Theoretische Probleme des ökonomischen Wachstums im Sozialismus und Kapitalismus: Band 1 Ziele, Faktoren, Rationalität des ökonomischen Wachstums [Reprint 2021 ed.] 9783112576120, 9783112576113


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German Pages 312 Year 1969

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Table of contents :
INHALT
Vorwort des Herausgebers
Ziel und Rationalität des Wirtschaftswachstums im ökonomischen System des Sozialismus
Ziel und Rationalität des Wirtschaftswachstums im Kapitalismus sowie der Mechanismus ihrer Durchsetzung
Wachstum und volkswirtschaftliche Effektivität
Über die Bedeutung des volkswirtschaftlichen Gleichgewichts für das ökonomische Wachstum
Über Reproduktionslehre und Konjunkturtheorie
Anwendung der Marxschen Reproduktionsmodelle auf die Entwicklungsländer
Zu soziologischen Problemen des ökonomischen Wachstums
Einige Probleme der Messung und Analyse der qualitativen Wachstumsfaktoren
Quantitative und qualitative Aspekte des Arbeitspotentials für das Wirtschaftswachstum
Die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit als Wachstumsfaktor in der sozialistischen Produktionsweise
Die Rolle der Wissenschaft als Wachstumsfaktor
Zu einigen politökonomischen Problemen des technischen Fortschritts
Bildung als Ziel und Faktor des ökonomischen Wachstums in der sozialistischen Produktionsweise
Die Agrarproduktion und das intensive volkswirtschaftliche Wachstum
Statistische Untersuchung über die Dynamik der Struktur der Bevölkerung und der Arbeitskräfte als Wachstumsfaktor in ausgewählten sozialistischen und kapitalistischen Ländern
Der relative Kapitalüberschuß als Wachstumsproblem im staatsmonopolistischen Kapitalismus
Zum Wachstumsprozeß in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer
Zur Ausarbeitung eines Modells für die Planung der Beschäftigung der Arbeitskräfte in Entwicklungsländern
Zum Verhältnis moderner bürgerlicher Wachstumstheoretiker zu Karl Marx Reproduktionsschemata und Profitratentheorie innerhalb der westdeutschen ökonomischen Literatur
Gesamtverzeichnis der Bände II und III
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Theoretische Probleme des ökonomischen Wachstums im Sozialismus und Kapitalismus: Band 1 Ziele, Faktoren, Rationalität des ökonomischen Wachstums [Reprint 2021 ed.]
 9783112576120, 9783112576113

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Ziele, Faktoren, Rationalität des ökonomischen Wachstums

D E U T S C H E A K A D E M I E DER W I S S E N S C H A F T E N Z U BERLIN Schriften des Instituts für Wirtschaftswissenschaften Nr. 28

Ziele! Faktoren, Rationalität des ökonomischen Wachstums Theoretische Probleme des ökonomischen Wachstums im Sozialismus und Kapitalismus Band I Herausgeber Prof. D r . habil. H a r r / Maier

A K A D E M I E - V E R L A G



B E R L I N 19 6 8

Wissenschaftlicher Redakteur: Dr. Ernst Domin

Erschienen im A k a d e m i e - V e r l a g G m b H , 108 Berlin, Leipziger Str. 3/4 C o p y r i g h t 1968 by A k a d e m i e V e r l a g

GmbH

L i z e n z n u m m e r : 202 • 100/203/68 Offsetdruck und buchbinderische Weiterverarbeitung : V E B D r u c k e r e i „ T h o m a s M ü n t z e r " , 582 B a d L a n g e n s a l z a Bestellnummer: 2071/28 . ES 5 14,—

B2

INHALT

Vorwort des Herausgebers

7

HARRY MAIER Ziel und Rationalität des Wirtschaftswachstums im ökonomischen System des Sozialismus

15

PETER HESS Ziel und Rationalität des Wirtschaftswachstums im Kapitalismus sowie der Mechanismus ihrer Durchsetzung

37

OTTOMAR KRATSCH Wachstum und volkswirtschaftliche Effektivität

55

HANS M1TTELBACH Über die Bedeutung des volkswirtschaftlichen Gleichgewichts für das ökonomische Wachstum

71

PETER ERDÖS Über Reproduktionslehre und Konjunkturtheorie

75

PARVIZ KHALATBARI Anwendung der Marxschen Reproduktionsmodelle auf die Entwicklungsländer .

81'

MANFRED THIEL / PETER ARMELIN Zu soziologischen Problemen des ökonomischen Wachstums

99

VLADIMIR NACHTIGAL Einige Probleme der Messung und Analyse der qualitativen Wachstumsfaictoren

111

WOLFGANG MARSCHALL / A. FRANKE / JÜRGEN WAHSE Quantitative und qualitative Aspekte des Arbeitspotentials für das Wirtschaftswachstum

125

GERD KNOBLOCH Die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit als Wachstumsfaktor in der sozialistischen Produktionsweise

143

HEINZ SEICKERT Die Rolle der Wissenschaft als Wachstumsfaktor

157

MAGNUS HEYDT Zu einigen politökonomischen Problemen des technischen Fortschritts . . . .

177 5

HARRY MAIER / HANS SCHILAR Bildung als Ziel und Faktor des ökonomischen Wachstums in der sozialistischen Produktionsweise

193

HERBERT WINKELMANN Die Agrarproduktion und das intensive volkswirtschaftliche Wachstum . . . .

211

RUDI WALTHER Statistische Untersuchung über die Dynamik der Struktur der Bevölkerung und der Arbeitskräfte als Wachstumsfaktor in ausgewählten sozialistischen und kapitalistischen Ländern

231

KATJA NEHLS Der relative Kapitalüberschuß als Wachstumsproblem im staatsmonopolistischen Kapitalismus

253

PARVIZ KHALAT BARI Zum Wachstumsprozeß in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer

265

. . . .

IOSIF ANGHEL / SORICA SAVA Zur Ausarbeitung eines Modells für die Planung der Beschäftigung der Arbeitskräfte in Entwicklungsländern

281

KLAUS O . W . MÜLLER Zum Verhältnis moderner bürgerlicher Wachstumstheoretiker zu Karl Marx Reproduktionsschemata und Profitratentheorie innerhalb der westdeutschen ökonomischen Literatur

295

Gesamtverzeichnis der Bände n und HI

309

6

Vorwort des

Herausgebers

Die in diesem Band vereinigten 19 Arbeiten marxistischer Politökonomen sind aus Anlaß der hundertjährigen Wiederkehr des Erscheinens des I. Bandes des Marxschen "Kapitals" geschrieben worden. Ausgehend von der Methode und den Erkenntnissen dieses epochalen Werkes, versuchen die Autoren, eines der aktuellsten Probleme unserer Zeit: Ziel, Faktoren und Rationalität de." ökonomischen Wachstums im sozialistischen und kapitalistischen Gesellschaftssystem sowie in den schwachentwickelten Ländern aufzuwerfen und einer wissenschaftlichen Analyse zu unterziehen. Der thematische Bogen dieses Bandes, der es e r laubt, Grundprobleme unserer Existenz unter einheitlichem theoretischem Gesichtspunkt darzustellen, scheint uns ganz im Sinne des Werkes von Karl Marx zu sein, dem "theoretischen Ausgangspunkt der Strategie und Taktik der Arbeiterklasse fiir den Sturz des Kapitalismus und für den Aufbau der neuen sozialistischen Gesellschaftsordnung"- 1 Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Ausgang des für das Schicksal der Menschheit entscheidenden politischen und ökonomischen Wettstreits von sozialistischem und kapitalistischem Gesellschaftssystem weitestgehend vom Tempo und der Effektivität des ökonomischen Wachstums abhängt. Die Überwindung der sozialen und ökonomischen Rückständigkeit in den ehemaligen Kolonien und Halbkolonien der imperialistischen Mutterländer ist ebenfalls untrennbar verbunden mit der Meisterung der Probleme des Wirtschaftswachstums, die wiederum weitestgehend davon abhängt, ob es diesen Ländern gelingt, den nichtkapitalistischen Entwicklungsweg zu beschreiten. Die Beiträge dieses Bandes wurden in der Konferenzgruppe I der internationalen KarlMarx-Konferenz, die das Institut für Wirtschaftswissenschaften der Deutschen Akademie der Wissenschaften in der Zeit vom 17. 10. bis 19. 10. 1967 in Berlin veranstaltete, zur Diskussion gestellt. In der Konferenzgruppe II "Wirkungsmechanismus des ökonomischen Wachstums im Sozialismus und Kapitalismus" standen Probleme des ökonomischen Funktionsmechanismus, Uber den sich der ökonomische Wachstumsprozeß im Rahmen spezifischer gesellschaftlicher Verhältnisse durchsetzt, im Mittelpunkt der Diskussion, während die Beiträge der Konferenzgruppe III dem Problem "Weltwirtschaft und Wirtschaftswachstum" gewidmet waren. 2 Die Beiträge dieses Bandes müssen also im Zusammenhang mit den in den anderen Konferenzgruppen diskutierten Arbeiten gesehen werden. So brachte es die thematische Arbeitsteilung der Konferenz mit sich, daß dieser Band Fragen des Wirkungsmechanismus und der Weltwirtschaft nur insoweit behandelt, wie sie unmittelbar für den Problemkreis der Konferenzgruppe I von Bedeutung waren. Die Autoren des vorliegenden Bandes sind bemüht gewesen, die Darlegung bereits gesicherter Theoreme der marxistischen Politischen Ökonomie möglichst knapp zu halten und ihre Aufmerksamkeit vor allem auf neue, durch den ökonomischen Wachstumsprozeß unter den Bedingungen der wissenschaftlichtechnischen Revolution unserer Zeit aufgeworfene Fragen zu konzentrieren. Dies sowie der Umstand, daß einige der Konferenzgruppe vorgelegten Beiträge aus verlegerischen Gründen an anderer Stelle veröffentlicht werden, 3 machen einige inhaltliche LUcken des vorliegenden Bandes verständlich. Beim gegenwärtigen Stand der Forschungsarbeit zur Bewältigung des im Titel dieses Buches aufgeworfenen Problems wäre es außerdem nach unserer Meinung eine Vermessenheit, ein in sich geschlossenes theoretisches System vorlegen zu wollen. Dies könnte nur 7

auf dem Wege einer künstlichen Konfektionierung der Standpunkte erfolgen, einer Verfahrensweise, die im diametralen Gegensatz zum schöpferischen Geist des Marxismus-Leninismus stehen würde. Der Leser wird daher unschwer beim Studium der einzelnen Beiträge feststellen können, daß trotz der gemeinsamen theoretischen und weltanschaulichen Basis die Autoren in verschiedenen Problemsituationen unterschiedliche Standpunkte vertreten. Die kameradschaftliche Diskussion dieser verschiedenen Standpunkte scheint uns die Hauptvoraussetzung für eine erfolgreiche Wachstumsforschung zu sein. Es sollen daher auf den folgenden Seiten einige Kernprobleme der marxistischen Wachstumstheorie aufgeworfen werden, die sich aus den hier abgedruckten Beiträgen ergeben und die es unserer Auffassung nach verdienen, unter den marxistischen Politökonomen zur Diskussion gestellt zu werden. Eine nicht ganz unwichtige Frage ist die Festlegung des Gegenstandsbereiches der marxistischen Wachstumsforschung. Trotz der weitverbreiteten Scheu,über die Gegenstandsproblematik zu diskutieren, geht implizite oder explizite jeder Forscher von einer bestimmten Annahme des Bereichs seiner Forschung aus. Klarheit über den Gegenstandsbereich der Forschung ist daher ein nicht zu umgehendes Erfordernis der wissenschaftlichen Arbeit. In der gegenwärtigen Literatur gibt es im wesentlichen zwei sich unterscheidende Auffassungen Uber den Gegenstand der marxistischen Wachstumsforschung: 1. Nach dem einen Standpunkt hat sich die Wachstumsforschung mit jenen Faktoren und Parametern zu beschäftigen, die das Wachstum der Produktivkräfte bzw. der materiellen Produktion bestimmen. ^ 2. Einem Teil der in diesem Band veröffentlichten Beiträge liegt eine andere Konzeption Uber den Gegenstandsbereich der marxistischen Wachstumsforschung zugrunde. Nach dieser Auffassung kann die marxistische Wachstumsforschung bei der Bestimmung der makroökonomischen Parameter und Faktoren, die der positiven Veränderung des volkswirtschaftlichen Gesamtprodukts in einem bestimmten Zeitraum zugrundeliegen, nicht stehenbleiben. Es müßte ihr vielmehr um die Aufdeckung des Inhalts des ökonomischen Wachstumsprozesses vom Standpunkt eines längeren Horizonts gehen. Der Inhalt dieses zielgerichteten, vom Standpunkt der kybernetischen Systemtheorie sich selbst organisierenden und optimierenden Prozesses besteht nach dieser Auffassung in der Erhöhung der Effektivität der das ökonomische Wachstum bestimmenden Faktoren oder, wenn man so will, in der Durchsetzung der ökonomischen Bationalität. Aus dieser Sicht untersucht die ökonomische Wachstumstheorie jene kausalen, funktionalen und stochastischen Gesetzmäßigkeiten, die das Zusammenwirken der Wachstumsfaktoren im Rahmen eines sozialökonomischen Wirkungsmechanismus im Hinblick auf das obiektive Ziel der jeweiligen Produktionsweise bestimmen und für Effektivität und Tempo des ökonomischen Wachstums entscheidend sind. Die Produktionsverhältnisse gehören insoweit zum Gegenstandsbereich der marxistischen Wachstumstheorie, als sie das Ziel, den Wirkungsmechanismus und das System der Faktoren bestimmen. Deshalb scheint uns eine getrennte Untersuchung der Entwicklung der Produktivkräfte durch eine ökonomische Wachstumstheorie und der Entwicklung der Produktionsverhältnisse durch eine ökonomische Entwicklungstheorie, wie es B. Klapowski vorschlägt, 5 wenig sinnvoll zu sein, da man auf diese Weise den Wachstumsprozeß als einen zielgerichteten, sich selbst organisierenden und optimierenden Prozeß nicht in das Blickfeld der Forschung bekommt. Unserer Auffassung nach müßte eine marxistische Entwicklungstheorie als Theorie der Entwicklung des gesellschaftlichen Gesamtsystems konzipiert werden, in welcher das Wechselverhältnis der Entwicklung von Produktivkräften, Produktionsverhältnissen und Überbau im Mittelpunkt der Untersuchung steht. Gerade diese Probleme stehen im Mittelpunkt des auf dem VII. Parteitag der SED konzipierten Programms zur Schaffung des entwickelten Gesellschaftssystems des Soziallsmus in der DDB. 6 Ähnlich wie das ökonomische System das Kernstück des gesellschaftlichen Gesamtsystems darstellt, müßte die ökonomische Wachstumstheorie als Kernstück einer allgemeinen Theorie der gesellschaftlichen Entwicklung aufgefaßt werden. 8

Ökonomisches Wachstum ist ein zielstrebiger Prozeß, der sich unter bestimmten gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen vollzieht. Das Problem, welches hiermit aufgeworfen ist, besteht darin, ob es möglich ist, das ökonomische Wachstum in den einzelnen Produktionsweisen miteinander zu vergleichen. Oder anders formuliert: Gibt es ein historisches Fortschrittskriterium, an dem der ökonomische Wachstumsprozeß innerhalb der einzelnen Produktionsweisen gemessen werden kann? Gibt es ein objektives Ziel, auf das der ökonomische Wachstumsprozeß, über einen längeren Zeitraum gesehen, objektiv ausgerichtet ist? Diese Frage spielt im Klassenkampf von Bourgeoisie und Proletariat seit eh und je eine entscheidende Bolle. In verschiedenen Beiträgen wird nach einer Antwort auf diese Frage gesucht. Hierbei wird das Kriterium des historischen Fortschritts in der Durchsetzung der Rationalität im produktiven Lebensprozeß sowie davon abgeleitet In den zwischenmenschlichen Beziehungen der Mitglieder der Gesellschaft gesehen. Als allgemeine Kennzeichen der Durchsetzung der ökonomischen Rationalität werden hierbei die Senkung des notwendigen Aufwandes pro Erzeugniseinheit des gesellschaftlichen Gesamtprodukts und die Erhöhung des Mehrprodukts betrachtet, das sich in der Klassengesellschaft die herrschenden Klassen zwar aneignen, welches aber auch hier bereits die Grundlage der Entwicklung der menschlichen Kultur und der Wissenschaft - wenn auch auf Kosten der Mehrheit der Individuen - abgibt. Mit dieser Konzeption wird jener Auffassung widersprochen, die den Begriff ökonomische Rationalität nur für das rationale Handeln der einzelnen Individuen im Hinblick auf gegebene Zielsetzungen beansprucht bzw. nach der die ökonomische Rationalität ein Merkmal der Verhaltensstrategie darstellt, die es dem Wirtschaftssubjekt ermöglicht, bei jeder Handlung in Abhängigkeit von der Situation eine eindeutige Entscheidung zu treffen. 7 Gegen diese Auffassung wird geltend gemacht, daß sie schon an der simplen Frage scheitern muß: was nach ihrer Konzeption dann eigentlich irrationales Handeln ist. Jedes normale menschliche Handeln ist ein zielgerichtetes Handeln, und in jeder Situation kann sowohl rational als auch irrational gehandelt werden. Das theoretische Verdienst von Karl Marx bei der Analyse der kapitalistischen Produktionsweise bestand darin, daß er den Zusammenhang zwischen dem zielgerichteten, rationalen Verhalten des einzelnen Kapitalisten und der sich im Gesamtsystem spontan Uber den Konkurrenzmechanismus durchsetzenden Rationalität zeigte. In den vorliegenden Beiträgen wird das Ziel des ökonomischen Wachstums in der kapitalistischen Produktionsweise in der höchstmöglichen Verwertung des Kapitals gesehen. Gleichzeitig wird versucht, auf folgende aktuelle Fragen der marxistischen Imperialismustheorie eine Antwort zu finden: Hat sich im staatsmonopolkapitalistischen System eine Änderung des Ziels und der Zielfunktion des ökonomischen Wachstums und damit des ökonomischen Handelns ergeben? Gibt es eine über den Profit hinausgehende gesamtgesellschaftliche Zielsetzung im modernen Kapitalismus? Sind die magischen Drei- und Fünfecke der bürgerlichen Wirtschaftspolitik mehr als apologetische Nebelgebilde? Bedeutet die Tatsache, daß die Auswirkungen der Entwertung des Kapitals der Gesellschaft aufgebürdet wurden, daß die Krisen ihre Funktion im modernen Kapitalismus verloren haben und der zyklische Verlauf kein notwendiges Attribut des ökonomischen Wachstumsprozesses im modernen Kapitalismus darstellt ? Auf diese und ähnliche Fragen versuchen die dem ökonomischen Wachstum im modernen Kapitalismus gewidmeten Beiträge eine Antwort zu finden. Ihre Argumentationsreihen münden in dem Nachweis, daß das kapitalistische Gesellschaftssystem vom Standpunkt des historischen Fortschrittskriteriums ein überlebtes und unrational arbeitendes System ist. Dabei wird das ökonomische System des Sozialismus als neue Stufe der ökonomischen Rationalität im Vergleich zur kapitalistischen Produktionsweise dargestellt. Das allgemeine Ziel des ökonomischen Wachstums, die notwendige Arbeitszeit zu minimieren und disponible Zeit zu maximieren, wird hier zum spezifischen Ziel der gesellschaftlichen Gestaltung des Wachstumsprozesses. Dies erfolgt deshalb, weil hier die disponible Zeit, die Mehrarbeitszeit, auf Grund der Aufhebung des kapitalistischen Privateigentums ihren antagonistischen 9

Charakter verliert. Sie wird hier, wie Karl Marx sagt, zu dem "für die freie, geistige und gesellschaftliche Betätigung der Individuen eroberten Z e i t t e i l " - 8 Die sozialistische Gesellschaft verändert jedoch nicht nur grundlegend die Ziele des ökonomischen Wachstums und damit des ökonomischen Handelns, sondern sie hebt auch den für die auf Privateigentum beruhende Warenproduktion typischen antagonistischen Widerspruch zwischen der Rationalität des Handelns im Teilsystem und der Durchsetzung der Rationalität im Gesamtsystem auf. Die ökonomische Rationalität in der sozialistischen Produktionsweise durchzusetzen heißt vor allem, den tatsächlichen Wachstumsprozeß mit möglichst geringen Reibungsverlusten an das optimale Wachstum anzunähern. Der semantische Gehalt dessen, was die ökonomische Wachstumsforschung als Bedingungen des optimalen Wachstums bezeichnet, wird meines Erachtens von Karl Marx mit dem B e griff "gesellschaftlich notwendige Arbeit" - also der quantitativen Dimension des Werts zu erfassen gesucht. Marx hat hierbei drei Komponenten, die das Quantum an gesellschaftlich-notwendiger Arbeit und damit das optimale Wachstum bestimmen, herausgearbeitet: bedarfsgerechte Struktur der Produktion, Gesamtminimum an Arbeit, das notwendig für die Produktion der bedarfsgerechten Erzeugnisse und die Reduktion der komplizierten auf einfache Arbeit ist, wobei sich die letzte Bedingung auf die beiden ersten zurückführen läßt. Für die sozialistische Produktionsweise ist die Frage Optimalität des Wirtschaftswachstums eine höchst praktische Frage. Optimales Wachstum ist durchaus nicht identisch mit dem höchstmöglichen Wachstum. Wenn dem so ist, müssen die Kriterien analysiert werden, nach denen das gegebene Wachstum vom Standpunkt des Ziels der sozialistischen Produktionsweise bewertet werden kann. Bei der Aufstellung einer solchen Bewertungsfunktion geht es vor allem darum, den Nationaleinkommenszuwachs anhand der Entwicklung des Anteils des Konsumtionsfonds zu optimieren. Ungelöste Probleme sind hierbei die Bestimmung des Optimierungszeitraumes einer solchen Bewertungsfunktion und die Ermittlung eines Nutzendiskonts, der es uns e r möglicht, einen künftigen KonsumtionsZuwachs vom heutigen Standpunkt zu bewerten. Ein anderes Problem, das in dem vorliegenden Band nur aufgeworfen werden konnte, ist die Frage, ob es einen objektiven optimalen Wachstumspfad gibt, von dem der tatsächliche V e r lauf des ökonomischen Wachstumsprozesses nach oben und unten zwar abweicht, der aber tendenziell den Wachstumsverlauf über einen längeren Zeitraum bestimmt. Aus der Beantwortung dieser Frage ergeben sich höchst bedeutungsvolle Konsequenzen für die bewußte Gestaltung des Wachstumsprozesses im ökonomischen System des Sozialismus. Geht man davon aus, daß es keinen solchen objektiven Wachstumspfad gibt, dann stehen wir vor dem Problem, unter den gegebenen Beschränkungen jene Wachstumsvariante auszuwählen und zu realisieren, die eine Maximierung der Zielfunktion der sozialistischen P r o duktionsweise ermöglicht. Geht man jedoch von der Existenz eines solchen optimalen Wachstumspfades aus - verschiedene statistisch-empirische Untersuchungen des ökonomischen Wachstumsverlaufes über einen längeren Zeitraum scheinen diese Annahme zu bestätigen dann stehen wir vor dem Problem, solche Übergangspfade zu ermitteln, die eine möglichst reibungslose Annäherung des tatsächlichen Wachstumsverlaufs an den optimalen Wachstumspfad ermöglicht. Wenn man die Existenz eines objektiven optimalen Wachstumspfades zu akzeptieren bereit ist, dann muß man die Frage zu beantworten suchen, welche Bestimmungskomponenten ihm zugrunde liegen. Die jugoslawische Ökonomin R . Stojanoviö sieht das entscheidende Moment für die Bestimmung eines solchen optimalen Wachstumspfades im technischen Fortschritt. 9 Der ungarische Ökonom J . Janossy meint dagegen, daß der optimale Wachstumspfad vor allem durch die Entwicklung des Qualifikationsniveaus der Arbeitskräfte bestimmt wird. Bei der Bestimmung des optimalen Wachstumspfades und der ihn determinierenden Komponenten steht die marxistische Wachstumsforschung ohne Zweifel vor einem theoretischen Problem von hoher praktischer Bedeutung.

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Ein zentrales Problem der Theorie des ökonomischen Wachstums im Sozialismus besteht daher in der Konstruktion von Optimierungsmodellen, die uns helfen können, aus einer Anzahl verschiedener Wachstumsvarianten den optimalen Wachstumspfad zu bestimmen. Meistens wird eine Minimierung des Faktoraufwandes als Optlmalitätskriterium des Wachstums angesehen, wobei vorausgesetzt wird, daß das Ergebnis des Wachstums, das Nationaleinkommen, in einer bedarfsgerechten Struktur vom Standpunkt eines längeren Zeitraumes produziert worden ist. Dies ist eine Unterstellung, die den gesuchten optimalen Wachstumspfad zum großen Teil als bereits gegeben annimmt und somit die Leistungsfähigkeit des gesamten Optimierungsmodells in Frage stellt. In diesem Band wird daher die Meinung vertreten, daß die Annäherung des tatsächlichen ökonomischen Wachstums an das optimale Wachstum nicht das Ergebnis einer Entscheidungsfindung nach einem einzigen Optimierungsmodell sein kann, sondern das Ergebnis eines objektiven gesellschaftlichen Prozesses ist, den wir mit Hilfe eines Systems von Modellen, Kennziffern und Indikatoren bewußt zu gestalten suchen müssen. Bei dieser Entscheidungsfindung ist die Bestimmung des Grades der Extensität und Intensität des Wirtschaftswachstums von größter Bedeutung. Es geht hier um die intensive und extensive Entwicklung der das Wirtschaftswachstum bestimmenden Faktoren. Die Bewältigung dieser Problematik setzt zunächst einmal voraus, daß wir uns über den Begriff Wachstumsfaktor klarwerden. Wollte man darunter alle Komponenten, die einen Einfluß auf das ökonomische Wachstum ausüben, verstehen, dann würden wir ohne Zweifel zu einer inflationären Entwicklung des Begriffs Wachstumsfaktor beitragen. Denn nur wenige Erscheinungen stehen nicht in irgendeinem Zusammenhang zum Wirtschaftswachstum. In der Mehrzahl der hier vorliegenden Beiträge werden daher als Wachstumsfaktoren jene Elemente der Produktivkräfte der Menschheit bezeichnet, die im Rahmen bestimmter Produktionsverhältnisse das Tempo und die Effektivität des ökonomischen Wachstums bestimmen. Hierbei sind die extensive, d. h. quantitative,und die intensive, d. h. die effizientere Entwicklung folgender Wachstumsfaktoren untersucht worden: des Arbeitspotentials der Gesellschaft, der produktiven Fonds und der Arbeitsgegenstände. Bei der extensiven Entwicklung dieser Einsatzfaktoren spielen solche Fragen wie die Entwicklung der Bevölkerung, der Beschäftigten, der Länge der Arbeitszeit und des Grades ihrer Ausnutzung, das Wachstum der Grundfonds, der Akkumulationsrate, des Materialverbrauchs etc. eine entscheidende Rolle. Bei der intensiven Entwicklung dieser grundlegenden Wachstumsfaktoren sind jene Komponenten von Bedeutung, die eine Erhöhung ihrer Effektivität bewirken, also all jene Faktoren, die man gewöhnlich unter dem Sammelbegriff "technischer Fortschritt" zusammenfaßt, d. h. Wissenschaft, Bildung, die Wissenschaftlichkeit der volkswirtschaftlichen und betrieblichen Führungstätigkeit etc. Bei dieser Begriffsbestimmung der Wachstumsfaktoren werden Fragen des Wirkungsmechanismus, über den die Wachstumsfaktoren im Hinblick auf das Ziel der sozialistischen Produktionsweise wirksam werden, also Fragen einer effektiven Planungs- und Prognosetätigkeit, der Synchronisation der Ziele des ökonomischen Wachstums auf den einzelnen Ebenen des Reproduktionsprozesses, die Rolle des Marktes etc. nicht zu den Wachstumsfaktoren gezählt. Ebenso vieldeutig wird der Begriff des extensiven Wachstums in unserer Literatur gebraucht. In diesem Band wird mit diesem Begriff ein ökonomisches Wachstum umschrieben, das allein durch die quantitative Erweiterung der Einsatzfaktoren ohne Erhöhung ihrer E f fektivität verursacht wurde. Faßt man die Erhöhung der Effektivität der Wachstumsfaktoren unter dem Begriff technischer Fortschritt zusammen, so könnte man extensives Wachstum auch als ein Wachstum ohne technischen Fortschritt definieren. Natürlich wäre es falsch, das extensive ökonomische Wachstum von vornherein als etwas Negatives anzusehen. Im Gegenteil, solange es unbeschäftigte Wachstumsfaktoren gibt, führt die rein quantitative Ausdehnung des Produktionsfeldes zu einer Beschleunigung des Wachstumsprozesses. Andererseits kann das extensive ökonomische Wachstum eines Bereichs zu einer Intensivierung des Wachstumsprozesses der Volkswirtschaft führen. Ein extensives ökonomisches Wachs-

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tum, das zu einer abnehmenden Effektivität des Einsatzes der Wachstumsfaktoren führt und daher eine Steigerung des Reproduktionsaufwar des pro Einheit Nationaleinkommen zur Folge hat, muß in einer ohne technischen Fortschritt wachsenden Wirtschaft in dem Augenblick eintreten, wo es keine unbeschäftigten Wachstumsfaktoren mehr gibt. Es führt über kurz oder lang zur Errichtung einer Barriere für den ökonomischen Wachstumsprozeß. Deshalb besteht ein Kardinalproblem des ökonomischen Systems des Sozialismus in der Erhöhung der Intensität des ökonomischen Wachstums durch die technologische Anwendung der Wissenschaft und die Verwirklichung einer effektiveren volkswirtschaftlichen Struktur. Hierbei ergibt sich allerdings die Frage, welches Effektivitätskriterium die Intensität des ökonomischen Wachstums am besten widerspiegelt. Unter diesem Aspekt wird in diesem Band der Aussagegehalt der Kennziffern Arbeitsproduktivität, Produktionsfondsintensität und des Reproduktionsaufwandes diskutiert. Selbst wenn man in Übereinstimmung mit verschiedenen Beiträgen dieses Bandes die Entwicklung des Gesamtaufwandes pro Einheit des Nationaleinkommens als Maß für die Intensität des Wirtschaftswachstums zu akzeptieren bereit ist, bleibt nach wie vor die Frage offen, welche Aufwandskomponenten berücksichtigt werden müßten. Einmaliger Aufwand oder laufender Aufwand oder beide Aufwands arten? Welche Möglichkeiten besitzen wir, um diese beiden Aufwandsarten miteinander vergleichbar zu machen. Genügt es, wenn wir hierbei den Aufwand an lebendiger Arbeit und materiellen Produktionsfonds erfassen? Diese Frage wird in einigen Beiträgen konstruktiv zu lösen gesucht, indem Wege gezeigt werden, wie die für die wissenschaftlich-technische Revolution unserer Zeit typischen Aufwandskomponenten, zum Beispiel die Aufwendungen für Bildung und Wissenschaft, in einen solchen Koeffizienten des Gesamtaufwandes einbezogen werden könnten. Die Erhöhimg der Effektivität des ökonomischen Wachstums ist das Ergebnis der Wirkung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts. In unserer Literatur ist die Vorstellung verbreitet, daß sich der technische Fortschritt vor allem in der Veränderung der organischen Zusammensetzung des Kapitals bzw. an der Fondsausstattung der Arbeitskräfte zeige. Es wird hierbei oftmals übersehen, daß für Karl Marx die Veränderung der organischen Zusammensetzung bzw. der Fondsausstattung eine notwendige Bedingung, aber noch keine hinreichende Bedingung des technischen Fortschritts gewesen ist. Damit diese notwendige Bedingung zu einer hinreichenden Bedingung wird, muß der Gesamtaufwand an lebendiger und vergegenständlichter Arbeit sinken. 1 1 Gleichzeitig ergibt sich aber hieraus auch die Frage, ob unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution die wachsende organische Zusammensetzung des Kapitals bzw. der Fondsausstattung der Arbeitskräfte eine notwendige Bedingung des technischen Fortschritts bleibt. Gerade in unserer Zeit häufen sich die Fälle, wo technischer Fortschritt auch bei unveränderter organischer Zusammensetzung des Kapitals bzw. der Fondsausstattung der Arbeitskräfte auftritt. Es ist auch nicht schwer, vorauszusehen, daß mit zunehmender Automation der Produktion die Senkung des Aufwandes an Produktionsmitteln bei gleichbleibendem Aufwand an lebendiger Arbeit zur entscheidenden Quelle der Senkung des Gesamtaufwandes und damit des technischen Fortschritts wird. Hier liegt also noch ein weites Feld vor der ökonomischen Forschung, das aber in den nächsten Jahren bewältigt werden muß, wenn wir den theoretischen Verlauf für das entwickelte gesellschaftliche System des Sozialismus schaffen wollen. Ein entscheidendes methodologisches Problem für die Wachstumsforschung besteht in der Aufklärung der Gesetz-Modell-Relation bei der Analyse ökonomischer Wachstumsprozesse. Modell und Gesetz stehen beide in einem Abbild-Verhältnis zum ökonomischen Wachstumsprozeß. Dies rechtfertigt aber keineswegs eine Identifikation dieser beiden Formen der Abstraktion, wie wir sie in der Literatur zur Wachstumsproblematik nicht selten antreffen. Das ökonomische Wachstumsmodell steht zum ökonomischen Wachstumsprozeß in einer Analogie-Relation, während die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten die wesentlichen, bleibenden Seiten, Zusammenhänge und Strukturen des ökonomischen Wachstumsprozesses widerspiegeln. Die in der Wachstumsliteratur verbreitete Identifikation von Wachstumsmodell und Wachstumstheorie beruht unseres Erachtens auf einem Mißverständnis der Analo12

gierelation. Eine notwendige Bedingung der Analogie zwischen Modell und Objekt ist ihre Übereinstimmung in bestimmten, für das erkennende Subjekt wesentlichen Eigenschaften. Ein weiteres Merkmal der Analogierelation besteht jedoch darin, daß sowohl Modell wie Objekt wesentliche Eigenschaften haben, in denen sie nicht übereinstimmen. Diese wesentlichen Eigenschaften der Nichtübereinstimmung von Wachstumsmodell und Wachstumsprozeß sind die wirklichkeitsfremden Annahmen, die wir bei der Konstruktion eines Wachstumsmodells einzuführen gezwungen sind, um die innere Konsistenz des Modells zu sichern. Die Kenntnis von ökonomischen Gesetzmäßigkeiten ist bereits eine Voraussetzung der ökonomischen Modellierung, deren Aufgabe wiederum darin besteht, den Grad der Informiertheit des Subjekts Uber die Gesetzmäßigkeiten des Objekts zu erhöhen. Die Identifizierung von Modell und Gesetz in der ökonomischen Wachstumsforschung hat auch einen pragmatisch-ideologischen Aspekt. Ein Teil der bürgerlichen Ökonomen versucht aus der Tatsache, daß marxistische und bürgerliche Wachstumstheorie ähnliche statistisch-mathematische Wachstumsmodelle als Instrumentarien benutzen, eine Annäherung in theoretischer Hinsicht zu konstruieren und sie als Bestätigung der antikommunistischen Konvergenztheorie zu werten. Die Beiträge dieses Bandes zeigen deutlich, daß die Hoffnungen der imperialistischen Ideologie-Manager auf eine "Entideologisierung" der marxistischen Wirtschaftstheorie auf Sand gebaut sind. Auf dem Gebiet der Wachstumsforschung zeigt sich der unversöhnliche Gegensatz zwischen bourgeoiser Apologetik und marxistischer Wirtschaftstheorie. Der Herausgeber dieses Bandes möchte an dieser Stelle nicht versäumen,Prof. F . Oelßner und Prof. P. Hess für die allseitige Unterstützung zu danken, die sie der Konferenzgruppe I in jeder Phase ihrer Tätigkeit zuteil werden ließen. Dipl.-Wirtschaftler E. Domin sei für die redaktionelle Bearbeitung der Beiträge gedankt.

Harry Maler

FUSSNOTEN 1

W. Ulbricht, Die Bedeutung des Werkes "Das Kapital" von Karl Marx für die Schaffung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus in der DDR und den Kampf gegen das staatsmonopolistische Herrschaftssystem in Westdeutschland, Berlin 1967, S. 5

2

Die Beiträge dieser Konferenzgruppe sind veröffentlicht in: K. Bichtier (Hrsg.), Wirkungsmechanismus des ökonomischen Wachstums, Akademie-Verlag, Berlin 1968; G. Kohlmey (Hrsg.), Außenwirtschaft und Wachstum, Akademie-Verlag, Berlin 1968

3

Es handelt sich um die Beiträge von R. Katzenstein, Probleme der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit, insbesondere der Arbeitsmittel, im Wachstumsprozeß in der kapitalistischen Produktionsweise; H. Meißner, Bürgerliche Wachstumstheorie und Marx; R. Stojanoviö, Die Marxsche Gleichgewichtstheorie im Lichte der ökonomischen Kybernetik. Diese Beiträge wurden im Jahrbuch des Instituts für Wirtschaftswissenschaft "Probleme der Politischen Ökonomie", Bd. 11, Akademie-Verlag, Berlin 1968, veröffentlicht. 13

4

Diese Auffassung vertritt z. B. B . Klapowski, Die Kriterien der optimalen Entwicklung der Volkswirtschaft, in: Ökonomische Modelle, Berlin 1967, S. 222; eine ähnliche Auffassung vertritt H.-G. Meyer, Ein Beitrag zur Theorie der sozialen Triebkräfte im Sozialismus, in: Wirkungsmechanismus des ökonomischen Wachstums, AkademieVerlag, Berlin 1968

5

B. Klapowski, a.a.O.

6

Vgl. W. Ulbricht, Die gesellschaftliche Entwicklung in der DDR bis zur Vollendung des Sozialismus, Berlin 1967, S. 81 ff.

7

H. Lehmann, Zum Problem der wirtschaftlichen Rationalität, in: Wirkungsmechanismus

8

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 23, Berlin 1962, S. 552

9

R. Stojanoviö, a.a.O.

des ökonomischen Wachstums, Akademie-Verlag, Berlin 1968

10

J . Janossy, Am Ende der Wirtschaftswunder, Budapest 1966, S. 177 ff.

11

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 25, Berlin 1964, S. 271

14

HARRY MAIER

Z i e l und R a t i o n a l i t ä t

des W i r t s c h a f t s w a c h s t u m s

ö k o n o m i s c h e n S y s t e m des

im

Sozialismus

I. Ökonomische Rationalität als historisches Fortschrittskriterium Rein phänomenologisch stellt ökonomisches Wachstum die positive Veränderung des volkswirtschaftlichen Gesamtproduktes in einem bestimmten Zeitraum dar. In dieser Oberflächenerscheinung reflektiert sich der Inhalt des ökonomischen Wachstums, das im Verständnis der marxistischen politischen Ökonomie darin besteht, daß die Menschheit die Auseinandersetzung mit der Natur immer rationeller zu gestalten sucht, d. h . , daß sie bemüht ist, die Mittel für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse mit einem geringeren Aufwand an lebendiger und vergegenständlichter Arbeit zu erzeugen, um Zeit und Mittel freizusetzen für die Befriedigung neuer Bedürfnisse. Denn langfristig gesehen ist ökonomisches Wachstum unmöglich ohne Senkimg des Reproduktionsaufwandes pro Einheit der für die Bedürfnisbefriedigung notwendigen Güter. Die Erhöhung der Effizienz der das Wachstum bestimmenden Faktoren, d. h. die Durchsetzung der ökonomischen Rationalität (des "Gesetzes der Ökonomie der Zeit"), stellt daher vom Standpunkt eines weiten Zeithorizontes den Inhalt des Wachstums dar. Tempo und Effektivität des Wachstums werden entscheidend vom Ziel, dem Wirkungsmechanismus und den Faktoren des ökonomischen Wachstums im Rahmen bestimmter Produktionsverhältnisse bestimmt. Sie spielen daher eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung des Gegenstandes der marxistischen Wachstumstheorie. 1 Die marxistische Wachstumstheorie untersucht daher unserer Meinung nach jene kausalen, funktionalen und stochastischen Gesetzmäßigkeiten, die dem ökonomischen Wachstum zugrunde liegen, d. h . , die das Zusammenwirken der Wachstumsfaktoren im Rahmen eines sozialökonomischen Wirkungsmechanismus im Hinblick auf das objektive Ziel der jeweiligen Produktionsweise bestimmen und somit entscheidend für Tempo und Effektivität dieses Prozesses sind. 2 Ökonomische Rationalität - der Inhalt des Wachstumsprozesses - ste,llt aber nichts anderes als das Wirken des "Gesetzes der Ökonomie der Zeit" im produktiven und sozialen Lebensprozeß der menschlichen Gesellschaft in seiner konkreten historischen Formbestimmung dar. Wir müssen hierbei zwischen der immanenten Untersuchung der Realisierung der ökonomischen Rationalität (des "Gesetzes der Ökonomie der Zeit") innerhalb eines bestimmten gesellschaftlichen Systems und der Analyse der ökonomischen Rationalität unter dem Blickwinkel des gesellschaftlichen Fortschritts unterscheiden. Diese Unterscheidung ist wichtig, da eine in einem bestimmten Gesellschaftssystem durchgesetzte ökonomische Rationalität vom Standpunkt des gesellschaftlichen Fortschrittskriteriums zu einem beträchtlichen Teil Irrationalität darzustellen vermag. 3 Die These, daß langfristig gesehen der Inhalt des ökonomischen Wachstums in der Durchsetzung der ökonomischen Rationalität besteht, enthält implizite die Behauptung, daß Gesellschaftssystemen, in denen sich das ökonomische Wachstum vollzieht, eine gewisse Zielstrebigkeit eigen ist. Marx hat die Ursache der Zielstrebigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung im Wechselverhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen entdeckt. Die Rationalität im produktiven Lebensprozeß der Gesellschaft erfordert ein ihr adäquates System von Produktionsverhältnissen, das die Basis für eine neue Stufe der rationalen Gestaltung des sozialen, politischen und geistigen Lebensprozesses der Gesellschaft zu bilden vermag. Hierbei gestaltet sich die Entwicklung vom gesellschaftlichen System niederer 15

Ordnung zu solchen höherer Ordnung diskontinuierlich, d. h. auf dem Wege von sozialen Revolutionen. Langfristig ist das Hauptkennzeichen der Systeme höherer Ordnung die neue Stufe der Rationalität sowohl im Stoffwechsel mit der Natur als auch in den zwischenmenschlichen B e z i e h u n g e n . ^ Insoweit stellt der historische Fortschritt einen zielgerichteten, sich selbst organisierenden und optimierenden Prozeß im Sinne der kybernetischen Systemtheorie dar, wobei die ökonomische Rationalität die objektive Führungsgröße des Systems, d. h. ein Fortschrittskriterium,ist. Das allgemeine Kennzeichen dieses Prozesses ist die Senkung des notwendigen Aufwands pro Erzeugniseinheit der gesellschaftlichen Gesamtproduktion und Erhöhung des Mehrprodukts, das in der Klassengesellschaft zwar die Ausbeuterklassen auf Grund ihres Privateigentums den unmittelbaren Produzenten entreißen, welches aber auch hier bereits die Grundlage der Entwicklung der menschlichen Kultur und der Wissenschaft - wenn auch in einer den Werktätigen entfremdeten Form - abgibt. Erst das sozialistische Gesellschaftssystem Uberwindet durch Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln den antagonistischen Widerspruch von notwendiger und Mehrarbeit, toter und lebendiger Arbeit, indem es die durch den Fortschritt der Produktivkräfte wachsende disponible Zeit zum Mittel für die allseitige Entwicklung aller Mitglieder der Gesellschaft macht. Bei der Untersuchung des Optimalverhaltens eines Systems wird zunächst die Art und Welse unterschieden, wie das Gesamtsystem seinem Optimum zustrebt und die Teilsysteme ihr Verhalten im Rahmen dieses Gesamtsystems zu optimieren suchen. In der kapitalistischen Produktionsweise ist die neue Stufe des rationalen Handelns innerhalb der Teilprozesse augenscheinlich. Sie wird vor allem darin sichtbar, wie die kapitalistischen Privateigentümer die subjektiven und objektiven Produktionsfaktoren für die Erzeugung materieller Gebrauchswerte einsetzen. Für die Privateigentümer der Produktionsmittel schuf die kapitalistische Produktionsweise im Unterschied zu den vorangegangenen Gesellschaftssystemen, wo die Erzeugung von Gebrauchsgütern auf eine Vielzahl inkommensurabler Ziele gerichtet war und vor allem der Befriedigung der Konsum- und Luxusbedürfnisse der Ausbeuterklasse bzw. der kleinen Warenproduzenten diente, 5 ein eindeutiges,bestimmbares, kommensurables, von der konkreten Form des Bedürfnisses relativ unabhängiges Ziel und damit einen berechenbaren Maßstab für Erfolg und Mißerfolg des ökonomischen Handelns. Der Profit wurde so zu einem gewaltigen Hebel der Dynamisierung aller Bereiche der gesellschaftlichen Reproduktion. Der Profit als einziges Ziel des ökonomischen Handelns ermöglichte die Bewertung und Integration aller dem kapitalistischen Privateigentümer verfügbaren Mittel. Hierbei ist zu beachten, daß der Profit nicht nur Ziel schlechthin, sondern gleichzeitig auch Zielfunktion des rationalen ökonomischen Handelns ist und zeigt, wie unter bestimmten Bedingungen bei gegebenem Mittelaufwand der Profit maximiert werden kann. Marx"großes theoretisches Verdienst bei der Analyse der kapitalistischen Produktionsweise bestand darin, daß er den Zusammenhang zwischen dem zielgerichteten, rationalen Verhalten des einzelnen Kapitalisten zu der sich im Gesamtsystem durchsetzenden Rationalität zeigte. Die jüngsten Ergebnisse der kybernetischen Systemtheorie sind hierbei eine glänzende Bestätigung der Marxschen Analyse und widerlegen das Vorgehen solcher Theoretiker wie L. v. Mises, M. Weber u. a . , für die die ökonomische Rationalität nur im Sinne des rationalen Handelns von einzelnen Individuen denkbar ist. In einem auf der privaten Warenproduktion beruhenden Gesamtsystem nimmt die ökonomische Rationalität die spezifische historische Form des Wertes an, dessen Größe durch den gesellschaftlich notwendigen Arbeitsaufwand bestimmt wird, der bei gegebenen Produktionsbedingungen notwendig ist, um Erzeugnisse in bedarfsgerechter Struktur zu produzieren. ® Die Wertgröße drückt somit den Optimalwert des auf der privaten Warenproduktion beruhenden Gesellschaftssystems aus. Als Führungsgröße des Systems ist sie letztlich für das Verhalten der Warenproduzenten entscheidend, denn je nachdem, wie es den einzelnen Warenproduzenten gelingt, die Diskrepanz zwischen dem von ihnen dirigierten Arbeitsaufwand und dem gesellschaftlich notwendigem Arbeitsaufwand zu minimieren, gelingt es, ihre 16

Zielsetzungen als kleine Warenproduzenten oder Kapitalisten zu realisieren. Wir haben es hier mit einer kompensierenden Bückkoppelung zu tun, die dazu beiträgt, die Existenz jener privaten Warenproduzenten, deren tatsächerlicher Arbeitsaufwand besonders kraß von der Wertgröße abweicht, aufzuheben und jene zu stärken, deren Arbeitsaufwand dem gesellschaftlich notwendigen Arbeitsaufwand möglichst nahe kommt. Ruin der unter ungünstigsten Bedingungen arbeitenden und Stärkung der unter günstigsten Bedingungen arbeitenden Warenproduzenten ist also das Ergebnis eines auf Privateigentum an den Produktionsmitteln beruhenden Rückkopplungsmechanismus und eine der Stabilitätsbedingungen dieses Systems. Der Optimalzustand innerhalb des auf Privateigentum an Produktionsmitteln beruhenden Gesellschaftssystems, die Übereinstimmung von Ist- und Führungsgröße des Systems, d. h. von tatsächlichem und gesellschaftlich notwendigem Arbeitsaufwand, muß in dieser Rückkopplung immer ein Zufall sein, während die Abweichung vom optimalen Gleichgewicht den Normalzustand des Systems darstellt. Marx schreibt z. B . : "Die Tatsache, daß die Warenproduktion die allgemeine Form der kapitalistischen Produktion ist, erzeugt gewisse, dieser Produktionsweise eigentümliche Bedingungen des normalen Umsatzes, also des normalen Verlaufs der Reproduktion, sei es auf einfacher, sei es auf erweiterter Stufenleiter, die in ebenso viele Bedingungen des anormalen Verlaufs Möglichkeiten von Krisen umschlagen, da das Gleichgewicht - bei der naturwüchsigen Gestaltung dieser Produktion - selbst ein Zufall i s t . " 7 Dies habe seine Ursache darin, daß in der kapitalistischen Gesellschaft " . . . der gesellschaftliche Verstand sich immer erst post festum (nachträglich) geltend macht, (darum) können und müssen so beständig große Störungen eintreten", 8 "Nur als inneres Gesetz, den einzelnen Agenten gegenüber als blindes Naturgesetz, wirkt hier das Gesetz des Wertes und setzt das gesellschaftliche Gleichgewicht der Produktion inmitten ihrer zufälligen Fluktuationen durch."® Diese spontane Durchsetzung der ökonomischen Rationalität im gesamtgesellschaftlichen Rahmen ist mit einer ungeheuren Vergeudung von gesellschaftlicher Arbeit verbunden, da "die kapitalische Produktion . . . auf der einen Seite für die Gesellschaft verliert, was sie auf der anderen für den einzelnen Kapitalisten gewinnt". 1 0 Die Entwicklung der Produktivkräfte der Menschheit drängt daher immer nachdrücklicher auf die Beseitigung des kapitalistischen Gesellschaftssystems, da sich hier die Führungsgröße des historischen Fortschritts, die ökonomische Rationalität, nur unvollkommen und einseitig durchsetzt. Dies erfordert die Aufhebung des kapitalistischen Privateigentums an den Produktionsmitteln und damit des antagonistischen Widerspruchs von vergegenständlichter und lebendiger Arbeit, des Widerspruchs von Kapital und Arbeit. Angesichts der Marxschen Konzeption von der Durchsetzung der ökonomischen Rationalität im Gesamtsystem und den Teilsystemen der kapitalistischen Produktionsweise springt die theoretische Armut der bürgerlichen Wirtschaftstheorie in dieser Frage besonders kraß ins Auge. Da die bürgerliche Klassenposition solche Theoretiker wie L. v. Mises, M. Weber u. a. daran hindert, an das Problem der ökonomischen Rationalität vom Standpunkt der Entwicklung von Gesellschaftssystemen heranzugehen, versuchen sie, jedes Handeln, das im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel erfolgt, d. h. in der Reichweite der Bewußtseinssteuerung liegt, als rationales Handeln zu deklarieren. ** Diese Konzeption muß zwangsläufig bereits an der Frage scheitern, was dann irrationales Handeln darstellen soll, denn jedes menschliche Handeln ist "zweckbewußtes Handeln". Auf die Frage: Woraus bestimmte Ziele des ökonomischen Handelns entspringen und warum die einen Ziele zu einem rationalen Handeln führen und andere nicht, hat die bürgerliche Rationalitätskonzeptin keine Antwort. Die theoretische Konfusion der bürgerlichen Konzeption vom rationalen Handeln ergibt sich aus der apologetischen Unterstellung, daß die Ziele des menschlichen Handelns nicht mit rationalen Mitteln bewertet werden können und somit jenseits von Rationalität und Irrationalität stehen. An diesem Punkt schlägt die bürgerliche Rationalitätskonzeption in Apologetik, d. h. in Irrationa17

lität, um. Da die Ziele als gegeben angesehen werde, besteht hier das rationale Handeln lediglich in der Optimierung der Mittel im Hinblick auf diese Ziele. Hier reflektiert das bürgerliche Denken in fetischierter Form einen wichtigen Aspekt des Verhältnisses von Teilund Gesamtsystem in der kapitalistischen Gesellschaft. Da sich hier die ökonomische Rationalität im Gesamtsystem spontan über den objektiven Wirkungsmechanismus ökonomischer Gesetze durchsetzt, scheinen die Zielsetzungen für das ökonomische Handeln im Teilsystem elementar gegeben. Dies ist aber ohne Zweifel eine Täuschung. Der Profit z. B. als Ziel des ökonomischen Handelns des Kapitalisten entspringt objektiv den auf kapitalistischem Privateigentum beruhenden Produktionsverhältnissen. Will der Kapitalist nicht seine Existenz als Kapitaleigentümer aufs Spiel setzen, muß er sein Verhalten entsprechend diesem Ziel zu optimieren suchen. Würde der Kapitalist andere Ziele anstreben, z. B. allgemeine Wohlfahrt, dann würde dies ohne Zweifel seinen Untergang im kapitalistischen Gesellschaftssystem zur Folge haben. Vom Standpunkt des kapitalistischen Gesellschaftssystems wäre also ein ökonomisches Handeln der Eigentümer an den Produktionsmitteln, das auf die allgemeine Wohlfahrt hinzielt, irrational. Das gesellschaftliche Gesamtsystem zwingt - entsprechend dem Charakter seiner Produktionsverhältnisse - den kapitalistischen Warenproduzenten bestimmte Ziele auf, die sie auf Gedeih und Verderb zu befolgen haben.

H. Der Sozialismus als neue Stufe ökonomischer Rationalität Das entwickelte Gesellschaftssystem des Sozialismus bedeutet in zweierlei Hinsicht eine höhere Stufe des rationalen Handelns der Menschheit in ihrem Stoffwechselprozeß mit der Natur sowie in den Beziehungen der Mitglieder der Gesellschaft untereinander. Einmal ändert das sozialistische Gesellschaftssystem seinem Wesen nach - wozu vor allem die neue Stellung der Produzenten zu den Produktionsmitteln gehört - grundlegend die Ziele des ökonomischen Handelns. Zum anderen hebt das sozialistische Gesellschaftssystem den für die private Warenproduktion typischen antagonistischen Widerspruch zwischen Rationalität des Handelns im Teilsystem und der Durchsetzung der Rationalität im Gesamtsystem auf. Es ist nicht die Schaffung eines der Maximierung der Profitfunktion dienenden sachlichen Reichtums der Selbstzweck der Produktion, sondern der sachliche Reichtum ist im sozialistischen Gesellschaftssystem Mittel zur allseitigen Entwicklung aller Mitglieder der Gesellschaft. Dies ist kein philantropischer Wunschgedanke, sondern die objektive Entwicklungstendenz der Produktivkräfte, die zu einer Gesellschaft drängen, deren Ziel nicht mehr in der Aneignung der unbezahlten Mehrarbeit der produktiv Tätigen durch die Eigentümer der gegenständlichen Bedingungen der Arbeit liegt, sondern vielmehr in der Gewinnung von disponibler Zeit für die allseitige Entwicklung aller Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft. Die totale Entwicklung der Individuen, d. h. die Entfaltung all ihrer Anlagen und Fähigkeiten, war für Marx und Engels die Vollendung des Triumphs der Prinzipien der Rationalität, demgegenüber die auf der kapitalistischen Aneignung von unbezahlter Mehrarbeit beruhende Durchsetzung des Rationalitätsprinzips kümmerlich und fad erscheinen muß. Mit der Beseitigung der kapitalistischen Produktionsweise "hört die disponable time auf, g e g e n s ä t z l i c h e Existenz zu haben - so wird einerseits die notwendige Arbeitszeit ihr Maß an den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Individuums haben, andererseits die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft so rasch wachsen, daß, obgleich nun auf dem Reichtum aller die Produktion berechnet ist, die d i s p o n a b l e t i m e allerwächst Denn der wirkliche Reichtum ist die entwickelte Produktivkraft aller Individuen. Es ist keineswegs mehr die Arbeitszeit, sondern disponable time das Maß des Reichtums." 1 2 Denn: "Die Ersparung von Arbeitszeit gleich Vermehren der freien Zeit, d. h. Zeit für die volle Entwicklung des Individuums, die selbst wieder als die größte Produktivkraft zurückwirkt auf die Produktivkraft der Arbeit." 1 3 • Die Realisierung des Zieles der sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung ist kein einmaliger Akt, sondern ein langer historischer Prozeß, der die gesamte 18

Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus umfaßt und wo durch Einsparung von Arbeitszeit für die Erzeugung materieller Gebrauchswerte Zeit gewonnen wird "für die volle Entwicklung des Individuums", die mit zunehmender Reife dieser Gesellschaft immer mehr "der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums" wird. ^ Auf diesen neuen Inhalt des Zieles des ökonomischen Handelns im entwickelten Gesellschaftssystem des Sozialismus hat W. Ulbricht mit Nachdruck auf dem VII. Parteitag der SED hingewiesen und ausgeführt, daß die "Ökonomie Mittel zum Zweck und Entwicklung allseitig entwickelter sozialistischer Persönlichkeiten in der sozialistischen Menschengemeinschaft das Ziel unseres Wirkens" i s t . 1 5 Die "totale Entwicklung des Individuums" ist ein gesellschaftliches Ziel, das sich selbst und damit der ökonomischen Rationalität nicht Schranke zu sein vermag. Die Entwicklung des sozialistischen Gesellschaftssystems stellt einen ständigen Prozeß der Zielrealisierung entsprechend dem erreichten Entwicklungsniveau der Produktivkräfte dar. Die Schaffung der Bedingungen für die allseitige Entwicklung der produktiven, sozialen, geistigen und ästhetischen Anlagen aller Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft beinhaltet mehrere Teilziele. Das Ziel des entwickelten Gesellschaftssystems des Sozialismus hat - wie jedes Systemziel - zwei Seiten, eine äußere und eine innere. 1 6 Die äußere Seite ist in unserer Republik die Verbindung des Systems zum Metasystem, d. h. dem sozialistischen Weltsystem. Es geht hierbei um die Schaffung solcher internationaler Bedingungen, die dem sozialistischen Gesellschaftssystem seine innere Zielsetzung zu verwirklichen gestatten. Entscheidend ist hierbei vor allem die ständige Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses zugunsten des sozialistischen Lagers, um die friedliche Koexistenz im Kampf gegen die imperialistschen Kräfte durchzusetzen. Dies erfordert Anstrengungen zur politischen und militärischen Festigung des sozialistischen Lagers und die Unterstützung der antiimperialistischen Befreiungsbewegung. Die Innere Seite der Zielsetzung des entwickelten Gesellschaftssystems des Sozialismus - sie ist wie bei allen Systemen nicht unabhängig von der äußeren - beinhaltet: 1. Soziale Sicherheit für alle Mitglieder der Gesellschaft und die stetige Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen. 2. Zielstrebige Verwirklichung und Verbesserung des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems, das offen ist für alle Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft und ihnen Möglichkeiten bietet, ihre geistigen und ästhetischen Anlagen und Fähigkeiten zu entwickeln. 3. Großzügige Entwicklung von Wissenschaft und Kultur, um die Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft zu befähigen, ihre Auseinandersetzung mit der Natur sowie ihre gesellschaftlichen Beziehungen rationaler zu gestalten und sich nicht nur die Schätze der Weltkultur anzueignen, sondern selbst einen Beitrag zu deren Entwicklung zu leisten. (Dies ist auch die Voraussetzung dafür, daß wissenschaftlicher Sozialismus und sozialistische Kultur immer mehr alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens durchdringen.) 4. Die Entfaltung der sozialistischen Demokratie, die jedem Mitglied der sozialistischen Gesellschaft die Möglichkeit zur schöpferischen Mitarbeit bei der Lösung der gesellschaftlichen Grundprobleme bietet. (Dies setzt wiederum die Befähigung aller Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft zur bewußten Handhabung ihrer Rechte und Pflichten voraus.) Das ökonomische System des Sozialismus ist Kernstück des entwickelten Gesellschaftssystems des Sozialismus, weil es die materiellen Voraussetzungen für die Realisierung des Ziels des Gesamtsystems schafft. Betrachtet man die Zielsetzung des ökonomischen Handelns vom Standpunkt des Zieles des gesellschaftlichen Gesamtsystems der Schaffung von Bedingungen für die allseitige Entwicklung aller Mitglieder der Gesellschaft - so muß man hier zwei wesentliche Seiten unterscheiden: 1. Minimierung des Arbeitsaufwandes für das Quantum an materiellen Gütern, das notwendig für die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse der Mitglieder der Gesellschaft während eines längeren Zeitraumes ist. 19

2. Maximierung der disponiblen Zeit für die Entwicklung der Individuen, um die Entfaltung all ihrer produktiven Anlagen und Möglichkeiten zu gewährleisten, was nur auf der Grundlage der Minimierung des Arbeitsaufwandes pro Erzeugniseinheit realisierbar ist und "selbst wieder als größte Produktivkraft zurückwirkt auf die Produktivkraft der Arbeit". Minimierung der notwendigen Arbeitszeit und Freisetzung von disponibler Zeit hören mit den sozialistischen Produktionsverhältnissen auf,Antagonismus zu sein, wie sie es in der Klassengesellschaft gewesen sind. Das Kardinalproblem der bewußten Gestaltung des ökonomischen Lebensprozesses der sozialistischen Gesellschaftsordnung besteht darin, eine maximale Realisierung dieses Zieles durch Integration der vorhandenen Mittel zu sichern. Die Realisierung dieses Zieles des ökonomischen Handelns setzt seine Reflexion als Ziel und Zielfunktion in allen Bereichen der volkswirtschaftlichen Reproduktion voraus. Der Leitgedanke des ökonomischen Systems, daß das, was der Gesellschaft nützt, auch dem einzelnen nützen muß, beinhaltet nichts anderes, als daß die Zielfunktion des ökonomischen Handelns auf den unterschiedlichen Ebenen und in den unterschiedlichen Bereichen des volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozesses in Ubereinstimmung mit dem Ziel der sozialistischen Gesellschaft stehen muß, wenn das ökonomische Handeln zu einem volkswirtschaftlichen Optimum führen soll. Dies trifft sowohl für das reale, verfügbare Nationaleinkommen, das zusammenfassende Kriterium für die Rationalität des ökonomischen Handelns im volkswirtschaftlichen Maßstab, als auch für den Nettogewinn als Führungsgröße des rationalen Handelns im Teilsystem und den Arbeitslohn als die entscheidende Form der materiellen Anerkennung des Beitrages der einzelnen Individuen zur Entwicklung des gesellschaftlichen Reichtums zu. Allerdings können sowohlder Zuwachs des Nationaleinkommens als auch die Entwicklung des Nettogewinns und des Arbeitseinkommens nur unter bestimmten Voraussetzungen zu Zielen eines auf das gesamtvolkswirtschaftliche Optimum gerichteten Handelns werden. Das ökonomische System des Sozialismus bietet jedoch die objektive Möglichkeit, eine solche Übereinstimmung der Zielsetzungen des ökonomischen Handelns auf allen Ebenen des volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozesses zu schaffen, weil es hier keine antagonistischen Widersprüche mehr zwischen der Zielsetzung des ökonomischen Handelns im ökonomischen Teilprozeß und im gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsprozeß gibt. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die bewußte Gestaltung der Zielsetzung des ökonomischen Handelns in einzelnen Bereichen des Reproduktionsprozesses im Hinblick auf die Führungsgröße des historischen Fortschritts, die ökonomische Rationalität.

m . Zum Problem des optimalen Wirtschaftswachstums und seiner modellmäßigen Darstellung Die Übereinstimmimg der Ziele und Zielfunktionen des ökonomischen Handelns auf den einzelnen Stufen des volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozesses macht es erforderlich, sie auf die Bedingungen des optimalen Wachstums der Volkswirtschaft auszurichten. Es geht also nicht nur um ihre Übereinstimmimg mit dem gesamtgesellschaftlichen Ziel schlechthin, sondern auch um ihre Annäherung an die optimale Ziel-Mittel-Relation. Dies macht es erforderlich, die Bedingungen des optimalen Wachstums zu ermitteln. K . Marx hat die Bedingungen des optimalen Wachstums mit seinem Begriff der "gesellschaftlich notwendigen Arbeit " - also der quantitativen Dimension des Wertes - zu erfassen versucht. Er hat hierbei drei Komponenten, die das Quantum an gesellschaftlich notwendiger Arbelt bestimmen, herausgearbeitet: 1. die bedarfsgerechte Struktur der Produktion vom Standpunkt eines längeren Zeithorizontes, 2. das Gesamtminimum an Arbeit, das für die Produktion der bedarfsgerechten Erzeugnisse notwendig ist, 3. die Reduktion der komplizierten auf einfache Arbeit.

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Die Komponente 3 kann man auf Komponente 1 und 2 zurückführen, denn es geht hier darum, wie wir an anderer Stelle gezeigt haben, den Ausbildungsprozeß der qualifizierten Arbeitskraft so effektiv zu gestalten, daß sie die wertschaffende Potenz einer unqualifizierten Arbeltskraft proportional zu den Reproduktionskosten übersteigt. 1 7 Die Schwierigkeiten bestehen hier darin, die das optimale Wirtschaftswachstum bestimmenden Komponenten in ihrer Wechselwirkung zu erfassen, denn eine bedarfsgerechte Produktion mit einem Arbeitsaufwand, der über dem Gesamtminimum liegt, stellt ebensowenig einen optimalen Entwicklungspfad dar wie ein Gesamtminimum an Arbeit, welches nicht auf eine bedarfsgerecht strukturierte Produktion verwendet worden ist. Über den Zusammenhang dieser beiden Komponenten schreibt K. Marx: "Es ist in der Tat das Gesetz des Wertes, wie es sich geltend macht, nicht in bezug auf die einzelnen Waren oder Artikel, sondern auf die jedesmaligen Gesamtprodukte der besonderen, durch die Teilung der Arbeit verselbständigten gesellschaftlichen Produktionssphären, so daß nicht nur auf jede einzelne Ware nur die notwendige Arbeitszeit verwandt ist, sondern daß von der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit nur das nötige proportionelle Quantum in den verschiedenen Gruppen verwandt ist. Denn die Bedingung bleibt der Gebrauchswert. Wenn aber der Gebrauchswert bei der einzelnen Ware davon abhängt, daß sie an und für sich ein Bedürfnis befriedigt, so bei der gesellschaftlichen Produktenmasse davon, daß sie dem quantitativ bestimmten gesellschaftlichen Bedürfnis für jede besondere Art von Produkt adäquat, und die Arbeit daher im Verhältnis dieser gesellschaftlichen Bedürfnisse, die quantitativ umschrieben sind,in die verschiedenen Produktions Sphären proportioneil verteilt ist. "l® Die wissenschaftliche Erforschung der Bedingungen des optimalen Wirtschaftswachstums, d. h. die nähere Bestimmung der beiden auf die Wertgröße einwirkenden Komponenten in ihrem Wechselverhältnis, ist ein Grundproblem der marxistischen Wachstumstheorie. Auf dem VII. Parteitag der SED wurde daher auch als "inhaltliche Hauptaufgabe des ökonomischen Systems des Sozialismus . . . die Gestaltung der effektivsten Struktur der Volkswirtschaft" formuliert. 1 9 Der Begriff "effektivste Struktur der Volkswirtschaft" vereint die beiden angeführten Komponenten des optimalen Wirtschaftswachstums. Die Verteilung der gegebenen vergegenständlichten und lebendigen Arbeit auf die einzelnen Sphären des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses ist dann optimal, wenn das Ziel der sozialistischen Gesellschaft, d. h. die Befriedigung der materiellen und geistigen Bedürfnisse,maximiert oder bei gegebener Bedürfnisbefriedigung der Aufwand an lebendiger und vergegenständlichter Arbeit minimiert wird. Die Schwierigkeiten beginnen bereits bei der Bestimmung dessen, was unter einer bedarfsgerechten Struktur der Produktion zu verstehen ist. Gewöhnlich wird hierunter eine entsprechend den gegenwärtigen Bedürfnissen der Gesellschaft strukturierte Produktion verstanden, wobeivor allem an die Vermeidung von Engpässen und Überschüssen bei der Versorgung der Bevölkerung und im Produktionsverbrauch gedacht wird. Solche Situationen sind wichtige Indikatoren einer verfehlten Struktur der Produktion, gemessen an den in der Käufemachfrage sich manifestierenden Bewertungen der einzelnen Produkte durch die Konsumenten. Doch hierin erschöpft sich die Problematik der bedarfsgerechten Struktur der Produktion durchaus nicht. Genauso wichtig ist, inwieweit die den gegenwärtigen Bedürfnissen entsprechende Struktur der Produktion mit den künftigen Bedürfnissen der Gesellschaft übereinstimmt. Dies setzt wiederum die Ermittlung einer "goldenen Regel" für die Feststellung einer optimalen Investitions- und Konsumtionsquote voraus, damit die sozialistische Gesellschaft einen optimalen Wachstumspfad vom Standpunkt eines längeren Zeithorizontes beschreiten kann. Bedarfsgerechte Struktur meint also eine optimale Struktur des volkswirtschaftlichen Endproduktes bzw. des Nationaleinkommens, vor allem im Hinblick auf seine Aufteilung in Investitions- und Konsumtionserzeugnisse,bei langfristiger Erhöhung des Lebensstandards aller Mitglieder der Gesellschaft, somit eine Erzeugnisstruktur, die in der Lage ist, der sich in der Käufernachfrage widerspiegelnden Bewertung der Erzeugnisse durch die einzelnen Konsumenten zu entsprechen, den Anteil der modernen Erzeugnisgruppen mit hohen qualitativen Eigenschaften am volkswirtschaftlichen Gesamt 21

produkt zu erhöhen und optimale Proportionen zwischen Zuliefer- und Endproduktion, zwischen materiellen und nichtmateriellen Bereichen d e r Produktion (z. B. zwischen d e r P r o 20 duktionssphäre und der Dienstleistungssphäre) herzustellen etc. Bereits diese Aufzählung von Problemen, die unter dem Themenkomplex d e r "bedarfsgerechten Struktur" subsummiert werden, zeigt, daß eine "bedarfsgerechte Struktur" ohne Berücksichtigung der anderen Komponente - des optimalen Wachstums des Gesamtminimums an Arbeit - eine rein begriffliche Leerform bleibt. Die bedarfsgerechte Struktur muß also im Kähmen der gegebenen Bedingungen mit einem solchen Einsatz der vorhandenen Gesamtarbeit realisiert werden, daß eine Veränderung dieser Verteilung zu einer Erhöhung des Gesamtaufwandes führt. Dieser Einsatz des Gesamtarbeitsaufwandes ist nur möglich, wenn d e r Differentialaufwand f ü r alle möglichen Einsatzvarianten des Arbeitsquantums wenigstens annähernd bekannt i s t . Auf den untrennbaren Zusammenhang zwischen diesen beiden die Wertgröße - d. h. die optimale Wachstumsvariante der Volkswirtschaft - bestimmenden Komponenten weist K. Marx in seinem bekannten Brief an Kugelmann hin, 2 1 wo e r schreibt, jedes Kind wisse, "daß die den verschiedenen Bedürfnissen entsprechenden Massen von Produkten verschiedene und quantitativ bestimmte Massen der gesellschaftlichen Arbeit erheischen. Daß diese Notwendigkeit der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit in bestimmten Proportionen durchaus nicht durch die bestimmte Form der gesellschaftlichen Produktion aufgehoben, sondern nur ihre Erscheinungsweise ändern kann, ist self-evident". Die Untersuchung der Bedingungen des optimalen Wirtschaftswachstums ist f ü r die marxistische Wachstumstheorie von großer theoretischer und praktischer Bedeutung. H i e r bei ist die quantitative Analyse des Optimalproblems mit Hilfe von Wachstumsmodellen wichtig, so daß sich f ü r manche Theoretiker die Wachstumstheorie in der Konstruktion von Wachstumsmodellen erschöpft. Wie unsere bisherigen Ausführungen zeigen, teilen wir diesen Standpunkt nicht. Nach unserem Verständnis der marxistischen Wachstumstheorie untersucht diese die Gesetzmäßigkeiten, die dem Zusammenwirken der Wachstumsfaktoren in spezifischen gesellschaftlichen Verhältnissen im Hinblick auf das objektive Ziel der j e weiligen Produktionsweise zugrunde liegen und somit Tempo und Effektivität des Wachstums entscheidend bestimmen. Das Modell ist hierbei ein wesentliches analytisches Instrument zur Aufdeckung d e r ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, d. h. des wesentlichen, bleibenden Zusammenhangs im ökonomischen Wachstum, aber es ist mit den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten keinesfalls identisch. Das Modell ist ein Instrument, das als Repräsentant eines komplizierten Originals auf Grund mit diesem gemeinsamer, f ü r eine bestimmte Aufgabe wesentlicher Eigenschaften benutzt werden kann, um unser Einwirken auf dieses Original erfolgreich zu gestalten. Es stellt ein rationales Schema dar, dessen Beziehung zur Wirklichkeit j e nach d e r Aufgabenstellung, f ü r die es konstruiert wurde, und den Voraussetzungen, auf denen es beruht, unterschiedlich sein kann. Modelle sind somit methodische Hilfsmittel, die dazu dienen, die Strukturen einer realen Erscheinung aus den Elementen dieser Erscheinung nach den Gesetzen der reinen Logik zu deduzieren. Optimales Wachstum ist bis jetzt nur im Rahmen von Modellen nach Einführung stark von der Realität abstrahierenden Prämissen darstellbar. Die Bedeutung dieser Modelle liegt darin, daß wir durch sie Informationen gewinnen können, an welchen Stellen wir theoretisch und empirisch unsere Forschungsarbeit verstärken müssen, um die Zahl der wirklichkeitsfremden P r ä m i s sen zu reduzieren und so den analytischen Wert des Wachstumsmodells zu vervollkommnen. Nur eine methodologisch einwandfreie Trennung von Modell und ökonomischen Gesetzmäßigkeiten kann uns davor bewahren, an die Modellierung Erwartungen zu knüpfen, die sie ihrem Wesen nach nicht erfüllen kann. Zu den ersten Ökonomen, die die methodologische Bedeutung des Modells f ü r die ökonomische Forschung erkannten, gehört Karl Marx. In seinem Werk finden wir auch eine eindeutige Trennung zwischen seinem Wachstumsmodell (den Reproduktionsschemata)und den polit-ökonomischen Gesetzmäßigkeiten des Wachstumsprozesses in der kapitalistischen Produktionsweise. K. Marx brauchte seine Reproduktionsschemas, um zu zeigen, wie die 22

Bedingungen des optimalen Gleichgewichts in der kapitalistischen Produktionsweise verfehlt werden müssen, "da das Gleichgewicht - bei der naturwüchsigen Gestaltung der Produktion selbst ein Zufall i s t " . 2 2 Die Reproduktionsschemata zeigen, mit welchen Reibungsverlusten an gesellschaftlicher Arbeit der Funktionsmechanismus der kapitalistischen Produktionsweise arbeitet. Wir haben an anderer Stelle zu zeigen versucht, daß das Nationaleinkommen im Marxschen Modell der erweiterten Reproduktion nach der Formel (v + m) t = (v + m)Q (1 + *

wächst. 2 3

Hierbei ist c = Aufwand an konstantem Kapital v = Aufwand an variablem Kapital m = der produzierte Mehrwert v + m = das produzierte Nationaleinkommen a'm = Akkumulationsquantum Die Wachstumsrate des Nationaleinkommens ergibt sich im Marxschen Wachstumsmodell aus den Quotienten der Investitionsquote (bzw. Akkumulationsquote, falls man unter Investition nur die Aufwendungen für die materellen Produktionsfonds versteht) und dem Koeffizienten des für eine Einheit des Nationaleinkommens aufgewandten c- und v-Kapitals. Das aufgewandte konstante und variable Kapital wird mit K bezeichnet. Das Investitionsquantum einer bestimmten Zeitperiode sei I = a'm und die Investitionsquote wird mit der Gleichung I a'm beschrieben. Als Wachstumsrate von Periode zu Periode erhalten wir dann y v+m

Man kann dem bürgerlichen Ökonomen A. Ott zustimmen, daß "Marx die Bedingungen für ein störungsfreies Wachstum mit großer Präzision herausgearbeitet" h a t . 2 4 Jedoch hat Marx auch nie Zweifel über die Prämissen aufkommen lassen, die die Konstruktion seines Wachstumsmodells ermöglichten. Erkenntnisse, die für die Marxsche Theorie ausschlaggebend sind,wie der technische Fortschritt (Senkung des Gesamtaufwandes an Arbeit pro Erzeugniseinheit), die Veränderung der organischen Zusammensetzung des Kapitals, das Steigen der Mehrwertrate, der Unterschied zwischen der Bestands- und Verbrauchsgröße an Produktionsfonds und zwischen produziertem und realisiertem Nationaleinkommen werden von ihm bewußt bei der Konstruktion seiner Reproduktionsschemata ignoriert, um die Gleichgewichtsbedingung einer in ihren beiden Hauptabteilungen wachsenden Wirtschaft aufzudecken. Ein Ergebnis dieser Gleichgewichtsbetrachtung war die Aufdeckung der funktionalen Beziehungen zwischen der Wachstumsrate, der Investitionsquote und dem Kapitalkoeffizienten. Gerade hier knüpfte der sowjetische Ökonom G. A. Feldmann bei der Konstruktion seines Wachstumsmodells während der 20iger Jahre in der UdSSR a n . 2 5 Die Wachstumsrate des Nationaleinkommens ergibt sich auch bei ihm aus dem Quotienten von Investitionsquote (i) und Kapitalkoeffizienten (k) bzw. aus dem Produkt von Investitionsquote (i) und dem Nutzeffekt der materiellen Produktionsfonds (ei) w = i . cT bzw. w = ^

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Diese Beziehung leitet Feldmann mit Hilfe folgender Differentialgleichung ab: Hierbei ist y Nationaleinkommen und dy Zuwachs des Nationaleinkommens in der Zeit t.

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Wenn i der Nutzeffekt der materiellen Produktionsfonds (k) ist, kann man die Gleichung wegen y = )Profit; und dieses objektive Ziel erscheint dem Einzelunternehmer als Zwangsgesetz der Konkurrenz, als Minimum d e r Kapitalverwertung, das e r erzielen muß und das ihn zum unaufhörlichen Streben nach höchstmöglicher Verwendung, daher auch nach optimaler Kombination der Elemente des Produktionsprozesses, nach maximaler Senkung der Produktionskosten, treibt. Die isolierte Betrachtung des Einzelkapitalisten muß in die I r r e führen; womit wir es zu tun haben, ist der Gesamtkapitalist. "Das Gesamtkapital erscheint als das Aktienkapital aller einzelnen Kapitalisten z u s a m m e n . " 2 1 Diesen Gedanken verfolgend, schreibt Marx an anderer Stelle: "Das Kapital kommt sich in dieser Form (des Durchschnittsprofits - d. Verf.) selbst zum Bewußtsein als eine g e s e l l s c h a f t l i c h e M a c h t , an der jeder Kapitalist teil hat in Verhältnis seines Anteils am gesellschaftlichen Gesamtkapital. 1 , 2 2 Es ist also falsch, nur den Gegensatz der Interessen d e r Einzelkapitalisten zu sehen, der sich im Kampf um einen möglichst großen Anteil am Gesamtprofit ausdrückt, und die Identität der Interessen aller Kapitalisten zu übersehen, die sich mittels der Konkurrenz durchsetzt. Die allgemeine Profitrate bringt diese Identität zum Ausdruck. An dieser Stelle sind einige Bemerkungen zur Rolle der Konkurrenz angebracht. Wenn vom ökonomischen Mechanismus des Kapitalismus die Rede ist, so wird in der Literatur oft unmittelbar auf die f r e i e Konkurrenz geschlossen. Dieter Klein 2 3 erklärt die Konkurrenz sogar zum Wesen des Kapitalismus. Zum Verständnis der Rolle der Konkurrenz im Kapitalismus dürfte folgender Satz von Marx wesentlich sein: "Die Konkurrenz Uberhaupt, dieser wesentliche Lokomotor der bürgerlichen Ökonomie, etabliert nicht ihre Gesetze, sondern ist deren Exekutor. Illimited competition ist darum nicht die Voraussetzung f ü r die Wahrheit der ökonomischen Gesetze, sondern die Folge die Erscheinungsform, worin sich ihre Notwendigkeit r e a l i s i e r t . " 2 4 Die ökonomischen Gesetze des Kapitalismus, die sein Wachstum herbeiführen und die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit den Bedürfnissen des Kapitals entsprechend bewerkstelligen, lassen sich nicht durch die Konkurrenz erklären. Der vom Profit ausgehende Mechanismus muß zunächst unter Abstraktion von der Konkurrenz begriffen werden. Wir haben diese Wahrheit auch deshalb hervor, weil uns scheint, daß es nicht zuletzt die falsche Bewertung der Konkurrenz ist, die manche Praxeologen dazu führt, Rationalität nur als Attribut des subjektiven Handelns der Produzenten zu sehen. Wenn man aber kapitalistische Rationalität darin erblickt, mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Ergebnis (Profit) zu erzielen, so ist das zunächst, wie wir darlegten, aus dem inneren, objektiven, seinem Begriff gemäßen T r i e b des Kapitals zu erklären. Allerdings - und hier kommt die Konkurrenz zu ihrem Recht - sind die inneren Gesetze des Kapitals verborgen, dem kapitalistischen Produzenten unbewußt. Die Konkurrenz bringt sie (verkehrt) an die Oberfläche und den Kapitalisten als äußere Zwangsgesetze des Handelns zur Geltung. Und das kann in einer auf dem Privateigentum beruhenden Gesellschaft nicht anders sein, in d e r der gesellschaftliche Zusammenhang nur durch das gegenseitige 42

Aufeinanderwirken der Einzelkapitale, personifiziert durch die einzelnen Kapitalisten, hergestellt werden kann. Die Konkurrenz ist daher die notwendige F o r m , in der sich die Produktivkräfte innerhalb des Widerspruchs zwischen gesellschaftlicher Produktion und privatkapitalistischer Aneignung durchsetzen. Die Konkurrenz bringt den inneren Zusammenhang der äußerlich getrennten Kapitalisten zur Geltung, also die E r f o r d e r n i s s e d e r gesellschaftlichen Produktion u n t e r d e n B e d i n g u n g e n d e r p r i v a t e n A n e i g n u n g . Nicht die Konkurrenz, sondern der Wert verteilt in seiner kapitalistischen Weiterentwicklung die gesellschaftliche Arbeit, d e r s i c h v e r w e r t e n d e W e r t ist die Grundlage des Mechanismus, der die Faktoren des kapitalistischen Wachstums durchsetzt. Um dies aber möglichst reibungslos, möglichst effektiv zu tun, bedarf es d e r weitestgehenden Entwicklung d e r freien Konkurrenz. Ihre Durchsetzung gegenüber vorkapitalistischer Hemmnisse war daher auch das Hauptanliegen des Staates in der aufsteigenden Phase des Kapitalismus. Das gleiche läßt sich f ü r das Kernstück des kapitalistischen (vormonopolistischen) Mechanismus sagen, nämlich die Krisen, die ebenfalls nicht aus der Konkurrenz zu erklären sind. Indem aber die Konkurrenz die Kapitalisten nach den objektiven Gesetzen zu handeln zwingt, sind in der Wirklichkeit, an der Oberfläche der kapitalistischen Gesellschaft, Krisen ohne die Konkurrenz nicht möglich. In der Konkurrenz, lehrt uns Marx, treibt der Zufall in jedem einzelnen Fall sein Spiel. Sobald aber diese Zufälle in großen Massen zusammengefaßt werden, wird das Gesetz sichtbar, das die Zufälle selbst reguliert und sich in ihnen d u r c h s e t z t . 2 5 So auch ist der Satz zu verstehen, daß "die Konkurrenz nichts als die innre N a t u r d e s K a p i t a l s " 2 ® (ist), denn das Kapital, wie Marx erläutert, kann nur als viele Kapitale existieren, und seine Selbstbestimmung erscheint daher als Wechselwirkung d e r vielen Kapitale aufeinander Darum kann sich auch die kapitalistische Proportionalität nur durch die beständige Disproportionalität tendenziell durchsetzen. Aber durchsetzen, und zwar über Krisen und a l l e r lei Vergeudung gesellschaftlicher Arbeit, muß sie sich unter dem Zwang der Verwertung. Das Ziel der k a p i t a l i s t i s c h e n P r o d u k t i o n s w e i s e ist die Grundlage i h r e r widerspruchsvollen, historisch vorübergehenden Rationalität. Wir haben bisher das Problem vom objektiven Standpunkt behandelt, die Rationalität und ihre Negation als einen historischen und systemimmanenten Prozeß betrachtet. E r s t hiervon ausgehend,kommen wir zu der Frage, die die Praxeologen i n t e r e s s i e r t , zum rationellen Handeln. Die bürgerliche Theorie behauptete lange Zeit und einige Richtungen zum Teil auch noch heute, z. B. die Wohlfahrtstheorie, 2 7 daß die rationellen Entscheidungen d e r Individuen, sei _s der Konsumenten, sei es der Produzenten, indem sie alle das Optimum f ü r sich s e l b e r verfolgen, auch das volkswirtschaftliche Optimum hervorbringen. Nichts ist falscher als dies. Erstens sind die gesamtwirtschaftlichen Bedingungen f ü r die individuellen " f r e i e n " Entscheidungen objektiv gesetzt, und dies in mehrfacher Hinsicht. Die " f r e i e Konsumwahl" wird nicht nur von der Einkommenshöhe wesentlich bestimmt, s a i d e r n auch durch das Marktangebot. Kann man hier schon nur in einem ganz begrenzten Sinne von einer individuellen unabhängigen Entscheidung sprechen, so e r s t recht nicht von einer optimalen bzw. "rationalen". Was den Produzenten betrifft, so wird seine Entscheidung mindestens von zwei objektiven Bedingungen bestimmt: von den gegebenen und in Aussicht stehenden Verwertungsbedingungen seines Kapitals und von seiner Verfügungsgewalt über Kapital. Über beide kann e r nicht subjektiv entscheiden, seine optimale Entscheidung ist folglich in einen objektiv gesetzten Rahmen gespannt. Zweitens aber, wenn wir selbst subjektiv getroffene optimale Entscheidungen der Individuen voraussetzen würden, ist allein durch diese, ohne gesellschaftliche Planung, ein gesamtgesellschaftliches Optimum theoretisch und praktisch ausgeschlossen. Erscheint f ü r jedes Individuum die Fahrt mit dem Auto zur Arbeit als das persönliche Optimum und wird die Produktion von Verkehrsträgern entsprechend vorgenommen, so ist das gesellschaftliche 43

Ergebnis ein Chaos (und damit rückwirkend für jeden einzelnen Verkehrsteilnehmer). 28 Wir möchten in diesem Aufsatz offen lassen, ob die Annahme richtig ist, daß erst der Kapitalismus das rationelle Handeln hervorbringt, da er alle Mittel zur Erreichung eines quantifizierbaren Zwecks integriere. Uns scheint es fraglich,das einheitliche Profitziel in d i e s e r W e i s e der Vielfalt der Ziele der individuellen Konsumtion entgegenzustellen, denn diese Vielfalt wurde in der ganzen historischen Periode der Warenproduktion durch die WertProduktion vermittelt. Konnte der einfache Warenproduzent seine Erzeugnisse nicht in das allgemeine Äquivalent verwandeln, so war auch keine Realisierung der vielfältigen Ziele der individuellen Konsumtion möglich. Und dennoch gibt es in diesem Zusammenhang einen gewaltigen Unterschied zwischen der einfachen Warenproduktion und der kapitalistischen Warenproduktion. Dieser besteht nicht im Fehlen eines einheitlichen Maßes, sondern darin, daß die auf die individuelle Konsumtion gerichtete Tätigkeit, sei es des einfachen Warenproduzenten, sei es des ausbeutenden Sklavenhalters oder Feudalherrn, auf ihre individuelle Konsumtion gerichtet war. Im Kapitalismus dagegen wird der abstrakte Reichtum, der Wert, zum S e l b s t z w e c k und damit m a ß l o s . 2 9 Denn es gibt Grenzen für die individuelle Konsumtion, auch wenn sie recht dehnbar sind, aber es gibt keine Grenzen für den abstrakten Reichtum, für das Geld in seiner Zirkulation als Kapital. Die auf die individuelle Konsumtion gerichtete Tätigkeit der vorkapitalistischen Produzenten hinderte diese aber keineswegs daran, den von ihnen gesteuerten Produktionsprozeß i m R a h m e n d e r M ö g l i c h k e i t e n und N o t w e n d i g k e i t e n , die die jeweilige Entwicklung der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse gaben, rationell einzurichten. Wir möchten nur daran erinnern, daß in den Jahrtausenden, in denen das Wertgesetz vor der Herausbildung der kapitalistischen Produktionsweise wirkte, die Zeit und ihre Ökonomie das regelnde Prinzip waren. Das hat Engels in seiner "Ergänzung und Nachtrag zum HI. Buche des Kapitals" hervorragend dargestellt. Der Kapitalist ist der bewußte Träger des sich verwertenden Wertes und, wie Marx sagt, die objektive Bewegung wird sein subjektiver Zweck, er ist personifiziertes Kapital. Als solches kann er nur fungieren, wenn er den Surpluswert immer wieder zur neuen Verwertung anlegt. Er ist daher der "rationelle Schatzbildner", denn nicht der einzelne Gewinn interessiert ihn, sondern die rastlose B e w e g u n g des Gewinns. 3 " Was den Kapitalisten mithin von dem vorkapitalistischen Produzenten vor allem unterscheidet, ist, daß er Träger eines maßlosen, rücksichtslosen Prozesses des Wachstums der Produktivkraft in ihrer kapitalistischen Gestalt, der Durchsetzung des Gesetzes der Ökonomie der Zeit, ist. Diese Funktion des Kapitalisten ist objektiv bedingt, sowohl was Voraussetzungen als auch die Grundlagen und den Rahmen betrifft. Man darf daher den Einzelkapitalisten niemals anders denn als personifiziertes Kapital, seine subjektiven Zwecke, Triebe und Tätigkeiten niemals getrennt von der objektiven Bewegung betrachten. Wenn wir nun zur Untersuchung von Ziel, Rationalität und Mechanismus im momopolistischen und staatsmonopolistischen Kapitalismus und ihrer Bedeutung für das Wachstum übergehen, so genügt der Ausgangspunkt nicht, daß das Ziel der Profit geblieben ist. Das ist selbstredend, da es sich nur um Entwicklungsstufen des kapitalistischen Systems handelt. Man muß davon ausgehen, daß der Zwang, Profit zu produzieren (das schließt die Verwandlung von Profit in Kapital ein), zu solchen Bedingungen der materiellen Produktion geführt hat, die diesem kapitalistischen Ziel feindlich gegenüberstehen. An einem bestimmten Punkt führt dies notwendig zum Monopol, nämlich wenn die Neuanlage von Kapital nicht nur periodisch in den allgemeinen Überproduktionskrisen, sondern prinzipiell behindert wird. Dieser Punkt ist erreicht, wenn die auf Basis der gewachsenen Konzentration sowie der nationalen und internationalen Verflechtung der Produktion die freie Konkurrenz unmöglich wird. "Sobald es (das Kapital - d. Verf.) anfängt sich selbst als Schranke der Entwicklung zu fühlen und bewußt zu werden, nimmt es zu Formen Zuflucht, die, indem sie die Herrschaft des Kapitals zu vollenden scheinen, durch Züglung der freien Konkurrenz, zugleich die Ankündiger seiner Auflösung und der auf ihm beruhenden Produktionsweise sind." 3 1 44

Wir haben dargestellt, daß der auf dem Wert beruhende Profitmechanismus der freien Konkurrenz bedarf, um die Faktoren des kapitalistischen Wachstums rein oder annähernd rein durchzusetzen. Indem die freie Konkurrenz eingeschränkt wird, wird dieser Mechanismus untergraben, aber der Profit als letzter Zweck der Produktion, als alleiniges regelndes Motiv, blieb. Anders ausgedrückt: Die Produktivkräfte können nicht mehr mit dem dem Kapitalismus und seinem Begriff gemäßen Profitmechanismus durch die freie Wirkung der Einzelkapitale aufeinander adäquat bewältigt werden, sie verlangen gesellschaftliche Anwendung, aber ihre Entwicklung hängt nach wie vor vom Profit ab. Der Maßstab der Produktion erfordert jetzt zunehmend längerfristige Dispositionen, größere Kontinuität, Planmäßigkeit, systematische und regional weitgreifende Organisation von Beschaffung, Produktion und Absatz, eine gewisse Sicherheit des Marktes als Voraussetzung der Kapitalanlage, d. h. eine Sicherung der Kapitalanlage durch E i n s c h r ä n k u n g der Konkurrenz. Der Maßstab der Produktion und der Umfang der Kapitalanlage erfordern, die Produktion und Realisierung von Profit l a n g f r i s t i g zu s i c h e r n . Das bedeutet zweifellos eine qualitative Entwicklung des Profitziels. Das Monopol entspricht den von den Produktivkräften gesetzten neuen Bedingungen für die Profitproduktion in einem bestimmten, durch seine eigene Kapitalmacht begrenzten Rahmen. Auch dieser Rahmen wird aber bald zu eng. Heute ist es offensichtlich, daß die Bewältigung der herangereiften Probleme die zusammengefaßte Kraft der gesamten Gesellschaft verlangt, langfristige Lösungen, von denen immer mehr Sein oder Nichtsein der Gesellschaft abhängt. Das ist für den Kapitalismus insofern relevant, als er den Zusammenhalt der Gesellschaft als Voraussetzung seiner eignen Existenz sichern muß. Die Durchsetzung selbst der kapitalistisch-relativen Rationalität verlangt heute die gesellschaftliche Anerkennung der Tatsache, daß die Produktivkräfte den Maßstab des Privatkapitals, auch des monopolistischen Gesellschaftskapitals, längst überschritten haben. Der Widerspruch besteht darin, daß die Produktivkräfte, längst entwickelt genug, um den eigentlich-menschlichen Zweok der Produktion zu verwirklichen, nach wie vor in die Schranken des Profits gebannt sind. Eine kapitalistische Lösung dieses Widerspruchs kann nur in einer höheren Stufe der^M'onopolisierung liegen. 3 2 Die Monopolisierung im Rahmen des Privatmonopols muß zu einer kapitalistischen Monopolisierung im Rahmen der Gesellschaft erweitert werden, die dem gesellschaftlichen Charakter der Produktivkräfte gleichzeitig relativ angepaßt ist und im Gegensatz zu ihm steht. Diese höhere Stufe der Monopolisierung kann nur der Staat verwirklichen. Der Staat, das politische Instrument der h e r r schenden Klasse, muß mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mittel der staatlichen Gewalt in die gesellschaftlichen Prozesse eingreifen, um von dieser Höhe die Bedingungen der Profitproduktion und das weitere Funktionieren des längst für seine Ablösung reifen kapitalistischen Systems zu sichern. Das wesentliche Neue der von diesen Grundlagen ausgehenden heutigen kapitalistischen Regulierung besteht darin, daß das dem Kapitalismus gemäße regelnde Profitgesetz einerseits daran gehindert werden muß und wird, seine Funktion der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit spontan zu erfüllen, daß monopolistische Macht und Gewalt, staatliche Monopolisierung an seine Seite getreten sind und immer mehr in den Vordergrund treten, das Kapital aber andererseits nach wie vor nur auf den Profit reagiert, eine andere Regulierung als durch den Profit nicht möglich ist, die Anarchie der gesellschaftlichen Produktion nicht beseitigt wird, sondern sich jetzt die Konkurrenz der Monopole auf den nationalen und internationalen Märkten mit der Konkurrenz und Anarchie auf der staatlichen Ebene verquickt. Das Profitziel gilt nach wie vor als bestimmender Zweck und treibendes Motiv aller von Kapital und Staat ausgehenden Prozesse. Aber die objektiven gesellschaftlichen Verhältnisse erzwingen jetzt eine (mehr oder weniger bewußte) Berücksichtigung der B e d i n g u n g e n d e r P r o f i t p r o d u k t i o n , und das sind in erster Linie Bedingungen der fortwährenden Verwandlung von Profit in Kapital, also Bedingungen des Wachstums des Kapitals (daher staatliche Wachstumspolitik), während im vormonopolistischen Kapitalismus der spontane, durch die freie Konkurrenz vermittelte Preis- und Profitmechanismus diese 45

Bedingungen beständig erneut hinter dem Rücken der Produzenten setzte. Heute verlangt die Realisierung des Profitmotivs Umwege, Zwischenglieder und -lösungen, die der unmittelbaren Realisierung selbst widerspruchsvoll gegenüberstehen können. In einer Gesellschaft kapitalistischer Warenproduktion kann die Verteilung d e r Arbeit letztlich nur durch den Profit bestimmt werden. Aber wir sahen, daß die annähernd reine Durchsetzung des Profitgesetzes die f r e i e Konkurrenz voraussetzt. Indem Monopol und Staatsmonopol die f r e i e Konkurrenz aufheben, beseitigen sie den Mechanismus, der die Produzenten spontan den ökonomischen Gesetzen gemäß handeln hieß. An die Stelle der f r e i en Konkurrenz treten die ökonomische und außerökonomische Macht und Gewalt der Monopole und des Staates. D i e s e tritt den Produzenten jetzt gegenüber, s i e bringt die innere Gesetzmäßigkeit der kapitalistischen Produktionsweise den Produzenten gegenüber als Zwangsgesetze des Handelns zur Geltung. Die ökonomische und die außerökonomische M acht und Gewalt werden zum Exekutor der ökonomischen Gesetze, sie gehen aber nicht von der im Besitz der Produktionsmittel befindlichen Gesellschaft aus. Es ist nicht der assoziierte Verstand der Produzenten, der hier planmäßig die erkannten Notwendigkeiten durchsetzt. Es sind vielmehr Macht und Gewalt des monopolistischen Kapitals und seines politischen Organs, deren Streben nicht auf die gesellschaftlichen E r f o r d e r n i s s e , sondern auf die Verwertung des Kapitals gerichtet sind. Die kapitalistische Planung bringt daher nicht den gesellschaftlichen Charakter der P r o duktion schlechthin zum Ausdruck, sondern die Vergesellschaftung auf der Basis und innerhalb der Schranken des Kapitals. Die staatliche Planung reflektiert das Maß der Zuspitzung des Konflikts zwischen gesellschaftlicher Produktion und kapitalistischer Aneignung, sie ist das .objektiv notwendig gewordene und subjektiv gewollte Streben zur Durchsetzung d e r Interessen des Kapitals mit staatlicher Gewalt g e g e n die gesellschaftlichen, vornehmlich in der Arbeiterklasse verkörperten Interessen. E s ist bei alledem zu beachten, daß die kapitalistische Planung als Bestandteil d e r staatlichen Wirtschaftspolitik die Konkurrenz nicht beseitigt. Einmal wird der Inhalt der staatlich-kapitalistischen Pläne durch den Kampf d e r Monopole zur Erhaltung i h r e r monopolistischen Positionen gekennzeichnet, und zwar sowohl auf nationaler Ebene (gegen Outsider, nichtmonopolistisches Kapital, gegen die Arbeiterklasse und andere nichtkapitalistische Schichten der Bevölkerung) wie auf internationaler Ebene (gegen ausländische Monopolgruppierungen) . Zum anderen wird der Inhalt staatlich-kapitalistischer Pläne durch spezifische Profitinteressen einzelner nationaler Monopolgruppierungen bestimmt, wobei sich in jedem konkreten Fall bestimmte Interessen durchsetzen. Das heißt, die staatlichen Pläne stellen keinen Durchschnitt der Monopolinteressen d a r , sie werden selbst durch das zeitweilige, labile Ergebnis des monopolitistischen Konkurrenzkampfes bestimmt. Beide Aspekte durchkreuzen und beeinflussen sich gegenseitig. Selbst die sozialistische Planung verteilt die gesellschaftliche Arbeit nicht willkürlich, sie ist nur instrumental in der bewußten Durchsetzung erkannter objektiver Zusammenhänge. Um so weniger die kapitalistische Planung, als der Staat selbst die durch das kapitalistische System geprägten gesellschaftlichen Ziele nur mittelbar über den Profit durchzusetzen vermag. Die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit kann unter den überreifen Bedingungen d e r kapitalistischen Gegenwart nicht mehr "dem zufälligen, sich wechselseitig aufhebenden Treiben der einzelnen kapitalistischen Produzenten ü b e r l a s s e n " 3 3 werden, noch wird sie schon dem assoziierten Verstand der Gesellschaft untergeordnet. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes Erscheinungsform des Ü b e r g a n g s c h a r a k t e r s des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Die gesellschaftliche Arbeit wird also nach wie vor nach dem Profit verteilt; aber es treten Modifikationen von grundsätzlicher Bedeutung ein. 1. Die Durchschinittsprofitrate, das Prinzip "jedem Kapital entsprechend seiner Größe" hatte die f r e i e Konkurrenz zur Voraussetzung; die Abweichungen waren zufällig und glichen 46

sich in der Tendenz aus. Das Monopol setzt eine andere Verteilung des Mehrwerts zu seinen Gunsten durch, folglich auch eine neue, dem Monopolprofit entsprechende Verteilung d e r gesellschaftlichen Arbeit. Die Abweichungen des P r o f i t s vom Durchschnitt werden zur Regel, und dies ist möglich durch die künstliche Hinderung der freien Durchsetzung des Profitgesetzes. War es in der Aufstiegsphase des Kapitalismus Aufgabe des Staates, alle k ü n s t l i c h e n (darunter vornehmlich staatlich-gesetzgeberische) außerökonomischen H i n d e r n i s s e der freien Entfaltung der ökonomischen P r o z e s s e zu b e s e i t i g e n , so ist es heute die S c h a f f u n g von gesetzlichem und außerökonomischem Zwang zur Beseitigung der ö k o n o m i s c h e n H i n d e r n i s s e der freien Bewegung des Kapitals. 2. Angesichts der Stufe, die der Zusammenhang und der Widerspruch zwischen Ökonomie und Politik erreicht hat, kann die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit nicht mehr allein nach dem Profit erfolgen (siehe weiter unten). Ö k o n o m i s c h liegt dem Zwang zur privaten wie staatlichen Monopolbildung vor allem die Notwendigkeit zugrunde, der Tendenz der abnehmenden P r o f i t r a t e (noch allgemeiner: den wachsenden Schwierigkeiten der Verwertung) einerseits, der durch die Entwicklung der Produktivkräfte erzeugten und sich in periodischen Überproduktionskrisen gewaltsam durchsetzenden E n t w e r t u n g des Kapitals (als Negation seiner V e r w e r t u n g ) andererseits entgegenzuwirken. (Dem Monopol liegt somit von vornherein ein immanenter Widerspruch zugrunde, als es den Mechanismus zu durchbrechen sucht, d e r gleichzeitig den Fall der Profitrate u n d den seinem wichtigsten entgegenwirkenden Faktor, die periodische gewaltsame Kapitalentwertung, erzeugt). Objektiver Zweck und subjektives Streben des monopolistischen Kapitals (bzw. des Kapitalisten als seines T r ä g e r s ) ist es, als Bedingung d e r P r o f i t produktion, den spezifisch-kapitalistischen, sich durch die f r e i e Konkurrenz verwirklichenden P r e i s - und Profitmechanismus mit ökonomischer und außerökonomischer Macht und Gewalt zu durchbrechen, d. h., die B a r r i e r e n f ü r profitable Kapitalanlagen hinauszuschieben, eine gegen den dem Kapitalismus eigentümlichen Mechanismus gerichtete Umverteilung des Mehrwerts und des Mehrprodukts der Gesellschaft zu seinen Gunsten durchzusetzen, der Gesellschaft im Interesse der Akkumulationen einen monopolistischen Tribut aufzuerlegen. Monopol bedeutet also Durchbrechung des kapitalistischen Prinzips: "Jedem nach seiner e i g e n e n Kapitalmacht." Zweck des Monopols ist e s , den eigenen Profit zu sichern und zu steigern, w a s d i e E r h a l t u n g d e s v o r h a n d e n e n K a p i t a l w e r t s e i n s c h l i e ß t , aber die Folgen f ü r das Gesamtkapital und damit auch rückwirkend f ü r das Einzelkapital auszuschalten. Da Entwicklung der Produktivkräfte gleichbedeutend mit der Fähigkeit ist, mit d e r gleichen oder weniger lebendigen Arbeit einen wachsenden Umfang vergegenständlichter Arbeit anzuwenden, sind Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals und abnehmende allgemeine P r o f i t r a t e tendenziell unvermeidlich. Zwar verstärkt das Monopol auch entgegenwirkende Faktoren (u. a. Reduzierung eines großen Teils des gesellschaftlichen Kapitals auf den Zins; Verwandlung wachsender Teile des in allen Bereichen d e r Gesellschaft e r zeugten Mehrprodukts in Monopolprofit; wachsende Ökonomie des konstanten Kapitals, i n s besondere durch Produktion auf i m m e r größerem Maßstab; Erhöhung d e r wertschaffenden Potenz der Arbeit und damit des relativen Mehrwerts). Andererseits verstärkt das Monopol aber auch die Tendenz zur abnehmenden Profitrate durch gewaltsame Verhinderung d e r Entwertung (was i m m e r nur teilweise gelingt). Da Kapitalentwertung aber wesentlich der kapitalistische Ausdruck f ü r den Fortschritt der Produktivkräfte ist, entsteht hier 'eine zusätzliche B r e m s e f ü r diesen Fortschritt. Erst Monopol und Staatsmonopol ermöglichen nämlich eine dauernde B r a c h l e g u n g von größeren Teilen des Kapitals, eine faktische Vernichtung von physischen Elementen des Kapitals, o h n e e n t s p r e c h e n d e P r o f i t v e r l u s t e für die K a p i t a l i s t e n . Aber der V e r l u s t f ü r die G e s e l l s c h a f t i s t u n v e r m e i d l i c h . E r wird f ü r die Monopole durch Umverteilung vermieden, und die staatliche Monopolisierung ist ihrem Wesen nach eben Umverteilung. 3 ^ Die Nichtauslastung der Kapazitäten, als permanente Erscheinung e r s t für den monopolistischen Kapitalismus typisch, stellt eine reale Entwertung des Kapitals d a r . Der Mechanismus, der die 47

profitreduzierende Wirkung f ü r das Monopolkapital verhindert, wirkt notwendig inflationistisch. Die Entwertung wird so auf die Gesellschaft, und insbesondere auf die arbeitende Bevölkerung, abgewälzt. Kapitalentwertung ist wesentlich nichts anderes als der kapitalistische Ausdruck f ü r den technischen Fortschritt. Aber Entwertung widerspricht dem kapitalistischen Prinzip, das auf die Erhaltung und Mehrung des vorhandenen Kapitalwertes gerichtet i s t . Der Zwang zur Verwertung, über die allein die erweiterte Reproduktion möglich ist, und die dadurch herbeigeführte Entwertung stehen im Widerspruch zueinander. Die Krise ist Äußerungsund Lösungsform dieses Widerspruchs. Unter den Bedingungen der freien Konkurrenz, besonders in Zeiten m a s s i v e r Einführung neuer Maschinen bzw. r a s c h e r Verbesserungen im technologischen Herstellungsprozeß, wurden die Schumpeterschen Pioniere oftmals ruiniert, da - wie Marx zeigte - die Last der Entwertung gerade auf d i e Unternehmer fiel, die vorangingen und noch nicht ausgereifte Maschinerie mit den anfänglich höheren Herstellungskosten e i n f ü h r t e n . 3 5 (Wobei es natürlich nicht abstrakter Pioniergeist, sondern vielmehr der T r i e b nach Extramehrwert war, der mal diesen, mal jenen Unternehmer vorangehen ließ.) Das Kapital hat i m m e r die Tendenz zur Überakkumulation. Diese kann allgemein sein oder nur einzelne Zweige betreffen. Auf alle Fälle bedeutet sie insofern eine reale Entwertung des gesellschaftlichen Kapitals, als ein Teil dessen sich nicht bzw. das ganze Kapital sich nur zu niedrigerer Rate verwerten kann. Unter den Bedingungen der freien Konkurrenz stellte sich die Sache so dar, daß ein Teil des Kapitals ganz oder teilweise brachlag und sich der andere Teil zu niedrigerer Rate v e r w e r t e t e . 3 6 Wie Marx betont, muß eine Brachlegung von Kapital auf alle Fälle erfolgen. Insbesondere findet eine Vernichtung von Kapitalwe r t e n statt (Entwertung des fiktiven Kapitals, Fall der P r e i s e , Entwertung d e r Elemente des fixen Kapitals), die Krise ist unvermeidlich, die durch Vernichtung und Entwertung des Kapitals, durch seine zeitweilige Brachlegung, die Bedingungen für den neuen Aufschung schafft. Die Krise ist wesentlich ein Mechanismus zur Vernichtung überschüssigen Kapitals. Wie nun aber unter monopol- und staatsmonopolistischen Bedingungen ? Die Tendenz zur Überakkumulation ist zweifellos sogar in verstärktem Maße vorhanden. Die Akkumulat i o n s m ö g l i c h k e i t e n des Kapitals sind trotz sinkender Tendenz der Profitrate f ü r das gesellschaftliche Gesamtkapital aus schon angedeuteten, aber hier nicht näher zu erläuternden Gründen eher gewachsen. Der T r i e b zur Akkumulation ist trotz Konzentration des Kapitals in einigen großen Monopolgruppen und trotz Kompensation d e r sinkenden Profitrate durch steigende Profitmasse verstärkt vorhanden. Dies nicht n u r , weil die Kapitalbildung nicht absolut in den Händen einer kleinen Gruppe konzentriert ist und die Konkurrenz auf neuer Stufe verstärkt fortwirkt, sondern weil das "belebende F e u e r " der Akkumulation, von dem Marx sprach, heute auch und in wachsendem Maße vom Wettbewerb mit dem sich entwickelnden sozialistischen Weltsystem ausgeht. Die periodische Notwendigkeit der Vernichtung und Brachlegung des überschüssigen Kapitals ist also notwendiger denn j e , um der Akkumulation neuen Auftrieb zu geben. In dem Maße, wie es im monopolistischen und staatsmonopolistischen Kapitalismus gelingt, die Entwertung im kapitalistischen Betrieb zu verhindern, wird der Mechanismus der Krise untergraben. (Auf der Oberfläche und im Bewußtsein der Kapitalisten, i h r e r Wirtschaftspolitiker und Ideologen erscheint das a l l e r dings umgekehrt.) Die Krise wird daran gehindert, ihr Werk zu vollziehen, aber die Entwertung im gesellschaftlichen Mäßstab ist unvermeidlich, da sie nur Kehrseite d e r Entwicklung der Produktivkräfte i s t . Wenn sich die Entwertung nicht dort niederschlägt, wo sie hervorgerufen wird, dann muß die Gesellschaft dafür zahlen, das heißt, die Gesellschaft muß die Kosten des technischen Fortschritts übernehmen, während sich die Früchte in Monopolprofit niederschlagen. Hierin ist eine d e r wesentlichsten ö k o n o m i s c h e n U r s a chen des staatsmonopolistischen Kapitalismus zu erblicken, daher auch eine d e r wesentlichsten Seiten d e r staatlichen Intervention in die ökonomischen P r o z e s s e , der staatlichen Wirtschaftspolitik. So übernimmt der Staat den größten Teil der Finanzierung von Forschung

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und Entwicklung, die Nutzung der Mittel liegt aber vorwiegend in den Konzernen; der Staat übernimmt weitgehend die für die heutige Produktion erforderlichen Bildungskosten, finanziert so einen erheblichen Teil des vom Monopolkapital angewandten variablen Kapitals. In der Literatur wurde auf die grundlegende Besonderheit der staatlichen Kapitalanwendung hingewiesen, daß nämlich der Staat das von ihm mobilisierte und angewandte Kapital nicht selber verwerten muß. 37 Man muß noch einen Schrittweiter gehen: er braucht es nicht nur nicht zu verwerten, es ist seine Funktion, es nicht zu tun. Im Zusammenhang mit der Entwertungsproblematik erklärt sich so die N o t w e n d i g k e i t der genannten Besonderheit der staatlichen Kapitalanwendung, zumindest unter ihrem ö k o n o m i s c h e n Aspekt. Hier scheint uns auch der Ansatzpunkt zur Klärung der Mißverständnisse Uber das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate zu liegen. Eine wachsende Masse des (ebenfalls Mehrwert produzierenden) gesellschaftlichen Kapitals verwertet sich nicht beim Anwender (dem Staat), sondern schlägt sich als Profit der Monopole nieder, obwohl er nicht das Produkt ihres Kapitals ist. Und umgekehrt, eine wachsende Menge des gesellschaftlichen Kapitals, das nicht "als Agent der direkten Produktion dient", also auch keinen Mehrwert produziert und folglich, im Marxschen Sinne, als Kapitalentwe r t u n g erscheint, wird heute notwendig vom Staat aufgebracht und angewandt. Trotz seines Anwachsens (Infrastruktur) reduziert es nicht die Profitrate des monopolistischen Kapitals. Was die Entwertung betrifft, so handelt es sieh nicht nur um den kapitalistischen Ausdruck der Entwicklung der Produktivkräfte. Entwertung wird auch direkt aus der kapitalistischen Form der Produktion hervorgerufen, die sich nur disproportional und sprunghaft entwickeln kann und schon aus den anarchischen Zirkulationsbedingungen heraus Fehlinvestitionen, Teil- und Gesamtkrisen aller Art hervorbringt. Und diese Tendenz wird durch die Untergrabung des sich selbst regulierenden kapitalistischen Mechanismus natürlich eher verstärkt als abgeschwächt. Die dauernden Entwertungen von Kapital an vielen Punkten der Volkswirtschaft, die hierdurch im vormonopolistischen Kapitalismus hervorgerufen wurden, setzten die für den Durchschnittsprofit notwendige Proportionalität in der Tendenz durch. Der Schutz vor Entwertung, den der Staat heute den großen Kapitalen bietet, verlagert so die Verluste durch die kapitalistische Anwendung der Produktivkräfte auf die staatliche Ebene, auf die Gesellschaft. (Dazu gehören auch die Verluste der kapitalistischen Nutzung der vom Staat finanzierten Forschung und Wissenschaftsanwendung.) Gleichzeitig muß sich notwendigerweise die Vergeudung von Arbeit auf der Untemehmensebene verstärken. Während der vormonopolistische Mechanismus das Einzelkapital zur höchstmöglichen Ökonomie zwang, da sich jede Vergeudung unmittelbar und unabweisbar profitreduzierend auswirkte, wird jetzt der Zwang zur Ökonomie stark vermindert. Die staatliche Garantie für den Bestand der großen Monopole vermindert den Zwang zu "marktkonformen" Kapitalanlagen; Fehlinvestitionen sind nicht gleichbedeutend mit Untergang wie einst. Der die Profitrate senkende und das vorhandene Kapital entwertende technische Fortschritt wird in vielfältigster Art staatlich finanziert (u. a. und im wachsenden Maße auch auf dem Umweg über die Rüstung). Die vom Staat (von der Gesellschaft) getragenen Kosten der kapitalistischen Anwendung der Produktivkräfte unter den gegenwärtigen Bedingungen der kapitalistischen Entwicklung sind Bedingung der Durchsetzung einer gesellschaftlichen Proportionalität der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit, die die Verwertung des monopolistischen Kapitals ermöglicht. Die staatliche Finanzierung gibt den Monopolen die Möglichkeit - um mit Marx zu sprechen -,"to go on", indem die Schranken der kapitalistischen Entwicklung auf die staatliche Ebene verlagert und so der Gesellschaft aufgebürdet werden. Und das ist entscheidend. Der Staat kann und muß durch Kapitalmobilisierung und -Verwendung (Umverteilung) die Profitproduktion sichern, d. h. die Schranken für das Privatkapital hinausschieben, aber die kapitalistische Schranke bestimmt im Prinzip s e i n e e i g e n e Tätigkeit. Das staatliche Kapital muß sich nicht (und darf sich nicht) für den S t a a t verwerten, a b e r s i c h v e r w e r t e n muß e s . Die staatliche Wirtschaftspolitik verfolgt somit zunächst und wesentlich, soweit sie ökonomisch bestimmt ist, das Ziel, die Profitbedingungen dadurch zu sichern, daß sie den 4»

dem Kapital innewohnenden Tendenzen zum Fall der Profitrate und zur Entwertung des vorhandenen Kapitals entgegenwirkt. Dieses grundlegende staatliche Ziel liegt der Vielzahl einzelner Seiten staatlicher Wirtschaftspolitik und staatlicher Regulierungsmaßnahmen zugrunde. Es ist nur eine (wenn auch richtige) Teilantwort, daß nur der Staat als gesamtgesellschaftliches Organ die gesellschaftlichen Anforderungen an den Gesamtarbeitsprozeß, die flir die Kapitalverwertung auf der heutigen Stufe der Entwicklung berücksichtigt werden müssen, auch berücksichtigen kann. 3 8 Die andere Seite besteht darin, daß den Privatmonopolen, selbst wenn sie die gesamtgesellschaftlichen Erfordernisse aus kapitalistischer Sicht überblicken könnten und bereit wären, sie zu berücksichtigen (diese Annahme widerspricht allerdings der Natur des Kapitals), dies auf Grund der gegebenen Verwertungsbedingungen nicht tun k ö n n t e n , da die Verwertung staatliche Umverteilung voraussetzt. Gerade weil das Kapital nur auf Profit reagiert, muß der Staat eingreifen. Aber das ist nur die eine, die rein ökonomische Seite der staatlichen Tätigkeit. Gerade weil es aber der Staat ist, der hier agiert, vermag diese Seite keine vollständige Erklärung zu geben. Das Monopol ist Ausdruck der Entwicklung der Vergesellschaftung der Produktion auf kapitalistischer Basis und treibt diese Vergesellschaftung voran. Mit dem Monopol und um so mehr mit der staatlichen Monopolisierung entstand und entwickelte sich immer mehr die konkrete Problematik der Möglichkeiten und Grenzen des Systems. Monopol und Staatsmonopol kehren sich gegen die eigentlichen Grundlagen des Kapitalismus: das private Kapital verwandelt sich in Gesellschaftskapital, die freie Konkurrenz wird negiert und durch monopolistische und staatsmonopolistische Konkurrenz ersetzt, die freie Kapitalanlage wird verhindert, die freie Wanderung der Kapitale unterbunden, die freie Preisbewegung als einziger nachträglicher Vermittler der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit wird durch monopolistische und staatliche Preispolitik ersetzt, die bürgerliche Freiheit durch imperialistische Reaktion abgelöst und der Krieg zum Vehikel der Ökonomie. Die staatliche Wirtschaftspolitik in ihrer Gesamtheit, heute Bestandteil des kapitalistischen Regulierungsmechanismus, ist das System von Methoden, mit dem die objektiv erforderlichen staatsmonopolistischen Verhältnisse gesetzt werden, indem die im staatlichen Überbau organisierten gesellschaftlichen Kräfte einen bestimmenden Einfluß auf die Entwicklung des Systems nehmen. 3 9 Das subjektive Element spielt daher eine notwendig wachsende Rolle. Es trifft dabei weder zu, daß der Staat, als Hüter des "Gemeinwohls", eigenständige, von den Monopolen unabhängige Ziele im Interesse der gesamten Gesellschaft verfolgt, noch - um das andere Extrem zu nehmen - daß die staatliche Politik ausschließlich als eine Summe von Maßnahmen zur quantitativen Erhöhung der Monopolprofite begriffen werden kann. Die ökonomische Rolle des Staates ist mit der politischen Konzeption der im Staat organisierten herrschenden Kräfte untrennbar verbunden. Indem der Staat in die ökonomischen Verhältnisse eingreift, ist er bemüht, neben den geschilderten unmittelbaren ökonomischen Zielen auch seine politische und gesellschaftliche Konzeption, die bei einheitlichen Grundvoraussetzungen von Land zu Land verschiedene Aspekte aufweist, durchzusetzen. Es ist die Funktion des Staates im gegenwärtigen Kapitalismus, das zu versuchen, was selbst die größten Monopole von vornherein nicht können: im gesamtgesellschaftlichen Maßstab die Erfordernisse der Produktivkräfte und des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses mit dem Profitziel zu v e r b i n d e n , solche langfristig-strategischen Ziele für das S y s t e m zu setzen, die sich sowohl aus den inneren ökonomischen Bedürfnissen der hochgradigvergesellschafteten kapitalistischen Produktion, insbesondere auch unter ihrem internationalen Aspekt, ergeben als auch die politischen Bestrebungen der imperialistischen Staaten gegenüber der übrigen, insbesondere der sozialistischen Welt zum Ausdruck bringen. Es ist daher für diese Stufe der kapitalistischen Entwicklung kennzeichnend, daß der ganze gesellschaftliche Prozeß einschließlich des ökonomischen Reproduktions- und Wachstumsprozesses nicht mehr a l l e i n unmittelbar nach dem Profit reguliert werden kann; 50

schon g a r nicht wird e r entsprechend den o b j e k t i v e n Bedürfnissen der Gesellschaft gesteuert. Die wirtschaftspolitischen, regulierenden Maßnahmen des Staates können dabei sowohl kurzfristige Interessen des Monopolkapitals insgesamt zugunsten der langfristigen Interessen des Systems verletzen als auch die Interessen d e r einen Monopolgruppe zugunsten einer anderen (nationalen und internationalen). Es ist ebenso möglich und ließe sich leicht empirisch vielfach nachweisen, daß sich diese oder jene Monopolinteressen gegenüber den staatlichen Absichten, die das Gesamtsystem zu berücksichtigen suchen, durchsetzen. Es wäre falsch, die Wirtschaftspolitik gewissermaßen als objektiv gegeben zu betrachten, sie ist i m m e r das Ergebnis von Interessenkämpfen. 4 ® Und wiewohl der i m p e r i a listische Staat i m m e r die Interessen des Monopolkapitals vertritt, gibt ihm seine objektive Rolle im gesellschaftlichen Leben auch eine begrenzte Selbständigkeit, die ihn wiederum anfällig macht f ü r Einflüsse aus allen Bereichen d e r Gesellschaft. Die Richtung der Wirtschaftspolitik, ihre Möglichkeiten und Grenzen und damit in bestimmten Grenzen die ökonomische Entwicklung, das ökonomische Wachstum, sind heute nicht zuletzt eine Frage der politischen M a c h t . Da es der Staat ist, der heute wesentlich die konkreten Konkurren zbedingungen setzt, vermittels deren sich die gesellschaftlichen, vornehmlich die ökonomischen P r o z e s s e vollziehen, werden die ökonomischen Fragen zu staatlichen und daher zu politischen Fragen. Dieser neue Zusammenhang zwischen Ökonomie und Politik führt folglich auch zu einer neuen Stufe des Widerspruchs zwischen Ökonomie und Politik. Indem der kapitalistische Staat die ihm zufallende Aufgabe erfüllt, das kapitalistische System ökonomisch, politisch und militärisch zu sichern, gerät e r notwendig in Konflikt mit den ökonomischen und allgemeingesellschaftlichen Interessen der werktätigen Massen, k a n n aber auch zu unmittelbaren und selbst längerfristigen Profitbedürfnissen d e r Monopole in Konflikt geraten. Die staatliche Tätigkeit ist so zu einem Feld f ü r das Austragen von gesellschaftlichen Konflikten der verschiedensten Art, a u c h von divergierenden Interessen verschiedener Monopolgruppierungen, geworden. Die Wirtschaftspolitik, die heute einen wichtigen Einfluß auf den Ablauf der ökonomischen P r o z e s s e nimmt, ist wesentlich politisch bestimmt. Nur als widerspruchsvolle Einheit von Ökonomie und Politik kann die Wirtschaftspolitik verstanden werden und damit auch die wesentlichen Seiten der heutigen kapitalistischen Entwicklung, einschließlich des kapitalistischen Wachstums. Dies erweist sich bei allen k u r z - und langfristig verfolgten "Wachstumszielen". Ganz deutlich ist dies beispielsweise bei der Rüstung. Über ihren politischen Aspekt braucht hier nichts gesagt zu werden. Ökonomisch ist wesentlich, daß sie staatlich mobilisiertes Kapital vernichtet, ökonomisch gesprochen entwertet, und so auf kapitalistische Weise die weitere Entwicklung d e r Produktivkräfte ermöglicht. Hier wird der von uns hervorgehobene Aspekt klar unter Beweis gestellt, daß die-Entwertung des Kapitals, soll sie und darf sie nicht profitreduzierend w i r ken, von der Gesellschaft getragen werden muß. Betrachtet man die ökonomischen Grundlagen des heutigen Kapitalismus so fragt man: worin besteht sein grundlegender Widerspruch? Darin, daß der gesellschaftliche Reichtum, d e r geschaffen wurde und wird, und noch viel m e h r der mögliche gesellschaftliche Reichtum auf der Grundlage der vorhandenen und künftigen Entwicklung d e r Produktivkräfte an ein nun völlig unsinnig gewordenes Maß f ü r diese Kräfte gebunden ist, nämlich an das M a ß d e r M e h r a r b e i t s z e i t , die aus den arbeitenden Menschen für das Kapital herausgewirtschaftet werden kann und aus der allein sich d e r Profit r e k r u t i e r t . Wie schon Marx zeigte und was heute in weitaus größerem Umfang zutrifft, ist die große Quelle des Reichtums i m m e r weniger die direkte Arbeitszeit, sondern es sind die gewaltigen P r o duktionsmittel, die sie in Bewegung setzt, die i h r e r s e i t s von der Wissenschaft und i h r e r technologischen Anwendung abhängig sind. Das kapitalistische Maß f ü r die Entwicklung d e r Produktivkräfte i s t , um einen Marxschen Ausdruck zu gebrauchen, miserabel im Vergleich zum Maß des wirklichen Reichtums, d e r Schöpfung disponibler Zeit f ü r die allseitige Entwicklung des Menschen, f ü r die entwickelte Produktivkraft aller Individuen.

51

Dieses miserable Maß erzwingt nicht nur die immer weitgehendere Intervention des Staates, sondern vor allem immer gesellschaftswidrigere Methoden zur Entwicklung der Produktivkräfte. Der geschaffene stoffliche Beichtum wird zu einem Gesellschaftsdilemma, es entsteht das vom Standpunkt des gesellschaftlichen Fortschritts aus gesehene Scheinproblem der schwindenden Investitionsmöglichkeiten bei vorhandenen gewaltigen Unzulänglichkeiten auf so vielen Gebieten des Lebens; die Vernichtung von Reichtum, unter anderem und v o r - ' nehmlich durch die Rüstungsproduktion, wird zur scheinbar unabdingbaren Krücke des Systems, und sie kann man wieder nur rechtfertigen durch Aggressivität, Kriegsgefahr und Krieg. Statt reiner Luft und Wasser Raketen und Panzer, statt allseitiger Bildung unsinnige Reklame, die die Menschen Scheinbedürfnissen nachlaufen läßt, statt Kampf gegen den Hunger in weiten Teilen der Welt Beschränkung der Produktion von Nahrungsmitteln. Es geht nicht allein darum, daß eine wachsende Differenz besteht, zwischen dem, was heute m ö g l i c h ist,und dem, was der Kapitalismus leisten kann. Bürgerliche Ideologen, die aus jeder kapitalistischen Not eine Tugend machen, haben die Verschwendung bereits zu einem Vorzug der Überflußgesellschaft gestempelt. So sehr dies gerade das Unrationelle des heutigen kapitalistischen Systems unterstreicht, so geht es doch vor allem darum, daß dieses System immer mehr die E x i s t e n z der Gesellschaft und das Leben der Menschheit aufs Spiel setzt. Die vom Kapital geschaffene Zwangsjacke für den wirklichen Reichtum muß und wird daher mit historischer Notwendigkeit gesprengt werden.

FUSSNOTEN 1

Vgl. vor allem O. Lange, Political Economy, PWN-Warszawa 1963, Kapitel V

2

Vgl. K. Marx/F. Engels, Kleine Ökonomische Schriften, Berlin 1955, S. 104

3

K. Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, Berlin 1955, S. 596

4

Ebenda, S. 387

5

Ebenda, S. 595

6

Gegen das bisher Entwickelte wird eingewendet, daß der Begriff Rationalität hier mit dem des gesellschaftlichen Fortschritts identisch und daher überflüssig sei. In der Tat, auf dieser Ebene der Betrachtung sind beide Begriffe identisch, aber eben nur auf dieser Ebene. Wir fassen den Rationalitätsbegriff insofern weiter, als er weitere Betrachtungsweisen ermöglicht, wobei diese in ihrem wechselseitigen Zusammenhang zu begreifen sind. Andererseits ist der Rationalitätsbegriff auch enger, insofern ein Gesellschaftssystem gesellschaftlich fortschrittlich sein und dennoch unrationelle Seiten aufweisen kann - und umgekehrt. Was spricht dagegen, den Begriff Rationalität auf dieser Betrachtungsebene mit dem des gesellschaftlichen Fortschritts gleichzusetzen? Ist doch die Durchsetzung des gesellschaftlichen Fortschritts identisch mit der Verwirklichung der objektiven historischen Vernunft der Menschheitsgeschichte. Dieser Rationalitätsbegriff gestattet auch, das menschliche Handeln dialektisch aufzufassen, rationell und unrationell zugleich, je nach dem spezifischen historischen Bezug.

7

K. Marx, Theorien über den Mehrwert, Teil n, Berlin 1959, S. 106/107

8

K. Marx, Grundrisse . . . , a.a.O., S. 595 f.

52

9

K. Marx, Theorien über den Mehrwert, a . a . O . , S. 107

10

K. Marx, Grundrisse . . . , a . a . O . , S. 595 f.

11

K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 23, Berlin 1962, S. 381

12

K. Marx, Grundrisse . . . , a . a . O . , S. 635

13

Ebenda, S. 636

14

K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 25, Berlin 1964, S. 889

15

K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 24, Berlin 1963, S. 431

16

K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 23, a . a . O . , S. 631

17

O. Lange, Das Prinzip der wirtschaftlichen Rationalität. Ökonomie und Praxeologie, in: Wirtschaftswissenschaftliche Informationen des Instituts f ü r Wirtschaftswissenschaften bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, H. 46, S. 25

18 19

K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 23, a . a . O . , S. 449 Übrigens scheint uns schon der eingebürgerte Begriff des r a t i o n a l e n

Handels v e r -

fehlt, insofern dies ausdrücklich mit vernunftsmäßiger, verstandesmäßiger Tätigkeit (wie bei O. Lange) identifiziert wird. Die deutsche Sprache stellt uns einen zweiten Begriff zur Verfügung - r a t i o n e l l

-, der eher zweckmäßig, s p a r s a m , bedeutet

und den Inhalt der P r o z e s s e , die wir meinen, t r i f f t . 20

K. Marx, Grundrisse . . . , a . a . O . , S. 550

21

K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 24, a . a . O . , S. 431

22

K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 25, a . a . O . , S. 205

23

Vgl. Wirtschaftswissenschaft, H. 6, 1967, S. 956

24

K. Marx, Grundrisse . . . , a . a . O . , S. 450

25

K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 25, a . a . O . , S. 836

26

K. Marx, Grundrisse . . . , a . a . O . , S. 317

27

Vgl. Grundlagen der Wirtschaftspolitik (Hrsg. Gérard Gäfgen), Köln-(West-)Berlin 1966 S. 98

28

Eine interessante Diskussion dieser Frage findet sich bei A. E. Kahn, The Tyranny of Small Décisions: Market Failures, Imperfections, and the Limits of Economies, Kyklos, H. 1/1966, S. 23 ff.

29

K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 23, a . a . O . , S. 167

30

Ebenda, S. 168

31

K. Marx, Grundrisse . . . , a . a . O . , S. 544/545

32

K. Zieschang hat diese Problematik in einer Reihe von Veröffentlichungen entwickelt. Vgl. u. a. Konjunktur und Krise, H. 1, 1965, S. 2 f.

33

K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 25, a . a . O . , S. 887

34

Ebenda, S. 17 53

35

Ebenda, S. 123

36

Ebenda, S. 262

37

K. Zieschang, Zu d e r Wirtschaftspolitik im staatsmonopolistischen Kapitalismus und der Einschätzung bürgerlicher ökonomischer Theorien, in: Konjunktur und K r i s e , H. 4, 1966, S. 276

38

Vgl. u. a . : Zur Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, Berlin 1967, S. 10 f .

39

K. Zieschang, Zur Wirtschaftspolitik

40

Ebenda, S. 275

a . a . O . , S. 274

Für die allgemeine Rolle der staatsmonopolistischen Wirtschaftspolitik siehe die gleiche Quelle

54

OTT OMAR KRATSCH

W a c h s t u m und v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e

Effektivität

Es besteht ein unmittelbarer und wesentlicher Zusammenhang zwischen Wachstum und volkswirtschaftlicher Effektivität. Das ökonomische Wachstum ist das Ergebnis einmal des quantitativen Zuwachses der Produktionsfaktoren (Arbeitskraft und Produktionsfonds) und zum anderen der Steigerung ihres qualitativen Wirkungsgrades. Diese Steigerung des qualitativen Wirkungsgrades der Produktionsfaktoren in ihrem komplexen Zusammenwirken und in Übereinstimmung mit der volkswirtschaftlichen Zielstellung stellt das Wesen der volkswirtschaftlichen Effektivität dar. Die Entwicklung der volkswirtschaftlichen Effektivität ist daher neben der Zielgröße und der quantitativen Zunahme der Produktionsfaktoren einer der Hauptparameter des ökonomischen Wachstums. Wachstum und Effektivität der Volkswirtschaft sind nicht identisch, vielmehr bildet die volkswirtschaftliche Effektivität einen Faktor des Wirtschaftswachstums. Wachstum ist auch bei sinkender Effektivität der Produktion möglich; allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum. Die Rolle und Bedeutung der volkswirtschaftlichen Effektivität als Wachstumsfaktor kann gut im abstrakten Modell dargestellt werden, wenn man die Wachstumsfaktoren auf zwei Gruppen reduziert:

wobei: r - Rate des Wachstums a - Akkumulationskoeffizient e - Effektivitätskoeffizient. Der Akkumulationskoeffizient a repräsentiert hier den quantitativen Zuwachs der Einsatzfaktoren (Arbeitskräfte, materielle Produktionsfonds, Aufwand für Forschung und Bildung etc.), während der Koeffizient e das Verhältnis zwischen dem gesellschaftlichen Gesamtaufwand an Einsatzfaktoren und dem damit erzielten Nationaleinkommen zum Ausdruck bringt. Am Modell wird deutlich: Sinkt die Effektivität der Produktion (was im Modell durch ein Ansteigen des Koeffizienten e angezeigt wird), dann muß die Akkumulationsrate erhöht werden, wenn das gegebene Wachstum der Volkswirtschaft aufrechterhalten werden soll. Da aber die Akkumulationsrate nicht unbegrenzt erhöht werden kann, führt sinkende Effektivität der Produktion nach einer bestimmten Zeit zur Aufhebung jeglichen Wachstums der Volkswirtschaft. Andererseits bedeutet steigende volkswirtschaftliche Effektivität (sinkendes e), daß bei gegebener Akkumulationsrate das Wachstumstempo steigt oder das gegebene Wachstum bei sinkender Akkumulationsrate gewährleistet ist. Die nähere Bestimmung der optimalen Relationen zwischen diesen Faktoren unter den jeweils konkreten gesellschaftlichen Bedingungen sowie der Gesetzmäßigkeiten, die diesen Entwicklungen zugrunde liegen, ist Aufgabe einer sozialistischen Wachstumstheorie. Entwicklung und Ausbau einer volkswirtschaftlichen Effektivitätsrechnung sind demzufolge eine ebenso wichtige Aufgabe der sozialistischen Wachstumstheorie wie die Bestimmung des Ziels, der Faktoren und des Funktionsmechanismus des ökonomischen Wachstums im Sozialismus. Andererseits können die gegenwärtigen Grundlagen der Volkswirtschaft 55

liehen Effektivitätsrechnung den Anforderungen, die sich aus ihrer Funktion im System des ökonomischen Wachstums ergeben, noch nicht genügen. Es ist in diesem Zusammenhang vor allem auf drei Mängel der volkswirtschaftlichen Effektivitätsrechnung in ihren jetzigen Grundlagen hinzuweisen. Erstens: Es werden unterschiedliche Kennziffern und Verfahren der Effektivitätsbestimmung in den verschiedenen Bereichen und für die verschiedenen Prozesse angewandt. So wird die Effektivität der Produktion in den Betrieben an der Entwicklung der Arbeitsproduktivität und der Selbstkostensenkung gemessen. Der Nutzeffekt der Investitionen wird nach der Rücklauffrist bzw. nach einem speziellen normativen Effektivitätskoeffizienten bestimmt, die Auslastung der Grundmittel wird an der Grundfondsquote abgelesen usw. Die Beziehungen zwischen diesen Parametern sind nicht geklärt. Zweitens: Es gibt oft keine klaren Unterscheidungen zwischen betrieblichen und volkswirtschaftlichen Kennziffern der Effektivität. Die meisten der genannten Parameter werden auf der Betriebsebene angewandt, bzw. sie sind objektbezogene Kennziffern. Aber viele werden auch für die Bestimmung der volkswirtschaftlichen Effektivität eingesetzt, ohne daß die mit einer solchen Transformation verbundenen Sachverhalte theoretisch geklärt worden wären. Drittens: Es gibt noch kein System von Kennziffern für die Bestimmung der volkswirtschaftlichen Effektivität. Das folgt zunächst einmal aus den beiden vorgenannten Feststellungen. Es ist aber auch das unmittelbare Resultat aus der Tatsache, daß die politökonomische Aufgabenstellung für eine solche volkswirtschaftliche Effektivitätsrechnung bislang nur unzureichend erkannt worden war. Die letztgenannte Feststellung mag zunächst Verwunderung auslösen, weil es undenkbar scheint, daß eine jahrelange, sehr erfolgreiche Entwicklung der Ökonomik, wie wir sie in der DDR seit 1945 erlebten, möglich wäre, ohne daß die Effektivität gemessen und geplant worden wäre. Natürlich ist auch in den vergangenen Jahren die Effektivität der Produktion gemessen und geplant worden; aber der Hauptmangel besteht darin, daß es kein theoretisch ausreichend begründetes System der volkswirtschaftlichen Effektivitätsrechnung gibt, das es ermöglichen würde, langfristig im voraus die rationelle Entwicklung der Volkswirtschaft in Übereinstimmung mit der Zielfunktion zu bestimmen. Die Orientierung auf die wachstumstheoretischen Untersuchungen läßt aber diese Aufgabenstellung, die eine allgemein politökonomische ist, deutlich werden. Die ganze Bedeutung dieser Frage läßt sich anhand der empirischen und theoretischen Schlußfolgerungen demonstrieren, die sich aus dem Übergang von einem vorwiegend extensiven zu einem vorwiegend intensiven Wachstum ergeben. Dieser Prozeß vollzog sich in einer Reihe sozialistischer Länder im Verlaufe der letzten Jahre. Dabei war zu beobachten, daß dieser Übergang von einem zeitweiligen Rückgang der Effektivitätsentwicklung und der Wachstumsraten begleitet war. Am stärksten wurde diese Wachstumsminderung in der Volkswirtschaft der ÖSSR fühlbar, wo sich schon 1960 Wachstumsschwierigkeiten zu zeigen begannen, die ihr stärkstes Ausmaß in den Jahren 1962 - 1963 erreichten. 1 Das Wachstum der Gesamtproduktion, der Arbeitsproduktivität und des Nationaleinkommens verlangsamte sich xasch, und in den Jahren 1962 - 1963 trat eine Stagnation der Entwicklung ein. (Erhöhte sich das Nationaleinkommen 1961 gegenüber dem Vorjahr noch auf 106, 8 %, so stieg es 1962 nur noch auf 101,4 % und sank 1963 sogar auf 97, 8 % gegenüber dem Vorjahr ab; 1964 erhöhte es sich wieder geringfügig um 0 , 9 % . ) Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Volkswirtschaft der ÖSSR vorwiegend extensiv entwickelt. In den Nachkriegsjahren gab es überschüssige Arbeitskräfte, und laufend wurden weitere Arbeitskräfte in der Landwirtschaft freigesetzt. Um diese Arbeitskräfte einsetzen zu können, wurden die Produktionsgrundfonds in der Industrie auch nach ihrer vollen Amortisation nicht ausgesondert, sondern weiterverwendet; die Investitionen wurden demzufolge nicht fi'.r die Modernisierung der Anlagen, sondern überwiegend für die Erweiterung der Produktionskapazitäten eingesetzt, der Umfang der Produktionsfonds erhöhte sich in der Industrie rasch. 56

Allmählich trat aber eine Erschöpfung dieser Quellen für das extensive Wachstum ein. Die unmittelbare Auswirkung dieser veränderten Bedingungen waren abnehmendes Wachstum und sinkende Effektivität der Produktion. Es tritt ein Punkt ein, wo das extensive Wachstum zu einer negativen Entwicklung führt. Dieser Zeitpunkt tritt ein, wenn das Wachstum des Produktionsverbrauchs höher ist als das Wachstum des Produkts als Ergebnis dieses Verbrauchs. Sik, der diese Entwicklung analysierte, resümiert: "Die ganze Analyse zeigt, daß das negative extensive Wachstum notwendig selbst die Grundlage eines weiteren extensiven und überhaupt jeglichen wirtschaftlichen Wachstums untergräbt. Auf der einen Seite ruft es ein unproportioniertes Wachstum der Bedürfnisse, in erster Reihe von Reproduktionsbedürfnissen, hervor, und auf der anderen Seite verlangsamt es die Steigerung der Arbeitsproduktivität und der Produktion und damit der Deckung dieser Bedürfnisse, und deshalb muß von einem bestimmten Moment an die ganze Entwicklung schließlich das Wachstum der Produktion, der Arbeitsproduktivität und des Nationaleinkommens zum Stillstand bringen. 2 Die Beibehaltung der Orientierung auf die vorwiegend extensive Entwicklung der Ökonomik unter Bedingungen, da sich die Quellen dieses extensiven Wachstums nahezu erschöpft hatten, führte zu den von Sik aufgezeigten Ergebnissen. Diese Feststellungen dürften unumstritten sein. Sie gelten - wenn auch nicht in dieser Schärfe - für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR und anderer Länder ebenfalls. Aber es bleibt die Frage: Warum wurde nicht rechtzeitig erkannt, daß die Quellen des extensiven Wachstums versiegen und dringend der Übergang zu einer intensiven Entwicklung geboten ist? Die Antwort, die Sik hier gibt, kann nicht befriedigen. E r schreibt: "Wir können die langdauernde negative Entwicklung unserer Produktion überhaupt nicht verstehen, wenn wir uns nicht darüber klar werden, daß sie das notwendige Ergebnis des alten administrativen Leitungssystems und der Unterdrückung der sozialistischen Marktbeziehungen war, bei dem sich keine andere als eine extensive Wirtschaftsentwicklung verwirklichen konnte." 3 Diese Antwort ist höchst einseitig. Denn die häufigen Strukturkrisen in kapitalistischen Ländern bezeugen nachdrücklich, daß der Marktmechanismus nur ex-post-Korrekturen auszuführen vermag, die zudem für die Werktätigen schmerzliche Folgen haben. Die jüngste Krise im westdeutschen Steinkohlenbergbau bedeutet für viele Zehntausende Bergarbeiter den Verlust des Arbeitsplatzes und bestimmter sozialer Ansprüche, und nur ein Teil dieser Beschäftigtengruppen erhält über die Umschulung annähernd adäquate Lebensbedingungen. Die mit dem Übergang von einer vorwiegend extensiven zu einer vorwiegend intensiven Entwicklung der Volkswirtschaft verbundene Problematik ist viel komplizierter, als daß sie allein oder vorwiegend aus der Rolle und dem Anteil der Marktbeziehungen an der Wirtschaftsführung erklärt werden könnte. Durch die enge wechselseitige Verflechtung der Zweige sind die wesentlichen Strukturbeziehungen in der sozialistischen Volkswirtschaft in einem so hohen Grade determiniert, daß die bewußte Herbeiführung optimaler Strukturen entsprechend den gegebenen Bedingungen und der spezifischen volkswirtschaftlichen Zielstellungen große Zeitdimensionen beansprucht. Die ersten Erfahrungen über die Ausarbeitimg von Prognosen für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR bis zum Jahre 1980 lassen erkennen, daß für die Lösung der anstehenden Aufgaben die maximale Ausnutzung der in der sozialistischen Produktionsweise begründeten Vorzüge, vor allem die wissenschaftliche Weiterentwicklung der gesamtgesellschaftlichen Planung und Leitung der Wirtschaft, ein Grundproblem und ihre maximale Verbindung mit der eigenverantwortlichen Tätigkeit der Betriebe und Zweige erste Voraussetzung ist. Ausgangspunkt der Strukturpolitik ist die langfristige Prognose über die Hauptentwicklungsrichtungen von Wissenschaft und Technik und über die Entwicklung der Hauptfaktoren des ökonomischen Wachstums. Einer der wichtigsten Faktoren dieses Wachstums ist die volkswirtschaftliche Effektivität der Einsatzfaktoren in ihrem strukturellen und substitutionellen Zusammenwirken. Daraus folgt aber, daß auch die Entwicklung der volkswirtschaftlichen Effektivität langfristig prognostiziert werden muß. Dafür genügen einfache Extrapolations57

verfahren nicht, weil sie zwangsläufig zu Fehldiagnosen führen, wenn im Prognosezeitraum der Übergang von einer Entwicklungsperiode zu einer qualitativ neuen erfolgt, wie ebenfalls die Erfahrungen lehren. Diese Aufgabe muß von der Theorie der volkswirtschaftlichen Effektivität gelöst werden. Als eine erste Schlußfolgerung können wir also hervorheben, daß dieselben Gründe, die die Ausarbeitimg und Weiterentwicklung einer sozialistischen Wachstumstheorie zu einer dringenden Aufgabe der politischen Ökonomie werden lassen, auch die Ausarbeitung und Weiterentwicklung einer volkswirtschaftlichen Effektivitätsrechnung bzw. einer Theorie der volkswirtschaftlichen Effektivität auf die Tagesordnung stellen. Der nächste Fragenkomplex, der erörtert werden müßte, betrifft die Hauptelemente und den Systemaufbau der volkswirtschaftlichen Effektivitätsrechnung. Der Hauptaspekt ergibt sich aus den wachstumstheoretischen Anforderungen, d. h.,im Vordergrund steht die langfristige, perspektivische Bestimmung der Effektivität der Entwicklung der sozialistischen Volkswirtschaft. Es ist dann offensichtlich, daß sich die volkswirtschaftliche Effektivitätsrechnung nur auf einige wenige Kennziffern stützen kann, die alle die Eigenschaft besitzen müssen, die komplexen volkswirtschaftlichen Wirkungen der Einsatzfaktoren zum Ausdruck zu bringen. Dieser letzte Aspekt - Widerspiegelung komplexer Wirkungen im Gesamtprozeß - ist entscheidend. Daraus folgt, daß sich die volkswirtschaftliche Effektivitätsrechnung auf die Untersuchung und Systembehandlung der bestimmenden Grundbeziehungen und der ihnen zugrunde liegenden objektiven Gesetzmäßigkeiten in der Ökonomik beschränken muß. Sie ist daher auch gegenüber einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung abzugrenzen, deren Ausbau und Weiterentwicklung (vor allem unter dem Aspekt der Notwendigkeit und der Möglichkeiten für den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung) ebenfalls auf der Tagesordnung steht. Gegenstand der Theorie der volkswirtschaftlichen Effektivität sind ganz spezifische Fragestellungen, wie sie sich aus der sozialistischen Wachstumstheorie ergeben. Die theoretischen Untersuchungen bewegen sich aus den genannten Gründen zum großen Teil auf einer bestimmten Abstraktionsebene. Der in dieser Hinsicht höchste Abstraktionsgrad wird im Wachstumsmodell des Nationaleinkommens erreicht. Das Harrod-Domar-Modell, das das Grundmodell der bürgerlichen Wachstumstheorie darstellt, reduziert sowohl die Einsatzfaktoren als auch die Effektivität dieser Einsatzfaktoren auf jeweils einen einzigen Parameter. Entsprechend der modifizierten Grundgleichung r

=

i

(2)

wobei r - Wachstumsrate des Nationaleinkommens I - Investitionsrate und k - Kapitalkoeffizient sind, ist das Wachstum ein Ergebnis aus der Akkumulationsrate, dividiert durch den marginalen Kapitalkoeffizienten, der ein Koeffizient der volkswirtschaftlichen Effektivität ist. Allerdings muß man hinzufügen, daß dieser Kapitalkoeffizient in den Modellen der bürgerlichen Wachstumstheorie zumeist eine passive Rolle spielt. Die Grundbeziehung ist hier die zwischen dem Einkommen und dem Sparen, zwischen Einkommenszuwachs und Investition, während der Kapitalkoeffizient zumeist langfristig konstant vorausgesetzt wird. G. A . Feldman, der schon 1928 seine Grundgedanken publizierte und der als der Begründer der marxistischen Wachstumstheorie gilt, beschränkt sich in seinem Wachstumsmodell ebenfalls auf nur einen Effektivitätskoeffizienten. Die Grundgleichung seines Modells ist

= Dabei sind: r fq r

w„fq A F Y 58

Wfq

+

fq ^

. A F (3)

Wachstumsrate des Nationaleinkommens Fondsquote (Nationaleinkommen je Einheit Produktionsgrund- und Produktionsumlauffonds) Wachstumsrate der Fondsquote Zuwachs der Produktionsfonds in der gegebenen Periode, Nationaleinkommen.4

Wenn man hier eine Konstanz der Fondsquote (fq) annimmt, dann ist wj^ = 0, und die Feldmansche Grundgleichung des Wachstums stimmt formal mit der mehr als 10 Jahre später aufgestellten Grundgleichung im Harrodschen Modell überein, denn die Fondsquote ist der reziproke Wert zur Fonds- bzw. Kapitalintensität. Aus der Grundgleichung im Feldmanschen Modell wird aber deutlich - und darauf kommt es hier besonders an - , daß der Effektivitätsentwicklung eine große Bedeutung beigemessen wird: Das Wachstum des Nationaleinkommens ist hier das Ergebnis der Wachstumsrate der Fondsquote plus der mit der Fondsquote multiplizierten produktiven Akkumulationsrate. Steigende Effektivität ist somit ein dem Wachstum der Einsatzfaktoren gleichwertiger Wachstumsfaktor. Feldman begründet seine wachstumstheoretischen Untersuchungen auf die marxistische Reproduktionstheorie, wodurch sich sein Modell des Wachstums - trotz formeller Ähnlichkeiten - wesentlich von denen der bürgerlichen Wachstumstheorie unterscheidet. Ziel der Untersuchung ist es, "den möglichen Umfang und das mögliche Wachstumstempo der Konsumtion der Bevölkerung in Abhängigkeit von der Struktur der Volkswirtschaft zu bestimmen". 5 Feldman überprüft zunächst die Möglichkeit, ob bei der Bestimmung des Niveaus und der Struktur der Wirtschaft von den Daten der Reproduktionsschemata von Karl Marx ausgegangen werden kann. Da sie für die mathematische Bearbeitung nicht völlig geeignet sind, nimmt er einige wesentliche Änderungen vor. Bei grundsätzlicher Beibehaltung der Unterteilung der Ökonomik in zwei Abteilungen (bei Feldman Gruppe A und Gruppe B) wird zunächst als Produkt beider Abteilungen das Nationaleinkommen bestimmt, um jegliche Doppelzählung auszuschalten. Sodann werden die Prinzipien für die Unterteilung der Wirtschaft neu formuliert: Die beiden Abteilungen werden ausschließlich unter dem Aspekt unterschieden, ob sie Produktionsmittel für die Erweiterung der Produktionsstufe, also für den Zuwachs an Nationaleinkommen, liefern oder ob sie in dieser oder jener Form an der Erzeugung der Konsumtionsmittel teilhaben, die zur Aufrechterhaltung des gegebenen Niveaus erforderlich sind. Es ist also nicht mehr eine Unterteilung in die Produktion von Produktionsmitteln und die Produktion von Konsumtionsmitteln, sondern das Produkt der Gruppe B (Abteilung II) setzt sich sowohl aus Produktionsmitteln (für den Ersatz von Produktionsmitteln im Rahmen des normalen physischen Verschleißes) als auch aus Konsumtionsmitteln zusammen. Feldman bemerkt dazu, daß "die auf diese Weise bestimmte Gruppe B die bemerkenswerte Eigenschaft (hat), daß sie existieren kann auch ohne Gruppe A, allerdings nur unter der Voraussetzung der einfachen Reproduktion". 6 * Im Rahmen unseres Beitrages interessiert vor allem die Behandlung des Effektivitätskoeffizienten.Es werden für jededer beiden Abteilungen eine Fondsquote (fq) und eine entsprechende Wachstumsrate (wfq) ermittelt. Ausgehend von der These, "daß das Wachstumstempo des Nationaleinkommens und seiner Teile gleich ist der Summe der Wachstumstempi der entsprechenden Fonds und ihrer Nutzeffekte" wird u. a. das folgende Gesetz für das Wachstum der Konsumtion formuliert: "Bei der Ermittlung des Wachstumstempos der Produktion für eine bestimmte Zeitperiode (z. B. für ein Jahr) ist das Wachstumstempo der Konsumtion gleich der Summe der Wachstumstempi der Fonds und ihrer Effektivität plus dem Produkt dieser beiden Wachstumstempi."8 In Form einer mathematischen Gleichung nimmt dieses Gesetz die folgende Darstellung an: r„

=

w„

+

FB

B

w, fqB

+

w„ FB

.

w,

V

,

(4)

wobei die vorgenannten Symbole gelten und das Symbol B als Index für die Gruppe B gilt. Feldman führt weiter die Reproduktionsstruktur der Fonds FA (SF

"

>

als Ausdruck des technischen Fortschritts (steigende organische Zusammensetzung) in das 59

Modell ein, die beeinflußt wird durch das Wachstumstempo d e r Abteilung B und durch Niveau und Wachstumsrate der Fondsquote und entsprechend auf diese Größen selbst wieder rückwirkt. Auf Grund der Untersuchung der Wachstumsbeziehungen zwischen diesen ökonomischen P a r a m e t e r n kommt Feldman zu dem Ergebnis, daß den Effektivitätskennziffern eine besondere Bedeutung zukommt: "Auf die Erhöhung der Effektivität sowohl d e r alten Fonds als auch der Neuinvestitionen ist die Aufmerksamkeit besonders zu lenken; eine Änderung unseres Verhaltens gegenüber dem Nutzeffekt der Investitionen kann einen wesentlichen Umschwung in der Entwicklung des Koeffizienten fq hervorrufen, da wir in bezug auf die rationelle Nutzung unseres Produktionsapparates außerordentlich stark hinter den führenden Industrieländern zurückgeblieben sind."® Man möchte meinen, daß diese Sätze nicht schon vor 40 Jahren geschrieben wurden, denn dieses Problem ist unter neuem Aspekt, unter dem Aspekt der maximalen Ausnutzung d e r in der sozialistischen Gesellschaftsordnung begründeten Vorzüge f ü r den Aufbau des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution in d e r DDR, auf dem VII. Parteitag d e r SED als eine der vordringlichsten Aufgaben in der Volkswirtschaft bestimmt worden. Aus diesen modelltheoretischen Betrachtungen können wir somit als eine zweite Schlußfolgerung feststellen, daß es prinzipiell möglich ist, die Effektivität der Einsatzfaktoren im Wirtschaftswachstum in einem einzigen P a r a m e t e r zu erfassen,und daß die Untersuchung d e r Wechselbeziehungen zwischen den P a r a m e t e r n Wachstum, Einsatzfaktoren und Effektivität die hohe Bedeutung der Steigerung der Effektivität f ü r das Wachstum deutlich erkennen läßt. Die Möglichkeit, die komplexe Wirkung der Einsatzfaktoren und i h r e r Effektivität auf das Wachstum d e r Ökonomik in jeweils einer einzigen Kennziffer darzustellen, hängt wesentlich von der definitorischen Bestimmung der ökonomischen Zielgröße ab. In den Wachstumsmodellen wird als komplexe Effektivitätskennziffer fast ausschließlich d e r Kapitalkoeffizient respektive die Fondsintensität (Fondsquote) gewählt. In diesem Falle ist der Nationaleinkommenszuwachs definiert als der Quotient aus dem Fonds-(Kapital-)zuwachs und der Fonds-(Kapital-)intensität des Nationaleinkommens: Ay = M . fi

=

fq

.

A F

=

i

k

(5)

Der Fondszuwachs respektive die produktive Akkumulation verkörpert hier - w i r wiesen schon an anderer Stelle darauf hin - die qualitative und quantitative Vermehrung der produk-« tiven Einsatzfaktoren insgesamt, während die Fondsintensität respektive der Kapitalkoeffizient die effektive Gesamtwirkung aller Einsatzfaktoren (nicht nur der Produktionsfonds allein) zum Ausdruck bringt. Diese Funktion kann auch von einer anderen Effektivitätskennziffer ausgeübt werden, wenn die Zielgröße in entsprechender Weise definiert wird. Feldman weist z. B. auf die Möglichkeit hin, die Arbeitsproduktivität (Produktionsumfang je Beschäftigten) als Effektivitätskennziffer einzusetzen. In diesem Falle würde das Nationaleinkommen definiert als das Produkt aus der Beschäftigtenzahl und der Arbeitsproduktivität je Beschäftigten: Y

=

B

.

e,

(6)

wobei B Anzahl der Beschäftigten in der materiellen Produktion e Arbeitsproduktivität. Feldman wählte die Fondsquote als allgemeines Effektivitätskriterium und ging dabei von d e r folgenden Überlegung aus: "Bei Vorhandensein überschüssiger Arbeitskräfte spielt das Wachstum der Produktionsfonds und i h r e r Effektivität die entscheidende Rolle f ü r die Wachstumstempi der Produktion. Bei begrenzter Zahl der Arbeitskräfte sind die Tempi durch die Steigerung d e r Arbeitsproduktivität bedingt, denn in diesem Falle ist die Erhöhung der Effektivität der Produktionsfonds untrennbar mit der Arbeitsproduktivität verbunden." 1 ® Unter den gegenwärtigen Bedingungen, da die Quellen f ü r die Einbeziehung zusätzlicher 60

Arbeitskräfte nahezu erschöpft sind und die Wachstumsrate der Arbeitskräfte in der natürlichen Zuwachsrate der Bevölkerung ihre Obergrenze hat, würde sich Feldman demnach für die Arbeitsproduktivität als allgemeines Effektivitätskriterium entschieden haben. Entsprechend den definitorischen Bestimmungen der Zielgröße stehen hier Fondsintensität und Arbeitsproduktivität alternativ: F 1) Y = 2)

Y

=

=

B

B

.

e.

Es folgt: F

5

.

e.

Wenn wir von der grundlegenden Aufgabenstellung für die volkswirtschaftliche Effektivitätsrechnung ausgehen, die vor allem darin besteht, perspektivisch für eine langfristige Periode die Effektivität der volkswirtschaftlichen Entwicklung zu bestimmen, dann muß man aber fragen, ob die dargestellten modelltheoretischen Grundlagen schon den gestellten Anforderungen genügen. Uns scheint, daß diese Grundlagen noch nicht ausreichen, um die genannten Aufgaben lösen zu können. Die Unzulänglichkeit besteht - wenn wir davon absehen, daß die künftige Koeffizientenentwicklung hauptsächlich nur durch Extrapolation aus vergangenen Entwicklungsperioden abgelesen werden kann - vor allem darin, daß die bestimmenden Ursachenkomplexe für die Effektivitätsentwicklung selbst nicht aufgedeckt werden. Im realen Wirtschaftsablauf gibt es z. B. keine Kostanz im Niveau der Fondsintensität. In der Industrie der DDR entwickelte sich die Fondsintensität der Bruttoproduktion (nach effektiven Preisen) wie folgt: Tabelle 1 Entwicklung der Fondsintensität der Produktion in der Industrie der DDR 1957 - 196311 Jahr

Fondsintensität der Bruttoproduktion zu LA.P

1957

1,412

1958

1,269

1959

1,171

Veränderung der Fondsintensität — zum Vorjahr 1957 = 100 -

100,0

-

10,1

89,9

-

7,7

82,9

1960

1,157

-

1,2

81,9

1961

1,179

+

2,0

83,6

1962

1,210

+

2,5

85,7

1963

1,242

+

3,3

88,5

Es wird deutlich, daß die durchschnittliche Fondsintensität der Produktion im Verlaufe von jeweils drei Jahren einmal um 18 % absank und das andere Mal um 8 % zunahm; die höchste Veränderung innerhalb eines Jahres lag bei 10,1 %. Stärker noch sind die jährlichen Schwankungen auf der betrieblichen Ebene. Auch zwischen den Zweigen sind die Unterschiede im Niveau der Fondsintensität, hier vor allem technologisch bedingt, relativ groß. 61

Tabelle 2 Entwicklung der Fondsintensität der Produktion in dem Bereich der Industrie der DDR 1963 im Vergleich zu 1959 Industriebereich

Fondsintensität der Produktion 1959 1963 1963 : 1959

Grundstoffindustrie (ohne Chemie)

3,523

3,865

109,7

Chemie

1,641

1,497

91,2

Metallverarb. Industrie

0,933

0,949

101,7

Leichtindustrie

0, 861

0,895

103,9

Lebensmittelindustrie

0,381

0,379

99,5

Soz. Industrie insgesamt

1,179

1,242

105,3

Nach diesen Daten bewegt sich die Differenz zwischen Grundstoffindustrie und Lebensmittelindustrie in der Größenordnung von 10 : 1. Jede Strukturverschiebung innerhalb der Volkswirtschaft wirkt sich also unmittelbar auf das allgemeine volkswirtschaftliche Fondsintensitätsniveau aus. Unter diesen konkreten Voraussetzungen ist es schwer, eine Konstanz des Fondsintensitätskoeffizienten als begründet erscheinen zu lassen, wie es sich fast als unmöglich e r weist, eine bestimmte, quantitativ festlegbare positive oder negative Entwicklung dieses Koeffizienten bei Aufgabe dieser Annahme zu fixieren (im Extrapolationsverfahren). Nun kommt aber noch hinzu, daß in den bisher bekannten Wachstumsmodellen vorwiegend mit marginalen Koeffizienten operiert wird. Wie fragwürdig diese Verfahrensweise ist, wird wohl am deutlichsten sichtbar, wenn man unter diesem Aspekt (der Annahme einer bestimmten, quantitativ ausweisbaren Entwicklung für den Koeffizienten der Fondsintensität) die von W. Bartl errechneten Werte über die Entwicklung der marginalen Nettoeffektivität für die Jahre 1951 - 1964 in der DDR (definiert als Zuwachs des Nationaleinkommens je Einheit Investitionen zur Erweiterung der Grundfonds in der materiellen Produktion, was eine Art marginale Fondsquote darstellt) betrachtet. 1 2 Zunächst ist bemerkenswert, daß die jährlichen Schwankungen dieses Parameters um' das Vielfache höher als beim durchschnittlichen Fondsintensitätskoeffizienten sind. Die Differenz zwischen Maximalwert (5,09) und Minimalwert (0,21) beträgt etwa 2400 % des Minimums. 1964 ist beispielsweise die Effektivität 200 % höher als im Vorjahr. Des weiteren ist festzustellen, daß im betrachteten Zeitraum weder eine Konstanz noch eine bestimmte tendenzielle Entwicklung des marginalen Effektivitätskoeffizienten sichtbar wird. Dagegen kann eine gewisse Zyklizität beobachtet werden: Sinkende Effektivität von 1951 (5,09) bis 1956 (0,73), danach steigende Tendenz bis 1958 (1,33), dann sinkt die Effektivität wiederum bis 1962, wo sie mit 0,21 einen absoluten Tiefpunkt erreicht, und bis 1964 erhöht sich schließlich wieder der marginale Effektivitätskoeffizient auf den Wert von 0 , 5 6 . 1 3 Zweifellos liegen der Entwicklung der Effektivitätskennziffern bestimmte Gesetzmäßigkeiten zugrunde. Diese Gesetzmäßigkeiten aufzudecken und näher zu bestimmen ist Aufgabe der volkswirtschaftlichenEffektivitätsrechnung bzw. der Theorie der volkswirtschaftlichen Effektivität. Es müssen vor allem die Faktoren bestimmt werden, die die positive oder negative Veränderung der volkswirtschaftlichen Effektivität beeinflussen, sowie die Wechselbeziehungen zwischen diesen Faktoren. Erst danach kann die modelltheoretische Anwendung entsprechender Effektivitätskennziffern erfolgen. In der Wachstumstheorie wird mitunter versucht, vom Modell ausgehend, Faktorengruppen zu bestimmen, die die Effektivität beeinflussen.

62

M. Kalecki entwickelte z. B. die folgende Formel f ü r die Wachstumsrate des Nationaleinkommens (r): 1 ^

wofür die folgenden Symbole gelten: m marginaler Kapitalkoeffizient (Investitionsaufwand je Einheit Nationaleinkommenszuwachs - w i r würden ihn als marginalen Investitionsintensitätskoeffizienten bezeichnen), I produktive Investitionen, D Nationaleinkommen im gegebenen J a h r , a Koeffizient der Amortisationen, Koeffizient, der die Steigerung des Nationaleinkommens durch u Vervollkommnungen, die von den Investitionen unabhängig sind (Verbesserung der Arbeitsorganisation, Materialeinsparungen u. a. m . ) , anzeigt. Diese Wachstumsgleichung besteht faktisch aus vier P a r a m e t e r n : Investitionsrate, Kapitalkoeffizient, Amortisationsrate und Koeffizient d e r Vervollkommnungen, wovon zwei Effektivitätskoeffizienten sind: der Kapitalkoeffizient und der Koeffizient der Vervollkommnungen. Während d e r marginale Investitionsintensitätskoeffizient die direkten Beziehungen zwischen Investitions- und Nationaleinkommenszuwachs widerspiegelt, ist der zweite Koeffizient in dieser Hinsicht unbestimmt. Nach Kalecki "existiert eine Tendenz zur Steigerung des Nationaleinkommens durch Vervollkommnungen, die von den Investitionen unabhängig sind. Durch Verbesserung der Arbeitsorganisation, Einsparungen beim Materialverbrauch, Verhinderung von Ausschuß usw. kann man mit dem vorhandenen produktiven Apparat eine i m m e r höhere Produktivität erreichen. Daraus ergibt sich im Laufe des J a h r e s eine Steigerung des Nationaleinkommens um u . D, wobei u d e r Koeffizient des Einflusses dieser Vervollkommnungen i s t " . 1 5 Diese Trennung d e r effektiven Wirkungen der Einsatzfaktoren auf den Nationaleinkommenszuwachs in eine Gruppe von Wirkungen, die durch Investitionen bedingt sind, und eine Gruppe, die von Investitionen unabhängig ist, scheint schon vom methodologischen Ansatz h e r u n l ö s b a r 1 6 , weil jede Wirkungserhöhung bestimmte Veränderungen in d e r produktionsmäßigen Kombination der Einsatzfaktoren voraussetzt, die in irgendeiner Weise i m m e r mit bestimmten Investitionen verbunden sind. Zum Beispiel sind bei einer besseren Auslastung der gegebenen Grundmittel und Arbeitskräfte zusätzliche Materialvorräte erforderlich, die bereitgestellt werden müssen. Der modelltheoretischen Untersuchung selbst sind also offenbar Grenzen gesetzt: Die Faktoren, die die Veränderungen d e r Modellparameter - insbesondere der Effektivitätskoeffizienten - bestimmen, können nicht im Modell bestimmt werden, sondern dafür sind gesonderte Verfahren zu entwickeln. Der Aufbau einer volkswirtschaftlichen Effektivitätsrechnung verlangt demzufolge von vornherein methodisch die Verbindung von modelltheoretischer u n d empirischer Forschung mit dem Ziel, die Gesetzmäßigkeiten in d e r Entwicklung der ökonomischen P a r a m e t e r näher bestimmen zu können. Unter diesem Aspekt sind die Untersuchungen zur Fondsintensität der Produktion zu betrachten. In einer Analyse der Fondsintensitätsentwicklung d e r Industrieproduktion der DDR, die sich auf den Zeitraum von 1957 bis 1963 beschränken mußte, konnten die wesentlichen Ursachenkomplexe (Faktoren) bestimmt werden, die die Dynamik der volkswirtschaftlichen Effektivität beeinflussen. Nach dieser Analyse können die Ursachenkomplexe, die die Fondsintensitätsentwicklung der Industrieproduktion bestimmen, in drei Faktorengruppen zusammengefaßt werden.

63

Erstens: der Stand und die Entwicklung der Hauptstrukturen der sozialistischen Volkswirtschaft sowie ihrer Bereiche; insbesondere 1. die Wachstumsrelationen zwischen Produktionsfonds und Produktion, 2. die Zweigstruktur der Volkswirtschaft und ihrer Bereiche (Industrie, Landwirtschaft, Bauwesen, Verkehr u. a.) und 3. die Außenhandelsstrukturen. Zweitens: der Stand und die Entwicklung der technologischen und organisatorischen Strukturen innerhalb der Zweige, insbesondere 1. die Entwicklung der technologischen Struktur der Produktionsfonds, und zwar a. der Relationen zwischen den Grundfonds und den materiellen Umlauffonds, b. die Relationen zwischen dem aktiven und passiven Teil der Grundfonds, c . die Relationen zwischen den Materialvorräten, der unvollendeten Produktion und den nicht realisierten Fertigerzeugnissen, d. die Entwicklung der Materialintensität der Produktion, e. die Entwicklung der Schichtkoeffizienten der Grundfondsnutzung; 2. die Entwicklung der gesellschaftlichen Organisation der Produktion; 3. die Relationen zwischen dem Ersatzfonds für ausgesonderte Grundmittel und dem gesellschaftlichen Reparaturfonds; 4. der Nutzeffekt der Neuinvestitionen. Drittens: die Lösung der ständig innerhalb und zwischen den Zweigen auftretenden Substitutionsaufgaben (Substitution der Arbeitskraft durch Arbeitsmittel, natürlicher Rohstoffe durch chemische u. a. am.). Obwohl diese Faktoren nicht isoliert voneinander wirken, sondern vielfältig miteinander verflochten sind, sich teilweise überkreuzen und einander entgegenwirken, kann ihre Entwicklung in einer langfristigen Periode mehr oder weniger genau bestimmt werden. Weiter lassen sich alle diese Faktoren auf die ihnen gemeinsame Grundbeziehung zwischen der' Fondsausstattung der lebenden Arbeit und ihrer Produktivität zurückführen, so daß bestimmt werden kann, wie und in welchem Grade die Faktoränderungen die Entwicklung der Fondsintensität beeinflussen. Damit sind die wichtigsten Bedingungen einer volkswirtschaftlichen Effektivitätsrechnung erfüllt. Wenn also (modell-)theoretisch die Stellung und Bedeutung der Fondsintensität in der volkswirtschaftlichen Effektivitätsrechnung geklärt und die Faktoren sowie deren Zusammenwirken in einer entsprechenden Methodologie bestimmt worden sind, dann sind wir in der Forschung der Notwendigkeit enthoben, mit vagen Annahmen über die Entwicklung einzelner Systemelemente arbeiten zu müssen; vielmehr sind wir in die Lage versetzt, in Verbindung mit der empirischen Analyse Daten zu bestimmen, die der Realität in hohem Grade entsprechen. Mit anderen Worten: Durch die in der sozialistischen Gesellschaftsordnung mögliche und notwendige Verbindung von modelltheoretischer Forschung und empirischer Analyse im volkswirtschaftlichen Rahmen sind wir der Notwendigkeit enthoben, dort irgendwelche statistischen Gesetzmäßigkeiten postulieren zu müssen (etwa die Annahme einer ständig sinkenden Tendenz der Fondsintensität der Produktion), wo sie nicht unbedingt oder zumindest nicht zu jeder Zeit und unter allen Bedingungen nachgewiesen werden können, sondern es ist möglich, auf einer entsprechenden methodologischen Grundlage und unter Berücksichtigung der wichtigsten gegebenen Bedingungen die konkrete Entwicklung (beispielsweise der Fondsintensität) annähernd genau langfristig vorausbestimmen. Da bekannt ist, auf welche Weise und in welchem Grade die o. a. Faktoren die Entwicklung der Fondsintensität der Produktion beeinflussen, ist die ökonomische Analyse auf dieser methodologischen Grundlage zugleich eine unentbehrliche Voraussetzung für die positive Steuerung der volkswirtschaftlichen Effektivität. Die theoretischen Hilfsmittel bilden somit zugleich das wissenschaftliche Instrumentarium für die Planung und Leitung der sozialistischen Volkswirtschaft. Die direkten Schlußfolgerungen aus dem eben Dargelegten sind: 1. Die wachstumstheoretische Forschung muß sich auf einer bestimmten Abstraktionsebene 64

bewegen; 2. das Modell ist dabei ein unerläßliches methodologisches Arbeitsinstrument. Um aber von vornherein der Gefahr zu begegnen, daß diese Forschungen in unfruchtbaren Übungen steckenbleiben, muß eine ständige Verbindung zwischen den modelltheoretischen Untersuchungen und der empirischen Analyse auf gleicher Ebene hergestellt werden, wozu in einer sozialistischen Gesellschaft sowohl leitungs- als auch informationsmäßig alle Voraussetzungen gegeben sind bzw. geschaffen werden können. Die Systemelemente des Modells werden durch die Hauptparameter des langfristigen Perspektivplans der Volkswirtschaft gebildet. In diesem Zusammenhang taucht ein weiteres Problem auf, das für die Systembehandlung des ökonomischen Wachstums Bedeutung hat: Ist es zweckmäßig, sich im Modell nur auf ein einziges Effektivitätskriterium - beispielsweise nur auf die Fondsintensität - zu stützen, oder sollte ein System von Effektivitätskennziffem eingesetzt werden? Wir hatten im Verlaufe unserer Darstellung darauf verwiesen, daß die Wahl der Effektivitätskoeffizienten von der definitorischen Bestimmung der Zielgröße im Modell abhängt. Demzufolge kann die Untersuchung auf einen einzigen Effektivitätskoeffizienten beschränkt bleiben. Da aber vor der marxistischen Wachstumstheorie u. a. die Aufgabe steht, das Instrumentarium für die aktive Steuerung eines optimalen Wachstums der sozialistischen Volkswirtschaft in langfristigen Perspektivzeiträumen durch das Planungs- und Leitungssystem zu e r arbeiten, muß diese Reduktion aufgegeben werden. Anstelle eines einzigen Parameters müssen die bestimmenden Faktoren des Wachstums eingesetzt werden, zumindest zwei: Zuwachs der Arbeitskräfte und der Produktionsfonds. Die Notwendigkeit für eine solche methodologische Unterteilung der Einsatzfaktoren des Wachstums folgt allein schon daraus, daß sich die komplexen Wirkungen der Einsatzfaktoren grundsätzlich verschieden gestalten in Abhängigkeit davon, ob eine extensive oder intensive Entwicklung der Ökonomik vorliegt. Man kann das schematisch anhand des folgenden Vergleichs mit Hilfe angenommener Daten demonstrieren: Bei extensivem Wachstum wird eine bestimmte Wachstumsrate des Nationaleinkommens (beispielsweise 8 %) bei einer Wachstumsrate der Produktionsfonds von 6 - 8 % erreicht; dieselbe Wachstumsrate des Nationaleinkommens wird bei intensivem Wachstum bei einem jährlichen Fondszuwachs von nur 3 - 4 % erzielt, da in diesem Falle die Investitionen vorwiegend für den Ersatz moralisch veralteter Anlagen eingesetzt werden. Das Wachstumsmodell der sozialistischen Ökonomik müßte sich demzufolge in seiner allgemeinsten Form auf ein System von Wachstumsfaktoren begründen, dem dann auch ein entsprechendes System von Effektivitätskennziffem zugeordnet werden müßte. Es würde unter diesen Voraussetzungen zunächst die folgende Grundform annehmen. r

_

AB

^

.

^

AF

^

Entsprechend dieser Formel, die von den Überlegungen Feldmans abgeleitet worden ist, wird das Wachstum des Nationaleinkommens bestimmt durch das Wachstum der Zahl der Arbeitskräfte und der Produktionsfonds sowie durch das Niveau und die Veränderung der Effektivitätskoeffizienten dieser beiden Einsatzfaktoren. Die Division durch zwei ergibt sich aus der doppelten Erfassung der Gesamtwirkungen. Diese Formel kann noch nicht den praktischen Bedürfnissen der Planung genügen, weil sie ein methodologisch ungelöstes Problem enthält: die Abgrenzung zwischen Fondsintensität und Arbeitsproduktivität. Es ist in diesem Zusammenhang gewiß interessant, daß Notkin schon 1961 zwei Formeln zur Bestimmung der Beproduktionstempi entwickelte, die mit den bei Feldman entwickelten Überlegungen weitgehend übereinstimmen und deren wechselseitige Beziehungen in der ökonomischen Analyse näher bestimmt werden sollten: die Bestimmung der Reproduktionstempi 1. aus der Bewegung der Produktionsfonds und 2. aus der Bewegung der Beschäftigtenzahl in der materiellen Produktion. 1 8

65

Diesen beiden Formeln liegt offensichtlich der Gedanke zugrunde, daß man die Effektivität der einzelnen Produktionsfaktoren (hier der Produktionsfonds und der Arbeitskräfte) getrennt bestimmen könne. Dies ist u. E. nicht realisierbar, weil sich keine Effektivität der Produktionsfonds an sich bestimmen läßt. Vielmehr realisiert sie sich immer über die sie bewegende lebendige Arbeit. Insofern wird die Effektivität der Produktionsfonds durch die vielfältigen Faktoren und Einflüsse, die die Grundbeziehung zwischen der Fondsausstattung der lebendigen Arbeit und ihrer Produktivität bestimmen, beeinflußt. Ebenso läßt sich auch nicht die Effektivität der lebendigen Arbeit allein in einem isolierenden Verfahren feststellen, weil "sich der gesellschaftliche Produktivgrad der Arbeit im relativen Größenumfang der Produktionsmittel (ausdrückt), welche ein Arbeiter . . . in Produkt verwandelt". 1 9 Man kann die relativen Anteile der einzelnen Produktionsfaktoren sowie ihre Veränderungen bestimmen, nicht aber die Effektivitäten, denn die Wirkung eines Produktionsfaktors beruht auf seinem Zusammenwirken mit den übrigen im komplexen Wirtschaftsprozeß. Wenn man nicht von den einzelnen Produktionsfaktoren bei der Bestimmung der volkswirtschaftlichen Effektivität ausgehen kann, dann muß methodologisch von anderen Grundlagen ausgegangen werden, um die effektiven Wirkungen aus den komplizierten Gesamtzusammenhängen ermitteln zu können. Der realste Weg scheint zunächst der analytische Vergleich zwischen der Arbeitsproduktivität und der Fondsintensität der Produktion unter dem Aspekt der Berücksichtigung sowohl des laufenden Aufwands als auch des Vorschusses (Anwendung) der Produktionsfaktoren zu sein. Dieser Gedanke ist in den beiden Formeln von Notkin implizite enthalten und liegt auch den Empfehlungen zugrunde, die von Köhler, Steeger und Steinitz entwickelt worden sind. 2 " Bei diesem analytischen Vergleich muß eine wichtige Besonderheit des Reproduktionsprozesses berücksichtigt werden. Es ist davon auszugehen, daß es im gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß sowohl einen Kreislauf des gesellschaftlichen Gesamtprodukts (jährlicher Ersatz der verbrauchten Produktionselemente) als auch einen Kreislauf der Produktionsfonds (die spezifischen Reproduktionsbedingungen für Arbeitsmittel, Arbeitsgegenstand und Arbeitskraft) gibt, die in ihrem Zusammenwirken die volkswirtschaftliche Effektivität bestimmen. Die Bildung einer gemeinsamen synthetischen Kennziffer für diese Effektivität ist daher nur unter der Voraussetzung möglich, daß die bestimmenden ökonomischen Parameter aus dem einen Kreislauf auf einer gemeinsamen Basis auf die entsprechenden Parameter des anderen umbewertet werden. Ein solcher Versuch ist in der schon e r wähnten Arbeit von Köhler, Steeger und Steinitz 21 unternommen worden. Werden diese Umrechnungen nicht vorgenommen, dann kann es bestensfalls bei einem Vergleich der relativen Wachstums raten bleiben, wie ihn z. B. Notkin in seiner jüngsten Publikation d e m o n s t r i e r t . I n konkreten ökonomischen Daten stellt sich dieser Vergleich fti'r die sowjetische Volkswirtschaft so dar: "1961 bis 1965 (war) ein Rückgang der Fondsquote um 15 % zu verzeichnen. Das entspricht einem Verlust von 30 Md. Rubel Nationaleinkommen in den Preisen von 1958. In der gleichen Zeit stieg das Nationaleinkommen in gleichen Preisen um rund 53 Md. Rubel, und zwar zu 75 % durch höhere Arbeitsproduktivität. " 2 3 Da in diesem Fall das durch steigende Arbeitsproduktivität geschaffene Nationaleinkommen diesen Verlust immer noch um rund 10 Md. Rubel übersteigt, ist also die Volkswirtschaft effektiv. Die von uns dargestellte Formel (8) beschränkt sich zunächst auf diesen Vergleich zwischen Fondsintensitäts- und Arbeitsproduktivitätsentwicklung, denn sie enthält keinen Umbewertungsfaktor und auch keine Gewichte. Beide werden als Hauptkriterien der volkswirtschaftlichen Effektivität betrachtet, wobei davon ausgegangen wird, daß die Fondsintensität die komplexen Wirkungen der insgesamt vorgeschossenen Einsatzfaktoren zum Ausdruck bringt, während die Arbeitsproduktivität die komplexen Wirkungen der verbrauchten Einsatzfaktoren widerspiegeln soll. In beiden Bewegungen gibt es viele Überschneidungen, und es gibt auch Bereiche, die nur von jeweils einer dieser Kennziffern erfaßt werden. Es kann auch nicht übersehen werden, daß die Arbeitsproduktivität ständig steigt (das ist ein ökonomisches Gesetz), 66

während die Fondsintensität sowohl steigen, konstant bleiben als auch sinken kann. E s gibt also keine genauen Abgrenzungen, sondern jedes dieser Kriterien erfaßt spezifische Seiten des P r o z e s s e s . Unter diesen Voraussetzungen muß näher bestimmt werden, auf welcher Grundlage der Vergleich dieser beiden Effektivitätskriterien im Sinne einer volkswirtschaftlichen Effektivitätsrechnung sinnvoll sein kann. Bei dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Forschungen scheint der direkte F a k t o r e n vergleich die gegebene Grundlage zu sein. Das heißt, sowohl die Faktoren der Fondsintensität als auch die Faktoren der Arbeitsproduktivität sind auf ein adäquates System zu b r i n gen, so daß f ü r beide Kriterien auf gemeinsamer Grundlage entsprechende Normativdaten gebildet werden können. Auf ein solches mögliches Grundprinzip hat ebenfalls schon Feldman in seiner genannten Arbeit aufmerksam gemacht, indem e r darauf verwies, daß Fondsquote und Arbeitsproduktivität nach formal gleichen Prinzipien gebildet werden können: 2 ^ q

e

_ techn. Koeff. x subj. Faktor x Zahl d. Arbeitsstunden F =

techn. Koeff. x subj. L Faktor x Zahl d. Arbeitsstunden

Der Grundgedanke i s t , daß f ü r den Vergleich beider Effektivitätskriterien unabdingbare Voraussetzung ist, daß beide nach gleichen methodologischen Prinzipien aufgebaut werden. Es empfiehlt sich, noch eine dritte Effektivitätskennziffer bei den ersten Grundlagen einer volkswirtschaftlichen Effektivitätsrechnung zu berücksichtigen, und zwar den R e p r o d u k tionskoeffizienten K = ^

f

^

(9)

der die gesellschaftlichen Reproduktionskosten, d. h. die Summe des Produktionsverbrauchs, d e r produktiven Akkumulation und des Lohnfonds in d e r Produktion, zum gesellschaftlichen Gesamtproduktion ins Verhältnis setzt. Der legitime Grundgedanke ist, daß die Gesellschaft f ü r die Aufrechterhaltung einer beständigen erweiterten Reproduktion der Ökonomik alljährlich einen bestimmten Aufwand leisten muß, der unabtrennbarer Bestandteil der Reproduktionskosten ist. An diesen Reproduktionskoeffizienten ist die Forderung geknüpft, daß e r nicht steigen d a r f , d. h., die gesellschaftlichen Reproduktionskosten dürfen während eines längeren Zeitraums nicht schneller wachsen als das gesellschaftliche Gesamtprodukt. Wächst e r aber, dann verringert sich relativ jener Teil d e r gesellschaftlichen Produktion, aus dem die Gesellschaft alle ihre Bedürfnisse außerhalb des Bereichs der materiellen Produktion decken kann. Die gesellschaftlichen Reproduktionskosten widerspiegeln noch s t ä r k e r als die Arbeitsproduktivität den Kreislauf des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, wobei allerdings - und das ist eine Besonderheit - hier die produktiven Akkumulationen als gesellschaftliche Kosten f ü r die erweiterte Reproduktion behandelt werden. Die volkswirtschaftliche Effektivitätsrechnung muß sich also vor allem auf die genannten drei Effektivitätskriterien stützen: Fondsintensität, Arbeitsproduktivität und Reproduktionskosten. In der Analyse sind die Systembeziehungen zwischen diesen P a r a m e t e r n näher zu klären. Selbstverständlich handelt es sich hier nur um e r s t e Überlegungen, obwohl in Detailfragen - z. B. in d e r Fondsintensitätsanalyse - schon Fortschritte erzielt werden konnten. Es sind e r s t e Überlegungen in bezug auf den Aufbau einer volkswirtschaftlichen Effektivitätsrechnung im Zusammenhang mit der Entwicklung einer sozialistischen Wachstumstheorie. Das allgemeine theoretische und methodologische Rüstzeug f ü r die Lösung dieser Aufgabe bilden die unerschöpflichen wissenschaftlichen Grundlagen, die Karl Marx vor nunmehr 100 Jahren vor allem in seinem Hauptwerk, im "Kapital", schuf.

67

FUSSNOTEN 1

O. §ik, Ein Beitrag zur Analyse der tschechoslowakischen ökonomischen Entwicklung, in: Neue Richtungen in d e r Tschechoslowakischen Ökonomie, P r a g 1966, H. 1

2

O. §ik, a . a . O . , S. 36

3

Ebenda, S. 92

4

G. A. Feldman, Zur Wachstumstheorie des Nationaleinkommens, in: Planwirtschaft, Moskau 1928, H. 11, S. 156 - Feldman verwendet in dieser Arbeit zur Symbolbezeichnung russische Schriftzeichen. Wir haben hier versucht, heute allgemein gebräuchliche Symbole zu setzen.

5

Ebenda, S. 150

6

Ebenda, S. 152

7

Ebenda, S. 152

8

Ebenda, S. 161

9

Ebenda, S. 158

10

Ebenda, S. 157

11

In dieser Berechnung sind bei den Produktionsfonds die Ergebnisse aus der Umbewertung d e r Grundmittel berücksichtigt worden, die Bruttoproduktion ist dagegen zu den laufenden Preisen berechnet, d. h., die Industriepreisreform hatte noch keinen Einfluß auf die Werte.

12

W. Bartl, Volkswirtschaftliche Effektivität und Wachstum des Nationaleinkommens, in: Wirtschaftswissenschaft, H. 12, 1966, S. 1957

13 14

Ebenda M. Kalecki, Abriß d e r Theorie des Wachstums d e r sozialistischen Wirtschaft, Warschau 1963 (zitiert nach einem Übersetzungsmanuskript)

15

M. Kalecki, Ebenda

16

Auch dann, wenn man nach Tlust£ den Koeffizienten u als "Akzelerationskomponente des Wachstumstempos" interpretiert. Vgl. Z. Tlust^, Projektion der Bedingungen f ü r die langfristige Entwicklung der Ökonomik der ÖSSR, in: Politickä ekonomie, P r a g 1966, H. 6, S. 433 ff

17

Vgl. O. Kratsch, Fondsintensität, Berlin 1967

18

A. Notkin, Tempi i proporzij sozialistitscheskowo wosproiswodstwa, Moskau 1961, S. 86 f. Klaus Steinitz entwickelte,ausgehend von diesen Formeln.einige interessante Wachstumsrelationen in seinem Beitrag über Investitionen und Wachstumstempo der Produktion. Vgl. K. Steinitz, Wirtschaftswissenschaft, H. 1, 1963, S. 12 ff.

68

19

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 23, Berlin 1962, S. 650

29

Vgl. G. Köhler/H. Steeger/K. Steinitz, Kriterium zur Bestimmung der ökonomischen Effektivität der Entwicklung der gesamten Volkswirtschaft und der einzelnen Zweige im Perspektivplan, Wirtschaftswissenschaft, H. 5, 1966, S. 380 ff.

21 22

Ebenda A. Notkin, Über das Optimalitätskriterium der wirtschaftlichen Entwicklung, in: Sowjetwissenschaft - Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge, H. 1, 1967

23

Ebenda

24

Feldman, a . a . O . , S. 157

69

HANS MITTELBACH

Über die Bedeutung des v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n f ü r das ökonomische

Gleichgewichts

Wachstum

Die Faktoren, die auf das ökonomische Wachstum einen mehr oder weniger starken Einfluß ausüben, sind vielfältig und zugleich komplex. Im Unterschied dazu ist das volkswirtschaftliche Gleichgewicht kein eigentlicher Faktor, sondern eine generelle Bedingung für das Wirken aller Faktoren des ökonomischen Wachstums. Wenn sich die Volkswirtschaft im Zustand eines dynamischen Gleichgewichtes befindet, so übt dies einen optimalen Einfluß auf den Zuwachs des Nationaleinkommens aus; ist dagegen das volkswirtschaftliche Gleichgewicht gestört, so gehen davon wachstumshemmende Wirkungen aus, die die gesamte Absatz- und Beschaffungstätigkeit der Betriebe und das gesamte volkswirtschaftliche Wachstum negativ beeinflussen. Von volkswirtschaftlichem Gleichgewicht kann man sprechen, wenn die finanzielle Gesamtnachfrage aller Betriebe und Haushalte der Volkswirtschaft insgesamt sowie in der konkreten Struktur mit dem materiellen Produktionsangebot und der volkswirtschaftliche Arbeitskräftebedarf mit der Zahl und der Qualifikationsstruktur der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte übereinstimmten. Die Gewährleistung eines volkswirtschaftlichen Gleichgewichts in der sozialistischen Wirtschaft wurde bisher vorwiegend als ein Problem der zentralen Bilanzierung der materiellen Proportionen betrachtet. Die theoretische Forschung und die praktische Planung konzentrierten sich vorwiegend darauf, wie die materiellen Bilanzen noch exakter ausgearbeitet werden können. Wenn einmal die Bilanzen aufgestellt und aufgeschlüsselt waren, reduzierte sich das Problem vorwiegend auf die Einhaltung der sich für die Betriebe aus den zentralen Bilanzen ergebenden Planfestlegungen. Die praktischen Erfahrungen der Planung und Leitung der Volkswirtschaft in den sozialistischen Ländern zeigen jedoch, daß die Gewährleistung des volkswirtschaftlichen Gleichgewichtes unter den Bedingungen der technischen Revolution und einer entwickelten Wirtschaft wesentlich komplizierter ist und mit den bisherigen Methoden nicht mehr zufriedenstellend gelöst werden kann. Ein gestörtes volkswirtschaftliches Gleichgewicht kann sich in den verschiedensten E r scheinungen äußern, so in einer Häufung materieller Versorgungsprobleme bei vorhandenen finanziellen Mitteln, in langen Lieferzeiten für Produktionsmittel und langen Bauzeiten f ü r Investitionsvorhaben. Eine Häufung materieller Versorgungsprobleme in der Volkswirtschaft kann sowohl auf eine Nichtübereinstimmung zwischen finanzieller Gesamtnachfrage und Produktionsangebot als auch auf spezielle Anpassungsprobleme der einzelnen Produktionen an den Bedarf zurückzuführen sein. Gibt es in einer Volkswirtschaft bei einer Vielzahl von Erzeugnissen eine mehr oder weniger große Überproduktion, bei anderen Erzeugnissen dagegen Versorgungsprobleme, so ist dies auf Unzulänglichkeiten der angewandten Methoden der Planung und Bilanzierung einer bedarfsgerechten Produktion zurückzuführen. In diesem Falle ist es schwierig zu unterscheiden, ob materielle Versorgungsprobleme bei gegebener finanzieller Nachfrage die Folge globaler oder partieller Störungen des volkswirtschaftlichen Gleichgewichts sind. Es ist daher zwischen global und strukturell bedingten Gleichgewichtsstörungen zu unterscheiden, wobei meist beide Formen gemeinsam auftreten. Die materiellen Versorgungsprobleme der Betriebe wirken sich negativ auf die gesamte Wirtschaftstätigkeit aus, 71

insbesondere aber auf das Tempo der Einfühlung der neuen Technik in die Produktion und damit den wesentlichsten Frktor für die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums. Die Anwendung der Verflechtungsbilanzierung für die Planung hat zwar die Möglichkeiten exakter Bilanzierung erweitert, aber dennoch die ursprünglich in sie gesetzten Erwartungen für die Lösung der Probleme einer materiellen Proportionierung nicht voll erfüllt. Die Grundrichtung fiir die Lösung dieses Problems wurde auf dem VII. Parteitag der SED gezeigt. Es kommt darauf an, ein richtiges Wechselverhältnis zwischen Plan und Markt, zentraler und eigenverantwortlicher Planung herzustellen. 1 Eine Grundvoraussetzung für die Gewährleistung eines weitgehenden volkswirtschaftlichen Gleichgewichtes ist eine volkswirtschaftliche Regulierung des Verhältnisses zwischen finanzieller Gesamtnachfrage und materiellem Produktionsangebot der Betriebe. Erst wenn dieses Verhältnis optimal einreguliert wird, was nicht unbedingt mit einer absoluten Übereinstimmung zwischen Gesamtangebot und Gesamtnachfrage identisch sein muß, kann das Problem der strukturellen Anpassung der Produktion an die konkrete finanzielle Nachfrage grundsätzlich gelöst werden. Mit Hilfe der materiellen Bilanzierung und Fondierung ist es zwar möglich, die volkswirtschaftlich negativen Folgen einer Nichtübereinstimmung zwischen finanzieller Nachfrage und dem materiellen Angebot auf ein Minimum zu reduzieren, aber das Problem selbst wird damit nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben. Es ergibt sich aus der Natur der Sache, daß durch die materielle Bilanzierung zwar die materielle Versorgung gesteuert werden kann, nicht aber die finanzielle Gesamtnachfrage. Eine Einregulierung des volkswirtschaftlichen Gleichgewichtes insgesamt ist daher nur durch finanzpolitische Maßnahmen des Staates, z. B. über den Staatshaushalt, die Kreditbilanz, die Festlegung des Preisniveaus und ähnliche Maßnahmen, möglich. Die Gewährleistung eines volkswirtschaftlichen Gleichgewichts und damit auch die generelle Lösung des Problems der materiellen Deckung ist daher nicht, wie es oberflächlich gesehen erscheint, nur ein Problem der Gestaltung der materiellen Proportionen in der Volkswirtschaft, sondern auch - und auf volkswirtschaftlicher Ebene sogar in erster Linie ein finanzpolitisches Problem. Dieses wurde sowohl theoretisch als auch praktisch unter den Bedingungen der sozialistischen Wirtschaft bisher noch ungenügend beachtet und untersucht. Wie eine Nichtübereinstimmung zwischen finanzieller Gesamtnachfrage und materiellem Angebot gemessen werden kann und welches Verhältnis für das volkswirtschaftliche Wachstum notwendig ist, muß noch näher untersucht werden. Sicher ist jedoch, daß im großen und ganzen eine Übereinstimmung zwischen finanzieller Gesamtnachfrage und der materiellen Deckung anzustreben ist, daß aber eine absolute Übereinstimmung beider Größen nicht unbedingt notwendig erscheint und wahrscheinlich auch nicht die besten Bedingungen für ein optimales Wirtschaftswachstum gewährleistet. Die Festlegung eines wachstumsoptimalen Verhältnisses ist jedoch ein kompliziertes Problem. So würde z. B. eine Einregulierung der finanziellen Gesamtnachfrage unter das Gesamtangebot die g e n e r e l l e Ursache materieller Versorgungsprobleme nicht nur beheben, sondern ein gewisses Überangebot schaffen, das die einzelnen Betriebe besonders dazu zwingt, qualitativ hochwertige Produkte mit kurzen Lieferzeiten herzustellen, aber andererseits führt das zu Absatzschwierigkeiten, die unter Umständen eine extensive Erweiterung der Produktion behindern. Aus diesen Überlegungen ist ersichtlich, wie schwierig es ist, das optimale Verhältnis zu bestimmen. Praktisch ist diese Problematik insofern einfacher, als es - je nach der gegebenen Situation, in der sich das volkswirtschaftliche Gleichgewicht befindet - meist darauf ankommt, das Verhältnis der Gesamtproportionen allmählich in der einen oder anderen Richtung zu beeinflussen. Ein einreguliertes Verhältnis zwischen finanzieller Gesamtnachfrage und materieller Deckung schafft die generelle Voraussetzung für die Lösung allgemeiner Versorgungs- oder Absatzprobleme der Betriebe, aber damit ist noch nicht das Problem der elastischen Anpassung der einzelnen Produktionen an den Bedarf gelöst. Aber auch für die Herstellung eines partiellen Gleichgewichts zwischen Produktion und finanzieller Nachfrage bei einzelnen E r zeugnissen schafft ein einreguliertes volkswirtschaftliches Gleichgewicht günstige Voraus72

Setzungen, da es erst auf dieser Grundlage möglich ist, ein richtiges Wechselverhältnis zwischen Plan und Markt herzustellen und zugleich günstige Voraussetzungen f ü r die effektive Wirksamkeit ökonomischer Hebel zu schaffen. Um ein richtiges Wechselverhältnis zwischen Plan und Markt herstellen zu können, ist es f ü r die weitere Forschung wichtig, die bisher in der politischen Ökonomie übliche Konfrontierung zwischen der Regulatorfunktion des Planes und der Regulatorfunktion des Wertgesetzes zu überwinden. Diese Gegenüberstellung beruht auf einer unzulässigen Identifizierung von zentraler Planung mit materieller Bilanzierung einerseits und dezentraler Produktionsregulierung und Ausnutzung des Wertgesetzes andererseits. Dabei wird völlig der wesentliche Grundsatz außer acht gelassen, daß die Einheit von materieller und finanzieller Planung auf allen Ebenen der Volkswirtschaft gewährleistet sein muß. Eine Einordnung der materiellen Bilanzierung in das ökonomische System des Sozialismus kann daher nicht einfach durch Reduzierung der zentral bilanzierten Positionen erfolgen. Damit werden die Gleichgewichtsprobleme nicht gelöst, sondern können sogar noch zunehmen. E s ist vielmehr notwendig, Finanzen, Preise und Löhne auf der Grundlage einer materiellen Bilanzierung und Optimierung sowohl für die zentrale als auch dezentrale Steuerung der Ware-Geld-Beziehungen zwischen den Betrieben auszunutzen. Während die materielle Bilanzierung auf zentraler Ebene immer nur ausgewählte Erzeugnisse und Leistungen erfassen kann, ist es mit Hilfe der Finanzen, P r e i s e , Steuern, K r e d i te und Löhne möglich, alle Beschaffungs- und Verkaufsentscheidungen der Betriebe in der volkswirtschaftlich beabsichtigten Weise zu beeinflussen. Aber auch dabei muß die Einheit zwischen materieller und finanzieller Planung gewahrt bleiben, da die Grundrichtung der volkswirtschaftlichen Entwicklung nur mit Hilfe von Planungs- und Optimierungsmodellen auf der Basis materieller und gebrauchswertmäßiger Kennziffern berechnet werden kann. Eine ständige Einregulierung des Verhältnisses zwischen finanzieller Gesamtnachfrage und Produktionsangebot schafft auch günstige Voraussetzungen f ü r eine sortimentsgerechtere Abstimmung zwischen der Produktions- und Bedarfsstruktur, da auf diese Weise auch elastische Methoden f ü r die Anpassung einzelner Produktionen an die Nachfrage angewandt werden können. Solange aber ein mehr oder weniger großer finanzieller Nachfrageüberhang vorhanden ist, kann objektiv auf bestimmte Formen der Fondierung zur Lösung volkswirtschaftlich wichtiger materieller Versorgungsprobleme nicht verzichtet werden. Bei einem einregulierten Verhältnis zwischen finanzieller Gesamtnachfrage und materiellem Produktionsangebot wird außerdem die Anwendung elastischer Methoden der Anpassung der einzelnen Produktion an die kauffähige Nachfrage nicht nur möglich, sondern auch notwendig, da wesentlich höhere Forderungen an eine sortiments- und zeitgerechte Produktion gestellt werden. Die Produktionsbeauflagung und Beschaffungskontingentierung für einen J a h r e s Zeitraum und die Orientierung der Betriebe auf Erfüllung dieser Planfestlegungen geht theoretisch und praktisch von einer weitgehenden Identität zwischen dem geplanten und dem effektiven Bedarf aus. In der Praxis treten aber in mehr oder weniger großem Umfang Divergenzen zwischen der geplanten und der effektiven Nachfrage auf. Bei einem gewissen finanziellen Kaufkraftüberhang ist es im allgemeinen einfacher, die ursprünglich geplante und hergestellte, aber nicht mehr ganz bedarfsgerechte Produktion abzusetzen. Bei einem regulierten Verhältnis zwischen Gesamtnachfrage und Gesamtangebot ist das im allgemeinen nicht mehr möglich. Wenn Divergenzen zwischen der ursprünglich geplanten Produktion und der effektiven Nachfrage bei einer bestimmten Produktion auftreten, so führt eine vorrangige Orientierung der Betriebe auf Erfüllung der ursprünglich aufgestellten Produktionspläne zu nicht absetzbaren Beständen an Fertigerzeugnissen. Diese Bestände müssen aus Akkumulationsmitteln finanziert werden und reduzieren effektiv die Akkumulationskraft der Volkswirtschaft.

73

Die Gewährleistung des partiellen Gleichgewichts zwischen Angebot und finanzieller Nachfrage bei einzelnen Erzeugnissen durch die Ausnutzung des Wertgesetzes für eine elastische zentrale Produktionsregulierung ist daher nicht nur für die Effektivität der betrieblichen Produktion, sondern auch für das volkswirtschaftliche Wachstum von wesentlicher Bedeutung.

FUSSNOTE 1

Vgl. W. Ulbricht, Die gesellschaftliche Entwicklung in der DDR bis zur Vollendung des Sozialismus, Berlin 1967

74

PETER ERDÖS

Ü b e r R e p r o d u k t i o n s l e h r e und K o n j u n k t u r t h e o r i e

Die konjunkturellen Schwankungen sind Schwankungen im Reproduktionsprozeß; ihre Theorie muß sich daher auf die Theorie der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals stützen. Im folgenden sollen dazu einige elementare Ausgangspunkte dargelegt werden. Die Reproduktionsschemata, wie sie im n. Band des "Kapitals" zu finden sind, stellen den Fall des dynamischen Gleichgewichtes dar. In ihnen fallen die Preisgrößen mit den Wertgrößen zusammen; die Ware Arbeitskraft wird zu ihrem Wert bezahlt, und so weicht auch die Mehrwertsrate nicht von ihrer durchschnittlichen Größe ab. Dies sind Annahmen, die auch aufgegeben werden können, ohne dadurch das Wesen der Marxschen Gedanken preisgeben zu müssen. Diese Annahmen müssen aufgegeben werden, wenn die Schemata Änderungen im Konjunkturgang zeigen sollen. Liegen doch zum Beispiel bei einer für die Kapitalisten überdurchschnittlich günstigen Konjunktur die Preise höher als im Durchschnitt. Wenn dabei auch die tatsächliche Mehrwertrate höher als die durchschnittliche liegt, also die Preiserhöhung nicht bloß nominell, inflationistisch ist, so ist das umgekehrt tatsächlich ein Zeichen günstiger Konjunktur. Ich will nun zeigen, daß sich die Marxschen Reproduktionsschemata, sobald man die Bedingung des Zusammenfallens aller Preise mit den entsprechenden Werten aufgibt, ausgezeichnet zur Darstellung und theoretischen Analyse der über- und unterdurchschnittlichen Konjunktur eignen. Wir sind - wenigstens in der reinen Theorie - gewohnt, immer ein Zusammenfallen von Werten und Preisen anzunehmen. Ist es aber überhaupt möglich, über solche Preisgrößen, die von den entsprechenden Wertgrößen (oder Produktionspreisgrößen) abweichen, quantitativ etwas theoretisch Sinnvolles auszusagen? J a , ich meine, das ist zumindest für das jeweilige zeitlich variierende Durchschnittspreisniveau der Gesamtheit der Konsumtionsmittel durchaus möglich. Wenn wir der Einfachheit halber von dem Außenhandel und von den Staatseinnahmen und -ausgaben absehen, können wir nämlich Uber ein rein kapitalistisches Land sagen, daß hier ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den nachstehenden Größen gegeben sein muß: 1. dem Volumen der in einer Periode auf dem Markt angebotenen Konsumtionsmittel; 2. ihrer Preissumme; 3. dem Volumen der persönlichen Konsumtion der Kapitalisten; 4. der nominellen Lohnsumme der Arbeiter; 5. dem ersparten Teil der Lohnsumme. Wenn man vom Volumen der produzierten Konsumtionsmittel die Summe des Volumens der persönlichen Konsumtion der Kapitalisten und des Volumens der Änderungen der Lagerbestände abzieht und den so erhaltenen Rest (den Teil der Konsumtionsmittel, der den Arbeitern zufällt) mit dem Durchschnittspreis der Volumenseinheit der Konsumtionsmittel multipliziert, erhält man eine Preissumme, die gleich der um die eventuellen laufenden Ersparnisse verminderten Gesamtlohnsumme ist. In einer mathematischen Formel ausgedrückt: (K - k - A 1)

.

pk

= X L

-

SA.

Dabei bedeuten: K das Volumen der Konsumtionsmittel, k das Konsumtionsvolumen der Kapitalisten, A 1 die Volumenänderung der Lagerbestände, £ L die ausbezahlte Lohnsumme, S , die Summe der Nettoersparnisse von den Löhnen und schließlich p den 75

Preis der Volumenseinheit der Konsumtionsmittel. Die zuletzt angeführte Kennziffer nenne ich den Preiskoeffizienten der Konsumtionsmittel. Seine Größe ergibt sich aus der Formel Pk

X L - SA K-k- A I

=

(1>

Wenn man bedenkt, daß das Volumen der Änderung der Lagerbestände, verglichen mit der Menge der auf den Markt gebrachten Waren,klein ist und daß von dem Verhältnis der Summe der Nettoersparnisse der Arbeiterklasse zur Gesamtlohnsumme dasselbe gesagt werden kann, so wird man einsehen, daß die Formel (1), ohne dabei grobe Fehler zu begehen, auch in folgender, vereinfachter Form geschrieben werden kann: 2 Pk

L

" k T

=

'

(la)

Der Preiskoeffizient ist also ein Bruch, in dessen Zähler ein Geldausdruck, im Nenner aber ein Volumensausdruck zu finden ist: er ist gleich der für eine Volumenseinheit der Konsumtionsmittel zu zahlenden Lohnsumme. Wenn man daher für die Geldeinheit jenen Betrag wählt, der den Geldlohn von einer Werteinheit der Ware Arbeitskraft darstellt, und für die Volumenseinheit der Konsumtionsmittel jenes Volumen wählt, dessen Wertgröße gleich 1 ist, dann wird auch der Preiskoeffizient immer gleich 1 sein, sooft der Wert des Reallohnes mit dem Wert der Arbeitskraft zusammenfällt. Erhält man dagegen einen Preiskoeffizienten größer als 1, so ist das ein Zeichen dafür, daß der Arbeitslohn nicht hinreicht, den vollen Wert der Ware Arbeitskraft zu e r setzen. Was hat nun das mit der Theorie der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals zu tun ? Vieles. Es sei in irgendwelchen freigewählten Zahlen ein zweisektoriges Reproduktionsschema nach dem Marxschen Vorbild gegeben. Es hat folgende Form: I.

°l

+ vl +

m

i

°2

+ V2 +

m

2

Bei erweiterter Reproduktion werden die Mehrwerte m^ und m^ in j e drei Teile zerlegt, nämlich in m ^ und m ^ (Konsumtion der Kapitalisten) m ^ und m ^ (Akkumulation von Produktionsmitteln) sowie m ^ und m ^ (für zusätzliche Löhne auszuzahlender Teil des Mehrwertes). Das Gleichgewicht des Reproduktionsprozesses erfordert in diesem Marxschen Modell die Erfüllung folgender Gleichheit (oder Gleichung): Vl + kkl + mvl

= °2

+ mc2

(3)

Man sagt ferner, daß im Kapitalismus die Forderung dieser Gleichung höchstens in einem zeitlichen Durchschnitt, nicht aber in jedem Augenblick erfüllt werden kann. Im allgemeinen wird also folgendes zutreffen: V1

+m

kl

+ mvl

= °2

+ mc2 + X

< 3a)

Dabei stellt X eine positive oder negative Größe dar, je nachdem, ob in der Formel (3) die rechte oder linke Seite der Gleichung größer ist. Man beachte, daß die Formeln (2), (3) und (3a) einerseits Volumengrößen, andererseits aber Wertgrößen darstellen, wobei als Werteinheit der Wert einer Volumenseinheit dient. 76

Wenn man annimmt, daß die Zahlen v^ und V2 außer dem Wert der angewandten Arbeitskraft zugleich auch die nominelle Lohnsumme derselben Arbeitskraftmenge ausdrücken, so sind wir bei der oben spezifizierten Wahl der Einheiten angelangt. Bei dieser Wahl der Einheiten ist der Preiskoeffizient der Konsumtionsmittel gleich 1, wenn Wert und Preis der Ware Arbeitskraft gleich sind. Und nun wollen wir die Größe jenes Preiskoeffizienten bestimmen, für den die Daten aus den Formeln (2), (3) und (3a) entnommen werden. (Es wird dabei angenommen, daß die in einer Periode 1 hergestellten Produkte, die mit der Arbeitskraftmenge v^ und v^ produziert worden sind, erst in der Periode 2 realisiert verkauft werden, wo bereits eine Arbeitskraftmenge Vj^ + v 2 + m y l + funktioniert.) Dann wird man in den Zähler des Bruches (la) für I L die Größe v. + v„ + m , + m „ , in den Nenner aber für K-k 1 2 vi v2 c 2 + v 2 + m 2 - ( m ^ + m^g) einsetzen, so daß wir folgende Gleichung erhalten: V

k "

P

°2

l

+ V

+ V

2

2+

+ m

m

vl

+ m

2 ~ ^"kl

v2 + m

k2^

Man setze hier in den Zähler für v^ + m ^ aus der Gleichung (3a) den Ausdruck c +m £ä

Ca

- hl

Kl

+ X ein, man berücksichtige, daß m = m ¿t

C P

k "

2 + V2 + c2 + V

2

m

c2

+ m

+ m

c2

v2-mkl

+ m

v2- kl m

+ X



+m

VZ

, und man erhält: X

1 +

"

C

2

+ V

2

+ m

c2

+

m

v2"mkl

oder anders geschrieben: P, =

1 +

X v—7Z,—T~Z,—^ '

(5)

Da nun der Nenner dieses Bruches größer als 0 ist (der Konsum der Kapitalisten k l + m k 2 i s t ^l 6 " 1 6 1 " das Volumen K aller Konsumtionsmittel), haben wir folgendes wichtige Ergebnis erhalten: Der Preiskoeffizient der Konsumtionsmittel ist größer oder kleiner als 1, er ist also größer oder kleiner als sein (zeitlicher) Durchschnitt, wenn die linke Seite der Gleichung (3), die - falls ihre Forderung erfüllt wird - das Gleichgewicht des Reproduktionsprozesses anzeigt, größer oder kleiner als ihre rechte Seite ist. Daß der Preiskoeffizient unter solchen Umständen größer als 1 werden kann, dürfte etwas unerwartet sein, da man gewohnt ist, jede Ungleichheit der zwei Seiten der Gleichung (3) als ein Zeichen dafür aufzufassen, daß der Reproduktionsprozeß gestört und ein Teil der Produkte unverkäuflich ist. Es ist aber nicht zu erwarten, daß bei einer solchen Störung der Reproduktion die Preise in die Höhe schnellen. Man ist gewöhnlich bereit, zu behaupten, daß eine Realisierung des gesamten gesellschaftlichen Warenkapitals unter der Bedingung, daß alle Warenpreise zu den entsprechenden Werten proportional ausfallen, nur dann möglich sei, wenn v^ + m ^ + m y j = c 2 + m C 2 ist. Es soll an einem einfachen Beispiel gezeigt werden, daß diese Behauptung nur in einem besonderen Sinne wahr ist. m

77

Das Marxsche Schema für die erweiterte Reproduktion lautet: I.

4000 c 1 + 1000 v + 1000 m 1 = 6000

n.

1500 c 2 +

750 v 2 +

750 m 2 = 3000

(6)

Hierbei nahm Marx an, daß m ^ = 500, und m ^ 2 = 600 seien. So ergab sich m , = 400, m , = 100, m = 100, m „ = 50. cl vi c2 v2 Die erweiterte Reproduktion konnte glatt vor sich gehen, da in diesem Fall v^ + m ^ + m ^ gleich c 2 +

m o 2

ist: beide Summen belaufen sich auf 1600. Man lasse jetzt

die erste Abteilung und die Beträge von m ^ und m ^ 2 unverändert, und man verringere die Produktion der Abteilung n etwa folgendermaßen: I.

4000 c

+ 1000 v + 1000 m = 6000

n.

1350 c 2 +

675 v 2 +

675 m 2 = 2700

(7)

E s liegt die Vermutung nahe, daß nun die Produktion der Abteilung II viel zu niedrig und deshalb die der Abteilung I viel zu hoch ist. Es scheint, als ob in diesem Fall eine Überproduktion von Produktionsmitteln stattfände und die Reproduktion deshalb gestört wäre. Eine kurze Rechnung scheint diese Vermutung zu bestätigen. Diesmal muß man nämlich, um bei gleichbleibender Konsumtion der Kapitalistenklasse die Zusammensetzung des Kapitals nicht zu ändern, 100 m^ in folgende Teile zerlegen: 500 m ^ , 400 m c l und 100 m ^ . 675 m 2 sind aber in die Teile 600 m ^ , 50 m c 2 und 25 m v 2 zu zerlegen. Nun ist die Summe von v^ + m ^ + m ^ = 1600 und die Summe von c 2 + m ß 2 = 1400. Nur ein "Störglied" X = 200 kann nach folgender Formel eine Gleichheit herbeiführen: 1000 v x + 500 m ^ + 100 m y l = 1350 c 2 + 50 m c 2 + 200 X . Dies also wäre unsere Gleichung (3a) mit konkreten Zahlen. Dennoch ist unsere Vermutung falsch. Man schreibe nämlich unser Schema (7) in folgender Form auf: I.

4000 c x + 865, 736 1 + 1143, 264 p x = 6000

II.

1350 c 2 + 578j 297 1 2 +

771,703 p g = 2700

(7a)

In diesem Schema tritt an die Stelle des Wertes v der Arbeitskraft der Reallohn 1 und an die Stelle des produzierten Mehrwertes m der realisierte Mehrwert (oder Profit) p, aber sonst ist es dem Schema (7) analog. Die Schemata (7) und (7a) stellen beide dasselbe Sozialprodukt dar. Jetzt muß p^ in folgende Teile zerlegt werden: p ^ = 500, p p

= 529,791 und p ^

= 51,494. Und nun ist 1 1 +

= 113,473; aber in p f e 2 = 600;p ß 2 = 120,209 und + p ^ = 1470, 209; aber auch c 2 + P o 2 = 1470,209, wie

es im Falle eines Gleichgewichtes sein soll. Was also ist geschehen? Ich habe im Schema (7) eine Mehrwertsrate von 100 Prozent angenommen. Das ist j a sozusagen eine Gewohnheitssache. Aber darf man das tun? Das hat zu widerspruchsvollen Ergebnissen geführt! Wir hatten einerseits den Eindruck, daß eine Überproduktion vorhanden war, andererseits wies aber das positive Störglied X 78

auf das Vorhandensein einer Preiserhöhung. Man soll auch bedenken, daß dieses Störglied, das einen Teil des neuen Wertes darstellt, ausschließlich aus Produktionsmitteln besteht und somit kein variables Kapital, sondern nur Mehrwert sein kann. Wir haben weiter angenommen, daß die Konsumtion der Kapitalisten so groß ist wie im Schema (6), daß aber die Produktion von Konsumtionsmitteln niedriger als dort ist. So muß aber der Reallohn im Schema (7) kleiner sein, als e r in Schema (6) war. Man kommt also auf den Gedanken, daß die Mehrwertrate jetzt höher als 100 Prozent sein muß. Die Summe v + m ist der neue Wert; seine Größe ist eindeutig gegeben. Wie aber e r folgt die Aufteilung des neuen Wertes in v und m ? Wenn den Arbeitern auch hier ein Nominallohn von insgesamt 1675 Einheiten ausgezahlt wird, steigen die Lebensmittelpreise aber (darauf deutet hin, daß X positiv ist), dann werden sie nur eine Lebensmittelsumme kaufen können, deren Preis zwar gleich 1675, deren Wert aber beträchtlich niedriger liegt. Es waren also ziemlich langwierige Berechnungen erforderlich, um das modifizierte Schema (7a) zu entwickeln. Dieses neue Schema stellt genau dieselbe Warensumme dar wie im Schema (7). Außerdem besitzt es Gleichgewicht. Das bedeutet, daß alle Waren zu Preisen verkauft werden können, die den entsprechenden Werten proportional sind, mit einer Ausnahme, nämlich der Ware Arbeitskraft. Denn jetzt liegt die Rate p, d. h. die Rate des r e a l i s i e r t e n Mehrwertes,zwischen 133 % und 134 %. Wenn im Marxschen Schema (6), wo die Mehrwertrate 100 % war, die Ware Arbeitskraft zu ihrem Wert verkauft worden ist, so ist der Preis der Arbeitskraft jetzt, wo sich die Mehrwertrate erhöht hat, die P r o duktivität der Arbeit aber gleich geblieben ist, viel niedriger als ihr Wert. Ich meine damit angedeutet zu haben, wie die Marxschen Reproduktionsschemata genutzt werden können, um verschiedene Konjunkturzustände darzustellen. Raum und Zeit erlauben nicht, den hier angeschnittenen Gedankengang weiterzuverfolgen. Was aber darüber bisher - zumeist in ungarischer Sprache - publiziert worden ist, wird in nicht allzu ferner Zeit in geeigneter Form auch einer internationalen Beurteilung zugänglich sein.

79

PARVIZ KHALATBARI

Anwendung der M a r x s c h e n auf d i e

Reproduktionsmodelle

Entwicklungsländer

Die wirtschaftliche Entwicklung einer jeden Produktionsweise besteht zunächst - quantitativ gesehen - aus einer Reihe von sukzessiven periodischen Stoffwechselprozessen in den verschiedenen Zweigen der Volkswirtschaft. Bei Stoffwechselprozessen handelt es sich um innere Wirtschaftsvorgänge während einer relativ kurzen historischen Periode. Diesen geschlossenen Vorgang eines periodischen Stoffwechselprozesses bezeichnet man als Reproduktionsprozeß. Jede Umschlagsperiode, in der sich der Reproduktionsprozeß vollzieht, bildet ein Glied in der Entwicklungskette. Die einzelnen Glieder sind einander ähnlich; deshalb vermag die Untersuchung eines einzelnen Gliedes Uber die Vorgänge in anderen Gliedern Auskunft zu geben. Eine derartige Untersuchung erweist sich als notwendig; denn ohne sie kann die gesamte Entwicklung - zunächst als quantitative Größe des Reproduktionsprozesses - nicht begriffen werden. Diese Untersuchung bildet die Grundlage der theoretischen Erkenntnis der Wirtschaft. Das reicht allerdings nicht aus. In jeder Umschlagsperiode wird der Mensch seine Erfahrungen, und sind sie noch so gering, erweitern sowie Produktionsmittel und Technik verfeinern. Damit trägt jede Umschlagsperiode trotz gewisser Ähnlichkeiten den Keim einer qualitativen Änderung in sich, die sich zum Beispiel in der Verbesserung der Technik der Vergrößerung der Erfahrung und in der Erhöhung des Geschicks der Produzenten widerspiegelt. Diese qualitativen Änderungen werden nicht in jeder einzelnen Umschlagsperiode des Reproduktionsprozesses sichtbar. Eine qualitative Änderung bildet sich in der Regel erst nach einer Reihe von Reproduktionsprozessen auf erweiterter Stufenleiter heraus, die naturgemäß zur Strukturwandlung der Gesellschaft führt. Die Untersuchung dieser Seite ist auf einen relativ langen Zeitraum ausgerichtet. Damit tritt ein wesentlicher Unterschied zwischen der Untersuchung der einzelnen Kettenglieder der Entwicklung und der Untersuchung einer Entwicklungsstufe auf. Während bei der Erforschung der ersten Variante solche Variablen, die erst über eine längere Zeit wirksam werden, außer acht bleiben sollen, bilden gerade diese Variablen die wesentlichen Faktoren in der zweiten Untersuchimg. Das heißt, es handelt sich einmal um eine statische Untersuchung des Prozesses als einer quantitativen Summe sich wiederholender Vorgänge in den einzelnen Kettengliedern. Zweitens aber handelt es sich um eine dynamische Untersuchung mehrerer sukzessiver Reproduktionsprozesse, die trotz ihrer Ähnlichkeiten auf bemerkenswerten qualitativen Änderungen beruhen. Eine bemerkenswerte qualitative Änderung kann durch die langsame Anhäufung und Verarbeitung von Erfahrungen stattfinden. Die Entwicklung erstreckt sich dann über einen langen Zeitraum. Damit wahr die Gesellschaft ihre Identität von Generation zu Generation, und so bleibt die qualitative Änderung für einzelne Generationen unbemerkbar. In diesem Fall handelt es sich um einen Zustand der relativen Stagnation. Im wesentlichen deckt sich hier die statische Untersuchung mit der dynamischen. Die Verbesserung der Produktionsmittel, der Arbeitsmethoden, der Geschicklichkeit und der Technik kann jedoch auch rasch vor sich gehen. Dann decken sich statische und dynamische Untersuchung nicht, sie e r gänzen sich aber gegenseitig. Sowohl die statische als auch die dynamische Untersuchung kann mittels Modellen vor sich gehen. Die Modelle sind nur eine gedankliche Hilfskonstruktion zur logischen Behandlung und Erklärung der Vorgänge der wirtschaftlichen Wirklichkeit und ihrer Gesetzmäßigkeiten. Es ist einleuchtend, daß es sich bei diesen Modellen um abstrakte und nicht von allen Seiten beleuchtete Bilder der Wirklichkeit handelt. Sie stellen die Wirklichkeit aus einer ganz bestimmten und wesentlichen Perspektive dar. 81

Die Darstellung der volkswirtschaftlichen Vorgänge und i h r e r Gesetzmäßigkeiten in den Entwicklungsländern kann auf das Modell, sei es statisch oder dynamisch, nicht verzichten. Die Ausarbeitung eines derartigen Modells ist mit Schwierigkeiten verbunden, die vor allem in der Uneinheitlichkeit und Differenziertheit der Entwicklungsländer zu suchen sind. Es geht hier darum, ein statisches Modell zu finden, das wenigstens die wesentlichen Vorgänge im Reproduktionsprozeß der Entwicklungsländer darstellt. Aber auch von dieser Seite aus läßt sich eine gewisse Differenzierung bzw. Gruppierung der Entwicklungsländer nicht vermeiden. Hier wurde versucht, ein einfaches Modell zu erarbeiten, welches die Grundzüge des Reproduktionsprozesses des hauptsächlichen Typs der Entwicklungsländer darstellt. Es handelt sich also um denjenigen Typ der Entwicklungsländer, in denen der überwiegende Teil des Nationaleinkommens aus d e r Landwirtschaft stammt und wo die Agrarprodukte einen großen Teil des Exports ausmachen. Mit einer gewissen Modifizierung ist dieses Modell auch f ü r die anderen Typen der Entwicklungsländer anwendbar. In dieser Arbeit wird an verschiedenen Stellen auf die Differenzen hingewiesen, und es wird versucht, das Modell zu modifizieren, um die Aussagekraft zu verstärken. Dieser Versuch soll als e r s t e r Schritt betrachtet werden. Später kann dieses Modell durch andere Modelle oder Teilmodelle ergänzt werden. In dieser Untersuchung gehen wir von einem einfachen Modell aus. Da es sich um ein statisches Modell handelt, wird von einigen Variablen, wie Änderung der Technik, Bevölkerungswachstum, Unterschied zwischen Wert und P r e i s u s w . , abstrahiert. Diese Variablen sind entscheidend bei der dynamischen Untersuchung der Entwicklungskette. Sie können aber f ü r ein einzelnes Kettenglied vernachlässigt werden. In den Modellen wurden die Entwicklungländer als Bestandteil des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems betrachtet und der Reproduktionsprozeß ausschließlich in Verbindung mit diesem System untersucht. Ausgangspunkt dieser Untersuchung soll die Dualwirtschaft sein. Das heißt, es handelt sich um nebeneinanderstehende kapitalistische und vorkapitalistische Verhältnisse in den Entwicklungsländern. Anders ausgedrückt, es liegt eine Situation vor, in der ein stagnierendes und ein dynamisches System nebeneinander existieren. E s sei vorweg genommen, daß die Landwirtschaft als Hauptzweig der Volkswirtschaft den stagnierenden Sektor bildet. Bei d e r Landwirtschaft als stagnierendem Sektor handelt es sich um einen einfachen Reproduktionsprozeß, den man wie folgt schematisch darstellen kann: •C"

"C" P -

S0

S0

(Ware) E-"C"

E

+ Ke + S0

E

"C" + K + S e o Ernte

"C"

vorgeschossenes Kapital

K

e

effektive Konsumtion der Produzenten

o

a g r a r i s c h e r Überschuß (in der Regel Produktenrente)

S

82

(Ware)

Wie aus diesem Schema ersichtlich ist, handelt es sich um einen einfachen Reproduktionsprozeß. Im Schema wird vorausgesetzt, daß K e dem Existenzminimum der Produzenten entspricht und von ihnen verzehrt wird. In ähnlicher Weise wurde "C" in Form des Saatguts, Futters und dergleichen von der gesamten Ernte abgezogen und bleibt im Produktionszyklus konstant. Im Schema bedeutet SQ Überschuß an landwirtschaftlichen Erzeugnissen, das Mehrprodukt, das die Bauern in der Regel als Grundrente an die Großgrundbesitzer abliefern. Es besteht aus dem größten Teil der Ernte. Dieser Überschuß wird nicht in der Landwirtschaft investiert, sondern wird als Ware in die Städte gebracht oder exportiert. Praktisch bleibt die landwirtschaftliche Produktion, abgesehen von klimatischen Schwankungen, immer konstant; das gilt auch für ihre Bestandteile. Es handelt sich in diesem Sektor um eine relative Stagnation. Bezüglich des agrarischen Überschusses und der Stagnation in der Landwirtschaft unterscheiden sich die Entwicklungsländer. 1 In einem Typ der Entwicklungsländer liefert ein großer Teil der Landwirtschaft auf Grund der primitiven Produktionsmittel, der Unsicherheit der Produzenten usw. keinen verfügbaren Überschuß, während in anderen Typen, die gleichzeitig den überwiegenden Teil der Entwicklungsländer ausmachen, die Stagnation der Landwirtschaft auf feudalen bzw. halbfeudalen Verhältnissen beruht. Die Deformierung des Reproduktionsprozesses ist, wie wir sehen werden, auf die Art und Weise der Aneigung des landwirtschaftlichen Überschusses durch die Großgrundbesitzer zurückzuführen. Deshalb stützt sich unser Modell auf die hauptsächlichen Typen der Entwicklungsländer. Der dynamische Sektor in den Entwicklungsländern besteht aus zwei voneinander isolierten Sektoren. Sie bestehen einmal aus einheimischen Industriezweigen, die in der Regel die Konsumtionsmittel erzeugen und als Abteilung II betrachtet werden können. Andererseits gehören zu diesem Sektor die ausländischen kapitalistischen Unternehmungen, sei es im Bergbau oder auf den Plantagen, die in der Regel die Rohstoffe erzeugen und als Abteilung angesehen werden können. Hier geht es um einen kapitalistischen Produktionszweig. Das Produkt besteht aus konstantem, variablem Kapital und Mehrwert. P

=

c + v + m.

Im Gegensatz zum landwirtschaftlichen Sektor ist der Reproduktionsprozeß hier erweitert. Das heißt, stets wird ein Teil des Mehrwerts (m) in zusätzliches Kapital (konstantes und variables) verwandelt. Der Reproduktionsprozeß wiederholt sich ständig, aber auf einer Basis, die breiter als die vorhergehende ist. Die Marxschen einfachen Reproduktionsmodelle bilden den Ausgangspunkt bei der Ausarbeitung der grundlegenden Gedanken über den Reproduktionsprozeß in den Entwicklungsländern an Hand eines einfachen Modells. Ic

+ Iv

+ Im

Ilc + I I v + I I m

= Produktion von Produktionsmitteln I = Produktion von Konsumtionsmitteln II

Marx hat die wechselseitigen Beziehungen zwischen den beiden Abteilungen untersucht und kommt dabei zu folgender Gleichung: I

(v + m)

=

II c

Das heißt, daß " . . . bei einfacher Reproduktion die Wertsumme (v + m) des Warenkapitals I (also auch ein entsprechender proportioneller Teil des Gesamtwarenprodukts I) gleich sein muß dem ebenfalls als proportioneller Teil des gesamten Warenprodukts der Klasse II ausgeschiednen, konstanten Kapital II c " . 2 Das Schema von Marx trifft für eine reife, kapitalistische Gesellschaft zu, in der die Gesellschaft ausschließlich aus zwei Klassen besteht. Das heißt, der Kapitalismus hat sich sowohl der Landwirtschaft als auch der Industrie bemächtigt. Somit umfaßt ein bisektorales 83

Modell,wie es dasjenige von Marx ist, sowohl die landwirtschaftliche als auch die Industrieproduktion. 3 Dieses Modell kann in anderen als den reifen kapitalistischen Gesellschaften und in den Entwicklungsländern nur durch eine gewisse Modifizierung angewendet werden. Die Modifizierung beruht auf realen Vorgängen in den Entwicklungsländern. Hier sind die volkswirtschaftlichen P r o z e s s e nicht rein kapitalistisch und dynamisch, sondern sie sind dualistisch. Während das Marxsche bisektorale Reproduktionsschema im kapitalistischen Sektor als einem dynamischen Sektor anwendbar i s t , bleibt der stagnierende,nichtkapitalistische Sektor, also die Landwirtschaft, außerhalb des Schemas. Es geht hier um zwei Sektoren mit unterschiedlichen Reproduktionsvorgängen. Einmal handelt es sich um den dynamischen Sektor mit Abteilung I und n , der den kapitalistischen Gesetzen des Reproduktionsprozesses unterworfen ist, und zum anderen um die Landwirtschaft als dem stagnierenden Sektor der Volkswirtschaft, in dem sich die kapitalistische Produktionsweise noch nicht durchgesetzt hat und die Produktion der Produktions- und Konsumtionsmittel sich als zwei selbständige Abteilungen noch nicht herausgebildet hat. Beide Sektoren stehen als Bestandteil des volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozesses in Beziehung zueinander. Diese Beziehung beruht nicht auf der Verschmelzung d e r Landwirtschaft und d e r Industrie zu einer Einheit wie im Fall des reifen Kapitalismus und der Marxschen Modelle, sondern es geht hier um eine Beziehung zwischen den in den Kreislauf des Kapitals einbezogenen und den nicht einbezogenen Sektoren. Abgesehen von diesem wesentlichen Unterschied zwischen dem Marxschen Modell des Reproduktionsprozesses f ü r den reifen Kapitalismus und dem marxistischen Modell d e r Reproduktion f ü r die Entwicklungsländer,existiert zwischen beiden Modellen noch ein anderer Unterschied. Bei den Marxschen Modellen handelt es sich um eine Gesellschaft, deren Gesamtproduktion in zwei große Abteilungen zerfällt. Der Standort beider Abteilungen ist dieselbe Gesellschaft. In den Entwicklungsländern sieht die Sache etwas anders aus. Die vorhandene Abteilung I besteht überwiegend aus ausländischen Unternehmungen im Bergbau und in den Plantagen Sie werden nach den Bedürfnissen d e r Metropole errichtet und sind hypertroph entwickelt. Sie stehen in keiner Proportion zur Abteilung II d e r jeweiligen Entwicklungsländer, und es gibt keine organische Beziehung zwischen ihnen. Im Grunde genommen sind sie ein Bestandteil des Reproduktionsprozesses in den Metropolen. Die restlichen Zweige der Abteilung I sind in den Entwicklungsländern nur minimal vorhanden. Deshalb haben wir in diesem Modell zunächst die Abteilung I außer acht gelassen. Das heißt, im Unterschied zu dem ursprünglichen Schema besteht d e r dynamische Sektor in den Entwicklungsländern nur aus der Abteilung II. Anders gesagt:Der Standort der Abteilungen I und II liegt nicht in ein und derselben Gesellschaft, also in den Entwicklungsländern. Während der Standort der Abteilung I in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern liegt, befindet sich der Standort der Abteilung II in den Entwicklungsländern. Die Unterschiedlichkeit der Standorte von Abteilung I und n führt dazu, daß d e r Umsatz zwischen beiden Abteilungen nur durch den Import von I (v + m) und den Export von II c stattfinden kann. Das heißt, in diesem Prozeß spielt d e r Außenhandel eine entscheidende Rolle. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Produkte d e r Abteilung II der Entwicklungsländer auf den Märkten der Metropole schwer absetzbar sind. Die Hauptexportgüter d e r Entwicklungsländer stellen nicht die Produktion der Abteilung II d a r . Den Absatzmarkt dieser Produkte bildet vor allem der innere Markt. Für die Entwicklungsländer besteht also lediglich eine Möglichkeit des Austausches der Produkte der Abteilung I mit einem anderen vorhandenen Sektor, nämlich dem der Landwirtschaft. Bestenfalls ist es ein Teil des agrarischen Überschusses (SQ), der gegen n c ausgetauscht wird. Gleichzeitig bildet der agrarische Überschuß die Hauptexportgüter d e r Entwicklungsländer, die gegen Produkte der Abteilung I ausgetauscht werden können.^ Damit besteht die Gleichung n c = I (v + m) in den Entwicklungsländern im Unterschied zum ursprünglichen Schema aus zwei u n t e r 84

schiedlichen Vorgängen. Einmal geht es um den Austausch zwischen II c und S 0 , also He —

S0 .

und zum anderen handelt es sich um den Export eines Teils der S Q und dessen Austausch gegen I (v + m), also SQ —

I (v + m).

Damit fungiert der agrarische Überschuß als Katalysator im Prozeß des Umsatzes zwischen II c in den Entwicklungsländern und eines Teiles von I (v + m) in den Metropolen. Somit wurde die Rolle der Landwirtschaft im Reproduktionsprozeß entscheidend gehoben. Vom Charakter des agrarischen Überschusses hängt der Ablauf des Reproduktionsprozesses ab, und so lassen sich eine Reihe von wesentlichen Fragen erklären. Betrachten wir nun die Sache etwas näher. Der agrarische Überschuß taucht im Prozeß des Umsatzes zwischen II c und I (v + m) zweimal auf. Einmal soll hier die Beziehung zwischen dem Reproduktionsprozeß in der Landwirtschaft, also dem stagnierenden Sektor, und der Abteilung II als dynamischem Sektor in den Entwicklungsländern untersucht werden. Zum anderen soll die Beziehung der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern mit dem Reproduktonsprozeß der Metropole betrachtet werden. Der agrarische Überschuß besteht, falls er insgesamt produktiv außerhalb der Landwirtschaft verwendet wird, aus drei Teilen: s wobei

exp

s c

= s, +S + s , (v + m) r exp

+

r

= Nahrungsmittel der Werktätigen und Kapitalisten in Abteilung II, also ein Teil von II^V + m ) = ^k = Rohstoffe für die Abteilung n (Teil von n c)

s

= Überschuß für Export zum Import

+

m

j•

Damit wird der agrarische Überschuß zunächst gegen D e ( als Rohstoffe oder Produktionsmittel) und ein Teil von n , y + ,, also 11^, ausgetauscht. Man kann diesen Prozeß im günstigsten Falle folgendermaßen darstellen: S

O

= II

+ IL . C K

Der einfache Reproduktionsprozeß ist erst möglich, wenn ein Teil der Produkte von Abteilung II, also II (c + k),von der Landwirtschaft absorbiert werden. Präziser gesagt, wenn die Inhaber von S Q in der Lage sind, diesen Teil der Produkte der Abteilung n zu absorbieren. Das hängt allerdings nicht von der Menge an S Q ab, sondern vielmehr davon, inwieweit der ökonomische Überschuß der Landwirtschaft der Masse der Bauern zur Verfügung steht. Die Konzentration von S 0 in den Händen nur weniger reduziert die Aufnahmefähigkeit der Landwirtschaft für Produkte der Abteilung II weitgehend, weil die Bedürfnisse dieser Minderheit nach Konsumtionsmitteln nur beschränkt sind. Unter diesen Umständen ist ein stationäres Gleichgewicht nur von den Bedürfnissen dieser Minderheit abhängig. Jede Verminderung der Bedürfnisse wird sogar den einfachen Reproduktionsprozeß gefährden. In der Tat geht es bei dem Marxschen Reproduktionsschema nicht ausschließlich um den einfachen Reproduktionsprozeß, sondern vielmehr um den erweiterten Reproduktionsprozeß. In diesem Fall wird ein Teil des Mehrwertes (m) akkumuliert und entsprechend der organischen Zusammensetzung des Kapitals erneut investiert. Der Mehrwert zerfällt sowohl in Abteilung I als auch in Abteilung II in konstantes und variables Kapital. Der Umsatz zwischen beiden Abteilungen im Unterschied zum einfachen Reproduktionsprozeß ist kompliziert. Im Gegensatz zum einfachen Reproduktionsprozeß, wo II c = I( v + ist, ist hier H c kleiner als I < v + m ) . 85

(Der Teil des agrarischen Überschusses, der zu Exportzwecken benutzt wird, besteht in Wirklichkeit sowohl aus Rohstoffen wie auch aus Konsumtionsmitteln. Hier, in u n s e r e r Betrachtung, ist dieser exportierbare Teil nur als Konsumtionsmittel gedacht, wodurch das Modell vereinfacht wird, ohne daß seine Aussagefähigkeit beeinträchtigt wird). Ein gleichgewichtiger Umsatz kann e r s t zustande kommen, wenn die Akkumulation in Abteilung II r a s c h e r vor sich geht als in Abteilung I, weil der Teil von I (v + m), d e r in Waren II c umzusetzen ist, r a s c h e r wächst als II c, gegen das e r sich allein umsetzen k a n n . 5 Demnach ist der Umsatz zwischen beiden Abteilungen nach der organischen Zusammensetzung des Kapitals in den Abteilungen und der Akkumulationsrate in Abteilung I bestimmt. Ein gleichgewichtiger Umsatz kann folgendermaßen dargestellt werden:

t

n c = I (v + k 1, ) II (c + A c) = (v + A v + k g )

t

II (c + 2 A c + 6 c) = I (v + 2 A v + 6 v + k 3 )

t

t

o

t , t2

. . . = Beproduktionsperiode

k , k , , k„ . . . = Unternehmerrevennue. o 1 2 Dabei ist die kumulative Akkumulation in Abteilung II also c + 2 A c + d e usw. gleich der kumulativen Akkumulation von variablem Kapital in Abteilung I und der wachsenden Unternehmerrevenue in dieser Abteilung). Es ist dies ein sich erweiternder Prozeß, das heißt, die beiden Seiten der Gleichungen sind Objekt des ständigen Wachstums. Das quantitative Wachstum hängt davon ab, inwieweit die Bedingungen des Gleichgewichts zwischen beiden Abteilungen erfüllt sind. Die Entwicklung der Abteilungen soll also in einer solchen Art und Weise vor sich gehen, daß sie ein optimales Wachstum in beiden Abteilungen sichert. Dieses Schema soll in den Entwicklungsländern nun modifiziert betrachtet werden, das heißt, der Umsatz zwischen beiden Abteilungen soll sich nicht innerhalb der Grenzen einer Gesellschaft vollziehen, sondern gleichzeitig einen Austauschprozeß zwischen zwei verschiedenen Arten von Ländern, Entwicklungsländern und hochentwickelten kapitalistischen Ländern. Man darf aber auch dabei nicht vergessen, daß der Umsatz zwischen den Abteilungen unter besonderen Bedingungen vor sich geht. II (c + A c) als Produkte der Abteilung II finden in den hochentwickelten Ländern kaum einen Absatz, während sich dagegen I (v + m) im Reproduktionsprozeß des dynamischen Sektors in den Entwicklungsländern als dringend notwendig erweist. Dieser Austausch kann wie bei einfacher Reproduktion mittels agrarischen Überschusses als Katalysator der Umsatz-Zwischenabteilungen stattfinden. Das bedeutet, daß die Produkte der Abteilung II, also II (c + A c), gegen den agrarischen Überschuß des stagnierenden Sektors S und S wieder gegen I (v + m) ausgetauscht werden. Betrachten wir diesen Prozeß etwas eingehender. Es wird zunächst vorausgesetzt, daß der gesamte agrarische Überschuß in den Austauschprozeß eintritt. Dieser schafft sowohl Rohstoffe und Nahrungsmittel als auch durch den Export die Produktionsmittel f ü r die Abteilung II, was sich wie folgt darstellen läßt: S = II + IL . O C K Gesetzt den Fall, die Besitzer des ökonomischen Überschusses in der Landwirtschaft - subjektiv gesehen - haben keine beschränkten Bedürfnisse f ü r die austauschbaren Produkte der Abteilung II, so handelt es sich objektiv aber um eine Beziehung zwischen zwei qualitativ unterschiedlichen Kategorien. Während S Q unter den Bedingungen der stagnierenden Landwirtschaft konstant bleibt, wächst n (c + k) gesetzmäßig und ununterbrochen. Das heißt, der Bedarf der Abteilung II sowohl nach Rohstoffen s r und Nahrungsmitteln s^ v + als auch nach landwirtschaftlichen Exportgütern s e x _ wächst. In d e r Tat deckt die Abteilung II den 86

Bedarf nach Rohstoffen und Nahrungsmitteln auf Kosten der exportierbaren Teile des agrarischen Überschusses. 6 Damit wird s e x p unter den Bedingungen der stagnierenden Landwirtschaft sogar quantitativ abnehmen. Das bedeutet wiederum, daß die Beschaffung der Produktionsmittel für die Abteilung II stark behindert wird, was offenbar die Gefahr der Verlangsamung des Wachstumstempos der Abteilung II bzw. ihre Lahmlegung oder gar Ruinierung in sich birgt. Ein gleichgewichtiger Austausch zwischen II (c + k) und S 0 ist nur durch den Zuwachs von S 0 , also den Zuwachs des agrarischen Überschusses,möglich. Das kann unter einem stagnierenden System auf zwei Arten vor sich gehen. Einmal kann sich S 0 , also die Produktenrente, auf Kosten der effektiven Konsumtion der Bauern (Ke) vergrößern. In unserem Modell wird K e als minimal angenommen. Jeder weitere Versuch zur Beschränkung des Minimums der Existenzmittel der landwirtschaftlichen Produzenten wird den Reproduktionsprozeß in der Landwirtschaft gefährden. Mit einer Verminderung dieses Minimums käme es auch zur Verminderung der Arbeitskapazität der Produzenten. Auf lange Sicht würde sich S 0 vermindern und damit zu einer Krise der Landwirtschaft führen. Die Vergrößerung von S Q kann auch durch Verkürzung der Brachezeit erfolgen. Die Brachlegung des Landes für eine bestimmte Zeit ist unter den gegenwärtigen rückständigen Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer die Hauptvoraussetzung des Reproduktionsprozesses. Die Verletzung dieser Bedingungen würde die Hektarerträge reduzieren und letzten Endes zu einer Katastrophe in der Landwirtschaft führen. Die Ruinierung der Landwirtschaft und die Agrarkrise sind dann eine gesetzmäßige Folge des Reproduktionsprozesses in den Entwicklungsländern. Diesen beiden Maßnahmen - soweit sie als effektiv und unschädlich angesehen werden - sind aber natürliche Grenze gesetzt. Sie können bestenfalls für eine gewisse Zeit das Gleichgewicht zwischen II (c + k) und S Q aufrechterhalten. Das heißt, diese Maßnahmen bedeuten keineswegs die Lösung dieser Fragen, sondern lediglich eine Verzögerung ihrer Lösung. Charakteristisch für den Reproduktionsprozeß der Entwicklungsländer unter diesen Bedingungen ist der ständige Zuwachs der Diskrepanz zwischen den Produkten der Abteilung n und dem agrarischen Überschuß. Präziser ausgedrückt, handelt es sich hier gleichzeitig um eine wachsende Schwierigkeit der industriellen Produktion und ihrer Realisierungsmöglichkeiten. Dieser Vorgang läßt sich folgendermaßen schematisch darstellen. Die Produkte der Abteilung II, die gegen den agrarischen Überschuß ausgetauscht werden sollen, entwickeln sich in den sukzessiven Umschlagsperioden (vorausgesetzt, daß der gesamte Mehrwert akkumuliert wird) wie folgt: II (c + k)

o 1 2

=

II (C + k +

=

n . . . usw. entwickeln sich dann wie folgt t t

= I (v + K ) o = I (v + A v + K x )

t2

=I ( v + 2 A v +

o

5 v + K^

Während diese Produkte sowohl quantitativ als auch qualitativ im Wachsen begriffen sind, ist der agrarische Überschuß quantitativ und wertmäßig im Sinken begriffen, was den Absatz der Produkte der Abteilung I erschwert. Unter Berücksichtigung der Wirtschaftsstrukturänderung in den hochentwickelten Ländern und der geographischen Einengung ihrer Absatzmärkte sind diese Länder sowohl an einer gewissen Vertiefung der Märkte in den Entwicklungsländern als auch an einer gewissen Förderung deren Industrie interessiert. Das heißt, so betrachtet läge unter den gegenwärtigen Wirtschaftsbedingungen die Stagnation in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer nicht einmal im Interesse der hochentwickelten kapitalistischen Länder. Iii der Tat zeigen sich auch von seiten der imperialistischen Staaten Tendenzen zur Änderung der Agrarverhältnisse in den Entwicklungsländern durch eine "Agrarreform" und eine gewisse Industrialisierung dieser Länder, um den reibungslosen Reproduktionsprozeß im kapitalistischen Weltmaßstab zu sichern. Das bedeutet im Prinzip nichts anderes als die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Arbeitsteilung im kapitalistischen Weltwirtschaftssystem zwischen hochentwickelten und Entwicklungsländern. Das ist ein Vorgang, der den Reproduktionsprozeß in den Entwicklungsländern weitgehend von den hochentwickelten Ländern abhängig macht. Mit einer gewissen Förderung der Abteilung II bleiben diese Zweige weiterhin stark vom Import der Produkte der Abteilung I aus den hochentwickelten Ländern abhängig. Mit einer Agrarreform und der Orientierung der Landwirtschaft der Entwicklungsländer auf die Erfüllung der Bedürfnisse der hochent93

wickelten Länder bleibt die Gesamtwirtschaft der Entwicklungsländer weiterhin vom Willen der hochentwiekelten Länder abhängig. Diese Reformen verstärken den Zustand, der unter dem Begriff "Anfälligkeit" des Reproduktionsprozesses in den Entwicklungsländern zusammengefaßt werden kann. Diese Anfälligkeit bedroht nicht nur die ökonomische "Unabhängigkeit" dieser Länder, sondern verleiht den Metropolen ein Mittel zur politischen Erpressimg. Damit wird die politische Unabhängigkeit d e r Entwicklungsländer gefährdet. Es gibt nicht wenige Beispiele dafür, daß die Monopole durch diesen Zustand die Selbständigkeit der Entwicklungsländer verletzen und deren Versuch zur Durchsetzung eines politischen und ökonomischen Fortschritts vereiteln, l'' III Wie schon im vorigen Abschnitt erwähnt, ist ein gleichgewichtiges Wachstum des Reproduktionsprozesses in den Entwicklungsländern von einer höheren Produktion und einer höheren Produktivität in der Landwirtschaft abhängig. Eine höhere Produktivität ist der einzige Weg zur Kompensation der Nachteile der landwirtschaftlichen Produkte im Austausch gegen Industrieprodukte, die Objekte neuer Erfindungen und v e r b e s s e r t e r Qualität sind. Hierzu ist der Abzug eines großen Teils der ländlichen Bevölkerung aus den Agrarzweigen und ihr Einsatz in nichtlandwirtschaftlichen Zweigen notwendig. Das heißt, das Streben nach einem normal funktionierenden Reproduktionsprozeß geht über den Rahmen der Agrarumgestaltung hinaus. Es geht um die Industrialisierung der Entwicklungsländer und um den Einsatz der aus der Landwirtschaft abgezogenen Bauern in den Industriezweigen. Nicht nur der Umfang, sondern auch die Art und Weise dieses Einsatzes sind im Reproduktionsprozeß von entscheidender Bedeutung. Für den Einsatz der aus der Landwirtschaft abgezogenen Bauern in nichtagrarisehen Produktionszweigen oder, p r ä z i s e r gesagt, f ü r die Industrialisierung der Entwicklungsländ e r sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Varianten vorstellbar. Einmal kann die Industrialisierung im Rahmen der gegenwärtigen internationalen Arbeitsteilung vor sich gehen, und die vorhandenen Arbeitskräfte können vorwiegend beim weiteren Aufbau der Abteilung II, also in der Produktion von Konsumtionsmitteln, eingesetzt werden. In diesem Fall wird trotz Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und Produktivität der Austausch des wachsenden II c gegen wachsendes S Q dadurch gehemmt, daß die Bedürfnisse der an Zahl beschränkten landwirtschaftlichen Produzenten f ü r die Produkte der Abteilung II, also f ü r die Konsumtionsmittel, begrenzt i s t . Damit sind der Export von II c und der direkte Austausch gegen I (v + m) erforderlich. Wenn dieser Prozeß reibungslos vor sich gehen soll, bedeutet das eine bestimmte Annäherung an das ursprüngliche Modell innerhalb des kapitalistischen Weltsystems. Mit der Kapitalisierung der Landwirtschaft wird die Sonderstellung der Landwirtschaft allmählich aufgehoben. Innerhalb des kapitalistischen Weltsystems wird die Arbeitsteilung auf der Basis d e r kapitalistischen Produktionsweise ausgedehnt, indem die Entwicklungsländer vorwiegend als Standort der Abteilung n fungieren. Im Rahmen des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems bedeutet dieser Prozeß die o r ganische Eingliederung der Entwicklungsländer in dieses System. Es handelt sich um einen Prozeß, d e r unter dem Begriff Neokolonialismus zusammengefaßt wird. Eine Reihe von bürgerlichen Ökonomen und V e r t r e t e r aus imperialistischen Staaten e r klären sich deutlich f ü r diesen W e g . 1 8 Der einzige Weg, der die Anfälligkeit des Reproduktionsprozesses in den Entwicklungsländern überwinden kann, ist der Einsatz d e r von der Landwirtschaft abgezogenen Werktätigen in einer neu geschaffenen Abteilung, nämlich in der Abteilung I. Die Schaffung der Abteilung I in den Entwicklungsländern bedeutet den Durchbruch des Teufelskreises des gegenwärtig deformierten Reproduktionsprozesses. Mit der Schaffung der Abteilung I wird der Reproduktionsprozeß vor allem von den negativen Folgen des Widerspruchs zwischen dem 94

Standort der Abteilungen und damit von der negativen Wirkung des Außenhandels befreit und statt dessen von der Entwicklung des Binnenmarktes und dem gleichgewichtigen Wachstum der Abteilungen I und II innerhalb des Landes abhängig. Die Landwirtschaft wird ihre Bedeutung als Katalysator des Austausches zwischen beiden Abteilungen verlieren und sich in die Abteilungen I und II organisch eingliedern. Damit w e r den sich die gegenwärtig deformierten Modelle den ursprünglichen Modellen annähern, in denen tatsächlich von der Wirkung des Außenhandels und von d e r Sonderstellung d e r Landwirtschaft abstrahiert werden kann. Dieser Prozeß ist von großer Bedeutung f ü r die Festigung der politischen Unabhängigkeit. Die Durchführung dieses P r o z e s s e s in den Entwicklungsländern stößt auf m e h r e r e Schwierigkeiten. Deshalb soll der Prozeß auf lange Sicht betrachtet werden. Die rationelle Nutzung der materiellen und menschlichen Ressourcen und die optimale Kombination d e r Wachstumsfaktoren bilden hierbei die Hauptlinie, die jedoch eine durchdachte und konkrete Konzeption f ü r den Aufbau einer normal funktionierenden Volkswirtschaft voraussetzt. Das heißt, es geht um einen bewußt gelenkten Prozeß, der sich mit keiner spontanen Entwicklung im Kapitalismus vereinbart. Die Durchführung dieses Weges ist somit weitgehend davon abhängig, inwieweit es den progressiven Kräften gelingt, die Staatsmacht zu erringen und einen nichtkapitalistischen Weg einzuschlagen. E r s t unter diesen Bedingungen ist der Aufbau einer umfassenden Abteilung I und II und die Annäherung an die ursprünglichen Modelle vorstellbar, was allerdings eine enge regionale Zusammenarbeit zwischen den Entwicklungsländern voraussetzt. Eine Periode, in d e r jedes Land in Übereinstimmung mit den anderen Ländern derselben Region einen führenden Sektor, dessen Ressourcen und Absatzmärkte der Region entsprechen, entwickelt,und eine reale Grundlage f ü r den Aufbau der Abteilung I und II im regionalen Maßstab schafft, e r m ö g licht den normal funktionierenden Reproduktionsprozeß innerhalb der Region. Dieser Prozeß ist deshalb real, weil gegenwärtig neben dem kapitalistischen Weltwirtschaftssystem noch ein anderes mächtiges Weltsystem existiert, das sozialistische Lager, das immer mehr zum entscheidenden Faktor im sozialen Geschehen wird und bereit ist, den Entwicklungsländern in dieser Richtung zu helfen. Der Grad der Wirksamkeit dieser Hilfe hängt jedoch davon ab, inwieweit die inneren Bedingungen f ü r einen funktionierenden Reproduktionsprozeß in dem jeweiligen Entwicklungsland erfüllt sind.

FUSSNOTEN 1

Vgl. P . Khalatbari, Zum Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern, in: Wirtschaftswissenschaft, H. 9, 1966, S. 1488 - 1490

2

K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 24, Berlin 1963, S. 401

3

"Die Unterstellung, daß die kapitalistische Produktionsweise sich der Landwirtschaft bemächtigt hat, schließt ein, daß sie alle Sphären d e r Produktion und bürgerlichen Gesellschaft beherrscht, daß also auch ihre Bedingungen, wie f r e i e Konkurrenz d e r Kapitale, Übertragbarkeit derselben von einer Produktionssphäre in die andre, g l e i che Höhe des Durchschnittsprofits u s w . , in i h r e r ganzen Reife vorhanden s i n d . " (Vgl. K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 25, Berlin 1964, S. 627

4

Die folgende Tabelle zeigt den prozentualen Anteil d e r landwirtschaftlichen Produkte (einschließlich Fischerei und Forstwirtschaft) am Gesamtexport einiger Entwicklungsländer (Durchschnitt der J a h r e 1961 - 1963):

Costa Rica

97

Ceylon

97

Ekuador

96

Burma

94

Honduras

92

Thailand

88

Nicaragua

90

Malaysia:Sabah

85

Dominik an. Republik

90

Indonesien

65

Brasilien

89

Malaysia/Malaya und Singapore

63

Türkei

89

El Salvador

86

Kolumbien

79

Britisch-Guayana

66

Panama

66 100

Gambia Mauritius

95

Somalia

91

Tansania/Sansibar

88

Uganda

88

T ans ani a/T anganj ik a

83

VAR

70

Zypern

54

Nigeria

82

Ghana

82

Kenia

79

Liberia

51

Siehe: The State of Food and Agricultu: F AO, Rom 1965, S. 47

5

K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 24, a . a . O . ; S. 50? f.

6

Vgl. auch: International Trade, 1950, GATT Genf 1956, S. 6 - 1 5 ; 206 - 211

7

Marx hat die Gefahr der Zunahme des Mehrproduktes der Grundrente auf Kosten des notwendigen Produktes klar angedeutet. Wörtlich heißt es: "Diese letztere (Produktionsrente) kann einen Umfang besitzen, der die Reproduktion der Produktionsmittel selbst ernsthaft gefährdet, Erweiterung der Produktion mehr oder minder unmöglich macht und die unmittelbaren Produzenten auf das physische Minimum von Lebensmitteln h e r a b s e t z t . " (K. M a r x / F . Engels, Werke, Band 25, a . a . O . , S. 804

8

In Wirklichkeit sieht die Sache in Argentinien wie folgt aus: Umfang der Industrieproduktion je Kopf (Grundlage : 1960 = 100) 1958

105,1

1959

95,2

1960

100,0

1961

106,7

1962

98,2

1963

91,3

1964

101,0

Siehe: Marcos Pantaleon, Die soziale Rückständigkeit Argentiniens, in: Deutsche Außenpolitik, H. 5, 1967, S. 597 96

9

Allein im J a h r e 1962 importierten die Entwicklungsländer f ü r rund vier Milliarden Dollar landwirtschaftliche Produkte: (in Millionen Dollar) Land

Nahrungsmittelimport

andere forstlandw. wirtsch. Produkte Produkte

Gesamt

747,i 9

93,2

89,4

930,5

Asien

1510,,2

555,7

67,3

2133,2

Afrika

567,,6

105,4

65,7

738,7

26,,1

1,6

1,2

28,4

2851,8

755,9

223,6

3831,3

Latein amerika

Ozeanien

Siehe: FAO, Trade Yearbook, Band 17, 1963, S. 5 - 13 10

"In the exchange economy of the real world, it is not difficult to find illustrations of the way in which the small size of a country's market can discourage, or even prohibit, the profitable application of modern capital equipment by any individual entrepreneur in any particular industry. In a country, for instance where the geat majority of people a r e too poor to wear leather shoes, setting up a modern shoe factory may be a doubtful business proposition; the market for shoes is too s m a l l . " Siehe: R. Nurkse, Problem of Capital formation in underdeveloped countries, Basil Blackwell, Oxford 1964, p. 7

11

K. Marx, Theorien Uber den Mehrwert, Teil II, Berlin 1959, S. 100

12

J . Viner, International T r a d e and Economic Development, in: The Economic of Underdevelopment, New York 1963, S. 27

13 14

Vgl. auch S. Kuznets, Economic Growth and Structure, New York 1965, p. 191 G. Myrdal, Ökonomische Theorien und unterentwickelte Regionen, Stuttgart 1959, S. 98

15

Von den Exporten der westlichen Industrieländer gingen um 1950 29 % in die Entwicklungsländer. Im J a h r e 1962 hingegen betrug d e r entsprechende Anteil 23 %. Vgl. Auswertung der Dokumentation der Welthandelskonferenz, H. 1, Stuttgart 1966, S. 19

16

Die folgende Tabelle zeigt die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten des Exportwertes und des Exportvolumens der Entwicklungsländer 1950 - 1965 (in Prozent):

97

1950/62

1950/55

1955/60

1960/62

Entwicklungsländer

Wert

3,4

4,2

2,9

2,8

insgesamt

Volumen

3,8

2,6

4,3

5,5

Latein amerika

Wert

2,5

3,2

1,6

3,2

Volumen

5,6

2,0

4,8

4,7

Afrika

Wert

5,1

7,5

5,7

2,8

Volumen

4,8

3,5

3,4

6,6

Vorderasien

Wert

8,5

10,8

6,9

7,0

Volumen

8,3

9,3

7,5

8,0

Wert

1,3

1,1

2,3

- 0,2

1,9

0,9

1,8

4,6

Süd- u. Ostasien

Volumen westliche

Wert

8,0

9,7

7,4

5,2

Industrieländer

Volumen

6,5

7,2

6,5

4,8

Quelle: E/Conf. 46/12, Tabelle 1, S. 6,und Berechnungen aus E/Conf. 46/12, Add. 1, Tabelle 3, S. 16, Tabelle 9, S. 2, und Tabelle 11, S. 24. Vgl. Auswertung der Dokumentation d e r Welthandelskonferenz, Heft 1, Stuttgart,

S. 25. Herausgegeben vom

Bundesministerium f ü r wirtschaftliche Zusammenarbeit, Wissenschaftliche Reihe, Band 7, Heft 1, 1966. Hierbei ist zu beachten, daß die Tabelle auch die Rohstoffe wie Erdöl beinhaltet, die nicht Gegenstand der Preissenkung sind. 17

Im Februar 1961 schloß Präsident Quadros einige Verträge mit den sozialistischen Ländern ab. Die USA-Imperialisten übten eine

e r p r e s s e r i s c h e Politik gegen B r a s i -

lien aus. Sie haben in der Zeit von Februar bis Juni 1961 etwa 613 000 Sack Kaffee, das Hauptexportprodukt Brasiliens, weniger gekauft als in derselben Periode im J a h r e 1960. Dagegen steigt der Kaffee-Import in den USA aus anderen Quellen um 737 000 Sack. 18

Zum Beispiel gibt der ehemalige Bundeskanzler Erhard folgendes Rezept f ü r die Industrialisierung der Entwicklungsländer: "Es ist höchst problematisch, in Entwicklungsländern hochmoderne Stahlwerke auszubauen, die sodann als 'Nationale Denkmäler' dastehen, an denen sich der Glaube der Völker entzünden soll. Diese Entwicklungsländer müssen vielmehr e r s t Konsumkraft produzieren, wenn sie aus Armut und Not herauskommen wollen." Aus: Vortrag, gehalten im Auditorium Maximum der Wiener Universität am 8. F e b r u a r 1961

98

MANFRED THIEL, PETER ARMELIN

Zu s o z i o l o g i s c h e n

Problemen

des ökonomischen

Wachstums

Jede politökonomische Frage enthält eine Problemmenge soziologischer Art. Das Wechselverhältnis von Ökonomischem und Sozialem im gesellschaftlichen Lebens- und Entwicklungsprozeß erfordert die Zusammenarbeit der beiden Disziplinen und darüber hinaus die Profilierung und Koordinierung der Forschungsaufgaben. Die Verlagerung des Schwerpunktes der politökonomischen Forschung zu Problemen des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses, zu gesamtwirtschaftlichen Mechanismen des ökonomischen Wachstums usw. darf nicht zu einer Vernachlässigung des sozialen Hintergrundes der marxistischen politökonomischen Kategorien führen. Ebensowenig wie die politökonomische Forschung den Einfluß des technischen Fortschritts auf den gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß aus ihrem theoretischen Kalkül ausklammern kann, genausowenig darf die ökonomische Forschung auf die Berücksichtigung der soziologischen Faktoren der ökonomischen Dynamik verzichten. Wenn auch bei der Modellierung ökonomischer Prozesse von bestimmten Faktoren sozialer Art abstrahiert werden kann, so darf nicht außer acht gelassen werden, daß sich die reale ökonomische Entwicklung stets in einem konkreten, historisch formbestimmten Feld von dynamischen makro- und mikrosozialen Beziehungen vollzieht und wesentlich von der Struktur dieser sozialen Beziehungen bestimmt wird. Ökonomisches Wachstum ist in wesentlichen Teilen auch das Ergebnis der kollektiven Verhaltensweisen der in der materiellen Produktion Tätigen. Die makro- und mikrosozialen Beziehungen, die diese arbeitenden Menschen in der gesellschaftlichen und konkreten Produktion sowie Reproduktion eingehen, bilden bei ihnen Auffassungen, Meinungen, Verhalten, Interessen und Zielkriterien aus, die zu den systemimmanenten Bezügen einer Volkswirtschaft gehören und von der politökonomischen Forschung zu berücksichtigen sind. Forschungsergebnisse, die daran vorbeigehen, sind sehr oft in sich unstimmig und in der Praxis nicht realisierbar. Die soziale Struktur der Industrie darf nicht als ein black-box-System betrachtet werden, in das technische, technologische und ökonomische Neuerungen eingegeben werden und aus dem dann entsprechend der Qualität der wissenschaftlichen Leitungstätigkeit ein bestimmtes Wachstum ökonomischer Kennziffern zu entnehmen ist. Die Einführung technischer Neuerungen und die Anwendung ökonomischer Maßnahmen sind oftmals Anstoß zu (aber auch das sollte nicht übersehen werden) Veränderungen im sozialen Gefüge der Industrie, die dann relativ eigengesetzlich verlaufen. Diese Eigengesetzlichkeit sozialer Abläufe findet ihren Ausdruck in bestimmten Verhaltensstrukturen der Menschen. Die Verhaltensstrukturen der Werktätigen sind wichtige ökonomische Wachstumsfaktoren und verlangen sowohl theoretische als auch empirische Detailuntersuchungen der objektiven und ideologischen Grundlagen der sozialen Dynamik. Hier ist ein weites Feld für die Zusammenarbeit von Ökonomen und ökonomisch orientierten Soziologen, um die sozialen Bedingungen in der Industrie entsprechend den geplanten Produktions- und Reproduktionsbedingungen so zu gestalten, daß günstige soziale und in diesem Sinne iedologische Voraussetzungen für ein kontinuierliches ökonomisches Wachstum geschaffen werden. Das bedeutet gleichzeitig, daß sich die Zielkriterien des ökonomischen Wachstums den prognostisch orientierten gesellschaftlichen Zielkriterien einer wissen99

schaftlich fundierten Sozialplanung anzupassen haben, soll die ökonomische Wachstumsforschung nicht zum Selbstzweck werden. Leistungsverhalten und Wachstum Die Soziologie hat es generell mit der Erforschung von Wachstumsfaktoren zu tun. Das gilt nicht nur für Untersuchungen im Bereich der produktiven Arbeit oder für organisationssoziologische Fragestellungen. Auch kultur- oder familiensoziologische Forschungen und sogar religionssoziologische Erhebungen können für die Ökonomie bedeutsam sein, wenn diese Untersuchungen auf Faktoren und Motivationen menschlichen Leistungsverhaltens orientiert sind. Wir wollen uns in diesem Diskussionsbeitrag auf einige arbeitssoziologische Aspekte der sozialen Stellung des Menschen im System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung beschränken. Dieses System ist vertikal und horizontal gegliedert und kann vom soziologischen Standpunkt aus als ein System arbeitsteilig kombinierter sozialer Positionen verstanden werden. Die Funktionsfähigkeit des Systems und damit auch das ökonomische Wachstum sind wesentlich vom Verhalten der Menschen abhängig, die diese Positionen besetzen. Das auf das System gerichtete Verhalten der Individuen wird nicht nur im Rahmen des Systems wirksam, sondern es wird weitgehend durch die systemimmanenten Wechselbezüge hervorgebracht und geprägt. Das System verhalten wird aber auch von der Gesamtheit der Verhaltensweisen einfacherer Art, also von Verhaltensweisen der Individuen, beeinflußt, die der allgemeingesellschaftlichen und der Intimsphäre entstammen. Das Systemverhalten läßt sich jedoch nicht auf individuelles Verhalten reduzieren. Insgesamt ist festzustellen, daß das Verhalten der Individuen die Systementwicklung und damit auch ökonomisches Wachstum vermittelt. Das Verhalten der Menschen wird also wesentlich durch die Systembedingungen bestimmt. Daraus folgt, daß z. B. in der bürgerlichen Gesellschaft, die durch systemimmanente antagonistische Gegensätze zwischen den Gesellschaftsklassen charakterisiert ist, prinzipiell keine Harmonie von individuellen und gesellschaftlichen Interessen möglich ist. Die soziale Struktur der bürgerlichen Gesellschaft grenzt hier die Möglichkeiten optimalen ökonomischen Wachstums ein. Im Sozialismus geht es in diesem Zusammenhang letztlich um die Herbeiführung eines systemkonformen Verhaltens auf der Grundlage der Übereinstimmung von gesellschaftlichen Erfordernissen und individuellen Interessen und damit um die Entfaltung der schöpferischen Aktivität der Volksmassen als der Haupttriebkraft der Gesellschaft. Diese Haupttriebkraft kann aber nur dann effektiv werden, wenn die Übereinstimmung der Interessen im täglichen Leben wirksam, d. h. handlungsrelevant, wird. Um im konkreten Fall eine solche Handlungsrelevanz zu erreichen, sind gründliche Analysen der Interessenstrukturen, der Entstehung und Entwicklung von Interessen auf unterschiedlichen Ebenen notwendig. Für die marxistische Soziologie kommt es dabei besonders darauf an, durch praktische Erforschung konkreter Probleme soziale Differenzierungen, Interessenstrukturen, industrielle Konflikte und Verhaltensweisen von sozialen Gruppen zu analysieren. Das ist ein Beitrag zum Aufbau des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus in der DDR und damit zur Erforschung und Entfaltung der sozialen Faktoren des ökonomischen Wachstums. Für den Einsatz ökonomischer Hebel individuellen Leistungsverhaltens z. B. ist die Kenntnis der Interessenstrukturen einzelner Gruppen von Werktätigen besonders wichtig. Diese Hebel sind nur dann voll wirksam, wenn auch bei den Werktätigen materielle Interessen dominieren und die Hebelwirkung tatsächlich motivationsbestimmend ist. Der Taylorsche Ansatz zur theoretischen Durchdringung des Leistungsverhaltens der Werktätigen ist jedoch in der Soziologie längst überwunden. Es gehört zur gesicherten soziologischen Erkenntnis, daß eine Vielzahl von objektiven und subjektiven Umweltsfaktoren 100

motivationsbestimmend ist. Diese Umweltsfaktoren wirken ebenfalls nicht direkt, sondern werden durch das subjektive Anspruchsniveau reflektiert und vom Gruppenkonsens vermittelt. Die Gestaltung der unmittelbaren Arbeitsbedingungen bestimmt also auch das Leistungsverhalten. Dabei ist es wichtig, zu wissen, welche Arbeitsplatzmerkmale besonders geschätzt werden. Auf welche Arbeitsbedingungen legen die Beschäftigten besonderen W e r t ? Wie ist die Struktur der Interessen in bezug auf den Arbeitsplatz? Wir haben diese Interessen untersucht und kamen zu folgenden Ergebnissen: Tabelle 1 Befragungsergebnis in einem Berliner Betrieb zur Frage: Aufweiche Arbeitsbedingungen legen Sie besonderen W e r t ? Von 288 Beschäftigten antworteten:

Personen

in %

angenehme Kollegen

246

85,4

gerechte Vorgesetzte

240

83,4

technisch interessante Arbeit

218

75, 8

Anerkennung der Leistung durch die Vorgesetzten 216

75,1

gute soziale Einrichtungen

209

72,6

gute Qualifizierungsmöglichkeiten

151

52,4

Aufstiegsmöglichkeiten

135

46,9

hohen Lohn

127

44,1

geringe gesellschaftliche Belastung

115

39,9

schöpferische Arbeit

114

39,6

hohe Verantwortung

82

28,5

wenig Verantwortung

20

6,9

3

1,0

wenig und leichte Arbeit

Wir sind keinesfalls geneigt, dieses Ergebnis ohne weiteresim Hinblick auf andere Betriebe zu verallgemeinern. Jedoch ist die dominierende Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen eindeutig, die diese in der Interessenstruktur der Werktätigen einnehmen. Es wird deutlich, daß die wissenschaftliche Menschenführung und die Herbeiführung spannungsfreier zwischenmenschlicher Beziehungen im Arbeitsbereich die Arbeitsfreude weitgehend bestimmen und ein Leistungsfaktor allerersten Ranges sind. Gleichzeitig wird deutlich, daß der Lohn nicht die dominierende Rolle spielt - zumindest nicht isoliert von anderen Arbeitsumweltmerkmalen die ihm oftmals von Seiten der Ökonomen zugeschrieben wird. Der Lohn kann beispielsweise sehr hoch sein, wenn aber andere Merkmale - besonders die zwischenmenschlichen Beziehungen in der kleinen Gruppe - nicht attraktiv gestaltet sind, ist die Identifikation des einzelnen mit seiner Arbeit gestört und damit die Entfaltung der schöpferischen Aktivität behindert. Wir sind auch daher der Auffassung, daß die Erforschung der Beziehungen in den kleinen Gruppen unbedingt die Aufmerksamkeit der politökonomischen Forschung v e r dient, denn die Herbeiführung optimaler Gruppenstrukturen wirkt sich positiv auf die Effektivität ökonomischer Maßnahmen aus.

101

Soziologische Fragen der Qualifikation Ein weiterer wesentlicher Faktor des ökonomischen Wachstums ist die Veränderung des Qualifikationsniveaus der Werktätigen. Wie die Tabelle 1 zeigt, sind Qualifikationsstreben und Aufstiegswunsch bei vielen Beschäftigten vorhanden. 52,6 Prozent der Beschäftigten des untersuchten Betriebes legen Wert auf gute Qualifizierungsmöglichkeiten,und 46, 8 Prozent legen Wert auf Aufstiegsmöglichkeiten. Diese Erkenntnis der Notwendigkeit ständiger Qualifizierung greift immer weiter um sich, und das Bildungsstreben erfaßt immer breitere Kreise der Beschäftigten, nicht zuletzt dank der umfassenden Qualifikationspropaganda in Betrieben, Institutionen und Massenmedien. Die gesellschaftliche Ursache der Qualifikationsbewegung beruht jedoch auf den veränderten Anforderungen, die das gesellschaftliche Leben, insbesondere die Produktionstätigkeit, an die Qualifikation der Gesellschaftsmitglieder stellt. Technische und technologische Veränderungen haben Auswirkungen auf die Tätigkeitsmerkmale der einzelnen Arbeitsplätze und besonders auf die Qualifikationsanforderungen an den Arbeiter. In diesem Sinne ist die Qualifikationsbewegung der Individuen nur die subjektive Seite der Dynamik der objektiv durch die Systembedingungen erforderlichen Qualifikationsansprüche der Technik und der Gesellschaft. Es ist nicht nur die unmittelbare Arbeits Verrichtung, die Anforderungen an die Qualifikation stellt. Immer mehr stellt die Gesellschaft entsprechende Ansprüche, und die sozialistische Gesellschaft mit ihren Möglichkeiten zur Mitwirkung an der demokratischen Entscheidungsfindung kann sich nicht mit den durch die Arbeitstätigkeit bestimmten Elementen der Qualifikation zufriedengeben. In der Gesellschaft vollzieht sich ständig eine Veränderung des Qualifikationsniveaus der Beschäftigten als Anpassung an die Dynamik der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Ohne diese Qualifikationsveränderung ist die Anpassung des Faktors Mensch an die materiellen Bedingungen der Produktion nicht möglich. Qualifikation ist damit ein wichtiger ökonomischer Wachstumsfaktor. Die Veränderung der Qualifikation vollzieht sich nicht nur in Sprüngen, durch Erwerb einer nächsthöheren Stufe im Qualifikationssystem (Facharbeiter, Meisterzeugnis, Diplome usw.). Durch tägliche Erfahrungen verändert sich ständig der Bildungsfundus der Beschäftigten, ohne daß sich die veränderte Qualifikation unmittelbar in einem Zeugnis niederschlägt. Das statistisch ausgewiesene und ausweisbare Qualifikationsniveau der Beschäftigten, das auf traditionellen Qualifikationsstufen beruht, verzerrt sogar die tatsächliche Qualifikation der Bevölkerung, da die Qualifikationsstufen nicht die Dynamik des Inhalts der Qualifikation zum Ausdruck bringen. Sie formalisieren lediglich die erreichte Qualifikation und berücksichtigen nicht die ständige Entwertung von erworbener Qualifikation durch die vor sich gehende soziale Dynamik. Es findet ein ständiger "moralischer Verschleiß" von Qualifikation und Neuqualifizierung der Beschäftigten als Anpassungsprozeß an objektive Erfordernisse statt. Deshalb ist es zumindest einseitig, würde man sagen, daß die Dequalifizierung den sozialistischen Produktionsverhältnissen wesensfremd sei. Durch die Umprofilierung der volkswirtschaftlichen Strukturen, die Wanderungsbewegung der Beschäftigten und auch durch die technologisch bedingten Veränderungen in den Anforderungen an die Beschäftigten werden ständig bisher erworbene Qualifikationen abgewertet. Neue Qualifikationen entsprechend den veränderten Tätigkeitsinhalten werden notwendig. Aus den statistischen Angaben ist zu entnehmen, daß immer mehr Beschäftigte durch einen herkömmlichen Befähigungsnachweis ihr Qualifikationsniveau erhöhen. Der Anteil der un- und angelernten Arbeitskräfte nimmt ständig ab. Diese Statistiken widerspiegeln aber lediglich die juristische Seite, den formalisierten Aspekt der Qualifikation. Da die Löhne und Gehälter im bestimmten Maße von dem Erwerb dieser Qualifikationsnachweise abhängen und auch der soziale Aufstieg in Positionen mit größerer Dispositionsbefugnis zum Teil von der erlangten Qualifikation abhängig ist, wird zum Besuch der entsprechenden Bildungseinrichtungen angereizt. 102

In dem von uns untersuchten Betrieb scheinen die Beschäftigten in der Mehrzahl auch mit diesem Tatbestand einverstanden zu sein. Sie haben in der Mehrzahl Vertrauen in die Gerechtigkeit des innerbetrieblichen Aufstiegs. Tabelle 2 Befragungsergebnis in einem Berliner Betrieb zur Frage: Was, glauben Sie, muß man tun, um seine Position zu verbessern? Von 288 Beschäftigten antworteten:

Personen

in %

Sich qualifizieren

180

62,5

Gute Arbeitsleistungen

174

60,4

Gute Beziehungen haben

96

33,3

An gesellschaftlicher Arbeit teilnehmen

93

32,3

Sich immer nach den Meinungen der Vorgesetzten richten

75

26,0

Die meisten haben also erkannt, daß Qualifikation die Bedingung individuellen und gesellschaftlichen Erfolges ist. Darin kommt auch der höhere Grad sozialistischer Bewußtheit zum Ausdruck, der einerseits eine Folge veränderter gesellschaftlicher Umweltbedingungen ist, andererseits aber auch auf diese zurückwirkt. Neben den positiven Äußerungen deuten die Ergebnisse aber auch auf Unzufriedenheiten mit dem Aufstiegssystem hin. Die Qualifikation darf nicht zum Selbstzweck werden, sie muß auf die objektiven Anforderungen des gesellschaftlichen Lebens ausgerichtet sein. Eine Einengung des Qualifikationsbegriffs auf Kenntnisse der speziellen Arbeitstätigkeit wird den gesellschaftlichen Anforderungen nicht gerecht. Für viele Tätigkeiten, für die lediglich ein Alllernverhältnis erforderlich wäre, wurde eine spezielle Fachausbildung, die mit dem Erwerb eines Zeugnisses abschließt, geschaffen. Es handelt sich hier aber oftmals um Qualifikationssurrogate, die nur einen fiktiven sozialen Aufstieg vermitteln. Bei soziologischen Untersuchungen in der Elektroindustrie zeigte sich, daß z. B. der Beruf des Kabelfacharbeiters selbst von den Angehörigen dieser Berufsgruppe nicht einmal als "Beruf' im herkömmlichen Sinne angesehen wird. Es wurde dagegen vorgebracht, daß der Besitz dieses Facharbeiterbriefes noch keine leistungsmäßige Überlegenheit gegenüber den angelernten Beschäftigten, die die gleiche Tätigkeit verrichten, impliziert. Außerdem wurde sehr häufig bemängelt, daß solche "Berufe" nur in speziellen Betrieben als Beruf anerkannt werden und deshalb ein Betriebswechsel nur eine Verschlechterung der materiellen Lage mit sich bringt. Ein solcher Beruf garantiert lediglich eine höhere Lohngruppe. Das reicht aber offensichtlich nicht aus, um dem betreffenden Beruf auch ein entsprechendes Ansehen zu verleihen. Es soll hier keinesfalls gegen die Qualifizierung an sich polemisiert werden. Wovor gewarnt werden soll, sind eine zu starke Spezialisierung der Berufe, eine Kongruenz von Beruf und Tätigkeit. Dadurch wird die Disponibilität der Beschäftigten zwischen den Tätigkeiten ernsthaft gefährdet. Eine Einengung der Disponibilität hat bereits unter den heutigen technischen Bedingungen negative Auswirkungen auf das Tempo des ökonomischen Wachstums. Für die Berufsausbildung ergeben sich daraus wichtige Konsequenzen. Die Berufsausbildung muß Hand in Hand mit den allgemeinbildenden Schulen den jungen Menschen und darüber hinaus auch den älteren Beschäftigten das Rüstzeug für das Tätigsein im Arbeitsbereich und auch im über den A rbeitsbereich übergreifenden sozialen Bereich vermitteln. Dazu 103

gehört angesichts der Dynamik der Tätigkeiten vor allem eine breite Grundlagenausbildung, die es gestattet, in kürzester Zeit spezielle Tätigkeiten anzulernen. Der Unterrichtstag in der Produktion kann in dieser Hinsicht wertvolle Fähigkeiten vermitteln, wenn er breit angelegt ist und sich nicht, wie es noch häufig der Fall ist, auf das Erlernen von Handgriffen und den schließlichen Einsatz der Schüler und Lehrlinge am Fließband beschränkt. Ein solcher Einsatz mag zwar kurzfristig ökonomisch effektiv sein, ist aber in bezug auf die Berufsvorbereitung der Jugendlichen total unbefriedigend. Die Berufsausbildung müßte deshalb zu einem großen Teil eine theoretische Ausbildung sein. Die theoretische Ausbildung ist die Form, welche eine effektive Bewältigung der Tätigkeitsanforderungen auch in Zukunft gewährleistet. Im Verlauf der technischen Entwicklung wird der Anteil an industriellen Tätigkeiten, die quasi künstlerische Handfertigkeiten verlangen, immer mehr auf spezielle Bereiche zurückgedrängt. Die Tätigkeiten für die große Masse der Beschäftigten werden einfacher und körperlich leichter. Damit im Zusammenhang steht die entgegengesetzte Tendenz des Anwachsens des ingenieurtechnischen Personals und der Beschäftigten, die wissenschaftlich tätig sind. Ziel der Berufsausbildung für die industriellen Arbeiter ist deshalb nicht in erster Linie das Training spezieller Tätigkeiten; dazu ist keine Berufsausbildung erforderlich. Ziel der Berufsausbildung muß die Erziehung von Persönlichkeiten sein, die den Anforderungen der sozialistischen Gesellschaft gerecht werden. Das ist auch eine Grundbedingung für das Funktionieren der sozialistischen Demokratie. Demokratische Teilnahme an der Entscheidungsfindung im betrieblichen und gesellschaftlichen Bereich ist nur den Sachkundigen, den Informierten, möglich. Wer eng spezialisiert ausgebildet ist, wird ungenügende Fähigkeiten zur sachgerechten Auswertung von Informationen ausbilden, wird nicht mitbestimmen können. Das ist heute beispielsweise bei vielen der un- und angelernten Beschäftigten der Fall. Die erforderliche Qualifikation beinhaltet also wesentlich auch politisch-moralische Elemente. Neben einer breiten Grundausbildung müssen auch die individuellen Antriebe zur Übernahme von Verantwortung und zur aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben im Betrieb und außerhalb davon gebildet werden. So wird die Bildung neben der Funktion als ökonomischer Wachstumsfaktor zum wichtigen Merkmal der Differenzierung der industriell Tätigen. Aus soziologischen Untersuchungen über verschiedene Aspekte betrieblicher Zustände wird immer wieder ersichtlich, daß die Einstellungen und Verhaltensweisen von Beschäftigten mit abgeschlossener Berufsausbildung und von Beschäftigten ohne Berufsausbildung erheblich voneinander abweichen. Das ist der Fall bei Untersuchungen zur Problemation der Fluktuation, der Neuererbewegung, der Gemeinschaftsarbeit, der Teilnahme an der Qualifizierung usw. Stets erweist sich, daß die Beschäftigten mit Berufsausbildung den gesellschaftlichen Erwartungen wesentlich mehr entsprechen. Ihre Einstellungen und Verhaltensweisen in bezug auf Arbeit, Betrieb, Freizeit, ihre politische, gesellschaftliche und kulturelle Aktivität unterscheiden sich wesentlich von denen der Ungelernten. Zum Beispiel wurde von uns bei einer Betriebsuntersuchung folgende Beteiligung von Beschäftigungsgruppen am Neuererwesen ermittelt: Un- und angelernte Arbeiter

6, 8 %

Spezialarbeitskräfte

28,2%

Facharbeiter und Meister

75,0 %

Mit steigender Qualifikation wächst auch die Beteiligung am Neuererwesen. Bei der Fluktuation von Beschäftigten ist es ähnlich. Hier nimmt mit steigender Qualifikation die Fluktuationsneigung ab. Zusammengenommen treffen sich in der Qualifikationsstruktur viele Bewegungsvorgänge der sozialen Dynamik, die in unterschiedlicher Weise direkt oder indirekt mit der technischen Entwicklung und dem ökonomischen Wachstum zusammenhängen, von ihnen abhängig sind oder sie stimulieren. 104

Für das ökonomische Wachstum sind also sowohl die Erforschung von individuellen Qualifizierungsmotivationen interessant als auch die soziologische Analyse der Veränderungen der objektiven Qualifikationsansprüche, die im Verein mit der Umgestaltung des Systems der gesellschaftlichen Arbeitsteilung wirksam werden. E r s t die Analyse gesamtgesellschaftlicher Strukturveränderungen gestattet die wissenschaftliche Erkenntnis der sozialen Gesetzmäßigkeiten individuellen Verhaltens und deren Rückwirkung auf gesellschaftliche Strukturen und Strukturformen. Das gilt insbesondere f ü r die Problematik der Arbeitskräftebewegung, in der besonders deutlich wird, daß individuelles Fluktuationsverhalten auch im Sinne von Umstrukturierungen im System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung verstanden werden kann. Probleme der Arbeitskräftebewegung Mit der technischen Entwicklung verändert sich die Arbeitskräftezusammensetzung der Volkswirtschaft sowohl quantitativ, d. h . , es ändern sich die Beschäftigtenzahlen der einzelnen Bereiche, als auch qualitativ, d. h \ , es wird eine andere Spezies von Arbeitskraft e r forderlich, als es bei herkömmlicher, statischer Produktion d e r Fall wäre. Zuerst sollen die quantitativen Veränderungen kurz dargestellt werden: Durch die Steigerung der Arbeitsproduktivität werden Arbeitskräfte freigesetzt, wenn die Bruttoproduktion auf dem alten Niveau bleibt. Wächst die industrielle Bruttoproduktion eines Zweiges im gleichen Maße wie die Arbeitsproduktivität steigt, so verändert sich der Bedarf an Arbeitskräften nicht. Wächst die Bruttoproduktion schneller als die Arbeitsproduktivität, so steigt auch d e r Arbeitskräftebedarf. Dieses Wechselverhältnis zwischen Arbeitsproduktivität und Beschäftigung ist an und f ü r sich nichts Neues, auch nicht, daß die Beschäftigungsquote durch die Wachstumsverhältnisse der industriellen Bruttoproduktion mitgesteuert wird. Ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum setzt jedoch bei technischer Entwicklung recht beträchtliche Umstrukturierungen in der Volkswirtschaft voraus, und überdurchschnittlich wachsenden Bereichen stehen Bereiche und Zweige gegenüber, die langsamer wachsen oder sogar schrumpfen. Auch in der Volkswirtschaft der DDR vollzogen sich durch das ökonomische Wachstum Veränderungen in der Arbeitskräfteverteilung. Bereiche, deren Arbeitsproduktivität schneller wuchs als die Bruttoproduktion, hatten eine sinkende Beschäftigungsquote, und solche Bereiche, deren Bruttoproduktion schneller zunahm als die Arbeitsproduktivität, hatten einen steigenden Arbeitskräftebedarf. Die folgende Gegenüberstellung von industrieller Bruttoproduktion, Beschäftigtenzahlen und Prostundenleistung je Produktionsarbeiter in ausgewählten Industriezweiggruppen soll das verdeutlichen: Tabelle 3 I. Gruppen, deren Beschäitigtenzahlen von 1956 bis 1965 stark anwuchsen (1956 = 100) Gruppe

Beschäftigte

Industrielle Bruttoproduktion

Stundenleistung je Produktionsarbeiter

die metallverarbeitende Industrie

319

496

174

Herstellung von Plasten

180

469

297

Bau von Maschinen für die Grundstoffindustrie

140

281

214

Bau von Maschinen und Apparaten f ü r

105

Bau von Maschinen f ü r die Lebensmittelindustrie

137

382

311

Schlachthöfe und Verarbeitung von Fleisch und Fleischwaren

130

174

147

Bau von LKW

125

232

206

Herstellung von Kabeln und Elektromaterial

123

218

192

Fischfang und Verarbeitung

116

176

154

Bau von Werkzeugmaschinen, Schmieden und P r e s s e n

116

212

201

Tabelle 4 II. Gruppen, die von 1956 bis 1965 ihre Beschäftigtenzahlen stark verringerten (1956 = 100) Gruppe

Beschäftigte

Industrielle Bruttoproduktion

Stundenlei stung je Produktionsarbeiter

8

7

80

Bau und Reparatur von Binnenschiffen

41

105

280

Herstellung von sonstigen elektrotechnischen Erzeugnissen

51

119

278

Spinnereien, Garnbearbeitung

78

144

195

Bau von Fischereifahrzeugen

78

215

275

Nichteisenbergbau

Steinkohlenwerke und Kokereien

81

91

131

Druckereien

82

154

199

Buchbindereien

83

156

219

Herstellung von Bauelementen, Holzerzeugnissen und -geraten f ü r die Produktion

83

183

257

Webereien

86

152

188

Quelle: Errechnet aus: Statistisches Jahrbuch der DDR 1956, S. 210 - 213; Statistisches Jahrbuch d e r DDR 1966, S. 114 - 117 und S. 184 - 185. Eine ökonomisch und technisch expandierende Volkswirtschaft weitet sich jedoch nicht nur in den industriellen Bereichen aus, sondern sehr starte auch in den tertiären B e r e i c h e n . 1 Hier aber hinken technische und ökonomische Möglichkeiten der Steigerung der A r beitsproduktivität weit hinter den Erfordernissen h e r , so daß Austausch in den Beschäftigungsquoten fast nicht stattfindet und der Anspruch dieser Bereiche an den Beschäftigungsfonds der Gesellschaft drückend steigt. Insgesamt ist die Tendenz in allen Bereichen ohnehin so, daß Bereiche mit steigender Beschäftigungsquote eine absolut wachsende Beschäftigtenzahl verlangen und demzufolge auch absolute Ansprüche an den Arbeitskräftefonds stellen, während die Bereiche und Zwei106

ge mit rezensiver Beschäftigungsquote meist nur relativ sinkende Beschäftigtenzahlen haben und kaum Arbeitskräfte an den Beschäftigtenfonds zurückführen. In einer Volkswirtschaft, deren Arbeitskräftefonds absolut und relativ anwächst, vollzieht sich der Arbeitskräfteverteilungsprozeß verhältnismäßig reibungslos und überwiegend mit volkswirtschaftlicher Effektivität. Wesentlich komplizierter ist dieser Prozeß in Volkswirtschaften wie die der DDR, in denen der allgemeine Arbeitskräftefonds eine retardierende oder doch zumindest eine stagnierende Tendenz aufweist. Hier wird die Arbeitskräfteverteilung zu einem Wachstumsfaktor, durch den die Schnittlinien vieler anderer Faktoren laufen und der zu einem beträchtlichen Teil über den Wirkungsgrad ökonomischer, nicht so sehr technischer Wachstumsfaktoren entscheidet. Als Folge der Arbeitskräftesituation in der DDR, die über keine nennenswerten Arbeitskräftereserven verfügt und in der der Arbeitskräfteabstrom den Arbeitskräftezufluß bald übersteigt, vollzogen sich umfangreiche Arbeitskräftebewegungen. Da einige Bereiche nicht nur relativ in der Beschäftigungsquote absanken, sondern darüber hinaus auch absolute Verluste erlitten, mußte sogar versucht werden, die Arbeitskräftebewegungen unter dem e r forderlichen Maß zu halten, weil nicht nur die wertmäßige, sondern auch die gebrauchswertmäßige Seite der Produktion zu sichern war, was keinesfalls immer hinreichend gelang. Die folgende Tabelle zeigt, zu welchen beträchtlichen Umgruppierungen im Arbeitskräftebesatz der einzelnen Bereiche der stagnierende Beschäftigungsfonds führte und welche Bedeutung der Steigerung der Arbeitsproduktivität als Freistellungseffekt in solcher Situation zukommt: Tabelle 5 Beschäftigte nach Wirtschaftsbereichen Wirtschaftsbereich

Beschäftigte in den Jahren (in %) 1952 1955 1960 1965

Land-, Forst-und Wasserwirtschaft

100

105

82

75

Industrie

100

109

118

116

Bauwirtschaft

100

101

108

105

Produzierendes Handwerk

100

99

81

77

Verkehr

100

105

99

106

Post- und Fernmeldewesen

100

102

111

116

Handel

100

109

114

114

Sonstige Bereiche des tertiären Sektors

100

108

129

140

Gesamt

100

106

106

106

Quelle: Errechnet aus: Statistisches Jahrbuch der DDR 1966, S. 63. Auch diese Tabelle zeigt, wenn auch in stark vergröberter Form, das interessante und für die ökonomische Wachstumsforschung wichtige Phänomen, daß die Wirkungen des sozialen Feldes die Arbeitskräftebewegung in der Weise beeinflußten, daß sie nicht, wie oftmals angenommen wird, in der Richtung vom weniger produktiven zum produktiveren Bereich verliefen, also ausschließlich "ökonomische Züge" aufwiesen. Die Beschäftigungsexplosion des tertiären Sektors, die in den letzten Jahren mit dem international bemerkenswerten relativen Rückgang in Industrie und Bauwirtschaft, von der Situation im Beschäftigungsfonds 107

her folgerichtig einhergeht, ist neben ihrer volkswirtschaftlichen Unvermeidbarkeit offensichtlich auch durch diffizile Erwartungs- und Verhaltensstrukturen der Beschäftigten e r möglicht worden. Der Einsatz ökonomischer Stimuli und ideologischer Stereotype wurde anscheinend weitgehend von solchen Faktoren des sozialen Feldes wie Sozialprestige u. a. eliminiert. Hier ist aber erforderlich, einzelne Bewegungsformen der Arbeitskräftegruppierung und einige Gründe und Wirkungen im stagnierenden Arbeitskräftefonds genauer zu betrachten. Mit der weiteren wissenschaftlich-technischen Entwicklung und der Standardisierung des Produktionsprofils werden diese notwendigen Arbeitskräfteverteilungen noch zunehmen. Zu diesen strukturellen Umverteilungen kommen andere Formen der Arbeitskräftebewegung, die zum Teil die Umstrukturierung vermitteln. Die Veränderung der Arbeitskräfteproportionen zwischen den einzelnen Bereichen vollzieht sich z. B. nicht nur durch direkte Wanderung oder Arbeitsplatzwechsel. Der strukturelle Effekt wird auch erreicht, indem in den sich rückläufig entwickelnden Bereichen die aus Altersgründen ausscheidenden Beschäftigten nicht im gleichen Umfang durch neu ins Arbeitsleben eintretende Jugendliche ersetzt werden. Diese neuen Beschäftigten werden überproportional in die Zweige gelenkt, wo die Arbeitskräftezahlen entsprechend den Perspektivplänen ansteigen sollen. Das Ausscheiden von Beschäftigten aus dem Arbeitsprozeß aus Altersgründen nimmt dabei beträchtliche Ausmaße an. Wenn jährlich ein Jahrgang von Beschäftigten ausscheidet, so wären das bei den Männern ca. 86 900 Arbeitskräfte oder 2,1 Prozent der männlichen Beschäftigten, wobei man unterstellt, daß auch für die Jahrgänge um 65 Jahre ein Beschäftigungsgrad von 86, 9 Prozent zutrifft. Bei den Frauen mit einem Beschäftigungsgrad von 69,4 Prozent würden ca. 97 200 Beschäftigte jährlich ausscheiden. Das wären etwa 2, 7 Prozent der weiblichen Beschäftigten. (Errechnet aus: Statistisches Jahrbuch der DDR 1965, S. 56 - 59 und S. 507.) Da die jüngeren Jahrgänge nicht so stark besetzt sind, wird dieser erhebliche Umfang des Ausscheidens aus Altersgründen in späteren Jahren zwar abnehmen; aber damit im Zusammenhang steht dann eine wesentliche Verjüngung der Beschäftigtenstrukturen. Das Ausscheiden von alten Beschäftigten wird sich auf die Zweige, Berufsgruppen und Positionen besonders prekär auswirken, die in besonderem Maße mit älteren Leuten besetzt sind. Diese Form der Arbeitskräftebewegung, die demografisch bedingt ist, kann deshalb für diese Bereiche problematisch werden. Es ist deshalb möglich, daß durch diese demografisch bedingten Fluktuationen das notwendige Ausmaß an Freisetzungen überschritten wird, so daß auch in sich rückläufig entwickelnden Bereichen neue Beschäftigte zugeführt werden müssen, soll die Substanz bewahrt werden. Die Landwirtschaft wird z. B. weiterhin Arbeitskräfte an die anderen Bereiche abgeben müssen. Da aber meist nur junge Leute dazu bereit sind, auf Grund ihrer altersbedingten Disponibilität, kann sich die Altersstruktur der Landwirtschaft weiterhin in Richtung auf die älteren Jahrgänge verschlechtern. Dabei sind die zu erhöhende soziale Attraktivität der landwirtschaftlichen Arbeit und ihre weitere Technisierung durchaus schon vorausgesetzt. Neben dem Ausscheiden aus Altersgründen gibt es aber weitere Zusammenhänge zwischen Lebensalter und Arbeitskräftebewegung. Regelmäßig werden bestimmte Jahrgänge von Wehrpflichtigen zum Dienst in den bewaffneten Organen einberufen. Das hat beständig das Ausscheiden einer großen Zahl von Beschäftigten zur Folge, die zwar nach Ableistung ihres Dienstes in den Arbeitsprozeß zurückkehren, falls sie nicht länger dienen, aber oft nicht in dieselben Bereiche, Zweige, Berufsgruppen und sozialen Positionen, so daß von hier aus beträchtliche Umstrukturierungseffekte ausgehen. Auch die erreichte hohe Beschäftigungsrate der Fräuen führt zu einem beträchtlichen Umfang an Arbeitskräftebewegung zwischen berufstätiger und nichtberufstätiger Bevölkerung. Diese spezifische Umstrukturierung macht sich besonders in den Altersgruppen bemerkbar, in denen die Fruchtbarkeitsziffern hoch sind und wo den Frauen auf Grund sozialer Normen die Sorge um Pflege und Erziehung der Kinder obliegt. Das betrifft besonders solche 108

Bereiche, in denen vorwiegend Frauen beschäftigt sind, und beeinflußt das ökonomische Wachstum dieser Bereiche. Die nichtberufstätige Bevölkerung, besonders die nichtarbeitenden Frauen, stellt augenblicklich die wichtigste Reserve zur Erhöhung der Beschäftigtenzahl d a r . E s darf aber nicht übersehen werden, daß hier noch mannigfaltige soziale und ideologische Probleme hineinragen. Die Beschäftigungsrate der Frauen ist nicht allein eine Funktion der Anzahl von A r beitsplätzen und der Bereitstellung von Kinderkrippen sowie von Angeboten an Nahrungsmitteln, die schnell zuzubereiten sind. Die Berufstätigkeit d e r Frau ist auch und wesentlich von den gruppenspezifischen Zielkriterien, von den Arbeitsmotivationen abhängig. Es ist deshalb nicht ohne weiteres ein direkter Zusammenhang zwischen der Beschäftigungsrate und der Qualität und Quantität s o zialer Einrichtungen in den Betrieben nachzuweisen. Es ist durchaus in Betracht zu ziehen, daß im Zuge des ökonomischen Wachstums, in Verbindung mit der Erhöhung des Lebensstandards und der Ausstattung der Haushalte mit langlebigem Komfort,eine Senkung der weiblichen Beschäftigungsrate einhergeht, da mit steigendem Lebensniveau spezifische Motivationen f ü r weibliche Berufstätigkeit, die auf materiellen Erwägungen beruhen, wegfallen können und damit eine Verlagerung der Motivationsstrukturen in Bereiche der Freizeit und der Familie einhergehen kann. Diese soziologisch und sozialpsychologisch bedeutsame Entwicklung hätte natürliche Auswirkungen auf die Beschäftigungsrate und das ökonomische Wachstum. Ein weiterer Prozeß, der die Arbeitskräftezusammensetzung d e r Volkswirtschaft beeinflußt, ist die Konzentration der Produktion auf Großbetriebe. Das macht Umverteilungsbewegungen von Klein- zu Großbetrieben erforderlich. Tabelle 6 Veränderung der Beschäftigtenzahlen im J a h r e 1964 gegenüber 1956 nach Betriebsgrößen (1956 = 100) Betriebsgröße nach d e r Zahl der Beschäftigten bis

1956

1964

50

100

73,8 97,0

51

bis

200

100

201

bis

500

100

102,3

501

bis 1000

100

105,9

1000

100

107,3

über

Quelle: Errechnet aus: Statistisches Jahrbuch der DDR 1957, S. 246 - 247; Statistisches Jahrbuch der DDR 1966, S. 140 - 141.

Da der Großbetrieb der sozialen Erwartungshaltung der Arbeitenden an technischer und sozialer Ausrüstung, sozialem und beruflichem Aufstieg usw. entspricht, verläuft dieser Prozeß relativ zügig, wie die Tabelle ausweist. Der Großbetrieb erweist sich auch gegenüber Minderbegabung und anfänglicher Unqualifiziertheit recht unempfindlich und zieht auch von daher neu ins Arbeitsleben Tretende an. Da eine funktionsfähige Wirtschaft in bestimmtem Umfang und in bestimmten Bereichen auch den kleineren Betrieb verlangt, ist diese Tendenz keinesfalls voll im Sinne ökonomischen Wachstums. Insgesamt scheint es so, daß die soziale Dynamik weitaus mehr Menschen in Bewegung setzen wird, als zur Neuanpassung der Arbeitskräftestruktur an die veränderten Systembedingungen erforderlich wären. Das hat seine Ursache im komplexen Charakter sozialer 109

Abläufe und im noch ungenügend bekannten Mechanismus der Arbeitskräftebewegung. Der Gesamtprozeß verläuft im gesetzmäßigen Rahmen und folgt Systemerfordernissen, während individuelle Abläufe durch Gesetzmäßigkeiten anderen Niveaus bestimmt sind und deshalb vom volkswirtschaftlichen Standpunkt als spontan, willkürlich und schädlich erscheinen. Die Veränderung des Systems der gesellschaftlichen Arbeitsteilung macht Arbeitskräftebewegungen notwendig, die sich über Fluktuation von Beschäftigten durchsetzen, wobei diese Fluktuation in dem Maße zunimmt, wie sich das Tempo des strukturellen Wandels, erhöht. Für die Effektivität volkswirtschaftlicher Abläufe ist es erforderlich, daß die notwendigen Arbeitskräftebewegungen mit einem Minimum an Fluktuation durchgeführt werden. Gleichzeitig muß aber eine genügende Anzahl fluktuationsbereiter Werktätiger, die auch in der Qualität den Anforderungen entsprechen müssen, vorhanden sein, damit überhaupt Strukturveränderungen im Bereich der Arbeitskraft möglich sind. Darüber hinaus müssen die Interessen der Betriebe an stabilen Stammbelegschaften mit den Interessen der Volkswirtschaft abgewogen werden. Hier haben wir es mit einem äußerst komplexen soziologischen Forschungsgebiet zu tun, das unmittelbar ökonomisch relevant ist. Im Rahmen dieses Diskussionsbeitrages beschränkten sich die Darlegungen auf Leistungsverhalten, Qualifikation und Arbeitskräftebewegung innerhalb der Beschäftigten. Daraus folgt, daß weite Bereiche der Soziologie, die wachstumswirksam sind, nicht odernur implizite angesprochen wurden. Diese Beschränkung hat mindestens zwei Gründe. Einmal sind die hier gewählten Erscheinungen relativ direkt mit dem Wirtschaftswachstum verbunden, sie sind verhältnismäßig überschaubar und meßbar. Sie beziehen ihre Determination zu einem großen Teil aus den gleichen Quellen wie die technische und die ökonomische Entwicklung, indem sie eng an die Veränderungen im System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung gebunden sind. Zum anderen sind die Vermittlungsebenen in bezug auf das Wirtschaftswachstum bei den anderen Bereichen der Soziologie viel komplizierter gelagert und erfordern umfangreiche Beweisführungen, die zum Teil noch nicht einmal als Hypothesen verfügbar sind, oder aber sie scheinen nach dem bisherigen Stand soziologischer Erkenntnisse "lediglich" Reflexionen der vorn behandelten Systemstrukturen zu sein. FUSSNOTE 1

Hier als Bereiche des Dienstleistungs-, Versorgungs- und Gesundheitswesens, der Volksbildung und als sonstige infrastrukturelle Bereiche der Volkswirtschaft verstanden.

110

VLADIMIR NACHTIGAL

E i n i g e P r o b l e m e d e r M e s s u n g und A n a l y s e qualitativen

der

Wachstumsfaktoren

Ein sehr bedeutendes und charakteristisches Zeichen des ökonomischen Wachstums sind der Anteil der qualitativen, intensiven Wachstumsfaktoren an der Gesamtentwicklung und deren eigene Dynamik. Der zur Bezeichnung dieser qualitativen Faktoren am häufigsten gebräuchliche Fachausdruck pflegt "die Produktivität" zu sein. Ganz allgemein ausgedrückt:Die Produktivität ist das Maß der Fähigkeit (des Potentials) einer gegebenen Wirtschaft,mit den gegebenen Quellen der gesellschaftlichen Arbeit die gesellschaftliche Bedürfnisse befriedigenden Gebrauchswerte zu erzeugen. Wenn durch Verwendung identischer Ressourcen ein größeres Quantum von Produkten erzeugt wird als in der Vergangenheit, kann gesagt werden, daß die Produktivität sich erhöht hat. Eine Produktivitätserhöhimg liegt auch dann vor, wenn dasselbe Produkt mit geringeren Mitteln erzeugt wurde. Es ist also klar, daß wir bei der Analyse der intensiven Faktoren die Relation zwischen dem Produktions aufwand und dem Produktionsergebnis in Betracht ziehen müssen. Obwohl dieser Satz als eine längst bekannte banale Wahrheit klingt, ist das Problem der Bestimmung der qualitativen Wachstumsfaktoren und ihrer Dynamik eindeutig bisher noch nicht klargestellt worden. In der tschechoslowakischen Planung und statistischen Praxis wird die gesellschaftliche Arbeitsproduktivität als eine zusammenfassende, die qualitative Seite der Wirtschaftsentwicklung charakterisierenden Kennziffern betrachtet. Unter dem Begriff "gesellschaftliche Arbeitsproduktivität" wird das im Durchschnitt auf die Einheit der lebendigen Arbeit, die in der Produktionssphäre aufgewendet wurde, entfallende Nationaleinkommen verstanden. Da diese gesellschaftliche Arbeitsproduktivität als entscheidender Faktor des Nationaleinkommenwachstums, also des Wachstums des physischen Volumens des Nationaleinkommens, in ihrer zeitlichen Entwicklung erfaßt wird, werden bei ihrer Konstruktion und Analyse die Nationaleinkommensdaten in unveränderten ("vergleichbaren") Preisen benutzt. Die Konstruktion der Kennziffer der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität anhand von konkreten Angaben für die tschechoslowakische Volkswirtschaft in den Jahren 1951 - 1965 zeigt folgendes Bildest Tab 1 und 2).

Das Wachstum der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität ist beträchtlich, namentlich in dem Jahrzehnt 1950 - 1960, in dem sich die gesellschaftliche Arbeitsproduktivität fast verdoppelt hat, wobei die Jahreszuwachsrate das entsprechende Tempo der westlichen Industrieländer entschieden übertraf.

111

Tabelle 1 Ausgewählte Daten zur volkswirtschaftlichen Produktivität Kennziffer

1950

1955

1960

in konstanten Preisen (1955) Nettoprodukt*) in Mill.KCs 85 031

1960

1965

in konstanten Preisen (1960)

125 249

176 027

162 002

178 543

4 831

5 070

5 053

5 053

5 180

Gesellschaftliche Arbeitsproduktivität (Nettoprodukt je Beschäftigten) 17 601

24 704

34 836

32 061

34 468

Durchschnittszahl der in der Produktionssphäre Tätigen in 1000 Personen

Indexziffer der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität

100,0

140,4

197,7

100,0

107,5

x) Um terminologisch die Kategorie des Nationaleinkommens als neugeschaffenen Wertes von dessen natural-sachlichem Inhalt zu unterscheiden, soll für die Gesamtheit der Gebrauchswerte, die dem Nationaleinkommen entspricht, der Ausdruck Nettoprodukt verwendet werden.

Tabelle 2 Jahreszuwachsraten in ausgewählten Ländern (in 1

Jahreszuwachsrate des GNP je Beschäftigten in den Jahren 1950 - 1960

Jahreszuwachsrate des Nettoproduktes je Beschäftigten in der Produktionssphäre in Jahren 1950 - 1960

Belgien

2,5

USA

2,1

Frankreich

3,9

Kanada

2,0

BRD

5,3

T schechoslowakei

7,1

Italien

4,1

Polen

4,0

Niederlande

3,7

Ungarn

5,8

Norwegen

3,2

Rumänien

3,3

Vereinigtes Königreich

1,9

Analog zur ganzen Volkswirtschaft kann man die gesellschaftliche Produktivität und ihre Entwicklung auch in den einzelnen Volkswirtschaftsszweigen zeigen:

112

Tabelle 3 Produktivität ausgewählter Volkswirtschaftszweige Gesellschaftliche Arbeitsproduktivität

1950

1955

1960

in konstanten Preisen (1955)

1960

1965

in konstanten P r e i s e n (1960)

Industrie

31 322

41 447

54 432

44 825

49 653

Bauwesen

17 068

32 233

42 964

34 551

35 587

8 028

7 936

9 365

14 467

12 634

13 479

20 728

21 406

26 816

23 303

Landwirtschaft anderen Produktionszweigen Entwicklung der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität Industrie

100,0

132,3

173,8

100,0

110,8

Bauwesen

100,0

188,9

251,7

100,0

103,0

Landwirtschaft

100,0

98,9

116,7

100,0

87,3

anderen Produktionszweigen

100,0

153,8

158,8

100,0

86,9

Aus den Angaben der Tabelle 3 geht hervor, daß die gesellschaftliche Arbeitsproduktivität in den einzelnen Zweigen einmal absolut unterschiedlich ist, zum anderen, daß sie sich in den einzelnen Zweigen mit unterschiedlicher Wachstumsrate entwickelt. Daraus resultiert auch, daß Niveau und Entwicklung d e r gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität im Maßstab der ganzen Volkswirtschaft einerseits als eine Funktion d e r gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität in den einzelnen Zweigen, andererseits als eine Funktion der Änderungen d e r Zweigstruktur betrachtet v e r d e n können. Die Erhöhung der Anteile d e r Zweige, in denen die gesellschaftliche Arbeitsproduktivität über dem Durchschnitt liegt, wirkt auf die E r höhung dieser Kennziffer im Globalwert zwar auch dann, wenn in dem gegebenen Zweig kein Wachstum erzielt worden i s t . Die Erhöhung der Anteile der Wirtschaftszweige mit u n t e r durchschnittlicher Arbeitsproduktivität würde einen Rückgang der gesellschaftlichen A r b e i t s produktivität in der ganzen Volkswirtschaft auslösen. In der tschechoslowakischen Volkswirtschaft ist eine Steigerung des Anteils d e r W i r t schaftszweige mit überdurchschnittlicher gesellschaftlicher Arbeitsproduktivität (Industrie, Bauwesen) eingetreten, während der Anteil der Landwirtschaft, wo die gesellschaftliche A r beitsproduktivität unter dem Durchschnitt liegt, gesunken i s t . Deswegen wird oft in den Analysen angeführt, daß die Änderungen in der Zweigstruktur das Wachstum der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität beschleunigt haben. Ein schnelles Wachstumstempo der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität, die wirklich von den Verschiebungen zwischen der "wenig produktiven Landwirtschaft" und der "hochproduktiven Industrie" beeinflußt worden ist, scheint aber im Widerspruch zu der bekannten Spannung in d e r Sphäre d e r Außenhandelsbeziehungen zu stehen. Wäre die Redistribution d e r Arbeitskräfte von der Landwirtschaft in die Industrie wirklich eine solche Erhöhung d e r gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität im Ganzen, die man aus den Berechnungen h e r a u s lesen kann, dann - logisch zu Ende geführt - würde es kein Problem sein, die fehlenden 113

Produkte der "wenig produktiven Landwirtschaft" durch den Außenhandelsaustausch für industrielle Produkte, die - wie es scheint - in der CSSR mit einer weit höheren gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität produziert werden, zu beschaffen. Die Wirklichkeit entspricht jedoch nicht dieser Logik. Die Tschechoslowakei muß nämlich für die Befriedigung ihrer Importbedürfnisse eine wachsende Menge von industriellen Exportwaren aufwenden. Es entsteht nun das Problem, ob die gesellschaftliche Arbeitsproduktivität, die'in der CSSR durch zentrale Planungs- und statistische Organe fast ausschließlich als Ausdruck der qualitativen Seite der Wirtschaftsentwicklung benutzt wird, die einzige hierzu mögliche Methode darstellt, bzw. welches ihre Aussagefähigkeiten sind. Es entsteht nämlich der Eindruck daß diese Methode in der Vergangenheit die qualitative Seite unserer Wirtschaftsentwicklung einigermaßen "verschönert", daß sie uns eine rosa Brille aufgesetzt hat. Die Kategorie der "gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität" gründet sich auf die These von Marx, daß neuen Wert ausschließlich die lebendige Arbeit schaffen kann uncl das geschaffene Nationaleinkommen daher ausschließlich eine Funktion des Aufwandes an lebendiger Arbeit sei. Das ist der Aspekt des Wertbildungsprozesses. K. Marx hat aber auch darauf hingewiesen, daß der Produktionsprozeß eine Einheit von Wertbildungs- und Arbeitsprozeß ist. Unbedingte Voraussetzung der Produktion von Gebrauchswerten ist somit nicht nur der Aufwand an lebendiger Arbeit, sondern auch die Existenz und Verwendung der Produktionsmittel. Daher ist bei der Analyse der Bedingungen zur Produktion von Gebrauchswerten nicht nur das Quantum des Aufwands an lebendiger, sondern auch das Quantum der benutzten vergegenständlichten Arbeit in Betracht zu ziehen. Bei der Analyse des Wirtschaftswachstums geht es uns v.or allem um den natural-sachlichen Aspekt des Nationaleinkommens, um die Volumensänderung jener Gebrauchswerte, die das Finalprodukt darstellen, d. h. den nichtproduktiven Verbrauch und die Akkumulation. Ich bin daher folgender Ansicht: Wenn die Analyse der qualitativen Seiten des ökonomischen Wachstums die Realität objektiv ausdrücken soll, muß sie die gesamten genutzten Quellen der gesellschaftlichen Arbeit in Betracht ziehen, d. h. nicht nur die Änderung des Aufwands an lebendiger Arbeit, sondern auch der genutzten vergegenständlichten Arbeit. Konkret bedeutet dies, daß bei der Analyse die Entwicklung des Nettoprodukts mit der Volumensentwicklung aller genutzten Quellen der gesellschaftlichen Arbeit zu vergleichen ist, das heißt sowohl das Arbeitspotential der Arbeitskraft als auch der Produktionskapazität, in denen der Produktionsprozeß verläuft, und die Produktionsvorräte einzubeziehen sind. Ich bin anderer Meinung als diejenigen Ökonomen, die darauf hinweisen, daß der Verbrauch an vergegenständlichter Arbeit dadurch bereits hinlänglich ausgedrückt sei, daß der Produktionsverbrauch an Rohstoffen, Material, Halbfabrikaten, Energie, Verschleiß der Produktionsfonds u. ä. vom Bruttoprodukt abgezogen wird und daß nur jener neugeschaffene Wert Gegenstand der Analyse ist, der ausschließlich das Ergebnis des Aufwandes an lebendiger Arbeit sein kann. Diese Ökonomen hätten in dem Falle recht, wenn wir den Wertbildungsprozeß, die Wertschaffung, analysierten. Wenn wir hingegen untersuchen, unter welchen Bedingungen die Maße derjenigen Konsumtions- und der Produktionsmittel produziert wird, die das Naturaleinkommen der Gesellschaft bilden und als Endprodukt ("final") verbraucht und akkumuliert werden, kann von der Effektivität der Ausnutzung der Produktionsfonds nicht abgesehen werden. Eine der Möglichkeiten, wie diese Relationen erkannt und ausgedrückt werdet! können, ist die zweifache, parallele Analyse des Wirtschaftswachstums 1. unter dem Gesichtspunkt der direkten (allgemeinen) Wachstumsfaktoren, d. h. des Aufwands an lebendiger Arbeit und der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität,und 2. unter dem Gesichtspunkt der indirekten Wachstumsfaktoren, d. h. der Produktionsfond und ihrer Effektivität. Ich werde die Wirtschaftsentwicklung an den konkreten Angaben über die tschechoslowakische Wirtschaft für die Zeitspanne 1951 - 1965 von beiden Gesichtspunkten her parallel analysieren.

114

Die Ausgangsdaten für die Analyse der direkten Wachstumsfaktoren habe ich schon am Anfang meines Diskussionsbeitrages genannt. Aus diesen Angaben geht hervor, daß in den einzelnen angeführten Jahrfünften sowie in der Gesamtperiode von fünfzehn Jahren die gesellschaftliche Arbeitsproduktivität und die Zahl der Beschäftigten folgendermaßen angewachsen sind: Tabelle 4 Gesellschaftliche Arbeitsproduktivität und Beschäftigtenzahlen (in %) Wachstumsindizes

1951-55

1956-60

1961-65

1951-65

Gesellschaftliche Arbeitsproduktivität

140,4

141,0

107,5

212,7

Durchschnittzahlen der in der Produktivsphäre Beschäftigten

104,9

99,7

102,5

107,2

Wenn das Wachstum der beiden direkten Produktionsfaktoren in den absoluten Zuwachs des Nettoproduktes der untersuchten Jahrfünfte projiziert wird, stellt man fest, daß in allen drei Teilperioden das Wachstum der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität den Zuwachs des Nettoproduktes entscheidend beeinflußt hat. In dem zweiten Fünfjahrplan (1956-60) war das Wachstumstempo der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität sogar der ausschließliche Faktor, der auf das Wachstumstempo des Nettoproduktes eingewirkt hat, denn die Durchschnittszahl der Beschäftigten in der produktiven Sphäre sank. In den Jahren 1961 1965 ist aber der Beitrag der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität zum Wachstum des Nettoprodukts absolut sehr deutlich zurückgegangen. Trotzdem ist dieser absolute Zuwachs nicht mit den Wachstumsraten der Jahre 1951-55 und 1956-60 voll vergleichbar, da dieser in nicht vergleichbaren Preisen, deren Niveau niedriger war, ausgedrückt ist; folglich kann dieser Rückfall nicht nur auf die Preisunterschiede zurückgeführt werden. Tabelle 5 Anteile am Zuwachs des Nettoprodukts 1951 - 55

1956 - 60

in konstanten Preisen

(1955)

1961 - 65 in konstanten Preisen (1960)

in Mill. Struktur K6s in %

in Mill. Struktur K6S in %

in Mill. Ktfs

Struktur in %

40 218

100,0

50 778

100,0

16 541

100,0

a) auf Grund der Beschäftigung

5 055

12,6

- 506

- 1,0

4 225

25,6

b) auf Grund der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität

35 163

87,4

51 284

101,0

12 316

74,4

Nettoprodukt Beitrag

Die Angaben für die zweite, parallele Analyse der Wirkungsweise der indirekten Wachstumsfaktoren sind folgende:

115

Tabelle 6 Entwicklung ausgewählter volkswirtschaftlicher Kennziffern Kennziffer

1950

1955

1960

85 031

125 249

176 027

284 994

369 582

500 982

Effektivität der Produktionsfonds 0,29836

0,33889

0,35136

Indexziffer der Produktionsfondseffektivität

113,6

117,8

Bestand an Produktionsfonds in Mrd. KCs (Jahresdurchschnitt)

100,0

1965

in konstanten Preisen (1960)

in konstanten Preisen (1955) Nettoprodukt in Mill. Kös

1960

162 002

178 543

462 371

617 930

0,35037

0,28894

100,0

82,5

In den angeführten Jahrfünften und in der fünfzehnjährigen Gesamtperiode weisen also die indirekten Faktoren des Wirtschaftswachstums folgende Entwicklung auf: Tabelle 7 Entwicklung ausgewählter volkswirtschaftlicher Kennziffern (in %) 1961-65

1961-65

Kennziffer

1951-55

1956-60

Effektivität der Produktionsfonds

113,6

119,1

82,5

97,2

Bestand an Produktionsfonds (Jahresdurchschnitt)

129,7

135,6

133,6

234,9

Die Produktionsfondseffektivität hat sich bei weitem nicht so günstig wie die gesellschaftliche Arbeitsproduktivität entwickelt. In dem zweiten Jahrfünft (1956-60) hat sich ihre Ent-, Wicklung zwar im Vergleich mit den Jahren 1951-55 etwas beschleunigt, aber die Wachstumsraten der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität sind in beiden Teilperioden fast gleich geblieben. In den Jahren 1961-1965 ist die Produktionsfondseffektivität jedoch beträchtlich gesunken, und zwar in solchem Maße, daß das im vorigen Jahrzehnt erzielte Wachstum ganz verlorenging. Dieser Entwicklung der Effektivität und des Volumens der Produktionsfonds entspricht auch eine analoge Gliederung der Beiträge zum Wachstum des Nettoprodukts auf die quantitativen und qualitativen indirekten Wachstumsfaktoren.

116

Tabelle 8 Anteile am Zuwachs des Nettoprodukts 1951 - 55

1956 - 60

1961 - 65

in konstanten Preisen (1955)

in konstanten Preisen (1960)

in Mill. Struktur K6s in %

in Mill. Struktur Kös in %

in Mill. KCs

Struktur in %

40 218

100,0

50 778

100,0

16 541

100,0

a) des Volumens der Produktionsfonds

26 953

67,0

45 350

89,3

49 725

300,6

b) der Produktionsfondseffektivität

13 265

33,0

5 428

10,7

-32 784

-200,6

Nettoprodukt Beitrag

Der Einfluß der Erhöhimg der Effektivität der Produktionsfonds auf den Nettoproduktzuwachs war in den Jahren 1951-60 niedrig und hatte eine sinkende Tendenz. In den Jahren 1961-65 wirkte die Entwicklung der Produktionsfonds nicht als ein aktiver, sondern als ein stark verlangsamender Faktor. Hier finden wir einen Beweis, daß die hohen Wachstumsraten der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität, die als einziger quantitativer Wachstumsfaktor benutzt und offiziell publiziert worden sind, unseine rosa Brille aufgesetzt haben. Dieses Herangehen ermöglicht es, das Wachstum der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität.getrennt nach dem Einfluß der Erhöhung der Effektivität der Produktionsfonds und der Erhöhung der Ausrüstung der lebendigen Arbeit mit Produktionsfonds.nachzuweisen; denn zwischen diesen Größen besteht die bekannte Relation: f a l l s Y = L . w und gleichzeitig Y = F . e , wobei 6 =

so ist

Y F



a =

I

F

'

w = e . a.

Bedeutung der Symbole: Y L F w e a

= das (vom natural-sachlichen Gesichtspunkt) geschaffene Nationaleinkommen = der Aufwand an lebendiger Arbeit = die benutzten Produktionsfonds = die gesellschaftliche Arbeitsproduktivität = die Effektivität der Produktionsfonds = die Ausrüstung der lebendigen Arbeit mit Produktionsfonds.

Die gegenseitige Relation der Entwicklung aller angeführten Faktoren, d. h. der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität, der Effektivität der Produktionsfonds und der Ausrüstung der lebendigen Arbeit mit Produktionsfonds, war in einzelnen Jahrfünften und in dem ganzen Zeitraum von fünfzehn Jahren 1951 - 1965 in der ¿SSR folgende:

117

Tabelle 9 Entwicklung ausgewählter volkswirtschaftlicher Kennziffern (in %) Kennziffer

1951-55

1956-60

1961-65

1951-65

Gesellschaftliche Arbeitsproduktivität

140,4

141,0

107,5

213,7

Effektivität der Produktionsfonds

113,6

119,1

82,5

97,2

Fondausrüstung der lebendigen Arbeit

123,6

118,4

130,4

218,8

Aus der Übersicht geht hervor, daß der entscheidende Wachstumsfaktor der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität in der ÖSSR die Erhöhung der Ausrüstung der lebendigen Arbeit mit Produktionsfonds war. Aus dem Resultat einer solchen Teilung läßt sich dann folgern, welcher Typ technischen Fortschrittes realisiert wurde: ob ein technischer Fortschritt, der bedeutende Ansprüche an Investitionen stellt, oder ein Typ technischen Fortschrittes, der viel Arbeit verschlingt. In der Tschechoslowakei setzte sich im Laufe des fünfzehnjährigen Zeitraumes ein eindeutig investitionsintensiver technischer Fortschritt durch. Die Einschätzung der Zweckmäßigkeit oder der Notwendigkeit dieser Entwicklung überschreitet den Rahmen meines Diskussionsbeitrages. Deshalb möchte ich zur Problematik der Erfassung der Wachstumsfaktoren übergehen. Auch die bloße Analyse der direkten (allgemeinen) Wachstumsfaktoren wird uns einigermaßen unterschiedliche Resultate liefern, und zwar abhängig davon, welche Berechnungsmethode wir verwenden bzw. von welcher Konzeption der gesellschaftlichen Produktivität wir ausgehen. Dementsprechend wird auch die Zerlegung des Wachstums der auf diese Art festgestellten gesellschaftlichen Arbeitsproduktivitäten verschieden sein. Die Verschiedenheit in den Methoden zur Berechnung der gesellschaftlichen Arbeit hängt davon ab, in welchen Einheiten wir den Aufwand an lebendiger Arbeit ausdrücken und für welche Einheit der lebendigen Arbeit wir somit die gesellschaftliche Produktivität errechnen. Die einfachste und am häufigsten verwendete Methode zur Berechnung der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität stellt das Nettoprodukt der einfachen Summe jener Zeiteinheiten gegenüber, in denen die lebendige Arbeit gemessen wurde (die geleisteten Arbeitsstunden oder die Durchschnittszahl der in der Produktionssphäre Beschäftigten; von den Unterschieden in der Anzahl der gearbeiteten Tage oder tatsächlich geleisteten Stunden der verschiedenen Kategorien wird hierbei abgesehen. Als Resultat einer solchen Berechnung ergibt sich dann die im Durchschnitt auf eine geleistete Zeiteinheit (Stunde, Tag, die durch eine Arbeitskraft geleistete Durchschnittstundenzahl) bezogene gesellschaftliche Arbeitsproduktivität, ohne daß dabei Qualität und Kompliziertheit der Arbeit berücksichtigt sind. Durch die Kombination mit dem Resultat der Analyse des Einflusses der indirekten Wachstumsfaktoren e r halten wir die Veränderung der Ausrüstung der lebendigen Arbeit mit Produktionsfonds in der betreffenden Zeiteinheit. Diese Methode ist bei der obenangeführten Analyse benutzt worden. Deshalb zeigen die Indizes der Fonds au srüstung der lebendigen Arbeit, die in der Tabelle Nr. 9 angeführt wurden, das Wachstum des Produktionsfondsvolumens in vergleichbaren Preisen je Beschäftigten in der Produktionssphäre (genau formuliert die auf einen Beschäftigten entfallende durchschnittlich geleistete jährliche Arbeitsstundenzahl). Eine zweite Möglichkeit zur Messung der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität ist die Gegenüberstellung des Nettoproduktes mit der gewogenen Summe der Zeiteinheiten des Aufwands an lebendiger Arbeit. Hierbei werden als Gewichte die Lohn- und Einkommensrelationen einer bestimmten Zeitspanne verwendet (in der Regel die Lohn- und Einkommensrelationen eines Jahres, dessen Preisniveau als vergleichbare Preise zum Ausdruck makroökonomischer Kennziffern, wie der Produktion, des Nettoproduktes, der Produktionsfonds 118

und ähnl. dient). E s handelt sich dabei um eine Präzisierung der oben dargelegten Methode, wobei die Unterschiede in d e r Qualifikation und in anderen, die Qualität d e r aufgewendeten l e bendigen Arbeit bestimmenden Faktoren näherungsweise berücksichtigt werden. Falls wir außerdem zu einem solchen Ausdruck des Aufwandes an lebendiger Arbeit den "Fonds der individuellen Verteilung" (d. h. den Anteil d e r Bevölkerung an d e r ursprünglichen primären Verteilung des Nationaleinkommens) verwenden, so erfassen wir auf diese Weise auch die Änderung im Aufwand der lebendigen Arbeit auf dem Gebiet der persönlichen Wirtschaften der Bevölkerung (in der persönlichen Landwirtschaft der Arbeiter, Angestellten und der Mitglieder landwirtschaftlicher Genossenschaften, f e r n e r der in Selbsthilfe durchgeführte Bautätigkeit und ähnl., das heißt überall dort, wo nach Beendigung der im normalen Hauptberuf geleisteten Tätigkeit Arbeit geleistet wird): Die Produktion dieser persönlichen Wirtschaften ist zwar im gesellschaftlichen Produkt und Nationaleinkommen inbegriffen; demgegenüber sind die Änderungeninder hierbei aufgewendeten lebendigen Arbeit durch die V e r änderung der Anzahl der in den sozialistischen und privaten Unternehmungen ökonomisch tätigen Personen, die bei der ersten Methode des ungewogenen Berechnens der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität verwendet werden, nicht berücksichtigt. Die Konstruktion dieser Kennziffern der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität soll nach dieser Methode wieder anhand von konkreten Angaben über die tschechoslowakische Wirtschaft dargestellt werden. Tabelle 10 Veränderung von Kennziffern der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität

Kennziffern

1950

1955

1960

1960

1965

in konstanten P r e i s e n (1955) v '

in

Nettoprodukt in Mill. Kös

85 031

125 249

176 027

162 002

178 543

Aufwand der lebendigen Arbeit, ausgedrückt durch den modifizierten Fonds der individuellen Verteilung*)

63 888

69 866

72 884

84 100

83 317

Gesellschaftliche Arbeitsproduktivität in Kös pro 1 K6s des modifizierten Fonds der individuellen Verteilung

1,330

1,793

2,415

1,926

2,118

Indexziffer der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität

100,0

134,6

181,4

konsta ?,te° P r e i s e n (1960)

100,0

110,0

x) Die Modifikation des Fonds der individuellen Verteilung ist folgenderweise durchgeführt worden: Als Ausgangspunkt diente der in den Jahren 1955 und 1960 festgestellte Fonds der individuellen Verteilung im sozialistischen und privaten Sektor, der die Löhne der Beschäftigten in den sozialistischen Unternehmungen und die Bruttoeinkommen der Privaterzeuger enthielt. Dieser im J a h r e 1955 festgestellte Fonds der individuellen Verteilung ist f ü r die J a h r e 1950 bis 1960 erhöht oder erniedrigt worden (nach den Indizien der Entwicklung der Durchschnittszahlen der in der Produktionssphäre Beschäftigten in den entsprechenden Jahren). In dieser Weise ist die Entwicklung der ökonomischen Aktivität in den Jahren 1950 - 1960 in die Lohn-undEinkommensrelationendes J a h r e s 1955 projiziert worden. Analog ist auch die Entwicklung der ökonomischen Aktivität in d e r Produktionssphäre in den 119

Jahren 1960 - 1965 in die Lohn-und Einkommensrelationen des Jahres 1960 übergeführt worden. Zum derart modifizierten Fonds der individuellen Verteilung im sozialistischen und privaten Sektor ist in jedem Jahr der im Jahre 1955 (1960) festgestellte und entsprechend erhöhte bzw. erniedrigte Fonds der individuellen Verteilung aus den persönlichen Wirtschaften der Bevölkerung beigefügt worden. Die entsprechende Erhöhung oder Erniedrigung des Fonds der individuellen Verteilung in den persönlichen Wirtschaften der Bevölkerung ist nach den Indizien der Entwicklung des physischen Volumens des Nettoprodukts der persönlichen Wirtschaften der Bevölkerung (1955 = 100 bzw. 1960 = 100) durchgeführt worden. Die Summe beider so adaptierten Fonds der individuellen Verteilung ist dann zur Illustration der Entwicklung des Aufwandes der lebendigen Arbeit benutzt worden. Als Resultat des Berechnens der gesellschaftlichen Arbeit mit Hilfe der zweiten, präziseren Methode ergibt sich jene gesellschaftliche Arbeitsproduktivität, die im Durchschnitt auf die Einheit des Aufwands an einfacher Arbeit entfällt, die durch die Geldeinheit der Lohn- und Einkommensrelation des Basisjahres charakterisiert ist. Es ist begreiflich, daß die Ausrüstung der Einheit der einfachen lebendigen Arbeit mit Produktionsfonds eine andere sein wird als die Ausrüstung der Einheit jener Durchschnittsarbeit, zu der wir mit der ersten Methode gelangt sind. Bisher habe ich mich mit der Ausdruckweise der aus der parallelen Analyse des Wirtschaftswachstums sowohl vom Gesichtspunkt der direkten als auch vom Gesichtspunkt der indirekten Wachstumsfaktoren ausgehenden qualitativen Wachstumsfaktoren befaßt. In der ökonomischen Literatur der Tschechoslowakei ist noch eine weitere Auffassung über die qualitativen Wachstumsfaktoren entstanden. Sie beruht auf der Analyse des gleichzeitigen Wirkens der lebendigen Arbeit und der Produktionsfonds als Ressourcen der gesellschaftlichen Arbeit. Diese Ressourcen der gesellschaftlichen Arbeit stellen die quantitativen Wachstumsfaktoren (Einsatzfaktoren nach der Terminologie von Dr. Kratsch) und die globale Effektivität dieser Quellen (einige Autoren verwenden den Begriff integrale Produktivität) als einen gemeinsamen, qualitativen Wachstumsfaktor dar, der sowohl die Entwicklung der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität als auch die Entwicklung der Effektivität der Produktionsfonds in sich verbindet. Wenn wir die Symbole verwenden, deren Bedeutung oben erläutert wurde, kann man schreiben: Y = (F + L) . r , Y wobei r = p + L die globale Effektivität (die integrale Produktivität) der Ressourcen der gesellschaftlichen Arbeit bedeutet. Die globale Effektivität kann man also als das Nettoprodukt, das im Durchschnitt pro Einheit der Elemente der gesellschaftlichen Arbeit geschaffen worden ist, interpretieren. Den reziproken Wert der globalen Effektivität 1 _ r

F + L Y"

_ "

1

kann man dann als durchschnittliche Intensität der Einheit des Nettoproduktes ausdrücken, bezogen auf die Elemente (Faktoren) der gesellschaftlichen Arbeit, das heißt auf den Einsatz der Gesamtfaktoren der gesellschaftlichen Arbeit, die bei der Produktion durchschnittlich pro Einheit des Nettoprodukts aufzuwenden waren. Diese Form einer synthetischen, qualitativen Kennziffer des Wirtschaftswachstums hat im Vergleich mit der Kennziffer der globalen Effektivität den Vorteil, analytischen Zwecken gut dienen zu können: Es besteht nämlich die Möglichkeit, diese Kennziffer anschaulich in additive Teilkennziffern zu zerlegen, wobei die einzelnen Elemente (Faktoren) der gesellschaftlichen Arbeit (Grundfonds, Umlauffonds, unvollendeter Anlagebau, lebendige Arbeit) zum Ausdruck kommen: 120

i =

F + L

=

G F —

+

u F —

+

L

T



Bei diesem Herangehen an die Analyse des ökonomischen Wachstums müssen die einzelnen Elemente der Ressourcen der gesellschaftlichen Arbeit (F, L) in einem gemeinsamen Maßstab ausgedrückt werden, z. B. Geldeinheiten unveränderter Preise. Dies wird durch die zweite der angeführten Arten des Ausdrucks der lebendigen Arbeit ermöglicht, d. h. durch die mit den Lohn- und Einkommensrelationen des Basisjahres gewogene Summe. Diese Methode soll wieder am konkreten Beispiel der tschechoslowakischen Wirtschaft veranschaulicht werden: Tabelle 11 Entwicklung ausgewählter volkswirtschaftlicher Kennziffern Kennziffer

1950

1955

1960

. ^ _ . „„„. . , in konstanten Preisen (1955)

1960

1965

inkonstanten Preisen (1960)

85 031

125 249

176 027

162 002

178 543

Gesamtressourcen der gesellschaftlichen Arbeit in Mill. K6s

348 882

439 448

573 866

546 471

702 247

Globale Effektivität der Ressourcen der gesellschaftlichen Arbeit in Kös

0,2437

0,2850

0,3067

0,2965

0,2542

Indexziffer der globalen Effektivität

100,0

116,9

Nettoprodukt in Mill. K5s

125,8

100,0

85,7

Das Wachstum des Nettoproduktes wird dann als Folge einerseits des Wachstums der Ressourcen der gesellschaftlichen Arbeit, andererseits des Wachstums ihrer globalen Effektivität (integrale Produktivität) begriffen. Diese beiden Faktoren zeigen in den analysierten Jahren folgende Entwicklung: Tabelle 12 Entwicklung von Kennziffern des Wachstums (in %) Kennziffer

1951-55

1956-60

1961-65

1951-65

Globale Effektivität der Gesamtressourcen

116,9

107,6

85,7

107,9

Gesamtressourcen der gesellschaftlichen Arbeit

126,0

130,6

128,5

211,4

Wenn man wieder die Entwicklung dieser Gesamtressourcen, die in einer bestimmten Art die Entwicklung der direkten sowie der indirekten Wachstumsfaktoren enthalten, in die Zerlegung des absoluten Zuwachses des Nettoproduktes projiziert, bekommt man folgende Resultate:

121

Tabelle 13 Anteile am Zuwachs des Nettoprodukts 1951 - 55

1956 - 60

1961 - 65

• i i , • in konstanten Preisen (1955)

inkonstanten Preisen (1960)

in Mill. Struktur KCs in %

in Mill. Struktur Käs in %

in Mill. Kis

Struktur in %

40 218

100,0

50 778

100,0

16 541

100,0

a) der Gesamtressourcen der gesellschaftlichen Arbeit

23 943

59,5

39 771

78,3

42 893

259,3

b) der globalen Effektivität der Ressourcen

16 275

40,5

11 007

21,7

-26 352

-159,3

Nettoprodukt Beitrag

Der Teil des absoluten Zuwachses des Nettoproduktes, der den Beitrag der globalen Effektivität darstellt, d. h. den Einfluß der qualitativen Faktoren, ist nach und nach gesunken, bis er im Zeitraum 1961 - 1965 in negative Werte Ubergegangen ist und infolgedessen verlangsamend gewirkt hat. Aber auch in den fünfziger Jahren, als die qualitativen Wachstumsfaktoren noch aktiv die Entwicklung des Nettoprodukts beeinflußt haben, hat ihr Anteil am Zuwachs des Nettoproduktes niemals auch nur 50 % erreicht. Das steht im Widerspruch zu der Entwicklung in den wirtschaftlich entwickelten kapitalistischen Ländern, wo die qualitativen Faktoren der Wirtschaftsentwicklung einen weit überwiegenden Anteil haben. Dieser Aspekt - ob man der Wirkung der qualitativen Faktoren einen überwiegenden Anteil, d. h. mehr als 50 % des Zuwachses des Nettoproduktes,zuschreiben kann oder nicht ist in der tschechoslowakischen ökonomischen Literatur als Kriterium für die Unterscheidung eines intensiven und extensiven Wirtschaftswachstums vorgeschlagen worden. 1 Wenn die Wirtschaftsentwicklung überwiegend eine Folge der Wirkung der qualitativen Faktoren (der globalen Effektivität) ist, handelt es sich um eine intensive Entwicklung; wenn der überwiegende Anteil des Zuwachses des Nettoproduktes auf qualitative Faktoren, d. h. auf die E r weiterung der Ressourcen der gesellschaftlichen Arbeit,zurückzuführen ist, handelt es sich um eine extensive Entwicklung. Zwei junge begabte tschechoslowakische Ökonomen, Ing. Miroslav Toms und Ing. Mojmir Häjek, bauten auf dieser Konzeption eine marxistische Theorie der Stadialisation des ökonomischen Wachstums auf, die kurz als Konzeption des extensiven und intensiven Wachstums benannt werden könnte. ' In meinem Diskussionsbeitrag habe ich drei Zusammenhänge, die die qualitative Seite des Wirtschaftswachstums charakterisieren, konkret verglichen: 1. das im Durchschnitt auf die Einheit der lebendigen Arbeit entfallende Nettoprodukt, wobei Kompliziertheit, Qualifikation etc. der lebendigen Arbeit nicht unterschieden werden; 2. das im Durchschnitt auf die mit Lohn-und Einkommensrelationen der Jahre 1955 und 1960 gewogene Einheit entfallende Nettoprodukt (die mit Hilfe des modifizierten Fonds der individuellen Verteilung ausgedrückte gesellschaftliche Arbeitsproduktivität); 3. das im Durchschnitt auf die Einheit der gesamten gesellschaftlichen - lebendigen und vergegenständlichten - Arbeit, die wieder in den Preis-und Einkommensrelationen der Jahre 1955 und 1960 ausgedrückt ist, entfallende Nettoprodukt (die globale Effektivität). Die Veränderungen dieser drei Kennziffern in den Jahren 1950 - 1965 sind in dem folgenden Diagramm ausgedrückt:3 122

Nettoprodukt pro IStunde

Nettoprodukt pro 1 Kis des Ei. V.

Nettoprodukt pro 1 Kit der Oesamtquellen der gesellschaftlichen Arbeit

I I I I I I I I I I l I I I I I 1950

1955

1960

1965

Abb.

Vergleich der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität und der globalen Effektivität

Die Entwicklung der einzelnen Kennziffern unterscheidet sich vor allem in den Wachstumsraten. In den letzten fünf Jahren kommt auch ein Unterschied zwischen den Entwicklungstendenzen der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität und d e r globalen Effektivität zum Ausdruck. Beim Zusammenfassen der angeführten drei grundlegenden qualitativen Wachstumsfaktoren muß man sich dessen bewußt sein, daß jeder dieser Faktoren in sich qualitative P r o zesse mit verschiedenen Graden der Details ausdrückt. Die genauesten Informationen gibt die globale Effektivität; sie zeigt die Veränderungen d e r Effektivität d e r einfachen lebendigen und der vergegenständlichten Arbeit. Die Änderung der gesellschaftlichen Produktivität, die auf die Einheit der einfachen lebendigen Arbeit entfällt, ist eine synthetischere Kennziffer, denn sie vereinigt den Einfluß der Veränderungen in d e r Effektivität d e r einfachen lebendigen Arbeit mit dem Einfluß d e r Veränderungen in i h r e r Ausrüstung mit vergegenständlichter Arbeit. Die Veränderung der gesellschaftlichen Produktivität, die im Durchschnitt auf die Zeiteinheit der angewandten Arbeit - ohne Unterscheidung deren Qualität entfällt, vereinigt die Einflüsse der bloßen Effektivität der einfachen lebendigen Arbeit, deren Ausrüstung mit vergegenständlichter Arbeit und i h r e r durchschnittlichen-Qualität. J e d e r dieser Einflüsse kann als ein selbständiger Faktor der Erhöhung d e r gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität aufgefaßt werden.

123

FUSSNOTEN 1

V. Nachtigal, K otazce kriterii intenzity, extenzity a efektivity ekonomicköho rustu (Zur Frage der Kriterien der Intensität, Extensität und Effektivität des Wirtschaftswachstums), in: Politickä ekonomie, H. 3, 1966; Extensita a efektivita hospodärsköho vyvoje ÖSSR (Extensität und Effektivität der Wirtschaftsentwicklung der ÖSSR), in: Politickä ekonomie, H. 4, 1966; Extensity and Efficiency of Economic Growth in Czechoslovakia, Czechoslovak Economic Papers, Nr. 9

2

Diese Theorie ist in der in Vorbereitung befindlichen Dissertation der genannten Autoren ausführlich bearbeitet; ihre Hauptgedanken wurden in der Zeitschrift Politickä ekonomie, Heft 11, 1966, publiziert

3

Da die mit Hilfe der Durchschnittszahl der Beschäftigten ausgedrückte gesellschaftliche Arbeitsproduktivität in einem gemeinsamen Maßstab mit den beiden anderen Kennziffern projiziert wurde, ist sie folgenderweise herabgesetzt worden. Das im Durchschnitt auf einen Beschäftigten jährlich entfallende Nettoprodukt ist in allen Jahren durch die einheitliche im Jahre geleistete Durchschnittstundenzahl (2500) dividiert worden; derart ist aproximativ die Größe des im Durchschnitt auf eine Stunde entfallenden Nettoproduktes in jedem Jahr gewonnen worden. So konnte die Entwicklung aller drei Kennziffern in einem einheitlichen logarithmischen Maßstab eingezeichnet werden.

124

WOLFGANG MARSCHALL, A. FRANKE, JÜRGEN WAHSE

Q u a n t i t a t i v e und q u a l i t a t i v e A s p e k t e d e s f ü r das

Arbeitspotentials

Wirtschaftswachstum

Die grundlegenden Auswirkungen des Arbeitspotentials auf das Wirtschaftswachstum resultieren aus einer extensiven Erweiterung dfes Arbeitspotentials, seiner zweckmäßigen Strukturierung sowie einer Erhöhung des Nutzeffekts der eingesetzten Arbeit. J e nach den konkreten Bedingungen ist es erforderlich, sich in unterschiedlichem Maße auf einzelne dieser Aspekte zu stützen. In den folgenden Ausführungen sollen - von der konkreten wirtschaftspolitischen Situation in der Deutschen Demokratischen Republik ausgehend - schwerpunktmäßig die Bedingungen des Einsatzes der gesellschaftlichen Arbeit für ein optimales Wirtschaftswachstum dargestellt werden. Da die Arbeitskraft zwar die wichtigste Produktivkraft, aber durchaus nicht der einzige Faktor des Wirtschaftswachstums ist, müssen auch die wichtigsten Querverbindungen zwischen den einzelnen Faktoren herausgearbeitet werden, denn ein Wirtschaftswachstum, das nur auf Veränderungen eines einzelnen Faktors basiert, gibt es normalerweise nicht. Vielmehr wird jede Veränderung im Einsatz der Arbeitskräfte mehr oder minder stark von Veränderungen im Materialverbrauch und im Einsatz der Arbeitsmittel begleitet sein (Substitution von lebendiger durch vergegenständlichte Arbeit), so daß jedes Wirtschaftswachstum der komplexen Wirkung mehrerer Faktoren geschuldet ist. Als Ausdruck und Maß des Wirtschaftswachstums wollen wir im folgenden die Vergrößerung des produzierten Nationaleinkommens verwenden. Fragen der Außenbeziehungen und der Verteilung des Nationaleinkommens, die in bezug auf das Wirtschaftswachstum gleichermaßen von Bedeutung sind, werden nicht behandelt. Es ist nicht möglich, alle Aspekte des Arbeitspotentials in diese Betrachtung einzubeziehen. Wir wollen uns auf folgende konzentrieren: 1. Veränderung der Zahl der Bevölkerung und der Beschäftigten 2. Veränderung der Beschäftigtenstruktur 3. Veränderung des Nutzeffektes der gesellschaftlichen Arbeit I. Grundlage der Veränderung der Arbeitskräftezahl sind die natürliche Bevölkerungsbewegung im allgemeinen und die Entwicklung der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter im besonderen. Da die Dynamik dieser beiden Größen nur langfristig und in bestimmten Grenzen beeinflußt werden kann, tritt ihre Bedeutung für das Wirtschaftswachstum hinter anderen Faktoren zurück. Wie sich die Bevölkerung insgesamt und die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter in der DDR nach dem zweiten Weltkrieg entwickelt haben bzw. in Zukunft entwickeln werden, zeigt folgende Tabelle 1 :

125

Tabelle 1 Entwicklung der Bevölkerung in der DDR Jahr

Bevölkerung gesamt (in 1000)

Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (in 1000)

1950

18 388

11 782

1955

17 944

11 402

1960

17 241

10 542

1965

17 028

9 924

1970

17 246

9 742

1975

17 425

9 876

Hiernach ist ersichtlich: 1. Die Gesamtbevölkerung und die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter nehmen bis zum Jahre 1970 zahlenmäßig ab,und erst danach ist eine leichte Zunahme zu erwarten. Die Ursachen für diese anomale Entwicklung sind zwei Weltkriege, die Wirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre und die bis 1961 offene Staatsgrenze nach Westdeutschland und Westberlin, die es dem westdeutschen Imperialismus möglich machte, wirtschaftliche Störmaßnahmen gegen die DDR durchzuführen, wobei die Abwertung qualifizierter Kader besonders schwerwiegend war. 2. Der im Vergleich zu anderen Industriestaaten geringere Anteil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter an der Gesamtbevölkerung weist den gleichen Entwicklungstrend auf, die Degression ist jedoch wesentlich stärker. Der Grund hierfür ist in der starken Überalterung der Bevölkerung zu suchen. Es ist also offensichtlich, daß eine extensive Erweiterung der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter in der DDR in den nächsten zehn Jahren nicht möglich sein wird. Eine extensive Vergrößerung des Arbeitspotentials ist demzufolge nur durch Erhöhung des Beschäftigtengrades, d. h. des Anteils der Beschäftigten an der Gesamtbevölkerung bzw. an der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter, zu erreichen. Als Maß für die Nutzung des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens und für die vorhandenen Arbeitskräftereserven ist der Beschäftigtengrad in der DDR in gewissem Umfang noch zu erhöhen. Folgende Zahlen sind Ausdruck für die Bemühungen, die Reserven für eine quantitative Vergrößerung des Arbeitspotentials soweit wie möglich nutzbar zu machen: Tabelle 2 Beschäftigungsgrad der Bevölkerung der DDR (in %) Jahr

Beschäftigungsgrad, bezogen auf: arbeitsfähige GesamtBevölkerung bevölkerung

1952

67,6

42,6

1965

81,3

47,4

In der Vergangenheit gab es im wesentlichen zwei Quellen zur Erhöhung des Beschäftigtengrades unserer Bevölkerung, die heute aber nahezu vollständig erschöpft sind und keine wesentliche Reserve mehr darstellen: 126

1. die Einbeziehung nichtberufstätiger Frauen in den Arbeitsprozeß, 2. die Weiterbeschäftigung von Altersrentnern. Die Eingliederung von Hausfrauen in den Arbeitsprozeß trug in den vergangenen Jahren in nicht geringem Maße zum Wirtschaftswachstum bei. Lag der Beschäftigtengrad der Frauen (einschließlich weibliche Lehrlinge und berufstätige Rentnerinnen) im Jahre 1952 bei 52 %, beträgt er gegenwärtig 73 %. Die Beschäftigungsquote der Frauen, bezogen auf die Gesamtbeschäftigten, macht im Vergleich mit einigen hochentwickelten kapitalistischen Industriestaaten den besonders hohen Beschäftigtengrad der Frauen in der DDR deutlich: Tabelle 3 Beschäftigungsgrad der arbeitsfähigen Frauen ausgewählter Länder (in %) Land

Beschäftigungsgrad der Frauen

DDR

46

Deutsche Bundesrepublik Österreich

^

37 bis 40

Japan USA Großbritannien

30 bis 33

Frankreich Besondere Bedeutung für die Erhöhung des Beschäftigtengrades der Frauen haben die Halbtags- bzw. stundenweise Beschäftigung sowie die Heimarbeit. Die verschiedenen Formen der Frauenbeschäftigung kommen den individuellen Interessen und Möglichkeiten der Frauen entgegen. Nicht zuletzt muß auf die soziale Unterstützung berufstätiger Frauen mit Kindern durch Kinderkrippen, -gärten und -horte hingewiesen werden. Auch die zunehmende Erleichterung der Hausarbeit durch eine rationelle Haushaltstechnik fördert die Eingliederung der Frauen in das Berufsleben. Die Weiterbeschäftigung von Altersrentnern unter Berücksichtigung ihres Arbeitsvermögens hat aufgrund unserer ungünstigen Altersstruktur besondere Bedeutung. Nicht die Zahl der weiterbeschäftigten Altersrentner allein spielt eine Rolle, sondern auch der Umstand, daß die in langjähriger Berufstätigkeit gesammelten Erfahrungen länger genutzt werden können. Die Weiterbeschäftigung von Altersrentnern erfordert - sofern kein Ajbeitswechsel stattfindet - in der Regel auch keine besondere Qualifizierung oder Anlernzeit. In der DDR gibt es zurzeit über 3 Millionen Altersrentner. Das sind rd. 19 % der Wohnbevölkerung. Nahezu 19 % von ihnen stehen noch im Arbeitsprozeß. Da sich die Zahl der Altersrentner in den nächsten Jahren weiter erhöhen wird, liegen in deren Weiterbeschäftigung noch Reserven zur Vergrößerung des Arbeitspotentials. Sowohl die Erhöhung des Beschäftigtengrades der Frauen als auch die Weiterbeschäftigung von Altersrentnern streben einer Grenze zu, die durch verschiedene sozialökonomische Faktoren bestimmt wird. Es ist daher um so notwendiger, sich bei den Bemühungen um ein hohes Wachstumstempo unserer Wirtschaft nicht in e r s t e r L i n i e auf eine extensive Erweiterung des Arbeitspotentials zu orientieren, sondern auf Faktoren der Effektivitätsstiegerung, mit anderen Worten, auf die Steigerung des Nutzeffektes der gesellschaftlichen Arbeit und die Erlangung einer optimalen Wirtschaftsstruktur. Die gesellschaftlich nützliche Arbeit wird in Form von produktiver und nichtproduktiver Arbeit verausgabt. Beide sind in verschiedenem Maße direkt oder indirekt am Wirt127

schaftswachstum beteiligt. Die deutlichsten Beispiele für nichtproduktive Arbeit, die am Wirtschaftswachstum beteiligt ist, stellen Tätigkeiten des pädagogischen und des medizinischen Personals dar. Da deren Arbeit nur langfristig wachstumswirksam wird, gilt es sorgfältig abzuwägen, in welchem Maße in jeder Periode Arbeit für derartige nichtproduktive, aber volkswirtschaftlich sehr bedeutungsvolle Tätigkeiten verausgabt werden soll. Wird zuviel Aufwand in das Bildungswesen gelenkt, so muß zwangsläufig in anderen, möglicherweise produktiven Bereichen ein Mangel eintreten,und das Wirtschaftswachstum wird gehemmt. Wird das Bildungswesen dagegen vernachlässigt, fehlen künftig ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte, die in der Lage sind, in der wissenschaftlich-technischen Revolution den wissenschaftlichen Vorlauf zu schaffen, die immer komplizierter werdenden Produktionsprozesse zu lenken, zu steuern und im Sinne eines optimalen Wirtschaftswachstums weiterzuentwickeln. Besonders schwierig ist hierbei die Tatsache zu bewerten und praktisch zu berücksichtigen, daß die Auswirkungen der nichtproduktiven Tätigkeiten auf das Wirtschaftswachstum erst langfristig wirksam werden. Ein optimales Verhältnis zwischen den produktiven und nichtproduktiven Tätigkeiten muß garantieren, daß bei Sicherung einer bedarfsgerechten Produktion laufend und auf lange Sicht die gesamten Aufwendungen zur Herststellung der verschiedenen Produkte (einschließlich Forschungs- und Bildungsaufwendungen) eine sinkende Tendenz aufweisen. Das optimale Verhältnis zwischen produktiver und nichtproduktiver Arbeit im Rahmen einer Volkswirtschaft muß mit der optimalen Verteilung der Arbeitskräfte auf die verschiedenen Zweige und Bereiche im Einklang stehen. Mit anderen Worten, neben der zweckmäßigen Verteilung der Arbeitskräfte auf die verschiedenen Zweige kommt es darauf an, genau festzustellen, wieviel Arbeitskräfte tatsächlich benötigt werden. Gesellschaftlich nicht notwendige Arbeit vom Standpunkt ihres rationellen Einsatzes in produktiven Bereichen ist u. E. unproduktiv. Ohne die Schwierigkeiten zu verkennen, in jedem Falle festzustellen, welche Arbeit notwendig bzw. nicht notwendig ist, muß doch gefordert werden, daß die ökonomischen Hebel in der sozialistischen Wirtschaft auch gewährleisten, daß keine überflüssigen Arbeitskräfte tätig sind, die an anderer Stelle benötigt werden und dort einen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten könnten. In diesem Zusammenhang ist die Entwicklung des Verhältnisses der Zahl der Arbeiter zu der der Angestellten von Interesse. 2 Von 1955 bis 1965 erhöhte sich in der DDR die Zahl der Angestellten um 27 %, während die der Produktionsarbeiter ziemlich konstant blieb. In Westdeutschland3 hat sich die Gesamtzahl der Angestellten von 1950 bis 1965 um 10ff % erhöht, der Anteil der Angestellten an den "abhängig Beschäftigten" (Arbeiter, Angestellte, Beamte) stieg im gleichen Zeitraum von 23 % auf 33 %. Dagegen erhöhte sich die Zahl der Arbeiter nur um 15 %,und anteilig sank die Arbeiterzahl von 72 % auf 61 %. Dieser Trend ist in allen entwickelten Industrieländern als Auswirkung des wissenschaftlichtechnischen Fortschritts, der Mechanisierung und Automatisierung zu verzeichnen. Der Anteil der vorbereitenden, planenden, leitenden, organisierenden und kontrollierenden Arbeiten, der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten nimmt im Verhältnis zur reinen Produktionsarbeit zu. Diese Tendenz ist ein Ausdruck des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und durchaus positiv zu beurteilen. Aber auch hier spielt die optimale Struktur eine grundlegende Rolle. Die Verschiebung der Arbeiter-Angestellten-Relation zugunsten der Angestellten drückt sich auch in der Pro-Kopf-Leistung dieser Beschäftigtenkategorien aus. So beträgt der Index der industriellen Bruttoproduktion der sozialistischen Betriebe der DDR 1965 zu 1955 je Produktionsarbeiter rd. 202 % und je Arbeiter und Angestellten rd. 189 %. Die Arbeitskräfte repräsentieren ein bestimmtes Arbeitszeitvolumen, dessen maximale Größe durch gesetzliche Regelungen bestimmt wird. Eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit z. B. von 45 auf 43 3/4 Std. bzw. von 44 auf 42 Std. und der Übergang zur durchgängigen 5-Tage-Arbeitswoche mit Wirkung vom 1. 9. 1967 bei gleichzeitigem Wegfall einer Reihe von Wochenfeiertagen vermag eine höhere Leistungsfähigkeit der Arbeitskraft zu stimulieren. 4 128

Dies ist dadurch bedingt, daß der einzelne Arbeiter mehr zusammenhängende Freizeit hat und sich besser erholen kann, andererseits kann er in der kürzeren Arbeitszeit mit höherer Intensität arbeiten. Diese Maßnahmen waren bei der angespannten Arbeitskräftelage nur aufgrund eines raschen Entwicklungstempos der Arbeitsproduktivität möglich. Daß derartige Maßnahmen positive Auswirkungen haben, wurde durch die wirtschaftlichen Ergebnisse des Jahres 1966 bewiesen, in dessen Verlauf Arbeitszeitverkürzungen eingetreten waren und die 5-Tage-Woche für jede zweite Woche eingeführt wurde. So erhöhte sich im Verlauf des Jahres 1966 das Nationaleinkommen um 4,5 %, die Arbeitsproduktivität in der Industrie um 6 %, die industrielle Warenproduktion um 6,5 %, die Investitionen um 7 %, die Bauproduktion um 3 %, das Aufkommen an tierischen Erzeugnissen um 5 , 9 % und der Warenumsatz im Einzelhandel um 4,1 Hier zeigt sich deutlich, daß trotz Verringerung des Arbeits Zeitfonds aufgrund einer hohen Steigerung des Nutzeffektes der gesellschaftlichen Arbeit ein bedeutendes Wirtschaftswachstum erzielt werden konnte. In ähnlicher Richtung wirken alle Maßnahmen des Gesundheitsschutzes und der Prophylaxe, da diese zu einer geringeren Anfälligkeit gegen anstreckende und Zivilisationskrankheiten führen. Der vorbildliche Arbeits- und Gesundheitsschutz in der DDR schlägt sich einerseits in wachsenden Ausgaben für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und -kontrolle und andererseits in der ständig abnehmenden Zahl der Arbeits- und Wegeunfälle nieder. Neben der absoluten Größe des Arbeits Zeitfonds spielt dessen Ausnutzimg eine besondere Rolle. Die optimale Ausnutzung der Arbeitszeit hat die gleiche Wirkung wie die Vergrößerung der Zahl der produktiven Arbeitskräfte.® Wenn man sich vor Augen führt, daß die gesamten Ausfallzeiten in der sozialistischen Industrie 1964 rd. 534 Millionen Stunden, d. h. pro Produktionsarbeiter 350 Stunden im Jahr und somit über 15 % der möglichen Stunden der Produktionsarbeiter,betrugen, erhält man eine Vorstellung von der Bedeutung einer Senkung der Ausfallzeiten. Auf 6,5 mögliche Arbeitsstunden entfällt immer noch 1 Ausfallstunde. Die Maßnahmen zur Beeinflussung des Volumens an Ausfallzeiten sind unterschiedlich und hängen vom Charakter der Ausfallzeiten ab. So wird der gesetzliche Urlaub (Jahresurlaub, Zusatzurlaub, Trennungsurlaub, Haushaltstage usw.), der gegenwärtig 40 % der gesamten Ausfallzeiten ausmacht, mit der gesellschaftlichen Entwicklung planmäßig e r weitert. Gegen die restlichen 60 % der Ausfallzeiten, wie Krankheit, Stillstands- und W a r tezeiten, sonstiges Fehlen, Versammlungen und Produktionsberatungen während der A r beitszeit u. ä. m . , die im wesentlichen beeinflußbar sind, gilt es anzukämpfen und sie auf ein mögliches Mindestmaß zu reduzieren. Den mit Abstand größten T e i l der beeinflußbaren Ausfallzeiten nimmt die ärztlich bescheinigte Krankheit mit rd. 43 % der Ausfallzeiten ein. Die beeinflußbaren Ausfallzeiten repräsentieren zurzeit ein Arbeitspotential von rd. 170 000 Produktionsarbeitern.

II. Im folgenden wird der Einfluß von Veränderungen der Beschäftigtenstruktur auf die Entwicklung der Arbeitsproduktivität und damit auf das Wachstum des Nationaleinkommens behandelt. Zur Quantifizierung jener Bestimmungsgrößen, die den Nutzeffekt der gesellschaftlichen Arbeit maßgeblich beeinflussen, unterscheidet man zwischen Faktoren, Bedingungen (auf die hier nicht näher eingegangen werden soll) und den sogenannten Effekten. Hierunter werden Einflüsse verstanden, die bei der Aggregation statistischer Größen sichtbar werden. Es kann sich dabei um Effekte handeln, die sich aufgrund von Veränderungen sowohl in der Struktur der Produktion als auch in der der Beschäftigten in qualitativer und quantitativer Hinsicht ergeben. Die Quantifizierung des Struktureffektes, der bei der Aggregation verschiedenartiger, natural nicht zusammenfaßbarer Produkte auftritt, ist aus der Produktivitäts- 7 und P r e i s statistik 8 bekannt und dort gebräuchlich. Dies trifft für die Berechnung des Einflusses der 129

Beschäftigtenstruktur auf das Wachstumstempo der Arbeitsproduktivität und des Nationaleinkommens nicht in gleichem Maße zu. Berücksichtigt man, daß in den vergangenen 20 Jahren in der DDR erhebliche Veränderungen in der materiellen Struktur der Volkswirtschaft und demzufolge auch der Beschäftigten stattfanden und - wenn auch in geringerem Maße - weiterhin stattfinden, kann man schwerlich ihren Einfluß auf das Wirtschaftswachstum in der langfristigen Planung und Analyse außer acht lassen. Makroökonomisch kann das Niveau der Arbeitsproduktivität als Nettoprodukt je Arbeitszeiteinheit ausgewiesen werden. Dem erzeugten Nettoprodukt werden die dafür entstandenen Aufwendungen an Arbeitszeit bzw. Arbeitskräften gegenübergestellt. J e höher die beiden Größen aggregiert sind, desto stärker können strukturelle Veränderungen im Arbeitspotential das Wachstumstempo der Arbeitsproduktivität übergeordneter Wirtschaftseinheiten und ihres Nettoprodukts beeinflussen, wobei in gewissem Umfang auch ein Ausgleich wachstumsfördernder und -hemmender Struktureinflüsse eintreten kann. Prinzipiell können sich Strukturuntersuchungen entweder auf verschiedene Wirtschaftseinheiten oder auch verschiedene Zeiträume beziehen. Unter dem Gesichtspunkt des tatsächlichen oder geplanten Wirtschaftswachstums ist die Analyse des Einflusses der zeitlichen Veränderung der Beschäftigtenstruktur relevant. Auf andere wichtige Aspekte kann in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden. Es bedeuten im folgenden: A^ A. s. (t), (o)

(t)

- Arbeitsproduktivität einer übergeordneten (aggregierten) Wirtschaftseinheit - Arbeitsproduktivität des Sektors i der übergeordneten Wirtschaftseinheit - Strukturanteil der Arbeitszeit bzw. der Arbeitskräfte des Sektors i am Arbeitszeitvolumen der übergeordneten Wirtschaftseinheit - Kennzeichnung des Berichts- bzw. Bezugs Zeitraumes

I

(t)

i=l A

i=l

i(0)

s

i

(o)

-si(0)

(t) .

(t)

i=l i A i i=l

(1) ( t )



s

i(0)

Nach (1) setzt sich der Index der Arbeitsproduktivität einer aggregierten Wirtschaftseinheit aus einem strukturbereinigten Index und einem Index des arbeitskräftebezogenen Struktureffektes zusammen. In einem Zahlenbeispiel soll gezeigt werden, welchen Einfluß derartige Strukturveränderungen auf das Wachstumstempo der Arbeitsproduktivität und damit des Nationaleinkommens in der DDR im Zeitraum von 1955 bis 1965 hatten. Als Ausgangsgröße (Tabelle 4) dienen das Nettoprodukt zu effektiven Preisen (Y) 9 , der Strukturkoeffizient der Beschäftigten (B) 1 0 und die Nettoproduktion zu effektiven Preisen je Beschäftigter (A) für die Jahre 1955, 1960 und 1965, gruppiert nach den Bereichen der materiellen Produktion. 11 Tabelle 5 zeigt die Zu- und Abnahme der Beschäftigtenzahlen in den Zweigen, die daraus resultierende Strukturveränderung im Arbeitskräftepotential und das durchschnittliche Produktivitätswachstum. Hiernach haben von 1955 bis 1960 die Industrie, das Handwerk und die Bauwirtschaft mit 154 000 Beschäftigten per saldo den stärksten Zugang zu verzeichnen, gefolgt vom Handel mit 45 000 und dem Sektor Übrige Bereiche der materiellen Produktion mit 36 000 Beschäftigten. Wichtigste Quelle dieser Zugänge ist die Landwirtschaft, deren Beschäftigtenzahl im gleichen Zeitraum um 412 000 zurückgegangen ist (knapp 25 % der in diesem Sektor Beschäftigten). Dieser auch altersbedingte Schrumpfungs130

prozeß ist maßgebend für die Abnahme der Beschäftigtenzahl in der gesamten materiellen Produktion um 191 000. Für den Zeitraum von 1960 bis 1965 wird dieser gesamte Passivsaldo mit 177 000 Beschäftigten nicht wesentlich geringer. Er setzt sich aber - und das ist für unsere Betrachtung relevant - strukturell anders zusammen. Mit 64 000 Beschäftigten ist der Bückgang in der Landwirtschaft erheblich abgeflacht, jedoch sind jetzt auch die Sektoren Industrie, Handwerk und Bauwirtschaft mit 90 000 sowie Handel und Übrige Bereiche der materiellen P r o duktion mit zusammen 55 000 stärker rückläufig. Lediglich im Verkehr, Post- und Fernmeldewesen gibt es einen Anstieg um 32 000 Beschäftigte. Bei der in allen Sektoren positiven Nettoproduktionsentwicklung kommen die konträren Strukturveränderungen im Entwicklungstrend der Arbeitsproduktivität zum Ausdruck. Ausgehend von einem relativ niedrigen Nettoproduktionswert je Beschäftigten 12 im Jahre 1955 hat von allen Sektoren die Landwirtschaft mit einer Zuwachsrate von 84,5 % das höchste Entwicklungstempo der Arbeitsproduktivität bis 1960 erreicht. Im Sektor Industrie und Handwerk beträgt diese Rate rd. 45 % und entspricht damit der der materiellen Produktion insgesamt. Macht die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität in der gesamten materiellen Produktion (hier als Gesamtproduktivität bezeichnet) im Zeitraum von 1955 bis 1960 7, 7 % aus, sinkt sie von 1960 bis 1964 auf 3, 9 %. An der Verlangsamung des Wachstumstempos sind mit Ausnahme des Handels alle anderen Sektoren, insbesondere Industrie, Handwerk und Bauwirtschaft beteiligt. 1 3 Die Steigerung der Gesamtproduktivität beträgt für die Zeit von 1955 bis 1960 45,1 % (Tabelle 6). Diese mehrjährige Zuwachsrate enthält einen Strukturgewinn von 4,1 %, der in erster Linie aus der starken Fluktuation von Arbeitskräften aus einem Sektor mit relativ niedrigem Produktivitätsniveau (Landwirtschaft) in Sektoren mit höherem Produktivitätsniveau (Industrie, Bauwirtschaft) resultiert. Da die Landwirtschaft gleichzeitig ein überdurchschnittlich hohes Entwicklungstempo der Pro-Kopf-Leistung aufweist, wird der positive Strukturgewinn abgeschwächt. Anders wirken sich die arbeitskräftebezogenen Strukturveränderungen in der Zeit von 1960 bis 1965 aus. Unter allgemeiner Abschwächung des bisherigen Entwicklungstempos der Arbeitsproduktivität, an der alle Sektoren mit Ausnahme des Handels beteiligt sind, geben jetzt Sektoren mit hohem Produktivitätsniveau und hoher anteiliger Beschäftigtenzahl Arbeitskräfte ab, während nur der Sektor mit dem inzwischen niedrigsten Produktivitätsniveau (Verkehr-, Post- und Fernmeldewesen) eine Zunahme der Beschäftigtenzahl und des Strukturanteils zu verzeichnen hat. Das führt zu einem negativem Struktureffekt, so daß die den Struktureffekt einschließende Zuwachsrate der Gesamtproduktivität mit 21,2 % unter der der strukturbereinigten mit 24,1 % liegt. Neben den relativen Veränderungen der Arbeitsproduktivität interessieren besonders die absoluten Beträge des LeistungsZuwachses bzw. -Verlustes je Kopf oder Stunde sowie des Strukturgewinns oder -Verlustes. Es gelten für die absoluten Veränderungen der Gesamtproduktivität: A (t > --A A'

= ± A. • •, 1

(t> 1

s. «

-

£ • i

A. i

B. 1

(2)

A. « l

s. l

(3)

des Strukturanteils n

n

Z i=l

i=l

und der strukturbereinigten Arbeitsproduktivität

131

Tabelle 4 Nettoprodukt zu effektiven Preisen, Zahl der Beschäftigten und Nettoprodukt j e Beschäftigten der materiellen Produktion der DDB 1955, 1960 und 1965 Bereich

Nettoprodukt in Millionen Mark

Zahl der Beschäftigten in Millionen Personen

Nettoprodukt j e Beschäftigten in Mark

1955

1960

1965

1955

1960

1965

1955

1960

1965



Y1

Y2



B1

B2



A1

A2

45990

53560

3,092

3,217

3,140

9869

14296

17057

4338

0,426

0,455

0,442

6793

9171

9814

Industrie und Handwerk ohne Bau 30514 Bauwirtschaft

2894

4173

Land- und Forstwirtschaft

4796

6711

9493

1,706

1,294

1,230

2811

5186

7718

Verkehr, P o s t - und Fernmeldewesen

2794

3256

3756

0,535

0,521

0,553

5222

6249

6792

Handel

8447

9461

10990

0,847

0, 892

0,889

9973

10606

12362

592

929

1011

0,036

0,072

0,020

16444

12903

50550

50037

70520

83148

6,642

6,451

6,274

7533

10932

13253

Übrige Bereiche Materielle Produktion gesamt

132

Tabelle 5 Sektoraler Strukturanteil d e r Beschäftigten, ihre Zu- und Abnahme und die Entwicklung i h r e r Prokopfleistung gegenüber dem jeweiligen Basisjahr

Bereich

Anteil der Beschäftigten der Sektoren an d e r Ge samtzahl der Beschäftigten der materiellen P r o duktion in Prozent

Zu-(+)bzw. Abnahme (-) der Zahl d e r Beschäftigten gegenüber dem jeweiligen Basisjahr in tausend Personen

Entwicklung d e r durchschnittlichen Nettoproduktion je Kopf d e r Beschäftigten gegenüber dem j e weiligen Basis jähr in Prozent

1955

1960-55

1960/55

Industrie und Handwerk ohne Bau 46,6 Bauwirtschaft Land- und Forstwirtschaft Verkehr, Post- und Femmeldewesen Handel Übrige Bereiche Materielle Produktion gesamt

1960

1965

1965-60

B^- B°

B^B

1

aVA

0

1965/60 a'/A

49,9

50,1

+ 125

-

77

144,9

119,3

6,4

7,0

7,0

+ 29

-

13

135.0

107,0

25,7

20,1

19,6

- 412

-

64

184.5

148, 8

8,0

8,1

119.6

108.7

12,8

13,8

14,2

+ 45

-

3

106,4

116,5

0,5

1,1

0,3

+36

-

52

78,4

100,0

100,0

100,0

177

145.1

-

14

-191

+32

1

391.8

121,2

133

«

-A = X

A. (t> s . ( 0 ) 1 1

Z —

i=l

A i

s. i

(4)

i=l

Damit ist folgender Zusammenhang gegeben:

=

A

(t) PA

'

T

(t) _ 1, PA

(8)

wobei die Arbeitsproduktivität und die Arbeitszeit als zeitabhängige Variable auftreten. Der Zuwachs an produziertem Nationaleinkommen ist dann A N

=

A

P°I

A T

I,PA

+ A A

PA

T

I,P1

+

A A

PA

A T

I,PA

Da AA

und

PAT!°PA

t J ^

A N

a

=

+

A

PA

+

A A

PAATI,PA

A T1iPA

A T

1,PA

= T

+

^

=

AA

PA

< P A

+

AT

1,PA)

ist, wird aus (9)

*APATI,PA

< 10 >

Der erste Summand der Gleichung (10) mißt den Teil des Nettoproduktionszuwachses, der in den zusätzlichen produktiven Stunden der Produktionsarbeiter geschaffen worden wäre, wenn deren Stundenproduktivität sich nicht verändert hätte, während der zweite Summand den Teil des Nettoproduktionszuwachses mißt, der der Veränderung der Stundenproduktivität geschuldet ist. Folgedes Beispiel bezieht sich nur auf den Sektor Industrie, Handwerk und Bauwirtschaft aus Tabelle 4.

138

Tabelle 9 1 8 Entwicklung ausgewählter Produktivitätskennziffern Sektor Industrie, Handwerk und Bauwirtschaft

Mengeneinheit

1955

1960

1965

Beschäftigte

Mill.Pers.

3 518

3 672

3 582

0,154

- 0,090

Produktionsarbeiter

Mill.Pers.

2 628

2 675

2 471

0,047

- 0,204

deren Kalenderarbeitszeit

Mill. Std.

6 412

6 505

5 652

deren tatsächlich geleistete Arbeitszeit

Mill.Std.

5 335

5 434

33 408

50 163

6,26

9,23

-

147,4

Nettoproduktion Mill.MDN Nettoprod. j e Std. tatsächlich geleistete Arbeitszeit Mark/Std. Index der Stundenproduktivität (jeweils Basisjahr = 100) Prozent

1955-60

1960-65

93

-

853

4 522

99

-

912

57 878

16 755

7 735

2,97

3,57

12,80

138,7

108,1

106,8

Gemäß Formel (10) ist es möglich, den gesamten Zuwachs des Nettoproduktes auf die zwei verursachenden Parameter aufzuteilen: Tabelle 10 Anteile am Zuwachs des gesellschaftlichen Nettoprodukts (in Mill. Mark)

1955-1960 Zuwachs an Nettoproduktion 16 755 insgesamt

1960-65

durchschnittl. jährl. Zuwachsrate 1955-60 lftRO-65

7 735

3 351

1 547

16 154

3 227

3 231

davon durch: Produktivität j e Arbeitsstunde

16 135

Veränderung des produktiven Arbeits620 - 8 419 124 - 1 684 zeitvolumens Hier wird im Hinblick auf die Arbeitskräftelage in der DDR und auf weitere sozialpolitische Maßnahmen, wie Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit und Erhöhung des Grundurlaubs, die besondere Bedeutung der Arbeitsproduktivität für die Entwicklung des Nationaleinkommens und damit für das Wirtschaftswachstum deutlich. Der für den erfaßten Sektor auf die Stundenproduktivität der Produktionsarbeiter entfallende Nettoproduktionszuwachs ist mit rd. 16,1 Mrd. Mark für beide Zeiträume gleichgeblieben. War dabei von 1955 bis 1960 noch ein Nettoproduktionszuwachs von 620 Mill. Mark 139

durch Erweiterung des produktiven Arbeitszeitvolumens der Produktionsarbeiter um 99 Mill. Stunden möglich gewesen, führte seine Reduzierung in den darauffolgenden 5 Jahren um912Mill. Stunden-in erster Linie eine Konsequenz der Arbeitszeitverkürzungen - zu einer Minderung des Nationaleinkommens Zuwachses um rd. 8,4 Mrd.Mark. Daher stehen dem Gesamtzuwachs an Nettoprodukt von 16, 75 Mrd. Mark für den ersten Zeitraum nur 7, 73 Mrd. Mark Zuwachs für den zweiten Zeitraum gegenüber. Jährliche Zuwachsraten des Nettoproduktes in Höhe von 3,35 Mrd. Mark, wie sie von 1955 bis 1960 zuverzeichnen waren, hätten ceteris paribus für die folgenden Jahre nur gesichert werden können, wenn anstelle der tatsächlich erreichten 6 , 8 % Erhöhung der Stundenproduktivität im Jahresdurchschnitt 9, 9 % erreicht worden wäre. Ein Problem, das in engem Zusammenhang mit dem Nutzeffekt der Produktion steht, ist die Organisation zweckentsprechender Produktion-Absatz-Beziehungen. J e mehr in den Nachkriegsjahren die Mangelwirtschaft in unserer Volkswirtschaft überwunden wurde, desto größere Bedeutung erhielt das Problem der Realisierung der Produkte. Der höchste Effekt bei der Produktion eines Erzeugnisses nützt nichts, wenn dieses nicht verkauft werden kann, denn dann war der benötigte Arbeitsaufwand nutzlos verausgabt. Es darf also von einem Produkt nicht mehr hergestellt werden, als zur Deckung des Eigenbedarfs, der Exportverpflichtungen und eventuell zur Bildung einer begründeten Reserve benötigt wird. Alle nicht realisierbaren Produkte widersprechen dem Streben nach höchstem Nutzeffekt und bedeuten de facto eine Verschwendung von Arbeit. An dieser Stelle wird der enge Zusammenhang zwischen Nutzeffekt der Arbeit und Verteilung der Arbeitskräfte auf die Zweige deutlich sichtbar. Die Erzeugung von Produkten, für die kein Bedarf besteht,und das gleichzeitige Fehlen anderer Erzeugnisse bedeuten einerseits eine falsche Proportionierung des Produktionsprogrammes und gegebenenfalls der entsprechenden Kapazitäten und andererseits, vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, eine Verringerung des möglichen Nutzeffektes, mithin also ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum. Es ist daher notwendig, bei der Planung nicht nur die Produktion zu berücksichtigen. In gleicher Weise sind im Plan auch Distribution und Konsumtion zu erfassen. Von Bedeutung ist hierbei die Bildung von Kooperationsketten, die - ausgehend von strukturbestimmenden Erzeugnissen - die planmäßige Zulieferung aller benötigten Teile sichern. Da aber nicht alle Produktion-Absatz-Beziehungen durch feste Kooperationsvereinbarungen gesichert werden können, müssen Angebots- und Nachfragemärkte bestehen, die auf der Grundlage einer qualifizierten Bedarfsforschung eine kontinuierliche Deckung aller Bedarfswünsche garantieren und gleichzeitig sichern, daß keine unabsetzbaren Lagerbestände entstehen. Unsere Ausführungen sollten zeigen, daß es notwendig ist, bei den Bemühungen um einen möglichst hohen Nutzeffekt auch die Realisierung der Produkte zu berücksichtigen, damit die in der Produktion erzielten Erfolge nicht in der Zirkulationssphäre zunichte gemacht werden. Der Einfluß des Arbeitspotentials als Faktor des Wirtschaftswachstums ist sehr vielfältig. Wir konnten uns in dieser Arbeit nur auf einige wichtige Fragenkomplexe konzentrieren, aber bei weitem nicht alle damit zusammenhängenden Fragen behandeln. Wir hoffen jedoch, mit den vorliegenden Ausführungen einige Anregungen für die weitere theoretische Arbeit und die praktische Anwendung der Ergebnisse gegeben zu haben.

140

FUSSNOTEN 1

Soweit bei Zahlenangaben in den folgenden Tabellen keine besondere Quelle angeführt ist, beziehen sich die Angaben auf das Statistische Jahrbuch der DDB, Berlin 1966, S. 3 und S. 517 ff. Die Angaben wurden zum Teil direkt übernommen, zum Teil errechnet

2

Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten ist in der technischen Revolution problematisch geworden. Dennoch werden diese Begriffe benutzt,und einschlägiges Zahlenmaterial wird entsprechend aufbereitet

3

Vgl. H. Steiner, Soziale Strukturveränderungen im modernen Kapitalismus, Berlin 1967, S. 15, S. 31

4

W. Ulbricht, Die gesellschaftliche Entwicklung in der DDR bis zur Vollendung des Sozialismus, Berlin 1967, S. 230 ff.

5

Vgl. Mitteilung der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik über die Entwicklung der Volkswirtschaft im Jahre 1966, Neues Deutschland, Ausgabe B vom 19.1.1967, Mit neuen Erfolgen zum VII. Parteitag

6

Auf spezielle Probleme, wie sie z. B. in chemischen und anderen apparategebundenen Produktionsprozessen auftreten, wird hier nicht eingegangen. Auf Grund der speziellen technisch-ökonomischen Bedingungen und der Beziehungen zwischen Arbeitsaufwand und Produktionsumfang gilt dort nicht uneingeschränkt, daß eine bessere Ausnutzung der Arbeitszeit und eine Senkung der individuellen Fehlzeiten zur Steigerung der Produktion und der Pro-Kopf-Leistung führen

7

A. Franke, in: Arbeitsproduktivität, Faktorenanalyse und Kybernetik, Autoren-Kollektiv, Berlin 1965, S. 62 ff

8

P. Flaskämper, Theorie der Indexzahlen, Sozialwissenschaftliche Forschungen, Abt. I, H. 7, S. 72 f f . , Berlin-Leipzig 1928

9

Da im Statistischen Jahrbuch der DDR weder Angaben über das Nationaleinkommen zu festen Preisen noch solche enthalten sind, die eine Näherungsrechnung gestatten, sind die berechneten Pro-Kopf-Quoten im strengen Sinne keine Mengenrelationen. Die dadurch entstandenen Abweichungen dürften jedoch kaum ins Gewicht fallen, da nach Prozentangaben im Statistischen Jahrbuch der DDR 1966, S. 21, die Differenz zwischen preis- und nicht preisbereinigtem Nettoprodukt für die Zeit von 1955 bis 1965 nur ca. 4 % beträgt.

10

Da unsere Betrachtung aus makroökonomischer Sicht erfolgt, werden die Beschäftigten ohne Unterschied als produktiv angesehen

141

11

Das Zahlenbeispiel geht auf einen Artikel von A. Franke zurück, in: A. Franke, Einfluß der Beschäftigtenstruktur auf Niveau und Dynamik des Nutzeffekts der gesellschaftlichen Arbeit, in: Statistische Praxis, H. 5, 1967

12

Im Nettoproduktionswert je Beschäftigten drücken sich nicht nur das individuelle Lei-

13

Die starken, in erster Linie abgrenzungsbedingten Schwankungen der Beschäftigten und

stungsvermögen, sondern auch der Einfluß des nicht "wertgemäßen" Preissystems aus ihrer Leistung im Sektor Übrige Bereiche der materiellen Produktion sind ihres geringen Gewichts ohne größere Bedeutung für das Gesamtergebnis 14

Eine effektive Freistellung von Arbeitskräften auf Grund der Einsparung von lebendiger bzw. vergegenständlichter Arbeit erfolgt nur der Tendenz nach, aber nicht in jedem konkreten Fall

15

K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, S. 89

16

G. Richter, Die Arbeitsproduktivität in Theorie und Praxis, Diskussionsbeiträge zu Wirtschaftsfragen, H. 33, S. 8

17

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 25, Berlin 1964, S. 289 f.

18

Berechnet bzw. geschätzt nach Angaben des Statistischen Jahrbuches der DDR 1966

142

GERD KNOBLOCH

Die Ökonomie der v e r g e g e n s t ä n d l i c h t e n Wachstumsfaktor

in d e r s o z i a l i s t i s c h e n

Arbeit

als

Produktionsweise

1. Gründe für die zunehmende Bedeutung der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit als Faktor des volkswirtschaftlichen Wachstums Die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit ist neben der Ökonomie der lebendigen Arbeit eines der beiden großen Gebiete der Ökonomie der gesellschaftlichen Gesamtarbeit. Ihr charakteristisches Merkmal besteht darin, daß sie über die Veränderungen der technischen und stofflichen Faktoren der Produktion, d. h. über die technische Leistungsfähigkeit, den effektiven Einsatz und die rationelle Ausnutzung der Produktionsmittel, den gesellschaftlich notwendigen Arbeitsaufwand zur Herstellung der Gebrauchswerte beeinflußt. Insofern realisieren sich durch die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit in einem bedeutenden Ausmaß auch die ökonomischen Wirkungen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, der gerade in der wissenschaftlich-technischen Revolution mehr als je zuvor das volkswirtschaftliche Wachstums bestimmt. Karl Marx maß dieser "Ökonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals" oder der "Ökonomie in den Produktionsbedingungen" eine große Bedeutung bei,^und er bemerkte, daß der "Fanatismus des Kapitalisten für die Ökonomisierung der Produktionsmittel" begreiflich sei. ^ Umso unbegreiflicher erscheint es heute, daß bei der Entwicklung der sozialistischen Ökonomik diese besonderen Methoden in der Ausnutzung der technisch-stoffmäßigen Faktoren lange Zeit nur sehr wenig beachtet und unterschätzt wurden. Noch 1964 mußte beispielsweise in der DDR "Mehr Aufmerksamkeit für die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit" gefordert werden. 3 In diesem Zusammenhang wird häufig nur auf die hohen und zum Teil noch wachsenden Anteile der Kosten der vergegenständlichten Arbeii an den gesamten Produktionskosten verwiesen. Bei einem solchen vereinfachten Kostendenken kann aber die besondere volkswirtschaftliche Problematik, die mit der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit verbunden ist, leicht übersehen werden; ganz abgesehen davon, daß man auch wieder zu einer gegenteiligen Auffassung gelangen müßte, wenn, wie es heute sogar vielfach statistisch zu belegen ist, dieser Kostenanteil abzunehmen beginnt.^ Die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit gewinnt in der gegenwärtigen Etappe für das volkswirtschaftliche Wachstum aus mehreren Gründen zunehmend an Bedeutung. Dabei handelt es sich vor allem um folgende: 1. Der entscheidende Grund ist die w a c h s e n d e t e c h n i s c h e Z u s a m m e n s e t z u n g d e r P r o d u k t i o n s f a k t o r e n . Daß mit fortschreitender Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit dieselbe Menge Arbeitskraft " . . . eine stets wachsende Masse Arbeitsmittel, Maschinerie und fixes Kapital aller Art, Roh- und Hilfsstoffe in derselben Zeit in Bewegung setzt, verarbeitet, produktiv konsumiert . . . "5, hat bereits KarlMarx als allgemein gültiges Gesetz der Entwicklung der Produktivkräfte begründet. Mit der wissenschaftlich-technischen Revolution verstärkt sich nicht nur das quantitative Anwachsen der technischen Zusammensetzung der Produktionsfaktoren, sondern durch die zunehmende Automatisierung, Elektronisierung, Chemisierung und die ständig bessere Beherrschung der Naturkräfte und energetischen Prozesse in der Produktion wird allmählich ein qualitativ neuer Zustand in der Entwicklung der Produktivkräfte erreicht. Hier tritt in der Tat, wie Karl Marx vorausschauend feststellte, der Mensch " . . . neben den Produktionsprozeß, statt sein Hauptagent zu sein . . . " 6 . Die Schöpfung des wirklichen 143

Reichtums wird weniger von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit abhängig als " . . . von der Macht der Agentien, die während der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt w e r d e n . . S e l b s t wenn man die hier von Marx angedeuteten weitreichenden Konsequenzen noch als Zukunftsprobleme der ökonomischen Grundlagenforschung ansehen würde, muß der eindeutig gezeigten Tendenz, daß sich die technisch-stoffmäßigen Faktoren der Produktionsmittel zu den ausschlaggebenden Faktoren der Effektivität der Produktion entwickeln, schon heute gebührend Rechnung getragen werden. Auch in der DDR ist in den vergangenen Jahren ein starkes Anwachsen der technischen Zusammensetzung der Produktionsfaktoren festzustellen. Während im Zeitraum von 1958 bis 1965 die Anzahl der Beschäftigten in den materiellen Bereichen der Volkswirtschaft auf 95 % zurückging, erhöhte sich im gleichen Zeitraum - der durchschnittliche Grundmittelbestand (der sozialistischen Wirtschaft) auf ca. 150 % - der Verbrauch an Elektroenergie in Industrie und Verkehrswesen auf

149 %

- der Verbrauch an den wichtigsten industriellen Rohstoffen (berechnet nach dem verfügbaren Aufkommen)

auf ca. 140 %

- darunter der mengenmäßige Verbrauch an Walzstahl (nach Produktion und Import)

auf

154 %

(Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Jahrbuches der DDR und unveröffentlichten statistischen Unterlagen) Innerhalb dieses für die Entwicklung der Produktivkräfte relativ kurzen Zeitraumes hat sich die technische Zusammensetzung der Produktionsfaktoren im Durchschnitt der Volkswirtschaft der DDR auf etwa das 1 l/2fache erhöht. Das entspricht immerhin einer durchschnittlichen jährlichen Zunahme von rund 6 %. Mit der wachsenden technischen Zusammensetzung erhöht sich zwangsläufig der Einfluß einer rationellen Produktions- und Stofftechnik auf den Nutzeffekt der gesellschaftlichen Gesamtarbeit und damit auch auf das Wachstum in der Volkswirtschaft. 2. Da die wissenschaftlich-technische Revolution gegenwärtig wesentlich kurzfristiger als bisher neue Maschinensysteme, Fertigungsverfahren, Werkstoffe usw. entwickelt, die eine höhere Effektivität in Einsatz und Verwendung aufweisen, eröffnen sich in einem kaum zu überschätzendem Ausmaß auch umfassendere objektive Möglichkeiten für eine Ausnutzung der ökonomischen Wirkungen des technischen Fortschritts, die von den effektiven technischen und stoffmäßigen Veränderungen der Produktionsmittel vermittelt werden. Es ist eine Tatsache, daß wir in dieser Hinsicht zeitweilig einen bedeutenden Tempoverlust im Vergleich zu den führenden kapitalistischen Industrieländern zu verzeichnen hatten. Es sei hier nur an das Zurückbleiben der Leichtbauweise und der materialsparenden Fertigungstechnik erinnert. Die starke Außenhandelsabhängigkeit unserer Wirtschaft erfordert aber, daß die bedeutenden ökonomischen Potenzen, die die wissenschaftlich-technische Revolution insbesondere für die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit entwickelt, nicht etwa als eine willkommene zusätzliche Wachstumsreserve betrachtet werden, sondern als ein unbedingt zu realisierendes Planziel, durch das die Effektivität und damit auch das weitere Wachstum der Volkswirtschaft im Verhältnis zum Weltstand überhaupt erst gesichert bleiben. 3. In jedem Wachstumsmodell wie auch in der Wirtschaftspraxis spielen die I n v e s t i t i o n e n b z w . d i e A k k u m u l a t i o n an m a t e r i e l l e n P r o d u k t i o n s f o n d s und i h r e E f f e k t i v i t ä t eine bestimmende Rolle. Die Entwicklung der modernen sozialistischen Produktionsbasis in Industrie und Landwirtschaft, der damit verbundene notwendige Ausbau der Infrastruktur, die Stärkung der Verteidigungskraft und andere wichtige Aufgaben bei gleichzeitiger Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung zwingen zu einer äußerst zweckmäßigen und rationellen Verwendung des gesamten Nationaleinkommens. Das gilt insbesondere für den gesellschaftlichen Akkumulationsfonds, mit dessen zweck144

mäßigstem Einsatz die bedeutendsten Effektivitäts- und Wachstumsprobleme verbunden sind und dessen Volumen im Verhältnis zu den derzeitigen Anforderungen in der DDR sehr begrenzt ist. Eine wirksame Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit, vor allem bei der Anwendung von Kohle, Energie, Stahl, Aluminium und anderen Grundstoffen, deren Produktion und Transport besonders hohe Aufwendungen an Produktionsfonds verursachten, sowie der effektivste Einsatz und die rationellste Ausnutzung der Produktionsfonds in der Grundstoffindustrie selbst können jedoch eine wesentliche Entlastung des Akkumulationsfonds herbeiführen. Indem sie eine Verlangsamimg des Tempos der erweiterten Reproduktion auf den investitionsintensiven Gebieten der Roh- und Grundstofferzeugung wie auch des Transportwesens ermöglicht, schafft die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit maßgebliche Voraussetzungen für eine hohe Effektivität der volkswirtschaftlichen Akkumulation. 4. Die sich schon seit einigen Jahren ergebende Notwendigkeit, in unserer Volkswirtschaft nicht eine extensive, sondern eine intensive erweiterte Reproduktion durchzuführen, erfordert auch eine maximale Ausnutzung der technischen Rationalisierungsmöglichkeiten bei der Reproduktion des gesellschaftlichen Ersatzfonds. Das geschieht, indem der laufende Ersatz der verbrauchten Produktionsmittel unter weitgehender Berücksichtigung der durch den weiteren technischen Fortschritt möglichen Einsparungen und Effektivitätsverbesserungen in der Produktions- und Stofftechnik erfolgt. Die maximale Senkung des volkswirtschaftlichen Reproduktionsaufwandes durch verschiedene Methoden der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit dürfte angesichts der schnellen progressiven Veränderungen der Produktions- und Stofftechnik, die die wissenschaftlich-technische Revolution hervorruft, gegenwärtig nicht nur in unserer Volkswirtschaft zu den größten realisierbaren Effektivitäts- und Wachstumsreserven gehören. Man darf dabei die Tatsache nicht übersehen, daß gegenwärtig in entwickelten Industrieländern zum Teil weit mehr als die Hälfte der gesellschaftlichen Arbeitszeit, der Produktionsfonds oder der Energieressourcen allein von der Reproduktion der im laufenden Produktionsprozeß der Volkswirtschaft verbrauchten Produktionsmittel beansprucht wird. 5. Besondere Bedeutung erhält die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit weiterhin durch die w a c h s e n d e n S c h w i e r i g k e i t e n in d e r L ö s u n g d e s R o h s t o f f p r o b l e m s . Der durch die schnelle Industriealisierung in den sozialistischen Ländern stark angestiegene Bedarf an industriellen Rohstoffen zwingt,in zunehmendem Maße auch solche neuen Rohstoffquellen zu erschließen, bei denen der Aufschluß, die Gewinnung und Aufbereitung sowie der Transport in die Verarbeitungszentren wesentlich höhere Fonds- und Kostenaufwendungen erfordern. Diesen wachsenden Aufwendungen kann durch eine rationelle Materialwirtschaft in allen Zweigen der gesellschaftlichen Produktion, durch verstärkte Anwendung synthetischer Stoffe sowie durch produktivere Anlagen und Einrichtungen für die Erzeugung und den Transport der schwerer erschließbaren Rohstoffe - also überwiegend durch Maßnahmen der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit - entgegengewirkt werden. Auf Grund der engbegrenzten eigenen Rohstoffbasis und der besonderen strukturellen Bedingungen unserer Volkswirtschaft waren die zu einem wesentlichen Teil nur durch Importe zu lösenden Rohstoffprobleme schon immer ein erstrangiger Faktor für das volkswirtschaftliche Wachstum. Von 1950 bis 1965 sind beispielsweise in der DDR bei einer ungefähren Verdreifachung des Nationaleinkommens die Importe an Rohstoffen, Brennstoffen und anderen Materialien (außer für Lebensmittel) auf mehr als das Sechsfache, also im Durchschnitt etwa doppelt so schnell, angestiegen. ® Da die Materialimporte einen bedeutenden Anteil der Exporte binden, sind die durch die volkswirtschaftlich wirksame Materialökonomie zu erreichenden Importreduzierungen zugleich auch ein wichtiger Faktor dafür, die Volkswirtschaft von den "Zwangs"-Exporten zur Sicherung der Materialversorgung zu entlasten und die Exporte stärker für ein ökonomisch effektiveres Wachstum einzusetzen. Unter diesen Bedingungen kann die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit, insbesondere die Materialökonomie, auch über die Verbesserung der Außenhandelsbilanz einen bedeutenden Beitrag zum volkswirtschaftlichen Wachstum leisten.

145

2. Zur volkswirtschaftlichen Erfassung und Systematisierung der Faktoren und Teilgebiete der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit Im gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß tritt die vergegenständlichte Arbeit in Form der Produktionsmittel als gegenständliche Bedingung der sie anwendenden und ausnutzenden lebendigen Arbeit gegenüber. Ihr Beitrag zum volkswirtschaftlichen Wachstum läßt sich im wesentlichen durch drei verschiedene Aspekte charakterisieren: E r s t e n s bilden die Produktionsmittel die objektive technische bzw. stoffliche Voraussetzung oder Basis für die Entwicklung der Produktion überhaupt. Ohne entsprechende Arbeitsmittel sowie Arbeitsgegenstände sind Produktion und damit auch ökonomisches Wachstum unmöglich. So trivial diese Feststellung theoretisch erscheint, so schwierig und kompliziert ist häufig in der Wirtschaftspraxis die planmäßige und tatsächliche Sicherung der Übereinstimmung von Bedarf und Aufkommen an Produktionsmitteln im vielseitig verflochtenen gesellschaftlichen Produktionsprozeß. Nicht selten hemmen auch heute noch Defizite an Produktionsmitteln, insbesondere an Rohstoffen und Material, den Wachstumsprozeß auf wichtigen Teilgebieten unserer Wirtschaft. Z w e i t e n s wirkt sich die technisch bedingte Effektivität der Produktionsmittel auf den Wachstumsprozeß der Produktion aus. Die steigende technische Leistungsfähigkeit der Arbeitsmittel und die rationellere technische Ausnutzung der angewandten Stoffe und energetischen Prozesse schaffen die Möglichkeit, mit den verfügbaren Produktionsmitteln mehr gesellschaftliche Gebrauchswerte zu erzeugen. D r i t t e n s ergeben sich aus effektivem Einsatz und rationeller Ausnutzung der Produktionsmittel besondere Möglichkeiten, den Aufwand an lebendiger Arbeit im gesellschaftlichen Produktionsprozeß maßgeblich zu beeinflussen. Das kann unmittelbar durch Verwendung produktiver Produktionsmittel, die weniger lebendige Arbeit zur Produktion erfordern, oder auch mittelbar durch die relative Verringerung des Bedarfs an Produktionsmitteln, die mit einer entsprechenden Senkung der notwendigen lebendigen Arbeit verbunden ist, geschehen. Die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit umfaßt hauptsächlich den zweiten und dritten Aspekt. Vor allem im Hinblick auf die praktische Anwendung ist die Feststellung wichtig, daß ihr beide Varianten des Prinzips des rationalen Wirtschaftens, wie sie von Oskar Lange dargelegt wurden, zugrunde liegen. Das heißt, die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit wird sowohl vom Prinzip der Sparsamkeit an Mitteln als auch vom Prinzip des höchsten Nutzeffektes gekennzeichnet. 9 Im grundlegenden Unterschied zur kapitalistischen Produktionsweise wird im ökonomischen System des Sozialismus das Prinzip des rationalen Wirtschaftens jedoch nicht mehr nur im Rahmen des einzelnen Unternehmens, sondern im Rahmen der gesamten Volkswirtschaft verwirklicht. Erst dadurch können die weitreichenden Möglichkeiten, die die Ökonomie der vergegenständlichten .A rbeit für das ökonomische Wachstum bietet, voll genutzt werden. Beim einzelnen Betrieb bewegt sich der ökonomisch rationelle Einsatz der Produktionsmittel in relativ engen, meist technisch bedingten Grenzen. Dagegen können sich die unzähligen mikroökonomischen Einzeleffekte aus den Betrieben über das weitverzweigte System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung im volkswirtschaftlichen Maßstab vervielfachen und verstärken, wenn sie von den zentralen Planungs- und Leitungsorganen makroökonomisch - vor allem auch im Zusammenhang mit der Gestaltung des volkswirtschaftlichen Produktionsprofils - richtig berücksichtigt und ausgenutzt werden. Eine wichtige Voraussetzung für die richtige Berücksichtigung und Ausnutzung der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit ist die sachgemäße Systematisierung und vollständige Erfassung des Aufwandes an Produktionsmitteln. Zunächst müssen prinzipiell die Produktionsmittel nach Arbeitsmitteln und Arbeitsgegenständen unterschieden werden, weil ihre ökonomischen wie technischen Funktionen im Produktionsprozeß grundverschieden sind. Ökonomisch erscheinen die Arbeitsmittel als Grundmittel, während die Arbeitsgegenstände als materielle Umlaufmittel (Material) auftreten.

146

Nur durch die primäre Unterscheidung nach Arbeitsmitteln und Arbeitsgegenständen wird sowohl den unterschiedlichen ökonomischen Funktionen als auch den qualitativ verschiedenen Effekten des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, die Uber diese beiden Produktionsfaktoren wirken, sachgemäß Rechnung getragen. Während sich über die Arbeitsmittel in erster Linie Verbesserungen der Fertigungstechnik und der technologischen Verfahren auswirken, vermitteln die Arbeitsgegenstände insbesondere die Fortschritte in der Stofftechnik und im konstruktiven Aufbau der Erzeugnisse (zum Beispiel Leichtbauweise). Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstände sind sowohl in Form der Produktionsfonds (Grundmittelbestand, Vorrat an Umlaufmitteln) als auch in Form der laufenden Kosten des Produktionsverbrauchs (Materialverbrauch, Abschreibungen auf Grundmittel) zu erfassen. Das Gesamtvolumen der im Produktionsprozeß angewandten Grund- bzw. Arbeitsmittel bringen nur die Produktionsgrundfonds vollständig zum Ausdruck. Die laufenden Abschreibungen sind zunächst nur eine Wertgröße für den zu bildenden Amortisationsfonds, durch den die in vielen aufeinanderfolgenden Produktionsprozessen fungierenden Grundmittel nach ihrem Verschleiß ersetzt werden können. Von den Arbeitsgegenständen aus gesehen, wäre es dagegen falsch, nur die Produktionsfonds zugrunde zu legen, wie es teilweise noch geschieht. Die in den Produktionsfonds enthaltenen Vorräte an Material sind eine besondere Aufwandsform, die sich aus dem zeitlichen Auseinanderfallen von Bereitstellung und Verbrauch des Materials ergibt; sie sind nach Marx eine Bedingung und Stockung des Reproduktionsflusses zugleich. Der eigentliche Aufwand an Arbeitsgegenständen ergibt sich jedoch aus dem produktiven Verbrauch des Materials. Dieser kann nicht über die Fonds, sondern nur über die laufenden Kosten der Produktions vollständig erfaßt werden. Analog zu den verschiedenen ökonomischen Formen der Produktionsmittel im volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozeß kann im allgemeinen die Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit in drei unterschiedliche Gebiete eingeteilt werden: 1. Ökonomie der Produktionsgrundfonds, die von der Erhöhung der technischen Leistungsfähigkeit, dem effektivsten Einsatz und der rationellsten Ausnutzimg der Arbeitsmittel ausgeht; 2. die Materialökonomie, die die effektivste Verwendung und rationellste Ausnutzung der Arbeitsgegenstände, insbesondere der Roh- und Grundstoffe der Produktion, zum Inhalt hat; 3. die Ökonomie der Vorratshaltung (Produktionsumlauffonds), durch die eine optimale Bildung der volkswirtschaftlich notwendigen Vorräte und eine maximale Reduzierung von anormalen Beständen an materielle Umlaufmittel angestrebt wird. Jedes dieser Teilgebiete umfaßt die ökonomischen Wirkungen spezieller, überwiegend technisch bedingter Nutzeffekte, die in der Praxis durch sehr verschiedene Methoden ausgenutzt werden können. Obwohl wesentliche sachliche Unterschiede bestehen, sind diese Formen der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit aber letztlich doch nur spezielle Erscheinungsformen der Ökonomie der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, die sich aus dem untrennbaren komplexen Zusammenwirken der elementaren Produktionsfaktoren Arbeitskraft, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand im gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozeß ergeben. Diese Problematik muß vor allem bei der Anwendung von statistischen Kennziffern, die die speziellen Effekte der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit quantitativ nachweisen sollen, besonders beachtet werden. Trotz einer solchen Einschränkung der Aussagefähigkeit ist die quantitative kennziffernmäßige Erfassung der von den Produktionsgrundfonds, den Materialien sowie den Produktionsvorräten ausgehenden ökonomischen Effekte eine unerläßliche Voraussetzung für die optimale Ausnutzung und Berücksichtigung der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit bei der perspektivischen Prognose und Planung des volkswirtschaftlichen Wachstums. In dieser Hinsicht dürften die Kennziffern, die die Intensität der eingesetzten bzw. aufgewendeten Produktionsmittel im Verhältnis zum e r zeugten Produkt anzeigen, am besten geeignet sein, weil sie auf einfache Weise die weitere 147

statistische Faktorenanalyse des Einsatz- bzw. Aufwandfaktors gestatten. Die makroökonomischen Wirkungen der Ökonomie der Produktionsgrund- und Umlauffonds kommen beispielsweise in den volkswirtschaftlichen Kennziffern der Fondsintensität (unterteilt nach Grundund Umlauffonds) zum Ausdruck. Die zusammengefaßten Ergebnisse der Materialökonomie sind dagegen aus den Kennziffern der Materialintensität zu erkennen. Dabei ist zu beachten, daß hier weitgehend die Verzerrungen, die sich aus den Doppelzählungen des volkswirtschaftlichen Materialumlaufes sowohl beim Materialverbrauch als auch beim gesellschaftlichen Gesamtprodukt ergeben, eliminiert werden. Es muß hier vermerkt werden, daß in den makroökonomischen Kennziffern die technischstoffmäßig bedingten mikroökonomischen Effekte, die sich aus der Erhöhung der technischen Leistungsfähigkeit, dem effektiveren Einsatz und der rationelleren Ausnutzung der Produktionsmittel ergeben, stets in einem komplexen Zusammenhang mit den verschiedensten Struktur-, Organisations-, Substitutions- und Stufeneffekten auftreten. 1 0 Es wäre nicht richtig, darin etwa eine Verminderung der Aussagefähigkeit makroökonomischer Kennziffern zu sehen, wie zuweilen argumentiert wird. Bei der Analyse der makroökonomischen Wachstumsbeziehungen der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit kommt es nicht zuletzt darauf an, festzustellen, wie sich die positiven Ergebnisse der Betriebe und Zweige bei der Fondsausnutzung, Materialeinsparung usw. unter dem Gesichtspunkt der gesamtvolkswirtschaftlichen Rationalität, d. h. auch unter Berücksichtigung der gesamten Struktur-, Organisations-, Substitutions- und Stufeneffekte, in den entsprechenden zusammenfassenden volkswirtschaftlichen Kennziffern widerspiegeln. Dabei ist es durchaus möglich, daß die positiven mikro ökonomischen Ergebnisse makroökonomisch durch die o. a. Effekte mehr als kompensiert werden. So ist trotz nachweisbarer Fortschritte bei der Materialökonomie in den wichtigsten Industriezweigen die Rohstoffintensität des Nationaleinkommens in den vergangenen Jahren ständig gestiegen; die verfügbaren Materialressourcen wurden demzufolge im gesamtvolkswirtschaftlichen Maßstab mit einem zunehmend geringeren Produktionseffekt an Enderzeugnissen genutzt. Das sind zweifellos wichtige Erkenntnisse für die Planung und Leitung unserer Volkswirtschaft. 3. Zur Berücksichtigung der Wachstumsbeziehungen der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit in volkswirtschaftlichen Wachstumsmodellen Eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der sozialistischen Wachstumstheorie spielt ihre praktische Funktion für die weitere Vervollkommnung der Planung und Leitung der Volkswirtschaft. 1 1 Insofern unterscheidet sich die marxistische Wachstumstheorie des Sozialismus grundlegend von den bürgerlichen Wachstumstheorien über das kapitalistische System. Zu den wichtigsten Bindegliedern für die praktische Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse gehören zweifellos die Wachstumsmodelle. Durch vereinfachende logischmathematische und somit quantifizierbare Darstellung der komplizierten Zusammenhänge der Faktoren und Prozesse des volkswirtschaftlichen Wachstums in Modellen wird die wichtige Brücke zu den angewandten und anwendbaren Kennziffernsystemen der Planung und Statistik geschlagen und ein Instrumentarium geschaffen, womit Wachstumsprozesse praktisch besser analysiert und geplant werden köru.^ . Angesichts der zunehmenden praktischen Bedeutung der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit als Faktor der volkswirtschaftlichen Effektivität und des Wachstums nimmt auch das Interesse an der umfassenden Berücksichtigung der die Ökonomie"der vergegenständlichten Arbeit kennzeichnenden Wachstumsbeziehungen in volkswirtschaftlichen Wachstumsmodellen zu. Die ausreichende Berücksichtigung der Faktoren und Teilgebiete der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit in den Wachstumsmodellen hängt u . E . eng mit der im vorangehenden Abschnitt behandelten Problematik ihrer richtigen und vollständigen Erfassung und Systematisierung im volkswirtschaftlichen Ausmaß zusammen. 148

Die bisher entwickelten und theoretisch angewandten Wachstumsmodelle gehen im Prinzip von der Verwendung des Endprodukts b z w . Nationaleinkommens aus und berücksichtigen ausdrücklich nur die Rate und Effektivität d e r Investitionen bzw. der Akkumulation. Diese Wachstumsmodelle entsprechen im wesentlichen der folgenden G r u n d f o r m 1 2 : Z(y)

= x

. e

oder

z(y)

= f

(1)

Dabei ist z

=

A Y Y A_ Y A Y

i

_

A A Y

d. h . , die Zuwachsrate des Endprodukts bzw. Nationaleinkommens (Y) d . h . , die Investitions- oder Akkumulationsrate (Anteil d e r Investitionen oder der Akkumulation (A) am Endprodukt bzw. Nationaleinkommen) d . h . , der Effektivitätskoeffizient der Investitionen bzw. d e r Akkumulation, gemessen am Zuwachs des Nationaleinkommens d . h . , der Intensitätskoeffizient der Investitionen b z w . d e r Akkumulation, bezogen auf den Zuwachs an Endprodukt bzw. Nationaleinkommen (reziproker Wert von e)

(Vom Problem des Zeitfaktors zwischen A und A Y wird h i e r abstrahiert.) Wachstumsmodelle in d i e s e r F o r m bringen die Wachstumsbeziehungen d e r Ökonomie d e r vergegenständlichten Arbeit nur bedingt und unvollständig zum Ausdruck, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens zeigen sich die Wirkungen d e r Ökonomie d e r vergegenständlichten Arbeit nicht nur, wie etwa vermutet werden könnte, beim Effektivitäts- oder Intensitätskoeffizienten, sondern ebenfalls bei der Investitions- bzw. Akkumulationsrate, also bei allen beiden Komponenten,der Wachstumsformel. Zweitens berücksichtigen diese Wachstumsmodelle nur den Zuwachs an Produktionsfonds und rechnen alle Effektivitätseinflüsse nur den Investitionen bzw. d e r Akkumulation an. D e r in den vorangegangenen Zeiträumen akkumulierte Gesamtbestand oder - v o r r a t an P r o duktionsmitteln und seine effektive Ausnutzung im gesellschaftlichen Produktionsprozeß werden völlig außer acht g e l a s s e n . Drittens gehen diese Wachstumsmodelle nur vom Nettoprodukt aus und vernachlässigen den gesamten Reproduktionsaufwand für den E r s a t z der im laufenden Produktionsprozeß verbrauchten Produktionsmittel. In diesem Zusammenhang ergibt sich die Grundfrage, inwieweit es zweckmäßig und b e rechtigt ist, in Wachstumsmodellen der sozialistischen Wirtschaft, die d e r Planung und Leitung der Volkswirtschaft dienen, das Wachstum nur als Funktion der effektiven Verwendung des Nationaleinkommens bzw. des Endprodukts zu betrachten. Das volkswirtschaftli-. che Wachstum ist eine Funktion aller subjektiven und objektiven Bedingungen und Faktoren, insbesondere d e r am Produktionsprozeß beteiligten A r b e i t s k r ä f t e , Arbeitsmittel und A r beitsgegenstände. D i e s e r Grundtatsache müßte unseres Erachtens auch weitgehend in den allgemeinen Wachstumsmodellen der sozialistischen Wirtschaft Rechnung getragen werden. Unbedingt ist aber davon auszugehen, wenn die makroökonomischen Wachstumsbeziehungen der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit nachzuweisen sind. Für einen solchen Nachweis ist u. E . die F o n d s i n t e n s i t ä t als komplexes Kriterium der Effektivität der gesellschaftlichen Produktion 1 3 die geeignetste methodische Grundlage. Bei der Fondsintensitätsbetrachtung wird nicht wie bei den Wachstumsmodellen der F o r m (1) nur der Zuwachs der Produktionsfonds berücksichtigt, sondern das Gesamtvolumen d e r im gesellschaftlichen Produktionsprozeß angewandten Produktionsgrund- und Umlauffonds.

149

Unter Zugrundelegung der Produktionsfonds und der Fondsintensität läßt sich das Wachstum des Nationaleinkommens14 folgendermaßen bestimmen: I Y

=

I F r-r(Y)

I Y

= Wachstunisindex des Nationaleinkommens

I F

= Wachstumsindex der Produktionsfonds

If

= Wachstumsindex der Fondsintensität des Nationaleinkommens f

(Y)

=>

(2a)

Y

Die Zuwachsrate des Nationaleinkommens wäre dann:

Z(Y) = 1

'

f f (Y) '

1

Damit ist auch die Verbindung zu den Wachstumsmodellen der Form (1) hergestellt. Nach diesen Wachstumsformeln ist das Wachstum des Nationaleinkommens direkt proportional der Entwicklung der Produktionsfonds und umgekehrt proportional der Entwicklung der Fondsintensität des Nationaleinkommens. Je mehr eine sinkende Tendenz in der Entwicklung der Fondsintensität des Nationaleinkommens verwirklicht werden kann, um so schneller kann das Nationaleinkommen bei einer gegebenen Entwicklung der Produktionsfonds anwachsen, oder um so weniger brauchen für ein gegebenes Wachstum des Nationaleinkommens die Produktionsfonds erhöht zu werden. In beiden Fällen wäre es auch möglich, die Akkumulationsrate zu verringern. In Formel (2a) werden im Gegensatz zu den Wachstumsmodellen der Form (1) die folgenden zwei für alle Wachstumsfaktoren charakteristischen Komponenten klar voneinander unterschieden: 1. das Volumen oder die Masse der volkswirtschaftlich verfügbaren Ressourcen (Produktionsfonds), die die quantitative Grundlage für das Wachstum bilden, sowie 2. die makroökonomischen Effektivitätsbeziehungen (Fondsintensität), die sich aus dem effektiven Einsatz und der rationellen Ausnutzung der Ressourcen ergeben und das Wachstum dementsprechend beeinflussen. Die Fondsintensität des Nationaleinkommens ist allerdings eine äußerst komplexe volkswirtschaftliche Kennziffer. Sie umfaßt nicht nur die von den Produktionsfonds ausgehenden Effektivitätsbeziehungen, sondern auch die effektiven Einflüsse der Reproduktionsaufwendungen für den Ersatz des laufenden Produktionsverbrauchs. Die weitere Konkretisierung der Wachstumsbeziehungen der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit erfordert deshalb eine auf die Teilgebiete ausgerichtete Faktorenanalyse der Fondsintensität des Nationaleinkommens. Diese ist am zweckmäßigsten entsprechend den beiden unterschiedlichen ökonomischen Erscheinungsformen des Aufwandes an vergegenständlichter Arbeit - Produktionsfonds und Produktionsverbrauch - vorzunehmen. Auf diese Weise kann zunächst eine Faktorengruppe gebildet werden, die die makroökonomische Dynamik der F o n d s i n t e n s i t ä t d e r B r u t t o p r o d u k t i o n aller Zweige und Bereiche (unabhängig davon, ob sie Produkte für die Weiterverarbeitung oder den Endverbrauch liefern) zusammenfassend kennzeichnet. Eine derartige Kennziffer der Fondsintensität der Bruttoproduktion bringt insbesondere die Wirkungen der Ökonomie der Produktionsgrund- und -Umlauffonds, aber nicht die der Materialökonomie im gesamtvolkswirtschaftlichen Durchschnitt zum Ausdruck. Obwohl die beiden Hauptarten der Produktionsfonds, die Grund- und Umlauffonds, grundverschieden und mit völlig anders gearteten Effekten gleichzeitig und gemeinsam auf die Produktion einwirken, fällt bei der Aufwandsbetrachtung ihr unterschiedlicher Größenumfang im Verhältnis zu den gesamten Produktionsfonds ins Gewicht, so daß die Strukturanteile der Grund- und Umlauffonds auch wesentlich für die 150

Wachstumsbeeinflussung durch die Produktionsfonds ingesamt sind. Unter Beachtung dieser Zusammenhänge und Unterschiede kann der Wachstumsindex der Fondsintensität der Bruttoproduktion wie folgt bestimmt werden: I f = s (p) GF Dabei ist *(P)

=

Ief ^ (P)

F P~

= zGF Pr UF = P—

gf,(P) D. ^(P)

S G F ' S UF

=

+ s

UF

Iuf

lm(P)

(3)

^ u r c " l s c ' m l t t l i c l i e Fondsintensität der Bruttoproduktion

= durchschnittliche Grundfondsintensität der Bruttoproduktion =

durchschnittliche Umlauffondsintensität der Bruttoproduktion

=

Strukturanteile der verschiedenen Fondsarten an den gesamten Produktionsfonds in der Basisperiode

_ z. B .

s„„ = GF

GF

o



o

(Allgemein ist die Summe der Strukturanteile gleich 1; demnach gilt S GF

+

S UF

=

Durch die Fondsintensität des Nationaleinkommens werden zwar die effektiven Wirkungen, die mit den für die Bruttoproduktion der Volkswirtschaft fungierenden Produktionsfonds verbunden sind, in ihrer Gesamtheit erfaßt, bezogen werden sie jedoch nur auf das Teilvolumen der volkswirtschaftlichen Bruttoproduktion, das die Enderzeugnisse für die Konsumtion und Akkumulation als wertmäßiges Äquivalent des verwendeten Nationaleinkommens darstellt. Das nach Abzug dieses Teilvolumens an Enderzeugnissen verbleibende Volumen der volkswirtschaftlichen Bruttoproduktion bzw. des gesellschaftlichen Gesamtprodukts setzt sich unter Berücksichtigung des Außenhandelsaustausches dem Wertumfang nach folgendermaßen zusammen: 1. zum weitaus überwiegenden Anteil aus Vor- und Zwischenprodukten für die Weiterverarbeitung, d. h. aus Grund- und Hilfsmaterial, sowie 2. zu einem relativ geringen Anteil aus Enderzeugnissen für den Ersatz der verbrauchten Grundmittel. Neben diesem Ersatzfonds tritt meist auch noch ein mehr oder weniger großer wertmäßiger Plus- oder Minus-Saldo auf, der sich hauptsächlich aus dem Austausch von Materialien und Enderzeugnissen über den Außenhandel ergibt. Bei der Dynamik der Fondsintensität des Nationaleinkommens wirkt demnach neben der Fondsintensität der Bruttoproduktion noch eine zweite nicht minder bedeutende Faktorengruppe, die die Wachstumsrelationen zwischen dem gesellschaftlichen Gesamtprodukt und dem (verwendeten) Nationaleinkommen zum Inhalt hat und somit die Dynamik des laufenden vollen gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsaufwandes für das Nationaleinkommen widerspiegelt. Im Hinblick auf den noch zu schaffenden einheitlichen Begriffsapparat der volkswirtschaftlichen Effektivitätsrechnimg halten wir es für sinnvoll, diese Beziehung als "Bruttoproduktionsintensität des Nationaleinkommens" zu bezeichnen, symbolisch ausgedrückt: p

P = —

p.„

= Bruttoproduktionsintensität des Nationaleinkommens

p

= gesellschaftliches Gesamtprodukt (volkswirtschaftliche Bruttoproduktion).

(4a)

151

Unter sonst gleichen Bedingungen (gesellschaftliche Arbeitsteilung und Organisation d e r Produktion sowie Außenwirtschaftsbeziehungen) kennzeichnet eine sinkende Bruttoproduktionsintensivität des Nationaleinkommens eine Verringerung des Reproduktionsaufwandes für den E r s a t z der laufend verbrauchten Reproduktionsmittel, wodurch sich offensichtlich die volkswirtschaftliche Effektivität erhöht. Umgekehrt würde eine Erhöhung der Bruttoproduktionsintensität des Nationaleinkommens zu einer Verminderung der volkswirtschaftlichen Effektivität führen. Es ist auch leicht nachzuweisen, daß durch langfristig wirksame Veränderungen der Bruttoproduktionsintensität des Nationaleinkommens (soweit sie auf echten Veränderungen des vollen materiellen Produktionsaufwandes beruhen) der Gesamtbedarf an Produktionsfonds oder an Arbeitskräfte in allen Bereichen und Zweigen der materiellen P r o duktion f ü r die Erzeugung des Nationaleinkommens (Netto-Endprodukt) wesentlich beeinflußt werden kann. Da sich der Ersatzfonds dem Wertvolumen nach größtenteils aus Material zusammensetzt, übt die Materialökonomie einen maßgeblichen Einfluß auf die Dynamik der Bruttoproduktionsintensität des Nationaleinkommens aus. Es wäre jedoch falsch, die volkswirtschaftlichen Wirkungen der Materialökonomie an der Entwicklung des Wertvolumens des g e s a m t e n Materialverbrauchs in der Volkswirtschaft zu messen; denn dieses Volumen wird außerdem noch mehr oder weniger stark von den Veränderungen in d e r gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Organisation der Produktion vor allem durch Spezialisierung und Erweiterung der Kooperationsbeziehungen oder Kombinierung und Konzentration kleinerer Betriebe beeinflußt. Die dadurch verursachten Expansionen und Kontraktionen des w e r t mäßigen Volumens der Zwischenprodukte drücken nicht nur nicht entsprechende echte volkswirtschaftliche Aufwandsänderungen aus, sondern können sogar entgegengesetzt zu ihnen verlaufen. Die zusammengefaßten volkswirtschaftlichen Wirkungen der Materialökonomie zeigen sich dagegen mit einer f ü r makroökonomische Analysen ausreichenden Genauigkeit in der Entwicklung des Volumens des Ausgangsmaterials (Grundstoffe der Produktion sowie energetische Rohstoffe) im Verhältnis zu den Enderzeugnissen (verwendetes Nationaleinkommen), auf das sich auf Grund der stoffmäßigen Zusammenhänge der Stufenprozesse alle in den einzelnen Produktionsstufen entstandenen Einsparungen oder Mehraufwendungen an Material ü b e r t r a g e n 1 5 . Diese die Wirkungen der Materialökonomie widerspiegelnde m a k r o ökonomische Beziehung kann als "Rohstoffintensität des Nationaleinkommens" bezeichnet werden. Die statistisch nachweisbaren Wachstumsproportionen zwischen dem gesamten volkswirtschaftlichen Materialverbrauch und dem Nationaleinkommen sind somit auf zwei grundverschiedene Faktoren zurückzuführen: a. auf die Entwicklung der Rohstoffintensität des Nationaleinkommens, in der echte Wirkungen der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit zum Ausdruck kommen, und b. auf diejenige Veränderung des Wertvolumens der Zwischenprodukte, die im Prinzip nur eine Einschränkung oder Erweiterung der Doppelzählungen des volkswirtschaftlichen Materialumlaufs darstellt und keine echten Wirkungen der Ökonomie der vergegenständlichten Arbeit anzeigt. Die Bruttoproduktionsintensität des Nationaleinkommens kann außerdem auch von den Wachstumsrelationen zwischen dem Grundmittelersatzfonds (Abschreibungen) und dem Nationaleinkommen beeinflußt werden; infolge des relativ geringen Umfanges der Abschreibungen am laufenden volkswirtschaftlichen Produktionsaufwand ist dieser Einfluß jedoch unbedeutend. Der Vollständigkeit wegen ist weiterhin zu erwähnen, daß sich auch die Entwicklung des Außenhandelssaldos auf die Bruttoproduktionsintensität des Nationaleinkommens auswirkt. Das zeigt sich in Abweichungen der Wachstumsrelationen zwischen dem produzierten und dem verwendeten Nationaleinkommen. Diese Problematik gehört jedoch zur Effektivitätsanalyse der Außenwirtschaftsbeziehungen und liegt außerhalb des Rahmens u n s e r e r Betrachtungen .

152

Der Wachstumsindex der Bruttoproduktionsintensität des Nationaleinkommens läßt sich nunmehr wie folgt näher bestimmen: IP

(Y)

= S

R"Ir

>

X

ist.

Daraus ergibt sich zum Beispiel, daß eine steigende Effektivität des volkswirtschaftlichen Wachstums auch dann gewährleistet ist, wenn die durchschnittliche Fondsintensität der Bruttoproduktion aller Zweige steigt, dieses Steigen aber durch eine entsprechend stärker sinkende Bruttoproduktionsintensität des Nationaleinkommens mehr als kompensiert wird. Andererseits ist eine steigende Effektivität des Wachstums auch bei einer steigenden Bruttoproduktionsintensität des Nationaleinkommens dann gegeben, wenn die Fondsintensität der Bruttoproduktion entsprechend stärker sinkt. Es wäre demzufolge nicht richtig, eine steigende Fondsintensität des Bruttoproduktes oder ein schnelleres Wachstum des gesellschaftlichen Gesamtprodukts im Verhältnis zum Nationaleinkommen in jedem Fall als volkswirtschaftlich uneffektiv zu betrachten. Ausschlaggebend ist, wie sich die Fondsintensität des Nationaleinkommens als Produkt beider Komponenten entwickelt.

FUSSNOTEN 1

Vgl. K. Marx/F. Engels, Werke, Band 25, S. 87 ff

2

Ebenda, S. 93

3

Vgl. H. Nick, Einheit 7/1964, S. 34 ff

4

U. a. auch deswegen, weil durch die Anforderungen der wissenschaftlich-technischen Revolution die Aufwendungen für Bildung und Qualifizierung der Arbeitskraft erheblich zugenommen haben. Vgl. Konferenzbeitrag von H. Maier/H. Schilar über Bildung als ökonomischer Wachstumsfaktor

5

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 25, S. 222

6

K. Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, Dietz Verlag, Berlin 1953, S. 592

7 8

Ebenda Dabei hat sich der Anteil dieser Materialimporte am Gesamtimport gerade in den letzten Jahren nicht nur nicht verringert, sondern noch weiter erhöht. Er betrug 1950 - 56,7 %; 1960 - 58,6 %; 1963 - 59,7 %; 1964 - 60,6 %. Nach Ökonomik sozialistischer Länder in Ziffern 1965, Moskau 1966, S. 66 (russisch)

9

Vgl. O. Lange, Das Prinzip der wirtschaftlichen Rationalität, in: Ökonomie und Praxeologie, Wirtschaftswissenschaftliche Informationen, Berlin, Heft 46, S. 24/25

154

10

Vgl. K. Steinitz, Theoretische und praktische Probleme des ökonomischen Wachstums im Sozialismus, in: Wirtschaftswissenschaft, Heft 6/1967, S. 942

11

Vgl. K. Steinitz, ebenda, S. 924

12

Vgl. J . Chlumsk^, Die Wachstumstheorie von Feldmann und Harrod-Domar, in: Politikckä ekonomie, Nr. 11/1965, ÖSSR

13

Diese Problematik wurde von O. Kratsch ausführlich untersucht Vgl. O. Kratsch, Fondsintensität, Schriftenreihe Planung und Leitung der Volkswirtschaft, Heft 21, Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1967

14

Bei diesen Betrachtungen wird stets das verwendete oder das im Inland verfügbare Nationaleinkommen zugrunde gelegt, d. h . , das Nationaleinkommen wird als ein Äquivalent für das Wertvolumen der volkswirtschaftlichen Enderzeugnisse der Konsumtion'und Akkumulation angesehen. Man könnte das verwendete Nationaleinkommen auch als "Netto-Endprodukt" der Volkswirtschaft bezeichnen; denn es umfaßt das Endprodukt abzüglich der Enderzeugnisse für den Ersatz der verbrauchten Grundmittel (Amortisationsfonds).

15

Eine ausführliche Untersuchung dieser Zusammenhänge wurde vom Verfasser in einer gesonderten Arbeit vorgenommen. Vgl. G. Knobloch, Materialintensität und volkswirtschaftliche Effektivität, Schriftenreihe Planung und Leitung der Volkswirtschaft, Heft 25, Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1967

155

HEINZ SEICKEBT

Die R o l l e der W i s s e n s c h a f t

a l s W a c h s t u m s f akt o r

Einleitung Die Wissenschaft ist ein Produkt der historischen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Ihre Herausbildung und Entfaltung waren nicht irgendeinem Erkenritnistrieb des Menschen oder einer imaginären Freude am Forschen zu verdanken, sondern aufs engste mit der Entwicklung der menschlichen Arbeit sowie der Produktivkräfte verbunden und hatten in den materiellen und kulturellen, individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnissen der Praxis, vor allem der Produktion, ihre entscheidende Triebkraft. Sowohl die Entwicklung der Wissenschaft als auch die Anwendung wissenschaftlicher E r kenntnisse in der gesellschaftlichen Praxis waren immer nur in solchen Grenzen möglich, die historisch bedingt vom Stand der Produktivkräfte, der Produktionsverhältnisse und von dem bereits erreichten Wissensstand abhingen. Diese drei Momente bedingten sich in ihrer Entwicklung wechselseitig. J e fortgeschrittener die Produktivkräfte und die ihnen entsprechenden Produktionsverhältnisse waren, um so umfassender und tiefer konnten die objektive Realität und die Gesetze der Natur sowie die Entwicklungsgesetze der menschlichen Gesellschaft durch den Menschen erkannt werden, um so wirkungsvoller konnte aber auch die Wissenschaft zur Umgestaltung der objektiven Realität, vor allem der materiellen Produktion und ihrer Produktivkräfte, beitragen. Auf diesen Zusammenhang hat Marx aufmerksam gemacht, als er schrieb: "Wird die materielle Produktion selbst nicht in ihrer s p e z i f i s c h e n h i s t o r i s c h e n Form gefaßt, so ist es unmöglich, das Bestimmte an der ihr entsprechenden geistigen Produktion und die Wechselwirkung beider aufzufassen. "1 I. Die Wissenschaft als Produktivkraft Die Entfaltung der Wissenschaft als Produktivkraft beginnt mit jener historischen Epoche, die mit der Herausbildung der Maschinerie und der materiellen Großproduktion im Kapitalismus einsetzt, in d e r d i e w i s s e n s c h a f t l i c h e A r b e i t b z w . d i e A u s n u t zung w i s s e n s c h a f t l i c h e r E r k e n n t n i s s e f ü r d i e B e h e r r s c h u n g und Weiterentwicklung der Produktivkräfte immer mehr objektiv notwendig w e r d e n . Wenn wir das Werk von Karl Marx unter dem Gesichtspunkt analysieren, welche Bedeutung in ihm der Wissenschaft als Produktivkraft zugemessen wurde, dann müssen wir berücksichtigen, daß vor über hundert Jahren der Prozeß der wissenschaftlichen Durchdringung der materiellen Produktion erst einsetzte, daß sich zu dieser Zeit der Übergang von der z u f ä l l i g e n Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse zur b e w u ß t e n und s y s t e m a t i s c h e n Orientierung der wissenschaftlichen Arbeit auf die Erfordernisse der Produktion allmählich vollzog und sich die Wissenschaft als Produktivkraft erst zu entwickeln begann. Um so bemerkenswerter ist es, daß Marx schon damals die Wissenschaft als Produktivkraft in umfassendem Sinne erkannte. Karl Marx hat die Rolle der Wissenschaft und ihre technologische Anwendbarkeit insbesondere im Zusammenhang mit der Rolle des Menschen in der Produktion, der Maschinerie und der wissenschaftlichen Begründung des relativen Mehrwerts hervorgehoben. Die Entwicklung des fixen Kapitals war für ihn ein 157

ein wichtiges Kriterium, das anzeigt, "bis zu welchem Grade das allgemeine gesellschaftliche Wissen, knowledge, zur u n m i t t e l b a r e n P r o d u k t i v k r a f t geworden ist, und daher die Bedingungen des gesellschaftlichen Lebensprozesses selbst unter die Kontrolle des general intellect gekommen und ihm gemäß umgeschaifen sind". 2 Obwohl damals betriebliche Forschungseinrichtungen kaum existierten, die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse sehr sporadisch erfolgte und vorwiegend auf zufälligen Entdeckungen beruhte, erkannte Marx, daß die materielle Produktion auf der Grundlage der Maschinerie objektiv die " b e w u ß t e A n w e n d u n g d e r N a t u r w i s s e n s c h a f t b e d i n g t " 3 , daß die " p r o g r e s s i v e A n w e n d u n g d e r W i s s e n s c h a f t " nur auf der Grundlage der Großproduktion möglich i s t 4 und daß " d i e E n t w i c k l u n g s s t u f e d e r W i s s e n s c h a f t u n d i h r e r t e c h n o l o g i s c h e n A n w e n d b a r k e i t " ein w e s e n t l i c h e r Umstand f ü r die Bestimmung der Produktivkraft der Arbeit d a r s t e l l t . 5 Die Rolle der Wissenschaft, die Marx aus der Analyse d e r gegebenen materiellen Produktion wissenschaftlich begründete und vorausschauend erkannte, wurde in der Folgezeit in hervorragender Weise bestätigt. Die Bedeutung des Werkes von Karl Marx f ü r die Erforschung der gegenwärtigen wissenschaftsökonomischen Frage ergibt sich aber nicht nur aus den Darlegungen, in denen Marx direkt von der Wissenschaft spricht, sondern vor allem aus seinen grundlegenden polit-ökonomischen Erkenntnissen in i h r e r Gesamtheit, um die Wissenschaft als Produktivk r a f t oder als Wachstumsfaktor im gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß wissenschaftlich zu begründen, um die wissenschaftliche Arbeit als produktive Arbeit im Sinne des produktiven Gesamtarbeiters zu bestimmen und sie umfassend, bewußt und planmäßig f ü r die Entwicklung der Produktion und die Steigerung des Nationaleinkommens zu nutzen. Gegenwärtig vollzieht sich mit dem Übergang zu neuen materiell-technischen Grundlagen der Produktion e i n q u a l i t a t i v h ö h e r e r P r o z e ß d e r V e r w a n d l u n g d e r W i s s e n s c h a f t i n e i n e u n m i t t e l b a r e P r o d u k t i v k r a f t . Alle b e d e u t e n d e n Veränderungen in der materiellen Produktion beruhen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und sind das Ergebnis vor allem der wissenschaftlichen Arbeit. Die Entwicklung der materiellen Produktion wird heute durch die zunehmende Mechanisierung und Automatisierung vieler P r o z e s s e , die umfassende Anwendung der modernen Rechentechnik und elektronischen Datenverarbeitung, die wachsende Chemisierung der Volkswirtschaft sowie den Einsatz neuer Werkstoffe (vor allem Plaste) und Energieträger (vor allem Erdöl und Atomenergie) c h a r a k t e r i s i e r t . Der Mensch übergibt die unmittelbare Fertigung immer häufiger Maschinen, Automaten und Aggregaten, wodurch seine schöpferischen Kräfte f r e i werden zur allseitigen wissenschaftlichen Erforschung der objektiven Realität vor allem mit dem Ziel der Weiterentwicklung und besseren Beherrschung der modernen Produktivkräfte. Diese Entwicklung, die von der wissenschaftlich-technischen Revolution gesteuert wird und von einer o b j e k t i v n o t w e n d i g e n E r w e i t e r u n g d e r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Tätigkeiten, einer schnellen Zunahme neuer, anw e n d b a r e r w i s s e n s c h a f t l i c h e r E r k e n n t n i s s e s o w i e von -einem e n o r m e n W a c h s t u m d e r V o l k s w i r t s c h a f t e n begleitet ist, verläuft unter recht verschiedenen Bedingungen und Auswirkungen sowohl in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern als auch in den Ländern des Sozialismus. Dieser Prozeß bestimmt immer mehr die Auseinandersetzungen im ökonomischen Wettbewerb zwischen Kapitalismus und Sozialismus und verlangt größte Aufmerksamkeit vor allem der Ökonomen, um schnell bei d e r Planung und Leitung, d e r Organisierung der wissenschaftlichen Arbeit und Erhöhung i h r e r Effektivität den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Wenn wir im Sozialismus die Wissenschaft als Produktivkraft entwickeln wollen, dann heißt das vor allem, die Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit zu erhöhen. Das setzt voraus, daß Klarheit darüber besteht, w a s Produktivkraft Wissenschaft ist, w e l c h e wissenschaftliche Arbeit produktiven Charakter trägt, der wir die Entstehung des Nationaleinkommens mit zu verdanken haben,und w i e die Wissenschaft als Produktivkraft am effektivsten in den gesamtgesellschaftlichen Produktionsprozeß eingebettet werden kann. 158

Die Wissenschaft als das "aus d e r gesellschaftlichen P r a x i s erwachsende, sich ständig entwickelnde System d e r Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, kausalen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur, d e r Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Maßbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen fixiert wird . . . i s t a n s i c h noch keine Produktivkraft und demzufolge an sich auch kein ökonomischer Wachstumsfaktor. "Ideen", so hatte Marx e r k l ä r t , "können überhaupt nichts ausführen. Zum Ausführen d e r Ideen bedarf es d e r Menschen, welche eine praktische Gewalt aufbieten."'' Als Produktivkraft kann demzufolge die Wissenschaft nicht allein vom Standpunkt einer wissenschaftlichen Erkenntnis oder einer Wissenschaftsdisziplin (der Natur- oder Gesellschaftswissenschaften), auch nicht vom Standpunkt des Forschungsbereiches (Grundlagenforschung, angewandte Forschung usw.) erklärt werden. Als Produktivkraft ist die Wissenschaft nur aus der sozialen bzw. produktiven Funktion d e r wissenschaftlichen Arbeit, aus dem Zusammenwirken d e r Faktoren des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses (Arbeitskraft und Produktionsmittel) mit den anderen Faktoren des gesamtgesellschaftlichen Arbeitsp r o z e s s e s und a u s d e r b e s o n d e r e n R o l l e d e s s u b j e k t i v e n F a k t o r s ( d e r l e b e n d i g e n A r b e i t s k r a f t ) , s e i n e r F ä h i g k e i t e n u n d Wi r k u n g s m ö g l i c h k e i t e n i n d e r m a t e r i e l l e n P r o d u k t i o n zu b e s t i m m e n . Denn "Produktivk r a f t " , so heißt es bei Marx, "ist natürlich stets Produktivkraft nützlicher konkreter A r beit und bestimmt in d e r Tat nur den Wirkungsgrad zweckmäßiger produktiver Tätigkeit im gegebenen Zeitraum". ® Nicht von sich aus kann die Wissenschaft Produktivkraft oder ein ökonomischer Wachstumsfaktor sein, sondern sie wird es e r s t im Zusammenwirken d e r Faktoren der wissenschaftlichen Arbeit mit den übrigen Faktoren des gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozesses, wobei beachtet werden muß, daß zwischen den subjektiven Faktoren (der lebendigen Arbeit) und den objektiven Faktoren (den Produktionsmitteln) w e s e n t l i c h e Unterschiede bestehen, deren Beachtung zu einer Grundfrage der marxistischen politischen Ökonomie gehört. Zur Definition wird folgender Vorschlag unterbreitet: Die Produktivkraft Wissenschaft umfaßt die Gesamtheit wissenschaftlicher Erkenntnisse und alle Elemente des produktiven, wissenschaftlichen Arbeitsprozesses (innere Faktoren), soweit sie dazu beitragen, gemeinsam mit den Faktoren im Anwendungsbereich (äußere Faktoren) alle Seiten des gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozesses in d e r materiellen Produktion zu durchdringen und vor allem dazu beitragen, durch Weiterentwicklung d e r modernen Produktivkräfte den Wirkungsgrad der produktiven, konkret nützlichen Arbeit zu erhöhen.® Man ist häufig geneigt, wenn von d e r Produktivkraft Wissenschaft gesprochen wird, darunter lediglich die angewandte Forschung (Industrieforschung) bzw. die technischen und Naturwissenschaften zu verstehen. Wenn wir aber von den gegenwärtigen und e r s t recht von den künftigen Produktivkräften ausgehen, von der hochproduktiven Automation, der m o dernen Meß-, Steuer- und Hegeltechnik, von dem neuen Energieträger, der Kernenergie, d e r i m m e r notwendiger werdenden prognostischen Arbeit und den i m m e r komplizierter werdenden Planungs-, Leitungs- und Organisationsfragen d e r materiellen Produktion, dann müssen wir feststellen, daß es nicht nur die unmittelbar anwendbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse waren, die der Entwicklung d e r materiellen Produktion und i h r e r P r o duktivkräfte enormen Auftrieb verliehen, sondern vor allem auch solche g r u n d l e g e n d e n wissenschaftlichen Entdeckungen wie die Relativitätstheorie Albert Einsteins, die Entdeckungen zur Quantentheorie und der Gesetze der Quantenmechanik, der allgemeinen mathematischen Gesetzmäßigkeiten wie die der Mengenlehre f ü r die Rechentechnik und die Entdeckung der Spaltung des Uranatoms durch Anlagerung von Neutronen durch Otto Hahn und Fritz Straßmann. Die Würdigung des Werkes von Karl Marx sollte eine besondere Veranlassung sein, auf die Bedeutung d e r Ökonomie als Produktivkraft f ü r den gesellschaftlichen Fortschritt hinzuweisen und darauf, daß das b e w u ß t e Eingehen d e r Wissenschaft auf die E r f o r d e r n i s s e d e r materiellen Produktion und die Entwicklungsbedingungen d e r menschlichen Gesellschaft 159

geschaffen. Der wissenschaftliche Sozialismus und seine Anwendung in d e r gesellschaftlichen P r a x i s haben damit eindeutig bewiesen, welche Bedeutung unter den Bedingungen hochentwickelter Produktivkräfte auch den Gesellschaftswissenschaften, insbesondere den W i r t schaftswissenschaften, als Produktivkraft zukommt. In bestimmten Perioden und unter bestimmten historischen Bedingungen sind das bewußte Handeln auf der Grundlage gesellschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse und die Ausnutzung der Entwicklungsgesetze d e r menschlichen Gesellschaft (zum Beispiel bei der Überwindung historisch überholter Produktionsverhältnisse) f ü r die Weiterentwicklung der Produktivkräfte und die Erhöhung der Effektivität der gesellschaftlichen Arbeit sogar von vorrangiger Bedeutung. Das ökonomische System des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik als Ergebnis der Weiterentwicklung der politischen Ökonomie des Sozialismus ist eine notwendige Konsequenz der Anwendung des Marxismus-Leninismus unter den gdgenwärtigen Bedingungen in der Deutschen Demokratischen Republik, deren Verwirklichung f ü r die Meisterung der wissenschaftlich-technischen Revolution von außerordentlicher Bedeutung ist. II. Faktoren und Bedingungen der wissenschaftlichen Arbeit Die Wissenschaft wird im Sozialismus bewußt und planmäßig in den gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozeß eingebettet, sie tritt infolge der Teilung von körperlicher und geistiger A r beit und der Vergesellschaftung der wissenschaftlichen, in a l l e n P h a s e n des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses als mehr oder weniger r e l a t i v verselbständigte Phase in Erscheinung. Entscheidend f ü r das ökonomische Wachstum ist die wissenschaftliche Arbeit, soweit sie als relativ verselbständigte^ aber integrierender Bestandteil der materiellen Produktion auftritt. Dazu gehören vor allem: a. die wissenschaftlichen Arbeiten zur prognostischen Einschätzung der Entwicklung der Struktur der Produktion unter Berücksichtigung der Entwicklung der Wissenschaft und i h r e r technologischen Anwendung, b. die wissenschaftlichen Arbeiten in der gezielten Grundlagenforschung zur Sicherung des wissenschaftlichen Vorlaufs, vor allem in den führenden Zweigen der Volkswirtschaft, c. die objektiv notwendigen wissenschaftlichen Arbeiten der Planung, Bilanzierung und Optimierung der Produktionspläne, d. die wissenschaftlichen Arbeiten zur Durchsetzung der wissenschaftlich-technischen Konzeptionen f ü r Erzeugnisgruppen und Haupterzeugnisse und e. die wissenschaftlichen Arbeiten zur Durchsetzung der sozialistischen Rationalisierung. Wenn wir die Wissenschaft als einen entscheidenden Wachstumsfaktor der materiellen Produktion ansehen, dann müssen wir berücksichtigen, daß es sich hierbei um das Zusammenwirken einer Reihe von Faktoren im gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozeß handelt und alle Effekte diesem Zusammenwirken entspringen. Die materielle Produktion umfaßt im Sozialismus nicht nur die unmittelbare Fertigung, sondern muß als objektiv bedingte Einheit von Planung, Leitung, wissenschaftlicher Forschung, Entwicklung und unmittelbarer Fertigung angesehen werden. Die wissenschaftliche Tätigkeit und ihre Realisierung in der gesellschaftlichen P r a x i s , vor allem in der materiellen Produktion, vollziehen sich im wesentlichen in zwei Phasen, die beide eine Einheit bilden müssen: Die e r s t e P h a s e beinhaltet einen Komplex produktiver, qualitativ unterschiedlicher, überwiegend wissenschaftlicher Arbeiten im Wissenschaftsbereich, umfassend die F o r schungstätigkeit von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung und Entwicklung bis zum in der materiellen Produktion anwendbaren Forschungsergebnis. Die z w e i t e P h a s e beinhaltet einen Komplex produktiver Tätigkeiten im A n w e n d u n g s b e r e i c h der materiellen Produktion und in der Zirkulationssphäre, beginnend bei d e r Schaffung der Voraussetzungen der Produktion und des Absatzes neuentwickelter Erzeugnisse, der Erprobung und Einführung neuer Produktionsmethoden und Technologien einschließlich der laufenden Produktion. 160

Als ökonomischer Wachstumsfaktor kann die Wissenschaft nur aus den Wechseibeziehungen sowie der Einheit der hier genannten Phasen und ihrer dynamischen Entwicklung heraus verstanden werden. Der gesellschaftliche Arbeitsprozeß beruht in beiden Phasen auf Faktoren. Marx unterscheidet bei den Faktoren des Arbeitsprozesses zwischen "objektiven und subjektiven Faktoren", die sich als "Produktionsmittel und Arbeitskraft unterscheiden"* 0 , denen eine unterschiedliche Bedeutung im Arbeitsprozeß zukommt. Diese Erkenntnisse gelten grundsätzlich auch für den relativ verselbständigten wissenschaftlichen Arbeitsprozeß. Entsprechend den beiden genannten Phasen des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses unterscheiden wir die ihnen zugrunde liegendep Faktoren als "innere" Faktoren - bezogen auf die erste Phase - und "äußere" Faktoren - bezogen auf die zweite Phase - . Zu den "inneren" Faktoren in ihrer quantitativen und qualitativen Zusammensetzung zählen wir im wesentlichen: 1. die A r b e i t s k r ä f t e bzw. das gesellschaftliche Arbeitsvermögen im wissenschaftlichen Bereich (Wissenschaftler, Forscher, wissenschaftliche Mitarbeiter, wissenschaftliche Hilfskräfte, technische Arbeitskräfte, Verwaltungsfachleute usw.), ihre Struktur, ihre Qualifikation, ihr Kreativitätsvermögen usw.; 2. die A r b e i t s m i t t e l der wissenschaftlichen Institutionen, die Forschungseinrichtungen der wissenschaftlichen Laboratorien, ihr technisches Niveau; 3. die A r b e i t s g e g e n s t ä n d e der Forscher mit den spezifischen Eigenschaften, die Materialversorgung und Materialausstattung der Forschungseinrichtungen. Neben diesen "klassischen" Faktoren müssen wir im Bereich der wissenschaftlichen Arbeit einen weiteren Faktor hinzurechnen, der in der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur im gesellschaftlichen Erkenntnisprozeß von wesentlicher Bedeutung ist, nämlich 4. den gespeicherten Fonds wissenschaftlicher Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, die notwendigen und inneren Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur und der Gesellschaft. Das sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Menschen vieler Nationalitäten, die in Bibliotheken und Archiven gesammelt, durch Patente und Lizenzen sowie durch Informations- und Dokumentationsdienste ausgewertet und bereitgestellt werden. Zu den "äußeren" Faktoren in ihrer quantitativen und qualitativen Zusammensetzung zählen wir im wesentlichen: 1. die A r b e i t s k r ä f t e bzw. das gesellschaftliche Arbeitsvermögen; 2. die A r b e i t s m i t t e l ; 3. die A r b e i t s g e g e n s t ä n d e , 1 1 die im A n w e n d u n g s b e r e i c h wirksam sind, dort also, wo wissenschaftliche Erkenntnisse angewandt und genutzt werden. So wie der wissenschaftliche Arbeitsprozeß eingebettet ist in den gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozeß, so sind auch die Faktoren des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses Bestandteile der Faktoren des Nutzeffekts der gesellschaftlichen Arbeit und damit auch der ökonomischen Wachstumsfaktoren. Sowohl innerhalb der einzelnen Faktoren und zwischen den "inneren" Faktoren als auch zwischen den "inneren" und den "äußeren" Faktoren müssen - da sie komplex zusammenwirken - bestimmte Proportionen und Wechselbeziehungen gegeben sein. So erfordert das Wachstum einer Volkswirtschaft entsprechend der jeweiligen Zielfunktion des sozialistischen Wirtschaftens einerseits eine bestimmte Struktur, Qualität und Quantität wissenschaftlicher Arbeit, andererseits im Anwendungsbereich, wo wissenschaftliche Erkenntnisse genutzt werden, entsprechend qualifizierte Arbeitskräfte und ein bestimmtes Niveau an Produktionsmitteln. Es genügt demzufolge nicht, wenn wir die materielle Produktion und das Nationaleinkommen erhöhen wollen, lediglich oder einseitig Forschung und Entwicklung zu fördern, sondern es müssen synchron die erforderlichen anderen Faktoren entwickelt werden, um Forschungsergebnisse nutzen zu können. Ähnliches gilt auch für solche Forschungsvorhaben, die in nichtmateriellen Bereichen genutzt werden sollen. 161

Aus dem Zusammenwirken der "inneren" Faktoren ergeben sich - wie wir noch sehen werden - die "inneren" Effekte der wissenschaftlichen Arbeit (Umfang, Qualität, wissenschaftliche, politische, kulturelle und praktische Bedeutung der Forschungsergebnisse). Aus dem Zusammenwirken der "inneren" mit den "äußeren" Faktoren ergeben sich die Effekte in den materiellen und nichtmateriellen Bereichen der gesellschaftlichen Praxis (Produktion, Zirkulation, individuelle und gesellschaftliche Konsumtion). In der gegenwärtigen Epoche ist die dynamische Entwicklung der "inneren" Faktoren der wissenschaftlichen Arbeit durch folgende Umstände charakterisiert: 1. Die objektiv bedingte Ausnutzung der Wissenschaft als Produktivkraft bzw. als Wachstumsfaktor hat dazu geführt, daß qualitativ n e g e produktive wissenschaftliche Elemente in die materielle Produktion eingedrungen sind. Dazu gehören sowohl die wissenschaftlichen Arbeiten für Prognosen, Planung, Leitung und Organisation des immer komplizierter werdenden und höchste Rationalität erfordernden Produktionsprozesses als auch die wissenschaftlichen Arbeiten zur Entwicklung neuer qualitativ hochwertiger Erzeugnisse, neuer Technologien und rationellerer Produktionsverfahren. 2. Die zunehmende Mechanisierung und Automation und die damit verbundene Substitution menschlicher Arbeitskraft durch Maschinenkraft sind nicht nur Effekt der wissenschaftlichen Arbeit, sondern Voraussetzung dazu, daß sich die produktive Tätigkeit des Menschen immer mehr aus der Sphäre der unmittelbaren Fertigung in die Sphären der wissenschaftlichen Produktionsplanung, Produktionsvorbereitung, Forschung, Entwicklung, Produktionskontrolle und Produktionsüberwachung verlagert. Man nimmt an, daß sich das Verhältnis zwischen Wissenschaftlern und Ingenieuren zu Industriearbeitern, das 1956 in der Welt 1 : 45 und 1963 in der Deutschen Demokratischen Republik 1 : 20 betrug, im Ergebnis der Vollendung der gegenwärtigen wissenschaftlich-technischen Revolution auf 10 : 1 umkehren wird.12 3. Auch im Bereich der wissenschaftlichen Arbeit selbst ist eine zunehmende Substitution menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen, Elektronenrechner und Automaten zu verzeichnen. Darüber hinaus wird durch den Einsatz neuer wissenschaftlicher Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstände der Erkenntnisprozeß ständig vervollkommnet und die Forschungsarbeit auf eine qualitativ höhere Stufe gehoben. Die Erhöhung der Fondsintensität kann hier deshalb n i c h t n u r unter dem Gesichtspunkt der Substitution, der Einsparung an lebendiger Arbeit, als dem entscheidenden Beweggrund betrachtet werden, sondern vor allem unter dem Aspekt der Erkenntnisgewinnung. Ohne die modernen Weltraumschiffe wäre beispielsweise der Mensch überhaupt nicht in der Lage, den Weltraum zu erforschen. Ähnliche Gesichtspunkte sind auch in anderen Forschungsgebieten gegeben. Diese Tatsache erklärt in erster Linie, weshalb im Bereich der wissenschaftlichen Arbeit die Aufwendungen je Arbeitskraft für die Anlagen und die Ausstattung der Einrichtungen mit wissenschaftlichen Geräten, Instrumenten und Materialien in den letzten Jahren beträchtlich angewachsen sind. 4. Die quantitative und qualitative Erweiterung der subjektiven und objektiven Faktoren der wissenschaftlichen Arbeit machen ständig steigende Aufwendungen der Gesellschaft in allen entwickelten Industrieländern erforderlich, wie die Tabelle 1 am Schluß dieses Beitrages beweist. Die Kombination und dynamische Entwicklung der "inneren" Faktoren und ihr Zusammenwirken mit den "äußeren" Faktoren im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß vollziehen sich stets unter konkreten natürlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, von denen wir - wenn wir die Wissenschaft als Wachstumsfaktor analysieren wollen - nicht abstrahieren können. Zu den natürlichen Bedingungen zählen wir vor allem die Bevölkerung, das geographische Milieu, Bodenfruchtbarkeit und Vorkommen an Bodenschätzen, die klimatischen Verhältnisse und die Naturkräfte (zum Beispiel Wasserkräfte), zu den gesellschaftlichen Bedingungen die historisch konkreten Formen der Produktionsverhältnisse. Zwischen den Faktoren und den Bedingungen bestehen enge Wechselbeziehungen, wobei die jeweiligen Beziehungen nicht direkt, sondern über die Faktoren die Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit positiv oder negativ beeinflussen. Im Gegensatz zu den natürlichen 162

Bedingungen, die sich gegenüber den Faktoren der wissenschaftlichen Arbeit s o z i a l ö k o n o m i s c h neutral verhalten, bilden die historisch konkreten Formen der Produktionsverhältnisse (gesellschaftliche Bedingungen), die abhängig sind vom jeweiligen Stand der Produktivkräfte, die bestimmende Grundlage für das Wirken spezifischer ökonomischer Gesetze, die Entfaltung der Triebkräfte sowie für den sozialökonomischen Charakter der wissenschaftlichen Arbeit und ihre Zielstellung. Bei der Herausbildung der Wissenschaft zur Produktivkraft spielten die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu Beginn des Kapitalismus eine positive Rolle, denn der Kapitalismus hat, wie Marx an verschiedenen Stellen im "Kapital" bewies, die Hemmnisse und Schranken des Kleineigentums und die Zersplitterung der Produktionsmittel beseitigt, die der Entfaltung der gesellschaftlichen Produktivkräfte und damit der Entfaltung der Produktivkraft Wissenschaft im Wege standen. So waren nach Marx durch das Kleineigentum ausgeschlossen: "Teilung der Arbeit innerhalb derselben Produktionsprozesse, gesellschaftliche Beherrschung und Reglung der Natur, freie Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte" 13 und "gesellschaftliche Formen der Arbeit, gesellschaftliche Konzentration der Kapitale, Viehzucht auf großem Maßstab, p r o g r e s s i v e Anwendung der Wissenschaft". 1 4 (Hervorhebung H. S.) Die Entwicklung der Produktivkräfte im Kapitalismus sowie die Vergesellschaftung der Produktion "durch das Spiel der immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion selbst" 1 5 und mit ihr die Vergesellschaftung der wissenschaftlichen Arbeit erhalten einen solchen Umfang und Grad der Kompliziertheit und inneren Verflechtung, bei der die vollständige Nutzung der Wissenschaft den Übergang zu sozialistischen Produktionsverhältnissen und zur gesamtgesellschaftlichen Planung und Leitung von Wissenschaft und materieller Produktion notwendig macht. Dies ist der Zeitpunkt - um mit den Worten von Marx zu sprechen - wo "die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit . . . unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle". 1 6 Das beweisen die zahlreichen Mängel und Hemmnisse in der wissenschaftlichen Durchdringung der Produktion, die in vieler Hinsicht schon durch das rückständige, auf Klassenprivilegien aufgebaute Bildungswesen verursacht sind. Das beweisen auch die negativen Auswirkungen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts im Kapitalismus, die zu einem wesentlichen Hindernis für die Befriedigung der materiellen und kulturellen Interessen der Werktätigen und für den gesellschaftlichen Fortschritt werden: die Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, das Brachliegen bedeutender Produktivkräfte sowie die massenhafte Vernichtung und Vergeudung gesellschaftlicher Arbeit durch Aufrüstung, Militarisierung und Kriege. Es kann auch nicht übersehen werden, daß sich aus den privatkapitalistischen Produktionsverhältnissen, der Anarchie und Konkurrenz in der Wirtschaft zahlreiche Faktoren ergeben, die den Austausch wissenschaftlicher Informationen und Forschungsergebnisse sowie ihre industrielle Anwendung auf breiter Basis hemmen und ein alle Seiten des gesellschaftlichen Reproduktkonsprozesses umfassendes System der Planung und Koordinierung der Forschungsprogramme unmöglich machen. Im Sozialismus entwickelten sich auf der Grundlage des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln grundlegend neue Bedingungen für die Ausnutzung der Wissenschaft als Produktivkraft. Durch die Überwindung des Widerspruchs zwischen Produktion und Aneignung wurde die Produktion, der wichtigste Bereich des gesellschaftlichen Lebens sowie der wissenschaftlichen Betätigung des Menschen, dem eigentlichen Zweck und der Zielfunktion des sozialistischen Wirtschaftens untergeordnet: Die materiellen Voraussetzungen zu schaffen für die "immer bessere Befriedigung der materiellen und geistigen Bedürfnisse der Werktätigen und die allseitige Entwicklung des Menschen in der sozialistischen Gesellschaft". 1 7 Durch die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen kommen die Ergebnisse der Produktion allen Mitgliedern der Gesellschaft zugute, deshalb ist es möglich, die gesellschaftlichen mit den individuellen Interessen in Übereinstimmung zu bringen. Die materielle Interessiertheit (gesellschaftliche, kollektive und individuelle) kann so in i h r e r E i n h e i t als w i c h t i g s t e T r i e b k r a f t des gesellschaftlichen Fortschritts im Sozialis163

mus wirksam werden. Unter diesen Bedingungen entspricht es gesellschaftlichen und individuellen Interessen gleichermaßen, in der wissenschaftlichen Arbeit die schöpferischen Fähigkeiten des Menschen, der wichtigsten Produktivkraft der Gesellschaft, voll zur Geltung zu bringen, seine Persönlichkeit zu entwickeln und die wissenschaftlichen Erkenntnisse umfassend zu nutzen. Keine Macht des Kapitals und keine Schranke des privaten Eigentums an den Produktionsmitteln hindern die sozialistische Gesellschaft daran, höhere F o r men der Koordinierung, der Organisation der sozialistischen Gemeinschaftsarbeit und einen höheren Grad der gesellschaftlichen Arbeitsteilung in der wissenschaftlichen Arbeit zu verwirklichen und neue effektivere Beziehungen zwischen den wissenschaftlichen Institutionen, Forschungs- und Entwicklungs Stätten, Betrieben und staatlichen Organen herzustellen.

III. Zur Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit und zu wichtigen Erfordernissen ihrer Erhöhung Die E f f e k t e der wissenschaftlichen Arbeit sind Resultate des auf der Grundlage ökonomischer Gesetze sich vollziehenden Zusammenwirkens der "inneren" und "äußeren" Faktoren im gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß unter bestimmten natürlichen und gesellschaftlichen Bedingungen. Im Sozialismus ist die Erforschung der Gesetze der Natur und Gesellschaft darauf gerichtet, die sich mit der Produktion ständig verändernden materiellen und geistigen Bedürfnisse immer besser zu befriedigen und die allseitige Entwicklung des sozialistischen Menschen zu ermöglichen. Die Effekte der wissenschaftlichen Arbeit sind ein Gradmesser dafür, inwieweit diese Ziele verwirklicht werden konnten, inwieweit die Wissenschaft den Erfordernissen der gesellschaftlichen Praxis gerecht geworden ist. Bei der Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit müssen wir unterscheiden zwischen den Effekten im engeren Sinne, den "inneren" Effekten, und den Effekten im weiteren Sinne, den "äußeren" Effekten. Die " i n n e r e n " E f f e k t e sind das Resultat der Wirkungsweise der "inneren" Faktoren unter bestimmten natürlichen und gesellschaftlichen Bedingungen. Die Wissenschaft als höchste Form der Erkenntnis dringt gegenwärtig in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ein, demzufolge werden auch die Bedürfnisse immer zahlreicher, die die Erkenntnisentwicklung ihrerseits forcieren. Ein Ausdruck hierfür sind die mit der Erweiterung der wissenschaftlichen Arbeit verbundene sprunghafte Zunahme wissenschaftlicher Erkenntnisse, die Aufdeckung bis dahin unbekannter kausaler Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten in Natur und Gesellschaft, die Herausbildung und Formulierung neuer Begriffe, Kategorien und Theorien in den letzten Jahrzehnten. Der Wissensstoff verdoppelt sich gegenwärtig im Verlaufe eines Dezenniums. Aus den in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestehenden sechs wissenschaftlichen Hauptdisziplinen lösten sich auf Grund der ständig wachsenden Erkenntnisse und der damit notwendigen Arbeitsteilung eine Reihe neuer Wissenschaften und Spezialdisziplinen (zum Beispiel im Bereich der Chemie, der technischen Wissenschaften, wie Maschinenbau, Elektrotechnik u. a.) und Zwischendisziplinen wie Biochemie, Biophysik, mathematische Physik u. a. heraus. Dieser Differenzierungs- und Spezialisierungsprozeß hat sich auch in der ökonomischen Wissenschaft vollzogen. Allerdings wurde e r zeitweilig bzw. in manchen Fällen dogmatisch belastet und gehemmt. So wird beispielsweise gegenwärtig bei der theoretischen Klärung spezifischer Wachstumsprobleme und der Formulierung einer besonderen Wachstumstheorie die Frage aufgeworfen, ob nicht eine solche Theorie der Einheit der marxistischen politischen Ökonomie zuwiderläuft. Die Differenzierung und Spezialisierung der einzelnen Wissenschaften widersprechen ebensowenig der Auffassung von der Einheit der Wissenschaft, die sich aus der Einheit der Materie ergibt, wie die Herausbildung einer Wachstumstheorie der Einheit der marxistischen politischen Ökonomie widersprechen würde. Gerade der Prozeß der Spezialisierung der Wissenschaften, der Herausbildung neuer Disziplinen und Fachgebiete ermöglichte es, die 164

die objektive Realität in Natur und Gesellschaft immer spezifischer und dadurch genauer zu erforschen. Die Forschungsmethoden werden dabei ständig vervollkommnet und die Forschungsresultate immer exakter. Spezialisierung und Arbeitsteilung in der Wissenschaft (auch in funktioneller Hinsicht nach der Grundlagenforschung, der angewandten Forschung und Entwicklung) erhöhen die Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit, wenn sie von einer wachsenden Integration begleitet sind. Das zeigt sich in der gegenseitigen Befruchtung der Wissenschaften, so bei den mathematischen Wissenschaften und der Kybernetik, deren E r gebnisse heute in allen Wissenschaftsdisziplinen angewandt werden. Ein Ausdruck für die "innere" Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit sind u. a. Umfang, Qualität, Anwendbarkeit, wissenschaftliche, technische, ökonomische, kulturelle und soziale Bedeutung der gewonnenen wissenschaftlichen Forschungsergebnisse. Die "innere" Effektivität ist gegenwärtig das Ergebnis eines arbeitsteiligen, vergesellschafteten wissenschaftlichen Arbeitsprozesses. Jede neue Erkenntnis ist auch das Resultat vorangegangener wissenschaftlicher Erkenntnisse. Aus diesem Grunde gewinnen der "Erkenntnisfonds" und seine Nutzung als Faktor der wissenschaftlichen Arbeit mit der Zunahme wissenschaftlicher Erkenntnisse eine wachsende Bedeutung für die "innere Effektivität". Dadurch und auf Grund der Arbeitsteilung nach Wissenschaftsdisziplinen sowie in funktioneller Hinsicht nach Grundlagenforschung (Erkundungsforschung und gezielte Grundlagenforschung), Zweckforschung oder angewandter Forschung und Entwicklungsforschung kann ein anwendbares Forschungsergebnis nicht das a l l e i n i g e Verdiensteiner Forschungseinrichtung oder eines einzelnen Forschers sein. Diese Tatsache muß bei einer zukünftigen Effektivitätsmessung berücksichtigt werden. Die Wissenschaft dient aber nicht in erster Linie bzw. ausschließlich dem Zweck, "innere Effekte" zu erzielen. Was Marx einmal zur Zielstellung seiner materialistischen Philosophie sagte, das gilt analog grundsätzlich für die moderne Wissenschaft, auch für die marxistische politische Ökonomie: Sie hat nicht die Aufgabe, die materielle Welt und die gesellschaftlichen Beziehungen zu interpretieren, sondern sie zu verändern. "Jede Erkenntnis beruht letztlich auf unmittelbar praktischen Bedürfnissen." 1 8 Für ihre Befriedigung, die in der "äußeren" Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit zum Ausdruck kommt, ist die "innere" Effektivität eine objektiv notwendige Voraussetzung. In der "inneren" Effektivität wird der wissenschaftliche Vorlauf sichtbar, der zur Veränderung der Praxis notwendig ist. Die " ä u ß e r e n E f f e k t e " der wissenschaftlichen Arbeit sind das Resultat des Zusammenwirkens der "inneren" Faktoren mit den Faktoren im Anwendungsbereich ("äußere" Faktoren) unter konkreten natürlichen und gesellschaftlichen Bedingungen. Sie entstehen durch die Aneignung und Nutzung der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie der Forschungsergebnisse in der gesellschaftlichen Praxis. Diese Effekte treten beispielsweise in solchen Bereichen in Erscheinung, wie: 1. im Bildungssystem, indem die neuesten Forschungsergebnisse und Erkenntnisse der jeweiligen Fachgebiete (auch solche der Pädagogik) übermittelt und angeeignet werden, wodurch das Bildungsniveau der Gesellschaft und die Leistungsfähigkeit ihrer Mitglieder ständig erhöht werden können, 2. im Gesundheitswesen, indem die neuesten medizinischen Erkenntnisse zur Verbesserung des Gesundheitszustandes der Menschen und zur Erhöhung der Lebenserwartimg genutzt werden (mit Hilfe der medizinischen Wissenschaft1® konnte beispielsweise die Lebenserwartung bedeutend erhöht, eine Reihe von Infektionskrankheiten, zum Beispiel Typhus, Diphterie, Tuberkulose, Mütter- und Säuglingssterblichkeit, wesentlich fingedämmt und die Kinderlähmung im Bereich der Deutschen Demokratischen Republik sogar gänzlich beseitigt werden), 2 0 3. im kulturellen und sozialen Bereich, indem neue Erkenntnisse zur Erhöhung des kulturellen Niveaus der Werktätigen und zur allseitigen Entwicklung der sozialistischen Persönlichkeiten beitragen,

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4. im Bereich d e r staatlichen Organe, wo es gegenwärtig bei uns darum geht,"- gestützt auf die marxistisch-leninistische Theorie des Staates und des Rechts und mit Hilfe d e r kybernetischen Wissenschaft - e i n M o d e l l d e s G e s a m t s y s t e m s d e r s t a a t l i c h e n L e i t u n g a u s z u a r b e i t e n " . 2 1 Ein solches wissenschaftlich begründetes System soll "einen höheren gesellschaftlichen Nutzen der staatlichen Leitungstätigkeit . . . gewährleisten" und durch ein hohes Maß an Wissenschaftliehkeit beim Vorbereiten wichtiger Entscheidungen beitragen, " m i t g e r i n g e r e m A u f w a n d h ö h e r e E r g e b n i s s e zu erzielen".22 Der grundlegende Bereich der Praxis bzw. der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse aber ist die materielle Produktion, von der jede andere Tätigkeit letztlich abhängt, von der auch die entscheidenden Impulse und Triebkräfte zur Entwicklung d e r Wissenschaft ausgehen. Die in diesem Bereich erzielten Effekte der wissenschaftlichen Arbeit sind das Hauptkriterium der Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit. Die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der materiellen Produktion hat in d e r Welt nicht nur zu zahlreichen neuen Erzeugnissen, Produktions- und Konsumtionsmitteln sowie neuen und besseren Technologien und Produktionsverfahren geführt, sondern auch neue Wirtschafts- und Industriezweige entstehen lassen, zum Beispiel den Maschinenbau, die Fahrzeug- und Flugzeugindustrie, die elektrotechnische Industrie, die chemische und pharmazeutische Industrie u. a. Dadurch haben sich die Strukturen der Volkswirtschaften gänzlich verändert. Wie vielfältig die Effekte hierbei sind, sei kurz skizziert(siehe S, 5 67). Daß zwischen Wachstum der Produktion, des Nationaleinkommens sowie der Steigerung d e r Arbeitsproduktivität auf der einen und Ausdehnung der wissenschaftlichen Arbeiten auf der anderen Seite enge Wechselbeziehungen und G e s e t z m ä ß i g k e i t e n bestehen, läßt sich auf vielen Gebieten mit zahlreichen Beispielen belegen. Es ist weniger die Weiterentwicklung der vorhandenen Erkenntnisse als die Entdeckung n e u e r wissenschaftlicher E r kenntnisse, n e u e r Technologien, n e u e r Produktionsverfahren und n e u e r Methoden d e r Organisation der Produktion, die einen wesentlichen Zuwachs der Produktivität sowie des Nationaleinkommens mit sich bringen. Aus den Erkenntnissen über die Wechselbeziehungen zwischen Produktion und Wissenschaft leiten sich Schlußfolgerungen f ü r die künftige theoretische Arbeit und f ü r unsere Wirtschaftspraxis ab. Hier sei nur auf eine Konsequenz hingewiesen: Wir müssen in Theorie und Praxis die Voraussetzungen schaffen, b e i d e r B e r e c h n u n g w i c h t i g e r K e n n z i f f e r n u n s e r e s v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n W a c h s t u m s (zum Beispiel bei d e r Messung der Arbeitsproduktivität, d e r Fondsintensität, der Berechnung d e r P r o kopfleistung d e r produktiv Tätigen u. a.) umfassender d i e p r o d u k t i v e w i s s e n s c h a f t l i c h e A r b e i t e i n z u b e z i e h e n , damit der exakten Größe des Nationaleinkommens auch eine exakte Größe des Aufwandes an Arbeit gegenübergestellt werden kann. M a t e r i e l l e P r o d u k t i o n , A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t und N a t i o n a l e i n k o m m e n s i n d die e n t s c h e i d e n d e n K r i t e r i e n und w i c h t i g e n M a ß s t ä b e , die a n z e i g e n , inwieweit die W i s s e n s c h a f t als W a c h s t u m s f a k t o r zur unm i t t e l b a r e n P r o d u k t i v k r a f t g e w o r d e n i s t . Als das H a u p t k r i t e r i u m f ü r die ökonomische Effektivität sollte die V e r r i n g e r u n g d e s g e s e l l s c h a f t l i c h n o t w e n d i g e n A u f w a n d e s an l e b e n d i g e r u n d v e r g e g e n s t ä n d l i c h t e r A r b e i t (einschließlich der erforderlichen wissenschaftlichen Arbeit, die gegenwärtig nur zum Teil hierbei berücksichtigt wird) j e E i n h e i t N a t i o n a l e i n k o m m e n angesehen werden. Wir dürfen dabei keineswegs übersehen, daß die Kriterien f ü r die ökonomische Effektivität nicht ausreichen, die Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit i n i h r e r G e s a m t h e i t ("innere" und "äußere" Effekte) zu bestimmen, weil es nicht nur die "inneren" Effekte gibt, die das Nationaleinkommen und die anderen ökonomischen Kriterien zunächst nicht beein-

166

Effekte der genutzten wissenschaftlichen Arbeit in der materiellen Produktion Effekte

(primär)

Effekte

(sekundär)

1. Entwicklung neuer Erzeugnisse a. neue Konsumgüter b. Verbesserung der Qualität der Konsumgüter c . neue Arbeitsmittel (moderne Maschinen, Anlagen, technische Geräte usw.) d. neue Arbeits gegenstände e. Verbesserung der Qualität der Produktionsmittel 2. Entwicklung neuer Technologien und und Produktionsverfahren 3. Entwicklung neuer, rationellerer Formen der Organisation der Produktion durch Ausnutzung ökonomischer Gesetze und Anwendimg ökonomischer Hebel, materieller und moralischer Stimuli

1 Verbesserung der Lebenslage der BevölI kerung, bessere Befriedigung der ständig steigenden Bedürfnisse

In der Regel in Verbindung mit günstigeSteigerung der materiellen Produktion, der ren AbsatzArbeitsproduktivität und des Nationaleinmöglichkeiten vor allem kommens im Anwendungsbereich der neuen auf dem Welt- oder verbesserten Produktionsmittel, markt, Stei- > Erhöhung des Lebensstandards gerung der Produktion und des Nationaleinkommens

Steigerung der Arbeitsproduktivität, Erhöhung der Erhöhung der Akkumulation und Konsumtion Produktion (gesellschaftliche und individuelle) und und Qualität, Erhöhung des damit Erhöhimg des Lebensstandards Nationaleinkommens, günstigere Absatzmöglichkeiten, vor allem auf dem Weltmarkt

(Diese grob skizzierte Übersicht läßt sich erweitern.)

167

flussen, sondern auch solche "äußeren" Effekte, die eine vorwiegend kulturelle, praktischpolitische oder allgemein-gesundheitsfördernde Bedeutung haben. Andererseits gibt es auch solche Resultate, die sowohl im materiellen wie im nichtmateriellen Bereich anwendbar sind, demzufolge verschiedene Effekte hervorrufen. Im Sozialismus wird die wissenschaftliche Arbeit p l a n m ä ß i g auf die Erzielung bestimmter Effekte orientiert und demzufolge ein T e i l der wissenschaftlichen Arbeit von vornherein auch auf solche Effekte gerichtet, die außerhalb der materiellen Produktion in Erscheinung treten. Die Differenzierung der Wissenschaft und ihrer Resultate schließt deshalb eine uniforme Regelung der Nutzeffektskriterien und ihrer Messung sowie gleiche Quantifizierungsmöglichkeiten im Wissenschaftsbereich aus. Gegenwärtig wird in Diskussionen häufig die Frage aufgeworfen, ob es möglich ist - aufgrund der Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten, die zwischen Wachstum von P r o duktion und Nationaleinkommen auf der einen Seite und Entwicklung von Wissenschaft und Forschung auf der anderen Seite bestehen - , aus einem bestimmten Forschungs- und Entwicklungsaufwand einen bestimmten Zuwachs an Nationaleinkommen vorauszuberechnen. Eine solche Frage muß eindeutig verneint werden. Infolge des kooperativen Charakters des Arbeitsprozesses ist jede produktive Arbeit Einheit von körperlicher und geistiger A r beit. Der Gebrauchswert, zum Beispiel ein neuentwickeltes Erzeugnis, als T r ä g e r des Wertes bzw. des Nationaleinkommens ist nicht das unmittelbare Arbeitsergebnis eines Forschers bzw. des individuellen Arbeiters in der Fertigung, sondern des produktiven Gesamtarbeiters, ist das Ergebnis des Zusammenwirkens zahlreicher "innerer" und "äußer e r " Faktoren im gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozeß unter bestimmten natürlichen und gesellschaftlichen Bedingungen. Die Nichtübereinstimmung der Entwicklung des Forschungs- und Entwicklungsaufwandes (einschließlich Patent- und Lizenzverkehr) mit der Entwicklung des Nationaleinkommens wird durch folgende Momente beeinflußt, die sich in ihrer Dynamik nicht im Gleichgewicht befinden: a. durch das zeitliche Auseinanderfallen des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses (erste Phase) und des Arbeitsprozesses im Anwendungsbereich der materiellen Produktion (zweite Phase), b. durch die differenzierte Entwicklung von Grundlagenforschung, angewandter Forschung und Entwicklung und der in diesen Phasen unterschiedlich auftretenden Risikofaktoren, c . durch die differenzierte Entwicklung der produktiven und nichtproduktiven wissenschaftlichen Arbeit bzw. aufgrund solcher Forschungsergebnissen, die Uberwiegend im nichtproduktiven Bereich wirksam werden (dazu gehört auch die militärische Forschung, die beispielsweise in den USA ein außerordentlich starkes Volumen einnimmt), d. durch die Disproportionalität zwischen "inneren" und "äußeren" Faktoren, wenn aufgrund fehlender Faktoren im Anwendungsbereich wissenschaftliche Ergebnisse nicht oder nur in begrenztem Umfange genutzt werden können bzw. nur mit ungewöhnlichem Zeitverzug, e. durch ungünstige natürliche und gesellschaftliche Bedingungen, so wenn die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der materiellen Produktion durch überholte Produktionsverhältnisse gehemmt oder unmöglich ist, und f. durch Substitutionsprozesse, wenn an Stelle veralteter Erzeugnisse Neuentwicklungen produziert werden müssen. Einige dieser Momente sind o b j e k t i v bedingt (zum Beispiel a), können aber auch über das objektive Maß hinausgehen (zum Beispiel bei Zersplitterung der Produktion oder aufgrund von d), andere können zeitweilig notwendig sein, sich bewußt oder spontan ergeben haben (zum Beispiel b). D i e A n a l y s e d i e s e r M o m e n t e und d i e B e s e i t i g u n g i h r e r U r s a c h e n sind w i c h t i g f ü r d i e E r h ö h u n g d e r E f f e k t i v i t ä t d e r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Arbeit.

168

Die hier genannten Momente treten in den einzelnen Ländern sehr differenziert in E r scheinung. Sie sind die Ursache daflir, daß auch zwischen d e r Entwicklung von Wissenschaft und Forschung und der Entwicklung der materiellen Produktion in den einzelnen Ländern wesentliche Unterschiede bestehen, wie die Berechnungen und Vergleiche einiger führender kapitalistischer Länder beweisen (siehe Tabelle 2 am Schluß dieses Beitrages). In diesem Zusammenhang muß beachtet werden, daß es zahlreiche Auswirkungen d e r wissenschaftlichen Durchdringung der materiellen Produktion gibt, die zwar das Wachstum der materiellen Produktion und des Nationaleinkommens beschleunigen, deren Ergebnisse aber aufgrund des sozialökonomischen Inhalts der Produktionsverhältnisse nicht dem Wohle der gesamten Gesellschaft dienen oder - wie bei der Kriegs- und Rüstungsproduktion nicht zur Erhöhung des Lebensstandards beitragen. Die Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit ist innerhalb einer Volkswirtschaft in den verschiedenen Zweigen der materiellen Produktion sehr unterschiedlich. In der Deutschen Demokratischen Republik vollzieht sich die Hauptrichtung der wissenschaftlichen Durchdringung d e r materiellen Produktion vor allem auf den Gebieten der elektrotechnichen Industrie, der Feinmechanik und Optik sowie der ehemischen Industrie. Von der Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit in diesen Zweigen wird auch die wissenschaftliche Durchdringung d e r anderen Bereiche (vor allem auch der Landwirtschaft) entscheidend bestimmt. Diese Zweige sind forschungsintensiv und weisen auch die höchsten Zuwachsraten auf. Während der Index d e r industriellen Bruttoproduktion in der Deutschen Demokratischen Republik von 1950 bis 1965 insgesamt von 100 auf 390 stieg, entwickelte e r sich in den forschungsintensiven Zweigen wie folgt: 2 3 Elektrotechnische Industrie 793 Feinmechanische und Optische Industrie 514 Maschinenbau 506 Chemische Industrie 429 Gegenwärtig ist die E r h ö h u n g der Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit f ü r das Wachstum u n s e r e r Volkswirtschaft von entscheidender Bedeutung und e r f o r d e r t - wie die internationalen Entwicklungstendenzen zeigen - bei Beachtung wichtiger Effektivitätskriterien einen wesentlichen Ausbau und die Stärkung d e r Faktoren d e r produktiven wissenschaftlichen Arbeit. Schon auf dem 14. Plenum des Zentralkomitees d e r Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands wurde in Vorbereitung des VII. Parteitages dazu mitgeteilt, daß der Anteil der Ausgaben f ü r Wissenschaft und Technik am Nationaleinkommen in der Deutschen Demokratischen Republik bis 1970 wesentlich erhöht wird, daß innerhalb d e r nächsten sechs J a h r e eine Verdoppelung der Aufwendungen dafür vorgesehen ist und daß d e r Bestand an Hoch- und Fachschulkadern von 1965 bis 1970. um mehr als 40. Prozent wachsen wird. 2 4 Dementsprechend wurde im Perspektivplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik bis 1970 festgelegt, die Mittel f ü r Forschung und Entwicklung bis 1970 auf mindestens 180 Prozent zu erhöhen und in d e r Forschung und Entwicklung von 1966 bis 1970 weitere 19 500 Hoch- und Fachschulkader einzusetzen. Im Zusammenhang mit der Verstärkung der Faktoren der wissenschaftlichen Arbeit muß auch unsere Bildungspolitik gesehen werden, durch die wichtige Voraussetzungen f ü r den wissenschaftlichen Arbeitsprozeß auf der einen und f ü r die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der gesellschaftlichen Praxis auf d e r anderen Seite geschaffen werden. Die Erhöhung der Effektivität u n s e r e r Volkswirtschaft wird aber nicht nur von der Größe der Faktoren der wissenschaftlichen Arbeit bestimmt, sondern hängt vor allem von ihrem w i r k u n g s v o l l s t e n Einsatz und vom Zusammenwirken a l l e r Faktoren des gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozesses ab. E s ist nicht nur Erkenntnis der Theorie, sondern auch Erfahrung der P r a x i s , daß die Effektivität d e r wissenschaftlichen Arbeit vom Grad der Rationalität des gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozesses abhängt und daß die w i s s e n s c h a f t l i c h b e g r ü n d e t e O r i e n t i e r u n g der wissenschaftlichen Arbeit auf die w i c h t i g s t e n Erfordernisse der P r a x i s , das heißt die Entscheidung darüber, w a s

169

bzw. a u f w e i c h e n Gebieten geforscht und planmäßig entwickelt werden muß, von g r u n d l e g e n d e r B e d e u t u n g hierbei ist. Die wissenschaftliche Voraussicht der gesellschaftlichen Entwicklung und die richtige Entscheidung in dieser Frage sind das K e r n s t ü c k d e r P l a n u n g und w i s s e n s c h a f t l i c h e n F ü h r u n g s t ä t i g k e i t in d e r s o z i a l i s t i s c h e n G e s e l l s c h a f t . J e umfassender die Gesetze der Natur und Gesellschaft erkannt werden, um so besser ist es im Sozialismus möglich, die wissenschaftliche Arbeit planmäßig auf bestimmte, vorher bekannte Ziele auszurichten. Im Gegensatz zu früheren Produktionsweisen, die - wie Engels hervorhob - "nur auf Erzielung des nächsten unmittelbarsten Nutzeffekts der Arbeit ausgegangen sind" 2 ®, muß im Sozialismus schon durch die Grundlagenforschung auch künftigen Erfordernissen für das Wachstum des Nationaleinkommens entsprochen werden. Deshalb ist es notwendig, daß nicht nur im Bereich der Industrieforschung, sondern schon im Bereich der gezielten Grundlagenforschung ökonomische Zusammenhänge beachtet werden und sich ökonomisches Denken - wenn auch unter anderen Gesichtspunkten als im Bereich der angewandten Forschung stärker durchsetzt. Die Zielstellung der wissenschaftlichen Arbeit kann sich immer nur aus der engen Wechselbeziehung zu den Bedürfnissen (Erfordernissen) der Praxis, vor allem der materiellen Produktion, ergeben. Die wissenschaftliche Arbeit - vor allem die Grundlagenforschung - steht gegenwärtig in engem Zusammenhang mit der Durchsetzung der volkswirtschaftlich effektivsten Strukturentwicklung,bzw. sie - vor allem die angewandte Forschung und Entwicklung - ist darauf orientiert, "jene Haupterzeugnisse, Erzeugnisgruppen sowie Verfahren und Technologien zu fördern, bei denen wir durch Konzentration der Kräfte und Mittel den wissenschaftlich-technischen Höchststand erreichen müssen und können, um sie zur Basis einer hocheffektiven Struktur der Volkswirtschaft zu machen". 2 7 Die Forderungen in der Deutschen Demokratischen Republik zur Durchsetzung der sozialistischen Rationalisierung, Konzentration der Kapazitäten im Maschinenbau auf die Produktion hochproduktiver, weitgehend automatisierter Maschinen und Ausrüstungen, die Verbesserungen der Struktur der Exporte durch vorrangige Entwicklung und Produktion neuer, devisenrentabler, hochwertiger Erzeugnisse können nur dort rasgh erfüllt werden, wo die wissenschaftliche Arbeit r e c h t z e i t i g den Prozeß der Orientierung und Konzentration auf volkswirtschaftliche und betriebliche Erfordernisse auf der Grundlage wissenschaftlicher Prognosen vollzogen hat. Bei der Aufwendigkeit der notwendigen wissenschaftlichen Arbeit in der materiellen Produktion vermag gegenwärtig kein Land der Erde auf allen Gebieten der Wissenschaft zu führen,und keine Volkswirtschaft vermag die materiellen und finanziellen Mittel bereitzustellen, um auf allen Gebieten einen wissenschaftlichen Vorsprung zu sichern und zu halten. Für eine Volkswirtschaft ist es gegenwärtig nützlicher, durch Konzentration der wissenschaftlichen Arbeit auf einzelnen volkswirtschaftlich wichtigen Gebieten gegenüber anderen einen Vorsprung zu haben, als auf vielen Gebieten nur zweite und dritte Plätze einzunehmen . Deshalb bedürfen die Festlegung und Planung der Aufgabenstellung sorgfältiger Überlegungen und ihre Erfüllung ein Höchstmaß an Konzentration und Rationalität in der wissenschaftlichen Arbeit. Zur Erhöhung der Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit ist es notwendig geworden, folgenden Fragen eine stärkere Aufmerksamkeit zu schenken: 1. Verstärkung der wissenschaftlichen Führungstätigkeit, der Planung, Leitung und Koordinierung der wissenschaftlichen Arbeit, um die Vorzüge des Sozialismus zu nutzen, Doppelarbeit zu vermeiden, "innere" und "äußere" Faktoren planmäßig aufeinander abzustimmen und eine schnelle Überleitung der Forschungsergebnisse in die Praxis zu gewährleisten. (Wie vor allem das 11. und 14. Plenum sowie der VII. Parteitag bewiesen, sind hier noch große Reserven zu erschließen). 2. Verstärkung und Rationalisierung des Informations- und Dokumentationssystems, um breiten Kreisen der Gesellschaft neueste wissenschaftliche Erkenntnisse schnell zugänglich zu machen, um neueste Forschungsergebnisse in der Praxis auf breiter Basis anzuwen170

den und auch in die Bildung einfließen zu lassen (im Gegensatz zu einem materiellen Gebrauchswert, der nur an einer Stelle genutzt werden kann, sind wissenschaftliche Erkenntnisse vielfältig anwendbar; e i n e V e r v i e l f ä l t i g u n g d e r A n w e n d u n g b e d e u t e t e i n e V e r vielfältigung der Effekte). 3. Verstärkung der sozialistischen Gemeinschaftsarbeit durch Überwindung der Z e r splitterung in der Forschungsarbeit. Die Zersplitterung der Forschungskapazitäten fh zahlreiche kleine und kleinste Forschungseinrichtungen, wie sie bei uns noch e x i s t i e r t , h a t n e g a t i v e n Einfluß auf den Nutzeffekt der wissenschaftlichen Arbeit, weil a. eine kurzfristige Bearbeitung und Lösung vieler Forschungsaufgaben nicht möglich sind, b. die Vorteile der sozialistischen Gemeinschaftsarbeit sich in kleinsten Forschungseinrichtungen nicht auswirken, dadurch die Organisation kompliziert und die Leitung der wissenschaftlichen Arbeit erschwert ist und nicht zuletzt c . die Anwendung moderner Forschungsmethoden, der Einsatz moderner und kostspieliger Forschungs anlagen (Faktor Arbeitsmittel) entweder überhaupt nicht möglich sind oder wegen der damit verbundenen relativ geringen Auslastung und Nutzung sehr unrationell wären. 4. Verstärkung des Wissenschaftsaustausches, des Kaufes und Verkaufes von Patenten und Lizenten, um die eigenen Forschungskpazitäten noch stärker auf volkswirtschaftlich effektivere Aufgaben konzentrieren zu können bzw. um auch durch Verkauf von Forschungsergebnissen einen Zuwachs an verfügbarem Nationaleinkommen zu erreichen. 5. Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit und des Erfahrungsaustausches auf vertraglicher Grundlage. 6. Erhöhung des Anteils der geistigen-schöpferischen Arbeit durch Befreiung der Wissenschaftler von der Routine- und nichtproduktiven Arbeit bzw. durch stärkeren Einsatz von qualifizierten Wissensehaftsorganisatoren, modernen Forschungsinstrumenten und Datenverarbeitungsanlagen. 7. Verstärkte Einführung von Elementen der wirtschaftlichen Rechnungsführung und Anwendung ökonomischer Hebel in der Forschung. Obwohl der Wirkungsmechanismus der ökonomischen Hebel die Planung der Wissenschaft nicht ersetzen kann - das beweisen nicht zuletzt auch die Erfahrungen aus kapitalistischen Ländern - , darf ihre Bedeutung keineswegs unterschätzt werden. Durch die schrittweise Einführung von Elementen der wirtschaftlichen Rechnungsführung in einer Reihe von wissenschaftlichen Einrichtungen kann bei der geplanten, auf die Bedürfnisse der Volkswirtschaft gerichteten wissenschaftlichen Arbeit eine wesentliche Erhöhung der Qualität und der Praxisreife der Forschungsergebnisse e r reicht werden. Die wirtschaftliche Rechnungsführung kann vor allem sichern, daß in der Forschung mit Hilfe ökonomischer Hebel, materieller und ökonomischer Stimuli nach r a tionellsten Gesichtspunkten gearbeitet wird und die rationellsten Finanzierungsmethoden sowie Organisations-, Koordinierungs- und Informationsmittel der wissenschaftlichen A r beit angewendet werden. Die Bedeutung und Überlegenheit des Sozialismus bei der Ausnutzung der Wissenschaft als Wachstumsfaktor und bei der systematischen Verbindung von Wissenschaft und Produktion liegen vor allem in der Tatsache begründet, daß durch bewußte Ausnutzung der ökonomischen Gesetze und der neuen Triebkräfte der sozialistischen Gesellschaft den wichtigsten Erfordernissen zur Ausnutzung der Wissenschaft als Produktivkraft und zum reibungslosen Ablauf des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses durch die Planung rechtzeitig entsprochen und dadurch ein Höchstmaß an Rationalität und Effektivität der gesellschaftlichen Arbeit erreicht werden kann. Durch die umfassende Planung können die verschiedenen B e reiche des gesellschaftlichen Lebens - insbesondere Volksbildung, Wissenschaft und materielle Produktion - in ihrer Aufgabenstellung aufeinander abgestimmt und koordiniert werden. E s ist ein wesentlicher Vorzug der sozialistischen Produktionsverhältnisse, daß es möglich ist, die für die Wirkungsweise der wachstumsbestimmenden Faktoren der wissenschaftlichen Arbeit günstigsten Bedingungen bewußt und planmäßig zu gestalten.

171

FUSSNOTEN 1

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 26.1, Berlin 1965, S. 257

2

K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, S. 594

3

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 23, Berlin 1962, S. 407

4

K. Marx/F. Engels, Band 25, BerUn 1965, S. 815

5

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 23, a . a . O . , S. 54

6

G. Klaus/M. Buhr, Philosophisches Wörterbuch,

Leipzig 1965,

S. 614/615 7

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 2, Berlin 1957, S. 126

8

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 23, a . a . O . , S. 60

9

Ergänzende Ausführungen zur Herausbildung der Wissenschaft als Produktivkraft und zur Definition der Produktivkraft Wissenschaft sowie der "produktiven" und "nichtproduktiven wissenschaftlichen Arbeit"

siehe: H. Seickert, Zu einigen Problemen der

Produktivkraft Wissenschaft, in: Probleme der politischen Ökonomie, Band 10, Berlin 1967, S. 8 - 7 6 10 11

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 23, a . a . O . , S. 224 Auf die Probleme der Entwicklung der "äußeren" Faktoren wird hier nicht eingegangen, da sie Gegenstand besonderer Diskussionsbeiträge sind.

12

K. Tessmann, Technische Revolution und Sozialismus, in: Einheit, H. 2, 1965, S. 19

13

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 23, a . a . O . , S. 789

14

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 25, a . a . O . , S. 815

15

K. Marx/F. Engels, Werke, Band 23, a . a . O . , S. 790

16

Ebenda, S. 791

17

Programm der SED, Berlin 1963, S. 323

18

G. Klaus/M. Buhr, Philosophisches Wörterbuch, a.a.O., S. 438

19

Es wirkten auch noch andere Faktoren auf die Erhöhung der Lebenserwartung ein (wie

20

Statistisches Jahrbuch der DDR 1966, Berlin 1966, S. 565

21

W. Ulbricht, Konstituierung der staatlichen Organe und Probleme ihrer wissenschaft-

Verbesserung der materiellen, kulturellen und sozialen Lage der Menschen)

lichen Arbeitsweise, Neues Deutschland vom 8. 7. 1967, S. 4 22

Ebenda

23

Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik

24

G. Schürer, Zu einigen Grundfragen des Perspektivplanes und seiner Durchführung, Berlin 1967, S. 7

172

1966, a . a . O . , S. 153

25

Aus dem Gesetz über den Perspektivplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR bis 1970, Neues Deutschland vom 28. 5. 1967, S. 4 t.

26

F. Engels, Dialektik der Natur. In: K. Marx/F. Engels, Werke, Band 20, Berlin 1962, S. 454

27

G. Schürer, Perspektivplan - Schritt zur Verwirklichung der Beschlüsse des Parteitages, Neues Deutschland vom 27. 5. 1967, S. 3

28

Nähere Angaben hierzu siehe: H. Kusicka/W. Leupold, Industrieforschung und Ökonomie, Berlin 1966, S. 53

173

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B F. Der Quotient ^ K J verkörpert dagen den durchschnittlichen Bestand an Bildungsfonds pro Arbeitskraft im Bereich ]. E r wird mit B Aj bezeichnet. Die Kennziffer der Bildungsfondsintensität nimmt nun folgende Gestalt an: B A. j

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(Siehe Tabelle 3.) Tabelle 4 zeigt die Entwicklung der Arbeitsproduktivität, der Brutto-Bildungsfondsausstattung der Beschäftigten im materiellen Bereich des Reproduktionsprozesses und ihrer Ausstattimg mit Brutto-Grundmitteln. Wie aus den Tabellen 2 und 3 ersichtlich, kann man allein aus der Entwicklung der Bildungsfondsintensität noch keine gültigen Schlüsse über die Wirkung der Erhöhung des Qualifikationsniveaus auf die Effektivität der Produktion ziehen. Sinkende Bildungsfonds- bzw. steigende Bildungsfondsintensität geben ein genau so unklares Bild von der tatsächlichen Entwicklung der Effektivität der Produktion wie sinkende bzw. steigende Produktionsfondsintensität. Die Erhöhung der Effektivität der Produktion kann an der Entwicklung der Intensität einer Fondsart allein nicht abgelesen werden. Das entscheidende Merkmal für die Effektivität der Produktion und das technische Niveau ist die Senkung des Gesamtaufwands, wobei sich die einzelnen Komponenten des Aufwands durchaus unterschiedlich entwickeln können. Die Kennziffer Bestand an Bildungsfonds ermöglicht es, diese sich in der wissenschaftlichen Revolution rasch entwickelnde Aufwandsart im Rahmen eines Koeffizienten des einfachen und des erweiterten Reproduktionsaufwands darzustellen. Den Koeffizienten der Entwicklung des einfachen Reproduktionsaufwandes kann man mit folgender Kennziffer darstellen: Re. i

=

re

=

o

Ak. h. 1. 1 1 1 Ak

o

h

1 o o

+

B. n. 11 +

B

n o o

+

M. i

P. i + P

M o

+

Pg. 1 + P g

.

o

r. 1, . r

o

o

Hierbei sind: Re

=

Koeffizient des einfachen Reproduktionsaufwands pro Mengeneinheit des volkswirtschaftlichen Gesamtprodukts, ausgedrückt in Geldeinheiten (Mark/Erzeugnis)

P

=

Erzeugnismenge des volkswirtschaftlichen Gesamtprodukts, ausgedrückt in Geldeinheiten (Mark/Erzeugnis)

AK

=

Menge der eingesetzten Arbeitskräfte (einschl. der in Forschung und Entwicklung Beschäftigten)

Pg

=

Menge der eingesetzten produktiven Grundfonds (einschl. der in Forschung und Entwicklung eingesetzten)

B

=

Bestand an Bildungsfonds

M

=

Materialverbrauch"1"

h

=

Durchschnittszahl der Arbeitsstunden pro Beschäftigten 201

1

=

Durchschnittslohn pro Arbeitsstunde

r

=

Amortisationsrate der eingesetzten Produktionsmittel

n

=

i, o =

"Amortisationsrate" der eingesetzten Bildungsfonds Symbole der Zeitperioden (Jahre)

^Anmerkung: Für praktische Berechnungen ist es zweckmäßig, den Materialverbrauch gesondert zu erfassen, da seine Dynamik die tatsächliche Effektivitätsentwicklung der übrigen Elemente des Reproduktionsaufwandes zu verzerren droht. Über den technischen Fortschritt zwischen den Jahren o und i , d. h. Uber die gestiegene Effektivität der Einsatzfaktoren, erhalten wir eine Vorstellung mit Hilfe eines Index*, in welchem die Aufwandskoeffizienten der BestandsgröBen basisgewichtet sind. F. l F 0

P, i P O

:

Ak. h. i i Ak h o o

1 o 1 o

+ +

B n i o B n 0 0

+

M, + Pg. i l M+Pg 0 0

+

r o^ . r o

Der Quotient Pj/P 0 stellt hierbei den Index der Entwicklung der industriellen Produktion dar. Der zweite Quotient zeigt basisgewichtet die quantitative Entwicklung des einfachen Reproduktionsaufwandes als Aggregat. Fj/F ist somit eine Größe, die die Wirkung qualitativer Veränderungen der einzelnen Aufwandsgrößen (also des technischen Fortschritts) auf das Produktionsergebnis ausdrückt. Eine Erhöhung der Effektivität der Einsatzfaktoren liegt dann vor, wenn P, 1

p

o

ist, also wenn

Aka h. i I Ak h o o Fj — F o

1 o 1 o

+ + 1

B. n x o B n o o

+ +

M. I M o

+

Pg. i

+ P g

r

o r o o

ist.

Will man Uber einen längeren Zeitraum die Entwicklung der Effektivität der Einsatzfaktoren untersuchen, dann muß man den Koeffizienten des einfachen Reproduktionsaufwandes in einen Koeffizienten des erweiterten Reproduktionsaufwandes transferieren. Hierzu werden der Aufwandsquotient unseres Koeffizienten um die Aufwendungen für die erweiterte Reproduktion der Produktionsgrundfonds (evtl. die Produktionsfondsabgabe) erweitert. Man erhält jedoch mit einem solchen Koeffizienten des erweiterten Reproduktionsaufwandes nur dann brauchbare Ergebnisse, wenn man einen genügend langen Zeitraum betrachtet. Eine neue Größe innerhalb des Reproduktionsaufwandskoeffizienten ist der Aufwand für die einfache und erweiterte Reproduktion der Bildungsfonds. Den Koeffizienten n der einfachen Reproduktion der Bildungsfonds ermitteln wir, indem wir den Bestand an Bildungsfonds durch die durchschnittliche Anzahl der Arbeitsjahre einer Arbeitskraft teilen. Wie wir gezeigt haben, betrug der Bestand an Bildungsfonds in unserer Volkswirtschaft 1965 106,5 Milliarden Mark. Unterstellt man eine ausgeglichene altersmäßige Struktur der Beschäftigten und eine durchschnittliche Arbeitsperiode pro Arbeitskraft von 40 Jahren, so müssen wir jährlich 2,7 Milliarden Mark der Deutschen Notenbanken den Ausbildungsprozeß unserer Arbeitskräfte investieren, wenn die einfache Reproduktion des volkswirtschaftlichen Gesamtarbeiters gewährleistet werden soll. Da wir jedoch eine überalterte Arbeitskräftestruktur haben, erfordert die einfache Reproduktion unserer Arbeitskräfte auf einem gegebenen Qualifikationsniveau wesentlich höhere Ausgaben. Wir sahen jedoch, daß der technische Fortschritt gebieterisch die Erhöhung des Qualifikationsniveaus unserer Arbeitskräfte erfordert. Unsere Bildungsaufwendungen haben daher nicht nur die einfache Reproduktion unserer Bildungsfonds zu sichern, sondern auch deren 202



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243

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einbezogenen Länder. Dem steht gegenüber, daß in der DDR in dieser Bevölkerungsgruppe von den sozialistischen Ländern - mit Ausnahme der ÖÖSR - der niedrigste Anteil von Berufstätigen in dieser Gruppe ausgewiesen wird. Diese Feststellung gibt den Verfassern des Beitrages "Quantitative und qualitative Aspekte des Arbeitskräftepotentials für das Wirtschaftswachstum" recht, wenn sie schreiben: "In der DDR gibt es zur Zeit Uber 3 Millionen Altersrentner, das sind rd. 19 % der'Wohnbevölkerung. Nur knapp 19 % von ihnen stehen im Arbeitsprozeß. Da sich die Zahl der Altersrentner in den nächsten Jahren weiter erhöhen wird, liegen in der Weiterbeschäftigung dieses Personenkreises große Reserven zur Vergrößerung des Arbeitskräftepotentials." Der Anteil der männlichen Berufstätigen an der männlichen Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter ist besonders in den USA mit 85, 8 % und Japan mit 86,7 % niedrig. Gleichzeitig weisen die USA unter den kapitalistischen Ländern den größten Anteil der Arbeitslosen an der Gesamtzahl der Beschäftigten mit durchschnittlich 4 , 6 % im Zeitraum 1950 - 1966 äus. Tabelle 10 Arbeitslose in den USA (in 1000) 1950

1951

1952

1953

1954

1955

1956

1957

1958

1959

1960

3351

2099

1932

1870

3578

2904

2822

2936

4681

3813

3931

1961

1962

1963

1964

1965

4806

4007

4166

3876

3456

Statistical Abstract ofthe United States 1966, S. 218,und 1960, S. 205 Diese Arbeitslosenentwicklung vollzog sich in den USA bei gleichzeitigem - allerdings in den letzten Jahren abnehmenden - Zuwachs der Gesamtbeschäftigten.Von 1950bis 1957wardie Zahl der Gesamtbeschäftigten (unter Ausschluß der Arbeitslosen und des Militärs) durchschnittlich jährlich um 750 000 gestiegen (durchschnittliche Wachstumsrate 1,4 % jährlich). Dagegen betrug die Zunahme von 1957bis 1962 nur noch 560 000 (0, 8 % jährlich). In der Industrie (einschließlich Bau) ist der Trend noch ausgeprägter. Hier ist die durchschnittliche Wachstumsrate im gleichen Zeitraum von 1,7 auf - 0 , 5 % zurückgegangen. Die Reduzierung der durchschnittlichen Wachstumsrate der Industrie ist hauptsächlich auf rückläufige Wachstumsraten im Bergbau zurückzuführen. Stellt man für die gleichen Zeiträume den Beschäftigtenzuwachs dem Bevölkerungszuwachs gegenüber - er betrug 1950-57 1,9 % und von 1957 bis 1962 1 , 7 % - , so erkennt man, daß der Zuwachs der Bevölkerung größer ist als der Zuwachs der Beschäftigten und somit die Schwere dieser beiden Entwicklungstendenzen immer weiter auseinanderklafft. Die Bevölkerungs-, Beschäftigten- und Arbeitslosenentwicklung in dem größten und entwickeltsten kapitalistischen Land, den USA, bestätigt, daß das von Marx formulierte Bevölkerungsgesetz des Kapitalismus auch im 20. Jahrhundert seine Gültigkeit behalten hat. Uber das Wirken des kapitalistischen Populationsgesetzes kann auch nicht hinwegtäuschen, daß in einigen kapitalistischen Ländern nach dem zweiten Weltkrieg ein Rückgang der Arbeitslosenzani zu verzeichnen ist. Besonders eindrucksvoll zeigte sich diese Entwicklung in Westdeutschland, wo sogar in den letzten Jahren eine große Anzahl Gastarbeiter aus Italien, Spanien, Griechenland und anderen Ländern beschäftigt wurden (z. B . 1965 1,217 Millionen). In letzter Zeit zeigt sich aber auch hier - wie in den USA - verbunden mit Strukturveränderungen der Arbeitskräfte, eine steigende Tendenz in der Arbeitslosenentwicklung.

244

Tabelle 11 Arbeitslose in Westdeutschland (in 1000) Jan. Febr. März

April

Mai

Juni

Juli

Aug.

Sept.

Okt.

Nov.

Dez.

1965

286

291

201

127

107

95

89

86

85

92

119

178

1966

269

236

141

121

108

101

101

106

113

146

216

372

1967

621

674

576

Wirtschaft und Statistik Heft 2/1967, S. 67; Heft 5/1966, S. 302; Heft 3/1967, S. 157 u. 149 2.3 Veränderung der Struktur der Arbeitskräfte Die Steigerung des Nationaleinkommens eines Landes hängt neben anderen Faktoren im großen Maße davon ab, wie die Struktur der Arbeitskräfte gestaltet ist, wie der Einsatz der Arbeitskräfte in den einzelnen Bereichen der Volkswirtschaft bzw. in den Industriezweigen erfolgt. Große Bedeutung haben die Veränderung der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und die Steigerung der Beschäftigten in der Industrie. Diese Strukturveränderung hat deshalb eine große Bedeutung, weil die Effektivität eines Beschäftigten in der Landwirtschaft rund ein Drittel dessen beträgt, was die Beschäftigten in der Industrie schaffen. So betrug z. B. 1964 dieses Verhältnis in den USA 1:0,49, in der CSSR 1:0,27, in Westdeutschland 1:0,48 und in der DDR 1:0,42. fix absoluten Zahlen ausgedrückt,bedeutet dies, daß in der DDR in der Industrie pro Kopf der Beschäftigten 1964 16.495,- Mark und in der Landwirtschaft nur für 6.842, -Mark Nationaleinkommen produziert wurde (berechnet nach nationalen Statistiken). Leider sind nicht fUr alle in den Vergleich einbezogenen Länder derartige Angaben zu errechnen, da die entsprechenden statistischen Ausgangsdaten nicht zur Verfügung stehen. In den sozialistischen Ländern ist ausnahmslos eine stärkere Abnahme der Beschäftigten in der Landwirtschaft gegenüber 1950 zu verzeichnen als in den kapitalistischen Ländern. Diese Tendenz ist ersichtlich, wenn man die Veränderungen des Anteils der Beschäftigten in der Industrie und in der Landwirtschaft an den Gesamtbeschäftigten bei den einzelnen Ländern betrachtet.

245

TabeUe 12 Anteil der Beschäftigten in der Industrie und Landwirtschaft an den Gesamtbeschäftigten (in Prozent) Land

1964

Landwirtschaft 1950 1964

7,91

25,1

82, l 1

47,3

DDR

41, l 2

41,3

21,72

16,1

Jugoslawien

12, l

18,2

66, 8

57,04

Polen

18,8

23,35

56,6

47, l 5

Rumänien

12,0

18,2

74,3

58,2

ÖSSR

30,0

38,2

38,6

21,8

Ungarn

19,46

31,0

54,56

32,1

UdSSR (einschl.Bau)

27,0

34,07

48,0

34,07

Frankreich

28, l 8

29,59

26,7®

19, 8 9

Großbritannien

45,4

10

40,6

4 , 6*0

3,5

Italien

27,3

11

30,1

36,712

25,4

Japan

19,510

25,1

38,910

25,6

Österreich

29,2

31, l

4

32,3

22, 8 4

Schweden

32,9

36,05

20,4

Bulgarien

Industrie

1950

3

13

4

3

13

13, 8 5

USA

29,8

27,4

12,2

6,6

BRD

39,212

41,6

24,6

11,4

1948. 2 1952. 3 1 9 5 3 . 4 1 9 6 1 . s 1 9 6 0 . 6 1949. 7 1 9 6 3 . 8 1954. 9 1962. 1 0 1955. 1 1 1959. 1957. 1 3 1951. Berechnet nach: Nationalstatistiken, Annuaire des statistiques du travail 1965, S. 81; 1964, S. 23 f f . ; 1963, S. 47 f f . ; 1962, S. 21 f f . ; 1961, S. 57 Japanese Ekonomic Statistics, Nr. 97/1966; Nr. 66/1964 Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1966, S. 148 1

12

246

Tabelle 13 Veränderung des prozentualen Anteils der Beschäftigten in der Industrie und Landwirtschaft an den Gesamtbeschäftigten Land

Zeitraum

Absolute Zunahme des Anteils der Beschäftigten in der Industrie an den Gesamtbeschäftigten

Absolute Abnahme des Anteils der Beschäftigten in der Landwirtschaft an den Gesamtbeschäftigten

Bulgarien

1965 zu 1948

18,4

-36,8

DDR

1965 zu 1952

0,2

- 5,6

Jugoslawien

1961 zu 1953

6,1

- 9,8

Polen

1960 zu 1950

4,5

- 9,5

Rumänien

1965 zu 1950

7,2

-17,6

ÖSSR

1964 zu 1950

8,2

-16,8

Ungarn

1964 zu 1949

11,6

-22,4

UdSSR

1963 zu 1950

7,0

-14,0

Frankreich

1962 zu 1954

1,4

- 6,9

Großbritannien

1964 zu 1955

-4,8

" 1,1

Italien

1964 zu 1957

2..81

-11,3

Japan

1964 zu 1955

5,6

-13,3

Österreich

1961 zu 1951

1,9

- 9,5

Schweden

1960 zu 1950

3,1

- 6,6

USA

1964 zu 1950

-2,4

BRD

2,4

- 5,6 2

-13,7

1 1964 zu 1959 2 1964 zu 1957 Berechnet nach: Annuaire des statistiques du travail 1965, S. 81 ff.; 1964, S. 23 f f . ; 1963, S. 47 ff.; 1962, S. 21 ff.; 1961, S. 57. Japanese Ekonomic Statistics Nr. 97, 1966; Nr. 66, 1964. Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1966, S. 148. Mit Ausnahme der DDR und der ÖSSR haben die sozialistischen Länder gegenüber den kapitalistischen Ländern einen höheren Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft aufzuweisen. Selbst solche Länder, wie die USA und Großbritannien, wo der Anteil der Beschäftigten äußerst gering ist, zeigt sich der abnehmende Trend des Arbeitskräfteanteils in der Landwirtschaft. So sank der Anteil in den USA von 12,2 (1950) auf 6,6 % (1964) und in Großbritannien von 4,6 (1955) auf 3,5 % (1964). In der Annahme, daß sich der Trend der Jahre 1955 bis 1965 gleichmäßig fortsetzt und die von der Landwirtschaft freigesetzten oder nicht aufgenommenen Arbeitskräfte von der Industrie absorbiert werden, würde sich das Nationaleinkommen aus der Industrie (bei gleichbleibendem Aufkommen aus der Landwirtschaft) infolge der höheren Prokopfleistung in der Industrie unter Außerachtlassung aller änderen Faktoren jährlich um einen zusätzlichen Betrag steigern, der bei einer Verringerung der Anzahl der Arbeitskräfte in in der Landwirtschaft bis auf 1 Million im Jahre 1980 schätzungsweise folgende Größen e r reichen würde: 247

Tabelle 14 Möglicher Zuwachs des Nationaleinkommens bis 1980 durch Veränderung der Arbeitskräftestruktur Land

zusätzliches jährliches Nationaleinkommen in Landeswährung

in Prozent des gegenwärtigen Nationaleinkommens aus der Industrie (nach dem Stande vom . . . )

DDR

etwa

etwa

ÖSSR

etwa 14, 3 MrAKronen

etwa 12,5 % (1964)

Ungarn

etwa 44

etwa 44

4 , 8 Mrd. Mark Mrd. Forint

7,3 % (1965) % (1963)

Unter den marxistischen Ökonomen gibt es Auffassungen, daß die Landwirtschaft in den Ländern DDR, ÖSSR und Ungarn nicht als Arbeitskräfte-Ressourcen für die Industrie angesehen werden können. Zum Beispiel schrieb Ossmova, M.: "Die größten Schwierigkeiten für die Versorgung der Industrie mit Arbeitskräften empfinden die DDR, die ÖSSR und teilweise Ungarn. Es muß betont werden, daß für die DDR, CSSR und teilweise Ungarn die Steigerung der Beschäftigten auf Kosten der Landwirtschaft nicht als wesentliche Quelle für die Erweiterung der Produktion bezeichnet werden kann. Diese These kann nicht aufrechterhalten bleiben. Als Beweis, wie gering der Anteil der Beschäftigten bei hohem Produktionsergebnis in der Landwirtschaft sein kann, wenn die entsprechende Technik eingesetzt wird, sei eine vergleichende Betrachtung der Landwirtschaft zwischen UdSSR und USA angeführt: In den Jahren 1961-1965 betrug die landwirtschaftliche Produktion der UdSSR durchschnittlich etwa 75 % der USA. Die Produktion der wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse wurde 1965 durch folgende Angaben gekennzeichnet: Tabelle 15 Agrarproduktion der UdSSR und der USA 1965 (in Mill. t) Erzeugnis

UdSSR

USA

Getreide

120,5

188,1

72,4

57,6

9,9

20,4

Milch Fleisch Rohbaumwolle Eier (Mrd. Stück)

5,7

10,1

29,0

64,5

In der technischen Ausrüstung und in der Arbeitsproduktivität der Landwirtschaft bleibt die UdSSR bislang ebenfalls noch erheblich hinter den USA zurück. Auf 1000 ha Ackerland entfallen z. B . in der UdSSR 13,7 Traktoren, in den USA dagegen 40,8, Mähdrescher entsprechend 3 , 9 zu 15,7. Die Arbeitsproduktivität ist in der Landwirtschaft der USA um annähernd das Vierfache höher als in der UdSSR. (Siehe Kurow, Wissenschaftlich-technischer Fortschritt und Entwicklungstendenzen der Wirtschaft der UdSSR und USA, Probleme des Friedens und des Sozialismus, Heft 10/66, S. 778). Es zeigt sich aber auch, daß - abgesehen von den Außenhandelsbeziehungen - im Jahre 1959 ein in der Landwirtschaft Beschäftigter in den USA 30,4 Einwohner ernähren mußte, in der UdSSR betrug das entsprechende Verhältnis 1:5,4 (USA 1963: 1:38,1). Das Verhältnis 248

der in den produktiven Bereichen insgesamt Beschäftigten zur Bevölkerungszahl beträgt in beiden Ländern Ubereinstimmend etwa 1:5. Diese vergleichende Betrachtung zwischen UdSSR und USA zeigt, welche großen ökonomischen Ressourcen in allen sozialistischen Ländern vorhanden sind, wenn es weiterhin gelingt, den Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft bei gleichbleibender oder sogar steigender landwirtschaftlicher Produktivität zu senken. Soweit das vorliegende statistische Zahlenmaterial es gestattete, wurde eine Berechnung für die in den Vergleich einbezogenen Länder durchgeführt, indem dem Anteil der Beschäftigten in den Bereichen Industrie und Landwirtschaft der Anteil des produzierten Nationaleinkommens dieser Beschäftigtengruppen gegenübergestellt wurde (siehe Tabelle 16 am Schluß dieses Beitrages). Zunächst ist zu erkennen, daß grundsätzlich in allen Ländern im Bereich Landwirtschaft der Anteil der Beschäftigten größer ist als der Anteil an der Entstehung des Nationaleinkommens. Allerdings ist festzustellen, daß dieser unterschiedliche Anteil sich immer stärker verringert. Betrachten wir z. B. die ÖSSR. Im Jahre 1950 schufen in der Landwirtschaft 38,6 % Beschäftigte einen Anteil am Nationaleinkommen von 17,0 %, 1964 dagegen schufen 21,8 % der Beschäftigten einen Anteil von 14,0 %. Bei den sozialistischen Ländern ist allgemein festzustellen, daß gegenwärtig etwa der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft doppelt so hoch ist wie der von ihnen geschaffene Anteil am Nationaleinkommen. Die stärkste Annäherung zwischen Anteil der Beschäftigten und Anteil des Nationaleinkommens ist in den USA vorhanden. Hier schufen 1964 6,6 % Beschäftigte 5,4 % Nationaleinkommen. Diese Berechnungen bestätigen die Aussage von Kurow, daß die Arbeitsproduktivität in den USA viermal höher als in der UdSSB ist. In der Industrie zeigt sich, daß im Prinzip der Anteil der Beschäftigten den doppelten Anteil am Nationaleinkommen schufen. Mit steigendem Anteil der Beschäftigten wuchs in der Regel auch der Anteil des produzierten Nationaleinkommens. Eine Ausnahme hierbei machen die USA. Hier ist eine Rückwärtsentwicklung des Beschäftigtenanteils in der Industrie einschließlich Bau von 36,0 % (1950) auf 33,8 % (1964) bei gleichzeitigem Steigen des Anteils des Nationaleinkommens von 56,4 % (1950) auf 60,7 % (1964) vorhanden. Die Tabelle zeigt weiterhin, daß außer USA lediglich in Großbritannien der Anteil der Arbeitskräfte in der Industrie gesunken ist, in allen anderen Ländern ist eine teilweise sehr beachtliche Steigerung vorhanden. Es ist einer weiteren Untersuchung vorbehalten, die Strukturveränderungen der Beschäftigten innerhalb der Industriezweige und innerhalb der anderen Bereiche der Volkswirtschaft, besonders im nichtmateriellen Bereich, im Verhältnis zur Produktions- und Nationaleinkommensentwicklung für die ausgewählten kapitalistischen und sozialistischen Länder zu analysieren.

249

T a b e l l e 16 B e s c h ä f t i g t e In Industrie und Landwirtschaft in P r o z e n t d e r Beschäftigten i n s g e s a m t sowie Anteil d e r Industrie und d e r Landwirtschaft an d e r Entstehung d e s Nationaleinkommens

Land

Industrie

Jahr

Landwirtschaft

Anteil d . B e schäftigten a . d . Gesamt zahl d . B e schäftigten i . d . Volkswirtschaft

Anteil d. Industrie a.d. Entstehung d.NE

Anteil d. B e schäftigten a . d. G e s a m t zahl d . B e schäftigten i . d . Volkswirtschaft

Anteil d . Landwirtsch.a.d. Entstehung d.NE

(4)

(5)

82,1 70,5 55,5 45,3

32,0 32,0 34,0

(0)

(1)

(2)

(3)

Bulgarien

1948 1956 1960 1965

7,9 12,9 21,9 26,3

36,0 46,0 45,0

1952 1955 1960 1965

41,1 40,6 42,1 41,3

61,0 65,2 64,4

21,7 21,5 17,4 16,1

9,6 9,5 11,4

Jugoslawien

1953 1961

12,1 18,2

32,2 43,9

66,8 57,0

37,2 24,9

Polen

1950 1960

18,8 23,3

47,6

56,6 47,1

26,2

Rumänien

1950 1955 1960 1965

12,0 13,1 15,1 19,2

44,0 39,8 44,1 48,9

74,3 69,7 65,6 56,7

28,0 37,6 33,1 29,3

ÖSSR

1950 1955 1960 1964

30,0 32,6 37,3 38,2

61,0 62,0 62,0 64,0

38,6 34,1 25,9 21,8

17,0 16,0 16,0 14,0

Ungarn

1949 1960 1963

19,4 27,4 30,0

56,6 61,4

54,5 40,0 34,0

22,8 20,5

1950 1955 1960 1963

27,0 31,0 32,0 34,0

62,3 63,3

48,0 43,0 39,0 34,0

20,5 20,5

1954 1957 1962

28,1 29,2 29,5

1955 1960 1962 1964

45,4 42,0 41,1 40,6

DDR

UdSSR 1

Frankreich

Großbritannien

250

.

#



26,7 25,7 19,8 4,6 4,0 3,7 3,5

.

(2)

(3)

(4)

(5)

(0)

(1)

Italien

1957 1960 1962 1964

27,9 29,4 30,1

36,7 32,6 29,1 25,4

Japan

1955 1960 1963 1965

19,5 22,5 25,0 25,1

38,9 31,2 26,9 24,3

Österreich

1951 1961

29,2 31,1

32,3 22,8

Schweden

1950 1960

32,9 36,0

20,4 13, 8

USA

1950 1960 1962 1964

36,0 35,1 33,6 33,8

56,4 59,9 59,5 60,7

12,2 6,5 7,3 6,6

10,2 6,3 6,3 5,4

BRD 1

1950 1955 1960 1964

42,6 46,6 47,7 48,3

58,5 63,8 66,7 68,0

24,6 18,4 13,8 11,4

15,2 11,6 8,9 7,8

,

Industrie einschl. Bau Um die Angaben Uber das Nationaleinkommen der sozialistischen und kapitalistischen Länder einigermaßen vergleichbar zu machen, wurden bei den kapitalistischen Ländern vom "Nettoinlandsprodukt zu Faktorkosten" die in den nichtproduktiven Bereichen erzielten Gewinne und Einkommen abgesetzt Quelle: Berechnet nach Annuaire des statistiques du travail 1965, S. 81 f f . ; 1964, S. 23 f f . ; 1963, S. 47 f f . ; 1962, S. 21 f f . ; 1961, S. 57 Japanese Ekonomic Statistics, Nr. 97/1966; Nr. 66/1964. Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1966, S. 148, 546; 1963; I960 Statistical Abstract ob the United States 1955 - 1966, S. 326

251

FUSSNOTEN 1

K. Marx, Theorien über den Mehrwert, Teil I, Berlin 1956, S. 180/181

2 The Future Growth of World Population, New York, 1958 3

W. Fucks, Formeln zur Macht, Prognose Uber Völker, Wirtschaft, Potentiale, Stuttgart 1965, S. 146

4

D. Bemal, Welt ohne Krieg, Berlin 1960, S. 139

5

Neues Deutschland vom 10. 11. 1966

6

Demographic Yearbook 1956, S. 8

7

Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Bepublik 1966, S. 25; 1964, S. 7-9 Narodnoe Chosjajstwo SSSB w 1963 g . , Moskwa 1965, S. 103 (Indices wurden errechnet)

8

G. Mackenroth, Bevölkerungslehre, Berlin-Göttingen-Heidelberg 1953, S. 103

9

Beferat W. Ulbricht auf dem VH. Parteitag der SED, Neues Deutschland vom 18. 4. 1967, S. 14

10

Ebenda, S. 5 f.

11

Einige Probleme der Vorbereitung und Ausnutzung der Arbeitskräfte-Bessourcen in den RGW-Ländern, ins Voprosy ekonomiki, H. 1, 1966, S. 106 (russ.)

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KATJA NEHLS

Der relative Kapitaluberschuß als im s t a a t s m o n o p o l i s t i s c h e n

Wachstumsproblem

Kapitalismus

Die wirtschaftliche Entwicklung in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern war in der Periode nach dem zweiten Weltkrieg durch ein relativ hohes Wachstumstempo der Produktion und des Nationaleinkommens gekennzeichnet. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Spielte zunächst die Überwindung der Folgen des zweiten Weltkrieges eine Bolle, so gewannen in den fünfziger Jahren immer mehr solche Faktoren, wie der ökonomische Wettbewerb zwischen Sozialismus und Kapitalismus, die Entwicklung der wissenschaftlich-technischen Revolution, die Militarisierung der Wirtschaft, die Industrialisierung der ökonomisch schwach entwickelten Länder usw. an Bedeutung. Das wirtschaftliche Wachstum vollzog sich unter der aktiven und alle Seiten des Reproduktionsprozesses umfassenden Einwirkimg des imperialistischen Staates. Die Bolle des Staates als "Wachstumsfaktor" soll in diesem Beitrag unter dem speziellen Aspekt des relativen Kapitaliiberschusses betrachtet werden. Das Problem des relativen KapitalUberschusses ist ein spezifisch kapitalistisches Wachstumsproblem, das unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Bevolution besondere Bedeutung erhält und unmittelbar auf die Motiv- und Systemproblematik des Kapitalismus hinlenkt. Wie wirkt der staatsmonopolistische Kapitalismus auf die Bewegung des Widerspruchs zwischen Produktion und Verwertung ein? Welche Möglichkeiten hat der staatsmonopolistische Kapitalismus zur relativen Durchbrechung der im Kapitalverhältnis liegenden Wachstumsschranken fUr die Produktion? Wie wirkt die staatsmonopolistische Wachstumsstimulierung auf Quellen, Funktionen und Erscheinungsformen des relativen Kapitalüberschusses ? Welche spezifischen Wachstumsprobleme ergeben sich hieraus ? Diese komplexen Probleme und Fragestellungen können in diesem Beitrag nicht e r schöpfend abgehandelt werden. Es sollen hier lediglich einige konzeptionelle Überlegungen zur Diskussion gestellt werden. Unter dem speziellen Aspekt des relativen KapitalUberschusses besteht m. E. die Bolle des staatsmonopolistischen Kapitalismus als "Wachstumsfaktor" im Zeitalter der wissenschaftlich-technischen Bevolution darin, daß er durch seine regulierende Funktion die Verwandlung von relativ Überschüssigem Kapital in fungierendes Kapital vermittelt. Zur theoretischen Begründung dieser These scheint es erforderlich, zunächst auf den Inhalt der Kategorie des relativen Kapitalüberschusses einzugehen. Der relative Kapitalüberschuß ist in letzter Konsequenz das Problem der produktiven Kapitalanlage, die im Kapitalismus nicht unmittelbar gegeben ist. Der Inhalt der Kategorie des relativen Kapitalüberschusses ist der Widerspruch zwischen Produktion und Verwertung, speziell die aus dem Wesen des Kapitals als eines historisch bedingten gesellschaftlichen Verhältnisses entspringenden relativen Beschränkungen der Produktion. Vom Standpunkt des unmittelbaren Produktionsprozesses als Arbeits-, Wertbildungs-, Wertübertragungs- und Verwertungsprozeß stellt sich der Grundwiderspruch des Kapitalismus als Widerspruch zwischen vergegenständlichter Arbeit und lebendiger Arbeit dar. Vom Standpunkt des kapitalistischen Beproduktionsprozesses als Einheit von Produktions-, Distributions-, Zirkulations- und Konsumtionsprozeß erscheint er als Widerspruch zwischen Produktion und Realisierung, zwischen Produktion und Konsumtion. 253

Diese verschiedenen Seiten und Entfaltungsformen des Grundwiderspruchs bzw. ihre spezifischen Entwicklungstendenzen in i h r e r Gesamtheit und Wechselwirkung bestimmen den Verwertungsprozeß des Kapitals. Als Einheit von Produktions- und Verwertungsprozeß ist der kapitalistische Wachstumsprozeß an bestimmte Bedingungen geknüpft. So hat die Verwertung innerhalb der Produktion keine anderen Grenzen als die der Produktion des Mehrwerts. Außerhalb der Produktionsprozesse ist die Verwertung des Kapitals abhängig von dem Stand der Konsumtion, d e r E r weiterung der Zirkulationssphäre und der proportionalen Entwicklung der einzelnen Zweige der Produktion sowie der verschiedenen Sphären des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses. Aus der widersprüchlichen Natur des Kapitals ergibt sich, daß diese Bedingungen nur in Form i h r e r ständigen Verletzung eingehalten werden, daß zwischen Produktion und Verwertung ein Widerspruch besteht, weil es mit den wesentlichen Begriffsbestimmungen des Kapitals zusammenfallende Beschränkungen der Produktion gibt. Diese sind: 1. die notwendige Arbeit als Grenze des Tauschwerts der Arbeitskraft, 2. die Mehrarbeitszeit als Schranke f ü r die notwendige Arbeitszeit, 3. d e r Mehrwert als Grenze der Mehrarbeitszeit und als Schranke f ü r die Entwicklung der Produktivkräfte, 4. der Tauschwert als Grenze der Produktion, 5. die Beschränkung der Produktion von Gebrauchswerten durch den Tauschwert (um Objekt d e r Produktion zu werden, muß der reale Reichtum eine von ihm selbst verschiedene Form annehmen). 1 Ausgangspunkt f ü r die Darstellung des Widerspruchs zwischen Produktion und Verwertung ist das Gesetz des tendenziellen Falls der P r o f i t r a t e . Als das e i g e n t l i c h e G e h e i m n i s des tendenziellen Falls der Profitrate bezeichnete Marx, "daß die Prozeduren zur Erzeugung von relativem Mehrwert im ganzen und großen darauf hinauslaufen: einerseits von einer gegebnen Masse Arbeit möglichst viel in Mehrarbeit zu verwandeln, andrerseits iin Verhältnis zum vorgeschoßnen Kapital möglichst wenig Arbeit überhaupt anzuwenden". ^ Das heißt, die gleichen Gründe, die es erlauben, den Ausbeutungsgrad zu steigern, v e r hindern, daß mit dem gleichen Gesamtkapital ebensoviel Arbeit wie vorher ausgebeutet w i r d . 3 Die unmittelbare Wirkimg des technischen Fortschritts auf die Mehrwertproduktion besteht, ein gegebenes Kapital vorausgesetzt, in einer gesteigerten Mehrwertrate und einer fallenden Mehrwertmasse und damit einer fallenden Rate und Masse des Profits. Das ist die widersprüchliche kapitalistische Form, in der sich das allgemeine Gesetz der Ökonomie der Zeit durchsetzt. Jedoch entstehen in dem Maße, wie sich die Produktivkräfte entwickeln, gleichzeitig P r o zesse auf stets höherer Stufenleiter, die dem Fall der Profitrate entgegenwirken. So schließt der Fall der Profitrate beschleunigte Akkumulation, Konzentration und Zentralisation, beschleunigte Entwicklung der Produktivkräfte und erneuten Fall der Profitrate ein. Andererseits entstehen mit der Vergesellschaftung der Produktion und der Konzentration und Zentralisation des Kapitals P r o z e s s e , die die organische Zusammensetzung des Kapitals senken sowie auf die Mehrwertrate steigern und den Fall der Profitrate hemmen. Die Tendenz zum Sinken der Profitrate und die Gegentendenzen stehen in enger wechselseitiger Beziehung zueinander. So unterstellt z. B. die steigende organische Zusammensetzung des Kapitals Akkumulation und wachsenden Umfang des Gesamtkapitals, steigende Masse von Profit und Mehrwert, wachsende Vergesellschaftung der Produktion und wachsende Ökonomie des konstanten Kapitals. Andererseits beschleunigt die Ökonomie des konstanten Kapitals die Akkumulation und Konzentration und die Steigerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals und damit auch wiederum den Fall der Profitrate. Alle Ursachen, die den Fall der Profitrate hemmen, beschleunigen ihn in letzter Instanz w i e d e r . 4 Andererseits mäßigen dia gleichen Ursachen, die die Tendenz zum Fall d e r Profitrate erzeugen, auch die Verwirklichung dieser T e n d e n z . 5 Die Tendenz selbst kann auf Basis der kapitalistischen Produktion nicht aufgehoben werden, weil die Quelle allen Profits die lebendige Arbeit ist und weil sich 254

der Grundwiderspruch der kapitalistischen Produktionsweise als Widerspruch zwischen der Tendenz zur unbeschränkten Entwicklung der Produktivkräfte einerseits und dem beschränkten Ziel der kapitalistischen Produktion andererseits darstellt. Solange dieser Widerspruch besteht, besteht auch die Basis für das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate. Dabei ist aber die Möglichkeit einer relativ längerfristigen Steigerung der Profitrate und einer konstanten oder sinkenden organischen Zusammensetzung nicht ausgeschlossen. Alle Ursachen, die den Fall der Profitrate herbeiführen, verwirklichen gleichzeitig diese Tendenz. Man muß die Wechselwirkung zwischen Fall der Profitrate, entgegenwirkenden Ursachen sowie Akkumulation und Konzentration einerseits, zwischen Entwicklung der Produktivkräfte, Rate und Masse des Mehrwerts und des Profits sowie Akkumulationsprozeß andererseits betonen. Ganz allgemein ergibt sich zwar, daß je höher der Entwicklungsstand der Produktivkräfte, um so höher die organische Zusammensetzung des Kapitals, um so größer die Mehrwertrate, um so größer die Masse des Mehrwerts und des Profits, um so geringer die Profitrate. Jedoch schließt dies nicht aus, daß langfristig in bestimmten Perioden die Profitrate auch steigen kann. Zum Beispiel kann in Zeiten beschleunigten technischen Fortschritts die Akkumulation schneller wachsen, als die organische Zusammensetzung des Kapitals und der Fall der Profitrate durch die Profitmasse überkompensiert werden. Es ist auch denkbar, daß, wenn der technische Fortschritt überwiegend in Form der kapitalistischen Rationalisierung erfolgt (wie in der Periode der relativen Stabilisierung, d. h . , er sich hauptsächlich auf die Ökonomie des konstanten Kapitals konzentriert), die Mehrwertrate bedeutend steigt, während die organische Zusammensetzung des Kapitals konstant bleibt oder sinkt. Das würde aber nicht bedeuten, daß das Gesetz des Falls der Profitrate aufgehoben wird. Ein ökonomisches Gesetz kann nicht durch gegenwirkende Ursachen aufgehoben werden, sondern nur durch die Beseitigung der Basis, auf der es wirkt. Tendenz und Gegentendenz stellen immer eine Einheit dar. Ursache für den Fall der Profitrate bzw. die Tendenz zum Fall der Profitrate ist die Entwicklung der Produktivkräfte auf kapitalistischer Basis. In welcher Beziehung steht nun die Kategorie des relativen Kapitalüberschusses zum Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate? Der relative Kapitalüberschuß kann nicht aus dem Gesetz als solchem abgeleitet werden, sondern ist eine Frage der inneren Widersprüche des Gesetzes. Indem die Entwicklung der Produktivkräfte in entgegengesetzter Richtung auf die Entwicklung der Profitrate einerseits und der Profitmasse andererseits wirkt, ergibt sich als a l l g e m e i n e W a c h s t u m s b e d i n g u n g d e s K a p i t a l s , daß e i n e w a c h s e n d g r ö ß e r e M a s s e G e s a m t k a p i t a l e r f o r d e r l i e h i s t , um d i e g l e i c h e M e n g e A r b e i t s k r a f t in B e w e g u n g zu s e t z e n und d i e g l e i c h e M a s s e M e h r a r beit anzueignen. Das gleiche anders ausgedrückt: Soll die Profitmasse wachsen, so muß das Kapital in größerer Proportion wachsen,als die Profitrate fällt, bzw. damit das variable Kapital nicht nur gleichbleibt, sondern absolut wächst, obgleich es relativ fällt, muß das Gesamtkapital in stärkerem Verhältnis wachsen, als der Prozentsatz des variablen Kapitals fällt. 6 Mit Fortschritt der Produktivkräfte muß das Kapital in einem solchen Ausmaß real akkumulieren, daß das konstante Kapital in einer derartigen progressiven Proportion wachsen kann, die erforderlich ist, um nicht nur die gleiche, sondern eine wachsende Menge Arbeitskraft in Bewegung zu setzen, um eine entsprechende Menge Mehrarbeit einzusaugen. Das heißt, die in entgegengesetzter Richtung auf die Entwicklung von Rate und Masse des Profits einwirkenden Folgen des technischen Fortschritts führen zur Akkumulation und zur Konzentration der Produktion. Das Problem besteht darin, die Profitmasse durch Ausdehnung der Produktion so zu steigern, daß sie den Fall der Profitrate kompensiert. Davon ausgehend definiert Marx das überschüssige Kapital als solches, für das der Fall der Profitrate nicht durch die Masse aufgewogen wird. Ausdehnung der Produktion, Akkumulation und Konzentration haben im Kapitalismus ihre Grenzen, jedoch nicht nur in der unmittelbaren Kapitalverwertung, sondern auch in den 255

unterschiedlichen Entwicklungstendenzen der Bedingungen, unter denen der Mehrwert produziert und realisiert wird. Mit der Entwicklung der Prozesse, die sich im Fall der Profitrate ausdrücken , wächst die MehrwertmasBe ins Biesenhafte. Das gesamte Produkt muß realisiert werden. Gelingt das nicht oder nur teilweise, so realisiert sich die Ausbeutung nicht für das Kapital.' Dabei hat das Problem der Realisierung - der erforderlichen Austauschproportionen zwischen den wert- und gebrauchswertmäßigen Beziehungen des Reproduktionsprozessesseine Grundlage selbst Im Verhältnis der notwendigen Arbeit zur Mehrarbeit oder der vergegenständlichten Arbeit zur lebendigen Arbeit. Dieses Verhältnis ist durch den jeweiligen Entwicklungsstand der Produktivkräfte bestimmt. Es bestehen bei einem gegebenen Stand der Entwicklung der Produktivkräfte bestimmte Relationen, worin das Produkt stofflich in Produktionsmittel und Konsumtionsmittel und wertmäßig in konstantes, variables Kapital und Mehrwert zerfällt. Das sind die Proportionen, in denen produziert und ausgetauscht werden muß. Mit Entwicklung der Produktivkräfte ändern sich diese Relationen. Das Problem bleibt aber immer, daß Produktion und Austausch so stattfinden müssen, daß das Verhältnis von notwendiger Arbeit zu Mehrarbeit, d. h. die Kapitalverwertung, zumindest gleichbleibt. 8 Produktion und Konsumtion sind der Verwertung untergeordnet. Auf dieser Grundlage, und innerhalb der dadurch gesetzten Grenzen für das Wachstum der Produktion, bildet sich ein widersprüchlicher Kreislauf heraus. Der Fall der Profitrate führt zur Konzentration der Produktion. Dies bewirkt den weiteren Fall der Profitrate. Der Fall der Profitrate hemmt die Bildung neuer Kapitale. Das brauchliegende Kapital führt zur Entwertung des vorhandenen Kapitals. Diese Entwertung wirkt dem Fall der Profitrate entgegen und beschleunigt ihrerseits wiederum die Akkumulation durch die Bildung von Neukapital. Der Kreislauf wiederholt sich auf höherer Stufe und ist mit einem Anwachsen des Minimums an Kapital verbunden, das erforderlich ist, um die Arbeitskraft zu dem gegebenen Ausbeutungsgrad anzuwenden und die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zur Produktion der betreffenden Waren einzuhalten. Konzentration der Produktion und wachsendes Kapitalminimum führen zur relativen Überproduktion an Kapital, die auf einem bestimmten Punkt zur Brachlegung und Vernichtung von Kapital, zu ökonomischen Krisen führt. Fall der Profitrate, Akkumulation und Konzentration der Produktion, wachsendes Kapitalminimum und relative Uberproduktion von Kapital bzw. absoluter "Kapitalmangel" (gemessen am erforderlichen Kapitalminimum) bedingen sich wechselseitig und stellen die Bewegungsform des Widerspruches zwischen Produktion und Verwertung dar. Von der materiell-stofflichen Seite betrachtet, sind Entwicklung der Produktivkräfte und ihre wertmäßige Widerspiegelung, die steigende organische Zusammensetzung des Kapitals, steigende Masse des Profits und fallende Rate des Profits, mit einem schnelleren Anwachsen des materiellen Umfangs der Produktonsmittel als ihres Wertvolumens verbunden. Für den kapitalistischen Wachstumsprozeß als Einheit von Produktions- und Verwertungsprozeß sind jedoch nicht in erster Linie die technisch-ökonomischen Relationen ausschlaggebend, sondern ihr wertmäßiger Niederschlag. Die gebrauchswertmäßige Seite und die technisch-ökonomischen Relationen sind den Wertbeziehungen untergeordnet. Jedoch ist diese Unterordnung relativ. Der kapitalistische Wachstumsprozeß schließt einerseits eine Tendenz zur absoluten Entwicklung der Produktivkräfte und des materiellen Reichtums ein, während er andererseits die Erhaltung des existierenden Kapitalwerts und seiner größtmöglichen Verwertung verkörpert. So schließen im Kapitalismus der Tauschwert als Grenze der Produktion und die Beschränkung der Produktion von Gebrauchswerten durch den Tauschwert die quantitative und qualitative Erweiterung der Konsumtion, die fortschreitende Spezialisierung der Produktion, die Produktion neuer Bedürfnisse und die Entdeckung und Schöpfung neuer Gebrauchswerte ein. Die Produktion des relativen Mehrwerts ist nur eine relative Schranke für die Entwicklung der Produktivkräfte. Auf der anderen Seite e r fordert und ermöglicht sie, daß die durch ihn verkörperte Mehrarbeit die qualitativen Unterschiede der Arbeit beständig differenziert. ®

256

Die auf der Entwicklung der Produktivkräfte beruhende Produktion von relativem Mehrwert, die Vergrößerung der Mehrarbeitszeit vermehren die Masse und Vielfalt der konkreten Arbeiten und damit der Gebrauchswerte, die die sachlichen Elemente des konstanten und indirekt auch des variablen Kapitals darstellen und geeignet sind, zusätzlich Arbeit und Mehrarbeit in Bewegung zu setzen. 1 0 Die Wechselbeziehung von wert- und gebrauchswertmäßiger Ausdehnung der Produktion im Hinblick auf die Kapitalverwertung zeigt Marx u. a. im 2. Abschnitt des 15. Kapitels des dritten Bandes des "Kapitals", wo er schreibt: "Die Akkumulation des Kapitals, dem Wert nach betrachtet, wird verlangsamt durch die fallende Profitrate, um die Akkumulation des Gebrauchswerts noch zu beschleunigen, während diese wieder die Akkumulation, dem Wert nach, in beschleunigten Gang bringt. Die kapitalistische Produktion strebt beständig, diese ihr immanenten Schranken zu Uberwinden, aber sie Uberwindet sie nur durch Mittel, die ihr diese Schranken aufs neue und auf gewaltigerm Maßstab entgegenstellen." 11 Die von Marx Uber den tendenziellen Fall der Profitrate entwickelten Grundgedanken sind ungeachtet des höheren Reifegrades des Kapitalismus und seiner veränderten Existenzbedingungen auch heute noch gUltig, weil das grundlegende Kapitalverhältnis, die Ausbeutung der Lohnarbeit auf Basis des Privateigentums an den Produktionsmitteln, trotz aller möglichen Modifikationen noch besteht. Ich möchte sogar weitergehen und behaupten, daß die Problematik des relativen KapitalUberschusses als Problem der produtiven Kapitalanlage, als Problem der aus dem Wesen des Kapitals als bestimmten gesellschaftlichen Verhältnisses resultierenden relativen Wachstumsbeschränkungen der Produktion für die politökonomische Erforschung des modernen Imperialismus im Zeitalter der wissenschaftlich-technischen Revolution von größter Bedeutung und Aktualität ist. Die wissenschaftlich-technische Revolution stellt den Widerspruch zwischen Produktivkräften und Kapitalverwertung, zwischen Mittel und Ziel auf eine qualitativ höhere Stufe. Welche qualitativ neuen Aspekte ergeben sich daraus für die Problematik des relativep Kapitalüberschusses ? Dazu andeutungsweise einige Überlegungen! " J e entwickelter also schon das Kapital, j e mehr Surplusarbeit es geschaffen hat, um so furchtbarer muß es die Produktivkraft entwickeln, um sich nur in geringem Verhältnis zu verwerten, d. h. Mehrwert zuzufügen - weil seine Schranke immer bleibt das Verhältnis zwischen dem Bruchteil des Tages, der die n o t w e n d i g e A r b e i t ausdrückt, und dem ganzen Arbeitstag. Innerhalb dieser Grenzen kann es sich allein bewegen. J e kleiner schon der Bruchteil, der auf die n o t w e n d i g e Arbeit fällt, je größer die S u r p l u s a r b e i t , desto weniger kann irgendeine Vermehrung der Produktivkraft die notwendige Arbeit sensibly vermindern; da der Nenner enorm gewachsen ist. Die Selbstverwertung des Kapitals wird schwieriger im Maße wie es schon verwertet i s t . " 1 2 Das vorstehende Zitat von Marx scheint von höchst aktuellem Bezug. Demnach müßte beim heutigen Entwicklungsstand der Produktivkräfte und der beschleunigten Entwicklung des technischen Fortschritts die Mehrwertproduktion gewaltig steigen, noch schneller der Wertumfang der Produktionsbedingungen für die Neuproduktion und am schnellsten das stoffliche Volumen der Produktionsbedingungen. Die Kompensation des Falls der Profitrate durch die Steigerung der Masse des Profits müßte immer schwieriger werden und sich eine neue Stufe der dem Kapitaluberschuß zugrunde liegenden Widersprüche entwickeln. Dafür, daß das so ist, sprechen solche Prozesse wie das enorme Größenwachstum der Anlagen, das steigende Kapitalminimum, die Veränderungen in den Kapitalstrukturen und die wachsende Bedeutung der Infrastrukturen für die Durchführung der Produktion auf moderner technologischer Grundlage. Die neue Qualität in der Verschärfung des Widerspruchs zwischen Produktion und Verwertung besteht.darin, daß die wissenschaftlich-technische Revolution mit ihren Anforderungen an die volkswirtschaftlichen und industriellen Strukturen, an die langfristige Planung, Leitung und Organisation der Produktion und die Verteilung im gesamtge257

sellschaftllchen Maßstab usw. Wachstumsprobleme schafft, die allein auf der Grundlage des klassischen kapitalistischen Preis- und Profitmechanismus nicht zu bewältigen sind. Zum Beispiel handelt e6 sich auch bei der Entwicklung solcher Bereiche, wie der industriellen und verkehrsmäßigen Infrastruktur, der sozialen und bildungsmäßigen Infrastruktur, bei der Entwicklung und Organisation von Wissenschaft und Forschung oder beim Aufwand zur Verminderung oder Beseitung von volkswirtschaftlichen Schäden durch die Massenproduktion auf moderner technologischer Grundlage (Wasser-, Boden-, Luftverunreinigung u. a. m.) zum größten Teil um Anlagesphären, für die das "private" Kapital gar nicht oder nur unter besonderen Bedingungen zu mobilisieren ist, weil sie keine oder eine zu geringe Verwertungsmöglichkeit bieten. Es entstehen neue und kompliziertere Zusammenhänge des Reproduktionsprozesses einerseits und engere und vielgestaltigere Verflechtungen und Interdependenzen' der Produktion mit anderen Bereichen und Sphären des gesellschaftlichen Lebens. Die proportionale Entwicklung der Wirtschaft wird auf der Basis des rein kapitalistischen Wirkungsmechanismus immer schwieriger oder überhaupt unmöglich. Der Widerspruch zwischen Akkumulation und Konsumtion enthält qualitativ neue Elemente durch die objektive Bedeutung der Entwicklung solcher Bereiche der individuellen Konsumtion wie Bildung und Kultur, Sozialkonsum, medizinische Versorgung einerseits und dem engen Spielraum für die Entwicklung dieser Bereiche unter kapitalistischen Bedingungen andererseits. Die Unterkonsumtion auf diesen Gebieten wird in den meisten kapitalistischen Ländern immer mehr zu einem erstrangigen Wachstumsproblem. Ausgangspunkt für die Problematik des relativen Kapitalüberschusses im staatsmonopolistischen Kapitalismus ist die Frage nach den neuen Bedingungen, die die wissenschaftlichtechnische Revolution für den Arbeits- und Verwertungsprozeß setzt. Wie wirkt z. B. die Automation auf Qualität und Quantität der lebendigen Arbeit ein? Wie entwickelt sich unter diesem Gesichtspunkt der Wert der Arbeitskraft ? Wie stellt sich daß Problem der Kompensation der relativ (oder absolut) sinkenden Arbeiteraniahl, d. h. die Kompensation des "Freisetzungseffekts" durch die Steigerung des Ausbeutungsgrades, bei wachsender Automation der Produktion dar? Die Automation bedeutet ein sprunghaftes Ansteigen der organischen Zusammensetzung des Kapitals. Bei wachsender Automation wird das Problem, daß die Steigerung der Ausbetungsrate hinter der Steigerung der organischen Zusammensetzung zurückbleibt, besonders akut. Bei der Behandlung der Auswirkungen des technischen Fortschritts auf die Mehrwertproduktion wies Marx bereits daraufhin, daß die Kompensation der verringerten Arbeitersanzahl durch die Steigerung des Ausbeutungsgrades gewisse Grenzen hat. Zwei Arbeiter, die zwölf Stunden täglich arbeiten, können nicht dieselbe Masse Mehrwert liefern wie 24 Arbeiter, die jeder nur zwei Stunden täglich arbeiten. 1 3 Der Kapitalismus verfügt m. E. über drei Hauptkompensationsmöglichkeiten. Das sind erstens die Erhöhung des Qualifikationsniveaus der Arbeiterklasse und die veränderte Qualifikations- und Berufsstruktur, zweitens die Verwandlung der Wissenschaft in eine unmittelbare Produktivkraft, die wachsende Einbeziehung von Wissenschaftlern, Technikern, Programmierern usw. in den Produktionsprozeß, und drittens als potentielle Möglichkeit der Übergang zu intensiven Ausbeutungsmethoden in den noch zum imperialistischen Machtbereich gehörenden Entwicklungsländern mit Hilfe der kapitalistischen Industrialisierung dieser Länder. Das sind drei große Hauptreserven für die Steigerung der Ausbeutungsrate durch Steigerung der Produktion von relativem Mehrwert. Dagegen hat m. E. die seinerzeit von Marx angeführte Senkung des Arbeitslohnes unter den Wert der Arbeitskraft als einer wichtigen, dem Fall der Profitrate entgegenwirkenden Ursache heute zumindest in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern angesichts der veränderten politischen Kräfteverhältnisse und unter Einfluß der Organisiertheit der Arbeiterklasse nicht mehr die gleiche Bedeutung wie zur Zeit des sich entfaltenden Industriekapitalismus. Große Bedeutung kommt im Zeitalter der wissenschaftlich-technischen Revolution der Ökonomie des konstanten Kapitals als einem Faktor zu, der das Steigen der oreani sehen Zusammensetzung des Kapitals verlangsamt und den Fall der Profitrate hemmt. Es entstehen 258

neue und weiterreichende Möglichkeiten der Ökonomie des konstanten Kapitals durch den Fortschritt der Vergesellschaftung d e r Produktion und der Anwendung der Wissenschaft als unmittelbarer Produktivkraft. Neue Technologien, die zu einer sinkenden Materialintensität der Produktion führen, die Einsparung von Rohstoffen durch Leichtbauweise, spanlose Verformung, Miniaturisierung der Produkte usw. wirken dem Steigen der organischen Zusammensetzung entgegen. 1 4 Neue Produktionsverfahren, die mit der Einsparung und rationelleren Ausnutzung der E n e r gie verbunden sind, sowie die Anwendung neuer Energiearten, die billiger und rationeller in der Ausnutzung sind, wirken in der gleichen Richtung. Die steigende Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft und in der Grundstoffindustrie senkt den Wert d e r Roh- und Grundstoff e . Das gilt vor allem f ü r die Revolutionierung der chemischen Industrie durch die Entwicklung der Petrolchemie, die Umstellung der Rohstoffbasis f ü r chemische Grundstoffe von Kohle auf Erdöl und Erdgas. Erdöl und Erdgas als Chemierohstoffe sind um das Zwanzigfache bzw. Dreieinhalbfache billiger in der Förderung als Kohle. Schließlich entwertet der beschleunigte technische Fortschritt fortwährend das fungierende fixe Kapital durch steigende Arbeitsproduktivität in den Industriezweigen, die die Elemente des fixen Kapitals liefern, und durch den beschleunigten moralischen Verschleiß von Anlagen. Auch von dieser Seite her wird das Steigen der organischen Zusammensetzung des Kapitals verlangsamt und der Fall der Profitrate gehemmt. Trotz der Reserven und neuen Möglichkeiten zur Steigerung d e r Mehrwertrate, der qualitativ und quantitativ erweiterten Stufe der Ökonomie des konstanten Kapitals und d e r beschleunigten Entwertung des fungierenden Kapitals ist die organische Zusammensetzung des Kapitals offensichtlich gestiegen. Davon zeugt z. B. die steigende Kapitalintensität (Anlageinvestitionen pro Beschäftigten) in der Landwirtschaft und in der Industrie der hochentwickelten k a pitalistischen Länder. Daraus ergibt sich die große Bedeutung d e r Ausdehnung d e r Produktion, der Akkumulation und Konzentration f ü r die Kapitalverwertung, um den Fall der Profitrate durch die Masse des Profits zu kompensieren. Damit aber müssen sich gleichzeitig die dem relativen Kapitalüberschuß zugrunde liegenden Widersprüche verschärfen. Es ergibt sich die Frage, welche Auswirkungen die Einbeziehung des Staates in den R e produktionsprozeß hier zeitigt. Ausgehend von der neuen Stufe des Konflikts zwischen Vergesellschaftung d e r Produktion und privater Aneignung, herbeigeführt durch die wissenschaftlich-technische Revolution und der sich daraus ergebenden Verschärfung der inneren Widersprüche des Gesetzes des tendenzeillen Falls der Profitrate, scheint m i r generell die grundlegende Sejte der Rolle des Staates im Reproduktionsprozeß, die Bedeutung der staatlichen Umverteilung, in d e r "Abschöpfung" des relativ überschüssigen Kapitals zu bestehen, um es in f u n g i e r e n d e s Kapital zu verwandeln. Die relative Durchbrechung der Verwertungsschranken durch die staatsmonopolistische Umverteilung kann unter den heutigen Bedingungen i m m e r weniger nur in der unmittelbaren Umverteilung des Nationaleinkommens und des Nationalvermögens zugunsten der Profite d e r Monopole bestehen, sondern muß angesichts der Schärfe der inneren und äußeren Widersprüche die Aufrechterhaltung des Profitsystems zum Inhalt haben. Da d e r Staat als gesamtwirtschaftlich und -gesellschaftlich wirksamer Machtfaktor Bestandteil des kapitalistischen ökonomischen Mechanismus geworden ist, entstehen neue Verhältnisse in den ökonomischen Beziehungen des Reproduktionsprozesses und des Verwertungsmechanismus. E s ändern sich Quellen, Funktion, Bewegung und Erscheinungsformen des relativen Kapitalüberschusses. Wir können im einzelnen diese neuen gesetzmäßigen Beziehungen noch nicht. Ihre konkrete Wirkungsweise muß e r s t noch erforscht werden. Geht man jedoch von Marx und seinen D a r legungen über das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate und den inneren Widersprüchen dieses Gesetzes aus, so ergibt sich m . E . , daß das Problem ganz allgemein darin b e steht, daß der Staat als mächtigster Kapitalmobilisator und -Verwender Kapital, das angesichts des gestiegenen Kapitalminimums, der veränderten Anforderungen an die Kapitalstruktur, 259

der gestiegenen organischen Zusammensetzung, der Verschärfung des Marktproblems usw. brachliegen oder entwertet und das Wachstum hemmen würde, d. h. das relativ überschüssige Kapital,in fungierendes Kapital "transformiert". Diese "Transformation" hat entsprechend der hohen Stufe der Vergesellschaftung und dem allseitigen Eingreifen des Staates in den Ausbeutungsprozeß und alle Bereiche der gesellschaftlichen Reproduktion viele Zwischenglieder und vielfältige Kanäle. Ein wesentliches Instrument sind die Staatsfinanzen. Jedoch handelt es sich nicht nur um Verteilung von Geldern, sondern darum, daß durch staatlichen Zwang Verwertungsbedingungen gesetzt werden, beispielsweise durch differenzierte Gewinn- und Einkommensbesteuerung, durch Lohn- und Gewinnregulierung, Sozialgesetzgebung usw. Als gesamtgesellschaftliches Machtinstrument hat der Staat die Möglichkeit, durch seine Preis- und Steuerpolitik sowie durch Subventionen und andere Formen der Investitions- und Exportförderung Investitionen in Bereiche mit hoher organischer Zusammensetzung des Kapitals und großem Kapitalminimum zu lenken, die bei uneingeschränkter Wirkung der ökonomischen Gesetze keine oder eine zu geringe Verwertung bieten würden. Auch vermittels der staatlichen Einnahme und Ausgabenpolitik wird relativ überschüssiges Kapital in fungierendes Kapital transformiert, z. B. durch staatliche Rüstungsausgaben. Staatliche Aufträge für unmittelbare und mittelbare Rüstungsgüter und alle Arten militärischer Objekte werden zum überwiegenden Teil von Monopolunternehmen ausgeführt. Die dafür eingesetzten Produktionsmittel und Arbeitskräfte stellen fungierendes Kapital dar. Das gleiche zeigt sich in den Staatsausgaben für notwendige oder unproduktive Bereiche, die mit der wissenschaftlich-technischen Revolution nach Umfang und Struktur immer bedeutender und vielfältiger werden. Das trifft insbesondere für die verschiedenen Bereiche der industriellen Infrastruktur, die sachlichen Elemente der hygienischen und bildungsmäßigen Infrastruktur sowie der Wissenschaft und Forschung zu. Auch die staatliche Aktivität im Bereich der Außenwirtschaft in Gestalt staatlicher Kapitalexporte, einseitiger Übertragungen, wie Reparationen, Wiedergutmachungsleistungeh, nichtrückzahlbare Zuschüsse usw., führt zur Transformation von relativ überschüssigem Kapital in fungierendes Kapital, weil allen diesen finanziellen Leistungen an das Ausland Waren und Dienstleistungen entsprechen, die überwiegend in kapitalistischen Unternehmen hergestellt oder von diesen ausgeführt werden. Die Transformation von relativ überschüssigem Kapital in fungierendes Kapital wirkt auf den Kapitalverwertungsprozeß zunächst in dreifacher Hinsicht. Der eigentliche Verwertungsprozeß oder der "Verwertungsprozeß im engeren Sinne" d. h. der Produktionsprozeß - wird auf hohem Niveau aufrechterhalten und die Akkumulation stimuliert. Das heißt, es wird in wachsendem Umfang lebendige Arbeit als Quelle des Mehrwerts in Bewegung gesetzt, die Ausbeutung kann auf stets erweiterter Basis stattfinden. Die Masse des Profits schwillt an. Der Kapitalverwertung in der Produktion werden entsprechende Bedingungen der Realisierung gesetzt. Indem der Staat durch Umverteilung des Nationaleinkommens die Kapitalakkumulation forciert, bewirkt er eine Ausdehnimg des Marktes für Produktionsmittel, insbesondere für die Elemente des fixen Kapitals. Schließlich wird durch die Transformation von relativ überschüssigem Kapital in fungierendes Kapital die individuelle Konsumtion auf einem relativ hohen Niveau gehalten. Geht es bei der Einbeziehung des Staates in den Reproduktionsprozeß vor allem um die Aufrechterhaltung des Profitsystems, so kann das angesichts der neuen Stufe der Verschärfung der inneren Widersprüche des Gesetzes des tendenziellen Falls der Profitrate nicht mehr allein so verstanden werden, daß neue Möglichkeiten der Kapitalanlage und -Verwertung geschaffen werden. Die andere Seite besteht darin, daß das ökonomische Wachstum auf der Basis der modernen Produktivkräfte heute die Lösung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, darunter der zentralen Wirtschaftsführung und makrockonomischen Verteilung, verlangt. Die Schaffung der fttr das Wachstum notwendigen industriellen, volkswirtschaftlichen und regionalen Strukturen erfordert - da diese Prozesse immer mehr den unmittelbaren 260

Verwertungszusammenhängen entwachsen daß außerhalb des Profit- und Marktmechanismus zentral Kapital vorhanden ist, um das Profitsystem Uberhaupt aufrechtzuerhalten. Hierin liegt m. E. eine weitere Ursache für die "Transformation" von relativ Überschüssigem Kapital in fungierendes Kapital. Die Folgen und Begleiterscheinungen der staatsmonopolistischen Transformation von r e lativ überschüssigem Kapital 4n fungierendes Kapital, die neuen widerspruchsvollen Prozesse, die durch sie in Bewegung gesetzt werden, und die damit verbundene weitere Zentralisierung des gesellschaftlichen Reichtums in Händen der Monopole, vertiefen die Klassengegensätze und erweitern die sozialen Konflikte des Systems. Die Schaffung der mit der wissenschaftlich-technischen Revolution verbundenen notwendigen volkswirtschaftlichen und industriellen Strukturen, wie Veränderungen des Transportund Nachrichtenwesens, neue Standortbeziehungen der Industrie, die Umwälzung in der Energiewirtschaft usw., ist mit gewaltigen Kosten durch Neuanlagen von fixem Kapital und Entwertung vorhandener Produktionsmittel verbunden. Durch Subventionen, P r e i s - , Kreditund Steuerpolitik ermöglicht der Staat den Monopolen, den moralischen Verschleiß zu finanzieren und die notwendige Umstrukturierung ihrer großen Unternehmen vorzunehmen. Das bedeutet, daß der Staat der gesamten Gesellschaft einen Tribut auferlegt, um das überlebte System des Privateigentums an den Produktionsmitteln aufrechtzuerhalten. Aber durch die Methoden, womit der Staat Anlagemöglichkeiten für Kapital zu monopolistisch hohen Profiten schafft, wird ein Mechanismus ausgelöst, der die Überproduktion und Uberakkumulation zum Stimulus neuer Überproduktion und Überakkumulation macht und mehrere chronische Krisen- und Stagnationserscheinungen auslöst. So führte z. B. der von den imperialistischen Ländern praktizierte Agrarprotektionismus, dessen ökonomische Ursache die landwirtschaftliche Überproduktion in den führenden Industrieländern war, nicht zur Drosselung der Produktion und zum Sinken der Profite und der Preise, sondern zur Steigerung der Profite und Preise und zur Verschärfung der Überproduktion. Hierin liegt eine der wesentlichen Ursachen für eine weitere Erscheinung: das chronische und tendenziell steigende Defizit in den Handels- und Zahlungsbilanzen der ökonomisch schwachentwickelten Länder. Dies ist seinerseits ein bedeutendes hemmendes Moment bei der Kapitalverwertung von Seiten der Realisierung, insbesondere des Exports. Die staatliche Investitionsförderung in ihren verschiedenen Formen führt bei vorhandenen großen Überkapazitäten zur Neuanlage von fixem Kapital. Solche typischen Methoden der Transformation von relativ überschüssigem Kapital in fungierendes Kapital, wie die direkte staatliche Finanzierung der Subventionen oder die staatsmonopolistische Regulierung der Investitionstätigkeit durch die sogenannte "Selbstfinanzierung", führen dazu, daß selbst während Krisen und bei Stagnationserscheinungen von den Monopolen weiterhin investiert wird. Eindrucksvolle Beispiele bieten dafür der westdeutsche Steinkohlenbergbau sowie die Eisen- und Stahlindustrie. 1 5 Die Folge ist, daß der Teil der brachgelegten bzw. nicht voll ausgelasteten Produktionskapazitäten von Zyklus zu Zyklus zunimmt. Im Jahre 1955 wurde das nichtausgelastete Anlagekapital in der westdeutschen Industrie zu Preisen des Jahres 1958 auf 3,5 Mrd. DM geschätzt, 1960 stieg es auf 7,5 Mrd. DM und 1964 auf 26 Mrd. DM. 1 6 Obwohl 1964 bereits vorhandenes Anlagekapital im Werte von 26 Mrd. DM nicht genutzt war, wurden im gleichen Jahr Bruttoinvestitionen von 18 Mrd. DM vorgenommen. 17 Im jährlichen Durchschnitt des Zeitraumes 1950 bis 1964 stand in Westdeutschland einer Summe von 12,306 Mrd. DM Bruttoinvestitionen (Preise 1958) nicht genutztes Bruttoanlagekapital in Höhe von 12,671 Mrd. DM gegenüber. Der Nettoausfall an Industrieproduktion infolge der Stillegung von Produktionskapazitäten betrug im jährlichen Durchschnitt 10,972 Mrd. DM und für den Gesamtzeitraum 165 Mrd. DM. (Das entspricht fast der Nettoproduktion der westdeutschen Industrie von 1964: 174 Mrd. DM).

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Obwohl diese Zahlen aller Wahrscheinlichkeit nach den Produktionsausfall und die Überkapazitäten zu niedrig bewerten, 1 9 geben sie eine Vorstellung von der Größenordnung der Überakkumulation und der Brachlegung von Kapital. Die der Gesellschaft hierdurch entstehenden Verluste an Nationaleinkommen unterschreiten nach den vorliegenden Schätzungen in ihrer Größenordnung keineswegs die Verluste durch die zyklischen Krisen. Die staatsmonopolistische Regulierung der Preise und die staatlichen Entschädigungen für Profitausfall führen auch zu direkten Produktionsdrosselungen, wie z. B. in der Erdölund Erdgasförderung der USA, im Bergbau der USA und Westeuropas. Daß der kapitalistische Marktmechanismus mit seinen Wert-, Preis- und Profitkategorien die modernen Produktivkräfte nicht bewältigen kann, offenbart sich vor allem in der chronischen Inflation als Voraussetzung und Folge - d. h. systemimmanentem Bestandteil der staatsmonopolistischen Transformation von relativ überschüssigem Kapital. Die Vertiefung des Widerspruchs zwischen Produktion und Verwertung zeigt sich darin, daß hohe Profite für die Monopole nur auf Kosten hoher gesellschaftlicher Verluste und hoher absoluter Wachstumsverluste zu erzielen sind. Ein bedeutender Teil des Nationaleinkommens wird als Rüstungsgüter oder in Form von Überkapazitäten brachgelegt. Dazu kommen systembedingte volkswirtschaftliche Verluste durch die prarasitäre Ausdehnung des tertiären Sektors in Gestalt der Überbesetzung des Handels und der Zirkulationssphäre, 2 0 Luxuskonsum und parasitären Staatsverbrauch, unerhörten Reklameaufwand u. a. m. Ende der fünfziger Jahre machten allein die Kosten von Modelländerungen an Autos aus Reklamegründen in den USA 2,5 Prozent des Bruttosozialprodukts a u s . 2 1 Diese absoluten Wachstumsverluste ergeben sich aus der Verschärfung des Widerspruchs zwischen Produktion und Verwertung und sind notwendige Begleiterscheinungen der staatsmonopolistischen Wachstumsstimulierung. Sie ergeben sich aus der Notwendigkeit, die Produktion von Mehrwert auf stets erweiterter Stufenleiter durchzuführen. Unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution ermöglicht und e r zwingt der Widerspruch zwischen der unbeschränkten Entwicklung der Produktivkräfte und dem beschränkten Ziel der kapitalistischen Produktion andere Bewegungsformen und Erscheinungsformen des relativen Kapitalüberschusses durch die Lenkung in parasitäre Bereiche, durch Brachlegung und Entwertung von Kapital und Einkommen. Auch in sozialistischen Ländern gibt es Erscheinungen der Überproduktion, Disproportionen in den Wachstumsfaktoren, inflationäre Tendenzen u. a. Diese Erscheinungen, die auch im Sozialismus das Wachstum des Nationaleinkommens hemmen, sind jedoch nicht notwendig Begleiterscheinungen des ökonomischen Systems des Sozialismus. Sie werden verschwinden in dem Maße, wie es gelingt, den Mechanismus des ökonomischen Systems des Sozialismus durch die Wirtschaftspolitik und Planung voll zu beherrschen und auszunutzen. Im Kapitalismus dagegen gehören diese Erscheinungen zum Funktionsmechanismus des Systems. Bedingung und Resultat der staatsmonopolistischen Transformation von relativ überschussigem Kapital in fungierendes ist somit die enorme Steigerung der Produktion eines ständigen relativen Kapitalüberschusses auf der Basis der schnellen Entwicklung der Produktivkräfte und einer schnellen Ausdehnung der produktiven Konsumtion gegenüber dem frühen Entwicklungsstadium des Imperialismus und der ersten Etappe der allgemeinen Krise. Die Überlebtheit der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, gemessen an den Produktivkräften, zeigt sich darin, daß der Aufwand an gesellschaftlicher Arbeit zur Aufrechterhaltung der überlebten privaten Profitproduktion enorm wächst. Einen wachsenden Teil ihrer Arbeit muß die Gesellschaft für Zwecke aufwenden, die ihr absolut nichts nutzen, die aber notwendig sind, um den Verwertungskreislauf des Kapitals in Fluß zu halten, den Produktionsprozeß von Mehrwert auf stets erweiterter Stufenleiter durchzuführen und die ökonomische, politische und militärische Macht der Monopole Uber die Gesellschaft zu vergrößern und dadurch den realen Reichtum der Gesellschaft relativ zu verringern. Die qualitativ neue Stufe der Verschärfung der Widersprüche, die dem relativen KapitalUberschuß zugrunde liegen, bedingt gleichzeitig mit den daraus resultierenden neuen Quellen, Funktionen und Erscheinungsformen des relativen Kapitalüberschusses neben dem Kapital262

export auch neue Absorbtionskanäle für das relativ überschüssige Kapital, so die Ausweitung des parasitären Staats Verbrauchs, insbesondere die Rüstung, die Entwicklung der Infrastruktur, die staatliche "Entwicklungshilfe" und andere Formen der staatlichen Finanzierung der ökonomischen und politischen Expansion. Durch diese und weitere Absorbtionskanäle als spezifische Methoden der staatsmonopolistischen Transformation von relativ überschüssigem Kapital in fungierendes Kapital wird der gesamten Gesellschaft ein Tribut auferlegt, um die ökonomischen und politischen Bedingungen zur Aufrechterhaltung des Profitsystems zu sichern. Diese spezifischen Methoden bedingen ihrerseits gleichzeitig die konkreten historischen Erscheinungsformen des relativen Kapitalüberschusses in Form von chronischen und Strukturkrisen, der langfristigen Inflation, der Überproduktion von produktivem Kapital, der weltwirtschaftlichen Strukturverzerrungen und der Deformation der internationalen Arbeitsteilung. Es sind dies heute gleichzeitig die konkreten Formen, in denen sich die Funktion des relativen Kapitalliberschusses - durch Kapitalvernichtung und -entwertung die Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter zu ermöglichen - vollzieht. Quellen, Funktion, Erscheinungsformen und Absorbtionskanäle des relativen Kapitalüberschusses bedingen sich so gegenseitig und sind die einzelnen Komponenten der Bewegung des Widerspruchs zwischen Produktion und Verwertung, seiner relativen Lösung und Verschärfung in der zweiten und dritten Etappe der allgemeinen Krise des Kapitalismus.

FUSSNOTEN 1

Vgl. K. Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, Berlin 1953, S. 305 ff.

2 K. Marx/F. Engels, Werke, Band 25, Berlin 1964, S. 243 3 Wir unterstellen hier und im folgenden, daß der Lohn dem Wert der Arbeitskraft entspricht,und abstrahieren von der Steigerung der Arbeitsintensität und der Steigerung der Qualifikation der Arbeitskräfte 4

Vgl. K. Marx/F. Engels, Werke, Band 25, a . a . O . , S. 243 f.

5

Ebenda, S. 246

6

Ebenda, S. 231-233

7 Ebenda, S. 254 8 Vgl. K. Marx, Grundrisse . . . , a . a . O . , S. 348 9 Ebenda, S. 312 10 K. Marx/F. Engels, Werke, Band 25, a . a . O . , S. 258 f. 11 Ebenda, S. 260 12 K. Marx, Grundrisse . . . , a . a . O . , S. 246 13 Vgl. K. Marx/F. Engels, Werke, Band 25, a . a . O . , S. 257 f. 14 Vgl. G. Ebert/F. Matho/H. Milke, Gedanken zur Präzisierung des Gesetzes des vorrangigen Wachstums der Produktion von Produktionsmitteln, in: Wirtschaitswissenschaft, H. 4, 1967, S. 588 15 Vgl. DWI-Forschungsheft, H. 1, 1967, Strukturwandlungen, Wirtschaftswachstum und -politik in Westdeutschland

263

16

Ebenda, S. 18

17

Ebenda, sowie S. 59

18

Ebenda, S. 65

19

Ebenda

20

Vgl. hierzu insbesondere K. W. Kapp, Volkswirtschaftliche Kosten der Privatwirtschaft, TUbingen-ZUrich 1958

21

264

B . Sweezy, Monopoly Capital, New York-London 1966, S. 137

PARVIZ KHALATBARI

Zum W a c h s t u m s p r o z e ß in d e r L a n d w i r t s c h a f t d e r

Entwicklungs-

länder

Die Entwicklungsländer sind ihrer Geschichte nach ehemalige Kolonien, Halbkolonien und abhängige Länder, die in der zweiten und dritten Etappe der allgemeinen Krise des Kapitalismus ihre politische Unabhängigkeit errungen haben und die Festigung der politischen Unabhängigkeit sowie die ökonomische Selbständigkeit erstreben. Das heißt, diejenigen ehemaligen Kolonien und Halbkolonien gehören zur Kategorie der Entwicklungsländer, in denen die National-Kolonialfrage noch nicht vollständig gelöst ist, und damit gehören sie trotz ihrer politischen Unabhängigkeit dem kapitalistischen Weltwirtschaftssystem an. Der Prozeß des Wachstums in den Entwicklungsländern soll auch in Beziehung zum kapitalistischen Weltwirtschaftssystem untersucht werden. Eine von dieser Warte aus angestellte Untersuchung ist deshalb notwendig, weil damit sowohl die Bestimmung der Stellung der Entwicklungsländer im System als auch der Entwicklungstendenz dieser Länder möglich ist. Innerhalb des kapitalistischen Weltsystems polarisieren sich die Gesellschaften durch die innere Dynamik des Systems. Entwicklung und Fortschritt des einen Pols im kapitalistischen Weltsystem bedingen die Unterentwicklung des anderen und umgekehrt. Zwischen den rückständigen Ländern und den hochentwickelten Ländern bestehen gleichzeitig eine immanente Interdependenz und Diskrepanz. Dies führt zwangsläufig zur Entstehung und Vertiefung der gegenwärtigen Kluft zwischen beiden Ländergruppen. Letzten Endes ist diese Kluft auf den unterschiedlichen Stand der Produktivkräfte zurückzuführen. Die unterschiedlichen Produktivkräfte, der Stand der Wissenschaft und Technik bedeuten eine rasche Entwicklung des einen Pols auf Kosten des anderen. Die Diskrepanz in der Produktionsweise sowie dem Stand der Wissenschaft und Technik vergrößert die Widersprüche des kapitalistischen Weltsystems. Diese Diskrepanz in einem einheitlichen System prägt eine Reihe von Erscheinungen und Vorgängen, die in den Ländern des kapitalistischen Weltsystems auftreten. Viele Merkmale der Entwicklungsländer sind vor allem durch diese Diskrepanz zu erklären. Der Mechanismus des Systems führt in der Tendenz zur Vertiefung der Kluft zwischen beiden Ländergruppen. Die Reichen werden reicher,und die Armen werden ärmer. Die Entwicklungsländer als schwacher Pol im kapitalistischen Weltwirtschaftssystem sind damit Objekt ständiger Ausbeutung und Verelendung. Das Ziel des Wirtschaftswachstums in den Entwicklungsländern besteht vom Standpunkt des gesellschaftlichen Fortschritts darin, den Abstand zu den hochentwickelten Ländern aufzuhalten, zu verringern und schließlich zu beseitigen. Dieses Ziel kommt in einer Reihe von Teilzielen mannigfaltig zum Ausdruck. Jedes Teilziel kann in einer bestimmten Phase des Wachstums zum Mittel der Zielsetzung in der nächsten Phase werden. Diese Tatsache macht sich besonders in jenen Entwicklungsländern deutlich bemerkbar, wo die Verhältnisse relativ unkompliziert sind. (Diese Seite der Problematik wurde in diesem Aufsatz besonders berücksichtigt.) Die Erfüllung dieses Ziels hängt davon ab, inwieweit die Mittel dafür integriert sind und inwieweit diese Integration die Mittel zu einem zweckmäßigen System verbindet und zu einem raschen und ständigen Wirtschaftswachstum führt. Dieser Prozeß kann nicht spontan vor sich gehen. Ein spontaner Verlauf des ökonomischen Wachstums muß zwangsläufig in eine relative 265

Stagnation einmünden. Es handelt sich hier um eine bewußte Handlung, die mit der Minimierung der Reibungsfaktoren und der rationellen Kombination der Wachstumsfaktoren das dynamische Optimum des gesamten Systems erzielt. Es handelt sich also um einen langwierigen Prozeß, der sich etappenweise und relativ gesehen über eine lange Periode e r s t r e c k t . In diesem langfristigen Wachstumsprozeß wirken eine Reihe von solchen Variablen entscheidend, die in einem einzelnen Reproduktionskreislauf unbedeutend sind. Die Bedeutung der einzelnen Variablen ist von einer Etappe des Wachstums zur anderen unterschiedlich. In jeder Etappe kann sich eine der Variablen als Ziel behaupten, während die anderen als Mittel zur Erfüllung dieses Ziels dienen. In den weiteren Etappen wird j e doch dieses Ziel zum Mittel der Erfüllung einer anderen Variablen, die sich dann als Ziel behauptet. Die Variablen, die es in einer dynamischen Untersuchung zu berücksichtigen gilt, sind zahlreich und von unterschiedlicher Bedeutung. Die Berücksichtigung aller d i e s e r Variablen in einer dynamischen Modelluntersuchung der volkswirtschaftlichen Vorgänge widerspricht dem Charakter einer solchen Untersuchung, die nämlich auf einer Vereinfachung des Untersuchungsgegenstandes beruht. Eine Modelluntersuchung setzt daher eine Auswahl der f ü r einen bestimmten Zweck wichtigen Variablen voraus. Die Variablen, die in einer Entwicklungskette wirksam sind, können in zwei Gruppen aufgeteilt werden. Eine Reihe der Variablen sind, abgesehen von i h r e r Funktion in den einzelnen Etappen, yon allgemeiner Bedeutung und wirken entscheidend in allen Etappen des P r o z e s s e s . Kapitalbildung, Bevölkerungswachstum, Entwicklung der Technik und Technologie, Grad der Ausbildung, entsprechende Organisationen usw. sind solche Variablen. Diese Variablen können als allgemeine Faktoren des Wachstums bezeichnet werden. Neben diesen allgemeinen Faktoren wirken eine Reihe von Variablen, die nicht von allgemeiner Bedeutung sind. Sie spielen in einer bestimmten Phase des Wachstums eine entscheidende Rolle, können diese aber möglicherweise in der nächsten Phase bereits nicht voll aufrechterhalten oder sogar verlieren. Diese Variablen, die nur f ü r eine bestimmte Phase des Wachstums von großer Bedeutung sind, nennen wir spezifische Wachstumsfaktoren. Die spezifischen Faktoren des Wachstums sind also im Gegensatz zu den allgemeinen Faktoren von t e m p o r ä r e r Bedeutung und verändern sich von einer Phase des Wachstums zur anderen. Sie sind sogar in den verschiedenen Zweigen der Volkswirtschaft nicht i m m e r gleich oder haben zumindest unterschiedliches Gewicht. Aus diesem Grunde muß die Untersuchung der spezifischen Faktoren nicht nur in einer bestimmten Phase des Wachstums, sondern auch im Rahmen d e r einzelnen Zweige der Volkswirtschaft erfolgen. Zwischen spezifischen und allgemeinen Faktoren des Wachstums bestehen wechselseitige Beziehungen. In diesem Aufsatz soll der Wachstumsprozeß in den Entwicklungsländern untersucht werden. Die Variablen, die hierbei berücksichtigt werden, sind diejenigen, die f ü r den Wachstumspfozeß in den Entwicklungsländern von Bedeutung sind. Berücksichtigt werden aus der ersten Gruppe der Variablen der technische Fortschritt, die Veränderung des Kapitalbestands und das Bevölkerungswachstum. Da die Entwicklungsländer sich im Anfangsstadium des Wachstums befinden, wurden neben den obengenannten Variablen auch solche Variable der zweiten Gruppe in die Untersuchung einbezogen, die in dieser Phase besonders wichtig sind. Den Ausgangspunkt bilden die Ergebnisse, die bei der Untersuchung des Reproduktionsprozesses gewonnen w u r d e n . 1 Die Untersuchung des volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozesses der Entwicklungsländer beweist, daß die Stagnation der Landwirtschaft das Haupthindernis f ü r ein schnelles Wirtschaftswachstum ist. Die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und das Wachsen der Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft bilden zwei Aspekte zur Aktivierung der Landwirtschaft und zur Schaffung eines Zustandes, der einen normal funktionierenden Reproduktionsprozeß garantiert. Die Erfüllung dieser Aufgaben 266

geht Uber den Rahmen eines einzelnen Reproduktionskreislaufs hinaus. E s handelt sich um einen Prozeß, der sich nur in einer Reihe von Reproduktionskreisläufen und in einer r e l a tiv langen Zeit erfüllen läßt. Das heißt, es geht hier nicht allein um die Landwirtschaft als Katalysator im Reproduktionsprozeß, sondern auch darum, daß die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern den dominierenden Sektor der Volkswirtschaft darstellt. Deshalb soll dieser Sektor trotz seines stagnierenden Zustandes den größten Anteil am Prozeß des W i r t schaftswachstums tragen. Der agrarische Überschuß bildet die Hauptakkumulationsquelle. Damit bilden die Aktivierung der Landwirtschaft sowie die Schaffung und Verwendung des agrarischen Überschusses in vielen Entwicklungsländern das Kernproblem des Wirtschaftswachstums. Die Maßnähmen zur Aktivierung der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern sollen jedoch von Land zu Land bzw. von Ländergruppe zur Ländergruppe differenziert b e trachtet werden. Die Differenzierung beruht auf einem unterschiedlichen Charakter der Stagnation. In einigen Ländern ist die Stagnation dadurch charakterisiert, daß der überwiegende Teil der Landwirtschaft nicht einmal in der Lage ist, Uber den unmittelbaren Verbrauch d e r Produzenten hinaus einen Überschuß zu liefern. In einigen Ländern existiert ein solcher Überschuß, e r fließt aber als Grundrente in die Hände der Großgrundbesitzer und wird von ihnen f ü r unproduktive Zwecke verwandet. Hier wird die Stagnation durch Aneigung des ökonomischen Überschusses von unproduktiven und undynamischen Kräften c h a r a k t e r i s i e r t . Wir haben es hier also mit einer vollkommen anderen Art von Stagnation zu tun als in der ersten Ländergruppe. In anderen Ländern existiert neben diesen obengenannten Stagnationsformen ein dynamischer kapitalistischer Sektor innerhalb der Landwirtschaft, der sich aber in den Händen ausländischer Grundeigentümer befindet. Dieser Sektor liefert einen ökonomischen Überschuß, der sich teilweise auch in Kapital verwandelt, aber ins Ausland flüchtet. Ein Teil des ökonomischen Überschusses verbleibt in diesem Sektor als Royalty in dem betreffenden Land. Oftmals wird e r unproduktiv angelegt, manchmal wird e r auch f ü r die Entwicklung von Projekten verwendet. 2 Das Problem der Aktivierung der Landwirtschaft beruht in diesen drei Ländergruppen auf unterschiedlichen Maßnahmen und auf einer unterschiedlichen Politik. Während in der ersten Gruppe die Schaffung des ökonomischen Überschusses das Kernproblem der Aktivierung der Landwirtschaft ist, sind in der zweiten Gruppe die Freisetzung des ökonomischen Überschusses und seine Übergabe in produktive Hände das Hauptproblem. In der dritten Gruppe steht die Wandlung der Funktion des schon in Kapital verwandelten ökonomischen Überschusses als e r s t e r Schritt z u r Aktivierung der Landwirtschaft im Vordergrund. Diese Maßnahmen sind ein e r s t e r Schritt zur Kapitalbildung in den Entwicklungsländern und werden vor allem durch die jeweils herrschenden rückständigen Agrarverhältnisse, die keinen Impuls des Fortschritts in sich bergen, behindert. Die Beseitigung dieser Verhältnisse als Schranke einer jeglichen Entwicklung in der Landwirtschaft bildet die Hauptvoraussetzung zur Schaffung eines agrarischen Überschusses und damit zur Finanzierung des Wirtschaftswachstums. Der Grad der Radikalität der A g r a r r e f o r m in den Entwicklungsländern ist also der entscheidende Schritt zur Kapitalbildung als einer der wichtigsten Variablen im Wirtschaftswachstum. Die Schaffung des agrarischen Überschusses ist jedoch nur eine Seite der Aktivierung der Landwirtschaft. Der andere und nicht minder wichtige Aspekt besteht in der Verwendimg des Überschusses. Es geht um die Verwendung des agrarischen Überschusses sowohl in d e r Landwirtschaft als auch in nichtlandwirtschaftlichen Sektoren wie Industrie, Infrastruktur und so weiter. Diese beiden Investitionsarten bedingen einander und bilden eine Einheit. Die Investition in d e r Landwirtschaft: Intensivierung, Mechanisierung u s w . , ermöglicht nicht nur die Erschließung neuer Ländereien, sondern auch eine qualitativ b e s s e r e Bodenbearbeitung, Steigerung der Hektarerträge und Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Die Maximierung des agrarischen Überschusses dient als Hauptakkumulationsquelle zur Entwicklung der nichtlandwirtschaftlichen Sektoren. Die Investition in diesen Sektoren ist aber die einzige 267

Garantie gegen den Ausbruch der Arbeitslosigkeit, die durch die Akkumulation des funktionierenden Kapitals in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer hervorgerufen wird und wiederum das Wachstum stark retardiert. Das optimale Wachstum in beiden Sektoren ist also durch proportionale Investition in diesen Sektoren bedingt. Der Grad der Bildung des agrarischen Überschusses hängt davon ab, inwieweit die Landwirtschaft mit modernster Technik ausgerüstet ist. Es liegt selbstverständlich im Interesse eines raschen Wachstums und der schnellen Beseitigung der Kluft zwischen hochentwickelten und Entwicklungsländern, die gesamte Landwirtschaft und die nichtlandwirtschaftlichen Sektoren mit bester Technik auszustatten. Die Anwendung der modernen Technik in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer bedeutet nicht nur den Einsatz von Maschinen. Es handelt sich um einen komplizierten Prozeß, der sich von dem in Europa unterscheidet. Seinerzeit gab es in Europa, als in den Städten allmählich die Industrialisierung begann, in der Landwirtschaft keine Maschinen. In der Industrie kann der Standort je nach den Anforderungen der Maschinen relativ beliebig gewählt werden. In der Landwirtschaft dagegen ist der Standort gegeben, und die Maschinen müssen diesen Anforderungen angepaßt werden. Gerade deshalb setzte die Anwendung der Maschinen in der Landwirtschaft Europas eine gewisse technische Entwicklung voraus. Im Laufe dieser technischen Entwicklung, die in den Städten vor sich ging, absorbierte die Industrie einen bedeutenden Teil der Bauern. Die landwirtschaftliche Produktion mußte jetzt intensiver betrieben werden. Diese Intensivierung, die damals nicht durch Anwendung von Maschinen erreicht werden konnte, wurde durch den Fortschritt in den angewandten Naturwissenschaften ausgelöst. Neue, ertragreichere Pflanzen und leistungsfähigere Tiere boten vielfältige Möglichkeiten für intensive Formen der Betriebsweise, bessere Fruchtfolgen und eine günstigere Anpassung an die natürlichen Wachstumsbedingungen. Der biologische Ausgleich innerhalb der Betriebe wurde durch den Fruchtwechsel und wachsende Viehbestände bedeutend verstärkt, und im Zusammenwirken mit Mineraldüngern wurde ihre Nährstoffbasis erweitert. Als die technische Entwicklung den Einsatz von Maschinen in der Landwirtschaft ermöglichte, wurden die1 Maschinen mit den genannten.Maßnahmen kombiniert. In den Entwicklungsländern soll nun all dies zusammen durchgesetzt werden. Es geht nicht um den Einsatz der Maschinen schlechthin, 3 sondern es geht vielmehr um die kombinierte Anwendung der Errungenschaften der Agrotechnik in der Landwirtschaft. Dieser kostspielige Prozeß ist offenbar durch den Grad der Bildung des agrarischen Überschusses bedingt. Es besteht also zwischen der Bildung des agrarischen Überschusses und dem Ausmaß der Anwendung der modernen Technik eine dialektische Beziehung. Abgesehen von allen anderen Variablen (wie z. B. dem Ausbildungsgrad), die den Grad der Anwendung der modernen Technik bedingen, bildet allein der gegenwärtige Grad der Kapitalbildung in der Landwirtschaft eine Schranke für die weitgehende Mechanisierung der Landwirtschaft und umgekehrt. Dazu kommt, daß hier eine andere Variable wirksam ist, nämlich die Bevölkerungsfrage in den Entwicklungsländern mit ihrem negativen Einfluß. Bekanntlich handelt es sich in den Entwicklungsländern um eine rasche Zunahme der Bevölkerung. In den Nachkriegs jähren hat durch mehrere exogene Faktoren die Sterberate abgenommen, während die Geburtenrate gleichgeblieben ist. Unter den Bedingungen einer stagnierenden Landwirtschaft führt die rasche Zunahme der Bevölkerung zu einer wachsenden Überbevölkerung. Durch die spezifischen patriarchalischen Verhältnisse in der Landwirtschaft ist eine scharfe Trennung zwischen aktiver Bevölkerung und überschüssiger Bevölkerung unmöglich. Hier handelt es sich um das, was unter versteckter Arbeitslosigkeit bekannt ist. Diese Überbevölkerung schafft keine neuen Werte und keinen ökonomischen Überschuß. Sie übt im Gegenteil einen Druck auf den vorhandenen Überschuß aus und verringert den Anteil des ökonomischen Überschusses am neugeschaffenen Wert. Damit wird die Einsatzfähigkeit des agrarischen Überschusses zur Aktivierung der Landwirtschaft und Förderung des Wachstums beschränkt. Eine verstärkte Investition und Modernisierung der Landwirtschaft führt zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit, die in den Entwicklungsländern schon in erheblichem Maße vorhanden i s t . 4 268

E s bandelt sich um eine paradoxe Situation. Einerseits ist die moderne Technik f ü r die Entwicklungsländer ungeeignet, dadiesegegenwärtigunter Überbevölkerung leiden. Andererseits aber ist ohne die moderne Technik der Abstand zu den hochentwickelten Ländern nicht zu verringern. Die moderne Technik und die Beschäftigungsfrage setzen sich gegenseitig Schranken. Das Problem besteht darin, daß man die drei Variablen: technischer Fortschritt, agrarischer Überschuß und zunehmende Bevölkerung, optimal nutzt, um den Abstand zwischen Entwicklungsländern und hochentwickelten Ländern zu minimieren. Es handelt sich vor allem um eine Investitionspolitik, die bestrebt ist, optimale Mobilisierung der Arbeitskraft und optimale Auslastung d e s Arbeitsvermögens der Bevölkerung einerseits und die Förderung der Technik zum Ausgleich des Niveaus mit den hochentwickelten Ländern andererseits zu erreichen. Das ist eine Aufgabe, die anscheinend widersprüchlichen Charakters i s t . Es gibt zahlreiche Ökonomen, die diese Aufgabe vereinfachen und versuchen, entweder die moderne Technik der Beschäftigung zu opfern,oder aber umgekehrt, die Beschäftigung auf Kosten der modernen Technik vorzunehmen. Diese Art des Herangehens an die Problematik ist einseitig und nicht im Interesse des Fortschritts. Im Prozeß der Aktivierung der Landwirtschaft kann man auf die moderne Technik nicht verzichten. Nicht n u r , weil die Förderung der modernen Technik in der Landwirtschaft eine rationelle Nutzung des Bodens und der Arbeitskraft, Steigerung des a g r a r i schen Überschusses und somit den einzigen Weg zur Überwindung der Rückständigkeit bedeutet, sondern weil sogar unter den gegenwärtigen Bedingungen die Mittel - seien sie auch in den verschiedenen Ländern unterschiedlich - für die Schaffung eines Kerns der modernen Landwirtschaft existieren. In einer Reihe der Länder sind ausländische Plantagen als dynamischer Sektor in der Landwirtschaft vorhanden, in anderen Ländern existieren schon einheimische kapitalistische Betriebe, wenn auch nur im beschränkten Umfang, und in anderen Ländern sind wenigstens einige Faktoren vorhanden, die zur Schaffung eines modernen Kerns in der Landwirtschaft dienen können. Es kann im Interesse der Beschäftigung nicht auf diese Möglichkeiten verzichtet werden. Es liegt am jeweiligen Staat, durch geeignete Maßnahmen die Funktion der ausländischen Betriebe im Interesse des Volkes zu ändern, die einheimischen dynamischen Betriebe von kapitalistischen Reibungsfaktoren zu befreien und die vorhandenen Faktoren zur Schaffung von modernen Sektoren in der Landwirtschaft zu fördern. Dieser moderne Kern als führender Sektor in der Landwirtschaft kann erheblich zur Kapitalbildung in der Landwirtschaft beitragen und überhaupt den Wachstumsprozeß beschleunigen. Parallel mit der Förderung des führenden Sektors soll ebenfalls der restliche Teil der Landwirtschaft, der zunächst nicht Objekt der Anwendung moderner Technik sein kann, angekurbelt werden. Gerade dieser Teil bildet zunächst den quantitativ überwiegenden Teil der Landwirtschaft. Die rationelle Investition zur optimalen Förderung dieses Sektors besteht neben den Maßnahmen zur Verbesserung d e r Geräte in der Anhebung solcher Variablen, die die Auslastung des Arbeitsvermögens der Menschen optimieren. Die optimale Auslastung des Arbeitsvermögens des Menschen ist relativ und verläuft je nach der Produktionsweise unterschiedlich. Nach Stand und Niveau der Technik sowie dem damit verbundenen Entwicklungsgrad der Gesellschaft richtet sich der Grad der Auslastung des Arbeitsvermögens. Sie kann bei gegebener Technik optimal sein, während sie bei einer anderen Technik schon minimal sein kann. Bei dem gegenwärtigen Stand der Landwirtschaft der Entwicklungsländer besteht die Frage nicht darin, daß wegen der rückständigen Technik in der Landwirtschaft das Arbeitsvermögen nicht so optimal ausgelastet sein kann wie in den hochentwickelten Ländern, sondern sie besteht vielmehr darin, daß sogar bei der gegebenen rückständigen Technik und dem entsprechenden Niveau das Arbeitsvermögen des Menschen nicht rationell genutzt w i r d . Die Rationalisierung d e r Nutzung des Arbeitsvermögens wird letzten Endes durch die P r o duktionsverhältnisse in d e r Landwirtschaft behindert. In der gegenwärtigen Situation - bei der ungelösten Agrarfrage - sind die Menschen weder moralisch und geistig noch physisch in d e r Lage, ihr Arbeitsvermögen effektiv zu nutzen. 269

Eine radikale Agrarreform kann die Möglichkeiten zur Auslastung des Arbeitsvermögens sogar mit der niedrigen Technik schaffen. Die Förderung der Variablen, die sogar bei der niedrigen Technik einen höheren Nutzeffekt bringen können, ist ein entscheidender Beitrag zur Modernisierung der Landwirtschaft. Diese Variablen, die ihre Förderung in diesem Rahmen und bei dem gegenwärtigen Stand der Technik in der Landwirtschaft erzielen, gelten gleichzeitig als spezifische Faktoren des Wachstums in der Landwirtschaft in dieser Phase und in der weiteren Phase als Mittel zu anderen Teilzielsetzungen. An dieser Stelle werden wir nur einige wichtige Variable dieser Art, die f ü r die Auslastung des Arbeitsvermögens verantwortlich sind, behandeln. Eine der wichtigsten Variablen ist die individuelle Konsumtion der unmittelbaren Produzenten in der Landwirtschaft. Bekanntlich ist die landwirtschaftliche Bevölkerung in den Entwicklungsländern unterernährt, was sich im ungenügenden Kalorien- und Eiweißverbrauch ausdrückt. Der Verbrauch einer minimalen Menge an Kalorien (pro Tag etwa 1400 bis 1500) ist eine Voraussetzung des Lebens. Man spricht bei einem täglichen Kalorienverbrauch von 1500 bis 2500 von Unterernährung. Dabei ist zu beachten, daß der notwendige Kalorienverbrauch je nach der Art der Arbeit, dem Alter, dem Geschlecht, der Konstitution und dem Klima unterschiedlich i s t . Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen hat die UNO f ü r 41 Länder der Welt den im Durchschnitt notwendigen Kalorienverbrauch pro Tag und den realen Verbrauch der Kalorien festgestellt. Auf dieser Liste steht Neuseeland an der Spitze mit einem täglichen Kalorienverbrauch von 3430 Kalorien (127 % des notwendigen Kalorienverbrauchs) und El Salvador mit 1557 Kalorien täglich (53 % des notwendigen Kalorienverbrauchs), steht an letzter Stelle. Statistisch läßt sich beweisen, daß der Kalorienverbrauch in einem direkten Verhältnis zur Auslastung des Arbeitsvermögens steht. Wenn alle Faktoren, die die Auslastung des Arbeitsvermögens bedingen, ohne Defekt existieren, dann ist das Verhältnis des realen Kalorienverbrauchs zum notwendigen wie folgt: Verhältnis der prozentualen Nutzung der Arbeitskapazität zum Kalorienverbrauch in Prozent an notwendigen Kalorien 50 60 -

5

in Prozent der Auslastung des Arbeitsvermögens 19

70

27,5

70 -

80

50

- 63

80 -

90

63

- 71

90 - 100

75

- 85

- 45

100 - 110

85

- 93

über 110 - 127

95

- 98

Aus dieser Tabelle ergibt sich, daß mit der Erhöhung des Kalorienverbrauchs auch die Arbeitsproduktivität steigt. Weiterhin läßt sich feststellen, daß ein 100%iger Verbrauch an notwendigen Kalorien nicht 100%ige Nutzung des Arbeitsvermögens bedeutet. Die optimale Nutzung des Arbeitsvermögens setzt einen höheren Prozentsatz des Kalorienverbrauchs voraus. Außerdem kann man aus dieser Tabelle ersehen, daß eine Erhöhung des Kalorienverbrauchs auf 100 Prozent (notwendige Kalorien) zu einer raschen Steigerung der Arbeits kapazität führt. Darüber hinaus ist bei weiterer Erhöhung des Kalorienverbrauchs die Steigerung d e r Arbeitskapazität nicht so steil. Es läßt sich auch feststellen, daß in den Ländern, die einen niedrigen Kalorienverbrauch haben, eine Vergeudung von Arbeitsvermögen und gleichzeitig eine Vergeudung von Kalorien existieren. In El Salvador verbraucht z. B. ein 270

Arbeiter 1557 Kalorien, um zu einer Arbeitskapazität von 19,3 Prozent zu kommen. In den USA hat ein Arbeiter 3100 Kalorien, also die zweifache Menge, und das Arbeitsvermögen ist fünfmal so hoch wie in El Salvador. Das heißt also, daß in El Salvador 1557 x 5 = 7785 Kalorien verbraucht werden, um zum gleichen Prozentsatz der Auslastung des Arbeitsvermögens zu kommen wie in den USA. Nach den Angaben von FAO Uber 24 Entwicklungsländer kann man sagen, daß in 80 % dieser Länder der tägliche Kalorienverbrauch unter 2500® liegt. Davon entfallen auf 3 Länder

2350 - 2500 Kalorien

10 Länder

2000 - 2350 Kalorien

6 Länder unter

2000

Kalorien.

Das bedeutet, daß in diesen Ländern bestenfalls zwischen 27,5 und 68 Prozent des Arbeitsvermögens der Menschen in Anspruch genommen werden kann. Eine Erhöhung des Kalorienverbrauchs bzw. eine Verbesserung der Nahrungsbedingungen der unmittelbaren Produzenten ist offensichtlich ein entscheidender Faktor der Entwicklung. Die Verbesserung der Nahrungsbedingungen auf etwa 3000 Kalorien würde ein rasches Ansteigen der Arbeitsproduktivität nach sich ziehen. Darüber hinaus hat, wie schon erwähnt, eine Erhöhung des Kalorienverbrauchs nur unwesentliche Wirkung auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität, und damit hört sie auf, ein Wachstumsfaktor zu sein. Sie wird also in einer höheren Phase des Wachstums zur Selbstverständlichkeit. Daß die Verbesserung der Nahrungsbedingungen in der gegenwärtigen Wachstumsphase der Entwicklungsländer ein spezifischer Faktor ist, widerspricht der Behauptung mancher bürgerlicher Ökonomen, wie der von R. Nurkse. E r meint, daß die Maßnahmen zur Bändigung der individuellen Konsumtion der Landbevölkerung gegenwärtig Hauptfaktoren der Kapitalbildung in den Entwicklungsländern seien. 7 Sein Rezept führt zur Vergeudung eines großen Prozentsatzes des Arbeitsvermögens des Menschen und wirkt sich hemmend bei der Kapitalbildung aus. Alle Theorien der Kapitalbildung, die auf einem Konsumverzicht der Masse der Bauern beruhen, finden in den Entwicklungsländern keinen realen Boden. Hier ist der Konsum der Bevölkerung so minimal, daß man gegenwärtig im Interesse der künftigen Erhöhung der Konsumtion den Gürtel nicht mehr enger schnallen kann. Ein anderer, aber nicht weniger wichtiger Wachstumsfaktor ist in der gegenwärtigen Etappe die Verbesserung der hygienischen Verhältnisse bei den Bauern. Die Landbevölkerung ist wegen Unterernährung gegenüber zahlreichen Krankheiten anfällig. Der biologische Hauptfeind der Menschen sind die Bakterien. Ihre Bekämpfung setzt eine Vielzahl von prophylaktischen Maßnahmen voraus. Das Dorfleben bietet der Landbevölkerung nur sehr wenig. Überfüllte Wohnungen, mangelnde Wasserhygiene, Unkenntnis elementarer hygienischer Grundsätze und dergleichen mehr bieten diesem Feind der Menschheit ein günstiges Milieu. 8 Parasitäre Krankheiten sind in allen Entwicklungsländern verbreitet. Dazu kommt, daß ein Mangel an Ärzten, Krankenhäusern und Medikamenten vorliegt, was die Krankheiten kompliziert und die Menschen oftmals für ihr weiteres Leben schädigt. ^ Der Defekt in der Gesundheit der Menschen als der Hauptproduktivkraft spiegelt sich in einer Verminderung der Auslastung des Arbeitsvermögens wider. Die Verminderung des Grades des Arbeitsvermögens kann wiederum auf sichtbare Art und Weise oder in versteckter Form stattfinden. Sichtbar wird sie in der Summe von Tagen, an welchen man wegen Krankheit nicht arbeitet. Die versteckte Form kommt zum Ausdruck, indem die Menschen trotz ihres Krankseins weiterarbeiten. Über die zweite Form der Verminderung der Arbeitskapazität in den Entwicklungsländern gibt es keine Statistiken. Bei der ersten Form existieren wegen Mangels an Krankenhäusern auch nur unvollkommene Daten. Deshalb ist 271

es unmöglich, das genaue Verhältnis zwischen der Gesundheit d e r Menschen und der Auslastung des Arbeitsvermögens statistisch festzustellen. Nach Berechnungen des US Department of Health, Education and Weifare wird der gesundheitliche Defekt der Menschen, umgerechnet auf die Summe der Bettlägerigen pro Jahr, e r m i t t e l t . 1 0 Hiernach läßt sich schlußfolgern, daß z. B. die Arbeiter in Dänemark nur 7 von 290 Arbeitstagen das Bett hüten. Vom Standpunkt des Faktors Gesundheit können sie 98 Prozent ihres Arbeitsvermögens einsetzen, womit sie, von diesem Aspekt aus gesehen, an der Spitze stehen. Die Arbeiter von Guatemala dagegen sind an 52 von 290 Arbeitstagen bettlägerig. Sie rücken damit an das Ende der Liste und können auch nur 82 Prozent i h r e r Arbeitskapazität auslasten. Die Summe der Arbeitstage pro Kopf und J a h r , die durch Krankheit verlorengehen, liegt in Nordamerika und den hochentwickelten Ländern Europas zwischen 7 und 12 Tagen, und die prozentuale Auslastung des Arbeitsvermögens beträgt 96 bis 98 Prozent. In den Entwicklungsländern umfaßt die Zahl der durch Krankheit verlorengegangenen Tage etwa 37 bis 52,und entsprechend liegt die Nutzung des Arbeitsvermögens zwischen 82 und 87 P r o zent (Kolumbien bildet mit 28 Tagen und 90 Prozent Arbeitskapazität eine Ausnahme). Diese Umrechnung und Gleichung des US Department oft Health ist willkürlich und ungenau. Sie vermag keineswegs die richtigen gesundheitlichen Verhältnisse und die Auslastung des Arbeitsvermögens in den Entwicklungsländern darzulegen. Abgesehen von einer Reihe von Unzulänglichkeiten, die einen Vergleich zwischen den verschiedenen Ländern unmöglich machen* 1 , berücksichtigt diese Umrechnung eine wichtige Tatsache nicht. Viele parasitäre Krankheiten reduzieren in den Entwicklungsländern das Arbeitsvermögen, ohne daß sie unmittelbare Todesursache sind. Somit ist praktisch der Prozentsatz der Auslastung des Arbeitsvermögens wegen der gesundheitlichen Situation (oder der Gesundheitskoeffizient des Arbeitsvermögens) in den Entwicklungsländern viel niedriger, als vom U.S. Department geschätzt wurde. H. Correa sagt mit Recht, daß diese Schätzung lediglich eine grobe Orientierung erlaubt. Auf alle Fälle zeigt diese Untersuchung, wenngleich sie auch sehr grob ist, daß die Verbesserung des Gesundheitswesens in den Entwicklungsländern gegenwärtig ein Faktor zur Steigerung der Arbeitskapazität und somit ein wesentlicher Faktor des Wachstums ist. In der weiteren Etappe des Wachstumsprozesses wird dieses bestimmte Niveau des Gesundheitswesens zur Selbstverständlichkeit. Die Untersuchung der beiden genannten spezifischen Faktoren und ihre Beziehung zum Arbeitsvermögen hat isoliert von einander stattgefunden. Die Untersuchung richtete sich auf den Mangel an Hygiene o d e r die Nahrungsbedingungen, während alle anderen Faktoren, die das Arbeitsvermögen beeinflussen, als normal vorausgesetzt wurden. In den Entwicklungsländern sind jedoch der Mangel an Konsumtion d e r Nahrungsmittel und die schlechte hygienische Situation miteinander gekoppelt, und somit ist ihre Wirkung auf die Verminderung des Arbeitsvermögens vervielfacht. Praktisch ist unter diesen Bedingungen d e r prozentualen Auslastung der gesamten Arbeitskapazität (K)

K

n

= Konsumtionskoeffizient: K

g

= Gesundheitskoeffizient 1 2

Im Zusammenhang mit dem mangelhaften Gesundheitswesen und dem Nahrungsmittelverbrauch stehen nicht nur die Verminderung des Arbeitsvermögens, sondern auch das niedrige Durchschnittsalter. Die Beteiligung der Menschen am Produktionsprozeß setzt ein bestimmtes Alter voraus, welches in den hochentwickelten Gesellschaften bei 15 Jahren liegt. Die Investition fUr E r nährung, Erziehung und Vorbereitung der Menschen auf die Beteiligung am Produktionsprozeß der Gesellschaft ist e r s t rentabel, wenn die Menschen über bestimmte Perioden (in den hochentwickelten Gesellschaften etwa 50 Jahre) ohne Defekt arbeiten. Das heißt, das 272

Durchschnittsalter muß bei etwa 65 Jahren, wie in den hochentwickelten Ländern, liegen. In den Entwicklungsländern liegt das Durchschnittsalter weit unter dem der hochentwickelten Länder. 13 Als Anhaltspunkt nehmen wir 50 produktive Jahre als optimal an, was aber gleichzeitig eine notwendige Voraussetzung für eine wachsende Gesellschaft ist. Innerhalb dieser 50 Jahre wird ein bestimmtes Quantum an Produkten hergestellt. Sind aber die produktiven Jahre um 50 Prozent vermindert, müßte das jährliche Quantum der Produktion vermehrt werden, um die Gesamtsumme zu erhalten. In der Praxis ist es aber in den Entwicklungsländern nicht so, daß die niedrige Lebenserwartung durch eine höhere Arbeitsproduktivität kompensiert wird. Allein durch die Lebenserwartung ist die Auslastung des Arbeitsvermögens während des Lebens geringer als in den hochentwickelten Ländern. Die Verminderung des Arbeitsvermögens durch den Alterskoeffizienten (K a ) ist gleich dem Kehrwert von K 1 oder Ka=ip a 50

.

Unter Berücksichtigung der Einwirkung dieser Faktoren im Zusammenhang mit der Nahrung und dem Gesundheitswesen auf die Verminderung der Arbeitskapazität in den Entwicklungsländern können wir zu einer allgemeinen Formel kommen, um die prozentuale Auslastung des Arbeitsvermögens in den Entwicklungsländern zu bestimmen, und zwar: K = K . K . K n g a oder

K K

K . K . J S g P " 50

15

Die Lebenserwartung und damit die produktiven Jahre spielen, obwohl sie eng mit den beiden anderen genannten Faktoren zusammenhängen, eine selbständige Rolle bei der Verminderung des Arbeitsvermögens. Aus diesem Grunde bedeutet ihre allmähliche Steigerung bis zum 65. Lebensjahr auf 50 Jahre einen spezifischen Faktor des Wachstums in den Entwicklungsländern. Darüber hinaus kann eine Steigerung der Lebenserwartung im Prozeß des Wachstums keine wesentliche Rolle spielen. Die ersten drei spezifischen Faktoren, also Steigerung der Nahrungskonsumtion, Verbesserung der hygienischen Lage und Steigerung der Lebenserwartung, sind eng mit der Steigerung des Prokopfeinkommens verbunden. Statistisch läßt sich beweisen, daß gerade in den Ländern mit niedrigem Prokopfeinkommen der Kalorienverbrauch sehr niedrig, die Zahl der Einwohner pro Arzt sehr hoch ist und die durchschnittliche Lebenserwartung sehr tief l i e g t . 1 6 Die Steigerung des Prokopfeinkommens ist in der Regel das Ergebnis des Wachstums. Somit kann behauptet werden, daß die Steigerung des Nahrungsverbrauchs und die Verbesserung der hygienischen Situation Ergebnisse des Wachstums sind und keine Faktoren desselben. Diese Behauptung Ist richtig. Das Wachstum ist mit einer ständigen Veränderung der Technik verbunden. Unter den Bedingungen, daß die Technik fortschreitet, wird sich die Arbeitsproduktivität erhöhen, was zu Verbesserungen, sei es bezüglich der Nahrungsoder hygienischen Situation, führt. Unsere Untersuchung berührt diesen Aspekt der Sache nicht. Hier wurde vielmehr die Problematik unter den Bedingungen der rückständigen Technik (ohne Fortschritt bzw. wesentlichen Fortschritt) untersucht. Gesetzt den Fall, es bestehe eine Möglichkeit, das Einkommen, die Nahrung usw. zu verbessern, würden diese als Wachstumsfaktoren gelten und die Änderung der Technik bewirken. In den Entwicklungsländern ist es möglich, das Einkommen und damit den Nahrungsverbrauch zu erhöhen und die hygienische Situation der Bevölkerung zu verbessern, ohne zunächst die Technik zu verändern. In einer Reihe dieser Länder ist das Nationaleinkommen 273

sehr ungleichmäßig unter der Bevölkerung verteilt. Im Mittleren Osten, in nordafrikanischen Ländern und auch in einigen lateinamerikanischen Ländern liefert die Landbevölkerung 1/3 bis 3/4 der Ernte als Pacht an die Großgrundbesitzer ab. Eine radikale Agrarreform kann das Einkommen der Bauern auf das Zwei- bis Dreifache erhöhen und damit die Wirkung der spezifischen Faktoren des Wachstums, sogar unter der gegebenen Technik, beflügeln. In vielen afrikanischen Ländern sieht dies völlig anders aus. Hier existiert kein Großgrundbesitz. Die Produkte werden vom unmittelbaren Produzenten verzehrt. Die Verzehrung der Produkte erfolgt teilweise direkt (das bloße Minimum zur Lebenserhaltung), aber zum großen Teil indirekt. Das heißt, ein T eil wird zur ökonomischen Sicherheit fiir schlechte Zeiten eingespart. Dieser eingesparte Teil verfault jährlich, wird vernichtet oder für rituelle Zeremonien verschwenderisch ausgegeben. Die Verwendung dieses indirekten Verzehrs zur direkten Konsumtion oder zur Verbesserung der Hygiene bedeutete eine Steigerung des Arbeitsvermögens. Es handelt sich hierbei um eine institutionelle und Verwaltungsmaßnahme des Staates, was sogar unter der gleichbleibenden rückständigen Technik und ohne wesentliche materielle Belastung stattfinden kann und die spezifischen Wachstumsfaktoren wirksam werden läßt. Die Verstärkung des Arbeitsvermögens des Menschen durch die Freisetzung der spezifischen Wachstumsfaktoren wird die Steigerung der Produktion und der Prokopfproduktion mit sich bringen. Die Steigerung der Arbeitskapazität der ländlichen Bevölkerung birgt die Verdrängung eines Teils der Arbeitskraft aus der Produktion in sieht. Das heißt, es besteht die Gefahr der Ausdehnung der Arbeitslosigkeit. Gegenwärtig beträgt die Zahl der Arbeitslosen in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer schätzungsweise 100 bis 150 Millionen. 19 Mit der Steigerung der Arbeitskapazität des einzelnen würde sich diese Zahl noch vergrößern. Diese Behauptung ist nur zum Teil wahr. Gegenwärtig ist die Landwirtschaft der Entwicklungsländer wegen der niedrigen Auslastung des Arbeitsvermögens und der niedrigen Konsumtion überfüllt. Jeder ist verpflichtet, seinen bescheidenen Anteil an Arbeit einzusetzen, um sich ein Minimum der Existenz zu verschaffen. Es ist eine Tatsache, daß von 700 Millio20

nen Analphabeten auf der Welt 400 Millionen schulpflichtige Kinder sind. Der größte Teil dieser Kinder lebt in den Entwicklungsländern und unter anderem auf dem Feld arbeitet, um die Existenz zu gewährleisten. Mit der Steigerung des Arbeitsvermögens könnte man die reale Voraussetzung für den Abzug -der Kinder aus der Produktion schaffen und ihnen damit die Möglichkeit geben, eine Schule zu besuchen. Auf diese Weise wäre ein entscheidender Beitrag zur Verminderung der Überbevölkerung geleistet. Selbst der Übergang der Kinder aus der Produktion in die Schule bzw. die Verbreitung der allgemeinen Bildung ist in der Anfangsetappe des Wachstums ein spezifischer Faktor. Es handelt sich nicht nur um die genannten Faktoren, die als spezifische Wachstumsfaktoren durch die Agrarreform freigesetzt werden, sondern die Agrarreform bietet eine Reihe weiterer Möglichkeiten zur Steigerung der Produktion und der Arbeitsproduktivität, die aber von psychologischem und organisatorischem Charakter sind und als spezifische Faktoren des Wachstums gelten. Jede Produktionsweise ist mit einer bestimmten Organisation der Arbeit verbunden. Unter der gegenwärtigen Agrarverfassung ist die Arbeitsorganisation ein Faktor des Verlusts bzw. des Brachliegens von Arbeitsvermögen. Während die rückständigen Produktivkräfte der Verbesserung der Arbeitsorganisation eine bestimmte Grenze setzen, verhindern die Produktionsverhältnisse die Entfaltung der Initiative zur Verbesserung der Arbeitsmethoden sogar unter den rückständigen Produktivkräften. Die offene halbfeudale Ausbeutung in einer Reihe von Ländern und die versteckte Ausbeutung in anderen schalten jegliches Interesse an der Steigerung der Produktion und der Arbeitsproduktivität aus. Die Agrarreform wird die schöpferische Begeisterung der Menschen wecken. Diese Begeisterung gilt als Kern der Dynamik im Anfangsstadium des Wachstums und kann trotz der rückständigen Technik hierbei eine hervorragende Rolle spielen. Die gewaltige Rolle der Begeisterung der chilenischen Bauern im Anfangsstadium des Wachstums läßt sich nicht bestreiten. In Algerien konnte die revolutionäre Begeisterung durch die Selbstverwaltung als einer 274

neuen Organisation der Arbeit sogar teilweise den Rückgang der Produktivkräfte (durch Abzug der französischen Großgrundbesitzer) kompensieren. Auch mit einer primitiven Technik, aber bei rationeller Organisation der Arbeit (zur Erosionsbekämpfung, Wassernutzung usw. ) kann eine Steigerung der Produktion und der Produktivität erreicht und der Weg für die weitere Entwicklung geebnet werden. Die Begeisterung und die Änderung der Organisation der Arbeit im Rahmen der gegenwärtigen rückständigen Technik sind zwei weitere Faktoren, die allerdings erst durch eine radikale Agrarreform wirksam werden können. Die Förderung dieser Faktoren wird im Laufe der Zeit zur Förderung der Kapitalbildung, Ausbildung, Erschließung neuer Ressourchen und Einführung der modernen Produktivkräfte beitragen und den Prozeß in eine neue Phase Uberleiten. In den weiteren Etappen des Wachstums werden eine Reihe der genannten Variablen, wie Nahrungsverbrauch, hygienische Lage und Durchschnittsalter, zu einer Selbstverständlichkeit und einem ständigen Mittel zur Erfüllung des Ziels. Die Förderung der spezifischen Variablen, die sogar unter dem niedrigen Stand der Technik zur optimalen Auslastung des Arbeitsvermögens führen, trägt entscheidend zur Modernisierung der Landwirtschaft bei. Die Entwicklung der Landwirtschaft als Grundlage des Wachstums in den Entwicklungsländern besteht also nicht in der einseitigen Förderung der modernen Technik und dem Vernachlässigen des traditionell betriebenen Teils der Landwirtschaft, es geht darum, ein Optimum zwischen der Förderung beider Maßnahmen zu finden und damit die Modernisierung etappenweise und planmäßig durchzuführen.

FUSSNOTEN 1

Vgl. P. Khalatbari, Die Anwendung der Marxschen Reproduktionsmodelle in den Entwicklungsländern, in: Wirtschaftswissenschaft, H. 8/1967

2

Vgl. P. Khlatbari, Zum Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern, in: Wirtschaftswissenschaft, H. 9/1966

3

Die Türkei ist ein typisches Beispiel dieser einseitigen Anwendung von Maschinen in der Landwirtschaft. Innerhalb von 10 Jaliren stieg die Zahl der Traktoren hier auf das lOfache und erreichte eine Anzahl von 45 000 Stück. Eine Folge davon war, daß die Fläche des gepflügten Landes auf 24 Millionen Hektar stieg. Ein großer Teil davon waren Hanganlagen. Sowohl Wasser- als auch Winderosion haben dadurch ein katastrophales Ausmaß angenommen. Um die Erosion zu stoppen, müssen etwa 4 Millionen Hektar wieder in Weide oder Wald verwandelt werden.

4

F . Baade schätzt den Anteil der Arbeitslosen in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer auf etwa ein Drittel, wenn nicht mehr, der gesamten Arbeitsfähigen in der Landwirtschaft. Vgl. F . Baade. . . . denn sie sollen satt werden, Oldenburg-Hamburg 1964, S. 202/203

5

Errechnet nach H. Correa, The Economics of Human Ressorces, Amsterdam 1963 Tabelle IV 2 - 1 S. 32/34

6

FAO Production Yearbook 1963, Vol. 17, S. 253/255

7

R. Nurkse, Problems of Capital Formation in underdeveloped Countries, Oxford 1964. S. 37 ff. 275

8 Es wird geschätzt, daß etwa die Hälfte der gesamten Bevölkerung in den Entwicklungsländern (Uber 1 000 Millionen) entweder obdachlos sind oder in Wohnungen leben, die, hygienisch gesehen, sehr schlecht sind. Allein in Indien haben 42 % der Wohnungen keine Latrine, 38 % eine gemeinsame Latrine und nur 20 % eine eigene Latrine, (Vgl. Science and Technology for development, Bd. V, People .and Li Ving; New York 1963, S. 138) 9

Folgende Tabelle zeigt die Zahl der Einwohner pro Art und pro Krankenhausbett (Angaben für die Jahre 1950-1955) Land

Zahl der Einwohner pro Arzt pro Krankenhausbett

Schweiz

700

68

BHD

740

95

USA

760

101

Venezuela

1 900

395

Mexiko

2 400

875

Brasilien

3 300

310

Türkei

3 400

950

Peru

4 500

500

Algerien

5 000

345

Indien

5 700

3 060

Burma

8 400

10 800

Nigeria

57 000

2 200

Liberia

90 000

4 000

(Vgl. R. F. Behrend, Soziale Strategie für Entwicklungsländer, Frankfurt (Main) 1965, S. 73) 10 US Department oft Health, Education and Weifare entwickelte eine Methode zur Kalkulation der gesamten gesundheitlichen Defekte, umgerechnet auf eine bestimmte Summe von Tagen, an denen man vollkommen unfähig ist zu arbeiten. Es wirdbehauptet, daß das Verhältnis der Sterberate einer bestimmten Krankheit in den USA zur Sterberate derselben Krankheit in einem bestimmten Land gleich dem Verhältnis der Summe der Bettlägerigen in den USA zu den Bettlägerlgen in dem betreffenden Land ist.

276

Li

qcl

ci

q , ci q Li d

=

Sterberate in den USA

=

Sterberate in dem betreffenden Land

=

Tage der Arbeitsunfähigkeit in den USA

d Li

=

Tage der Arbeitsunfähigkeit im betreffenden Land

(Vgl. US Department of Health, Education and Weif are, Public Health Service, Health Statistics from the US National Health Survey, Duability Day; USA, Juli 1961 bis 1958, Tab. 14, p. 28 11 Vgl. H. Correa, The Economics of Human Resources, a.a.O., S. 45 12 Zum Beispiel kann in Chile entsprechend dem durchschnittlichen Tagesverbrauch an Kalorien (2350) jeder Arbeiter nur 69,44 Prozent seiner Arbeitskapazität einsetzen (Kn = 69,44). Nach der Tabelle des US Department of Health vermindert die gesundheitliche Situation in Chile das Arbeitsvermögen auf 87 Prozent (K = 87). Die Verknüpfung dieser beiden Koeffizienten gibt nähere Auskunft Uber die prozentuale Auslastung des Arbeitsvermögens in Chile: K = 87 . 69,44 = 60 %. 13 Die folgende Tabelle zeigt die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt in Jahren:

30

35

Grönland

Ägypten Brasilien Guinea Taiwan Kongo Mexiko ElfenbeinSüdküste afrika

Indien

40

45

50

Guatemala

55

Bolivien Argentinien Ekuador Peru Costa GrieRica Puerto- chenland Guaderico loupe Bulgari El Salvador rien Rhodesien Thailand

60

65

Belgien Australien Ceylon FinnBRD land LuxemFrankburg reich Panama Irland Polen

70 Dänemark England Israel Kanada Neuseeland Holland

Island

Norwegen

'italien

Schweden

Öster- Japan reich Schweiz Spanien Ungarn CSSR UdSSR USA Zypern

UNO Demographie Yearbook I960, Nr. 23

277

14

Diesen Arbeitskoeffizienten kann man symbolisch wie folgt darstellen: -OlL ~J P K^ =

_ "

J

=

produktive Jahre in den hochentwickelten Gesellschaften, also 65 - 15 Jahre = 50 Jahre;

=

produktive Jahre im betreffenden Land.

K K1

0

Jp 15

50 J P sogenannter Arbeitskoeffizient;

In unserem Beispiel Chile sieht es so aus: Kq

=

69,44 %

K

=

87

=

50 - 15 = 35

=

69.4

J

S

P

%

also: k 16

• 87 • 35 50

_ 44 2 %

Folgende Tabelle zeigt diese Verhältnisse: Nationaleinkommen pro Kopf

Lebenserwartung

1366

70,6

Einwohner pro Arzt

Kalorienverbrauch

885

3153

760

67,7

944

2944

431

65,4

1724

2920

269

57,4

3132

2500

161

50,0

5185

2240

72

41,7

13450

2070

Vgl. R. F . Behrendt, a . a . O . , S. 73 17

Die folgende Tabelle illustriert die Höhe der Pacht in einigen Entwicklungsländern (prozentualer Anteil an der gesamten Ernte): Syrien 75; Pakistan 75; Irak 75; Iran 33 bis 80; Libanon 50 bis 80; Türkei 75; Libyen 80 bis 90; Marokko 80; Tunesien 75. (Zusammengestellt nach Wirtschaftswissenschaft, H. 6/58; Länderlexikon, 1. Auflage, Hamburg 1955/57 und 1958/60; Länder der Erde, Berlin 1960)

18

Vgl. E. Heimann, Soziale Theorie der Wirtschaftssysteme, Tübingen 1963, S. 10

19

Fritz Baade, . . . denn sie sollen satt werden, a . a . O . , S. 203

20

Vgl. Science and Technology for Development, Bd. VI, Education and Tranining, New York 1963. S. 11 - 12

278

21

Zum Beispiel waren ftlr die Wiederbewaldung in China als eine Maßnahme gegen die Erosion vor allem manuelle Arbeit und kaum Einsatz von Investitionsgutem erforderlich. In China wurde als Folge der Agrarreform als neue Organisation der Arbeit die Arbeitsbrigade gebildet. Die Bauern haben sich mit Begeisterung eingesetzt. Allein in Shauchang (Dorf), das 420 Familien umfaßt, wurden in einem Jahr 119 900 Bäume gepflanzt. (Vgl. Socialist upsurge in Chinas Country Side, Peking 1957, S. 66) In ganz China wurden 63 Millionen Hektor aufgeforstet (fünfmal mehr, als die gesamte Waldfläche der Bundesrepublik betrug). (Vgl. F. Baade, . . . denn sie sollen satt werden, a . a . O . , S. 197)

279

IOSIF ANGHEL, SORICA SAVA

Zur A u s a r b e i t u n g e i n e s M o d e l l s für die P l a n u n g d e r B e s c h ä f t i g u n g d e r A r b e i t s k r ä f t e in E n t w i c k l u n g s l ä n d e r n

Den Anlaß zum Versuch, ein Planmodell zur Beschäftigung der Arbeitskräfte in Entwicklungsländern auszuarbeiten, bilden zwei gegensätzliche Umstände: Der erste ist die schwerwiegende Erscheinung der Unterbeschäftigung der Arbeitskräfte oder die Erscheinung der versteckten oder auch offenen Arbeitslosigkeit, der zweite aber ist die verhältnismäßig unbedeutende Stellung, die die Einbeziehung der imbeschäftigten oder ungenügend beschäftigten Arbeitskräfte in die Produktion in Theorie und Praxis der Wirtschaftsplanung der Entwicklungsländer einnimmt. I. Inhalt und Widersprüche der Frage Die Erscheinung der Unterbeschäftigung der Arbeitskraft in den Formen, mit den Folgen und Ursachen, die ihr in zahlreichen Entwicklungsländern eigen sind, steht in der Geschichte der Wirtschaft und darüber hinaus der gesamten Gesellschaft beispiellos da. Sie ist eine Folge des - unserem Zeitalter vielfach eigentümlichen - Zusammenwirkens von einigen heutzutage allgemein bekannten wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und demographischen Faktoren: Entziehung des Kapitals der ehemaligen Mutterländer aus einigen solcher früher kolonialer Länder, die ihre staatliche Unabhängigkeit erkämpft haben, verhältnismäßiger Rückgang der Auslandsnachfrage nach einigen Rohstoffen und ungünstige "terms of trade", konservative Einstellung der meisten neuen polltischen Führungen in der Frage der Agrarverhältnisse und das Vorhandensein großer unbebauter, für die Landwirtschaft geeigneter Flächen, Unzulänglichkeit des einheimischen Kapitals und nicht immer angemessene Orientierung der staatlichen oder privaten Investitionen, die besonderen Formen der gesellschaftlichen Aufteilung des Nationaleinkommens, Vergeudung eines bedeutenden Teils desselben durch die besitzenden Klassen und Kapitalexport oder Neutralisierung bedeutender Mittel auf dem Gebiete von Dienstleistungen, das außerordentlich rasche Ansteigen der Bevölkerung in manchen Ländern usw. Diese Faktoren werden von den entscheidenden Einflüssen der gegenwärtigen technisch-wissenschaftlichen Revolution, den Einwirkungen des technischen Fortschritts auf den Beschäftigungsgrad der Arbeitskräfte, beherrscht. In den heute hochentwickelten kapitalistischen Ländern hatte sich der Übergang der Bevölkerung aus der Landwirtschaft in die Industrie schrittweise vollzogen, Im Verlaufe einiger Jahrhunderte, sozusagen unter den Bedingungen eines "natürlichen Gleichlaufs" zwischen der technischen Entwicklung und der Industrialisierung.1 In den Entwicklungsländern aber müßte sich der Übergang der Bevölkerung unverzüglich vollziehen, wenn die Unterbeschäftigung der Arbeltskräfte vermieden werden soll. Nun ist aber ein solcher rascher Übergang unmöglich, denn anstelle des im Westen erfolgten "natürlichen Gleichlaufs" wird die Industrialisierung von Anfang an von einer Technik begleitet, deren wichtigstes Kennzeichen die gewaltige Einsparung an Arbeitskräften ist. Der frühere, allmähliche "natürliche Gleichlauf" wurde durch einen eigentümlichen Gegensatz zwischem dem Gebote des wirtschaftlichen Fortschritts und der Unfähigkeit, die Arbeitsreserven zu beschäftigen, ersetzt. Die Frage der Unterbeschäftigung müßte man demzufolge 281

Im Rahmen Ihres Inhaltes zu lösen suchen, d. h. durch Auflösung des Gegensatzes zwischen der hohen,durch neue Technik erzielten Produktivität des Menschen und der großen Anzahl der Arbeitskräfte, die durch die Produktivität und Technik beschäftigungslos werden oder bleiben. Iii der westlichen Wirtschaftsliteratur fehlt es nicht an Vorschlägen zur Überwindung der Unterbeschäftigung. Bevor wir uns jedoch mit diesen Vorschlägen befassen, möchten wir die Aufmerksamkeit auf die anfangs erwähnte verhältnismäßig imbedeutende Stellung lenken, die die Abschaffung der Arbeitslosigkeit in der Theorie und der Praxis der Wirtschaftsplanung der Entwicklungsländer einnimmt. Eine Gruppe von Fachleuten, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes^ aus Volkswirtschaftlern Brasiliens, Kanadas, Italiens, Polens und Indiens gebildet wurde, stellt in ihrem Bericht fest, daß das Programm der wirtschaftlichen Entwicklung vieler Entwicklungsländer k e i n e A n z e i c h e n d e r F ü r s o r g e f ü r d i e H e b u n g d e s B e s c h ä f t i g u n g s g r a d e s d e r A r b e i t s k r ä f t e a u f w e i s t und "die Schaffung neuer Arbeltsplätze als ein Nebenprodukt der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung betrachtet wird. Sicherlich kann eine derartige Hypothese bis zu einem gewissen Grade berechtigt erscheinen, zumal in der Tat die Entwicklung normalerweise Arbeitsplätze schaffen wird, jedoch keineswegs soviel, als notwendig wären". Die Fachleute betonen daher, daß die Schaffung von Arbeitsplätzen "ein Ziel für sich bilden müsse". Sie fügen hinzu, man befürchte in den Entwicklungsländern, daß, falls die Zielsetzung der Hebung des Beschäftigungsgrades betont wird, dies den wirtschaftlichen Fortschritt, nämlich die Steigerung der Produktion oder die vielseitige Entwicklung der Wirtschaft, hemmen würde. 3 Gleichfalls zur Zielsetzung der Beschäftigung der Arbeitskräfte in den Plänen der Entwicklungsländer stellt ein anderer Verfasser fest, daß es eine Tatsache gebe, die jeden Beobachter unbedingt befremden müsse: "Im allgemeinen wird in den Betrachtungen verhältnismäßig wenig Augenmerk auf denjenigen Bedarf an Arbeitskräften gerichtet, den die Verwirklichung des Planes erfordert, und auf die Mittel zur Befriedigung dieses Bedarfes. Mit anderen Worten: der Mensch erscheint als Produktionsfaktor bloß gelegentlich in den Plänen der wirtschaftlichen Entwicklung, und vielfach gestatten die Angaben keine genaue Erkenntnis der Maßnahmen, die zur sinnvollen Nutzung dieses in der Tat wesentlichen Faktors fuhren sollen. Der Verfasser führt diese Lage auf zwei Ursachen zurück. Einerseits ist für die Wirtschaft der Entwicklungsländer im allgemeinen ein Überfluß an Arbeitskräften kennzeichnend. Wenn man diese Arbeitermasse unterschiedlos als ein Ganzes betrachtet, wird leicht der Anschein erweckt, als genüge es, aus ihr nach Bedarf zu schöpfen. Andererseits sind demgegenüber die Kapitalien beschränkt, und die Entwicklungspläne haben des öfteren den offenkundigen oder unausgesprochenen Zweck, Darstellungen eines geordneten wirtschaftlichen Wachstums zu bieten, aus denen der Bedarf an Kapital hervorgeht. Man verfolgt auf diese Weise das Ziel, dieses Kapital - zumindest teilweise - aus dem Ausland zu erlangen. 5 Unserer Ansicht nach sind die Erwägungen dieser und anderer Verfasser, wonach die Wirtschaftsplanung der neuen Staaten der Abschaffung der Unterbeschäftigung verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit widmet, im allgemeinen zutreffend. Die Ursachen dieser E r scheinung dürften aber viel kpinplizierter sein, als sie dieser oder jener westliche Forscher darstellt. Wir denken vor allem daran, daß allein der W i l l e , eine theoretische und in die Planung der Wirtschaftsentwicklung sowie in praktische staatliche Maßnahmen übertragbare Lösung zu finden, keineswegs tatsächlich eine solche Lösung finden läßt. In der Tat sind die von den westlichen Wirtschaftlern empfohlenen Lösungen entweder unannehmbar, weil sie dem Gebote des raschen wirtschaftlichen Fortschritts widersprechen, oder sie sind unanwendbar, weil sie irreal oder geradezu falsch sind. Auch denken wir zugleich daran, daß bei der gegenwärtigen Lage der Wirtschaftswissenschaft und angesichts der konkreten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und demographischen Bedingungen, die heute in den Entwicklungsländern vorliegen, eine theoretische und praktische Lösung - zumindest einstweilen - wenn nicht unmöglich, so doch außerordentlioh schwierig zu finden ist. 282

Das sind die Gründe, weswegen wir den Leser im voraus warnen wollen, um ihn nicht zu enttäuschen: Die Modellskizze, die wir für die Planung der Beschäftigung der Arbeitskräfte in den Entwicklungsländern vorschlagen, stellt keine Lösung des Widerspruchs zwischen der auf der modernen Technik begründeten Arbeitsproduktivität und der Unfähigkeit zur vollen Beschäftigung der vorhandenen Arbeitskräfte dar. Wir entsinnen uns jedoch, daß sich Professor Abbe P. Lerner im Vorwort eines seiner bekanntesten Bücher zu den Mitteln, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen oder einen bestimmten Grad der Beschäftigung der Arbeitskräfte zu erzielen, äußert und den Gedanken aufwirft, daß nichts wirksam erfüllt werden kann, "wenn unsere Aufmerksamkeit von Anfang an darauf gerichtet ist, was wir vermeiden oder was wir verwirklichen wollen. Gegenstand unserer Aufmerksamkeit muß von Anfang an das Verstehen und die Erklärung des Mechanismus der Dinge sein. Nur wenn wir die Natur des Mechanismus verstanden haben, der den Stand der Beschäftigung bestimmt, können wir hoffen, das Unliebsame zu vermeiden und das Gewünschte zu verwirklichen. "6 Unsere Zielsetzung ist nicht weniger bescheiden.

n . Lösungen Die von den westlichen Wirtschaftlern den Entwicklungsländern empfohlenen Lösungen sind hinlänglich bekannt. Ihr Ausgangspunkt ist im allgemeinen der Satz, dem nicht leicht zu widersprechen ist, daß eine hohe Zusammensetzung des Kapitals nicht mit der Steigerung des Beschäftigungsgrades vereinbar sei. Da hohe Zusammensetzung des Kapitals und damit moderne Technik sowie hohe Arbeitsproduktivität Vorbedingung des raschen Anstiegs der Wirtschaft sind, ergibt sich daraus, daß die Zielsetzungen zur Hebung des Beschäftigungsgrades nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung vereinbar sind. Die Gruppe von Fachleuten, aus deren Bericht wir oben zitiert hatten, erklärt hierzu: "Das wirtschaftliche Wachstum kann gute, ja sogar vorzügliche Erfolge vom Gesichtspunkt der Produktionserhöhung erzielen, nicht aber auch vom Gesichtspunkt des Beschäftigungsgrades. Es bleibt also eine schwierige gesellschaftliche Frage ungelöst." 7 Die Schlußfolgerung ist bekannt: Solange es Uberfluß an Arbeitskräften und Mangel an Kapital gibt, ist es vorteilhafter, einfachere und billigere Maschinen zu verwenden und bevorzugt Investitionen mit "hohem Arbeitsaufwand" zu wählen, d. h. solche Investitionen, die ihrer Natur und der angewandten Technik nach eine niedrige Stufe der Zusammensetzung des Kapitals gestatten. Da jedoch selbst ein derartiger Einsatz von Investitionen in den Produktionszweigen wie auch die Anwendung alter - ja sogar sehr alter - Technik allein nicht imstande wären, Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit zu beseitigen, so müßte der Schlüssel des Problems in der Steigerung der Investitionsrate bestehen. Es wird behauptet, daß jene Akkumulationsraten, die in der Vergangenheit ausreichten, um in verschiedenen Ländern das Angebot an Arbeitskräften aufzunehmen, gegenwärtig zur Lösung der Probleme der Entwicklungsländer völlig ungeeignet sind. Es ist unschwer verständlich, daß derartige Empfehlungen nicht leichthin angenommen werden können. Ein Land, das sich heutzutage bereit fände, das wenige Kapital, das ihm zur Verfügung steht, in Entwürfe zu investieren, die auf alter Technik fußen, und das außerdem seine Konsumrate verringern würde, um die Akkumulationsrate entsprechend zu erhöhen, müßte die Hoffnung aufgeben, die rückständige Lage beseitigen zu können. Es würde sich in Verbindimg mit dem Konsumniveau zusätzliche gesellschaftliche und politische Schwierigkeiten aufbürden, ohne aber dafür auch nur zumindest die Gewähr zu haben, hierdurch Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Bedeutend vernünftiger ist die vom Franzosen Gabriel Ardant 8 ausgearbeitete Lösung, die in Fachkreisen einiges Aufsehen erregt hat. E r hält es mit seiner Methode für möglich, die Unterbeschäftigung der Arbeitskraft völlig aufzuheben. Wir wollen hier kurz an die hauptsächlichen Elemente dieser Methode erinnern. G. Ardants Vorschläge haben folgenden Satz als Ausgangspunkt: So wahr es ist, daß die 283

Investitionen die Beschäftigung der Arbeitskraft schaffen, ebenso wahr ist es, daß die Beschäftigung Investitionen schafft, Anstatt die "volle Beschäftigung" als Ziel der Planung zu setzen, müßte sie vielmehr ein Mittel zur Verwirklichung des Planes darstellen. Ardant führt an, da3 diesem Gedankengange üblicherweise entgegengehalten werde, daß in Verbindung mit der Industrialisierung eine bestimmte Zahl von Investitionen, einige große Vorhaben, stehen, deren Umfang durch den Mangel an Einrichtungen (an Kapital) und an Technikern beschränkt sei. "Dies bedeutet nicht, daß diese Serie von großen Vorhaben nicht durch andere Investitionen ergänzt werden könnte, für die wir - vielleicht um den Preis eines geringeren Wirkungsgrades - auf Ingenieure und Bulldozer verzichten k ö n n e n . E s müßten also zwei R e i h e n von I n v e s t i t i o n e n vorgesehen werden, die auf verschiedenen Methoden fußen. Das sind: erstens die " g r o ß e n I n v e s t i t i o n e n " , auf die die meisten materiellen Mittel und die Mehrzahl der verfügbaren Techniker konzentriert werden, auf die jedoch nur ein verhältnismäßig geringer Teil der verfügbaren Arbeitskräfte entfällt; zweitens die " k l e i n e n I n v e s t i t i o n e n " , und zwar mit der Bestimmung, die großen Investitionen zu vervollständigen. Diese "kleinen Investitionen" bestehen aus einem Komplex von ländlichen Vorhaben: Errichtung von Terrassen zum Anpflanzen von fruchttragenden Bäumen, Arbeiten zur Vermeidung von Bodenerosionen, Errichtung von Bewässerungsgräben, kleinen Talsperren usw. Diese Investitionen sind unmittelbar und sofort produktiv, sie schaffen zusätzliche Arbeitsplätze und führen zu Erzeugnissen, die wirtschaftlich einträglich sind. Für derartige Arbeiten müssen den Bauern keine Löhne gezahlt werden, die das wirtschaftliche Gleichgewicht stören. Allerdings muß der Staat die Durchführung dieser Arbeiten durch Beratung, Unterweisung, kostenlose Bereitstellung von Zement oder Gewährung einfacher Beihilfen anspornen und fördern. Normalerweise sollten die "kleinen Investitionen" im staatlichen Wirtschafts-Entwicklungsplan vorgesehen werden. Der Staat sollte sich jedoch hierbei darauf beschränken, allgemeine Richtlinien für die Ausführung dieser Arbeiten zu erteilen und auf eine zu genaue Prüfung dieser Art von Investionen verzichten. G. Ardants Vorschläge sind auf den von ihm persönlich in Marokko, Tunis und Madagaskar gewonnenen Erfahrungen gegründet. Sie unterscheiden sich - allem Anschein nach grundsätzlich von den Theorien der "gemeinschaftlichen Entwicklung". In der Tat betont Ardant die Notwendigkeit und die Möglichkeit der "großen Investitionen" auf Grund der modernen Technik; zugleich aber soll Gegenstand der "kleinen Investionen" nicht der Bau von Schulen, Straßen usw. sein. Diese Investitionen sind sicher notwendig, sie schaffen aber nicht sofort eine zusätzliche Produktion. Es sollen vielmehr solche Arbeiten auf dem Lande durchgeführt werden, die s o f o r t zusätzliche Erträge zeitigen, wie Bodenverbesserungen, kleine Staudämme, Berieselungskanäle usw. Ardant begründet letzten Endes seine Vorschläge zur Politik der Vollbeschäftigung wie folgt: "Der Sektor der Großinvestitionen und der Industrialisierung bildet einen wesentlichen Bestandteil dieser Politik. Daß der Sektor der vielen dezentralisierten Investitionen ("kleine Investitionen") dennoch eine so wichtige Stellung innehaben muß, ist größtenteils der Unmöglichkeit zuzuschreiben, den erstgenannten Sektor bis zu dem Punkt zu entwickeln, wo er die gesamten verfügbaren Arbeitskräfte aufnehmen und allen Bedürfnissen des Landes entsprechen würde." 10 Die Ardantsche Lösung kann weder angenommen noch abgelehnt werden, ohne sie vorher einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen. Dies würde jedoch die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit übersteigen. Wir wollen uns dennoch einige kurze Bemerkungen gestatten, deren Prüfung noch bevorsteht. Wenn man diese Lösung ausschließlich vom wertmäßigen Standpunkt betrachtet, so erscheint sie richtig. In der Tat würde der Verbrauch jenes Teils der Bauernschaft, der zu den "kleinen Investitionen" herangezogen wird, aus dem Zusatzertrag gedeckt werden, den die betreffenden ländlichen Arbeiten schaffen. Auch die zeitliche Folge wäre richtig, da die zusätzliche Nachfrage e r st dann auftreten würde, wenn die zusätzlichen Tätigkeiten bereits den Zusatzertrag geschafft haben würden. Es würde demzufolge nicht die Gefahr 284

einer Inflation oder der Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes eintreten, die Akkumulationsrate mUSte nicht zugunsten der Konsumrate verringert werden und auch das Verhältnis zwischen der Erzeugung von Produktionsmitteln und der Erzeugung von Verbrauchsgütern nicht geändert werden. Jedoch hat ein solches wertmäßiges Gleichgewicht weder theoretischen noch praktischen Sinn, wenn/es nicht auch als stoffliches Gleichgewicht bestehen kann, d. h. als Gleichgewicht zwischen dem tatsächlichen Angebot von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und der tatsächlichen Nachfrage für landwirtschaftliche Erzeugnisse oder Industrieartikel. Nun scheint uns ein derartiges Gleichgewicht nur unter zwei Bedingungen möglich:Entweder werden die zusätzlichen landwirtschaftlichen Erzeugnisse von ihren Er zeugern selbst verbraucht, ohne daß ein Austausch dieser Erzeugnisse mit jenen des Sektors der "großen Investitionen" stattfindet, oder die landwirtschaftliche Produktion wird exportiert, im Tauschwege gegen die von den Bauern benötigten Industrierzeugnisse. Diese Erzeugnisse erhalten jedoch ausschließlich jene Bauern, welche die f(ir Ausfuhr bestimmten landwirtschaftlichen Erzeugnisse geliefert haben. Die "kleinen Investitionen" würden sich weder im ersten noch im zweiten Falle In die Gesamtwirtschaft einordnen, wie es sich G. Ardant vorstellt. Sie würden aber dazu beitragen, die Unterbeschäftigung der ländlichen Arbeitskraft zu mildern,und dies würde auch andere, keineswegs von der Hand zu weisende Folgen haben. Diese beiden Möglichkeiten erscheinen uns nicht gekünstelt; jede der beiden oder sogar beide zugleich könnten - zumindest teilweise - verwirklicht werden. Wenn aber aus irgendeinem Grunde keiner dieser beiden Wege oder nur einer in unbedeutendem M aße beschritten würde, und wenn demzufolge die zusätzliche landwirtschaftliche Produktion auf dem Inlandmarkt gegen Industrieerzeugnisse des Sektors der "großen Investitionen" eingetauscht würde, wodurch ihre Eingliederung in den wichtigsten und entscheidenden Abschnitt der Volkswirtschaft erfolgte, so könnte die Anwendung der Ardantschen Methode andere Folgen haben. Es ist richtig, daß im Sektor der "kleinen Investitionen" weder der Staat noch private Kapitalisten Geldlöhne zahlen. Dennoch muß die Gesellschaft die zusätzliche Produktion dieses Sektors mit solchen Industrieerzeugnissen entlohnen, die aus dem anderen Sektor stammen. Im Vergleich zum Lohn bliebe nur der einzige Unterschied, daß die Bezahlung in Industrieerzeugnissen - entsprechend den für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu bestimmenden Preisen - nicht nur den Gegenwert des notwendigen Produkts, sondern auch einen gewissen Teil des Mehrprodukts beinhalten könnte. In diesem Falle würden zwar weder der Staat noch private Kapitalisten irgendein Kapital in dem Sektor der "kleinen Investitionen" anlegen, doch die Produktion des Sektors der "großen Investitionen" müßte derart geregelt werden, daß sie einen zusätzlichen Bedarf an industriellen Gebrauchsgütern befriedigen könnte. Demzufolge steigt der Gesamtumfang des Verbrauchs, und ein bestimmter Teil der Produktion des Sektors der "großen Investitionen", die durch diesen Zusatzverbrauch nicht gesteigert werden könnte, müßte dem Konsum zugeführt werden. Das Verhältnis zwischen der Erzeugung von Produktions- und Konsumtionsmitteln müßte geändert werden, was sich auch auf die Akkumulationsrate und auf das Tempo der Industrialisierung auswirken könnte. Sonst könnte dem Druck einer Inflation nicht vorgebeugt werden. Es sei wiederholt: Diese unsere knappen Bemerkungen bedürfen eingehender rechnerischer Überprüfung, welche auch die Einflüsse der Preise berücksichtigen müßten. m. Das Mahalanobissche Modell Bevor wir unsdemMahalanobisschenModell oder jenem Teil dieses Modells zuwenden, in dem die Aufnahme des zusätzlichen Angebotes an Arbeitskraft ausdrücklich erscheint, werden wir kurz den "Koeffizienten Arbeitskraft - Erzeugnis" erwähnen, den Jean Mouly zur Bestimmung des Gesamtumfangs der zur Planerfüllung notwendigen Arbeitskraft vorgeschlagen hat. 1 1 Der Moulysche Koeffizient ist lediglich eine auf die Arbeitskraft angewandte Abart des R. Harrodschen Kapitalkoeffizienten. Bekanntlich Ist die Ausdrucksform dieses Koeffizienten 285

A K k =

A Y

I =

A

Y



wo k der Kapitalkoeffizient, K das konstante Kapital, I die Investitionen und Y das Nationaleinkommen ist. Mit Hilfe des Kapitalkoeffizienten kann der Umfang der für ein zusätzliches Nationaleinkommen notwendigen Investitionen berechnet werden: I = k A Y . Im gleichen Sinne könnte der J. Moulysche Arbeitskraftkoeffizient auch in der Form: A F k

F

A Y

geschrieben werden, wo F die Arbeiteranzahl bedeutet. Die Größe von A F , die für das Erzielen eines zusätzlichen Nationaleinkommens erforderlich ist, könnte bestimmt werden durch: A F = kF A Y. Diesem Instrument haftet der Mangel an, daß es viel zu wenig Aufklärung über das V e r hältnis zwischen dem Anwachsen der in der Produktion verwendeten Arbeitskräfte und anderen wichtigen Wirtschaftskennziffern, mit Ausnahme der Arbeitsproduktivität, gibt. Die Größe von k F könnte auf statistischem Wege bestimmt werden, also in Abhängigkeit von dem zwischen A F und A Y bestehenden Verhältnis. In diesem Falle wäre jede Möglichkeit einer künftigen Änderung ausgeschaltet. Die Größe von k F könnte aber auch technisch auf Grund der bestehenden oder künftigen planmäßigen Produktionsverhältnisse bestimmt w e r den. Aber auch als technisches Verhältnis würde sie nicht mehr aussagen als eine Produktionsfunktion des Typs Y = F j , wo j die Arbeitsproduktivität, Y und F ihre oben angegebenen Bedeutungen darstellen. In der Tat können auch die Koeffizienten der Arbeitskraft und des Kapitals nicht nur als das Verhältnis zweier Grenzwerte, sondern auch als das Verhältnis zweier Mittelwerte ausgedrückt werden:

F 1 Aus der oben angeführten Produktionsfunktion geht hervor, daß— = T ist. Demzufolge wäre k F um so kleiner, je größer die Arbeitsproduktivität ist. Dies ist ^zweifellos richtig, aber nicht ausreichend. Ebenso wie J. Mouly vom Koeffizienten der Arbeitskraft spricht, könnte man - gleich einer Variante des Ihvestitionsmultiplikators von Keynes - auch von einem Multiplikator der Arbeitskraft sprechen, und zwar ausgedrückt als das Verhältnis von Mittelwerten, nämlich m^, = , und = j . Aber dadurch werden keine neuen Aussagen zu der oben dargelegten Produktionsfunktion gewonnen. Mit diesen Vorbemerkungen wenden wir uns nun dem Modell von P. C. Mahalanobis'zu. 1 ^ In seinem grundlegendenTeil behandelt das Modell die G e s a m t v e r h ä l t n i s s e d e s w i r t s c h a f t l i c h e n W a c h s t u m s für eine aus zwei Sektoren zusammengesetzte Wirtschaft: k = Sektor zur Erzeugung von Arbeitsmitteln (Ausrüstungsguter), c = Sektor zur Erzeugung von Verbrauchsgütern. Die Variablen des Modells sind das Nationaleinkommen, der Verbrauch und die Investitionen (Y, C und K). Außer diesen Größen werden noch die folgenden Koeffizienten angewendet: der dem Sektor zur Erzeugung von Arbeitsmitteln (Investitionsgütern) JL k = zugewiesene Anteil der Gesamtinvestitionen; X = 1 - U = der dem Sektor zur Erzeugung von Verbrauchsgütern zugewiesene Anteil der Gesamtinvestitionen; ß ^ = das Verhältnis zwischen dem Wachstum des Einkommens und der Nettoinvestitionen in den Zweigen der Erzeugung von Investitionsgütern: ß = das Verhältnis zwischen dem Wachstum des Einkommens und der Nettoinvestitionen in den Zweigen der Erzeugung von Verbrauchsgütern; 286

=

das Verhältnis zwischen dem Wachstum des Einkommens und der*gesamten Nettoinvestitionen. Um nicht im folgenden hierauf zurückkommen zu müssen, seien diese Koeffizienten kurz erläutert. Das ermöglicht, den sich auf die Beschäftigung der Arbeitskräfte beziehenden Teil des Mahalanobisschen Modells klar darzulegen. jl k

=

J.

=

c

—' , I

wobei = Summe der Investitionen des Sektors k und I = Gesamtsumme der Investitionen;

I — , r

wobei I = Summe der Investitionen des Sektors c; o

AY

k

(die Bedeutung von Y und I ist bereits bekannt);

A Y c I c I*

A Y I

Wie ersichtlich, sind die Koeffizienten ß lediglich Umkehrungen des Kapitalkoeffizienten von R. Harrod ("die Investitionsproduktivität" nach E . D. Domar oder gemäß der geläufigen Terminologie der bürgerlichen politischen Ökonomie: "die Grenzproduktivität des Kapitals"). Im zweiten Teil seiner Arbeit "entfaltet" Mahalanobis das Grundmodell von zwei Sektoren in vier Sektoren, um jenen Teil der Gesamtinvestitionen, der im ersten Modell als Ganzes dem Sektor zur Erzeugung von Verbrauchsgütern zugewendet wurde, nunmehr auf drei Zweige aufteilen zu können und die Zunahme der zusätzlichen Arbeitskräfte in diesen Zweigen bestimmen zu können. Es sei betont, daß die Kennziffer der Arbeitskraft lediglich in dem Modell mit den vier Sektoren vorkommt. Aber auch das ist nur eine "Entfaltung" des ersten Modells mit zwei Sektoren. Im zweiten Modell gibt es wie im ersten einen Sektor k. Jedoch anstelle eines einzigen, mit c bezeichneten Sektors, erscheinen drei Sektoren: c^ (die "Großindustrie" der Verbrauchsgüter), c 2 (Landwirtschaft und kleine Gewerbebetriebe) und c 3 (allgemeine Dienstleistungen: Gesundheitspflege, Unterricht usw.). Erst jetzt werden die Parameter J " j eingeführt (i = k, c j , c 2 > c 3 ) , mit denen die für einen neuen Arbeitsplatz im Sektor i notwendigen Nettoinvestitionen dargestellt werden. Dies ist gleichbedeutend mit der Zusammensetzung des Kapitals, nämlich dem Verhältnis zwischen dem Gesamtumfang des neuinvestierten fixen Kapitals und der zusätzlichen Anzahl produktiver Arbeiter. Zugleich wird auch die Gesamtinvestition A und die Anzahl der neuen Arbeitsplätze N für den Planzeitraum festgelegt. "Das Modell kann nun auf zwei gleichwertige Arten formuliert werden, j e nachdem, ob man die den verschiedenen Sektoren von Verbrauchsgütern zugewiesenen Anteile der Gesamtinvestitionen (J.^) oder die neuen Arbeitsplätze (n^) in jedem dieser Sektoren hervorzuheben wünscht. Die beiden Parameter-Komplexe sind untereinander durch das Verhältnis UjA n. 1 X verbunden."13 287

BevcSr wir die Darstellung dieses Teiles des Mahalanobisschen Modells fortsetzen, wollen wir die obige Formel in eine verallgemeinerte, für die Gesamtheit der Sektoren geeignete Form bringen. Wir ersetzen also nj durch N, das die Gesamtzahl der neuen Arbeitsplätze darstellt. Anstelle von «¿jA setzen wir I und anstelle von «Tj = J : I N = I / i

=

N

N.

Diese Formel ist zwar tautologisch, jedoch zur Bestimmung derjenigen Anzahl von Arbeitern unerläßlich, die in Abhängigkeit von einer bestimmten Zusammensetzung des Kapitals und der Größe des fixen Kapitals (oder hier der Investition) beschäftigt werden können. Wir werden diese Formel - zwar in einem anderen symbolischen Ausdruck - auch in unserem Modell verwenden. Mahalanobis beabsichtigt nun, die drei Größen nj für die drei Zweige des Sektors "Erzeugung von Gebrauchs^ütern'' zu bestimmen, wobei nicht außer acht gelassen wird, daß X k und daher auch n^ _ "*kA mit Hilfe des Modells zu zwei Sektoren bestimmt werden können. »TC Die drei Größen n^ können an Hand folgender Verhältnisse bestimmt werden: n n n (1) ct + c2 + c3 = N - n k (2)

(3) \

J

n

\

\

C

+

1

• \

«T °2

n °2

\

\

J

+

• \

nC

°3

\

3

\

A

=

_ ""rk\

= V5

-

Y0

" ßk'k

Das letzte Verhältnis (3) ist der Ausdruck des Anstelgens des Nationaleinkommens in den Produktionszweigen für Verbrauchsguter in einer fünfjährigen Planperiode (Y Ist der Wert des Nationaleinkommens in der Basisperiode). Wir wollen nun das Verhältnis (3) nach der oben vorgeschlagenen Form umwandeln: AY I

I J l n C 1

. n

c. '1

AY °3 I C 3

.

n

C

I

1

c

2 .

°2

I c_ "3 n °3

.

AY

++

I

22. h.



n

= Y

5

°3

-

C

2

°2 AY

n

n

1 3k \

Y °

- A \

\

Dies läßt sich folgendermaßen vereinfachen:

Die verallgemeinerte Form ist: P«N

=

AY . -AF •

I I



N = AY

Wenn man N wegläßt, so erhält man

AY ——

.

I = A Y.

Dividiert man beide Glieder der Gleichung mit Y, so ergibt sich: A J L _Y 288

I

• IY oder

iY /

A Y

= Ss/k /K

=

Y

Das heißt: Die Zuwachsrate des Nationaleinkommens ist gleich der Akkumulationsrate (s) dividiert durch den Kapitalkoeffizienten (k), gemäß dem Modell von R. Harroa. Im Modell von Mahalanobis interessiert uns hier der Parameter J~= I/N. Obwohl dieses Verhältnis zur Bestimmung der in der Produktion möglicherweise zu beschäftigenden Arbeiteranzahl unerläßlich ist, so ist es unserer Ansicht nach fiir die Konstruktion eines Gleichgewichtsmodells unzureichend. Dennoch gebührt dem Mahalabonisschen Modell das Verdienst, daß es - und wenn auch nur auf der Grundlage der technischen Kapitalzusammensetzung - die Anzahl der zusätzlichen Arbeiter fiir jeden der vier Sektoren bestimmt. Vor Abschluß dieser Erörterungen erscheint es interessant, die Dollarwerte der Koeffizienten nach Mahalanobis' Schätzungen und den tatsächlichen Größen anzuführen: Sektoren

k

c2

°3

Mahalanobis' Schätzungen für den zweiten Plan

Am Ende Schätzungen für den des zweiten dritten Plan Plans verzeichnete Werte

= Investitionsgüter erzeugende Industrien 4 200

5 250

5 250

= Verbrauchsgüter erzeugende Industrien (Großindustrie)

1 830

2 980

3 10014

= Landwirtschaft, Kleinindustrie und .Handwerk

525

1 160

1 160

= Dienstleistungen

790

1 380

1 260

Wie aus den vorstehenden Zahlen ersichtlich ist, waren die Irrtümer der Schätzungen beträchtlich, und zwar für alle Sektoren. Dies führte dazu - zumal für die Investitionen bestimmte Werte vorgesehen waren daß vermutlich für die zusätzliche Arbeiteranzahl höhere Planziffern als die tatsächlich möglichen eingesetzt wurden.

IV. Grundlinien eines Gleichgewichtsmodells Mit der Bezeichnung "Gleichgewichtsmodell der Beschäftigung der Arbeitskraft" kennzeichnen wir ein dynamisch ausgedrücktes System der Gleichgewichtsbeziehungen, die zwischen der entsprechend den technischen Produktionsbedingungen möglichen Arbeiteranzahl und dem individuellen Konsum, der diesen Arbeitern bereits in der Planung gesichert werden muß, bestehen. Wir bemerken außerdem, daß unser Modell ein allgemeines Modell ist (also nicht nach Produktionszweigen differenziert). Dies bedeutet aber keineswegs, daß es nicht auch als entfaltetes Modell für die einzelnen Zweige gesondert in Betracht gezogen werden kann. Die von uns verwendeten Bezeichnungen sind: F p

Fc F K

= Anzahl der notwendigen Arbeiter, entsprechend den technischen Produktionsbedingungen; = Anzahl der Arbeiter, deren Verbrauchsbedarf gesichert werden kann; = Arbeiteranzahl; = gesamtes in der Volkswirt schifft verfügbares konstantes Kapital;

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M Y w j k b r 1 t

= Kapitalzusammensetzung, ausgedrückt im Verhältnis zwischen dem Umfang des konstanten Kapitals und der Arbeiteranzahl; = Nationaleinkommen; = durchschnittlicher Reallohn; = durchschnittliche Arbeitsproduktivität (je Arbeiter); = Kapitalkoeffizient; = der f ü r den persönlichen Konsum der Arbeitskraft erforderliche Anteil des Nationaleinkommens; dieser Anteil ist veränderlich: 0 < b