Territorial-Wirtschaft und Stadtwirtschaft: Ein Beitrag zur Kritik der Wirtschaftsstufentheorie 9783486764444, 9783486764437


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German Pages 148 [160] Year 1932

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VORWORT
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
KAPITEL I. DIE ANFÄNGE EINER TERRITORIALWIRTSCHAFT IM 13. JAHRHUNDERT
KAPITEL II. DIE BLÜTEZEIT DER STADTWIRTSCHAFT (13.-15. JAHRHUNDERT)
KAPITEL III. TERRITORIAL WIRTSCHAFT UND STADTWIRTSCHAFT SEIT DER ENTSTEHUNG DER LANDESHOHEIT (15./16. JAHRHUNDERT)
SCHLUSS. ERGEBNISSE.
EXKURS. ZUR ENTSTEHUNG DER „STADTWIRTSCHAFT”
REGISTER DER ORTS- UND PERSONENNAMEN
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Territorial-Wirtschaft und Stadtwirtschaft: Ein Beitrag zur Kritik der Wirtschaftsstufentheorie
 9783486764444, 9783486764437

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BEIHEFT 24 DER HISTORISCHEN ZEITSCHRIFT

TERRITORIALWIRTSCHAFT U N D STADTWIRTSCHAFT E I N BEITRAG ZUR KRITIK DER WIRTSCHAFTSSTUFENTHEORIE VON

H. SPANGENBERG

M Ü N C H E N UND BERLIN 1932 VERLAG VON R. OLDENBOURG

TERRITORIAL* WIRTSCHAFT U N D STADTWIRTSCHAFT E I N BEITRAG ZUR KRITIK DER WIRTSCHAFTSSTUFENTHEORIE VON

H.SPANCENBERG

M Ü N C H E N UND BERLIN 1932 VERLAG VON R. OLDENBOURG

B E I H E F T 84 D E R H I S T O R I S C H E N

ZEITSCHRIFT

Alle Rechte, einschließlich des Ü b e r s e t z u n g s r e c h t e s ,

vorbehalten

D R U C K V O N R. O L D E N B O U R G , M Ü N C H E N U N D B E R L I N

VORWORT. Die Aufgabe, welche dieses kleine Buch sich stellt, ist in der Einleitung näher bezeichnet worden. Die Berechtigung der Wirtschaftsstufentheorien Schmollers und Büchers soll an der Entwicklung der deutschen Territorien vom 12./13. bis zum 16. Jahrhundert geprüft werden. Es ist das Seitenstück einer älteren, in der historischen Bibliothek erschienenen Arbeit „Vom Lehnstaat zum Ständestaat" (München und Berlin, Verlag R. Oldenbourg, 1912), welche die verfassungsgeschichtliche Entwicklung der weltlichen und geistlichen Territorien des deutschen Reiches bis zur Entstehung einer landständischen Verfassung behandelt. Da wir außer K. Lamprechts und Eb. Gotheins bekannten Werken noch keine einzige umfassendere Wirtschaftsgeschichte einer deutschen Landschaft besitzen, ist der Versuch, die wirtschaftliche Entwicklung der deutschen Landschaften unter dem besonderen Gesichtspunkt des Verhältnisses von Landesherrschaft und Stadt im Zusammenhange darzustellen, wohl zugleich geeignet, eine Lücke der allgemeinen deutschen Wirtschaftsgeschichte auszufüllen; auch die ökonomische Entwicklung der deutschen Territorien ist in ihrer Abhängigkeit vom politischen, verfassungs- und verwaltungsgeschichtlichen Leben zum Teil von gleichen Strömungen beherrscht und geleitet worden. R o s t o c k , Dezember 1931. H. SPANGENBERG.

INHALTSVERZEICHNIS Seite

Einleitung Die Wirtschaftsstufentheorien G. Schmollers und K . Büchers; Max Webers „Idealtypen". S. 1 — 3. — Die intensivere Einflußnahme des Staates auf das Wirtschaftsleben beginnt nach Ansicht der Stufentheoretiker und G. v. Belows erst mit dem Anfang der Neuzeit. S. 3—5. — Widerlegung dieser Ansicht aus allgemeinen Gründen. S. 6. — Der Einfluß des Königtums auf Regelung des Verkehrs- und Wirtschaftslebens in der Zeit vor dem Interregnum. S. 6—10. — Die deutsche Landesherrschaft als Trägerin des staatlichen und wirtschaftlichen Fortschritts. S. 10—12. — Die Aufgabe: Prüfung der Wirtschaftsstufentheorien an der wirtschaftlichen Entwicklung der deutschen Territorien vom 12./13. bis zum 16. Jahrhundert. S. 12—13. K a p i t e l I: D i e A n f ä n g e e i n e r T e r r i t o r i a l w i r t s c h a f t im 13. J a h r h u n d e r t Die Entstehung des Territorialstaates und die „volkswirtschaftliche Revolution" des 13. Jahrhunderts. S. 14—15. — Landeskultur- und Siedlungspolitik des deutschen Fürstentums; Dorf- und Städtegründung. S. 15—26. — Landesfürstentum und Verkehrswesen. S. 27—29. — Die landesfürstliche Fürsorge für Regelung des Wirtschaftslebens. S. 30—45: Lebensmittel- und Teuerungspolitik. S. 31 — 32; Maß-, Gewichts- und Münzwesen. S. 32—35; Steuerwesen. S. 35—36; Landwirtschaft. S. 37—38; Gewerbewesen. S. 38 bis 40; Handel und Kreditwesen. S. 40—44; Bergwerkswesen. S. 44—45. — Die Ungleichartigkeit der wirtschaftlichen Betätigung des Fürstentums; das Deutschordensland. S. 45—50. Die ökonomische Bedeutung der landesherrlichen Maßnahmen auf dem Gebiete des Verkehrs- und Wirtschaftslebens. S. 50—51. — Ist man berechtigt, die Übergangszeit des 13. Jahrhunderts als eine Epoche der „Territorialwirtschaft" im Schmollerschen Sinne zu bezeichnen? S. 51 — 52. K a p i t e l II: Die B l ü t e z e i t der S t a d t w i r t s c h a f t ( i 3 . b i s 15. J a h r h u n d e r t ) Die Zersetzung der Landesherrschaft durch das Aufkommen der „intermediären" ständischen Gewalten, insbe-

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14—52

53 — 72

sondere des Städtewesens. S. 53—55. — Die Emanzipation des Bürgertums; Entstehung der Selbstverwaltung und Stadtwirtschaft. S. 55—58. — Die Blütezeit der Stadtwirtschaft; Abwehrstellung und Finanznot des Fürstentums. S. 58—60. — Das Maß ökonomischer Betätigung der Landesherrschaft in der „stadtwirtschaftlichen" Periode: Auf dem Gebiete der Landwirtschaft. S. 60—61; des Gewerbewesens und Handels. S. 61—62; des Maß-, Gewichts- und Münzwesens. S. 63—65; der Lebensmittel- und Teuehingspolitik. S. 65—66. — Die Verkehrs- und Wirtschaftsreformen Karls IV. und Herzog Rudolfs IV. von Österreich; der Deutschordensstaat im 14. Jahrhundert. S. 66—70. Das Verhältnis von Landesherrschaft und Stadt im territorialen Wirtschaftsleben des 13.—15. Jahrhunderts. S. 70. — Die Landesherrschaft als mitbestimmender Faktor des Wirtschaftslebens; Gefahr einseitiger Orientierung bei Anwendung des Idealtyps „Stadtwirtschaft". S. 71. — Der Niedergang der landesfürstlichen Gewalt im 14. Jahrhundert. S. 71 — 72. K a p i t e l I I I : T e r r i t o r i a l w i r t s c h a f t und Stadtwirts c h a f t s e i t der E n t s t e h u n g der L a n d e s h o h e i t (15./16. J a h r h u n d e r t ) 73—130 Die Wiedergeburt des Fürstentums seit Entstehung der Landeshoheit; Unterordnung der Stände, insbesondere des städtischen Rates und der Zünfte unter die landesobrigkeitliche Gewalt. S. 73—76. — Die Vereinigung der ständischen Gruppen mit der Zentralgewalt in Form der Landtage; Betätigung der Landstände auf wirtschaftlichem Gebiet; Kämpfe um die „ständische Teilung des wirtschaftlichen Daseins". S. 76—79. — Die Fortdauer der Stadtwirtschaft; sie ist kein Hindernis für die Annahme territorialwirtschaftlicher Betätigung des Fürstentums im 15./16. Jahrhundert; die Landesobrigkeit als Trägerin des wirtschaftlichen Fortschritts. S. 80—82. — Die Eigenwirtschaft des Fürstentums. S. 82 bis 85. — Die Regelung des territorialen Wirtschaftslebens durch Landes- und Polizeiordnungen. S. 85—88. — Landesobrigkeitlicher Einfluß auf Ordnung des Maß-, Gewichtsund Münzwesens. S. 88—91; der Lebensmittel- und Teuerungspolitik. S. 91 —93; der Landwirtschaft. S. 93—94; des Gewerbewesens. S. 95—100; des Handels. S. 100—107; die Ausnutzung der Regalien (des Allmend-, Jagd- und Fischerei-, Mühlen-und Zollregals). S. 107—110 ¡Forstwesen. S. 1 1 0 — 1 1 3 ; Bergbau und Salinenwesen. S. 1 1 3 — 1 2 1 ; Geldleihgeschäfte deutscher Fürsten. S. 122. Die Ergebnisse umfassenderer Regelung des Wirtschaftslebens durch die Landesherrschaft des 15./16. Jahrhunderts rechtfertigen es, für diese Zeit trotz Fortbestehens der Stadt-

Wirtschaft den Idealtyp „Territorialwirtschaft" anzuwenden. S. 122—123. — Die Fortschritte des deutschen Wirtschaftslebens im 16. Jahrhundert. S. 123—125; FrQhkapitalismus. S. 123—124; Großhandel. S. 124; Großindustrie. S. 124, 125. — Konservativer Charakter der Wirtschaftspolitik des 15./16. Jahrhunderts; die Annahme einer neuen Wirtschaftsstufe mit Beginn der „Neuzeit" ist unberechtigt. S. 125 —127. — Die Gründe hierfür; Beschaffenheit der Zentralverwaltung und der lokalen Amtsbezirke. S. 127—130. Schluß: Ergebnisse 131 — 137 Das Verständnis der wirtschaftlichen Entwicklung ist durch Ausschalten des staatlichen Einflusses (für das „Mittelalter") empfindlich gestört worden. S. 1 3 1 . — Die unauflösliche Verbundenheit von Staat und Wirtschaftsleben im Verlauf der deutschen Territorialgeschichte: Anfänge einer „Territorialwirtschaft" seit Entstehung der Landesherrlichkeit. S. 1 3 1 — 132; Die Blüte der Stadtwirtschaft (13.—15. Jahrhundert) als Folge des politischen und wirtschaftlichen Niederganges des Fürstentums. ,S. 132—133; der wirtschaftliche Aufbau im Obrigkeitsstaat seit Entstehung der Landeshoheit. S. 133—134. — Die Belowsche Theorie von der „Stadtwirtschaft unter landesherrlicher Leitung" (seit dem 16. Jahrhundert). S. 134—135. — Die Territorial- bzw. Volkswirtschaft ist nicht (wie Schmoller und Bücher lehren) eine erst in der Neuzeit einsetzende Errungenschaft, die Volkswirtschaft keine Fortbildung der älteren Stadtwirtschaft gewesen. S. 135—136. — Die Anfänge der Volkswirtschaft. S. 137. E x k u r s : Z u r E n t s t e h u n g der S t a d t w i r t s c h a f t . . . . 138—142 Die Belowsche Theorie. S. 138,139. — Die„vier spezifischen Zwangsrechte" der stadtwirtschaftlichen Politik. S. 139—140. — Die entscheidenden Gründe einer stadtwirtschaftlichen Entwicklung; Reichsstädte und Landstädte. S. 141—142. R e g i s t e r der O r t s - und P e r s o n e n n a m e n 143—148.

EINLEITUNG.

Die Wirtschaftsgeschichte verdankt der historischen Schule der deutschen Nationalökonomie das wichtige methodische Hilfsmittel, durch Aufstellung von Wirtschaftsstufen die vielgestaltigen Erscheinungen des ökonomischen Lebens an bestimmten Kategorien oder Idealtypen (z. B. Hauswirtschaft, Stadtwirtschaft, Volkswirtschaft) messen und veranschaulichen zu können. Der Idealtypus wird von Max Weber definiert als „eine spezifisch gedankliche Konstruktion, die bestimmte Beziehungen und Vorgänge des historischen Lebens zu einem in sich widerspruchslosen Kosmos gedanklicher Zusammenhänge vereint"; er wird gewonnen „durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluß mannigfacher, hier mehr dort weniger, stellenweise gar nicht vorhandener Einzelerscheinungen zu einem einheitlichen Gedankenbilde", das in seiner begrifflichen Reinheit in der Wirklichkeit empirisch vielleicht nirgends vorfindbar ist. 1 ) R. Wilbrandt bezeichnet diese „Idealtypen" als „in sich zu Ende gedachte Gebilde, die in Wirklichkeit nie ganz so auftreten, auch gar nicht so auftreten brauchen, aber ein Hilfs*) Vgl. Max Weber, Die „Objektivität" sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis. Arch. {. Sozialwiss. u. Sozialpolitik. Tübingen 1904, Bd. 19, S. 22—87; v g'- bes. S. 67 ff. M. Weber tritt für scharfe Begriffsbestimmung ein. Die Annahme, daß die „Komplexheit" und „Flüssigkeit" der historischen Erscheinungen die Verwendung fester und präziser Begriffe nicht zulasse, ist falsch. Scharfe Begriffe müssen richtig angewendet werden, „nicht als Schemata zur Vergewaltigung des historisch Gegebenen, sondern um den ökonomischen Charakter einer Erscheinung mit ihrer Hilfe dahin bestimmen zu können: inwieweit sie sich dem einen oder anderen Idealtypus annähert". (M. Weber, „Agrargeschichte", im Handwörterb. d. Staatswiss., Bd. 1, S. 184.) Vgl. auch Alex. v. Schelting, Die logische Theorie der historischen Kulturwissenschaft von Max Weber und im besonderen sein Begriff des Idealtypus. Arch. f. Sozialwiss. u. Sozialpolitik, 1922, Bd. 49, S. 623—752, insbes. S. 726 ff., 746 ff. (über die Wirtschaftsstufen). Beiheft d. H. Z. 24.

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mittel der Untersuchung sind" ); sie wollen „der Darlegung eindeutige Ausdrucksmittel verleihen", an denen man die Erscheinungen der Wirklichkeit, die Zustände eines Volkes in einer bestimmten Zeit messen kann. Die Wirtschaftstheorien G. Schmollers2) und K. Büchers3), die von verschiedenen Prinzipien ausgehen, erheben nicht den Anspruch, „eine strenge historische Folge zu geben" oder gar die Mannigfaltigkeit des geschichtlichen Lebens irgendwie zu erschöpfen; sie wollen vor allem „typische Tatsachen" feststellen. Die Büchersche Theorie geht von ökonomischen Gesichtspunkten, dem Gegensatz der Eigen- zur Verkehrswirtschaft aus und unterscheidet nach der Länge des Weges, den die Waren von der Produktions- zur Konsumtionsstelle zurücklegen, drei Stufen: Hauswirtschaft, Stadt Wirtschaft und Volkswirtschaft; der tauschlosen Hauswirtschaft folgt etwa seit dem 12. Jahrhundert mit dem regelmäßigen Tausch- und Kaufverkehr die Stadtwirtschaft; die Ausbildung der Volkswirtschaft ist nach Bücher „im wesentlichen eine Frucht der politischen Zentralisation, welche gegen Ende des Mittelalters mit der Entstehung territorialer Staatsgebilde beginnt". Schmoller stellt die Wirtschaftspolitik, den „Zusammenhang des wirtschaftlichen Lebens mit den wesentlichen und leitenden Organen des sozialen und politischen Lebens"4) in den Vordergrund. Nach der „Anlehnung der jeweiligen wesentlichen wirtschaftlich-sozialen Einrichtungen an die wichtigsten oder an einzelne wichtige politische Körper" vollzieht sich das wirtschaftliche Leben in fünf Stufen: Dorfwirtschaft, Stadtwirtschaft, Territorialwirtschaft, Volkswirtschaft und Weltwirtschaft. „Im Anschluß an den Stamm, die Mark, das Dorf, die Stadt, das Territorium, den Staat und den Staatenbund entwickeln sich sukzessive bestimmte soziale Wirtschaftskörper immer umfassenderer Art." R . Wilbrandt, S . 27, 28.

Geschichte der Volkswirtschaft.

Stuttgart

1924,

! ) G. Schmoller, Umrisse und Untersuchungen zur Verfassungs-, Ver waltungs- und Wirtschaftsgeschichte, besonders des preuß. Staates im 1 7 . und 18. Jahrhundert (S. 1 ff.: Das Merkautilsystem in seiner historischen Bedeutung). Leipzig 1 8 9 8 ; und ders., Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Leipzig 1900, 1904, Bd. 1, S. 287 ff., B d . 2, S. 652 ff. ( 1 1 1 0 ff.). *) Karl Bücher, Die Entstehung der Volkswirtschaft. Tübingen 1920. 4 ) Dadurch, daß Schmoller ,,als Scheidungsgrund die politische Organisation, die jeweils für das wirtschaftliche Leben entscheidend war, aufstellt, . . . kommt er dem wirklichen historischen Verlauf näher" (B. Harms, Volkswirtschaft und Weltwirtschaft, Jena 1 9 1 2 , S. 41).



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Schmoller fügt also noch eine fünfte Stufe, die Weltwirtschaft hinzu; im übrigen weichen die beiden Theorien, auch in der zeitlichen Abgrenzung der Stufen, nicht wesentlich voneinander ab, da zwischen Territorialwirtschaft und Volkswirtschaft nur ein gradueller Unterschied besteht. Die Theorien Schmollers und Büchers, über welche die neuesten Versuche Werner Sombarts und anderer zur Förderung der Wirtschaftsstufentheorie1) nicht sehr wesentlich hinausgekommen sind, setzen übereinstimmend voraus, daß die intensivere Einflußnahme des Staates auf das ökonomische Leben in Form der Territorialwirtschaft (Schmoller) bzw. Volkswirtschaft (Bücher) erst mit Anfang der Neuzeit begonnen habe. In dieser Annahme, daß das Wirtschaftsleben des Mittelalters sich ohne namhafte Einwirkung des Staates vollzogen habe, ist ihnen auch G. v. Below gefolgt.2) Er hat jene These sogar mit bemerkenswerter Schärfe ver*) Werner Sombart hat in einer Artikelserie „ D i e gewerbliche Arbeit und ihre Organisation" (Arch. f. soz. Gesetzgeb. 1899, Bd. 14, S. 1 ff.) eine eigene Wirtschaftsstufentheorie aufgestellt, die stärker, als er selbst glaubt, durch Bücher beeinflußt worden ist. Er wählt das Maß der Vergesellschaftung, den Unterschied zwischen individuellen und gesellschaftlichen Betrieben, zwischen Bedarfsdeckungswirtschaft und Erwerbswirtschaft zum Einteilungsprinzip und scheidet danach drei Entwicklungsstufen: Individual-, Übergangs- und Gesellschaftswirtschaft; den drei Entwicklungsstufen ordnet er nicht weniger als zehn „Wirtschaftssysteme" unter. Die Gegensätze der mittelalterlichen Bedarfsdeckungswirtschaft und der dem kapitalistischen Zeitalter eigentümlichen Erwerbswirtschaft beherrschen auch Sombarts Darstellung in seinem großen Werk über den modernen Kapitalismus Bd. 1 (1921), S. 22 ff., Bd. 2, S. 10, 13 ff., 71. Sombart will das Wort „Stufenfolge" nicht im Sinne der empirisch-historischen Aufeinanderfolge, also nicht im streng historischen Sinne aufgefaßt wissen. Vgl. auch W . Sombart, Probleme der Wirtschaftsgeschichte. Schmollers Jahrb. 1920, Jahrg. 44, S. 1021—1039, insbes. S. 1032 ff. über den Begriff „Wirtschaftssystem", und Georg v. Below, Probleme der Wirtschaftsgeschichte. Tübingen 1926 (zweite Aufl.), S. 159—161, 187, 205. — Mehr als Joh. Plenge, Die Stammformen der vergleichenden Wirtschaftstheorie, Essen 1919, bietet dem Historiker Wold. Mitscherlich, Eine Wirtschaftsstufentheorie, Skizze des Werdens der germanisch-romanischen Völker. Leipzig 1924. Vgl. besonders auch C. Brinkmann, Wirtscbaftsund Sozialgeschichte, München-Berlin 1927, S. 1 ff. Weniger ergiebig sind: V . Dobbert, Zur Theorie der Wirtschaftsstufen, Diss. Halle 1922, Ed. Gretener, Die Kritik der Wirtschaftsstufen, Diss. Breslau 1922, Max Ar. Reichenbach, Die methodologische Bedeutung der Wirtschaftsstufen, Diss. Gießen 1924. 2) G. v. Below, Probleme der Wirtschaftsgeschichte. Tübingen 1926, S. 615. „Mit dem 16. Jahrhundert b e g i n n t eine Wirtschaftspolitik der Landesherren."

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treten. Natürlich ist es G. v. Below nicht entgangen, daß „ein paar große Herrscher", namentlich Karl d. Gr. und Karl IV., auch Friedrich Barbarossa sich der wirtschaftlichen Verhältnisse angenommen haben, daß „vereinzelt eine territoriale Wirtschaftspolitik schon im Mittelalter vorhanden i s t " 1 ) ; aber über gelegentliche Eingriffe sei diese Tätigkeit im Mittelalter nicht hinausgekommen. E r rühmt die Art, wie Cl. Th. Perthes in seinem geistvollen Buch über „das deutsche Staatsleben vor der Revolution" Mittelalter und Neuzeit „geradezu nach der Gewalt — der Stadt bzw. der Landesherrschaft — , welche die öffentlichen Angelegenheiten, namentlich auch die wirtschaftlichen Verhältnisse regelt", geschieden habe. 2 ) „Der Staat des Mittelalters", meint v. Below, „wendet seine Aufmerksamkeit den wirtschaftlichen Fragen im wesentlichen nicht z u " 3 ) ; eine Wirtschaftspolitik der Landesherren soll erst mit dem 16. Jahrhundert „begonnen" haben. E r bezeichnet daher das Mittelalter (etwa seit dem 12. Jahrhundert) als „Periode der Stadtwirtschaft". 4 ) Die Tätigkeit des mittelalterlichen Staates „beschränkt sich auf das Kriegswesen, das Gerichtswesen und (seit etwa dem 12. Jahrhundert) das Finanzwesen; die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse nimmt er nicht in die Hand". 5 ) Die Ansicht v. Belows A. a. O., S. 504, Anm. 2. G. v. Below, Über historische Periodisierungen (Einzelschriften zur Politik und Geschichte, Heft 11), Berlin 1925, S. 49, bemerkt, dem Mittelalter sei „eine landesherrliche Wirtschaftspolitik kaum in den Anfängen bekannt" gewesen. 2 ) A. a. O.. S. 148. 3 ) G. v. Below, Die Entstehung der deutschen Stadtgemeinde. Düsseldorf 1889, S. 4. 4 ) Probleme, S. 524. 6 ) Below, Die Entstehung der deutschen Stadtgemeinde, S. 8; vgl. auch S. 61. Ders., Territorium und Stadt, 1900, S. 285: „Denn wie überhaupt die Tätigkeit der landesherrlichen Verwaltung im Mittelalter kaum über das Kriegswesen, Gerichtswesen und Finanzwesen hinausging, so hatte noch dazu der Hof des Landesherrn nur einen kleinen Bruchteil der bezüglichen Geschäfte zu erledigen"; Probleme, S. 523. — Die Ansicht v. Belows, daß der „Staat des Mittelalters" den wirtschaftlichen Dingen seine Aufmerksamkeit im wesentlichen nicht zugewendet habe, trifft noch weniger als für Deutschland für die Weststaaten Europas, England und Frankreich zu; vgl. Lujo Brentano, Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung Englands, Jena 1927, Bd. 1, S. 187 ff. („Die englische Staatswirtschaft von 1154 bis 1471"), W. J. Ashley, Englische Wirtschaftsgeschichte, Leipzig 1896 (England, „das Ursprungsland des Merkantilismus", hat „schon seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts in gewissem Sinn nicht lediglich eine Stadtwirtschaft, sondern eine Volkswirtschaft besessen", S. 9), R. Holtzmann. Französische Verfassungsgeschichte, München 1910, S. 287, R. Eber-



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ist von vielen einsichtigen Forschern übernommen und z. T. noch vergröbert worden.1) So bemerkt z. B. A. Kotelmann, der das Geld- und Münzwesen der Mark Brandenburg behandelt, der Münzschlag sei „so ziemlich die einzige positive Tätigkeit gewesen, welche der Staat im Mittelalter zur Förderung des Erwerbs- und Verkehrslebens übte". 2 ) In all diesen Formulierungen fällt auf, daß das „Mittelalter" als Einheit gefaßt ist, im Gegensatz zur „Neuzeit", die — wie schon der Name anzudeuten scheint, mit den Rückständigkeiten der Vergangenheit aufräumt. Der verhängnisvolle Brauch, das „Mittelalter" als einen in sich geschlossenen, von der „Neuzeit" verschiedenen Zeitraum mit eigentümlichem Leben zu fassen, ist auch hier eine Quelle irriger Vorstellungen geworden. Die in der Stufentheorie vertretene und durch Belows Autorität gestützte Anschauung, daß der „Staat des Mittelalters"3) sich Stadt, Das französische Gewerberecht vom 13. Jahrhundert bis 1581. Leipzig 1899. Die kürzlich erschienene französische Wirtschaftsgeschichte von Henri S6e (Handb. der Wirtschaftsgesch. hrsg. von Brodnitz), Jena 1930, B d . 1, enthält nur wenige kurze Notizen über die Tätigkeit des mittelalterlichen Königtums zur Regelung des Wirtschaftslebens; noch mehr fällt auf, d a ß H. S i e — in auffälligem Gegensatz zur englischen Literatur — von den Forschungen Schmollers, Büchers, M a x Webers und anderer deutscher Gelehrten über die Wirtschaftsstufen keine Notiz genommen h a t ! *) K . Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. I, 2, S. 1353, 1354. bemerkt: Die Bewegung, welche die Territorien „nach außen hin auch als selbständige, individuelle Wirtschaftskörper'* abschließt und „schließlich im System des Merkantilismus ihren wissenschaftlichen Ausdruck f i n d e t " , beginne „schon (!) gegen Schluß des 15. Jahrhunderts"; ihre ersten (!) deutlicheren Symptome seien Ausfuhrverbote für Getreide und Metalle. I m engen Anschluß an Below behauptet H. Wopfner, Die L a g e Tirols zu Ausgang des Mittelalters. Berlin 1908, S. 138: Die Fürsorge der landesherrlichen Regierung kam „ i m Mittelalter kaum über das Kriegswesen, Gerichts- und Finanzwesen hinaus". Vgl. auch W . Varges, Die Wohlfahrtspflege in den deutschen Städten des Mittelalters. Preuß. Jahrbb. 1895, Bd. 81, S. 251; Max Hafemann, Das Stapelrecht. Leipzig 1910, S. 2, 85 u . a . 2) Geschichte des Geld- und Münzwesens der Mark Brandenburg. Berlin 1883, S. 8. 3) Die Bezeichnung „ S t a a t des Mittelalters" ist m. E . verfehlt und geeignet, irrtümliche Vorstellungen zu erwecken. Es gibt keinen „mittelalterlichen S t a a t " ; denn der einheitliche Lehnstaat und der dualistische Ständestaat, der jenen seit dem 13. Jahrhundert ablöst, sind wesensverschiedene Gebilde; die ständische Verfassung aber reicht über die Grenze des „Mittelalters" hinaus im Reich bis zur Auflösung desselben (1806), in den Territorien bis zur Entstehung des Absolutismus im 17./18. Jahrhundert; vgl. Hist. Zeitschrift, Bd. 127 (3. Folge, Bd. 31), S. 40, 41, 49.



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um das Wirtschaftsleben nicht gekümmert habe, kann schon aus allgemeinen Erwägungen nicht als wahrscheinlich gelten. Jeder Staat, auch der unausgebildete, bedarf, um bestehen und frei wirken zu können, gewisser wirtschaftlicher Machtmittel, die er sich beschaffen muß; er ist schon um seiner Existenz willen darauf angewiesen, „die Ursprungsgebiete der Quellen äußerer Macht in seine unmittelbare Einflußsphäre einzubeziehen". Die wirtschaftlichen, durch Kauf und Tausch gegebenen Beziehungen zwischen den Einzelwirtschaften, die Abgaben-, Dienst- und Sachlieferungen, welche man an staatliche und kirchliche Autoritäten entrichten mußte, vollends die Besteuerungen der ständischen Periode mit ihrer „Festsetzung von Steuerkontingenten und Maßstäben der Repartition" auf die einzelnen Stände und Wirtschaften zogen die Einzelwirtschaften mehr oder minder in den Dienst eines öffentlichen Verbandes und ließen sie als Glieder einer größeren, wenn auch nur lose verbundenen Gemeinschaft erscheinen. Die gleiche Wirkung übten staatliche Maßnahmen zur Regelung des Handels und Verkehrs, des Münz-, Maß- und Gewichtswesens, Zoll- und Geleitwesens u. dgl. aus. Der Handel ließ eine völlige Isolierung der Einzelwirtschaften nicht aufkommen und befand sich seinerseits in Abhängigkeit von Münze, Zoll- und Verkehrseinrichtungen, die staatlicher Regelung anheimfielen. Der führende englische Wirtschaftshistoriker W. J. Ashley bemerkt daher sicherlich mit Recht, daß „der Quell nationaler Gesetzgebung über wirtschaftliche Dinge niemals vollständig versiegt" sei.1) Die deutschen Könige aus sächsischem, salischem und hohenstaufischem Geschlecht, die mit ihrem Hofhalt beständig auf Reisen und selbst an Besserung und Erhaltung der Straßen, Regelung des Handels und kaufmännischen Verkehrs interessiert waren, wurden schon als Inhaber der Regalien, des Straßen- und Wasser-, Markt-, Zoll- und Geleits-, Münz- und Judenregals, die ihnen Einkünfte gewährten, gezwungen, sich mit Fragen des Verkehrs* und Wirtschaftslebens zu beschäftigen; sie nahmen in der Regelung des V e r k e h r s die führende Stelle ein. „Das Königtum bemühte sich dem freien unbehinderten Handelsverkehr im ganzen Reiche die Wege zu ebnen. Es erschien als der selbstverständliche, oberste Beschützer und Förderer des freien Verkehrs der Kaufleute." 2 ) Die Kaufmannschaft stand unter königlichem Schutz. W. J. Ashley, An introduction to english economic bistory and theory. London 1893, Bd. 2, S. 9: „ T h e stream of national legislation on economic matters never; it is true, altogether dried up." (Ins Deutsche übersetzt von Rob. Oppenheimer, Leipzig 1896.) a)

Walter

Stein,

Handels- und

Verkehrsgeschichte

der

deutschen



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Nach einem Privileg König Lothars für Quedlinburg vom Jahre 1 1 3 4 mußte jeder, der Kaufleute belästigte, 100 Pfund je zur Hälfte an die kaiserliche Kammer und den Geschädigten zahlen.1) Die Könige besaßen das Marktregal, verliehen daher das Recht zum Abhalten von Jahrmärkten, die dem Fernhandel dienten, und kontrollierten den Markt verkehr.2) Die Urkunden bis zur zweiten Hälfte des 1 1 . Jahrhunderts „nennen unter den rund 170 Orten im Reiche, an denen Einrichtungen für den Verkehr überhaupt erwähnt werden, etwa 130 Orte mit Märkten".3) Walter Stein schätzt die Gesamtzahl der damals im Reiche vorhandenen Märkte auf mindestens 200 bis 300. Die regelmäßigen Attribute des Marktes waren Zoll und Münze. Die Funktionen, welche ein Marktbzw. Stadtleben entstehen ließen, „Bannherrschaft, Marktrecht mit Zoll und Münze stammten vom Staate". Mehr als 45 Marktprivilegien (bis zur zweiten Hälfte des 1 1 . Jahrhunderts) nennen Markt, Münze und Zoll zusammen.4) Die Marktsiedlungen des 10. bis 12. Jahrhunderts, die sich zum großen Teil aus Gewerbetreibenden und Kaufleuten zusammensetzten, wie die folgenden Städtegründungen6), veränderten von Grund aus den bis dahin agrarischen Charakter des Reiches. Das Zollwesen war Reichssache ; die Könige übten hier den entscheidenden Einfluß, erteilten Zollprivilegien und -befreiungen. Bekannt sind Kaiser Friedrichs II. im Jahre 1235 erlassene Bestimmungen über Zölle, Straßen und Münzen. Von der Verwaltung des Münzwesens Kaiserzeit, aus dem Nachlaß hrsg. von Otto Held (Abhandlungen zur Verkehrs- und Seegeschichte, hrsg. von Dietr. Schäfer, Bd. 10), Berlin 1922, S. 58, 59. Th. Mayer, Deutsche Wirtschaftsgeschichte (Wissenschaft und Bildung, Nr. 248), Leipzig 1928, S. 72: „Die großen Erfolge der Politik der deutschen Kaiser, die Ausweitung ihres Macht- und Einflußgebietes haben den Lebensspielraum des deutschen Volkes erweitert und dem deutschen Kaufmann den Weg zum aktiven Außenhandel gewiesen, ihm den Platz im Welthandelssystem gesichert." l ) M. G. D. D. V I I I (ed. Hans Hirsch), Berlin 1927 (1134, April 25). *) Vgl. Th. v. Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 382. ») W. Stein, a. a. O., S. 8. «) A. a. O., S. 25. ®) Emil Schneider, Die deutschen Städteprivilegien der hohenstaufischen Kaiser Friedrichs I. und Heinrichs VI., Leipzig, Diss. 1883, bemerkt (S. 66): Keine der vorliegenden Urkunden lasse eine schöpferische Tätigkeit des Kaisers Friedrich Barbarossa erkennen. „Von den 7 Städteprivilegien, welche wir von Heinrich VI. besitzen, enthalten fünf ausschließlich Zoll- und Handelsvergünstigungen, und nur zwei beziehen sich auf die städtische Verfassung." (S. 73.)



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berichten die Quellen nur wenig; und auch über Maßnahmen des Königtums zur Erhaltung und Besserung der Landstraßen sind nur spärliche Nachrichten erhalten. Die Staufer ließen planmäßig, wie es scheint, vor allem auf ihrem Reichsgut, in Franken und Schwaben Reichsstraßen anlegen1); vielleicht hängt damit die Eröffnung der Gotthardstraße (zwischen 1218 und 1225) zusammen, die den Verkehr zwischen Oberdeutschland und Italien förderte. Mit dem Straßenregal hing auch der Anspruch des Reiches auf Regelung des Schiffahrtsverkehrs zusammen. Die Staufer behaupteten den vorherrschenden Einfluß auf den Verkehr der Flüsse, namentlich des Rheins. Der Kanzler Rainald plante eine Rheinbrücke von Köln nach Deutz erbauen zu lassen. Das W i r t s c h a f t s l e b e n im engeren Sinne wurde, wenn die Dürftigkeit der Quellenberichte nicht täuscht, bis zum 13. Jahrhundert in sehr bescheidenem Maße und gewiß nur gelegentlich von der zentralen staatlichen Gewalt beeinflußt und gefördert. Friedrich Barbarossa erwirkte den deutschen Kaufleuten in London Garantien für eine ungestörte Handelstätigkeit.2) Sehr merkwürdig ist eine erhaltenen Taxordnung (1152), nach welcher jeder Graf angewiesen wurde, nach Mariä Geburt mit Hilfe von sieben rechtschaffenen Männern für jede „Provinz" den Getreidepreis festzusetzen; wer das Getreide innerhalb des Jahres teurer verkaufte, sollte als Friedbrecher gelten und dem Grafen so viele Pfund zahlen, als er Scheffel Getreide zu teuer verkauft habe.3) Vielleicht ist diese Ordnung durch die Hungersnot des Jahres 1150/1151 veranlaßt worden. Sonst hören wir nichts von Preistaxen und Ausfuhrverboten, von Maßnahmen einer Notstandsund Teuerungspolitik, wie sie Karl d. Gr. bereits in größerem Um') Karl Weiler, Zur Organisation des Reichsgutes in der späteren Stauferzeit (Festschrift f. Dietr. Schäfer. Jena 1 9 1 5 , S. 2 1 1 — 2 2 1 ) ; ders., Die Reichsstraßen des Mittelalters im heutigen Württemberg, Württemb. Vierteljschr. f. Landesgesch., N. F . 1927, Bd. 33, S. 1 — 4 3 ; Bruno Heusinger, Servitium regis in der deutschen Kaiserzeit. Untersuchungen über die wirtschaftl. Verhältnisse des deutschen Königtums 900—1250. Archiv f. Urkundenforsch. 1922, Bd. 8, S. 2 6 — 1 6 0 (vgl. dazu Zeitschr. f. Soz. und Wirtschaftsgesch. 1923, Bd. 17, S. 189, 190). 2 ) Ottonis Frisingensis gesta Friderici lib. I I I M. G. S S . X X 419 (zum Jahre 1 1 5 7 ) . — Friedrich Barb. nahm auch die Regelung des Maß- und Gewichtswesens als einen Teil seiner Regalien in Anspruch; vgl. Th. v. InamaSternegg a. a. O., Bd. 3, 2, S. 352, A n n . 4. 3

) M. G. Const. et acta publica regum, 1883, Bd. 1, S. 197, cap. 1 1 ( 1 1 5 2 ) ; vgl. O. Redlich, Rudolph von Habsburg, S. 437 und Franz Schaub, Der Kampf gegen den Zinswucher. Freib. i. Br. 1905, S. 185, 186.

fange getroffen hatte 1 ); und nicht ein einziger Handelsvertrag des Reichs mit anderen Staaten ist bis zum Ende der Stauferzeit urkundlich bezeugt. Von einer Handelspolitik des Reiches in dieser Zeit kann man nicht reden.2) Die verhältnismäßig geringe Beeinflussung des Wirtschaftslebens durch die königliche Regierung in frühmittelalterlicher Zeit ist durch die allgemeinen Verhältnisse bedingt gewesen, nicht zum wenigsten durch die eigentümliche Ordnung des Lehnstaates, welche die von Karl d. Gr. begonnene, das Reich umfassende einheitliche Verwaltungsorganisation zersetzte und an Stelle der Herrschaft über einen gleichmäßigen Untertanenverband einen hochgetürmten, vielfach abgeschichteten Bau von Herrschaftsund Dienstverhältnissen in sieben Heerschildstufen, wie der Sachsenspiegel berichtet, entstehen ließ. Dem Königtum entglitt dadurch die unmittelbare soziale und wirtschaftliche Leitung der großen Massen des Volkes. Die Entwicklung des Lehnrechtes schloß den König mehr und mehr von unmittelbaren Eingriffen in das Herrschaftsgebiet seiner Vasallen aus. Da der privatrechtliche Leiheakt das Lehen, mochte es in Grundbesitz, öffentlichen Rechten oder Amtsbefugnissen bestehen, in die Nutzung des Beliehenen brachte und diesem einen dauernden Anspruch auf die mit dem Amt bzw. Grundbesitz verbundenen Befugnisse gab, entwickelte sich das Recht des Beliehenen am Lehnsobjekte „zu einem fast wie Eigentum behandelten Herrschaftsrechte". Das „Recht des Belehnten am Lehnsobjekt schloß prinzipiell eine Mitausübung durch den Lehnsherrn aus". 3 ) Mit anderen Worten: die Lehnsordnung in der Zeit ihrer vollen Entwicklung kannte keine durchgreifende, umfassende Verwaltung; dem Königtum fehlten zur Vollstreckung seines Willens die abhängigen Organe, welche verwaltungsrechtliche Maßnahmen und wirtschaftliche Anordnungen in den einzelnen Teilen hätten durchführen können, wie es Karl dem Gr. bis zu einem gewissen Grade mit Hilfe der über das Reich ausgedehnten Grafschaftsverfassung und des Missates möglich gewesen war. Die geringe Fürsorge, die der frühmittelalterliche deutsche ') Fritz Curschmann, Die Hungersnöte im Mittelalter. Ein Beitrag zur deutschen Wirtschaftsgeschichte des 8. bis 13. Jahrhunderts. Leipziger Studien, Leipzig 1900, Bd. 6, Heft 1, S. 73 ff. *) Es scheint mir daher bedenklich zu sein, mit Th. Mayer, a. a. O., S. 75. „von einer deutschen Volkswirtschaft im 10. bis 13. Jahrhundert" zu sprechen. Vgl. auch die Literaturangaben auf S. 76. 3) O. v . Zallinger, Zur Geschichte der Bannleihe. Mitt. des Instituts f. österr. Geschiehtsforsch. 1889, Bd. 10, S. 225, Anm. 2.

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Staat den wirtschaftlichen Fragen zuwandte, erklärt sich also weniger aus mangelndem Verständnis der Könige für die Bedeutung ökonomischer Fragen, als vielmehr wesentlich aus der Tatsache, daß der in Zeiten überwiegender Naturalwirtschaft1) entstandene Lehnstaat seiner Art und Struktur nach lokaler Verwaltungsbezirke, einer wirksamen Exekutive, eines abhängigen, geldbesoldeten Beamtentums entbehrte.2) Den Verhältnissen jener Zeit entsprach eine dezentralisierte Ordnung. Das änderte sich allmählich mit dem stärkeren Durchdringen der Geldwirtschaft in den aufblühenden Städten des 12./13. Jahrhunderts. Damit begann auch das Verhältnis von Staat und Wirtschaftsleben sich grundsätzlich zu wandeln. Der Verfall des Lehnstaates gab in den Westreichen Europas die Möglichkeit, seit dem 13. Jahrhundert unter einem erstarkten Königtum ein modernes Staatswesen und eine moderne, auf geldwirtschaftlicher Grundlage ruhende Verwaltung zu schaffen; der hier entstehende nationale Einheitsstaat zog auch die Ordnung des Wirtschaftslebens in den Kreis seiner Aufgaben hinein. Das deutsche Reich dagegen ging in seiner Entwicklung den entgegengesetzten Weg als die Weststaaten; es verlor nach dem Sturze des Hohenstaufengeschlechts seine politische Einheit. Die Kleinstaaterei begann. Der Zerfall des Reiches in eine große Zahl fast selbständiger weltlicher und geistlicher Territorien ließ eine durchgreifende geprdnete Verwaltung3), eine einheitliche Willensbetätigung der Zentralgewalt auf staatlichem und wirtschaftlichem Gebiete auch jetzt nicht aufkommen. Das deutsche Königtum blieb seit dem Interregnum unfähig, eine konsequente Handels-, Zoll- und Verkehrspolitik zu treiben, das wirtschaftliche Leben ') Vgl. O. Hintzes Kritik über A. Dopsch, Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft (Wien 1930), in der Hist. Zeitschr. 1931, Bd. 143, S. 526. s ) Die Bedeutung der Verwaltung für die staatliche Betätigung auf wirtschaftlichem Gebiet läßt sich klar an der Entwicklung des preußischen Ordensstaates erkennen, der zur gleichen Zeit, als die Lehnsordnung im Reich und in den altdeutschen Territorien verfiel, ein modernes Staatswesen mit einer das ganze Land umfassenden Lokalverwaltung begründete und daher auch staatliche Maßnahmen ökonomischer Art durchzuführen vermochte. 3 ) F. Rörig, Staatenbildung auf deutschem Boden (In „Volk und Reich der Deutschen", hrsg. von B.Harms), S. 72: „Keine Tatsache ist vielleicht für die weitere Gestaltung der deutschen staatlichen Verhältnisse . . . so bedeutsam geworden, wie, daß das Reich keine neuen Verwaltungsorgane hervorgebracht hat. Die ganzen Fortschritte, welche ein geordnetes Verwaltungswesen hervorbringen konnte, kamen in Deutschland allein dem Territorialstaat . . . zugute."



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des Volksganzen anders als durch gelegentliche, selten erfolgreiche Eingriffe zu beeinflussen. Die Träger der fortschreitenden Entwicklung waren hier die einzelnen Fürstentümer, welche seit der Entstehung der Landesherrlichkeit im 13. Jahrhundert, ähnlich wie die Weststaaten Europas, die hemmenden Schranken des Feudalismus zu durchbrechen suchten und mit Hilfe eines teilweise aus der unfreien Ministerialität gewonnenen abhängigen Beamtentums eine dem Lehnstaat fremde, einheitlich gegliederte, moderne Verwaltung begründeten. Die weltlichen und geistlichen Fürsten, die sich nach oben hin von der Zentralgewalt möglichst zu befreien suchten, gewannen im Innern ihres Gebietes das dominium terrae tatsächlich erst dadurch, daß sie im Kampfe mit den beharrenden feudalen Gewalten ihr Territorium in Amtssprengel einteilten und an die Stelle der erblichen Lehnsträger, der edlen Burggrafen, Vizegrafen, Grafen usw. absetzbare, auf Zeit ernannte, geldbesoldete Beamte als gefügige Organe ihres Willens einsetzten. Die vordringende Geldwirtschaft und die unter ihrem Einflüsse vollzogenen Reformen des 12./13. Jahrhunderts ermöglichten ganz anders zu zentralisieren und zu regieren, als es in der Zeit überwiegender Naturalwirtschaft und lehnsrechtlicher Gebundenheit geschehen war. Die günstige Lage fand ein würdiges Geschlecht. Begabte und willensstarke Fürsten, die Askanierbrüder Johann I. und Otto III., Albrecht I. in Österreich, Heinrich der Erlauchte und Friedrich I. in Meißen, Friedrich von Babenberg (1230—1246), Ludwig II. von Bayern (1253— 1 294). Ulrich von Württemberg, Meinhard II. von Tirol u. a., deren politische Ziele und Mittel uns fast modern anmuten, ergriffen die neuen Aufgaben mit Energie und Verständnis, z. T., wie es scheint, im Banne der gewaltigen Herrschernatur Kaiser Friedrichs II., der den „ersten modernen Staat" begründete. Absolutistische Tendenzen traten schon damals unverkennbar hervor. „Die erstaunlichen Fortschritte der Fürstengewalt offenbarten sich deutlich, wohin auch immer man die Blicke lenken mag." Die Besten und Mächtigsten dieser Fürsten rundeten ihr Territorium ab, bauten es im Innern aus, legten die Grundlagen des modernen Staatswesens und zogen auch das Wirtschaftsleben, das seit der im 12./13. Jahrhundert vordringenden Geldwirtschaft und der Ausbreitung des Städtewesens eine ungemein gesteigerte Bedeutung für das gesamte Leben gewann, in den Kreis staatlichen Lebens hinein. Der Eifer jener Fürsten um Hebung und Regelung des Wirtschaftslebens ihres Landes erzielte teilweise vielleicht sogar größere Erfolge, als die gleichartigen Bestrebungen des 15./16. Jahrhunderts, mit denen



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man nach der herkömmlichen Wirtschaftsstufentheorie die Periode der „Territorialwirtschaft" beginnen läßt. Die folgenden Ausführungen werden den Versuch machen, die wirtschaftliche Entwicklung der Territorien Deutschlands vom 12./13. Jahrhundert bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts darzustellen, um in dieser Form zu prüfen, ob Schmollers und Büchers Stufenfolge Stadtwirtschaft—Territorialwirtschaft (bzw. Volkswirtschaft) dem tatsächlichen historischen Verlaufe entspricht. Ein ganzer Fragenkomplex harrt der Beantwortung. Hat sich der mittelalterliche Staat in der Tat um das wirtschaftliche Leben gar nicht oder nur ganz vereinzelt gekümmert ? Hat eine „Territorialwirtschaft" erst seit Anbeginn der Neuzeit oder vielmehr schon während des 13. Jahrhunderts — in ähnlichem Ausmaße, wie es vom 16. Jahrhundert behauptet wird — bestanden? Ist der Stadtwirtschaft eine Territorialwirtschaft gefolgt oder ist vielmehr umgekehrt die Territorialwirtschaft das frühere und die Stadtwirtschaft aus ihr hervorgegangen, so daß also die Blütezeit der Stadtwirtschaft (im 13.—15. Jahrhundert) eine Epoche inmitten der Territorialwirtschaft gewesen wäre? Ist die Volkswirtschaft, wie Bücher u. a. annehmen, aus der Stadtwirtschaft hervorgegangen1) oder vielmehr aus der Territorialwirtschaft ? Und ist somit die Volkswirtschaft schon im 13. Jahrhundert, nicht erst um die Wende des 15./16. Jahrhunderts entstanden ? Alle diese Fragen können, wie mir scheint, eher positiv durch eine Darlegung des historischen Werdeganges als ohne eine solche Unterlage bloß auf kritischem Wege entschieden werden. Die Schilderung des historischen Verlaufes wird auch aus dem Grunde nicht überflüssig sein, weil die ökonomische Entwicklung der deutschen Landschaften im Zusammenhange noch nicht dargestellt2) und in den allgemeinen Werken über deutsche Wirt*) Wold. Mitscherlich, Der wirtschaftliche Fortschritt. Sein Verlauf und sein Wesen, Leipzig 1910, S. 29, bemerkt, daß die Forschung eine seltsame Lücke offengelassen habe, da von niemand versucht worden sei, zu erforschen und darzustellen, wie sich der Übergang von einer Wirtschaftsstufe zur anderen vollzogen habe. Er selbst stellt sich die Aufgabe, darzulegen, „wie insbesondere die Volkswirtschaft aus der Stadtwirtschaft hervorgegangen sei". Auch G. v. Below (Probleme, S. 537) bezeichnet das merkantilistische System als „eine Fortbildung der alten Sfadtwirtschaft". 2 ) Wir besitzen außer K. Lamprechts und Eb. Gotheins bekannten Werken noch keine einzige umfassendere Wirtschaftsgeschichte eines deutschen Territoriums. K . Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter. Untersuchungen über die Entwicklung der materiellen Kultur des

— 13 — schaftsgeschichte bisher gar nicht oder nur in ganz unzureichendem Maße berücksichtigt worden ist. platten Landes auf Grund der Quellen zunächst des Mosellandes. Leipzig 1885 ff. Bd. 1 — 3 verzichtet darauf, wie schon der Titel sagt, über die städtische Entwicklung abschließend zu handeln (Bd. 1, 2, S. 1252); Eb. Gothein (Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden Landschaften, Straßb. 1892, Bd. 1 : Städte- und Gewerbegeschichte) dagegen berücksichtigt hauptsächlich das städtische Gewerbewesen und den Bergbau.

KAPITEL I.

DIE ANFÄNGE EINER TERRITORIALWIRTSCHAFT IM 13. JAHRHUNDERT.

Der deutsche Territorialstaat entstand in einer Zeit, in welcher das Reich durch Ausbreitung der Geldwirtschaft und durch politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen aufs tiefste erschüttert wurde. Das Bürgertum, der dritte Stand, der in den verfassungsrechtlichen Ordnungen des alternden Lehnstaates keinen Platz mehr finden konnte, durchbrach nicht bloß die staatliche Ordnung, es gestaltete durch die in den Städten aufblühende Geld- und Kreditwirtschaft, durch die Fortschritte des Gewerbeund Handelslebens, durch die neue bürgerliche Kultur auch die wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen in „revolutionärer" Weise um. Deutschland bedeckte sich von Westen her binnen verhältnismäßig kurzer Zeit mit zahlreichen bürgerlichen Gemeinwesen, welche die neuen Ideen und Lebensformen bis an die Ostgrenze des Reiches und darüber hinaus verbreiteten. Es war eine „volkswirtschaftliche Revolution", schreibt Schmoller, „die ich fast für größer halten möchte als jede spätere, die das deutsche Volk erlebt hat. Aus einem Bauernvolk wird ein Volk mit Städten, Großhandel, Gewerbe und Kolonien; aus der Naturalwirtschaft wächst die Geld- und Kreditwirtschaft hervor. Man könnte nicht ohne mancherlei Grund den Satz verteidigen, daß der Übergang von einer Zeit, die gar keine eigentlichen Städte kannte, zu Städten mit 50000 Einwohnern und technischen Leistungen .wie das hiesige (Straßburger) Münster, größer sei als der Übergang von dieser Zeit zu unseren heutigen Großstädten und ihren Eisenbahnhallen, Museen und Theatern". 1 ) ') G. Schmoller, StraBburgs Blüte und die volkswirtschaftliche Revolution im 13. Jahrhundert, Straßb. 1875, S. 16; ders.. Die Straßburger Tucher- und Weberzunit, Straßb. 1879, S. 407: „Die volkswirtschaftlichen Veränderungen überhaupt, die das deutsche Volk im 13. bis 14. Jahrhundert erlebte, ist wohl, abgesehen von der Gegenwart, die größte historisch nachweisbare. Erst im 13. Jahrhundert gewann das städtische Leben einen beherrschenden Einfluß auf die ganze Volkswirtschaft"; vgl. ebendaselbst

— 15 — Die „volkswirtschaftliche Revolution" erreichte ihren Höhepunkt im 13. Jahrhundert, als das von der königlichen Gewalt gelöste, durch zahlreiche begabte und willensstarke Herrschergestalten verkörperte deutsche Fürstentum mit Hilfe des geldbesoldeten Beamtentums, das in der neugeordneten Zentral- und Lokalverwaltung Verwendung fand, das Land im Innern auszubauen und ein leistungsfähiges territoriales Staatswesen zu begründen suchte. Der organisatorische Wille der jungen Landesherren, ihr Eifer, das Land ihrer Herrschaft im Innern zu heben und allseitig auszugestalten, machten vor den wirtschaftlichen Bedürfnissen nicht halt. Die Zeitaufgaben zwangen sie vielmehr förmlich in die fruchtbarste wirtschaftliche Tätigkeit hinein. Die Hebung der Landeskultur, die Besiedlung weiter, ehemals slavischer Gebiete durch deutsche Kolonisten, die Aussetzung zahlloser Dörfer und noch mehr die Städtegründungen, die im Westen und Süden wie im Osten und Norden des Reiches ihre Rechtsformen zum größten Teil durch das Fürstentum erhielten, veränderten in einem bisher nie gekannten und bis zum 19. Jahrhundert nicht wieder erlebten Maße das wirtschaftliche Leben Deutschlands. Bei der Ohnmacht und Schwäche der Zentralgewalt vollends in den Zeiten des Interregnums war es der Landesherrschaft vorbehalten, die neuen Aufgaben zu ergreifen und nach den eigenen Bedürfnissen im Rahmen des territorialen Ganzen zu bewältigen. Der innere Ausbau der Territorien geschah namentlich im Norden und Osten des Reiches mit Hilfe einer umfassenden L a n d e s k u l t u r - und Siedlungspolitik. Den Auftakt der großen Kolonisationsbewegung des 12.—14. Jahrhunderts bildete die Berufung der Holländer durch den Erzbischof Friedrich von Bremen (1106). Erzbischof Friedrich berief holländische Bauern, an die noch heute das in der Nähe Bremens gelegene Hollerland erinnert, um mit den Mitteln ihrer überlegenen Technik die S. 466. Die hohe Bedeutung des 13. Jahrhunderts als Wendepunkt der europäischen Kultur scheint auch von Below anerkannt zu werden, wenn er schreibt (Das ältere deutsche Städtewesen und Bürgertum, Leipz. 1905, S. 9): Man habe im Hinblick auf die Umwälzungen des 12. und 13. Jahrhunderts von einer volkswirtschaftlichen Revolution gesprochen. „In der That giebt es keine Periode in der deutschen Geschichte, die so viel Neues schafft." In gleichem Sinne äußert sich Fritz Rörig, Die Schlacht bei Bornhöved 1227. Kieler Univers.-Rede, Lobeck 1927, S. 5: „Wir gewöhnen uns immer mehr daran, im 13. Jahrhundert eine kulturgeschichtliche Zeitwende im tiefsten Sinne des Wortes zu sehen."



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sumpfigen Gebiete in der Nähe der Stadt zu entwässern und anbaufähig zu machen. Dem Beispiele des Erzbischofs folgten andere deutsche Fürsten, Graf Adolf II. von Schauenburg in Holstein, Heinrich der Löwe, Markgraf Albrecht der Bär, der nach Helmolds Bericht Ansiedler aus Utrecht und aus den Rheinlanden in die Mark berief und seine slavischen Gebiete mit Flamen, Sachsen und Rheinfranken besiedelte. Der Magdeburger Erzbischof Wichmann, von dessen erfolgreicher Tätigkeit noch heute der „Fläming" zwischen Jüterbog und Wittenberg Zeugnis ablegt, kolonisierte mit Niederländern, besonders Flamen; aber auch Westfalen fanden in seinem Lande Aufnahme. Die Stadt Jüterbog, die 1174 magdeburgisches Recht erhielt, war Wichmanns Schöpfung. 1 ) Bischof Dietrich von Halberstadt ließ die Sumpfländereien zwischen Ocker und Bode in fruchtbares Ackerland verwandeln. Markgraf Konrad von Meißen begünstigte die niederländischen Einwanderer; und allmählich drang der Strom der Kolonisten bis nach Schlesien und weit über die Reichsgrenzen hinaus bis nach Siebenbürgen. Mochten auch teilweise politische Motive, Gründe der Sicherung eroberter oder ererbter Besitzungen für die Ansiedlung der Kolonisten maßgebend gewesen sein, so mußte sich doch die planmäßige Ausnutzung der neugewonnenen Kräfte zu wirtschaftlicher Betätigung häufig genug ganz von selbst ergeben. Die großen Kolonisatoren des 12./13. Jahrhunderts trieben wohlberechnete Bevölkerungs- und Wirtschaftspolitik als Vorläufer der Kurfürsten und Könige aus dem Hause Hohenzollern, welche in der Zeit des Merkantilismus durch Ansiedlung niederländischer und anderer Kolonisten ihrem menschenarmen Lande neue landwirtschaftliche und gewerbliche Arbeitskräfte zuzuführen suchten. Die zahlreichen im deutschen Mutterlande wie besonders auch in ehemals slavischen Gebieten nach deutscher Art gegründeten D ö r f e r , mit denen sich ein freies bäuerliches Gemeindeleben, die Fortschritte deutscher Landwirtschaft, technische Fertigkeiten und Gerätschaften auch ins slavische Land verbreiteten, verdankten ihre Entstehung nicht bloß zufälligen Anlässen oder der Initiative einzelner kühner Unternehmer, sondern im weiten Umfange dem organisatorischen Willen der Fürsten. Darin blieben die Fürsten des Reiches gewiß nicht hinter den schlesischen Piasten und anderen slavischen Herrschern zurück, die erwiesenermaßen deutsche Kolonisten in großer Zahl zur wirtschaftlichen Hebung Vgl. W. Hoppe, Erzbischof Wichmann von Magdeburg. Geschichtsblätter f. Stadt u. Land Magdeburg 1908, Heft 1, S. 134 ff., 151 ff.

— 17 — ihrer Länder beriefen und diesem ökonomischen Nutzen zu Liebe sogar den geschlossenen völkischen Charakter ihres Landes zum Opfer brachten. Das planmäßige Walten führender Persönlichkeiten spricht sich schon in der Gleichartigkeit der geschaffenen Verhältnisse aus. Leider versagen fast ganz die Quellen, auch die für einzelne Gebiete zahlreich erhaltenen Aussetzungsurkunden, die als Verträge zwischen dem Grundherrn und Lokator die beiderseitigen Rechtsansprüche in nüchterner rechtlicher Form festsetzen, dagegen von den Anlässen der Dorfgründung, der Beschaffenheit des Kolonistenmaterials, den Absichten der fürstlichen Grundherren so gut wie nichts berichten. Die Kenntnis des noch wichtigeren kolonisatorischen Vorganges, der S t ä d t e g r ü n d u n g , leidet unter dem gleichen Übel wie die Kenntnis der Dorfgründung. Die einzigartige Bedeutung des Städtewesens steht vor aller Augen: mit den Städten zugleich breitete sich die Geld- und Kreditwirtschaft weiter aus, das freie städtische Gewerbe- und Handelsleben, die neue Laienkultur des Bürgertums. Aber die ersten Anfänge, die inneren Triebkräfte der folgenreichen Bewegung liegen im Dunkeln, da die bei dem Mangel literarischer Überlieferung fast ausschließlich in Betracht kommenden urkundlichen Quellen, namentlich die Lokationsverträge nur ausnahmsweise kurze Angaben über die Motive und Ziele der Gründer, über die Vorgeschichte der einzelnen Stadtgründung enthalten. Dazu kommt, daß die Forschung bisher das Gebiet der Städtepolitik vernachlässigt und nur selten die Stadtgründung in ihrer Abhängigkeit von den kirchlichen, militärischen, politischen und wirtschaftlichen Interessen des einzelnen Territoriums behandelt hat. Mit Recht bemerkt R. Kötzschke, man habe die Anfänge des Städtewesens bisher vornehmlich unter verfassungs-, rechts- und wirtschaftsgeschichtlichen Gesichtspunkten erforscht, die Frage nach dem schöpferischen Willen der Menschen sei zurückgetreten; „nur wenig ward der Versuch unternommen, die Vorgänge beim Städtebau in den größeren Rahmen der politischen Landesgeschichte einzufügen''.Die Frage, inwieweit die Städtegründung dem bewußten Willen einzelner Fürsten zu danken ist, bedarf noch der Klärung. Die Tatsache, daß die Städtegründung im allgemeinen ein Werk des Fürstentums gewesen ist, kann nicht bezweifelt werden. Private Grundherren erhielten — im Unterschied zur Dorfgründung — nicht sehr häufig die Erlaubnis zur Aussetzung städtischer : R. Kötzschke, Markgraf Dietrich von Meißen, Neues Archiv für sächs. Gesch., 1924, Bd. 54, S. 7, 8. Beiheft d. H . Z. 2 4 .

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Gemeinwesen; ganz ausnahmsweise nur sooft, wie in der Lausitz 1 ), in Böhmen und Mähren, wo in der Zeit von 1230—1306 neben 69 königlichen 75 grundherrliche Gründungen entstanden.2) Die Fürsten nahmen das Recht der Städtegründung schon seit dem 12. Jahrhundert für sich in Anspruch. Heinrich der Löwe, dem Lübeck, Schwerin, Braunschweig und München ihre Entstehung verdankten 3 ), war der glücklichste Städtegründer des 12. Jahrhunderts. Ihm folgten während des 13. Jahrhunderts in gleicher Tätigkeit die Gebrüder Johann I. und Otto III. Markgrafen von Brandenburg (1220—1267), Markgraf Dietrich von Meißen4), in der Oberlausitz König Wenzel I., der das Land zugleich in advocatiae einteilte, König Ottokar II. in Böhmen5), im Westen des Reiches Konrad von Zähringen, der Begründer von Freiburg i. Br., Graf Otto II. von Geldern (1229—1271), Graf Dietrich VI. von Cleve, der Cleve, Wesel und Kalkar in den Jahren 1241—1243 gründete6), im Süden die Wittelsbacher Ludwig I. und Otto II. 7 ), die unter den herzoglichen Städten Bayerns „nur München von ihren weifischen Vorgängern übernahmen"; und außer ihnen Rud. Lehmann, Die Lausitz im Zeitalter der ostdeutschen Kolonisation. Senftenberg 1923, S. 21: „ A l s markgräfliche Gründungen können wir im Westen nur Luckau, im Osten Guben, Sommerfeld, Fürstenberg, Friedland und wohl Lieberose feststellen. Alle übrigen Städte dürften grundherrlichen Ursprungs sein." 2) Ad. Zycha, Über den Ursprung der Städte in Böhmen und die Städtepolitik der Premysliden. Mitteil, des Ver. f. d. Gesch. der Deutschen in Böhmen. 1914, Bd. 52, S. 21 ff. Über grundherrliche Städte vgl. auch K . O. Müller, Die oberschwäbischen Reichsstädte, Darstellungen aus der Württemb. Gesch., Stuttg. 1912, Bd. 8, Kap. 2 und 3. 3) F. Bornitz, Heinrich der Löwe als Städtegründer. Diss. Berlin 1923. 4) R . Kötzschke, Markgraf Dietrich von Meißen als Förderer des Städtebaues. Neues Archiv f. sächs. Gesch. u. Altertumskde. 1924, Bd. 54, S. 7 ff., und H. Gröper in der Festschrift für R. Kötzschke 1927, S. 236ff. «) A . Zycha, a. a. O., Bd. 52, S. 583 ff. •) Fr. Liesegang, Niederrheinisches Städtewesen vornehmlich im Mittelalter (Gierkes Untersuchungen, Heft 52), 1897, S. 34 ff. ') Ludw. Rothenfelder, Die Wittelsbacher als Städtegründer in Bayern von Otto dem Großen bis auf Ludwig IV. (1180—1347), Münchener Diss. 1911. „Die eigentlichen Städtegründer unter den Wittelsbachern sind Ludwig I. und noch mehr dessen Sohn Otto II." (S. 96). Während der 73jährigen Regierung Ottos I., Ludwigs I., Ottos II. (1180—1253) gründeten die Wittelsbacher mindestens 11, wahrscheinlich 16 Städte (S. 73); in der Zeit von 1253 bis 1347 kamen noch 5 Städtegründungen hinzu. R . Martini, Die Anlage der altbayerischen Städte, Korrespondenzblatt des Gesamtver., 1914, S. 357— 362.

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noch viele andere Fürsten ), die dem Zuge der Zeit folgten und ihrem Lande durch Städtegründungen größere Einheit, Sicherheit und wirtschaftlichen Aufschwung zu verleihen suchten. Das 13. Jahrhundert, die Zeit des Verfalls der deutschen Königsmacht und des Interregnums, war die „klassische Zeit" der Städtegründung, „neben dem 19. Jahrhundert die wichtigste Epoche in der Geschichte des deutschen Städtewesens". Damals entstanden die meisten Gründungsstädte des Reiches: Die Mark Brandenburg besaß bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts etwa 1 2 Städte 2 ); in der Zeit von 1 2 3 0 — 1 2 6 5 allein folgten 2 1 Neugründungen der beiden Brüder Johann I. und Otto III. 3 ); 1 8 neumärkische Städte entstanden zwischen 1250 und 1314. 4 ) Die heute im Gebiete des Königreichs Sachsen vorhandenen 1 4 3 Städte bestanden etwa zur Hälfte schon um 1300 als Siedlungen mit Marktverkehr oder mit vollem Stadtrecht. 5 ) In Schlesien gab es im 1 3 . Jahrhundert schon 63 Städte 8 ); in Hessen nach Schräders Ansicht 62, fast die Hälfte des heutigen Bestandes (137). 7 ) Von den 88 Städten, „welche das heute zur Schweiz gehörige Gebiet ') Die Zahl der landesfürstlichen Gründungen überwog z. B. auch in Steiermark; vgl. Anton Meli, Grundriß der Verwaltungs- und Verfassungsgeschichte des Landes Steiermark, Graz 1929, S. 88: „Am Ende des 13. Jahrhunderts zählte man in Steiermark 48 Städte und Märkte, von denen 29 dem Landesfürsten, den Reichskirchen 6, den Landesklöstern 5 und dem Adel 6 Städte und Märkte gehörten. Damit ergab sich der bis ins 19. Jahrhundert festgehaltene Unterschied zwischen landesfürstlichen und grundherrschaftlichen (patrimonialen) Städten und Märkten." Vgl. auch Lahusen, Zur Entstehung der Verfassung bairisch-östeireichischer Städte, Berlin 1908. 2 ) Rob. Mielke, Die Entstehung von Berlin-Köln. Brandenburgia 1926, Jahrg. 35, S. 16, zählt 12 Städte auf; vgl. dazu P. J . Meier, Korrespondenzbl. des Gesamtver. 1914, Jahrg. 62, Spalte 229. 3 ) H. Krabbo, Die Stadtgründungen der Markgrafen Johann I. und Otto III. von Brandenburg (1220—1267). Arch. f. Urkundenforsch. 1912, Bd. 4, S. 268. Über die Altmark vgl. Rieh. Aue, Zur Entstehung der altmärkischen Städte, Diss. Greifswald 1910 (dazu P. J . Meier, a. a. O.); P. J . Meier, Anfänge und Grundrißbildung der Stadt Stendal, Forschungen zur brand. und preuß. Geschichte, 1914, Bd. 27, S. 371 ff. 4 ) P. van Nießen, Gesch. der Neumark. Landsberg 1905, S. 423. ®) R. Kötzschke, Staat und Kultur im Zeitalter der ostdeutschen Kolonisation (Aus Sachsens Vergangenheit, Leipz. 1910, Heft 1), S. 54. ') G. Schönaich, Stadtgründungen und typische Stadtanlagen in Schlesien. Zeitschr. d. Ver. f. Gesch. Schlesiens, 1926, Bd. 60, S. 2; W. Schulte, Deutsche Stadtgründungen in Schlesien, Glatz 1903. ') Er. Schräder, Die Städte Hessens. Jahresber. des Frankfurter Ver. f. Geographie u. Statistik, 1919—1922, Jahrg. 84—86, S. 9, 10, 24. 2«



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im Mittelalter aufweist, entstanden /i. d. i. 64 Städte, im 13. Jahrhundert; im 14. Jahrhundert kamen noch etwa 10 dazu." 1 ) Das heutige Mecklenburg „zählt 53 Städte, von denen 45 im Zeitalter der deutschen Kolonisation, in der Zeit vom 12. bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts, gegründet worden sind. Von diesen ist nur eine Stadt, nämlich Schwerin, im 12. Jahrhundert entstanden, während die Mehrzahl der Städte, im ganzen 37, im 13. Jahrhundert und ein kleinerer Teil, nämlich 7, im 14. Jahrhundert gegründet wurden".2) Die Entwicklung des oberlausitzer Städtewesens „war mit dem Anfall an Brandenburg 1253 in ihren Grundzügen vollendet".3) Ähnlich hoch war der Prozentsatz der im 13. Jahrhundert vollzogenen Städtegründungen in Pommern4) und anderen Territorien des Reiches. Die Gründungsart der im 12.—14. Jahrhundert entstandenen Städte ist verschieden gewesen. Manche der älteren Städte (des 12, Jahrhunderts), z. B. Schwerin6), Danzig6), Prag7) u. a. entstanden aus Kaufmannssiedlungen, die Städte des 13. Jahrhunderts, d. i. der eigentlichen Kolonisationszeit dagegen, wie Rietschel wohl mit Recht annimmt, ganz überwiegend als planmäßig angelegte Neugründungen aus frischer Wurzel, nur verhältnismäßig selten schon während des 13. Jahrhunderts aus Dörfern, die durch Stadtrechtsverleihung Urbanen Charakter erhielten. Die letztere Gründungsart läßt sich für Dülmen, Haltern, Billerbeck, Coesfeld, Bocholt, Borken und andere westfälische Dörfer nachweisen, die im 12./13. Jahrhundert zur Stadt erhoben wurden.8) Die weitverbreitete Ansicht, „die rechtsrheinischen Städte ») Ulr. Stutz, Zeitschr. d. Sav.-Stift. G. A. 1929, Bd. 49, S. 636. *) Karl Hoffmann, Die Stadtgründungen Mecklenburg-Schwerins in der Kolonisationszeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert (auf siedlungsgeschichtlicher Grundlage). Schwerin 1930, S. 8, 1 5 1 ff. 3 ) W. Jecht, Neues lausitzisches Magazin, 1919, Bd. 95, S. I ff., insbesondere S. 60. 4 ) M. Wehrmahn, Geschichte von Pommern, 1919, Bd. 1, S. m f f . 6 ) K. Hoffmann a. a. O., S. 18 ff., 160 ff. •) Er. Keyser, Die Entstehung von Danzig, 1924, sucht nachzuweisen, daß neben einer slavischen Fischersiedlung in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine deutsche Kaufmannssiedlung entstand, die um 1224 zur Stadt mit deutschem Recht erhoben wurde. 7 ) Ad. Zycha, a. a. O., S. 269. Über Bautzen vgl. Jecht, a. a. O., S. 3 i . *) Hans Joachim Seeger, Westfalens Handel und Gewerbe vom 9. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts, Studien z. Gesch. der Wirtschaft und Geisteskultur, hrsg. von R. Häpke, 1926, Bd. 1, S. 106 ff.



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seien, von wenigen Ausnahmen abgesehen, planmäßige Gründungen oder gar Kaufmannssiedlungen gewesen", trifft also für Westfalen nicht zu. Die Städte des Niederstifts Köln sollen (nach Theodor Ilgen) im 13. Jahrhundert sogar ausnahmslos aus Landgemeinden erwachsen sein.1) In Mecklenburg-Schwerin kam schon im 13. Jahrhundert siebenmal2), vereinzelt auch in Böhmen 3 ) während dieser Zeit Erhebung von Dörfern zu Städten vor. Trotzdem scheint die Tatsache, daß die Städtegründungen des 13. Jahrhunderts weitaus zum größten Teil Neugründungen aus frischer Wurzel waren, ziemlich gesichert zu sein. Das gilt nach Kretzschmars Untersuchung für sämtliche Städte in den sächsischen Gebieten zwischen der mittleren Saale und der Lausitzer Neiße4), ferner für die vor 1253 bestehenden Städte der Oberlausitz mit drei Ausnahmen4). Sämtliche erhaltenen Urkunden über Städtegründungen des Markgrafen Johanns I. von Brandenburg (1220 bis 1266) zeigen „durch ihren Wortlaut, daß es sich um völlige Neugründungen handelt, nicht um Erhebungen irgendwelcher vorhandenen Siedlungen zu einer Stadt". 6 ) K. O. Müller bemerkt: „Unter unsern (13) oberschwäbischen Reichsstädten findet sich keine, die aus einer Dorfgemeinde hervorgegangen ist." 7 ) Die herzoglichen Städte Bayerns sind „in der Regel gegründet worden, und zwar gegründet von den Landesherren in berechnender Absicht". 8 ) Die heute bestehenden 137 Städte Hessens sollen zu 7 5 % (nämlich 103 Städte) als planmäßige Neugründungen und nur 1 3 , 8 % (nämlich 19 Städte) aus Dörfern entstanden sein. Leider erfahren wir aus Schräders Abhandlung nicht, wie sich die Zahl dieser hessischen Gründungen auf das 13. bzw. 14. Jahrhundert verteilt; wir hören nur, „das langsame Wachsen der Städte aus Dörfern sei eine Erscheinung des späteren Mittelalters und der Neuzeit gewesen".9) Es ist jedenfalls nicht unwahrschein') Th. Ilgen, Die Entstehung der Städte des Erzstiftes Köln am Niederrhein, Annalen des Hist. Ver. für d. Niederrhein, 1902, Bd. 74, S. 20. ») K . Hoffmann, a. a. O., S. 169. ») Zycha, a. a. O., S. 283, 284. 4 ) Joh. R. Kretzschmar, Die Entstehung von Stadt und Stadtrecht in den Gebieten zwischen der mittleren Saale und der Lausitzer Neiße (Gierkes Untersuchungen, Heft 75), Breslau 1905. *) Jecht, a. a. O., S. 34 ff. •) Ernst Kaeber, Die Gründung Berlins und Kölns, Forsch, z. brand. u. preuß. Gesch. 1926, Bd. 38, S. 45. ') K. O. Müller, a. a. O., 1912, Bd. 8, S. 404 ff. 8 ) S. Riezler, Geschichte Baierns, Bd. 2, S. 196. *) Er. Schräder, a. a. O., 48, 51.



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lieh, daß das auch für Mecklenburg-Schwerin gewonnene Ergebnis, nach welchem die Städte in der eigentüchen Gründungsperiode (bis etwa 1275) zum größten Teil aus frischer Wurzel entstanden, „in der Zeit des Ausbaues von etwa 1275—1370 dagegen nur noch Dörfer zu Städten erhoben worden sind" 1 ), allgemeinere Geltung hat. Als der Strom der Zuwanderer seit dem Ende des 13. Jahrhunderts nicht mehr ausreichte, mußte man sich in der Regel damit begnügen, schon bestehenden Dörfern das Stadtrecht zu verleihen. Von 10 Jülicher Städten, die mit einer einzigen Ausnahme nach der Schlacht von Worringen (1288) entstanden, sind 7 aus Dörfern erwachsen.2) Im sächsischen Vogtland begann man im 14. Jahrhundert „im größeren Umfange bereits vorhandene, offene Ortschaften, z. T. Siedlungen, die sich im Anschluß an eine Burg allmählich entwickelt hatten, mit städtischen Rechten zu bewidmen" 3 ); und in Anhalt sollen seit dem 14. Jahrhundert, mit dem die zweite Gründungsperiode beginnt, keine Städte mehr durch Neugründung entstanden, sondern nur Dörfer mit Stadtrecht bewidmet worden sein.4) Die Tatsache, daß die Städtegründungen des 13. Jahrhunderts wahrscheinlich in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit fürstliche Gründungen aus frischer Wurzel waren, läßt auf einen schöpferischen Willen der Landesherren schließen und erleichtert es daher, die Frage zu beantworten, ob und inwieweit die städtischen Gemeinwesen eines Territoriums dem planvollen Walten des Fürsten oder der äußeren Anregung einer interessierten Person oder Gemeinschaft ihre Entstehung verdankten. Die Urkunden be') K. Hoffmann, a. a. O., S. 170. *) P. Koof, Die Entstehung der altjtllichschen Städte. Diss. Bonn 1926, S. 90, 91. s ) Ernst Pietsch, Die Entstehung der Städte des sächsischen Vogtlandes, Mitteil. d. Ver. f. vogtländ. Gesch. u. Altertumskde.. Jahresber. 32, 1922, S. 120, 1 2 1 . 4 ) Wilh. Müller, Die Entstehung der Anhaltischen Städte des Mittelalters, Diss. Halle 1912, S. 66, 67. — K. Hoffmann, a. a. O., S. 169, 170, glaubt für Mecklenburg-Schwerin feststellen zu können, „daß die drei Abschnitte, in denen der zeitliche Verlauf der Städtegründungen in den einzelnen mecklenburg-schwerinschen Herrschaftsgebieten erfolgte, auch durch je einen besonderen Stadttypus charakterisiert werden". Die aus der Kaufmannssiedelung erwachsene Stadt ist die älteste. Darauf folgt die eigentliche Gründungsperiode (bis 1275), in der die Städte überwiegend als Gründungen aus frischer Wurzel entstanden sind. „Vollendet wird der Aufbau des Städtewesens in der Zeit von 1275 bis 1370, in der nur noch Dörfer zu Städten erhoben werden." Vgl. auch Zycha, a . a . O . , S. 32 ff., 52 ff.; W . Müller, a. a. O., S. 2, 3; Schräder, a. a. O., S. 8 ff.; Pietsch, a. a. 0., S. 120.

— 23 — richten darüber so gut wie nichts, und nur ganz selten lassen sie erkennen, ob der fürstliche Gründer sich im besonderen Falle durch politische, kirchliche, militärische oder wirtschaftliche Gesichtspunkte bestimmen ließ. Bisweilen betonen sie den militärischen Zweck der Gründung: Das Dorf Haltern in Westfalen wiifde befestigt und zur Stadt erhoben, weil es „den Angriffen von Feinden offenliege" 1 ); auch in den Gründungsurkunden von Rüthen, Brilon2) und anderen westfälischen Orten hob man die Absicht militärischer Sicherung besonders hervor.3) Dagegen hören wir nur ganz selten in den Urkunden von Motiven finanzieller und wirtschaftlicher Art, die in den weitaus meisten Fällen gewiß den Ausschlag gaben. Die Aussicht auf die reichen Einnahmen der Bürgerschaft belebte den Gründungseifer stark. Bisweilen traten die fiskalischen Gesichtspunkte hinter den wirtschaftlichen zurück. Die Tatsache z. B., daß Heinrich der Löwe für seine Städtegründungen den Boden völlig zinsfrei hergab, in keiner der von ihm gegündeten Städte einen Hausstätten- oder Arealzins nahm, läßt nach Rietschel den Schluß zu, daß es „ihm offenbar nicht an diesem Nebenverdienst, sondern am Aufblühen der Städte selbst lag". 4 ) G. v. Below weist darauf hin, daß Landesherren den jungen Städten die direkten Steuern ganz oder teilweise erließen; sie faßten neben ihrem finanziellen Vorteil die „allgemeine Hebung des Landes durch die Städtegründung ins Auge". 8 ) Der Nutzen, den die Gründung der neuen Stätten des Gewerbe- und Handelslebens, der Geld- und Kreditwirtschaft brachte, konnte unmöglich verkannt werden. Die Absicht der Landesherrschaft, das Städtewesen zu organisieren und bis zu einem gewissen Grade einheitlich nach den Interessen des territorialen Ganzen zu gestalten, ist nirgends, soweit bekannt, in den Quellen ausdrücklich bezeugt. Aber sie ist unzweifelhaft vorhanden gewesen. Motive verschiedener Art, rechtliche, militärische und wirtschaftliche Rücksichten auf Ver») Westfälisches Urkb. Bd. III. Nr. 1365 (1288 3/2). *) Ebendas. Bd. VII, Nr. 3 (1200 29/9) und Nr. 767 (1251 4/1). ») Vgl. H. J. Seeger, a. a. O., S. 106 ff. Der militärische Zweck der Stadtgrandungen ist auch sonst vielfach bezeugt; v g l . W . Spieß, Das Marktprivileg, Heidelb. 1916 (Deutsch-rechtl. Beitr., Bd. 11, Heft 3), S. 78 (372), Eb. Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes, Straßb. 1892, S. 7 : „Das Vorbild einer solchen Gründung (als „Großburg") im größten Maßstabe ist Bern". P. Koof, a. a. O., S. 95 usw. 4) Hist. Zeitschr. 1909, Bd. 102, S. 258. ') G. v . Below, Deutsche Städtegründung im Mittelalter mit besonderem Hinblick auf Freiburg i. Br., Freiburg 1920, S. 16.

— 24 — kehr und die entstehende Landesverwaltung wirkten dabei zusammen. Die Entstehung des Städtewesens fiel in eine Zeit bahnbrechender territorialer Verwaltungsreformen, die an Bedeutung noch die Behördenformationen des 16. Jahrhunderts übertrafen. Die in hartem Kampfe mit den feudalen Gewalten während des 12./13. Jahrhunderts teilweise durchgeführte Einteilung des Territoriums in gleichartige Verwaltungssprengel übte ihren Einfluß auch auf die fürstliche Städtepolitik aus, da die neu entstehenden lokalen Amtsbezirke in den Städten ihren natürlichen Mittelpunkt fanden. „Die neuen Städte", waren dazu bestimmt, „als für Wirtschaft und Verkehr günstigste Mittelpunkte einer neugeordneten Verwaltung nach Villikationen oder Vogteien zu dienen". 1 ) Man suchte die Städteanlagen, wo es möglich und zweckmäßig war, den Interessen der das Land zu Verwaltungseinheiten zusammenfassenden Reform anzupassen. Der planmäßige Städtebau richtete sich in anderen Fällen nach den Bedürfnissen des Verkehrs. Die Konstanz der Entfernungen zwischen den Städten ein- und derselben Handelsstraße läßt auf eine regelnde organisatorische Gewalt schließen. Die Städte als Mittelpunkte des Handelsverkehrs entstanden oftmals in ziemlich regelmäßigen Abständen von 2—4 Meilen. Der Abstand der Städte an einer Straße des Fernverkehrs entsprach in Hessen z. B. „durchweg der Tagesleistung eines Frachtfuhrwerks. Das Maximum einer solchen betrug etwa 28—30 km". 2 ) Das Bemühen der Landesherren, das Städtewesen gleichartig nach den Landesinteressen zu ordnen, tritt deutlich auf dem Gebiete des Rechtslebens, vor allem in den Stadtrechtsverleihungen hervor. Die Markgrafen von Brandenburg vermieden es seit dem Ende des 12. Jahrhunderts, ihren Städten, wie es bis dahin mehrfach geschehen war, Magdeburger Recht zu verleihen. Die Markgrafen Johann I. und Otto III. bestimmten vielmehr am R . Kötzschke, Markgraf Dietrich von Meißen als Förderer des Städtebaues, Neues Archiv f. sächs. Gesch., 1924, Bd. 54, S. 45. Der Zusammenhang zwischen der Städtegründung und der Einteilung des Landes in Verwaltungssprengel ist noch wenig geklärt. W . Jecht, a. a. O., S. 52, 56 ff. betont, daß Wenzel I., König von Böhmen, der das Städtewesen der Oberlausitz ausbaute, zugleich das Land in advocatiae einteilte. Die T a t sache, daß in Mecklenburg-Schwerin regelmäßig (mit zwei Ausnahmen) „immer nur eine Stadt in je einer Vogtei lag" (Hoffmann, a. a. O., S. 177), scheint ebenfalls auf jenen Zusammenhang hinzuweisen. 2 ) Schräder, a . a . O . , S. 18, 1 9 ; vgl. auch R . Kötzschke, Staat und Kultur im Zeitalter der ostdeutschen Kolonisation, a. a. O., S. 54.

— 25 — 7- März 1 2 3 2 , daß alle Städte in Teltow, Glien und im neuen Lande Barnim ihr Recht von Spandau, d. h. von einer märkischen Stadt erhalten sollten 1 ); sie übertrugen die einflußreiche und einträgliche Befugnis, Rechtssprüche zu erteilen, lieber einer einheimischen als einer fremden Stadt. Die Grafen von Geldern verliehen fast allen Städten ihres Landes „das nämliche Recht, und zwar das einer ihnen unterworfenen Stadt (Zütfen)". 2 ) Die Städte der mecklenburgischen Herrschaft Werle erhielten bei ihrer Gründung insgesamt Schweriner Recht, im Lande Parchim galt parchimer, in der Herrschaft Rostock das rostocker Recht; die Oberhöfe dieser drei Territorien, Güstrow in Werle, Parchim, Rostock lagen innerhalb der Landesgrenzen. 3 ) Durch diese und ähnliche Maßnahmen versuchten Landesherren möglichst ein geschlossenes territoriales Städtewesen mit einheitlichen Rechts- und Verwaltungseinrichtungen zu begründen. Die Stadtgründung war vor allem eine wirtschaftliche Maßnahme ; sie schuf erst einen leistungsfähigen Stand freier Gewerbetreibender und Kaufleute. Wer anders als der Landesherr selbst vermochte die widerstreitenden Interessen der Bürger und Bauern auszugleichen, den inneren Markt eines Landes nach außen hin zu schützen? 4 ) Die unverkennbare Gleichartigkeit in den wirt') Riedel, Codex diplomaticus Brandenb. A, Bd. 1 1 , S. 1 ; ebendas. A, Bd. 9, S. 12 (1315 3/11): Markgraf Johann bestimmte in dem Privileg vom Jahre 1 3 1 5 für die Stadt Brandenburg: ,,ut omnes nostre civitates et opida per totum nostri dominii circuitum site in suis iuribus inquirendis . . . ad ipsam civitatem Brandenburch confluant et iura sua . . . ab eadem requirant." *) G. Müller, Die Entwicklung der Landeshoheit in Geldern bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Diss. Marburg 1889, S. 20. ») K . Hoffmann, a. a. O., S. 188 ff. *) Die Tatsache, daß deutsche Landesherren des 13. Jahrhunderts den inneren Markt ihres Landes als Einheit betrachteten und ihn nach außen hin zu schützen suchten, ergibt sich z. B. aus einer Urkunde Herzog Wratislaws von Pommern (Meckl. Urkb. Bd. 2, Nr. 807, 1257, Dez. 23), welcher den Einwohnern dreier namentlich aufgeführter Ortschaften gestattete, denjenigen Markt zu besuchen, wo die Dorfbewohner es wollten und wo sie ihre Waren bequem verkaufen konnten, ohne durch den Einspruch eines herzoglichen Vogtes behindert zu werden („nullius advocati nostri contradictione aliquatenus obsistente"). Die Bestätigung dieses Privilegs in der Urk. 1266, März 5 (Meckl. Urkb. Bd. 2, Nr. 1071, S. 288) fügt zu der „libertas, ut forum adeant, ubi commodius res suas venales vendere possint" den einschränkenden Satz hinzu: „nisi interdictum generale pronunciatum fuerit in terra de non querendo foro alieno." Die Urkunde bezeugt also, daß der Landesfürst bisweilen soweit ging, seinen Untertanen durch allgemeine Vcr-



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schaftlichen Einrichtungen der neuen Stätten des Gewerbes und Handels, die Fülle des Übereinstimmenden, die berechnete Art und Zweckmäßigkeit der Anlage bezeugen hinreichend den organisatorischen Willen des Territorialherrn, der die neue Lebens-und Wirtschaftsform der bürgerlichen Gemeinden dem territorialen Ganzen einzufügen und nutzbar zu machen suchte. Gleichartige Verhältnisse lassen sich eher beherrschen als verschiedenartige oder komplizierte; und die Landesherren legten Wert darauf, sich die Herrschaft über die Städte ihres Landes zu sichern. Die Anlage der Städte selbst war ein Vorrecht der Landesherren. Die Stadtgebieter ordneten als Regalherren das Verkehrs-, Markt-, Münz- und Zollwesen. Sie ließen Kaufhäuser, Kaufkammern, Buden und Bänke auf dem Markt, eine öffentliche Waage, Münze, ein Schlachthaus usw. errichten, bestimmten die Höhe des Arealzinses und der Abgaben, die von Kaufständen gezahlt werden mußten; sie regelten und überwachten den Marktverkehr und die Preisbildung, sorgten für Anwendung vorschriftsmäßiger Maße und Gewichte und für Warenschau, erteilten Konzessionen für Abhaltung von Wochen- und Jahrmärkten, setzten Ort und Zeit derselben fest; sie gestatteten die Gründung von Gilden, bestätigten deren Statuten, verliehen Zoll-, Niederlags- oder Stapelrechte u. dgl. m. Kurz, das wirtschaftliche Leben spielte sich anfangs in den Städten unter der Herrschaft und Leitung des Stadtherrn ab; und der Fürst besaß durch seine Beamten in den Städten, durch die Schultheißen, Vögte, Amtmänner als Organe der höheren und niederen Gerichtsbarkeit, durch die Münzmeister, Zöllner, Marktmeister usw. die Möglichkeit, seinen Herrschaftswillen bis zum gewissen Grade zu verwirklichen. Der Erzbischof von Mainz unterhielt z. B. in der Stadt Mainz auch drei Beamte mit wirtschaftlichen Funktionen: außer dem Marktmeister den Walpoden, dem die Bäcker unterstanden, und den Kämmerer, der den Salzordnungen den Besuch fremder Märkte zu untersagen. Den landesherrlichen Vögten fiel die Aufgabe zu, derartige Verordnungen ihres Herrn zu vollstrecken und den Warenverkehr auf dem Markte zu beaufsichtigen. So gaben z. B. die Grafen Gunzelin und Heinrich von Schwerin, welche am 21. Dez. 1298 dem Kloster Reinfeld die Mühlen in der Stadt Schwerin verkauften, dem A b t und Konvent des Klosters die Zusicherung: „nec poterant cogi a nostris advocatis nec a civibus impediri in emptione qualibet seu venditione nec a quolibet hominum nostri dominii indebite pregravari" (Meckl. Urkb. Bd. 4, Nr. 2525, S. 80). Vgl. Fr. Techen, Marktzwang und Hafenrecht in Mecklenburg, Hansische Geschichtsbll., Jahrg. 1908, Bd. 14, S. 103.

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handel überwachte. ) So großen Wert legten der Erzbischof von Mainz und gleich ihm viele andere Stadtherren darauf, sich die Verfügung über den städtischen Markt, das Gewerbewesen und den Handel der Stadt zu erhalten. Der Selbständigkeitsdrang der Bürgerschaft, ihr Streben nach Autonomie in der Regelung der inneren Angelegenheiten erwachte freilich schon frühzeitig und bereits bei der Gründung oder bald nachher erhielten Gemeinden Anteil an der Markt- und Gewerbegerichtsbarkeit, das Recht der Lebensmittelpolizei, der Warenkontrolle u. dgl., Gerechtsame, die vermutlich zu den frühesten selbständigen Befugnissen der Bürgerschaft gehörten. Diese Keime bürgerlicher Selbstverwaltung aber hinderten nicht, daß der Stadtherr zunächst eine umfassende obrigkeitliche Gewalt in der Stadt ausübte. Das städtische Wirtschaftsleben gedieh unter landesherrlicher Führung zur ersten reichen Blüte. Die Landesherren des 13. Jahrhunderts regelten und leiteten zum Teil das städtische Wirtschaftsleben erfolgreicher und umfassender, als es im 15./16. Jahrhundert, seit dem angeblichen „Beginn" einer „territorialen Wirtschaftspolitik" geschah. Die Verdienste einzelner Fürsten um die Landeskultur, die Stadt- und Dorfgründungen sind nach ihrem ökonomischen Sinn und Zweck oft nicht richtig eingeschätzt worden, weil das Vorurteil bestand, daß der Staat sich im Mittelalter um das Wirtschaftsleben nicht gekümmert habe. Dies Vorurteil wird schwinden angesichts der zahlreichen, quellenmäßig bezeugten ökonomischen Maßnahmen des Landesfürstentums, die in ihrer Gesamtheit so umfassend sind, daß man m. E. wohl berechtigt ist, von einer „Territorialwirtschaft" des 13. Jahrhunderts zu sprechen. Die Überlieferung läßt keinen Zweifel darüber, daß die Landesherrschaft vieler Territorien schon im 13. Jahrhundert über den Rahmen der Landeskultur- und Siedlungspolitik hinaus das Verkehrswesen sowohl wie das W i r t s c h a f t s l e b e n ihres Gebietes bis zum gewissen Grade einheitlich und planvoll geleitet hat. Die Landesfürsten traten seit Erwerbung der Verkehrsregalien an die Stelle des Königtums; die Regelung des interlokalen Verkehrs lag zum Teil in ihrer Hand. Die Wasser- und Landstraßen waren öffentlich, die Straßen zum großen Teil Zwangsstraßen. Die Markgrafen Otto und Konrad von Brandenburg privilegierten 1292 die Stadt Königsberg mit der freien Schiffl

) E. Rütimeyer, Stadtherr und Stadtbürgerschaft in den rheinischen Bischofsstädten, Stuttgart 1928, S. 24, 25.



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fahrt auf der Röhricke bei Stettin. 1 ) Markgraf Waldemar bestimmte 1317 bei Strafe von 3 Talenten, daß alle Wagen, die bisher auf der Straße Berlin-Frankfurt nach Niederfinow fuhren, künftig ihren Weg über Neustadt—Eberswalde nehmen sollten, und bestätigte Eberswalde zugleich die Niederlagsgerechtigkeit.2) Den Landesherren stand die Verfügung über den Straßenverkehr und damit auch die Berechtigung zu, den Kaufleuten und Reisenden den Weg, den sie nehmen sollten, vorzuschreiben. Sie übernahmen als Zollherren nach der reichsgesetzlichen Bestimmung von 1235 „Receptores vero teloneorum tam in terris quam in aqius debito modo teneri volumus ad reparationen poncium et stratarum" 3 ) die Verpflichtung, die Straßen und Brücken instandzuhalten. Die öffentliche Gewalt beschränkte sich aber nicht auf die Ausbesserung und Erhaltung bestehender Einrichtungen, sie legte neue Straßen an, ließ Brücken und Dämme erbauen. Fürst Niklot von Rostock verhieß 1296 der Stadt Sülze die Anlage eines Kanals, der die Trebel mit der Recknitz verbinden sollte, zur Erleichternug des Salzhandels.4) Maßnahmen dieser Art erfolgten meist vermutlich auf Anregung lokaler Instanzen, zuweilen jedoch im Zusammenhang mit systematischem Ausbau eines Verkehrsgebietes. Erzbischof Wichmann von Magdeburg (1154—1192) begnügte sich nicht damit, sein Land mit Kolonisten zu besiedeln; er „regelte darüber hinaus von vornherein planmäßig und zusammenhängend die wichtigsten Verkehrsverhältnisse eines ganzen Gebietes in ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Abstufung". 6 ) Der tatkräftige Osnabrücker Bischof Benno II. ließ — wie später auch die benachbarten Bremer Erzbischöfe — unwegsame Sümpfe austrocknen und trockene, infolge der Entwässerungsanlagen auch im Winter gangbare Wege anlegen.0) Die Söhne Meinhards II. von Tirol, die Grafen Otto und Heinrich, zeichneten Riedel, Cod. dipl. br. A, Bd. 24, S. 8 (1292, Febr. 26). ) Riedel, Cod. dipl. br. A, Bd. 12, S. 288 (1317, Okt. 30). s ) M. G. Const., Bd. II, S. 243, § 7. Vgl. auch Ernst Gasner, Zum deutschen Straßenwesen von der ältesten Zeit bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, Leipzig 1889, S. 59 ff. 4 ) Klöden, Über die Stellung des Kaufmanns während des Mittelalters, 1841, Stück 3, S. 56. Später im Jahre 1478 plante Herzog Magnus II. von Mecklenburg, einen Kanal von Wismar nach dem Schweriner See zu erbauen; aber die Ausführung des Planes unterblieb wegen Geldmangels. 6 ) W. Stein, Handels- und Verkehrsgeschichte der deutschen Kaiserzeit, a. a. O., S. 357. •) Vita Bennonis M. G. SS., Bd. 12, S. 67, Kap. 15. s

— 29 — sich durch umfassende Straßenbauten aus, die über die Kräfte der lokalen Verbände hinausgingen; die Brennerstraße Wurde umgebaut.1) Der Bau der Arlbergstraße und des Weges durch die Ehrenberger Klause wurde 1309 begonnen, die Eisackstraße zwischen Bozen und Trostburg angelegt. „Die hervorragendste Leistung auf dem Gebiete des Tiroler Straßenbaues jener Zeit war aber die Eröffnung des unteren Eisacktales für den Verkehr durch den Bozener Bürger Heinrich Kunter in den Jahren 1314 bis 1 3 1 7 " , der sich durch einen Vertrag mit Graf Heinrich von Tirol 1314 verpflichtete, die genannte Wegstraße für Saumtiere herzustellen.2) Die Fürsten wahrten ihr Eigentum an den Land- und Wasserstraßen, ließen Straßen anlegen und übten den Straßenzwang, erteilten Niederlags-, Zoll- und Schiffahrtsprivilegien. Daher lag es in ihrer Hand, den Verkehr in bestimmte Wege zu weisen, ihn an gewisse Orte zu binden, von anderen abzulenken. Der Aufschwung des Handels zwischen Deutschland und Venedig hat schon in früher Zeit eine sehr merkwürdige Organisation des Frachtfuhrwesens, das sogenannte Rodwesen3), in den beiden wichtigsten Durchgangsländern dieses Verkehrs, in Tirol und Südbayern, entstehen lassen. Man versteht unter Rod (Reihe), der oberdeutschen Form für Rotte, die Reihenfolge, in welcher die an den einzelnen Niederlags- oder Rodstätten berechtigten Fuhrleute oder Rodleute die Güter auf der betreffenden Rodstraße bis zum nächsten Rodort befördern mußten; später bedeutete Rod auch das Recht des Anteils an der Verfrachtung der auf der Rodstraße beförderten Güter. Die Einrichtung des Rodwesens lag, wie es scheint, in der ältesten Zeit in der Hand Herrn. Wopfner, Die Lage Tirols zu Ausgang des Mittelalters. Berlin 1908, S. 137, 138. 2 ) Joh. Müller, Vierteljschr. f. Soz.- und Wirtschaftsgesch., Bd. 3, S. 384. 385. s ) Vgl. Joh. Maller, Das Rodwesen Bayerns und Tirols im Spätmittelalter und zu Beginn der Neuzeit, Vierteljahrschr. f. Soz.- und Wirtschaftsgesch. 1905, Bd. 3, S. 361 ff.; Otto Stolz, Zur Geschichte der Organisation des Transportwesens in Tirol im Mittelalter, ebendas. 1910, Bd. 8, S. 196ff. ; Otto Stolz, Neue Beiträge zur Geschichte des Niederlagsrechtes und Rodfuhrwesens in Tirol, ebendas. 1929, Bd. 22, S. 144 ff. „Die älteste . . . bekannte Rodordnung aus Tirol stammt von dem Jahre 1 3 9 8 " ; Stolz, a. a. O., Bd. 8, S. 234. „Die ältesten ausführlichen Rodordnungen Tirols sind jene des Gebietes Imst vom Jahre 1485 und jene des Gerichtes Landegg . . . vom Jahre 1476" ; Stolz, a. a. O., Bd. 22, S. 152, Anm. 1, vgl. auch Müller, a. a. O., Bd. 3, S. 561.

— 30 geistlicher und weltlicher Grundherren. Später, seit der 2weiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, gab das Landesfürstentum den Ausschlag; es bemächtigte sich als Inhaber der Verkehrsregale und des Marktrechtes aus fiskalischen Interessen und wirtschaftspolitischer Erwägung der wichtigen Verkehrsorganisationen und nahm das Vorrecht in Anspruch, „nicht allein den Ort der Anbietung der Frachtmittel, sondern auch die personelle Berechtigung hierzu bestimmten Normen zu unterwerfen". 1 ) Die Landesfürsten erteilten seit etwa 1280 Rodprivilegien an Einzelne und Gemeinden bzw. Gerichte in Lehnsform, um die Entwicklung des Transitverkehrs durch Tirol zu befördern. Die Inhaber der Güter, welche an jeder Rodstätte niedergelegt bzw. umgeladen und später (seit Anfang des 15. Jahrhunderts) in Niederlags- oder Gredhäusern (in der Schweiz Pallhäuser genannt) aufbewahrt wurden, mußten ein Niederlagsgeld bezahlen; die Festsetzung dieser Gebühren „bedurfte frühe der landesfürstlichen Bestätigung". „Nur an zwei Orten Tirols steigerte sich das Niederlagsrecht vom reinen Fracht- und Lagerungszwange zum eigentlichen Stapelrecht, zum Feilbietungszwange für die durchgeführten Waren". 2 ) Die Organisation des Rodwesens blieb, wie es scheint, Tirol, Bayern und der Schweiz eigentümlich; „in den österreichischen Alpenländern östlich von Tirol — in Salzburg, Kärnten, Steiermark, Österreich ob und unter der Ens — sind, wenn überhaupt, höchstens beiläufige Ansätze zu einer derartigen Organisation zu bemerken. Noch mehr fehlen solche — für den Landtransport natürlich — im weiteren deutschen Flachlande". 3 ) Die Fürsorge der Landesherren für den Ausbau des Verkehrswesens ist zweifellos weit umfassender gewesen, als die wenigen erhaltenen Urkunden jener Zeit erkennen lassen. Klarer treten die umfassenden Bemühungen hervor, das W i r t s c h a f t s l e b e n nach den Interessen des territorialen Ganzen zu gestalten. Die Berücksichtigung des Territoriums als eines einheitlichen Ganzen mit gleichartigen Interessen und wirtschaftlichen Bedürfnissen spricht sich schon in der differenten Behandlung der Eingesessenen des Territoriums und der Fremden oder „Gäste" (hospites), in der Ausbildung des Gästerechtes aus. Ansätze eines Gästerechtes, das in den hospites nicht Stadt- sondern Landfremde sah, entstanden schon im 13., nicht erst — wie allgemein Stolz, a. a. O., Bd. 8, S. 225. *) Ders., a. a. O., Bd. 22, S. 163. a ) Ders., a. a. O., Bd. 22, S. 146, 147. Über Transportwesen vgl. aucb K . Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben, Bd. 2, S. 247 ff.

— 31 — angenommen wird — im 15. Jahrhundert. Solange der Wille des Landesherrn für die Ordnung des städtischen Lebens entscheidend war, stellte man den „Gast" dem Insassen des Territoriums gegenüber. 1 ) Erst später, mit der Befreiung der Stadt aus der landesherrlichen Bevormundung, verengerte sich der Gastbegriff. Das engere lokale Gästerecht bildete sich nun als ein Erzeugnis der sogenannten „Stadtwirtschaft", des auf Ausschaltung jeder fremden Konkurrenz gerichteten engherzigen Monopolgeistes der Städte. Gast hieß nun derjenige, der „uzerhalb der stat gesezzen" war. 2 ) Das Territorium als wirtschaftliches Ganze war Gegenstand der L e b e n s m i t t e l - und T e u e r u n g s p o l i t i k , der Tendenzen auf Abschließung des Landes durch Ausfuhrverbote für Vieh, Getreide und andere Lebensmittel. Die Lebensmittel- und Teuerungspolitik, die hinreichende Versorgung des Landes mit Brotkorn im Falle von Hungersnot, schlechter Ernte, Wetterschäden u. dgl. mehr gewann in jener Zeit primitiver Verkehrs- und Transportverhältnisse, welche die Entstehung von Hungersnöten und Teuerungen begünstigten, maßgebende Bedeutung. Die Landesfürsten versuchten daher den Handel mit Getreide zu regeln, den sie schon als Inhaber des Mühlenregals zu beeinflussen vermochten. Sie setzten bisweilen Getreidepreise fest und erließen nötigenfalls Ausfuhrverbote. Diese Festsetzungen und Verbote sollten verhindern, daß man in Zeiten der Teuerung das Getreide aufkaufte und ins Ausland verhandelte, die ausreichende Versorgung des Landes mit Brotkorn regeln, Teuerungen oder Hungersnöten vorbeugen. Auch das Aufkaufen von Vieh verbot man bisweilen aus ähnlichen Gründen.3) Der österreichische Herzog Friedrich II. erließ 1235 ein Ausfuhrverbot, als eine Überschwemmung der Donau die Ernte vernichtete und Hungersnot entstand. Andere suchten ihrem Land den Getreidevorrat durch das Verbot des Bierbrauens und des Ausschanks zu erhalten. So untersagte der Graf von Blankenstein 1226 den Bierausschank und befahl, daß niemand für mehr als einen Monat Vorrat an Korn besitzen dürfe; der Uberschuß sollte verkauft werden.4) Ähnlich verfuhr ErzVgl. Hist. Zeitschr., Bd. 103, S. 496, 497, Anm. 2. ) Fr. Pick, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte der Stadt Prag, Mitt. d. Ver. f. Gesch. der Deutschen in Böhmen, 1906, S. 422 ff. ») Riezler, a. a. O., Bd. 2, S. 183 ff. 4 ) M. G. Deutsche Chroniken, Bd. 2, S. 245, 15 ff.; vgl. Fritz Curschmann, a. a.O., S. 75. Curschmann führt hier noch weitere Beispiele von Getreideausfuhrverboten und auch von Preistaxen an. Vgl. auch P. van Nießen, a. a. O., Bd. 16, S. 70. 2

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bischof Engelbert von Köln. ) Häufig ergingen Verbote des Bierbrauens über den eigenen Bedarf hinaus. Die Herzöge Ludwig und Otto von Bayern untersagten 1293 sämtlichen Landeseinwohnem mit Ausnahme der Bürger von Regensburg ein Jahr lang in ihren Landen Bier zu brauen2), ein Verbot, das man in wenig veränderter Form 1 3 1 7 erneuerte und mit dem Getreidemangel des Jahres begründete.3) Diese und ähnliche Anordnungen zur Regelung des Lebensmittel- und Getreidevorrates beweisen, daß Ausfuhrverbote4), die auf dem Gedanken einer territorialen Zusammenfassung der „Produktion und Konsumtion des Landes ruhten", vorübergehend nicht erst im 15./16. Jahrhundert — wie Schmoller meint5) —, sondern häufig bereits im 13. Jahrhundert ergingen. Das Bedürfnis einheitlicher obrigkeitlicher Regelung ist nirgends vielleicht so zwingend gewesen als auf dem Gebiete des Maß-, G e w i c h t s - und Münzwesens. Die gleiche Zumessung von Hufen an die Untertanen, eine gerechte Verteilung der Abgaben, die Ablieferung von Getreidezehnten und anderen Naturalien an die Obrigkeit ließ sich ohne staatlich eingeführte Maße und Gewichte nicht durchführen. Bei der großen Bedeutung, welche Maß und Gewicht im täglichen Leben des Volkes, nicht bloß im Marktverkehr hatten, gehörten Vorschriften über ihren Gebrauch, gegen Anwendung falscher Maße, gegen Vergewaltigung der Schwachen und Armen durch Große und Besitzende zu den ersten unvermeidlichen Pflichten einer obrigkeitlichen Gewalt. Die Obrigkeit wandte daher diesem Gebiete ihre ernste Fürsorge zu, unzweifelhaft längst bevor die Aufsicht über Maße und Gewichte durch Gründung städtischer Märkte eine noch umfassendere Bedeutung gewann. Ein flandrischer Zolltarif von 1199 bestimmte: ') Joh. Fr. Böhmer, Fontes rerum germanic., Bd. 2, S. 304. 2 ) Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, München 1861, Bd. 6, S. 21, 22 (1293 26/8). ') Riezler, a. a. O., Bd. 2, S. 184, 185. Ähnliche Verbote des Bierbrauens über den eigenen Bedarf hinaus ergingen auch in der Mark Brandenburg; Riedel, Cod. dipl. br. A, Bd. 15, S. 62 (1314 16/7), Bd. 1 1 , S. 25, 26 (1319 30/9) usw. 4 ) Z. B . Pommersches Urkb., Bd. 2, S. 254 (1271 14/10), S. 270 (1272), Bd. 6, S. 379 (um 1290); Meckl. Urkb., Bd. 5, Nr. 3384, S. 512 (1310 8/4); Sudendorf, Urkb., Bd. 3, S. 191 ff. (1365 29/11), S. 219 ff. (1367 20/9) usw. ') Schmoller, Umrisse und Untersuchungen, S. 22: „Wie bisher die Stadt, so sperrt jetzt (d. i. im 15./16. Jahrhundert) das Territorium" (S. 23).

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„Per totam Flandriam debet esse aequale pondus." 1 ) Die Markgrafen von Brandenburg hatten gewiß allgemein anerkannte Maße und Gewichte im Auge, wenn sie 1298 für Prenzlau und Königsberg anordneten, daß Weizen, Roggen und Gerste gestrichen, Hafer gehäuft gemessen werden sollte, und für Stendal genau dieselben Verordnungen über Anwendung des Strichscheffels erließen.2) Das österreichische Landrecht vom Jahre 1266 bestimmte ausdrücklich in § 47: „Wir seczen und gepieten, das man überal in dem land haben sol ainen meczen, ain emer, ain eilen und ain gelot." 3 ) „Kulmische Waage, Scheffel, Tonne und Gewicht" sollten im ganzen Ordenslande gelten.4) Der Chronist Cosmas von Prag berichtet im Jahre 1268 über Ottokars Sorge für die böhmischen Länder: „Eodem anno praecepit renovari pondera et mensuras et insigniri signo suo, quod antea non fuerat." 8 ) Nach Lamprecht erging für die Grafschaft Salm die Weisung: „Die Untertanen sollen in naß und trocken landesherrliches Gemäß haben" 6 ); und gleichartige Grundsätze befolgten die Fürsten in Pommern, Schlesien, Steiermark und anderen Ländern.7) Die landesherrlichen Gebote stießen freilich auf Widerstand; man konnte es nicht hindern, daß die Verwaltung von Maß und Gewicht frühzeitig an Städte und Landgemeinden überging und hiermit eine starke lokale Entartung eintrat. Bessere Erfolge erzielte das Fürstentum auf dem Gebiete des Münzwesens, dessen ') Leop. Warnkönig, Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte, Tübingen 1836, Bd. 2, S. 27. 2 ) Riedel, Cod. dipl. br. A, Bd. 19, S. 177 (1298 13/10), Bd. 19, S. 269, 270 (1377 1/9), Bd. 15, S. 48 (1300 1/5). 3 ) E. v. Schwind und A. Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgesch. der deutsch-österr. Erblande im MA., Innsbruck 1895, Nr. 50, S. 102, § 47. 4 ) M. Toppen, Akten der Ständetage Preußens, Leipzig 1878, Bd. 1 , S. 1 7 ; F. A. Voßberg, Geschichte der preuß. Münzen, Berlin 1843, S. 63ff. 6 ) M. G. SS., Bd. 9, S. 180 (zum Jahre 1268). •) K . Lamprecht, a. a. O., Bd. 1, 2, S. 1277, Anm. 3. ') Vgl. G. Küntzel, Über die Verwaltung des Maß- und Gewichtswesens in Deutschland während des Mittelalters, Leipzig 1894, S. 24 ff., mit zahlreichen Beispielen über die öffentlich-rechtliche Regelung des Maßund Gewichtswesens; F. Keutgen, Ämter und Zünfte, Jena 1903, S. i i i f f . ; Th. v. Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgesch., Bd. 3, 2, S. 354 ff.; K. Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben, Bd. 2, S. 481 — 5 1 2 ; A. Dopsch, Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs, Wien 1904, S. 195 ff., 255; Schwind-Dopsch, Ausgewählte Urkunden, S. 144 (1287 23/8); Quellen und Erörterungen zur bayer. u. deutschen Gesch., Bd. 5, S. 89, 148 usw. Beiheft d. H. Z. 2«.

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— 34 — Verwaltung auf verhältnismäßig wenige städtische Prägeorte beschränkt und lange Zeit ein ausschließliches Vorrecht der Landesherrschaft blieb. Da Münz- und Wechselrecht reichen Gewinn brachten, vor allem auch durch die periodischen Münzverrufungen, welche den Untertanen (bisweilen mehr als einmal im Jahr) nötigten, das alte Geld (mit einem Verlust bis zu 25%) gegen neue Münze einzutauschen, so hielten die Landesherren bei steigender Geldnot ebenso zäh an der einträglichen Berechtigung fest, als die von der herrschenden Mißwirtschaft zunächst betroffenen Städte die drückende Besteuerung der renovatio monetae, die allgemein übliche fiskalische Ausnutzung des Regals durch gewinnsüchtige Landesherren im Interesse ihres Handels und Gewerbes mit allen Mitteln bekämpften, um die eigene Verwaltung des Münzwesens zu erwerben. Die Fürsten suchten um so eifriger sich ihre Berechtigungen und dem Lande die einheitliche Währung zu erhalten. Heinrich der Löwe ließ nur Landesmünze prägen.1) Die Münze gehörte in den Immediatstädten Mecklenburgs und der Mark Brandenburg dem Landesherm. Mit der Organisation der Wiener Münzstätte durch den Habsburger König Rudolf I. (1277) geschah „ein wichtiger Schritt zur Zentralisation des Geldwesens in Österreich".2) Die Kulmische Handfeste vom 28. Dezember 1233 bestimmte: „Statuimus, ut una moneta sit per totam terram, et de puro et mundo argento denarii fabricentur, ipsi quoque denarii in tanto valore perpetualiter perseverent, ut eorum L X solidi ponderent unam marcam."3) Herzog Meinhard von Kärnten und Tirol vereinbarte mit Erzbischof Rudolf von Salzburg 1286 eine Münzordnung in Kärnten 4 ); Albrecht II. erließ eine entsprechende Ordnung für Steiermark (1339).&) Ebenso suchten die Grafen von Holstein6), die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg7), ' ) P. J . Meier, Die Münz- und Städtepolitik Heinrichs des Löwen. Niedersächs. Jahrbuch 1925, Bd. 2, S. 1 2 5 — 1 4 4 . *) A . Luschin v . Ebengreuth, Das Münzwesen in Österreich zur Zeit König Rudolfs I. von Habsburg, Wien 1883, S. 1 7 . s ) Preußisches Urkb., hrsg. von Philippi und Wölky, Königsb. 1882, S. 80, 8 1 ; F . A . Voßberg, Münzen und Siegel der preuß. Städte Danzig, Elbing, Thorn, Berlin 1 8 4 1 . S. 7 ff. *) Schwind-Dopsch, Ausgew. Urkk., Nr. 73, S. 1 4 1 , 1 4 2 (1286 22/10). Vgl. K . Moeser, Studien über das ältere Münzwesen Tirols, Forsch, und Mitteil, zur Gesch. Tirols und Vorarlbergs, Jahrg. 4, 1907, S. 224— 2 5 7 . Ebendas. Nr. 95, S. 1 7 7 ff. ( 1 3 3 9 10/12). ' ) Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regg. und Urkk., hrsg. von P. Hasse, B d . 2, Nr. 8 1 3 , S. 337 u. B d . 3, Nr. 5 7 2 , S. 3 2 1 ( 1 2 9 3 u. 1 3 2 5 ) . ') Sudendorf, Urkb., Bd. I, Nr. 122, S. 75, 76 (1293 6/1), B d . 2, Nr. 393, S. 205 ( 1 3 5 1 30/4).

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Bayern ), vermutlich auch die Markgrafen von Brandenburg2) u. a. das Münzwesen einheitlich für den gesamten Umfang des Territoriums zu regeln.3) Die Versuche einzelner Fürsten, ein territoriales S t e u e r w e s e n zu begründen, konnten allgemeiner erst im 13. Jahrhundert gelingen, während dessen die Geldwirtschaft in Deutschland durchzudringen begann. Als die Markgrafen Johann, Otto und Konrad von Brandenburg im Mai 1281 ihren Vasallen das Recht zur Erhebung außerordentlicher Steuern für eine größere, in drei Fristen zahlbare Summe abkaufen mußten, ließen sie sich zugleich durch Bewilligung einer ordentlichen fixierten Bede entschädigen. Von jeder Hufe, die einen Rispel Hartkorn oder zwei Rispel Hafer oder ein Talent zinste, sollte fortan zweimal im Jahre je ein Schilling Bede entrichtet, die außerordentliche Steuer aber auf ganz bestimmte Fälle, Lösung eines Markgrafen aus der Gefangenschaft, echte Not oder Kriegsgefahr beschränkt werden. Ein Jahr zuvor schlössen auch die Markgrafen der Salzwedler Linie mit allen ihren Untertanen, „subditis universis" einen Bedevertrag ab.4) Ähnliche Verträge als 1280/81 in der Mark Brandenburg kamen in Mecklenburg 1276, 1279 und 1285®), in Sachsen-Lauenburg 1280, im Bistum Breslau 1282, im Erzstift Magdeburg 1292 zustande. In Thüringen erhob man nach den Rheinhardsbrunner Annalen 1273 die erste Steuer, „primam precariam in Thuringia hactenus inauditam . . . , quae communis erat ómnibus tarn religiosis quam clericis et laicis".6) Ungefähr gleichzeitig einigte man sich in diesen und anderen Territorien, Holstein, Bayern, Tirol, im Erzstift Salzburg u. a. über das Bederecht; und auch darin bestand meist eine Ubereinstimmung, daß man zur Steuerpflicht in den bekannten Reservatfällen prinzipiell alle Untertanen !) Riezler, a. a. O., Bd. 2, S. 181, 182. l ) H. Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg, S. 299 ff., 144 ff. 3 ) Chr. Fr. Stälin, Württembergische Geschichte, 1847, Bd. 2, S. 779, 780 erwähnt eine MQnzordnung Bischof Heinrichs von Konstanz (vom Jahre 1240), nach der in sechs Münzstätten nach bestimmtem Gehalt gemünzt werden sollte.