen Standorte im einzelnen tendenziell die Eigentumssicherungskosten. Dadurch können dort mehr nutzungsspezifisch zusätzlich notwendige Barrierenkosten in Kauf genommen werden. 0 nutzungsart- und standortspezifische Kosten für die Eigentumssicherung
Gesamtkosten für a' (1) Gesamtkosten für (a + A a ' ) (2)
, A b b . 4.33.
Dpt
t
Umfassungskosten für a ' A für spezielle Standortnutzung zusätzlich notwendige Umfassungskosten Sicherungskosten für ( a + A a ) * Zahl der eingeschlossenen Standorte
Umfassungseffekte durch ein eigentumssicherndes Grenzsystem bei variiertem Grenzüberwindungswiderstand a ' .
Mit dem Homogenitätsgrad der Flächennutzung auf den von einem Barrierensystem umschlossenen Standorten erhöht sich demnach dessen nutzungsartspezifische Effizienz. (In der funktionalen Analyse der Bodenordnung kommt somit dem Homogenitätsgrad der Flächennutzung als Redundanzmaß eine ähnliche Bedeutung zu wie dem Vermaschungsgrad bei der Analyse der Infrastruktur.)
222
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
nutzungsart- und standortspezifische Kosten
Gesamtkosten bei geringer Homogenität der Flächennutzung (1) Gesamtkosten bei mehr Homogenität der Flächennutzung (2) für spezielle Standortnutzung zusätzlich notwendige Sicherungskosten Umfassungskosten
opt. opt. Abb. 4 3 4 .
Zahl der eingeschlossenen Standorte
Umfassungseffekte durch ein eigentumssicherndes Grenzsystem bei variiertem Homogenitätsgrad der Flächennutzung
Nach diesen Überlegungen können Gebietskörperschaften die Eigentumssicherung der Standorte (und damit zugleich die Sicherung der Nutzungsmöglichkeiten) in einer Region gleichermaßen verbessern, indem sie entweder die linienhaften Grenzsysteme nach bestimmten Störeinflüssen spezifizieren (und durch Einsatz entsprechender technischer Normen verbessern) oder durch stärkere Homogenisierung der Flächennutzung (das entspricht bildhaft der Einfügung redundanter Knoten im Grenzgraphen) die nutzerspezifischen zusätzlich notwendigen Barrierekosten reduzieren. Somit sind die hierarchie- (spezialisierungs-) und die homogenisieningswirksamen Maßnahmen der Gebietskörperschaften zur regionalen Bodenordnung in gewissen Grenzen substituierbar. Spezialisierungsgrad- (hierarchiegrad-) erhöhende Grenzinvestitionen Indifferenzlinien für die nutzerspezifischen Sicherungskostenersparnisse
Isokostenkurven für die von Gebietskörperschaften erstellten Grenzen homogenitätsgraderhöhende Maßnahmen im Bereich der Flächennutzungsrestriktionen (Flächenwidmung) Abb. 4.35.
Kosten- und nutzenspezifische Substitutionsbeziehungen zwischen Spezialisierungsgrad- bzw. hierarchiegraderhöhenden Grenzinvestitionen und homogenitätsgraderhöhenden Maßnahmen im Bereich der Flächennutzungsplanung (Flächenwidmung)
In der obigen Darstellung wird die nutzungsspezifische Eigentumssicherung der Standorte als Nutzenkategorie, die Bau- und Betriebs (Kontroll)-aufwände für die Barrierensysteme und der Planungs- und Durchführungsaufwand für die Flächennutzungsplanung als Kostenkategorie interpretiert.
4. Regionalentwicklung
223
Danach ergibt sich das günstigste Verhältnis von spezialisierungsgraderhöhenden Grenzinvestitionen und homogenitätsgraderhöhenden Flächennutzungsrestriktionen (Flächenwidmungen) für jene Kombination regionalpolitischer Maßnahmen, mit denen eine bestimmte Summe der individuellen Nutzenzuwächse (Sicherheitserhöhung) zu minimalen Kosten für die Gebietskörperschaften erreicht wird. (Es sei angemerkt, daß bei dieser Analyse das Problem der individuellen Nutzenzuteilung außer Acht gelassen wurde.)
4.4. Erklärung der Regionalstruktur aus sozialen und technischen Normen Regionalstrukturen werden meist nach folgenden Kriterien definiert: (1) nach Nutzungsarten, wobei die Standorte der Region mit gleicher Nutzungsart zusammengefaßt werden. (2) nach Erreichbarkeit, wobei die einem infrastrukturellen Leitungsanschluß zugeordneten Standorte zusammengefaßt werden, (3) nach Verfügungsrechten, wobei die Standorte der Region, die denselben politischen Gremien verwaltungs- und gestaltungsmäßig zugeordnet sind, zusammengefaßt werden. Während in den so üblicherweise definierten Regionalstrukturen mit den Kategorien Flächennnutzung und Faktor- oder Güteraustausch (Verkehr) ein reales Verhalten der Konsumenten und Produzenten abgebildet wird, bleiben die dahinter stehenden sozialen und technischen Bedingungen oft verborgen. Gerade die sozialen Bindungen, wie die Bodenordnung und die Arbeitszeitregelungen, die Verfügungsrechte bei den Gebietskörperschaften u. ä., begrenzen auf ähnliche Weise wie die technischen Bedingungen in Gestalt von Infrastrukturanschlüssen den Handlungsspielraum der einzelnen Standorteigentümer und -nutzer. Da die sozialen und technischen Randbedingungen des individuellen Verhaltens zum überwiegenden Teil auf staatliche Institutionen und auf Eigenschaften des staatlich verwalteten technischen Apparates der Infrastruktur beruhen, kommt den einen Staat institutionell und material ausprägenden sozialen und technischen Normen eine die Regionalentwicklung in entscheidendem Maße erklärende Bedeutung zu. Anders formuliert: die bestehende Regionalstruktur ist zu einem wesentlichen Anteil Ausfluß der tradierten sozialen und technischen Normen. Dabei muß man sich darüber im klaren sein, daß die hinter der Regionalentwicklung stehenden Normen permanent ergänzt, verändert und zum Teil auch aufgehoben werden. Wohl nicht zuletzt wegen der starken Orientierung der Regionalanalyse am neoklassischen Modell der Wirtschaftswissenschaft war der Blick in der Regionalwissenschaft lange Zeit in Beziehung auf Veränderbarkeit der sozialen und technischen Normen, und daraus folgend die Veränderbarkeit der standortbezogenen individuellen Handlungsspielräume, verstellt. Die folgenden Überlegungen sollen dazu beitragen, die Befunde der empirischen Regionalforschung, wie sie sich besonders in der Theorie der zentralen Orte nieder-
224
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
schlagen, ganz besonders u n t e r d e m Aspekt d e s - im Prinzip: variablen - Normengefüges zu interpretieren. W i e hier gezeigt werden soll, bedarf es dazu nicht der Ä n d e r u n g des formalen Ansatzes, in welchem die „Theorie der zentralen O r t e " ausgedrückt ist; es genügt vielmehr, einige Interpretationen der die Theorie konstituierenden Schlüsselbegriffe zu ergänzen, um die verhaltenssteuernde Bedeutung der sozialen u n d technischen N o r m e n für die Regionalentwicklung zu identifizieren. D a z u werden zunächst zwei in der Regionalwissenschaft bisher unverbunden dominierende Argumentationslinien auf ihre Kernaussage reduziert und verglichen: die eine auf d e m Markt und die andere auf dem institutionellen Verband als Erklärungsprinzip der Regionalentwicklung a u f b a u e n d . Im Mittelpunkt d e r Analyse steht dabei die Frage, durch welche Faktoren und in welcher Weise die Regionalstrukt u r hierarchisch organisiert wird. Zur Beantwortung dieser Frage kann das A r g u m e n tationsschema der „Theorie der zentralen O r t e " nach Einbeziehung der Infrastruktur u n d der B o d e n o r d n u n g (als die regionale Hierarchien kennzeichnenden Eigenschaften) wesentlich beitragen. U n t e r diesem A s p e k t wird im folgenden die „zentralörtliche H i e r a r c h i e " als Ausfluß politischer Entscheidungen interpretiert, wobei sowohl die Infrastruktur, als auch die Bodenordnung gleichermaßen als hierarchische Gestaltpar a m e t e r u n d als Politikinstrument verstanden werden. D e r Realität entsprechend gelten hier diese, die Regionalstruktur kohärent f o r m e n d e n Mittel, wesentlich als von technischen N o r m e n bestimmt.
4.4.1. Wichtige Argumentationslinien bei der Erklärung der Regionalstruktur D i e gegenwärtige Regionalstruktur kann man als das Ergebnis eines Siedlungsprozesses ansehen, der zugleich nach einzelwirtschaftlichen u n d nach politischen Prinzipien geregelt ist. D a b e i ist es fraglich, ob diese beiden regelnden Prinzipien im Siedlungsprozeß ü b e r die Geschichte das gleiche Gewicht hatten. Die Gegenüberstellung von politischen Zielen einerseits und individuellen Zielen andererseits, jeweils im R a h m e n gesetzter Handlungsspielräume, führt f ü r verschiedene Entwicklungsphasen im Siedlungsgefüge jedenfalls zu der Vermutung, d a ß eine monokausale Begründung der Regionalstrukturentwicklung nicht befriedigen kann. In der Regionalwissenschaft wird die bestehende Regionalstruktur hauptsächlich auf zwei den Siedlungsprozeß regelnde Prinzipien zurückgeführt: (1) auf das politische Prinzip der territorialen Verbandsbildung, der Institutionalisierung von gebietlich definierten Machtverhältnissen und der Regelung von bodenständig individuellen Handlungsspielräumen (Verbandsprinzip) und (2) auf das ökonomische Prinzip des marktmäßig bewerteten Faktor- und Güteraustausches zur gegenseitigen Nutzenerhöhung aufgrund gleichberechtigter Kontraktfähigkeit aller Beteiligten (Marktprinzip). Hier wird von den Beziehungen zwischen Wirtschaftssubjekten auf den zwischenstandörtlichen Austausch geschlossen. Obwohl diese Prinzipien der Strukturbildung bisher in der regionalwissenschaftlichen Literatur k a u m als die Wirklichkeit gemeinsam bestimmend erkannt worden sind, lassen sich im einzelnen doch konsequent auf diesen Prinzipien beruhende Argumentationslinien in der Theoriebildung nachweisen.
4. Regionalentwicklung
225
Als Verband wird hier im Sinne von M. Weber70 eine durch Regelungen nach außen weitgehend geschlossene soziale Beziehung bezeichnet, zu deren Ordnung ein Leiter und ein Verwalterstab erforderlich sind. Als Markt gilt hingegen eine offene soziale Beziehung, die weitgehend ohne Regelungen durch freie Wahl der Partner zwecks eines bestimmten Güteraustausches zustandekommt. Das Verbandsprinzip kommt in all jenen regionalwissenschaftlichen Konzepten zum Tragen, wo die strukturbildenden Elemente der Regionalentwicklung aus der Funktion des Verbandleiters und aus der Kompetenz seines Verwalterstabes abgeleitet werden. Dies geschieht implizit, wenn in der Kategorie von einseitiger Betroffenheit (Herrschaft) territoriale Kollektive definiert werden. Hingegen dient das Marktprinzip zur Erklärung der Regionalstruktur, wenn die Argumente aus dem ökonomischen Theorem abgeleitet sind, wonach die einzelnen Wirtschaftssubjekte ihren Standort, ihre Tätigkeit und ihre Beziehungen untereinander zur Maximierung ihres Eigennutzens nach Komplementaritäts- und Konkurrenzbedingungen frei bestimmen. Die bezeichneten Argumentationslinien nach dem Verbands- und nach dem Marktprinzip führen zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen; diese widersprechen sich jedoch nur solange und insofern, als im einzelnen jeweils unterstellt wird, mit dem entsprechend einseitigen Ansatz würde die Gesamtheit der Regionalentwicklung beschrieben. In Wirklichkeit erklären das Verbandsprinzip auf der einen und das Marktprinzip auf der anderen Seite jeweils nur ganz bestimmte Ausprägungen der Regionalstruktur: so findet zweifellos der gesamte Staatssektor, aber auch manche bürokratisierte Bereiche der privaten Wirtschaft ihren Niederschlag in der Kategorie: territoriale (oder territorial begrenzte) Kompetenz. Überall, wo im Rahmen von Verbänden Anweisungsbefugnisse und Abgaben- oder Beitragspflichten bestehen, ist die Frage nach entsprechenden regionalstrukturbildenden Konsequenzen angebracht; zugleich ist es sinnvoll, nach der dahinterstehenden politischen und ökonomischen Rationalität von territorial definierten Verbandsleitungen zu fragen. Umgekehrt erscheint es jedoch sehr bedenklich, in jenen Gesellschaftsbereichen den Verband als strukturbildendes Prinzip zu unterstellen, wo der einzelne in der Wahl seiner Tauschpartner frei entscheidet. Zweifellos ist das verbandsunabhängige, an der Maximierung von Nutzen oder Gewinn sowie an der Kostenminimierung orientierte Kontraktverhalten der einzelnen maßgeblich für den regionalen Strukturwandel im Zeitalter der Industriealisierung bestimmend gewesen. Damit soll jedoch nicht gesagt werden, daß es nicht politisch induzierte institutionelle Eingriffe waren, die diesen Strukturwandel veranlaßt haben. Bei seiner Kennzeichnung der mittelalterlich-okzidentalen Stadt als organisatorischer Voraussetzung für die Entwicklung des Kapitalismus betont M. Weber vor allem die Bedeutung der verbandsmäßigen Regelung der Produktions- und Marktverhältnisse nicht zuletzt durch ständische Privilegien. Nach diesen Vorstellungen bedingen die Prinzipien der Verbandsbildung und der Marktexpansion einander wechselseitig bei der Entwicklung der modernen Gesellschaft (und damit auch der aktuellen Siedlungsstruktur). In der regionalwissenschaftlichen Literatur fehlt allerdings m. E. bisher die Verknüpfung des Verbands- und des Marktprinzips mit dem Bemühen, die Regionalentwicklung theoretisch zu erklären. Es stehen sich vielmehr zwei unverknüpfte Ansätze 70
Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen, 1922
226
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
jeweils mit einem umfassenden Anspruch zur Erklärung der Siedlungs- bzw. Landschaftsstruktur gegenüber. In der regionalwissenschaftlichen Diskussion wird das Verbandsprinzip am ehesten durch die Theorie der zentralen Orte71, das Marktprinzip durch die Hieorie der Raumwirtschaft72 repräsentiert. Dabei hat die Theorie der zentralen Orte ihre Wurzel in der Theorie der Städtebildung, wie sie insbesondere von W. Sombart in der Vorstellungswelt des Feudalismus als territorial geordneter Herrschaft entwickelt worden ist. Die Theorie der Raumwirtschaft beruht hingegen auf der Vorstellung von den siedlungsbezogenen Konsequenzen der Arbeitsteilung, der standörtlichen Spezialisierung und des zwischenstandörtlichen Faktor- und Güteraustausches. Sowohl die „Theorie der zentralen Orte" als auch die „Theorie der Raumwirtschaft" gelten in der Regionalwissenschaft als Beiträge zu einer als umfassender verstandenen Theorie des räumlichen Gleichgewichts73; dies, obgleich eine Synthese, welche die Argumente der einzelnen Ansätze als Spezialfälle ableitbar macht, bisher nicht existiert. Nur der oberflächliche Betrachter kann allerdings die nach unterschiedlichen erkenntnisleitenden Prinzipien gewonnenen Befunde aus der „Theorie der zentralen Orte" von W. Christaller und aus der „Theorie der räumlichen Ordnung der Wirtschaft" von A. Lösch als inhaltlich identisch bewerten. Bedenklich erscheint es, wenn die irrige Auffassung, die Hierarchie der zentralen Orte (als Ausfluß weitgehend feudalistischer Vorstellungen) sei nach marktwirtschaftlichen Kriterien für den einzelnen optimal, die politische Argumentation für oder gegen bestimmte Maßnahmen der öffentlichen Hand bestimmt. Andererseits lassen sich jedoch auch aus der „Theorie der Raumwirtschaft", welche, ohne die Funktion des Staates und der Politik anzuerkennen, den Zustand einer marktlich-optimalen Siedlungsstruktur beschreibt, keine Richtlinien für eine optimale Infrastruktur- und Bodenordnungspolitik ableiten. Auf die formalen Unterschiede zwischen der „Theorie der zentralen Orte" nach W. Christaller und der „Raumwirtschaftstheorie" nach A Lösch hat schon E. v. Böventer74 hingewiesen: in der zentralörtlichen Hierarchie gibt es keinen Grund für Austauschbeziehungen zwischen gleichrangigen (das sind zugleich: gleichartig ausgestattete) zentralen Orten; die regionale Entwicklung beginnt nach der „Theorie der zentralen Orte" an der Spitze der Hierarchie beim größten, höchstrangigen Zentrum; an der Haupt-
71
72
73
74
Mit der „Theorie der zentralen Orte" wird ein Denkschema umschrieben, das Größe und Verbreitung der Städte erklärend aufbaut auf W. Christaller, Die zentralen Orte in Süddeutschland, Jena 1933 (Darmstadt, 1966). Eine umfassende Bibliographie (mit kurzer Inhaltsangabe zu den einzelnen Titeln) der weiterführenden Arbeiten zur Theorie der zentralen Orte enthält B. J. L. Berry und A. Pred, Central Place Studies, A Bibliography of Theory and Applications; Philadelphia, 1961, 1965. Die „Theorie der Raumwirtschaft" wird, aufbauend auf den einzelwirtschaftlichen Standorttheorien, repräsentiert durch A. Lösch, Die räumliche Ordnung der Wirtschaft, Jena, 1940, (2. Auflage, Jena, 1944, Stuttgart, 1955), Eine umfassende Bibliographie verbunden mit einer Diskussion der raumwirtschaftlichen Literatur enthält u. a. E. Lauschmann, Grundlagen einer Theorie der Regionalpolitik, Taschenbücher zur Raumplanung, Band 2, Hannover, 1976 (3.Auflage) Dieser Denkansatz wird angedeutet in: E. v. Böventer, Raumwirtschaftstheorie, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften Böventer, E. v., Die Struktur der Landschaft, Versuch einer Synthese und Weiterentwicklung der Modelle J. H. v. Thünens, W. Christallers und A. Löschs; in: Optimales Wachstum und optimale Standortverteilung, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F., Band 27, Berlin, 1962
4. Regionalentwicklung
227
Stadt orientiert bilden sich die nachgeordneten Städte als Zentren ihrer jeweiligen Bezugsgebiete. Im Gegensatz zu dieser Vorstellung entwickelt sich das Siedlungsgefüge nach der „Theorie der Raumwirtschaft" infolge zunehmender Arbeitsteilung und Spezialisierung von der kleinsten Einheit, dem ursprünglich als autark gedachten Bauernhof, zu Agglomerationen von arbeitsteiligen Betrieben, wobei letztere zunehmend differenziert und auch umfangreicher werden. Regionale Effekte des Verbandsprinzips Vorrang durch Initiative, Herrschaft durch Aneignung, Ausbeutung durch Privilegien, das sind die Vorstellungen, aufgrund derer Subordination als Klassifikationskriterium an den Anfang der „Theorie der Städtebildung" von W. Sombart und teilweise von M. Weber gestellt wird. Unter diesem Aspekt gilt die Stadt einerseits durch landesherrliche Privilegierung als exklusiver Ort von Markt-, Münz- und bestimmten Gewerberechten, andererseits wird die Stadt in Wahrnehmung dieser Rechte zur Beherrschenden für ein mit der Reichweite der städtischen Herrschaft bestimmtes Territorium. Die Klassifikation der Bevölkerung in Versorgende (Städter) und Versorgte (Umlandbevölkerung) im Sinne des „Städtegründer-Städtefüller"-Konzepts von W. Sombart ist letztlich durch das Kriterium „Herrschaft" als Definiens (in analogen ZweiKlassen-Modellen werden unterschieden: Regierende und Regierte, Ausbeuter und Ausgebeutete) gekennzeichnet. Während das Städtegründer-Städtefüller-Konzept bei Sombart zunächst nur dazu dient, die wirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb der Stadt abzubilden, richtet sich das Interesse der Theoretiker zum Economic-Base-Ansatz75 mit der Frage nach den Wachstumschancen bestimmter Städte auf die Bewertung der Stadt-Umlandbeziehungen nach dem Prinzip der „Tragfähigkeit" (im Sinne von G. Isenberg). Das auf Herrschaftskriterien basierende territoriale Zweiklassen-Versorgungsmodell weiterführend, hat W. Christaller mit seiner „Theorie der zentralen Orte" eine vielklassige Hierarchie von Versorgungsbeziehungen abgeleitet. In der „Theorie der zentralen Orte"76 wird von den Hypothesen über den Zusammenhang zwischen der einwohnerspezifischen Nachfrage und der entfernungsspezifischen Reichweite von sogenannten „zentralen Gütern" ausgegangen. Daraus werden die bekannten Aussagen über das Verhältnis zwischen „Rang" und Größe von sogenannten „zentralen Orten" einerseits und deren räumlicher Verteilung andererseits abgeleitet: 73
76
Das „Economic-Base-Konzept" wurde auf der terminologischen Grundlage von W. Sombarts „Städtegründer-Städtefiiller"-Ansatzes insbesondere von J. W. Alexander und H. Hoyt entwickelt, von R. B. Andrew und H. Blumenfeld kritisiert und von K. Rittenbruch zusammenfassend mit einer umfassenden Bibliographie dargestellt und gewertet. J. IV. Alexander, The Basic-Nonbasic-Concept of Urban Economic Functions, in: Economic Geography, Bd. 30, 1954 R. B. Andrews, Comments and Criticism of Economic Base Theory, in: Journal of the American Institute of Planners, Bd. 24, 1958 H. Blumenfeld, The Economic Base of the Metropolis, in AIP-Journal, Bd. 21, 1955 H. Hoyt, "Ilie Utility of the Economic Base Method in Calculating Urban Growth, in: Land Economics, Bd. 37, 1961 K. Rittenbruch, Zur Anwendung des Exportbasiskonzepts im Rahmen von Regionalstrukturstudien, Berlin, 1968 G. Isenberg, Existenzgrundlagen in Stadt- und Landesplanung, Tübingen 1965 Christaller, W., Die zentralen Orte in Süddeutschland, Jena, 1933, Darmstadt, 1966
228
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Zentrale Orte haben eine ihrem Rang entsprechende Einwohnerzahl und eine ihrem Rang entsprechende Vielfalt an Versorgungs-(zentralen) Einrichtungen mit zugeordneter Reichweite. Jede zentrale Einrichtung hat mit den von ihr angebotenen Gütern eine obere und eine untere räumliche Reichweite. • Die Obergrenze der Reichweite eines zentralen Gutes ist durch jene Entfernung bestimmt, die von den potentiellen Nachfragern gerade noch in Kauf genommen wird, um in den Genuß des Gutes zu gelangen. Sie ist also nachfragebedingt. • Die Untergrenze der Reichweite eines zentralen Gutes ist durch die Minimalgröße jenes Absatzgebietes gegeben, bei der die anbietende zentrale Einrichtung gerade noch wirtschaftlich existenzfähig ist. Sie ist also angebotsbedingt. Jedes Zentrum hat eine durch die höchstrangige zentrale Einrichtung bestimmte Reichweite. In ihm werden zugleich mit seinem höchstrangigen Gut auch alle niedrigerrangigen Güter durch entsprechende zentrale Einrichtungen angeboten. Die Größe des Bezugsgebietes eines zentralen Ortes wird bestimmt durch die örtlich angebotenen zentralen Güter mit der größten spezifischen Reichweite und der geringsten spezifischen Nachfrage. In einem Gebiet nimmt die Zahl der einem bestimmten Rang zugeordneten zentralen Orte mit steigendem Rang ab. Mehrere zentrale Orte niedrigeren Ranges mit entsprechend kleinem Bezugsgebiet sind - zusammengefaßt - für einen höherrangigen zentralen Ort Bezugsgebiet. Je nach den Merkmalen der einzelnen Versorgungsfunktionen ordnet sich eine bestimmte Zahl von niedrigerrangigen Bezugsgebieten in das höherrangige Bezugsgebiet ein. So entsteht ein hierarchisches System wechselseitig voneinander abhängiger zentraler Orte verschiedenen Ranges. Die räumliche Verteilung der zentralen Orte ergibt sich über die Annahme, daß die Summe des Wegaufwandes für die Versorgung mit den verschiedenartigen Gütern ein Minimum anstrebt. Unter diesen Voraussetzungen und der weiteren idealisierenden Annahme einer gleichmäßig verteilten Bevölkerung leitete Christaller das hierarchische System von sich einordnenden, regelmäßig sechseckigen Bezugsgebietsflächen ab, in deren Mittelpunkt jeweils der zugehörige zentrale Ort liegt. Christaller unterscheidet „drei Gundprinzipien", nach denen sich zentralörtliche Systeme in der Landschaftsstruktur ausprägen: (1) das Versorgungs- oder Marktprinzip (2) das Absonderungsprinzip (3) das Verkehrsprinzip zu (1): Das Versorgungs- oder Marktprinzip basiert auf der Vorstellung, daß zentrale Einrichtungen und zentrale Orte in ihrer räumlichen Verteilung dahin tendieren, die Konkurrenz zu minimieren: Dies führt zu einer eindeutigen Zuordnung von Zentren und Ergänzungsgebieten (Kaufkraft). Möglichst wenige und möglichst umfassend ausgestattete zentrale Orte sollen danach das betrachtete Gebiet mit zentralen Gütern verschiedenen Ranges versorgen. zu (2): Das Absonderungsprinzip beruht auf der Vorstellung, daß im Rahmen der staatlichen Bürokratie klare Kompetenzverhältnisse auch in räumlicher Hinsicht geschaffen werden. Zugleich wird danach eine Gleichverteilung der Macht über die Zentren jeder Hierarchieebene angestrebt (minimale Grenzlängen und Abgrenzungskosten).
229
4. Regionalentwicklung
Grenzen der Versorgungsgebiete 1. Ranges 2. Ranges
Abb. 4.36.
3. Ranges
Infrastrukturleitung
4. Ranges
Gebietsgrenzen
Versorgungs- oder Marktprinzip nach W. Christaller. Grenzen der Versorgungsgebiete und Netzgestalt der Infrastrukturleitungen
Dieses Prinzip führt zu einer Zuordnung möglichst abgerundeter Bezirke von gleicher Flächengröße und Bevölkerungszahl. Die Grenzen zwischen den Einzugsgebieten der zentralen Orte liegen im am dünnsten besiedelten Gebiet. Verschiedenrangige Grenzen schneiden sich nicht; hingegen verläuft jede Grenze auf Grenzabschnitten sämtlicher niedrigeren Ränge.
Grenzen der Verwaltungseinheiten 1. Ranges
Abb. 4.37.
2. Ranges
Infrastrukturleitung
3. Ranges
Gebietsgrenzen
Absonderungsprinzip (Verwaltungsprinzip) nach W. Christaller, Verwaltungseinheiten und Netzgestalt von Infrastrukturleitungen
Grenzen der
zu (3): Dem Verkehrsprinzip liegt die Vorstellung zugrunde, daß die Entwicklung der zentralen Orte von der Gestalt der Verkehrsnetze bestimmt wird. Dabei wird verlangt, daß der Ausbau der Verkehrswege minimale Baukosten erzeugen soll.
Verkehrsstraßen 1. Ranges
2. Ranges Abb. 4.38.
3. Ranges Verkehrsprinzip nach W. Christaller
Infrastrukturleitung Gebietsgrenzen
230
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Es ist dann jene (räumliche) Verteilung der zentralen Orte die günstigste, bei der möglichst viele niedrigerrangige zentrale Orte an einem geraden (und billig herzustellenden) Verkehrsweg zwischen zwei hochrangigen liegen. Die Ergänzungsgebiete der zentralen Orte haben nun nicht mehr die rationellste Sechseckgestalt, sondern sind an der Hauptlinie schmaler und in der seitlichen Ausdehnung größer. Im Rahmen der „Theorie der zentralen Orte" fehlen naturgemäß jene Hypothesen, welche eine Dynamisierung der Landschaftsstruktur ermöglichten; wenngleich die Fragestellung seit langem problematisiert ist. Der Mangel an dynamischen Komponenten mag damit begründet werden, daß im ursprünglichen Ansatz eine Konsumfunktion der „Versorgten" zugrunde gelegt wurde, in welcher mit der Vorgabe der Güterartenmenge eine Zunahme der Arbeitsteilung und Spezialisierung ausgeschlossen ist. Mit dieser Annahme ist auch der höchstrangige zentrale Ort und sein Bezugsgebiet definiert. Somit kann die Hierarchie der zentralen Orte im Sinne der Theorie von W. Christaller (wie E. von Böventer zeigte) nur durch eine Ergänzung an der Basis, gleichsam durch Hinzufügung von niedrigstrangigen zentralen Orten, verändert werden. In der „Theorie der zentralen Orte" nach W. Christaller werden unter Betonung des Versorgungsaspektes nur die Beziehungen zwischen verschiedenrangigen zentralen Orten (also: vertikal in der zentralörtlichen Hierarchie) definiert, (1) weil die Güter nach der Reichweite ihres Absatzmarktes ordinal bewertet werden, (2) weil jedem zentralen Ort für jedes dort angebotene und produzierte Gut ein flächenmäßig eindeutig abgegrenztes Absatzgebiet zugeordnet ist und (3) weil in jedem zentralen Ort bis zu dem seinen Rang bestimmenden Gut zugleich alle niedrigerrangigen Güter angeboten bzw. produziert werden. In ihren verschieden ausgeprägten Prinzipien (Versorgungs-, Absonderungs- und Verkehrsprinzip) ist die „Theorie der zentralen Orte" nach der Argumentationsweise ihres Urhebers W. Christaller somit vor allem ein Modell, in welchem territorial („Reichweite") definierte Kompetenzen („zentrale Funktionen") von zweckbestimmten Verbänden („Versorgende" und „Versorgte") nach ihrer jeweiligen Bedeutung („Zentralität") dargestellt werden. Man kann den Gehalt der „Theorie der zentralen Orte" unter dem Aspekt der Herrschaft fast gleichwertig in der Kategorie feudaler Lebensverhältnisse ausdrücken: Ein Gebiet wird mit der Zielfunktion Minimum an Konfliktpotential in der Weise organisiert, daß eine bestimmte Menge jeweils gleichmäßiger, untereinander unabhängiger Lehen (Unterverbände) geschaffen wird; deren Umweltbeziehungen beschränken sich auf einen bestimmten Lehensgeber (Ortsverband), dessen Verwaltungsstab (im Sinne von M. Weber) im entsprechend übergeordneten zentralen Ort seinen Sitz hat. Die Zahl der Ränge in der zentralörtlichen Hierarchie ist durch territoriale Grenzen und durch die „Tragfähigkeit" der vom „letzten" Lehensnehmer bzw. vom niedrigstrangigen Unterverband auszubeutenden Siedlungseinheit als Nutzermenge bestimmt. In all jenen Gesellschaftsbereichen, wo Verfügungs- und Eigentumsrechte, Anweisungs-, Widmungs- und Erhebungsbefugnisse, Planungs- und Verwaltungskompetenzen territorial definiert sind, also im gesamten staatlichen Breich, aber auch bei den Gebietskörperschaften zugeordneten Interessenvertretungen (Kammern, Gewerkschaften, Sozialversicherungen u. ä.) gilt die im Rahmen der „Theorie der zentralen Orte" in territorialer Differenzierung abgebildete Rationalität des Verbandsprinzips als Ausdruck einer besonderen Herrschaftsform. Das Verbandsprinzip findet seinen Niederschlag in eindeutig gesetzten
4. Regionalentwicklung
231
territorialen Grenzen für jeweils bestimmte Kategorien von Verbandsfunktionen, die sich in aller Regel als Verfügungsrechte des Verbandsleiters und seines Stabes (im Sinne von M. Weber) ausdrücken lassen. In der Terminologie „zentrales Gut" und „zentrale Funktion" (entsprechend: Verbandszweck), „zentrale Einrichtung" und „zentraler Ort" (entsprechend: Verbandsleiter und Stab), „Reichweite" (entsprechend: Territorialbindung und Geltung), „Zentralität" (entsprechend: Macht) erscheint das Verbandsprinzip hervorragend geeignet, den regionalstrukturbildenden Einfluß der Bürokratie zu erklären. Hingegen erscheinen alle Versuche verfehlt, mit Hilfe der „Theorie der zentralen Orte" die Landschaftsstruktur als ein Aggregat privatwirtschaftlicher, am Nutzenmaximum orientierter Entscheidungen zu erklären, denn diese Theorie beschreibt eine ökonomische Situation, die den Eigennutz-Interessen des einzelnen auf dem Markt geradezu entgegengerichtet ist: Die Minimierung des Konfliktpotentials und der Konkurrenz zwischen gleichartigen Versorgern (zentralen Einrichtungen) durch entsprechende Abgrenzung von Bezugsgebieten führt zugleich zu einer Zerstörung der Wahlmöglichkeiten für die Versorgten. Mit der in der „Zentrale-Orte-Theorie" implizit enthaltenden Randbedingung von, für die zentrale Einrichtung (Verbandsleiter und Stab) mindestens existenzerhaltend, in der Höhe jedoch grundsätzlich unbegrenzten, Erträgen (Gewinnen, Ausbeutungskoeffizienten o. ä.) aus der zentralen Funktion wird es überflüssig zu fragen, wie eine höhere Wirtschaftlichkeit bei der Erzeugung zentraler Güter unter dem Druck der marktlichen Preisbildung erreicht werden kann: Indem die „Theorie der zentralen Orte" auch im privaten Versorgungsbereich Gebietsmonopole unterstellt, wird eine marktmäßige Preisbildung ausgeschlossen und außerordentliche Gewinne ermöglicht. Auf der Grundlage solcherart a priori definierter Produktionsund Konsumfunktionen muß auch der technische Fortschritt als „dynamische Komponente" des Siedlungsgefüges zunächst außer Acht bleiben. Spätestens hier stellt sich allerdings die Frage, welche wirtschaftlichen Bereiche in der Realität außerhalb gesetzter Verbandskompetenzen in welchem Ausmaß dem Marktprinzip gehorchen. Wenngleich die kapitalistische Gesellschaft einerseits durch die Vermarktung vieler früher dem Verbandsprinzip unterworfener Wirtschaftsbereiche gekennzeichnet ist (Auflösung des Zunftwesens und Aufgabe der territorialbezogenen Marktrestriktionen für viele Leistungen), so haben sich doch auf der anderen Seite eine Fülle neuer dem Verbandsprinzip unterworfene Funktionen entwickelt (z. B. der Sozialfürsorge, der Ausbildung u.a.). Für all diese Bereiche der Gesellschaft behält die „Theorie der zentralen Orte" in ihren Kernaussagen zweifellos ihre Gültigkeit. Bezüglich einer Dynamisierung der „Theorie der zentralen Orte" sollte wohl bei traditionell soziologischen Fragen begonnen werden, wie bei folgenden: • Wie entstehen Verbände und wie gewinnen sie Macht? • Wie erzeugen und wie verteilen Verbände ihre Leistungen? Stellt man mit dieser Problemsicht die „Theorie der zentralen Orte" als die regionalen Effekte des Verbandsprinzips erklärend auf eine breitere Basis, dann werden zusätzliche Einsichten, besonders auch im Bereich der materiellen Infrastruktur, möglich; können doch gerade die Kommunikations- und Versorgungssysteme der Infrastruktur auch als Instrumente zur Machterzeugung für staatliche Verbände, zugleich aber auch als Instrumente zur privatwirtschaftlichen Produktion und Verteilung von Leistungen interpretiert werden. Damit könnte eine weiterentwickelte „Theorie der zentralen Orte" nicht zuletzt auch zur Abbildung des Politikverhaltens in föderalistischen Staaten beitragen.
232
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Regionale Effekte des Marktprinzips Das Bemühen, die Regionalstruktur allein aus dem Streben der privaten Wirtschaftssubjekte nach maximalem Eigennutz mit Hilfe von Kontrakten zwischen gleichwertigen Marktpartnern zu erklären, hat seine Wurzel in der liberalen Frage nach den individuellen Wahlmöglichkeiten auf dem Faktor- und Gütermarkt. Die Wahlmöglichkeiten bzw. der Handlungsspielraum des einzelnen nimmt zu, so wird unterstellt, indem die regionale Mobilität der Güter und Faktoren bzw. die Reichweite der Märkte mit interdependenter Preisbildung wächst. Die nach dem Marktprinzip entworfenen Modelle der Regionalstruktur beschreiben die Beziehungen zwischen den Wirtschaftssubjekten und somit zwischen ihren Standorten so, als ob sich die Menschen nach einer a priori definierten einzelwirtschaftlichen Rationalität (Eigennutz-Axiom) verhielten. Das bedeutet: Produzent und Konsument entscheiden sich grundsätzlich und ohne Verzug nach Abwägung aller Kosten und Erträge für die nutzenmaximale Alternative. Wie bei den standörtlichen Nutzungsfunktionen gelten jene zwischenstandörtlichen Austauschbeziehungen als real, die zugleich für die beteiligten Marktpartner die zweckmäßigsten sind. Sowohl bei der Frage nach dem günstigsten Standort für einen bestimmten Nutzer als auch bei jener nach der günstigsten Nutzungsfunktion für einen bestimmten Standort werden zunächst die Alternativen der dem Privaten entstehenden Transportkosten abgefragt. Die letztlich politisch bestimmten Einflußgrößen der privatwirtschaftlichen Transportkosten (je nach Betrachtungsweise: auch der externen Effekte), die Infrastruktur und die Bodenordnung, werden im Rahmen der Theorie der Raumwirtschaft als Daten bestenfalls festgestellt, in ihrer Entstehung jedoch kaum hinterfragt. Während nach dem Verbandsprinzip die politisch gesetzten Rahmenbedingungen des einzelwirtschaftlichen Verhaltens abgebildet und erklärt und damit die Wahlmöglichkeiten des einzelnen definiert werden, läßt sich mit Hilfe des Marktprinzips ableiten, wie der einzelne seine raumwirtschaftlichen Alternativen bewertet und somit seine optimale Entscheidung findet. Als ein erster Schritt zur Erklärung der Regionalstruktur nach dem Marktprinzip erscheint unter diesem Aspekt D. Ricardos77 „Gesetz der komperativen Kosten", welches die Vorteilhaftigkeit der regionalen Produktionsspezialisierung und des interregionalen Güteraustausches plausibel macht. Die Vorteile des Außenhandels (der interregionale Güteraustausch kann analog behandelt werden) werden von Ricardo unter der Annahme abgeleitet, daß die Produktionsfaktoren (natürliche Ressourcen = Boden, Arbeit und Kapital) regional ungleich verteilt und interregional immobil seien. In seinem Zwei-Länder-Modell hat V. Pareto78 Gleichgewichtsbedingungen für den Güteraustausch formuliert (zitiert nach E. v. Böventer"): Es sind (1) für jedes Gut und (2) für jeden Faktor Angebot und Nachfrage gleich; (3) die Preise sind gleich den Kosten und (4) die Preisrelationen sind gleich den Grenznutzenrelationen. Bei unterstellter internationaler (analog: interregionaler) Immobilität der Faktoren ergeben sich die Güteraustauschrelationen bei Pareto, indem für die Nachfrage und das Angebot der Güter die Gesamtheit der betrachteten Länder (Regionen) gelten soll. Über die zusätzlichen Annahmen, daß die Faktorpreise (Pacht, Lohn und Zins) den Grenzproduktivitäten entsprächen, kam B. Ohlin80 zu der Erkenntnis, daß zur 77 78
79 80
Ricardo, D., Principles of Political Economy and Taxation, 1877 Pareto, V., Teoria matematica del commercio internationale, in: Giornale degli Economistri 10, 1899 Böventer, E. v., Theorie des räumlichen Gleichgewichts, Tübingen 1962 Ohlin, B., Interregional and International Trade, Cambridge/Mass., 1933
4. Regionalentwicklung
233
Erreichung gleicher Güter- und Faktorpreise in den verschiedenen Regionen die interregionale Güter- und Faktormobilität substituierbar sind. Demnach bedingt eine beschränkte Faktormobilität eine entsprechend intensive Gütermobilität. Aus dieser Annahme folgt schließlich auch die für die Regionalentwicklung bedeutsame Hypothese im neoklassischen Modell des räumlichen Gleichgewichts8': Die interregionalen Arbeitskraftmigrationen sind den interregionalen Kapitalströmen entgegengerichtet und tendieren zu einem Ausgleich. Bemerkenswert erscheint, daß bis zu jenem Zeitpunkt, als die grundlegende Arbeit von A. Lösch erschien, bei den, den interregionalen Güter- und Faktoraustausch beschreibenden Analysen die raumdifferenzierenden Faktoren (im Sinne von E. von Böventer: Transportkosten, interne und externe Effekte, Bedeutung des Faktors Boden) nicht berücksichtigt worden sind. Es ist das Verdienst von A. Lösch, unter Berücksichtigung der raumdifferenzierenden Faktoren (Lösch nennt sie: Transportkosten, Vorteile der Masse und Vorteile der Mischung) die Rahmenbedingungen für die Erklärung der Siedlungsstruktur nach dem Marktprinzip wie folgt definiert zu haben82: (1) Der Standort muß für den einzelnen so vorteilhaft wie möglich sein. (2) Die Standorte müssen so zahlreich sein, daß der gesamte Raum ausgenutzt ist. (3) In allen Tätigkeiten, die jedem offenstehen, müssen außerordentliche Gewinne verschwinden (Preise = Kosten). (4) Die Bezugs-, Erzeugungs- und Absatzgebiete müssen so klein wie möglich sein. (5) Auf den Grenzen der Wirtschaftsgebiete muß es (für den Verbraucher) gleichgültig sein, zu welchen der beiden benachbarten Standorte sie gehören (Grenzen = Indifferenzlinien). Erst L. Lefeber83 und besonders E. von Böventer84 ist es gelungen, die Bedingungen des räumlichen Gleichgewichts in das neoklassische Schema des allgemeinen wirtschaftlichen Gleichgewichts (im Sinne von L. Walras) zu integrieren. Unter Beibehaltung der wichtigsten Prämissen des Marktprinzips kommt G. Myrdal allerdings zu Befunden, die in bezug auf die Regionalstrukturentwicklung in krassem Gegensatz zur neoklassischen Theorie vom raumwirtschaftlichen Gleichgewicht zu stehen scheinen. Myrdal stellt in seinen Untersuchungen der internationalen Wirtschaftsverflechtung fest, daß sich die Faktoren Arbeit und Kapital wechselseitig stimulierend regional in die gleiche Richtung bewegen. Sie tendieren nach Myrdal in der Regel zu den höher entwickelten Regionen, also zu den bereits gut mit Kapital ausgestatteten und von gutausgebildeten Arbeitskräften dicht bevölkerten Agglomerationen. Diese Hypothese ist Grundlage für Myrdals allgemeine Theorie des „kumulativen Wachstums" und des „kumulativen Verfalls" (die armen Regionen werden relativ immer ärmer, die reichen Regionen immer reicher) „mit zirkulärer Verursachung". In die ökonomische Theorie von G. Myrdal ist die Migration von Arbeitskräften zu den wirtschaftlich und technologisch höher entwickelten Agglomerationen sowohl im Maßstab Stadt-Land als auch im internationalen Maßstab (unterentwickelte - entwickelte Länder) explizit eingeführt. 81 82
83
84
Böventer, E. v., Theorie des räumlichen Gleichgewichts, Tübingen 1962 Lösch, A., Die räumliche Ordnung der Wirtschaft, Jena 1940, 1944 (2. Auflage); Stuttgart, 1955 Lefeber, L., Allocation in Space Production, Transport and Industrial Location, Amsterdam, 1958 Böventer, E. v., Theorie des räumlichen Gleichgewichts, Tübingen, 1962
234
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Abb. 439.
Form der Absatzgebiete bei unterschiedlicher Bevölkerungsdichte nach A. Lösch Quelle der Abbüdung: Isard W.®
Daß in diesem Denkschema für den Staat und für politische Maßnahmen kein Platz ist, erscheint allerdings kennzeichnend für die gesamte Argumentationslinie nach dem Marktprinzip: Ausgehend von der Vorstellung, daß bestimmte Güter durch Kombination ausgewählter Faktoren produziert werden, konzentriert sich bei der raumwirtschaftlichen Analyse (nach dem Marktprinzip) das Erklärungsinteresse fast ausschließlich auf die Kategorien Faktor- und Gütermobilität. Die Unterschiede in der Faktorund Gütermobilität werden in der Theorie der Raumwirtschaft vor allem erklärt mit der fehlenden Markttransparenz bei den Faktoreigentümern und Güterkonsumenten, aber auch mit dem großen informationellen Suchaufwand, der erforderlich ist, um den Standort mit der jeweils höchsten Grenzproduktivität oder dem jeweils günstigsten Preis zu erkennen. In der so argumentierenden Analyse richtet sich das Augenmerk dann besonders auf die Mobilitätsunterschiede von Arbeit und Kapital. Gibt man den Mobilitätsunterschieden zwischen den Faktoren Arbeit und Kapital eine ursächliche 85
Isard, W., Methods of Regional Analysis, London, New York 1960
4. Regionalentwicklung
235
Bedeutung 86 , dann lassen sich kumulative Agglomerationstendenzen in der Regionalstrukturentwicklung in gewissem Ausmaß aus zeitlichen Beharrungs- und Beschleunigungseffekten auf Migrations- und Investitionsentscheidungen erklären. Weitgehend aus der Betrachtung ausgeblendet bleiben bei all diesen Überlegungen nach dem erkenntnisleitenden Marktprinzip die gesetzten Normen und Institutionen, welche als Ausfluß der Politik die einzelnen Güter- und Faktormobilitäten bestimmen. Am ehesten erscheint somit die Argumentation zur Erklärung der Regionalstruktur nach dem Marktprinzip noch offen für die Kategorie Infrastruktur; dies besonders, wenn man Infrastruktur einzig als transportkostenbestimmend ansieht und ihr im Sinne von R. Jochimsen87 als Funktion zuschreibt, die Faktorpreise für gleiche Faktorleistungen interregional anzugleichen. Solange, dem Marktprinzip folgend, die Beschränkungen der Faktormobilität allein aus standortabhängigen Trägheitsmomenten und aus den Informationsaufwänden vor den Faktorbewegungen erklärt werden, solange sind es einzig die Infrastrukturinvestitionen, die durch Verminderung der entfernungsspezifischen Bewegungswiderstände Regionalstrukturveränderungen veranlassen können. Da für die rechtlichen bzw. institutionellen Einflußgrößen der Faktormobilität (wie Zuzugs- und Niederlassungsbeschränkungen) im Erklärungsschema nach dem Marktprinzip die theoretischen Eingänge fehlen, muß man sich damit begnügen, diese in der weitgehend ungegliederten Residualkategorie externe Effekte zusammenzufassen. Während auf diese Weise die bestehende Verfassung und Wirtschaftsordnung makroanalytisch aggegriert und konstant gehalten wird, bleiben bei Betonung des Eigennutzaxioms der Marktpartner (Gewinnmaximum) die politischen Handlungsspielräume und die Handlungsinteressen der Regierenden weitgehend außer Acht. Im Gegensatz zur Argumentation nach dem Verbandsprinzip (Theorie der zentralen Orte) wird bei der Erklärung der Regionalstruktur nach dem Marktprinzip aus dem Streben der Marktpartner nach maximalen Eigennutz zugleich eine Tendenz zum Konkurrenzmaxim um („Maximum selbständiger Existenzen") abgeleitet. Damit, so wird unterstellt, tendieren die Gewinne der einzelnen Produzenten zu einem gewissen Ausgleich (Verschwinden von sogenannten „außerordentlichen Gewinnen"); sofern diesem nicht eigentumsrechtliche Privilegien entgegenstehen. Aus analogen Gründen, nach denen aus dem Argumentationsschema der „Theorie der zentralen Orte" keine Preisbildung beschrieben und abgeleitet werden kann, sind im Rahmen der Raumwirtschaftstheorie die Wirkungen von politischen Entscheidungen als private Pivilegien (z. B. Gebietsgrenzen oder andere eigentumsrechtliche Regelungen betreffend) nicht erklärbar. Synthese Während die auf dem Marktprinzip aufbauende Raumwirtschaftstheorie durch Variation der standörtlichen Nutzungsfunktion grundsätzlich für die Einführung technologischer Innovationen im Bereich der privaten Wirtschaft offen - und somit partiell dynamisierbar - ist, gilt entsprechendes im politischen Bereich grundsätzlich für die auf dem Verbandsprinzip basierende „Theorie der zentralen Orte": Hier können — etwa nach Ankoppelung der das Regierungsverhalten erklärenden ökonomischen Theorie der Politik — die Veränderungen der individuellen Handlungsspielräume durch politische Entscheidungen (insbesondere aus dem Bereich Bodenordnung, indirekt auch aus dem Bereich der Infrastruktur) erklärt und optimiert werden, womit die Abbildung der Regionalstruktur auch von der Seite der Politik dynamisierbar wäre. 86 87
Siebert, H., Zur Theorie des regionalen Wirtschaftswachstums, Tübingen, 1967 Jochimsen, R., Theorie der Infrastruktur, Tübingen, 1966
236
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Diese Ausführungen sollten deutlich machen, daß sich bei der Erklärung der Regionalstruktur das Verbandsprinzip und das Marktprinzip ergänzen. So gesehen erhält allerdings auch die Frage nach den Tendenzen und selbststeuernden Kräften in der Regionalentwicklung einen neuen Akzent: Sind nicht die nach dem Marktprinzip bisher weitgehend unerklärten Agglomerationstendenzen in der Siedlungsstrukturentwicklung Folge von polltisch induzierten Veränderangen der Marktbedingungen? Unter diesem Aspekt erscheint eine simultane Betrachtung der Regionalstrukturentwicklung nach dem Verbands- und dem Marktprinzip erforderlich.88
4.4.2. Formalisierte Beschreibung von normierten gebietlichen Verfügungsrechten mit Hilfe der Theorie der zentralen Orte Im folgenden wird zunächst die Formalisierung der Theorie der zentralen Orte nach M. J. Beckmann89 (in einer leicht modifizierten Form) wiedergegeben. Danach werden die Schlüsselparameter des Modelles im Gegensatz zu den Aussagen der Autoren der Theorie der zentralen Orte (u. a. W. Christaller, B. J. L. Berry, M. J. Beckmann) als Ausdruck verfügungs- bzw. eigentumsrechtlicher Normen interpretiert.
25000 E
5000 E
125 000 E Rang des Zentrums 3
iÜi/lL ad
Bezugsbevölkerung
Abb. 4.40.
88 89
»- Einwohner 5000
125000
Modell einer zentralörtlichen Hierarchie (g = 4)
Dieses Erfordernis drängt sich u. a. auf bei der Lektüre von E. v. Böventer Beckmann, M. J., City Hierarchies and the Distribution of City Size, in: Economic Development and Cultural Change, Chicago, 1957
4. Regionalentwicklung
237
Aufbauend auf die empirischen Befunde und auf deren Theoretisierung durch W. ChristallerM liegen vor allem folgende Hypothesen dem Modell von M. J. Beckmann zugrunde: (1) Die Größe einer Stadt p als zentraler Ort ist abhängig von der versorgten Bevölkerung P; das ist die Bevölkerung des Versorgungsgebietes (einschließlich der versorgten Stadt). Diese Aussage entspricht dem Städtegründer/StädtefüllerKonzept von W. Sombart sowie dessen Erweiterungen im Rahmen der economicbase-theory. (2) Jedem zentralen Ort eines bestimmten Ranges (mit Ausnahme des niedrigstrangigen) ist eine bestimmte Zahl g von niedrigerrangigen Orten zugeordnet. Diese, die zentralörtliche Hierarchie begründende Hypothese ist die Kernaussage in der Theorie von W. Christaller. Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß in den hierarchiebeschreibenden Landschaftsstrukturmodellen der Rang eines Standortes in unterschiedlicher Richtung gezählt wird. In der Argumentationsweise von Christaller — Berry u. a. erscheint r= 1 als höchstrangiger (größter, bedeutendster) Standort, in jener von Lösch - Beckmann - Bökemann u. a. als niedrigstrangiger (kleinster) Standort. Die Bevölkerungszahl des niedrigstrangigen zentralen Ortes p r , r = 1 wird definitorisch aus der Bevölkerungszahl ihres ländlichen Einzugsbereiches lr, r = 1 abgeleitet: (1) pi = b • (pi + Ix), wobei b einem empirisch zu ermittelnden Versorgungsfaktor im ländlichen Einzugsbereich entspricht. Durch Umformung ergibt sich: (2) K )
-Ei- = 1,
b
1-b
Aus Hypothese (1) folgt für die Einwohnerzahl p r des zentralen Ortes vom Rang r: (3)
pr = b • P r , wobei P r = (pr + lr). Der Index r bezeichnet jeweils den Rang mit der zentralörtlichen Hierarchie.
Die Einwohnerzahl P r des Einzugsgebietes des r-rangigen zentralen Ortes ergibt sich aus: (4)
Pr = pr + g • P(r _ j), wobei g die Anzahl der in der zentralörtlichen Hierarchie nachgeordneten „Satelliten" bezeichnet.
Durch Substitution der Gleichungen (3) und (4) erhält man Pr = b • Pr + g •
P(r-D
Pr • (1 - b) = g • P (r _ i) Pr =
90
( i - b) ' P 2 wären in diesem Fall die den entsprechenden Rängen zugeordneten Kapazitäten nur in ihren jeweiligen Leitungsendabschnitten ausgelastet. Indem man die Leitungskapazitäten unter diesen Umständen den realen Belastungen anpaßt, vermindert man, gleichsam durch Einführung von Zwischenrängen, den Bündelungsfaktor auf einen Betrag kleiner als 2: 1 < y < 2 (z. B. in Abwasserkanalisationssystemen). zu (2): zentralörtliche Bündelung: Wenn der Zustand der zu transportierenden Güter mit Hilfe entsprechender Aggregate hinsichtlich Geschwindigkeit, Druck, Spannung u.a. den technischen Normen des höherrangigen Leitungsranges angepaßt werden muß, dann müssen alle einmündenden, also niedrigerrangigen Wege bzw. Leitungen im Ursprungspunkt der höherrangigen quasi zentralörtlich gebündelt werden, (z. B. in Elektrizitätsnetzen durch Transformationsstationen.) Die Eigenarten der zentralörtlichen Bündelung erfordern einen Bündelungsfaktor y ^ 2. Durch diesen Vergleich wird eine Skala von alternativen Bündelungsmöglichkeiten erkennbar, die zwischen der extrem zentralörtlichen Bündelung (y-> 1, wo kontinuierliche zeitliche Zu- bzw. Abflüsse einen stetigen Kapazitätszuwachs über den gesamten Versorgungsweg erfordern) definiert ist. Um ein bestimmtes Versorgungsgebiet mit der Fläche A r zu erschließen, benötigt man eine Anschlußleitimg mit der Länge lr für die Verbindung zwischen A r und dem
244
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
übergeordneten Netz und nachgeordnete Verteilerleitungen mit der Länge l(r_i) zur Versorgung der niedrigerrangigen Teilgebiete mit der Fläche A(r_!) bis hin zu den auf kleinsten Parzellen Ai lokalisierten Verbrauchern. 1. Formen zentralörtlicher Bündelung
r=2
3. gemischte Form
2. Streckenbündelung
r «- 1
1 r} dann folgt Qr C Q(r-l) C CQl. (4) Folgt man den unter Abschnitt 4.4.2. dargestellten Beziehungen zwischen verschiedenrangigen Standorten in zentralörtlichen Hierarchien, dann beschreibt der die Bündelung in infrastrukturellen Leitungssystemen (oder die Umfassung in eigentumsregelnden Barrierensysteme) kennzeichnende Kapazitätsmultiplikator ß die Mengenverhältnisse zwischen verschiedenrangigen Standorten in einer Region.
Der Kennwert y entspricht somit sinngemäß dem k-Wert nach A. Lösch zur Beschreibung besonderer zentralörtlich-hierarchischer Zuordnung. (5) Geht man von der (empirisch leicht nachweisbaren) Vorstellung aus, daß hochrangige infrastrukturelle Leitungssysteme und hochrangige eigentumsregelnde Grenzsysteme in ihrem Ausbau zeitlich den niedrigerrangigen folgen, dann entwickelt sich die regionale Standorthierarchie in aufeinanderfolgenen Phasen. Dabei wird in jeder Phase jeweils eine Teilmenge AQr aus der Menge der bisher höchstrangigen Standorte Q r an ein neues höchstrangiges infrastrukturelles Leitungssystem angeschlossen. Somit entspricht die aus Q r aufgewertete Standortteilmenge AQr der Zahl der höchstrangigen Standorte Q(n+i) und zugleich der Zahl der Anschlüsse an das neue höchstrangige System S(r+1) Q(r+1) = S (r+1) = AQ r
4. Regionalentwicklung
265
Mit Hilfe dieses einfachen Schemas der regionalen Standortehierarchie und ihrer Entwicklung ergeben sich als weiterführende Erklärungsmöglichkeiten, • die im Rahmen der „Theorie der zentralen Orte" (nach W. Christaller, B. J. L. Berry u. a.) abgeleitete regionale Nutzungsstruktur theoretisch auf die regionale Verteilung der Infrastruktur (bzw. auf die besonderen Ausprägungen der infrastrukturellen Leitungssysteme) und der Bodenordnung (bzw. auf die besonderen Ausprägungen der eigentumsregelnden Barrierensysteme) zu beziehen, und • die Wirkungen staatlicher und privater Investitionen (mit Bezug auf die standörtlichen Nutzungspotentiale in der betrachteten Region) auf die Regionalentwicklung abzuschätzen (und gegebenenfalls im Rahmen entsprechender Rechenmodelle zu simulieren). Unter diesem Aspekt erscheint es sinnvoll, für die Diskussion der verschiedenen Effekte von regionalpolitischen Maßnahmen das Rank-Size-Schema zu verwenden. Der methodische Übergang von dem hier zunächst behandelten mengentheoretischen Ansatz mit rangspezifischen Standorteklassen erfolgt, indem man in der Häufigkeitsverteilung den Klassenumfang bzw. die rangspezifische Standortmenge eins werden läßt und indem man zugleich die klassenkennzeichnenden Merkmalsausprägungen entsprechend modifiziert. Zur Entwicklung der standörtlichen Nutzungspotentiale Betrachtet man die Nutzungs-, Bevölkerungs- oder Beschäftigtendichte, den Bodenpreis oder einen Vielfältigkeitsindex für Ausstattung oder Nutzung als Parameter für das standörtliche Nutzungspotential, dann ergeben sich jeweils eigene RankSize-Verteilungskurven zur Kennzeichnung der Standortstruktur einer Region. nP[ =
n
p.i
m' 1
, wobei
NP|'
= r — größtes standörtliches Nutzungspotential in einer Region r = Rangziffer (0 = Strukturkoeffizient
in doppellogarithmischer Transformation ergibt sich zur folgenden graphischen Darstellung: lg NPi — lg NP[ = co lg r Standörtliches Nutzungspotential
266
Teil A : Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
In den vorangegangenen Kapiteln dieser Raumplanungstheorie wurde begründet, daß die besonderen Ausprägungen der Infrastruktur und der Bodenordnung die regionale Verteilung der standörtlichen Nutzungspotentiale bestimmen. Folgt man dieser Argumentation im formalen Schema der Rank-Size-Verteilung der standörtlichen Nutzungspotentiale einer Region, dann bildet einzig der Strukturkoeffizient v Variationen ab; der Strukturkoeffizient v ist dann zugleich Parameter für die AuspräEntwicklungsphase
regionale Infrastruktur und Bodenordnung
regionale Verteilung der standörtlichen Nutzungspotentiale
XZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZZà
1
ffr tri Tri' 1 f 1 í 1 í fflf fit
V/////////A-,
B S i f t H
nfiOibidfa
verschiedenrangige infrastrukturelle Leitungen
verschiedenrangige eigentumssichernde Barrieren
Beiträge der in der betrachteten Phase zusätzlichen Infrastrukturinvestitionen zu den standörtlichen Nutzungspotentialen in einer Region
Abb. 4.59.
S c h e m a einer Regionalentwicklung
.•'.•'•' -'.VI
4. Regionalentwicklung
267
gungen von gebietlicher Infrastruktur und Bodenordnung, im besonderen für deren Hierarchisierungs- oder Vermaschungsgrad. Der Hierarchisierungs- und Vermaschungsgrad von infrastrukturellen Leitungssystemen wird bestimmt durch die zwischenranglichen Unterschiede (1) in den Leitungslängen 1, wobei AI = lr - l(r _ (2) in den Leitungskapazitäten K, wobei AK = Kr - K(r _ (3) in den entfernungs- und belastungsspezifischen Bewegungswiderständen der Leitungen Act, wobei Aa = a (r _ i) - cv Bei den eigentumsregelnden Barrierensystemen besteht eine analoge Beziehung des Hierarchisierungs- und Isolierungsgrades von den zwischenranglichen Unterschieden in den standörtlichen Barrierenlängenkapazitäten und Überwindungsaufwänden, v = f (AI, AK, Aa) Da in infrastrukturellen Leitungssystemen mit Belastungen der Bewegungswiderstand progressiv zunimmt, die Wirksamkeit von eigentumsregelnden Barrieren mit Belastungen progressiv abnimmt, ergibt sich eine entsprechende Beziehung zwischen den zwischenranglichen Kapazitäts- und Widerstandsunterschieden: Aa = f (AK) Im Schema der Rank-Size-Verteilung von standörtlichen Nutzungspotentialen in einem Gebiet kann man sich danach die Entwicklung der Regionalstruktur in zeitlich aufeinanderfolgenden Investitionsphasen wie folgt vorstellen: in jeder einzelnen Phase werden in einer Region einzelne jeweils höchstrangige Standorte untereinander mit noch leistungsfähigeren Leitungen (mit noch geringerem Bewegungswiderstand) verbunden. Entsprechend werden die solcherart entstandenen regionalen Verbände durch zusätzliche noch leistungsfähigere Grenzen geschützt. Als Ergebnis dieses Prozesses können bei entsprechender Nutzung auf wenigen Standorten in einer Region exklusiv relativ hohe Transportkostenersparnisse realisiert werden. Die regionale Verteilung der standörtlichen Nutzungspotentiale kennzeichnet somit sowohl das höchstmögliche Ausmaß der Transportkostenersparnisse auf einem bestimmten Standort (bei entsprechender Nutzung) als auch die relative Häufigkeit („Exklusivität") von Standorten in einer Region, auf denen entsprechende Transportkostenvorteile erzielt werden können. (Bei diesen Überlegungen ist unterstellt, daß die Nutzungen verschiedenrangiger Standorte komplementär sind.) Das dargestellte Beispiel einer Regionalentwicklung kann mit Hilfe des Rank-SizeSchemas folgendermaßen beschrieben werden: , standörtliches Nutzungspotential . des Ortes vom Rang r
Jg
Abb. 4.60.
Standorte 1 2 4 8 16 32 36 • • • R in e i n e r R e g ' o n Beschreibung einer 6-Phasen-Regionalentwicklung mit Hilfe des Rank-Size-Schemas (Beispiel)
268
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Infrastrukturinvestitionen und Eigentumsregelungen, welche den Hierarchisierungsgrad der bestehenden Leitungs- und Grenzsysteme erhöhen, kommen demnach um so mehr dem Nutzungspotential eines Standortes zugute, desto höher dessen Rang ist. Mit dem Hierarchisierüngsgrad der Regionalstruktur steigt die Exklusivität der höchstrangigen Standorte. (Der Strukturkoeffizient v wächst.) Eine zusätzliche Hierarchisierung der Infrastruktur erfolgt, indem die Kapazitätsunterschiede verschiedenrangiger Leitungen (z. B. durch Vermehrung der Zugfolgen auf den ranghöheren Bahnstrecken bei gleichzeitiger Verminderung der Zugfolge auf den rangniedrigeren Strecken die Unterschiede in den Bewegungswiderständen der verschiedenrangigen Leitungen bestimmter Infrastruktursysteme (z. B. durch exklusive Verkürzung der Fahrzeiten auf den höchstrangigen internationalen Bahnstrecken) vergrößert werden. standörtliches Nutzungspotential
Abb. 4.61,
Einfluß hierarchiegraderhöhender Infrastrukturinvestitionen auf die standörtlichen Nutzungspotentiale in einer Region (Rank-Size-Schema)
Die oben im Rank-Size-Schema abgebildete Zuwachstendenz bei den standörtlichen Nutzungspotentialen in einer Region infolge von hierarchisierungsgraderhöhenden Investitionen in einzelnen infrastrukturellen Leitungssystemen führt zweifellos zu einer zunehmenden Konzentration der Nutzer auf den am stärksten aufgewerteten Standorten. Im Gegensatz zu den hierarchisierungsgraderhöhenden infrastruktur- und eigentumsregelnden Investitionen haben Investitionen, welche den Vermaschungsgrad der einzelnen Standorte erhöhen, einen nivellierenden Einfluß auf die regionale Verteilung der standörtlichen Nutzungspotentiale: mit der Erhöhung des Vermaschungsgrades in infrastrukturellen Leitungsnetzen werden mehr und mehr gleichrangige Standorte unmittelbar miteinander verbunden, was eine wesentliche Voraussetzung ist für die Arbeitsteilung zwischen gleichrangigen Standorten (und damit auch zur Industrialisierung im Sinne der Modelle von A. Lösch und W. Isard.) ist. Nur in vernaschten infrastrukturellen Leitungsnetzen können gleichrangige (allerdings komplementär genutzte) Standorte zu den einzelnen standörtlichen Nutzungspotentialen beitragen. Je höher der Vermaschungsgrad der infrastrukturellen Leitungssysteme in einer Region (und entsprechend der Isolierungsgrad der Standorte) ist, desto mehr kommen entsprechende Investitionen dem Nutzungspotential der niedrigrangigen Standorte zugute. (Der Strukturkoeffizient v nimmt ab.)
4. Regionalentwicklung
269
standörtliches Nutzungspotential
1 Abb. 4.62.
Hinfluß vermaschungsgraderhöhender Infrastrukturinvestitionen auf die standörtlichen Nutzungspotentiale in einer Region (Rank-Size-Schema)
Nach einer großen Zahl von empirischen Untersuchungen zur Bevölkerungsverteilung über die Standorte in einer Region (B. J. L. Berry u. a.") tendiert in den meisten Ländern (auch über längere Zeitabschnitte) der Rank-Size-Strukturkoeffizient v gegen 1. Dieser Befund deutet darauf hin, daß es auch für den Hierarchisierungs- und Vermaschungsgrad der regionalen Leitungs- und Barrierensysteme ein am standörtlichen Nutzungspotential gemessen effizientes Verhältnis gibt; dies unbeschadet der Tatsache, daß mit der fortschreitenden funktionalen Differenzierung der Infrastruktur und Bodenordnung in diskrete Leitungs- und Barrierensysteme einige (z. B. Eisenbahnen als sogenannte „punkterschließende Systeme") einen höheren Hierarchisierungsgrad, andere (z.B. Straßen als sogenannte „flächenerschließende Systeme") einen höheren Vermaschungsgrad aufweisen.
4.5.3. Definition und Kriterien des standörtlichen Niederlassungspotentials Im Abschnitt 4.5.2. ist die Dynamik der Beziehungen zwischen der regionalen Verteilung der Infrastruktur und der Bodenordnung einerseits und der regionalen Verteilung der standörtlichen Nutzungspotentiale andererseits dargestellt worden. Ergänzend dazu werden im folgenden die Nutzungsveränderungen auf verschiedenen Standorten einer Region als interdependent abgeleitet. Diese Analyse basiert auf dem unter 4.5.1. behandelten Modell zur Erklärung der Nutzerverdrängung von einem einzelnen Standort. (Dort war erklärt worden, unter welchen Bedingungen es zur Verdrängung eines bestimmten Vornutzers von seinem Standort durch einen bestimmten Nachnutzer kommt. Offengeblieben war die Frage, woher und in welcher Zahl die Nachnutzer kommen, um mit dem Vornutzer um das. vom Standorteigentümer verliehene Nutzungsrecht zu konkurrieren. Weiters blieb ungeklärt, wo die Vornutzer nach ihrer Verdrängung blieben bzw. wo sie sich gegebenenfalls niederlassen könnten.) Im Rahmen eines dynamischen Standortmarkt-Modells wird das regionale Angebot an Standorten (die nach ihrer Niederlassungseignung zu bewerten sind) gegenübergestellt der (nach jeweiligen Standortbedingungen zu bewertenden) regionalen Nachfrage nach Standorten durch niederlassungswillige Nutzer. *
Berry, B. J. L., Cities as Systems within Systems of Cities ders. City Size Distribution and Economic Development, beides in: Friedmann J., Alonso W., Regional Development and Planning, Cambridge, Mass., 1964
270
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
In diesem dynamischen Standortmarkt-Modell wird von folgenden in Kapitel 3.5. ausgeführten Annahmen zum statischen Standortmarkt ausgegangen und dieses mit Annahmen zur Erklärung der einzelstandörtlichen Nutzungsdynamik (Verdrängung) ergänzt: (1) Standorte werden von Grundstücksbesitzern (in ihrer Rolle als Standorthändler) angeboten, sie werden von Standortnutzern bzw. von Eigentümern bestimmter Nutzungstechniken im Rahmen bestimmter Präferenzen (end-)nachgefragt. (2) Der Standortmarkt ist heterogen; es werden dort von bestimmten Marktpartnern zugleich verschiedenartige Standort- und Nutzungsalternativen kalkuliert; ein und derselbe Standort wird verschiedenen Personen zu verschiedenartiger Nutzung angeboten, während ein und derselbe Nachfrager für seine bestimmte Nutzungsart mehrere verschiedenartige Standorte ins Kalkül zieht. (3) Zum Kontrakt zwischen dem Anbieter eines Standortes und einem Nachfrager (als „Nachnutzer") kommt es auf der Basis des höchsten Standortrentenangebotes (Miete, Pacht oder Preis), wobei dieses zugleich höher sein muß als jenes, welches der gegenwärtige Nutzer (als „Vornutzer") bezahlt. (4) Um den selben Standort konkurrierende Vor- und Nachnutzer kalkulieren ihr Angebot für die Standortrente jeweils nach dem mit ihrer Nutzungstechnik auf dem betrachteten Standort erzielbaren Gewinn (wobei dieser letztlich von den nutzungsart- und mengenspezifisch erzielbaren Transportkostenersparnissen und Großbetriebsvorteilen abhängt). Das Standortrentenangebot eines jeden potentiellen Nachnutzers übersteigt jedenfalls das Angebot des Vornutzers höchstens um jenen Betrag, den der Nachnutzer mit seiner jeweiligen Nutzungstechnik und Ausbringungsmenge an zusätzlichen Kostenersparnissen erzielen kann. (5) In einer Anfangsphase der Regionalentwicklung gibt es weder eine funktionale noch eine zwischenstandörtliche Arbeitsteilung. In dieser Zeit bleibt die regionale Infrastruktur auf ein einziges, völlig vermaschtes Allgut-Leitungssystem (als ein Netz von Trampelpfaden vorstellbar) und die regionale Bodenordnung auf ein einziges, die einzelnen Standorte völlig isolierendes Allgut-Grenzsystem (verbunden mit dem Allverfügungsrecht der Standortbesitzer über ihr Grundstück) beschränkt. Die Standorte der betrachteten Region sind gleichartig genutzt (als autarke Bauernwirtschaften vorstellbar). Mit dieser Annahme werden die Anfangsbedingungen des Modells von A. Lösch96 zur räumlichen Ordnung der Wirtschaft übernommen, wenngleich dort weniger die wechselseitige Abhängigkeit zwischen der regionalen Infrastruktur und Bodenordnung auf der einen Seite und der standörtlichen Nutzungen auf der anderen Seite im Mittelpunkt der Analyse stehen. (6) Das standörtliche Nutzungsgefüge einer Region ist konstituiert durch Klassen gleichrangiger Standorte Q r , das ist die Menge aller Standorte, die mindestens über die Offerte Oi verfügen. Je höherrangiger bzw. komplexer die Nutzungsart, desto kleiner ist die entsprechende Standorteklasse. Aufgrund der Bündelungseigenschaften der Infrastruktur und aufgrund der Umfassungseigenschaften der Bodenordnung gilt:
96
Lösch, A., Die räumliche Ordnung der Wirtschaft, Jena, 1944 (2. Auflage)
4. Regionalentwicklung
271
Jede Standorteklasse Q r des Ranges r enthält etwa gleichgroße Teilmengen ZNU von gleichartigen Nutzern der Funktionsgruppe z. (ziNU =
Z2
NU S
S
Z
NU)
wobei die Zahl der gleichrangigen Nutzungsarten nr mit ihrem Komplexitäts- bzw. Spezialisierungsgrad exponentiell (gemäß Abschnitt 3.3.4. auf der Basis des Funktionsteilungswertes d) zunimmt. „Nr = d 0 : du®
NI P,
—> o ) und desto weniger regionalexterne '
(neue) Nutzer auf den höchstrangigen Standorten dQ(j) durch Aufwertung niederlassungsfähig geworden sind. (exNUt = 0 ^ 0
: NiPi^O)
Das standörtliche Niederlassungspotential NIPj bestimmt nach diesen Überlegungen (1) den Handlungsspielraum des Standorteigentümers in seiner Rolle als „Standorthändler" (vgl. dazu die entsprechenden Ausführungen in Kapitel 3.4.3., wo der Handlungsspielraum des Standorteigentümers für einen noch ungenutzten Standort beschrieben wird) und (2) den Verdrängungsdruck, den potentielle Nachnutzer eines Standortes auf dessen Vornutzer ausüben (vgl. dazu die Ableitung der einzelstandörtlichen Nutzerverdrängung unter Abschnitt 4.5.1., wo der Verdrängungsdruck unerklärt blieb). Danach kann unter ökonomischen Kriterien einzig der ungenutzte Teil des Nutzungspotentials in Kombination mit dessen Marktposition (welche bestimmt ist durch die relative Standorteignung in der Region sowie die Zahl der regionalexternen Nachfrager) einen Standorteigentümer zu einer Nutzungsveränderung veranlassen. Besonders unter diesem Aspekt stellt sich die Frage, in welchem Maße verschiedene Kategorien von Standortaufwertungen das standörtliche Niederlassungspotential und damit zugleich den Handlungsspielraum des Standorteigentümers in seiner Rolle als „Standorthändler" sowie den Verdrängungsdruck auf den gegenwärtigen Standortnutzer (und damit die Miet- bzw. Rentenforderungen des Standorteigentümers an den Standortnutzer) — beeinflussen. • Kapazitätserhöhungen in den standörtlich bereits verfügbaren infrastrukturellen Leitungssystemen ermöglichen zwar intensivere Nutzungen, beschränken jedoch die Niederlassungsmöglichkeiten prinzipiell auf die schon früher niederlassungsfähigen Nutzertypen bzw. Branchen (additive Erhöhung des standörtlichen Nutzungs- und Niederlassungspotentials).
4. Regionalentwicklung
277
• Erst die standörtliche Verfügbarkeit über zusätzliche ergänzende Leitungssysteme zu dem bereits erreichten Spezialisierungsniveau der infrastrukturellen Ausstattung bzw. entsprechende Eigentumsregelungen vervielfachen das standörtliche Nutzungs- und Niederlassungspotential, indem nun zusätzliche Nutzerarten bzw. Branchen niederlassungsfähig werden. (Multiplikative Erhöhung des standörtlichen Nutzungs- und Niederlassungspotentials.) • Die Niederlassungsaktivitäten der Unternehmer sind nur in geringem Umfang auf die herkömmlichen Branchen bezogen, sie konzentrieren sich vielmehr hauptsächlich auf neue, höchstspezialisierte Nutzungsarten mit entsprechend hohen Standortansprüchen (Spezialisierungsniveau z). Vergleicht man unter diesem Aspekt Standorte von unterschiedlichem Spezialisierungsniveau in ihrer infrastrukturellen Ausstattung und Eigentumsordnung (einschließlich der Flächenwidmung), dann erkennt man. daß die Zahl der niederlassungsfähigen Nutzer und damit das standörtliche Nutzungs- und Niederlassungspotential exponentiell wächst.
Bereits an dieser Stelle muß allerdings erwähnt werden, daß in der Regel durch regionalpolitische Maßnahmen der oben bezeichneten Art die Niederlassungspotentiale nicht nur einzelner sondern mehrerer (wenn nicht sämtlicher) Standorte in einer Region beeinflußt werden; denn jede investierte Infrastrukturleitung und jede eigentumsregelnde Barriere wirkt auf die Potentialbeziehungen zwischen den Standorten in einer Region.
Ergänzend zu den in diesem Modell zugrundegelegten vereinfachenden Annahmen über strikte Trennung der Rollen „Standorteigner bzw. -händler" auf der einen und „Standortnutzer" auf der anderen Seite ist der für die Bewertung von Standorten in der Realität häufigere Fall der Rollenidentitit von Standorteigner und Standortnutzer zu bedenken. Im Fall der Rollenidentität ist anzunehmen, daß die Person des standortbesitzenden Unternehmers (für den grundstücks- und hausbesitzenden Haushaltsvorstand gelten analoge Bedingungen) den realisierten Standortvorteil nicht als Nutzungsentgelt veräußern, sondern zu einem größeren Teil in den eigenen Betrieb investieren kann; dies nicht nur zur Erhaltung sondern auch zur strukturellen (technologischen) Aufwertung seines Nutzungskapitals. Auf diese Weise kann der Nutzer seinen Betrieb flexibel mit technologischen Innovationen an die exogenen Aufwertungen seines Standortes anpassen. Solchermaßen in ihrer Nutzungstechnologie flexible und dynamische Betriebe sind gegenüber jenen mit statischer Nutzungstechnologie im Vorteil, weil sie in der Regel schneller die durch Standortaufwertungen vermittelten Gewinnchancen nutzen können. Aus dieser innerbetrieblichen Anpassungsfähigkeit von Betrieben mit Standorteigentum erklärt sich vermutlich zu einem guten Teil die Expansion seßhafter Betriebe innerhalb der Agglomeration. Somit wird der Verdrängungsprozeß in Städten nicht nur von niederlassungswilligen Betrieben mit neuen Technologien sondern auch (und nach empirischen Befunden: vor allem) von den bereits seßhaften und infolge ihrer technologischen Flexibilität expandierenden Betrieben veranlaßt: verdrängt werden infolge von Standortaufwertungen in jedem Fall die technologisch überalterten und unflexiblen Betriebe. Ob durch Expansion der seßhaften Betriebe oder durch Neuansiedlungen: die Folgen der standörtlichen Verdrängung sind in der Regel fortschreitende Agglomeration von privatem Kapital und von Arbeitskräften.
278
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
4.6. Agglomeration in der Regionalentwicklung 4.6.1. Befunde zum Agglomerationsprozeß Die Betrachtung der Regionalentwicklung kann auf verschiedene Meßgrößen gerichtet sein. Das regionalwissenschaftliche Interesse konzentriert sich primär auf die Veränderung von standörtlichen Bestandsgrößen, wie Einwohner- und Beschäftigtenzahlen, Aggregate von investiertem Kapital, Zugangs- und Nutzungsbedingungen. Diese standörtlichen Bestandsgrößen, in denen üblicherweise Regionalstrukturen abgebildet werden, verändern sich, formal gesehen, durch entsprechende Zu- oder Abflüsse; so die örtlichen Einwohnerzahlen durch Zu- und Abwanderung, die Beschäftigtenzahlen durch Pendler, das Nutzungskapital durch Investitionen und Verschleiße (bzw. Abschreibung), die standörtlichen Zugangsbedingungen durch Infrastrukturinvestitionen, die Nutzungsbedingungen durch bodenordnerische Maßnahmen. Der Einfluß des Bevölkerungszuwachses auf den Agglomerationsprozeß Hier soll, der Tradition gemäß, der Agglomerationsprozeß zunächst als Veränderung der Bevölkerungsverteilung über die Standorte beschrieben werden. Danach wird das Augenmerk auf die zwischenstandörtliche Migration gerichtet und damit eine Beziehung zwischen den räumlichen Agglomerationen und den sozial erodierenden Räumen „an der Peripherie" hergestellt. Bei der Analyse der Regionalentwicklung in Bestandskategorien, wie standörtliche Bevölkerung, materiale und institutionelle Ausstattung, ist zu unterscheiden: (1) die Veränderung des regionalen Niveaus von Produktion und Konsum. Hierbei richtet sich das Augenmerk auf die Menge der in einer regional begrenzten Wirtschaft insgesamt einsetzbaren Ressourcen und produzierbaren Güter. Als Basiswerte des regionalen Niveaus von Produktion und Konsum können angesehen werden: die Bevölkerungszahl, das technische Wissen und die tradierten Gewohnheiten, sowie die verfügbaren Rohstoffe; (2) die Veränderung der regionalen Struktur. Hierbei wird die Verteilung der individuellen Verfügungsrechte und Nutzungsbedingungen über die Standorte einer Region analysiert. Als wichtigstes Kriterium für die relative Privilegierung bzw. Diskriminierung einzelner an bestimmte Standorte gebundener Bevölkerungsteile kann die räumliche Verteilung und die einzeistandörtliche Ausprägung der Bodenbeschaffenheit, der Infrastruktur und der Bodenordnung (im weitesten Sinn) gelten. Das gegenwärtige Siedlungsgefüge ist weder kontinuierlich bis zu seinem derzeitigen Niveau gewachsen noch war seine Organisationsform, aus der sich die heutige Verteilung der standörtlichen Handlungsspielräume der Personen in der Region ableitet, von vornherein bestimmt. Bei einem historischen Rückblick über ein Jahrtausend hat sich - als Rahmenbedingung für die Regionalentwicklung - die Bevölkerung in Mitteleuropa in zwei bemerkenswerten Schüben jeweils etwa verdreifacht: zunächst zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert, dann nach einer fast fünfhundertjährigen Phase relativer Stagnation noch einmal zwischen dem 18. und dem 20. Jahrhundert.
4. Regionalentwicklung
279
Abb. 4.67. Entwicklung der Bevölkerung in Mitteleuropa
Während über die demographische Struktur der intensiven Wachstumsphase der mitteleuropäischen Bevölkerung im Mittelalter nur wenig bekannt ist, wurde die zweite, mit der Industrialisierung verbundene Wachstumsphase im 18. und 19. Jahrhundert relativ genau analysiert. Nach der „Theorie des demographischen Überganges"100 ist die Wachstumsrate der Bevölkerung grundsätzlich nicht längerfristig als Trend extrapolierbar; die Wachstumsrate ist vielmehr als Ergebnis komplexer sozioökonomischer und technologischer Veränderungen im Übergang von einem Zustand der Gesellschaft in einen anderen zu verstehen, im besonderen Fall der „zweiten großen Welle": von der vorwiegend ländlich-agrarisch zur vorwiegend städtisch-industriellen Wirtschaftsorganisation bzw. Produktionsweise. In den in der Entwicklung „fortgeschrittenen" Staaten Mitteleuropas und Nordamerikas ist der „demographische Übergang" bereits weitgehend abgeschlossen.
100
Davies, K., The World Demographic Transition; in: Annals of the American Academy of Political and Social Sience, 1945 Mackenroth, G., Bevölkerungslehre, Soziologie und Statistik der Bevölkerung, Berlin, Göttingen, Heidelberg, 1953
280
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Die in der Theorie des demographischen Überganges kombinierten Argumente können in einem 5-Phasen-Modell verallgemeinernd dargestellt werden: danach läßt sich der demographische Entwicklungsstatus verschiedener Gesellschaften typisieren und, daraus folgernd, die Bevölkerungsentwicklung unter Berücksichtigung des folgenden Status extrapolieren. (1) Die erste (Normal-)Phase kennzeichnet die Bevölkerungsentwicklung der Agrargesellschaft: relativ hohen Geburtenziffern stehen relativ hohe Sterbeziffern gegenüber. Variationen vor allem der Sterbeziffern sind durch temporäre Hungersnöte. Seuchen. Kriege usw. bestimmt; im Durchschnitt bleibt das Verhältnis zwischen Geburten und Sterbefällen jedoch konstant, es findet kein oder nur ein minimales Bevölkerungswachstum statt. Diese generative Struktur findet ihre Begründung im Wirtschafts- und Sozialsystem der Agrargesellschaft: hier ist die Möglichkeit zur Eheschließung an die Erlangung einer, nur in beschränkter Anzahl verfügbaren „Vollstelle" als Bauer oder (Handwerks-)Meister gebunden, die allein die ausreichende Ernährung von Frau und Kind garantiert. Hohe Sterblichkeit und hohe innereheliche Fruchtbarkeit bilden bestehende Größen innerhalb dieses Systems, so daß bei gleichbleibender Anzahl der „Vollstellen" auch die Bevölkerungszahl konstant bleibt. Nur bei Ausweitung des Nahrungsspielraumes (Kolonisation, Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität) kommt es zur entsprechenden Vermehrung der „Vollstellen" und damit auch zum Bevölkerungswachstum.
(2) In der zweiten Phase der beginnenden Industrialisierung kommt es zu einem starken Absinken der Sterbeziffern, bedingt durch die Auswirkungen technologischer Innovationen, die besonders die Lebenserwartungen der Kleinkinder und der älteren Menschen verbessern. Hingegen bleiben die Geburtenziffern konstant. Aus diesem geänderten Verhältnis von Geburten und Sterbefällen resultiert eine progressive Bevölkerungszunahme. Mit fortschreitender Industrialisierung werden für die aus der (ständig produktionsintensiver und arbeitskräfteextensiver werdenden) Landwirtschaft freigesetzte Bevölkerung immer mehr „Stellen" verfügbar, die eine Familiengründung und die Teilnahme am generativen Prozeß gestatten: schließlich hat jeder, der das fortpflanzungsfähige Alter erreicht - und es werden mit dem Sterblichkeitsrückgang immer mehr - die Chance zur Gründung einer Familie. Dabei wird vorerst das generative Verhalten der Agrargesellschaft - außerordentliche eheliche Fruchtbarkeit - tradiert, die hohen Geburtenraten bleiben erhalten (somit produzieren mehr Familien eine gleich hohe durchschnittliche Kinderzahl bei ständig sinkender Sterblichkeit).
(3) in der dritten Phase beginnt der Übergang zur Industriegesellschaft. Bei sinkender und allmählich stagnierender Sterbeziffer geht nun auch die Geburtenhäufigkeit zurück, woraus ein lineares Bevölkerungswachstum resultiert. Die veränderte Natur eines Arbeitsplatzes in der Industriegesellschaft wird in der zweiten und dritten Generation bewußt. Wirtschaftskrisen und Massenarbeitslosigkeit, die die Unsicherheit industrieller Arbeitsplätze deutlich machten, sowie die für eine größere Kinderzahl nicht tragbaren Lebens- und Ausbildungskosten führen zu einer relativen Verminderung der Geburtenrate durch die Kontrolle der Fruchtbarkeit, die jedoch auf dem Niveau eines bestimmten Geburtenüberschusses über der Sterberate liegt.
4. Regionalentwicklung
281
( 4 ) In der vierten Phase setzt sich der Rückgang der Geburtenhäufigkeit mit der Akzeptierung der neuen Werte verstärkt fort, so daß die Bevölkerung nun anstatt linear degressiv wächst: das bedeutet: abnehmende Geburtenüberschüsse. ( 5 ) D i e Bevölkerungsentwicklung in der fünften Phase ist gleichermaßen durch niedrige Geburten- und Sterbeziffern gekennzeichnet, wobei die Bevölkerungszahl nach der etwa ISO Jahre andauernden Phase des „Übergangs" wieder stagniert. Im Gegensatz zum alten Status der Agrargesellschaft bildet nun in der sogenannten Industriegeseilschaft die Sterbeziffer das stabilere Element, während die Geburtenhäufigkeit auf dem Niveau stark erhöhter Lebenserwartung relativen Schwankungen unterliegt. Man kann vermuten, daß die empirischen Befunde zum Bevölkerungswachstum im 18. und 20. Jahrhundert und die Argumente zu dessen Erklärung durch die „Theorie des demographischen Überganges" analog angewandt auch für die große mittelalterliche Bevölkerungswelle, gelten. D i e Befunde zur Bevölkerungsentwicklung und deren Erklärung mit Hilfe demographischer Modelle betreffen das regionale Niveau, hingegen wird der räumlichen Verteilung und Umverteilung der Mehrbevölkerung in diesen Ansätzen kaum Augenmerk geschenkt. Somit erscheint die Frage berechtigt, ob sich gerade mit der Analyse der Bevölkerungsverteilung im Siedlungsgefüge zusätzliche Argumente für die Bevölkerungsdynamik gewinnen lassen. E s steht jedenfalls fest, daß die Zeitabschnitte des relativ schnellen Bevölkerungswachstums in Mitteleuropa (11. —13. und 18.—20. Jahrhundert) zusammenfallen mit den Phasen intensiver Umverteilung der Bevölkerungsbestände und mit einer beschleunigten Agglomeration in bestehenden und in sich neu entwickelnden Städten. Historisch rückblickend kann es wohl als erwiesen gelten, daß die Agglomeration im Siedlungsgefüge (infolge des Wachstums schon bestehender und infolge der Entwicklung neuer Agglomerationen) immer einhergegangen ist mit der Entwicklung und Verbreitung neuer technischer, rechtlicher und auch politischer Organisationsformen 1 0 1 . I m Verlaufe der Ausbreitung von Innovationen hat sich unter den Standorten einer Region eine gewisse Rangfolge der Siedlungen herausgebildet; eine Rangfolge, in welcher j e n e m Standort, von dem die Innovation ausgeht, der größte Zugewinn an aktuellem Nutzungs- und Niederlassungspotential zukommt. Diese Zuwächse auch der individuellen standörtlichen Handlungsspielräume scheinen jedoch um so mehr abzun e h m e n , j e weiter - räumlich gesehen - die neuen Systeme der Infrastruktur und der Bodenordnung ausgebaut werden (vgl. T. Hägerstrand}01) und sich vom Ursprungsort der Innovation entfernen. N e b e n der aktuellen, nach ihrem Nutzungspotential bewerteten Rangfolge der Standorte im Siedlungsgefüge einer Region kann auch deren Entwicklung im geschilderten Sinn mit Hilfe der Rank-Size-Rule (vgl. bei G. K. Zipf) abgebildet werden. 101
102
vgl. dazu Linde, H. Die räumliche Verteilung der Bevölkerung als Ergebnis gesellschaftlicher Prozesse, in: Bevölkerungsverteilung und Raumordnung, Veröff. d. Akad. f. Raumforschung und Raumordnung, Band 58, Hannover 1970 H. W. Borries, Ökonomische Grundlagen der westdeutschen Siedlungsstruktur, Hannover 1969 Hägerstrand, T., Aspects of the Spatial Structure of Social Communication and the Diffusion of Information, in: Papers and Procedings of the Regional Science Association, Vol. 16,1966
282
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
D a b e i ergibt sich aus Zeitreihenuntersuchungen u . a . von B. J. Berrym, Verhältnis (Rank-Size-Strukturkoeffizient v)
daß das
p
P r = ——, wobei r
Pi = Bevölkerung der höchstrangigen Siedlung
(r= 1), Pi = Prnax r = R a n g der Siedlung (r = 1 . . . . R), Pr = P min
für alle beobachteten Regionen (mit relativ geringer Abweichung) innerhalb des gesamten Beobachtungszeitraumes (t = t 1 ; t 2 . . .) konstant bleibt. Ausgehend von der Vorstellung einer Siedlung als einer weitgehend als selbständige politische Einheit entscheidende räumliche Agglomeration von intensiv interagtereaden Wirtschaftssubjekten, gelten folgende empirischen Befunde der historisch orientierten Siediungsforschung: (1) die Wachstumsrate der Siedtungen nimmt mit ihrer Größe zu. (2) die Wahrscheinlichkeit mit der die Selbständigkeit einer Siedlung als politische Einheit aufgegeben wird, nimmt, je kleiner diese ist. zu, (3) die Bevölkerungsmigrationen sind eindeutig zu den größeren Siedlungen gerichtet. D i e s e Befunde nach der Rank-Size-Rule extrapoliert, führen zu einem Endzustand, nach welchem die gesamte Bevölkerung einer Region in einer einzigen integrierten Siedlung lebt. Dieser Agglomerationstrend, mit dem Endzustand
P min = Pl
=
Pües
kann, wie folgt, in einem um die Dimension Zeit erweiterten Rank-Size-Schema dargestellt werden. D e r Agglomerationsprozeß in der Regionalstrukturentwicklung ist in Wirklichkeit jedoch nicht, wie im Rahmen des Rank-Size-Schemas hier dargestellt, kontinuierlich verlaufend, sondern er wurde, entsprechend der skizzierten Bevölkerungsentwicklung als Entwicklungsrahmen, zeitweise besonders intensiv durch technologische und institutionelle Impulse angeregt; über lange Phasen beharrte er auf dem erreichten Niveau. Als technologische Ursachen der Agglomeration im Siedlungsgefüge gelten vor allem die gerätebezogenen und verfahrensmäßigen Fortschritte in der Landwirtschaft, im Bergbau, im warenproduzierenden Gewerbe sowie im Bereich des Handels. So war die Einführung der „DreiFelder-Wirtschaft" als neue Agrartechnologie zweifellos eine notwenige Voraussetzung für die Wachstumsphase der mitteleuropäischen Bevölkerung im 11. und 13. Jahrhundert. Gewissermaßen als Komplement zu dieser technologischen Innovation können die institutionellen Regelungen gelten, durch welche die mittelalterliche Stadtwirtschaft begründet wurde: die verliehenen Handels- und Münzprivilegien gleichermaßen wie die innerhalb der Städte entwickelte Zunft- und Gewerbeordnung. Daneben scheint der Ausbau von städtischen Standortvorteilen gegenüber dem Umland durch Wegebau und Grenzbefestigungen ebenso wie die Verbesserung der innerstädtischen Infrastruktur und der Bodenordnung vor allem an der Stärkung des privilegierten Status gegenüber dem nichtstädtischen Umland einerseits und an der Sicherung der individuellen Besitzstände innerhalb der städtischen Siedlungen andererseits orientiert gewesen zu sein. Nachdem die in der wirtschaftlichen und demographischen Wachstumsphase durch 103
Berry, B. J., City Size Distribution and Economic Development, in: Economic Development and Cultural Change, Vol. 9, 1961
4. Regionalentwicklung
283
R
Abb. 4.69.
Die hypothetische Entwicklung der Siedlungsstruktur dargestellt mit Hilfe des Rank-Size-Schemas bei fortschreitender Agglomeration
technische Innovationen und durch Aufhebung überholter Normen hinzugewonnenen Handlungsspielräume durch neue Rechtsordnungen (Zunftwesen, Territorialisierung des Handels, aber auch Ständeordnung und Migrationsrechte, Bauordnung u. a.) als individuelle Besitzstände neu zugeteilt, gesichert und ausgenutzt waren, hat sich das Siedlungsgefüge in Mitteleuropa für einen langen Zeitraum verfestigt.
So betrachtet, spiegeln sich im Zustand des Siedlungsgefüges nicht nur die sogenannten räumlichen Disparitäten in Einkommen und Besitz, Bildungsstand und Aufstiegschancen wider (wie es wohl am besten im Rank-Size-Schema dargestellt werden kann), der Zustand des Siedlungsgefüges ist zugleich Abbild von relativer Begünstigung bzw. Benachteiligung bestimmter Bevölkerungsgruppen bzw. Sozialschichten durch die gegebenen Rechtsordnungen im allgemeinen, ebenso wie durch den speziell geregelten Zugang zu den vorhandenen Infrastrukturen. Die sogenannte „industrielle Revolution" als Überbegriff für die intensive Wachstumsphase und den umwälzenden Strukturwandel der feudalistischen und bürgerlichen Gesellschaft in den beiden letzten Jahrhunderten verläuft in bezug auf die Veränderung des Siedlungsgefüges nach ähnlichen Mechanismen wie die in ihrem Ablauf skizzierte mittelalterliche Wachstumsphase: technische Innovationen (in den Bereichen Produktion und Infrastruktur ebenso wie im Konsumbereich und im Bereich der Daseinsvorsorge [Hygiene]) werden begleitet oder führen zur Aufhebung lange tradierter bürgerlicher Normen (wie die Stände- und Zunftordnung) und feudalistischer Grenzen (wie die Leibeigenschaft, die
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Heiratsbevormundung, die Einschränkungen in der Freizügigkeit, in der Berufswahl etc.). Statt für weitgehend (durch hoheitliche Privilegien) geschütze Gebiete wird nun für den anonymen Markt produziert, eine neue Geldordnung mit großen mobilen Kapitalien und Möglichkeiten zur Streuung des privaten Risikos (Versicherungswesen) erlaubt es, verbunden mit der neu gewonnenen Niederlassungsfreiheit, die entstandenen StandortVorteile zu nutzen. Diese neuen Standortvorteile treten vor allem in der Erschließbarkeit von und in der Verfügbarkeit über große Rohstofflager, große Arbeitskraftpotentiale aber auch in der Erreichbarkeit großer Absatzmärkte zu Tage. Die mit den neuen Standortvorteilen gewonnenen Handlungsspielräume induzieren neuerlich einen Agglomerationsschub, der bemerkenswerterweise weitgehend auf der bestehenden Siedlungsstruktur aufbaut.104 Damit erscheint besonders die Trägheit der investierten Infrastruktur und der verfaßten Bodenordnung im Wandel des Siedlungsgefüges evident. Ähnlich wie im Prozeß der mittelalterlichen Städtebildung ist auch die Agglomeration der Industrialisierungsphase begleitet von einer neuerlichen Vervielfältigung der spezialisierten (Ausbildungs-)Berufe, der wirtschaftlichen Funktionen und der normierten Produktarten; diese werden nun, ähnlich wie damals, noch während der Wachstumsphase in zunehmendem Maße mit Eigentumskategorien und Besitzstandsgarantien verbunden105 (neues Befugniswesen, Kammerzugehörigkeit als Voraussetzung für bestimmte Tätigkeiten, Gewerkschaftszuständigkeiten u. ä.). Dabei werden viele der gerade gewonnenen liberalen Marktprinzipien durch standortgebundene Privilegien (z. B. Befreiung von der Gewerbesteuer u. ä.) und Schutzgarantien (z. B. Ausfallbürgschaften), aber auch mit gebietlichen Versorgungspflichten für einzelne Betriebe gegenüber der „heimischen" Bevölkerung und Wirtschaft (z. B. Konsumgenossenschaften, Gesundheitsambulatorien) indirekt wieder umgestoßen und eine neuerliche Territorialisierung der wirtschaftlichen Verflechtung begründet. Die zunehmende Normierung der individuellen Handlungsspielräume (nicht zuletzt auch durch die Einkommenssteuergesetzgebung) führt vermutlich dazu, daß die wachstumsinduzierenden technischen und betrieblichen Innovationen mehr und mehr gebremst werden. Während demnach Aufschwungphasen von Agglomerationsprozessen im Siedlungsgefüge durch die Aufhebung tradierter Normen im Verein mit technischen Innovationen begründet zu sein scheinen, kann für deren Verzögerung (bis zum Stillstand) die Setzung neuer Normen (nach Ausreifung der induzierten technischen Innovationen) als Ursache gelten. Erst die Notwendigkeit, politische Krisen infolge sozialer Ungerechtigkeit zu vermeiden, führt vermutlich in der historischen Folge jeweils zu einer Phase beschleunigter Agglomeration, in der einzelne ihre Handlungsspielräume durch technische Innovationen (nach Auflassung diese behindernder Normen) zu erweitern verstehen und einer Phase, in der durch neugesetzte Normen mit dem technischen Fortschritt zugleich der Agglomerationsprozeß bis zum Stillstand verzögert wird. Diesen Ablauf illustrieren im Bereich der Landwirtschaft: die als Wirkung der Sozialund Bodenreformen106 ermöglichten technischen und betrieblichen Neuerungen (Geräteverbesserungen . . . Mechanisierung, Drei-Felder-Wirtschaft . . . chemische 104
105 106
vgl. dazu Borries v. H., ökonomische Grundlagen der westdeutschen Siedlungsstruktur, Hannover, 1969 vgl. dazu Linde, H., Die räumliche Verteilung der Bevölkerung als Ergebnis gesellschaftlicher Prozesse, in: Bevölkerungsverteilung und Raumordnung, Hannover, 1970 Auf diesen Zusammenhang weist besonders hin H. Linde, Die räumliche Verteilung der Bevölkerung als Ergebnis gesellschaftlicher Prozesse, in: Bevölkerungsverteilung und Raumordnung, Hannover, 1970
4. Regionalentwicklung
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Düngung und Schädlingsbekämpfung, genossenschaftliche Lagerhaltung und Vertriebswesen u. a.), die schließlich in die Sicherheit und Stabilität veranlassenden Normen zur Regelung des internationalen Preisgefüges („Marktregelung") münden. Für den Bereich des produzierenden Gewerbes und der versorgenden Dienstleistungen gilt eine analoge Verknüpfung technologischer und institutioneller Neuerungen, wenn es darum geht, einerseits über die Vergrößerung individueller Handlungsspielräume die Existenzbasis der Bevölkerung zu stärken und andererseits durch entsprechende Normen ein gewisses Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit zu garantieren. Zweifellos wirken sowohl die auf den eigenen Betrieb gerichteten Entscheidungen der Privaten und die auf das Sozialgefüge gerichteten politischen Maßnahmen über das Gefälle in der Verteilung der standörtlichen Handlungsspielräume auf die Agglomerationsdynamik; bildet sich doch im Gefälle in der Verteilung von standörtlichen Handlungsspielräumen (standörtliches Nutzungspotential und/oder standörtliche Versorgungsqualität) die relative Attraktivität der Standorte und damit die Migrationsbereitschaft ihrer Einwohner ab. Mit den Dimensionen „Erhöhung der Arbeitsproduktivität", „Vervielfältigung der vermarkteten Produktarten", „Vervielfältigung der wirtschaftlichen und sozialen Funktionen" hat der Agglomerationsprozeß im Siedlungsgefüge allerdings nicht nur positive Effekte gehabt: zwar wurden die Entfaltungsmöglichkeiten des einzelnen innerhalb der Agglomeration erheblich vermehrt; in den dünn besiedelten peripher gelegenen Gebieten haben sich die individuellen Handlungsspielräume jedoch eher verengt. Dabei haben neben der Niveauverminderung unter politischen Aspekten zusätzlich die Vergrößerung der Niveauunterschiede zwischen Agglomerationen und peripheren Gebieten, die sogenannten räumlichen Disparitäten, besonderes Gewicht: In der Aufschwungphase des Agglomerationsprozesses nehmen mit den räumlichen Disparitäten die sozialen Spannungen vermutlich zwangsläufig zu. Diesen Krisen mit einer Politik des zwischenstandörtlichen Chancenausgleiches durch entsprechende Infrastruktur- und Bodenordnungsmaßnahmen begegnend, müssen wohl auch Bremseffekte für die Entwicklung der Arbeitsproduktivität, der Artenmenge an vermarkteten Produkten und Funktionen (Spezialisierungsgrad) u. a. in Kauf genommen werden. Mit der Verminderung der räumlichen Disparitäten verringert sich dann konsequenterweise auch die regionale Mobilität der Bevölkerung: der Agglomerationsprozeß tendiert zu einem Stillstand. Zusammenfassend wird Agglomeration danach interpretiert als • lokale Anhäufung von Menschen, Sachen und Institutionen • lokale Konzentrationen von Kapital. Eigentumsrechten und Eigentumskonflikten • System vielfältig komplementärer und konkurrierender Wirtschaftssubjekte • Milieu für technische und soziale Innovationen ebenso wie für immer neue Störungen der natürlichen und sozialen Umwelt des einzelnen • Platz von sozialen Aufstiegschancen und sozialer Statusgefährdung • Ort besonderer privatwirtschaftlicher Gewinnchancen und gesellschaftlicher Erträge, aber auch erhöhten privaten Risikos und besonders hoher sozialer Kosten • Attraktionsort für das Umland im Hinblick auf sozial und ökonomisch begründete Begegnungen und Integrationsort für ethnische und kulturelle Unterschiede.
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4.6.2. Begriffliche Grundlagen der Agglomerationsforschung In der regionalwissenschaftlichen Makroanalyse der Agglomeration werden räumlich benachbarte Haushaltungen und Betriebe - aber auch höherrangige Wirtschaftssubjekte wie Gemeinden — zu Regionen zusammengefaßt, obwohl die bezeichneten Individuen im Aggregat Region durch ein jeweils eigenes Vermögen, durch einen jeweils eigenen Handlungsspielraum und ein eigenes Interesse ausgezeichnet sind. Während auf diese Weise die intraregionalen Austausch- und Konkurrenzbeziehungen der bezeichneten Wirtschaftssubjekte aus der Analyse ausgeblendet werden, rücken die Austauschbeziehungen zwischen den definierten Aggregaten der Kategorie „Region" als interregionale Faktor- und Güterströme ins Blickfeld des Betrachters. Grundsätzlich können die regionalen Grenzen der Aggregate - und daraus abgeleitet die interregionale Verflechtung — nach beliebigen Kriterien („natürlichen", „Homogenitäts"- und ,,Funktional"-Kriterien) gezogen werden. Aber nur dann, wenn die regionalen Grenzen des makroanalytischen Systems mit realen politischen Grenzen zusammenfallen, können die definierten Aggregate mit dem politischen Handlungsspielraum und mit dem politischen Interesse der Regierenden in Gebietskörperschaften bezüglich eines zweckmäßigen Mitteleinsatzes zur Förderung des interregionalen Faktor- und Güteraustausches und zur Erhaltung der politischen Besitzstände in Zusammenhang gebracht werden. Erst auf der Grundlage einer, den realen politischen Machtverhältnissen entsprechenden Regionenabgrenzung gewinnen interregionale Verflechtungsanalysen wie die regionalisierte Input-Output-Analyse und intraregionale Strukturanalysen, wie regionale Produktionsfunktionen, einen praktisch-politischen Aussagewert. Das bedeutet: Das Aggregat „Region", welches seiner auf private Interessen, Handlungen und Wirkungen bezogenen Eigenschaften entleert ist, kann dann die Grundlage bilden für die Mikroanalyse politischer Interessen, Handlungen und Effekte. In diesem Sinn erscheint eine Makroanalyse der Landschaftsstrukturentwicklung, in der politisch definierte Regionen mikroanalytisch wie private Wirtschaftssubjekte behandelt werden, besonders aussagefähig. Die regionalwissenschaftliche Makroanalyse hat sich u. a. in hohem Maße bewährt, um die Entstehung und die Entwicklung von Städten zu erklären. Darüber hinaus wurde durch die begriffliche Einführung der makroanalytischen Effekte, wie der „externen Effekte" und der „spill-over-Effekte" wesentlich dazu beigetragen, die Beziehung zwischen dem privaten Eigentum und den Politikinstrumenten zu verdeutlichen. Als „externer Effekt" gilt sowohl der unentgoltene Vorteil, den ein Wirtschaftssubjekt durch Maßnahmen anderer Wirtschaftssubjekte, insbesondere des Staates, erhält, als auch der Schaden, den es ohne Sanktion anderen Wirtschaftssubjekten, auch dem Staat, zufügt. Externe Effekte werden vor allem erklärt (1) aus Infrastruktureinrichtungen (im Besitz der öffentlichen Hände), deren Leistungen nicht eindeutig ihren Verbrauchern zugerechnet werden können und (2) aus der bestehenden Eigentumsordnung, welche die unentgeltliche Entnahme von Faktorleistungen aus fremdem Besitz zuläßt. „Spill-over-Effekte" sind jene besonderen externen Effekte, welche sich auf Leistungen und Schäden beziehen, die ohne Entgelt oder Sanktion über die Gebietsgrenzen politischer Körperschaften fließen.
4. Regionalentwicklung
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D i e Begriffe „externe" und „spill-over-Effekte" kennzeichnen die Möglichkeiten u n d P r o b l e m e , im R a h m e n der Makroanalyse der Agglomeration, Beziehungen zwischen e i n e m Element des regionalen Systems und seiner aggregierten Gesamtheit (auch: „Rest d e r Welt") auszudrücken. N e b e n den eigentumsrechtlichen Regelungen zwischen den privaten Wirtschaftssubj e k t e n gehen im regionalen Aggregat auch die technologischen Eigenschaften der verschiedenen (auf Grundstücke bezogen) standörtlichen Nutzungsfunktionen verlor e n . „Nutzung" wird in der Makroanalyse gleichsam auf die Kombination der F a k t o r e n A r b e i t und Kapital (gegebenenfalls differenziert in „privates" Produktionskapital und „öffentliches" Infrastrukturkapital) reduziert. Als Regionalprodukt solcher „Aktivit ä t " gilt in der Regel die Wertschöpfung in monentären Einheiten. Die Vielfalt der in einer Region im allgemeinen realisierten standörtlichen Nutzungsfunktionen wird in d e r Makroanalyse ersetzt durch die sogenannte Sektoralisierung der regionalen Aktivität. Mit d e r Zahl der einer regionalwissenschaftlichen Makroanalyse zugrundeliegenden Wirtschaftssektoren wächst der Datenerfassungs- und Verarbeitungsaufw a n d in ähnlicher Weise progressiv wie mit der Zahl der definierten Regionen, f ü r welche die Verflechtung kalkuliert wird. Die extremen Positionen einer d e n k b a r e n Skala f ü r makroanalytische Verflechtungsuntersuchungen sind
• das Eine-Region-Viele-Sektoren-Modell • das Viele-Regionen-Ein-Sektor-Modell D a s demnach relativ einfachste regionalwissenschaftlich-makroanalytische Modell beschreibt die Beziehungen einer Region („die Stadt" oder „die Agglomeration") zum „Rest der W e l t " („das U m l a n d " , „das Hinterland") durch eine „Zwei-Sektor-Wirtschaft". Diesem einfachen Schema entsprechen die sogenannten „Economic-Base"Konzepte. Komplexere Modelle beschreiben die Verflechtungen zwischen vielen (bis zu m e h r e r e n h u n d e r t ) Regionen und mehreren (bis zu 14) Sektoren. Im Zustand höchster Entwicklung sind in diesen Modellen (u. a. bei R. Thoss) kombiniert: (1) die interregionale Input-Output-Analyse, (2) das Konzept der regionalen (makroanalytischen) Produktionsfunktion und (3) die interregionale Güter- und Faktorstrombewertung mit Hilfe des Gravitationsansatzes. Die regiometrische Schätzung des schon formal sehr aufwendigen Systems von linearen (und auch nichtlinearen) Gleichungen (gegebenenfalls in Kombination mit als Ungleichungen in einem linearen Programm formulierten Normen) erreicht sehr schnell die Kapazitätsgrenze der verfügbaren Datenverarbeitungsanlagen. Die Konzeption entsprechender für die regionalpolitische Beratung geeigneter Simulationsmodelle erscheint noch als bedeutsame Zukunftsaufgabe. D e r Begriff „regionale Agglomeration" beschreibt zugleich (1) die regionale I n g l e i c h Verteilung von bestimmten sozio-ökonomischen Merkmalen (im Sinne von regionaler A n h ä u f u n g , Ballung, Konzentration) u n d (2) den P r o z e ß , der zur regionalen Ungleichverteilung führt: also die regionale Umverteilung sozio-ökonomischer Merkmale (im Sinne von regionaler Kontraktion, Verstädterung). 1 "
10,7
Müller, J. H., Ballung; in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Tübingen, 1979 Boustedt, O., Agglomeration; in: Handwörterbuch der Raumforschung und Raumordnung, 2. Auflage, Hannover, 1970
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In der einschlägigen Literatur unterscheiden sich die sozio-ökonomischen Merkmale, auf deren regionale Verteilung der Begriff Agglomeration bezogen wird, je nach Erkenntnisziel in hohem Grade. Zugleich erscheinen auch oftmals die zugrundegelegten Vorstellungen von „Agglomeration" sehr vage, wenn deren Wirkungen (wirtschafts- oder sozialbezogene Vorteile und Nachteile von Agglomerationen) detailliert werden. Aus diesen Gründen sind empirische Befunde aus der an sich recht umfangreichen wirtschaftswissenschaftlichen, geographischen und soziologischen Agglomerationsforschung meist nur schwer vergleichbar. Daß danach die Fehlinterpretationen der empirischen Befunde zu Mißverständnissen auf der Theorieebene führten, liegt sehr nahe. Besonders für die Ableitung von politischen Werturteilen erscheint es wichtig, auf welche sozio-ökonomischen Merkmale sich beispielsweise der aus einer regionalen Verteilungsanalyse ermittelte Befund der sozialen Ungerechtigkeit oder der herausragenden ökonomischen Entwicklungschance eines bestimmten Standortes stützt. Selbst wenn über die eine Agglomeration konstituierenden Merkmale Übereinstimmung bestünde (man nehme etwa an: [1] Menschen mit ihren Fertigkeiten und Präferenzen, [2] Sachen im Sinne von standortgebundenen Verfügungsrechten, Handlungs- und Unterlassungsanweisungen), dann ergäben sich beim Vergleich und bei der Messung von Agglomeration (beispielsweise mit Hilfe des Lorenzschen Konzentrationsgrades) immer noch quantitativ unterschiedliche (und sozialpolitisch unterschiedlich bewertbare) Befunde, je nachdem ob • gleichartige Merkmale, in ihrer Verteilung im einzelnen betrachtet, regional aggregiert und nach Dichte-Unterschieden im Sinne von Standortindikatoren bewertet werden (so daß Intensitätszonen homogener Raumeinheiten unterschieden werden können); • die Vielfalt von relevanten Merkmalen in ihrer Verteilung simultan betrachtet, regional aggregiert und somit über das Ausmaß der regionalen Merkmalsverflechtung die regionalen Verflechtungsunterschiede als Standortindikator bewertet werden (so daß Intensitätszonen funktionaler Raumeinheiten unterschieden werden können); • in der Leistungsabgabe (Regionalprodukt) die realisierten Kombinationen von regionalen Faktoren betrachtet und die daraus sich ergebenden regionalen Leistungsunterschiede bewertet werden; • in der Potenzmenge über die auf den einzelnen Standorten unmittelbar kombinierbaren (und damit verfügbaren und zugleich zugänglichen) Produktionsfaktoren der produktionsbezogene Handlungsspielraum der Standorte kalkuliert wird und im zwischenstandörtlichen Vergleich die intraregionalen Unterschiede dieses Standortindikators bewertet werden; • in der Potenzmenge über die auf den einzelnen Standorten mittelbar (von den Konsumenten zugänglichen und verfügbaren) kombinierbaren Güter der konsumbezogene Handlungsspielraum kalkuliert wird und im zwischenstandörtlichen Vergleich die intraregionalen Unterschiede dieses Indikators bewertet werden. Die Befunde aus der regionalen Verteilung dieser unterschiedlichen Standortindikatoren, die letztlich auf dieselben sozio-ökonomischen Merkmale zurückgeführt werden können, decken auf, daß beispielsweise die regionale Anhäufung einzelner standörtlicher Ausstattungsmerkmale (wie Anschlüsse an Straße, Wasser- oder Elektrizitätsversorgung) noch keine Aussage über die Verflechtungsintensität oder die relative Größe
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produktions- oder konsumbezogener Handlungsspielräume zulassen. Ähnliches gilt für die Höhe des auf einem Standort erzielten Produktionswertes. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, daß bei der sozialpolitischen Bewertung der Agglomerationsproblematik aufgrund bestimmter regionaler Verteilungsbefunde oftmals bewußt (parteiisch) oder unbewußt gleichgesetzt wird (1) die auf den Standorten erzielten Leistungen einerseits und (2) die auf den Standorten vorhandenen Entfaltungs- und Leistungsmöglichkeiten, Chancen und Handlungsspielräume bzw. die dafür zu zahlenden Standortpreise oder Nutzungsentgelte andererseits. Bei der sozialpolitischen Bewertung der regionalen Entwicklung im Sinne einer Umverteilung steht zunächst das Phänomen der Faktorenströme (Wanderung von Arbeitskräften, Transfers von Kapital und räumliche Diffusion von Wissen) nach Ausmaß und Richtung im Mittelpunkt des Interesses. Dabei wird dann häufig bewußt oder unbewußt in der Argumentation gleichgesetzt: (1) die zwischenstandörtlichen Niveauveränderungen von Leistungen oder Handlungsspielräumen auf der einen Seite und (2) die interpersonalen Niveauveränderungen im Einkommen oder im Handlungsspielraum auf der anderen Seite. Bei dieser Gleichsetzung wird übersehen, daß sich infolge von Migration die Unterschiede in der Einkommens- und Chancenverteilung über die Personen eines Gebiets angleichen können, während zugleich die Verteilung der Leistungen und Handlungsspielräume über die Standorte gleichbleibt oder ungleicher wird. Kurzum, es erscheint unter analytischen Gesichtspunkten bedenklich und unter politischen Aspekten irreführend, das sozialpolitische Gleichheits- oder Gerechtigkeitspostulat auf die Ausstattung von Räumen mit investiertem Realkapital (wie infrastrukturelle Gelegenheiten) zu beziehen, wenn es gilt, die Entfaltungsmöglichkeiten der Einwohner und Betriebe zu bewerten; stellt sich doch bei diesem Problem eher die Frage, unter welchen zugangstechnischen und verfügungsrechtlichen Bedingungen der einzelne das so oder anders über die Standorte eines Gebiets verteilte Realkapital nutzen kann (analoges gilt für die Verteilung des technischen Wissens).
4.6.3. Makroanalytische Erklärung der regionalen Agglomeration Theoriegeschichtlich beginnt die Erklärung des Agglomerationsprozesses mit dem einfachen „2 Sektoren - 1 Region Modell" und entwickelt sich in zunehmender Spezialisierung zu den „viel Sektoren - viel Regionen Modellen". Die Erklärung der Agglomeration hat im Rahmen der Regionalwissenschaft lange Tradition; sie läßt sich zurückverfolgen bis zur „Theorie der Städtebildung" von W. Sombart; seine Grundgedanken finden sich vor allem im sogenannten „Economic-Base-Konzept" und in der „Theorie der Wachstumspole" wieder. Ein anderer Argumentationsstrang zur Erklärung der Agglomeration beginnt mit der Begründung der räumlichen Arbeitsteilung, der Richtung der interregionalen Faktor- und Güterströme und der Erklärung, wie externe Effekte entstehen. Im „Economic-Base"-Konzept, dem formal wohl einfachsten makroanalytischen Modell in der Regionalwissenschaft, gilt die Stadt als durch ihre Gemarkungsgrenze definierte Region, deren Beziehungen zu ihrem zunächst Undefinierten Umland durch die aus der Stadt exportierten und/oder durch die von dort in die Stadt importierten Güter beschrieben werden. Die Struktur der städtischen Wirtschaft ist gekennzeichnet
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durch zwei Sektoren, (1) jenen, der die Exportgüter der Stadt erzeugt (Städtegründer, Fernbedarfstätige, Basics, . . .) und der somit einen die Stadtgrenzen überschreitenden Güterkreislauf speist und (2) jenen, der der städtischen Binnenversorgung dient (Städtefüller, Nahbedarfsttätige, non-basics, service-activities, . . .) und der somit einen „inneren" Güterkreislauf antreibt. Als erster hat Werner Sombart"*, auf diesem Begriffsschema aufbauend, die Stadtentwicklung begründet: V o n den „Städtegrändern", die die für die Stadt lebensnotwendigen landwirtschaftlichen Güter herbeiziehen können, unterscheidet Sombart die „Städtefoller", die durch Hilfs- und Dienstleistungen von den Städtegründern ihr Einkommen ableiten. „Sodann werden wir uns klar sein müssen darüber, daß es unter den ,städtegründenden' Menschen zwei wesentlich voneinander verschiedene Arten gibt: solche, die kraft irgendwelcher Macht, irgendwelchen Vermögens, irgendwelcher Tätigkeit selbstherrlich imstande sind, die für ihren Unterhalt erforderlichen Erzeugnisse des Landes herbeizuziehen: für ihren und vielleicht auch anderer Leute Unterhalt. Das sind die eigentlichen Städtegründer; die Subjekte der Städtebildung; die aktiven oder originären oder primären Städtebildner. Also ein König, der Steuern erhebt; ein Grundherr, dem gezinst wird; ein Kaufmann, der im Handel mit Fremden Profit macht; ein Handwerker, ein Industrieller, die gewerbliche Erzeugnisse nach auswärts verkaufen; ein Schriftsteller, dessen Schriften draußen vor den Toren gekauft werden; ein Arzt, der Kundschaft im Lande hat; ein Student, dessen Eltern an einem anderen Orte wohnen und der vom ,Wechsel' seiner Eltern lebt usw. Das sind Leute, die leben und leben lassen. Leben lassen: die anderen Städtebewohner, die nicht aus eigener Kraft die notwendigen Unterhaltsmittel (will sagen, Landeserzeugnisse) sich zu verschaffen vermögen, sondern die nur teilnehmen an denen der primären Städtebildner. Wir können sie bezeichnen als Städtefüller; als Objekte der Städtebildung; als passive oder abgeleitete oder sekundäre (tertiäre, quartäre usw.) Städtebildner, sekundäre Städtebildner sind sie, wenn sie unmittelbar ihren Unterhalt von einem primären Städtebildner beziehen: der Schuster, der dem König die Stiefel macht; der Sänger, der ihm seine Lieder singt; der Wirt, bei dem der Grundherr speist; der Juwelier, bei dem der Kaufmann seiner Geliebten den Schmuck kauft; der Theaterdirektor, in dessen Theater der Handwerker geht; der Buchhändler, der unserem Schriftsteller die Bücher liefert; der Friseur, bei dem sich unser Arzt rasieren läßt; die Phileuse, bei der unser Student sich sein Zimmer mietet, usw. Allgemein: Alle Gewerbetreibenden, alle Händler, alle liberalen Berufe, die den Bedarf der Städter selbst befriedigen, sind niemals Städtegründer, sondern Städtefüller." D i e Argumentationslinie des „Eine Region"-„Rest der Welt"-Modells weiterführend beschreibt W. Sombart dann die Einflußgrößen der Stadtentwicklung: „(1) Die Größe einer Stadt wird bedingt durch die Größe des Produkts ihres Unterhaltsgebiets und die Höhe ihres Anteils daran, den wir Mehrprodukt nennen können. (2) Bei gegebener Größe des Unterhaltsgebiets und (durch Fruchtbarkeitsgrad der Gegend oder Stand der landwirtschaftlichen Technik) gegebener Größe des Gesamtprodukts hängt ihre Größe von der Höhe des Mehrprodukts ab. Daher zum Beispiel unter sonst gleichen Umständen in despotischen Staaten mit einem hohen Ausbeutungskoeffizienten des Landvolkes größere Städte als in Ländern mit demokratischer Verfassung. (3) Bei gegebener Größe des Unterhaltsgebietes und gegebener Höhe des Mehrprodukts ist die Größe der Stadt bedingt durch die Fruchtbarkeit des Bodens oder den Stand der landwirtschaftlichen Technik. Daher fruchtbare Länder u. s. g. U. größere Städte haben können als unfruchtbare.
108
Werner Sombart, Der Begriff der Stadt und das Wesen der Städtebildung, Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik, 25, 1907
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(4) Bei gegebener Höhe des Mehrprodukts und gegebener Ergiebigkeit des Bodens ist die Größe der Stadt bedingt durch die Weite ihres Unterhaltsgebiets. Daher zum Beispiel die Möglichkeit größerer Handelsstädte; die Möglichkeit größerer Hauptstädte in größeren Reichen. (5) Die Weite des Unterhaltsgebiets ist bedingt durch den Entwicklungsgrad der Verkehrstechnik. Daher u. s. g. U. Fluß- oder Seelage auf die Ausdehnungsfähigkeit der Städte günstig wirkt und in einem Lande mit Chausseen - wiederum u. s. g. U. - die Städte größer sein können als dort, wo nur Feldwege sind, in einem Lande mit Eisenbahnen größer als wo nur Chausseen sind." Durch eine weitere Sektoralisierung der städtischen Wirtschaft nach Klassen produktspezifischer Absatzreichweiten wird das Economic-Base-Konzept von Walter Christallerangereichert um die Kategorie „Rang" und „Hierarchie", zur „Theorie der zentralen Orte" weiterentwickelt. Der empirische Gehalt des Economic-BaseKonzepts wird vor allem in Hinblick auf jene Interpretation bezweifelt, wonach im Export-Sektor der Schlüssel für das städtische Wachstum liege110 und wonach Kommunalpolitik primär den Export-Sektor zu fördern habe. Die bezüglich der Stadtentwicklung marginale Frage nach den Ursachen, die eine Unternehmung (unabhängig von den Transportkosten und Löhnen) veranlassen, sich in einer Agglomeration bzw. in einer Stadt niederzulassen, wird formal mit dem Begriff „Agglomerationseffekt" ähnlich behandelt wie die Frage nach der Stadtentwicklung insgesamt. Indem die möglichen Austausch- und Konkurrenzbeziehungen eines Betriebes zu seiner räumlichen Umgebung für verschiedene Standorte miteinander verglichen werden, können Agglomerationseffekte bewertet werden. Für Alfred Weber111 schaffen vor allem Infrastruktureinrichtungen (Bahnhöfe u. a.) oft Agglomerationsvorteile, indem sie konkurrierenden Betrieben bei gemeinsamer Nutzung Ersparnisse im Bezugs-, Fertigungs- und Absatzbereich ermöglichen. Agglomerationsvorteile, als besondere Form von „externen Effekten", entstehen auch im räumlich konzentrierten Angebot von Konkurrenten, indem dieses (beispielsweise wegen der Vergleichsmöglichkeiten) die Konsumenten in überproportionalem Maße anzieht. August Lösch1,2 unterscheidet Agglomerationseffekte zweckmäßig in (1) Vorteile der
Masse und (2) Vorteile der Mischung.
„Vorteile der Masse. Für die Erzeuger ergeben sich gemeinschaftliche Vorteile durch die Anhäufung einer mäßig großen Produktion, gleich welcher Art, an einem einzigen Ort. Einer der wichtigsten davon ist die Rentabilität eines Bahnhofs. Daneben sind bessere Straßen, billigere Versorgung mit Wasser und Elektrizität, Kanalisation, aber auch ein größerer Arbeitsmarkt usw. zu nennen. Vorteile der Mischung. Erstens, bei laufendem Absatz: Daß die Verbraucher insbesondere kleinere Einkäufe miteinander verbinden oder verschiedene Qualitäten nichtstandardisierter Güter vergleichen wollen, ist für die Stadtbildung nicht viel weniger wichtig als für das Entstehen besonderer Geschäftsviertel innerhalb der Stadt und von Warenhäusern innerhalb dieser Viertel. Ihr bloßes Nebeneinander senkt nicht bloß für die Erzeuger die Kosten (namentlich die allgemeinen), sondern erhöht auch die ihnen zufallende Nachfrage. Zweitens, bei Wirtschaftsschwankungen: Es ist für einen Ort günstig, wenn er Gewerbe beherbergt, deren jahreszeitliche 10
® Walter Christaller, Die zentralen Orte in Süddeutschland, Jena 1933 vgl. H. Blumenfeld, The Economic Base of the Metropolis, in: AIP-Journal, 1955 vgl. A. Weber, Über den Standort von Industrien, 1. Teil, Reine Theorie des Standortes, Tübingen, 1909 112 August Lösch, Die räumliche Ordnung der Wirtschaft, 2. Auflage, Jena, 1944 110
111
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oder wechsellägige Schwankungen sich nicht decken. Das erleichtert zwar nicht die Schwankungen selbst, aber ihre sie noch übertreibenden Nebenwirkungen für die unmittelbar betroffenen Industrien wie für das örtliche Handwerk und Handelsgewerbe. Drittens, bei Wirtschaftswandlungen: Strukturwandlungen der Wirtschaft werden leichter pariert, wo Interesse, Tätigkeit und Eigenschaften der Bevölkerung vielseitig sind."
Die Unterscheidung der Agglomerationseffekte in (1) „location economies" als Vorteil aus der räumlichen Konzentration gleichartiger, konkurrierender Betriebe und (2) „orbanization economies" als Vorteil aus der räumlichen Konzentration verschiedenartiger, komplementärer Betriebe durch Edgar Hoover und Walter Isard113 zielt in dieselbe Richtung. Die Definition von Agglomerationseffekten in Verbindung mit dem „EconomicBase-Konzept" ist Grundlage für die makroanalytisch angelegte „Theorie der Wachstumspole", mit welcher in jüngster Zeit ein großer Teil der regionalpolitischen Maßnahmen und Programme (Ausbau von „Schwerpunktregionen" und „Entwicklungsgebieten") begründet wird. Die Vorstellung, wonach ein Wachstumspol aus einer größeren Zahl eng verflochtener und räumlich konzentrierter Betriebe um eine „Schlüsselindustrie" besteht, führt zu der Annahme, daß — veranlaßt durch die Schlüsselindustrie — die Betriebe innerhalb des regionalen Wachstumspols schneller expandieren als außerhalb. Die „Theorie der Wachstumspole" entspricht im Argumentationsschema weitgehend dem „Economic-Base-Konzept", einzelne Aussagen lassen sich darüber hinaus jedoch unmittelbar mit A. Löschs114 Theorie der Landschaftsstrukturentwicklung (begründet aus der zunehmenden Arbeitsteilung) verbinden. Als ein bedeutender Schritt in der Regionalforschung erscheint in diesem Zusammenhang die Einführung des Gleichgewichtstheorems von Lösch und im besonderen von Edwin von Böventerm auf der Grundlage der sogenannten „raumdifferenzierenden Faktoren" (es sind dies: • die internen und externen Ersparnisse, • die Transportkosten und • die Bodenkosten). Verbunden mit der Erwartung, die regional differenzierte Entwicklung der Wirtschaft aufgrund von gesamtwirtschaftlichen Trends und von politischen Nonnen prognostizieren zu können, wurde die regionalisierte Input-Output-Analyse von Rainer Thoss1,6 methodisch mit linearen Programmen optimiert und zugleich die Strukturbefunde zu verschiedenen aufeinanderfolgenden Zeitpunkten rekursiv verknüpft. Bei der differenzierten Formulierung und empirischen Füllung des skizzierten
113 114
115 116
Walter Isard, Location and Space Economy, London und New York, 1956 Walter Isard, Location and Space Economy, London und New York, 1956 Perroux, F., Note on the Growth Pole Concept, in: Hrsg. Livingstone, Economic Policy for Developement, London 1971, engl. Übersetzung von Note sur les Notions des Poles de Croissance, Paris, 1955 E. v. Böventer, Theorie des räumlichen Gleichgewichts, Tübingen 1962 R. Thoss, Ein Vorschlag zur Koordinierung der Regionalpolitik in einer wachsenden Wirtschaft: in Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, 182 (1968/69)
4. Regionalentwicklung
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Rahmens" 7 erschienen die Bemühungen einer deutschen Forschungsgruppe besonders bemerkenswert: Ausgehend von einer räumlichen Gliederung der Bundesrepublik Deutschland in 79 Regionen und von einer Wirtschaftsgliederung in 14 Sektoren wurden ökonomisch geschätzt: • die Verwendung des nationalen Bruttoproduktionswertes nach Sektoren und Regionen • die Beiträge der nach Sektoren gegliederten Regionen zum Bruttoinlandsprodukt im wesentlichen mit Hilfe von regionalen Produktionsfunktionen des Cobb-Douglas-Typs'" • die interregionalen Lieferbeziehungen zwischen den nach Sektoren gegliederten Regionen mit Hilfe eines Gravitationsansatzes'" • die entsprechenden Lieferbeziehungen zum Ausland. In der makroanalytischen, regional differenzierten Betrachtung des Agglomerationsprozesses gelten Regionen als Individuen, wobei ihre (interregionalen) Beziehungen mikroanalytisch abgebildet werden. Die Regionen selbst sind Aggregate, denen eigene Leistungen aus bestimmten Faktorkombinationen (Arbeit, Kapital, technisches Wissen) zugeschrieben werden. Zur Beschreibung der intraregionalen Leistungen (Regionalprodukt) werden makroanalytische Produktionsfunktionen und zur Beschreibung der interregionalen Leistungen (Austauschbeziehungen, Verkehr) das Gravitationsmodell angewandt. Beim Vergleich der makroanalytischen Abbildung von intra- und interregionalen Strukturen erscheint an dieser Stelle die formale Ähnlichkeit der gewählten mathematischen Funktionen besonders erwähnenswert. Durch makroökonomische Produktionsfunktionen wird das Regionalprodukt, Y r , erklärt aus einer Kombination der Potentialfaktoren „Arbeit", A r , „Kapital", Kr und „technische Effizienz", T r : Yr = Tr • A? • K?, wobei Tr, a und ß als Parameter aufgefaßt und statistisch ermittelt werden. Nach Cobb und Douglas kann dabei für die Produktionselastizität angenommen werden: a + ß = 1 Durch das Gravitationsmodell wird die Verkehrsmenge zwischen zwei oder mehreren Regionen (im einfachsten Fall) erklärt aus einer Kombination der Potentialfaktoren „Bevölkerung der Region i", Pj, „Bevölkerung der Region j", Pj, und der „Effizienz des Verkehrssystems", Tij, (beziehungsweise der Inversen: „Transportkostenaufwand"). Vj = Tij • Pf • Pf, wobei Tij = dij*
117
1,8
vgl. W. Kirner, Ein interregionales Gesamtmodell für die BRD, in: DIW-Vierteljahresheft zur Wirtschaftsforschung, Berlin, Heft 2, 1972 und „Interregionales Gesamtmodell für die Bundesrepublik", DFG-Zwischenbericht, Münster 1975, unveröffentlicht. vgl. H. J. Schalk, Die Bestimmungen regionaler und sektoraler Produktivitätsunterschiede durch die Schätzung von Produktionsfunktionen, Münster, 1976 vgl. I. Lange, R. Leonardy, R. Funck (Forschungsleiter), Interregionale Güterverflechtung und regionalisierte Außenhandelsbeziehungen, Abschlußbericht zu einem DFG-Forschungsprojekt, Universität Karlsruhe, 1976
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a, ß und y werden auch hier als Parameter statistisch ermittelt, während djj unmittelbar als Distanz zwischen den Schwerpunkten der benachbarten Regionen i und j gemessen wird. Während in der makroökonomischen Produktionsfunktion die „technische Effizienz" als der die Potentialfaktoren „Arbeit" und „Kapital" kombinierende Faktor angesehen werden kann, gilt für die Effizienz des interregionalen Verkehrssystems Analoges. Die Elastizitätsparameter a und ß drücken hingegen für die zu kombinierenden Potentialfaktoren (entweder: Arbeit und Kapital oder: die Bevölkerungen der betrachteten Regionen) den jeweiligen Grad der Kombinierbarkeit oder Komplementarität aus. Während der Schätzung der Produktionselastizitäten, den Werten für a bzw. ß, besondere Bedeutung beigemessen worden ist, erscheint in der Produktionsfunktion vom Cobb-Douglas-Typ die „technische Effizienz" als Residualgröße, die als zeitabhängiger Niveauwert („technischer Fortschritt") pauschaliert wird. Anders bei der Schätzung des Gravitationsmodells: Hier wird das Analogon zu „technischer Effizienz der regionalen Produktion", die „Effizienz des interregionalen Verkehrssystems", Tjj, differenzierter analysiert, indem die gemessene interregionale Distanz mit einem gutspezifischen Eignungsparameter des Systems, y, gewichtet wird. Vernachlässigt wird bezüglich des Gravitationsmodells hingegen immer noch weitgehend das Problem der Potentialfaktoren-Elastizitäten, indem weitgehend unterstellt wird, daß die für die Verkehrsmenge bestimmenden Bevölkerungseigenschaften über die Regionen gleich verteilt sind (Annahme: a = ß). In Wirklichkeit erscheint die interregionale Komplementarität in besonderem Maße von der intraregionalen Nutzer- und Nutzungsstruktur abzuhängen; mehr als dies im Gravitationsmodell bisher berücksichtigt worden ist. Die bezeichneten Unterschiede in der Bewertung und Schätzung der Parameter ändern jedoch nicht die strukturelle Ähnlichkeit des Ansatzes zur Abbildung intra- und interregionaler Strukturen auf der Grundlage von Gleichgewichtsbedingungen. In beiden Ausprägungen desselben makroanalytischen Denkschemas erscheint die Frage nach der Abgrenzung (Definition) der Potentialfaktoren untereinander für die praktische Anwendung entscheidend; denn mit der Abgrenzung der Potentialfaktoren ändert sich in beiden Fällen sowohl die Binnenstruktur des Aggregats als auch die Beziehungen zwischen den Aggregaten (z.B. Distanz). Für die makroanalytische Erklärung der Agglomeration stehen sich vor allem zwei regionalwissenschaftliche Argumentationsweisen120 gegenüber: (1) die aus der allgemeinen neoklassischen Gleichgewichtstheorie ableitbare „Theorie des räumlichen Gleichgewichts" bzw. die „Theorie des ausgeglichenen regionalen Wachstums" und (2) die aus der „Theorie der kumulativen Effekte mit zirkulärer Verursachung" ableitbare „Theorie der Wachstumspole" bzw. die „Theorie des kumulativen Zentrenwachstums und des peripheren Verfalls" („Polarisationsmodell").
120
In seinem Aufsatz „Regional Growth Theory" (in: Urban Studies, 1975) hat E. v. Böventer diese beiden Argumentationsweisen im Sinne der folgenden Ausführungen verglichen und bewertet.
4. Regionalentwicklung
295
zu (1) neoklassische Argumentationsweise Kadi der neoklassischen Argumentation ist die Siedlungsstruktur das aktuelle Ergebnis von im Gleichgewicht stehenden Maifctkräften, betreffend das Angebot und die Nachfrage nach Gütern. Die einzelnen Wirtschaftssubjekte, so wird unterstellt, trachten danach, ihre Fertigkeiten und ihr Kapital dort einzusetzen, wo sie als Produktionsfaktoren am höchsten entlohnt werden, und ihre Güter dort zu erwerben, wo sie am billigsten angeboten werden. Dabei bestimmt die Grenzproduktivität der Faktoren und der Grenznutzen der Güter die Zahlungsbereitschaft von Produzenten und Konsumenten. In Wahrnehmung ihrer Interessen strömen Arbeits- und Kaufkräfte, aber auch flüssiges Kapital, zwischen Nachfrager- und Anbieterstandorten, bis die Preise bestimmter Faktoren und Güter überall gleich sind. Dies gilt allerdings nur, sofern die unterschiedlichen Standortqualitäten als Renten die standörtlichen Abweichungen von einem einheitlich gedachten Marktpreis erklären können. Damit es überhaupt zu jeder Zeit zu den interregionalen Faktortransfers kommen kann, müssen die Faktoren, also die Arbeitskräfte, das Kapital und das technische Wissen, als völlig mobil angesehen werden. Veränderungen der Ausgangslage, seien sie natürlich begründet - beispielsweise durch ein Wachstum der Bevölkerung —, seien sie technologisch begründet — beispielsweise durch innovatorische Investitionen - , seien sie auch institutionell — beispielsweise durch Begründung neuer Organisationen - begründet, immer wird es nach der Theorie des gleichgewichtigen Wachstums im interregionalen Vergleich zu gleichen Löhnen und Zinsen für entsprechende Leistungen kommen. In der „Theorie des räumlichen Gleichgewichts" sind somit über die Wa/rasianischen Rahmenbedingungen zum nutzenmaximierenden Verhalten der privaten Wirtschaftssubjekte in der dort angenommenen geographischen Einpunkt-Wirtschaft (Faktorpreisrelation = Grenzproduktivitätsrelationen, Güterpreisrelationen = Grenznutzenrelationen, gut- und faktorspezifisch: Angebot = Nachfrage) hinausgehend, folgende Kategorien berücksichtigt: • die Differenzierung der Wirtschaft nach Regionen Die Differenzierung der Wirtschaft nach Regionen erlaubt es, die wichtigsten Argumente der Außenhandelstheorie (B. Ohlin u. a.) über die Substitutivität von Faktor- und Gütermobilität zu übernehmen. Danach konnte (E. von Böventer u. a.) die Hypothese abgeleitet werden, daß sich die interregionalen Faktor- und Güterströme ausgleichen; im besonderen führt diese Annahme im Rahmen der neoklassischen Wachstumstheorie zu der Schlußfolgerung: bei einer Veränderung der regionalen Faktorausstattung (z. B. nach Erschließung neuer Ressourcen oder bei regional ungleicher Bevölkerungsentwicklung) verlaufen die Faktorströme, also die Migrationsströme von Arbeitskräften sowie Kapitaltransfers, in entgegengesetzter Richtung. Die interregionalen Faktorströme kommen dann ins Gleichgewicht (und somit zum Stillstand), wenn die Faktorpreisrelationen in allen verbundenen Regionen gleich sind. (Hierbei sind ein gleichbleibendes Konsumverhalten und interregional gleichbleibende Güterpreisrelationen zugrundegelegt.) • der Einfluß der Transportkosten auf Faktor- und Güterpreis Die regionalen Faktorpreis-Unterschiede werden ebenso wie die regionalen Güterpreis-Unterschiede aus der Lage der einzelnen Regionen bzw. aus den interregionalen Transportkosten-Relationen abgeleitet.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
• der Einfloß der internen Effekte (Großbetriebsvorteil) Die degressiv sinkenden Grenzkosten bzw. die degressiv steigenden Grenzersparnisse in der Produktion (wie sie für den Betrieb technologisch begründet werden) führen tendenziell zu Großbetrieben und somit zur räumlichen Agglomeration im Produktionsbereich für einzelne Güter; dies allerdings nur solange, wie die Großbetriebsvorteile durch die erhöhten Transportkosten bezüglich immer weiter entfernter Märkte nicht aufgewogen werden. produktionsbedingte Betriebseffekte gesamte Großbetriebsvorteile (interne Effekte) 1 ' opt. Betriebsgröße
^
Betriebsgröße
transportbedingte Betriebseffekte Abb. 4.70. Interne Effekte abhängig von der Betriebsgröße
Bei gegebener regionaler Nachfrage und bei gegebenen interregionalen Transportkostenrelationen kann für jede Produktionstechnologie eine kostenminimale regionale Verteilung von Betrieben entsprechender Größe abgeleitet werden. Ist die Nachfrage nach dem betrachteten Gut regional gleichverteilt, dann ergibt sich (unter Vernachlässigung externer Effekte) für jeden Produktionsbetrieb ein ihn umgebendes, jeweils gleichgroßes Absatzgebiet; die Grenzen der Absatzgebiete bilden ein gleichförmig-sechseckig-gemustertes Netz (wie es im Rahmen der „Theorie der zentralen Orte" von W. Christaller abgeleitet worden ist). In der Realität bestehende unterschiedliche Betriebsgrößen und unterschiedlich große Absatzgebiete für dieselbe Produktionstechnologie erklären sich aus der regionalen Ungleichverteilung der Ressourcen (Einfluß auf die Zulieferungs-Transportkosten) und aus der regionalen Ungleichverteilung der Nachfrage (Einfluß auf die Absatz-Transportkosten). • der Einfluß der externen Effekte (betriebsexteme Vor- und Nachteile der regionalen Agglomeration) Sieht man ab von den regional ungleich verteilten Ressourcen und von der Möglichkeit, Großbetriebsvorteile zu erzielen, dann wird im Rahmen der „Theorie des räumlichen Gleichgewichts" (E. von Böventer u. a.) die Existenz von Agglomerationen im Siedlungsgefüge vor allem aus der Bedeutung der externen Effekte abgeleitet. Ohne daß deren unterschiedliche Entstehung am Ursprung technologisch erklärt wird, nehmen die meisten einschlägigen Theoretiker an, daß für die verschiedenen Betriebe innerhalb von Agglomerationen daraus Standortvorteile erwachsen, daß sie die Nähe zu komplementären Betrieben („urbanization economies") nutzen können, oder daß Betriebe der gleichen Branchen gemeinsam aus großen Lagern, Infrastrukturkapazitäten oder Märkten Vorteile ziehen können („localization economies"). Als Standortnachteile in Agglomerationen gelten im allgemeinen die zwischenbetrieblichen Behinderungen durch Schadensströme sowie
4. Regionalentwicklung
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überbetriebliche hoheitliche Normen mit regionaler Geltung (Normen des Umweltschutzes, der Bodenordnung und andere Rechtsverhältnisse, die auf dem Bodenmarkt ihren Niederschlag haben), welche die standörtlichen Handlungsspielräume der Wirtschaftssubjekte einschränken. Meist wird ohne Unterscheidung nach Branchen oder Sektoren unterstellt, daß die über alle Betriebe einer Agglomeration aggregierten besonderen Standortvorteile („positive externe Effekte") von einer bestimmten Siedlungsgröße an degressiv zunehmen, daß hingegen die entsprechenden Standortnachteile der Agglomeration („negative externe Effekte") mit ihrer Größe progressiv wachsen. kommunikationsbedingte externe Effekte gesamte externe Effekte
opt. Siedlungsgröße
Siedlungsgröße
behinderungsbedingte externe Effekte Abb. 4.71.
Externe Effekte abhängig von der Siedlungsgröße im Sinne der „Theorie des räumlichen Gleichgewichts"
Das „externe-Effekte-Argument" hilft wesentlich, die Multifunktionalität (Vielfeit, Mischung und Verflechtung verschiedenartiger Betriebe) von Agglomerationen makroanalytisch zu begründen. Unerklärt bleiben hingegen zunächst die existierenden Siedlungsgrößenunterschiede, zu denen der Befund des S i e t e p gröfen-Opthmmis im Widerspruch zu stehen scheint. Erst eine mikroanalytische Betrachtung führt wohl zu einem variablen Siedlungsgrößen-Optimum: Indem die unterschiedlichen Kostenfunktionen der Betriebe mit ihren unterschiedlich großen optimalen Absatzgebieten (und ihren unterschiedlichen Lieferbedingungen) in die Betrachtung einbezogen werden, kann zunächst auf optimale Betriebskombinationen bzw. Sektorstrukturen innerhalb der Agglomerationen und schließlich auf eine kostenminimale Siedlungsstruktur (mit unterschiedlich großen Agglomerationen) im Sinne der Theorie der zentralen Orte geschlossen werden. Um den Wert der neoklassischen „Tlieorie des räumlichen Gleichgewichts" für die Erklärung der Siedlungsstrukturentwicklung (also der Agglomeration als Prozeß interpretiert) einzuschätzen, ist es wichtig, sich bewußt zu machen, welche Kategorien der Siedlungsstruktur als unveränderlich bzw. als vorgegeben angesehen werden. Dies sind im besonderen: • die Annahme unveränderbarer (auch unerschöpflicher) Ressourcen in den einzelnen Regionen Durch die Annahme, daß die Ressourcen in den Regionen festliegen, in einer bestimmten Menge für einen Undefinierten Zeitraum nutzbar sind und genutzt werden, ist eine Dynamisierung der Siedlungsstruktur durch Erschließung neuer
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Teil A: Raumpianungsbezogene Regionalanalyse
Ressourcen oder durch die Erschöpfung lange Zeit verfügbarer im Modell theoretisch ausgeschlossen. • die Annahme einer gegebenen Infrastruktur und gegebener Bodenordnung Mit dieser Annahme sind die interregionalen und intraregional die zwischenstandörtlichen Austauschbeziehungen im Transportbereich sowie die Eigentumsverhältnisse festgeschrieben; es wird die tatsächliche Veränderbarkeit der Transport- und Produktionsbedingungen durch Beeinflussung der Standortgunst mittels staatlicher Infrastrukturinvestitionen und mittels staatlicher Eigentumsregelungen (Widmungen u. ä.) vernachlässigt. Bedeutsam erscheint dieser Mangel bei den Bemühungen, die Theorie des räumlichen Gleichgewichts hin zu einer Theorie des regionalen Wachstums zu dynamisieren. • die Annahme gleicher interregionaler Mobilität der Faktoren (Vernachlässigung von Reaktionszeiten bei den Faktoreigentümern) Im Rahmen der neoklassischen Theorie des regionalen (gleichgewichtigen) Wachstums wird unterstellt, daß die Wirtschaftssubjekte ohne jegliche Zeitverzögerung ihren Vorteil erkennen und wahrnehmen. Das bedeutet: Bei Entscheidungen über Kapitalinvestitionen, Abwanderungen von Arbeitskräften und Verwertungen neuen Wissens wird eine unendlich große Reaktionsgeschwindigkeit zugrundegelegt. Selbst die weniger restriktive Annahme einer über alle Faktoren gleichen interregionalen Mobilität ist sehr unrealistisch. Bei der Kritik an der Theorie des regional gleichgewichtigen Wachstums spielt neben der Vernachlässigung des öffentlichen Sektors die Annahme einer gleichen interregionalen Mobilität aller Faktoren eine große Rolle. Es ist zu überprüfen, ob durch die Aufhebung dieser einschränkenden Bedingungen die wichtigste Schlußfolgerung aus dem neoklassischen Ansatz, daß nämlich interregionale Kapitaltransfers, Arbeitskraftmigrationen und die räumliche Diffusion von Innovationen über eine Angleichung der regionalen Grenzproduktivität auch die regionalen Wohlstandsunterschiede tendenziell nivellieren, noch aufrecht erhalten werden kann. zu (2) polarisationstheoretische Argumentationsweise Während die Theorie des räumlichen Gleichgewichts angelegt ist, um die vorhandene Siedlungsstruktur als Ergebnis (ihr innewohnender) einzelwirtschaftlich determinierter Marktkräfte (analog zu dem physikalischen Axiom actio = reactio) darzustellen, wollen die Autoren des polarisationstheoretischen Ansatzes das Wirken gleichsam externer Kräfte auf das Objekt Siedlungsgefüge (interpretiert als räumliche Verteilung von einzelwirtschaftlichen Aktivitäten) abbilden. Damit werden die im neoklassischen Ansatz angenommenen einschränkenden Bedingungen (insbesondere die Annahme der Absenz des Staates sowie die Annahme völliger bzw. gleicher Mobilität aller Faktoren) zu jenen Variablen, die mit Hilfe der polarisationstheoretischen Argumentation erklärt werden könnten. Entgegen den Erwartungen aus der Gleichgewichtstheorie stellte zunächst G. Myrdal121 fest, daß die regionalen Wohlstandsunterschiede (Disparitäten) sowohl im internationalen Maßstab (reiche Länder/arme Länder) als auch im intranationalen Maßstab (städtische Ballungsräume/periphere landwirtschaftliche Gebiete) tendenziell zunehmen, wenn nicht vom Staat (bzw. von den Staaten) interveniert wird. 121
vgl. Myrdal, G., Ökonomische Theorie und unterentwickelte Regionen, 1959, Übersetzung von „Economic Theory an Underdeveloped Regions, London 1957
4. Regionalentwicklung
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Die von Gunnar Myrdal begründete „Theorie der kumulativen Prozesse mit zirkulärer Verursachung" basiert auf der Hypothese: Die Einflußgrößen der regionalen Entwicklung regen sich wechselseitig an („zirkuläre Verursachung") und verstärken im einzelnen die Wirkung der anderen („kumulative Wirkung") in derselben Richtung. Danach ist die Ursache der sogenannten kumulativen Effekte die Verknüpfungvon Entwicklungsdeterminanten und Entwicklungsergebnissen im Sinne einer verstärkenden Rückkoppelung. Indem G. Myrdal die der neoklassischen Außenhandelstheorie zugrundeliegende Annahme von der Immobilität der Faktoren kritisiert, begründet er im Rahmen seines 2-Faktoren/2-Regionen-Modells die regionalen Kontraktionstendenzen folgendermaßen: Eine Region mit großem Realkapitalstock im industriellen Bereich bietet bei hoher Arbeitsproduktivität hohe Löhne (Agglomeration). Die zugleich erzielbare hohe Kapitalsparquote ermöglicht in der Ballungsregion zusätzliche Investitionen, welche dort in immer neuen wirtschaftlichen Aktivitäten, rentabel angelegt, zugleich zusätzliche Arbeitsplätze generieren. Hingegen verfügen landwirtschaftlich dominierte Regionen mit kleingewerblicher Struktur über sehr viel weniger (und weniger konzentriertes) Kapital; Arbeitsproduktivität und die Löhne sind entsprechend geringer; eventuell erspartes Kapital ist wegen der kleinen Märkte nur schwer im Rahmen neuer wirtschaftlicher Aktivitäten rentabel zu investieren. Werden die Hemmnisse der interregionalen Faktormobilität durch den Abbau von Zöllen oder durch den Ausbau von Verkehrswegen verringert, dann wird die reiche Region bzw. die Agglomeration daraus in höherem Ausmaß profitieren. Dies geschieht, indem einerseits die großen Betriebe der Agglomeration ihre bestehenden Produktionsvorteile ebenso wie ihre bestehende Marktposition ausnutzen, um durch die Zerstörung des konkurrierenden Kleingewerbes in den landwirtschaftlichen Gebieten ihre Produktions- und Marktbedingungen weiter zu verbessern. Die höheren Löhne in der Agglomeration stimulieren andererseits die Arbeitskräfte aus Kleingewerbe und Landwirtschaft abzuwandern und damit den dort noch verbleibenden Betrieben durch Verkleinerung des lokalen Marktes schrittweise die wirtschaftliche Existenzgrundlage zu entziehen (soziale Erosion). Wegen der so verursachten unterschiedlichen Kapitalrentabilität fließen schließlich auch die Ersparnisse der ländlichen Gebiete in die Agglomeration, wo sie, innovativ eingesetzt, den Entwicklungsvorsprung (und die ökonomische Macht) der Agglomeration vergrößern. Solange staatliche Interventionen ausbleiben, erklärt G. Myrdal's Ansatz einen Prozeß, in welchem immer weniger Regionen immer reicher und immer mehr Regionen immer ärmer werden, bis schließlich ein Zustand erreicht ist, bei welchem sämtliche ökonomischen Mittel in einer Region konzentriert sind. Allan Predm hat, aufbauend auf Myrdal's theoretischem Konzept, das Wachstum von Gemeinden infolge von Betriebsniederlassungen folgendermaßen dargestellt: 122
vgl. Pred, A., Industrialization, Initial Advantage and American Metropolitan Growth, The Geographical Review, 1965
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
„Stellen wir uns die (geplante oder durch Zufall erfolgte) Niederlassung eines oder mehrerer größerer Betriebe in einer Gemeinde vor. In einem bestimmten Zeitraum wird dieses Ereignis zwei zirkuläre Prozesse auslösen: (1) Durch die neuen Betriebe als auch durch die Kaufkraft ihrer Arbeitskräfte wird diese neue lokale Nachfrage zur Entstehung neuer Geschäfte, Serviceeinrichtungen, Handels- und Baubetrieben, Transportleistungen und vielfältigen „whitecollar-jobs" führen. Damit wächst die Bevölkerung der Gemeinde und führt möglicherweise zur Erreichung neuer lokaler oder industrieller „threshholds". Diese höherrangigen „threshholds" unterstützen sowohl die Einführung neuer Produktionstechnologien als auch die Niederlassung zusätzlicher Betriebe, wodurch möglicherweise wiederum höherrangige „threshholds" erreicht werden. (2) Gleichzeitig entsteht ein zweiter Prozeß mit zirkulären Reaktionen, der den vorher beschriebenen verstärkt. Seine Ursachen liegen im zunehmend komplexeren Netz der interpersonalen Kommunikation und Konfrontation, welches mit einer zunehmenden Bevölkerungsdichte verbunden ist. Die exponentielle Zunahme der wirtschaftlichen Beziehungen bei steigender Zahl der Arbeitskräfte in Produktion und Dienstleistung vergrößert sowohl die Chance zu technologischen Verbesserungen und Erfindungen als auch die Wahrscheinlichkeit der Übernahme effizienterer Managementmethoden, sie beschleunigen und ermöglichen so die Verbreitung neuer Fertigkeiten und neuen Wissens im allgemeinen und jenes durch neue Zuwanderer aus anderen Regionen im besonderen. Dadurch nimmt die Zahl der Beschäftigten und der Wohnbevölkerung weiter zu und der zirkuläre Prozeß setzt sich fort." Wenn auch im Rahmen des polarisationstheoretischen Ansatzes die wechselseitige Stimulierung der Faktorströme (insbesondere bezogen auf die Faktoren Arbeit und Kapital) in Richtung auf die Agglomeration stärker betont wird, so werden neben diesen (negativen) Auszehnings-(„backwash")efFekten für die landwirtschaftlich dominierten Regionen doch auch die von den Agglomerationen ausgehenden (positiven) Ausbreitungs-(„spread")effekte anerkannt. Allerdings wird von den meisten polarisationstheoretischen Autoren betont, daß ohne staatliche Interventionen bzw. ohne internationale Vereinbarungen die Auszehrungseffekte nicht von den entgegengerichteten Ausbreitungseffekten (Ströme höherentwickelter Güter und betrieblicher Innovationen) aus den Agglomerationen zu den peripheren Gebieten ausgeglichen würden. Somit wird es im polarisationstheoretischen Ansatz dem Staat bzw. internationalen Organisationen zur Aufgabe gemacht, das (im Rahmen der neoklassischen Theorie postulierte) räumliche Gleichgewicht durch entsprechende, dem Marktprozeß entgegengerichtete regionalpolitische Maßnahmen herzustellen bzw. zu regeln. Als eine für die Raumordnungspolitik unter diesem Aspekt hilfreiche Argumentation wurde vielfach die von F. Perrouxm begründete sogenannte Wachstumspoltheorie angesehen.
123
vgl. Perroux, F., Note on the Growth Pole Concept, in: Livingstone (hrsg.) Economic Policy for Development, London, 1971
4. Regionalentwicklung
Abb. 4.72. Wachstum der Gemeinde als kumulativer Prozeß (nach A. Pred)
301
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Teil A: Raumplanunusbezogene Regionalanalyse
Die Theorie der Wachstumspole beruht auf der Beobachtung, daß wirtschaftliches Wachstum nicht gleichmäßig überall und zu jeder Zeit stattfindet. Wirtschaftliches Wachstum wird vielmehr schubweise in wenigen Orten, den sogenannten Wachstumspolen, durch technische und organisatorische Innovationen induziert. Von den Polen breitet sich Wachstum in verschiedenen Kanälen aus und führt gesamtwirtschaftlich zu unterschiedlichen Effekten. Diese Beobachtungen gehen zurück auf die Annahmen Schumpeter's, denenzufolge die wirtschaftliche Entwicklung keine organische Einheit ist, sondern aus Elementen mit relativ selbständigen Eigenentwicklungen besteht. Perroux folgt aus Schumpeter's These der technologischen und organisatorischen Innovation als Ursache der Entwicklung,124 daß zu unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils bestimmte „Innovationsindustrien" die Entwicklung tragen. Das zunächst sektoral definierte Wachstum wurde von Perroux standortbezogen einer „führenden Firma" oder einer Industrie von bedeutender Größe mit einem hohen Grad an Verflechtungen mit anderen Firmen/Industrien und bedeutender Dominanz der führenden Firmen/Industrien zugeschrieben.
Aus der Beobachtung überproportional wachsender Sektoren wurde auf eine entsprechende regionale Entwicklung in der Form von räumlichen Wachstumspolen geschlossen und, vice versa, ein regionaler Wachstumspol als treibende Kraft des wirtschaftlichen Entwicklungsprozesses betrachtet. Für manche raumordnungspolitischen Konzepte, deren Ziel Vorstellung über die regionale Verteilung der Aktivitäten an der Theorie der zentralen Orte orientiert sind, gilt die Wachstumspol-Argumentation, um die Ansiedlung bestimmter „innovationsträchtiger" Betriebe auf bestimmten Standorten im ländlichen Bereich staatlich zu subventionieren; dies, um in wachstumsarmen Regionen (landwirtschaftlich dominiert oder mit überalteten Industrien besetzt, peripher gelegen) einen Wachstumspol mit öffentlichen Mitteln zu gründen.125 Vergleicht man die Annahmen, auf denen einerseits die neoklassische „Theorie des räumlichen Gleichgewichts" bzw. die „Theorie des ausgeglichenen regionalen Wachstums" und andererseits die polarisationstheoretischen Ansätze126 beruhen, dann ergibt sich eine gegensätzliche Interpretation bezüglich • der externen Effekte, • der Faktormobilität und deren Wirkung und • der Rolle des Staates. zu (1) die Annahme über den Einfluß der Siedlungsgröße auf die externen Effekte Im Rahmen der polarisationstheoretischen Argumentation wird neben den aus dem neoklassischen Konzept bekannten externen Betriebsvorteilen besonders auf die Chancen zur Innovation im Betrieb hingewiesen. Während unterstellt wird, daß die betrieblichen Innovationschancen (aus Fühlnngsvorteilen im Sinne von A. Lösch resultierend) mit der Siedlungsgröße wachsen, wird der Einfluß negativer externer Effekte kaum beachtet. Somit ergibt sich im Gegensatz zur neoklassischen Theorie kein betriebliches Siedlungsgrößen-Optimum.
124 125 m
vgl. Schumpeter, ]., Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig, 1912 vgl. Buttler, F., Entwicklungspole und räumliches Wirtschaftswachstum, Tübingen, 1973 vgl. Buttler, F., Gerlach, K., Liepmann, P., Grundlagen der Regionalökonomie, rororo, Hamburg, 1977
4. Regionalentwicklung
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theorie
zu (2) die Annahme der gleichgerichteten regionalen Mobilität der Faktoren Arbeit und Kapital Erst über den im Rahmen des polarisationstheoretischen Ansatzes unterstellten Vorteil eines größeren Innovationspotentials in den Agglomerationen kann begründet werden, daß die Grenzproduktivität sowohl der Arbeit als auch des Kapitals in Agglomerationen größer ist als in dünner besiedelten Gebieten; erst mit diesem Argument werden die regionalen Mobilitäten der Faktoren Arbeit und Kapital gleichgerichtet. Da die räumliche Diffusion von Innovationen — so wird argumentiert - von den Agglomerationen ausgehend, zeitlich mehr verzögert sei als interregionale Ströme von Arbeitskraft und Kapital, werde der kumulative Prozeß im Siedlungsgefüge endogen kaum gebremst.127 zu (3) die Annahme über die regionales Wachstum induzierende Funktion des Staates Im Gegensatz zum neoklassischen Ansatz, wo nur Beziehungen zwischen rechtlich gleichgestellten Wirtschaften betrachtet werden, ist im polarisationstheoretischen Ansatz die staatliche Organisation in der Weise konstitutiv berücksichtigt, daß Gebietskörperschaften einerseits als Aggregat der privaten Wirtschaftssubjekte im betrachteten Gebiet gelten, daß jedoch andererseits Gebietskörperschaften diskrete Entscheidungen fällen, von denen einzelne private Wirtschaftssubjekte (als Elemente des Aggregats) betroffen sind. Unter diesem Aspekt können einzel- und gesamtwirtschaftliche (staatliche) Ziele und Mittel entgegengerichtet wirken. Dem Staat kommt so gesehen in Verlängerung der neoklassischen Argumentation die Funktion zu, mit seinen Mitteln (Infrastrukturinvestitionen, Eigentumsregelungen) dafür zu sorgen, daß überall (und nicht nur irgendwo) für gleiche Faktorleistungen gleiche Faktorentgelte bezahlt werden.12"
127
la
vgl. hierzu Siebert, H., Regionales Wirtschaftswachstum und interregionale Mobilität, Tübingen, 1970 vgl. hierzu Jochimsen, R., Theorie der Infrastruktur, Tübingen, 1966
304
Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Synthetische Bewertung der Theorie des gleichgewichtigen regionalen Wachstums und des polarisationstheoretischen Ansatzes In beiden Theorien wird die regionale Wohlstandsverteilung und deren Entwicklung behandelt. Dabei erscheint es als besonders bemerkenswert, daß (in der Tradition der Makroökonomie) jeweils das Aggregat Region mit einzelwirtschaftlichen Zielen, wie Maximierung der regionalen Produktionsfunktion oder mit sozialen Eigenschaften eines Individuums, wie arm oder reich belegt wird. Dies geschieht im einen wie im anderen theoretischen Entwurf, ohne daß der personale Rechtscharakter der Region reflektiert wird, um diesen dann als methodische Anweisung in der empirischen Bewertung entsprechend umsetzen zu können. Hier scheint eine Quelle für Mißverständnisse bei der Interpretation des Realitätsgehaltes der beiden Theorien zu liegen. Vor allem, wenn die soziale Position von privaten Wirtschaftssubjekten beschrieben wird, sollte bewußt bleiben, daß Aggregate wie „arme Region" oder „reiche Region" jeweils eigene Binnenverteilungen des Wohlstandes über die Einwohner umfassen. (In den sogenannten „reichen Regionen", also in den Agglomerationen, leben in der Regel viele arme Menschen, es gibt dort viele kärglich wirtschaftende Betriebe usw., in den sogeannten „armen Regionen", also in den peripher-ländlichen Gebieten, gibt es in der Regel auch durchaus wohlhabende Einwohner.) Wenn die Regionalisierung der Wirtschaft für die Bewertung der Wohlstandsverteilung sinnvoll sein soll, dann sollte sie primär auf die Kompetenzen von Gebietskörperschaften bezogen werden. Auf dieses politisch definierte regionale Aggregat beziehen sich deren politische Ziele. So gesehen bedeutet „arme Region" bzw. „reiche Region" jedoch vor allem: kleiner bzw. großer Handlungsspielraum von Regierenden in Gebietskörperschaften. Erst über die Frage, in welchem Umfang die Handlungsspielräume der privaten Wirtschaftssubjekte von den politischen Handlungsspielräumen in ihren Gebietskörperschaften (etwa in der Dimension „Veränderbarkeit der Standortqualität") beeinflußt werden können, wird die regionale Aggregation für die Bewertung der Wohlstandsentwicklung auf der Ebene der privaten Wirtschaftssubjekte relevant. Unter dynamischen Aspekten impliziert die Veränderung der regionalen Wohlstandsverteilung durch interregionale Faktorströme im allgemeinen • eine Vergrößerung der individuellen Handlungsspielräume bei jenen Aktiven, die sich für einen interregionalen Faktortransfer (Abwanderung der Arbeitskraft, transregionale Investition oder Wissenstransfer) entschieden haben, • eine Vergrößerung der individuellen Handlungsspielräume bei jenen Passiven, zu denen durch Entscheidung anderer, nutzbare Faktoren oder Güter transferiert worden sind. Das sind vor allem die in den Agglomerationen seßhaften Wirtschaftssubjekte und • eine Verminderung der individuellen Handlungsspielräume bei jenen Passiven, denen durch Entscheidung anderer, nutzbare Faktoren oder Güter entzogen (oder durch erschwerten Zugang verteuert) worden sind. Über diese Feststellung auf der privatwirtschaftlichen Ebene hinausgehend, hat die Aussage „regionale Verarmung oder regionale Bereicherung durch entsprechende interregionale Faktorströme" für die Bewertung der politischen Handlungsspielräume in den betroffenen Gebietskörperschaften (Gemeinden oder Länder) entscheidende Bedeutung. Mit der Schlußfolgerung, daß mit einer regionalen Verarmung oder Bereicherung theoretisch keine Umverteilung des Wohlstandes über die privaten Wirtschaftssubjekte begründet werden kann, sollte bedacht werden, daß eine regionale Kontraktion
4. Regionalentwicklung
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der Wirtschaft in der Regel verbunden ist mit einer technologischen und institutionellen Integration jener peripheren Gebiete, aus denen einzelne Faktoren entzogen werden. Indem u. a. die interregionale Infrastruktur verbessert und die Rechtsnormen des Faktor- und Güteraustausches vereinfacht werden, erhöht sich zugleich die Mobilität der seßhaften Einwohner sowohl in den zentralen als auch in den peripheren Regionen, deren produktions- und konsumbezogene Handlungsspielräume umfassen dann mit steigendem Integrationsgrad einen zunehmenden Anteil des Gesamtgebietes. In welchem Ausmaß die Integrationsvorteile den Betrieben in Agglomerationen oder jenen in den peripheren Gebieten zufließen, das wird durch die Art und Lozierung der eingesetzten Mittel bestimmt. In keiner der verglichenen Theorien finden sich allerdings Ansätze, um unmittelbar die zentrale politische Frage zu beantworten: wie wirken die eingesetzten regionalpolitischen Mittel (Infrastrukturinvestitionen und Maßnahmen zur Bodenordnung) auf die Wohlstandsverteilung über die Bevölkerung?
Interpretation von Agglomerationseffekten durch „regionale Nutzungsvielfalt" Im Rahmen der regionalökonomischen Theorie wird die räumliche Agglomeration von Menschen und Sachen oder von Arbeit und Kapital, aufbauend auf der Industriestandortlehre von Alfred Weber™, aus internen und externen Agglomerationsvorteilen, die für Betriebe in räumlicher Nähe entstehen, erklärt. Die internen Effekte beziehen sich dabei auf Produktionsvorteile im Großbetrieb, wie sie sich nach dem Ertragsgesetz ergeben. Die Nachbarschaftseinflüsse fremder Wirtschaftssubjekte auf einen Betrieb, die externen Effekte, werden (wie unter Abschnitt 3.6.3. bereits angedeutet) nach Ohlin130, Hoover"' und Isard132 sinnvollerweise in „localization economies" und „urbanization economies" unterschieden. Als „localization economies" gelten standortgebundene Bezugsvorteile bei Vorleistungen (Rohstoffe oder Großbetriebsvorteile bei Lieferanten oder im Bereich der Infrastruktur) oder Absatzvorteile bei Produkten (Marktnähe, Deponien für Abfallstoffe oder große Leitungskapazität im Bereich der Infrastruktur), welche gleichartigen Betrieben zukommen. Die „urbanization economies" entsprechen den Fühlungs-, Kommunikations- und Koppeiungsvorteilen, welche in bezug auf Vorleistungen oder Absatz verschiedenartige Betriebe aus ihrer Nachbarschaft ziehen. Diesen externen Vorteilen stehen die externen Kosten gegenüber, welche als Umweltbelastungen oder -Störungen vom Verursacber distanzabhängig die Aktivitäten der benachbarten Betriebe in unterschiedlichem Maße beeinträchtigen. Es erscheint naheliegend, die internen und externen Agglomerationseffekte im Betrieb auf eine erklärende Variable zurückzuführen. Im folgenden wird modellhaft ein Zusammenhang zwischen den internen Effekten des Großbetriebs und den „urbanization economies" hergestellt, indem - im Sinne von A. Lösch's „Vorteilen der Mischung" - die „regionale Nutznngsvielfalt" als erklärende Variable explizit gemacht wird. 129 130 131 132
A. Weber, Über den Standort der Industrie, Tübingen, 1909 B. Ohlin, Interregional and International Trade, Cambridge, Mass., 1933 E. Hoover, jr., Location of Economic Activity, New York, 1948 W. Isard, Location and Space Economy, New York und London, 1956
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Erst durch die Vielfalt der Nutzungsarten ergeben sich in einer Region komplementaritätsbedingte Fühlungs-, Kommunikations- und Koppelungsvorteile im entsprechenden Ausmaß. Dabei muß regionale Nutzungsvielfalt als makroanalytisches Richtmaß allerdings auf die Fläche oder auf die Beschaffenheit der lokalen Kommunikationsgelegenheiten bezogen werden. U m den Zusammenhang zwischen internen Vorteilen und „urbanization economies" einer Agglomeration über die regionale Nutzungsvielfalt herzustellen, wird hier modellhaft von folgenden Annahmen ausgegangen: • Die betrachtete Agglomeration ist in ihrer Ausdehnung F G e s flächenmäßig definiert. • Jeder Betrieb in der Agglomeration hat (flächenmäßig) dieselbe Betriebsgröße F B . • Der Betriebsgröße entspricht die Grundstücksfläche des Betriebs. • Die einzelnen Betriebe der betrachteten Agglomeration unterscheiden und ergänzen sich. Dann ist die regionale Nutzungsvielfalt gleich der Zahl der Betriebe in den betrachteten Agglomerationen. • Die Agglomerationseffekte beziehen sich auf „interne Produktionsvorteile des Großbetriebs" und auf „urbanization economies". • Die Wirtschaftlichkeit der Betriebe („Ertrag") wird durch die Summe von „internen Vorteilen" und „urbanization economies" bestimmt. Aus diesen Annahmen folgt: p FB =
wobei
FB FGes BZ E; = Elj + EEj, wobei Ej Elj EEj
= = = = = =
Betriebsfläche = Betriebsgröße Fläche der Agglomerationen Betriebszahl in der Agglomeration Ertrag des Betriebs i interne Vorteile des Betriebs i urbanization economies des Betriebs i
Nach diesen Annahmen muß mit wachsender Betriebsfläche die regionale Nutzungsvielfalt abnehmen. Das bedeutet, daß ein durchschnittliches Betriebswachstum mit dem Verschwinden einer entsprechenden Zahl von Betrieben und Branchen verbunden ist. Zugleich mit den nach dem Ertragsgesetz erhöhten internen Vorteilen müssen die überlebenden Betriebe auf einen entsprechenden Anteil der „urbanization economies" verzichten. Ertrag Ei 1
Abb. 4.74.
Abhängigkeit der Agglomerationsvorteile von der durchschnittlichen Betriebsgröße
4. Regionalentwicklung
307
Ertrag E,
Abb. 4.75.
Abhängigkeit der betrieblichen Agglomerationsvorteile von der regionalen Nutzungsvielfalt
Diese Überlegungen gelten nur für den niedergelassenen Durchschnittsbetrieb, nicht für das unternehmerische Verhalten des einzelnen; denn marginale Entscheidungen zugunsten einer Betriebsgrößenerweiterung innerhalb der Agglomeration können für die einzelne Unternehmung sehr wohl Ertragsvorteile bringen, während sie den Durchschnittsertrag über alle Betriebe in der Agglomeration vermindern. Unter diesem Aspekt kollidiert das einzelwirtschaftliche Interesse an betrieblicher Expansion mit dem sogenannten gesamtwirtschaftlichen Interesse, wie es den Institutionen der Regionalpolitik zugeschrieben wird. Regionale Nutzungsvielfalt wird darüber hinaus zu einem wichtigen Nutzenindikator, wenn man dahinter die Wahlmöglichkeiten der Konsumenten bezüglich des zugänglichen Gütersortiments und bezüglich der zugänglichen Arbeitsplätze sieht. (Dann sind die verschiedenen standörtlichen Nutzungen allerdings nach individuellen Präferenzen und nutzungsspezifischen Zugänglichkeiten zu bewerten.) So gesehen wird regionale Nutzungsvielfalt (1) erhöht durch jede sich niederlassende (innovative) Unternehmung mit neuen Produkten und neuen Produktionstechnologien. Umgekehrt sind Ertragschancen dieses marginalen Betriebs in der Regel um so höher, je größer die vorhandene regionale Nutzungsvielfalt ist. Die regionale Nutzungsvielfalt wird (2) vermindert durch das Streben der niedergelassenen Betriebe nach Expansion und mehr Großbetriebsvorteilen. Dieses Modell wird vor allem durch Variation der Annahme (1) realistisch. In Wirklichkeit wachsen Agglomerationen in ihr Umland. Durch Infrastrukturinvestitionen zur Erhöhung der durchschnittlichen Reisegeschwindigkeiten werden jedoch die mit der einzelbetrieblichen Ausdehnung in die Fläche zunehmenden durchschnittlichen Entfernungen relativiert und bezüglich des Zeit- und Energieaufwandes für die einzelne zwischenbetriebliche Kommunikation auf ungefähr dem tradierten Niveau gehalten. Auf diese Weise bleiben bei wachsender durchschnittlicher (flächenmäßig definierter) Betriebsgröße in der Agglomeration der Fühlungs-, Kommunikations- und Koppelungsvorteil tendenziell erhalten. (Neben Infrastrukturinvestitionen wirken als politische Instrumente auf die regionale Nutzungsvielfalt zweifellos auch die Maßnahmen aus dem Bereich der Bodenordnung.)
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
4.6.4. Mikroanalyttsche Erklärung der regionalen Agglomeration Im Gegensatz zur Makroanalyse wird regionale Agglomeration im Rahmen der Mikroanalyse nicht als Verteilungsphänomen behandelt. Hier werden vielmehr bestimmte Verhaltenstypen von privaten Wirtschaftssubjekten auf standortbezogene Handlungsspielräume projiziert. Im Rahmen der Mikroanalyse werden einzelstandörtliche Wachstums- und Verfallserscheinungen als Beiträge zum regionalen Agglomerationsprozeß erklärt; unerklärt bleibt das Siedlungsgefüge in seiner Gesamtheit. Zwar existieren in der regionalwissenschaftlichen Literatur eine Reihe von mehr oder minder exakt formulierten Partialansätzen zur Erklärung des Individualverhaltens im besiedelten Raum; ein umfassendes mikroanalytisches Modell, aus dem eine spezielle Erklärung des regionalen Agglomerationsprozesses abgeleitet werden kann, ist jedoch bisher nicht formuliert worden. Unter den bestehenden mikroanalytischen Partialmodellen seien hier als besonders relevant hervorgehoben: • der von Torsten Hägerstrand133 begründete raum-zeit-geographische Ansatz zur Abbildung standortbezogener individueller Handlungsspielräume. Diese werden aus Bedingungen des individuellen Zeitbudgets, der zwischenstandörtlichen Verkehrssysteme und des standörtlichen Zugangs abgeleitet. Die individuellen Handlungsspielräume werden interpersonal verknüpft, indem die Tätigkeiten verschiedener Personen bei der Benutzung von Verkehrssystemen und zentralen Versorgungseinrichtungen und Betrieben standörtlich und zeitlich identisch sind. Standörtlich fixe Gelegenheiten mit bestimmten Kapazitäten und Öffnungszeiten definieren somit die Rahmenbedingungen für die individuellen Handlungsspielräume; • das von F. Stewart Chapin134 u. a. konzipierte Modell, um individuelle Tätigkeitsmuster sowohl in ihrer räumlichen Anordnung als auch in ihrem zeitlichen Ablauf abzubilden. Neben den Restriktionen aus Zeitbudget, Lage der Gelegenheiten und Verkehrssysteme werden hier die tätigkeitsbezogenen Präferenzen berücksichtigt. Der Ansatz von Chapin zielt darüber hinaus auf eine Aggregation der individuellen Tätigkeitsmuster; • das von C. Heidemann und K. Stapf35 verfolgte Konzept einer „Urbanökologie" dient der Beschreibung rollenspezifischer Tätigkeitsmuster im Chapinschcn Sinn (Ökologie der Hausfrau);
133
134 135
vgl. dazu Hägerstrand, T., What about People in Regional Science, in: Papers of RSA, Bd. 24, 1970 Hägerstrand, T., Der Einfluß des Verkehrs auf die Lebensqualität, Bericht vor dem 5. Internationalen Symposium über Theorie und Praxis der Verkehrswirtschaft der CEMT, Athen, 1973 Lenntorp, B., Pathes in Time-Space Environments; A Time Geographie Study of Movement Possibilities of Individuals, Lund, 1976 vgl. dazu Chapin, F. S., Logan, T. H., Patterns of Time and Space Use, in: Perloff, H. (Hrsg.), The Quality of Urban Environment Ressources for the Future, Washington, 1970 Heidemann, C., Stapf, K. H., Die Hausfrau in ihrer städtischen Umwelt. Eine empirische Studie zur Urbanen Ökologie am Beispiel Braunschweigs, Veröffentlg. des Instituts für Stadtbauwesen, TU-Braunschweig, Heft 4, Braunschweig, 1969
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• das sogenannte „Individualfaktoren-Modell" von E. Kutter136 soll wie Vorarbeiten von U. Böhme137 u. a. die Verkehrserzeugung bei der Flächennutzung aus Regelhaftigkeiten bei sozialgruppentypischen Tätigkeitsmustern erklären. Aus diesen Partialansaätzen läßt sich folgende Vorstellung ableiten: (1) Bestimmte Tätigkeiten können von entsprechend qualifizierten Personen nur an entsprechend geeigneten Standorten ausgeübt werden (Standortnutzung). (2) Ortsveränderungen von Personen sind dadurch erzwungen, d a ß der einzelne zur Befriedigung seiner Bedürfnisse während einer Zeitperiode (Tag, Woche, J a h r ) mehrere Tätigkeiten ausüben muß, die an jeweils verschiedene Standorte g e b u n d e n sind. (3) Aus den Eigenschaften (Talente, Befugnisse, Fertigkeiten) einer Person einerseits und aus den Erreichbarkeits- und Zugangsbedingungen der standörtlichen Gelegenheiten in ihrer physischen Umwelt andererseits ergibt sich der standortbezogene individuelle Handlungsspielraum. In diesem kann eine Person, ihren Präferenzen entsprechend, eine bestimmte Menge von Tätigkeiten realisieren. (4) Im R a h m e n ihres standortbezogenen Handlungsspielraumes ordnet eine Person ihre Tätigkeiten nach einer kennzeichnenden zeitlichen Folge und in einem kennzeichnenden räumlichen Standortmuster (Tätigkeitsmuster). In der zeitlichen Dimension des standortbezogenen individuellen Handlungsspielraumes folgen aufeinander - innerhalb bestimmter Zeitperioden regelmäßig wied e r k e h r e n d e - bestimmte standortgebundene Tätigkeiten (Flächennutzung) und Standortveränderungen (Verkehr). Meist gilt der Verkehr als kostenerzeugendes Mittel, um die jeweils nächste nutzenstiftende standortgebundene Tätigkeit zu ermöglichen. In der räumlichen Dimension des standortbezogenen individuellen Handlungsspielraumes entsprechen den Tätigkeitsfolgen standortverbindende Wegzyklen. (5) Die Personen versuchen ihren Nutzen innerhalb ihres standortbezogenen Handlungsspielraumes zu maximieren, indem sie, ihrer Präferenz entsprec h e n d , möglichst viele nutzenstiftende (und mit diesen gekoppelt kostenerzeugende) Tätigkeiten kombinieren. Dabei können sich ihre Tätigkeitsmuster in R a u m und Zeit unter persönlichen Zeitbudgetrestriktionen sowie unter den restringierenden Bedingungen von Öffnungszeiten der verschiedenen standörtlichen Gelegenheiten durch die ihnen verfügbaren Verkehrsmittel unterscheiden. Aus diesen mikroanalytischen Definitionen und Befunden läßt sich ableiten, daß dem einzelnen in regionalen Agglomerationen in der Regel ein relativ größerer Handlungsspielraum geboten wird als in dünn besiedelten peripheren Gebieten. Dies vor allem deshalb, weil der einzelne in der räumlich hohen Dichte von standörtlichen Gelegenheiten zunächst dadurch Zeit einspart, daß er kürzere Wege zwischen den nutzenstiftenden standortgebundenen Tätigkeiten hat. Darüber hinaus wird dieser Entfernungsvorteil in den Agglomerationen jedoch meist noch durch gut organisierte Verkehrssy136 137
Kutter, £., Demographische Determinanten städtischen Personenverkehrs, Veröffentlichungen des Instituts für Stadtbauwesen, TU-Braunschweig, Heft 9, Braunschweig, 1972 Böhme, U., Grundlagen zur Berechnung des städtischen Personenverkehrs, Diss., TUDresden, 1970
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
steme verstärkt: in ihrer Vielfalt kombinieren diese Leitungssysteme der Infrastruktur dort meist relativ hohe Geschwindigkeiten mit hohen fahrtenzweckspezifischen Eignungsgraden. Der Agglomerationsvorteil in der Dimension individueller Handlungsspielraum bietet sich sowohl für die privaten Haushaltungen als auch für die Unternehmungen: • für die privaten Haushaltungen dadurch, daß verschiedene Personen mit dem selben Wohnort (Familie) unterschiedliche Tätigkeitsmuster (beschäftigter Arbeiter, Schulkind, Hausfrau, u. ä.) mit relativ geringem zeitlichen Verkehrsaufwand verwirklichen können; • für die Unternehmung dadurch, daß Personen mit unterschiedlichem Wohnort als Arbeitskräfte oder Kunden in großer Zahl und großer Vielfalt (nach Beruf oder Präferenz) erreichbar sind. Diese Begründung des Agglomerationsvorteils kann — und das gilt als besonderer Vorzug des mikroanalytischen Ansatzes - weiter differenziert und in gewissem Sinn dynamisiert werden, wenn zwischen den verschiedenen Rollenträgern bzw. den Inhabern bestimmter persönlicher und sachlicher Eigentume ein Reiz-ReaktionsSchema definiert und interpretiert wird. Unter diesem Aspekt wird im folgenden zur Erklärung des Citywachstums auf der einen und des peripheren Verfalls auf der anderen Seite des regionalen Agglomerationsprozesses beigetragen. Dazu ist es notwendig, im Sinne von Hans Freyer138 und Hans Lindem Tätigkeiten von Personen als elementare Kombinationen von ihren Talenten, Fertigkeiten und Befugnissen mit materialen, mehr oder minder standortgebundenen Gelegenheiten der Kategorien Gerät, Werkzeug, Maschine und Gebäude zu betrachten. Auf den oben dargestellten Definitionen und Interpretationen zum Individualverhalten im Raum aufbauend, können dann zur Erklärung des regionalen Agglomerationsprozesses folgende Hypothesen formuliert werden: (1) Individuelle Handlungsspielräume sind wesentlich bestimmt durch die Eigenschaften von Personen (Talente, Fertigkeiten, Befugnisse) und durch die Standorteigenschaften (Ressourcen des Bodens, infrastruktureller Zugang, Flächenwidmung) und Standortnutzungen ihrer physischen Umwelt. Erst in der Kombination beider Eigenschaftsprofile, dem personengebundenen und dem standörtlichumweltbezogenen, können - im Sinne einer mikroökonomischen Produktionsfunktion — nutzenstiftende Tätigkeiten verwirklicht werden. In bezug auf Standorte mit speziellen Eigenschaftsprofilen kann, folgert man weiter, ein Reiz-Reaktions-Schema gedacht werden zwischen • jenen privaten Wirtschaftssubjekten, die ihre eigenen persönlichen Eigenschaftsprofile durch Lernen oder die ihrer Wohnstandorte durch Wanderung variieren (privatwirtschaftliches Kalkül) und • jenen regierenden Politikern, die die persönlichen Eigenschaftsprofile anderer (privater) Wirtschaftssubjekte durch Vermittlung von Wissen und Befugnissen oder die Eigenschaftsprofile von deren Standorten durch Infrastrukturinvestitionen und Flächenwidmungen verändern (politisches Kalkül). 138 139
Freyer, H., Theorie des gegenwärtigen Zeitalters, Stuttgart, 1955 Linde, H., Sachdominanz in Sozialstrukturen, Tübingen, 1972
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(2) Private Wirtschaftssubjekte streben mit ihren persönlichen Eigenschaften einen maximalen Nutzen an, indem sie durch Wanderung jenes standortbezogene Eigenschaftsprofil suchen, in welchem ihr Handlungsspielraum am größten ist. In diesem Sinn stimulieren beispielsweise bestimmte Wohnstandorte mit einer entsprechenden physischen Umwelt (Dimension: Gelegenheiten) solche Personen zur Zuwanderung, die auf ihren aktuellen Wohnstandorten einzelne ihrer Eigenschaften (Fertigkeiten, Talente, Befugnisse) nicht aktivieren können. Zugleich werden solche Personen zur Abwanderung veranlaßt, die einen Teil der auf ihrem aktuellen Wohnstandort vorhandenen Eigenschaften mangels entsprechender persönlicher Fertigkeiten, Talente oder Befugnisse nicht nutzen können (bzw. dürfen)140. (3) Private Wirtschaftssubjekte streben mit dem Eigenschaftsprofil ihres Wohnstandortes einen maximalen Nutzen an, indem sie das Profil ihrer persönlichen Eigenschaften in der Weise ihren Standortbedingungen anpassen, daß ihnen ein größtmöglicher Handlungsspielraum entsteht. In diesem Sinn stimulieren bestimmte Wohnstandorte beispielsweise ihre Bevölkerung zum Erlernen zusätzlicher Fertigkeiten, zum Aktivieren von bisher verborgenen Talenten oder zum Zugewinn von Befugnissen, dies alles, um bisher ungenutzte standörtliche Gelegenheiten zu nutzen. Andererseits werden allerdings auch manche Personen zum Verlernen ihrer Fertigkeiten, zum Verkümmern ihrer Talente und zum Verfallenlassen ihrer Befugnisse veranlaßt; Personen, die einen Teil ihrer persönlichen Eigenschaften mangels entsprechender standörtlicher Gelegenheiten nicht aktivieren können. (4) Regierende Politiker streben in ihrem Gebiet ein möglichst hohes Sozialprodukt an, indem sie • die Profile der persönlichen Eigenschaften der Bevölkerung ihres Gebietes durch Ausbildungsinvestitionen und Berufsregelungen den gebietlichen Standorteigenschaften anpassen und • die Standortbedingungen in ihrem Gebiet durch Infrastrukturinvestitionen und Bodenordnungsmaßnahmen den persönlichen Eigenschaften ihrer Bewohner anpassen. In diesem Sinne stimuliert eine bezüglich ihrer persönlichen Eigenschaften (Talente, Fertigkeiten, Befugnisse) unterbeschäftigte Bevölkerung die (an der Zufriedenheit im Lande interessierten) regierenden Politiker zu entsprechenden Infrastrukturinvestitionen und andere Ansiedlungsreize für Unternehmungen, welche angemessene Arbeitsplätze und Konsumgelegenheiten bieten. Hingegen versuchen die Eigentümer von relativ unproduktiven standortgebundenem Realkapital (Unternehmer, Hausbesitzer) die regierenden Politiker zu Infrastrukturinvestitionen zu veranlassen, mit denen der Ausbildungsstand der ansäßigen Bevölkerung verbessert und/oder die Mobilität der andernorts wohnenden Arbeitskräfte erhöht wird. Unter diesem Aspekt kann der Prozeß der regionalen Kontraktion bzw. Agglomeration interpretiert werden • einerseits als eine aktive Anpassung von einzelnen personengebundenen Eigenschaftsprofilen an ein Aggregat von standortgebundenen Eigenschaftsprofilen, um die individuellen Handlungsspielräume im Haushaltsbereich zu vergrößern und 140
In einem ähnlichen Argumentationsschema wurde an anderer Stelle („Einzelstandörtliche Dynamik in der Regionalstruktur") der Verdrängungsprozeß im Siedlungsgefüge erklärt.
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• andererseits als eine aktive Anpassung von einzelnen standortgebundenen Eigenschaftsprofilen, um die individuellen Handlungsspielräume im Unternehmensbereich zu vergrößern. Im Haushaltsbereich wächst demnach der Handlungsspielraum des einzelnen, wenn er • entweder — um seine Talente, Fertigkeiten und Befugnisse besser zu nutzen — zu den Agglomerationen hin wandert, • oder als dort bereits Ansäßiger - um die ihm zugänglichen Gelegenheiten besser zu nutzen — seine Talente aktiviert, durch Lernaufwände seine Fertigkeiten verbessert und seine Befugnisse erweitert. Der Handlungsspielraum des Unternehmers ist entsprechend größer, wenn er anstatt in peripheren Gebieten mit dünner und relativ homogener Besiedlung in Agglomerationen • entweder - um das eigene (exklusive) Wissen mit größerem Ertrag einzusetzen einen Betrieb gründet. Damit ist dort zugleich eine zusätzliche standörtliche Gelegenheit (Arbeitsplatz, Möglichkeit für Konsum- oder Freizeitaktivitäten) geschaffen; • oder als dort bereits niedergelassener - die meist besser zugänglichen Informationen innovativ nutzend - seinen Betrieb reformiert. Damit sorgt dieser Unternehmer zugleich für eine qualitative Aufwertung der dortigen Gelegenheiten. In diesem Sinn erscheint, mikroanalytisch betrachtet, das Bemühen des einzelnen, seinen Handlungsspielraum zu vergrößern, als wichtigste Ursache für den Agglomerationsprozeß: die Zuwanderung der Bevölkerung, die Vervielfältigung von Fertigkeiten und Gelegenheiten stimulieren sich dabei wechselseitig und führen tendenziell zu einer Vergrößerung der Agglomerationen, mißt man diese an ihrer Bevölkerungszahl, an der Vielfalt ihrer Funktionen oder an ihrem Regionalprodukt141 (aktive Anpassung). Allerdings sind die Ausdehnungsmöglichkeiten von Agglomerationen vielfach beschränkt: Informations- und Zugangsbarrieren, höhere Boden-, Verkehrsmittelund Warenpreise wirken auf die Zuwanderung zu den Agglomerationen selektiv. Zugleich werden jene Menschen und Betriebe verdrängt, die - meist wegen zu geringer Ausnutzung der gebotenen Standortausstattung - wenig ertragreich arbeiten und die aus diesem Grunde die höheren Preise in den Agglomerationen (bzw. in den Agglomerationskernen) nicht bezahlen können. Auf diese Weise regeln die Preise (Verdrängungsdruck = Verdrängungswiderstand) einen bestimmten Ausnutzungsgrad der durch standortgebundene Eigenschaften determinierten individuellen Handlungsspielräume.
141
Auf die Ähnlichkeit dieser Argumentationsweise mit dem „Modell der kumulativ sich verstärkenden Prozesse infolge zirkulärer Verursachung" von G. Myrdal sei hier hingewiesen: personengebundene und standortgebundene Eigenschaftsprofile werden „zirkulär" verknüpft und wirken „kumulativ" auf den individuellen Handlungsspielraum. In einem Beitrag „Überlegungen zur Beschreibung und Aufwertung städtischer Lebensqualität" in: Der Aufbau, 1975, Wien haben Bökemann, D., und Steinbach. / . , ein entsprechendes Modell zur Erklärung von Wachstums- und Verfallsprozessen innerhalb der Stadt detailliert.
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Der aktiven Anpassung von personen- und standortbezogenen Eigenschaften zur Vergrößerung des individuellen Handlungsspielraumes kann eine sogenannte passive Anpassung gegenübergestellt werden: In diesem Fall akzeptieren die Betroffenen, daß entweder ein Teil ihrer persönlichen Eigenschaften (Talente, Fertigkeiten, Befugnisse) oder ein Teil der standörtlichen Gelegenheiten ihrer Umwelt von ihnen ungenutzt bleibt. Sie begnügen sich mit ihrem vorgefundenen Handlungsspielraum, indem sie auf Abwanderung, Lerneinsatz und bauliche Investitionen verzichten. Während als sozialer Ort der aktiven Anpassung von personen- und standortgebundenen Eigenschaftsprofilen, vor allem die Agglomerationskerne anzusehen sind, erscheinen die zu den Stadtzentren peripher gelegenen Gebiete der Slumbildung sowie die dünnbesiedelten und entlegenen ländlichen Regionen als sozialer Ort der passiven Anpassung. In der zeitlichen Dimension ist passive Anpassung vergleichbar mit einem Alterungsprozeß der sozialen und baulichen Substanz: Indem einerseits einzelne Personen durch Abwanderung dem regionalen Aggregat von personen- und standortgebundenen Eigenschaften einen bestimmten Teil entziehen, vermindert sich dort zugleich der Ausnutzungsgrad - und damit die Rentabilität bestimmter Gelegenheiten. Andererseits bewirkt die in solcher Weise ökonomisch verursachte Aufgabe einzelner standörtlicher Gelegenheiten, daß einzelne Personen dort nicht mehr ihre Talente, Fertigkeiten und Befugnisse ausüben können. Indem sich auf solche Weise die soziale Erosion und der bauliche Verfall wechselseitig stimulieren, reduziert sich zugleich für die verbliebene Bevölkerung der individuelle Handlungsspielraum im Haushalt- und Unternehmensbereich. Mit dominant passiver Anpassung vermindern sich in den betroffenen Regionen jedoch nicht nur die individuellen Handlungsspielräume, es verringert sich dort tendenziell mit der Zahl der ausgeübten Funktionen in der Regel auch die Bevölkerungszahl und das Regionalprodukt. Diese mikroanalytische Erklärung des regionalen Agglomerationsprozesses ist dadurch gekennzeichnet, daß mit dem Argument „individueller Handlungsspielraum" die Kategorien Initiative und Innovation auf der einen Seite bzw. Trägheit und Altern auf der anderen Seite verbunden werden können. Auf diese Weise eröffnet sich vermutlich eine Möglichkeit, die vielfältig detaillierten empirischen Befunde der Humanökologen aus der sogenannten Chicago-Schule142 ergänzend zu interpretieren und in die regionalwissenschaftliche Theorie zu integrieren.
4.6.5. Migrationen: zugleich Ursache und Wirkung des Agglomerationsprozesses Es liegt nahe, die Betrachtung der Regionalstrukturentwicklung über den zwischenstandörtlichen Vergleich der materiell und institutionell bedingten individuellen Handlungsspielräume zu ergänzen um eine Analyse der zwischenstandörtlichen Migration; drückt sich doch in der Richtung und im Ausmaß der Migrationen, interpretiert als „individuelle Abstimmung mit den FüBen", eine Standortbewertung aus. Insofern 142
Park, E. W., Burgess, R. D. McKenzie, R. D., The City Chicago, 1925 Hrsg.: Theodorson, A., in: Studies in Human Ecology, New York, 1961 (enthält u. a. Wirth, L., Human Ecology, 1945)
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
können auch die im Rahmen der demographischen und regionalwissenschaftlichen Migrationsforschung gewonnenen Erkenntnisse den Wandel im Siedlungsgefüge erklären. Städte sind, je größer desto mehr, das Migrationsziel für jenen Teil der ländlichen Bevölkerung, der unterbeschäftigt oder schlecht entlohnt ist oder der seine Konsumbedingungen in den stadtfernen Gebieten nicht erfüllen kann. Der Entwicklungsvorsprung der Städte bzw. der städtischen Agglomeration gegenüber ihrem ländlichen Umland kann dadurch erklärt werden, daß im allgemeinen neben dem einzelnen Zuwanderer auch die städtische Wirtschaft und die Stadtgemeinde als Gebietskörperschaft einen Migrationsgewinn haben, während der ländlichen Herkunftsgesellschaft des Migranten ebenso wie der betroffenen Gebietskörperschaft entsprechende Nachteile erwachsen. Dies gilt besonders, wenn man, der Realität entsprechend, davon ausgeht, daß die meisten Migranten zwischen 20 und 35 Jahre alt sind und damit vorwiegend ihren produktiven Lebensabschnitt in der Stadt verbringen. Somit haben die ländliche Herkunftsgesellschaft sowie die betroffenen Gebietskörperschaften die Aufwendungen der Kinderaufziehung, Erziehung und Berufsausbildung, welche zur Erzeugung der produktiven Arbeitskraft erforderlich sind, zu ertragen; der Ertrag aus diesem Produkt „Arbeitskraft" der ländlichen Herkunftsgesellschaft kommt neben der Person des Migranten (in der Regel unentgeltlich) der städtischen Wirtschaft und der Stadtgemeinde als Gebietskörperschaft zugute. Die in den Agglomerationen auf solche Weise ersparten Ausbildungsinvestitionen für das Humankapital stärken ihren Realkapitalstock und ihre Attraktivität in entsprechendem Ausmaß. Die Zuwanderer in die städtischen Agglomerationen können somit als einseitige (unentgoltene) Ströme von (produziertem) Humankapital über die Grenzen von Gebietskörperschaften (als Produzenten im einen und Nutzer im anderen Fall) betrachtet werden. Zumindest für jene Staaten und jene historischen Zeiträume, in denen die Ausbildungsleistungen innerhalb oder von den Gemeinden erbracht und finanziert worden sind, gilt der dargestellte Zusammenhang, aus dem im Sinne von G. Myrdal'43 und A. Predlu ein kumulativer Prozeß mit zirkulärer Verursachung abgeleitet werden kann. Zur Verhinderung von derartig einseitigen (Human-)Kapitalströmen in die Agglomeration kann in gewissem Ausmaß beitragen, daß die Ausbildungsfunktion (Erzeugung von Humankapital) wenigstens teilweise denjenigen übergeordneten Gebietskörperschaften (Land, Bund) übertragen wird, innerhalb deren Grenzen sich die Migrationen hauptsächlich vollziehen. Betrachtet man allerdings die Tatsache, daß Arbeitskraftmigrationen in zunehmendem Maße nationale Grenzen queren, dann wird das skizzierte Phänomen nun auf eine höhere Ebene in der Hierarchie der Gebietskörperschaften übertragen. Geht man davon aus, daß der Agglomerationsprozeß über die Migrationen von Bevölkerung und Arbeitskräften induziert wird, dann erscheint es sinnvoll, die Ursachen der regionalen Mobilität und die regionalwirtschaftlichen Wirkungen von Migrationen in der Herkunfts- und in der Zielregion etwas eingehender zu betrachten. Im folgenden werden deshalb die hier relevanten Befunde der demographischen 143 144
Myrdal, G., Economic Theory and Underdeveloped Regions, London, 1957 Pred, A., Behavior and Location, Foundations for a Geographic and Dynamic Location Theory, In: Lund Studies in Geography, Lund, 1967, 1969
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Migrationsforschung referiert und daraus die regionalwirtschaftlichen Effekte, getrennt nach Herkunfts- und Zielregion der Migranten, abgeleitet. Aufbauend auf den fundamentalen Wanderungsgesetzen von E. G. Ravenstein"5, wonach die Migrationsströme vorwiegend auf die großen Handels- und Industriezentren gerichtet sind, stellt E. S. Lee146 zum Umfang der Migrationsströme fest: „Der Umfang der Migration innerhalb eines gegebenen Territoriums variiert mit dem Grad der Verschiedenartigkeit von Gebieten in diesem Territorium. Der Umfang der Migration variiert mit der Unterschiedlichkeit von Menschen. Das Migrationsvolumen ist abhängig von der Schwierigkeit, die intervenierenden Hindernisse zu überwinden. Das Migrationsvolumen variiert mit den Fluktuationen in der Wirtschaft. Wenn keine bedeutenden Beschränkungen auferlegt werden, tendieren sowohl das Migrationsvolumen als auch die Migrationsrate mit der Zeit zur Zunahme. Das Volumen und die Migrationsrate variieren mit dem Grad des Fortschritts in einem Land oder in einem Gebiet." Die Phasen des Migrationsprozesses hat D. J. Bogue147 mit folgenden Befunden beobachtet: „Migrationsströme entwickeln sich stufenweise. Von der (eher zufälligen) Anfangseinwanderung wird über eine Stabilisierungsphase der Migrationsstrom routinisiert und institutionalisiert. In der Anfangsphase überwiegen Männer, in der Schlußphase überwiegen Frauen. In der Anfangsphase ist Migration selektiv in bezug auf engagierte, initiative junge Personen sowie in bezug auf Alleinstehende, Geschiedene oder Verwitwete. Migrationsströme, die durch wirtschaftliches Wachstum, durch technischen Fortschritt u. ä. angeregt werden, enthalten in bezug auf das Herkunftsgebiet einen überproportionalen Anteil von besser ausgebildeten Personen. Somit verlieren wirtschaftlich und technologisch stagnierende Gebiete ihre besser ausgebildeten Arbeitskräfte. Wenn die Migrationsströme zwischen zwei Gebieten in beiden Richtungen die gleiche Stärke haben, also nirgendwo personenzahlmäßige Gewinne entstehen, dann besitzen die Ströme in bezug auf ihre Herkunftsgebiete die minimale Selektivität. Mit dem Größenunterschied zwischen Strom und Gegenstrom der Migration wächst die Selektivität: Das Gebiet mit dem Nettomigrationsgewinn erhält zugleich einen (in bezug auf das Herkunftsgebiet) höheren Anteil an Männern, Jugendlichen, Einzelstehenden, Geschiedenen und Verwitweten, während das Gebiet mit dem Nettomigrationsverlust den höheren Anteil an Versagern, Resignierenden aber auch an Beschäftigten in neugegründeten Betrieben und an „Durchwanderern" auf ihrem Weg zu den größeren Zentren sowie Remigranten erhält."
145
Ravenstein, E. G., The Laws of Migration, 1885, 1889, (in deutscher Übersetzung nachgedruckt in: Szell, G., Regionale Mobilität, ntw, München, 1972) 146 Lee, E. S., A Theory of Migration, in: Demography, Band 3, 1966 147 Bogue, D. ]., International Migration, in: Hanser, P. M., and Duncan, O., The Study of Population, Chicago, 1971
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Um die regionalwirtschaftlichen Wachstumseffekte zu begründen, hat H. Siebertm die demographischen Befunde zum Migrationsverhalten auf die Entscheidung der einzelnen Arbeitskraft bezogen. Siebert stellt fest, daß mit der Entfernung, die der Migrant zwischen seiner Herkunfts- und Zielregion zu überwinden hat, die Informationsimpulse schwächer werden, hingegen die Suchkosten, Umzugskosten und Anpassungskosten in bezug auf das neue soziale Milieu steigen. „Je größer die interregionale Lohndifferenz, um so stärker der Informationseffekt, um so größer der Anreiz, in eine andere Region zu wandern und um so schneller werden die Raumüberwindungskosten erwirtschaftet." Mit diesen Argumenten begründet Siebert die unterschiedlichen Bedingungen der Faktormobilität: Die Informationen gewinnt der investitionsbereite Kapitaleigner auf grundsätzlich andere Weise als die migrationsbereite Arbeitskraft. Insofern erscheinen die neoklassischen Schlußfolgerungen über die das regionale Wirtschaftsniveau ausgleichenden interregionalen Faktorströme (Arbeit und Kapital wandern jeweils zum Standort ihrer höchsten Grenzproduktivität und damit bei äquivalentem Ausmaß in entgegengesetzter Richtung) vor allem deshalb fragwürdig, weil die Reaktionszeiten der Faktoren Arbeit und Kapital bezüglich neuer „Attraktivitäten" unterschiedlich sind. Die regionalwirtschaftlichen Konsequenzen von Arbeitskraftmigrationen im Hinblick auf agglomerative Tendenzen im Siedlungsgefüge sollten durch einen Vergleich der induzierten Kosten und Erträge in den Herkunfts- und Zielregionen gemessen werden. Migrationseffekte in den Herkunftsregionen (periphere Gebiete) Sind Arbeitskräfte in ihrer meist ländlichen Herkunftsregion arbeitslos oder bis zu einem bestimmten Grade unterbeschäftigt, dann vermindern sich dort durch ihre Abwanderung zunächst die sozialen Kosten (insbesondere um die ersparten Fürsorgeund Versorgungsleistungen) der betreffenden Gebietskörperschaft (Gemeinde) bei etwa gleichbleibenden Erträgen. (Der solchermaßen zu erwirtschaftende relative soziale Gewinn könnte investiert werden.) Bei der Abwanderung von beschäftigten Arbeitskräften, die für die Herkunftsregion (Gebietskörperschaft) einen sozialen Gewinn erwirtschaften, lautet die zentrale Frage, ob die Produktionsleistungen dieser Migranten in der Herkunftsregion durch Kapitalinvestitionen technologisch substituiert werden können. Man kann annehmen, daß eine derartige Substitution zwischen personalen Fertigkeiten und materiellen Anlagen um so eher technologisch möglich sein wird, je weniger entscheidungsbezogen der Produktionsbeitrag der betreffenden Arbeitskraft ist. Im allgemeinen gilt, daß Arbeitskräfte mit hohem Ausbildungsniveau schwerer durch Kapitalinvestitionen ersetzbar sind als solche mit niedrigem Ausbildungsniveau. Wenn die abgewanderten Arbeitskräfte (weil von entsprechend minderem Ausbildungsniveau) innerhalb der in ihrer ländlichen Herkunftsregion fortbestehenden Produktionen durch Kapitalinvestitionen oder durch institutionelle Neuerungen ersetzt werden können, dann erhöhen sich dort in der Regel die durchschnittliche Arbeitsproduktivität und die Durchschnittseinkommen. (Diese Aussage bezieht sich besonders auf die Landwirtschaft.) Die durchschnittliche Arbeitsproduktivität und die m
Siebert, H., Regionales Wirtschaftswachstum und interregionale Mobilität, Tübingen, 1970
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Durchschnittseinkommen werden hingegen sinken, wenn die abgewanderten Arbeitskräfte in ihrer Herkunftsregion nicht durch Kapitalinvestitionen oder durch institutionelle Neuerungen ersetzt werden können. In diesem Fall müssen dort nämlich durch den Verlust unersetzbarer Arbeitskräfte bestimmte Produktionen aufgegeben werden; damit wird zugleich auch das in die aufgegebenen Produktionen investierte Realkapital nicht länger genutzt. Die weitere Folge solcher durch Abwanderung verursachter Produktionsverzichte wird sein, daß noch seßhafte Arbeitskräfte in den betroffenen Betrieben arbeitslos werden. Es kann angenommen werden, daß von der Abwanderung die Arbeitsplätze von um so mehr seßhaften Arbeitskräften gefährdet werden, je höher die mit dem Ausbildungsniveau korrelierte Position (und lokale Unersetzbarkeit) der Migranten ist. Daraus folgt, daß die schädlichen Folgewirkungen aus der Abwanderung höher qualifizierter Arbeitskräfte in bezug auf die Zahl der direkt betroffenen Personen sowie in bezug auf die sozialen Verluste in der Herkunftsregion größer sind als die infolge der Abwanderung minder qualifizierter Arbeitskräfte. Diese eher kurzfristige Kalkulation läßt die Frage der Rückwanderung außer Acht. In einer längerfristigen Betrachtung kommt den in ihre Herkunftsregion rückwandernden Personen eine besondere Bedeutung zu: In den Agglomerationen haben die meisten von ihnen in der Regel ihre Fertigkeiten vermehrt und ihre Ausbildung verbessert. Im Falle, daß die Rückwanderer ihre hinzugewonnenen Fertigkeiten (mit wachsender Grenzproduktivität) in ihrer ländlichen Herkunftsregion innovativ einsetzen können, vermögen theoretisch relativ wenige mittlerweile höherqualifizierte Rückwanderer die sozialen Verluste der ursprünglichen Abwanderung einer größeren Zahl von minderqualifizierten Arbeitskräften auszugleichen. Als Leistungsrückfluß in bezug auf die Migrationsströme werden die Geldtransfers der Abwanderer in ihre Herkunftsregionen (etwa zur Unterstützung der dort noch seßhaften Familienmitglieder) angesehen. Mit diesen Mitteln wird in der Regel der Konsum angeregt. Ob und in welchem Ausmaß dadurch Realkapitalinvestitionen induziert werden (welche die Arbeitsproduktivität der seßhaften Bevölkerung erhöhen und damit einer weiteren Abwanderung entgegen wirken könnten) erscheint schwer abschätzbar. Bemerkenswert sind jedoch neben den Geldflüssen besonders die Informationswirkungen: Aus der Zielregion ihrer Migration vermitteln die Abwanderer durch Verbrauchs- und Gebrauchsgüter in ihre Herkunftsregion sowohl produktions- als auch konsumbezogene Innovationen, die sich schließlich in neuen Fertigkeiten (etwa beim Gebrauch neuartiger Geräte) manifestieren können. Zugleich vermitteln sie ihrer Herkunftsregion oft neue Werthaltungen, die schließlich zu einer Angleichung der dortigen institutionellen Strukturen an jene der Zielregion führen können. Beide Kategorien erhöhen vermutlich die Arbeitsproduktivität der Herkunftsregion. Oft wirken allerdings die von den Migranten gleichsam gebahnten Informationskanäle zwischen der Herkunfts- und der Zielregion auch beschleunigend auf die Abwanderung, indem (1) die Chancenunterschiede zwischen den Herkunfts- und Zielregionen transparent werden und (2) die Distanzen geringer erscheinen. In diesem Zusammenhang spielen die Heimatrückwanderer eine besondere Rolle: ihre Kenntnisse über das Herkunfts- und das Zielland (u. a. Dialekte und Sprache) befähigen sie, die Beziehungen zwischen beiden Regionen zu intensivieren: zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil und zur Erhöhung des sozialen Gewinns in der Herkunftsregion. In diesem Sinne gewinnt auch der von den Rückwandernden stimulierte Fremdenverkehr in ihren Herkunftsregionen Bedeutung.
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Teil A: Raumplanungsbezogene Regionalanalyse
Migrationseffekte in den Zielregionen (Agglomerationen) Es kann angenommen werden, daß die Zielregionen der Migration, die städtischen Agglomerationen, in aller Regel den Zuwandernden mehr äquivalente oder bessere Arbeitsplätze bieten als ihre meist ländlichen Herkunftsregionen. Bei der Zuwanderung von solchermaßen besser als in ihren meist ländlichen Herkunftsregionen beschäftigbaren Arbeitskräften lautet die zentrale Frage, ob und in welchem Maße die potentiellen Produktionsleistungen bzw. produktiven Fertigkeiten der Migranten zu den in ihrer Zielregion bereits vorhandenen in einem komplementären oder substitutiven Verhältnis stehen. Wenn die potentiellen Produktionsleistungen der Zuwanderer komplementär sind zu den in der Zielregion bereits angebotenen, dann kann dort bestenfalls die Gesamtproduktion der Region erhöht werden. Je höher der Ausbildungsstand der zugewanderten Arbeitskräfte ist, um so wahrscheinlicher ist allerdings (bei der mit dem Ausbildungsstand relativ wachsenden Zahl alternativer Einsatzmöglichkeiten) der komplementäre Einsatz. Je höher der Ausbildungsstand der zugewanderten Arbeitskräfte, um so größer ist mit den entsprechend gesparten (sozialen) Ausbildungskosten der relative soziale Gewinn der zuständigen Gebietskörperschaft (falls die Migranten nicht innerhalb deren Grenzen wandern) und damit die Effektivität ihrer eigenen Leistungen. Das gilt insbesondere, weil durch Kombination von neuen (komplementären) Fertigkeiten der Zuwanderer mit den Fertigkeiten und dem Kapital der bereits Ansäßigen neuartige Produktionen mit besonders hohen unternehmerischen und sozialen Gewinnen realisiert werden können. Derartige Chancen vergrößern die Zuwandererströme und führen - wie an anderer Stelle angeführt - zu kumulativen Effekten im Sinne von G. Myrdal. Konkurrieren hingegen - bei einem substituiven Verhältnis ihrer Fertigkeiten bzw. Produktionsleistungen - mehr Arbeitskräfte (die angestammten und zugewanderten) um die selben Arbeitsplätze, dann wird bei zunehmender Gesamtproduktion (im Sinne der klassischen Wirtschaftstheorie) die Grenzproduktivität und das Durchschnittseinkommen der Arbeitskräfte mit identischen Produktionsbeiträgen abnehmen, die Grenzproduktivität des disponiblen Kapitals jedoch mit agglomerativer Tendenz zunehmen. Während in diesem Fall der regionale Gewinn bezogen auf die Zuwanderer allein (schon wegen der ersparten Ausbildungskosten) relativ hoch sein wird, dürften die angestammten Arbeitskräfte kaum einen Nutzen haben. Daneben werden durch das solchermaßen vergrößerte Angebot gleichartiger Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt technologische und institutionelle Innovationen eher verzögert. Die Zuwanderung von meist jüngeren Arbeitskräften bringt den Agglomerationen neben den genannten Vor- und Nachteilen eine oft erwünschte Verjüngung der ansäßigen Bevölkerung, was besonders für eine längerfristige Kontinuität des (niedrigen) Niveaus der sozialen Lasten und für eine kontinuierliche Auslastung der standörtlichen Infrastruktur bedeutsam ist. Räumlich und zeitlich konzentrierte Zuwanderungen führen hingegen häufig zur Überlastung bestimmter Bereiche der Infrastruktur (so von Schulen und Kindergärten). Daraus folgend nehmen nicht selten die sozialen Kosten im Vergleich mit den sozialen Erträgen für die betroffenen Gebietskörperschaften überproportional zu. Die durch die Zuwanderung von Arbeitskräften in den Agglomerationen induzierten Veränderungen der Außenbeziehungen entsprechen - in umgekehrter Richtung bzw. Bewertung - weitgehend jenen in den ländlichen Herkunftsregionen. Ein Teil der Zuwanderer-Einkommen fließt in Form von monetären Transfers ab und wird als potentielles (weil sparfähiges) Investitionskapital dem Zielland der
4. Regionalentwicklung
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Migration abgezogen. Auf diese Weise wird der kumulative Wachstumsprozeß (Kapitalanhäufung als Stimulans für weitere Zuwanderung) in den Agglomerationen wenigstens teilweise gebremst. Durch informelle Vermittlung der Migranten werden in deren Herkunftsregionen neue Bedürfnisse geweckt, die auf die im Zielland der Migration produzierten Gebrauchs- und Verbrauchsgüter gerichtet sind; Bedürfnisse, deren Realisierung mit Hilfe der erarbeiteten Devisen möglich ist. Auf diese Weise werden für die Zielregion der Zuwanderer in deren Herkunftsregion neue Warenmärkte erschlossen. Unter anderem durch die Einführung dieser neuen Güter und durch immer intensivere Vermittlung von Informationen über die Agglomerationen (u. a. Arbeitsmarkt, Einkommenschancen) werden die Werthaltungen in den Herkunftsregionen der Migranten an die in den Agglomerationen angepaßt, dort hingegen werden die Verhaltensweisen durch die Werthaltung der angestammten Bevölkerung nicht selten von den Zuwanderern (u. a. Kochgewohnheiten) beeinflußt. Durch eine derartige Angleichung der Werthaltungen der Bevölkerung in den Herkunfts- und Zielregionen der Migration wird in der Regel die Zuwanderung zu den Agglomerationen eher beschleunigt. Auch in diesem Prozeß spielen die Rückwanderer als Informationsträger eine bedeutende Rolle: Zweifellos wird oft durch die Rückwanderer, die die Gewohnheiten der großstädtischen Bevölkerung kennen und schätzen gelernt haben, in nicht unwesentlichem Umfang der Fremdenverkehr zu ihren Herkunftsregionen angeregt. Geldströme für Konsum und Investitionen vom Zielland der Migration zu ihrem Herkunftsland können die Folge sein.
Teil B Politikbezogene Raumplanung
5. Standorte als Produkte politischer Entscheidung
5.1. Ein neues Paradigma zur Erklärung der Regionalentwicklung: Standorte als von Gebietskörperschaften produzierte Güter Im Rahmen ihrer Regionalpolitik entscheiden die Regierenden darüber, welche staatlichen Investitionen und welche hoheitlichen Eigentums- und Nutzungsregelungen auf die Standorte in ihren Gebieten gelenkt werden. Dabei sind von allen regionalpolitischen Maßnahmen letztlich einzelne Menschen (Regierte) betroffen, auch wenn diese Maßnahmen in räumlichen Koordinaten von kommunalen Infrastruktur- und Flächennutzungsplänen sowie von Landesentwicklungs- und Bundesraumordnungsplänen festgelegt werden: Sowohl die Realinvestitionen des Infrastrukturbereiches als auch die Regelung von deren standörtlich aggregierten Verfügungsrechten beeinflussen die Handlungsspielräume der jeweils betroffenen Eigentümer und Nutzer. In diesem Zusammenhang erscheint daher die Annahme berechtigt, daß gerade die standörtliche Kombination von staatlichen Infrastrukturinvestitiönen und staatlicher Eigentumssicherung jene besonderen einzelwirtschaftlichen Initiativen freisetzt, die zu einer technologisch und wirtschaftlich auch für die Regierenden effektiven Standortnutzung führt. Hier gilt Regionalpolitik als motorischer Bestandteil der Regionalentwicklung; das bedeutet: es wird unterstellt, daß die regionalpolitischen Entscheidungen der Regierenden und die Entscheidungen der privaten Wirtschaftssubjekte theoretisch voneinander abhängig gemacht werden k ö n n e n . U m dieses Verständnis von der regionalen Entwicklung zu konkretisieren, sind besondere Annahmen über das standortbezogene Verhalten (1) der politischen Entscheidungsträger und (2) der privaten Wirtschaftssubjekte zu verknüpfen. Die aus der überlieferten Standortlehre und aus der neoklassischen Theorie des allgemeinen Gleichgewichts abgeleiteten Landschaftsstrukturmodelle (Lefeber, von Böventer) basieren ebenso wie die Theorie der zirkulär verursachten kumulativen Prozesse in der Regionalentwicklung (Myrdal, Pred) einzig auf Annahmen über das Verhalten der privaten Wirtschaftssubjekte. Eine Verknüpfung von Verhaltensannahmen für politische und privatwirtschaftliche Entscheidungsträger erscheint in einem mikroanalytischen (mikroökonomischen) Ansatz prinzipiell möglich, 1 wenn Regierende als agierende Subjekte, mit eigenen Zielen und Mitteln in eigenen Handlungsspielräumen gegenüber den privaten Wirtschaftssubjekten und ihren Handlungsspielräumen eindeutig abgegrenzt werden können.
wichtige Anregungen, in der im folgenden dargestellten Weise zu denken, hat der Autor von F. Voigt, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Verkehrssystems, Berlin 1960, erhalten
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
Dieser Gedankengang wurde, wenn auch mit einem anderen Erkenntnisziel, im Rahmen der ökonomischen Theorie der Demokratie und der ökonomischen Theorie der Bürokratie (J. Schumpeter, A. Downs, Buchanan, G. Tullock, B. Frey, u. a., vgl. Literaturverzeichnis) präformiert. Nach Downs sind Regierungen spezialisierte Organe in der arbeitsteiligen Gesellschaft, getragen von einzelnen Politikern und Parteien, die jeweils nach ihrem Eigennutz entscheiden. Diese in der „ökonomischen Theorie der Demokratie" zugrundegelegte Interpretation der Regierungsfunktion wird hier mit folgender funktionalistischer Vorstellung vom Staate ergänzt. Staat gilt als eine bestimmte Menge von (1) interpersonale und zwischenstandörtliche Beziehungen ermöglichenden , materialen Infrastrukturen und als Menge von (2) personale und standortbezogene Verfügungsrechte über Sachen regelnden institutionellen Ordnungen. Dieser staatliche Besitzstand an materialer Infrastruktur und institutioneller Ordnung wird durch die Bürokratie verwaltet; er erhält seinen Zufluß durch politische Entscheidungen über materiale Investitionen und neue Normen und Gesetze seitens der Regierung, während gleichzeitig abgenutzte Teile der Infrastruktur und überholte Normen und Gesetze aus dem staatlichen Besitzstand ausscheiden. Prinzipiell gilt diese funktionalistische Vorstellung für alle einen Staat konstituierenden Gebietskörperschaften und ihre jeweiligen Regierungen. Aufbauend auf dieser Terminologie ergibt sich als Konsequenz aus dem EigennutzAxiom für die Regierenden, (also aus der Kernhypothese der ökonomischen Theorie der Demokratie) folgende politikbezogene Interpretation der Regionalentwicklung (Hypothesen): (1) Regionalpolitik ist die legitime Verwendung von standortaufwertenden Mitteln aus der Kompetenz einer Gebietskörperschaft und nach den Präferenzen einer Regierung. (2) Regionalstruktur wird durch Regionalpolitik verändert. (3) Jede aktuelle Regionalstruktur ist wesentlich mitbestimmt und erklärbar aus den Präferenzen von historisch aufeinanderfolgenden Regierungen. Nach der ökonomischen Theorie der Demokratie 2 werden die Präferenzen der Regierenden bei der politischen Zielgewichtung erst durch das Vertrauensvotum der Wählermehrheit legitimiert, umgekehrt orientieren die Regierenden in Verfolgung ihres eigenen Machterhaltungsinteresses ihre politischen Entscheidungen am Willen der Wählermehrheit. Aus dieser Annahme kann im Sinne der o. g. Autoren abgeleitet werden: Auf Veranlassung der Regierenden werden von den Gebietskörperschaften (als spezialisierte Organe in der arbeitsteiligen Gesellschaft) Leistungen des Staatsapparates (öffentliche Güter) gegen Leistungen der übrigen (privaten) Wirtschaftssubjekte (private Güter) ausgetauscht und nach Wählerstimmen (Vertrauenspotential) bewertet. Unter diesem Aspekt folgt für die Regionalentwicklung: (1) Regionalpolitische Maßnahmen werden von den Regierten nach dem Ausmaß ihrer Betroffenheit bewertet.
2
Schumpeter S., Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, München 1950 Downs A., Ökonomische Theorie der Demokratie, Tübingen 1968
5. Standorte als Produkte politischer Entscheidungen
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In diesem Sinne mag sich der einzelne Bürger fragen: • Wie verändern regionalpolitische Maßnahmen den Umfang des eigenen Handlungsspielraums (z.B. durch Verbesserung der Erreichbarkeit und Eigentumssicherheit)? • Wie verändern regionalpolitische Maßnahmen den Umfang des eigenen Handlungsspielraums im Vergleich mit dem Umfang der Handlungsspielräume der Mitbürger (das Problem der Begünstigung oder Benachteiligung)? (2) D i e politischen Entscheidungsträger („Regierenden") werden von den Betroffenen für ihre regionalpolitischen Maßnahmen je nach ihrem jeweiligen einzel(privat-)wirtschaftlichen Wert durch entsprechende Wählervoten entgolten. Die folgenden, das Informationsproblem (Propaganda, etc.) behandelnden Fragen, können hier nur angesprochen, nicht jedoch beantwortet werden: • In welchem Ausmaß können Wählervoten als Entgelte für die realen Leistungen der Regierenden gewertet werden? • In welchem Ausmaß können die Wähler die von den Regierungen verschiedener übereinandergelagerter Gebietskörperschaften (Gemeinde, Land, Bund) erbrachten Leistungen den Verantwortlichen zurechnen? • In welchem Ausmaß geht der staatliche Bestand an Infrastruktur und institutionellen Ordnungen, der durch früher amtierende Regierungen als Leistungen erbracht wurde, in die Wählervoten ein bzw. in welchem Ausmaß werden amtierende Regierungen für empfundene Versäumnisse früherer Regierungen bestraft? Für eine die regionale Entwicklung erklärende Theorie erscheint es allerdings notwendig, im besonderen die regionalpolitische Rolle der Regierenden in den Gebietskörperschaften und deren rechtlich-institutionelle Zuordnung genauer zu analysieren. Dabei ist von folgenden Zusammenhängen auszugehen: (1) D i e Landschaft ist territorial gegliedert, wobei ein Gebiet durch die Grenzen d e r Verfügungsgewalt einer zugehörigen Gebietskörperschaft definiert ist. G e m ä ß einer Hierarchie von gebietskörperschaftlichen Verfügungsrechten schachteln sich die Gebiete von Bund, Gemeinden und Grundstücken ineinand e r . W ä h r e n d gebietliche Barrieren- und Grenzsysteme den Gebietskörperschaften in der Form von speziellen (je nach Position in der staatlichen Hierarchie gutspezifisch unterschiedenen) Verfügungsrechten ihr standörtliches Eigentum zuordnen, integrieren die Kommunikations- und Versorgungssysteme der Infrastruktur (in gutspezifisch besonderer Weise) Standorte in übergeordnete Territorien. (2) Nur die in der Gebietskörperschaftlichen Hierarchie nachgeordneten Gebiete können Bezugsstandorte für regionalpolitische Entscheidungen einer Regierung sein. (3) Jede Gebietskörperschaft, sei es eine Bundes- oder Länderregierung, sei es ein Bürgermeister, kann als Person in der Rolle eines Grundeigners behandelt werden, also als Person mit eigenen Interessen; bezüglich der in ihrem Gebiet enthaltenen Standorte bzw. bezüglich deren Nutzung haben Grundeigner ein Interesse an „einer optimalen Nutzung". Das entspricht dem durch die Organe der Regionalplanung repräsentierten, in der Hierarchie nach unten gerichteten Nutzungsintercsse. Dieselben Grundeigner konkurrieren innerhalb eines übergeordneten Gebiets um die knappen Investitionsmittel aus anderer Verfügungsgewalt, wenn es gilt, gegenüber der übergeordneten Gebietskörperschaft die eigene Position zu verbessern: Dieses in der Hierarchie nach oben
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung gerichtete Positionsinteresse wird durch die gebietskörperschaftliche „pro d o m o " - L o b b y repräsentiert. 5 Das Nutzungsinteresse der Grundeigner beinhaltet insbesondere ein Interesse an umfassender Information über Struktur und Vorgänge innerhalb des eigenen Gebiets, ihr Positionsinteresse ein Bemühen um die Verbreitung solcher ausgewählter Informationen, die der Schaffung eines zweckmäßigen eigenen Image dienen können.
(4) Sowohl das Nutzungs- als auch das Positionsinteresse der Grundeigner sind letztlich gerichtet auf eine Verbesserung der Gewinnchancen und auf eine Erhöhung des Nutzens. Bezüglich des Positionsinteresses wird hier die Maximierung des standörtlichen Nutzungspotentials bzw. des Handlungsspielraums durch infrastrukturelle Gelegenheiten und eigentumsregelnde Barrieren aus der H a n d der übergeordneten Gebietskörperschaften in der eigenen Verfügungsgewalt angestrebt, bezüglich des Nutzungsinteresses die optimale, d . h . die gewinnmaximale Nutzung über alle Standorte im eigenen Gebiet. Gegenstand beider Interessenskategorien sind die Kommunikations- und Versorgungssysteme der Infrastruktur, welche auf verschiedenen Hierarchieebenen bestimmte Standorte in einem Gebiet verbinden und die Barrieren- bzw. Grenzsysteme, welche in einem Territorium das jeweils in der Hierarchie nachgeordnete standörtliche Eigentum sichern. (5) Regionalplanung, ob Stadt-, Landes- oder Bundesplanung, ist immer konstituiert aus Eingriffen von Gebietskörperschaften in die territorialen Verfügungsrechte und in die Handlungsspielräume der in der Hierarchie nachgeordneten Gebietskörperschaften bzw. Grundeigner. Im positiven Sinne, wenn durch einen Anschluß an ein die gebietlichen Grenzen schneidendes Kommunikations- oder Versorgungssystem die standörtlichen Gelegenheiten vermehrt und standörtliche Verfügungsrechte durch Barrieren- bzw. Grenzsysteme gesichert werden. Im negativen Sinn, wenn durch Restriktionen (Flächenwidmung u. ä.) das Nutzungspotential des betrachteten Standortes vermindert wird.'
Bund
— Länder Gemeinden Grundstücksbesitzer Abb. 5.1.
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4
Interessenstruktur in einer Hierarchie von Gebietskörperschaften
vgl. dazu insbesondere Bökemann D. Ansatz einer technologischen Theorie der regionalen Entwicklung, in: Raumforschung und Raumordnung, 1973 Diese Überlegungen sind detaillierter dargestellt in Bökemann D., Messelhäuser H. ]., Marktmodell für infrastrukturell differenzierte Standorte, Abschlußbericht zu einem DFGForschungsprojekt, Karlsruhe u. Wien, 1977
5. Standorte als Produkte politischer Entscheidungen
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Im Rahmen der arbeitsteiligen Gesellschaft ist den Gebietskörperschaften die Rolle zugewiesen, innerhalb ihrer Territorien standörtlich gebundene Gewinnchancen privaten Wirtschaftssubjekten zuzuteilen. Dabei werden die einzelnen regionalpolitischen Maßnahmen jeweils untrennbar mit den Eigenschaften-Beständen der betreffenden Standorte verbunden; das bedeutet: mit ihren regionalpolitischen Maßnahmen verändern die Regierenden in den Gebietskörperschaften die Standortqualitäten in ihren Territorien. Diese Rolle der Gebietskörperschaften hat in bezug auf das Handlungsinteresse und den Handlungsspielraum eine jeder privatwirtschaftlich produzierenden Unternehmung ähnliche (und theoretisch gleichartig zu behandelnde) Struktur: Gebietskörperschaften können somit als Produktionsbetriebe für Standorte angesehen werden. Standorte sind von Gebietskörperschaften marktbezogen produzierte Güter, die von ihrem Produzenten an andere Wirtschaftssubjekte geliefert und von diesen (als Investitionsgüter höchster Ordnung und längster Lebensdauer) verwendet (genutzt) werden. Im Sinne der wirtschaftswissenschaftlichen Definitionskriterien sind Standorte „Güter", weil sie für a-priori geplante Verwendungszwecke geeignet sind, „wirtschaftliche Güter", weil die Verfügungsgewalt, also das Recht ihrer Verwendung, unteilbar erworben und veräußert werden kann, sie sind „knappe Güter" und sie sind „produzierte Güter", weil sie durch Kombination von Einsatzmitteln nach Plänen effizient hergestellt werden. Standorte sind Investitionsgüter, weil sie erst nach ihrer Produktion, dann aber über einen langen Zeitraum einen Nutzen stiften.
Mit diesem Paradigma können die Gebietskörperschaften theoretisch auf die selbe Betrachtungsebene gestellt werden wie die privaten Wirtschaftssubjekte; sie handeln • nach ähnlichen Kriterien (Eigennutz-Maxime der Regierenden) • mit ähnlichem Ergebnis (Produkt: Standorte) und sie sind • mit den übrigen Wirtschaftssubjekten durch vergleichbar bewertete Leistungsströme verbunden. Es sei bereits an dieser Stelle angemerkt, daß man neben den Standorten analog auch Arbeitskräfte und Nutzungstechniken als von Gebietskörperschaften erzeugte Güter ansehen kann, wenn man das staatliche Ausbildungs- und Forschungssystem als einen Produktionsbetrieb auffaßt, in dem auf Personen jene Fertigkeiten (in jeweils bestimmter Menge und Struktur) aufgeprägt werden, die sie als bestimmte Arbeitskräfte erst qualifizieren und in denen wissenschaftliche Erkenntnisse mit eigentumsrechtlichen Normen versehen und zu einem, eine Nutzungstechnik beschreibenden Informationspaket zusammengefaßt werden. Unter diesem Aspekt erscheinen die oft als „ursprüngliche Produktionsfaktoren" bezeichneten Kategorien „Boden" und „Arbeit" sowie der Residualfaktor „Technischer Fortschritt" in der arbeitsteiligen Wirtschaft als zweckbestimmte und spezialisierte Produkte; als Ergebnisse eines zweifellos besonders langwierigen und vielstufigen Produktionsprozesses mit recht komplexen Produktionsbedingungen.
So gesehen, erscheint die Vorstellung, Standorte als von Gebietskörperschaften produzierte Güter zu betrachten, nicht im Gegensatz zu stehen mit (1) der traditionellen Standortlehre, (2) den neoklassischen Theorien zur Landschaftsstruktur und (3) den Theorien zur kumulativen Entwicklung (Wachstum und Verfall) mit zirkulärer Verursachung in der regionalen Dimension. Es scheint vielmehr, als ob gerade mit Hilfe dieses Ansatzes die bezeichneten Theorien zur Erklärung der regionalen Entwicklung politikrelevant (und somit auch planungsrelevant) ergänzt werden könnten.
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
Aus der Basisannahme, Standorte als von Gebietskörperschaften produzierte Güter anzusehen, lassen sich nach den Sprachregeln der mikroökonomischen Theorie folgende Fragen formulieren: • Wie ist der institutionelle Rahmen der Standortproduktion beschaffen? Das ist die Frage nach den verfassungs- und gesetzmäßigen Bedingungen der Standortproduktion. • Unter welchen materiellen Bedingungen werden Standorte produziert? Das ist die Frage nach der Beschaffenheit des Produktionsapparates (relevante Handlungsspielräume der Gebietskörperschaften und deren Zuordnung) und nach der Art der relevanten Produktionsfaktoren. • Mit welchem Produktionsverfahren werden Standorte bestimmter Art produziert? Das ist die Frage nach der Produktionsfunktion bzw. nach der optimalen Faktorkorabination für eisen einzelnen Standort. • Mit welcher Produktstruktur(Produktionsprogramm) wird das bestmögliche Betriebsergebnis erzielt? Das ist die Frage nach dem für die Regierenden nutzenmaximalen regionalen Entwicklungsplan. Diese Fragen werden im folgenden nach den methodischen Regeln der mikroökonomischen Theorie behandelt 5 .
5.2. Institutioneller Rahmen der Standortproduktion Folgt man der Vorstellung, daß Standorte neben anderen öffentlichen Leistungen als von Gebietskörperschaften produzierte Güter anzusehen seien, dann können Gebietskörperschaften als Mehrprodukt-Unternehmungen gelten, innerhalb deren Verbandes jeweils einem Ressort oder Amt die Rolle eines standortproduzierenden Betriebes zufällt, Unter diesem Aspekt bezieht dann das für die Regionalpolitik verantwortliche Ressort einer Gebietskörperschaft wie ein Produktionsbetrieb von anderen Wirtschaftssubjekten (privaten oder staatlichen Unternehmungen oder Ressorts) Faktoren und kombiniert diese mit eigenen Leistungen zu dem Produkt Standort. Wie die Produktion der meisten technologisch komplexen Güter kann man sich auch die Standortproduktion als einen Prozeß in Stufen vorstellen; wobei das Gut Standort vom gewissermaßen naturhaften Rohstoff Boden (ohne infrastrukturelle Investitionen und ohne hoheitliche Eigentumsregelung) über Zwischenprodukte zum nutzbaren Endprodukt Grundstück transformiert wird. Bei dieser Vorstellung durchlaufen Standorte in ihrem Produktionsprozeß mehrere einander jeweils nachgeordnete Gebietskörperschaften als liefernde, abnehmende und wertschöpfende Betriebe; auf jeder Produktionsstufe und in jedem durchlaufenen gebietskörperschaftlichen Ressort oder Amt erhalten 5
Dieselben Fragen sind bereits angerissen, jedoch unvollkommen abgehandelt, in: Bökemannl Palme, Grundlagen zu einer Theorie der Standortproduktion
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5. Standorte als Produkte politischer Entscheidungen
Standorte einen höheren Reifegrad, das bedeutet: sie eignen sich besser für bestimmte Nutzungen. Im folgenden wird zunächst, in Analogie zum privatwirtschaftlichen Produktionsbetrieb, die institutionelle Struktur einer einzelnen standortproduzierenden Gebietskörperschaft (bzw. das entsprechende Ressort für Regionalpolitik) dargestellt, dann werden die Beziehungen zwischen den an der Produktion von Standorten beteiligten Gebietskörperschaften analysiert.
5.2.1. Zur institutionellen Struktur „Standorte produzierender Betriebe" in Gebietskörperschaften In den Gebietskörperschaften ist Standortproduktion als politische Funktion dadurch legitimiert, daß die Regierenden in einer verfassungsmäßigen Kompetenz über Budgetmittel verfügen, mit deren Einsatz („regionalpolitische Instrumente") sie die Standorte ihres Gebietes nach Menge und Qualität variieren. Die Aufgabe ist verwaltungsmäßig zugewiesen • auf Gemeindeebene: den Ämtern für Stadtentwicklung und Stadtplanung, • auf Bundesländerebene: den Ministerien oder Ministerialabteilungen für Landesentwicklung, Landesraumordnung und Landesplanung, • auf bundesstaatlicher Ebene: dem Ministerium oder der Ministerialabteilung für Bundesraumordnung. Produktionsbetriebe für Standorte sind demnach spezialisierte Organe innerhalb der Leistungsverwaltunp der Gebietskörperschaften, die ausschließlich damit befaßt sind, standörtliches Nutzungspotential effizient /u erzeugen und innerhalb des betreffenden Gebietes nach regionalpolitischer! Zielen abzusetzen bzw zu verteilen. Innerhalb der Standorte produzierenden Betriebe werden die Produktionsfaktoren • Boden, • Infrastruktur, • Bodenordnung zu standörtiiehen Nutzungspotentialen als Produkt kombiniert
i
Diese Produktionsfaktoren für Standorte werden bezogen (1) von nachgeordneten Gebietskörperschaften. Unter diese Faktorkategorie fallen der Boden als Rohstoff der Standortproduktion und die innergebietlich aufzuwertenden Standorte als Vorprodukte. (2) von anderen Ressorts derselben Gebietskörperschaft. Diese Kategorie umfaßt die zu investierenden Elemente der innergebietlichen Infrastruktur und Bodenordnung. Wegen der unmittelbaren Verfügbarkeit sind diese Produktionsfaktoren relativ variabel einsetzbar. (3) von übergeordneten Gebietskörperschaften. Diese Kategorie von Produktionsfaktoren umfaßt Maßnahmen zum Ausbau der zwischengebietlichen Infrastruktur und Bodenordnung. Da sie der unmittelbaren Disponibilität der betrachteten Gebietskörperschaft (der Standorte produzierenden Betriebe) entzogen sind, gelten sie als weitgehend fixe Faktoren.
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
Regierende Politiker setzen und gewichten die Ziele der Standortproduktion einer Gebietskörperschaft, indem sie • die Stückzahl der zu produzierenden (aufzubietenden) Standorte, • die Qualität bzw. das Aufwertungsausmaß der einzelnen Standorte und damit • die Verteilung der standörtlichen Aufwertungseffekte über die Bevölkerung und über die Betriebe ihres Gebietes variieren. Sie entscheiden damit über das Produktionsprogramm ihres Standorte produzierenden Betriebes. Es wird hier unterstellt, daß die Regierenden ihre Entscheidungen über das Programm der Standortproduktion an ihrem Eigennutz, dem sogenannten politischen Nutzen, optimieren. Der politische Nutzen der Regierenden gilt hier als am politischen Besitz (politischen Handlungsspielraum) orientiert. Neben der Disponibilität über Budgetmittel ist der politische Handlungsspielraum der Regierenden durch ein Mindestmaß an Wählerloyalität definiert. Im „Standorte produzierender Betrieb" einer Gebietskörperschaft spielen die Regierenden demnach eine dem privaten Unternehmer ähnliche Rolle: Sie sind (wenn auch auf die, Dauer ihres Mandats befristet) Inhaber des Standorte produzierenden Betriebes, in dem sie die Produktionsziele („regionalpolitische Ziele") setzen und gewichten. Mit der Gewichtung der Produktionsziele streben die Regierenden, wenn sie sich rational verhalten, nach Erhaltung ihres Mandats politischen Gewinn an. Damit orientieren sich die Entscheidungen der Regierenden wie die der privaten Unternehmer an der Erhaltung und Vermehrung ihres (hier auf den Standorte produzierenden Betrieb bezogenen) Besitzes. Als politischer Gewinn gilt der Zuwachs an politischem Handlungsspielraum für die Regierenden. Unter diesem Aspekt sind Regierende wie private Unternehmer neben geldlichem Gewinn auch an dem Vertrauen bzw. an der Loyalität ihrer Geschäftspartner interessiert, betreffe diese nun die Faktorlieferanten oder die Kunden. Im Falle der Regierenden werden die Faktorlieferanten durch die anderen Regierungsmitglieder in derselben Gebietskörperschaft sowie die Verhandlungspartner in den übergeordneten Gebietskörperschaften repräsentiert, als Kunden können die mit dem Produkt „standörtliches Nutzungspotential" belieferten Grundstücksbesitzer (von Standortqualitätsveränderungen Betroffenen) angesehen werden. Innerhalb ihres Betriebes haben die Regierenden bei der Standortproduktion in jedem Fall einen beschränkten regionalpolitischen Handlungs- bzw. Gestaltungsspielraum. Die Beschränkungen beziehen sich • auf das aktuelle Budget, aus welchem die Einsatzfaktoren der Standortproduktion bezahlt werden müssen, • auf die Planungskapazität des Standorte produzierenden Betriebes (innerhalb der Verwaltung), • auf die Durchführungskapazität der Bauwirtschaft, die im Auftrag die beschlossenen Maßnahmen zur Standortproduktion realisiert. Die innere Organisation des Standorte produzierenden Betriebes einer Gebietskörperschaft ist verwaltungsmäßig geregelt.
5. Standorte als Produkte politischer Entscheidungen
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Sie soll ermöglichen, • daß die Produktionsfaktoren ohne Verluste bezogen werden, • daß die Produktionsfaktoren, den technologischen und ökonomischen Effizienzkriterien entsprechend, zum Produkt „standörtliches Nutzungspotential" kombiniert werden und • daß das Produkt „standörtliches Nutzungspotential", den politischen Zielen entsprechend, (Produktionsprogramm) ohne Verluste abgesetzt wird Unter diesem Aspekt ist der Produktionsapparat konstituiert durch • fachkundiges Personal und • materielle Ausstattung (Gerät und Räume). Die Kapazität dieses Produktionsapparates ist beschränkt, sodaß fallweise bei Überlastung Leistungen zur Standortproduktion (Regionalanalysen, detaillierende Planungsarbeiten) von Fremden (private Planungs- und Ingenieurbüros) bezogen werden. Im Standorte produzierenden Betrieb einer Gebietskörperschaft ist den Raumplanem eine den Produktmanagem in privaten Unternehmnungen ähnliche Rolle zugewiesen: Sie haben die von den Regierenden gesetzten und gewichteten Produktionsziele als Produktionsprogramm technisch-zweckmäßig und ökonomisch-effizient zu verwirklichen. Dazu müssen (sollten) sie permanent Planalternativen zur politischen Bewertung ausarbeiten und entschiedene Pläne (Produktionsprogramme) zur Projektreife detaillieren. Zusammenfassend werden Standorte produzierende Betriebe somit definiert • durch eine entsprechende (verfassungsmäßige) Kompetenz innerhalb der gebietsköperschaftlichen Verwaltung (Bürokratie), • durch die Möglichkeit, mit regionalpolitischen Zielen festzulegen, welche Arten und Mengen von Produkten (standörtliches Nutzungspotential) durch Kombination entsprechender Einsatzfaktoren erzeugt werden sollen, • durch entsprechende faktorbezogene Lieferbeziehungen (Verfügbarkeit über entsprechende Produktionsfaktoren) und produktbezogene Absatzbeziehungen (Ausnutzung der Händlerrolle von Grundstücksbesitzern und Maklern), • durch entsprechende Produktionskapazität im Planungs- und Durchführungsbe'Ifgpich.
5.2.2. Beziehungen zwischen verschiedenrangigen Gebietskörperschaften im Prozeß der Standortproduktion Verschiedene Gebietskörperschaften sind im Prozeß der Standortproduktion einerseits durch sachliche Liefer- und Absatzbeziehungen, andererseits durch Geldströme verbunden. Während die sachlichen (und institutionellen) Leistungen als zusätzliche standörtliche Nutzungspotentiale aus Infrastruktur- und Bodenordnungsverbesserungen in der gebietskörperschaftlichen Hierarchie nach unten gerichtet sind, fließen die Geldströme, auf der Grundstücksebene über eine entsprechende Nutzung als Gewinnabschöpfung entstehend, aggregiert nach oben.
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
Die Hierarchie der Gebietskörperschaften markiert somit zugleich die Produktionsstufen in der institutionellen Struktur der Standortproduktion, wobei jedem gebietskörperschaftlichen Rang jeweils bestimmte Reifegrade des Produktes „Standort" als Output entsprechen. Der Bund produziert Länder als Standorte. Die vom Bund produzierten Standorte gehen als Vorprodukte in den Produktionsprozeß der Länder ein, die Gemeinden als Standorte (Zwischenprodukt) produzieren. Die Gemeinden wiederum erzeugen, anter Verwendung der vom Land produzier» ten Standorte als Vorprodukte. Grundstücke; diese sind die gleichsam „konsumreifen" Endprodukte des standörtlichen Produktionsprozesses. Nur die Endprodukte der Kategorie „Grundstück" werden von ihren Eigentümern schließlich in der Weise verwendet, daß sie ihrerseits als Faktoren (der sogenannte „Faktor Boden") in die Güterproduktion (produktive Standortnutzung) oder in die nutzenschaffende Reproduktion (konsumtive Standortnutzung für Wohn- und Erholungszwecke) eingehen. Entgolten werden die Produktionsleistungen, mit denen verschiedenrangige Gebietskörperschaften am selben „Endprodukt Grundstück" beteiligt sind, erst mit jenen Steuern und Abgaben, die sich bei entsprechender Grundstücksnutzung aus den Gewinnen abschöpfen lassen. Aus diesem Grunde sind sämtliche Gebietskörperschaften an einer möglichst unverzüglichen und möglichst gewinnreichen Nutzung bzw. Verwendung ihres gemeinsamen Produktes Grundstück interessiert. Man kann demnach das Entgelt für die Leistungen einer Gebietskörperschaft zur Standortproduktion als jenen Anteil am aggregierten Gewinn der einzelnen gebietlichen Grundstücksnutzungen interpretieren, der in ihr Budget fließt. Dieser gebietskörperschaftliche Anteil an der staatlichen Nutzungsgewinn-Abschöpfung hängt im wesentlichen ab • vom durchschnittlichen Niveau und • vom Konzentrationsgrad der standörtlichen Nutzungspotentiale im betrachteten Gebiet. In bezug auf das Entgelt für ihre Beiträge zur Standortproduktion stellen sich für die beteiligten Gebietskörperschaften folgende Fragen: • In welchem Ausmaß sind die verschiedenrangigen Gebietskörperschaften (Bund, Land, Gemeinde) durch Faktorlieferungen an dem Nutzungspotential eines Grundstücks als Endprodukt beteiligt? • In welchem Ausmaß sind die verschiedenrangigen Gebietskörperschaften (Bund, Land, Gemeinde) an den Nutzungsgewinnen aus ihrem gemeinsamen Produkt Grundstück beteiligt? Zweifellos kann jede Gebietskörperschaft bei gleichen Rahmenbedingungen (Vorgabe der von höherem Rang gelieferten fixen Faktoren) das Produktionsergebnis mit ihren variablen Faktoren beeinflussen. Hingegen muß Sie immer damit rechnen, daß ein großer Teil der von ihr (durch entsprechende Produktionsleistungen) veranlaßten Gewinnsteigerung von anderen (weniger beteiligten) Gebietskörperschaften gleichsam abgeschöpft wird. Es kann jedoch in jedem Fall angenommen werden, daß die Regierungen der einzelnen an der Standortproduktion beteiligten Gebietskörperschaften danach stre-
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S. Standorte als Produkte politischer Entscheidungen Bund
K4
V« •fii.
1. P r o d u k t i o n s s t u f e •OUTPUT
V „Rohprodukt" Länder
2. P r o d u k t i o n s s t u f e H l OUTPUT
V „Zwischenprodukt" Gemeinden
3. Produktionsstufe m
OUTPUT
V „Endprodukt"
Grundstücke
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Nutzer
Legende VB = Faktormenge „Boden" V, = Faktormenge „Infrastruktur" V G = Faktormenge „Grenze"
Symbole © = Verteilungsschlüssel für die Rückflüsse [E= Investitionsbudget der Gebietskörperschi • H monetärer Rückfluß E| = Ertrag des Bundes aus der Standortproduktion • • I Produktionsmittel zur Verbesserung des Produktionsapparates En = Ertrag der Länder aus der Standortproduktion E l n = Ertrag dr Gemeinden aus der Standortproduktion Q = Qualität 1 der Standorte im Territorium M = Menge J einer Gebietskörperschaft Abb. 5.2.
Prozeß der Standortproduktion
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
ben, ihr eigenes Gewinn-Aufwandverhältnis möglichst günstig zu gestalten. Dies gilt vermutlich sowohl für die Budgetrückflüsse als auch für die Veränderung der Wählerloyalität im eigenen Gebiet. Ihre Position als Standortproduzenten können die Regierenden im Rahmen der gebietskörperschaftlichen Hierarchie auf verschiedene Weise verbessern: • Durch Erhöhung ihres Gewinnanteils an der gebietlichen Nutzung zu Lasten der in der Hierarchie nachgeordneten Gebietskörperschaften, Grundeigner und Nutzer. Dieser Weg erscheint nur kurzfristig und in der Regel nur unter Einsatz von hoheitlicher Gewalt (oder in Ausnahmesituationen durch Überredung der hierarchisch jeweils Nachgeordneten zum Verzicht) politisch realisierbar. • Durch Erhöhung des gebietlichen Nutzungspotentials bei gleichbleibenden Nutzungsgewinnanteilen für die betreffende Gebietskörperschaft und ihre hierarchisch nachgeordneten. Dafür ist es erforderlich, daß die standörtlichen Nutzungsbedingungen innerhalb des betrachteten Territoriums durch Binneninfrastrukturinvestitionen und eigentumsregelnde Maßnahmen verbessert werden. Bei diesem regionalpolitischen Konzept werden alle in der Hierarchie nachgeordneten Gebietskörperschaften, Grundeigner und Nutzer gleichmäßig, wie die veranlassende Gebietskörperschaft, begünstigt. • Durch Begünstigung einzelner Gebiete bzw. Gebietskörperschaften durch entsprechende selektive Aufwertung zu Lasten gleichrangiger (bei gleichbleibender Gewinnaufteilung). Dieses regionalpolitische Konzept kann dazu dienen, regionale Disparitäten innerhalb des Territoriums der übergeordneten Gebietskörperschaft abzubauen. • Durch Erhöhung des gebietlichen Nutzungsgewinnanteil zu Lasten der übergeordneten Gebietskörperschaft durch Änderung der Finanzverfassung.
5.2.3. Beziehungen zwischen gleichrangigen Gebietskörperschaften im Prozeß der Standortproduktion Innerhalb der staatlichen Hierarchie erscheinen gleichrangige Gebietskörperschaften als Konkurrenten (1) auf dem Faktormarkt. Dort erwerben sie von höherrangigen Gebietskörperschaften (als monopolistischen Anbietern) jene fixen Produktionsfaktoren, mit denen sie den eigenen Poduktionsapparat verbessern. Diese Faktoren, beispielsweise in der Form von Anschlüssen an die übergeordnete Infrastruktur oder in Form von privilegierten Nutzungsrechten, sind bei den übergeordneten Gebietskörperschaften knappe Einsatzmittel in deren Standortproduktion. In diesem Sinne mögen beispielsweise für eine Gemeinde Autobahnanschlüsse, die aus dem Etat des Bundes, oder Universitäten und Krankenhäuser, die aus dem Etat des Landes finanziert wurden, interpretiert werden. Analog gilt das aus der Perspektive eines Landes für die das gesamte Landesterritorium erschließende Bundesautobahn (gegebenenfalls mit ihren internationalen Grenzübergängen) oder für eine Bundesforschungsanstalt.
(2) auf dem Gütermarkt. Dort setzen sie ihr Endprodukt Grundstück an niederlassungswillige Unternehmnungen und Haushaltungen (als mobile Nachfrager) ab. In diesem Sinne richtet sich das Interesse sämtlicher Gebietskörperschaften der staatlichen Hierarchie auf dieselben Personen: die Grundstücksnutzer. Dem Identitätsausmaß der Interessen entsprechend, bilden die in einer staatlichen Hierarchie einander zugeordneten gleichrangigen Gebietskörperschaften in der
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Regel dann Koalitionen gegenüber der übergeordneten Gebietskörperschaft, wenn die Neuverteilung der Kompetenzen innerhalb der staatlichen Hierarchie zur Disposition steht. In diesem Falle versuchen sämtliche gleichrangige Gebietskörperschaften ähnlich wie ein Bezugskartell in der privaten Wirtschaft, durch Zusammenschluß ihre Position gegenüber einem Faktorlieferanten zu verbessern. In diesem Sinn können sowohl der Städte- und Gemeindetag als auch der Bundesrat der Länder als Bezugskartelle interpretiert werden. Besonders aktiv werden diese Koalitionen von gleichrangigen Gebietskörperschaften beispielsweise in Verhandlungen um die Steuerreform. insbesondere um die Reform des vertikalen Finanzausgleichs, in Verhandlungen um neue Finanzierungsmodelle für bestimmte Infrastrukturbereiche (z. B. Hochschulbau, Forschungsförderung u . ä . ) oder um die Gemeinde- und Ländergebietsreform.
5.3. Zur politisch-ökonomischen Bedeutung der Raumplanung 5.3.1. Regionalpolitik und Raumplanung im traditionellen wissenschaftlichen Verständnis In den Wirtschaftswissenschaften6 gilt Regionalpolitik (oder auch: Regionale Wirtschaftspolitik) als ein Problemfeld der Makroökonomik: Ausgehend von gesamtwirtschaftlichen Zielen (wirtschaftliches Wachstum, soziale Gerechtigkeit, Sicherheit des Eigentums und der Beschäftigung), werden nach dem überlieferten wirtschaftswissenschaftlichen Verständnis im Rahmen der Regionalpolitik die ursprünglich sektoral unterschiedenen staatlichen Budget- und Rechtsmittel (vor allem aus den Bereichen Infrastrukturinvestitionen und Wirtschaftsförderung) nach den regionalen Besonderheiten bzw. Problemlagen auf die Teilgebiete des Staates verteilt. Aus der Sicht der einzelnen Teilgebiete des Staates besitzt Regionalpolitik für deren Entwicklung zugleich eine zielsetzende Funktion. Hingegen wird Raumplanung (Stadt- und Landesplanung) eher als eine administrativ vollziehende und technische (Ingenieur-)Aufgabe angesehen, in welcher die regionalpolitischen Ziele vorgegeben sind. Im Rahmen der Raumplanung werden dementsprechend die budgetären und rechtlichen Einsatzmittel der öffentlichen Hände, technischen Nonnen folgend, in reale Projekte umgesetzt und zweckmäßig nach Art, Umfang und Standort festgelegt. Raumplanung folgt unter diesem Aspekt somit mikroökonomischen Kriterien. Der regionalpolitischen Einschätzung von gesamtwirtschaftlichen Zielen vorgelagert ist in der Theorie der Regionalpolitik die Vorstellung von makroökonomischen regionalen Produktiousfiinktionen, durch welche die Entstehung des Regionalproduktes (als Teil des Sozial- oder Nationalproduktes) beschrieben wird. Regionale Produktionsfunktionen kennzeichnen die Ausnutzung bzw. den Beschäftigungsgrad (Produktivität) der regional verfügbaren Produktionsfaktoren • Kapital, meist unterschieden in einen privaten (Superstruktur-) und einen öffentlichen (Infrastruktur-) Bereich, • Arbeit und • technisches Wissen. 6
vgl. dazu Fürst, D., Klemmer, P., Zimmermann, K., Regionale Wirtschaftspolitik, Tübingen/ Düsseldorf, 1976 Brösse, U., Raumordnungspolitik, Berlin, 1975
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
Als wichtigste, den gesamtwirtschaftlichen Zielen nachgeordnete Ziele werden genannt: (1) Erzielung eines möglichst großen Regionalproduktes bei Ausnutzung sämtlicher verfügbarer Produktionsfaktoren. Zu diesem Zweck müßte die Faktorausstattung sämtlicher Regionen durch entsprechende Transfers • in Engpaßbereichen solange ergänzt und • in Überschußbereichen solange abgebaut werden, bis die Grenzproduktivität der transferierten Faktoren über alle Regionen des Staatsgebiets gleich ist (produktivitäts- bzw. wachstumsorientierte Regionalpolitik7). (2) Angleichung der regionalen Ausstattung mit Arbeits-, Wohn-, Versorgungs- und Freizeit-Gelegenheiten zur Errichtung möglichst gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Staatsgebiet8 auf möglichst hohem Niveau. Zu diesem Zweck müßten in den relativ unterentwickelten Regionen solange weitere Gelegenheiten (als Beiträge zu den individuellen Handlungsspielräumen) geschaffen werden, bis das regional aggregierte Nutzen-Niveau der Bevölkerung in allen Regionen des Staatsgebiets gleich ist (sozialorientierte Regionalpolitik). (3) Angleichung der regionalen Sicherheit vor konjunkturellen Beschäftigungskrisen und Umweltstörungen auf möglichst hohem Niveau. Zu diesem Zweck müßten in den relativ gefährdeten Regionen in entsprechendem Ausmaß krisenanfällige und umweltstörende Betriebe durch solche ersetzt werden, deren Marktpolitik entsprechend sicher und deren Produktionstechnologie entsprechend umweltfreundlich ist. Als Subjekt der Regionalpolitik gilt im Rahmen der makroökonomischen Theorie der Staat ohne ressortmäßige oder gebietskörperschaftliche Differenzierung. Dementsprechend wird bei Bewertungen der volkswirtschaftlichen Regionalstruktur in der Regel der regionalpolitische Subjektcharakter der nachgeordneten Gebietskörperschaften, also der Bundesländer und Gemeinden, weitgehend vernachlässigt. Damit bleiben besonders die Konkurrenzverhältnisse zwischen den im Staat nachgeordnet gleichrangigen Gebietskörperschaften (aber auch deren unterschiedliche regionalpolitische Zielgewichte) außerhalb der Betrachtung. Objekte der Regionalpolitik sind nach der aus der makroökonomischen Theorie abgeleiteten Vorstellung Wirtschaftssubjekte, die über Teile des Staatsgebietes aggregiert worden sind. Diese regionalen Aggregate unterscheiden sich untereinander durch Ausprägungen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Probleme. Sie bedürfen einer entsprechend unterschiedlichen Gewichtung der gesamtwirtschaftlichen Ziele und eines differenzierten Einsatzes der regionalpolitischen Instrumente. Sofern die Regionalisierung des Staatsgebietes an Homogenitätskriterien für wirtschaftliche und soziale Probleme orientiert ist (meßbar z. B. als „regionale Ausstattungs-, Nutzungs-, Produktivitäts- oder Versorgungsdefizite", abgrenzbar z.B. als „unterentwickelte oder gefährdete Regionen") steht diese in einem Gegensatz zur Regionalisierung des Staatsgebietes nach Verfügungsrechten über die Instrumente und Einsatzmittel der Regionalpolitik. Die Vertei'
8
vgl. dazu Marx, D., Wachstumsorientierte Regionalpolitik, Göttingen, 1966 vgl. dazu Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Raumordnungsberichte und Raumordnungsprogramme, 1974, Bonn-Bad Godesberg
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lung der Verfügungsrechte über die regionalpolitischen Instrumente und Einsatzmittel entspricht der gebietskörperschaftlichen Hierarchie des Staates (Bund, Länder, Gemeinden); innerhalb dieser sind Gebiete in Wirklichkeit allerdings nicht nur Objekte (wie sie die Theorie der Regionalpolitik sieht), auf welche die Ziele und Instrumente einer übergeordneten Regionalpolitik gerichtet sind, sondern sie sind zugleich Subjekte, die ihrerseits agieren, um im Konkurrenzkampf möglichst viele Mittel an sich zu ziehen und um diese nach eigenen Präferenzen bzw. Zielgewichten einzusetzen. Während sich Regionalpolitik primär mit den aggregierten Aktivitäten der Wirtschaftssubjekte in Teilgebieten des Staates befaßt, ist Raumplanung auf die technischbetriebswirtschaftlichen und rechtlichen Nutzungsbedingungen von Standorten gerichtet. Die theoretischen Konzepte der Raumplanung basieren vor allem auf Vorstellungen von individuellen Standortpräferenzen, die aus mikroökonomischen Produktionsfunktionen der Betriebe, aus Konsumfunktionen der Haushaltungen und aus Tätigkeitsmustern der einzelnen Einwohner abgeleitet werden. Konstitutiv für diese Vorstellungen sind einerseits die sogenannten Standortfaktoren der Betriebe9, mit denen die Standorte nach ihren Nutzungsmöglichkeiten klassifiziert werden können und andererseits die sogenannten Daseinsgrundfunktionen'0, mit denen Tätigkeiten nach der Intensität ihrer zwischenstandörtlichen Beziehungen gekennzeichnet werden können. Als wesentliche Standortfaktoren gelten vor allem die Bodeneigenschaften (Standfestigkeit. Hangneigung, Naturschönheiten u. a.). infrastrukturelle Gelegenheiten, Flächenwidmungen, spezifische Erreichbarkeiten und lagebezogene Potentiale (wie Arbeitskraft-, Arbeitsplatz-, Kaufkraft- und Versorgungspotentiale). Die als Daseinsgrundfunktionen definierten, standortgebundenen Tätigkeitsklassen „Wohnen" (als gleichsam zentrale Bezugsfunktion, aufweiche die übrigen Funktionen im Siedlungsgefüge ausgerichtet sind), „Arbeiten", „Erholung", „Bildung" und „Versorgung" werden zugleich als Flächennutzungstypen mit jeweils eigenen Standortbedingungen angesehen. Unter diesem Aspekt spielt die zwischenstandörtliche Verträglichkeit der Funktionen eine wichtige Rolle: Während die unter den Daseinsgrundfunktionen zusammengefaßten Tätigkeiten als untereinander verträglich bzw. als nicht störend und komplementär betrachtet werden, gelten zwischen den Daseinsgrundfunktionen zwischenstandörtliche Störungen (durch Lärm, Abgase u. a.) bzw. Unverträglichkeiten als kennzeichnend. Während die standortgebundenen Daseinsgrundfunktionen zum individuellen Nutzen beitragen, werden die zwischenstandörtlichen Verkehre, über welche die standortgebundenen Aktivitäten im Rahmen des individuellen Zeitbudgets zyklisch (um den Wohnstandort) verknüpft werden, als ein im Prinzip zwar notwendiges, aber im Aufwand zu minimierendes Übel betrachtet. Vor allem aus den Kriterien 9
10
vgl. Bökemann, D., (Lammers, G.) Technisch-wirtschaftliche Grenzen beim Ausbau der Wirtschaftsstruktur der Mittelpfalz, Karlsruhe, 1967 Schilling, H., Standortfaktoren für die Industrieansiedlung, Wien, 1968 vgl. Partzsch, D., Daseinsgrundfunktionen, in: Handwörterbuch der Raumforschung und Raumordnung, Hannover, 1970 Charta von Athen, Hamburg 1957, La Charte d'Athènes, Paris, 1943
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
(1) der zwischenstandörtlichen Verträglichkeit bzw. Unverträglichkeit von Standortnutzungen und (2) der zwischenstandörtlichen Wegaufwände werden im Rahmen der Raumplanung technische Bedingungen für die Konzepte der infrastrukturellen Leitungsnetze und der Flächenwidmung abgeleitet.
R a u m p l a n u n g b e d e u t e t u n t e r diesem A s p e k t : die zweckmäßige A n o r d n u n g
(1) von Infrastrukturprojekten, welche die Gebietskörperschaften zu Investitionen verpflichten und (2) von F l ä c h e n w i d m u n g e n , welche die privaten Wirtschaftssubjekte zur Unterlassung b e s t i m m t e r Standortnutzungen verpflichten.
Die zweckmäßige Anordnung wird nach den geltenden Gesetzen der Raumordnung, Stadt-, Regional- und Landesplanung fast ausschließlich in der räumlichen Dimension kalkuliert. Da nicht alle Projekte gleichzeitig verwirklicht werden können, gewinnt in zunehmendem Ausmaß die Frage nach der zweckmäßigen zeitlichen Folge bei der Verwirklichung der den Plan konstituierenden Projekte an Bedeutung (Ergänzung der räumlichen Anordnung der Projekte durch eine zeitliche Anordnung: Netzpläne). Das Verständnis von Zweckmäßigkeit in der Raumplanung ist stark vom traditionellen Ingenieurdenken geprägt: Technische Systeme müssen danach im Sinne eines definierten Zweckes gut funktionieren, was in der Regel so interpretiert wird, daß die Kapazitäten der Infrastrukturleitungen und Versorgungszentren über sämtliche Standorte möglichst nahe am technisch normierten Optimum ausgenutzt sein sollten. Eine an technischen Normen gemessene mangelnde Auslastung der Kapazitäten gilt demnach als Mittelverschwendung, Überlastungen bestehender Kapazitäten im Infrastrukturbereich (Engpässe) provozieren die Dringlichkeit von Ausbaumaßnahmen. Diese Argumentation dominiert in der Regel die Diskussion politischer Probleme. Wegen der Vernachlässigung politischer Ziele und Programme (wie regionales Wachstum und soziale Gerechtigkeit) und wegen der Überbetonung der technischen Normen ist Raumplanung in den vergangenen Jahren wohl zu Recht als „einseitig" und „technokratisch" kritisiert worden. Die Annäherung der technokratisch betriebenen Engpaßplanung an sogenannte „Leitbilder" der Raumplanung konnte allerdings dem Vorwurf einer mangelnden Politikorientierung nicht gerecht werden. Dies gilt besonders, wenn die sogenannten Leitbilder der Raumplanung, etwa in der Gestalt von hexagonal geformten Zentralort-Hierarchien, politische Entscheidungen über die anzustrebende Chancenverteilung oder über die Verteilung der sogenannten Wachstumspole im Siedlungsraum vorwegnehmen. Vergleicht man unter dem Aspekt der Politikorientierung einerseits die aus der MakroÖkonomik abgeleitete Theorie der Regionalpolitik mit den gegenwärtig dominanten theoretischen Konzepten der Raumplanung, dann fällt auf, daß sowohl hier als auch dort „wissenschaftliche" Vorstellungen von Optimalzuständen der Siedlungsstruktur zugrundeliegen, welche politische Entscheidungen, wenn nicht grundsätzlich, so doch in den meisten Fällen entbehrlich machen. Regionalpolitik und Raumplanung haben im traditionellen Selbstverständnis vieler ihrer Theoretiker wohl vor allem die Funktion, eine als unbefriedigend empfundene Siedlungsstruktur an wissenschaftlich a priori bekannte Optima („Leitbilder") anzupassen.
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Nach früheren Überlegungen rechtfertigen allerdings weder die bestehenden Theorien zur Siedlungsstrukturentwicklung noch jene zur Regionalpolitik und Raumplanung ein derartiges Selbstverständnis. Man kann es somit gleichermaßen als bedenklich ansehen, daß einerseits zur theoretischen Begründung der Regionalpolitik und Raumplanung die faktische Bedeutung politischer Entscheidungen unterschätzt wird, und daß andererseits die zuständige Profession mit ihrem umfassenden Gestaltungsanspruch (bei dem allzu oft die bürokratisch-vollziehende Funktion vernachlässigt wird) die Bedeutung der eigenen Rolle überschätzt. Bei dieser Kritik sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, daß die institutionalisierte Raumplanung allzu oft bei der Frage nach der Gewichtung der politischen Ziele von unsicheren Politikern ohne Antwort gelassen oder an „die Wissenschaft" verwiesen worden ist. Nicht zuletzt diese Ratlosigkeit zwischen Regierenden mit Entscheidungsvollmacht und Vollzugsorganen mit Planungskapazität und Problemwissen hat vermutlich viel zu den bezeichneten Fehleinschätzungen beigetragen. Hinzu kommt allerdings, daß auch die Politiker mit den Fragen der institutionalisierten Raumplanung wegen des fehlenden Bezugs zu den eigenen Interessen wenig anfangen konnten. Insofern könnte vermutlich nur eine den gegebenen politischen Strukturen und Interessen besser gerecht werdende Theorie der Raumplanung dazu führen, daß die regierenden Politiker auch die Zweckmäßigkeit praktischer Regionalpolitik und Raumplanung höher einschätzen.
5.3.2. Raumplanung als Management der Standortproduktion Im Gegensatz zu den traditionellen Vorstellungen in den Sozial- und Technikwissenschaften gilt hier Raumplanung (einschließlich Stadtplanung und Regionalplanung) als eine betriebswirtschaftliche Optimierungsaufgabe. Als Voraussetzung dazu wird die Bürokratie der Gebietskörperschaften als ein wirtschaftlicher Konzern aufgefaßt, dessen Betriebe öffentliche Güter produzieren und in abgegrenzten Gebieten monopolistisch absetzen. Innerhalb der gebietskörperschaftlichen Bürokratie werden die Behörden, Ämter oder Abteilungen, die mit den Aufgaben der Raumplanung betraut sind, als Standorte produzierende Betriebe angesehen. (In ähnlicher Weise mag man die Schulbehörde samt Schulen als Arbeitskräfte produzierenden Betrieb behandeln). In Raumordnungs- und Stadtentwicklungsplänen wird dargestellt, welche der bestehenden Standorte mit zusätzlichen infrastrukturellen Eigenschaften ausgestattet werden sollen. Darüber hinaus wird in Bebauungsplänen festgelegt, welche Gebiete (Wohn-, Industrie- und Gewerbegebiete) in welcher Weise erschlossen und als neue Standorte wie parzelliert werden sollen. Die Aufgabe von Raumplanungsbehörden als autorisierte Verfasser solcher Pläne kann man somit folgendermaßen formulieren: Es ist anzuweisen, wie Standorte des aktuellen Bestandes als Vorprodukte, mit den als Produktionsfaktoren definierten regionalpolitischen Mitteln Infrastrukturinvestitionen und Bodenordnungsmaßnahmen kombiniert werden sollen. Diese kombinierende Planungstätigkeit ist kennzeichnend für das Management der Standortproduktion. Die Standortproduktion selbst wird erst durch bauliche und rechtsetzende Tätigkeiten real. Raumplaner als Manager der Standortproduktion haben somit die Aufgabe, im Rahmen eines administrativ abgegrenzten Handlungsspielraumes gewichtete regionalpolitische Ziele mit definierten Einsatzmitteln zu maximieren. Der betriebliche
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
Handlungsspielraum des Raumplaners bzw. seiner mit der Raumplanung befaßten Behörden ist durch die Verwaltungsordnung kompetenzmäßig festgelegt. Das bedeutet, daß die Art der zu kombinierenden Einsatzmittel zur Standortproduktion durch die Bezugsverhältnisse zu anderen Behörden (Straßenbauamt, Schulbehörde . . .) geregelt ist. Die Gewichtung der regionalpolitischen Ziele (also die Frage, ob die zukünftige Standortstruktur und damit die laufende Standortproduktion mehr an Wachstums- oder mehr an verteilungspolitischen Zielen orientiert sein soll) wird von der Regierung (also oberhalb der Management-Ebene) festgelegt. Für die Raumplanungsbehörden gelten die regionalpolitischen Ziele, gleich den Unternehmenszielen im Betrieb, als vorgegeben. Das bedeutet nicht, daß den Raumplanern die Auseinandersetzung mit den regionalpolitischen Zielen erspart bleiben sollte. In ähnlicher Weise, wie sich ein Produktmanager im privatwirtschaftlichen Betrieb mit dem Hauptziel des Unternehmenseigentümers, nämlich mit der Erhaltung von dessen Eigentum, identifizieren und dementsprechende Vorschläge zur Veränderung des Produktionsprogrammes machen sollte, so hat ein Raumplaner gegenüber seiner Regierung nur solche Raumplanungskonzepte zu entwerfen, welche die aktuellen politischen Machtverhältnisse nicht in Frage stellen. Insofern haben Raumplaner als Manager der Standortproduktion auch dafür zu sorgen, daß das gebietskörperschaftliche Produkt Standort auf dem Markt angenommen, bestmöglich genutzt und seinem Produzenten angemessen entgolten wird. Diese Verpflichtung des Raumplaners zur Loyalität seiner Regierung gegenüber ist weitgehend durch den Beamtenstatus in seiner Behörde geregelt. Die regionalpolitischen Ziele der Standortproduktion schlagen sich wie Unternehmensziele im Produktionsprogramm nieder. Der Raumordnungs- oder Stadtentwicklungsplan erlaubt es, direkt auf die Menge der auf- und abzuwertenden Standorte bzw. auf die Produktstruktur zu schließen, sofern dieser umfaßt (1) eine räumliche Anordnung der beabsichtigten Infrastruktur- und Bodenordnungsmaßnahmen auf der Basis der aktuellen Standortstruktur und (2) eine zeitliche Anordnung (Reihung) der beabsichtigten Infrastruktur- und Bodenordnungsmaßnahmen im Sinne eines Netzplanes. Mit der räumlich-zeitlichen Kombination (Koordination) der Einsatzfaktoren zur Standortproduktion („raumplanerische Maßnahmen") ist die Struktur des Produktionsergebnisses technologisch beschrieben. Die technische Verantwortung des Raumplaners gründet sich auf seinem Wissen, in welcher Weise und unter welchen Voraussetzungen einzelne Maßnahmen (Einsatzfaktoren) auf welche einzelnen Standorte bzw. deren Nutzungspotentiale wirken. Darüber hinaus muß er, nach Bewertung mit den Kosten jene Kombination von Einsatzfaktoren erkennen, mit welcher das regionalpolitisch erwünschte Produktionsprogramm am billigsten realisiert werden kann. Dieses Wissen kennzeichnet jedes betriebliche Management in den Bereichen Produktion und Marketing. Mit dieser Betrachtungsweise werden eine Fülle von Forderungen aus der Diskussion um die Erneuerung des Planungsprozesses im Rahmen der Raumordnung plausibel. Beispielhaft seien hier nur erwähnt die Forderungen nach • Einführung einer Erfolgskontrolle für Maßnahmen der Regionalpolitik, • Intensivierung der Partizipation der von regionalpolitischen Maßnahmen Betroffenen
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• Ausweitung der Raumplanung um eine zeitliche Dimension: Dringlichkeitswertung der regionalpolitischen Maßnahmen, • Kalkulation regionalpolitischer Effekte durch Sozialindikatoren. Neben der Integration solcher effizienzsteigernder Kriterien in das theoretische Argumentationsmuster von der Standortproduktion eröffnet der Ansatz „Raumplanung als betriebswirtschaftliche Optimierung der Standortproduktion" die Möglichkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Bereichen Unternehmensforschung und Informatik anzuwenden. Darüber hinaus wird es möglich, die Raumordnungsproblematik als Teil der mikroökonomischen Theorie zu interpretieren und damit zugleich deren Erkenntnisse (besonders aus dem Bereich der welfare-economics) in die regionalwissenschaftliche Diskussion zu transferieren.
5.3.3. Raumplanung und Fachplanung An der Standortproduktion der Gebietskörperschaften sind neben den Institutionen der Raumplanung im engeren Sinn (das sind die mit Stadt-, Regional- und Landesplanung sowie die mit der Bundesraumordnung befaßten Behörden und Ämter) verschiedene weitere Bereiche der staatlichen Verwaltung beteiligt. Dem Selbstverständnis der Raumplaner entsprechend, ihre eigene Tätigkeit als „umfassende Koordination" zu interpretieren, werden die außerhalb der unmittelbaren Kompetenz der Raumplanungsbehörden „raumwirksam" agierenden Ämter und Behörden unter dem Begriff Fachplanung zusammengefaßt. Die Institutionen der raumwirksam agierenden Fachplanung können (1) nach ihrer gesetzlich definierten Aufgabe und nach ihrer Kompetenz im Rahmen der allgemeinen Verwaltungsorganisation und (2) nach den ihnen anvertrauten Mitteln (Instrumenten) und nach der Technologie, mit der sie ihre Aufgabe gestaltend erfüllen, unterschieden werden. Als Aufgabe einer Fachplanungsbehörde wird im allgemeinen die Erzeugung und/ oder die Verteilung und/oder die Vermittlung von bestimmten sogenannten öffentlichen Gütern (standörtliche Nutzungsfaktoren und Dienstleistungen als Ergebnis bestimmter Standortnutzungen) definiert. Bei der Erzeugung von öffentlichen Gütern ist Fachplanung im allgemeinen darauf konzentriert, eine bestimmte Nutzungsfunktion auf einem bestimmten Standort nach einem vorgegebenen System technischer Normen (Technologie) auszugestalten. Als Beispiele seien genannt: Schulgebäude für bestimmte Ausbildungsfunktionen, Krankenhäuser für bestimmte Konzepte der Krankenpflege, Fürsorgeanstalten für bestimmte sozialpflegerische Funktionen, Amtsgebäude für bestimmte bürokratische Konzepte, Wasserwerke für eine bestimmte Art der Wasseraufbereitung u. a.
Bei der Erfüllung der Aufgabe, öffentliche Güter zu vermitteln und/oder zu verteilen, ist in der Regel einzelnen Ämtern der Ausbau jeweils eines entsprechenden zwischenstandörtlichen Leitungssystems der Infrastruktur oder Grenzsystems der Bodenordnung anvertraut.
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
Während die Ämter und Behörden der Fachplanung die Kompetenz besitzen, ihrer gesetzlich definierten Aufgabe entsprechend und bei Anwendung ihres Systems technischer Normen, Bauwerke und Anlagen zu projektieren, auszuführen und zu kontrollieren (Ausführungskompetenz), ist die Kompetenz der Raumplanungsbehörden beschränkt (1) auf die Verortung der von der Fachplanung detaillierten Projekte des Infrastrukturbereichs und (2) auf die Verortung von privaten Eigentumsrechten durch Parzellierung sowie der Flächenwidmung als standörtliche Einschränkung vor allem privatwirtschaftlicher Standortnutzungsmogiichkeiten. (Bodenordnung) Behörden der Raumplanung haben somit vor allem eine Verortungskompetenz für infrastrukturelle und bodenordnerische Maßnahmen der Gebietskörperschaften. Die Institutionen der Fachplanung verfügen im Gegensatz zu den Raumplanungsbehörden über eigene Investitionsmittel aus dem gebietskörperschaftlichen Budget. Sie realisieren ihre Versorgungsaufgaben bei Anwendung der gesetzten (gegebenenfalls auch: bei Entwicklung neuer) Technologien auf die verfügbaren Mittel in der Regel nach dem Prinzip der Output-Maximierung. Bei jeder Weiterentwicklung (d. h. räumliche Ausdehnung, kapazitive Engpaßbeseitigung und technologische Erneuerung) technischer Versorgungssysteme gelten für die Institutionen der Fachplanung i. a. folgende Prioritäten • Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Versorgungssystems über die gesamte Umbauphase • kostenminimale Verknüpfung des Bestandes mit den zielführenden Verbesserungen • Beobachtung anderer Fachplanungen (etwa der Wasser- oder Energieversorgung) als gleichsam „störende Randbedingungen". Diese Überlegung möge verdeutlichen, daß jede Fachplanung prinzipiell in ihrem eigenen Normengefüge gleichsam gefangen ist. Ohne systemfremde Randbedingungen fände sich vermutlich für jedes technische Versorgungssystem eine eigene „optimale" Linienführung und Netzform. (Etwa, weil die normierten Spannungsstufen im Elektrizitätsnetz bedingen, daß Elektrizität nach Menge und Qualität prinzipiell anders über die Siedlungsfläche verteilt wird als die Anschlüsse bestimmter Kapazitäten an das Kanalisationsnetz.) Diese Unterschiedlichkeit der fach- bzw. systemspezifischen Optima in den Netzformen kennzeichnet beispielhaft die Notwendigkeit, im Rahmen der Raumplanung für die einzelnen Fachplanungen Randbedingungen zu definieren; Randbedingungen, durch welche die Versorgungs-, Kommunikations- und Eigentumssicherungsanlagen (als Ergebnisse der Fachplanung) auf das Ziel der Maximierung des standörtlichen Nutzungspotentials orientiert werden. Die Institutionen der Fachplanung trachten tendenziell primär danach, das jeweils in ihre Verantwortung gelegte technische Kommunikations- und Versorgungssystem optimal zu entwickeln (d.h. auszudehnen und zu verbessern); dies zwangsläufig verbunden mit dem Bemühen, sich aus den zugeordneten hoheitlichen Budgets (zu Lasten anderer Investitionskompetenzen zum Infrastrukturausbau) möglichst viele Verfügungsmittel zu beschaffen (nach entsprechender Begründung einer Notlage mittels der Begriffe „Engpaß", „Überlastung", „Versorgungslücke", „Nachholbedarf" etc.) und zu investieren.
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Unter diesem Aspekt kommt den Institutionen der Raumplanung nicht zuletzt die Aufgabe zu, innerhalb des beschränkten Budgetrahmens die Investitionsmittelanteile der den verschiedenen Fachplanungsinteressen zugeordneten Projekte zu bewerten; zu bewerten nach jenem Beitrag, den sie zur Standortqualitätsverbesserung leisten. (Koordinationskompetenz der Raumplanungsbehörden). Nach diesen Überlegungen ist Raumplanung für viele Bereiche der Fachplanung zielsetzend, zumindest Randbedingungen vorgebend. Umgekehrt können viele der Projekte, die von den Behörden der Fachplanung konzipiert und detailliert werden, nur als zielerfüllend für die Regionalpolitik interpretiert werden. Diese Aussage wird besonders deutlich, wenn man nach dem Zweck von Ausbaumaßnahmen in Verkehrssystemen fragt. Sieht man, wie hier begründet, hinter der Raumplanung eine betriebswirtschaftliche Managementfunktion zur Standortproduktion der Gebietskörperschaften, dann sind die Produkte der Fachplanungsbehörden vor allem als inputs in die Standortproduktion zu interpretieren. Danach bestellen die Behörden u. Ämter der Raumplanung bei den Fachplanungsinstitutionen entsprechende standortaufwertende Beiträge. Diese (für die Raumplanungsbehörden relevant: standortaufwertenden) Maßnahmen sind zugleich Ausbaumaßnahmen zu bestimmten, technisch kohärenten Versorgungs-, Kommunikations- und Eigentumssicherungssystemen. Innerhalb des von Raumplanern betreuten Produktionsprozesses werden demnach die bei den verschiedenen Fachplanungsbehörden bestellten (bzw. die von diesen gelieferten) Maßnahmen als Ausstattungsfaktoren zum Produkt Standort kombiniert. Die institutionellen Probleme, Friktionen und Konflikte zwischen den Behörden der Raumund Fachplanung sind in der Praxis oft beklagt worden. Sie erscheinen unvermeidlich, liegen ihre Ursachen doch offenbar in den verschiedenen Wertstrukturen, welche den zugewiesenen Aufgaben und den Methoden ihrer Erfüllung zugrundeliegen. Die Vorstellung vom Raumplaner als Manager der Standortproduktion kann vermutlich auch zur Klärung mancher dieser Probleme beitragen.
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes 6.1. Produkteigenschaften von Standorten orientiert am Nutzungspotential 6.1.1. Standörtliche Nutzungsfunktion und Produktionsfunktion für Standorte Ausgangshypothese für die folgenden Ausführungen ist, daß Standorte - in ähnlicher Weise wie andere Produkte - im Hinblick auf einen oder mehrere Verwendungszwecke bzw. Nutzungsmöglichkeiten produziert werden. Unter diesem Aspekt geht der Standort (im traditionellen Verständnis: „der Boden") seinerseits als bewertbarer Produktionsfaktor mittelbar in jede Warenproduktion (abgebildet in der zugeordneten Produktionsfunktion) ein, oder er stiftet unmittelbar dem Konsumenten in der Form von Wohn- oder Erholungsgrundstücken (in Individual- oder Kollektivbesitz) einen bewertbaren Nutzen. Erst aus der Standortnutzung entstehen Gewinne; diese sind vorausgesetzt, wenn die Aufwände der Standortproduktion in der Form von abgeschöpften Steuern und Abgaben zu den betreffenden Gebietskörperschaften zurückfließen sollen. Standorte können unter zwei Aspekten gekennzeichnet werden: einerseits nach den sie konstituierenden Ausstattungsfaktoren, wie (1) bodengebundene Ressourcen, (2) infrastrukturelle Gelegenheiten und (3) eigentumssichernde Barrieren, andererseits nach den dort möglichen Nutznngsarten bzw. Verwendungszwecken. Die standörtlichen Ausstattungsfaktoren werden von den Standortproduzenten im Rahmen des Produktionsprozesses kombiniert. Die Nutzungsarten werden den Standorten aufgrund von Verträgen zwischen Standorteigentümern und Standortnutzern zugeordnet, wobei in der Regel (nach Bewertung der auf dem betrachteten Standort alternativ realisierbaren nutzungsartspezifischen Nutzungsfunktion nach outputabhängigen Bezugs- und Absatzkosten) im zwischenstandörtlichen Vergleich entschieden wird. Der Erfolg der Standortproduktion ist somit an der Standortnutzung zu messen. Die Rentabilität der Standortproduktion einer Gebietskörperschaft bezieht sich demnach (1) auf den produktiven Einsatz der variablen Faktoren und (2) auf die erreichten Veränderungen von Budgetrückfluß und Wählerloyalität. Die Präferenzen der Standortnutzer sind offensichtlich nur mittelbar auf die standörtlichen Ausstattungsfaktoren bezogen, da die Nutzungsfunktion der Nutzer (Produktionsfunktion der Unternehmungen, Konsumfunktion der Haushaltungen) als Argumente Nutzungsfaktoren bzw. Güter enthält, während die Produktionsfunktion der Standortproduzenten als Argumente Ausstattungsfaktoren (insbesondere „Boden", „Infrastruktur" und „Bodenordnung") umfaßt. Die Auswahl einer optimalen Produktionsfunktion für Standorte erscheint deshalb, wie die praktische Erfahrung in der Regionalplanung und in der Stadtentwicklungsplanung zeigt, außerordentlich schwierig und problematisch, zielt sie doch auf eine eindeutige Zuordnung der eingesetzten Produktions- (Ausstattungs-)faktoren zum Verwendungszweck (Nutzung) hin.
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
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Schon die oberflächliche Analyse der Flächennutzungsunterschiede in einem Gebiet zeigt, daß einerseits Standorte mit gleichen oder ähnlichen Ausstattungsfaktoren (im oben genannten Sinn) in durchaus sehr unterschiedlicher Weise genutzt werden, daß andererseits Standorte mit sehr ungleichen faktorbezogenen Eigenschaften gleichartig genutzt werden. Zugleich ist klar, daß bestimmte Standorte für bestimmte Nutzungsarten besonders gut, andere bis zur Unmöglichkeit einer bestimmten Nutzungsart ungeeignet sind. Demnach werden im Rahmen mancher Nutzungsarten offensichtlich bestimmte (für jeweils andere Nutzungsarten wichtige) Ausstattungsfaktoren nicht eingesetzt, während auf anderen Standorten bestimmte Nutzungen wegen des Fehlens entsprechender Ausstattungsfaktoren nicht realisiert werden können.
Im Rahmen der Standortproduktion sind die Ausstattungsfaktoren in bezug auf die Nutzungsfaktoren in unterschiedlichem Ausmaß substituierbar, kann doch derselbe Ausstattungsfaktor (z.B. Infrastruktursystem „Straße") unterschiedliche Nutzungsfaktoren (z. B. Erz, Erdöl, Arbeitskräfte . . .) auf einen Standort vermitteln, zugleich kann jedoch derselbe Nutzungsfaktor auch (z. B. Erdöl) durch verschiedene Ausstattungsfaktoren (Straße, Bahn, Pipeline) vermittelt werden. Demnach kann ein bestimmter Ausstattungsfaktor zum nutzungsspezifischen Wert eines Standortes keinen Beitrag (im Falle [1] der Nichtanwendbarkeit oder [2] der vollständigen Substituierbarkeit mit bereits im Ausstattungsbündel des betrachteten Standorts enthaltenen Faktoren) leisten, oder er kann den nutzungsspezifischen Wert begründen (wenn die betrachtete Nutzung im Falle extremer Komplementarität des Ausstattungsfaktors überhaupt erst ermöglicht wird). Wird die Standortproduktion unter Kostenkriterien bewertet, dann gilt es demnach zum Beispiel, die Ausstattungsfaktoren nach Komplementaritätsgesichtspunkten so zu kombinieren, daß mit einem Kostenminimum eine bestimmte Zahl von Nutzungsfaktoren standörtlich verfügbar gemacht wird (oder umgekehrt: daß zu bestimmten Kosten für die Ausstattungsfaktoren ein Höchstmaß an Nutzungsfaktoren verfügbar gemacht wird). In der Realität ist die Beziehung zwischen dem durch seine Ausstattungsfaktoren gekennzeichneten Produkt „Standort" und seinem Verwendungszweck bzw. seiner Nutzungsfunktion schon deshalb nicht eindeutig, weil die Optimalität der Standortnutzung sowohl nach produktunabhängigen objektiven Randbedingungen (wie beispielsweise die in der Bewertung der standörtlichen „Lage" sich widerspiegelnden Marktbeziehungen für Standorte) als auch nach subjektiven Präferenzen der Standorteigentümer bewertet wird. Unter diesem Aspekt der Ungewißheit erscheint es für den Standortproduzenten folgerichtig, wenn er sein Produkt mit Vorsatz für eine Reihe von alternativen Nutzungsfunktionen geeignet macht. Im diesem Sinne ist die Produktionsfunktion für Standorte so festzulegen, daß die ermöglichten Nutzungsfunktionen für das Produkt Standort innerhalb eines regionalpolitisch akzeptablen Bereichs variiert werden können (standörtliches Nutzungspotential). Um die Produktionsfunktion für Standorte technologisch zu optimieren, müssen die standörtlichen Nutzungsalternativen (beschrieben durch die aus Nutzungsfaktoren konstituierten Nutzungsfunktionen) jedoch prinzipiell auf die standörtlichen Ausstattungsmöglichkeiten (beschrieben durch die aus Ausstattungsfaktoren konstituierten Produktionsfunktionen für Standorte) bezogen werden. Dazu sind folgende Zuordnungen in Matrix-Form zu bewerten: • Die Zuordnung der in die Nutzungsfunktion eingehenden Nutzungsfaktoren. Dabei kann unterstellt werden, daß jede Nutzungsfunktion eindeutig mit einem bestimmten Vektor von Nutzungsfaktoren beschrieben werden kann. Somit ergibt sich über sämtliche standörtlichen Nutzungsfunktionen eine N-Matrix, mit welcher die Nutzungstechnologie von Standorten abgebildet wird.
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
• Die Zuordnung der die verschiedenen Nutzungsfaktoren vermittelnden bzw. ausschließenden standörtlichen Ausstattungsfaktoren. Auch hier kann eine eindeutige Zuordnung unterstellt werden, so daß sich über sämtliche standörtlichen Ausstattungsfaktoren eine P-Matrix ergibt, mit welcher die Produktionstechnologie für Standorte abgebildet wird. Die Bewertung dieser Zuordnungen erfolgt • nach den Preisen p NF welche die Nutzer je nach ihrer Nutzungsfunktion für die Beschaffung der Nutzungsfaktoren zu bezahlen haben. Die Preise für die Beschaffung der Nutzungsfaktoren unterscheiden sich in der Regel nach den lageabhängigen Transportkosten. Damit wird die Lage des zu produzierenden Standortes zum gebietlichen Standortbestand zu einem wichtigen Entscheidungskriterium für die Auswahl der kostengünstigsten Produktionsfunktion. • nach den Preisen p PF , welche die Standortproduzenten für die entsprechend der Produktionsfunktion in das Produkt eingehenden Produktions- (bzw. Ausstattungs-)faktoren zu bezahlen haben. Auch die Preise für die Ausstattungsfaktoren unterscheiden sich in der Regel in Abhängigkeit von der Lage des zu produzierenden Standortes zum gebietlichen Standortbestand, insbesondere zu den Ausprägungen der installierten Systeme der Infrastruktur und Bodenordnung. Demnach kann die Beziehung zwischen der Produktionsfunktion für Standorte und den mit dem Produkt bezweckten Nutzungsfunktionen folgendermaßen dargestellt werden:"
Abb. 6.1.
Bewertung der Produktionsfunktion für Standorte nach Nutzungsfunktionen
6.1.2. Standörtliches Nutzungspotential als technologisches Ziel der Standortproduktion Um die Zuordnung der Produktionsfunktionen für Standorte einerseits und der standörtlichen Nutzungsfunktionen andererseits theoretisch abbilden zu können, wird als Zielgröße der Standortproduktion das standörtliche Nutzungspotential angesehen. 11
vgl. dazu die ähnlichen Überlegungen zum Nutzen aus der Standortnutzung aufbauend auf K. Lancaster's Konsumtheorie
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
347
Innerhalb des standörtlichen Nutzungspotentials können Standorteigner und -nutzer die Nutzungsfunktion nach ihren Präferenzen variieren. Somit ist das standörtliche Nutzungspotential identisch mit einem bestimmten regionalpolitisch gesetzten, privatwirtschaftlichen Handlungsspielraum. Das standörtliche Nutzungspotential hat folgende regionalpolitikrelevanten Eigenschaften: (1) Es bildet die Wirkung bestimmter Standortproduktionen auf die regionalpolitischen Ziele der Gebietskörperschaften ab. Mit dieser Eigenschaft wird ausgedrückt, daß das „standörtliche Nutzungspotential" als gebietliche Marginalkategorie („Einzelstandort in bezug auf das Territorium der Gebietskörperschaft") interpretierbar ist; das bedeutet: der heute produzierte Standort kann in Beziehung zu dem in früheren Produktionsperioden erzeugten Standorte-Bestand im Gebiet gebracht werden.
(2) Es bildet die Wirkung bestimmter Standortproduktionen auf die privatwirtschaftlichen Ziele der Standortnutzer ab. Mit dieser Eigenschaft des standörtlichen Nutzungspotentials wird ausgedrückt, daß die im wesentlichen durch Vertrag zwischen Standortnutzer und Standorteigentümer im Rahmen von Nutzungsalternativen entschiedene Nutzungsart als nutzungsartenspezifische Marginalkategorie („einzelstandörtliche Nutzung in bezug auf das gesamtwirtschaftliche Ergebnis im Gebiet") interpretierbar ist.
Somit soll „standörtliches Nutzungspotential" zugleich als Maß für den regionalpolitischen Erfolg des Standortproduzenten wie auch als Maß für den privatwirtschaftlichen Wert eines Standortes für seinen Nutzer (und Eigentümer) gelten. Die Faktoren des standörtlichen Nutzungspotentials, (das Kombinationspotential, die Standortkapazität und die Lage) können im einzelnen durch entsprechende Funktionen mit den Produktionsfaktoren (Boden, Infrastruktur, Bodenordnung) zur Standortproduktion verknüpft werden. Von den genannten Komponenten des standörtlichen Nutzungspotentials wird im Produktionsprozeß für Standorte das Kombinationspotential und die Standortkapazität unmittelbar durch Maßnahmen der Gebietskörperschaften, die standortspezifische Lage hingegen nur mittelbar über die Nutzung bereits vorhandener, in früheren Phasen produzierter Standorte, beeinflußt. Damit kennzeichnet die Lage des Standortes für den Produzenten das Ausmaß der wirtschaftlichen Randbedingungen im betrachteten Gebiet, unter denen das aktuelle Einzelprodukt „Standort" nach nutzen- und gewinnbezogenen Kriterien bewertet wird. Über die Standortproduktion wird die bestandsabhängige Standortnachfrage zwar prozessual beeinflußt, sie ist jedoch nicht Gegenstand der statisch zu analysierenden Standortproduktion. Im Mittelpunkt der folgenden Produktionsanalyse steht vielmehr die Frage: In weichem Ausmaß beeinflussen bestimmte Kombinationen der Produktionsfaktoren „Boden", „Infrastruktur" und „Bodenordnung" die standörtlichen Wertkomponenten „Kombinationspotential" und „Standortkapazität" bei Vorgabe einer bestimmten standortspezifischen Lage? Das ist die Frage nach der optimalen Faktorkombination für das Produkt „standörtliches Nutzungspotential". Im Sinne dieser Frage ist die Produktion von Standorten seitens der Gebietskörperschaften zu trennen von der marktmäßigen Bewertung des Produktionsergebnisses „Standort". Die folgende Abbildung „Bewertung von produzierten Standorten nach dem erzielbaren Nutzungsgewinn" soll den Unterschied deutlich machen.
348
Teil B: Politikbezogene Raumplanung
Im Sinne dieser Ausführungen können mit dem „standörtlichen Nutzungspotential" die regionalpolitischen Ziele der Gebietskörperschaften auf folgende Variable der Standortproduktion bezogen werden: (1) die in der betrachteten Periode produzierte Menge an Standorten. Durch die Zahl der produzierten Standorte wird entweder die Zahl der im betrachteten Gebiet zusätzlichen Standort-(Grundstücks-)eigentümer und selbständig tätigen Standortnutzer definiert oder eine Aussage zur Umverteilung des Standorteigentums („Besitzverhältnisse") gemacht. (2) die in der betrachteten Periode erreichte Erhöhung des gebietlichen Nutzungspotentials. Durch diesen wachstumspolitisch relevanten Wert wird ausgedrückt, in welchem Ausmaß sich die Produktionsbedingungen für die gesamte Wirtschaft des betrachteten Gebiets verbessert haben. (3) die in der betrachteten Periode erreichte Verteilungsänderung der standörtlichen Nutzungspotentiale im betrachteten Gebiet. Durch diesen sozialpolitischen Wert wird der Effekt der Standortproduktion auf wichtige Bereiche der Vermögensverteilung im betrachteten Gebiet beschrieben. Im Hinblick auf den privatwirtschaftlichen Nutzen der produzierten Standorte kann ansatzweise mit Hilfe der definierten Kategorie „standörtliches Nutzungspotential" bei Kenntnis der Marktverhältnisse die jeweils optimale Standortnutzung kalkuliert werden.
6.2. Faktoren der Standortproduktion 6.2.1. Kriterien für die Definition von Standort-Produktionsfaktoren Die Vorstellung, wonach Standorte von Gebietskörperschaften produzierte Güter sind, erscheint theoretisch nur ergiebig und für die regionalpolitische Praxis nur weiterführend, wenn das in den vorigen Kapiteln unterstellte regionalpolitische Verhalten auf die Grundkategorien der mikroökonomischen Produktionstheorie projiziert werden kann. Neben dem auf das Produkt Standort (Dimension: „standörtliches" oder „gebietliches Nutzungspotential") gerichteten Produktionsinteresse der regionalpolitischen Entscheidungsträger und neben dem durch bestimmte fixe Faktoren (bzw. durch bestimmte regionalpolitische Mittel und Kompetenzen) definierten Produktionsapparat sind deshalb die variablen Faktoren und die technischen Bedingungen (Verknüpfungsregeln für die Faktorkombinationen) der Standortproduktion als Produktionsfunktion zu bestimmen. Produktionsfaktoren werden alle Leistungen und Bestandteile (inputs) genannt, die im Produktionsprozeß zu dem angestrebten Produkt (output) kombiniert und transformiert werden. Produktionsfaktoren sind somit begreifbar als Bündel von technischen Eigenschaften, die als Rohstoffe oder Produkte entweder bereits im Besitz des Produzenten sind, oder von anderen Wirtschaftssubjekten bezogen werden müssen. Produktionsfaktoren sind in der Regel Träger einer größeren Menge von produktspezifisch unterschiedlich (positiv und negativ) zu bewertenden Eigenschaften. Je nach dem Ausmaß von identischen Eigenschaften, welche verschiedene Produktionsfaktoren besitzen, sind diese mehr oder minder komplementär oder substitutiv.
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
Abb. 6.2.
349
Bewertung von produzierten Standorten nach dem erzielbaren Nutzungsgewinn
350
Teil B: Politikbezoeene Raumplanung
Es gilt deshalb als das wichtigste technische Problem der Produktion, die Produktionsfaktoren für ein bestimmtes Produkt so auszuwählen, • daß in der Gesamtheit der eingesetzten Produktionsfaktoren sämtliche geforderten Eigenschaften des Produkts enthalten, • daß sämtliche für das Produkt überflüssigen Eigenschaften aus den Produktionsfaktoren im Produktionsprozeß eliminiert werden und • daß die Redundanz, d. h. die Identität der Eigenschaften in verschiedenen Faktoren minimiert wird. Als Eigenschaften, nach denen die Faktoren der Standortproduktion im oben bezeichneten Sinn gekennzeichnet werden, gelten hier die sogenannten „Nutzungsfaktoren". Nutzungsfaktoren sind die inputs in bestimmte standörtliche Nutzungsarten, wie die Warenproduktion, bestimmte öffentliche oder private Dienstleistungen, das Wohnen u.a. Unter Nutzungsfaktoren werden somit Güter verstanden, welche durch die standörtlichen Ausstattungs- bzw. Produktionsfaktoren vermittelt werden. Da einerseits bestimmte Ausstattungsfaktoren (wie infrastrukturelle Leitungssysteme oder eigentumssichernde Barrierensysteme) zugleich mehrere Nutzungsfaktoren standörtlich zu vermitteln bzw. auszuschließen in der Lage sind, da andererseits bestimmte Nutzungsfaktoren zugleich von verschiedenen Ausstattungsfaktoren auf einem Standort vermittelt bzw. ausgeschlossen werden können, bestehen im Rahmen der Standortproduktion im Hinblick auf dasselbe Produkt faktorspezifische Substitutionsmöglichkeiten (z. B. entspricht die Frage nach dem Ausbau des Straßen- oder des Eisenbahnnetzes diesem Problem), die nach Kostenkriterien bewertet werden können. Unter dem Aspekt technologischer und verfügungsrechtlicher Zuordnung erscheint es sinnvoll, die Faktoren der Standortproduktion (1) nach dem Komplementaritätsgrad ihrer als Nutzungsfaktoren definierten Eigenschaften und (2) nach ihren Lieferanten unterscheidbar zu machen. Als übergeordnete Faktorkategorien der Standortproduktion gelten hier • Boden • Infrastruktur • Bodenordnung
6.2.2. Boden als Produktionsfaktor für Standorte Boden wird als Rohstoff für die Standortproduktion angesehen, der ohne weitere Verarbeitung (oder Bearbeitung) im Produktionsprozeß (und somit ohne Kombination mit Infrastruktur und eigentumsregelnden Grenzen) in einer arbeitsteiligen Wirtschaft keinen unmittelbaren Nutzen stiften kann. Boden ist Träger von Eigenschaften, die im Hinblick auf ihren spezifischen Beitrag zum standörtlichen Nutzungspotential (output-Kategorie) als nachgeordnete Nutzungsfaktoren, wie folgt klassifiziert werden können.
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
351
Boden
nutzbare Kessourcen
bestimmte Nutzungen ausschließende Störquellen
verwertbare Rohstoffe
Abb. 63.
Absorptionspotential gegen Störungen von anderen Standorten, durch welche bestimmte Nutzungsarten ausgeschlossen werden.
Kategorisierung des Produktionsfaktors „Boden"
Diese dem Boden nachgeordneten Nutzungsfaktoren können sehr verschieden ausgeprägt sein: Boden kann beispielsweise einzige Rohstoffquellen mit großer Ergiebigkeit oder eine große Anzahl verschiedenartiger, aber wenig ergiebiger, Rohstoffquellen tragen; analog sind die Ausprägungsvarianten in anderen Eigenschafts- bzw. Faktorkategorien. Die Verwertbarkeit des „Rohstoffs Boden" als Produktionsfaktor für Standorte ist verschiedenen Gebietskörperschaften in unterschiedlichem Ausmaß zugeteilt. So behält sich der Bund etwa als höchstrangige Gebietskörperschaft die Nutzungsrechte bestimmter Rohstoffvorkommen (Erze, Erdöl, Kohle gemäß den Allgemeinen Berggesetzen) vor. Länder und Gemeinden haben daneben gegenüber den Grundstücksbesitzern bestimmte Zugriffsrechte zum Boden als Produktionsfaktor (etwa im Rahmen der Flurbereinigung, der Baulandumlegung u. a.). In der Regel muß Boden als Produktionsfaktor für Standorte in der Form von minderwertigen Standorten von entsprechenden Eigentümern erworben werden; das bedeutet: als Inputfaktor ist der Boden bereits in früheren Produktionsperioden zu Standorten verarbeitet worden. Im aktuellen Produktionsprozeß wird dann zwar ein Teil der früher eingesetzten Produktionsfaktoren der Kategorien „Infrastruktur" und „Bodenordnung" mitverwertet, zum Teil werden diese jedoch möglicherweise auch eliminiert (Diese Betrachtungsweise entspricht dem „Recycling"). Die autonome Wirkung des Produktionsfaktors „Boden" beschränkt sich auf die Kombinationsmöglichkeiten für die von einer Person zugreifbaren (in unmittelbarer Nähe vorhandenen) Ressourcen. Ohne Infrastruktur und ohne Bodenordnung fehlen die Voraussetzungen für eine standörtliche Spezialisierung von Nutzungsarten, ebenso wie für eine Ausbildung von Marktverhältnissen auf der Grundlage der sozialen Rollen „Anbieter" und „Nachfrager"; dies im Sinn einer Kontraktfähigkeit bezüglich der Übertragung von Standorteigentum.
6.2.3. Infrastruktur als Produktionsfaktor für Standorte Unter Infrastruktur als Produktionsfaktor für Standorte werden die Kommunikations- und Versorgungssysteme verstanden, mit denen die Beziehung zwischen den Wirtschaftssubjekten in einer arbeitsteiligen Wirtschaft ermöglicht werden.
352
Teil B: Politikbezogene Raumplanung
Infrastruktur umfaßt somit eine Reihe von nachgeordneten Produktionsfaktoren für Standorte, die entweder selbst hergestellt oder jeweils von fremden Lieferanten bezogen werden. Im Hinblick auf eine Klärung (1) der technologischen Komplementaritäten zwischen den verschiedenen Leitungssystemen der Infrastruktur und Nutzungsfaktoren und (2) der Lieferbeziehungen zu den Faktorproduzenten erscheint folgende Differenzierung des Faktors „Infrastruktur" sinnvoll: Infrastruktur
(VersorgungsEntsorgungs-) Abb. 6.4.
(Kommunikationssysteme)
Kategorisierung des Produktionsfaktors „Infrastruktur"
Das Ausmaß der technologischen Komplementarität (bzw. Substitutivität) zwischen verschiedenen Systemen der Infrastruktur im Hinblick auf ihren Beitrag zum standörtlichen Nutzungspotential in der Standortproduktion bezieht sich somit • auf die Arten der in den betrachteten Systemen vermittelten Nutzungsfaktoren (Gütern), • auf die Standorte, zwischen denen die betrachteten Systeme jeweils den Güteraustausch vermitteln und • darauf, in welcher Richtung die betrachteten Systeme den Güteraustausch zwischen Standorten vermitteln. Die solcherart differenzierten Kommunikations- und Versorgungssysteme der Infrastruktur werden in der Regel von verschiedenen privaten und öffentlichen Unternehmungen (oder auch von Ministerien, Ressorts und Ämtern innerhalb der betrachteten Gebietskörperschaft) produziert und müssen gleichsam als einzelne Faktoren von dem die Regionalpolitik ausführenden Betrieb (Ministerium, Ressort oder Amt in einer Gebietskörperschaft) bezogen werden. Somit können etwa die Bundesbahn, Energieversorgungsunternehmen u. ä. ebenso wie Straßenbaubehörden und Tiefbauämter als Faktorproduzenten und Faktorlieferanten im Bereich der Infrastruktur betrachtet werden. Die autonome Leistung der Infrastruktur als Produktionsfaktor für Standorte kann dabei folgendermaßen beschrieben werden: Durch das Ausmaß der zwischenstandörtlichen (gebietlichen) Infrastruktur wird die Gesamtheit der technischen Möglichkeiten ausgedrückt, die gebietlichen Ressourcen standörtlich (irgendwo im Gebiet) in einer Nutzung zu kombinieren. Da durch die fehlende Bodenordnung die Art und Menge
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
353
der tauschenden Partner Undefiniert ist, können Marktbeziehungen im hier relevanten Sinn nicht erklärt werden; sie dürften in der Realität ohne Äquivalente zur Bodenordnung auch nicht entstehen.
6.2.4. Bodenordnung als Produktionsfaktor für Standorte Mit eigentumsregelnden Grenzen der Bodenordnung technischer und legistischer Art als Produktionsfaktoren für Standorte werden die ein- und beidseitig gerichteten materiellen und immateriellen Barrierensysteme als nachgeordnete Faktoren zusammengefaßt, mit denen für eine Nutzung unerwünschte potentielle Schadensströme (Störungen) zwischen den Wirtschaftssubjekten in einer arbeitsteiligen Wirtschaft verhindert werden. In analoger Weise wie die Infrastruktur kann die eigentumsregelnde Bodenordnung differenziert werden. Bodenordnung (Grenzen)
Eingut-Barrierensystem
sämtliche...
einseitig Abb. 6.5.
viele.
mehrere...
einzelne Standorte umfassende (trennende, ausschließende) Barrierensysteme
zweiseitig-gerichtete Barrierensysteme Kategorisierung des Produktionsfaktors „Bodenordnung"
Analog wie bei der Infrastruktur ist das Ausmaß der Komplementarität (Substitutionalität) zwischen Grenzsystemen zu beziehen • auf die jeweils ausgeschlossenen Güterarten, • auf die jeweils umschlossenen bzw. voneinander getrennten Standorte und • auf die jeweilige Richtung, in der die Barrieren wirken. Auch die Grenzsysteme sind von dem standorteproduzierenden Betrieb in der Regel von jeweils eigenen privaten oder öffentlichen Faktorproduzenten zu beziehen.
354
Teil B: Politikbezogene Raumplanung
6.3. Produktionsfunktion für den einzelnen Standort 6.3.1. Struktur der Produktionsfunktion für Standorte Eine Produktionsfunktion beschreibt für verschiedene Produktionsmengen eines bestimmten Gutes die Mengen verschiedener Einsatzfaktoren, welche im Rahmen eines gegebenen Produktionsapparates erforderlich sind. Die hier betrachtete Zielgröße der Produktionsfunktion für den einzelnen Standort ist das standörtliche Nutzungspotential. Somit beschreibt die im folgenden abgeleitete Produktionsfunktion die Faktoreinsatzmengen der Kategorien „Boden", „Infrastruktur" und „Bodenordnung", welche zur Herstellung verschiedener Mengen des Nutzungspotentials für einen Standort gebraucht werden. Die Produktionsfunktion für variable Mengen von Standorten mit gleichem Nutzungspotential erscheint zunächst von nachgeordnetem Interesse, zumal sie aus der Produktionsfunktion für den einzelnen Standort mit variablem Nutzungspotential abgeleitet werden kann.
Der umfassend verstandene Produktionsfaktor „Boden" der klassischen Ökonomie erscheint bei Betrachtung der Produktion des einzelnen Standortes reduziert als diskrete „bodengebundene Ressource" (nutzbarer Rohstoff oder Absorptionspotential gegen Störungen) mit einer bestimmten Kapazität (Fläche, Bodengüte u. ä.). Analog erscheint der Produktionsfaktor „Infrastruktur" als diskrete „infrastrukturelle Gelegenheit", das bedeutet, als Anschluß an ein bestimmtes zwischenstandörtliches Leitungssystem mit einer bestimmten Leitungslänge und einer bestimmten Leitungskapazität (Durchflußmenge einer physischen Einheit pro Zeiteinheit, z. B. m3 Wasser pro Minute, Fahrzeuge pro Stunde). Der Faktor „Bodenordnung" erscheint ebenso als diskrete „eigentumsregelnde Barriere", das bedeutet: als Element eines zwischenstandörtlichen Systems zur Eigentumssicherung in bezug auf den Abfluß von Gütern und in bezug auf den Zufluß von Schadstoffen bzw. auf Störmöglichkeiten, mit einer bestimmten Grenzlänge (Umfang des Grundstücks) und einer bestimmten Grenzkapazität (Ausschlußmenge einer physischen Einheit pro Zeiteinheit). Das Nutzungspotential eines Standortes hat, wie an anderer Stelle dargestellt wurde, drei Dimensionen: (1) die Gesamtheit der alternativ realisierbaren Nutzungsarten („Kombinationspotential eines Standortes"), (2) die entfernungsabhängigen Transport- bzw. Eigentumssicherungskosten in bezug auf die Standorte mit komplementärer Nutzung („standortspezifische Lage") und (3) die nutzungsartenspezifische Kapazität des Standortes. Die Zahl der alternativ realisierbaren Nutzungsarten ist bestimmt durch die verschiedenen Möglichkeiten, die dort verfügbaren Güter als Nutzungsfaktoren zu kombinieren. Die nutzungsartenspezifische Kapazität ist bestimmt durch eine auf die Nutzungsfaktoren bezogene gutspezifisch-kritische Bezugs- oder Absatzrestriktion. Die „standortspezifische Lage" eines Standortes hingegen, welche die nutzungsartenspezifischen Aufwendungen in Abhängigkeit von der Entfernung komplementärer bzw. konfliktärer Aktoren kennzeichnet, muß hier solange konstant gesetzt werden, wie die Standortproduktion als marginal angesehen wird; d. h. daß für jeden produzierten Standort die Lage der übrigen Nutzer des Gebiets festgelegt ist, und daß für den speziellen Fall keine Informationen vorliegen. In diesem Sinn kann hier das „Produkt Standort" zunächst nicht in der Dimension „standortspezifische Lage" variiert werden.
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
355
Bei der marktmäßigen Bewertung des Standortes und bei der Kalkulation der optimalen Standortnutzung muß zweifellos in sämtlichen Dimensionen des Nutzungspotentials variiert werden. Erst danach können die Gewinnmöglichkeiten und der Nutzen über sämtliche Standorte und Nutzungsfunktionen bzw. -arten verglichen und für jeden Standort über die Nachfrage nach standörtlichen Leistungen Preise gebildet werden. In der allgemeinsten Form lautet die Produktionsfunktion für den einzelnen Standort somit: q(NP) = f(vB, VI, Vg) unter der Bedingung: DJJ = konstant wobei: q = Produktmenge N P = standörtliches Nutzungspotential vB = Menge des Produktions-Faktors „Boden" (Ressourcen mal Ressourcenkapazität) vj = Menge des Produktions-Faktors „Infrastruktur" (Anschlüsse mal Leitungslänge mal Leitungskapazität) vG = Menge des Faktors „Bodenordnung" (Grenzen mal Grenzlänge mal Grenzkapazität) d^ = Entfernung zu Standorten mit komplementärer bzw. konfliktärer Nutzung. Im folgenden wird die Produktion für Standorte zunächst nach folgenden Aspekten diskutiert: (1) nach den Artenmengen und (2) nach den artspezifischen Faktormengen, wie sie unmittelbar in die Standortproduktion eingehen.
6.3.2. Die Ausprägung der Faktorarten und Faktonnengen in der Produktionsfunktion zum standörtlichen Nutzungspotential Für die konkrete Darstellung der Produktionsfunktion sind zunächst die Substitutionsbedingungen zwischen den Faktormengen „Boden", „Infrastruktur" und „Bodenordnung" zu analysieren. Unter diesem Aspekt wird hier zuerst das standörtliche Kombinationspotential (als Ausprägung des Nutzungspotentials, in dem die standörtlichen Lagen und faktorspezifischen Kapazitätsrestriktionen vernachlässigt sind) aus der Zahl der auf einem Standort verfügbaren Ressourcen, infrastrukturellen Gelegenheiten und eigentumsregelnden Barrieren abgeleitet.12 In diesem Sinn gilt für die Standortkapazität, daß die für jede standörtliche Nutzungsart in Wirklichkeit unterschiedlichen Einsatzfaktormengen-Verhältnisse hier zunächst generell mit dem Wert 1 angenommen werden. Das bedeutet: In die Produktionsfunktionen gehen der Faktor Boden in der Mengenausprägung „Grund12
In demfrüherverfaßten Ansatz (Bökemann, D., Palme, G., Grundlagen zu einer Theorie der Standortproduktion, Berichte der Gesellschaft für Regionalforschung, Bd. 10, 1974) war unter der Kategorie „Nutzungspotential" einzig die Kombinationsmenge über die Faktorarten verstanden worden; hier werden hingegen die mengenmäßigen Ausprägungen in den Faktorarten mit den Faktorkombinationen integriert behandelt. Erst nach einer solchermaßen integrierten Betrachtung ergibt sich, wie im folgenden gezeigt wird, die Möglichkeit, die Effekte der Faktorsubstitution auf das Produktionsergebnis (in unserem Falle: wenigstens qualitativ) zu demonstrieren.
356
Teil B: Politikbezogene Raumplanung
stücksgröße in m 2 ", der Faktor Infrastruktur in der Mengenausprägung „Leitungslänge in m", der Faktor Bodenordnung in der Mengenausprägung „Grenzlänge in m" ein. Die Bewertung der standörtlichen Bodenergiebigkeit, der Leitungs- bzw. Gelegenheitskapazität und der Grenz- bzw. Barrierenkapazität (als Kriterien für die nutzungsartspezifische Ausbringungsmenge) wird unter Abschnitt 6.3.3. abgehandelt.
6.3.2.1. Einfluß der Faktormengen „Infrastruktur" und „Bodenordnung" auf das standörtliche Kombinationspotential Bei der Kalkulation des Einflusses der Faktormengen der Produktionsfaktoren „Infrastruktur" und „Bodenordnung" auf das standörtliche Kombinationspotential wird zunächst der Produktionsfaktor „Boden" als mögliches Substitut für die Faktoren „Infrastruktur" und „Bodenordnung" außer acht gelassen, d. h. sämtliche Standorteigenschaften werden ausschließlich durch die von eigentumsregelnden Barrierensystemen ausgeschlossenen Güterarten bzw. Nutzungsfaktoren bestimmt. q ( K P ) = f(v5, VQ), wobei: q
= Produktmenge
KP
= um den Einfluß des Faktors „Boden" reduziertes standörtliches Kombinationspotential vi = Artenmenge des Faktors „Infrastruktur" (Zahl der Gelegenheiten) VG = Artenmenge des Faktors „Bodenordnung" (Zahl der Barrieren) Der Zusammenhang zwischen dem Kombinationspotential eines Standortes und den Mengen der Produktionsfaktoren „Infrastruktur" und „Bodenordnung" wird auf folgende Weise technologisch begründet: (1) Aus der Hypothese, daß sich in der zeitlichen Reihenfolge der standörtlichen Investitionen von Kommunikations- bzw. Versorgungsgelegenheiten des Infrastrukturbereichs in der Regel ein monotoner Übergang vom Allgut- über das Vielgut- zum spezialisierten Eingut-Leitungssystem vollzieht, folgt eine mit der Zahl der Gelegenheiten degressive Zunahme der standörtlichen Nutzungsfaktoren bzw. der standörtlich bezieh- bzw. absetzbaren Güter. Dabei wird unterstellt, daß sich für den Transport gleicher Güter der Einsatz spezialisierter infrastruktureller Leitungssysteme besser eignet als der Einsatz weniger spezialisierter. Im besonderen gilt für das Allgutsystem (welches zugleich einen niedrigstrangigen Standort erst definierbar macht), daß es zum standörtlichen Kombinationspotential einen mit der Zahl der betrachteten Standorte gegen Null gehenden Beitrag leistet. Die Annahme abnehmender Grenzproduktivitäten der einzelnen Gelegenheiten zum standörtlichen Kombinationspotential entspricht sowohl der historischen Entwicklung der Standortstruktur als auch investitionspolitischer Rationalität. (2) Analog wie für die infrastrukturellen Gelegenheiten kann auch für die eigentumsregelnden Barrieren als Elemente des Produktionsfaktors „Bodenordnung" angenommen werden, daß die Investition einer spezialisierten Barriere
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
357
Zahl der beziehbaren Nutzungsfaktoren und der möglichen Nutzungen
stattung
(Zweck: Ausschluß weniger Störmöglichkeiten bzw. Schadenswirkungen) die weniger spezialisierten dort voraussetzt. Dem entspricht die Vorstellung, daß territoriales Verfügungsrecht ursprünglich - durch eine einzige Allgut-Barriere gesichert - allumfassend war, während mit der Zahl der betrachteten Standorte der Beitrag der Allgut-Barriere zum standörtlichen Kombinationspotential gegen Null geht. Zahl der ausgeschlossenen Störmöglichkeiten und geschützten Nutzungsmöglichkeiten
(3) Zur Erzielung eines bestimmten standörtlichen Kombinationspotentials ist der Einsatz von Kommunikations- bzw. Versorgungsgelegenheiten einerseits und Barrieren andererseits nicht substituierbar; vielmehr stehen sie und davon abgeleitet die durch sie standörtlich bezieh- (absetz-)bar und/oder ausschließbar gemachten Güter zueinander in einem Verhältnis wechselseitiger Komplementarität. Für die Produktion von Standorten bedeutet die Komplementarität der Faktoren „Infrastruktur" und „Bodenordnung", daß nur ein einziges Faktormengenverhältnis zur Erzielung eines bestimmten Kombi-nationspotentials effizient ist; jede Abweichung von diesem Faktormengenverhältnis führt zur Verschwendung eines der beiden Produktionsfaktoren.
358
Teil B: Politikbezogene Raumplanung Die u m den Einfluß des Faktors „ B o d e n " reduzierte Produktionsfunktion f ü r den einzelnen Standort ist somit limitational. Daraus ergibt sich folgender Verlauf der entsprechenden Isoquante für das standörtliche Kombinationspotential KP :
Abb. 6.8.
Isoquanten für das um den Einfluß der standörtlichen Ressource Boden reduzierte standörtliche Kombinationspotential
(4) Je m e h r Kommunikations- und Versorgungsgelegenheiten aus dem Produktionsfaktor „Infrastruktur" mit einer (dem Effizienzkriterium der Produktionsfunktion) entsprechenden Zahl von Barrieren aus dem Produktionsfaktor „ B o d e n o r d n u n g " sich auf einem Standort befinden, desto mehr Nutzungsfakt o r e n sind dort zu bestimmten Nutzungen (Nutzungsfunktionen) kombinierbar. Entsprechend der an anderer Stelle abgeleiteten Funktion wächst das standörtliche Kombinationspotential progressiv mit der Zahl der effizienten Gelegenheiten-Barrieren-Kombinationen eines Standortes.
Zahl der möglichen i Kombinationspotential Nutzungsarten 4L
Zahl der effizienten Gelegenheiten• Barrieren-Kombinationen Abb. 6.9.
Das um den Einfluß der standörtlichen Ressource „Boden" reduzierte standörtliche Kombinationspotential als Funktion der infrastrukturellen Ausstattung und der Restriktionen aus der Bodenordnung
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
359
6.3.2.2. Substitution zwischen den Faktormengen „Boden" und „Infrastruktur" Im folgenden wird bei der Betrachtung der Substitutionsmöglichkeiten zwischen den Faktormengen „Boden" und „Infrastruktur" angenommen, daß der Faktor „Bodenordnung", soweit er der Effizienzsteigerung der Standortproduktion dient, (d. h. daß Barrieren keinesfalls verfügbare Nutzungsfaktoren vom Bezug ausschließen) in unbegrenztem Ausmaß zur Verfügung steht. q ( K P ) = f(vg, vf), wobei:
q
= Produktmenge
KP
= um den Einfluß des Faktors „Bodenordnung" reduziertes standörtliches Kombinationspotential Vß = Artenmenge des Faktors „Boden" (Zahl der nutzbaren Ressourcen) vf = Artenmenge des Faktors „Infrastruktur" (Zahl der Gelegenheiten) Die Produktionsfaktoren „Boden" und „Infrastruktur" werden auf folgende Weise verknüpft: (1) Das Mengenverhältnis der Faktoren „Infrastruktur", und „Boden" kann in jenem Bereich variieren, in dem bodengebundene Ressourcen des betrachteten Standortes gegen den Fremdbezug von Nutzungsfaktoren mittels entsprechender infrastruktureller Gelegenheiten substituiert werden können. (2) Unter der Annahme, daß die Rohstoffquellen je nach der Art der Ressourcen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit über die Fläche verteilt sind, (analog zu den infrastrukturellen Gelegenheiten und Barrieren: niedrigerrangige Ressourcen sind häufiger, höherrangige Ressourcen sind seltener) folgt: Auf großen Grundstücken ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß bestimmte Arten von Ressourcen verfügbar sind und somit nicht als Nutzungsfaktoren mittels infrastruktureller Gelegenheiten bezogen werden müssen, als auf kleinen Grundstücken.
Abb. 6.10.
Isoquante des um den Einfluß der Bodenordnung reduzierten standörtlichen Kombinationspotentials
360
Teil B: Politikbezogene Raumplanung
Die Isoquante für ein um den Einfluß des Faktors „Bodenordnung" reduziertes standörtliches Kombinationspotential K P (Iso-Güterartenmengenverfügbarkeitslinie) bei einer Substitution von infrastrukturellen Gelegenheiten und Grundstücksgröße hat demnach etwa folgenden Verlauf: Die Gestalt derlsoquante ergibt sich (1) aufgrund von nutzungsbezogenen wirtschaftlichen Minimalkriterien für die infrastrukturelle Ausstattung v'Imin in der arbeitsteiligen Wirtschaft sowie für die Grundstücksgröße v ' B m i n und (2) aufgrund der Erfahrung, daß für das gleiche standörtliche Kombinationspotential in der Regel sehr viel mehr an Boden erforderlich ist, um eine einzelne Gelegenheit entbehrlich zu machen, wobei (3) insbesondere jede weitere (höherrangige) Ressource mit zunehmender Grundstücksfläche erkauft werden muß. Danach erscheint es als gerechtfertigt, für städtische Nutzungen kleiner Grundstücke (die meist nicht sehr viel größer als B m j „ sind) die Substitutionalität zwischen den Faktoren „Infrastruktur" und „Boden" zu vernachlässigen. (3) Da große Grundstücke längere Zuleitungen der Infrastruktur erfordern als kleine, folgt: J e d e Vergrößerung der Grundstücksfläche bedingt eine, je nach der geometrischen Form des Grundstücks unterschiedlich große Zunahme der Gesamtleitungslänge im Infrastruktursystem: Ii = n • a\/"F wobei:
lr n a
Gesamtleitungslänge im standörtlichen System der Infrastruktur Anzahl der diskreten Anschlüsse Beiwert für die geometrische Form des Grundstücks und der Zuleitung (wird z. B . angenommen, daß die Produktion im Mittelpunkt des Grundstücks erfolgt, so gilt für ein kreisförmiges Grundstück: a =
1
-, für ein quadratisches
Grundstück bei kürzester Zuleitung: a = - i - , für ein quadratisches Grundstück bei diagonaler Zuleitung a = F
1
V2
-, usw.)
= durchschnittliche Grundstücksfläche
(4) Aus (2) und (3) folgt: Wird die Grundstücksfläche eines Standortes vergrößert, und kann dadurch zur Erreichung des gleichen Kombinationspotentials der Güterbezug mittels infrastruktureller Leitungen durch das Vorhandensein von bodengebundenen Ressourcen (nach einer bestimmten Wahrscheinlichkeit) ersetzt werden, so verringert sich zwar in diesem Maße die Zahl der notwendigen Anschlüsse, gleichzeitig erhöht sich aber deren Leitungslänge.
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes i I,
361
Länge des Leitungssystems
»• Grundstücksgröße (m 2 ) Abb. 6.11.
Gesamtleitungslänge eines Infrastruktursystems als Funktion der durchschnittlichen GrundstücksgröBe
Bei einer Substitution zwischen den Faktormengen „Boden" und „Infrastruktur" gilt also einerseits der aus einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsannahme abgeleitete Zusammenhang zwischen Grundstücksgröße und Anzahl der infrastrukturellen Anschlüsse, sowie andererseits der funktionelle Zusammenhang zwischen Grundstücksgröße und infrastruktureller Leitungslänge. Die entsprechende Isoquante für ein um den Einfluß des Faktors Bodenordnung reduziertes standörtliches Kombinationspotential K P ist das Produkt aus Gelegenheiten mal Leitungslänge, jeweils in Funktion zur Grundstücksgröße.
Abb. 6.12.
Isoquante des um den EinfluB der Bodenordnung reduzierten standörtlichen Kombinationspotentials in der Dimension „Leitungslänge".
Wenn unterstellt wird, daß die verschiedenen infrastrukturellen Gelegenheiten bezüglich ihres Beitrags zur standörtlichen Erschließung von Nutzungsfaktoren gleich bewertet bzw. standardisiert werden können, dann kann die Isoquante des standörtlichen Kombinationspotentials von der Gesamtleitungslänge Ii im Faktor Infrastruktur abhängig gemacht werden.
362
Teil B: Politikbezogene Raumplanung
6.3.2.3. Substitution zwischen den Faktonnengen „Boden" und „Bodenordnung" Bei der Betrachtung der Substitutionsmöglichkeiten zwischen den Faktonnengen „Boden" und „Bodenordnung" wird angenommen, daß der Faktor „Infrastruktur", soweit er der Effizienzsteigerung der Standortproduktion dient, in unbegrenztem Ausmaß zur Verfügung steht. q( K P) = f(vß, vq), wobei: q
= Produktmenge
KP
= um den Einfluß des Faktors „Infrastruktur" reduziertes standörtliches Kombinationspotential Vß = Artenmenge des Faktors „Boden" (Zahl der nutzbaren Ressourcen) VQ = Artenmenge des Faktors „Bodenordnung". (Zahl der Barrieren) Die Produktionsfaktoren „Boden" und „Bodenordnung" werden wieder auf folgende Weise verknüpft: (1) Das Mengenverhältnis der Faktoren „Boden" und „Bodenordnung" kann in jenem Bereich variieren, in welchem Barrieren (die den Entzug von eigenen Gütern oder Störungen bzw. den Schadstoffzustrom von außen verhindern sollen) gegen das bodengebundene Absorptionspotential (bezüglich Schadstoffen und Umweltstörungen) substituiert werden können. (2) Unter der Annahme, daß das Absorptionspotential (Eigentumssicherungspotential) des Bodens mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (gleichmäßig) über die Fläche verteilt ist, folgt: Auf großen Grundstücken ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß das bodengebundene Absorptionspotential Störungen (Entzug von eigenen Gütern und Schadstoffzuströmen von außen) unwirksam macht, als auf kleinen Grundstücken.
Kombinationspotentials
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
363
Die Isoquante für ein um den Einfluß des Faktors „Infrastruktur" reduziertes standörtliches Kombinationspotential k ? (Iso-Eigentumssicherungslinie) bei einer Substitution von Barrierenanzahl und Grundstücksgröße hat demnach etwa folgenden Verlauf: Die Gestalt der Isoquante ergibt sich (1) aufgrund von nutzungsbezogenen wirtschaftlichen Minimalkriterien für die Eigentumssicherung (Minimalgrenzfestlegung) v' g min und für die Grundstücksgröße v' B min sowie (2) aufgrund der Erfahrung, daß für das gleiche standörtliche Kombinationspotential in der Regel relativ wenig mehr an Boden eine Barriere entbehrlich macht, wobei aber (3) jede weitere (höherrangige) Barriere einem größeren Absorptionspotential (Eigentumssicherungspotential) und damit einer größeren Grundstücksfläche entspricht. Danach erscheint es als gerechtfertigt, für landwirtschaftlich genutzte größere Grundstücke die Substitutionalität zwischen den Faktoren „Boden" und „Bodenordnung" zu vernachlässigen. (3) Da große Grundstücke entsprechend dem größeren Umfang auch größere Grenzlängen erfordern als kleine, folgt: Jede Vergrößerung der Grundstücksfläche bedingt eine, je nach der geometrischen Form des Grundstücks unterschiedlich große, mit dem Umfang zunehmender Gesamtgrenzlänge im standörtlichen Bodenordnungssystem. 1G = n • a y / F , wobei:
Ig
= Gesamtgrenzlänge im standörtlichen Bodenordnungssystem Anzahl der diskreten Barrieren Beiwert für die geometrische Form des Grundstücks (wird z. B. angenommen, daß die Grenzlänge mit dem Umfang des Grundstücks identisch ist, so gilt für ein kreisförmiges Grundstück: a = 2 \/"jt, für ein quadratisches Grundstück: a = 4, usw.)
F
= durchschnittl. Grundstücksfläche
Lg Länge des Barrierensystems
Grundstücksgröße (m 2 )
Abb. 6.14. Gesamtgrenzlänge eines Bodenordnungssystems als Funktion der durchschnittlichen GrundstücksgröBe
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
(4) Aus (2) und (3) folgt: wird durch eine Vergrößerung der Grundstücksfläche das bodengebundene Absorptionspotential (Eigentumssicherungspotential) erhöht und können damit zur Erreichung des gleichen Kombinationspotentials auf dem Standort bestimmte Barrieren eingespart werden, so verringert sich zwar in dem Maße die Zahl der notwendigen Grenzen, gleichzeitig aber erhöht sich deren Grenzlänge. Bei einer Substitution zwischen den Faktormengen „Boden" und „Bodenordnung" gilt also einerseits der aus einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsannahme abgeleitete Zusammenhang zwischen Grundstücksgröße und Anzahl der Grenzen, andererseits der funktionale Zusammenhang zwischen Grundstücksgröße und Grenzlänge. Die entsprechende Isoquante für ein um den Einfluß des Faktors „Infrastruktur" reduziertes standörtliches Kombinationspotential K P ist dann Produkt aus der Zahl der Barrieren mal Grenzlänge, abhängig von der Grundstücksgröße. Vc
Abb. 6.15.
Gesamtgrenzlänge der
Isoquante des um den Einfluß der Infrastruktur reduzierten standörtlichen Kombinationspotentials in der Dimension „Grenzlänge"
Wenn unterstellt wird, daß die verschiedenen eigentumssichernden Barrieren bezüglich ihres Beitrags zum Anschluß standörtlicher Nutzungsfaktoren gleich bewertet bzw. standardisiert werden können, dann kann auch die Isoquante des um den Einfluß der Infrastruktur reduzierten Kombinationspotentials von der Gesamtgrenzlänge 1G im Faktor Bodenordnung abhängig gemacht werden.
6.3.2.4. Kombination der Faktoren „Boden", „Infrastruktur" und „Bodenordnung" Aufgrund der Betrachtung der paarweisen Substitutionsverhältnisse zwischen den Produktionsfaktoren „Boden", „Infrastruktur" und „Bodenordnung" zeigt sich, daß sich das effiziente Faktormengenverhältnis zwischen „Infrastruktur" und „Bodenordnung" mit der Grundstücksgröße verändert. Zwar stehen die standörtlichen bezieh(absetz-)bar gemachten Güter bzw. Nutzungsfaktoren und/oder die ausgeschlossenen Störungen von außen in einem Verhältnis wechselseitiger Komplementarität (siehe 6.1.1.), jedoch werden nach der oben getroffenen Annahme mit derselben Vergröße-
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
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rung des Grundstücks mehr Barrieren als Gelegenheiten entbehrlich gemacht. Damit gilt:
Je größer das Grundstück, desto größer wird die Produktivität des Faktors „Infrastruktur" zur Erzielung des gleichen standörtlichen Kombinationspotentials.
Da jedoch das Faktormengenverhältnis zwischen „Infrastruktur" und „Bodenordnung" für jede Grundstücksgröße durch Limitationalität bestimmt, eindeutig ist, erscheint es möglich, die Isoquante für das standörtliche Kombinationspotential K P als Beziehung zwischen der Summe der Faktormengen „Infrastruktur" und „Bodenordnung" einerseits und der Faktormenge „Boden" andererseits darzustellen. vi Vg
q( K P) = f((vi + vfc), vä), wobei:
= f(vá)
q
= Produktmenge = standörtliches Kombinationspotential vf = Artenmenge des Faktors „Infrastruktur" (Zahl der Gelegenheiten) Vq = Artenmenge des Faktors „Bodenordnung" (Zahl der Barrieren) Vg = Artenmenge des Faktors „Boden" (Zahl der nutzbaren Ressourcen) KP
i
Gesamtlänge der standardisierten Barrieren und Gelegenheiten (m)
Vé Grundstücksgröße (m 2 )
Abb. 6.16. Isoquante des standörtlichen Kombinationspotentials
Die Gestalt dieser Isoquante für das standörtliche Kombinationspotential aus der Kombination der Faktoren „Boden", „Infrastruktur" und „Bodenordnung" ergibt sich somit aus der Überlagerung der paarweise für die Faktorkombination „Infrastruktur"/
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
„Boden" und „Bodenordnung"/„Boden" kalkulierten Isoquanten. Das die Summe der Faktormengen „Infrastruktur" und „Bodenordnung" bildende, entsprechend der Grundstücksgröße variierende Faktormengenverhältnis von „Infrastruktur" und „Bodenordnung", entspricht dem für jede Grundstücksgröße eindeutig bestimmten limitationalen Verhältnis. 6.3.3. Die Ausprägung der Standortnutzung in bezug auf die Faktorkapazität Die Artenmengenfunktion zum Nutzungspotential, bei Vernachlässigung von Kapazitätsrestriktionen und standörtlicher Lage, leitet sich aus der Zahl der auf einem Standort verfügbaren nutzbaren Ressourcen, infrastrukturellen Gelegenheiten und eigentumsregelnden Barrieren bzw. deren Substitutionsbedingungen ab. Soll als Zielgröße der Produktionsfunktion für den einzelnen Standort jedoch dessen Nutzungspotential dienen, dann müssen auch die in den jeweiligen Faktoreinsatzmengen der Kategorie „Boden", „Infrastruktur" und „Bodenordnung" enthaltenen nutzungsfaktorspezifischen Ressourcen-, Leitungs- und Grenzkapazitäten kalkuliert werden. Das Nutzungspotential eines Standortes ist dann eine Funktion aus dem Kombinationspotential (definiert durch die Zahl der auf dem Standort verfügbaren nutzbaren Ressourcen, infrastrukturellen Gelegenheiten und eigentumsregelnden Barrieren) und den gutspezifisch kritischen Bezugs- oder Absatzrestriktionen (definiert durch die Ressourcen-, Leitungs- und Grenzkapazitäten). q(NP) = f(j^P, kj) unter der Bedingung: djj konstant wobei: q NP KP kj djj
= = = = =
Produktmenge Standörtliches Nutzungspotential Standörtliches Kombinationspotential Kapazitätskoeffizient Entfernung zu Standorten mit komplementärer bzw. konfliktärer Nutzung Die Bedingung, dy ist konstant, entspricht der Annahme, daß auf allen an entsprechend geeignete Systeme angeschlossenen Standorten die Bezugspreise für die Nutzungsfaktoren gleich sind bzw., daß die standörtlichen Preisunterschiede für die Nutzungsfaktoren allein aus der Standortausstattung (Infrastrukturanschlüsse, Barrieren) erklärt werden können. Der Realität angemessen ist es deshalb, die (nach Infrastruktur- und Grenzsystemen gewichteten) Entfernungen zu den für eine bestimmte Nutzung komplementär bzw. konfliktär genutzten Standorten zu variieren.
6.4. Produktionskosten für den einzelnen Standort 6.4.1. Struktur der Kostenfunktion für den einzelnen Standort Die Produktionskosten für das Gut Standort ergeben sich durch die Bewertung der in die Produktion eingehenden Faktormengen nach ihren jeweiligen Faktorpreisen.
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
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C(NP) = vB • pB + v, • p, + vG • pG wobei: c
= Kosten f ü r das P r o d u k t
vB = Menge des Faktors „Boden" (Ressourcen mal Ressourcenkapazität) pB = Preis für den Faktor „Boden" vr = Menge des Faktors „Infrastruktur" (Anschlüsse mal Leitungslänge mal Leitungskapazität) Pi = Preis für den Faktor „Infrastruktur" vG = Menge des Faktors „Bodenordnung" (Grenzen mal Grenzlänge mal Grenzkapazität) Po = Preis für den Faktor „Bodenordnung" Bei der Kalkulation der Produktionskosten für den einzelnen Standort wird folgende vereinfachende Annahme getroffen: Für die einzelnen Faktorkategorien gelten standardisierte Kosten. Das bedeutet: Der Erwerb jedes Quadratmeters Boden (unabhängig von den dort vorhandenen Ressourcen) verursacht dem Standortproduzenten die gleichen Kosten, jede infrastrukturelle Gelegenheit und auch jede eigentumsregelnde Barriere hat den gleichen Preis. Diese Annahme erscheint zunächst sehr wirklichkeitsfremd. Da jedoch bei der Kalkulation der Produktionsfunktion äquivalente Annahmen über die Produktivität der einzelnen Faktoren getroffen wurden (indem die Leistung der einzelnen Faktoren in bezug auf gelagerte, vermittelte und ausgeschlossene Güter standardisiert wurde), erscheint diese Annahme akzeptabel.
Analog wie bei der differenzierten Betrachtungsweise der Produktionsfunktion für das standörtliche Nutzungspotential unter Abschnitt 6.3. werden im folgenden auch die Produktionskosten aus einem paarweisen Vergleich der kostenmäßig bewerteten Faktormengen abgeleitet. Hinsichtlich der Substitutionsbedingungen zwischen den Faktormengen „Boden", „Infrastruktur" und „Bodenordnung" werden zunächst die Kosten für die Artenmengen (Zahl der nutzbaren Ressourcen, Zahl der infrastrukturellen Gelegenheiten, Zahl der eigentumsregelnden Barrieren) analysiert. Ergebnis davon sind die Produktionskosten für das standörtliche Kombinationspotential (als besondere Ausprägung des Nutzungspotentials, bei Vernachlässigung der standörtlichen Lage und Kapazität). Die Produktionskosten für das standörtliche Nutzungspotential ergeben sich dann durch zusätzliche Bewertung der in den jeweiligen Faktoreinsatzmengen der Kategorien „Boden", „Infrastruktur" und „Bodenordnung" enthaltenen gutspezifischen Ressourcen-, Leitungs- und Grenzkapazitäten. Mit dem Ziel, die Minimalkostenkombiiiatioii der Faktoren für die Standortproduktion zu ermitteln, werden für verschiedene Faktormengen-Kombinationen die Gesamtkosten in der Form sogenannter Isokostenkurven oder Budgetkurven (-geraden) dargestellt. Unter der Bedingung, daß die Grenzrate der Substitution zwischen zwei betrachteten Produktionsfaktoren dem Verhältnis ihrer Preise entspricht, ist die Minimalkostenkombination einer Produktion im Berührungspunkt der Isoquante mit der günstigsten Isokostenkurve abgebildet. Analog könnte man auch die Kostensumme als gegeben voraussetzen und die Faktormengenkombination ermitteln, welche die maximale Produktionsmenge für standörtliches Nutzungspotential erbringt.
6.4.2. Kosten der Faktorkombination „Infrastruktur" und „Bodenordnung" Wurde zunächst bei der Kalkulation des Einflusses der Faktormengen „Infrastruktur" und „Bodenordnung" auf das standörtliche Kombinationspotential der Faktor
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Teil B: Politikbezogene Raumplanung
„Boden" als mögliches Substitut für die Faktoren „Infrastruktur" und „Bodenordnung" außer acht gelassen, so kann ein solches, um den Einfluß des Faktors „Boden" reduziertes standörtliches Kombinationspotential auch kostenmäßig bewertet werden, wenn man annimmt, daß die Kosten für den Produktionsfaktor Boden vernachlässigbar sind. (1) Die Grenzkosten für die Mengeneinheit innerhalb eines infrastrukturellen Leitungssystems und eines eigentumsregelnden Grenzsystems gelten als konstant: C ( K P ) = vf • pi + VQ • PG, wobei: -Ei- = konstant PG
Es wird unterstellt, daß infrastrukturelle Gelegenheiten erheblich teurer sind als eigentumsregelnde Barrieren mit demselben Spezialisierungsniveau. Dieses Kostenverhältnis sei über alle Spezialisierungsniveaus gleich. Aufgrund dieser (noch empirisch zu überprüfenden) Annahme ergibt sich eine entsprechende Isokostengerade, die die Punkte alternativer Faktorkombination verbindet, denen bei den gegebenen Faktorpreisen die gleichen Gesamtkosten entsprechen. Der sich aus der Komplementarität der Faktoren „Infrastruktur" und „Bodenordnung" ableitende Spezialfall einer limitationalen Produktionsfunktion bedeutet, daß das einzige effiziente Faktormengenverhältnis zur Erzielung eines bestimmten Kombinationspotentials zugleich auch das kostengünstigste ist. Gelegenheiten
Isokosten
V é Barrieren
opt. Abb. 6.17.
Minimalkostenkombination für das um den Einfluß der standörtlichen Ressource „Boden" reduzierte standörtliche Kombinationspotential bei konstanten Faktorgrenzkosten
(2) Bei der Massenherstellung von Gelegenheiten und bei der Massenherstellung von Barrieren werden Großbetriebsvorteile erzielt. Für den Standortproduzenten entstehen daraus Kosteneinsparungen bei den Produktionsfaktoren „Infrastruktur" und „Bodenordnung". Das bedeutet dann: In der Kostenfunktion gelten für die Mengeneinheit innerhalb eines infrastrukturellen Leitungssystems und innerhalb eines eigentumsregelnden Grenzsystems fallende Grenzkosten. C( K P) = v,' • dp, + VG • dp G wobei: dpi = f(vi) dp G = f(vo)
dpi
= Durchschnittspreis für den Faktor „Infrastruktur" dpo = Durchschnittspreis für den Faktor „Bodenordnung"
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes
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Mit zunehmenden Faktormengen rücken die Kostenlinien gleicher Kostendifferenz immer weiter auseinander. Entsprechend der Grenzkostenabnahme bei den Faktoren „Infrastruktur" und „Grenze" entstehen mehr oder minder konvex gekrümmte Isokostenkurven. Kostenminimalpunkt ist wieder der Berührungspunkt von Isoquante und günstigster Isokostenkurve. Gelegenheiten
Abb. 6.18. Minimalkostenkombination für das um den Einfluß der standörtlichen Ressourcen („Boden") reduzierte standörtliche Kombinationspotential bei abnehmenden Faktorgrenzkosten
6.4.3. Kosten der Faktorkombination „Boden" und „Infrastruktur" Die kostenmäßige Bewertung eines, um den Einfluß des Faktors „Bodenordnung" reduzierten standörtlichen Kombinationspotentials kann man sich theoretisch für den Fall vorstellen, daß der (zur Effizienzsteigerung der Standortproduktion unbegrenzt vorhandene) Faktor „Bodenordnung" nichts kostet. C(kP) = Vß • Pb + vf • pi
wobei:
= konstant Pi Mit der Isokostendarstellung werden alle Punkte alternativer Faktorkombinationen verbunden, denen bei gegebenen Faktorpreisen die gleichen Gesamtkosten entsprechen. Damit wird unterstellt, daß jede zusätzliche Gelegenheit Kosten verursacht, die mit einer entsprechenden Verringerung der Bodenkosten ausgeglichen werden. Für jedes, um den Einfluß des Faktors „Bodenordnung" reduzierte standörtliche Kombinationspotential ist dann jene Faktorkombination am kostengünstigsten, die dem Berührungspunkt der entsprechenden Isoquante mit der günstigsten Isokostengeraden entspricht. (2) Als realistischere Annahme gelten die Grenzkosten für die Mengeneinheit Boden weiterhin als konstant, für die Mengeneinheit innerhalb eines infrastrukturellen Leitungssystems aber als fallend. C( K P) = vi, • pb + vf • dp, wobei: dpi = f(vf)
dpi = Durchschnittspreis für den Faktor „Infrastruktur"
Mit zunehmender Menge des Faktors „Infrastruktur" rücken die Kostenlinien gleicher Kostendifferenz immer weiter auseinander. Der Grenzkostenabnahme für die Infrastruktur entsprechend, entstehen für die Faktoren „Boden" und „Infrastruktur"
Teil B: Politikbezogene Raumplanung
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Gesamtleitungslänge der standardisierten Gelegenheiten (m)
opt. "7 Abb. 6.19.
opt.
• Vß
Grundstücksgröße (m 2 )
Minimalkostenkombination für das um den Einfluß der Bodenordnung reduzierte standörtliche Kombinationspotential bei konstanten Faktorgrenzkosten.
konvex gekrümmte Isokostenkurven. Anstelle eines Berührungspunktes erhält man einen Berührungsbereich zwischen Isoquante und Isokostenkurve, das heißt neben einem bestimmten Faktormengenverhältnis für minimale Kosten gibt es einen Bereich substitutiver Faktormengen, in dem die Gesamtkosten nur geringfügig von den minimalen Kosten abweichen.
opt
I Abb. 6.20.
opt.
• V„
Grundstücksgröße (m 2 )
Minimalkostenkombination für das um den Einfluß der Bodenordnung reduzierte standörtliche Kombinationspotential bei abnehmenden Grenzkosten für die Infrastruktur
6.4.4. Kosten der Faktorkombination „Boden" und „Bodenordnung" Die kostenmäßige Bewertung eines, um den Einfluß des Faktors „Infrastruktur" reduzierten standörtlichen Kombinationspotentials kann theoretisch für den Fall vorgenommen werden, daß der (zur Effizienzsteigerung der Standortproduktion unbegrenzt vorhandene) Faktor „Infrastruktur" nichts kostet. (1) Zunächst gelten die Grenzkosten für die Mengeneinheit Boden und für die Mengeneinheit innerhalb eines eigentumsregelnden Grenzsystems wiederum als konstant.
6. Wirtschaftliche Produktion des einzelnen Standortes C(KP) = VB ' PB + VG • PG wobei:
PG
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= konstant
Analog wie bei der Faktorkombination „Boden" und „Infrastruktur" wird mit der Isokosten-Darstellung unterstellt, daß jede zusätzliche Barriere Kosten verursacht, die mit einer entsprechenden Verringerung der Bodenkosten ausgeglichen werden. Aus der Annahme, daß die Herstellung von eigentumsregelnden Barrieren geringere Kosten verursacht als die Verortung von infrastrukturellen Gelegenheiten, ergibt sich ein dementsprechend steilerer Verlauf der Isokostengeraden. Gesamtgrenzlänge der standardisierten Barrieren (m)
standörtliche Kombinationspotential bei konstanten Faktorgrenzkosten (2) Realistischerweise gelten konstante Grenzkosten für die Mengeneinheit Boden, fallende Grenzkosten für die Mengeneinheit innerhalb eines Grenzsystems. C( K P) =
VB
•
PB
+