Telemachs Reise: Väter und Söhne in Ilias und Odyssee oder ein Beitrag zur Erforschung der Männlichkeitsideologie in der homerischen Welt 3525252218, 9783525252215


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German Pages 170 Year 1999

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Telemachs Reise: Väter und Söhne in Ilias und Odyssee oder ein Beitrag zur Erforschung der Männlichkeitsideologie in der homerischen Welt
 3525252218, 9783525252215

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HYPOMNEMATA 124

V&R

HYPOMNEMATA UNTERSUCHUNGEN ZUR ANTIKE UND ZU IHREM NACHLEBEN

Herausgegeben von Albrecht Dihle / Siegmar Döpp / Dorothea Frede / Hans-Joachim Gehrke/Hugh Lloyd-Jones/Günther Patzig/ Christoph Riedweg/Gisela Striker

HEFT 124

VANDENHOECK

& RUPRECHT

IN GÖTTINGEN

GEORG WÖHRLE

Telemachs Reise Väter und Söhne in Ilias und Odyssee oder ein Beitrag zur Erforschung der Männlichkeitsideologie in der homerischen Welt

VANDENHOECK

& RUPRECHT

IN GÖTTINGEN

Verantwortlicher Herausgeber: Christoph Riedweg

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme W öhrle, Georg:

Telemachs Reise : Väter und Söhne in Ilias und Odyssee oder ein Beitrag zur Erforschung der Männlichkeitsideologie in der homerischen Welt/ Georg Wöhrle. Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1999 (Hypomnemata; H. 124)

ISBN 3-525-25221-8

© 1999, Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen.

Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck: Hubert & Co., Göttingen

Im langsamen Dahingehen dachte Siddhartha nach. Er stellte fest, daß er kein Jüngling mehr, sondern ein Mann geworden sei. Er stellte fest, daß eines ihn verlassen hatte, wie die Schlange von ihrer alten Haut verlassen wird, daß eines nicht mehr in ihm vorhanden war, das durch seine ganze Jugend ihn begleitet und zu ihm gehört hatte: der Wunsch, Lehrer zu haben und Lehren zu hören. (Hermann Hesse, Siddhartha. Eine indische Dichtung)

Inhalt

Vorl>emerkung.................................................................................................. 9 I Einleitung: Väter und Söhne in den homerischen Epen ..........................11 1. Eine historische Welt? ..............................................................................11 2. Eine Welt aus der Sicht der Väter ...........................................................18 3.... und im Blick auf die Frauen ................................................................23 4. Strukturen von Vater-Sohn-Beziehungen ..............................................32 II Achill als Sohn und als Vater .....................................................................49 1. Achill als Sohn ..........................................................................................49 2. Achill als Vater .........................................................................................62 3. Polemos pantön pa~r ..............................................................................67 ill Priamos und seine 50 Söhne ......................................................................73

1. Gute Söhne - schlechte Söhne .................................................................73 2. Paris, die Provokation der Väter ............................................................78

N Hektor, der ideale Vater-Sohn ..................................................................85 1. »freundlich wie ein Vater« ......................................................................85 2. aneres es-te................................................................................................. 88 3. pro pama mori? ........................................................................................

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V Göttlicher Vater - sterblicher Sohn: Zeus und Sarpedon .......................99 1. Der »Vater der Menschen und Götter« ..................................................99 2. Blutige Tränen ........................................................................................

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VI Odysseus und Laertes ............................................................................111

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VII Telemachs Reise. Eine Annäherung ...................................................... 117 1. Anfängliches Fragen und Erweckung .................................................. 117 2. Aufbruch und Bestätigung .................................................................... 126 3. Mannwerdung ........................................................................................ 129 4. Vater und Sohn ....................................................................................... 131 5. Den Bogen zu spannen .......................................................................... 137 6. Vat:ermitSohn ........................................................................................

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Vill N achbemerkung: Das Dilemma zu lösen? .......................................... 145 IX Literaturverzeichnis ................................................................................. 151 X Index ........................................................................................................... 167

Vorbemerkung Diese Studie ist aus einem Seminar zu Homers Odyssee hervorgegangen, in dessen Verlauf auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen Odysseus und Telemach erörtert wurde. Schnell hat sich gezeigt, daß darüber angemessen nur vor dem Hintergrund der anderen von Homer geschilderten Vater-Sohn- bzw. Vater-Sohn ähnlichen Beziehungen zu urteilen wäre. Und dann tritt auch sofort die Frage nach dem Realitätsbezug hinzu, die aus verschiedenen, in der Einleitung noch näher zu bezeichnenden Gründen im Falle der homerischen Epen besonders knifflig ist Immer gilt es jedenfalls, mindestens drei Bezugsebenen zu unterscheiden: die der (wenigstens im modernen Sinne) >fiktivenAdelsethik< mit Bestimmtheit zu zeichnen wäre. Wie sollte es anders sein bei einem großen Kunstwerk? Wenn wir in einer Untersuchung nun die Kategorie >GeschlechtVerformung des Überlieferten< bei.2 Auf der anderen Seite kann man dafürhalten, die Kriterien, unter denen mündliche Dichtung zu betrachten ist, auch auf llias wie Odysseeanzuwenden; als epische Texte nämlich, die, »wenn nicht selbst direkt oraler Produktion entsprungen, so doch den unmittelbaren Abschluß dieser Art von Textproduktion darstellen« 3• Und es muß kaum eigens betont werden, daß gerade die homerischen Epen, die auch noch lange nach ihrer Entstehung als eine Art Erziehungsliteratur verstanden wurden, 4 erst recht in einer noch weitgehend mündlichen Gesellschaft von höchster Bedeutung als Träger kultureller Überlieferung (memoire collective),als Medium für auf den

1 Nachfolgend werden die Bücher der Ilias mit römischen, die der Odyssee mit arabischen Zahlen aufgeführt. 2 Siehe W. Kullmann, >Oral tradition/Oral Historyhistorischen< Vorbilder je verstanden werden und der Dichter mit seinem Publikum in Kommunikation treten können, dann kann die Realität strukturell nicht viel anders ausgesehen haben: »Even if the situations described are not true, they must be realistic«12.Wahrscheinlich gibt es sogar die Möglichkeit, tatsächlich hinter die Kulissen zu schauen, nicht nur, wenn auch die Schwierigkeiten nicht übersehen werden dürfen, 13 Realistisches, sondern zugleich Reales zu fassen: die Realität einer gehobenen Gesellschaftsschicht notabene, wie immer wieder hervorgehoben werden muß, in der die Söhne wie Astyanax (VI 399f.; XXII 500ff.) und Telemach (1, 428ff.) von Ammen aufgezogen werden, ein Vater seinem Sohn einen halben Obstgarten schenkt (24, 336ff.) oder junge Männer ihre ersten Verdienste bei der Jagd erwerben (19, 428ff.). Es ist die >unbetonte Hintergrunds- und ZustandsschilderungunbetontVäterchen< (atta IX 607) wie auch Telemach (16, 31) den Eumaios. 19 Solche Stellen ermöglichen uns also eine Art objektiven Blick auf die soziale Stellung von Söhnen, ihre Wertigkeit in homerischer Zeit bzw. auf bestimmte Rechtsverhältnisse sowie auf emotionale Bindungen zwischen Söhnen und Vätern. Hinzu kommen noch mittelbare oder unmittelbare Äußerungen des Erzählers, Apophthegmen, Vergleiche und Gleichnisse, vermittels derer er seinem Publikum einen Sachverhalt anschaulich ma18 Vgl. noch VI 46ff.; XI 131ff. Den absoluten ,Werte des leiblichen Sohnes unterstreichen auch Aussagen der Art, daß jemand >wie ein (leiblicher) Sohne geehrt wird. So V 70f. (I'heano zog den Bastard-Sohn des Antenor gleich den eigenen Kindern auf, aus Gefälligkeit gegen ihren Gatten) oder V 534-536 (die Troer ehrten den Dei'.koon, den Pergasos-Sohn, gleich des Priamos' Söhnen, »denn er war schnell, unter den Vordersten zu kämpfen«). 19 Vgl. noch V 408 und 21, 42f.

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chen will. So, wenn Athene/Mentor davon spricht (2, 274ff.; siehe unten Kap. Vll), daß die meisten Söhne schlechter als ihre Väter würden, oder wenn Phoinix die Liebe, die ihm, dem Verbannten, Peleus entgegenbrachte, damit vergleicht, wie »ein Vater seinem Sohn Liebes antut« (IX 481; siehe unten Kap. Il). Damit wird deutlich an die Vorstellungswelt der Hörer appelliert, von der wir einen Teil zu fassen bekommen. 20 Wie immer man aber den Realitätsgehalt der entsprechenden Stellen letztlich einschätzen mag, entscheidend ist, daß wir damit bestimmte Grundnormen fassen, die von Sohneswert, von väterlicher Liebe, aber auch von väterlicher Überlegenheit sprechen, und die, eingefügt in den allgemeinen Kontext der epischen Erzählung, den Beurteilungshintergrund des Vater-Sohn-Verhältnisses bilden, wie es sich, als Bestandteil der Erzählung, in den homerischen Epen spiegelt Dieser >Beurteilungshintergrund< soll im folgenden weiter aufgehellt werden; das heißt aufgrund expliziter und impliziter, in typischen Konstellationen faßbarer Normen soll der Raum abgesteckt werden, innerhalb dessen sich Väter und Söhne zueinander und zu ihrer Umgebung verhalten. Dabei wird es sinnvoll sein, zunächst die grundsätzliche Stellung des Mannes als Vater in der homerischen Gesellschaft - auch im Blick auf diejenige der Frau - zu umreißen und dann auf das spezielle Verhältnis von Vätern und Söhnen und dessen Bedingungen einzugehen. Man kann die vorliegende Studie somit als einen Beitrag zur Geschlechterrollenforschung verstehen, oder, wenn man das eben zum Realitätsbezug Gesagte ernst nimmt, zur historischen Anthropologie. 21 Unter diesem Gesichtspunkt bietet die von Homer geschilderte Gesellschaft natürlich auch nur ein Beispiel für die von der vergleichenden Anthropologie festgestellte Tatsache, daß bei aller Differenziertheit im Einzelnen die meisten Gesellschaften dazu tendieren, »die biologischen Möglichkeiten zu übertreiben, indem sie die Rollen deutlich gegeneinander abgrenzen und das adäquate Verhalten von Männern und Frauen als gegensätzlich oder

20 Hier gilt, was Mark W. Edwards (35) grundsätzlich zum alltäglichen Hintergrund der Gleichnisse sagt: »The purpose of a simile is to encourage the listener' s imagination by likening something in the narrative of the heroic past to something which is directly within his own experience«. 21 Der Begriff zeichnet ein >großes Zimmergender-studies< standen. Doch sollen die homerischen Epen nicht nur gleichsam Steinbruch für außerpoetische Fragestellungen sein. Die Qualität der Dichtung tritt immer dann zutage, wenn deutlich wird, wie sich psychologische Feinsicht mit poetischer Kunst vereint Dies wird sich vor allem ab dem nächsten Kapitel zeigen, wenn von den bedeutenden bei Homer geschilderten Vater-Sohn-Beziehungen zu reden sein wird und wir es mit Personen wie Achill, Odysseus, Telemach zu tun haben, deren individuelle Lebensbedingungen und Handlungsmotive genauer zu erfassen sind. Nicht zuletzt formt Homer auch hier als erster in der europäischen Literatur so fruchtbare literarische Motive wie das des Vater-Sohn-Konfliktes und der Vatersuche. 23 Im Blick auf die Struktur der Handlung und die Charakterisierung der Personen sind wir dann auch mit der Frage konfrontiert, wie der Autor das Handeln der einzelnen Personen innerhalb des Vater-Sohn-Verhältnisses bewertet und ob sich mit dieser Bewertung über den Weg einer bewußten Rezeptionssteuerung eine bestimmte Wirkungsabsicht verbindet 24

22 Gilmore 24f. 23 Diese und daraus abgeleitete Motive finden sich durch alle Zeiten und in allen Literaturen; vgl. etwa D. Kullmann 225ff. und siehe den Überblick bei Frenzel 727-757. 24 Zur ,Rezeptionssteuerung, und zu den ,Wirkungsabsichten, vgl. Nicolai, Rezeptionssteuerung, und dens., Wirkungsabsichten (bes. 83f.).

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2. Eine Welt aus der Sicht der Väter Daß das Gesellschaftsideal, wie es sich in den homerischen Epen darstellt, weitestgehend vaterrechtlich bestimmt ist, ja in der Odyssee sogar ein »Urbild der patriarchalischen Daseinsform« gezeichnet ist,25 scheint nicht eigens hervorgehoben werden zu müssen. Denn wir sehen doch, wie in der llias und in der OdysseeVäter auf allen Ebenen maßgeblich agieren. Als Götter, wie Zeus, der »Vater der Menschen und Götter«, der mit mehr oder weniger autoritärer Willkür den Himmelsstaat lenkt, oder wie der Windgott Aiolos (10, lff.), der auf seiner ummauerten Insel mit Frau, sechs Töchtern und sechs Söhnen residiert Auf menschlicher Ebene wird das Geschehen wesentlich von Vätern bestimmt Teils von Familienvätern großer (Priamos) wie kleiner (Odysseus) 26 Familien, teils von Männern, die aufgrund ihrer hierarchischen Stellung, etwa als Heerführer wie Agamemnon,27 oder aufgrund ihres Alters, wie Nestor, ein vaterähnliches Verhältnis zu den ihnen Untergeordneten oder den Jüngeren einnehmen. Himmlische wie menschliche Väter haben Söhne, die geliebt werden, die aber auch mit ihren Vätern konkurrieren, sich unterordnen müssen und deren Aufbegehren gelegentlich heftige Auseinandersetzungen hervorruft Hephaistos weiß davon ein Lied zu singen, den der Vater Zeus einmal, als jener seiner Mutter helfen wollte, aus dem Olymp auf die Insel Lemnos schleuderte (I 590ff.). Auch der die llias tragende Grundkonflikt zwischen Agamemnon und Achill läßt sich als eine Auseinandersetzung innerhalb eines patriarchalisch geordneten Systems verstehen, das funktioniert, weil, wie wir noch genauer sehen werden, die Söhne, oder besser einzelne Söhne zwar ihre Väter in Frage stellen, niemals aber das System selbst 28 Eine wachsende Zahl alt- bzw. sozialhistorischer Untersuchungen hat schließlich das Bild verfeinert und herausgestellt, welche Bedeutung dem Vater in der homerischen Gesellschaft aus seiner Stellung als Grund- und 25 H. Strasburger, Zum antiken GeseJ.J.schaftsideal16 (20]. Zu verweisen ist noch auf die häufige Bezeichnung der Heimat als ,Vaterland, (patre,patrisgaia). 26 Eine Besonderheit, die von Telemach (16, 115-120) hervorgehoben wird. Vgl. Ulf 249, Anm. 90. 27 Dessen Position wiederum dadurch bedingt ist, daß er »bei weitem die meisten Männer anführte« (II 580). 28 »Yet despite the generational tensions that exist in the Iliad, there does not seem to be any fundamental discrepancy between the basic value system of the young and old« (Querbach 64).

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Hausherr, als anax oikoio,29 als >KönigPersonal< wird mit patronymer Herkunft eingeführt - 31, läßt sich also wohl mit Recht von einem >Patriarchat< reden. Der differenzierte Blick weist dabei gewiß auch auf Einschränkungen. So, wenn man als gewissermaßen reduzierten Baustein des Patriarchats die sogenannte >Mannfolge< - die Frau geht durch Heirat in die Familie des Mannes über - in Betracht zieht Hier gerät man für die llias jedenfalls in Schwierigkeiten, wie Gisela Wickert-Micknat ge-

29 Siehe Deger 51ff., Austin/Vidal-Naquet 32ff., Lacey 38ff., Nicolai, Zur Bedeutung des Oikos-Gedankens 36ff., Yamagata 3ff., der besonders darauf hinweist, daß der Begriff anax in gewisser Weise eine Funktion des Begriffes paterdarstellt. 30 Siehe besonders die materialreiche Studie von Cobet. 31 Siehe Lacey 42 und 238, Anmm. 11 und 12, Gisela Strasburger 16ff. Ausnahmen von der Regel (,fatherless and metronymic Heroes,) bei Hirvonen 155. Die wesentlich patronyme Herkunftsbezeichnung ist jedenfalls ein durchgängiger ordnender Hinweis auf die Sozialstruktur einer Gesellschaft, in der Verwandtschaft das Fundament für Ordnung und Stabilität sozialer Beziehungen war, auch wenn sich Ende des 8. Jh.'s die persönlichen Bindungen in der Polisstruktur aufzulösen begannen. »Wo Abstammung den Platz, den ein Mensch in Gesellschaft einnimmt, unstreitig definieren soll, muß klar sein, welche Abstammung« (Vowinckel 87; allgemein zu verwandtschaftlichen Beziehungen als Mittel gesellschaftlicher Synthesis siehe Apel 25ff.). Ulf (225) spricht von der »vergleichsweise geringen Bedeutung der Verwandtschaftsbeziehungen in den beiden Epen«, die er damit erklärt, »daß diese Bezüge als Basis für die sozial bedeutsame Einordnung einer Person abgelöst worden sind (oder: werden sollen) durch solche, die auf die Gesamtheit der •politischen, Einheit hin orientiert sind«. Gilt das auch für die weiteren Verwandtschaftsgrade (siehe dazu auch G. Strasburger 21ff.), so jedoch nicht für die Beziehungen zwischen Vätern und Söhnen, was freilich nicht - wie sich zeigen wird - Ulfs sozialhistorischer Erklärung zuwiderläuft. Im übrigen sei noch darauf hingewiesen, daß das Patronymikon bzw. das Matronymikon allein noch kein hinreichendes Indiz für die Struktur einer Gesellschaft bildet. So sind in Hesiods Theogonieund im Frauenkatalogdie Genealogien wesentlich matrilinear, was aber mit äußeren Gründen - etwa der Vielzahl der Zeus-Kinder - erklärt werden kann. Siehe dazu den Kommentar von M. L. West zu Vers 1002 in seiner Ausgabe der Theogonie(Oxford 1966).

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zeigt hal 32 In der Familie des Priamos bestehen Mann- und Fraufolge (der Mann wird durch Heirat in die Familie der Frau aufgenommen) nebeneinander, wie sich überhaupt die Zahl der Ehen mit klar erkennbarer Mannfolge und der Ehen mit deutlicher Fraufolge in der llias offensichtlich ungefähr die Waage halten. Wenn man das Handeln oder Verhalten einzelner Figuren betrachtet, wird das Urteil möglicherweise noch subjektiver. So sah Finsler zwar in Priamos - aufgrund seines Harems - einen »patriarchalischen Fürsten« des Orients dargestellt, war aber im übrigen der Meinung, daß dieser »nicht im geringsten patriarchalisch oder absolut« regiere. 33 Das könnte geneigt machen, den Begriff >Patriarchat< sparsam zu verwenden oder im Sinne der modernen Diskussion um das Matriarchat, insofern sie nicht ideologisch vorbelastet ist, zur Auffassung zu gelangen, daß nicht nur dessen Idee, sondern auch die eines antiken Patriarchats zur Destruktion anstehe. 34 Die Rekonstruktion einer mutterrechtlichen Kultur in der Antike bleibt jedenfalls in weiten Teilen und ungeachtet ihres großen heuristischen Wertes der Spekulation vorbehalten, von der sie ausgegangen war. 35 Besonders zu nennen sind hier popularisierende Strömungen innerhalb der Diskussion um Matriarchat und Patriarchat, die von den homerischen Berichten über den Troianischen Krieg (bzw. von dem, was sich aus den Resten der kyklischen Epen und weiteren mythographischen Berichten ermitteln läßt) auf ein Troia schließen wollen, in dem vorpatriarchalische Umgangsformen einer sich etablierenden Vaterherrschaft beugen mußten. 36 Selbst bei der Annahme, in irgendeiner Weise hätten historisch 32 Wickert-Micknat, Dichtung als historische Quelle 61ff. 33 Finsler, Homer I/2140f .. 34 Wagner-Hasel 337. In ihrer feministischen Lektüre der Odysseeschlägt Doherty vor, von ,androzentrisch< eher als von ,patriarchalisch< zu reden (Siren Songs 5, Anm. 14). 35 Wenn man Matriarchat als Spiegelbild des Patriarchats definiert, so Lerner 52, muß man aufgrund der anthropologischen Forschungen zu dem Schluß kommen, »daß es eine matriarchale Gesellschaft nie gegeben hat«. 36 Pilgrim 134. Dies ist auch ein Ausgangspunkt von Christa Wolfs Erzählung Kassandra (siehe etwa Wolf 144). »Der Rückgriff in den Mythos [...) dient [...) dazu, eine Zeitstelle aufzuspüren, eine Umbruchsituation sichtbar zu machen, in der sich jene Denkart und jenes Weltbild durchsetzten, denen unsere Zivilisation ihr gegenwärtiges Aussehen verdankt[ ...) die Darstellung des Umbruchs vom Matriarchat zum Patriarchat dient dem Verständnis der vorherrschenden Denkmuster unserer Zeit und ihrer historischen Genese [...)« (Gerdzen/Wöhler 9). Das kann freilich nur ein Aspekt der poetologischen Beurteilung des Werkes von Christa Wolf sein, die jetzt umfassend von Glau unternommen wird.

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begründete Züge der Sage aus mykenischer Zeit ihren Weg in die homerischen Dichtungen gefunden, kann man nur davon ausgehen, daß sich in ihnen die Welt Homers, und das heißt eben die Welt des ausgehenden achten und beginnenden siebten Jahrhunderts, ausgeformt hat 37 Und das ist das Entscheidende. Wir fassen zweifelsfrei bei Homer die männliche Sicht der Dinge, die Projektion einer männlich dominierten Gesellschaft am Ende der >Dunklen Jahrhunderte< in eine weit zurückliegende Zeit In diesem Kontext formt sich beispielsweise das berühmte >Blättergleichnis< im sechsten Gesang der llias: »Wie der Blätter Geschlecht, so ist auch das der Männer. / Die Blätter - da schüttet diese der Wind zu Boden, und andere treibt / Der knospende Wald hervor, und es kommt die Zeit des Frühlings. / So auch der Männer Geschlecht dies sproßt hervor, das andere schwindet« (VI 146-149). Bachofen sah darin die Vorstellung eines stofflichen(= mütterlichen) Ursprunges und damit die »Grundlage des lykischen Mutterrechts unverkennbar enthalten« 38 • Doch selbst wenn dem so wäre, der Hippolochossohn Glaukos, der gegenüber dem Tydeussohn Diomedes das Gleichnis dem Bericht seiner Abstammung voranstellt, will damit kaum ausdrücken, daß die ganze Blätterfolge »für das letzte Blatt, das noch grün am Stamme hängt, so wenig Bedeutung [hat] als für Glaukos seine männlichen Vorfahren« 39 • Daß gerade das Gegenteil der Fall ist, zeigen Glaukos' abschließende, ebenfalls berühmte Worte (208ff.), daß Hippolochos ihn zeugte und mit dem Auftrag nach Troia schickte, 37 Ich verzichte hier auf eine weitere Darstellung der entsprechenden Forschungslage. Einen hervorragenden Überblick gibt Latacz, Homer. Störend wirkt, wenn in der ohnehin ideologisch belasteten Diskussion zur Entstehung des Partriarchats mit Argumenten gearbeitet wird, die genauerer Nachprüfung nicht standhalten. So behauptet Lerner (115), daß die Jlias die soziale Situation in Griechenland um das Jahr 1200 wiedergebe. Ebenso falsch ist die Behauptung (Lerner 116), daß sich an keiner Stelle der Ilias ein Hinweis auf versklavte Krieger [im Gegensatz zur häufigen Erwähnung der Versklavung weiblicher Kriegsgefangener] finde. So wird z. Bsp. ein Sohn des Priamos, Lykaon, von Achill gefangen genommen und nach Lemnos verkauft (XXI 34ff.; vgl. XXI 102 und XXIV 751ff.). Einen ganz kleinen Blick in die mykenische Welt hinsichtlich der behandelten Thematik eröffnet das in Linear B erhaltene feminine Pendant zu philopator(,jemand, der seinen Vater liebt,): pi-ro-pa-ta-ra(siehe Hooker, Homeric philos46f.). 38 Bachofen 95. Zu Bachofens methodischen Grundlagen vgl. Lefkowitz 15ff. 39 Bachofen 96.

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Telemachs Reise »Immer Bester zu sein und überlegen zu sein den anderen/ Und der Väter Geschlecht nicht Schande zu machen, die die weit Besten / Waren in Ephyra wie auch in dem breiten Lykien« (VI 208-210).

Das Gleichnis bietet eine Art ethischer Grundlage - ähnlich wie das Gleichnis von den beiden Fässern (XXN 527ff.) -, auf der das Auf und Ab menschlichen Lebens beurteilt werden kann. Ungeachtet dieser vom Menschen unabhängigen Schwankungen des Schicksals besteht aber für den Mann die Pflicht, sich als aristoszu erweisen 40 und damit auch den Vätern gerecht zu werden. Wir haben bei Homer also das Bild einer grundsätzlich männlichen Sichtweise, ein, wenn man so will, künstlerisch gestaltetes soziologisches Denkmodell, in dem sich die allgemeine gesellschaftliche männliche Dominanz fokussiert Wie für alle Modelle gilt auch für die Welt der Väter, die wir in den homerischen Epen gespiegelt finden, daß sie von der Wirklichkeit abgezogen ist, aber nicht die Wirklichkeit ist Man kann nach dem Gesagten aber zuversichtlich sein, in dem Bild einer homerischen Gesellschaft, wie es sich uns heute darstellt, in dem Männer als Väter das Sagen haben, nicht nur das Phantasieprodukt eines Autors, sondern in Kongruenz zu den oben erwähnten >unbetonten< Hintergrundsinformationen einen selbstverständlichen Reflex der Gesellschaft Homers zu sehen, der Tatsache also, daß der oder die Dichter der homerischen Epen, selbst in einer patriarchalisch organisierten Gesellschaft aufgewachsen, für eine solche Gesellschaft dichteten. Daß dem Modell im Sinne der schon erwähnten normativen Kommunikation auch pragmatische Bedeutung zukommen mag, darauf wird am Schluß noch einmal einzugehen sein. Bevor wir aber in diesem Bild einer patriarchalischen Gesellschaft auf die spezifischen Beziehungen zwischen Vätern und Söhnen eingehen, scheint zuerst noch der Blick auf diejenigen zwischen angehenden und aktuellen Vätern und Frauen notwendig.

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Siehe dazu unten Kap. II.

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3.... und im Blick auf die Frauen Eine solche Väterwelt, wie wir sie bei Homer vorfinden, 41 kann nur auf der entsprechenden Unterordnung der Frau gründen bzw. auf der weitgehenden Reduktion der Frau auf ihre scheinbar sich aus ihrer biologischen Bestimmung ergebenden Aufgaben, was nicht weiter dargestellt werden muß. 42 Es geht hier, wie schon vorhin gesagt, nicht um Fragen der Entstehung männlicher bzw. weiblicher Geschlechterrollen, das heißt etwa darum, ob sich die in patriarchalischen Gesellschaften entsprechend stark determinierte Rolle der Frau als Gebärerin und ihre Beschränkung auf den Hausbereich biologistisch erklären läßt Ein ohnehin gefahrvolles Unternehmen, das die Gegner einer derartigen Anschauung dazu verleiten könnte, in ihr ein normatives Postulat zu sehen. 43 So wird der verbreitete, auf ethnographisches und verhaltensbiologisches Material gestützte Deutungsversuch der geschlechtsbedingten Asymmetrie aus der Formung der Jagdgemeinschaft, der Entwicklung des >hunting ape< heraus, von Seiten einer feministischen Anthropologie als männliche Konstruktion in Frage gestellt, die letztlich »die gegenwärtig bestehende männliche Dominanz auf eine willkommene Weise zu rechtfertigen scheint und die heute lebenden Männer von aller Verantwortung für ihr dominantes Verhalten freistellt«. 44 Weniger 41 Im Ausdruck »freundlich wie ein Vater« wird diese beinahe schon terminologisch fixiert. Vgl. H. Strasburger, Zum antiken Gesellschaftsideal 25 (21] zur Übertragung des Ausdrucks auf den an sich noch jungen Odysseus (2, 47; 2, 230; 5, 8): »Der Odysseedichter führt also das Motiv der väterlichen Milde künstlich, um des Gesamtplanes willen, ein. Seine Odysseusgestalt soll ein Ideal zeigen, in welchem das Politische und das Soziale, der König und der Hausvater, nicht nur für uns nicht mehr trennbar sind, sondern gar nicht auseinandergehalten werden sollen«. Entsprechend kann das Epitheton epiosnicht nur dem Vater, sondern auch dem basileusbeigegeben werden (2, 230f.; 5, 8f.). 42 Vgl. dazu etwa Zoepffel, Mann und Frau 449: »Bereits im homerischen Epos findet sich die grundsätzliche Aufteilung der Lebensräume zwischen Frau und Mann, die für die gesamte Antike verbindlich bleiben wird: das Drinnen, das Haus als der Raum der Frau, das Draußen, die Landwirtschaft und die öffentliche Kooperation innerhalb der Gemeinschaft in Frieden und Krieg, als der Lebe11Sraumdes Mannes«. 43 Vgl. dazu die methodischen Erläuterungen bei Vowinkel sowie Bischof 581ff. (Wissenschaft und Ideologie) und den grundsätzlichen Beitrag von Tiger. 44 Lerner 36. Vgl. Gilmore 26f. Auf altertumswissenschaftlicher Seite argumentiert etwa Burkert mit der ,Der Mann-als-JägerSymbioseMonopolisierung< der Frau durch den Mann 48 jedenfalls ein soziales, gewissermaßen sich selbst erklärendes Faktum. Ein beredtes Zeugnis davon legt selbst der Mythos ab, der im Epos evoziert wird und dem ohne Zweifel auch in dieser Hinsicht eine wichtige didaktische Funktion 49 zukommt Wenn eine von den Heldenfrauen, denen Odysseus in der Nekyia (11, 225ff.) begegnet, positiv hervorgehoben wird, 50 dann vor allem wegen der Söhne, die sie geboren und aufgezogen hat Finley wurde zwar heftig angegriffen, 51 weil seine Zurückweisung der Matriarchatshypothese letztlich von männlichen Vorurteilen über das >zweite Geschlecht< getragen sei. Und doch ist die An(Homo necans 25). Kritisch hinterfragt werden verschiedene Erklärungsstrategien (u. a. die biologische) zur ,Notwendigkeit, geschlechtlicher Differenzierung im Beitrag von Hartmann Tyrell, bes. 55ff. 45 Jedenfalls gilt das beim augenblicklichen Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Forschung noch weitgehend. 46 Vogel/Sommer 37. 47 Vogel/Sommer 33. 48 Wie sie bis heute (wenn auch nicht mehr unangefochten) in der Mittelmeerwelt besonders ausgeprägt ist und sich in der >imperativen Triade, (Gilmore 244f.) vom Mann als ,Erzeuger-Beschützer-Versorger, formuliert. 49 Vgl. Lefkowitz 22. 50 Und grundsätzlich läßt sich sagen: »Von der Jugend bis zum Alter bildete der Mythos Frauen in mehr oder weniger negativer Weise ab« (Bremmer, Götter, Mythen und Heiligtümer 84); vgl. Lefkowitz 133. Zur Projektion der Geschlechterrollen in die Götterwelt siehe Burkert, Weibliche und männliche Gottheiten 162ff. 51 Pomeroy, Andromache - Ein verkanntes Beispiel für das Matriarchat 220. Konstruktivere Kritik unter Herausarbeitung der spezifischen Rolle der Frau findet sich bei Monsacre 97ff.

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sieht kaum widerlegbar, »daß Homer völlig enthüllt, was für die gesamte Antike gültig blieb, daß nämlich Frauen für von Natur untergeordnet gehalten wurden und deshalb in ihrer Funktion auf Hervorbringung von Nachwuchs und Erfüllung der Haushaltspflichten beschränkt waren, während die bedeutungsvollen sozialen Beziehungen und die starken persönlichen Bindungen unter Männern gesucht und gefunden wur. den.« 52 Und es sind sicher eher schlecht gewählte Beispiele, wenn (auch) man diese Ansicht für unvereinbar hält »mit den hervorragenden poetischen Rollen der Andromache und Penelope, der höfischen Verehrung, die Arete und Helena genießen, der Entscheidungsfreiheit der Penelope in der Frage ihrer Wiedervermählung usw.«~ Man braucht nicht nur auf die ohnehin rein materiell bestimmte Rolle von Sklavinnen zu verweisen. So, wenn Achill als Siegespreis für einen Ringkampf einen Dreifuß aussetzt, »den die Achaier unter sich auf zwölf Rinder schätzten«. Für den Besiegten stellt Achill dann eine Frau in die Mitte: »Und sie verstand viele Werke: die schätzten sie auf vier Rinder« (XXID 700ff.). Gewiß sagen solche Stellen nur etwas über die mit dem Besitz einer Frau verbundene Ehre, die time,aus, nicht aber über irgendwelche Gefühlsbeziehungen, die natürlich auch zwischen Sklavinnen als Konkubinen und ihren Besitzern bestehen konnten; 54 aber eine Helena steht letztlich auch bloß am anderen, oberen Ende der Skala, und entsprechend hoch ist der Einsatz, den man für sie zu leisten bereit ist Es ließe sich weiterhin durchgängig zeigen, und wird an Einzelfällen auch deutlich 52 Finley 134. Auch auf weiblicher Seite besteht eine derartige Sichtweise. So kommt Cantarella zu dem noch radikaleren Schluß (33): »The true female condition in Homer was this: total exclusion from political power and partidpation in public life; subordination to the head of the family and submission to his punishment; and finally, ideological segregation. Forbidden to think about anything but domestic matters, the woman cannot even ta1k about male matters. Faithless, weak, fickte, she was regarded with suspidon. The roots of Western misogyny go back to a more remote epoch than is usually thought - they are already weil fixed in the oldest document in European literature«. 53 H. Strasburger, Zum antiken Gesellschaftsideal 22 [26) Anm. 63. Auch Latacz, Frauengestalten Homers 51, hebt hervor, daß »alles in allem [...] der zuverlässige Eindruck [entsteht], daß diese Frauen in einem Verhältnis gleichwertiger Partnerschaft zu ihrem Manne leben und eher den Status geachteter Führungspersönlichkeiten als den abhängiger Hausmütterchen besitzen«. Er selbst macht aber auch deutlich, daß uns Homer ohnehin nur »in einer überdimensionierten Ausschnittsvergrößerung ganz überwiegend die Lebensweise von Frauen aus der Oberschicht vor Augen« führt (49). 54 Und damit auch zur Bedrohung für die rechtmäßige Ehefrau werden konnten (siehe unten Kap. II zur Phoinix-Geschichte).

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werden, obwohl dies nicht das Thema dieser Abhandlung ist, wie >weibliche Entscheidungsfreiheit< oder >höfische Verehrung< in väterlichen Kategorien funktionieren, oder anders ausgedrückt daß sich die Frau in einer dermaßen bestimmten Sicht nur dann durchsetzen kann, wenn sie die männlichen Ausdrucksmittel und Verhaltensweisen adaptiert bzw. ihnen sich gewachsen zeigl 55 In diesem Sinne kommt Penelope jedenfalls eine hervorragende poetische Rolle zu, sie gestaltet innerhalb der gesellschaftlichen Möglichkeiten >mit den Waffen einer Frau< ihr Schicksal und erweist sich dem Protagonisten Odysseus gegenüber in ihrem taktischen Geschick, in ihren Verhaltensstrategien, in der Verwendung der List durchaus ebenbürtig und geistesverwandl 56 Ja, man kann ohne weiteres soweit gehen und sagen, daß der Odysseus unserer Odyssee ohne Penelope nicht wäre, genausowenig wie ohne Telemach. 57 Und man würde den Frauen der homerischen Gesellschaft jedenfalls denen der angesprochenen Schicht - Unrecht tun, traute man ihnen ein entsprechendes Verhalten nicht zu. Wie man ebenso dem homerischen Publikum Unrecht täte, traute man ihm nicht zu, ein solches vom Dichter geschildertes Verhalten entsprechend einschätzen zu können. Umgekehrt dürfen misogyne Äußerungen nicht überbewertet 55 ~t@, die Phaiakenkönigin, eigentlich die ,Erflehte,, aber gewiß schwingt das Ideal der Frau (aret@)im Namen mit, wird von Alkinoos, ihren Söhnen und den Männern im Voile in höchster Weise verehrt (vgl. auch Latacz, Frauengestalten Homers 52ff.). Ihr Einfluß geht über Informelles hinaus. Sie schlichtet - sogar den Männern (7, 74) Streitigkeiten. Aber es heißt auch, Alkinoos habe sie geehrt, »wie keine andere geehrt wird auf der Erde, so viele Frauen heute haushalten unter dem Gebot der Männer« (7, 66-68). Und daß bei Alkinoos »Werk und (letztes) Wort« liegt (11, 346), steht natürlich ebenso fest. Doherty weist in ihrem Beitrag (Gender and Internal Audiences in the Odyssey) deutlich darauf hin, daß selbst bei einer vom Autor möglicherweise implizierten weiblichen Hörerschaft eine weibliche Identifikation mit Ausnahmegestalten wie Arete und Penelope »also reinforces the patriarchal norms for female behavior to which these characters adhere« (177). Zu Versuchen, aus Aretes und Alkinoos' Verwandtschaft auf Spuren einer matriarchalisch bestimmten Genealogie zu schließen, siehe Mauritsch 107. 56 Daher kann sie auch als basileiabezeichnet werden, und sie erhält »keine anderen Attribute als solche, die auch den großen Helden und Königen formelhaft beigegeben werden« (Cobet 45). Vgl. weiterhin Winkler 211ff. sowie den Beitrag von Foley, die insbesondere auf die poetische Technik abhebt, mittels ,umgekehrter Gleichnisse, (sexueller Rollentausch im Gleichnis) »a sense of identity between people in different social and sexual roles« (8) zu suggerieren. 57 Sieht man im Götterapparat den anthropomorphen Widerspiegel der menschlichen Gesellschaft, so ließe sich Vergleichbares natürlich für Hera und ihr Verhältnis zu Zeus sagen.

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werden. Agamemnons einschlägig negative Aussagen etwa 58 sind natürlich durch sein individuelles Schicksal, den Tod durch seine Frau Klytaimestra, bestimmt, und indem sie als Folie für Odysseus' Schicksal dienen, erweisen sie sich in Penelope allgemein jedenfalls als geradezu falsch. Derartige Überlegungen helfen uns gerade im Blick auch auf zugrundeliegende Realitäten, tatsächlich die Frauen und ihre >Spielräume< nicht zu unterschätzen, die möglicherweise im epischen Zeitalter mehr >Freiheit und Möglichkeit zur Entfaltung< besaßen als in späteren Zeiten 59 - wobei die grundsätzlich notwendige Unterscheidung zwischen Ideal und Wirklichkeit, zwischen Verhaltensstandard und sozialer Realität mangels anderer Quellen für den Bereich der in den homerischen Epen geschilderten Gesellschaft notwendig besonders schwierig bleibt 60 Jedenfalls konnten Männer >auch nicht immer tun, was sie wolltenfemale voicesväterliches Land< zu entlassen, reagiert »Hart seid ihr, Götter, eifersüchtig ausnehmend vor andern! die ihr den Göttinnen neidet, daß sie bei Männern ruhen offenkundig, wenn eine sich einen zum lieben Lagergenossen gemacht hat So habt ihr, als sich den Orion die rosenfingrige Eos holte, ihn ihr solange geneidet, leichtlebende Götter! bis auf Ortygia Artemis, auf dem goldenen Stuhl, die Reine, mit ihren sanften Geschossen über ihn kam und ihn 69 Vgl. unten Kap. IV. 70 Vgl. etwa W. Kullmann, Das Bild des Menschen in der Odyssee 286: »Während die Göttin Kalypso eine Frau ist, vor der Odysseus eher Angst hat (er hat sich von ihr einen Eid auf die Ernsthaftigkeit ihrer Rede von seiner Heimkehr schwören lassen), und während Nausikaa ihm in ihrer Jugendlichkeit unterlegen erscheint und nur sehr behutsam um Unterstützung angegangen wird, ist Penelope die Frau, die ihm kongenial ist.« Die Nymphe Nausikaa ist in dieser Reihe jedenfalls eher eine >Versuchung, auf dem Weg hin zur rechtmäßigen Ehefrau Penelope als eine ,Bedrohung, (vgl. dazu den Beitrag von Gross sowie Besslich 105ff.). 71 Zur männlichen Angst vor Frauen, wie sie sich vor allem im Mythos widerspiegelt, siehe Zoepffel, Mann und Frau 485f. mit Anm. 119 (dort weitere Literatur).

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Telemachs Reise tötete. So auch, als die flechtenschöne Demeter ihrem Verlangen nachgab und sich mit Iasion in Liebe und Lager auf dreimal umbrochenem Brachfeld vereinigte. Jedoch nicht lange blieb Zeus ohne Kunde, der ihn traf mit dem weißglühenden Blitz und tötete. Und so neidet ihr hinwieder jetzt auch mir, Götter! daß ein sterblicher Mann bei mir ist« (5, 118-129).

Auch und gerade in der himmlischen Dynastie wird Promiskuität allenfalls bei Männern, nicht aber bei Frauen toleriert Männer aber, die sich auf entsprechend veranlagte Frauen einlassen, leben gefährlich, und es ist bezeichnend, daß im einen Falle die männliche Inkarnation einer Göttin, die reine Artemis, im anderen der Vater selbst, Zeus, die Strafaktion

durchführt Einer derartigen Einstellung zur Frau, der Einordnung ihres Geschlechtes und ihrer Sexualität 72 in eine männliche Herrschaftskultur, entspricht auf der anderen Seite, so hat man auch gesehen, 73 eine große Ausdruckskraft hinsichtlich der Gefühlsbeziehungen von Männern untereinander. Es ist wohl von weiblichen Vorzügen die Rede, die eine entsprechende Attraktivität auf die Männer ausüben. Die alten Männer in Troia können sehr gut verstehen, weshalb Troer und Achaier um Helena Krieg führen (ill 156ff.), und wenn Penelope von Athene verschönt vor den Freiern erscheint, lösen sich denen »auf der Stelle die Knie, und von Verlangen wurde ihr Herz bezaubert, und alle begehrten sie, bei ihr in dem Bett zu liegen« (18, 212f.). Bezeichnend ist, daß Agamemnon offenbar ohne weiteres von Chryseis sagen kann, daß er sie selbst der Klytaimestra vorgezogen habe:

72 Daß hier der weibliche Schwachpunkt, nicht natürlich bei Penelope, liegt, macht Eumaios gegenüber Odysseus in einer gnomischen Äußerung deutlich. Phoinikische Seeleute verführten eine Sklavin im Hause von Eumaios' Vater: »Zuerst vereinigte sich einer mit ihr, als sie zum Waschen ging, bei dem hohlen Schiff in Lager und Liebe, wie dieses ja den weiblicheren Frauen den Sinn verführt, und wenn eine auch rechtschaffen ist« (15, 419-422). Siehe zu dieser Stelle und zum Gebrauch des Komparatives von ,weiblich, (thilus) ZoepffeL Mann und Frau 453f. 73 Finley 131ff.

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»Der ehelichen Gefährtin, da sie nicht geringer ist als sie, / Nicht an Gestalt noch Wuchs, an Verstand oder irgend an Werken« (1113-115). Es ist sicher besser, hier Schadewaldts Übersetzung »Gattin« für alochos,in (>Bett-)gefährtinGattin< an dieser Stelle ein wenig in die Irre führt; denn offensichtlich kommt es nur auf die Rechtsstellung, die durch das Wort »ehelich« (kouridios)markiert ist, an. 74 Deswegen betont Agamemnon, daß er Chryseis vorziehe, nicht um eine besondere Liebesbeziehung mit der Ehefrau zu implizieren. Im neunten Gesang (336) bezeichnet Achill Briseis, die sich mittlerweile in Agamemnons Besitz befindet, als alochos.Zwar nur eine Sklavin, stellt er sie doch gleich mit Menelaos' Helena und fragt »Lieben allein denn ihre Gefährtinnen von den sterblichen Menschen / Die Atreus-Söhne? Wo doch jeder gute und verständige Mann/ Die Seine lieb hat und für sie sorgt, so wie auch ich diese / Von Herzen lieb hatte, war sie auch eine Speergefangene« (IX 340-343). Damit ist schon ein hohes Maß an Intensität männlicher Gefühle gegenüber einer Frau formuliert 75 Wenn hier überhaupt von Gefühlen gesprochen werden darf. Tatsächlich appelliert Achill eher an die verstandesmäßigen Pflichten des agathosgegenüber seiner alochos.Und so sieht der Dichter »no conflict between Akhilleus' love for Briseis and his sleeping with Diomede this same night« 76 (664-5). Selbst in der Odysseeerreicht die Gefühlsbeziehung zwischen Odysseus und Penelope niemals die gleiche Ausdrucksstärke, wie sie etwa diejenige zwischen Patroklos und Achill in der llias erreicht - jedenfalls soweit Odysseus' Gefühle gegenüber Pene-

74 Vgl. Wickert-Micknat, Die Frau, 81f. Zu lcouridil82 Anm. 443. Vgl. auch Zoepffe]. Geschlechtsreife und Legitimation 338. 75 Die zudem vom Kontext der Stelle wieder relativiert wird; denn Achill spricht diese Worte im Zom gegen Agamemnon. Andernorts äußert er sich weniger 7Mlfühlend für Brisei's(XIX59f.); siehe Mauritsch 30 Anm. 20. 76 Hainsworth 107 zu IX 341. Ohnehin enthält das Verb ,lieben< Konnotationen, die im griechischen Wort philein nicht unbedingt enthalten sind, und umgekehrt. Entscheidend für den Inhalt des Begriffes philein ist offensichtlich zunächst der soziale Bezug. Siehe Adkins, ,Friendship, 34ff. Aber zweifellos bedarf die »Vielfältigkeit der Erscheinungsformen der Llebe« in ihrer Terminologie und ihrer Darstellung im homerischen Epos noch eingehender Untersuchung (vgl. Gordesiani 183).

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lope betroffen sind. Auf dem Höhepunkt der Wiedererkennungszene 23. Gesang heißt es von Odysseus, daß er

im

»weinte, die Gattin haltend, die ihm nach dem Herzen war, die Sorgsames wußte« (23, 232). Penelopes Gefühle finden ihren Ausdruck im Bild eines Schiffbrüchigen, der sich an Land retten kann (233ff.). Die Frau als Schiffbrüchige, die mit der Rückkehr ihres Mannes wieder Boden unter den Füßen findet »Odysseus' Abwesenheit bedeutete einen weit größeren Verlust an Zuwendung für Penelope und beeinträchtigte sie gefühlsmäßig und psychologisch weit mehr als ihren Gatten« 77• Ob das für eine >reale< Penelope, einen >realenMannwerdung< es eben auch gehört, gegenüber seiner Mutter Penelope entsprechend gebieterisch aufzutreten (siehe unten Kap. VII). Und es ist ebenso wichtig zu sehen, wie mit dieser Konstruktion einer geschlechtlichen und damit auch sozialen Asymmetrie eine Voraussetzung für die Einordnung des Mannes in die männlich-patriarchale Gemeinschaft geschaffen wird. Ist die Stellung des Mannes gegenüber der Frau eindeutig festgelegt, so muß er sie unter Seinesgleichen erst finden, in dem von den >VäternRaumDimension der Vaterrolle< eben in hohem Maße von dem sozialen Gewicht der Geschlechter und der Art, wie sie sich in die Erziehung einbringen, ab. Das soziale Übergewicht des männlichen Geschlechtes wurde bereits hervorgehoben, die Bedeutung des Vaters für 77 Das Zitat aus Finley 134, der noch auf Aristoteles, Nikomachische Ethik VIII 8, 11S8b23ff. hinweist: »Bei allen Freundschaften, die durch das Übergewicht des einen Partners charakterisiert sind, muß auch der Grad der Zuneigung proportional sein, nämlich: der wertvollere Teil muß mehr Zuneigung empfangen als selber schenken und der nützlichere auch, und jeder von den übrigen in gleicher Weise« (Übers.: Franz Dirlmeier, Aristoteles. Nikomachische Ethik, übersetzt und kommentiert, Berlin 81983). 78 Siehe Fthenakis 80ff.

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die Erziehung des Sohnes in einer im Wesentlichen auf den Vorzügen des Mannes als Krieger wie als Redner und Ratgeber 79 bauenden Gesellschaft leuchtet ebenfalls unmittelbar ein. Schon von frühester Kindheit an kümmern sich Väter oder Vatergestalten um ihre Söhne wie Phoinix um Achill oder Laertes (bzw. der Großvater Autolykos) um Odysseus und unterrichten sie gewiß in den für das Erwachsenenleben notwendigen Fähigkeiten. Wir haben keine ausdrücklichen Informationen über Initiationsriten in der homerischen Gesellschaft, aber sie sind wenigstens strukturell zu erkennen (siehe unten und Kap. VII). Jedenfalls spielt sich mit und nach der Pubertät das Leben des Mannes im wesentlichen im >Draußen< ab, in der Öffentlichkeit der Versammlung, bei der Arbeit, beim Sport, bei der Jagd, im Krieg. Das heißt aber: unter anderen Männern, in deren Kollektiv er spätestens die Regeln >wie man ein Mann wird< lernen muß, oder sie besser schon gelernt hat, um zu überleben oder wenigstens zu bestehen. Es verbindet sich damit gewiß auch eine Verschiebung emotionalen Erlebens auf Beziehungen unter Männern, wie das besonders im Verhältnis zwischen Achill und Patroklos gespiegelt ist (siehe unten Kap. II) oder in Telemachs Worten (15, 195ff.) gegenüber Peisistratos, daß sie, ohnehin von den Vätern her Gastfreunde, der gemeinsame (Reise-)Weg »noch mehr zu einmütiger Gesinnung« bringen werde. Die Einordnung in Gruppierungen von hetairoi bekommt nun existentielle Bedeutung. Hier gilt es, sich unterzuordnen oder sich den entsprechenden Respekt und gegebenenfalls die Zuneigung zu gewinnen, um die Führung unter den hetairoi zu übernehmen. 80 Solche Gruppierungen bilden engere und weitere Verwandte, die Freier der Penelope, die Gefährten, mit denen Telemach seine Reise nach Kunde vom Vater unternimmt, verschiedene Ethnien und ihre Anführer vor Troia oder auch die Achaier insgesamt um Agamemnon. 81 Für den einzelnen ist dieser Prozeß, das Zurechtfinden in der Gruppe, immer mit einer mehr oder weniger starken Ablösung vom Einfluß des (leiblichen) 79 Auf diese männlichen Qualitäten insbesondere weisen auch die den Männern am häufigsten beigegebenen Epitheta; wobei in der Ilias einleuchtender Weise Eigenschaften wie Kraft, Mut und Stärke dominieren. Siehe Zoepffel, Mann und Frau 456f., Cobet 19ff. 80 Je größer die An7.ahl der Männer, die man um sich scharen kann, um so höher natürlich das soziale Ansehen. Vgl. II 580 (Agamemnon), V 546 (Orsilochos), XIII 452 (ldomeneus). 81 Zu den »Typen von Hetairos-Verbänden«, ihren Organisationsformen und den Formen und Wegen ihrer Hierarchisierung siehe Ulf 127ff.

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Vaters verbunden, mit der Anerkennung neuer oder der Gewinnung eigener, an der Vater-Beziehung gelernter, gleichsam väterlicher Autorität Daß das Epos dies ähnlich sieht, zeigt sich daran, daß VaterSohn-Beziehungen keineswegs auf rein leibliche Beziehungen beschränkt sind. 82 Mit >Söhnenuneheliche< nothoi gemeint, wie Megapenthes (Od. 4, 11; siehe oben), der Sohn einer Sklavin mit Menelaos, oder wie Odysseus in seiner Lügengeschichte gegenüber Eumaios (14, 199ff.) selbst vorgibt, einer zu sein. Vorstellung und Sprachgebrauch des Epos berechtigen dazu, von >Vätern< und >Söhnen< nicht nur im strikt verwandtschaftlichen, sondern auch im weitestgehenden sozialen Sinne zu sprechen. Wie das Epos von Zeus als dem >VaterSöhnen der AchaierVater< (XXN 362) anspricht, Menelaos Telemach und Peisistratos als >liebe Kinder< (4, 78), oder jemand einen Nichtverwandten >wie einen Sohn< liebt; ja die beiden treuen Sklaven des Odysseus, Eumaios und Philoitios, sollen nach dem Sieg über die Freier als >Gefährten und Brüder< (kasignetcn) des Telemach in den Oikos aufgenommen werden (21, 214-216): »Die Assimilation neuer Erfahrungsgegenstände an Bezeichnungen für vertraute Erfahrungsgegenstände verbindet die neue Erfahrung mit geläufigen Gedanken und Gefühlen. Sie erlaubt, Verwandtschaftstermini und die damit bezeichneten sozialen Rollen mit emotionalen Erfahrungs-, Bewertungs- und Handlungsmustern zu verbinden, die in anderen Zusammenhängen entwickelt wurden«. 83 Im weiteren ist daher ein differenzierter Blick auf eben jene Beziehungen von Vätern und Söhnen bzw. zwischen Männern als >VäternSöhnenGrundspielregel< besteht nun darin,. daß die Welt der Väter zwangsläufig nur in ihren Söhnen weiterbestehen kann. So sagt Menelaos zu Nestors Sohn Peisistratos: »[...]stammst du doch auch von einem solchen Vater, daher du auch verständig redest, und ist leicht zu erkennen doch der Sohn von einem Mann, dem Segen zugesponnen hat Kronion, als er gefreit hat und als er geboren wurde: so wie er jetzt dem Nestor fort und fort gegeben hat die Tage alle, daß er selbst von Salben glänzend altere in den Hallen, die Söhne aber so verständig wie tüchtig mit den Speeren sind« (4, 206-211). Eurykleia erwähnt Odysseus' häufige Gebete an Zeus (19, 367f.), »in ein von Salben glänzendes Alter zu gelangen und den strahlenden Sohn aufzuziehen«. Und Odysseus selber wünscht den Phaiaken im Palast des Alkinoos (7, 149f.) göttlichen Segen, »daß sie leben und ein jeglicher den Söhnen den Besitz in den Hallen überlassen möge«. Für Peleus stellt es eine existentielle Bedrohung dar, sollte sein einziger Sohn Achilleus vor Troia fallen (siehe unten Kap. II), während Menelaos in dieser Hinsicht wohl noch schlechter gestellt war, weil er überhaupt nur von einer Sklavin Söhne hatte; der Helena, so heißt es (Od. 4, 12-14), »hatten die Götter keinen Sproß (gonos) mehr ans Licht geführt, nachdem sie einmal die liebliche Tochter geboren hatte, Hermione«. Pausanias weiß später zu berichten (Il 18, 6), daß für die Lakedaimonier diese unebenbürtigen Söhne nicht für die Herrschaftsnachfolge des Menelaos in Frage kamen. Sie trugen diese statt dessen dem Orest an. Immerhin bestand die Möglichkeit, bei Fehlen eines leiblichen Sohnes die Vaterschaft in einem nothosweiterzugeben. 84 War auch dies verwehrt, so mußte man sich eben,

84 Die oben schon erwähnte Stelle 14, 199ff. beleuchtet im übrigen die Schwierigkeiten, die natürlich zwischen ehelichen und unehelichen Söhnen entstehen konnten, wenn es um die Erbteilung ging. Siehe Zoepffel, Geschlechtsreife und Legitimation 340. Grundsätzlich waren nothoi den vollbürtigen Söhnen (gnesioi) natürlich nicht gleichrangig. Wenn Halbbrüder im Kampf zugleich auftreten, muß der nothosdie Zügel des Streitwagens führen (siehe Gisela Strasburger 23). Ob göttliche ,Bastard,-Söhne zur ,Aufpolierung, von Genealogien dienten? Vgl. XVI 173ff. und 179ff. über Menesthios und Eudoros. Beide sind ,Bastard,-Söhne von Göttern, werden aber vom Stief- bzw.

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wie es der unfruchtbare Phoinix tut (unten Kap. II), jemanden >zum Sohn machenGeschäftsfähigkeit< der jungen Männer, wie es etwa von Menelaos formuliert wird. Vor dem Zweikampf mit Paris fordert er dazu auf, daß Priamos das >Eidopferfrischer Gerongeregelte, Ausfechtung des gesellschaftlichen Konkurrenzkampfes« bezeichnet. & versteht sich im übrigen aus dem zuvor Gesagten, daß die neoi, auch wenn sie hervorragende Wettkämpfer sind und unter ihresgleichen herausragen, die älteren Helden nicht erreichen können. Siehe Ulf 62. 92 So ist es ganz verständlich, daß Nestor, der stets ein Garant für die Wahrung der Väterordnung ist, seinem Sohn Antilochos vor dem Wagenrennen genaue Instruktionen

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herzustellen, die erst in ihrer hierarchisch gestimmten Struktur, fern von je möglichen weiblich-mütterlichen Einflüssen, 93 für die stets neue Rechtfertigung des patriarchalischen Modells sorgt So heißt es von Euphorbos, einem Sohn des Panthoos, daß er »ausgezeichnet war vor den Altersgenossen / Mit Lanze und Wagenlenkung und mit behenden Füßen. Denn auch damals / Hatte er schon zwanzig Männer von den Gespannen gestoßen, / Als er zuerst gekommen mit dem Wagen, den Krieg noch lernend (didaskomenos polemoio)« (XVI 808811). Und Nestors Vater Neleus freut sich (XI 683f.), weil sein Sohn in einem Raubzug als >Neuling im Krieg< reichliche Beute mit nach Hause brachte. 94 Kriegerische Befähigung und Auszeichnung ist somit ein eindeutiges Kriterium für die »Einordnung in das soziale Gradationsschema«, 95 wobei gerade Rache-, Vergeltungs- und sogenannten >PrestigeMann< zu sein, bedingt also gewissermaßen die Pflicht zum Kampf, was in dem - durchaus auch im Sinne eines als >GewissenSchamVaterVaterGenerationen-Konflikt< in der Formel >so wie jetzt die Sterblichen sind< (hoioi nun brotoieisin) auf den Punkt gebracht Natürlich ist das zunächst eine allgemeine Formulierung zur Verklärung vergangener Zeiten, wie darin zugleich auch ein Ansatz zu einer historischen

99 Es scheint mir zweifelhaft, daß diese Aussage, wie Kirk meint (161 zu VI 57-60), eher rhetorisch als realistisch gemeint ist. 100 Vgl. 2, 47; 5, 12; 15, 152. Derartige Formulierungen machen noch einmal deutlich, wie Herrschaftsbeziehungen an Verwandtenbeziehungen assimiliert werden. Die Autoritätsfigur wird als Vater verstanden und zumindest implizit die Untergebenen, Geringerstehenden, Jüngeren als Söhne oder Töchter (Vgl. Vowinckel 97f. und 131 zur Struktur von Patron-Klienten-Beziehungen als Ersatzfamilien). 101 Vgl. noch 5, 394ff.: »Und wie Söhnen willkommen das Leben erscheint des Vaters, der in Krankheit liegt und harte Schmerzen leidet, schon lange siechend, ein böser Daimon hat ihn angefallen, und willkommen haben ihn die Götter von dem Übel erlöst: so willkommen erschien dem Odysseus Land und Wald«. 102 Lemke 120. 103 Siehe unten Kap. VII.

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Gliederung enthalten ist, 104 aber sie wird doch jeweils auf eine vergangene Vätergeneration bezogen, die eben in vielfacher Weise besser und fähiger war, und damit wird sie zu einer Art grundsätzlichen Maxime. So beruft sich Nestor (I 254ff.), als er sich in die Auseinandersetzung zwischen Agamemnon und Achill beschwichtigend einmischen will, darauf, daß er schon vor Zeiten mit besseren Männern, als sie es seien, verkehrt habe: Helden wie Theseus und anderen, mit denen keiner von denen, die heute die Sterblichen seien auf Erden (272), kämpfen könne. Auch aus der unmittelbaren Perspektive des Dichters sind Helden wie Diomedes (V 302ff.), Aias (XII 378ff.), Hektor (XII 445ff.), Aineias (XX 285ff.) den Menschen der eigenen Zeit überlegen, etwa weil sie einen Stein mit der Hand heben konnten, den zu seiner, des Dichters Zeit also, nicht einmal mehr zwei Männer zu tragen imstande waren. Daß diese persönliche Ansicht des Dichters von .der Überlegenheit der mythischen Helden gegenüber den Menschen der eigenen Zeit in gewisser Weise jedenfalls von dem Glauben an die Überlegenheit der Väter über die Söhne gespeist wird, zeigt der vierte Gesang. Hier kommt es anläßlich einer Heerschau, die Agamemnon abhält, regelrecht zum Streit über die Frage, welche Generation die überlegene sei.105 Agamemnon sucht Diomedes zum Kampf zu ermuntern, indem er ihm die Tüchtigkeit seines Vaters Tydeus, eines Angehörigen der Generation des Zuges der Sieben gegen Theben, vorhält (N 370ff.). Nachdem er dessen Taten geschildert hat, schließt Agamemnon: »Ein solcher Mann war Tydeus, der Aitoler. Jedoch den Sohn / Zeugte er schlechter als sich im Kampf, doch in der Versammlung besser« (N 399-400).106 Anstelle des Diomedes, der sich nicht zu entgegnen traut, antwortet Sthenelos, seinerseits - wie Diomedes - einer der Epigonoi,der Nachkommen der Sieben gegen Theben, die nach seinen Worten (404ff.) sogar

104 Siehe W. Kullmann, >Oral Tradition/Oral History, 158 und dens., Homers Zeit und das Bild des Dichters 61. 105 Siehe W. Kullmann ebd. 106 Vgl. auch V 800ff., wo Athene Diomedes in einer paränetischen Rede seine im Vergleich zum Vater mangelnde Kampfesstärke vorhält: »Dann bist du gewiß nicht / des Tydeus Sohn, des kampfgesinnten Oineus-Sohns!« (812f.) sowie V 633ff. (der Heraklide Tiepolemos fordert Sarpedon heraus (635): »Fälschlich sagen sie, du seist ein Sohn des Zeus, des Aigishalters!«).

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besser waren als die Väter. Mit weniger Voile hätten sie ein Theben mit stärkeren Mauem eingenommen, während die Väter an ihren eigenen Freveltaten zugrunde gegangen seien (410): »Darum stelle mir niemals die Väter uns gleich an Ehre!« An dieser besonders bemerkenswerten Stelle wird der pure Vater-Sohn- oder Generationen-Konflikt sogar noch ausgeweitet und erhält die Dimension eines Konfliktes alte Zeit versus neue Zeit In Sthenelos' Satz werden die Werte der Alten, der >VäterTadelVaterSohn