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German Pages 556 [558] Year 2004
Gunnar Seelentag
Taten und Tugenden Traians Herrschaftsdarstellung im Principat
91 Klassische Philologie Franz Steiner Verlag
HERMES Einzelschriften - Band 91
Gunnar Seelentag Taten undTugenden Traians
HERMES Zeitschrift für klassische Philologie
Einzelschriften
HERAUSGEGEBEN VON
Siegmar Döpp Karl-Joachim Hölkeskamp Wolfgang Kullmann
Heft 91
Gunnar Seelentag
und
Taten
Tugenden
Traians Herrschaftsdarstellung im Principat
Franz Steiner Verlag Stuttgart
2004
0064) HERMES-EINZELSCHRIFTEN (ISSN 0341– Redaktion:
Prof. Dr.SIEGMAR DÖPP, Universität Göttingen, Seminar fürKlassische Philologie, Humboldtallee 19, D-37073 Göttingen (verantwortlich fürLatinistik) Prof. Dr. KARL-JOACHIM HÖLKESKAMP, Universität Köln, Institut fürAltertumskunde/Alte Geschichte, D-50923 Köln (verantwortlich fürAlte Geschichte) Prof. Dr. WOLFGANG KULLMANN, Bayernstr. 6, D-79100 Freiburg (verantwortlich fürGräzistik)
Erscheinungsweise: Jährlich 3– 6 Bände verschiedenen Umfanges Bezugsbedingungen:
Bestellung zurFortsetzung möglich. Preise derBände nach Umfang. Eine Fortsetzungsbestellung gilt, falls nicht befristet, bis aufWiderruf. Kündigung jederzeit möglich. Verlag: Franz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH, Sitz Stuttgart. Birkenwaldstr. 44, D-70191 Stuttgart, Postfach 101061, D-70009 Stuttgart DieHerausgeber bitten, Manuskripte andieoben genannten Redaktionsadressen zu senden. Erwünscht sind füralle Manuskripte Schreibmaschinenblätter miteinseitigerBeschriftung (links 4 cmfreier Randerforderlich). DerRedaktion angebotene Manuskripte dürfen nicht bereits veröffentlicht sein oder
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Printed inGermany
INHALTSVERZEICHNIS
9
Vorwort
ERSTER TEIL EINLEITUNG –DIE IMAGO EINES KAISERS
12 17
1.Aspekte derHerrschaftsdarstellung 2. DasAkzeptanzsystem
21 24 26
DieSenatoren Die Plebs Urbana DasHeer
3. Mechanismen derKommunikation –DasAffirmative 4. Das Konzept der Imago
30 35
Fordern
ZWEITER TEIL
VOM RHEIN NACH ROM –DER REGIERUNGSANTRITT
1. Einleitung
44
2. Dererste Kontakt –utprimus nuntiaret excessum Nervae 3. Antizipation undFehleinschätzung –Dieersten Münzemissionen 4. Plinius beglückwünscht denKaiser –etprivatim etpublice opto 5. Providentia Senatus –Von wemerhielt der Kaiser seine Herrschaft? 6. Gesandtschaften unddieRede desDion Chrysostomos 7. Plinius bedankt sich –initia felicissimi principatus
93
Diekaiserliche Abwesenheit
Securitas undFelicitas
8. Plinius will sichergehen –cupio facta meaprobare sanctissimis 9. Traian amRhein –Warum kamderKaiser nicht nach Rom?
moribus tuis
9.1. Die Notwendigkeit einer militärischen Imago 9.1.1. falsi triumphi –Domitian alsOpfer seiner eigenen Imago 9.1.2. patricio et consulari et triumphali patre genitus –Traianus Pater 9.1.3. Die militärische Imago Traians bis zumJahre 98 9.2. DieBefriedung Germaniens 9.3. Die Germania desTacitus Germania‘ 9.3.1. Ein Exkurs –Dergeographische Raum ‚
9.3.2. Motive der taciteischen Darstellung 9.3.3. Die politische Funktion desTraktats imJahre 98 9.3.4. Die Germania imRahmen dertraianischen Herrschaftsdarstellung 9.3.5. Fazit
48 54 56 62 78
88
101 108
113 113
113
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INHALTSVERZEICHNIS
10. DerFriedensschluss in Pannonien 11. Plinius als Patron –indulgentiam tuamplenissimam experior EinExkurs zurvierten Epistel deszehnten Buches
12. DasDonativ –aequati sunt enimpopulo milites 13. Plinius ersucht umUrlaub –admunificentiam cohortatus 14. Plinius erwartet denKaiser –exoptatissimus adventus
155 158 171 180 183 198
DRITTER TEIL
DER PANEGYRICUS –EIN MEDIUM DES SENATORISCH-KAISERLICHEN KONSENSES
1. Einleitung 2. In hac nota,
vulgata, dicta sunt omnia
–Die Publica Gratiarum Actio
2.1. officium consulatus –Der Vortrag im Senat 2.2. DerPanegyrische Mechanismus 2.2.1. Adressaten undThemen 2.2.2. nondicturi nisifecerit –Den Kaiser auffordern
2.2.3. illud additum a nobis Optimi cognomen –Koordinaten einer Herleitung
2.3. Diemodestia desbonus civis –Eine Rezitation imKreise derAmici Ein Exkurs –DieLesung als sozialer Raumsenatorischer Standeskontrolle
3. Traians militärische
Imago
3.1. contecti caedibus campi –Die Imago des Heros 3.1.1. aequata dis immortalibus potestas –Eine Annäherung 3.1.2. Traian anderDonau 3.1.3. Nontimes bella nec provocas –Die Vision eines Triumphes 3.2. imperatorem commilitonemque miscuis –Die Imago des Commilito milites nihil a plebe tranquillitate differebant –Die Heimkehr 3.3. Der Weg zur Macht 3.3.1. necdum imperator, necdum deifilius –Die Jugend Traians 3.3.2. VonSpanien nachGermanien –DasHercules-Paradigma 3.3.3. recusabas imperare –Prätorianeraufstand undAdoption 4. Fazit
214 217 219
224 224 231 240 247 249
259 260 260 261 264
269 273 278 279 284 287
292
VIERTER TEIL DAS TRAIANSFORUM –DER STEINERNE TRIUMPH
1. Einleitung
298
5.1. Die Feldlager-Architektur 5.2. Das Templum Pacis 5.3. DasAugustusforum 6. DieTransformation derVisiotypen 6.1. Monumente undihre Betrachter
319 321 325
2. DieLesbarkeit desTraiansforums –Eine methodische Vorbemerkung 3. Bauliche Bestandaufnahme –singularis sub omni caelo structura 4. Die städtebauliche Relevanz desForums 5. Architektonische Zitate unddie Frage derNutzung
300 309 316 318
329 329
7
INHALTSVERZEICHNIS
6.2. DerEquus Traiani –Exempla virtutis 6.2.1. Die Quadriga des Augustus –quae mihi ex SCpositae sunt 6.2.2. Der Equus Domitiani –quae moles Latium complexa forum
6.2.3. Equus Traiani –stabulum tale condi iubeto, si vales 6.3. Imagines clipeatae –Exempla principum 6.3.1. Die beiden Väter Traians –pulchrius genuisse talem an elegisse? 6.3.2. Die Betonung desdynastischen Prinzips 6.3.3. Bildnisschilde undRestitutionsprägungen 6.4. Dakerstatuen –Exempla servitutis 6.4.1. DieKaryatiden desForum Augustum 6.4.2. ex manubiis–Die Popularisierung derDakersiege 6.5. DieTraianssäule –Exempla comitatis 6.5.1. Von Säulen undEulen 6.5.2. Exempla Optimi Principis 6.5.3. civilis miles –Die Imago des Bürgersoldaten 6.5.4. Die posthume Sinnentfaltung des Forums –solus omnium intra urbem sepultus 7. Dertriumphierende Heros in derStadt
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342 349 350
354 357 363 363 366 368 371 376 380 393
405
FÜNFTER TEIL
DIE TRAIANISCHEN RESTITUTIONSMÜNZEN
1. DieEmission 2. Forschungsübersicht zurDatierung undAussage derNummi 3. Eine methodische Vorbemerkung 4. DieDarstellung vonRegierungsakten 4.1. Die stadtrömische Wasserversorgung
4.2. DieAnnexion Arabiens 4.3. Die Erweiterung des Pomerium 4.4. Das Bauprogramm desForum Traiani
5. Die Capitolinische Trias 6. Die Darstellung abstrakter
Herrschertugenden
6.1. Pietas 6.2. Vesta Ein Exkurs –Die restituierten Aurei des Claudius 6.3. Aeternitas 7. Libertas Die Plutei Traiani
Restituti
410 413 419 427 427
431
436 439
442 447 448 454 460 462
468 475
SECHSTER TEIL
DIE KONSTRUKTION DER IMAGO
1. Cupido triumphandi –Die Ambiguität der Imago 2. Die Konstruktion des Optimus Princeps
486 493
8
INHALTSVERZEICHNIS
Literaturverzeichnis
503
Abbildungsverzeichnis
516
Quellenverzeichnis
518
Literarische Zeugnisse
518
Münzen
527
Inschriften
532
Papyri
532
Register
derPersonen, Orte, Sachen undBegriffe
533
VORWORT Bei dieser Untersuchung handelt es sich umdie erweiterte Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 2002 vom Gemeinsamen Ausschuss der Philosophischen Fakultäten der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg angenommen wurde. Nach dem Abschluss des Manuskripts bleibt mir nur die sehr angenehme Pflicht, alljene zunennen, die in dereinen oder anderen Weise amEntstehen dieses Buches beteiligt waren, um ihnen dafür meine tiefempfundene Dankbarkeit auszusprechen.
An erster Stelle sind die Professoren Hans-Joachim Gehrke und Karl-Joachim Hölkeskamp zu nennen. Das Glück, zwei Doktorväter zu haben, wirkte sich in fachlicher undmenschlicher Hinsicht in allen Phasen derArbeit aus. Beide begleiteten diese Studie von Anfang an mit großem Interesse und waren jederzeit zu
undanregenden Gesprächen sowie der bisweilen nötigen AufmunSie formten undförderten die Gedanken dieses Buches. Dass die Professoren Eckard Lefèvre undVolker-Michael Strocka die Korreferate in meinem Promotionsverfahren übernahmen, war mir Freude und Ehre zugleich. Sie gaben mit ihren Fragen und Hinweisen in der Disputation noch manchen Anstoß fürdie Druckfassung dieser Arbeit.
ausgedehnten terung bereit.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützte mich mit einem Stipendium, das mich im Rahmen des Kölner Graduiertenkollegs ‚Vormoderne Konzepte von Zeit undVergangenheit‘ drei Jahre lang die nachfolgenden Gedanken in arbeitsamer Muße entwickeln ließ. Das Graduiertenkolleg und sein damaliger Sprecher Professor Bernd Manuwald nahmen mich in den Kreis der Stipendiaten auf und förderten stets eine intellektuell stimulierende Atmosphäre über die Grenzen der einzelnen Fächer hinweg. Die Mommsen-Gesellschaft gewährte mir den Bruno-Snell-Preis im Jahre 2003. Die Gutachter werden ihre Anregungen auf denfolgenden Seiten wiedererkennen. Die Professoren Werner Eck undWolfram Weiser waren zu angeregten Diskussionen undkritischen Bemerkungen bereit. Außerdem waren beide und die Professoren Egon Flaig undTonio Hölscher so freundlich, mir Manuskripte vor demZeitpunkt ihrer Drucklegung zuüberlassen. Ohnediebereitwillige Genehmigung desDeutschen Archäologischen Instituts sowie verschiedener Auktionshäuser undMünzhandlungen, zahlreiche Illustrationenaus ihrem Bestand verwenden zudürfen, wäre die Bebilderung dieser Studie ärmer gewesen. Besonders zu danken ist den Häusern Classical Numismatic
10
Group, Gorny & Mosch, Münzen mismatik Leu.
VORWORT
undMedaillen, Numismatik Lanz sowie Nu-
Professor Michael Zahrnt und Dr. Marieluise Deißmann-Merten nahmen es auf sich, das gesamte Manuskript zu lesen. Unter den zahlreichen Freiburger und Kölner Freunden undKollegen, die auf vielfältige Weise zum Entstehen dieses Buches beitrugen, seien besonders genannt Dr. Christian Mann, Felix Schäfer, Katharina Kalkowski undFrank Bücher, diejeweils große Teile des Manuskripts lasen. Darüber hinaus lösten derzuletzt genannte undDr. Cordula Scholz virtuos nicht allein die unvermeidbar auftretenden technischen Probleme. Ihnen allen gebührt großer Dank für ihre jeweilige Unterstützung unddie stete Bereitschaft zu zahlreichen Gesprächen. Den Herausgebern der Hermes-Einzelschriften, den Professoren Siegmar Döpp, Karl-Joachim Hölkeskamp und Wolfgang Kullmann, danke ich für die Aufnahme in diese Reihe.
Meinen Eltern bin ich zutiefst dankbar für all ihre Ermunterung, Förderung und ihren Beistand während Studium undPromotion, meinen Großeltern für ihre stete Unterstützung. Zuletzt ist meine Frau Anna zu nennen, derdas Entstehen dieses Buches viel zu verdanken hat. Ihr sei es daher auch gewidmet.
Köln, im April 2004
ERSTER
TEIL
EINLEITUNG DIE IMAGO EINES KAISERS
1. ASPEKTE DER HERRSCHAFTSDARSTELLUNG In der Münchener Glyptothek befindet sich ein bemerkenswertes Brustbild des Kaisers Traian.1 Es stellt den Princeps mit freiem Oberkörper dar; allein auf seiner Schulter ist einem Umhang gleich die Aegis mit Gorgonenhaupt drapiert. Ein Schwertband umspannt seine Brust, und sein Kopf trägt einen Kranz aus Eichenlaub. Ein antiker Betrachter umdas Jahr 112 n.Chr.2, der eine gewisse alltägliche Vertrautheit mit Formen und Sprache der kaiserzeitlichen Bilderwelten besaß, vermochte in dem Porträt mehrere Elemente zu erkennen, welche über die reine Identifizierung Traians hinaus der kaiserlichen Darstellung Bedeutung verliehen. Diese visuellen Versatzstücke gehörten zumfesten Inventar jener imperialen Bildersprache, die sich seit demPrincipat des Augustus über Jahrzehnte entwickelt hatte, undbesaßen jeweils für sich genommen eine deutliche Aussage. Doch erst ihre spezifische Kombination in diesem Porträt ergab ein komplexes Bildprogramm unddamit eine erstaunliche Gesamtaussage. Zunächst fallen die schmückenden Attribute Traians auf. Das Schwertband etwa wareine Bildchiffre für militärische Leistung. Einem jeden zeitgenössischen Betrachter schien dieses Attribut aneiner Büste Traians ohne weiteres gerechtfertigt. Immerhin hatte der Kaiser schon zu Beginn seiner Regierung nach eigenem Bekunden Germanien befriedet und seine Grenzen gesichert. In den Jahren danach hatte er zwei Kriege gegen dasVolk derDaker geführt undhierbei gewaltige Siege errungen. Für diese Leistungen, welche als eigenhändige Taten des Herrschers gefeiert wurden, hatte er die Siegerbeinamen Germanicus undDacicus in seine imperiale Titulatur aufgenommen, womit Traian der erste römische Kaiser überhaupt war, derzwei Siegerbeinamen trug. Auch sonst stellte er seine militärischen Leistungen ostentativ zur Schau; etwa in demgigantischen Forum, welches er mitten im Zentrum seiner Hauptstadt bauen ließ unddas auf demReliefband der dort errichteten Säule die Geschichte der Dakerkriege abbildete. UndTraian 1
2
Glyptothek München, Inv. Nr. 335, Büste des Traian; einst Palazzo Bevilacqua, Verona; H. 0,54 m. –Siehe hierzu GROSS 1940, 132, Nr. 68, 72, Taf. 32 a, b.; VIERNEISEL/ZANKER 1979, 103, Nr. 11.4. –Ein Verzeichnis aller Abbildungen undderjeweiligen Bildnachweise befindetsich imAnschluss andenIndex-Teil dieser Arbeit. Sämtliche Jahreszahlen in dieser Untersuchung verstehen sich als Daten n.Chr., sofern dies nicht ausdrücklich anders betont wird.
1. ASPEKTE DER HERRSCHAFTSDARSTELLUNG
13
rüstete schon wieder zu einem Krieg, gegen das Reich der Parther nämlich; den einzigen Rom verbliebenen Gegner, dessen Niederwerfung den militärischen RuhmdesKaisers noch einmal unerhört steigern konnte. Den Kranz aus Eichenlaub hatte Traian nicht durch eigenhändig vollbrachte Taten errungen, vielmehr hatte er ihn seiner Tugenden wegen verliehen bekommen. Es handelt sich umdie Corona Civica; jene Bürgerkrone, die schon in der Republik für die Rettung eines römischen Bürgers in der Schlacht verliehen worden war.3 Doch bereits Augustus hatte die Corona Civica ‚ob cives servatos‘ erhalten, für die Rettung aller Bürger des Staates. Seit Claudius wurde sie auch nicht länger als militärische Auszeichnung verliehen, sondern geriet vollends zum Attribut allein des Kaisers. Fortan kennzeichnete die Bürgerkrone den Princeps als denfürsorglichen Vater aller seiner Untertanen, als denPater Patriae also, und galt als Zeichen seiner clementia.4 Der Pater-Patriae Titel wies auf die Schutzfunktion desHerrschers gegenüber seinen Bürgern hin; dashierzu komplementäre Verhalten war die Pietas der Untertanen gegenüber ihrem Kaiser. Undso hatte auch Traian nach demVorbild seiner Vorgänger auf demrömischen Thron diesen Titel eines ‚Vaters des Vaterlandes‘ von Senat und römischem Volk verliehen bekommen, wenngleich es in den ersten Monaten seiner Regierung Irritationen wegen dessen Annahme, Ablehnung underneuter Annahme gegeben hatte.5 Das dritte Attribut unseres Traian-Porträts, die Aegis mitGorgonenhaupt, hatte nichts mit einer Verleihung durch das Volk zu tun. Sie wies in ganz andere Sphären, denn sie erinnerte anIuppiter. Ihren festen Platz hatte die Aegis schon an den Bildnissen hellenistischer Herrscher besessen, und obgleich geschnittene Steine die Aegis schon während der gesamten Iulisch-Claudischen Dynastie abgebildet hatten, wurde dieses Attribut desobersten römischen Staatsgottes erst seit dem Principat Neros auch auf Münzen dem Herrscher beigegeben. Die Aegis wurde hierbei als Rüstzeug verstanden, welches denKaiser mitebenjenen Mitteln ausstatte, wie sie auch Iuppiter zur Verfügung stünden: „ ...et tibi Caesar, pro iaculo et parma fulmen et aegis...“ , schrieb etwa Martial.6 Dass die Traians-Büste diese bildliche undkonzeptuelle Annäherung zumStaatsgott suchte, musste einem zeitgenössischen Betrachter ebenfalls unmittelbar einleuchten. Immerhin befandensich massenhaft Münzen imUmlauf, die Iuppiter zusammen mitTraian zeigten. Auf diesen Stücken stand der Gott hinter demKaiser undhob seinen Mantel schützend über ihn. Auf einem Relief des Bogens von Benevent warsogar dargestellt, dass Iuppiter dem Princeps das Blitzbündel überreichte; ein bildlicher Akt der Herrschaftseinsetzung.7 Zudem war Traian schon von Beginn seiner Regie-
3 4 5
6 7
mit zahlreichen Quellenbelegen STROTHMANN, s.v. ‚Pater patriae‘, in: DNP9 (2000), Sp.396. Zur Verbindung von Corona Civica undherrscherlicher clementia siehe Plin.nat.hist.16.4.7 f.; Sen.de clem.1.26.5. Siehe hierzu ausführlich im Kapitel „ Vom Rhein nach Rom“den Abschnitt 3 „Antizipation . undFehleinschätzung –Dieersten Münzemissionen“ Martial 9.20.9f. zuEhren Domitians. Diese Stücke waren die ersten römischen Münzen, diedenKaiser gemeinsam mitdemhöchsten Gott abbildeten. Eine Abbildung bietet das Kapitel zu den Restitutionsmünzen im AbALFÖLDI 1971; DERS. 1980, 128ff.; siehe
14
DIE IMAGO EINES KAISERS
rungszeit an mit der Bezeichnung als ‚Optimus Princeps‘ immer wieder in die gedankliche Nähe zumIuppiter Optimus Maximus gerückt worden. Der freie Oberkörper des Kaisers wies auf eine weitere Facette seiner Herrschaftsdarstellung hin. Es war die heroische Nacktheit, wie sie etwa bildlichen Darstellungen des Hercules eignete. Auch diese Verbindung mit dem Halbgott wurde vomantiken Betrachter leicht verstanden. Immerhin warHercules ebenfalls schon seit Beginn der traianischen Regierung ein wichtiges Paradigma der Herrschaftsdarstellung gewesen.8 Denn wie der Heros gewaltige Entfernungen zurückgelegt habe, so hätten auch die gewaltigen Züge des Kaisers die Entfernungen schmelzen lassen; undähnlich wie der Iuppitersohn Kämpfe gegen unzivilisierte Wesen bestritten undwilde Gegenden in die Zivilisation geführt habe, so hätten auch Traians siegreiche Kriege gegen die Daker deren ungastliche Bergländer in eine prosperierende Provinz des Reiches verwandelt. Außerdem habe der Kaiser Rom vom ‚Pessimus Princeps‘ Domitian undder anschließend drohenden Waffengewalt befreit, so wie einst Hercules die Ur-Siedlung Roms vom Terror des Ungeheuers Cacus entbürdet habe. Dereine sei voneinem Gott gezeugt, derandere vondemselben Gott zurHerrschaft erwählt worden. Schließlich waren auch die Gesichtszüge des Princeps selbst Aussagen seiner Herrschaftsdarstellung. Nachdem nämlich unmittelbar zu Beginn seiner Herrschaft die Münzporträts den neuen Kaiser noch beinahe wie ein Abbild Nervas dargestellt hatten, unterschied sich das offizielle Konterfei Traians mittlerweile deutlich vondemseines Adoptivvaters. Zumeinen gab es keine physiognomische Ähnlichkeit mehr mit den Porträts Nervas. Dessen Hakennase und hagere Züge waren einem volleren Inkarnat gewichen. Zumanderen kontrastierte die einfache Frisur Traians mit ihren kommaartigen Stirnsträhnen nicht allein die Lockenfrisurenderflavischen Kaiser Titus undDomitian sondern auch die komplizierte Haartracht Nervas, die sich auf demHaupt über demLorbeerkranz aufgebaut hatte, in den Nacken geflossen war undzudem Stirnlocken aufgewiesen hatte. Während die Strähnen Traians an die idealisierten Porträts der Iulisch-Claudischen Zeit erinnern mochten, forderte seine angestrengte Mimik eher zumVergleich mitden Zügen Vespasians auf, keinesfalls mit denweichen Zügen Domitians. Das Porträt des neuen Kaisers warbewusst einfach gehalten, unddoch sollten Falten undGesichtsspannung ein Ausdruck derReife undEntschlossenheit Traians sein.9
8
9
schnitt 5 „ Die Capitolinische Trias“ . Siehe auch STRACK 1931, 216, Nr. 203, 211, 434, 448, 462, (224). Zumlinken Attikarelief derStadtseite desBogens vonBenevent siehe etwa FITT782; zur gedanklichen Nähe des Optimus Princeps zumIuppiter Optimus SCHEN 1972, 773– Maximus verdient Plin.paneg.88.7 besondere Beachtung; siehe hierzu vor allem im Kapitel zumPanegyricus denAbschnitt 2.2.4 „illud additum a nobis Optimi cognomen –Koordinaten . einer Herleitung“ Siehe zu dieser Affinität Traians zu Hercules vor allem im Kapitel zum Panegyricus den Abschnitt 3.4.2 „ Von Spanien nach Germanien –Das Hercules-Paradigma“undim Kapitel zumTraiansforum denAbschnitt 7 „ . Dertriumphierende Heros in derStadt“ BOSCHUNG 1999, 141 und 2002, 170; KLEINER 1992, 208; ROCHE 2002, 57f. –Vergleiche hierzu NODELMAN 1993, 14: „ The Roman portrait...is not an indissoluble nexus of mutually referential properties conceived on the model of a natural organism andpresenting itself as a self-contained and self-justifying totality....Rather it is a system of formalized conventional
1. ASPEKTE DER HERRSCHAFTSDARSTELLUNG
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In diesem einen Bild sehen wirverschiedene Rollen Traians voruns: denmilitärischen Führer sowie den treusorgenden Vater seiner Bürger, doch auch den gottähnlichen Kaiser unddenheroenhaften Herrscher. Wir sehen dieselbe historische Person, dieselbe Aufgabe, doch unterschiedliche Erscheinungsformen. In dieser undzahlreichen anderen Quellen der römischen Kaiserzeit ist das Phänomen der Herrschaftsdarstellung reflektiert, der programmatisch aufgeladenen und daher stilisierten Darstellung des Princeps in diversen Facetten. Wir begegnen diesem Phänomen in ganz unterschiedlichen Quellengattungen, etwa in Architektur und Münzen, Skulptur undLiteratur sowie in Ritualen. Versucht manjedoch, derjeweiligen Quelle eine Aussage über die Funktionsweise der politischen Ordnung des Principats zu entlocken, mithin dessen Darstellungsformen zu dechiffrieren, steht man rasch vor Problemen. Recht einfach ist es noch, diverse Facetten der Darstellung Traians in derBüste zu erkennen; doch wie verträgt sich seine Rolle als Halbgott mit seiner Darstellung als guter Senator unddarüber hinaus noch als bodenständiger Kamerad seiner Soldaten –drei ganz unterschiedliche Rollen, die wir etwa im Panegyricus des Plinius unmittelbar nebeneinander finden? Die verschiedenen Facetten lassen sich, so scheint es, bisweilen kaum zurDeckung bringen. Ein Konzept von Herrschaftsdarstellung, welches diese eindimensional und statisch als ein vomKaiser verfolgtes Programm auffasst –etwa als ‚Propaganda‘ , muss vordiesen Widersprüchen kapitulieren.10 oder ‚Selbstdarstellung‘ Traians – references whose specific content andpolemical point aredefined positively bytheevocation of desired applications andnegatively byimplied contrast withother images bearing anopposite intent.“ 10 Die letzten Jahre sahen eine Reihe von Publikationen zumPrincipat Traians undzu den in dieser Zeit entstandenen Zeugnissen der Literatur, Architektur, Epigraphik undNumismatik. Neben Detailuntersuchungen undpragmatischen Gesamtdarstellungen widmeten sich einige Studien der Programmatik des Optimus Princeps, umdiese auf ihre Innovation, ihre Konsequenz in derAussage oder garauf ihren Realitätsgehalt zuüberprüfen. Diese Untersuchungen betrachteten den Principat Traians bisweilen als Gegenstück zur Herrschaft Domitians und widmeten sich einem Vergleich dieser beiden Regierungen. Das von der Tradition als so strahlend gezeichnete Bild Traians wurde vordemHintergrund des entsprechend negativ gezeichneten Bildes des Pessimus Princeps Domitian betrachtet, unddiejeweils extreme Darstellung hatte einer relativierenden Beurteilung zuweichen. Doch häufig blieb manauf diese Art der Einschätzung beschränkt, undes blieb bei derlei qualifizierenden Aussagen, ohne brauchbare Analysekriterien für eine angemessene historische Kontextualisierung destraianischen Principats zuentwickeln. Aufdiese Literatur wirdjeweils amgeeigneten Ortdieser Studie eingegangen. Hier sei vorab ein Überblick nurderwichtigsten Darstellungen gegeben. Der Sammelband von A. NÜNNERICH-ASMUS 2002 richtet sich an ein allgemeinhistorisch interessiertes Publikum undbehandelt eine Fülle vonAspekten der Regierung des Optimus Princeps. Diese reichen vondetaillierten Rekonstruktionen der Ereignisgeschichte über Betrachtungen der Reichspolitik Traians bis zurInterpretation einzelner Quellengattungen wie Münzen, Staatsreliefs undBildnis-
sen.
Der Kongressband vonJ. GONZÁLEZ 2000 behandelt eine Vielzahl vonGesichtspunkten der Regierungszeit Traians. Thematisch sehr breit angelegt, werden unter anderem Studien zur Architektur undzudenFolgen derKriegszüge Traians geboten, zumBriefverkehr Traians mit Plinius undzurRezeption desTraianbildes.
16
DIE IMAGO EINES KAISERS
Demgegenüber möchte ich im Folgenden anhand der Regierung Traians für denrömischen Principat ein Konzept derHerrschaftsdarstellung undihrer Mechanismen entwickeln, das geeignet ist, die Vielschichtigkeit undProzessualität dieses in den Quellen reflektierten Phänomens zu erfassen. Ich gehe hierzu von der Vorstellung aus, dass Herrschaft sich nicht in einem autoritären, hierarchisch or-
ganisierten Regieren erschöpft, sondern im Wesentlichen durch Konsens vermittelt funktioniert.11 Somit begreift mein Modell von Herrschaftsdarstellung diese als einen Prozess des Herstellens von Konsens. Dabei ist der Begriff ‚Herrschaftsdarstellung‘ wegen seiner Zweideutigkeit bewusst gewählt: Denn er umfasst sowohl die Selbstdarstellung des Kaisers, als auch seine Darstellung durch andere. Das Phänomen ‚Herrschaftsdarstellung‘ wird demnach in der Kommunikation verschiedener gesellschaftlicher Gruppen mit demPrinceps konstituiert. Es handelt sich mithin umein dynamisches Phänomen, das in einem Spannungsfeld von Bedürfnissen und gegenseitigen Anforderungen verortet ist. Die für uns in den Quellen greifbaren Manifestationen von Herrschaftsdarstellung bilden demgemäß Stadien innerhalb dieses dynamischen Prozesses ab. Wenn Herrschaftsdarstellung als Konsens erzeugende Kommunikation begriffen wird, stellt sich zunächst die Frage, wer an dieser Kommunikation beteiligt
war.
Der vonE. SCHALLMAYER 1999 herausgegebene Band mit Beiträgen desdritten Saalburgkolloquiums widmet sich neben der Schwerpunktfrage, welche Folgen die Politik Traians für Germanien gehabt habe, auch Fragen der Herrschaftsdarstellung des Optimus Princeps; so etwa der Nachfolgeregelung, dem Bild des Civilis Princeps, der Rolle der Augustae, den Münzen sowie historischen Reliefs. Daneben werden Aspekte der Außenpolitik erörtert und deren Einfluss aufdieGestaltung derInnenpolitik. Die Monographie von J. BENNETT 1997 stellt die Biographie Traians dar undführt anhand seines Lebens auch in die politischen Strukturen der Zeit ein undbehandelt die zeitgenössischen Quellen. Dieses Werk ist allerdings wegen seiner zahlreichen sachlichen Fehler nurbedingt verlässlich undsollte mit Vorsicht herangezogen werden. Siehe hierzu auch die Rezension vonW. ECK1998, in: SCI 17, 231– 234. 11 Erst nach Abschluss dieses Kapitels erreichte mich der Sammelband WEBER/ZIMMERMANN 2003. Besonders in der von G. Weber und M. Zimmermann verfassten programmatischen Einleitung dieses Bandes sowie imBeitrag vonA. Eich wird fürdie Kaiserzeit desersten und zweiten Jahrhunderts ein Konzept von ‚Repräsentation‘ entwickelt, welches mit dem hier vorgestellten Konzept von Herrschaftsdarstellung in verschiedenen Punkten Gemeinsamkeitenbesitzt. Dies betrifft nicht zuletzt diegründliche Trennung derAussagen dieser Manifestationen vonherrscherlicher Repräsentation nach Medientypen undAdressaten.
2. DAS AKZEPTANZSYSTEM Eine Passage im Werk des Flavius Iosephus, des Chronisten des römischen Kriegesgegen die Iudaeer, reflektiert in mustergültiger Weise die Grundlagen derpolitischen Stabilität desrömischen Principats. Hier benennt derAutor nämlich jene drei Gruppen der römischen Gesellschaft, die für die Akzeptanz des römischen Kaisers maßgeblich waren, sowie deren jeweilige Forderungen undHoffnungen ansein Verhalten.1 Die Szene spielt imJahre 70. Während desBürgerkrieges der Jahre 68 und69 hatte sich Vespasian imOsten desReiches aufgehalten; dort hatte er–noch vonNero beauftragt –dieKämpfe gegen die Iudaeer geführt. Doch auch nachdem sich die Partei des Flaviers im Bürgerkrieg durchgesetzt hatte under somit schon der Alleinherrscher des Reiches war, kehrte Vespasian nicht sofort nach Romzurück. Stattdessen blieb er vorerst in Alexandria, während sein Sohn Titus den Krieg in Iudaea fortführte. Doch nun, nachdem er die stadtrömische Bevölkerung Monate lang hatte warten lassen, kamVespasian endlich nach Rom. Der erste Auftritt in seiner neuen Rolle als Herrscher vor der Plebs Urbana und vordenversammelten Senatoren wargrandios inszeniert. Der Flavier zognämlich als Sieger in die Hauptstadt ein. Er hatte den Fall Jerusalems abgewartet und konnte derhauptstädtischen Öffentlichkeit nuneindrucksvoll beweisen, dass er zu siegen verstand. Vordiesem Hintergrund berichtet Flavius Iosephus vonderFreude und Erleichterung, die während dieser Tage in der Bevölkerung geherrscht hätten.
Der Historiograph referiert, dass der Senat, ausgelaugt durch das Unheil der raschen Herrscherwechsel, überzeugt gewesen sei, in Vespasian einen Princeps zu erhalten, der durch sein Alter und seine militärischen Erfolge ausgezeichnet sei undder seine hohe Stellung nurzumWohle seiner Untertanen nutzen werde. Das Volk, von den inneren Wirren der vergangenen Monate erschöpft, habe vertrauensvoll die dauerhafte Befreiung von seinem Elend erwartet und mit Hoffnung geordneten Verhältnissen undsogar Wohlstand entgegengesehen. Vorallem aber, schreibt Iosephus, habe das Heer mit besonderer Zuversicht auf Vespasian geschaut; es habe nämlich am besten die Bedeutung der von Vespasian beendeten Kriege gekannt. Denn die Legionen, enttäuscht von der Unfähigkeit undFeigheit der anderen Kaiser, welche den Truppen nur Schmach bereiteten, hätten von Vespasian die Wiederherstellung ihrer Ehre undihres Ruhmes erwartet. Iosephus beschließt seine Aufzählung mit der resümierenden Feststellung, dass demnach die ganze Bevölkerung dasgrößte Wohlwollen für Vespasian gezeigt habe. Außer diesen dreien erachtete der Autor also keine andere Gruppe im Staat als für die 1
Flav.Ios.b.J.7.4.1.
DIE IMAGO EINES KAISERS
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Herrschaft des Kaisers bedeutsam.
Sie allein machten für ihn ‚die Bevölkerung‘
aus.
Die Stabilität der politischen Ordnung der römischen Kaiserzeit basierte auf derAkzeptanz desPrinceps durch drei gesellschaftliche Gruppen: Senat, Heer und Plebs Urbana.2 ‚Akzeptanz‘ bedeutet in diesem Zusammenhang die erfolgreiche Herstellung von Konsens erstens darüber, was einen Guten Princeps ausmache, undzweitens, dass der derzeitige Herrscher ein solcher Guter Princeps sei. Zur Erzielung dieses Konsenses musste der Kaiser mit den genannten drei Gruppen kommunizieren. Hierbei wurde die Herrschaftsdarstellung des Princeps gemeinsam von allen Beteiligten konstituiert. Scheiterte diese Kommunikation, konnte die Herrschaft desKaisers prekär werden; er mochte sogar stürzen. In letzter Konsequenz entschied die Akzeptanz des Princeps also über denGewinn, Erhalt und Verlust seiner Herrschaft. Was Senat, Heer undPlebs Urbana, undsonst keinen anderen Teil derGesellschaft, für die Akzeptanz des römischen Princeps relevant machte, war, dass diese drei Gruppen die Möglichkeit undEntschlossenheit besaßen, denKaiser in ihrem Sinne zu beeinflussen.3 Sie konnten auf die Herrschaftsdarstellung des Kaisers einwirken, wurden ihrerseits von Inhalten der Herrschaftsdarstellung angesprochen undkonnten fürdie Erhebung oder denSturz des Herrschers relevant sein. Um mit dem Herrscher zu kommunizieren, trafen die Mitglieder dieser Gruppen mit dem Kaiser in spezifischen politischen Räumen zusammen, in denen sie mithilfe besonderer Artikulationsformen ihnen exklusiv vorbehaltene Anliegen mit ihmverhandelten. Außer Senat, Heer undPlebs Urbana erfüllten manche andere gesellschaftliche Gruppen einige dieser Kriterien, doch dies allein machte sie noch nicht relevant fürdieAkzeptanz desrömischen Kaisers. So wurden etwa seit demPrincipat Nervas, undzunehmend unter Traian undHadrian, die Bevölkerung Italiens und deren Bedürfnisse zunehmend zu Gegenständen der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung.4 Doch es gibt keinen einzigen Fall, in demAufstieg oder Fall eines Kaisers von einer wie auch immer gearteten Einflussnahme der italischen Bevölkerung abhängig gewesen wären.5 Die gleiche Beobachtung gilt für die Ritter, denn 2 3
4
5
ZumModell des Akzeptanzsystems imrömischen Principat siehe vor allem FLAIG 1992, 14207. –DasZuweisen vonEhre hält auch LENDON 1997 fürwesentlich. 207, besonders 174– FLAIG, 1991, 372 nennt zu Recht als wesentliches Kriterium für denGrad der ‚ Politisierung‘ einer sozialen Gruppe, ihre „ Fähigkeit undden Willen, auf das Zentrum der Macht Druck
. auszuüben“
Andieser Stelle ist etwa dasverstärkte Auftauchen italischer Belange aufrömischen Münzen zuerwähnen, die Errichtung vonGroßbauten zurRepräsentation undStärkung derInfrastruktur außerhalb Roms unddie zahlreichen kaiserlichen wie auch senatorischen Alimentarstiftungen. Indem etwa unter Nerva die Botschaft, der Princeps habe die Fuhrzölle abgeschafft, aufMünzen geprägt wurde undvonseinem Nachfolger derBauderViaTraiana in demselben Medium betont wurde, waren diese genuin italischen Belange zu Gegenständen derkaiserlichen Herrschaftsdarstellung geworden. Ebenso wenig waren etwa die Städte Kleinasiens für die Akzeptanz des Princeps relevant; auch wennsie in einem gesonderten politischen RaumdemKaiser einen spezifischen Habitus abforderten, der sich vondenErwartungen der anderen erwähnten Gruppen weitgehend unterschied, wenn sie vonihmnämlich ein Auftreten als gottgleicher Herrscher verlangten.
2. DAS AKZEPTANZSYSTEM
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auch derOrdo Equester warim dargelegten Sinn nicht relevant für die Akzeptanz des Herrschers. Als Kollektiv spielte er keine Rolle bei Erlangung, Behauptung oder Verlust der Macht eines römischen Kaisers. Auch wenn zahlreiche Mitgliederdes Ordo eminent wichtige Positionen in Verwaltung undMilitär des Reiches innehatten undein Mitglied des Standes, der Prätorianerpräfekt nämlich, wesentlichen Anteil bei Erhebung undSturz eines Kaisers haben konnte, warder Ritterstand keine Säule des hier beschriebenen Akzeptanzsystems. Mochten die Ritter auch mit dem Ritual derjährlichen transvectio equitum einen exklusiven politischen Raum besitzen, in demsie als Stand auftraten, so lässt sich eben doch nicht konstatieren, dass sie bei dieser Gelegenheit demKaiser kollektiv etwaige genuine Interessen ihrer Gruppe formulierten. FürdieRitter jedenfalls lassen sich keine derart scharf konturierten Forderungen an denPrinceps erkennen, wie sie unsals für Senat, Heer undPlebs Urbana spezifisch überliefert sind. Dabei ist die mangelnde Homogenität des Ritterstandes bezüglich seiner Mitglieder nicht vonvorneherein ein Argument gegen seine Betrachtung als eine für das Akzeptanzsystem relevante soziale Gruppe. Auch ‚der Senat‘warwegen der in ihm bestehenden Rangunterschiede eine sehr heterogene Gruppe. Er bestand sowohl aus zahlreichen Quaestoriern, die niemals ein höheres Amtals dieses bekleiden würden, wie auch aus mehrfachen Consularen, die große Kommandos innegehabt hatten undwomöglich Mitglieder desConsilium Principis waren –um nurdie Extreme dieser binnenständischen Hierarchie zunennen. Ebensolche Diskrepanzen nach Prestige und Reichtum gab es innerhalb der Plebs Urbana und eben auch innerhalb derRitter. Dochjene Quellen, welche die Mechanismen der Herstellung eines Konsenses zwischen diesen Gruppen und dem Kaiser behandeln, erwähnen keine solche Differenzierung der Senatoren, weder nach Rang, politischem Handeln oder persönlicher Freundschaft mitdemPrinceps. Stattdessen hebt etwa derPanegyricus hervor, Traian habe bei seinem AdventusimJahre 99 denSenat –undPlinius verwendet hier denKollektivbegriff sena, miteinem Kuss empfangen.6 ImFalle derRitter aber betont Plinius, Traian tum– habe ordinis equestris decora, also die führenden Mitglieder des Ritterstandes, namentlich angeredet, mithin ausgewählte Einzelpersonen. Mit dieser Beobachtung korrespondiert die bildliche Darstellung dieser Gruppen. Denn es gab in der Bildkunst des Principats einen Genius Senatus undeinen Genius Populi Romani, diejeweils über ein etabliertes Bildschema verfügten undin zahlreichen Darstellungen mitdemKaiser interagierten. Hiermit wurde derCharakter dieser Gruppen als Kollektive betont; dass sie aus Individuen bestanden, blendete die Bildsprache aus. Für die Ritter aber gab es keine derartige visuell verdichtete Personifikation, es gab keinen Genius des Ritterstandes, welcher derart prominent gewesen wäre wiedie Genii desSenats unddesPopulus. Dass allein Senat, Heer undPlebs Urbana für die Akzeptanz des römischen Kaisers relevant waren, offenbart sich auch darin, dass nur sie zu Beginn der Herrschaft eines Princeps
6
anjenen Ritualen maßgeblichen
Plin.paneg.23.1: ...senatum osculo exciperes
(...) signares.
(...) equestris
Anteil hatten,
in denen
ordinis decora honore nominum
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DIE IMAGO EINES KAISERS
seine Regierungsübernahme bestätigt wurde. Der Senat fasste diesbezüglich einen Beschluss, die Plebs Urbana verabschiedete ein entsprechendes Gesetz, dasHeer leistete seinen Eidaufdenneuen Kaiser. DaimVerlauf dieser Akte demPrinceps die einzelnen Komponenten seiner Herrschaft übertragen wurden, also etwa imperium proconsulare und tribunicia potestas, scheinen diese Vorgänge einen vermeintlich juristisch gesicherten Charakter des römischen Principats zu reflektieren. Doch auch sie waren Manifestationen des Akzeptanzsystems; ihr semantischer Gehalt beruhte vorwiegend auf ihrem Charakter als denKaiser anerkennendeGesten. Somit waren auchsie Rituale desdemonstrativen Consensus Universorum, wobei die universi eben Senat, Heer undPlebs Urbana waren.7 Der feste Platz, denjede derdrei für dasAkzeptanzsystem relevanten Gruppen in der politischen Ordnung besaß, wurde zumeinen durch den Bezug jeder einzelnen dieser Gruppen zudenjeweils anderen beiden konstituiert; zumanderen durch dasMaßanKaisernähe, dasjede Gruppe fürsich genommen besaß, unddas immer wieder in deren Umgang mit demPrinceps bestätigt undaktualisiert werdenmusste. Ausdieser regelmäßigen Pflege derKontakte resultierte ihr Ehrenstatus: undzwar ausdenErgebnissen dieser Kontakte, doch auch ausdemAktselbst; mithin der bloßen Demonstration, dass der Herrscher bereit war, Zeit für die Kommunikation mit dieser Gruppe zu verbringen undmit ihr gemeinsam politische Räume zu konstituieren, die den anderen Gruppen in gewissem Maße vorenthalten waren, umdort auf ihre spezifischen Wünsche reagieren zukönnen. Der Bezugspunkt der politischen Ordnung war also stets der Kaiser, und umdessen Aufmerksamkeit konkurrierten die Gruppen untereinander. So wurde sorgfältig beobachtet, ob der Kaiser seine Aufmerksamkeit nicht etwa einer Gruppe in stärkerem Maße zukommen ließ, als dies demetablierten Normalfall entsprach. Doch jede Gruppe warsich bei aller Konkurrenz imtäglichen Miteinander derRelevanz undNotwendigkeit derjeweils anderen bewusst. So verlief das politische Leben
7
In diesem Sinne ist auch derparadoxe Charakter der lex de imperio Vespasiani zuverstehen. Während die Abschnitte 1 bis 5 und7 des Gesetzes demHerrscher einzelne Rechte zuerkennen, betont der sechste Abschnitt, dass der Kaiser „ das Recht unddie Amtsgewalt haben solle, alle Maßnahmen, die nach seiner Ansicht imInteresse desGemeinwesens liegen undder Erhabenheit dergöttlichen undmenschlichen, deröffentlichen undprivaten Angelegenheiten angemessen sind, einzuleiten undzutreffen.“(CILVI 930 = ILS244. „Utique quaecumque ex usureipublicae maiestate divinarum humanarum publicarum privatarumque rerum esse censebit, ei agere facere iuspotestasque sit.“ ) Diese Pauschalvollmacht machte dievorherige Übertragung derEinzelrechte eigentlich überflüssig, da mit ihr sämtliche Handlungen des Princeps ohnehin rechtlich abgesegnet wurden. Siehe hierzu FLAIG 1992, 184. WINTERLING 2001, 106f. nennt die lex de imperio Vespasiani vor genau diesem Hintergrund die gleichzeitige Gültigkeit undAufein Zeugnis der politischen Paradoxie des Principats, „ hebung der von den republikanischen Institutionen getragenen Rechtsordnung, d.h. eine ver„ DerInhalt desTextes bestätigt nichts anderes als die kaiserfassungsrechtliche Paradoxie.“– liche Allmacht. Das Vorhandensein des Textes als solches signalisiert dagegen einerseits, dass es derSenat ist, der(in Form eines Volksbeschlusses) die kaiserliche Allmacht verleiht, zumanderen, dass derKaiser sich vomSenat seine Allmacht verleihen lässt undsomit bestätigt: dass er selbst aus sich heraus nicht allmächtig ist.“
2. DAS AKZEPTANZSYSTEM
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normalerweise in einem von Konsens geprägten Rahmen. Erst aus diesem Consensus Universorum ergaben sich die Akzeptanz des Princeps und die Stabilität derpolitischen Ordnung. Fürjede der drei Gruppen dieser Kommunikation mit dem Kaiser existierte eine seit demaugusteischen Principat historisch gewachsene Vorstellung von einem Guten Princeps. Jeder Kaiser wurde an dieser Vorstellung gemessen. Ihr grundlegender Bestandteil war, dass einGuter Princeps diedrei Gruppen stets von neuem in ihrem Ehrenstatus bestätigte. Dies geschah im Wesentlichen durch Demonstrationen derNähe; mochte diese nuntatsächlich räumlich sein, Zeitaufwand oder materiellen Aufwand bedeuten oder sich in Äußerungen undVerhaltensweisenaffektiver Verbundenheit ausdrücken. So trug allein schon dieBereitschaft zur Kommunikation an sich, noch losgelöst von ihren konkreten Inhalten, zumKonsens bei, dass derKaiser einGuter Princeps sei. Doch in welcher Form diese Nähe sich für die verschiedenen Parteien der Kommunikation zu manifestieren hatte, undüber welche konkreten Gegenstände kommuniziert werden musste, differierte zum Teil ganz erheblich; je nachdem, welche Bedürfnisse und Anforderungen an einen Guten Princeps die jeweilige Gruppe besaß. Ummitjeder derdrei Gruppen Konsens darüber herstellen zukönnen, dass er ein Guter Princeps sei, musste der Kaiser daher auf die speziellen Bedürfnisse undVorstellungen derjeweiligen Gruppe eingehen. Er musste sozusagen in Verhandlung mit ihr treten. Im Folgenden soll anhand der referierten Iosephus-Passage vorgestellt werden, welche Bedürfnisse undInteressen die drei Gesellschaftsgruppen besaßen und welche Forderungen sie zu deren DurchsetzungandasVerhalten desKaisers stellten.
DIE SENATOREN
Iosephus nennt als Grund für die Erleichterung der Senatoren über den Herrschaftsantritt Vespasians, dass sie vomUnheil der raschen Herrscherwechsel ausgelaugt gewesen seien. Diese Aussage wird verständlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass die Loyalität dereinzelnen Senatsmitglieder binnen kurzer Zeit mehreren neuen Kaisern hatte gelten müssen. Daallein derHerrscher diehonores, die sozial prestigeträchtigen Ressourcen, vergeben konnte, wares nötig, dass die Senatoren auch in solchen Zeiten des Wandels die Nähe des Princeps suchten. Dies war schwierig, wenn bekannt war, dass sich gegen den Kaiser ein Usurpator erhoben hatte, dersich seinerseits auf die Akzeptanz von Legionen stützen konnte und dessen Erhebung womöglich Erfolg versprach. Während der Bürgerkriege hatte sich also innerhalb weniger Monate der Bezugspunkt der Senatoren mehrfach gewandelt. Die Nähe eines Kaisers zu suchen undzu finden, zog während derJahre 68/69 nicht unbedingt politischen Erfolg nach sich, sondern lief immer Gefahr, nach einem Machtwechsel womöglich zu einem Nachteil unter dem
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DIE IMAGO EINES KAISERS
Nachfolger zu geraten. Doch die kaiserliche Nähe mit demBlick auf zukünftige Eventualitäten nicht zu suchen, hieß, auf ein Fortkommen unter dem aktuellen Princeps zuverzichten. Nachdem Vespasian sich nunin denBürgerkriegen durchgesetzt hatte undsich kein Usurpator mehr gegen ihnzuerheben schien, besaß das senatorische Referenzsystem in demFlavier wieder dauerhaft einen eindeutigen Bezugspunkt; daher die Erleichterung. Der römische Princeps warseinerseits darauf angewiesen, dass die Senatoren seine faktische Vorrangstellung auch demonstrativ anerkannten. Doch dies konnte er nurdadurch erreichen, dass er sich verhielt, als besäße er diese Vorrangstellung tatsächlich gar nicht. Prekär war dieses Verhalten gerade für einen solchen Herrscher, der nicht als Sohn eines Kaisers geboren worden waroder zumindest der kaiserlichen Familie entstammte, sondern der vor seinem Regierungsantritt nur ein Senator unter allen anderen gewesen war. Natürlich wareinsolcher Kaiser vor seinem Regierungsantritt ein hochrangiger Senator in consularischem Rang gewesen, denn dies wardaserste undwichtigste Kriterium für seine Eligibilität überhaupt; aber er wareben doch ein Mitglied unter vielen in diesem Gremium gewesen. Als solches hatte er in unmittelbarer Rivalität zu den ihm gleichrangigen Standesmitgliedern gestanden, die mit ihm umÄmter, Posten undKommandos konkurriert hatten. Durch seine Inthronisation warein Kaiser, derausdenSenatsreihen stammte, mit einem Mal aus seinem bisherigen sozialen Kontext weit herausgehoben. Er verfügte nunüber ungeheure Machtmittel, mitdenen kein anderer Senator konkurrieren konnte, unddies bezieht sich nicht allein auf finanzielle Aspekte; schließlich wares in letzter Konsequenz allein derKaiser, derdenSenatoren die begehrten sozialen Ressourcen gewähren konnte. Demzufolge musste der ehemalige Mitsenator, Konkurrent undwomöglich einstige politische Gegner nun als faktisch ihnen allen Übergeordneter hofiert werden. Fürdie Senatoren wares aber gerade wegen derfaktischen Ungleichheit zwischen ihnen und dem Kaiser wichtig, dass dieser stets betonte unddurch seine Taten beglaubigte, dass er sich als einen derIhren verstand. Daher wurde die Fiktion bemüht, der Princeps sei grundsätzlich der Amicus aller Senatoren, wie alle Senatoren ebenfalls prinzipiell die Amici des Herrschers seien. Dessen Stellung wurde dabei beschrieben als die des vornehmsten der Consulare –unerreichbar mächtig zwar, aber aufgrund seiner Tugenden derart jovial in seinem Habitus, dass er wie einer der Senatoren sei. Von einem solchen Civilis Princeps wurde gefordert, dass er zur Kommunikation mit demSenat bereit sei unddabei in seinen Umgangsformen Gleichheit demonstriere.8 Prämisse dieses Umgangs miteinander war, dass die Freundschaft zwischen Princeps undSenatoren nicht erst gewonnen werden müsse, sondern von vorneherein vorhanden sei; sie könne jedoch verloren gehen, wenn sie nicht gepflegt werde. Der Verlust der kaiserlichen Freundschaft bedeutete füreinen Senator freilich daspolitische Ausundwarnicht
8
112 darüber, welche Herausforderung an ein Gelingen Siehe BARGHOP 1994, besonders 80– der Kommunikation die kaiserliche Anwesenheit, doch auch die dauerhafte Abwesenheit im Senat fürdasGremium darstellten.
2. DAS AKZEPTANZSYSTEM
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selten mit Gefahr für Besitz undLeben verbunden.9 Es gab also keine Alternative zur Freundschaft mit dem Kaiser, und dementsprechend war es für beide Seiten nötig, diese in Wort undTat fortwährend zubestätigen. DerKaiser tat dies, indem er etwa Ämter undsonstige Auszeichnungen vergab, die bezeichnenderweise beneficia genannt wurden, also ‚Freundesgaben‘ und‚Gefälligkeiten’. Daneben wurde von ihmerwartet, dass er etwa zumGastmahl einlud undseinerseits senatorischen Einladungen folgte; er musste also Nähe undUmgänglichkeit demonstrieren. Der Princeps sollte außerdem seine Entscheidungsprozesse transparent machen, undwenner dies schon nicht vordemGesamtsenat tat, so doch vorjenen ihmvertrauten Mitgliedern dieses Gremiums, welche seinem Consilium angehörten; die wiederum mochten hiervon ihren Amici berichten. Bei all dem war beiden Seiten wohlbewusst, dass der Habitus der Gleichheit nureine Fiktion war, welche die tatsächlichen Verhältnisse mit Beteuerungen des Konsenses und Gesten der gegenseitigen Statuszuweisung zu bemänteln suchte. Und so musste die faktische Machtdiskrepanz zwischen Kaiser und Senat auf symbolischer Ebene und in gemeinsamen Ritualen mit kommunikativer Performanz überbrückt werden.10 Ein Beispiel hierfür ist die Form, in welcher derSenat demKaiser bisweilen Ehrungen übertrug: Es warTeil des Rituals, dass die Senatoren denPrinceps baten, diejeweiligen honores anzunehmen, wasdieser zurückzuweisen hatte. Daraufhin nahmen die Senatoren diese vermeintliche Manifestation der kaiserlichen Bescheidenheit zumAnlass, weiter undheftiger darauf zu bestehen, dass ein solch bescheidener Herrscher erst recht geehrt werden müsse. Schließlich willigte derPrinceps in die Ehrung ein. ImResultat waren nicht allein die honores übertragen worden, welche die bestehende Hierarchie hatten augenfällig werden lassen. Zudem hatten die Senatoren ihre emphatische Akzeptanz des Kaisers demonstriert, undderPrinceps hatte Gelegenheit gehabt, seine Modestia nachzuweisen. Dass Geste auf Geste folgte, und zu folgen hatte, entsprach nur demPrinzip der fortlaufenden Reziprozität, welche integraler Bestandteil dieser Kommunikation war, die auf derZuweisung vonEhre beruhte.11
9
10 11
2003, 28 bemerkt hierzu präzise: „Augustus schaffte es auch hier, paradoxe Sachverhalte miteinander in Verbindung zu setzen, indem er das neue, durch kaiserliche Gunst strukturierte hierarchische Beziehungssystem in den Formen einer alten, auf Egalität undpersönlicher Nähe basierenden Freundschaft praktizierte. Wiederum wardie Folge eine Art doppelbödiger Kommunikation zwischen Kaiser undAristokratie: DerKaiser hatte so zu tun, als sei er der Freund aller Aristokraten, unddie Aristokraten taten so, als seien sie alle Freunde des Kaisers, wenngleich denBeteiligten klar war, dass Opportunitätsgesichtspunkte auf beiden Seiten bestimmend waren unddass –was in gelegentlichen Verschwörungen offenkundig wurde –realiter unterhalb deroffiziellen Ebene Feindschaften gegenüber demKaiser fortbestanden.“–Siehe zumThema deramicitia zwischen Senatoren undKaiser auch im Kapitel „ VomRhein nach Rom“ denAbschnitt 14 „Plinius erwartet denKaiser –exoptatissimusadventus“ . Siehe hierzu dasKapitel zumPanegyricus. Das Fehlen einer Alternative zur kaiserlichen Amicitia, das Ineinandergreifen von kaiserlichen beneficia undsenatorischen officia undsomit die Reziprozität dessymbolischen Gabentausches werden prägnant beschrieben von FLAIG 1993 und 2003c. Die Darstellung von FLAIG 2003c, 50 gipfelt in der Feststellung: „ Der Kaiser steht im Zentrum des GabentauWINTERLING
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DIE IMAGO EINES KAISERS
DIE PLEBS URBANA
Die Plebs Urbana, berichtet Iosephus, sei wiedie Senatoren vondenvergangenen Wirren erschöpft gewesen. In Vespasian setzte sie Hoffnungen, er werde sie auf Dauer demElend entreißen, geordnete Verhältnisse undallgemeinen Wohlstand gewährleisten. Während derraschen Kaiserwechsel derJahre 68/69 hatte auch die hauptstädtische Bevölkerung gelitten, wenn auch nicht in derart vitaler Hinsicht wiedieSenatoren, dieeinen persönlichen Umgang mitdemPrinceps pflegten und daher politische Förderung oder Benachteiligung unmittelbar erlebten. Prinzipiell profitierte die hauptstädtische Bevölkerung zwar von einem jeden Regierungsantritt, da der neue Kaiser im Regelfall Geldgeschenke auszahlen ließ, doch –wie im Fall der Senatoren –hatte auch das Referenzsystem für die Akzeptanzbekundungen derPlebs Urbana während mehrerer Monate gewankt. Auch sie hatte verschiedenen Kaisern innerhalb kurzer Zeit zugejubelt, undwenn die hauptstädtische Bevölkerung auch nicht durch Kriegshandlungen dezimiert worden war, so hatte sie dennoch, wie Iosephus betont, aufgrund ihres Bedürfnisses nach Sicherheit undWohlergehen ein Ende dieses Konflikts herbeigesehnt. Nicht anders als die Senatoren wünschte auch die Plebs Urbana, vomPrinceps injenem Ehrenstatus bestätigt zuwerden, dass sie eine fürdie Herrschaft desKaisers relevante gesellschaftliche Gruppe sei. Diese Bestätigung erfolgte, wenn sich der Kaiser in bestimmten gesellschaftlichen Fragen gemäß des konsensual geäußerten Willens der Plebs Urbana verhielt oder zumindest seine Haltung in bestimmten Fragen offenlegte.12 Dies betraf etwa die Transparenz der Thronfolge, dieGewährleistung vonSicherheit fürinUngnade gefallene Mitglieder derkaiserlichen Familie unddie Demonstration, dass dasKaiserpaar eine gute Ehe führe.13 Außerdem nahm die Plebs für sich in Anspruch, über die Sicherheit des Herrschers zu wachen, und sie beargwöhnte einzelne, deren akkumuliertes soziales Kapital sie vermeintlich allzu mächtig und dem Kaiser gefährlich hatte werden lassen.14 Daneben musste sich der Princeps gegenüber der Plebs immer wieder in der Rolle eines Wohltäters undfürsorglichen Vaters seiner Untertanen beweisen. Traian etwa richtete für fünftausend Kinder Roms Getreidespenden ein undinszenierte während seiner Regierungszeit drei allgemeine Geldverteilungen.
sches, aber für ihngilt im Ernstfalle nicht die Reziprozität. (...) Daher möge sich keiner [der Senatoren] einbilden, er könne vomKaiser ein bestimmtes politisches Verhalten einfordern. Loyalität gegenüber demKaiser (...) ist eine fraglose Pflicht (...), ergo gegenüber der Monarchie überhaupt. Loyalität ist keine Gefälligkeit.“ 12 Zudiesen Feldern der Kommunikation siehe YAVETZ 1987 und 1988; FLAIG 1992, besonders 93 undSÜNSKES-THOMPSON 1993, besonders 19– 38– 49. 13 Beispiel hierfür ist das Verhalten der Plebs Urbana anlässlich der Verbannung Octavias und derErmordung Agrippinas unter Nero. 14 Zur Illustration hierfür sei die Rolle der Plebs beim Sturz des Prätorianerpräfekten Seianus unter Tiberius genannt und ihr Verhalten zugunsten Neros während der Pisonischen Verschwörung.
2. DAS AKZEPTANZSYSTEM
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Zwar unterschied sich die Kommunikation der Plebs mit demKaiser vonjenerdesKaisers mitdemSenat nicht allein in ihren Gegenständen, sondern auch in ihren Räumen. Doch auch die Plebs Urbana forderte vomHerrscher, dass dieser viel Zeit für die Kommunikation mit ihr aufwende unddabei zumAusdruck bringe, dass er eben daran auch Interesse habe und sich nicht etwa zu diesen Demonstrationen der Nähe genötigt sehe. So erwartete die Plebs, dass der Herrscher sich in Rom aufhalte und stundenlang jenen Ritualen beiwohne, die politische Räume zur Artikulation vonAffirmation oder Wünschen der Plebs konstituierten, wieetwadenSpielen. Das prägnante Diktum Iuvenals von der Plebs Urbana, die einst Imperium, Fasces und Legionen vergeben habe, nun aber nur noch ängstlich auf Brot und Spiele bedacht sei, reflektiert die Bedürfnisse der hauptstädtischen Bevölkerung also recht genau.15 Das Zitat darf nurnicht als Beweis einer Entpolitisierung oder gar lethargischen Saturiertheit derhauptstädtischen Bevölkerung gesehen werden. Die Frage bei der Interpretation dieses Diktums muss vielmehr sein, welche gesellschaftlichen Praktiken von den Schlagworten panem et circenses umschrieben werden undwas deren kommunikative Funktion im Rahmen des Akzeptanzmodells war. So wird deutlich, dass Iuvenal pointiert zwei Artikulationsfelder und Aktionsräume der Plebs Urbana beschreibt: ‚Brot‘denotiert die Getreidespenden desPrinceps anTeile derPlebs undsomit wesentliche Rituale zurDemonstration derkaiserlichen Freigebigkeit undFürsorge. ‚Spiele‘steht unter anderem fürjene politischen Räume, in denen die Plebs Urbana als Kollektiv ihre spezifischen Anliegen formulieren konnte. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen gewinnt auch die vermeintlich auf Iuvenals Polemik zurückgehende Bewertung, diePlebs sei ängstlich (anxius) aufBrot undSpiele bedacht, ihren Sinn. Immerhin bedeutete ein Ausbleiben dieser Rituale, dass eminent wichtige politische Räume zur Bekundung von Akzeptanz undZuweisung von Ehrenstatus fehlten, mithin Gelegenheiten zurDemonstration desKonsenses zwischen Plebs undKaiser. Insgesamt gesehen forderte die Plebs Urbana demHerrscher also eine Rolle ab, in welcher er keinesfalls Gleichheit demonstrieren musste, wie das im Falle seines Zusammentreffens mit dem Senat der Fall war. Die Bevölkerung der Hauptstadt erwartete nicht, dass derHerrscher sich nurals derranghöchste Consu-
15 In ihrer
zur Macht des stadtrömischen Volkes im Principat unternimmt SÜNSKES1993, 5, Anm. 10 eine Wertung des bekannten Diktums Iuvenals vondenWünschen der Plebs Urba nach ‚Brot undSpielen‘(Sat. 10, 78– 81: Namqui dabat olim imperium fasces legiones omnia, nunc se continet atque duas tantum res anxius optat, panem et circenses.). Diese „vorurteilsbeladene Formulierung“verdiene „nicht, ein geflügeltes Wort gewordenzu sein.“ , relativiert die Autorin das Zitat. Im übrigen könne „dieses Klischee über die Plebs keinen Anspruch auf eine derartige klassenorientierte Beschränkung erheben: Es gab auch römische Kaiser, die sich sogar nicht einmal mit Brot zufrieden gaben, sondern sich vielmehr üppige undluxuriöse Gastmähler undextravagante Spiele interessierten undweniger für Regierungsangelegenheiten.“Diese Beurteilung beschreitet einen Irrweg, dasie in den Worten Iuvenals Polemik sieht unddasZitat nicht aufdie in ihmbeschriebenen Szenarien der Kommunikation zwischen Kaiser undPlebs reduziert. Studie
THOMPSON
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DIE IMAGO EINES KAISERS
lar gebe. Sie wollte einen Vater des Vaterlandes, derfürdasWohl seiner nensorgte, deren Nähe suchte unddieGetreideversorgung sicherte.
Unterta-
DAS HEER
Wenn Iosephus in der referierten Passage betont, vor allem das Heer habe der Herrschaft Vespasians zuversichtlich entgegengesehen, wenn er außerdem hervorhebt, am besten hätten die Soldaten die Bedeutung des neuen Friedens gekannt, undwenn er schließlich die Truppen an letzter undprominenter Stelle seiner Aufzählung nennt, so reflektiert er damit die Bedeutung des Heeres für die Erhebung eines Kaisers, seinen Verbleib auf demThron undseinen Sturz. Nicht alle Teile derrömischen Armee waren gleichermaßen wichtig für die Akzeptanz des Kaisers. Lediglich jene Verbände, die ausrömischen Bürgern bestanden und die, wie die Praxis zeigt, die Initiative zu eigenem Handeln ergreifen konnten, waren fürdie Stabilität despolitischen Systems maßgeblich. Dies waren allein die Prätorianergarde unddie Legionen.16 Im Verlauf des ersten Jahrhunderts undbesonders während der Usurpationen des Vierkaiserjahres zeigte sich, dass, wenn ein Prätendent vonmassivem Aufgebot unterstützt wurde undsich somit auf seine Akzeptanz beim Heer stützen konnte, ein bewaffneter Marsch auf die Hauptstadt nicht zu verhindern war; nicht vom Senat, nicht von der Plebs Urbana. Diesen beiden Gruppen blieb allein die Zustimmung zu denhergestellten Verhältnissen, militärische Macht aber konnte allein von anderer militärischer Macht abgewehrt werden. Andererseits war während der Erhebung des Antonius Saturninus unter Domitian manifest geworden, dass ein Usurpator, mochte er sich auch auf einen mächtigen Truppenkörper stützen, keine Chance hatte, solange der Kaiser bei anderen Heeresabteilungen beliebt warundvonihnen akzeptiert wurde.17 Die Usurpation als Probe des Akzeptanzsystems war also kein Szenario, zu dessen Gelingen, nämlich demKaisersturz, es hauptsächlich aufdieEntscheidung einiger weniger senatorischer Statthalter angekommen wäre, die nach ihrem Belieben ihre Truppen hätten lenken können. Tatsächlich hatte die Entscheidung eines Statthalters, selbst als Usurpator aufzutreten oder einen solchen zu unterstützen, keine Chance auf Erfolg, wennes seinen Truppen nicht gefiel, wenndiese also denKaiser nach wie vor akzeptierten. Das Heer besaß allein demKaiser ge16 Während dervondieser Studie behandelten Zeit entwickelten bis auf die Ereignisse des Bataveraufstandes etwa die Auxiliartruppen oder die Flottensoldaten keine Initiative; sie folgten stets denLegionen. Siehe hierzu FLAIG 1992, 132; zurAusnahme ebd. 543– 549. 17 ZudenHintergründen undMechanismen dieser fehlgeschlagenen Usurpation siehe vorallem 450. –Vergleiche FLAIG 1991, 377: „Dann undnurdann erwuchs demnaFLAIG 1992, 417– henLegaten eine Chance, die Truppen für sich zugewinnen, wenn die Beziehung derTruppenzumfernen Kaiser negativ wurde. DieBeziehung zumKaiser bestimmte folglich dieEntfaltungsmöglichkeiten deranderen Beziehungen, niemals umgekehrt.“
2. DAS AKZEPTANZSYSTEM
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genüber Loyalität, nicht aber seinen senatorischen Legaten. Erst wenn die Legionenempfanden, derKaiser entspreche nicht länger ihrem spezifischen Bild eines Guten Princeps, erweise sich als unwürdig undbestätige dieTruppen nicht länger in ihrem Ehrenstatus, konnte ein in ihren Augen würdigerer Legat als Usurpator Erfolg haben. Die Legionen unddie Prätorianer waren die Kaisermacher unddie Thronerhalter. DerPrinceps konnte diePlebs Urbana über Jahre hinweg allein mit einem Mindestmaß an herrscherlicher Aufmerksamkeit undStatuszuweisung abspeisen; er konnte ihr gegenüber sogar herrisch auftreten, wie Caligula dies bei den Spielen tat. Der Kaiser konnte sich auch, wie Tiberius etwa, aus der Hauptstadt zurückziehen unddauerhaft die Kommunikation mit demSenat verweigern. Diese einseitigen Verstöße gegen die Spielregeln des Akzeptanzsystems führten zwar zuerheblichen Verstimmungen bei diesen beiden Gruppen, doch endeten sie für denPrinceps niemals tödlich. Im schlimmsten Falle bildeten solche Spannun-
gen den Nährboden für Verschwörungen innerhalb des Palastes.18 Die Geschichte des frühen Principats zeigt, dass eine senatorische Verschwörung in Rom, die nicht von einer Usurpation in den Provinzen undsomit einer
militärischen Erhebung unterstützt wurde, keine Aussicht auf Erfolg hatte. Der Senat konnte denKaiser nicht stürzen. Dies wurde allein schon vonderKonkurrenz der Senatoren untereinander verhindert, welche die in eine solche Verschwörung Eingeweihten stets auf die Probe stellte, anstatt das Komplott zu unterstützen, ihre Mitwisser zu denunzieren. Immerhin war die delatio eines Standesgenossen eine der stärksten Bezeugungen von Loyalität gegenüber demKaiser und vermochte auch, oder gerade, in Zeiten schwieriger Kommunikation zwischen Kaiser undSenat zu persönlichem Vorteil zu gereichen. Doch selbst wenn eine senatorische Verschwörung hätte gelingen können, wäre der Senat dennoch unfähig gewesen, einen Kaiser aus seinen eigenen Reihen zu bestimmen. Dies wurde aus eben demselben Grund verhindert, der eine coniuratio von vornherein scheitern ließ: der innersenatorischen Konkurrenz. Wenn allerdings die Truppen so unzufrieden waren, dass ihre senatorischen Legaten sie zur Usurpation bewegen konnten, wardie Herrschaft des Kaisers derart in Gefahr, wie eine empörte Plebs oder ein verbitterter Senat es nicht ansatzweise zubewirken fähig waren. Wie Senat undPlebs Urbana erwarteten auch die Legionen, vomImperator regelmäßig in ihrem Ehrenstatus bestätigt zu werden. Diese Bestätigung konnte dieForm einer Demonstration affektiver Nähe gegenüber einer einzelnen Heeresgruppe annehmen, wenn sich der Kaiser auf Reisen dort befand, wo diese stationiert war. Dies geschah vor allem aber durch Donative für alle Legionen gleichzeitig. Ein Donativ warkeine Belohnung eines einzelnen Truppenteils für spezifische Leistungen, sondern drückte die kaiserliche Achtung vor demKollektiv der Legionäre aus.19 Situativ bedingte Belobigungen erfolgten unter anderem in Form
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Hierbei ist allerdings jeweils zuuntersuchen, ob solche Spannungen tatsächlich die Voraussetzung fürVerschwörungen waren, oder obnicht beide Phänomene gleichwertige Resultate eines spezifischen kaiserlichen Verhaltens waren. Siehe hierzu die Diskussion bei WINTER174 fürdenFall Caligulas. LING2003, besonders 161– Siehe hierzu im Kapitel „ VomRhein nach Rom“ denAbschnitt 12 „ Das Donativ –aequati sunt enimpopulo milites“ .
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DIE IMAGO EINES KAISERS
vonEhrennamen, diederBezeichnung derLegion hinzugefügt wurden, etwa legio XI Claudia piafidelis. Vor allem aber musste derHerrscher, umvondenTruppen als Guter Princeps akzeptiert zu sein, ein Verhalten an denTag legen, das in den Augen der Soldaten nicht von Feigheit und Unfähigkeit zeugte. Und eben dies seien dieMotive gewesen, hebt Iosephus hervor, deretwegen dieTruppen vonden vergangenen Principes enttäuscht gewesen seien, so dass sie von Vespasian die Wiederherstellung ihres Ruhmes erwarteten. Denn für die Truppen gehörte zumBild eines Guten Princeps, dass dieser sie in Kämpfen einsetzte. Denn nur hier, undnicht während des Kasernendienstes, konnten die Legionen Ruhm erwerben. Außerdem hatte der Kaiser ein fähiger Feldherr zu sein, der womöglich früher schon Siege im Kampf errungen hatte. Dies konnte der Fall sein, wenn der Kaiser dem Herrscherhaus entstammte und ihm in vergangenen Jahren von einem früheren Kaiser ein Kommando anvertraut worden war; oder wenn er aus demSenat stammte undsich als Statthalter in der Kriegsführung ausgezeichnet hatte. Doch auch während seiner Regierung als Kaiser wurde vom Princeps die propagatio imperii erwartet, die kriegerische Ausdehnung derGrenzen undKultivierung der Barbarenländer. Die Erwartungen der Soldaten wichen also vonjenen desSenats ganz erheblich ab. VordemHeer sollte der Kaiser keine Gleichheit demonstrieren, sondern vielmehr als ein Anführer auftreten, demdie Kriegsführung am Herzen lag, under sollte seine Truppen in denKampf schicken.
, Der Herrscher vermochte nicht immer –undwarauch nicht immer bereit dazu– den Anforderungen der verschiedenen Gruppen gleichermaßen nachzukommen. Gerade die gleichzeitige Erfüllung der Bedürfnisse von mehr als einer der Gruppen war für ihn oftmals nicht möglich. Dadurch konnten sich aber eine oder zwei derGruppen vernachlässigt fühlen undihren Ehrenstatus sowohl in ihrer eigenen Wahrnehmung als auch in den Augen der beiden anderen Gruppen reduziert sehen. Sollte der Kaiser etwa viel Zeit im Kontakt mit der Plebs Urbana bei den Spielen verbringen, so sahen sich die Senatoren in ihrem Einfluss auf denKaiser erheblich beschränkt. Denn wenn der Princeps vermeintlich zu wenige Stunden des Tages für die Kommunikation mit ihnen reservierte, schien er den Senatoren zubedeuten, nicht zuihnen zugehören, über ihnen zustehen: Einsolches Verhalten konnte denMitgliedern des Gremiums signalisieren, derKaiser habe es nicht nötig, mit ihnen ausreichend zu kommunizieren undsie in die politischen Entscheidungsprozesse einzuweihen. Zudem durchbrach derKaiser mit diesem Ver-
halten dieideale Vorstellung, lediglich einbesonders angesehener Senator zusein, indem er verdeutlichte, dass er auch den Erwartungen anderer gesellschaftlicher Gruppen entsprechen musste, da sich auf ihn –anders als dies für irgendeinen anderen Senator der Fall war–eben auch die Bedürfnisse der Plebs Urbana konzentrierten. Die Probleme, die ein intensiver Umgang des Kaisers mit der Plebs Urbana hervorbrachte, sodass der Senat sich vernachlässigt fühlte, wurden bei einer Demonstration des Nahverhältnisses vonKaiser undSoldaten noch einmal multipli-
2. DAS AKZEPTANZSYSTEM
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ziert, etwa wenn der Herrscher sich selbst an die Grenzen zur Truppe begab. Das Heer stand in keinem spezifischen Nahverhältnis zu den Senatoren, lediglich zu einzelnen Mitgliedern dieses Gremiums, die als Beauftragte des Herrschers, doch stets nurfür eine gewisse Zeit, die Truppen kommandierten. Deren Befehlen folgten die Soldaten, doch ihre dauerhafte Loyalität galt allein demKaiser. Mit der stadtrömischen Bevölkerung waren die Senatoren durch täglichen Umgang vertraut, und beide Seiten waren einander durch regelmäßigen symbolischen Austausch eng verbunden. Doch die temporären Einblicke voneinzelnen Senatoren in den soldatischen Mikrokosmos an den Reichsgrenzen konnten kein dauerhaftes Nahverhältnis zwischen diesen beiden Gruppen als jeweils Ganzem herstellen. Der Gehorsam der Soldaten gegenüber ihren senatorischen Legaten war also lediglich über die Person des Princeps vermittelt. Hier offenbarte sich wiederum die Differenz zwischen demidealen Anspruch, derKaiser sei lediglich derhöchstrangige Consular, und der Wirklichkeit der Gehorsamsmodalitäten: Als Statthalter fernab Roms besaß ein Senator relative Freiheit in seinen Entscheidungen und eine umfassende Befehlsgewalt über die Truppen. Doch seine nurabgeleitete Autorität wurde stets vomnoch größeren Einfluss desKaisers übertroffen.
Kamen Kaiser, Senatoren und Plebs zur gleichen Zeit in einem politischen Raum zusammen, kam es also zu divergierenden Ansprüchen an das Verhalten des Herrschers. Dieser musste sich bemühen, allen Ansprüchen zu genügen, um sich gegenüber jeder der Gruppen als Guter Princeps zu erweisen. Widersprüche in der Herrschaftsdarstellung waren also in denKommunikationsformen des Akzeptanzsystems angelegt. Sie ergaben sich zwangsläufig daraus, dass der Kaiser
die Darstellung seiner Herrschaft nicht autoritär dekretieren konnte, sondern sie mit verschiedenen Gruppen und deren divergierenden Erwartungen verhandeln musste. Schließlich richtete derrömische Kaiser die Darstellung seiner Herrschaft auch gemäß denErwartungen seiner Untertanen aus. Allerdings waren die Forderungen jener Gesellschaftsgruppen, die auf die Darstellung des Kaisers einwirken konnten, schon mit derHoffnung oder sogar mitdemWissen formuliert, dass der Herrscher diesen Wünschen nachkommen werde. Nunist mangeneigt, vonmanchen Medien der Herrschaftsdarstellung anzunehmen, sie gingen wohl auf den Einfluss allein eines dieser Partner imkommunikativen Szenario zurück: etwa die Münzprogramme Traians auf Seiten des Kaisers und die Briefe des Plinius an Traian auf senatorischer Seite. Doch auch die Aussagen dieser Medien waren lediglich Angebote an ihre jeweiligen Rezipienten; Angebote freilich, die mit der Hoffnung undPerspektive einer wohlwollenden Annahme formuliert wurden. Herrschaftsdarstellung erscheint somit als ein beständig ablaufender, nie zu beendender Prozess derVerhandlung vonErwartungen undderen Erfüllung. Denn alle Beteiligten –derKaiser selbst, die Senatoren, diePlebs unddasHeer–artikulieren in verschiedenen Medien ihre Vorstellungen und Erwartungen an einen Guten Principat, welcher sich in der Person des Princeps kristallisiert. Dieses Gespräch in Form einer von mehreren Seiten betriebenen Herrschaftsdarstellung bleibt beständig im Fluss. Endgültige Ergebnisse werden in ihm nicht erzielt; ja, sie widersprechen seiner Funktion geradezu, die ja darin besteht, die Konsens stiftende Kommunikation aufrechtzuerhalten.
3. MECHANISMEN DER KOMMUNIKATION DAS AFFIRMATIVE FORDERN
Wie aber funktionierte derProzess derHerrschaftsdarstellung konkret? Wie wurden Vorstellungen undErwartungen der verschiedenen Gruppen unddes Kaisers aufeinander abgestimmt? Welche Regeln befolgten die an dieser Kommunikation Beteiligten und welcher Mechanismen bedienten sie sich? Zunächst war diese Kommunikation in eine Reihe vonRitualen eingebettet. Zudem lässt sich feststellen, dass sie demPrinzip des Ausprobierens folgte. In bestimmten Medien unterbreiten die Kommunikationsparteien einander Deutungs- undDarstellungsangebote, welche das Gegenüber durchaus auch ablehnen kann. So lässt sich etwa beobachten, dass in der senatorisch-kaiserlichen Kommunikation über die Herrschaftsdarstellung bestimmte Aspekte auftauchen, umsodann nie wieder erwähnt zu werden. Andere Angebote werden in modifizierter Form angenommen und bleiben dergestalt als Verhandlungsmasse imGespräch. In vielen derunstradiertenQuellen lässt sich einbesonders aufschlussreicher Mechanismus einer solchen modifizierten Annahme erkennen, denich ‚Affirmatives Fordern‘nenne: Eine von einem Kommunikationspartner zur Diskussion gestellte Facette der Herrschaftsdarstellung wird von den Aussagen eines Gegenübers reflektiert, damit demonstrativ akzeptiert, zugleich aber mit einer bestimmten Verhaltensanforderung verknüpft, die sich aus demGegenstand des soeben Akzeptierten undaus demAkt des Akzeptierens an sich ableitet.1 Die antiken Quellen auf Manifestationen dieses Mechanismus hinzuuntersuchen, bedeutet aber nicht allein, denkommunikativen Charakter der Herrschaftsdarstellung offenzulegen. Es wird auch möglich, die Begriffswelt der Texte zu hinterfragen. Im Folgenden soll das Modell des Affirmativen Forderns anhand eines Ereignisses beim Regierungsantritt des Tiberius illustriert werden. Wir werdensehen, dass ohne Zuhilfenahme dieses Modells diese Episode angesichts eines vermeintlich paradoxen Verhaltens derSenatoren entweder nahezu unverständlich bliebe, oder dass wir uns mit den Aussagen und Bewertungen der antiken Gewährsmänner zufrieden geben müssten, welche die Kommunikation zwischen Tiberius unddemSenat mit denBegriffen ‚Verstellung‘ und‚Schmeichelei‘ charakterisieren.
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Auf diesen Mechanismus des Affirmativen Forderns werden besonders die Kapitel zumPanegyricus mit seinem Abschnitt 2.2.2 „ nondicturi nisifecerit –DenKaiser auffordern“und VomRhein nach Rom“ mitseinen Abschnitten zudenPlinius-Briefen indergebotenen Aus„ führlichkeit eingehen.
3. MECHANISMEN DER KOMMUNIKATION
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Ein grundsätzliches Problem bei der Beschäftigung mit antiken Texten ist, dass deren Autoren in ihren Schilderungen Kategorien undSchlagworte verwenden, diejene mentalen Axiome reflektieren, welche die Wahrnehmung undeben auch die Darstellung dieser Autoren motivieren unddeterminieren. Diese Katego-
risierung erschwert bisweilen die Rekonstruktion der im Text berichteten Ereignisse. Doch auch die Untersuchung des Sinngehalts desgeschilderten Redens und Handelns undsomit deren kommunikativer Funktion imRahmen derHerrschaftsdarstellung unddes Akzeptanzsystems kann von diesen Barrieren behindert werden. Die folgenden Berichte des Tacitus und Sueton müssen also zunächst der Wertungen ihrer Autoren entkleidet undauf die im Text geschilderten Praktiken reduziert werden. Mithilfe unserer Modellbildung werden wir einen Austausch sinnhafter Gesten vor uns sehen, die vomGegenüber eine angemessene Reaktion in Worten undTaten verlangten. Es wird sich herausstellen, dass die vermeintliche Schmeichelei der Senatoren eine rationale Strategie war, eine mit demKaiser gemeinsame Basis derKommunikation zufinden.2
Während der ersten Tage unter dem neuen Princeps Tiberius kam es zu einem Austausch demonstrativer Akte zwischen Senat und Princeps.3 Diese Bemühungen um die Etablierung verbindlicher und für beide Seiten annehmbarer Umgangsformen miteinander scheiterten aber, und Tacitus sollte das Verhalten des Tiberius ‚Verstellung‘ und das des Senats ‚Schmeichelei‘ nennen.4 Was war geschehen? Werfen wirzunächst einen Blick auf denKaiser. Tacitus berichtet, Tiberius habe sich so verhalten, als wären die alte Republik noch am Leben under selbst noch nicht bereit, die Herrschaft zu übernehmen. So habe er alle Maßnahmendurch die Consuln einleiten lassen, undhabe das Edikt, welches den Senat
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Die Kategorie der senatorischen ‚Schmeichelei‘ zu erklären, bleibt auch nach der wichtigen Studie von A. WINTERLING 2003, in welcher der Autor Strategien der Kommunikation zwischen Kaiser undSenat während der Regierung Caligulas untersucht, ein Desiderat. Die Kategorie des ‚Wahnsinns‘, mit deren Hilfe das Verhalten Caligulas seit derAntike beschrieben wurde, wird als eine Wertung derantiken Autoren entlarvt undals eine Strategie zurKonzeptualisierung des devianten Verhaltens jenes Kaisers, der nicht länger demBild eines Guten Princeps entsprach. Auf diese Weise kann WINTERLING den Sinngehalt der Taten Caligulas rekonstruieren. Doch magder Autor auch die Kategorie des kaiserlichen ‚Wahnsinns‘ erklären, sotuter dies dochnicht mitjener dersenatorischen ‚Schmeichelei‘. Errationalisiert also dasVerhalten nureines derbeiden Kommunikationspartner. DasVerhalten derSenatoren gegenüber ihrem Kaiser wirdnachwievorindenKategorien derantiken Autoren betrachtet. ZuderÜbertragung derkaiserlichen Gewalten undzudemsemantischen Gehalt derRecusatio, die Tiberius praktizierte, siehe besonders FLAIG 1992, 208– 218, der sich allerdings fast ausschließlich auf die entsprechenden Passagen des Tacitus stützt unddie wichtige, unten zu diskutierende Sueton-Passage nicht in seine Überlegungen zur kaiserlich-senatorischen Kommunikation miteinbezieht.
Tac.ann.1.7.1: At Romae ruere in servitium consules patres eques. Quanto quis inlustrior, tanto magis falsi ac festinantes vultuque composito, ne laeti excessu principis neutristiores primordio, lacrimas gaudium, questus adulationem miscebant. –Tac.ann.1.7.7: Dabat et famae[Tiberius], ut vocatus electusque potius a re publica videretur,quam peruxorium ambitumet senili adoptione inrepsisse. Postea cognitum est adintrospiciendas etiam procerum voluntates inductam dubitationem; namverba vultus incrimen detorquens recondebat.
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DIE IMAGO EINES KAISERS
einberief, allein mitdemTitel seiner tribunizischen Gewalt unterzeichnet. Hiermit demonstrierte der Kaiser also Zurückhaltung unddrückte seinen Respekt vor der Ehrenstellung der Senatoren aus. Andererseits, berichtet Tacitus, sei Tiberius den Prätorianern gegenüber deutlich als Imperator aufgetreten. Bewaffnete Wachen seien anverschiedenen Punkten derStadt zusehen gewesen, undSoldaten hätten denKaiser aufdasForum undsogar in dieCuria begleitet. Die Anforderungen an das Verhalten des Princeps waren dadurch sehr komplex geworden. Zwar hatte Tiberius sich bemüht, seine Verhaltensformen gegenüber denrelevanten Sektoren, Senat, Plebs Urbana undHeer, klar voneinander zu trennen, um sich jeder Gruppe gemäß deren Vorstellungen von einem Guten Princeps darzustellen, war sein Versuch misslungen, in unterschiedlichen politischen Räumen auch konsequent mit verschiedenen Rollen aufzutreten. Es entsprach schlichtweg nicht demIdeal, dass derKaiser, dersich einerseits Mühegab, lediglich als der vornehmste Senator zu erscheinen, andererseits in politischen Räumen, die der Kommunikation mit der Plebs oder demSenat vorbehalten waren, demonstrativ als Oberbefehlshaber der Truppen auftrat.5 Forum und Curia waren Orte, an denen der Princeps seinen Bürgern Nähe undZugänglichkeit demonstrieren konnte, die civilitas principis. Doch laut Sueton hatte sich der Princeps mitseiner Begleitung durch die Soldaten die tatsächliche Gewalt unddas äußere Zeichen derdominatio zugelegt.6 Doch die Irritation der Senatoren wegen des Verhaltens des neuen Kaisers ging noch weiter. Sie hatten Tiberius in denersten Tagen seiner Herrschaft eine Reihe vonhonores angeboten, von denen einige ihn direkt betrafen, andere posthume Ehrungen des Augustus waren undsomit mittelbar auf Tiberius zurückwirken sollten. Während das Gremium sich bemühte, densich sträubenden Princeps zurAnnahme aller honores zubewegen, stieß Tiberius denMessalla Valerius mit derFrage vordenKopf, ob dieser seinen Antrag denn auf herrscherliche Weisung vorgebracht habe. DemGefragten blieb nur zu antworten übrig, nein, es sei sein eigener Antrag. Denn in Staatsdingen folge er einzig demeigenen Entschluss; und dies auch auf die Gefahr hin, den Princeps anzugreifen. Tacitus bemerkt hierzu, allein diese Art der Schmeichelei, nämlich derbloße Anschein vonWahrheit, sei noch möglich gewesen.7 Das Verhalten des Tiberius, sich demDrängen undden demütigsten Bitten der Senatoren, er möge doch die ihm angetragenen honores übernehmen, zuwidersetzen, sei ihmjedenfalls als Verstellung ausgelegt worden.8
DieBeschreibung undBewertung derselben Vorgänge bei Sueton bietet erstaunliche Einblicke in die kaiserlich-senatorischen Kommunikationsformen. Auch der 5
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Tac.ann.1.7.6f. –Tacitus unterstellt Tiberius als Grund hierfür, ebenso wie fürsein Verhalten im Senat, böswillige Motive: Bei den Soldaten habe er sich aus Furcht vor dem beliebten Germanicus einen Sympathievorteil verschaffen wollen. Außerdem habe er Senat undVolk suggerieren wollen, erhabe aufdenRufdesStaates reagiert, obwohl er sich tatsächlich durch Adoption undweibliche Ränke indenPrincipat eingeschlichen habe. Suet.Tib.24.1. Tac.ann.1.8.4: ...ea sola species adulandi supererat. Tac.ann.1.12.1.
3. MECHANISMEN DER KOMMUNIKATION
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Biograph unterstellt Tiberius unverschämte Schauspielerei und berichtet, der Princeps habe sowohl seine Freunde gescholten, die ihn beschworen hätten, die Herrschaft doch endlich anzunehmen, als auch den Senat düpiert.9 Denn das Gremiumhabe ihnbereits inständig gebeten undsei vorihmsogar aufdie Knie gefallen, doch Tiberius habe die Senatoren mit zweideutigen Antworten undverschlagenem Zögern hingehalten. Da sei Folgendes geschehen: „ Einigen riss der Geduldsfaden, und einer rief in dem entstandenen Tumult aus: ‚Aut agat auf desistat!‘. Ein anderer warf ihm ganz offen vor, die übrigen täten spät, was sie versprochen hätten; er aber verspreche spät, was er schon tue. Endlich nahm Tiberius, gleichsam gezwungen und sich beklagend, dass ihm eine elende und lästige Sklavenarbeit aufgebürdet würde, die Herrschaft an.“10 Wiekonnte es dazu kommen, dass die Stimmung so plötzlich umschlug, dass eben noch der Kaiser inständig gebeten und sogar auf Knien angefleht worden war, doch unmittelbar darauf heftig kritisiert wurde? Wenn Sueton das Flehen als übelsten Auswuchs der Kriecherei ansieht und die Sklavennatur der Senatoren geißelt –wie kann er denanschließenden Tumult dervermeintlichen Schmeichler erklären? Tatsächlich ist weder seine Beschreibung noch die des Tacitus dazu in derLage. Bei beiden Autoren führt nämlich dasdiskursive Axiom, daskaiserlichsenatorische Verhältnis sei ein von beiderseitiger Verstellung gekennzeichneter Mißstand, zu einer Bildung sprachlicher Kategorien, die eine Analyse der Kommunikationsformen beinahe verhindern. Versuchen wir also, die Quellen auf die in ihnen geschilderten Praktiken zureduzieren, umdenihnen zugrunde liegenden Sinngehalt zu erkennen, und versuchen wir, sie mithilfe des Modells des Affirmativen Forderns zuverstehen. Waskönnen wiralso beobachten? In einer Situation derkommunikativen Unsicherheit, daderPrinceps nicht bereit war, sich eindeutig zuverhalten, nahm der Senat ihmgegenüber einen eindeutigen Habitus an. Indem sie bittend niederknieten, begaben sich die Senatoren kollektiv in die Position vondeutlich demKaiser Untergeordneten. Auf diese Weise affirmierten sie Tiberius in seinem faktischen Primat ihnen gegenüber. Damit gaben sie bewusst vonsich ausdie formale Fiktion des Principats auf, der Herrscher sei lediglich der einflussreichste Consular. Dieses Handeln wardie Forderung an Tiberius, sich dazu komplementär zuverhalten, als ihnen allen deutlich Übergeordneter nämlich. Genau dies tat der Princeps aber nicht. Weiterhin weigerte er sich beharrlich, demintensiven Bitten der Senatoren nachzugeben, seinerseits eine eindeutige Rolle in diesem Szenario einzunehmen, umzueinem Ergebnis zugelangen. In diesem Moment kommt Protest auf. Zunächst aus rein praktischen Gründen, denn aufdembisherigen Wege ist zukeiner Entscheidung zugelangen; dann aber auch, weil Tiberius die Senatoren in ihrem Status erheblich verletzt. DerKaiser hätte die deutliche Geste des Senats annehmen müssen. Sie zudechiffrieren, musste er in der Lage sein, immerhin warer aufgrund seiner politischen Konditi9 Suet.Tib.24.1 f. 10 Das Motiv des Flehens undNiederkniens ist auch bei Tacitus ann.1.12.1 bezeugt: Inter quae senatu
adinfimas obtestationes procumbente...
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DIE IMAGO EINES KAISERS
onierung mit den Kommunikationsformen innerhalb des Senats undjenen zwischen Senatoren undPrinceps wohlvertraut. Doch stattdessen ließ er die sich ihm unterordnenden Senatoren an seiner Zögerlichkeit auflaufen. Wenn er sich nun immer noch weigerte, denPrincipat in Form der ihmangebotenen honores anzunehmen, konnte dies nureines heißen: Er vermittelte denBittenden denEindruck, sie hätten noch nicht genug getan undnoch nicht genug gebeten, umihn zuüberzeugen. Aber die Senatoren hatten das für sich Äußerste schon unternommen, indem sie sich bewusst in ihrem eigenen Status in unerhörtem Maßerniedrigt hatten. Es wäre an Tiberius gewesen, das Schauspiel des Senats mitzumachen und einen ebenso polarisierten Habitus einzunehmen, aber amanderen Ende der Skala. Den Bittenden hätte er als wahrer Herrscher entgegentreten müssen. Damit wäre freilich keine Dominatio hergestellt gewesen. Schließlich ging es denSenatoren nicht darum, fürdie Zukunft auf dieses Rollenverhalten festgelegt zusein. Denn zudem vorgeführten Rollenspiel gehörte, dass im Folgenden der Princeps ihnen für die ihm übertragenen honores hätte danken müssen. Er hätte den Senat demonstrativ wiederaufrichten, seinen Status wiederherstellen undseinen Mitgliedern mit Ehrenbezeugungen beweisen müssen, dass sie eben nicht in einer untergeordneten Position ihmgegenüber seien. Tiberius hätte die Fiktion der Gleichheit erneuern müssen. All dies tat derKaiser aber nicht. Undnurdeshalb konnte unter deneben noch Knienden, jenen vermeintlichen Sklavennaturen, so plötzlich heftiger Protest aufkommen. Schließlich hatten die Senatoren die Haltung der Selbsterniedrigung nicht verinnerlicht. Affirmatives Fordern hätte zur Beseitigung einer kommunikativen Aporie führen sollen. Der Senat wollte Tiberius in seinem Vorrang bestätigen, umaus dieser Ehrenbezeugung Forderungen nach einem eindeutigen Verhalten ableiten zu können. Dieses Verhalten war also lediglich der Versuch, eine Plattform der Kommunikation mit Tiberius zu finden; einer Kommunikation, die bis dahin ausnicht zuvereinbaren Zweideutigkeiten bestanden hatte. Daher wählte das Gremium bewusst einen unmissverständlichen Habitus, um von sich aus eine Grundlage derweiteren Verständigung anzubieten. Dabei waren sich die Senatoren aber stets ihrer eigenen Verstellung bewusst unddurften davon ausgehen, dass dies auch Tiberius deutlich war.11 Doch in diesem Fall scheiterte das Affirmative Fordern. Die kränkende Weigerung des auch weiterhin zaudernden Princeps ließ die nurdünne senatorische Fassade derUnterordnung aufbrechen, die ohnehin nur situativ bedingt war. Erst als die Maske sämtlicher Fiktion plötzlich fiel, Tumult ausbrach undWorte ausgesprochen wurden, die das Verhältnis von Herrscher und Senat und die Mechanismen ihrer Kommunikation offen widerspiegelten, reagierte derKaiser.
11 Dies ist ein gutes Beispiel für den Hintergrund jener ‚doppelbödigen Kommunikation‘, die WINTERLING 2003 beschreibt: Die Senatoren wussten umihre eigene Verstellung, auch Tiberius wusste dies; die Senatoren wiederum waren sich bewusst, dass Tiberius dies wusste, und so fort.
4. DAS KONZEPT DER IMAGO Ordnet mandie in verschiedenen Medien überlieferten Manifestationen vonHerrschaftsdarstellung in ihren Kommunikationszusammenhang ein, eröffnen sich uns neuartige Aspekte mancher dieser Medien. Umhinter unseren Quellen der Herrschaftsdarstellung denKommunikationsprozess sichtbar zumachen, verwende ich das Konzept der ‚Imago‘. Hiermit soll ein Herangehen an die Quellen ermöglicht werden, durch welches unsere Überlieferung als bruchstückhafte Manifestation einer Verhandlung erkennbar wird. Münzen, Literatur und Inschriften, bildliche Darstellungen, Monumente undRituale sind in diesem Sinne als Gesprächsbeiträge in einer von Bedürfnissen undReaktionen geprägten Verhandlung zu verstehen, nicht etwa als autoritativ gesetzte Aussagen, die sich in ein vonoben implementiertes System einpassen. DasBild desGuten Princeps, welches sich unsin denverschiedenen Medien der Herrschaftsdarstellung manifestiert, besteht aus einer Reihe Sinn tragender und Sinn vermittelnder Facetten. Doch nimmt die Herrschaftsdarstellung, wie gesehen, zum einen verschiedene gesellschaftliche Gruppen mit durchaus entgegengesetzten Bedürfnissen in den Blick und wird von diesen mitgestaltet; zum anderen verändert sich ihre Akzentsetzung mit der Zeit, da sie auf äußere Vorkommnisse und entstehende Bedürfnisse dieser Gruppen reagieren muss, beziehungsweise diese mitgestaltet. Aus diesem Grund reflektieren die in unseren Quellen durchscheinenden Manifestationen vonHerrschaftsdarstellung zahlreiche, zumeist einander ergänzende, doch oft sehr unterschiedliche undbisweilen sogar divergierende Facetten, die denHerrscher in unterschiedlichen Rollen erscheinen lassen. Das derart konstruierte Bild des Princeps soll im Folgenden ‚Imago‘ genannt werden. Diese kaiserliche Gesamt-Imago erfährt ihre Differenzierung nach spezifischen Einzel-Imagines. ImKapitel zumPanegyricus etwa werden wirsehen, dass derKaiser, wenn es umseine Rolle als erfolgreicher Heerführer geht, in ein und demselben Medium mithilfe der ‚Imago des Heros‘undder ‚Imago des Commilito‘auf ganz unterschiedliche Weise dargestellt wird.1 Denn einerseits wird Traian als unbezwingbar undeinem Halbgott ähnlich beschrieben, vor demdie Flüsse auseinander wichen und die Berge sich einebneten, wenn er über die Feinde komme. Andererseits wird von ihm das Bild eines Kameraden seiner Soldaten entworfen, eines Commilito, deran ihrer Seite marschiere, imselben Staub schlafe, seine Legionäre beim Namen kenne, der überhaupt alle Strapazen mit ihnen
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Siehe hierzu im Kapitel zumPanegyricus denAbschnitt 3 „ Traians militärische Imago“mit seinen Teilen 3.1 „ imperatorem contecti caedibus campi –Die Imago des Heros“und 3.2 „ . commilitonemque miscuis –Die Imago des Commilito“
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DIE IMAGO EINES KAISERS
teile. Diese unterschiedlichen Rollen des Kaisers sind nicht auf den Panegyricus oder auch nur die literarischen Medien der Herrschaftsdarstellung beschränkt. Ganz ähnlich verhält es sich mit der charakteristisch unterschiedlichen Darstellung Traians auf demsogenannten Großen Traianischen Fries undaus demReliefband der Traianssäule: hier der heransprengende Held, der seine Feinde ohne sichtbare Gegenwehr über den Haufen reitet; dort der Princeps, der sich mit seinemConsilium berät, über die Arbeiten seiner Legionäre wacht unddie eigentlichen Kämpfe lediglich beobachtet. Doch trotz aller Verschiedenheit und sogar Divergenz zwischen der Imago desHeros undderImago desCommilito sind beide doch geeignet, denselben Kaiser unddieselben Taten darzustellen, nämlich Traians Kriegsführung in Dakien. Denn jede Imago erfüllte jeweils für sich genommen eine politische Funktion; aber auch ihre spezifische Kombination mit anderen, vermeintlich konträren Imagines tat eben dies, wie dasentsprechende Kapitel zeigen wird. Füreine Analyse der kaiserlichen Rollen ist es daher nötig, sie im Kontext ihrer Zeit undim argumentativen Zusammenhang zu betrachten. Dies umfasst die Betrachtung einer Aussage sowohl gemeinsam mit anderen Aussagen derselben Zeit als auch ihre Entwicklung über verschiedene Jahre. Daneben muss ihr Bezug auf bestimmte vorrangige Zielgruppen untersucht werden, also deren Ansprache oder ihr Ursprung aus deren Bedürfnissen heraus. Angesichts des prozessualen Charakters derHerrschaftsdarstellung sind in dereinzelnen Imago undin deren Kombinationen nicht Ergebnisse, sondern Stadien der Verhandlung über das Bild des Princeps abgebildet. Daher ist eine kaiserliche Imago immer zugleich als Produkt
undals Gegenstand weiterer Verhandlungen zu verstehen. Sie gewährt gewissermaßen denBlick aufein Standbild imFilmderHerrschaftsdarstellung. Unsere Modellbildung muss also für das Konzept der Imago einerseits diachrone Verschiebungen beachten, andererseits, dass die in unseren Quellen überlieferten Aspekte derHerrschaftsdarstellung einen Kompromisscharakter besitzen, der durch das kommunikative Szenario an sich bedingt ist. Selbstverständlich ist zujeder Zeit die Begrenztheit derQuellenlage zuberücksichtigen, die eben keine ideale Gesamtschau, sondern nurdenBlick aufBruchstücke ermöglicht. Da das Konzept der Imago generell zur Beschreibung von Rollenverhalten geeignet ist, braucht dieses Modell nicht allein auf die Darstellung des Guten Princeps beschränkt werden. Mit ihm lassen sich ebenso gut auch Facetten des Bildes eines ‚Pessimus Princeps‘ beschreiben; ja, es ist nicht einmal nurauf die Darstellung vonHerrscherrollen reduziert. Möglich ist auch seine Anwendung auf verschiedene Arten eines senatorischen Rollenverhaltens oder auf die verschiedenartige Darstellung römischer Legionäre zum einen als an den Reichsgrenzen die Barbaren effektiv bekämpfende Truppen, zumanderen als disziplinierte Bürger, die sich durch nichts von Zivilisten unterscheiden, oder gar als entfesselte Soldateska, die ohne Zögern die Bürger des Staates ausraube undmorde.2 2
Als Beispiel für diese unterschiedlichen Imagines der Soldaten seien etwa die taciteischen Historien auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Darstellungen auf den Reliefs der Traianssäule und im Panegyricus genannt. –Bereits FLAIG 1992 hatte den Begriff ‚Imago‘
4. DAS KONZEPT DER IMAGO
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Die Imago ist nicht allein ein Konzept derForschung; dasVorhandensein dieses Modells war der Kaiserzeit selbst schon bewusst. Wir werden sehen, dass, obgleich die Zeitgenossen Traians hierfür keinen speziellen Ausdruck undkein begriffliches Instrumentarium besaßen, sie sich durchaus bewusst waren, dass und wie Herrschaftsdarstellung in der Kommunikation konstruiert wurde. Es wird deutlich werden, dass die Mechanismen dieser Kommunikation bewusst angewandt wurden, unddass manüber dieses Vorgehen auch reflektierte. Die Imago des Kaisers –unddie seiner Gegenüber –entstanden im Spannungsfeld vonAnforderungen undBedürfnissen beider Seiten, spiegelten all jene Erwartungshaltungen undReaktionen wider, die im Rahmen des Akzeptanzsystems zutage traten, undgaben Auskunft über den Stand der Kommunikation zwischen Kaiser, Senat, Plebs undHeer zu einem gegebenen Zeitpunkt. Selbst wenn niemandem jemals alle Manifestationen des Verhandlungsstands bekannt gewesen sein können, gab es doch eine Vorstellung davon, welche Facetten zu einem bestimmten Zeitpunkt im ausgehandelten Bild des Princeps enthalten waren, undwelche Rollen die aktuelle Herrschaftsdarstellung umfasste. Da diese Rollen stets in Konsensritualen verhandelt wurden, waren sie für alle Parteien dieser Kommunikation verbindlich undermöglichten so politische Orientierung. Der Fundus, aus dem die Themen der Herrschaftsdarstellung römischer Kaiser stammten, umfasste eine Reihe vonTaten undTugenden, deren Lob derPrinceps im kommunikativen Prozess seiner Herrschaftsdarstellung für sich beanspruchte oder die ihmzugeschrieben wurden unddiesomit seine Imago konstituierten. Nun gab es ein festes Inventar dieser Taten und Tugenden, die stets untrennbar mit demrömischen Herrscher verbunden waren unddie ihmvonBeginn seiner Herrschaft an–gewissermaßen als Prädisposition –zugestanden wurden, ohne dass er sie bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich konkretisiert hatte.3 So umfasste das Bild des Guten Princeps etwa die Facette, der Kaiser sei ein großzügiger, ein freigebigerHerrscher. Sollten aber Geldgeschenke undGetreidespenden sowie Spiele und Bauprojekte zurVerschönerung undinfrastrukturellen Aufwertung der Stadt ausbleiben, konnte eine solche Imago derFreigebigkeit ins Wanken geraten. Derherrscherliche Anspruch darauf, dass gewisse generelle Tugenden anihm gelobt würden, musste also durch Taten gerechtfertigt werden, welche aus diesen Tugenden zuresultieren schienen. Ähnlich wares umdie Prädisposition zumSiegen bestellt, wie wir im folgenden Kapitel am Beispiel der frühen traianischen Regierung sehen werden. Einem römischen Herrscher wurde von Beginn seiner Herrschaft anzugestanden, dass er die Fähigkeit besitze, Siege zuerringen. Wenn nun aber die Imago des Kaisers als eines grundsätzlich siegreichen Feldherrn schon nicht durch tatsächliche Kriegserfolge eingelöst wurde, wenn er etwa überhaupt keine Kriege führte oder sogar Niederlagen hinnehmen musste, so warwe-
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verwendet, doch bezeichnete er damit nicht –wie hier –Rollenverhalten in der Herrschaftsdarstellung sondern dasimaginäre Element in denDiskursen senatorischer Schriftsteller. Siehe zumKonzept des civilis princeps unddessen idealer Eigenschaften WALLACE-HADRILL 1982; vergleiche auch CHARLESWORTH 1937.
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nigstens eine rhetorische Strategie vonnöten, umdies plausibel zu erklären.4 Die grundsätzliche Zuschreibung genereller Taten undTugenden waralso immer auch eine Hypothek für den Herrscher, da manerwartete, dass er diese ihm zugestandene Prädisposition nachweislich einlösen werde. Andernfalls lief der Kaiser Gefahr, dass die für seine Herrschaftsdarstellung relevanten Gruppen denvonihnen grundsätzlich zugestandenen, doch nicht konkretisierten Facetten derkaiserlichen Imago die emphatische Zustimmung verweigerten und sich damit dem rituellen Konsens versagten. Dies konnte bis zum Akzeptanzverlust führen, wie etwa anhand derRegierung Nervas deutlich wurde, dersich in denAugen des Heeres als nicht würdig genug erwiesen hatte. Zahlreiche Münzbilder undReliefs der monumentalen Staatskunst mit ihren Darstellungen kaiserlicher Taten, personifizierter Tugenden und schlagwortartig verdichteter Ideologeme des Principats lassen das Inventar jener Bestandteile der Herrschaftsdarstellung erkennen. Gerade die serielle undnahezu lückenlose Überlieferung der römischen Reichsmünzen gewährleistet ein systematisches undumfassenderes Bild als die für jene Zeit nur vereinzelt überlieferten Schriftquellen mit ähnlich programmatischer Dichte. Der Grundbestand dieser Bildtypen und Konzepte wie überhaupt derKern derPraktiken, in denen sich die politische Ordnung des Principats manifestierte, blieben über mehrere Jahrhunderte sehr ähnlich. So wurde etwa das Konzept der Fides, das in der römischen Bildsprache durch einander gereichte Hände symbolisiert wurde undschlagwortartig politische Stabilität undKonsens beschrieb undbeschwor, vondenAnfängen des Principats bis in die Spätantike auf Münzen geprägt. Auch unterscheidet sich, umein weiteres Beispiel zu nennen, die Bildsprache der Liberalitas-Szene am Constantinsbogen nicht wesentlich von der entsprechenden Darstellung auf den Plutei Traiani; auch symbolischer Gehalt und kommunikative Funktion der dargestellten Rituale waren gleich. Der Befund, dass ein Kaiser des vierten Jahrhunderts als Mittel seiner Herrschaftsdarstellung noch die gleiche Praktik vollzog undsie in der gleichen Artdarstellen ließ, wieein Princeps deszweiten Jahrhunderts es getan hatte, bezeugt, dass sich wesentliche Facetten derkaiserlichen Imago unddieModi ihres Ausdrucks in derHerrschaftsdarstellung kaumverändert hatten. Doch nicht alle Herrscher ließen stets die gleichen Bilder prägen. Anhand der Prägeprogramme derReichsmünzen etwa können wir erkennen, dass es vonKaiser zu Kaiser durchaus Akzentverschiebungen innerhalb des grundsätzlich vorhandenen Typenrepertoires gab, unddass bisweilen neue Typen ersonnen wurden. EinBeispiel wurde schon erwähnt: dasAufkommen vonMotiven unter Nerva, die Belange der italischen Bevölkerung berührten. Auch persönliche Präferenzen der Kaiser kamen zumAusdruck, etwa wenn sich Nero als Lyraspieler aufMünzrückseiten abbilden ließ, oder wenn unter Domitian zahlreiche Minerva-Darstellungen emittiert wurden; Bilder einer Göttin, die Domitian als seine persönliche Schutzgottheit betrachtete. Undebenso wares eine bewusste Entscheidung, dass Nerva
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Im Kapitel zumPanegyricus werden wir sehen, auf welche Weise die Tatsache, dass Traian sich bislang nicht als siegreicher Feldherr erwiesen hatte, imRahmen der Herrschaftsdarstellung behandelt wurde.
4. DAS KONZEPT DER IMAGO
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und Traian, die sich von Domitian programmatisch abzusetzen suchten, kaum Minerva-Darstellungen prägen ließen. Doch nicht nur über Herrscherwechsel hinweg, auch im Verlauf einer Regierungszeit konnte der generell vorhandene Grundbestand von Bildern und Aussagen durchaus um bestimmte Inhalte und Darstellungsweisen ergänzt oder vermindert werden. So nahm etwa nach Siegen die Emission militärisch motivierter Bilder zu, undDarstellungen der Fides und Concordia wurden in Krisenzeiten häufiger geprägt, als dies in friedlichen Zeiten derFall war. Die Bestandteile der Herrschaftsdarstellung waren also in einem gewissen Rahmen flexibel. Sie mussten flexibel sein, umsich demWandel deräußeren Bedingungen anpassen zukönnen. So ließen neue Taten desKaisers neue inhaltliche Bestandteile in die imperiale Herrschaftsdarstellung einfließen unddie Imago des Herrschers modifizieren. Doch trotz aller möglichen diachronen Veränderungen waren diese Facetten synchron gesehen auf konsequente Vernetzung untereinander angewiesen: Es musste jederzeit klar sein, welche die aktuell maßgeblichen Elemente der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung waren, undwie sie miteinander zusammenhingen. Da das Verhalten unddie Imago eines Kaisers in seiner Interaktion mit dendrei Gruppen, die für seine Akzeptanz maßgeblich waren, immer wieder verhandelt wurden, konnte der Kaiser etwa auf Forderungen reagieren, welche ihmvoneiner dieser Gruppen entgegen gebracht wurden. Wirmüssen also kritisch hinterfragen, inwiefern letztlich allein seine Autorität darüber entschied, welche Facetten seiner Imago er seinerseits wieder jenen drei Gruppen darstellen wollte, sei es auf Münzen oder Inschriften, in Form monumentaler Architektur oder Zeremonien; auch wenn die Aussagen dieser Medien maßgebliche Stellungnahmen des Kaisers waren oder sich zumindest entlang klarer Richtlinien bewegten, die der Herrscher vorgegeben hatte. Doch der Kaiser sah sich in der Wahl seiner Stellungnahmen erheblichem Erwartungsdruck ausgesetzt.
Das Konzept der Imago unddie Feststellung, dass demHerrscher eine Prädisposition zubestimmten Taten undTugenden zugeschrieben wird –undzwar imposi, gewinnen an Schärfe, wenn wir betrachten, wie tiven wie im negativen Sinn – zwei kaiserliche Imagines miteinander kontrastiert werden, die des ‚Optimus Princeps‘Traian mitjener des ‚Pessimus Princeps‘Domitian. In diesem Fall wer-
dendie Imago des idealen Princeps unddie Imago desTyrannen einander gegenübergestellt, also nicht vorrangig die realen Personen Traian undDomitian, sondern zwei Prototypen vonHerrschaft. Diese Differenzierung wird dann zumwertvollen heuristischen Raster, wenn wir uns fragen, warum etwa der Panegyricus des Plinius identische Regierungsakte verschiedener Kaiser konträr bewertet. Als einziges Kriterium fürdie Beurteilung einer Tat, betont derSenator nämlich, habe der Charakter des Handelnden zu gelten. Denn dieser sei von denGöttern gegeben, unddurch ihn seien die Motive des Handelnden entweder absolut hehr oder absolut verdammungswürdig. Angesichts dieses Axioms verliert das Ergebnis desHandelns seine Relevanz. Besonders anschaulich wird dies in einer Passage des Panegyricus aus demJahre 100, die demUmgang Domitians, Nervas undTraians mit Pantomimen gewidmet
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ist.5 Domitian habe sie ausRomverbannt; dies habe er aber gegen denWillen des Volkes getan. Nerva habe diese schlechte Tat durch sein Zurückholen der Schauspieler rückgängig gemacht. Traian habe die Bühnenkünstler jüngst wieder ausgewiesen. Der Optimus Princeps sei dazu aber vomVolk gebeten worden, welches mittlerweile in seiner Moral durch den guten Einfluss Traians gestärkt sei undumsolche Maßnahmen bitte.6 Das Vorgehen Traians undDomitians ist also identisch; doch möge ein schlechter Princeps auch bisweilen Löbliches vollbringen, erläutert Plinius, könnten seine Taten dennoch keine guten Taten sein.7 Gute Handlungen einer Person, deren Imago durchweg ausnegativen Facetten besteht, scheinen dem Senator letztlich unmöglich. Schließlich entstünden solche Taten eigentlich aus schlechten Motiven.8 Wir wüssten gerne, umdies nurzu ergänzen, mit welchen rhetorischen Strategien im Jahre 103 wohl erklärt wurde, dass die Pantomimen erneut zugelassen wurden.9
Andieser Stelle magmanGrundsätzliches
vorbringen gegen
dasvorgestellte Mo-
dell der Herrschaftsdarstellung undder Stabilität politischer Ordnung im Principat als Folge eines beständigen Prozesses derKommunikation. Es ließe sich einwenden, wer die Macht habe, brauche doch keine Akzeptanz undsei auch nicht auf Formen der Kommunikation angewiesen, deren Ziel Akzeptanz undKonsens gewesen seien. Und wenn Quellen den Anschein vermittelten, sie reflektierten kommunikative Vorgänge, die einen Konsens zwischen zwei miteinander verhandelnden Partnern anstrebten undinnerhalb derer sogar Forderungen andenKaiser gestellt würden, so könne dieser Eindruck nurtäuschen. DerPanegyricus etwa sei lediglich Zeugnis der Schmeichelei eines einzelnen Senators. Denn da der römische Kaiser sich auf die Stärke seiner Legionen habe stützen können undsomit stets eine latente Bedrohung füralle anderen Gruppen innerhalb des Staates gewesen sei, hätte er gar nicht umAkzeptanz buhlen müssen, nicht umdie der Legionenundschon gar nicht umdie der Senatoren. Eine solche Ansicht würde allerdings eine fragwürdige Dichotomie zwischen Macht undAkzeptanz konstruieren, dasie dieAugen vorderTatsache verschlösse, dass ebenjenes vermeintlich absolute Konzept derMacht auch nurdasErgebnis vonAkzeptanz ist. Denn würde der Kaiser von seinen Truppen nicht akzeptiert, könnte er sich auch nicht auf die Drohkulisse ihrer militärischen Stärke verlassen.
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Plin.paneg.46. Bezeichnenderweise sind hier allein Nerva undTraian namentlich genannt. Es habe nämlich aliquis die Pantomimen vorher ausgewiesen. Bezeugt ist dies neben Domitian auch etwa für Tiberius undNero. Die konkret genannten Kaiser Nerva undTraian werden also nicht explizit einer historischen Person gegenübergestellt, sondern einer mitaliquis bezeichneten Imago. In dieser konnte der antike Leser je nach seinem historischen Wissen gleich mehrere Kaiser wiedererkennen, diesämtlich als Verkörperung desTyrannenparadigmas galten. Plin.paneg.56.1. MitHilfe dieser Konstruktion, derTrennung voncharakterlich bedingten Motiven undResultaten einer Handlung, kann etwa auch ein prinzipiell lobenswertes kaiserliches Verhalten als Verstellung bewertet werden. Nach Cassius Dio 68.10.2 gestattete Traian denPantomimen schon imJahre 103 wieder, in Romaufzutreten.
4. DAS KONZEPT DER IMAGO
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Meine Studie ist kein Versuch einer Biographie Traians. Sie untersucht amBeispiel derRegierung Traians dasPhänomen derkaiserzeitlichen Herrschaftsdarstellung undbetrachtet die Stabilität der politischen Ordnung im frühen römischen Principat als Folge eines ununterbrochenen Prozesses der Kommunikation. Da dies in der gebotenen Gründlichkeit nicht für die gesamte Regierung dieses Kaisers zu leisten ist, betrachte ich Aspekte der traianischen Herrschaftsdarstellung während zweier Phasen. Zunächst werden die Jahre von 98 bis 100 behandelt, jene Zeit einer irritierend langen Abwesenheit Traians ausRomvonBeginn seiner Herrschaft an, unddie Zeit nach seiner Rückkehr, die von einer Konsolidierung seines Principats, einer Reflexion jener Abwesenheit undder Herausbildung von fürTraian spezifischen Inhalten derHerrschaftsdarstellung war. Im ersten Kapitel „ VomRhein nach Rom. Der Regierungsantritt“wird deutlich werden, dass diese ersten Jahre von einem Bemühen des neuen Kaisers geprägt waren, sich an denGrenzen des Reiches als militärisch erfolgreicher Imperator zuerweisen. Während seiner Abwesenheit ausderHauptstadt riskierte Traian sogar die Verstimmung der Plebs Urbana undder Senatoren, da er sich während dieser Zeit der unmittelbaren undpersönlichen Kommunikation mit diesen beiden Gruppen, die für die Akzeptanz des römischen Kaisers wesentlich waren, entzog. Die Folgen der kaiserlichen Abwesenheit sollen vornehmlich aus derPerspektive zweier Senatoren geschildert werden, Tacitus undPlinius. Die Germania des Tacitus wird sich als die Stellungnahme eines stadtrömischen Politikers zur kaiserlichen Abwesenheit aus Rom herausstellen und als eine Begründung der Forderung, Traian möge in seine Hauptstadt zurückkehren. Daneben sollen die ersten Briefe aus demzehnten Buch des Plinius als Beispiele dienen, auf welche Weise sich die Kommunikation zwischen dem Herrscher und seinen Senatoren etablieren konnte, wennderKaiser nicht in Romwar. Das zweite Kapitel „ Der Panegyricus. Ein Medium des senatorischkaiserlichen Konsenses“ist ebenfalls den frühen Jahren des traianischen Principats gewidmet. Anhand dieser Rede aus dem Jahre 100 soll untersucht werden, wieunter anderem jene Zeit, die Traian zuBeginn seiner Regierung andenGrenzen des Reiches verbracht hatte, ihre Reflexion in einem politischen Raum fand, derexklusiv durch die Kommunikation der Senatoren mit ihrem Kaiser konstituiert wurde. Zu diesem Zweck soll eine grundlegende Analyse der kommunikativen Funktion des Panegyricus unternommen werden. Hierbei wird deutlich werden, dass die Rede das Zeugnis einer beständig ablaufenden Kommunikation ist, in der die Herrschaftsdarstellung des römischen Princeps zwischen diesem und dem Senat in einem Ineinandergreifen von Bedürfnissen und Forderungen hin zumKonsens ausgehandelt wurde. Während diese beiden ersten Kapitel den Blick auf den frühen traianischen Principat lenken und zur Beschreibung der Herrschaftsdarstellung Traians und ihres Wechselspiels von Forderung und Reaktion vorrangig einen senatorischen Blickwinkel wählen, werden die beiden letzten Kapitel zwei Aspekte der traianischen Herrschaftsdarstellung aus einer späteren Phase der Regierung dieses Princeps behandeln. UmdasJahr 112 hatte Traian bereits zwei Kriege anderDonau geführt undüber die Daker triumphiert. Nach diesen Erfolgen hatte er sich
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DIE IMAGO EINES KAISERS
bereits längere Zeit wieder in der Hauptstadt aufgehalten und ein gigantisches Bauprogramm realisiert. Die Planungen zu einem großen Feldzug gegen die Parther waren angelaufen, undwir können beobachten, dass die Inhalte der traianischen Herrschaftsdarstellung verglichen mit dem Beginn seines Principats und denJahren derDakerkriege neuakzentuiert worden waren. Im Jahr 112 wurde das Traiansforum in Rom der Öffentlichkeit übergeben. Hier war ein Raum geschaffen worden, derdie Taten undTugenden Traians in gewaltigen Monumenten verDas Traiansforum –Der steinerne Triumph“wird dieewigte. Das dritte Kapitel „ se Bauten in den programmatischen Kontext der anderen stadtrömischen Fora einordnen undihre Aussagen mit zeitgenössischen Medien der traianischen Herrschaftsdarstellung korrelieren. Die traianischen Restitutionsmünzen“behandelt eine SeDas vierte Kapitel „ rie derMünzprägung, deren Bedeutung sich derForschung bisher nicht erschloss, unddie hier zumersten Mal in den Rahmen der Herrschaftsdarstellung des OptimusPrinceps eingeordnet wird. Es wird deutlich werden, dass diese Emission die Ideologeme seines Principats in ungeheurer Dichte darstellte undeine Leistungsschau derTaten undTugenden Traians bot, die denKaiser mit dergesamten Vergangenheit derrömischen Erfolgsgeschichte konkurrieren ließ, umihn bei diesem Vergleich unübertreffbar erscheinen zulassen. Das fünfte Kapitel „ Die Konstruktion der Imago“wird diese Studie resümieren undmit Sueton und Cassius Dio zwei Autoren zu Wort kommen lassen, die sich nach dem Ableben Traians kritisch über die militärischen Unternehmungen des Kaisers äußerten, seine cupido triumphandi. Hierin werden Spuren einer alternativen Beurteilung der Taten und Tugenden Traians deutlich, die parallel zu der ansonsten beinahe rein positiven Tradition des Optimus Princeps existiert zu haben scheint.
Blicken wirnunzurück in dasJahr 98.
ZWEITER
TEIL
VOM RHEIN NACH ROM DER REGIERUNGSANTRITT
1. EINLEITUNG Der Princeps Nerva war lediglich eine Übergangslösung.1 Denn hier war nach der Ermordung Domitians im September 96 ein Senator auf denThron gehoben worden, derbei all seinen politischen Meriten, doch wesentliche Schwächen als Herrscherfigur hatte. So war Nerva kinderlos, undes schien angesichts seines Alters sicher, dass er wohl auch keine Dynastie mehr gründen werde. Noch schwerer wog, dass Nerva zu keinem Zeitpunkt seiner Laufbahn Legionen kommandiert hatte. Damit entsprach er in denAugen derTruppen nicht deren Bild eines Guten Princeps, undso stand es umseine Akzeptanz durch diesen wesentlichen Sektor des politischen Systems nicht zumBesten. Nerva war bemüht, sofort nach dem Antritt seiner Regierung die Akzeptanz der Legionäre zu gewinnen, undso beschworen seine Münzen in zahlreichen Typen mitBild und Umschrift die bislang ausgebliebene CONCORDIA EXERCITUUM.2 Doch diese Bemühungen sollten scheitern, und so war die definitive Entscheidung darüber, wer zukünftig allgemein akzeptiert und mit unbestrittener Autorität längerfristig herrschen werde, lediglich aufgeschoben. Solange jedenfalls noch nicht feststand, werderkommende Herrscher sein werde, konnte dieRegierung Nervas auch nicht als konsolidiert gelten. DerKaiser konnte sich schlichtweg nicht auf die ungeteilte Akzeptanz undLoyalität einer Senatorenschaft verlassen, die in ihren Reihen bereits nach demnächsten Princeps Ausschau hielt. In dieser Zeit suchten die Mitglieder des Senats die Gunst der potentiellen Nachfolger oder bemühten sich, diesen zumindest nicht negativ aufzufallen. Die aristokratische Konkurrenz war hierbei groß, denn allein der kommende Kaiser würde darüber entscheiden, wer unter seiner Herrschaft die begehrten honores erhalten werde, die Magistraturen, Statthalterschaften und anderen Statuszuweisungen. So versuchte jeder Senator, sich schon jetzt für dennächsten Kaiserwechsel gute Ausgangsbedingungen zu schaffen. Es war Nerva also gelungen, nach den Schwierigkeiten derdomitianischen Zeit wieder eine bessere Kommunikation zwischen Princeps undSenat zuetablieren, doch denconsensus universorum hatte
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Siehe zu den folgenden Ereignissen neben ALFÖLDY/HALFMANN 1973, SCHWARTE 1979 und STROBEL 1985 vor allem ECK2002a und2002b sowie GRAINGER 2003; vergleiche mit Vorbehalt auch BERRIMAN/TODD 2001. Die Abbildung zeigt einen Aureus ausdemJahre 96, BMCNr. 7, RICNr. 3. Vergleiche etwa 225, besonders 217f. 5; 2.9f.; 3.2 undpassim; siehe hierzu SHOTTER 1983, 217– BMCTaf.1.2– und223f. –Diese Emissionen wurden in allen sechs Emissionen Nervas geprägt. Sie bezeugendie prekäre Akzeptanz desPrinceps bei seinen Truppen während dergesamten Dauer seinerRegierungszeit.
1. EINLEITUNG
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er nicht herstellen können.3 Die Unzufriedenheit in Heer undPrätorianergarde und die nurschwache Akzeptanz Nervas im Senat waren derNährboden für die Krisen seiner Regierung. Erste Spannungen wurden deutlich, als womöglich noch im Jahre 96 eine Verschwörung gegen denKaiser aufgedeckt wurde.4 Schon zudieser Zeit bemühten sich zwei Faktionen innerhalb des Senats darum, dass Nerva ihren jeweiligen Kandidaten zu seinem Nachfolger designieren solle. Bei diesen Kandidaten handelte es sich umCornelius Nigrinus, einen unter Domitian reich ausgezeichneten Consular undaktuellen Statthalter Syriens, undumUlpius Traianus, einen Patrizier, derebenfalls für seine Loyalität gegenüber Domitian vondiesem denConsulat erhalten hatte.5 Die Faktion des Ulpiers sollte sich schon bald als die stärkere erweisen. Zu ihr gehörten nämlich jene Berater Nervas, die denKaiser dazu bewogen, die Neuvergabe der freiwerdenden Provinzen zugunsten Traians undseiner Parteigänger zuregeln. Traian selbst wurde die Statthalterschaft derGermania Superior übertragen. Obwohl Cornelius Nigrinus nun aus Syrien Druck auf Nerva und den Senat auszuüben begann, konnte er doch keine Entscheidung zuseinen Gunsten erzwingen.6 Mitte des Jahres 97 begab sich Traian in seine Provinz. Nunwaren es zwei Statthalter und ihre Anhänger, zwei Befehlshaber von Legionen, die, gestützt auf die Macht ihrer Fürsprecher undihrer Truppen, begannen, auf Nerva Einfluss zu nehmen, einen von ihnen zu seinem Nachfolger zu designieren. Es drohte ein Szenario ähnlich demdesVierkaiserjahres nach demSturz Neros. Schließlich war auch damals ein Kaiser, den die Truppen nicht akzeptierten, von Usurpationen überrollt worden. Undauch damals waren es die Legaten in Syrien undGermanien gewesen, die amEnde mit ihren Legionen den Konflikt unter sich ausgetragen hatten. Zwar sollte es im Jahre 97 nicht zu einem reichsweiten Krieg kommen, wie dies dreißig Jahre zuvor der Fall gewesen war, unddoch wurde die Ge-
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Zu diesen
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2003. Wann hatte Cornelius Nigrinus begonnen, militärisch fundierten Druck auf Nerva auszuüben? Die Antwort liegt in Plin.ep.9.13, wo die Bedrohung durch ihn reflektiert ist. Zur Datierung der in diesem Brief vonPlinius referierten Ereignisse sind imWesentlichen drei Hinweise geeignet. Zumeinen waren die unter Domitian Relegierten schon wieder nach Romzurückgekehrt (5: [Arria et Fannia] ab exilio redierant). Außerdem hatte Domitius Apollinaris seinen Suffectconsulat noch nicht angetreten (13: consul designatus), was erst zwischen Mai und August der Fall sein sollte. Dasdritte Argument ist, dass allein das Drängen desCornelius Nigrinus aus seiner syrischen Provinz erwähnt ist, nicht aber ein wie auch immer gearteter Gegendruck vonderSeite Traians. Jeweils für sich genommen, scheint keines dieser Argumente die Ereignisse definitiv in daszweite oder dritte Viertel des Jahres 97 zudatieren, erst ihre Kombination tutdies. GRAINGER
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450; kommunikativen Schwierigkeiten unter Domitian siehe FLAIG 1992, 417–
1997 und 1992;
SOUTHERN 1997. Siehe hierzu HENNING 1999 und GRAINGER 2003. Wie diese Faktionen sich zusammensetzten, und welche Senatoren die beiden Kandidaten unterstützten, lässt sich für Cornelius Nigrinus teilweise womöglich aus jenen Rednern des Plinius-Briefs 9.13 rekonstruieren, die zugunsten des Publicius Certus sprachen. Die Namen wichtiger Parteigänger Traians tauchen in denConsularfasten besonders derJahre 98 bis 100 auf; siehe hierzu vor allem die Rekonstruktion von ECK2002a und 2002b und vergleiche
JONES
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VOM RHEIN NACHROM
wait nach Romgetragen, als die Prätorianer unter Führung ihres Präfekten Casperius Aelianus sich gegen Nerva erhoben. Sie zwangen ihn, die Mörder Domitians hinzurichten, also jene Männer, die Nerva erst den Weg zur Herrschaft bereitet hatten, undihnen für diese Tat zudanken.7 Am27. Oktober desJahres 97 stieg ein derart geschwächter Nerva aufs Capitol undlegte im Tempel des Iuppiter Optimus Maximus einen Lorbeerzweig nieder. Hiermit machte er eine jüngst eingetroffene Siegesmeldung publik, die den
militärischen Erfolg des pannonischen Statthalters Pompeius Longinus gegen die Sueben verkündete.8 Für diesen Sieg nahm Nerva den Siegerbeinamen Germanicus an undmachte ihn zumBestandteil seiner Titulatur. Gleichzeitig erklärte der Kaiser, dass er hiermit Ulpius Traianus adoptiere. Demsomit designierten Nachfolger wurde konsequent neben den üblichen Vollmachten und Titeln sogleich auch der Siegerbeiname Germanicus übertragen. Durch seine Adoption warTraian zumTeilhaber der Herrschaft geworden. Sofort brach jeder Widerstand gegen Nerva zusammen. Das weitere Schicksal des Cornelius Nigrinus unddes Casperius Aelianus ist zuschnell erzählt. Der Prätorianerpräfekt wurde, wie Cassius Dio berichtet, „ sammen mit denPrätorianern, die gegen Nerva gemeutert hatten“an den Rhein zitiert undvonTraian, dersich dort im Schutz seiner Legionen befand, hingerichtet.9 Die Pietas gegenüber demAdoptivvater unddie Notwendigkeit, sich vonBe-
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Da verlässliche Daten fehlen, ist es nicht möglich, den Prätorianeraufstand absolut zu datieren. Hinweise zurrelativen Chronologie desJahres 97 erlauben jedoch, imAufstand derGarde eine Reaktion auf den wachsenden Einfluss Traians und seiner Unterstützer zu sehen, vermutlich danach demAntritt derProvinzkommandos dasNetzwerk der für Traian eintretenden Faktion immer deutlicher wurde. Daswesentliche Argument hierfür ist Plin.paneg.8.5: . Dieses Zitat beschreibt die unmittelbare Reaktion auf die statim consedit omnis tumultus“ „ Adoption Traians im Oktober 97. Dies zeigt, dass vor der Adoption Traians –undPlinius suggeriert mitstatim, bis unmittelbar davor –tumultus geherrscht habe. AusdemKontext ist deutlich, dass Plinius hiermit denAufstand derGarde bezeichnet. SCHWARTE 1979 legte plausibel dar, dass der Prätorianeraufstand unter Führung des Präfekten Casperius Aelianus mit demDrängen des Cornelius Nigrinus zusammenhing. SCHWARTE berief sich dabei auf Epit.de Caes.12.8, wo berichtet wird, der syrische Statthalter habe den Präfekten bestochen, sich gegen Nerva zu erheben. Womöglich war tatsächlich Geld geflossen, doch es hieße, den Ehrenkodex der Garde unddie Mechanismen ihrer Loyalität zu verkennen, wenn manBestechung, undsomit die Geldgier derPrätorianer, als daszentrale Motiv desAufstandes annähme. Wenn die Prätorianer nicht Nerva, sondern Cornelius Nigrinus unterstützten, dann geschah dies, weil der syrische Statthalter derwegen seiner militärischen Leistungen bei weitem am höchsten dekorierte Senator seiner Zeit warundin denAugen der Garde viel eher demBild eines Guten Princeps entsprach als Nerva. Undwenn Cornelius Nigrinus derGarde ein Donativ hatte auszahlen lassen, wasdie Epitome de Caesaribus als ‚Bestechung‘bezeichnet, hatte er hiermit eine symbolische Handlung vollzogen, die allein demKaiser vorbehalten war. Dies allerdings musste als deutliches Zeichen eines Versuchs derUsurpation gewertet werden. Plin.paneg. 8.1ff.; Cassius Dio68.3.4.1; Epit.de Caes.12.9. Cassius Dio 68.5.4: Traian habe nach Casperius Aelianus und(einem Teil) der Prätorianergarde schicken lassen unter dem Vorwand, sie mit irgendetwas zu beschäftigen. Es war selbstverständlich, dass der neue Teilhaber an der Herrschaft von Gardeeinheiten begleitet werden musste. Daher wares nachvollziehbar, wenn dieser Verband –ein anderer Teil blieb
1. EINLEITUNG
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ginn seiner neuen Stellung an als stark zu erweisen, zwangen Traian, den Druck und die Gewalt, die von der Garde gegenüber Nerva ausgeübt worden war, zu
ahnden. Mit Sex. Attius Suburanus Aemilianus, bis dahin Procurator der Provincia Belgica, warderNachfolger des Casperius Aelianus schon gefunden.10 Anders als derritterständische Prätorianerpräfekt behielt Cornelius Nigrinus sein Leben.11 Politisch war er allerdings kaltgestellt, womöglich zog er sich in seine spanische Heimat zurück; alle offizielle Erinnerung an ihn wurde unterdrückt.12 Die Partei
des Ulpiers undihr Exponent Traian hatten die Oberhand über dessen Konkurrenten sowie seine Unterstützer undletztlich auch über denKaiser behalten. Während der Wirren des Jahres 97 war Traian in seiner Provinz geblieben. Schließlich waren seine drei Legionen unddie zahlreichen Auxiliarverbände der Provinz Obergermanien genau jener Machtfaktor, mit demder Statthalter aus der Ferne Einfluss aufNerva genommen undeine Nachfolgeregelung zuseinen Gunsten durchgesetzt hatte. Seine Statthalterschaft hatte Traian allerdings schon nach der Adoption seinem Amicus L. Iulius Ursus Servianus übertragen, undso schien es nun eigentlich keinen Grund mehr zu geben, der einer sofortigen Rückkehr Traians nach Rom im Wege stehe. Doch der neue Mitregent verbrachte Herbst undWinter von 97 auf 98 in dengermanischen Provinzen. Als Nerva am28. Januar desJahres 98 starb, warTraian derAlleinherrscher des Reiches, aber es sollte noch weitere zwanzig Monate dauern, bis der neue Kaiser endlich im Oktober 99 nach Romkam.
in Rom–nach Germanien an die Seite Traians beordert wurde. Casperius Aelianus magsich in Sicherheit geglaubt haben –immerhin warer bis dahin seines Amtes nicht enthoben worden –oder nicht: Widerstand gegen die Weisung des Kaisers und seines Nachfolgers war
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zwecklos. Attius Suburanus sollte denneuen Kaiser auch bei seiner anstehenden Inspektionsreise begleiten; SYME 1980, 64f. –Plin.paneg.86 berichtet von seiner engen Vertrautheit mit Traian. Ihmhabe Traian sein Schwert gereicht mitdenWorten: „Nimmdieses Schwert undverwende es für mich, wenn ich gut regiere; andernfalls gegen mich.“Plin.paneg.67.8, Cassius Dio 68.16.1 undAur.Vict. deCaes.13.9 bezeugen übereinstimmend die Begebenheit derSchwertreiche. Dies allein ist noch kein Beweis für ihre Wahrhaftigkeit. Doch aufgrund des frühen Belegs dieser Szene bereits imJahre 100 imPanegyricus, darf diese Anekdote wohl Historizitätbeanspruchen. Sie reflektierte Traians Absicht, in einer solchen Weise gutzuregieren, dass er die Akzeptanz der Garde genießen werde. Insofern grenzte sich Traian mit dieser Geste auch vonNerva ab, der eben dies nicht vermocht hatte. Daneben signalisierte Traians Tat sein Vertrauen in den Präfekten undsomit auch die Garde an sich. Dieses an undfür sich selbstverständliche Vertrauen wargebrochen worden, als sich die Garde gegen Nerva erhoben hatte, undals Traian darauf hatte reagieren müssen, indem er Casperius Aelianus hinrichtete unddie diesen begleitenden Verbände wahrscheinlich dezimierte, wenn nicht gar sämtlich hinrichtete. Der Vertrauensbeweis stellte daszwischen Kaiser undGarde notwendige Nahverhältnis demonstrativ wieder her. Für ihn galt der Eid des neuen Kaisers, dieser werde keinen Senatoren ohne Verfahren vor dem Senat hinrichten lassen. Siehe hierzu in diesem Kapitel den Abschnitt 3 „Antizipation . undFehleinschätzung –Die ersten Münzemissionen“ ALFÖLDY/HALFMANN
1973, SCHWARTE 1979, STROBEL 1985.
VOM RHEIN NACHROM
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DIE KAISERLICHE ABWESENHEIT Stellt mandie Frage, was der neue Kaiser während dieser langen Zeit tat, so liest sich die Kurzfassung der Ereignisse, die in der Forschung unstrittig ist, sehr ein-
fach: Traian verbrachte diese Monate mit der Vorbereitung eines Krieges gegen das Dakerreich des Decebalus.13 Zu diesem Zweck war zunächst der defensive
und infrastrukturelle Ausbau der germanischen Grenze vonnöten. Doch bald schon zog Traian weiter nach Pannonien undMoesien, um am geplanten Frontverlauf dieRüstungen vorOrtpersönlich zuüberwachen. Erst imHerbst 99 kehrte Traian nach Rom zurück. Durch seine monatelange Abwesenheit aus der Hauptstadt warderKaiser seinen Senatoren undderPlebs Urbana lange Zeit entzogen. Eine direkte Kommunikation war während dieser Monate unmöglich, denn den Senatoren war nicht etwa erlaubt, wann immer sie wollten, sich zum Kaiser zu begeben. Tatsächlich war das senatorische Reisen im Reich, undsogar in Italien selbst, streng reglementiert undan die ausdrückliche Genehmigung des Princeps gebunden.14 Die Kommunikation zwischen Senat und Princeps wurde in dieser Zeit also nur mittelbar aufrechterhalten. Offizielle Delegationen des gesamten Gremiums reisten vonRomauszumHerrscher, undauch die einzelnen Senatoren versuchten, mitBriefen undBoten denKontakt zumKaiser zuhalten.15 Besonders fürjene, die in den Wirren um die Thronfolge Nervas Cornelius Nigrinus unterstützt hatten, wares wichtig, denKontakt zumneuen Herrscher herzustellen. Gerade sie mussten Traian, demsie sich vorkurzer Zeit noch offen widersetzt hatten, ihrer Akzeptanz versichern.
Eines der gravierenden Probleme, die für die in Rom gebliebenen Senatoren aus dermonatelangen kaiserlichen Abwesenheit resultierten, war, dass dasSystem der Maklerpatronage beeinträchtigt wurde. Dieser Begriff bezeichnet jenen gesellschaftlichen Mechanismus, dass vom Princeps über Vermittler an Dritte soziales 13
Siehe konzise zur Ereignisgeschichte dieser Monate STROBEL 1984, BENNETT 1997 und SPEIDEL 2002.
14 Seit dem Principat des Claudius scheinen senatorische Urlaubsgesuche allein vom Kaiser genehmigt worden zusein; der Senat bestätigte sie nurnoch imNachhinein. Außerdem hatte Claudius verboten, dass Senatoren ohne kaiserlichen Dispens weiter als sieben Meilen aus Rom heraus reisten; Cassius Dio 60.25.6f.; 29.7a. Laut Tac.ann.12.23.1 hatte Claudius, nach demVorbild Siziliens, Senatoren aus der Gallia Narbonensis erlaubt, auch ohne diese ausdrückliche Genehmigung in die Heimat zu reisen, umdort nach ihren Gütern zu sehen. Der Grund für diese Reise war also wichtig, da er unmittelbar mit der senatorischen Vermögensgrundlage zu tun hatte. Außerdem waren mit Sizilien undder Gallia Narbonensis zwei Provinzen betroffen, die vonRomausrelativ schnell erreicht werden konnten. Doch wahrscheinlich galt auch diese Sonderregelung nurfür die Zeit der senatorischen Sitzungsferien. –Siehe hierzu auch denAbschnitt 13 „ Plinius ersucht umUrlaub –ad munificentiam cohortatus“ . 15 ImFalle Traians mussten sie sich erst einmal darum bemühen, überhaupt einen Kontakt zum neuen Princeps herzustellen. Denn Traian warnicht mehrnureiner derConsulare. Mitseiner Adoption hatte er eine neue Rolle eingenommen, in welcher es ihndemonstrativ zuakzeptierengalt.
1. EINLEITUNG
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Kapital weitergereicht wurde.16 Denn der Princeps war der Verwalter von erheblichen Mengen gesellschaftlicher Ressourcen, die den Ehrenstatus des derart Begünstigten erhöhten. Dies waren etwa die Ämter in Romundden Provinzen, verschiedene Auszeichnungen, die jeweils letzte Entscheidung über die Gewährung
von Bitten, Geldgeschenke undvieles andere mehr. Da derPrinceps die Distribution dieser Ressourcen allerdings nicht alleine leisten konnte, benötigte er seine
hierarchisch gestaffelte Reichselite als Verteiler. Wer also um einen Gefallen ersuchte, dessen Gewährung dem Princeps zukam, und der nicht über direkten Kontakt zum Kaiser verfügte, musste sich an einen höherrangigen Amicus wenden. Dieser hatte nun abzuwägen, ob er bereit war, sich für den Petenten einzusetzen. Leitete er den Wunsch, undzwar unter Einsatz seines eigenen sozialen Gewichts, an den Kaiser weiter, hatte dieser nun seinerseits zu entscheiden, ob er demAnliegen dieses Fürsprechers des ursprünglichen Petenten entsprechen wolle. Zwar konnten die Patrone mit wachsender Kaisernähe zunehmend bedeutendere Ressourcen vermitteln, sie wurden aber auch von immer mehr Petenten und vermittelnden Fürsprechern bemüht. Daher wardie Gewährung oder Ablehnung einer Bitte niemals nurein Indikator für den Einfluss undden sozialen Status desjenigen, dem sie letztlich zukommen sollte. Tatsächlich betraf der Erfolg oder Misserfolg ebenso sehr die, welche sich für ihn eingesetzt hatten. DerRuf, ein wirksamer Fürsprecher zusein, bedeutete, Kontakte zudenmaßgeblichen Leuten imUmkreis desKaisers herstellen zukönnen. Die Konkurrenz unter den senatorischen Fürsprechern warschon groß genug, wenn der Kaiser sich in Rom aufhielt. Doch während seiner Abwesenheit verschärfte sich die Situation noch einmal erheblich. Denn nunhatten noch weniger Mitglieder des Gremiums die Gelegenheit, persönlich mit demHerrscher zusammenzukommen undsich regelmäßig vor ihm zu profilieren. Mit dieser schwindenden Kaisernähe sank auch die Effizienz zahlreicher senatorischer Patrone, woraus wiederum eine Veränderung ihrer Position in der Binnenhierarchie ihres Standes resultierte. Denn wer in Zeiten kaiserlicher Anwesenheit in Rombisweilen Gelegenheit hatte, mit dem Princeps persönlich zu sprechen, sah sich nun gezwungen, die Nähe entweder zujenen Amici des Princeps zu suchen, welche diesen begleiteten oder zujenen, die in Romals Sachwalter seiner Interessen handelten.17 Gerade diejenigen, welche denKaiser auf seiner Reise begleiteten, konnten
79 16 Zu diesem Mechanismus der Ressourcenverteilung siehe vor allem BARGHOP 1994, 65– 107; vergleiche außerdem SALLER 1982 und 1989. –Wenn und FLAIG 1992, besonders 104– dasSystem derMaklerpatronage hier vornehmlich amBeispiel derSenatoren unddesKaisers erläutert wird, so heißt dies nicht, dass nicht auch Ritterständische oder Bürger, die nicht zur Reichselite gehörten, Nutznießer dieses gesellschaftlichen Mechanismus waren. Ein Beispiel hierfür wird im Abschnitt 11 „Plinius tritt als Patron auf –indulgentiam tuamplenissimam
17
experior“dargestellt werden. Diese mussten nicht notwendig identisch sein mitjenen Vertrauten desKaisers, anwelche die Mehrzahl der Senatoren sich ohnehin stets zu wenden hatte, selbst wenn der Herrscher in Romwar. Denn die Vertrauten des Kaisers waren bei seiner Abwesenheit aufgeteilt injene, die das ihnbegleitende Consilium Principis stellten, undjenen, die als Sachwalter seiner Geschäfte undVertreter seiner Interessen in Romverblieben. Ebenjener kaiserliche Amicus, an densich ein Senator in Romgewöhnlich zuwenden pflegte, mochte gerade fernab anderSei-
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großen Einfluss besitzen. Denn in ihren Händen lag die Möglichkeit, täglich auf die Entscheidungen des Kaisers Einfluss zunehmen; unddies nicht allein in FragenderReichspolitik, sondern auch in Personalfragen. Die Konkurrenz innerhalb derSenatorenschaft umdie Gunst dieser einzelnen Mitglieder ihres Standes wurde enorm befördert.18 Doch nicht nurdas System der Maklerpatronage warwährend der Abwesenheit eines Princeps aus Rom erschwert. Ein anderes Problem war, dass das Verhalten des Kaisers undauch seine Ansichten über Sachfragen undPersonen einer Beobachtung weitgehend entzogen waren. Wer in die Pläne des Herrschers eingeweiht war, besaß großes soziales Kapital. Denn dies befähigte ihn, sich gemäß demkaiserlichen Willen zuverhalten, also etwa im Senat die richtigen Anträge im Sinne und zugunsten des Herrschers zu stellen. Selbst wenn sich der Kaiser in Romaufhielt, wares für viele Senatoren, die nicht zuminneren Kreis der Amici Principis gehörten, schon schwer genug, mit demHerrscher regelmäßig undpersönlich zukommunizieren undüber seine Ansichten informiert zu sein. Für diese Mehrheit des Senats war es während der kaiserlichen Abwesenheit nicht leicht, sich konform zu dessen Willen zu verhalten. Räumliche Distanz ließ es schlichtwegnicht zu,daskaiserliche Verhalten zubeobachten undinterpretieren.19 Vor allem aber bedeutete die kaiserliche Abwesenheit, dass sich der Senat in seinem Ehrenstatus herabgesetzt sah undsich in seiner Relevanz als eine für das Akzeptanzsystem relevante Gruppe nicht bestätigt fühlte. Immerhin weigerte sich der Kaiser, in Rom an den Senatssitzungen teilzunehmen, Einladungen nachzukommen oder seinerseits Einladungen auszusprechen; kurzum, persönlich injenen politischen Räumen aufzutreten, in denen die Senatoren ihre Wünsche undErwartungen artikulieren konnten. Für die Zuweisung von Status an den Senat war es wichtig, dass der Kaiser regelmäßigen Umgang mit dem gesamten Gremium pflegte, doch während seiner Abwesenheit kommunizierte er nurnoch mit ausgewählten Vertretern dieses Gremiums. Der Kaiser demonstrierte also soziale Disundgegenüber derPlebs Urbana. Umso gravierender tanz gegenüber demSenat – wares, wenn derneue Herrscher in eben dieser Rolle überhaupt noch nie mit diesen beiden Gruppen kommuniziert hatte.20 Doch genau dies war im Frühjahr 98
der Fall. te des Princeps
weilen undebenso wenig leicht erreichbar sein wiejener. Dennormalen Anliegen undAnfragen despolitischen Tagesgeschäfts warer somit jedenfalls entzogen. 18 FLAIG 1992, 179. –Wenn es sich bei diesen Sachwaltern umFreigelassene handelte, kam für die Senatoren noch die Erniedrigung hinzu, bei Personen, die sozial prinzipiell niedriger standen als sie selbst, bittend vorstellig werden zumüssen. 7 berichtet, 19 Dies konnte bis zur Paralyse der Entscheidungen führen. Cassius Dio 59.24.2– während derAbwesenheit Caligulas imJahre 40 sei dervomKaiser neben sich ernannte Consul Ordinarius gestorben. Hierauf hätte weder der Senat sich getraut, eigenmächtig einen Nachfolger zu ernennen, noch hätten die Praetoren als die nach den Consuln höchsten Magistrate gewagt, anstelle des abwesenden Kaisers Amtshandlungen vorzunehmen. Also habe sich derSenat zwar weiterhin getroffen, jedoch keine Entscheidungen mehr fällen können. 20 AuchFLAIG 1992 ist sich derProbleme bewusst, dieauseiner langen Absenz desKaisers aus Romgerade für die symbolischen Ausdrucksformen derHerrschaft resultierten (406f.): „ Das Imperium ein Jahr aus von Alexandria zu regieren, d.h. von der Peripherie aus zu regieren,
1. EINLEITUNG
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Noch ein Wort zudenSachwaltern derkaiserlichen Interessen, die bereits mehrfach kurz erwähnt wurden. Es versteht sich, dass angesichts der langen Kommunikationswege undder somit nur langsamen Übermittlung von Informationen im römischen Reich der Kaiser aus den Grenzstätten oder den Feldlagern nicht unmittelbar die Politik in der Hauptstadt dirigieren konnte. Eine Einflussnahme auf Senat undPlebs Urbana undeine Reaktion auf deren Forderungen konnte nursehr schwerfällig und verzögert erfolgen. So konnte etwa der Kaiser aus der Ferne nicht direkt auf seine Kassen oder seine Archive zugreifen. Es waren also Stellvertreter vonnöten –wenn diese auch nicht offiziell als solche ausgewiesen gewe, die anstatt des Herrschers die laufenden Regierungsgeschäfte sen sein mögen – von Rom aus führten und auf die Herrschaftsdarstellung wesentlichen Einfluss nehmen konnten. Wer diese Sachwalter der kaiserlichen Interessen während der Reisen Traians waren, lässt sich nicht sicher bestimmen; und wenn, dann lässt sich nicht etwa ein ganzes Kollegium oder Gremium rekonstruieren, sondern wir erfahren nurvon einzelnen Personen. Wir wissen also nicht, wie viele Stellvertreter wir annehmen müssen, und wie sie untereinander organisiert waren. Ebenso wenig lässt sich mit Sicherheit beantworten, wie häufig und in welchen Fragen diese Sachwalter von der Hauptstadt aus mit dem Kaiser korrespondierten; das heißt also auch, wie sehr tatsächlich der Wille des abwesenden Traians die konkreten Züge despolitischen Handelns vorgab. Nun war es im römischen Principat selbstverständlich, dass sich der Kaiser mit Beratern umgab, seinem Consilium Principis.21 Undobwohl wir nicht wissen, wie groß der Einfluss des Consiliums insgesamt undseiner einzelnen Mitglieder auf den Kaiser war, ist doch davon auszugehen, dass die Beratungen über Sachfragen und Erörterungen von Problemen nicht geringen Einfluss auf jene Entscheidungen hatten, die wir unddie Quellen gemeinhin dem Kaiser zuschreiben und für die er selbst auch verantwortlich zeichnete, etwa in Edikten oder Inschriften. Hierbei ist zubedenken, dass demkaiserlichen Consilium Männer mit erheblicher politischer Erfahrung angehörten, welche durchaus größer sein konnte als hieß ein Signal setzen: Zwar besaß das Reich ein eindeutiges politisches Zentrum, doch die administrative Spitze erwies sich als verschiebbar –freilich nur kurzfristig, weil die politischen Funktionen unddie symbolischen Pflichten die dauerhafte Abwesenheit des Princeps von RomnurimNotfalle zuließen.“Es habe sich hierbei also nurumkurzfristiges Fernbleiben, eben umNotfälle gehandelt, konstatiert FLAIG undgeht imRahmen seiner Untersuchung desvespasianischen Principats diesem Thema nicht weiter nach. Es kamimPrincipat aber immer wieder zusolchen Szenarien auch mehrjähriger Abwesenheit eines Kaisers ausRom. ImFalle Traians oder Hadrians kann mannicht mehrvoneinem Notfall sprechen. Vielmehr handelte es sich umeinen Regelfall, da die Jahre der kaiserlichen Reisen nicht weniger waren als jene der kaiserlichen Anwesenheit in Rom. Mithin war die Absenz des Herrschers aus seiner Hauptstadt in dieser Zeit eine gleichberechtigte Erscheinungsform desrömischen Principats. Doch auchjene Kaiser, diezwei dermaßgeblichen Sektoren im Staate, nämlich Senat undPlebs Urbana, auf diese Weise monatelang durch eine Verweigerung der unmittelbaren Kommunikation vernachlässigten, verloren ihre Herrschaft
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deswegen noch lange nicht. Siehe hierzu etwa CROOK 1955; MILLAR 1977, 110–122; HALFMANN 1986; WINTERLING
1999.
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jene desKaisers selbst; diese Männer konnten durchaus schon vorherige Principes beraten haben undwären aufgrund ihrer auctoritas womöglich selbst capax imperii gewesen. Es lässt sich also mit einiger Berechtigung vermuten, dass, wenn der Herrscher sich nicht in Romaufhielt, es in ruhigen Zeiten, in welcher die kaiserliche Zentrale nicht auf Krisen reagieren musste, durchaus möglich war, dass politisch derart erfahrene Sachwalter die laufenden Regierungsgeschäfte reibungslos erledigten; selbst wenn die Rückversicherung mit demabwesenden Kaiser nicht täglich, sondern nurin größeren zeitlichen Abständen erfolgte. Kommen wir, nachdem wir über die generelle Möglichkeit einer solchen Sachwalterschaft gesprochen haben, zu konkreten Personen, die in denersten Regierungsmonaten Traians diese Aufgabe übernommen haben könnten. Wirwissen, dass im Jahre 100, als Traian endlich nach Rom zurückgekehrt war, zwei hochrangige Senatoren ihren jeweils dritten Consulat erhielten; und dies gemeinsam mit demPrinceps, der zu diesem Zeitpunkt selbst erst seinen dritten Consulat bekleidete. Die Ehre dieser Verleihung war also außergewöhnlich. Es handelt sich um Sex.Iulius Frontinus undL.Iulius Ursus. Gewöhnlich wird diese Tatsache mit einer Aussage desPanegyricus illustriert, derberichtet, dass Traian zwei Männern den dritten Consulat verliehen habe, die ihm bene ac fortiter gedient hätten, und zwar in toga, nicht als bellorum socii oder periculorum consortes. Aus diesen zivilen Verdiensten der beiden Senatoren wird die herausragende Ehrung dieser Utriusque cura utriusque vigilantia obbesonderen dritten Consulate abgeleitet: „ 22Wohl zu Recht wird als Grund dieser Ehrung die Rolle des strictus es, Caesar.“ Iulius Frontinus und des Iulius Ursus bei der Regelung der Nachfolge Nervas zugunsten Traians gesehen. So betont etwa W. ECK: „ Der Grund...kann nur in einem außergewöhnlichen Verdienst umTraian bestanden haben, nämlich in ihrer Mithilfe bei derAdoption Traians. Dass dies undnichts anderes derGrund für die Auszeichnung war, bestätigen die Konsularfasten...“23 Doch womöglich hatten diese beiden auch noch nach Adoption und Herrschaftsantritt Traians für den neuen Princeps Wesentliches geleistet, eben als Sachwalter seiner Interessen in Rom während der Zeit seiner Abwesenheit. Denn dass jene Männer, deren Einsatz in den Jahren 96 und97 Traian seine Herrschaft in wesentlichem Maße verdankte unddie dafür im Jahre 100 außerordentlich geehrt wurden, während der Jahre 98 und99 keine substantielle Rolle in der Politik gespielt haben sollen, ist unwahrscheinlich. Da wir wissen, dass sie nicht als Comites ander Seite Traians reisten, kann ein solches Engagement nurin Romstattgefunden haben. Unddies deckt sich wiederum mit derAussage desPanegyricus, dass sie Verdienste in toga erworben hätten. Die Vermutung, dass sie schon seit denersten Monaten des traianischen Principats zu denwesentlichen Sachwaltern Traians gehörten, wird davon gestützt, dass beide ihren jeweils zweiten Consulat Anfang 98 bekleidet hatten, Iulius Frontinus von Januar bis Februar und Iulius Ursus ab März dieses Jahres. Sie waren also die ersten Consuln des Principats Traians gewesen, undauch schon zudiesem Zeitpunkt warderKaiser ihrjeweili22 Plin.paneg. 60.5f. 23 ECK2002a, 16.
1. EINLEITUNG
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ger Kollege gewesen. So waren sie also auch damals schon unter ihren Standesgenossen deutlich herausgehoben worden. Mit ihren Consulaten dasJahr beginnen zu lassen, könnte ein wesentlicher Hinweis auf ihre Stellvertreterschaft gewesen sein. Ihre einflussreiche Position dürfte dieConsulate allerdings überdauert haben.
2. DER ERSTE KONTAKT UTPRIMUS NUNTIARET EXCESSUM NERVAE1
Nerva starb am 28. Januar 98.2 Sofort wurde die Nachricht von Rom aus mit Kurierreitern verbreitet, die in alle Teile des Reiches jagten, umdie Legaten unddie Heere zu informieren.3 Jener Kurier aber, beziehungsweise jene Kette von Kurieren, diebeauftragt worden war, andenRhein zureiten, umdemThronfolger Traian denTodNervas zumelden, wurde abgefangen, als die Botschaft in denersten Februartagen in Mainz eintraf. Dort diente zu diesem Zeitpunkt der entfernt mit Traian verschwägerte Hadrian als Tribunus Laticlavius der Legio XII Primigenia Pia Fidelis unter dem Statthalter Obergermaniens, Iulius Ursus Servianus.4 Die Historia Augusta berichtet, dass Hadrian dererste habe sein wollen, umTraian die Nachricht vonNervas Todundseiner Thronfolge zu überbringen.5 Dabei habe er aber gegen heftigen Widerstand seines Vorgesetzten ankämpfen müssen. Iulius Ursus, der Hadrian schon früher wegen seiner Fehler und Schulden bei Traian diffamiert habe, habe nämlich Hadrians Reisewagen beschädigt, umihn so aufzuhalten. Zugleich habe der Statthalter selbst seinen persönlichen Kurier zu Traian geschickt, um seinerseits als erster die Botschaft zu verkünden. Doch Hadrian wiederum habe sich erheblich angestrengt, diesem Boten zuvorzukommen. So habe letztlich doch er Traian die Nachricht in Köln überbringen können.6 Eben diese erfolgreiche Anstrengung habe ihn in der Folge zum Favoriten des neuen Kaisers werden lassen, und die schweren Unstimmigkeiten zwischen Traian und Hadrian seien durch dessen Einsatz beseitigt gewesen.7 Es soll hier nicht darum gehen, ob die Ereignisse dieser Anekdote sich tatsächlich so zugetragen haben. In der Tat lassen Chronologie und erzählerische Stringenz gerade dies zweifelhaft erscheinen. Für eine Untersuchung des Phänomens eines Herrschaftsantrittes istjedoch dieFrage, obHadrian wirklich als erster
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SHAHadr.2.6. Durch Fer.Dur.col.1.15 ist dieser Tag als dies imperii Traians gesichert. In Analogie zu der Schilderung vomTod des Tiberius, die bei Tac.ann.6.50.4 überliefert ist, lässt sich vermuten, dassjene Vertrauten Nervas, die bei seinem Sterben anwesend waren, eigenständig und inoffiziell die ersten Boten ausschickten, um alle Legaten und natürlich auch Traian selbst zu benachrichtigen. Mit einer Phase des Zögerns ist nicht zu rechnen, da die Thronfolge gesichert undes somit klar war, wemdie Loyalität vonnunangehören müsse. Hadrian war verheiratet mit Sabina, einer Enkelin von Traians Schwester Marciana. Laut SHA2.5 hatte er Traian schon dieNachricht vondessen Adoption andenRhein gebracht und daraufhin denPosten inMainz erhalten. SHAHadr.2.6. Eutr.8.2; Epit.de Caes.12.10f. SHAHadr.2.7.
DER ERSTE KONTAKT
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bei Traian angekommen war, ohne Bedeutung. Stattdessen muss das Interesse einer tiefer liegenden undnicht verbalisierten Aussage gelten, die in dieser Episode durchscheint: Ihr Autor betrachtete die Erzählung als geeignet, umseiner Leserschaft das Ereignis eines Thronwechsels unddie damit verbundenen Mechanismen in plausibler Form zu schildern. In dem Bericht wird ein Wettstreit demonstrativer Loyalitätsbekundungen deutlich, der ausbrach, sobald der Tod des alten Herrschers bekannt wurde. Die Quelle reflektiert, dass es für die Mitglieder des Senatorenstandes wichtig war, nicht etwa darauf zu warten, dass der neue Kaiser zu ihnen Kontakt aufnahm. Sie waren bemüht, von sich aus mit dem Thronfolger zu kommunizieren, ihn zubeglückwünschen undihn damit ihrer Akzeptanz zuversichern. Ausder Episode wird vor allem eines deutlich: Eine solche Geste der Loyalität lohnte sich für jene, die sie gezeigt hatten, denn sie durften hoffen, dass sich der Kaiser dankbar und huldvoll zeigen werde. Es schien dem Autor der referierten Episode jedenfalls plausibel, dass der ursprünglich verschmähte Hadrian wegen seines Einsatzes die Gunst Traians wiedererlangt habe.
3. ANTIZIPATION UNDFEHLEINSCHÄTZUNG DIE ERSTEN MÜNZEMISSIONEN
Da Traian keine Anstalten machte, sich umgehend nach Italien zubegeben, gehörte zu den ersten Regierungsakten, in seiner neuen Rolle als Alleinherrscher die
Kommunikation mit dem Senat undder Plebs Urbana aufzunehmen. Während der Monate als designierter Thronfolger und Mitherrscher Nervas war er am Rhein geblieben, undso warer diesen Gruppen bislang nurals Mitsenator undConsular gegenüber getreten. Auch als neuer Princeps kommunizierte er mit derHauptstadt vorerst nuraus derFerne über Kurierreiter. Undso trafen bald schon erste Briefe vom Rhein in Rom ein. Von diesen sorgte einer für besonderes Aufsehen. Denn der Kaiser verkündete unter Eid in einem, wie Cassius Dio betont, von ihmpersönlich verfassten Schreiben, dass er keinen Senator ohne Verfahren vor demSenat werde hinrichten lassen.1 Mit dieser demonstrativen Absage an herrscherliche Willkür knüpfte Traian zwar an eine bereits seit mehreren Regierungswechseln übliche Praxis an, doch hatte Domitian mit dieser Tradition gebrochen undeinen solchen Eidnicht abgelegt. Nach einer Phase derpolitischen Unsicherheit unter Nerva wardiese Aussage Traians von großer Bedeutung. Immerhin war der Senat lange Zeit gespalten gewesen in solche, die Traian unterstützt hatten, undsolche, die sich gegen ihn ausgesprochen hatten; diese mochten befürchten, vomneuen Kaiser womöglich nicht als Amici undsomit als innenpolitische Feinde angesehen zuwerden. Als der Eid Traians eintraf, wardies für sie eine Gewähr für die Unversehrtheit ihres Besitzes undLebens. Darüber hinaus war das kaiserliche Schreiben für das gesamte Gremium ein Signal, dass die Faktionenbildung der Jahre 96 und 97 tatsächlich der Vergangenheit angehöre, und dass Traian nunmehr nur noch Amici kenne. Der persönlich verfasste Brief des Princeps warin diesem Sinne auch die Wiederherstellung jenes zweifachen Konsenses, derdasgute Verhältnis zwischen Senat und Herrscher gewährleistete, jener der Senatoren untereinander undjener des Senats mitdemKaiser. Doch die grundsätzlich positive Aussage des kaiserlichen Schreibens war in gewisser Weise auch heikel, mochten die Beteuerungen Traians vomSenat auch so gefeiert werden wieviele Jahre später seine Briefe ausdemPartherkrieg, deren Eintreffen sogar in den Fasti Ostienses verzeichnet wurde.2 Denn ein solcher Eid führte allen Beteiligten vor Augen, dass der Consular Ulpius Traianus sich unter seinen Standesgenossen erhoben hatte, dass er eine neue Rolle eingenommen hat-
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Cassius Dio 68.5.2; siehe hierzu BIRLEY 1962. 2000, 367f.; VIDMAN, Fasti Ostienses 2, Prag 1982, 48.
MILLAR
3. ANTIZIPATION UNDFEHLEINSCHÄTZUNG
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te und dass er nun tatsächlich die Macht hatte, seine ehemaligen Mitsenatoren verurteilen undhinrichten zu lassen. Selbst in Gesten wie dieser kam zumAusdruck, dass viel vomguten Willen des Herrschers abhing; undmoderatio ist eine Tugend des Stärkeren gegenüber den Schwächeren. Alle Demonstrationen der Nähe undJovialität sowie die senatorische Fiktion des Princeps als des lediglich einflussreichsten Consulars, wurden von der faktischen Position des Kaisers und seinen tatsächlichen Machtmitteln konterkariert. Eine andere der frühesten zu rekonstruierenden Maßnahmen, die Traian vom Rhein aus in Gang setzte, war eine Korrektur des Münzprogramms. Bei einem Herrscherwechsel war es unbedingt notwendig, innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl von Münzen in allen Nominalen zu emittieren. Sie waren das wesentliche Massenmedium, um die Bevölkerung mit der Person und dem Porträt des neuen Princeps vertraut zu machen. Daneben waren sie geeignet, sein Programm vorzuführen; jene Facetten der Herrschaftsdarstellung, welche der Herrscher von den ersten Tagen seiner Herrschaft an akzentuiert sehen wollte.3 Da Traian sich nicht in Romaufhielt undsomit die hauptstädtischen Ereignisse nicht direkt kontrollieren konnte, mussten diese wichtigen ersten Münzbilder vondenPrägebeamten in Abstimmung mitdenjenigen Vertrauten desKaisers geschaffen werden, die in Rom als Sachwalter seiner Interessen dienten.4 Nun lässt sich anhand dieser allerersten Emissionen der traianischen Regierung beobachten, was geschehen 3
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2002 weist hierzu auf Amm.Marc.26.7.11 hin: DemGegenkaiser Procop erschien es imJahre 265 n.Chr. zurSicherung seiner Herrschaft hinreichend, Legaten undfrisch geprägte Aurei mit seinem Bild, Titel undProgramm nach Thrakien zu schicken, umauf diese Weise auch dort die Valenz seiner Herrschaftsansprüche zubeweisen. Die Frage, welche Person in letzter Konsequenz für die Auswahl der Münzbilder der römiWEISER
schen Reichsprägung zuständig war, lässt sich kaum beantworten. Zum einen ist nur wenig über die personale Organisation der Münzstätte bekannt, zumanderen wissen wir nicht, wer die generellen Linien der darzustellenden Programmatik des Kaisers festlegte oder gar den Auftrag gab, konkrete Stücke zu emittieren. Es liegt aber nahe, den Auftraggeber hierfür, wenn nicht in der Person des Kaisers selbst, so doch in seiner Umgebung undin enger Ab-
stimmung mitihmhandelnd zusehen. Zumindest lässt sich feststellen, dass die Bilder der Serien nicht autonom in denPrägewerkstätten selbst festgelegt wurden. Dagegen spricht unter anderem, dass zumindest in neronischer Zeit die Motivauswahl derBronzemünzen in denPrägestätten vonRomundLugdunum präzise aufeinander abgestimmt war. Dies deutet auf eine übergeordnete Lenkung hin. Die anschließende Zentralisierung der Reichsprägung allein in der Hauptstadt verlegte die Auswahl der Motive noch deutlicher in denAufsichtskreis des Princeps undseiner Umgebung. Allein bei derart prekären Gelegenheiten wie einem Regierungswechsel, bei welchem sich der neue Herrscher fernab der Hauptstadt aufhielt, können wir ein direktes Eingreifen des Kaisers beobachten. Diese Beobachtung spricht auf der anderen Seite aber auch dafür, dass auch ohne dendirekten Einfluss des Kaisers gewisse Spielräume in der Entscheidungsfreiheit zur Gestaltung der Münzbilder auf Seiten der Prägebeamten existierten. In Zeiten geringerer Brisanz richteten sich die Prägebeamten wohl nach vorher festgelegten Maßgaben und Programmen des Princeps. –Einen ausführlichen Forschungsüberblick zu diesen Fragen undeine Diskussion 308. 99, 290– dervorhandenen Quellen bietet WOLTERS 1999, 85–
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konnte, wenn ein Kaiser zuBeginn seiner Regierung nicht in der Hauptstadt war. Ein Mißstand musste nämlich möglichst rasch beseitigt werden, der allein durch unzureichende Kommunikation zwischen demKaiser, dessen Vertrauten in Rom, demSenat unddemMünzamt entstanden war. Aufdiese Weise sollte es in einem Zeitraum von nur drei Wochen zu drei verschiedenen Emissionen kommen. Da nämlich die erste unddie zweite Münzemission nicht derart gestaltet waren, wie Traian seine Herrschaft dargestellt sehen wollte, mussten jeweils einschneidende Änderungen ihrer programmatischen Aussage vorgenommen werden. Die wesentlichen Punkte hierbei waren das Verhältnis des neuen Kaisers zu seinem Vorgängerunddie Betonung seiner eigenen Bescheidenheit. In der ersten Senatssitzung nach dem Tode Nervas hatte das Gremium beschlossen, denVerstorbenen zu konsekrieren undseinem Nachfolger neben anderem auch denTitel des Pater Patriae zu verleihen.5 Die für die Münzprägung zuständigen Beamten entsprachen diesem Senatsbeschluss, als sie den Stempelschneidern Anweisungen für die kaiserliche Titulatur gaben. Diese lautete in allen Nominalen: IMP NERVA CAES TRAIAN AVG GERM PM / TRP COS II PP.6 Ein Beispiel hierfür ist abgebildet. Doch bereits nach wenigen Tagen sollte diese Legende modifiziert werden zu IMP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM PM / TRP COS II PP: In der zweiten Emission waren also die Elemente NERVA und CAES umgestellt worden. Offenbar hatte die erste Emission Traians Vorgänger und Adoptivvater ein zu großes Gewicht in der Titulatur eingeräumt. Die frühere Titulatur hatte Traian nämlich als Nomen Gentile ‚Nerva‘ beigegeben, wie auch sein Vorgänger es geführt hatte, in der späteren nahm ‚Caesar‘diesen Platz ein, wie dies bei allen Principes seit Augustus derFall gewesen war. Durch die Umgruppierung suchte Traian also denAnschluss an eine etablierte Tradition der kaiserlichen Namenswahl, mit welcher Nerva gebrochen hatte. Auf diese Weise wurde die Rolle des Adoptivvaters in derHerrschaftsdarstellung Traians nachträglich ein Stück weit marginalisiert. Weder verhielt sich der neue Kaiser gemäß demVorbild seines Vorgängers noch wollte er dessen Namen an prominenter Stelle seiner Titulatur verwenden. Diese wichtige Veränderung in der kaiserlichen Darstellung war bereits von den stadtrömischen Vertrauten des neuen Herrschers veranlasst worden. Sie konnte unmöglich schon auf einen Einspruch Traians selbst zurückgehen, sonst wäre nämlich zugleich mit der Modifikation des Namens auch ein zweiter Fehler der Titulatur verbessert worden, der noch erheblich schwerer wog als der erwähnte. So aber musste schon bald nach
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Diese Programmpunkte der ersten Senatssitzung sind rekonstruiert in Analogie zu den Ereignissen etwanach demToddesAugustus inTac.ann.1.8. RICNr. 29. –Für eine Rekonstruktion derersten Prägegruppen derRegierung Traians siehe WOLTERS 1992. BENNETT 1997, 46 behauptet, derName Traians habe nach dessen Adoption ‚Caesar Marcus Ulpius Nerva Traianus‘gelautet –ein sachlicher Fehler, wie so vieles in diesemWerk.
3. ANTIZIPATION UND FEHLEINSCHÄTZUNG
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der veränderten zweiten Emission auch noch eine dritte geprägt werden. In dieser wurde nunauch noch derPater-Patriae Titel unterdrückt.7 Wie wir sahen, war dieser Ehrenname von der stadtrömischen Münzstätte be-
reits ab der allerersten Emission Traians in die imperiale Titulatur aufgenommen worden. Doch dies stellte sich nunals übereilte Maßnahme heraus, die denKaiser einer wichtigen Gelegenheit beraubte, seine Bescheidenheit zu demonstrieren. Wäre Traian nämlich zumZeitpunkt des Thronwechsels in Rom gewesen, hätte eine Zeremonie stattfinden können, bei der Senat und Volk von Rom ihm den Titel des Pater Patriae feierlich hätten übertragen wollen. Der Kaiser hätte diese Ehre demonstrativ und bescheiden zurückgewiesen. Daraufhin wäre er von der versammelten Menge gedrängt worden, denTitel doch anzunehmen, undschließlich hätte er demgemeinsamen Bitten aller nachgegeben. So sahes die ritualisierte Kommunikation mit ihren Gesten des gegenseitigen Respekts zwischen Princeps, Senat undPlebs Urbana vor. Doch aufgrund derAntizipation derPrägebeamten und ihrer Fehleinschätzung des kaiserlichen Willens schien es Traian unmöglich gemacht, für sich imRitual derrecusatio denBesitz einer derwesentlichen Tugenden der Herrschaftsdarstellung nachzuweisen: die Moderatio eines Civilis Princeps. Wie hatte dies geschehen können? Dem Senat undden zuständigen Münzbeamten in Romwarbekannt, dass die bisherigen Principes denTitel zunächst abgelehnt hatten. Sie wussten, dass die Recusatio ein fester Bestandteil der ritualisierten Kommunikation des Kaisers mit Senat undPlebs Urbana war, die demKaiser Gelegenheit bot, seine Tugenden zu demonstrieren. Doch Nerva hatte jüngst mit dieser Tradition gebrochen. Er war der erste Princeps gewesen, der den Titel bereits vonAnfang seiner Regierung an geführt hatte.8 An dieser Episode undan der erwähnten Umstellung derNamensbestandteile wird deutlich, wie sehr die Prägebeamten davon überzeugt waren, Traian werde alleine schon durch seine Titulatur eine enge Verbindung zu seinem Vorgänger darstellen wollen; schließlich hatte er der Adoption durch Nerva seine Herrschaft zu verdanken. Dies nahmen sie immerhin entgegen allen bisherigen Vorbildern undGepflogenheiten der Principatszeit an. Der Vorfall zeigt aber auch, wie falsch diese Einschätzung war. Traian
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Die Berichtigung der falschen Anordnung von NERVA und CAES kann kein Resultat der übermittelten kaiserlichen Richtlinien gewesen sein. Stattdessen muss diese gravierende Modifizierung schon nach wenigen Tagen vonVertrauensmännern Traians in Romdurchgesetzt worden sein. Wäre diese Veränderung bereits auf einen Einspruch desneuen Kaisers zurückgegangen, wäre zugleich auch schon derPater-Patriae Titel ausderTitulatur entfernt worden. Doch die Umstellung von NERVA undCAES war bereits von der ersten zur zweiten Prägegruppe vorgenommen worden, während der Pater-Patriae Titel noch in diesen beiden ersten Emissionen geprägt wurde. Er fiel erst in der dritten fort, welche somit die erste vomKaiser selbst bestimmte Emission war. –Vergleiche WOLTERS 1999, 305 undbesonders 1992, 288f. mitAnm. 14, dereine andere Rekonstruktion vorschlägt. Auch das Porträt des neuen Kaisers begann erst mit der dritten Prägefolge die späteren charakteristischen Züge Traians anzunehmen. Vorher war er wie Nerva dargestellt worden. Gerade dieerste Emission lässt kaumeinen Unterschied derVorderseitenporträts erkennen. Tatsächlich sollte Nerva noch für ein weiteres Jahrhundert der einzige Princeps bleiben, der dies tat. –Siehe hierzu STRACK 1931, 20, Anm.46 mitzahlreichen Einzelnachweisen.
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musste vorerst veranlassen, den Titel des Pater Patriae schnell wieder auf unbestimmte Zeit von den Münzen zu entfernen.9 Die ritualisierten Versuche, dem Kaiser den Titel zu übertragen, die von ihm erwartete Demonstration der bescheidenen Zurückweisung und seine dann doch konsequente Annahme jenes Titels, der für eine Imago der Moderatio so wichtig war, sollten erst später erfolgen.10 Anhand der hektischen zweifachen Modifizierung des Münzprogramms wird deutlich, zuwelchen Misstönen in derHerrschaftsdarstellung es allein schon deswegen kommen konnte, weil der Kaiser sich bei seinem Regierungsantritt fernab Roms aufhielt. DasRitual derRecusatio selbst konnte vomPrinceps auch ausder Ferne vollzogen werden, indem er etwa brieflich die ihm angetragenen Ehren abgelehnt hätte; darum geht es also nicht. Doch aufgrund seiner Abwesenheit und der somit langen Kommunikationswege besaß Traian nicht die Möglichkeit einer direkten undschnellen Einflussnahme auf dasMünzprogramm.11
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2001 weist darauf hin, dass der Prägeplan oder sogar eine Ausfertigung der ersten Emission per Kurierreiter binnen einer Woche, das heißt, noch in der ersten Februarwoche 98, vonRomnach Köln übermittelt werden konnte. Spätestens am20. Februar warderPaterPatriae Titel auch auf Münzen kein Teil mehr der imperialen Titulatur. Dies wird durch ein Militärdiplom nachgewiesen, das anjenem Tag ausgestellt wurde; CILXVI 42. –Zur Frage von Reisegeschwindigkeit und Dauer der Übermittlung von Informationen im Römischen Reich siehe etwa DUNCAN-JONES 1990, Kap. „Communication-speed and contact by sea in . –Im Jahre 68 war die Nachricht vom Selbstmord Neros innerhalb von the Roman world“ sieben Tagen von Rom nach Clunia in der Hispania Tarraconensis übermittelt worden, wo Galba sich aufgehalten hatte. Die Strecke von Romnach Köln war kürzer unddürfte selbst während desWinters nicht mehrZeit beansprucht haben. DieAnnahme desTitels datiert möglicherweise schon indenSpätherbst 98,jedenfalls vorder Designierung zumdritten Consulat nach dem6./12.November 99; KIENAST 1996, 122. Siehe hierzu auch WOLTERS 1992, 289 undWEISER 2001. Plin.paneg.84.6 berichtet vonderAblehnung desTitels. Paneg.21.3f. besagt, dass Traian eigentlich bereits vorderAnnahme desTitels einwahrer Vater desVaterlandes gewesen sei. Das gleiche Phänomen derAntizipation undFehleinschätzung lässt sich auch amBeginn der Regierungszeit Hadrians beobachten, der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls aus Rom abwesend war. Auch ihmwarderPater-Patriae Titel angetragen worden, doch er hatte ihnabgelehnt. So musste die Emission jener Münzreihen gestoppt werden, die in Erwartung, Hadrian werde denTitel annehmen, bereits in denersten Regierungstagen mit demZusatz PP emittiert wordenwaren. In der Folge wurden nur Serien ohne denZusatz PP geprägt. –WOLTERS 1999, WEISER
305.
11 Es lässt sich –wie in fast allen Fällen, in denen es umdiebewusste Wahrnehmung desBildprogramms römischer Münzen geht –nicht beweisen, dass diese zweifache Veränderung der Titulatur voneinem normalen Betrachter wahrgenommen wurde; einem Betrachter, dernicht in die Hintergründe der Modifikationen eingeweiht war, der Münzen vorwiegend als Zahlungsmittel undnicht als Medien der kaiserlichen Darstellung ansah undder neben denneu emittierten Stücken eine Vielzahl von zumTeil Jahrzehnte alten Münzen in seinem Beutel trug. Wir können aber feststellen, dass zumindest der Kaiser und die stadtrömischen Sachwalter seiner Interessen sehr wohl auch auf diese vermeintlichen Kleinigkeiten achteten. Ganz offensichtlich hielten sie es fürdurchaus möglich, dass die Münzen undihre Umschriften derart genau betrachtet würden, dass sie die ersten beiden Emissionen abbrachen unddie Fehler verbessern ließen. So ist also die hier referierte Episode eines jener raren Zeugnisse für eine solche gezielte Kenntnisnahme. –Zu der grundsätzlichen Frage, ob undin welchem Grad
3. ANTIZIPATION UNDFEHLEINSCHÄTZUNG
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Eine ganz ähnliche Unsicherheit ist im ersten der Plinius-Briefe reflektiert, der im Folgenden behandelt werden soll: Der Senator wusste nämlich ebenfalls nicht recht, welche Bedeutung der neue Princeps in dessen eigenen Strategien seiner Herrschaftsdarstellung seinem Adoptivvater undVorgänger beimaß.
Münzbilder in derrömischen Antike wahrgenommen wurden, undmit einer Reihe gen siehe WOLTERS 1999, 308– 339 „ Die Aufnahme der Münzbilder“ , WOLTERS LUMMEL
1991.
vonBele2003 und
4. PLINIUS BEGLÜCKWÜNSCHT DENKAISER ET PRIVATIM ET PUBLICE OPTO1
Wie Traian warauch Vespasian bei seinem Herrschaftsantritt nicht in Romgewesen; undwie imFalle Traians sollte es auch bei Vespasian noch lange dauern, bis er in die Hauptstadt zurückkehrte. Während der ersten Monate seiner Regierung hielt er sich in Alexandria auf, seinem Hauptquartier für die Führung des Krieges gegen die Iudaeer. In Rom agierten derweil Vertraute an seiner Statt. Mit der Nachricht vom Tod des Vitellius hätten sich, wie Tacitus berichtet, viele Leute aus allen Ständen über das Meer zu Vespasian nach Alexandria aufgemacht, um ihm diese Nachricht zu überbringen.2 Da sich diese Ereignisse im Dezember und Januar zutrugen, unddasBefahren derwinterlichen See mit großen Gefahren verbunden war, erscheint derEifer dieser Boten bemerkenswert. Dieser Bericht wird ergänzt von Flavius Josephus, der damals den neuen Princeps begleitete undals Augenzeuge von den Ereignissen berichtete: Zwar sei Alexandria nach Rom die größte Stadt des Erdkreises, doch habe sie sich angesichts des Menschenstromes als zu klein erwiesen. Denn aus allen Teilen der Welt, die Vespasian nun beherrschte, hätten sich Gesandte eingefunden, umihmGlück zu wünschen.3 Sogar eine Gesandtschaft derParther habe Vespasian empfangen.4 In diesem unkontrollierten Informationsschwall, berichtet Tacitus, habe der Princeps auch ungünstige Gerüchte über das Verhalten Domitians vernommen, der sich in Rom aufhielt. Allein aufgrund des Zuredens des Titus, der Vater solle nicht auf verleumderische Nachrichten aus verschiedenen Quellen hören, habe der Kaiser von Maßnahmen gegen seinen jüngeren Sohn abgesehen.5 Anhand dieser zwei Passagen wird deutlich, welcher Flut von Informationen der abwesende Kaiser ausgesetzt war. Zwar besaß Vespasian in Mucian undDomitian Vertreter seiner Interessen in der Hauptstadt, so dass er sich nicht veranlasst sah, sofort nach Rom aufzubrechen, doch setzte sich ein Strom von Menschen in Bewegung, umselbst demneuen Herrscher ihre Loyalität zu beweisen. Es reichte eben nicht aus, allein zudenSachwaltern derherrscherlichen Interessen
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In Anlehnung anPlin.ep.10.1. Tac.hist.4.51.1: ...cecidisse Vitellium multi cuiusque ordinis, pari audacia fortunaque hibernummare adgressi, nuntiavere. Flav.Ios.b.J.4.11.5. Tac.hist.4.51. 52: Titum, antequam digrederetur, multo apud patrem sermone orasse ferunt Tac.hist.4.51.2– ne criminantium nuntiis temere accenderetur integrumque se ac placabilem filio praestaret. – Tacitus betont die Relevanz desGerüchts in dieser Episode noch dadurch, dass er die Passage selbst zumProdukt eines bloßen Hörensagens macht.
4. PLINIUS BEGLÜCKWÜNSCHT DENKAISER
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intensiven Kontakt aufzunehmen. In Vespasians Fall waren dies immerhin dessen Sohn und sein enger Vertrauter, der für ihn den Sieg im Bürgerkrieg erfochten hatte. Werkonnte, nahm direkten Kontakt zumPrinceps auf.
Auch zuBeginn derHerrschaft Traians lässt sich beobachten, dass nicht allein der Kaiser denKontakt zumSenat suchte, sondern dass auch die einzelnen Senatoren sich um die Aufmerksamkeit des Kaisers bemühten.6 So befand sich unter den zahlreichen Briefen, welche Traian in den ersten Tagen seines Principats erreichten, auch eine Epistel desjüngeren Plinius.7 Unmittelbar nachdem derPräfekt des Aerarium Saturni vomTode Nervas erfahren hatte, schickte er einen Boten zum neuen Kaiser nach Germanien.8 Dieser überbrachte ein kurzes Glückwunschschreiben, in welchem Plinius demPrinceps in seinem eigenen Namen undauch imNamen derÖffentlichkeit alles Gute fürdessen Regierung wünschte. Dererste Teil dieses Briefes reflektierte die Umstände der Nachfolge Traians, der zweite Teil drückte die Wünsche des Plinius für die Regierung des Kaisers aus. Diese Grußadresse erlaubt bemerkenswerte Einblicke in die ersten Tage destraianischen Principats und in die Versuche eines Senators, den Kontakt mit seinem neuen Kaiser herzustellen. Wir werden uns zunächst den inhaltlichen Aussagen zuwenden, um sodann zu Erkenntnissen über die kommunikative Funktion dieses Schreibens zu gelangen. Es wird deutlich werden, dass es sich bei demBrief trotz seiner Kürze um einen sorgsam komponierten Text mit hochgradig verdichteten programmatischen Aussagen handelt. Der Text soll sehr genau und zunächst werkimmanent analysiert werden, um dann die resultierenden Ergebnisse mit Zeugnissen außerhalb des Textes zu verbinden. Zu diesem Zweck soll der vollständige Brief seiner Interpretation vorangestellt sein:
(1) Tuaquidem pietas, imperator sanctissime, optaverat, utquamtardissime succederes patri; sed di immortales festinaverunt virtutes tuas ad gubernacula rei publicae quam susceperas admovere. (2) Precor ergo ut tibi et per te generi humano prospera
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Daneben trafen zahlreiche Boten aus allen Ecken des Reiches am Rhein ein, umdenneuen Kaiser ihrer Akzeptanz und Loyalität zu versichern. Dies war wichtig für die Städte, für Truppenteile und natürlich auch –und zwar in besonderem Maße –für die Statthalter der Provinzen, gerade wenn sie Truppen unter ihrem Kommando hatten. Plin.ep. 10.1. –Wenn sich der Kaiser bei seinem Herrschaftsantritt also außerhalb Roms aufhielt, setzte sofort eine rege Kommunikation zwischen demSenat unddemKaiser ein, aber eben auch zwischen deneinzelnen Senatoren unddemKaiser. DemKaiser Glückwünsche zu überbringen bedeutete erhebliches symbolisches Kapital für denBoten oder vielmehr dessen Auftraggeber; siehe etwa das obige Beispiel Hadrians. –Siehe zurbrieflichen Kommunikation zwischen denSenatoren undTraian auch MILLAR 2000; generell zumPhänomen des Regierens auf dem Briefweg MILLAR 1977, 213– 228, ECK 1998, besonders 107– 119, Kapitel , KOLB2003, 133ff. „ Provinzialverwaltung undSteuern“ Da derverstorbene Kaiser in diesem Schreiben noch nicht als ‚Divus‘bezeichnet wird, muss davon ausgegangen werden, dass der Brief bereits vorjener Senatssitzung geschrieben wordenwar, in welcher Nerva konsekriert wurde. Vom ‚Divus Pater‘ist dann etwa in 10.4.2, 8.1 die Rede.
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VOM RHEIN NACHROM
omnia, id est digna saeculo tuo contingant. Fortem privatim et publice opto.
te et hilarem,
imperator optime,
et
Plinius schreibt also, Traians Pietas habe gewünscht, dass dieser die Nachfolge seines Adoptivvaters noch längst nicht antreten müsse. Die Götter jedoch hätten sich beeilt, die Tugenden Traians die Führung des Staates übernehmen zu lassen, welchen Traian längst schon in seine Obhut genommen hatte. Plinius gibt in seinemSchreiben demnach drei Deutungsweisen wieder, auf welchem Wege Traian die Nachfolge Nervas angetreten haben mochte: Das Schlagwort der Pietas und die Bezeichnung Nervas alspater deuten auf dasVater-Sohn Verhältnis zwischen Nerva und Traian hin und somit auf die Adoption, die Traian zum Caesar und designierten Nachfolger gemacht hatte. Zugleich hebt der Brief aber auch den Willen der Götter hervor. Diese selbst hätten ja dafür gesorgt, dass Traian zur Herrschaft berufen worden sei. Plinius vermengt hier also das Ideologem von der Nachfolge als demResultat der Adoption mitjenem Ideologem, dass der Kaiser von den Göttern ausgesucht worden sei. Als dritte Strategie der Herrschaftsbegründung des Princeps tritt noch das Ideologem von dessen eigener Tatkraft hinzu: Denn Plinius betont, Traian habe den Staat ja bereits in seine Obhut genommengehabt, noch bevor die Götter ihn zumNachfolger seines Adoptivvaters Nervagemacht hätten.
Der Senator verbindet hier drei prinzipiell auch unabhängig voneinander funktionierende Strategien zurBegründung derrechtmäßigen Herrschaftsansprüche Traians miteinander. Nun mag die Kombination dieser Ideologeme auf den ersten Blick nicht sehr erstaunen. Schließlich sind uns diese konzeptuellen Grundlagen der Nachfolge Traians ausführlich und systematisch im Panegyricus überliefert.9 Die große Bedeutung des vorliegenden Glückwunschschreibens liegt jedoch darin, dass bereits hier, zumZeitpunkt seiner Abfassung in den letzten Januartagen des Jahres 98, diese Ideologeme miteinander verwoben sind undnicht erst in der Gratiarum Actio des Jahres 100. Noch bemerkenswerter ist, dass Plinius diese Ideologeme keineswegs als gleichwertig nebeneinander stellt. Die Rolle Nervas, und somit der Wert der Adoption als Strategie der Herrschaftsbegründung, ist rhetorisch erheblich verringert gegenüber derErwählung Traians durch die Götter. Denn die Aussage, Traian habe sich zwar gewünscht, Nerva erst spät nachzufolgen, doch die Götter hätten sich beeilt, Traians Tugenden den Staat lenken zu lassen, heißt nichts anderes, als dass die Götter Nerva hätten sterben lassen, damit Traian habe Kaiser werden können. Doch auch die göttliche Erwählung tritt zurück angesichts der Tugenden, die Traian selbst besitze. Denn die Götter hätten ohnehin nurjenen erwählt, der den Staat bereits in seiner Obhut gehabt habe. Plinius suggeriert also, die Götter hätten den schon faktischen Primat Traians lediglich bestätigt. Nerva hätten sie sterben lassen, um den Caesar nun auch zum Princeps zu machen, ihn also auch offiziell in jene Position zu erheben, die ihm ohnehin gebührte. Das Resultat der textimmanenten Folgerungen des Briefes ist 9
Plin.paneg. besonders 5–11; siehe auch KIENAST 1968; SCHWARTE 1979; STROBEL 1985.
4. PLINIUS BEGLÜCKWÜNSCHT DENKAISER
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also, dass Traian deswegen als Kaiser anderSpitze des Staates stehe, daer diesen zuvor gerettet habe. Der historische Hintergrund dieser Sichtweise ist der Prätorianeraufstand des Jahres 97. In dieser Krise war die Störanfälligkeit der Herrschaft Nervas auch nach außen deutlich geworden. Die Adoption des obergermanischen Statthalters Ulpius Traianus schien in dieser Situation für Nerva der einzige Ausweg zu sein. Der Kaiser hatte sich seinen Principat dadurch zwar bewahrt, doch seine eigene Position hatte er keineswegs gefestigt. Dass nämlich genau das Gegenteil zutraf, zeigt auch dieser Brief. Er wurde unmittelbar nach demTodNervas geschrieben undabgeschickt.10 Somit kursierte also schon zu Lebzeiten Nervas der Anspruch Traians, denStaat gerettet zuhaben. Ansonsten hätte Plinius in seinem Brief diese spezifische Version von der Begründung des traianischen Principats nicht derart pointieren können. Die Rolle des vorherigen Princeps bei der Nachfolge Traians gering zu schätzen, konnte keine eigenmächtige Handlung des Prätoriers sein. Das Dokument erlaubt also wertvolle Rückschlüsse auf das Verhältnis vonNerva und Traian während des Zeitraumes ihrer gemeinsamen Herrschaft vomHerbst 97 bis Januar 98. Nerva selbst wird in dieser Sichtweise derNachfolge kein Anteil an der Rettung des Staates zugeschrieben. Seine Rolle bei der Bewältigung der Krise habe in der Adoption des Retters bestanden. Doch andererseits misst Plinius der herausragenden Pietas Traians großes Gewicht bei. Sie gehört zudenersten Worten, die der Ärarpräfekt an Traian als denneuen Herrscher richtete, „Tuaquidem pietas...“ , undauch inhaltlich steht sie imMittelpunkt, dasie die drei Ideologeme miteinander verbindet: Traians Pietas habe seinem Adoptivvater und zugleich auch demStaat gegolten, als er beide ausderGefahr gerettet habe. Doch sie lasse Traian nunauch denWillen derGötter respektieren, die ihn, früher als er selbst es sich gewünscht habe, zum Kaiser machten. Plinius konstruiert Pietas als Kern eben jener Virtutes, aufgrund derer die Götter Traian zumPrinceps gemacht hät-
ten.
Dieser Befund, dass das Schlagwort der Pietas in den ersten Tagen des traianischen Principats eine besondere Relevanz besaß, wie sich in demBrief des Plinius erkennen lässt, wird voneiner Pietas-Darstellung in denersten Münzemissionen dertraianischen Herrschaft bestätigt.11 Dieses Bild hatte bereits zujener erstenPrägegruppe gehört, die noch nicht vondenAnweisungen desKaisers dirigiert gewesen warunddie mithin schon in den letzten Tagen des Januar unddenersten des Februar 98 emittiert worden war. Die Emission dieses Bildes warsituativ bedingt unddeutete auf die Konsekration Nervas hin, da der Senat in seiner ersten 10 Es handelt sich umein Glückwunschschreiben zumHerrschaftsantritt. Wie wir sahen, wares von großer Wichtigkeit, mit dem Kaiser möglichst schnell in Verbindung zu treten. Ein solcher Brief musste also sofort nach demTodNervas auf denWeggebracht worden sein. Der Brief wurde sogar noch vorjener Senatssitzung abgeschickt, in welcher derVerstorbene konsekriert wurde. Bis dahin hatte Traian aber noch keine Zeit gehabt, eine, wieauch immer geartete, autoritative Stellungnahme nach Romzu schicken, welche Version seiner Thronfolge er vondenSenatoren reflektiert wünschte. 11 STRACK 1931, 75f., Nr. 313, Taf.4. –ZudenPietas-Darstellungen während des traianischen Principats siehe auch imKapitel zudenRestitutionsmünzen denAbschnitt 6.1 „ . Pietas“
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VOM RHEIN NACHROM
Sitzung nach demToddesKaisers denverstorbenen Nerva zumDivus hatte erklären lassen. Zugleich war die Darstellung ein generelles Lob dieser Tugend des neuen Princeps, derseinem Nachfolger diese Ehre erweise. Doch schon imHerbst 98 fielen die Pietas-Bilder aus dem Münzprogramm heraus. In der traianischen Reichsprägung sollte sie mit diesem Bedeutungsgehalt, der pietas erga patrem, nie wieder geprägt werden.12 Verfolgt mandenweiteren Gebrauch des politischen Schlagwortes Pietas über die nächsten Monate, so zeigt etwa der Panegyricus des Jahres 100, dass sich seit Beginn der traianischen Herrschaft bis zu diesem Zeitpunkt seine Verwendungsbedingungen erheblich verändert hatten. Von den zwölf Stellen der Gratiarum Actio, welche die Pietas erwähnen, sind nämlich die meisten auf die Liebe der Bürger zu ihrem Princeps bezogen,13 so etwa, Traian werde durch die civium pietas über alle anderen Principes hinausgehoben.14 Gegen diese eindeutige Semantisierung desBegriffs, nämlich derLiebe zumKaiser, verschwinden jene Aussagen fast, welche die Pietas des Princeps selbst behandeln –bis auf eine Passage.15 Diese ist aber ein ganz bemerkenswertes Zeugnis dafür, auf welche Weise das Konzept der traianischen Pietas, dieses herausragende Ideologem der ersten Monate seines Principats, in der Zwischenzeit bis zumJahr 100 modifiziert worden war: Plinius schreibt, ähnlich wie in dem vorliegenden Brief, so auch an dieser einen
12 Im Zeitraum von 108/9, dem Zeitpunkt des Einsetzens von Rückseiten, welche die Bilder mithilfe von Umschriften erklärten, bis 112 wurde die Pietas noch einmal in der regulären Reichsprägung dargestellt. Es handelt sich jedoch in dieser späteren Zeit umeine Darstellung der Pietas erga deos, nicht um eine Pietas erga patrem, wie ihr semantischer Gehalt in den ersten Emissionen zu verstehen ist. In die Reihe der Restitutionsmünzen wurden mehrere re-
13 14
15
publikanische undimperiale Darstellungen und Bildchiffren der Pietas aufgenommen, deren Bedeutung auch eine Pietas erga patrem umfasst. –Siehe zur Relevanz Nervas im Rahmen derHerrschaftsdarstellung Traians immer noch KIENAST 1968 undjüngst ROCHE 2002. Siehe die Auflistung imThesaurus vonJACQUES/VAN OOTEGHEM 1966, 650, s.v. pietas. Plin.paneg.24.5. Zur Transparenz der Argumentation sei diese Passage hier vollständig wiedergegeben: 5: „ (1) Augebat auctoritatem iubentis in summum discrimen auctoritas eius Plin.paneg.10.1– adducta: utque magis parendum imperanti putares, efficiebatur eo, quod ab aliis minus parebatur. (2) Adhoc audiebas Senatus Populique consensum. Nonunius Nervae iudicium illud, illa electio fuit. Namqui ubique sunt homines, hoc idem votis expetebant; ille tantum iure principis occupavit, primusque fecit, quod omnes facturi erant. Nec Hercule tantopere cunctis factumplaceret, nisi placuisset, antequam fieret. (3) At quo, dii boni, temperamento potestatem tuam fortunamque moderatus es! Imperator titulis et imaginibus et signis, ceterum modestia, labore, vigilantia dux et legatus et miles, quum iamtua vexilla, tuas aquilas magno gradu anteires, neque aliud tibi ex illa adoptione, quam filii pietatem, filii obsequium adsereres, longamque huic nomini aetatem, longamque gloriam precarere. (4) Iamte providentia deorum primum in locum provexerat; tu adhuc in secundo resistere atque etiam senescere optabas: privatus tibi videbaris, quamdiu imperator et alius esset. Audita sunt vota tua, sed in quantum optimo illi et sanctissimo seni utile fuit, quem dii coelo vindicaverunt, ne quidpost illud divinum et immortale factum mortale faceret. (5) Deberi quippe maximo operi hanc venerationem, ut novissimum esset, auctoremque eius statim consecrandum, ut quandoque inter posteros quaereretur, anillud iamdeus fecisset.”
4. PLINIUS BEGLÜCKWÜNSCHT DEN KAISER
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Stelle des Panegyricus, Traian sei der Retter der auctoritas Nervas gewesen. Die Fürsorge der Götter habe Traian zu diesem Zeitpunkt bereits zumhöchsten Rang erhoben gehabt. Doch dieser habe hinter Nerva bleiben wollen undhabe für sich nur filii pietatem filii obsequium als das Vorrecht des Adoptierten verlangt. Aber die Götter hätten angesichts der Tatkraft Traians –undPlinius betont hier allein die militärischen Aspekte der traianischen Tatkraft –Nerva sterben lassen. Zwar sei dies gegen die Wünsche Traians gewesen, doch hätten die Unsterblichen verhindern wollen, dass Nerva nach jener übermenschlichen Tat der Adoption noch irgendetwas Menschliches vollbringe. Es wird ausdieser Passage deutlich, dassjenes Geflecht derIdeologeme, das Plinius in seinem Brief vomEnde Januar 98 konstruiert hatte, auch zweidreiviertel Jahre später im Panegyricus noch seine genaue Entsprechung finden sollte, doch eben nur in einer einzigen Passage. Ansonsten hatten sich die Gebrauchsbedingungen und der semantische Gehalt des politischen Schlagwortes wesentlich verändert. Im Brief 10.1 beschreibt pietas noch die Haltung Traians gegenüber Nerva. Sie weist somit auf die Adoption Traians hinundmacht sie auf diese Weise zu einem der aussagekräftigen Argumente in der Begründung des traianischen Herrschaftsanspruches. Doch wiewirsehen, verlor schon imLaufe desJahres 98 diese Bedeutungsfacette erheblich an Wirkungsmacht, wie auch aus dem Wegfall des Münzbildes bis spätestens Herbst 98 deutlich wird. Weitaus bedeutender für die Herrschaftsdarstellung des Princeps sollte sich nun das Ideologem von der göttlichen Erwählung Traians undvor allem jenes vondereigenen Tatkraft des Kaisers als Retter des Staates erweisen. Zwar wurde Pietas weiterhin als politisches Schlagwort und als emblematisch verkürzte Ausdrucksform einer wichtigen Facette der Imago Traians gebraucht, denn mit ihr wurde auch noch im Jahre 100 derHerrschaftsanspruch Traians begründet; doch nunwarmit ihr eben nicht länger die Pietas des Kaisers zu seinem Vorgänger undAdoptivvater gemeint, sondern die Liebe derUntertanen zu ihrem väterlich regierenden Kaiser, demVerehrung gebühre. Der Begriff wurde weiter verwandt, doch das ihmzugrunde liegende Konzept hatte eine wichtige Modifizierung erfahren.
Mit dieser Beobachtung geht einher, dass bis zumZeitpunkt der Publikation des Panegyricus innerhalb der traianischen Herrschaftsdarstellung ein weiteres Motiv erheblich an Relevanz gewonnen hatte, nämlich derKonsens von Senat undBürgerschaft, dass Traian der Thron zustehe. Die Wahl, die Nerva mit seiner Adoption getroffen habe, sei allein Ausdruck dieses Konsenses gewesen. Jener habe nur sein Recht als Princeps genutzt, mit derAdoption als erster so zuhandeln, wie es ohnehin im Sinne von Senat undVolk gewesen sei; ja, sogar im Sinne aller Menschen überhaupt.16 Die Rolle Nervas tritt hier also nicht nur hinter göttlichen Willen undtraianische Tatkraft zurück, sondern zudem noch hinter die konsensuale Entscheidung der Bürgerschaft. Doch dieses Motiv der Einmütigkeit besitzt nicht 16 Plin.paneg.10.2: Adhoc audiebas illud, illa electio fuit. hiermit Tac.hist.1.16.
senatus populique consensum: nonunius Nervae iudicium Namqui ubique sunt homines, hoc idem votis expetebant. –Vergleiche
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erst imPanegyricus beträchtliche Relevanz in derHerrschaftsdarstellung Traians. Tatsächlich ist es schon in demGlückwunschschreiben des Plinius vomJanuar 98 angedeutet, allerdings noch nicht derart explizit. In demBrief spricht der Senator dem Kaiser seine Wünsche et privatim et publice aus. Wie müssen diese Worte als Privatperson und in öffentlicher Funktion/ übersetzt werden? Bedeuten sie, „ , nämlich als Ärarpräfekt; ein Amt, das von Traian undNerva geals Amtsträger“ meinsam an Plinius verliehen worden war?17 Oder muss vielmehr übersetzt wer? den, „ in meinem Namen undimNamen derBürgerschaft“ Zueiner Entscheidung gelangt man, wenn mandie Verwendungsbedingungen des Wortpaares vonprivatus undpublicus imWerk des Plinius betrachtet. Es wird deutlich, dass der Autor in den Referenzstellen mit dieser Phrase jeweils seine persönliche Freude ausdrückt, die er selbst angesichts der Tugenden jener dort von ihm gelobten Männer empfinde.18 Zugleich betont erjeweils aber auch seine Freude über denhervorragenden Zustand eines solchen Staates, in demdiese Tugenden hätten heranreifen können undzu dessen Nutzen sie nungebraucht würden. In eben diesem Sinne verwendet Plinius diese Formel auch hier. Er spricht also demKaiser seine Wünsche in eigenem Namen aus, im Namen der Bürgerschaft undzumNutzen der Bürgerschaft. Hieran wird zugleich deutlich, dass der Brief nicht etwa aus einer Verpflichtung resultierte, demKaiser zu schreiben, die Plinius womöglich aus seinem Amt entstanden wäre. Auch lässt sich aus dem publice nicht schließen, dass es sich bei demvorliegenden Schreiben womöglich umdie offizielle undinitiale Kontaktaufnahme des Senates mit demKaiser durch eines seiner Mitglieder gehandelt habe. Statt dessen wardieser Brief ein persönliches Schreiben, das für Plinius denKontakt mit demneuen Kaiser herstellen sollte, undes wird sogleich deutlich werden, dass Plinius sich erhoffte, Traian werde die anihmgelobten Tugenden nunauch zumNutzen des Senators einsetzen. Mit diesem semantischen Gehalt des publice, dem Gedanken nämlich, dass die Tugenden des Kaisers das Wohl des Staates befördern mögen, korrespondiert die angefügte Gebetsformel der Epistel “ Precor ergo ut tibi et per te generi humano prospera omnia, id est digna saeculo tuo contingant” . Im Brief des Plinius ist Traian also nicht allein als derNutznießer dieser Gebete an die Götter bezeichnet, dass ihmalles zumGlück gereichen möge. Traian ist auch derVermittler die-
ses Glückes für die gesamte Menschheit. Die Distribution der prospera omnia
17 Plin.ep.10.3.1. 18 Während es bei Tacitus Passagen gibt, in denen die Dichotomie vonprivatus undpublicus tatsächlich denAmtslosen unddenAmtsträger bezeichnet (siehe etwa hist.4.4.1), ist dies im Werk des Plinius anders. SHERWIN-WHITE 1966, ad loc. weist für die Stellen Plin.ep.2.7.6 und5.14.6 auf eben diesen semantischen Gehalt der Formulierung hin: In diesen Briefen ist jeweils ein Freund des Plinius in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gestellt. Derjunge Cottius erhält eine öffentliche Statue, undCornutus Tertullus wird mitderCura der ViaAemilia betraut. In diesen Briefen drückt Plinius aus, gerade wegen der vonihmgelobten Vorzüge der Freund dieser Männer zu sein, unddass er sich freue, dass diese Tugenden nun auch zur Zierde undzum Nutzen des Staates öffentliche Ehrung und Anerkennung fänden. Plinius drückt daher mit der Formulierung privatim et publice neben seinem persönlichen Glück auch seine Freude über denhervorragenden Zustand eines solchen Staats aus, dersich mitdiesen Tugenden schmücken könne.
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erfolge demnach nicht mehr vondenGöttern direkt zudenMenschen hin, sondern nur noch über den Kaiser. Das Ideologem von der Position des Kaisers als des alleinigen Vermittlers des Wohlergehens an die Menschheit war bereits unter Domitian in derrömischen Herrschaftsdarstellung etabliert worden.19 Insofern war der Gedanke im Jahre 98 nicht neu. Doch bemerkenswert ist immerhin, dass bereits unmittelbar am Anfang des traianischen Principats Plinius dieses Ideologem zumZentrum seines Glückwunschschreibens machte. Schließlich gehörte die demonstrative Abgrenzung vomBild des ‚Pessimus Princeps‘Domitians seit 98 zur Herrschaftsdarstellung Traians. Doch eine Distanzierung vom domitianischen Regierungsverständnis ist in diesem Zeugnis nicht zuerkennen.20 Schien Plinius sich also bereits unmittelbar zuBeginn der Herrschaft Traians sicher sein zu dürfen, mit der Überhöhung des Herrschers zu einem Mittler zwischen dergöttlichen unddermenschlichen Sphäre denrichtigen Ton getroffen zu haben? Woher konnte er wissen, dass Traian mit derPraxis Nervas brechen wollte, uman dengeschmähten Domitian anzuknüpfen undsich als notwendiger Vermittler der Salus zwischen Göttern undMenschen zustilisieren? Die Frage ist, ob ein römischer Senator, dem es verwehrt war, zum Mitregenten und somit zum designierten Nachfolger nach Germanien zu reisen, doch die Möglichkeit besaß, über jene Ideologeme informiert zu sein, deren Verbreitung der spätere Kaiser sich wünschen würde. Umdiese Frage zubeantworten, ließe sich etwa annehmen,
19 Siehe SCHWARTE 1977 miteiner ausführlichen Behandlung dieser historischen Entwicklung. 20 Zumindest ist diese Distanzierung hier nicht explizit gemacht. Doch schon im zweiten Brief (ep.10.2), den Plinius Mitte 98 an den Kaiser richtete undder unten ausführlich behandelt werden wird, kontrastiert derAutor die beiden Principate Domitians undTraians miteinander. Die domitianische Vergangenheit wird dort als tristissimum saeculum bezeichnet. In 10.1 bezieht sich Plinius aber auch auf dassaeculum Traians. Bereits imPrincipat Nervas wardieses Schlagwort benutzt worden, umeinen Kontrast zur domitianischen Herrschaft zu evozieren. DasWort besitzt in diesen Fällen die Konnotation eines gegenwärtigen Zustands desGlückes, der sich mit einer längst vergangenen Vergangenheit messen könne, einem chronologisch nicht weiter spezifizierten antiquitus; siehe etwa ep.2.1.6; 7.33.9; vergleiche ep.10.3a.2, pa-
neg.6.1; 18.1; 46.4. So scheint saeculum bereits unter Nerva denCharakter eines politischen Schlagwortes gehabt zu haben, welches die gegenwärtige Situation bezeichnete, diese mit der unmittelbaren Ver-
gangenheit kontrastierte und an ein fern zurückliegendes Zeitalter der Tugenden anknüpfte und sich mit diesem vergleichen ließ. Vergleiche aber auch Plin.ep.4.15.3, 8; 5.17.6, wo durchaus negative Eigenschaften des gegenwärtigen saeculum aufgeführt sind. Diese müssten jedoch beseitigt werden, fordert Plinius. Es lässt sich also argumentieren, dass saeculum durchaus einen gegenwärtigen Zustand darstellt, der aber vom Ideal eben durch einige Schwächen immer noch entfernt ist. Diese Erkenntnisse werden bestätigt vondemGebrauch desWortes imAgricola desTacitus; Agr.3.1: „Nunc demum redit animus; sed quamquam primo statim beatissimi saeculi ortu Nerva Caesar res olim dissociabiles miscuerit, principatum ac libertatem, ...” Auchhier wird der Schlagwortcharakter vonsaeculum deutlich, das denBeginn des Principats Nervas in seiner Abgrenzung von der Herrschaft Domitians kennzeichnet und das dabei an eine vordomitianische Vergangenheit wieder anknüpft. Hiermit aber, unddaswird im Werk des Tacitus deutlich, wird keineswegs die Zeit der bisherigen Principes bezeichnet, sondern ein Zustand, der vomAutor in keiner konkreten Vergangenheit verortet undauch nicht weiter defi-
niert wird.
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dass Traian bereits während derZeit, diezwischen seiner Adoption unddemTode Nervas lag, von der Rheingrenze aus in Rom die Grundzüge seiner Herrschaftsauffassung hatte verbreiten lassen.21 Man könnte vermuten, dass Plinius nur auf diesem Umweg über Dritte undbesser Eingeweihte habe erfahren können, welche Position derzukünftige Kaiser für sich in derOrdnung vonMenschen undGöttern vorgesehen habe, wie er zudemgeschmähten Flavier stehen würde undwie er mit demAndenken an seinen Adoptivvater undThronvorgänger Nerva umgehen wür-
de.
Um diese Fragen angemessen beantworten zu können, müssen wir zunächst ein wenig in spätere Jahre ausgreifen. Dann lässt sich nämlich feststellen, dass Plinius auch nach Jahren des traianischen Principats noch keineswegs genau mit den Inhalten dertraianischen Herrschaftsdarstellung undderen exakten Formulierungen vertraut war, die ein Senator an den Herrscher zu richten hatte. Dies zeigt seine Unsicherheit der Wortwahl in jenen Schreiben an den Kaiser, die aus den Jahren 111 bis 113 stammen.22 Während seiner Legatur in Bithynien sandte Plinius anlässlich von Jubiläen und feierlichen Gelegenheiten eine Reihe von Briefen an Traian. Die kaiserliche Kanzlei reagierte auf diese Briefe mit Dankesschreiben undwiederholte darin jeweils noch einmal die Grußworte des Legaten –doch nicht ohne die ursprünglichen Formulierungen ihres Absenders leicht zu verändern. Dies bedeutete aber in allen Fällen eine erhebliche Modifizierung der Aussage. DieKanzlei verbesserte denSenator also. Was auf den ersten Blick wie bloße formelhafte Glückwunschadressen eines Legaten zumJahreswechsel, zumDies Imperii oder zumGeburtstag des Kaisers aussehen mag, waren Teile einer diffizilen Kommunikation zwischen dem Princeps undseinem Statthalter. Der Kaiser legte offensichtlich großen Wert darauf, dass ganz bestimmte Formulierungen unddie ihnen zugrunde liegenden Ideologeme vom Legaten exakt wiedergegeben wurden. Und so überrascht es nicht, dass Plinius bei derjeweils nächsten Gelegenheit die Verbesserungen berücksichtigte unddie korrekte Formulierung verwandte, welche die kaiserliche Kanzlei in ihrer vorangegangenen Replik gebraucht hatte.23 Doch wenn Plinius auch nach 21 Zum einen
konnte er sich seiner Position und der zu erwartenden Thronfolge sicher sein. Außerdem ging Nervas Tod eine Krankheit voraus, so dass hier für Traian die Möglichkeit bestand, rechtzeitig die eigenen Wünsche bezüglich seiner Herrschaftsdarstellung zu verbrei-
ten.
22 Siehe etwa die Briefpaare 10.35f.; 52f.; 88f.; 100f.; 102f. 23 Zur Illustration sei hier nur eines der Beispiele genannt: In 10.35 berichtet Plinius von den feierlichen Gelübden für das Wohlergehen des Kaisers, die er eingelöst habe. Die Kanzlei schreibt in 10.36 zurück, der Kaiser freue sich über die Gelübde, die Plinius zusammen mit denProvinzbewohnern eingelöst habe. Ein Jahr später, in 10.100, schreibt Plinius erneut von den eingelösten Gelübden. Doch diesmal hebt er ausdrücklich den Anteil der Provinzialen hervor. Dass Plinius bewusst die falschen Formulierungen wählte, umbestimmten Ideologemen seine Akzeptanz zu verweigern, muss ausgeschlossen werden. Immerhin verbesserte er die mangelhaften Aussagen bei dernächsten Gelegenheit. –Siehe hierzu auch imKapitel zumPanegyricus denAbschnitt 3.2 „ milites nihil a plebe tranquillitate differebant –Die Heimkehr“
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vierzehn Jahren der Regierung des Optimus Princeps noch nicht völlig vertraut war mit den Formulierungen und Ideologemen des traianischen Principats, wie sollte er dann schon in seinem ersten Brief an den neuen Kaiser genau den gewünschten Tongetroffen haben? Wir sollten unszunächst einige Gedanken zur kommunikativen Funktion solcher Schreiben machen. Diese ArtdesBriefwechsels, wieer nicht nurvonPlinius, sondern von allen Statthaltern mit demPrinceps geführt wurde, war ein Medium der Rückversicherung bei der Konstruktion der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung. Wie gerade anhand der Briefe aus Bithynien deutlich wird, sah der Kaiser, welche Bestandteile seiner Herrschaftsdarstellung von den Senatoren aufgenommenundwiedergegeben wurden. Indem der Legat seinerseits in seinen nächsten Schreiben die Verbesserungen derkaiserlichen Kanzlei berücksichtigte, konnte er von Mal zu Mal seine zunehmende Vertrautheit mit der imperialen Ideologie nachweisen und seine Bereitschaft demonstrieren, diese in der vom Kaiser gewünschten Version wiederzugeben. Der Legat vermochte auf diese Weise dem Princeps seine Akzeptanz dieser herrscherlichen Ideologeme zu signalisieren und letztlich seine Akzeptanz desKaisers überhaupt. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass diese Ideologeme kein starres und unveränderliches Gefüge bildeten. Auch sie konnten denpolitischen Gegebenheiten undNotwendigkeiten angepasst werden. Wenn etwa ein großer Sieg errungen worden war, konnte dieser zu einem zusätzlichen undfesten Bestandteil der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung werden. Wenn andererseits seit langer Zeit kein großer Sieg mehr errungen worden war, bestand auch in diesem Falle die Möglichkeit, die kaiserliche Imago anzupassen. Der Princeps konnte sich dann etwa als derart grundsätzlich sieghaft darstellen lassen, dass erst gar kein Feind es wage, den Kampf mit ihm aufzunehmen. Beide Fälle, die intensive Prononcierung eines konkreten errungenen Sieges unddie Betonung dergrundsätzlichen Sieghaftigkeit bei ausbleibenden Erfolgen, können wirimPrincipat Traians beobachten.24 Gerade die Regelmäßigkeit der kaiserlich-senatorischen Kommunikation bot zahlreiche Gelegenheiten zu solchen Modifikationen der Herrschaftsdarstellung. Dadurch, dass derKaiser imLaufe eines Jahres mitjedem seiner Statthalter mehrere Schreiben wechselte, konnten Veränderungen undAkzentverschiebungen der herrscherlichen Ideologie schrittweise in die kaiserlich-senatorische Kommunikation eingebracht werden. Doch der Schriftwechsel des Princeps mit den Legaten war nur ein Segment dieser Kommunikation, eben nur die Verständigung mit den aus Rom Abwesenden. Ein viel größeres Gewicht besaßen all jene regelmäßig stattfindenden Gelegenheiten, bei denen die Senatoren undder Kaiser sich unmittelbar miteinander verständigten, wenn etwa der Kaiser im Senat auftrat, wenn er zum Gastmahl geladen hatte oder eingeladen war, oder wenn ein Vertreter der Senatorenschaft die herrscherlichen Ideologeme systematisiert in einem periodisch wiederkehrenden Ritual wiedergab, derGratiarum Actio.
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Hierauf undauf das Folgende wird ausführlich Panegyricus eingegangen werden.
in den Kapiteln zumTraiansforum undzum
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Bei diesen Gelegenheiten erhielten die Senatoren nicht allein Einblick in den Willen des Kaisers. Auch wardie Kommunikation nicht allein darauf beschränkt, dass die Senatoren ihre Akzeptanz oder Ablehnung bestimmter Konzepte signalisierten. Die Mitglieder des Gremiums konnten auch vonsich ausdemKaiser Ideologeme oder Handlungsweisen präsentieren und empfehlen, welche dieser in seiner Herrschaftsdarstellung stärker hervorheben solle undvondenen sie hofften, der Princeps werde sie gutheißen. Ein Großteil der Herrschaftsdarstellung konstituierte sich also bei zahlreichen Gelegenheiten in der regelmäßig stattfindenden Kommunikation mit demSenat. Diese Art der Verständigung botjeder Seite die Möglichkeit, auf die Wünsche der anderen Seite einzugehen undseinerseits die eigenen Wünsche zu präsentieren, um wiederum deren Akzeptanz bestätigt zu sehen. Damit jedoch die Absichten des Princeps gerade unmittelbar am Anfang seiner Regierung denSenatoren transparent erscheinen konnten, wares nötig, dass der kommunikative Austausch des Kaisers mit dem Gesamtsenat ungehindert funktionierte. Ein Regierungsantritt war der Zeitpunkt, programmatische Reden zu halten und die gegenseitigen Erwartungen zu formulieren, den Kaiser seiner Akzeptanz unddie Senatoren ihres Status zuversichern. Doch all dies konnte wegenderkaiserlichen Abwesenheit Ende Januar 98 noch nicht derFall sein. Wir wollen nun wieder zu der Frage zurückkehren, ob Plinius in seinem Brief, den er unmittelbar am Anfang der traianischen Regierung geschrieben hatte, mit den Bestandteilen der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung und den traianischen Imagines vertraut war. Nach den vorangegangenen Betrachtungen wird deutlich, dass er es wohl nicht war. Vielmehr offenbart derBrief, wie diese erste Kontaktaufnahme eines Senators mit seinem neuen Herrscher in den beschriebenen Mechanismus der kaiserlich-senatorischen Kommunikation einzuordnen ist, und wie die kaiserliche Abwesenheit diesem Vorgang eigene Regeln aufzwang. Im senatorischen Wettlauf um die Gunst des Kaisers war auch Plinius gezwungen, von sich aus sofort denKontakt zumneuen Herrscher herzustellen undihn seiner Loyalität undseiner Akzeptanz zuversichern. Er musste ein gutes Verhältnis zum Herrscher aufbauen, welches ihm unter den konkurrierenden Standesgenossen Vorteile für seine öffentliche Person verschaffen sollte, zumindest aber gleichwertige Ausgangschancen, denn diese Kommunikation nicht zu suchen, bedeutete Selektionsnachteile. Doch welche Argumente für diesen Zweck am dienlichsten erschienen, war nicht klar. Der Princeps hatte bislang noch keine programmatische Rede gehalten, er hatte noch keinen Brief an den Gesamtsenat geschrieben und war auch noch nicht mit dem Gremium zusammengekommen, wodurch seine Absichten und seine Anforderungen an die Senatoren im persönlichen Umgang mit ihmvonjenen hätten erforscht werden können. So erklärt sich, dass Plinius unterschiedliche Versionen dertraianischen Herrschaftsbegründung miteinander verwoben darstellt. Er weiß schlichtweg nicht genau, welcher Strategie er deutlichen Vorzug geben müsse: der Adoption, einer göttlichen Erwählung oder dem Konsens von Senat und Populus. Daher macht Plinius sie alle zum Bestandteil seines Briefes. Doch er entscheidet sich auch, wenn er alle diese Strategien auf die Person des Kaisers selbst zurückführt. Denn
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allein die Taten und Tugenden Traians, pointiert Plinius, hätten Nerva, Senat, Volk undGötter erkennen lassen, wer der wahre Herrscher sei undwer in dieser Rolle nur noch offiziell hätte bestätigt werden müssen. Letztlich stellt Plinius das Wesen Traians selbst als dessen wirksamste Herrschaftsbegründung dar. Doch es waren nicht allein diese vier Strategien, welche Plinius in seinem Schreiben miteinander verwob. Darüber hinaus ging der Senator an zwei Stellen seines kurzen Schreibens auch auf die Relevanz des Heeres für die Herrschaft undden Regierungsantritt des Princeps ein, auf seine militärische Imago undauf Traians aktuellen Aufenthalt im Kreise seiner Truppen. Dies tat Plinius, indem er Traian mit Imperator anredete, undindem er seinem Kaiser spezifische Wünsche aussprach, die wirimFolgenden betrachten wollen. In nurdrei Briefen, die Plinius vor seiner bithynischen Mission an denKaiser richtete, nennt er Traian nicht Dominus, sondern Imperator.25 Für unseren Brief, die erste Kontaktaufnahme mit dem neuen Kaiser vom Ende Januar 98, wurde dies damit erklärt, dass die Akklamation Traians zum Imperator erst kurz zuvor erfolgt sei.26 Doch das stimmt nicht. Die erste imperatorische Akklamation Traians lag zumZeitpunkt dieser Epistel bereits mehrere Monate zurück, denn sie war bei seiner Adoption erfolgt. Nerva hatte Ende Oktober 97 dieMitteilung vomSieg des Pompeius Longinus in Pannonien empfangen. Daraufhin legte der Kaiser im Iuppitertempel einen Lorbeer nieder undnutzte diesen Anlass zugleich, umseine Adoption des Ulpius Traianus bekannt zu machen.27 Anlässlich eben dieses pannonischen Sieges hatten Nerva undsein soeben ernannter Caesar unddesignierter Nachfolger Traian jeweils denSiegerbeinamen Germanicus unddenImperatorentitel angenommen. Bereits seit diesem Datum hatte sich der künftige Princeps Imperator Caesar Nerva Traianus genannt.28 Im Januar 98 nach demTode Nervas aber hatte Traian bei seiner Übernahme der Alleinherrschaft keine weitere Imperatorenakklamation angenommen. Unmittelbar situativ bedingt war die Anrede Traians als Imperator also nicht. Warum nannte Plinius den Kaiser dennoch so und nicht Dominus wie in fast allen anderen Schreiben? War dies auch nur ein Versehen, dader Senator mit denFormeln der Kommunikation unter Traian noch nicht vollends vertraut sein konnte? Ein Blick aufeinen Brief ausdemJahre 102, einen jener beiden anderen Briefe, in denen Traian von Plinius als Imperator tituliert wird, zeigt deutlich, dass der Senator sich in diesem Fall mit seiner Anrede auf die unmittelbar davor erfolgte dritte Imperatorenakklamation des Princeps im ersten Dakischen Krieg bezieht. Der Brief ist ein Glückwunschschreiben für diesen Sieg.29 Die Nennung des Imperatorennamens ist hier also situativ bedingt undresultiert deutlich aus demmilitärischen Kontext. Doch in jener Zeit, in welcher Plinius seinen ersten Brief an 25 Dies sind die Briefe 10.1, 10.4, 10.14. 26 SHERWIN-WHITE 1966, ad loc. –In der Folge scheint sich niemand mehr umeine Lösung dieses Problems bemüht zuhaben. 27 Plin.paneg.8.2f.; Cassius Dio68.3.4. 28 KIENAST 1996, 123. 29 Plin.ep.10.14. –Zu den Hintergründen der Anrede Imperator im Brief 10.4 siehe den Ab. indulgentiam tuam plenissimam experior“ Plinius tritt als Patron auf – schnitt 11 „
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Traian verfasste, hatte der Princeps noch keinen militärischen Sieg errungen. Ein vorangegangener militärischer Erfolg war demnach auch nicht der Grund für die Imperatoren-Anrede. Nun sahen wir jedoch, wie wichtig es für den Kaiser war, seine bislang nicht konkret nachgewiesene militärische Imago durch einen Sieg zu konkretisieren. Einzig zu diesem Zweck warTraian noch immer nicht nach Rom gekommen. Allein deswegen hielt er sich auch nach seiner Adoption weiterhin an derNordgrenze desReiches auf. Wenn also der Senator Traian Imperator nannte, ohne dass es eine aktuelle Notwendigkeit dazu gegeben hätte, akzentuierte er mit dieser Anrede die militärische Imago desKaisers. Er signalisierte, die Bemühungen Traians ummilitärische Reputation erkannt zu haben und dies, sowie den Kaiser selbst, zu akzeptieren. Zugleich beinhaltet die Affirmation aber auch ein Fordern. Denn Plinius macht mit seiner Betonung des militärischen Erfolges auch deutlich, dass in seinen Augen der Princeps durchaus nicht nach einer solchen konkreten Umsetzung seiner grundsätzlichen Sieghaftigkeit zu streben brauche. Er erkenne Traian als militärisch leistungsfähigen Herrscher an. Die affirmative Anrede beinhaltet also auch, derKaiser möge nicht länger militärischen Ruhm amRhein suchen, sondern solle zurückkehren. Bei dieser Betonung des militärischen Elements ist nun aber auffällig, dass der Senator Traians Tatkraft nicht als ein aktives Drängen oder gar militärisches Streben nach derHerrschaft darstellt.30 Stattdessen entpersonalisiert Plinius dessen Engagement bei der Nachfolge. Denn nicht Traian, sondern seine Pietas habe Nerva möglichst spät erst nachfolgen wollen.31 Auch hätten die Götter nicht ihn, sondern vielmehr seine Tugenden an das Ruder des Staates berufen. Auf diese Weise vermeidet Plinius jede Formulierung, die denEindruck hätte entstehen lassenkönnen, Traian habe aktiv auf denThron gedrängt. Wenn Plinius dann wieder vonTraian als aktiv handelnder Person spricht, geht es darum, dass dieser dieRes Publica schon vor derAdoption in seine Obhut genommen habe. Plinius skizziert in seinem ersten Brief an denneuen Kaiser Traian nicht einen nach derHerrschaft drängenden Nachfolger, sondern den längst schon von Göttern und Menschen auserwählten Retter des Staates. Mit Bedacht wählt derSenator hier dasVerb suscipere in den Worten ...res publica, quam susceperas...; ein Wort, welches bei Plinius die Übernahme einer verantwortungsvollen Aufgabe bezeichnet.32 Der
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Plinius bietet andieser Stelle keinen Hinweis darauf, dass sich Traians Herrschaft in besonderemMaße auf seine Legionen stützte. So führt erTraians Principat neben Adoption, göttlicher Erwählung undpersönlichen Tugenden auf den Konsens allein von Senat undVolk zurück. Zwar wardie Zustimmung desHeeres unverzichtbar fürdie Stabilität derHerrschaft, unddas Militär war eine jener drei Gruppen, die für das Akzeptanzsystem maßgeblich waren, doch wird dies vonPlinius hier nicht reflektiert. Diese Auslassung entspringt einer spezifisch senatorischen Sichtweise vomVerhältnis des Kaisers zudenTruppen, auf die ich in denKapiteln über denPanegyricus unddasTraiansforum ausführlich eingehen werde. 31 Plin.ep.10.1.1: Tua quidem pietas, imperator sanctissime, optaverat, ut quam tardissime succederes patri; seddi immortales festinaverunt virtutes tuas adgubemacula rei publicae quam susceperas admovere.
32 Siehe für diesen semantischen Gehalt des Verbs im Werk des Plinius die zahlreichen Belegstellen bei JACQUES/VAN OOTEGHEM 1966, 865f., s.v. suscipere.
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Senator stellt in seinem Brief also nicht Traians vorangegangenen Druck auf Nerva in den Vordergrund, sondern einen Princeps, der mit demGemeinwesen eine große Verantwortung auf sich geladen habe, und damit jene Imago Traians als eines väterlichen Fürsorgers derRes Publica. Vor diesem Hintergrund muss auch die spezifische Auswahl derpersönlichen Wünsche des Plinius betrachtet werden. Von ihnen hatten wir bisher nur allgemein gesprochen. Der Senator beendet seinen Brief, indem er dem Herrscher et privatim et publice wünscht, jener mögefortis und hilaris sein. Wie wir sahen, drückt Plinius mit der Formel et privatim et publice aus, dassfortitudo undhilaritas des Kaisers und die daraus resultierenden Taten und Tugenden zum Nutzen des Gemeinwohls undzu demdes Plinius selbst wirken mögen. Welche Bedeutung besaßen aber diese beiden Eigenschaften, dass Plinius gerade sie auswählte, umseine Kontaktaufnahme mitdemneuen Kaiser damit zubeginnen? Zunächst muss festgestellt werden, dass sie nicht die einzigen tugendhaften Eigenschaften sind, die Plinius in diesem Brief Traian zuschreibt. Er lobt außerdemexplizit dessen Pietas, nennt ihn sanctissimus undoptimus33 undmisst Traians väterlicher Fürsorge für die Res Publica unddas ganze genus humanum große Bedeutung bei. Insgesamt, schreibt Plinius, habe die Summe seiner virtutes Traian ans Ruder des Staates gebracht. Trotzdem nehmen unter diesen Eigenschaften fortitudo undhilaritas eine besondere Position ein, daPlinius sie als seine persönlichen Wünsche kennzeichnet undsie als Konstituenten gerade auch des Gemeinwohls darstellt. Nun sind die Gebrauchsbedingungen vonfortis undfortitudo in jenen Segmenten des Plinius-Werkes recht eindeutig, in welchen der Autor sich unmittelbar an den Kaiser richtet, also im zehnten Buch der Briefe undim Panegyricus:34 Mit diesen Worten wird militärische Leistungskraft bezeichnet.35 Die
33 Zumsemantischen
Gehalt der Bezeichnung Optimus Princeps siehe ausführlich im Kapitel zumPanegyricus denAbschnitt 2.2.3 „illud additum a nobis Optimi cognomen –Koordinaten
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. einer Herleitung“ Damit ist nicht gesagt, dass fürfortis in den ersten neun Briefbüchern, die aufgrund ihrer Veröffentlichung ebenfalls einen öffentlichen Charakter besaßen, nicht andere Gebrauchsbedingungen vorherrschen. (Hier bedeutet es in erster Linie das beharrliche Festhalten an einer Sache oder Geisteshaltung; vergleiche JACQUES/VAN OOTEGHEM 1966, 340, s.v. fortis, fortitudo.) Doch gehören diese Darstellungen imGewand einer privaten Korrespondenz, die von vorneherein mit Publikationsabsicht geschrieben worden waren, zu einem ganz anderen kommunikativen Register als der Brief 10.1, der ein direkter Kontakt zwischen Senator und Kaiser war. Daher müssen wir, umdie Bedeutung vonfortis analysieren zu können, uns an jene Teile des Werkes von Plinius halten, dessen Rahmenbedingungen denjenigen der offiziellen Kommunikation desBriefes 10.1 amnächsten kommen. Plin.paneg.2.6: derpopulus Romanus nenne Traian denfortissimum principem; 3.4: fortitudo als Gegensatz von timor; 9.2: Traian habe einfortissimum exercitum geführt; 15.5: Traian kenne diefortia facta seiner Soldaten; 16.2, 3: Traians fortitudo halte seine Feinde voneinem Kampf mit ihmab; 60.5: besondere Gefährten Traians, bene ac fortiter in toga meriti, erhielten dafür den dritten Consulat, der früher nur für außergewöhnliche Waffengefährten üblich gewesen war; 91.1: Plinius nennt Traian optime principum, fortissime imperatorum!; ep.10.88: In seinem Schreiben zumGeburtstag Traians, wünscht Plinius diesem, er möge aeternaque laude florentem virtutis tuae gloriam...quam incolumis etfortis aliis super alia operibus vermehren. Dies schrieb Plinius im Jahre 112, demJahr, in welchem die Monumentali-
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Gebrauchsbedingungen für hilaritas weisen auf eine semantische Komponente des Wortes hin, welche Gelassenheit undHeiterkeit unter widrigen Umständen beinhaltet und das Bewusstsein, nicht in irgendeiner Weise gefährdet zu sein.36 Dabei fällt auf, dass Plinius auch an anderen Stellen seines Werkes die Worte hilaritas undsecuritas gemeinsam verwendet.37 Doch wir wollen unsere Untersuchung des Aussagegehaltes dieses Briefes nicht mit der Feststellung beenden, Plinius wünsche also mit seinen Worten dem Princeps Erfolg in militärischen Dingen und eine unbekümmerte Gelassenheit beim Regieren in schwierigen Umständen.38 Im Sinne unserer bisherigen Beobachtungen zu denMechanismen undFunktionsweisen der Kommunikation zwische Kaiser und Senatoren müssen wir weiter präzisieren: Indem Plinius seine Hoffnung ausdrückte, Traian möge militärischen Erfolg haben, signalisierte er, es vorab zuakzeptieren, falls derKaiser in Zukunft militärischen Ruhm anstrebe und dies zum Gegenstand seiner Herrschaftsdarstellung machen wolle. Undeben danach konnte es für den stadtrömischen Betrachter aussehen. Denn nach seiner Adoption war der Caesar nicht nach Rom zurückgekehrt, sondern war in Germanien geblieben. Dort stand Traian nunmit starken Militärverbänden unter seinem Kommando. Domitian hatte vorgeführt, in welchem Maße die Herrschaftsdarstellung eines römischen Kaisers in Kriegen andieser Grenze desReiches anmilitärischem Profil gewinnen konnte. In der Tradition seines Vaters undBruders hatte der letzte Flavier der Politik des Principats undallen seinen Nachfolgern an der Spitze des Staates eine Bürde auferlegt; denZugzwang, militärische Erfolge ebenso intensiv zuprononcieren, wie er dies getan hatte.39
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sierung der Dakerkriege im Traiansforum Ausdruck fand. –Ausnahmen von diesem Bedeutungsgehalt sind einzig die Stellen paneg.36.4 und86.5. Hier wird das Wort benutzt, umdas beharrliche Festhalten aneiner Geisteshaltung zubezeichnen. Plin.ep.6.12.12: derältere Plinius speist vorseinem Ende in Gelassenheit, während derVesuv ausbricht; 8.11.2: Heiterkeit nach schwerer Krankheit; 8.19.2: Gefasstheit trotz der schweren Krankheit der Ehefrau unddes Todes einiger Sklaven; 4.1.17: Heiterkeit nach sehnsuchtsvollemWarten; 6.8.7: die Heiterkeit eines anderen hebt die gedrückte Stimmung desPlinius. Plin.paneg.4.6: Traians securitas werde durch seine hilaritas nicht verringert; 48.1: Traians Besucher seien securi et hilares; ep.6.30.1: cura unddiligentia ermöglichen dasFeiern in seund hilaritas; 1.15.4: nirgends lasse sich hilarius simplicius incautius speisen als bei Plinius. Nicht in dieses Schema fügen sich Plin.ep.2.17.5. und 5.6.25. Hier werden im Rahmen der beiden Villenbriefe ein Innenhof undein Zimmer unter anderem mit diesem Wort beschrieben. Nurscheinbar ausdemSchema fällt hingegen 3.18.10. Hier werden einige Passagen des Panegyricus als hilarius bezeichnet. Im Kapitel zumPanegyricus wird gezeigt werden, dass dieses, sich zunächst vermeintlich allein auf den Stil beziehende, Kriterium tatsächlich aber auch die imPanegyricus vorgetragene Materie bezeichnet, eine Beschreibung despolitischen Zustands. Die gängigen Übersetzungen erfassen den Bedeutungsinhalt dieses überaus wichtigen programmatischen Schreibens überhaupt nicht. KRENKEL 1984 lässt Plinius „ Gesundheit und Frohsinn“wünschen, GIEBEL 1998 übersetzt „ Bleibe gesund und guten Mutes“ . SHERWINWHITE 1966, adloc. nimmt keine gesonderte Notiz vomInhalt derWünsche. Dies wird ausführlich behandelt werden im Abschnitt 8.1 „ Die Notwendigkeit einer militärischen Imago“ . curitas
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Plinius wünschte in seinem Brief also nur etwas, wovon er gemäß seiner Erfahrung mit bisherigen Principes und aufgrund des gegenwärtigen Verhaltens Traians annehmen konnte, dass es demKaiser genehm sein werde unddass er nach dessen Einlösung streben werde. Plinius war sich Ende Januar 98 bei der Abfassung seines Briefes offenbar sicher, dass der Kaiser die Konkretisierung seiner militärischen Imago anstrebte, so dass er dies zumMittelpunkt seiner geäußerten Wünsche machen konnte. Das traianische Verhalten bot immerhin Anlass zu der Vermutung, dass in Kürze ein Angriffskrieg beginnen werde. Daneben bekräftigte Plinius denneuen Kaiser in dessen Akzeptanz. Traians überragende Tugenden hätten ihn den Staat retten lassen und ihn dann konsequent zum Kaiser gemacht. Der Senator beschrieb den Konsens von Senat, Volk undGöttern, aufgrund dessen Traian auf denThron gelangt sei unddessen er sich auch in derFerne sicher sein könne. Die widrigen Umstände seines Herrschaftsantritts und die Schwierigkeiten eines Regierens in Abwesenheit sollten Traian jedenfalls nicht daran zweifeln lassen, dass er in Rom große Akzeptanz genieße. Dies war die Aussage derWünsche, derPrinceps mögefortis undhilaris sein. Der Kaiser wiederum konnte ausdenBriefen, die zuBeginn seiner Herrschaft bei ihm eintrafen, erkennen, welche Optionen seines eigenen Handelns die Senatoren sahen undwie sie diese bewerteten. Demneuen Princeps wurde so vor Augen geführt, auf welche Facetten seiner Imago die Senatoren mit emphatischer Zustimmung reagierten. Insofern konstituierte sich daskaiserliche Handeln immer auch entlang der senatorischen Wünsche und Erwartungen, die aber ihrerseits schon mit der Absicht formuliert waren, dass der Princeps sie gutheißen oder zumindest in Erwägung ziehen werde. In dieser Form der Kommunikation, in der die Ansprüche undReaktionen beider Seiten einander durchdrangen undbeeinflussten, stellte sich der einzelne Senator als loyaler Civis dar, undder Kaiser agierte als Guter Princeps, der die Wünsche seiner Untertanen respektiere. Es entsprach demBild eines solchen Guten Princeps, auf diese Angebote zur Kommunikation einzugehen unddie ihmbezeugte Loyalität zuhonorieren. Welche Manifestationen seiner Huld der Herrscher gab, stand ihm dabei frei. Da er in diesen ersten Wochen seiner Herrschaft zahlreiche Akzeptanzbekundungen zurKenntnis zu nehmen hatte undzahlreiche Schreiben zu beantworten waren, musste Traian sich gut überlegen, welche reziproken Gesten er wählte und in welcher feinen Abstufung er sie gewährte. Plinius zumindest sollte bald schon erkennen können, dass er die Gunst des Princeps in einem nicht geringen Maße besaß.40
40 Siehe hierzu in diesem Kapitel denAbschnitt 7 „Plinius bedankt sich –initia felicissimi prin. cipatus“
5. PROVIDENTIA SENATUS
VON WEMERHIELT DER KAISER SEINE HERRSCHAFT?
Nicht allein die Titulatur des Kaisers wurde auf seinen Einspruch hin modifiziert. Der neue Herrscher musste zudem an den Rückseiten-Darstellungen der ersten Emissionen gravierende Änderungen vornehmen lassen. Die programmatischen Aussagen, welche die römische Münzstätte als Ausdruck der noch jungen Regierung Traians herausgegeben hatte, mussten korrigiert werden. Es ging um die bildliche Darstellung keiner geringeren Frage als der, wemderKaiser seine Herrschaft verdankte. Es sollte sich zeigen, dass Traian die Aussage, er habe seine Herrschaft vom Senat erhalten, akzeptieren konnte, nicht jedoch, dass er sie von seinem Vorgänger undAdoptivvater Nerva erhalten habe. Zu der ersten unddemnach noch nicht vomKaiser kontrollierten Prägefolge, auf denen das traianische Porträt der Vorderseite noch sehr an Nerva erinnerte, hatten nämlich Denare und Aurei mit der Legende PROVID(entia) gehört.1 Auf ihnen ist links ein Mann im Panzer mit Paludamentum und Lanze dargestellt. Ihm gegenüber steht ein Togatus, der eine Buchrolle hält. Ihrer beider rechte Hände treffen sich unter einem Globus und halten ihn auf diese Weise gemeinsam. Daher erinnert die Darstellung zudem an die visuellen Chiffren der Fides und Concordia mit ihrem symbolischen Handschlag. Hier ist abgebildet, dass Nerva das Symbol für die Herrschaft über den Orbis Terrarum an Traian übergibt.2 Die Legende nimmt auf die weise Voraussicht Nervas Bezug, die in der Adoption seines Nachfolgers zum Ausdruck gekommen sei. Traian habe seine Herrschaft Nerva zuverdanken.
1
2
RIC Nr. 28; BMCNr. 55 mit Taf.10.3;
48, STRACK 1931, 45–
Nr. 1, Taf.1. –ROCHE 2002, 52
one behauptet irrigerweise, die Porträt-Ähnlichkeit Traians mit Nerva beschränke sich auf „ . coin issue of the period before the emperors’s third consulship“ 48 sah in demTogatus nicht den verstorbenen Kaiser Nerva, sondern ein STRACK 1931, 45– einfaches Mitglied des Senats. –Bis auf die knappe Erwähnung in einer Fußnote (171, Anm. 464) übergeht LUMMEL 1991 dieses wichtige Stück völlig. Die Relevanz der ersten Emission und ihrer Modifikation ist demnach bedauerlicherweise nicht erkannt worden. ROCHE 2002 53f. berücksichtigt bei derknappen Diskussion dieser Münzen undihrer Funktion imRahmen der traianischen Herrschaftsdarstellung nicht ausreichend, dass diese Stücke demWillen des Princeps offensichtlich zuwider liefen unddass ihre Emission sofort wieder aufgegeben wurde.
5. PROVIDENTIA SENATUS- VON WEMERHIELT DER KAISER SEINE HERRSCHAFT
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Dieser Typus zitierte eine sehr ähnliche Darstellung Nervas ausdemJahre 97. Auf ihr ist mit der Legende PROVIDENTIA SENATUS dargestellt, dass der Kaiser in Toga undmit Szepter voneinem anderen Togatus denGlobus als Zeichen derHerrschaft über denOrbis Terrarum erhält.3 Wiederum sind bei derÜbergabe des Globus die rechten Hände auf die eben beschriebene Weise vereint. Die Münze drückte aus, dass Kaiser Nerva jene Aussage der senatorischen Herrscherdarstellung akzeptierte undsie auch seinerseits verkündete, dass er seine Herrschaft der weisen Voraussicht des Senats zu verdanken habe. In der ganzen bisherigen Kaiserzeit war ein Typus mit dieser Aussage, der Kaiser empfange seine Herrschaft vomSenat, noch nicht geprägt worden.4 Eben dieses Thema der Einsetzung des Kaisers wurde nun in modifizierter Form von den Münzbeamten in die erste Emission Traians aufgenommen, die noch nicht vomKaiser selbst beeinflusst warunddie auch noch nicht von seinen Vertrauensleuten in Rom gesteuert wurde. Sie nahm Bezug auf die Adoption und besagte, wie gezeigt, Traian habe seinen Principat der Providentia Nervas zuverdanken. Die Darstellung reflektierte zudem die politische Situation bei derInthronisation Traians: Die PROVIDENTIA-SENATUS-Münzen Nervas hatten diesen Kaiser bei seiner Inthronisation als Togatus gezeigt, während die traianische Münze denneuen Kaiser im Panzer abbildete. Immerhin befand sich Traian zum Zeitpunkt seiner Thronfolge in Germanien beim Heer. Die Prägebeamten nahmen also deutlichen Bezug auf die Abwesenheit des Kaisers von Romundauf seinen tatsächlichen Aufenthaltsort. Doch nurwenige Stücke dieser Darstellung sollten überhaupt in Umlauf geraten. Bereits ab der zweiten und nun schon kontrollierten Prägefolge wurde sie nicht mehr emittiert. Sofort hatten die Vertrauensleute des Kaisers interveniert unddiese Darstellung für die Folgezeit unterbunden. Es wird hieran deutlich, dass die Aussage, Traian verdanke seine Herrschaft derweisen Voraussicht Nervas, für
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BMCNr. 117 (Aes); STRACK 1931, 46, Anm. 105. LUMMEL 1991, 6 mit Taf.1.1 referiert die Ansichten vonSTRACK 1931, 46 Anm. 105 undsieht in dieser Darstellung die Übergabe des Globus an denunbärtigen Nerva durch denbärtigen Genius Senatus. DaszumStützen dieser These abgebildete Referenzexemplar lässt wegen desabgegriffenen Zustandes aber eine bildliche Differenzierung nach Barttracht gewiss nicht zu. Trotz dermäßigen Qualität seiner Abbildung ist hingegen deutlich zuerkennen, dass nungerade dieKopfform desrechten Togatus keine Ähnlichkeit mitjenem charakteristischen Aussehen des Genius Senatus hat. Jener ist bekränzt, wodurch sich die für ihntypische Frisur ergibt. Weder aufdieser Münze desNerva, noch aufjener eben erwähnten desTraian (BMCNr. 55), welche dieses Stück direkt zitiert, ist derGenius Senatus abgebildet. Manvergleiche etwa die Darstellungen des Genius Senatus am Bogen von Benevent im Adventus des Cancelleria-Relief oder die Münzen in BMCTraian Taf.10.4 undTaf.26.10P. Vergleiche hierzu auch FITTSCHEN 1972, 770 mitAnm. 117. DasAussehen desGenius Senatus beschreibt auchCassius Dio68.5.1. Die traianischen Münzen besaßen neben diesen Münzen Nervas ferner ihr Vorbild in Sesterzen des Titus. Mit der Legende PROVIDENT –AVG / SC übergab derverstorbene Vespasianseinem Nachfolger denGlobus. ImFeldbefindet sich aufmanchen Exemplaren zudem das 181 mit Taf.49.3. Auch hier ist die HerrschaftsSteuerruder der Fortuna; BMCTitus, Nr. 178– übergabe symbolisch dargestellt. Der Einwand von STRACK 1931, 46, Anm. 107, der Dargestellte sei nicht Vespasian, hatsich nicht durchsetzen können; vergleiche WEISER 2002.
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das Programm des Kaisers nicht akzeptabel war. Die Münzbeamten hatten angenommen, wie wir dies schon am Beispiel der kaiserlichen Titulatur sahen, dass Traian seiner Adoption durch Nerva im Rahmen seiner Herrschaftsdarstellung ein großes Gewicht beimessen werde unddass er seine eigene Herrschaft als das Resultat der weisen Voraussicht seines Vorgängers darstellen werde. Doch dies wollte Traian auf gar keinen Fall. Diese spezifische Art derDarstellung sollte in der Folge nie wieder auf römischen Münzen erscheinen. Wie im Falle der Annahme des Titels eines Pater Patriae brach Traian auch hierin mit seinem Adoptivvater.
Von der Bildaussage dieser Denare undAurei der ersten Emission, die von dem neuen Princeps abgelehnt wurden, muss ein ihnen sehr ähnliches Silbermedaillon Traians deutlich getrennt werden, dasebenfalls in derfrühesten Phase seines Principats ausgegeben wurde.5 Mit der ausgeschriebenen Legende PROVIDENTIA SENATUS steht hier Kaiser Traian nicht seinem Vorgänger, sondern demGenius Senatus gegenüber.6 (Die nachstehende Abbildung zeigt ein weiter unten bespro5
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Für diese Datierung spricht eine Reihe von Anhaltspunkten. Das Vorderseitenporträt, das noch deutlich andieZüge Nervas erinnert, zeigt, dass dieses Medaillon zueinem sehr frühen Zeitpunkt in der traianischen Herrschaft emittiert wurde. Diese Annahme wird durch die Anordnung der Vorderseiten-Legende unterstützt. Sie lautet nämlich IMP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM P M. Das Medaillon wurde also noch nicht zur Zeit der ersten oder zweiten Emission ausgegeben, denn die Titulatur-Elemente CAES und NERVA sind schon richtig angeordnet. Auch der Titel eines Pater Patriae fehlt bereits. Allerdings wanderte mit demEinsetzen der dritten Emission der Titel des Pontifex Maximus in den edlen Metallen durchgängig vonderVorderseite derMünzen aufihre Rückseite. Doch aufunserem Stück befindet sich dieser Titel noch aufderVorderseite. Resümieren wirdies, so ist also deutlich, dass das Silbermedaillon nach dem20. Februar 98, dem frühesten bezeugten Zeitpunkt für den Wegfall des PP, undvor dem Spätsommer 98, demZeitpunkt seiner Wiederaufnahme, ausgegeben wurde. Dasich die Position desPMaber noch nicht verändert hatte, ist voneiner Emission des Stückes amAnfang desgenannten Zeitraums auszugehen, mithin noch imspäten Winter oder Frühjahr desJahres 98. (Silbermultiplum –Fünfdenarstück): BMCNr. 55* mit Taf.10.4; STRACK 1931, 46ff., Nr. 7 (und Taf.4, Nr. 343 mit identischer Rückseite in guter Erhaltung aus demZeitraum COS IIII); siehe hierzu auch LUMMEL 1991, 6; 15; 79. Obwohl ROCHE 2002, 53 das hier vorgestellte Stück für ihre Argumentation verwendet, geht sie über die unten diskutierten Eigenheiten hinweg. –Es soll hier nicht darüber hinweg getäuscht werden, dass die Echtheit dieses Stückes durchaus kontrovers beurteilt werden kann undauch nach meinem eigenen Dafürhalten nicht vollends gesichert ist. In derFolge sollen kurz dieProbleme undArgumente vorgestellt werden, diemichveranlassen, dasMedaillon letztendlich doch als echt anzusehen. Zunächst ist festzuhalten, dass dieses Medaillon einUnikat ist. Es ist einzig in derSammlung Gnecchi nachgewiesen, die bekanntermaßen einige fragwürdige Stücke aufweist. DasFormat des Multiplums im Werte von fünf Denaren ist zudem ungewöhnlich. Sein geringes Gewicht vonnur 15,00 Gramm stellt hingegen kein Problem dar. Betrachtet manjene Münzen, die im unmittelbaren chronologischen Umfeld unseres Multiplums geprägt wurden (siehe etwa im BMCS.37ff.), so findet mandort eine Gewichtsspanne fürdeneinzelnen Denar von3.49 bis sogar hinunter auf 2.77 Gramm. Angesichts seines abgegriffenen Zustandes ist dieses Gewicht also hinreichend zu erklären. Ein solcher Erhaltungszustand ist nun für Medaillons zwar ungewöhnlich, andererseits muss bedacht werden, dass ein Fünfdenarstück keineswegs
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chenes Stück aus demvierten Consulat, welches mit unserem Silbermedaillon bis auf die Umschrift allerdings identisch ist.) Die Handhaltung der auf diesem Multiplum Dargestellten entspricht jedoch nicht jener auf den beiden eben behandelten Stücken. Zwar stützt derKaiser auch hier denGlobus mit seiner Rechten, der Genius hingegen umfasst ihn mit beiden Händen. Doch werübergibt denGlobus auf dieser Darstellung des Medaillons, undwer nimmt ihn an?7Ließ Traian darstellen, er habe das Symbol der Herrschaft vom Senat erhalten? Oder besagte die Darstellung, der Kaiser übergebe es dem Senat? Welches Verhältnis von Senat und Herrscher verbreitete die kaiserliche Münzprägung mit diesem Bild in den ersten Wochen destraianischen Principats?
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als Schmuckmedaillon, sondern durchaus noch als bloßes Zahlungsmittel hätte angesehen werden können. Eben diese mindere Qualität des Stückes spricht nunaber meiner Ansicht nach gerade auch für seine Echtheit. Ein solch schlecht erhaltenes Medaillon zufälschen, hätte nicht gerade zu seiner Wertsteigerung beigetragen. Daneben muss aber bedacht werden, dass ein Fälscher dieses Stück bereits vor 1888 hätte fertigen müssen (dies ist dasJahr seiner Erstpublikation in Riv.It. 277, Nr. 1, Taf.7.1). Er hätte zudem undvor allem ein derart modernes Problembewusstsein des Funktionierens von Herrschaft im Spannungsfeld von Senat undKaiser haben müssen, dass er nicht einfach die Vorlage mit entsprechender Darstellung kopierte, welche ihmdabei zurVerfügung hätte stehen müssen, nämlich die Münze ausdemvierten Consulat. Stattdessen hätte er ein Stück ersinnen müssen unddieses eigenständig injene Zeit deszweiten Consulats vorverlegen müssen, in der es nunwirklich eine bedeutsame Aussage in sich birgt. Ausdengenannten Gründen spreche ich mich für die Echtheit des Medaillons aus. Gesetzt denFall, es wäre tatsächlich eine Fälschung undwir müssten unsvonder Vorstellung trennen, dass imJahre 98 Trajan habe verkünden lassen, er habe die Herrschaft nicht vonNerva, sondern vomGenius Senatus erhalten, so bleibt immer noch eben dieselbe Aussage auf den Sesterzen desvierten Consulats ausdemJahre 101bestehen. Solange aber für diese Münzen wiederum keine bessere Erklärung undkein aussagekräftiges historisches Umfeld, in welches ihre Semantik eingeordnet werden muss, gefunden ist, darf davon ausgegangen werden, dass es sich umReminiszenzprägungen handelt, dievonNeuem Bezug nehmen aufein bereits zuvor dargestelltes Ideologem der traianischen Herrschaftsdarstellung, daseben auch injenen Medaillons des Jahres 97 zumAusdruck gekommen war. In dieser Zeit vor allem war die Darstellung der symbolischen Herrschaftsübergabe aussagekräftig undsinnvoll. –Ich danke Herrn Professor Wolfram Weiser, derin dieser Frage allerdings eine andere Ansicht vertritt, füreine anregende Diskussion dieses Problems. Wir sehen...den Genius Senatus stehend nach links undzu ihm nach STRACK 1931, 46: „ rechts herantretend (!) denPrinceps: beide sind mit derToga bekleidet, der Herrscher hält in derLinken einZepter, aufdervorgestreckten Rechten einen Globus, denderGenius Senatus mit beiden Händen umfasst, indem er die Linke darunter, die Rechte darauf legt. Dies ist niemals eine Geste des Gebens, sondern die des Unterstützens, vielleicht die des Empfangens.“ . Diese apodiktische Aussage wurde im BMCNr. 55* neutraler behandelt (mit Bezug The Senate...clasping auf die identische Abbildung des Denarmultiplums ausdemJahre 97): „ r. hands and supporting globe with Trajan...“ . Die Sesterzen dieses Typs deutete BMCNr. 747* in Anlehnung an COHEN 642 als „Trajan...standing right...and in right receiving a globe froma Senator,...“–Zwarist hier dieFußhaltung desKaisers falsch gedeutet worden, undder vermeintliche Senator ist tatsächlich deutlich als Genius Senatus zu identifizieren, aber die Richtung desGebens ist zumindest richtig erkannt worden.
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Deutliche Hinweise zurBeantwortung dieser Frage liefert unsdie Fußhaltung derDargestellten: Der Genius Senatus steht mit beiden Füßen fest auf demBoden, während der Kaiser seine rechte Ferse beim Schreiten leicht anhebt. Ein Blick auf die Bildvorgänger undderen Fußhaltung löst unser Problem. Bei jener Münze, die mit der Umschrift PROVIDENTIA SENATUS die Globusübergabe an Nerva gezeigt hatte, war die Richtung klar gewesen, in welcher der Globus weitergereicht wurde, vomSenat auf denKaiser. Auch bei jener Münze, welche die Herrschaftsübergabe von Nerva an Traian zeigte, ließ sich Traian, und somit der Empfänger des Globus, wegen seines Paludamentum klar identifizieren. In diesen beiden Fällen war der Empfänger des Orbis als von links herantretend dargestellt worden, der Gebende hatte auf der rechten Seite der Rückseitendarstellung gestanden.8 Wenn wir diesen Befund nunmit demBild des traianischen Medaillons korrelieren, so wird deutlich, dass auch auf diesem Stück von denbeiden Dargestellten nur der Kaiser derNehmende sein kann. Er tritt vonlinks andenauf derrechten Seite des Bildes stehenden Genius Senatus heran, derdemKaiser denGlobus als das Symbol derHerrschaft überträgt. Traian ließ also in denersten Wochen seiner Regierung allgemein verkünden, er habe seine Herrschaft vomSenat erhalten. Der semantische Gehalt des Bildes ist damit aber noch nicht erschöpft. In den allermeisten Fällen nämlich stellt in dieser Zeit die rechte Seite einer Münzrückseite die prestigereichere Hälfte des Bildes dar, sofern mehrere Handelnde abgebildet sind. Die Personenregie eines Bildes vermag also eine Hierarchie auszudrücken. Umnur einige Beispiele zu nennen, ist etwa in Tribunalszenen, beim Congiarium und der Alimentation seiner Bürger der Herrscher stets auf der rechten Seite derMünzrückseite abgebildet.9 Petenten unddie Empfänger derkaiserlichen
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Auchjene Münze welche die Globusübergabe Vespasians an Titus darstellte (BMCTitus, Nr. 98f., Taf.5.59), bildete den Divus Vespasianus als herantretend ab. Dieser ist jedoch durch seine Strahlenkrone deutlich als bereits konsekriert zu erkennen. Eine Verwechslung des to-
ten unddesneuen Kaisers warnicht möglich. –Unser Argument zur Personenregie des Medaillons wirddadurch jedoch nicht beeinträchtigt. Gewichtiger alsdieses Gegenstück ist nämlich, dass das Silbermultiplum unmittelbar nachjenen Aurei undDenaren geprägt wurde, die das oben besprochene Schema abbilden. Hier ist eine direkte Reaktion oder ein Zitat dieses Stückes undseiner Personenregie, die nurTage oder Wochen zuvor erst emittiert worden waren, viel eher zuvermuten als einRekurrieren aufjenes zwanzig Jahre alte Stück desTitus. Ausnahmen von dieser Regel sind selten; siehe etwa BMCTaf.41.1ff.; STRACK 1931, Nr. 309f., Taf.4, Nr. 463, Taf.8, undTaf.3 b und c. Es ist nun aber auffällig, dass mandieses Schema nurin Szenen des Kaisers vor seinen Legionären findet. Es stellt sich die Frage, ob in diesen Fällen diePersonenregie möglicherweise bewusst gewählt wurde. Augenfällig wird dies etwa bei BMC Nr. 742b, Taf.26.2; STRACK 1931, Nr. 310, Taf.4. Es handelt sich umeinen undatierten Sesterz ausderfrühesten Phase destraianischen Principats 100 datiert werden.). Mit der (Die Angabe des Consulats fehlt. Daher muss sie zwischen 98– Legende FIDES EXERCIT SC steht Traian im Priestergewand, doch capite aperto, in der linken Hälfte derMünzrückseite undopfert an einem Altar. Vier Soldaten mit Legionsadler, Standarte, Schild undSpeer stehen ihmrechts gegenüber. Einem vondiesen reicht derKaiser die Hand.
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Wohltaten sind auf der linken Seite der Reverse dargestellt. So kniet etwa auch die Provinz Parthia links vorTraian.10 Hingegen ist derKaiser auf derlinken Seite abgebildet, wenn er gemeinsam mit Göttern auftritt, umauch hier die Hierarchie sinnfällig auszudrücken.11 In diesen Fällen steht Iuppiter rechts vomKaiser. Auch Victoria bekränzt denKaiser vonder rechten Seite her.12 Wenn gemäß dieser Regel derGenius Senatus also auf derprestigereicheren rechten Seite abgebildet ist, so stuft der Kaiser die Auctoritas undDignitas des senatorischen Kollektivs höher
In diesen Stücken ist auf eine Tugend der Soldaten deutlich Bezug genommen mit der Umschrift unddemDargestellten selbst. Dasbesondere Nahverhältnis derTruppen zumImperator ist betont. Zudem sind in dieser frühen Phase dertraianischen Herrschaft explizite Rückseitenlegenden sehr selten. DieSoldaten sindinderTatdieBedeutungsträger derBildaussage unddieHauptpersonen derDarstellung. Die Regel vonderrechten Hälfte einer Münzrückseite als derprestigereicheren wird durch ein solches Stück also keineswegs in Frage gezogen, sondern sogar bestätigt. –Siehe zudiesem Prinzip derAnordnung vonPersonen undPersonifikationen aufrömischen Münzen auch CHANTRAINE 1991. 10 Siehe etwa BMCNr. 220, Taf.13.6; 378, Taf.15.12; 404, Taf.15.19, 468, Taf.17.6; STRACK 1931, Nr. 476, Taf.9. –Interessant ist demnach auch die Münze BMCNr. 244, Taf.13.14 aus demZeitraum COS V, auf derTrajan vonder linken Seite einen dakischen Gefangenen dem Genius Senatus zuführt, derauf derrechten Seite steht. Auch hier ist nicht allein die Tatsache bedeutend, dass der Kaiser überhaupt darstellen lässt, in die Beendigung des Krieges den Senatmiteinbezogen zuhaben. Dies ist zudem noch bei Cassius Dio 68.9.7 reflektiert: Decebalus habe Gesandte an denSenatschicken müssen, umsich dortjenen Frieden bestätigen zulassen, denderKaiser als Feldherr desStaates mitihmabgeschlossen habe. Bemerkenswert ist aber darüber hinaus, dass der Genius Senatus sogar noch die prestigeträchtigere Seite dieser Münze zugewiesen bekam. Somit stellte derKaiser sich in zweifacher Hinsicht unter denSenat. (ImÜbrigen deutet das BMCdie Person rechts fälschlicherweise als Senator, obwohl die charakteristische Frisur ihre eindeutige Identifikation als Genius Senatus zwingend macht.) Dieses Schema lässt sich nicht nurbei der Darstellung des Herrschers selbst beobachten. So nimmt etwa Roma die Unterwerfung eines Dakers an, der auf der linken Münzhälfte kniet, und Danuvius stürmt von rechts her kommend die personifizierte Dacia nieder. (BMC Nr. 796a, Taf.28.1 und8). 772f., 793– 497, Taf.17.16f.; Nr.513ff., Taf.18.6f.; Nr.533ff., Taf.19f. (Iuppiter). 11 Siehe etwa BMCNr.493– Mit diesem Wahrnehmungsraster römischer Münzen können wirErstaunliches feststellen. So wird etwa bei der Darstellung eines gemeinsamen Opfers von Genius Senatus undGenius Populi Romani der letztere allein schon durch seine Abbildung auf der rechten Rückseitenhälfte hervorgehoben; siehe BMCNr. 587, Taf.19.18; 612, Taf.20.9. So wird etwa auch bei der gemeinsamen Darstellung des Divus Nerva unddes Divus Pater Traianus der Adoptivvater undkaiserliche Vorgänger Traians nur auf der linken Seite abgebildet. Dies korrespondiert mit dem, hiervon unabhängig erreichten, Ergebnis bezüglich einer klaren Hierarchisierung derbeiden Väter Traians zugunsten seines leiblichen Vaters imKapitel zum Traiansforum im Abschnitt 6.3.1 „ Die beiden Väter Traians –pulchrius genuisse . talem an elegisse?“ Siehe etwa auch bei STRACK 1931, Taf.3a undim BMCS.116, Einleitung zuGroup IVa den Aureus undDenar, diejeweils mit der Rückseitenlegende DIVI NERVA ET PLOTINA AVG IMPTRAIAN Nerva auf derlinken undPlotina aufderrechten Seite abbilden. Auch hier ist das Prinzip der leiblichen dynastischen Nachfolge gegenüber der Adoptionsnachfolge als prestigereicher hervorgehoben. Diese Münze wurde jedoch mit überzeugenden Argumenten vonSTRACK 1931, 222 Anm. 946 einer östlichen Münzstätte zugeschrieben. 134, 154, Taf.11.10, 12.4 (Victoria) undpassim. 12 Siehe etwa BMCNr. 131–
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als seine eigene ein. Zwar stellt er sich als Herrscher dar, doch als einen solchen, dessen Macht auf derBilligung deshöherrangigen Senates beruhe. Nunist die Szene allerdings noch komplexer. Denn auch diese Aussage der kaiserlichen Unterordnung wird relativiert. Bei allen Szenen der Herrschaftsübergabe imnäheren zeitlichen Umfeld, Vespasian auf Titus,13 Senat auf Nerva, Nerva auf Traian, Traian auf Hadrian,14 war der Globus von einer Hand in eine andere übergeben worden.15 Zugleich wurde aber in dem spezifischen Symbolrepertoire des Mediums auch an die emblematische Verkürzung von Fides undConcordia erinnert. Mithin war auf den abgelehnten Münzen, die Nerva undTraian zusammenabgebildet hatten, das Gemeinsame des Aktes betont worden. Der ehemalige Träger der Herrschaft gab sie an einen neuen, ihm gleichberechtigten undebenso fähigen Träger weiter. Auf dem Medaillon aber verschränken Kaiser undGenius ihre ausgestreckten Hände nicht in dieser Weise. Stattdessen bemüht der Genius Senatus beide Hände, umden Orbis weiterzureichen. Traian jedoch empfängt ihn mit nur einer Hand. Hier wird nicht von gleich zu gleich gegeben. Hier ist nicht dasIdeologem derGleichwertigkeit von Spender undEmpfänger des Globus ausgedrückt. Hier wird die Herrschaft zwischen Ungleichen ausgetauscht; einem, zwar demonstrativ als höherrangig dargestellten, Senat, der nicht als ein vorheriger Träger des Globus, sondern nur als sein Vermittler abgebildet wurde, undeinemKaiser, derdieses Symbol mitLeichtigkeit zutragen vermochte.16 Genau diese Darstellung des eben besprochenen Medaillons wurde während der Regierung Traians noch einmal emittiert; auf Sesterzen im vierten Consulat, mithin der Phase vom Januar 101 bis zum Oktober 102.17 Innerhalb dieses Zeitraums war Traian wieder aus Rom aufgebrochen und hielt sich im ersten Dakischen Krieg an derFront auf.18 Während die Erstemission dieses Bildes amunmittelbaren Anfang des traianischen Principats ohne Probleme zu erklären ist, ergeben sich hier Schwierigkeiten. Warum sollte in einer Phase, in welcher die Herrschaft Traians schon längst etabliert war, noch einmal betont werden, der Kaiser habe denGlobus aus der Hand des Senats erhalten? Nunist beiden Stücken gemeinsam, dass Traian sich zumZeitpunkt ihrer jeweiligen Emission nicht in Rom, sondern an denGrenzen des Reiches aufhielt; imersten Fall in Germanien, später an der Donau. Womöglich war die zweite Darstellung des Bildes eine visuelle Erinnerung an die frühere, geprägt in einer vergleichbaren politischen Situation. 13 Siehe etwa BMCTitus 128, Nr. 98f., Taf.5.59. 8, 1101, 1106, Taf.46.1– 4; Taf.76.1, 6. 14 Siehe etwa BMCHadrian, Nr. 1– 15 Dies ist auch bei Szenen derFall, in denen derKaiser einen Gegenstand voneinem Gott empfängt; so etwa auf demlinken Attikarelief auf der Stadtseite des Bogens vonBenevent. Hier überreicht Iuppiter das Blitzbündel. 16 Das linke Relief in derunteren Zone der Stadtseite des Bogens vonBenevent zeigt ebenfalls die Globusübergabe andenKaiser durch denGenius Senatus. DerAktwird hier in demetablierten Schema dargestellt: Genius undHerrscher strecken jeweils eine Handaus. 17 BMCNr. 747*, Taf.26.10P; STRACK 1931, 104, Nr. 343, Taf.4; vergleiche COHEN 1880, 642
18
(Paris). Traians Abreise datiert auf den 25./26. März 101. Der Triumph über die Daker wurde November 102 gefeiert.
im
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Traian ließ ein weiteres Mal daran erinnern, dass er seine Herrschaft dem Senat verdanke. Wieso waren zumZeitpunkt des ersten Dakerkrieges eine solche Aussage unddadurch eine erhebliche Statuszuweisung andenSenat nötig? Die kaiserlichen Pläne waren umstritten. Die Senatoren sahen den Fortgang der Kriegsvorbereitungen. Sie wussten, dass Traian demnächst schon wieder an dieFront aufbrechen werde, umjene militärische Imago, dieeinrömischer Kaiser grundsätzlich besaß, nunauch konkret mit Kriegserfolgen zu bestätigen undauf diese Weise seine Herrschaft zurechtfertigen. Für die Senatoren bedeutete dieses Bemühen Traians ummilitärischen Erfolg wiederum die Perspektive einer lange Phase kaiserlicher Abwesenheit und somit der erschwerten Kommunikation mit dem Herrscher. Traian offenbarte durch seine Pläne, dass er nicht gewillt war, dem Senat jenen Status einzuräumen, den dieser für sich forderte. Der Kaiser zeigte stattdessen, wie viel wichtiger ihm der Erwerb militärischer Erfolge und somit der Aufenthalt im Kreise der Truppen war. Während des Krieges hätte er auch in Rom bleiben können, umgelegentlich an die Front zu reisen. So hatten sich seine kaiserlichen Vorgänger imKriegsfall verhalten. Doch Domitian hatte mit seiner persönlichen Anwesenheit auf dem Kriegsschauplatz eine Vorgabe für ein spezifisches Erscheinungsbild von Herrschaft gegeben. Er hatte eine besondere Imago des römischen Kaisers etabliert, die das Nahverhältnis des Imperators zu seinen Soldaten stärker betonte als dasjenige des Princeps zu seinen Senatoren. Indem Traian sich dafür entschied, den Krieg in Dakien persönlich zu führen, minderte er den Ehrenstatus der Senatoren gegenüber den Legionen. In dieser problematischen Situation ließ Traian das Ideologem, er verdanke seine Herrschaft demSenat, von neuem auf Münzen darstellen. Indem der Princeps signalisierte, Auctoritas undDignitas des Senats anzuerkennen, versuchte er, denStatusverlust des Senats demonstrativ auszugleichen. Doch letztlich machte auch diese Darstellung deutlich, dass nuneinmal Traian der Kaiser war, und dass der Senat lediglich der Vermittler seiner Herrschaft war, nicht aber ein gleichberechtigter Partner bei der Herrschaftsübergabe. Die demonstrative Geste vermochte die tatsächliche Statusminderung der Senatoren zwar nicht wettzumachen, doch sie nahm der Konfrontation ihre Schärfe und Brisanz. Der Kaiser erwies sich als gutwillig.
Schon die erste Emission vonReichsmünzen imPrincipat Traians, die in denletzten Tagen des Januars undin denersten des Februars 98 ausgegeben wurde, hatte betont, welch wichtige Rolle auch das Heer beim Herrschaftsantritt Traians gespielt habe. Denn unter diesen Prägungen befand sich ein Bild, das eine Ansprache des neuen Kaisers an seine Truppen darstellte.19 Traian steht auf der rechten Seite der Münze auf einem Podium und wendet sich mit erhobener Hand nach links an drei Soldaten, die Waffen tragen und Feldzeichen halten. Neben dem Kaiser steht ein Offizier, beide in militärischer Kleidung undmiteiner Lanze. Die Gebärde des Imperators lässt sich leicht erklären, auch wenn sie verschiedene semantische Facetten enthält. Es mag der souveräne Wink des charismatischen 19 Die Legende
lautete noch IMPNERVA CAES...; siehe STRACK 1931, 80ff., Nr. 308.
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Feldherrn sein, der die Kriege beenden kann20, oder eine Geste der Ermunterung, mit welcher der Kaiser affektive Nähe zu seinen Soldaten herstellt.21 Vor allem aber drückt der Visiotyp der erhobenen Hand in dieser Szene vor den Truppen Fides aus, diebindende Verpflichtung derTruppen gegenüber ihrem Imperator.22 Die Darstellung einer solchen Ansprache an die Truppen besaß ihre Vorbilder. Sesterze des Gaius, Nero undNerva hatten mit derUmschrift ADLOCVTIO COH(ortium Praetoriarum) die Ansprachen dieser Kaiser an die Prätorianergarde vor städtischer Kulisse in deren Lager dargestellt.23 Auf diese Weise hatten diese Münzen die konkreten historischen Vorgänge derjeweiligen Herrschaftsübergabe reflektiert, wie sie auch literarisch überliefert sind, denn die erwähnten Principes waren allesamt von denPrätorianern akklamiert worden.24 Auch Sesterze des Galba reflektierten die Umstände vondessen Regierungsübernahme, wenn sie mit der Umschrift ADLOCVTIO diesen Kaiser auf einem Podium vor Soldaten im Feld abbildeten.25 Schließlich war Galba von seinen Truppen in der Provinz, undeben nicht in Rom akklamiert worden. So wird vor demHintergrund dieser Vorbilder auch die Bedeutung destraianischen Münzbildes deutlich. Hier wurde die Akklamation desKaisers durch seine Truppen dargestellt, undFides wurde als daskonstituierende Element im Verhältnis des Imperators zu seinen Legionen hervorge-
hoben.
Ein sehr ähnliches Bild wurde nur wenig später geprägt, nämlich zwischen dem20. Februar unddemspäten Herbst 98.26 Auch auf diesen Stücken, die zu der 20 Stat.1.1.37: dextra vetat pugnas (mit Bezug aufdenEquus Domitiani). 21 Cic.de prov.cons.9: cumpalam populi Romani imperator instructo exercitu dexteram tendens nonadlaudem milites hortaretur; 22 Diese semantische Facette, die Fides undSchwur miteinander verbindet, wird deutlich etwa in Sall.Iug.10.3: per hanc dexteram perregni fidem moneo te; Hor.ep.1.7.94: quod te per genium dextramque deosque penates obsecro et obtestor. 23 Die Münzbilder zeigen eine Adlocutio vor einem Rundtempel. Laut STRACK 1931, 81 und LUMMEL 1991, 65 kann es sich dabei nurumdas Mars-Heiligtum des Prätorianerlagers han126, 304, deln. –BMCCaligula, Nr. 33, 57*, 67f., Taf.28.3, 7; 29.12; BMCNero, Nr. 122– Taf.41.5; 45.18; BMCNerva, Nr. 85* (nur ADLOCVTIO); COHEN 1. –So hatte sich etwa Nerva als Togatus mit einem Begleiter auf einem Suggestus abbilden lassen, vor demvier Bewaffnete standen. Diese Münzen waren nur in der ersten Emission Nervas ausgegeben worden.
24 Laut Suet.Nero 8.1 warderjunge Kaiser ins Prätorianerlager gebracht worden undwurde dort zumKaiser ausgerufen. Gaius wurde in Misenum vonPrätorianern als Kaiser begrüßt. Die Akklamation im Senat erfolgte erst zwei Tage später. Siehe hierzu Tac.ann.6.50.4f. und kommentierend FLAIG 1992, 220 mitAnm. 46 undTIMPE 1962, 64. 25 BMCGalba, Nr. 249– 251*, Taf.58.8. –Hier fehlen der Rundtempel und die Ergänzung der Münzlegende umdas COH. Zwar hatten auch die oben erwähnten Sesterze des Nerva diese erweiterte Umschrift nicht gehabt, doch anhand desdargestellten Tempels warderstadtrömi26
sche Kontext trotzdem deutlich geworden. STRACK 1931, 80ff., Nr. 309, Taf.4; BMCNr. 742b+. –Die Legende lautete bereits IMP CAES NERVA..., doch beinhaltete noch nicht wieder den Titel des Pater Patriae. –In der Forschung wird der Bedeutungsgehalt dieser beiden Stücke nicht angemessen voneinander geschieden. Die Unterschiede in der Darstellung werden nicht mit der veränderten historischen Situation korreliert. Siehe etwa STRACK 1931, 80ff.; LUMMEL 1991, 81 mit Anm.478 führt zwarbeide Typen auf, doch differenziert nicht.
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ersten von Traian selbst kontrollierten Emission gehörten, war eine kaiserliche Adlocutio vor der Truppe im Feld dargestellt. Doch die frühere, eben besprochene Abbildung hatte einige Modifikationen durchgemacht. Zwar steht Traian auch hier auf einem Podium, doch diesmal auf der linken Hälfte der hier abgebildeten Münzrückseite. Im Vergleich zu den früheren Stücken sind also die Seiten von Imperator undTruppe vertauscht, unddie Soldaten stehen auf der prestigereicheren rechten Seite der Münze. Außerdem ist die Ansammlung der Soldaten um einen Vertreter der Kavallerie ergänzt, undes haben sich zwei Liktoren zu ihnen gesellt. Insgesamt betont die spätere Münze nicht nur die Eintracht verschiedener Truppenteile untereinander sowie ihrer Gesamtheit mit dem Princeps, sie hebt zudem die Relevanz der Soldaten hervor. Mit ihrer Position auf der rechten Münzseite ist ihnen Ehrenstatus zugewiesen; ein Prestige, welches der Betrachter womöglich aus ihrer Rolle als Handelnde bei der Erhebung des Kaisers resultieren sah. Doch diese Art der Deutung wurde von der Darstellung selbst relativiert. Denn Traian ist nicht allein als Oberbefehlshaber seiner Truppen abgebildet. Von den anwesenden Liktoren wird zudem seine nunmehr etablierte Macht als Lenker des gesamten Staates sinnfällig repräsentiert. Die auch auf diesen Stücken visuell umschriebene Fides ist explizit das Themaeines anderen Sesterzes, derzeitgleich mitderspäteren Adlocutio-Szene ebenfalls zwischen Februar und Herbst 98 emittiert wurde.27 Auf diesen Stücken steht Traian auf der linken Seite derMünze. Als Togatus mit unbedecktem Kopf reicht er einem gepanzerten Soldaten über einen brennenden Altar hinweg die Rechte. Dieser Soldat ist begleitet von Kameraden, die Feldzeichen tragen. Hierbei befindet sich ein Legionsadler unmittelbar über den verschränkten Händen. Eine weitere Standarte trägt die Darstellung einer Hand und symbolisiert damit genau den dargestellten Akt. Mit der Umschrift FIDES EXERCIT(uum) ist auf diesen Münzen der Schwur der Truppen auf ihren Feldherrn abgebildet, das sacramentum. Den Soldaten als denHandelnden ist die rechte Seite des Bildes eingeräumt; der Kern der Aussage ist ihre Bindung an den Kaiser. Die dextrarum iunctio steht im Mittelpunkt derSzene undwirddurch dasvollzogene Opfer auch sakral bestätigt.
STRACK 1931, 82f., Nr. 310, Taf.4; BMCNr. 742b, Taf.26.2. –Die imperiale Titulatur auch dieser Münze lautete IMP CAES NERVA undbeinhaltete noch nicht wieder denTitel desPater Patriae. Obwohl die einzelnen Bildbestandteile derMünze diverse Vorbilderbesaßen, warihre spezifische Kombination, wie sie hier vonTraian geprägt wurde neuartig. ZudenEinzelnachweisen derVorbilder siehe ausführlich STRACK 1931, 82f.
27 Ric Nr. 439;
6. GESANDTSCHAFTEN UNDDIE REDE DES DION CHRYSOSTOMOS
Zudieser Zeit erreichten Traian nicht allein Briefe ausRom. In seinem Stützpunkt in Germanien wurde er auch von zahlreichen Gesandtschaften aus allen Teilen seines Reiches aufgesucht. Ein großer Teil der Regierungstätigkeit eines römischen Kaisers bestand darin, Legationen undPetenten zu empfangen, außerdem gehörte es zumBild eines Guten Princeps, für seine Untertanen ein grundsätzlich offenes Ohr zu haben.1 Dies war nicht anders, wenn der Herrscher sich nicht in seiner Hauptstadt, sondern auf Reisen befand.2 Die Anliegen der provinzialen Städte konnten nicht solange warten, bis der Kaiser, womöglich erst einige Jahre später, wieder nach Italien kommen sollte. Die Delegationen mussten demHerr-
scher also folgen oder ihmentgegen reisen. Natürlich besaßen die Entscheidungen des Princeps keinen geringeren Wert, wenn sie Gesandten in einer Provinz statt in Rom selbst mitgeteilt wurden: Rom sei dort, wo der Kaiser sei.3 Dieses Zitat des Herodian beschreibt die Tatsache, dass das Machtzentrum des römischen Reiches
nicht räumlich an seine Hauptstadt, sondern personal an seinen Kaiser gebunden war. So berichtet auch Cassius Dio von der großen Anziehungskraft, die das Hauptquartier Traians zurZeit des Partherkrieges im Jahre 114/115 besessen habe.4Während deskaiserlichen Aufenthaltes in Antiochia hätten sich nämlich auch zahlreiche Zivilisten aus allen Teilen des Reiches in derNähe des Herrschers befunden. Diese seien geschäftlich undwegen derkaiserlichen Gerichtstätigkeit dort gewesen. Sie seien als offizielle Delegationen dorthin gekommen oder einfach auch nurzumBesichtigen des Hofstaates. Als es dann aber in Antiochia zu einem schweren Erdbeben gekommen sei, habe es keine Gruppe im römischen Reich gegeben, die keine Verluste habe beklagen müssen. Diese Aussage verdeutlicht, dass dieAttraktion deskaiserlichen Hofes stets immens war, ob dieser sich nunin Romoder in einer derProvinzen aufhielt. Nun sollte man aber daraus nicht schließen, dass es für diese Delegationen prinzipiell egal war, ob sie den Kaiser in einer Provinz oder in Rom selbst aufsuchten. Nur in der Hauptstadt bot sich nämlich die Gelegenheit, mit einzelnen Senatoren Kontakte zupflegen oder diese überhaupt erst herzustellen. Undaufdie Unterstützung dieser Mächtigen des Reiches waren die Legationen angewiesen;
1
Siehe hierzu etwa die Episode umHadrians Zeitnot gegenüber einer Petentin bei Cassius Dio
69.6.3.
2 3 4
156. Siehe hierzu auch MILLAR 1977, 28– 40; HALFMANN 1986, 151– Herodian 1.6.5; Dig.50.7.9.1. Cassius Dio 68.24.1f.
6. GESANDTSCHAFTEN UNDDIE REDE DES DION CHRYSOSTOMOS
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deren Fürsprache benötigten die Gemeinden, um mit ihrem Anliegen überhaupt zumPrinceps vorzudringen. Zwarbefand sich eine Gruppe einflussreicher Senato, doch ren beim Kaiser –gerade wegen ihrer Kaisernähe waren sie einflussreich – die allermeisten Mitglieder des Gremiums hielten sich in Rom auf. Nunbesaß aber beileibe nicht jede Stadt die Bedeutung, bei einem der führenden Consulare undAmici des Princeps, welche diesen begleiteten, wie etwa bei einem Licinius
Sura oder einem Iulius Ursus Servianus, direkt umUnterstützung ihres Anliegens zu bitten. Dies war den bedeutenden Städten möglich, wie Athen, Delphi oder Alexandria. Doch im Falle beinahe aller Delegationen galt das Prinzip der Maklerpatronage: Erst mit der Unterstützung durch zweitrangige Senatoren, die ihrerseits bei denherausragenden undkaisernahen Männern des Staates Gehör finden konnten, wares fürdie meisten Städte möglich, mit Erfolg auf die herrscherlichen Entscheidungen einzuwirken. Natürlich konnte ein Senator aus Rom auch brieflich das Anliegen einer Stadt unterstützen. Doch der Mechanismus, einen Patron zuveranlassen, mit dessen Stimme daseigene Anliegen beim Princeps erfolgreich vorzutragen, war in Romselbst erheblich leichter in Gang zu setzen als in irgendeinem kaiserlichen Reisequartier, da die Kommunikation zwischen denDelegationen, ihren Förderern unddemHerrscher in der Hauptstadt direkt undmit geringerzeitlicher Verzögerung erfolgen konnte.5
So hatte sich mit derZeit auch eine Vielzahl von Gesandtschaften aus demOsten des Reiches in Germanien bei Traian eingefunden. Unmittelbar nach der Nachricht vomTode Nervas hatten diese Gemeinden Legationen zumRhein geschickt, umdemneuen Herrscher zuhuldigen. Eine Rede desDion Chrysostomos vorden Bürgern vonPrusa in Bithynien legt Zeugnis ab vondenAnstrengungen verschiedener griechischer Städte, die umdenZutritt bei Traian undumdessen Gunst gewetteifert hatten.6 Der Redner selbst war nämlich der Anführer jener Delegation gewesen, die Prusa noch im Winter 98 nach Germanien geschickt hatte, umdem Kaiser zu seiner Thronbesteigung zu gratulieren. In seiner Rede bemühte sich Dion, die Einwohner seiner Heimatstadt zu beschwichtigen. Es waren nämlich Gerüchte in Umlauf, Traian habe sich ungnädig gegenüber der offiziellen Delegation Prusas verhalten. Mansagte, der Herrscher sei verärgert gewesen, als habe er selbst der Gesandtschaft entgegengehen müssen, umsich nach deren Angelegen-
heiten zuerkundigen. Neben diesen Vorwürfen versuchte Dion auch das Gerede zu entkräften, dass andererseits die Gesandtschaft von Smyrna ungeheure Reichtümer von Traian erhalten hätte, unddass andere Städte womöglich viel mehr Ratsherren vomKaiser bewilligt bekommen hätten statt jener einhundert, welche Dion bei Traian für den Rat von Prusa hatte erwirken können.7 Hierzu legte Dion Chrysostomos in seiner Rede vor derHeimatgemeinde aber dar, ihmselbst habe derKaiser in sei-
5 6 7
Zu Gesandtschaften griechischer
440. 410– Dion Chrys.40.13ff. Dion Chrys.45.7.
Städte beim römischen Kaiser siehe auch MILLAR 1977,
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ner Menschenfreude dasgewährt, worum er gebeten habe, unddenanderen Städten habe er gegeben, worum diese gebeten hätten. Es mache doch einem vernünftigen Mannnichts aus, zusehen, dass eine große Zahl vonMenschen beim Kaiser Erfolg habe undGlück wegen der ihnen erwiesenen Wohltaten empfinde. Zumal ja, undhier hebt nunDion die Legation aus Prusa unddie eigene Person besonders hervor, er selbst der erste Gesandte aus einer griechischen Stadt überhaupt gewesen sei, der an sein Ziel gelangt sei. Vielleicht habe sogar er selbst erst den Anstoß zuall diesen Wohltaten des Kaisers auch gegenüber denanderen Gesandtschaften gegeben. Zwei weitere Dokumente bezeugen die Anwesenheit von Legationen bei Traian anlässlich seines Regierungsantrittes.8 Zunächst handelt es sich um einen Brief, in welchem Traian Alexandria jene Rechte bestätigt, welche schon Nerva der Stadt übertragen habe. Er honoriert ausdrücklich den guten Willen der Stadt undverspricht, parallel zu diesem Brief zusätzlich an seinen Präfekten Pompeius Planta zu schreiben. Dieser möge auf die öffentliche Ordnung Alexandrias, die Getreideversorgung und die Wahrung der lokalen Rechte sehen.9 Ein weiteres Schreiben Traians ist inschriftlich überliefert, welches er imJahre 98 nach Delphi gesandt hatte und das nach einem ganz ähnlichen Muster aufgebaut ist.10 Hierin bezieht sich Traian ausdrücklich auf eine Gesandtschaft dieser Stadt, welche ihn zuvor in Germanien aufgesucht hatte. Der Kaiser bestätigt die Freiheit, die Autonomie undalle Rechte, welche schon frühere Kaiser Delphi zugestanden hatten. Da die Legation die Gelegenheit genutzt hatte, dem Kaiser eine Anklage gegen einen gewissen Pythodoros vorzutragen, schreibt Traian außerdem, er werde in dieser Sache parallel zu demvorliegenden Schreiben sowohl seinen Amicus Herennius Saturninus kontaktieren, den damaligen Statthalter Griechenlands, als auch denzuständigen Procurator. Die Zusammenschau dieser drei Dokumente lässt erkennen, dass die Städte bei derNachricht vonderThronfolge Traians jeweils vonsich auseine Delegation an denneuen Kaiser abgeschickt hatten. DemKaiser womöglich denEindruck zu vermitteln, er müsse sich selbst umdieKommunikation mitdenStädten bemühen, galt als Affront, der sich auf die Gewährung von Wünschen negativ auswirken werde.11 Stattdessen schien den einzelnen Gesandtschaften und somit den Gemeinden, welche sie vertraten, sogar Prestige aus der relativen Schnelligkeit zu
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Beide Dokumente sind durch denzweiten Consulat unddiezweite tribunicia potestas Traians noch vorDezember 98 zudatieren. 9 Pap.Oxy.3022; OLIVER 1989, Nr.46. 10 PLASSART 1970, Fouilles de Delphes 3.4, Nr. 287; OLIVER 1989, Nr. 44. 11 DerPapyrus mitdemBrief anAlexandria ist nurals ein Fragment erhalten unddasSchreiben bricht mitten imText ab. Es scheint unklar bleiben zumüssen, obTraian zuvor voneiner Gesandtschaft ausAlexandria aufgesucht worden war, daeine solche imvorhandenen Text nicht erwähnt wird. Da der Kaiser aber explizit den guten Willen der Stadt honoriert, muss eine vorherige Kontaktaufnahme seitens der Alexandriner angenommen werden. Auch wird, wie gezeigt, aus der Rede Dions deutlich, dass die Initiative vondeneinzelnen Städten auszugehen hatte. Weitere Zeugnisse für Gesandtschaften bei Traian während derZeit seiner Abwesenheit aus Rombietet MILLAR 2000, 372f.
6. GESANDTSCHAFTEN UNDDIE REDE DES DION CHRYSOSTOMOS
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entstehen, mit der sie am Aufenthaltsort des Regenten eingetroffen waren. Sonst
wäre es in der Rede Dions vor den Bürgern von Prusa kein Argument gewesen, daseigene frühe Eintreffen bei Traian zubetonen, umdie Wirksamkeit derDele-
gation aus Prusa zu unterstreichen. Daneben war es von großer Wichtigkeit, in welchem Umfang der Kaiser die von ihm erbetenen Privilegien gewährt hatte; gerade auch im direkten Vergleich mit etwaigen Konkurrenzstädten, die argwöhnisch beobachtet wurden. Schnell zu sein unddemHerrscher demonstrativ die Huldigung der Heimatstadt auszusprechen, war aber nicht allein eine Prestigefrage. Der Regierungsantritt eines Kaisers erwies sich als günstige Gelegenheit, umsich von ihmdie ohnehin etablierten Privilegien bestätigen zu lassen, doch auch, um sich daneben neue Rechte und Vergünstigungen gewähren zu lassen. Hier nutzten die Städte das Bedürfnis des neuen Herrschers aus, sich gerade in diesen ersten Wochen gemäßdemBild eines Guten Princeps zu gerieren unddabei besonders den Erwartungen an seine Freigebigkeit nachzukommen. Dies bedeutete zunächst die Übernahme der Kosten der Delegation, dann aber womöglich auch Geldspenden für die Städte oder die Erlaubnis, die Anzahl derRatssitze zuerhöhen. Hieraus wiederum resultierte eine Verbreiterung der Decurionenschicht undsomit eine Stärkung der lokalen Eliten im spannungsgeladenen Wettbewerb der miteinander konkurrierenden Städte. Im Falle Delphis wird deutlich, dass der Kaiser auch wegen ganz konkreter Streitigkeiten auf lokaler Ebene bemüht wurde. Doch hier schienen seine Möglichkeiten, von Germanien aus auf einen Fall in Griechenland einzugehen, eher beschränkt. Konsequent verwies er denFall an denzuständigen Statthalter. Überhaupt war der Entscheidungsprozeß aus der Ferne wohl nicht einfach. Wenn sich ein römischer Herrscher in Romaufhielt, konnte er seine Entscheidungen auf der Grundlage derkaiserlichen Commentarii treffen. Diese Archive wurdenfortlaufend geführt unddokumentierten die vergangenen Regierungsakte. Auf diese Weise war es der kaiserlichen Kanzlei möglich, Einblick in die bisherige Verwaltungspraxis zuerlangen undetwaige Präzedenzfälle zustudieren. In diesen Sammlungen war etwa auch verzeichnet, welche Privilegien von Herrschern der näheren und ferneren Vergangenheit welchen Städten zugestanden worden waren.12 Zwar ist bezeugt, dass Kaiser auf ihren Reisen Dokumente des aktuellen Schriftverkehrs mit sich führten, doch auf die umfangreichen Archive der Hauptstadt mussten sie verzichten.13 Dies galt in besonderem Maße für Traian. Er hatte seine Abwesenheit nicht vonlanger Handvorbereitet undhatte Romnicht als Kaiser verlassen, als welcher er ausgewählte Sparten der imperialen Commentarii mit sich in die Provinz hätte nehmen können. Stattdessen musste er sich neben seinen eigenen Einsichten, die er als Senator mit der Verwaltung des Reiches gewonnen hatte, auf die Erfahrun-
12 Zur Relevanz der Commentarii beim kaiserlichen Entscheidungsprozess siehe MILLAR 1977, 272. 259– 13 Siehe etwa Tac.hist.2.48.1; Suet.Otho 10.2. –Otho habe seine Korrespondenz unddie Libelli vernichtet, damit sie Vitellius nicht indieHände fielen undihre Absender belasteten.
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gen seines Consilium stützen. Denn Traian übernahm Mitglieder aus demConsilium Nervas, derseinerzeit auch schon domitianische Berater übernommen hatte.14 Diese Ratgeber hatten während der letzten Jahre täglich bereit gestanden, um Domitian undNerva zuberaten undwaren mitdemaktuellen Zustand desReiches wohlvertraut. Auf diese Weise waren auch über einen Herrschaftswechsel hinweg die Kontinuität undKonformität derEntscheidungen unddes Verhaltens des Kaisers etwa gegenüber den einzelnen Gemeinden des Reiches gewährleistet. Wenn also Traian in Germanien auch ohne den direkten Zugriff auf die imperialen Archive auskommen musste, so konnte er dennoch wegen seiner ihn begleitenden Berater über eine Summe von Erfahrungen verfügen, auf welche er seine Entscheidungen basieren konnte. Dass diese Berater, welche dazu privilegiert waren, sich in der Nähe des Kaisers aufzuhalten, nicht nur ein gehöriges Prestige, sondern auch großen Einfluss besaßen, zeigt einweiteres Zeugnis dieser Zeit.
14 Ein Beispiel hierfür ist etwa dieKarriere desFabricius Veiento.
7. PLINIUS BEDANKT SICH INITIA FELICISSIMI PRINCIPATUS1
Einige Wochen nach demersten erreichte ein zweiter Brief des Plinius denneuen Kaiser.2 Hierin bedankte der Senator sich, dass Traian ihm auf die Initiative des Iulius Ursus Servianus hin dasDreikinderrecht verschafft habe. Der Präfekt versicherte demKaiser, es sei nun der Gipfel seiner Wünsche erreicht, da Traian bereits amAnfang seiner Regierung gezeigt habe, dass Plinius seine besondere Huld genieße.3 Wir werden sehen, dass dies keineswegs nurein floskelhafter undrhetorisch überzogener Dank war. Nach seinem Regierungsantritt hatte Traian eine Vielzahl von Schreiben, Glückwünschen undBittgesuchen aus Rom erreicht. Die Funktion dieser Briefe wares gewesen, überhaupt erst einmal dieKommunikation mitdemKaiser herzustellen. Die Senatoren hatten versucht, die Gunst desHerrschers zugewinnen, um so schon zu Beginn des jungen Principats eine gute Ausgangsposition vor den Konkurrenten des eigenen Standes zu haben oder zumindest nicht hinter demEifer ihrer Standesgenossen und der Intensität von deren Loyalitätsbekundung zurückzustehen. Zu diesem Zweck hatten sie demKaiser ihre Ergebenheit übermittelt und zugleich ihre Wünsche ausgesprochen. Doch jeder einzelne von ihnen hatte erwartet, dass Traian im Gegenzug auf diese Demonstrationen seiner Akzeptanz reagieren unddiejeweiligen Bekundungen auch honorieren werde; dass der Kaiser sich also als Guter Princeps voller Umgänglichkeit undGroßzügigkeit erweisen werde. Traian sah sich also gezwungen, auf eine Vielzahl von Angeboten zur Kommunikation einzugehen. Er musste jedem, der ihm seine Glückwünsche ausgesprochen undso denHerrscher seiner Akzeptanz versichert hatte, eine Geste zukommen lassen: etwa ein Antwortschreiben, ein Geschenk oder eine Statusaufwertung. Der Princeps besaß die alleinige Verfügungsmacht über diese Ressourcen des symbolischen Kapitals. Mit ihrer Verteilung durfte der Kaiser also nicht zurückhaltend umgehen. Die huldvolle Verleihung symbolischen Kapitals an die Senatoren, ob nunan einzelne oder das Gremium insgesamt, warein wesentliches Instrument der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung undauch der konkreten Herrschaftsausübung. So wurden schließlich etwa die Ämter besetzt. Doch genau deswegen musste der Kaiser die Empfänger sehr umsichtig auswählen. Es war zur
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In Anlehnung anPlin.ep.10.2.2. Die genaue Datierung dieses Briefes bleibt unklar. Plinius redet lediglich von deninitia feli-
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cissimi principatus tui. Plin.ep.10.2.2: ..., cum...probaveris,
meadpeculiarem
indulgentiam tuampertinere.
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binnenständischen Statusdifferenzierung der Senatorenschaft für den Herrscher notwendig, diese Ehren nicht inflationär zuverteilen. Nurso konnte auch in einer Phase wie demHerrschaftsantritt, die mit einem Mal zahlreiche Gesten erforderlich machte, die Stabilität der hierarchisch geordneten Senatorenschaft gewahrt bleiben.
Imvorliegenden Brief, derdie Antwort desPlinius auf eine ihmerwiesene
Statusaufwertung war, lassen sich drei Kriterien erkennen, welche die Qualität einer solchen Geste bestimmen konnten. Dies waren die Art der erwiesenen Ehre, daneben der Rang des Patrons, auf dessen Engagement die kaiserliche Geste zurückgeführt werden konnte, undschließlich die Schnelligkeit, mit welcher diese Ehre gewährt worden war. Wir werden sehen, dass das Dreikinderrecht, welches Traian bereits nach kurzer Zeit seiner Regierung auf Initiative des Iulius Ursus Servianus demSenatoren verliehen hatte, als Statusaufwertung eine solche Qualitätbesaß, dass Plinius sich ihrer in derTat rühmen konnte. DasIus trium liberorum ging auf eine Initiative des Augustus zurück. Umdie Zahl der Geburten zu erhöhen, hatte er in den Jahren 18 und9 v.Chr. mit der Lex Iulia undder Lex Papia für Väter von drei undmehr Kindern eine Reihe von Privilegien eingeführt. Dazu gehörten erleichterte Erbschaftsmodalitäten, Bevorzugung bei Ämterbewerbungen, Wegfall des Wartejahres zwischen der Bekleidung von Funktionen, bevorzugte Berücksichtigung bei der Vergabe von Statthalterschaften undandere Statuserhöhungen, wie etwa die Zuweisung besonderer Sitzplätze bei den Spielen.4 Mit der Zeit wurde das lus aber von der ursprünglichen Voraussetzung seiner Verleihung getrennt, da die Kaiser begannen, das Dreikinderrecht als Geste der Vergünstigung undStatusaufwertung auch Kinderlosen zu gewähren. Ein Beispiel für diese veränderte Praxis ist derFall desPlinius. In dieser Form war dasIus trium liberorum eine kaiserliche Ressource, von der Traian betonte, wie sorgsam er mit ihr umgehe.5 Dies zeigen zwei Beispiele aus der späteren traianischen Zeit. Plinius sollte nurwenig später, kurz nachdem er selbst das Dreikinderrecht erhalten hatte, als Patron für seinen nicht-senatorischen Amicus Voconius Romanus von Traian diese Ehre erwirken.6 Plinius betont, er habe dies mit einiger Anstrengung für einen ihmaußergewöhnlich engverbundenen Freund erreicht.7 Somit hebt er hervor, sich der besonderen Güte dieser Statuszuweisung bewusst zu sein, da mansich als Patron gut zu überlegen habe, für wenmansich 4
SHERWIN-WHITE 1966, ad loc.
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Siehe Plin.ep.2.13.8 und 10.94.f. Siehe hierzu den Abschnitt 11 „Plinius tritt als Patron auf –indulgentiam tuam plenissimam experior.“ Um sein intensives Engagement beim Kaiser darzulegen, verwendet Plinius das Verb impetrare. Das besonders enge Nahverhältnis zwischen sich undVoconius Romanus illustriert Plinius, indem er ihre gemeinsame Vergangenheit undihren derzeitigen Umgang miteinander in dem Brief referiert. Das Schreiben selbst hat die unmittelbar kommunikative Funktion, auch seinem Freund Priscus, demAdressaten des Briefes undkonsularischem Statthalter einer Provinz, den Voconius Romanus zu empfehlen. Außerdem stellt Plinius sich natürlich darüber hinaus auch dererweiterten Leserschaft als wirkungsvoller Patron dar.
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7. PLINIUS BEDANKT SICH
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einsetze. Denn der Princeps verleihe das Dreikinderrecht nur sparsam und mit bedächtiger Auswahl der Bewerber.8 Von einem Mann, den der Kaiser in dieser Weise begünstigt hatte, durfte derPatron als Vermittler der Ehre denn auch intensiven Dank erwarten. Voconius Romanus jedenfalls entspreche mit seinen Reaktionen den Erwartungen seines Fürsprechers. Plinius berichtet von seinem großen Dank. Traian sollte auch weiterhin mit der Verleihung des Dreikinderrechts restriktiv verfahren. Dies wird in einem Schreiben des Jahres 112 besonders deutlich. Als Plinius sich nämlich während seiner Statthalterschaft für seinen Amicus Suetonius Tranquillus einsetzte, betonte er in seinem Gesuch, daser ausBithynien an Traian richtete, dass er genau wisse, ein welch großes Beneficium er vomKaiser erbitte.9 Nurdie Vergangenheit, in der Traian alle seine bisherigen Wünsche erfüllt habe, ermuntere Plinius, auch in dieser Angelegenheit umdie Huld des Kaisers zubitten. Seine Einschätzung sollte nicht fehlgehen. Traian erwies Sueton die Ehre des Dreikinderrechts und bestärkte Plinius somit in dessen Status als erfolgreicher Patron.10 Doch der Herrscher versäumte es nicht, bei dieser Gelegenheit auch darauf hinzuweisen, für gewöhnlich besonders sparsam mit dieser Ehre umzugehen. Zu diesem Zweck erinnerte Traian an eine seiner Erklärungen vor dem Senat, in welcher er einst die Zahl jener festgelegt habe, die insgesamt mit dem Dreikinderrecht ausgezeichnet werden dürften. Der Princeps betonte hierbei, er pflege regelmäßig im Senat zubestätigen, dass diese Zahl noch nicht überschritten
sei.
Zur Zeit Traians war also das Dreikinderrecht von der Gruppe seiner ursprünglich exklusiven Empfänger, denmehrfachen Vätern, losgelöst worden. Seine Verleihung war nicht länger an transparente oder kalkulierbare Kriterien gebunden. Der Kaiser konnte allein nach seinem eigenen Gutdünken denStatus einer Person mit dem Dreikinderrecht erhöhen. Wie zuvor brachte das Ius praktische Vorteile mit sich. Doch angesichts des symbolischen Wertes dieser Geste verblassten diese völlig. Wichtig war, dass derKaiser selbst es gewesen war, der sich zu einer solchen Auszeichnung entschlossen hatte.11 Auf diese Weise hatte sich das Dreikinderrecht zu einer ungleich wertvolleren Ressource entwickelt. Es war zu einem derart wirkungsvollen Mittel der innersenatorischen Auseinandersetzung umEinfluss undStatus geraten, dass seine Verleihung vomKaiser betont restriktiv gehandhabt werden musste, und dass sogar eine kaiserliche Erklärung nötig geworden war, wenn das Recht verliehen worden war, wie wir in dem
8 Plin.ep.2.13.8: parce et cumdelectu. 9 Plin.ep.10.94.3. 10 Plin.ep.10.95. 11 Es ist in dieser wie in ähnlichen Fragen für unsere Untersuchung senatorisch-kaiserlicher Kommunikation ohnejede Bedeutung, ob solche Rechte nunvomKaiser persönlich oder mittelbar vonseiner Kanzlei verliehen wurden. Die Kanzlei handelte in notwendig enger Abstimmung mit dem Princeps undgemäß dessen Vorgaben. Zudem sprach die Kanzlei in seinem Namen undsuggerierte inderWortwahl ihrer Schriftstücke die persönliche Verfasserschaft des Herrschers.
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Schreiben Traians sehen, welches die Statuserhöhung Suetons im Jahre 112 begleitete. Unsere Beobachtung, dass zur Zeit Traians die Verleihung des Dreikinderrechts eine exklusive Ehre war, wird durch einen wichtigen Hinweis gestützt, der unszumDankesbrief desPlinius zurück bringt. Es geht umdie Identität des Mannes, der als Patron diese Auszeichnung für Plinius vermittelt hatte. Es handelte sich bei ihm nämlich umeinen Ressourcenmakler ersten Ranges, denn Iulius Ursus Servianus warein Comes desKaisers undeine wesentliche Stütze seiner Herrschaft. Er hatte die Statthalterschaft derGermania Superior als Nachfolger Traians angetreten, als dieser im Oktober 97 von Nerva adoptiert worden war. Im Kreise von dessen Legionen hatte sich der Caesar während des Winters aufgehalten anstatt nach Romzurückzukehren. Im Sommer 98 sollte Iulius Ursus Servianus dann mit Traian von Germanien nach Pannonien ziehen, umdort die Statthalterschaft über eine Provinz anzutreten, deren fünf Legionen dergrößte Truppenverband des Reiches waren. Diesen besonderen Vertrauten desKaisers bezeichnet derÄrarpräfekt als vir optimus, er sei demKaiser amantissimus.12
Der Wortlaut des Dankesschreibens lässt erkennen, dass Plinius sich zuvor an diesen Vertrauten des Princeps mit der Bitte gewandt haben muss, sich beim Herrscher für ihn zu verwenden.13 Wenn derKaiser sich in Rom aufhielt, wurden Bitten in Form vonlibelli undepistulae anihnübermittelt, oder derPrinceps wurdevonjenen Senatoren, mit denen er persönlich verkehrte, etwa bei gegenseitigen Einladungen in deren Sache oder der eines Dritten angesprochen. Daneben gab es in Romeine Reihe vonGelegenheiten, bei denen derPrinceps regelmäßig auch zu statusniederen Senatoren unmittelbaren Kontakt hatte, etwa bei den periodisch stattfindenden Senatssitzungen. Der Zugang zu ihm war eben nicht dauerhaft nur auf eine kleine Schar hochrangiger Amici beschränkt. Wenn der Herrscher sich aber nicht in Rom aufhielt, war die Zahl derer, welche einen direkten Zugang zu ihm hatten, erheblich geringer. Dieser Mangel an einflussreichen Ressourcenvermittlern steigerte die Attraktivität jedes einzelnen von ihnen. Die unmittelbare Nähe zumHerrscher war also in dieser Zeit, als Traian noch nicht nach Rom zurückgekehrt war, eine der wertvollsten sozialen Ressourcen überhaupt. Die Männer, welche in einem solchen Verhältnis zumKaiser standen, waren die von allen anderen hofierten Vermittler der kaiserlichen Gunst.14 Plinius betont denn auch, durchaus zu wissen, dass die Aufwertung seines eigenen Status auf den Einfluss des Iulius Ursus Servianus zurückzuführen sei. Er hebt jedoch zugleich hervor,
12 Dieser Iulius Ursus Servianus, Comes Traians, darf nicht verwechselt werden mit Iulius Ursus, einem der Sachwalter der kaiserlichen Interessen in Rom zu dieser Zeit. Zu letzterem siehe in diesem Kapitel denAbschnitt 1 „ . Einleitung –Die kaiserliche Abwesenheit“ 13 Dieser Mechanismus ist mit den bei Plinius gebräuchlichen Termini von SHERWIN-WHITE 1966, adloc. 559, nachvollzogen. 14 ZumSystem der Maklerpatronage siehe vor allem SALLER 1982; BARGHOP 1994, besonders 159; FLAIG 1992, besonders 100– 79, 150– 65– 117.
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dass Traian den Bitten seines engen Freundes umso lieber entsprochen habe, als es sich bei demso Auszuzeichnenden eben umPlinius gehandelt habe.15
Das Maß der Ehre, die Plinius mit der Verleihung des Dreikinderrechts erhielt, warauch dadurch charakterisiert, dass sie ihmbereits in denersten Wochen des traianischen Principats zuteil wurde. In dieser Zeit war der Princeps fernab von Rommit einer Vielzahl von richtungweisenden Entscheidungen konfrontiert, die seine zukünftige Politik bestimmen sollten. Zudem erreichten ihn aus der Hauptstadt und aus anderen Teilen des Reiches zahllose Mitteilungen und auch Bitten, deren Erfüllung er sämtlich zu bedenken hatte.16 Grundsätzlich durften die senatorischen Briefschreiber vom Herrscher Antworten auf ihre Ersuchen erwarten. Doch angesichts seiner Arbeitsbelastung undderNotwendigkeit, viele Anfragen zu modifizieren oder zurückzuweisen, wurden in dieser Frühphase des traianischen Principats die Geschwindigkeit der kaiserlichen Antwort unddie Schnelligkeit, mit dereventuelle Ehren verliehen wurden, ebenfalls zu einem Status differenzierenden Kriterium. Erst diese Faktoren, die Güte der Ehre, die herausragende Stellung ihres Vermittlers und ihre rasche Gewährung nach dem Regierungsantritt Traians, lassen erkennen, welches Ausmaß der Plinius übertragene Status tatsächlich besaß. Fürdie einzelnen Senatoren wares zuBeginn derRegierungszeit eines neuen Princeps vongroßer Bedeutung, schon innerhalb kurzer Zeit erkennen zukönnen, ein wie enges Nahverhältnis sie tatsächlich zumKaiser herzustellen vermochten, undin welchem Ausmaß derHerrscher bereit war, sie auch zu unterstützen. Hiervon hing ihre Rolle unter den Standesgenossen ab, hieraus wurde deutlich, welche gesellschaftliche Macht sie selbst als potentielle Vermittler kaiserlicher Ressourcen besaßen. 15 Epistel 6.26.3 ist eine Reflexion der Verleihung des Dreikinderrechts undder vorangegangenen Maklerpatronage des Iulius Ursus Servianus. Der Brief aus demJahre 106 ist anjenen adressiert undbeglückwünscht den Consular zur Wahl seines Schwiegersohnes, eines von Plinius besonders hoch geschätzten jungen Mannes. Jetzt fehle nur noch, dass Iulius Ursus möglichst schnell zumGroßvater gemacht werde. Dann könne Plinius diese Kinder undEnkel aus denArmen des Vaters undGroßvaters nehmen undsie wie seine eigenen Nachkommen quasi pari iure in seinen eigenen Armen halten. Die Aussage dieser Passage gehtjedoch nicht allein darauf zurück, dass Plinius wegen seiner engen Verbundenheit zu Iulius Ursus undseinem Schwiegersohn sich auch besonders zu deren Nachkommen hingezogen fühle. Die implizite Aussage ist komplexer: Einst habe Iulius Ursus für Plinius dasDreikinderrecht verschafft gehabt, nunhabe er sogar noch die Möglichkeit, dembis zu diesem Zeitpunkt immer noch kinderlosen Plinius auch noch seine Enkel in denArmzulegen. Neben derpatronalen Beziehung betont Plinius gegenüber seiner Leserschaft auch seine persönliche Freundschaft mitdiesem einflussreichen Amicus desKaisers. Zudem wird in diesem Brief mitdemLobderNachkommenschaft dasimperiale Ideologem derbesonderen Relevanz vonKindern intraianischer Zeit aufgegriffen undin einprivates Umfeld übertragen. 16 Das Fehlen einer Antwort auf das Glückwunschschreiben des Plinius in 10.1 lässt darauf schließen, dass vomKaiser anlässlich seines Regierungsantritts eine solche Antwort nicht erwartet wurde unddemnach eben nicht erfolgte. Alle späteren Glückwünsche desPlinius etwa anlässlich des Dies Imperii oder des Geburtstages Traians sind durch Kanzleischreiben erwidert; siehe 10.35f., 52f, 100f., 102f.
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Ein wesentliches Kriterium für dasMaßeiner erwiesenen Ehre waraußerdem die Position des Empfängers. Eine kaiserliche Geste darf nicht absolut betrachtet, sie muss in demjeweiligen sozialen Bezugsrahmen gesehen werden, innerhalb dessen sie gewährt wurde. So gehörte etwa die Verleihung des Dreikinderrechts an denjungen ritterständischen Suetonius Tranquillus auf Vermittlung vonPlinius im Jahre 112 in einen ganz anderen sozialen Kontext als die hier besprochene. Auch im Falle der erwähnten Verleihung des Ius an Voconius Romanus war der Aussagegehalt der Geste als ein Instrument zur Statusdifferenzierung innerhalb des Standes desEmpfängers ein anderer. Zwar warVoconius mit seinem Fürsprecher Plinius gleichaltrig, doch entstammte er genausowenig wie Sueton dem Senatorenstand.17 Wenn also einem Ritterständischen die zwar nominell gleiche Auszeichnung zuteil wurde wie einem Prätorier, waren Art undAusmaß der Ehre doch unterschiedlich. Schließlich hielt sich letzterer nicht in demselben sozialen Bezugsrahmen auf, in welchem es dementsprechend auch umandere Gegenstände der Konkurrenz ging, etwa umdie Verteilung der Consulate. So machte also erst die Zusammenschau sämtlicher Umstände der Verleihung das tatsächliche Ausmaßeiner kaiserlichen Geste deutlich. Wie es schien, konnte Plinius sich zu Recht glücklich schätzen. Vorsichtig drückt er seine hoffnungsvolle Vermutung aus, die Absichten desKaisers erkannt zu haben und dessen Wohlwollen zu genießen: Videor ergo summam voti mei consecutus.18 Anhand dieser Formulierung des Anscheins wird auch in demvorliegenden Brief deutlich, welchen Stellenwert die Reziprozität demonstrativer Gesten in der kaiserlich-senatorischen Kommunikation besaß. In seinem ersten Brief hatte Plinius dem Kaiser zum Regierungsantritt gratuliert und ihm seine Wünsche ausgesprochen. Er hatte Traian seine Akzeptanz vondessen Person und bestimmter Ideologeme signalisiert. Auf dieses Zeichen seiner grundsätzlichen Loyalität ließ Plinius nunseine Bitte umeine Geste des Princeps folgen, mit welcher dieser zeigen konnte, dass er die Akzeptanzbekundungen des Plinius honoriere. Der Senator hatte also den einflussreichen Ressourcenvermittler lulius Ursus Servianus gebeten, sich in seinem Namen beim Kaiser um die Gewährung einer Ehre undsomit um eine Statusaufwertung zu bemühen. Plinius hatte dabei vermutet, dass er als Prätorier und als von Nerva undTraian gemeinsam eingesetzter Ärartribun19 den Kaiser um das Ius trium liberorum bitten könne. Diese 17 Im Abschnitt 11 dieses Kapitels „Plinius tritt als Patron auf –indulgentiam tuamplenissimam experior“soll gezeigt werden, dass sich Plinius Ende 98 bei Traian um eine Erhebung des Voconius in denSenatorenstand eingesetzt hatte, dass diese Ehre aber abgelehnt worden war. Stattdessen hatte derKaiser demProtegé desPlinius dasDreikinderrecht übertragen. 18 Plin.ep.10.2.2. –Wie so häufig ist eine vermeintlich geglättete Übersetzung nicht in derLage, diese wesentliche Nuance angemessen zu erfassen. Sie findet etwa bei GIEBEL 1998 ad loc. ). keinen Ausdruck („ So sehe ich mich denn amZiel meiner Wünsche...“ 19 Dies wird durch die Formulierung in Plin.ep.10.3a.1 deutlich: me...indulgentia vestra promovit adpraefecturam aerarii Saturni. –Siehe SHERWIN-WHITE 1966 ad loc. zurnötigen Unterscheidung der Formulierungen indulgentia tua undvestra. Die Mehrzahl bezeichnet keinen Plural Maiestatis, sondern die gemeinsame Übertragung des Amtes durch Nerva undTraian
nach derAdoption.
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Ehre schien ihmvonvorneherein erreichbar, sonst hätte er umeine andere Geste gebeten. Die beschriebenen Umstände und die Güte der Auszeichnung werteten das soziale Kapital des Senators erheblich auf. Sie ließen ihn undseine Standesgenossen erkennen, welche Relevanz der Kaiser ihm aktuell beimaß. Im senatorischen Wettbewerb um die Gunst des neuen Herrschers vermochte Plinius nun seine eigene Position einzuschätzen und sie mit der seiner Konkurrenten zu vergleichen. Mit seiner Formulierung, es scheine ihm, er habe summam voti erreicht, bestätigt er zum einen, sich sehr wohl bewusst zu sein, dass mit dieser Geste das für ihn zu diesem Zeitpunkt Mögliche tatsächlich erreicht sei. Zum anderen lädt Plinius den Kaiser aber ein, mit dieser scheinbaren Gewissheit zu brechen, umihmin derZukunft weitere Ehren zuübertragen.
Zu diesem Zweck demonstriert Plinius im Dankesschreiben erneut seine Akzeptanz desKaisers unddessen Imago. Denn auch hier gibt er Inhalte derkaiserlichen Herrschaftsdarstellung wieder und signalisiert auf diese Weise deren Anerkennung. So kontrastiert Plinius gemäß der kaiserlichen Programmatik das tristissimumsaeculum Domitians mit jener Zeit desfelicissimus principatus. In diesen Worten ist daspolitische Schlagwort derFelicitas Temporum reflektiert, die in der Frühphase des traianischen Principats hochgradig semantisiert war, unddie Ab-
grenzung des neuen Kaisers vom letzten Flavier.20 Auf dieses Ideologem, seine in dertraianischen Herrschaftsdarstellung unddarauf, wie genau Plinius es sich in seinem Brief zu Nutzen machte, werden wir sogleich eingehen, im folgenden Abschnitt zum Begriffspaar Felicitas und Securitas. Doch vorerst wollen wir uns weiter mit der Epistel selbst beschäftigen. Da ihmja nundas Dreikinderrecht verliehen worden sei, schreibt Plinius, werde er sich noch mehr nach Nachkommen sehnen: Denn da er jetzt eben den Status genießen dürfe, welche diese Verleihung mit sich bringe, sehne er sich danach, in seinem Leben diese Ehre nachträglich auch tatsächlich zu rechtfertigen. Er wünsche nun, sich der bereits erhaltenen Auszeichnung durch dieGeburt eigener Kinder würdig zuerweisen. Angesichts dergroßen Relevanz vonKindern in dertraianischen Herrschaftsdarstellung, wie sie etwa in derzu diesem Zeitpunkt bereits etablierten Alimentarinstitution deutlich ist, undwie Plinius selbst sie zwei Jahre später in seiner Gratiarum Actio reflektieren sollte, wardiese Aussage einkommunikativer Aktvoller demonstrativer Akzeptanz des Kaisers undseiner Herrschaftsdarstellung. Plinius drückte aus, er genieße die Vorteile der Herrschaft, also wolle er sie seinerseits auch konkret stützen, indem er ihre Ideologeme auch tatsächlich umzusetzen hoffe. Plinius formuliert hier wiederum bewusst vorsichtig. Er schreibt, sich nach Kindern zusehnen, nicht aber etwa, nunwirklich Kinder zeugen zuwollen. Allein mitseinem prononciert vorgetragenen Wunsch demonstriert er,jenseits aller familiären Unwägbarkeiten, die kaiserliche Herrschaftsdarstellung zu stützen und somitdenPrinceps zuakzeptieren. In diesem Falle reichte dasklare Bekenntnis zum Herrscher aus; es war von größerem Belang als die tatsächliche Geburt von Kin-
Relevanz
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Hierauf deutet etwa das Proömium des Agricola hin, welches die Zeit nach der Herrschaft Domitians ‚felicitas temporum‘ nennt.
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dern. In der frühen Phase der traianischen Regierung war zunächst wichtig, dass der Kaiser abgestufte Nahverhältnisse zu den einzelnen Senatoren etablierte, derensoziale Position aufdiese Gesten angewiesen war. Seinerseits musste derKaiser bald schon erfahren, ob seine Herrschaft undihre Aussagen auch tatsächlich von der Reichsaristokratie akzeptiert wurden. Auf dieser Ebene stand das Bekenntnis zur Herrschaftsdarstellung ihrer tatsächlichen Erfüllung keinesfalls hintan. Plinius belässt es allerdings nicht bei einem bloßen Bekenntnis. Er weist stattdessen auf seine bereits zwei Ehen hin, umdie Ernsthaftigkeit seines Anliegens zu demonstrieren. Denen sei Nachwuchs bisher jedoch nicht vergönnt gewesen; nicht während der Herrschaft Domitians oder Nervas.21 Doch die Götter hätten es dabei mitPlinius sogar gutgemeint. Sie hätten ihmdie Erfüllung des Wunsches für den Principat Traians vorbehalten, in demPlinius sich securus etfelix fühlen könne. In dieser Zeit allein sehne er sich danach, Vater zu werden. Hier greift Plinius wiederum bewusst politische Schlagworte der Herrschaftsdarstellung auf, indem er ausdrückt, jetzt könne erjene Securitas undFelicitas genießen, die vonderRegierung Traians ausgehe. Zumwiederholten Male signalisiert er demKaiser, dessen Programmatik zu akzeptieren und sie auch im privaten Bereich verinnerlicht zu haben. Es ist bemerkenswert, dass Plinius hier persönlich formuliert. Er schreibt nicht etwa von einer Zeit, in welcher manoder gar der Staat sicher undglücklich sein könne. Er schreibt nur von sich selbst. Dies entspricht der kommunikativen Funktion des Briefes. Denn anders als etwa in seinem Glückwunschschreiben beim Herrschaftsantritt Traians richtet sich Plinius hier nicht privatim et publice an den Kaiser.22 In seinem zweiten Brief bedankt er sich für eine Huld, die ihm
persönlich zuteil geworden war. Diese Ehre bewirkte zwar primär eine Statuserhöhung seiner öffentlichen Person, doch warderVorgang eben keine Übertragung etwa eines öffentlichen Amtes oder einer Priesterschaft. Diese Auszeichnungen hätten unmittelbar die gesamte Res Publica betroffen. In einem solchen Falle hätte Plinius nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Namen demKaiser danken müssen.23 Hierjedoch ging es umdie Etablierung eines persönlichen Nahverhältnisses zwischen Kaiser und Senator. Von solchen Versuchen der Senatoren, einen Kontakt mit dem neuen Kaiser zu etablieren und ihre aktuellen Einflussmöglichkeiten als Patrone herauszufinden, waren die ersten Wochen dertraianischen Herrschaft geprägt. Plinius jedenfalls sah sich zu Beginn der Regierung
21 Plin.ep.10.2.2f. –Plinius
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impliziert hier gegenüber Traian zu Unrecht, dass er erst wegen der Kinderlosigkeit derersten Verbindung seine zweite Eheeingegangen sei. Plin.ep.10.1.2. –ZudenFolgerungen, die sich ausdieser Formulierung fürdiekommunikative Funktion des Briefes 10.1 ergeben, siehe die Diskussion im Abschnitt 4 „Plinius beglückwünscht denKaiser –etprivatim etpublice opto.“ Dies ist etwa illustriert in Plin.ep.10.13. ausdemJahre 101/102. Der Senator bittet denKaiser, denihmbisher erwiesenen Ehren auch noch dasAmteines Augurs oder Septemvirn hinzuzufügen. Auf diese Weise könne Plinius dann auchpublice die Götter zumWohlergehen Traians anrufen, wie er es jetzt auch schon pietate privata unternehme. –Hier wird die Verbindung vonprivaten undöffentlichen Interessen besonders deutlich.
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vomKaiser erheblich begünstigt undsomit inmitten seiner konkurrierenden Standesgenossen in einer guten Lage.
SECURITAS UNDFELICITAS
Wie sehr Plinius mit seinem Bekenntnis zur traianischen Programmatik auf die aktuelle Herrscherdarstellung einging, soll anhand eines prägnanten Beispiels gezeigt werden. Es wird im Folgenden deutlich werden, in welchem Maß die Briefe des Plinius literarisch stilisiert und programmatisch angereichert waren. Erinnern wir uns daran, dass der Senator in seinem Schreiben an Traian, in welchem er dem Kaiser für das ihm verliehene Ius trium liberorum gedankt hatte, seine Zeilen mit den Worten beschlossen hatte: „ Aber die Götter haben es noch besser mit mir gemeint, indem sie alles ausschließlich Deiner Güte vorbehalten wissen wollten. Auch will ich selbst lieber in dieser Zeit Vater werden, in der ich sicher undglücklich sein kann (...hoc...tempore..., quofuturus essem et securus et
felix).“24 Besondere Prominenz besitzen in diesen Zeilen die letzten Worte, et securus etfelix. Mit ihnen deutet Plinius auf zwei wichtige imperiale Ideologeme hin, die Felicitas unddie Securitas. Diese besaßen bereits vondenersten Tagen des traianischen Principats an undauch noch in der Zeit, in welcher Plinius seinen Brief schrieb, eine besondere Relevanz für Traians Darstellung seiner Herrschaft und der mit ihr verbundenen Segnungen für den Staat und seine Bürger. Dies wird durch einen Vergleich der literarischen mit numismatischen Zeugnissen deutlich. In denJahren von98 bis 103, undzwar schon vonderersten Emission des traianischen Principats an, die noch nicht vom Kaiser selbst beeinflusst war, ließ die römische Prägeanstalt Münzen wie die hier gezeigte ausgeben, deren Bildaussage in der Forschung sehr umstritten ist.25 Eine weibliche Gestalt sitzt in gelassener Haltung –sie lehnt sich nach hinten auf ihren angewinkelten Arm– nach links auf einem Thron aus zwei gekreuzten Füllhörnern, aus denen Früchte hervorquellen. Die Personifikation trägt ein Diadem und hält ein Szepter in der Hand. Was ist hiermit gemeint? Welches komplexe Konzept der Herrschaftsdarstellung ist hier visuell verkürzt dargestellt? Die Deutungen des
24 Plin.ep.10.2.3: Sed di melius, qui omnia integra bonitati tuae reservarunt; malui hoc potius tempore mepatrem fieri, quo futurus essem et securus et felix. –Ich folge hier im Wesentlichen derÜbersetzung vonGiebel 1998, modifiziere diese jedoch in einem Punkt, demletzten Halbsatz. Ich selbst beziehe quoauftempus, also, „ eine Zeit, in derich...sein kann“ . 25 STRACK 1931, 65, Nr. 4, Taf.1; Nr. 303, Taf.4; Nr. 347, Taf.5; Nr. 6, 15, 26, 34, 44; COHEN 301; Ric Nr. 11; BMCNr. 9, Taf.9.6.
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Bildes divergieren ganz erheblich. Sie reichen vonSecuritas-Annona, Fortuna und Abundantia bis Iustitia undConcordia.26 Doch diese Deutungsversuche können sämtlich nicht überzeugen. Aus den verschiedenen Zeiten des römischen Principats sind für alle diese Personifikationen spezifische Attribute bekannt, welche sie erkennbar undals Elemente der römischen Bildersprache unverwechselbar machten. In dem uns interessierenden Bild fehlen jedoch alle diese jeweils charakteristischen Beigaben. Diadem und kaiserliches Szepter weisen die Gestalt lediglich als Verkörperung einer Tugend oder eines Zustandes aus, die irgendwie mit demHerrscher in Verbindung gebracht werden muss. Das einzige Attribut, das diese Personifikation näher bestimmen könnte, sind die gekreuzten Füllhörner, auf denen sie wie auf einer Sella Curulis sitzt. Erst eine Untersuchung der Motivgeschichte dieser Kombination lässt eine Lösung dieser Frage zu. Es kann sich bei dieser Darstellung nurum dasKonzept einer Felicitas Temporum verbunden mit demeiner Securitas Saeculi handeln.27 Dies aber sind ebenjene beiden Stichwörter, die Plinius in seinem Brief an Traian anprominenter Stelle verwendet. Im Folgenden soll dieser Zusammenhang dargelegt werden. Die konventionelle Darstellung der Felicitas auf Münzen bildet diese stehend mit ihren beiden Attributen ab, dem einzelnen Füllhorn und dem Caduceus. Im Jahre 21/22 wurde auf Sesterzen des Tiberius die erste kaiserzeitliche Darstellung zweier gekreuzter Füllhörner geprägt. In deren beider Öffnungen sind die Köpfe der Söhne des Thronfolgers Drusus abgebildet. Zwischen den Füllhörnern befindet sich zudem als Glückszeichen der Caduceus des Mercur.28 Auch unter Claudius wurde die Geburt des Prinzen Britannicus mit dieser Darstellungsart gefeiert. Sein Kopf wurde mit denen seiner Schwestern Antonia und Octavia über gekreuzten Cornucopiae abgebildet.29 Antiochos IV. von Kommagene ließ ebenfalls die Köpfe seiner Söhne auf diese Weise darstellen.30 Ebenso bildeten unter Vespasian Münzen für den Prinzen Domitian aus demJahre 73/74 undfür denPrinzen Titus aus denJahren 74 und76 die Füllhörner unddenCadu-
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COHEN kann sich nicht zwischen Fortuna, Securitas und Concordia entscheiden. Das RIC nennt sie Abundantia. STRACK 1931 spekuliert auf Securitas-Annona. Das BMCwill sich nicht endgültig auf Iustitia festlegen, während sich HILL 1970 für diese Identifizierung entscheidet. Ich danke Professor Wolfram Weiser für die freundliche Überlassung eines bisher unveröffentlichten Manuskripts, welches er in WEISER 2002 ankündigt, und für die anregende Diskussion dieses Stücks. Siehe auch seinen Kommentar zu Los 403 im Katalog des MünzZentrums Rheinland, Auktion 110 vom2.– 4. Mai 2002. RICTiberius, Nr. 42, Taf.11. –Zuvor war dieses Motiv bereits auf Denaren des Marcus Antonius imJahre 40 geprägt worden (CRAWFORD 520f.). Colonia Patrensium in Achaia mit der Legende LIBERIS AVG (RPC 1255); Alexandria
(RPC 5135) ausdemJahre 42/43.
30 RPC 3536, 3860, 3867.
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ceus ab. Diese Prägungen reagierten auf die Geburt des Sohnes Domitians, des womöglich zukünftigen Thronerbens, derimJahre 73 geboren worden war.31 Allen diesen Stücken ist also gemeinsam, dass sie mitFüllhorn undCaduceus
die etablierten Attribute der konventionellen Felicitas-Darstellung übernahmen, dass sie aber eines dieser Attribute, nämlich dasFüllhorn, zweifach abbildeten. Es fällt außerdem auf, dass diesen Darstellungen ihr jeweiliger Anlass gemeinsam war: Sie bezogen sich allesamt auf die Geburt präsumtiver Thronfolger. Die Darstellungen drückten damit aus, dass der Fortbestand des Herrscherhauses Ausdruck des Glücks der eigenen Zeit sei. Dieser Befund wird durch Prägungen späterer Zeit bestätigt. Nach zwei entsprechenden Darstellungen noch ohne Beischrift32 ließ Antoninus Pius im Jahre 149 zwei Kinderköpfe auf gekreuzten Füllhörnern darstellen undfügte jene Legende hinzu, die unsere bisherigen Ausführungen bestätigt: Die hier abgebildete Reverse besaß die Umschrift TEMPORVM FELICITAS.33 Auch diese Prägung war durch Geburten innerhalb des Herrscherhauses motiviert. Faustina, die Tochter des Kaisers, hatte nämlich seinem Adoptivsohn M.Aurelius Caesar in den vergangenen Jahren schon drei Kinder geboren. Im Jahre 149 wurde schließlich auch die Geburt von Lucilla mit dieser Prägung gefeiert.34 In den folgenden Jahren sollte es noch mehrfach diese Kombination von Bild undLegende geben.35 Ich möchte bis hierher resümieren: In ihren frühen Darstellungen ermöglicht die Kombination vonDoppelfüllhorn undCaduceus denBetrachtern die Assoziation mit der Felicitas. Allein diese Personifikation besaß jene spezifische Zusammenstellung der beiden Attribute. Die späteren Darstellungen lassen außerdem wegen ihrer Beischrift eine Identifikation dieses Typs zu. So kann man also aus zwei voneinander unabhängigen Richtungen her zu der Erkenntnis gelangen, dass die Personifikation auf den gekreuzten Füllhörnern deutliche Züge einer Felicitas Temporum oder einer Felicitas Saeculi getragen haben müsse. Zur Zeit des traianischen Principats war also der Visiotyp36 der auf diese Weise kombinierten Cornucopiae aufgrund ihrer Motivgeschichte zwingend mit der Felicitas zu verbin-
31 RICDomitian, Nr. 798 a-c, 813 a-d, 814, 816. 32 Siehe etwa Ric Antoninus Pius, Nr. 705, 107b ausdenJahren 140 und 143. 33 Siehe etwa RIC Antoninus Pius, Nr. 185 a,b, Taf.2.35, 857, 859; BMCAntoninus Pius, Nr. 678f., Taf.14.13f.
34 Galeria Faustina imJahre 147, dieZwillinge 148undLucilla imJahre 149. 35 Nach weiteren Bildern dieser Art (siehe etwa Ric Antoninus Pius, Nr. 961) ließ schließlich auch derkinderlose Commodus Füllhörner undCaduceus in allen Nominalen mitdenLegenden TEMP FELIC, TEMPOR FELIC undSAECVLI FELIC abbilden (siehe etwa Ric Com568, 573ff. ausdemJahre 190). ZumSinn dieser Prägungen, dieja nicht modus, Nr.209, 565– zur Geburt eines Thronfolgers geprägt worden sein können, unddazu, wie sie sich in dieses
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Schema fügen, werden wirsogleich noch kommen. ‚Visiotyp‘ bezeichnet hier visuelle Versatzstücke und Bedeutung tragende Elemente einer systemisch zuverstehenden Semantik vonBildsprache. Die absichtsvolle Kombination dieser Versatzstücke lässt immer wieder neue Bildaussagen entstehen. –Siehe hierzu auch imKapiDie Lesbarkeit desTraiansforums –Eine methodische tel zumTraiansforum denAbschnitt 2 „ Vorbemerkung“ .
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den. Denmeisten dieser Darstellungen ist gemeinsam, dass sie Bezug auf die Geburt vonKindern nehmen. Auch die zeitgenössische Literatur bezeugt, dass Felicitas die Bedeutungskomponente ‚Fruchtbarkeit‘ besaß, gerade auch in Hinblick auf Kindersegen.37 Welche Bedeutung hatten dann aber diese Prägungen der Felicitas Temporum unter demkinderlosen Kaiser Traian; war ihm doch kein Nachfolger geboren worden? Wahrscheinlich bezeichnete derBildtypus in allen besprochenen Fällen wenigerdie konkrete Geburt, als vielmehr denAusdruck derFreude über dasgesicherte Fortbestehen des Herrscherhauses, dessen prominentester Ausdruck natürlich die Geburt eines Thronfolgers war. Im Falle Traians dürfen wir nicht vergessen, dass dieser Bildtyp bereits von der ersten Emission an geprägt worden war, dann aber auch nurin denersten Jahren seiner Regierung. Die Prägung der Stücke hatte also schon ohne denEinfluss desPrinceps begonnen, undes wurde mitderPersonifikation zudem auf ein Ideologem hingewiesen, welches nur in der frühesten Phase seiner Regierung von Relevanz warunddas im Zuge der ungeheuren Emissionen aus Anlass des ersten Dakerkrieges abgelöst wurde. Schließlich hatte Traian mit diesem Sieg endlich die seiner militärischen Imago innewohnende Prädisposition zum Siegen konkretisiert, wodurch ältere Strategien seiner Herrschaftsdarstellung überflüssig wurden.38 Fasst manall diese Überlegungen zusammen, so wird deutlich, dass mitunserem Münzbild die Kontinuität der Regierung von Nerva zu Traian betont wurde, die Adoption desThronfolgers, welche jenen Fortgang derHerrschaft gewährleiste, die das Reich undseine Bürger prosperieren lasse.39 Dieser Befund wird in der
37 Siehe Plin.paneg.7.7: Die Menschen
ertrügen mit größerer Gelassenheit einen leiblichen Sohn, denderKaiser schlecht gezeugt habe (quem parum feliciter genuit), als einen, bei dessen Wahl derPrinceps sich schlecht entschieden habe. –Vergleiche bei Plinius außerdem etwaep.3.19.6: felicitas terrae in Bezug auf einbesonders fruchtbares Stück Land. Ein anderes Beispiel bezieht sich explizit aufKindersegen. In ep.10.94.2 bittet Plinius Traian umdie Übertragung des Dreikinderrechts für Sueton, da dieser parum felix matrimonium expertus est, eben bisher kinderlos geblieben sei. –So wurde etwa auch unter Septimius Severus für Caracalla mit der Legende IMPERII FELICITAS die Darstellung einer Frauengestalt, der Felicitas eben, geprägt, die einen Caduceus hält undein Kind an ihre Brust hebt; siehe
RSC95. Der Aspekt der Fruchtbarkeit bekam in der Münzprägung erst unter Antoninus Pius eine eigenständige Personifikation. Als Fecunditas wurde sie fortan auch aufjenen Münzen geprägt, die denKindersegen derKaiserinnen undderPrinzessinnen prononcierten, daran erinnerten oder die Hoffnung darauf ausdrückten. Siehe etwa RICAntoninus Pius, Nr. 667, 675ff, 679– 768, 1142, 1634– 682, 764– 1641, 1736– 1739. 38 Der Visiotyp des Doppelfüllhorns sollte noch einmal im Jahre 112 in der Serie derNummi Restituti erhebliche Relevanz in der traianischen Herrschaftsdarstellung erlangen; KOMNICK 2001, Nr. 60. Hier warauf einem restituierten Aureus aufdie Geburt Traians imPrincipat des Claudius hingewiesen; siehe hierzu ausführlich im Kapitel zu den Restitutionsmünzen den Abschnitt 6.2 „ Vesta“ . 39 Hiermit ist freilich die Emission dieses Bildes unter Commodus noch nicht hinreichend erklärt, auf daswirweiter oben hingewiesen hatten. Denn es wurde nicht etwa zu Beginn von dessen Regierungszeit geprägt, sondern im Jahre 190. Doch, wie schon in der voran stehendenAnmerkung erwähnt, drückten Münzbilder eben auch die Hoffnung aus, dass etwas ein-
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Literatur dieser Monate bestätigt. Denn auch Tacitus thematisierte jene Felicitas Temporum der Nachfolge von Nerva auf Traian im Proömium seines Agricola40: Sed quamquam primo statim beatissimi saeculi ortu Nerva Caesar res olim dis„ sociabiles miscuerit, principatum ac libertatem, augeatque quotidie felicitatem temporum Nerva Traianus....“ . Werfen wir nuneinen Blick auf denFortgang dieses Satzes: „...nec spem modo ac votum securitas publica, sedipsius voti fiduciam ac robur assumpserit...“ . An diesen Worten des Tacitus ist nunbesonders auffällig, dass wir in ihnen, wieschon in dereben besprochenen Epistel desPlinius, die unmittelbare Kombination vonFelicitas undSecuritas finden.41 Zuetwa derselben Zeit also, kurz nach Regierungsantritt Traians, haben wir in zwei hochgradig programmatischen Zeugnissen, einem Dankesschreiben an den Kaiser und einer Schrift, welche in ihrem Vorwort das Geflecht der zeitgenössischen Ideologeme darstellt, die enge Verbindung dieser zwei politischen Stichworte. Mit dieser Erkenntnis sind aber die Hinweise auf die Semantik unseres Münzbildes noch nicht erschöpft. Denn eben dieses Bild, die Personifikation mit Diadem undSzepter auf gekreuzten Füllhörnern sitzend –allerdings nach rechts, wurde von Caracalla mit der Umschrift SECVRIT(as) IMPERII geprägt.42 Kann es also möglich sein, dass auch schon das traianische Bild nicht allein Felicitas, sondern zudem noch Securitas ausdrücken sollte? Manmuss die Frage stellen, ob es denn nicht methodisch fragwürdig sei, die Umschrift aus der Zeit Caracallas für die Deutung einer Darstellung aus der Zeit Traians heranzuziehen, auch wenn es sich um genau das gleiche Bild handele. Prinzipiell ist ein solches Vorgehen natürlich problematisch. Doch anhand zweier literarischer Zeugnisse, des Plinius-Briefes und des Proömiums des Agricola, wurde ja bereits die enge Verbindung von Securitas mit Felicitas deutlich, eine Verbindung in eben derselben Phase des traianischen Principats, in der auch das fragliche Münzbild emittiert wurde. Das heißt, wir können diesen Zusammenhang derBegriffe unddermit ihnen verbundenen Ideologeme in verschiedenen Medien wahrnehmen. Da wir für Felicitas bereits Relevanz als Ideologem der Nachfolge konstatieren konnten, sei nun auch noch auf die Verbindung von Securitas und Nachfolge hingewiesen. Plinius berichtet nämlich imPanegyricus, welch günstige
treffen möge. Nicht allein das Eintreffen eines Desiderates selbst wurde gefeiert. Ein prominentes Beispiel sind etwa jene Münzen, die in unruhigen Zeiten die Concordia Exercituum beschwören, also die Hoffnung auf diesen Zustand ausdrücken. Womöglich signalisierte auch Commodus mitseinen Darstellungen derFelicitas, dass derruhige Fortbestand derHerrschaft mitall ihren Segnungen fürKaiserhaus undStaat gesichert sei, gerade auchwenn erbis dahin noch keinen Nachfolger aufzuweisen hatte.
40 Tac.Agr.3.1.
41 Auch Tac.hist.1.1.4
reflektiert diese Kombination von Felicitas und Securitas: Quod si vita suppeditet, principatum Divi Nervae et imperium Traiani, uberiorem securioremque materiam,senectuti seposui, rara temporum felicitate ubi sentire quae velis et quae sentias dicere li-
cet.
42 BMCCaracalla, Nr.516a f. mitAbb.41.3 ausdemZeitraum 206– 210; RICCaracalla, Nr. 168.
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Zeit der traianische Principat sei, umKinder großzuziehen. Der Anreiz dazu sei groß, da manfür sie Freiheit undSicherheit erwarten könne, Libertas undSecuritas.43 In einer anderen Passage beschreibt er, dass die Adoption Traians für Securitas gesorgt habe.44
Ich möchte es bei diesen Belegen bewenden lassen. Sie zeigen hinreichend, dass in der frühen traianischen Herrschaftsdarstellung eine enge Verbindung vonFelicitas undSecuritas existierte, die sich vornehmlich auf die Geburt von Kindern, sei es nunin denHaushalten derBürger oder in derHerrscherfamilie, undaufdie Weitergabe des Thrones bezog. Werfen wir nunwieder denBlick zurück auf Plinius undauf seinen Brief, dener Traian ausDank fürdieVerleihung desDreikinderrechts geschrieben hatte. Der Senator hatte die eigenen Tage als die initia felicissimi principatus bezeichnet, als eine Zeit, in welcher er et securus etfelix sein könne. Das Thema des Briefes waraber die Verleihung des Dreikinderrechts gewesen, die erklärende Entschuldigung, warum Plinius bis dato kinderlos geblieben sei, undsomit das Bekenntnis zur imperialen Programmatik. Wie sehr Plinius in seinem Brief an Traian diese aber reflektierte, wird nun erst deutlich Er baute schließlich nicht einfach nur zwei herausragende Ideologeme seiner Zeit als Stichworte in sein Dankschreiben hinein, sondern er benutzte sie in ihrem korrekten Verwendungskontext. Indem er seinen Wunsch nach Kindern ausdrückte, signalisierte er zugleich seine emphatische Akzeptanz derNachfolge Traians unddes neuen Kaisers überhaupt.45 Wirkönnen ausseinem Schreiben undausdenparallel emittierten Bildern der Felicitas/Securitas Temporum noch einen wichtigen Punkt erkennen, welcher uns schon in derBesprechung desersten Briefes desPlinius anTraian beschäftigt hatte: Zumindest in dieser Zeit besaßen die Adoption Traians und somit auch die Rolle Nervas noch ein gewisses Gewicht in der Herrschaftsdarstellung. Aus der Emission derMünzen bis zumJahre 103 wird zudem deutlich, dass dieser Aspekt auch noch lange überjene Zeit hinaus, welche im Panegyricus reflektiert ist, einige Wirkungskraft besaß, auch wenn die Adoption etwa gegenüber demKonzept der göttlichen Erwählung des Kaisers erheblich marginalisiert wurde. Doch erst die Erfolge der Dakerkriege mit all demmilitärischen Ruhm, den Traian für sich beanspruchte, sollten die Möglichkeit bieten, manche ältere Strategie der Herrschaftsdarstellung zu verdrängen. Erst zu diesem Zeitpunkt verschwand eine Rei-
43 Plin.paneg.27.1. 44 Plin.paneg.8.1. –Auch dasProömium derHistorien mit seinem Diktum vonder„rara temporumfelicitate...“(hist.1.1.4) unddemLob auf die wiedergewonnene senatorische Freiheit und Sicherheit ist in diesem Sinne zuverstehen. 45 Es sei andieser Stelle nurkurz auf denengen Zusammenhang dieses Bildes mit demKonzept der Concordia hingewiesen. Schon vomzweiten Consulat an bis in die Phase COS IIII DES V hatte Traian Darstellungen der Concordia prägen lassen, die ebenfalls durch ein Doppelfüllhorn ausgewiesen war, welches sie imArmhielt. Diese Cornucopiae waren, imGegensatz zudervonmireben behandelten Abbildung, nicht gekreuzt sondern hintereinander angeordnet. Trotzdem bot sich wegen derProminenz des Visiotyps wohl auch hier die Möglichkeit einer Assoziation mitFelicitas/Securitas Temporum.
7. PLINIUS BEDANKT SICH
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he von Münztypen der frühen traianischen Zeit, eben auch die Felicitas/Securitas Temporum.
8. PLINIUS WILL SICHERGEHEN CUPIO FACTA MEAPROBARE SANCTISSIMIS MORIBUS TUIS1
Der nächste Brief des Ärarpräfekten Plinius erreichte den Kaiser in der frühen Mitte des Jahres 98. Dieses Schreiben beinhaltete aber keine Glückwünsche wegeneines besonderen Ereignisses undkeine Bitten umeine konkrete Huldwiedie beiden vorangegangenen Episteln.2 In diesem Brief versuchte Plinius lediglich, dem Herrscher das eigene Verhalten in einer bestimmten Sachlage zu erklären und es zu rechtfertigen. Wie wir sehen werden, hatte aber der Kaiser mit der betreffenden Entscheidung des Senators formal nichts zu tun, denn sie fiel in den Bereich der Geschäftsordnung des Senates. Trotzdem müssen Inhalt oder kommunikative Funktion des Briefes so wichtig gewesen sein, dass Plinius ihn dem Kaiser zusandte undsein Anliegen umfassend erläuterte. Dass Traian überdies mit einem affirmativen Schreiben antwortete, verstärkt die Vermutung, der Brief besitze jenseits seines bloßen Wortlauts und des von Plinius Berichteten große Relevanz. Erst die Kontextualisierung der Epistel in die spezifische Situation des Jahres 98 undihre Korrelierung mit den kursierenden Ideologemen dieser Zeit lässt ihre Bedeutung erkennen. Traian war bereits seit fast zwei Jahren aus Rom abwesend. Auch noch ein gutes halbes Jahr nach seiner Übernahme der Alleinherrschaft mussten die einzelnen Senatoren sich bemühen, mitBoten undEpisteln jeweils einen persönlichen Kontakt zuTraian herzustellen, dadieser denKontakt inRomnicht suchte. Zahlreiche Individuen versuchten, die Absichten undAnsichten des Kaisers brieflich zu ergründen und ihn so zu einer Stellungnahme zu aktuellen oder grundsätzlichen Fragen zu bewegen. Mit einem solchen Wissen konnten sie in Rom ihre eigenen Handlungen an den Vorstellungen des Kaisers ausrichten. In dessen Ansichten und Pläne eingeweiht zu sein, bedeutete erhebliches politisches Kapital. Auch dieser Brief des Plinius ist eine Demonstration von Loyalität gegenüber Traian und ein Signal an den Kaiser, dass er dessen Herrschaftsdarstellung akzeptiere. Wir werden sehen, dass der Senator hier versuchte, seine eigenen Handlungen an den Vorstellungen Traians zu modellieren undsie gemäß der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung zu stilisieren. Er war bemüht, von sich selbst eine Imago zu konstruieren, welche die Taten seines privaten Lebens als konform mit gewissen Bestandteilen dertraianischen Herrschaftsdarstellung aussehen lassen sollte.
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In Anlehnung an Plin.ep.10.3.3. Siehe oben dieDiskussion derBriefe 10.1 und10.2.
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Plinius berichtet in seinem Schreiben, dass er sich, nachdem die gemeinsame HuldNervas undTraians ihnimJahre 97 mit derÄrarpräfektur betraut habe, fortanjeder Anwaltstätigkeit enthalten habe, umgewissenhaft den ihmübertragenen Amtspflichten nachkommen zu können. So habe er auch auf eigenen Antrag hin vom Senat einen Dispens erwirkt, als er gebeten worden sei, im Prozess gegen Marius Priscus die Anklage zu übernehmen.3 Mittlerweile aber sei Plinius doch gedrängt worden, sich in diesem Verfahren als Ankläger zurVerfügung zustellen. Mit seiner ursprünglichen Entscheidung, neben seinem Amt keine weiteren Prozessangelegenheiten zu übernehmen, hatte Plinius also gebrochen. Dazu bewogen hätten ihnderAntrag des designierten Consuls unddie maßvolle Willensäußerung des Senates, betonte Plinius. Er habe geglaubt, es entspreche der traianischen tranquilitas saeculi, einer solchen Bitte amplissimi ordinis nachzukommen.4 Nach dieser Schilderung des Sachverhaltes kommt Plinius zur Absicht seines Schreibens. Er hoffe, dass Traian dieses Obsequium des Plinius gegenüber der Forderung des Senates billige. Schließlich sei es doch sein Wunsch, in allen seinen TatenundWorten dieBilligung Traians gemäß dessen sanctissimi mores zufinden.5 Plinius argumentiert also, dass er sich wegen seiner Amtspflichten, welche die kaiserliche Huld ihm übertragen habe, von manchen senatorischen Tätigkeiten habe befreien lassen. Als Grund seiner Befreiung gibt er an, dass er im Dienste der Res Publica seine Aufgabe gewissenhaft habe ausüben müssen und dass er sich dabei derkaiserlichen Vermittlung als würdig habe erweisen wollen. Etwaige Prozessangelegenheiten neben der Verwaltung des Staatsschatzes seien für ihn jedenfalls mit diesem Pflichtbewusstsein gegenüber der Aufgabe und mit der Dankbarkeit gegenüber ihren huldvollen Vermittlern bisher prinzipiell unvereinbar gewesen.Mit dieser konsequenten Haltung hatte Plinius bisher denStandesgenossen unddemPrinceps demonstriert, dass er dasWohl des Staates fördern wolle undsich des Wertes der kaiserlichen Patronage bewusst sei.6 Das Drängen seiner Standesgenossen, er möge endlich wieder eine Anwaltstätigkeit übernehmen,
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Die hierfür nötige Prozedur wird aus Plin.ep.3.4.3ff. deutlich. Laut dem SC Calvisianum 103 war die Weigerung, derartige Pflichten zu übernehmen, nur aus ganz besonderen Z.97– Gründen heraus zu rechtfertigen. Dazu gehörten etwa Krankheit oder aktuelle Amtstätigkeit. Die Erlaubnis, Prozessaufgaben nicht wahrnehmen zu müssen, wurde vom Senat gewährt (vergleiche hierzu SHERWIN-WHITE 1966, adloc.). Plin.ep.10.3a.2: ...convenientissimum esse tranquillitati saeculi tui putavi praesertim tam moderatae voluntati amplissimi ordinis nonrepugnare. Plin.ep.10.3b.3: Cui obsequio meo opto ut existimes constare rationem, cum omnia facta dictaque meaprobare sanctissimis moribus tuis cupiam. –Mit denMaßstäben dersanctissimi mores ist eine kaiserliche Überwachung des senatorischen Verhaltens zu verstehen. Mit dieser Aussage schreibt Plinius demKaiser eine censorenähnliche Beurteilungskompetenz zu. Einweiteres Malist dieÜbersetzung vonGIEBEL 1998 adloc. nicht inderLage diese Nuance angemessen wiederzugeben (...ist es doch mein Wunsch,..., die Billigung Deiner verehrungswürdigen Person zufinden.). Der Vorgesetzte des Ärarpräfekten warallein der Princeps. In allen Fragen derAmtsführung und bei der Gewährung von Ausnahmeregelungen hatte er als Ansprechpartner zu gelten. Dies zeigt sich etwaauch inPlin.ep.10.8, wennderÄrarpräfekt sich miteinem Urlaubsgesuch anTraian wendet undnicht etwa andenSenat.
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hatte nun aber eine Abkehr von seiner Verhaltensmaxime bewirkt.7 Plinius befürchtete nun, das Obsequium gegenüber dem Senat könne ihm als eine Geringschätzung des übertragenen Amtes und somit als eine Abkehr von seiner Ergebenheit gegenüber demKaiser ausgelegt werden. Diesen Verdacht wollte er ausräumen. Zudem durfte dieser Prozess als politisch brisant gelten. Im Jahre 97/98 hatte jener Marius Priscus als Proconsul die Provinz Africa verwaltet, von deren Bewohnern er jetzt wegen Repetundenvergehens verklagt wurde. Da der offiziell geschmähte Domitian seine Statthalter gut unter Kontrolle gehabt hatte, gehörte dieser Prozess gegen Marius Priscus zu den ersten Repetundenverfahren nach einer längeren Phase, in welcher solche Prozesse nicht hatten geführt werden müssen.8 Mit dieser Anklage wurde eine gewisse Schwäche der kaiserlichen Provinzialverwaltung deutlich, die dem allenthalben betonten Wandel von Domitian über Nerva zu Traian auf sämtlichen gesellschaftlichen Gebieten hin zu besseren Verhältnissen eindeutig widersprach. Hier wurde ein Mangel des traianischen Principats aufgedeckt. Plinius selbst weist in seinem später verfassten Prozessbericht darauf hin, das Verfahren habe wegen der Außergewöhnlichkeit der Sache undderhohen Stellung des Angeklagten großes Aufsehen erregt.9 Dieser letzte Punkt, die Prominenz desBeschuldigten, deutet außerdem darauf hin, dass Plinius nicht wissen konnte, wie Marius Priscus undTraian zueinander standen. Beide entstammten derselben Provinz.10 Welchen Kontakt hatten die beidenConsulare bisher miteinander gepflegt? WarderKaiser demzukünftigen Angeklagten in irgendeiner Weise geschäftlich oder gar persönlich verbunden? Es warfür Plinius unklar, ob er mit dieser Anklagevertretung auch denKaiser gegen sich aufbringen könnte. Wollte der Princeps denn überhaupt Unzulänglichkeiten der Provinzialverwaltung ans Licht gezerrt sehen? Oder wollte er ein deutliches Exempel statuieren und den ehemaligen Proconsul bestraft sehen? Konnte eine Anklägertätigkeit gegen Marius Priscus demKaiser Loyalität demonstrieren und somit soziales Prestige bedingen? Oder lief er etwa Gefahr, gegen denWillen des Princeps zu handeln, den Standesgenossen gegenüber als in die Pläne des Kaisers uneingeweiht zu erscheinen und den eigenen Status einzubüßen? Ein sorgsames Beobachten der kaiserlichen Reaktion auf die Entwicklung der Affäre hätte Klarheit bringen können. Da Traian aber aus Rom abwesend war, kursierten in der
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Die Senatoren
übten durchaus auf einzelne Standesgenossen Druck aus, eine Rolle in einem Gerichtsverfahren zuübernehmen, auch wenndiese als Amtsinhaber aufgrund eines kaiserlichen Dispenses von Prozesstätigkeit freigestellt waren. Dies wird besonders deutlich in Plin.ep.3.4.4, demVerfahren gegen Caecilius Classicus. Hier konnte sich Plinius demkollektiven undaffirmativen Druck seiner Standesgenossen nicht widersetzen, welcher ihm nach dem Antrag der bittenden Provinzbewohner entgegenschlug. Auch die erst nachträgliche Einwilligung, den Prozess gegen Marius Priscus doch zu übernehmen, zeugt von diesem Druck. Siehe hierzu Suet.Dom.8.2.3; PLEKET 1961. Plin.ep.2.11.1: Accipe ergo, quod per hos dies actum est personae claritate famosum, severitate exempli salubre, rei magnitude aeternum. Marius Priscus entstammte der Provinz Baetica, in der auch Traian geboren war
(Plin.ep.3.9.3).
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Stadt nur unzureichende Informationen, welche Position der Kaiser in diesem Verfahren wohl einnehmen werde. Die kommunikative Funktion dieses Briefes ist demnach vielschichtig. Im Vordergrund steht das Problem einer geänderten persönlichen Entscheidung. Danach erst geht es um den Prozess selbst. Zunächst möchte Plinius seinen Kaiser überhaupt erst einmal von seinem Entschluss informieren unddie Gründe seines Umschwenkens transparent machen. Er betont, mit seiner Entscheidung nicht etwademonstrieren zuwollen, dass Wille undSouveränität des Senats einen größerenWert für ihnbesäßen als die Wünsche des Princeps nach einer gewissenhaften Führung des von ihmübertragenen Amtes. Traian solle erkennen, dass Plinius die Loyalität gegenüber seinem kaiserlichen Wohltäter keineswegs gering schätze. Außerdem will derSenator sein Vorgehen vonTraian bestätigt sehen. Er sucht die Gewissheit, dass seine Entscheidung unddie Anklagevertretung ihm beim Herrscher nicht zumNachteil gereichen werden. Zudiesem Zweck konstruiert Plinius eine Argumentation mit Versatzstücken derimperialen Ideologie undversucht, in seinem Brief die Wünsche des Kaisers und die Forderung des Senates argumentativ zur Deckung zu bringen. Er habe geglaubt, sich dem Willen des höchst bedeutenden Gremiums nicht widersetzen zu dürfen, zumal dessen Wunsch mit moderatio vorgetragen worden sei. Doch erst Traian gewährleiste ja jene tranquillitas saeculi überhaupt, welche dem Senat ein derartiges Verhalten ermögliche undwelche Plinius die Möglichkeit eröffne, seine Entscheidungen frei zutreffen. Der Senat verhalte sich also nurgemäß dem kaiserlichen Vorbild undreflektiere mit seiner moderaten Bitte eine dermaßgeblichen Herrschertugenden. Wenn Plinius also einem derart vorgetragenen Wunsch des Senates nachgebe, handele er nur gemäß dem politischen Klima, welches Traian garantiere. Sein Engagement diene einzig demWohl des Senates unddes Staates. Neben dieser Rechtfertigung verzichtet Plinius nicht darauf, sich in seinemBrief zugleich auch als begehrter Advokat zu stilisieren, auf dessen Hilfe der Senat nicht habe verzichten wollen. Diese Worte signalisierten demPrinceps deutlich die Unsicherheit des Plinius, wie er sich zu verhalten habe. In seiner Antwort bestätigte Traian denSenator in allen Punkten.11 Er bezeichnet den Senat mit den gleichen Worten, die auch Plinius verwandt hatte, als amplissimus ordo. Die Forderung des Gremiums, Plinius möge sich als Anklagevertreter zur Verfügung stellen, charakterisiert der Princeps als iustissime, als besonders gerecht. Damit signalisiert Traian nicht allein die Billigkeit dieses Wunsches, sondern zugleich auch seine eigene Einstellung zu einem solchen Repetundenprozess überhaupt. Er macht implizit deutlich, das Verfahren gegen Marius Priscus zu befürworten, jedoch ohne in der Schuldfrage ausdrücklich Stellung zu beziehen. Traian drückt somit stillschweigend aus, dass dies alleine dem Senat überlassen sei. Dass Plinius den Wünschen des Gremiums gehorche, entspreche der Pflicht eines guten Senators undBürgers. In sei-
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Plin.ep. 10.3b: Et civis et senatoris boni partibus functus es obsequium amplissimi ordinis quod iustissime exigebat, praestando. Quas partes impleturum te secundum susceptam fidem
confido.
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nemabschließenden Satz verwendet derPrinceps zwei Ausdrücke aus demWortfeldfides: Er vertraue darauf, dass Plinius das vomSenat in ihngesetzte Vertrauen erfüllen werde. Dieser Hinweis lässt in der Person des Plinius zwei Bekundungen von Fides zusammentreffen, die des Senats unddie des Princeps. Traian macht demPräfekten deutlich, dass ein vomKaiser übertragenes Amtdie Übernahme senatorischer Pflichten nicht zu verhindern brauche. Dennoch kann keine Rede sein von einer Gleichwertigkeit derTreue unddesPflichtbewusstseins gegenüber Senat undKaiser. Zwar war Plinius dem Drängen des Senates nachgekommen, doch hatte er sich veranlasst gesehen, auch die Zustimmung des Princeps einzuholen, unddieser hatte denVorgang schließlich abgesegnet. Hier wirdtrotz aller demonstrativen Gesten der gegenseitigen Anerkennung deutlich, dass der Kaiser das letzte Wort besaß, unddass diese Tatsache denBeteiligten wohlbewusst war. Das traianische Antwortschreiben offenbarte die kaiserliche Einstellung zu denwesentlichen Fragen, welche Plinius bewegten. Von diesem Zeitpunkt an war deutlich, dass eine Prozessvertretung gegen Marius Priscus für seinen Ankläger keinesfalls einen Fehler bedeuten werde. Der Anklagevertreter durfte sich bei Prozessbeginn sicher sein, dass ihm aus seiner Tat ein Statusgewinn entstehen werde. Der Prozess wurde im Januar 100 vor Traian als amtierendem Consul geführt.12 Plinius undTacitus traten als Ankläger auf. Plinius berichtet, am Ende des Antrages des designierten Consuls Cornutus Tertullus habe dieser hinzugefügt, Plinius und Tacitus hätten ihre Aufgabe sorgfältig und standhaft erfüllt. Daher meine der Senat, die beiden hätten sich des übertragenen Auftrags würdig erwiesen. DerKaiser selbst habe großes Interesse anPlinius gezeigt undsei wegen dessen Gesundheit besorgt gewesen; so sehr habe sich Plinius in seiner fünfstündigen Rede angestrengt. Der Prozess war für Plinius ein Erfolg gewesen undhatte ihm tatsächlich zusätzliches Prestige eingebracht. Dievorherige Erkundung deskaiserlichen Willens
in dieser Sache hatte ihren Zweck erfüllt.
12 Plin.ep.2.11, besonders 19.
9. TRAIAN AM RHEIN WARUM KAM DER KAISER NICHT NACH ROM?
Bevor wir die Untersuchung der Plinius-Briefe fortsetzen, müssen wir zunächst nach den Gründen suchen, weshalb Traian zu Beginn seiner Herrschaft nicht sofort nach Romzurückkehrte. Imbisherigen Verlauf derUntersuchung wurde deutlich, welche Schwierigkeiten die kaiserliche Abwesenheit für das Verhältnis des Herrschers zu den Senatoren mit sich brachte. Es zeigte sich, dass Traian die Akzeptanz seines nochjungen Principats auf eine harte Probe stellte, als er sich nach dem Antritt seiner Alleinherrschaft nicht nach Rom begab, sondern stattdessen vorerst in Germanien blieb unddann sogar weiter nach Pannonien undMoesien zog.1 Insgesamt sollten es weit über zwei Jahre sein, die Traian, nachdem er als
Consular die Hauptstadt in Richtung seiner Provinz verlassen hatte, nicht wieder zurückkehrte. Was aber wares nun, das denKaiser dieses Risiko einer schweren Verstimmung mitdenSenatoren undderPlebs Urbana auf sich nehmen ließ, daer sich der Kommunikation mit diesen beiden Sektoren des Akzeptanzsystems entzog? Warum kam der Kaiser so lange nicht nach Rom zurück? Die Antwort ist, dass Traian nicht in seine Hauptstadt kommen wollte, bevor er nicht für sich und das Reich einen deutlichen militärischen Sieg erfochten hätte. Es warfür ihn derart wichtig, mit nachweisbarem Erfolg seine militärische Imago zukonkretisieren, dass er dafür die erwähnten Risiken auf sich nahm. Es ergeben sich nunzwei Fragen: Besaß er denn bis dahin noch keinen guten Ruf als ausgewiesener Feldherr? Warum war es für ihn überhaupt so wichtig, sich militärischen Ruhm zu erwerben? ImFolgenden möchte ich mich diesen beiden Problemen zuwenden.
9.1. DIE NOTWENDIGKEIT 9.1.1. FALSI
TRIUMPHI
EINER MILITÄRISCHEN IMAGO
–DOMITIAN ALS OPFER SEINER EIGENEN IMAGO
Während derdrei Jahrzehnte vordemRegierungsantritt Traians, also während der Regierungszeit der flavischen Kaiser, hatte die militärische Facette in der Herrschaftsdarstellung des römischen Princeps erheblich an Relevanz gewonnen; sie war wesentlicher Bestandteil seiner Imago geworden. Um verstehen zu können,
1
Einen Überblick über die von Traian bereisten Militärgrenzen bieten SPEIDEL 2002 und BECKER/SCHALLMAYER 2002.
zu Beginn
seiner Herrschaft
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welches Gewicht auf Traian lastete, welche Hypothek seine Vorgänger ihmdamit hinterlassen hatten, undunter welchem Druck er stand, sich militärisch zubewähren, müssen wir zunächst einen Blick auf die Bemühungen der flavischen Kaiser werfen, Siege zu erringen und diese zum wesentlichen Bestandteil ihrer Herrschaftsdarstellung zu stilisieren. Nach einer kurzen Einleitung über Vespasian und Titus wollen wirunsDomitian zuwenden. Dabei wird deutlich werden, dass Traian vomBeginn seiner Herrschaft an sich von denmilitärischen Erfolgen des letzten Flaviers herausgefordert sah. Er stand unter Zwang, militärisch ebenso erfolgreich zusein, oder zumindest zuscheinen, wiedieKaiser vorihm. Vespasian war als Homo Novus auf den Thron gekommen. Deshalb konnte er, umseinen Anspruch auf die Herrschaft imNachhinein zubegründen, nicht auf einer familiären Strategie aufbauen. Er besaß schlichtweg keine Vorfahren, deren Verdienste auf ihn hätten abfärben können. Damit unterschied sich dieser Princeps in einem wesentlichen Punkt von den iulisch-claudischen Kaisern, die ihre Regimentsfähigkeit, ihren Anspruch auf die Herrschaft, alleine schon aus ihrer Familiengeschichte hatten herleiten können; aus den Taten und dem solchermaßen akkumulierten Prestige ihrer Vorgänger. Vespasian und seine ihm nachfolgenden Söhne bemühten sich allerdings auch garnicht, diesen Makel einer wenig illustren Abstammung in der Wahrnehmung ihrer Zeitgenossen zu übertünchen.2 Sie wählten eine ganz andere Strategie zur Begründung ihrer Herrschaft, nämlich die Betonung militärischer Leistung. ZumZeitpunkt jener Wirren derJahre 68/69 hatte Vespasian denKrieg gegen die Iudaeer geführt, wozu er noch vonNero beauftragt worden war. In seiner Begleitung befand sich sein älterer Sohn Titus. Dieser sollte später auch denKampf umJerusalem führen, als sich Vespasian schon nach Alexandria zurückgezogen hatte. Es ist nuninteressant zu sehen, dass Vespasian als Datum seines Dies Imperii nicht den 22.12.69 gewählt hatte, den Tag, an welchem seine lex de imperio vom Senat in Rom beschlossen worden war, sondern den 1.7.69, jenen Tag, an demihn seine Truppen in der Provinz zumImperator ausgerufen hatten. Vespasianakzentuierte also vonBeginn seiner Regierung anganz, welche Rolle dasMilitär bei derBegründung seiner Herrschaft gespielt habe. Hiermit betonte er, wem er eigentlich seine Herrschaft verdankte. Waren nach demgewaltsamen Ende der iulisch-claudischen Dynastie mit den Usurpatoren Otho undVitellius noch zwei Angehörige der neuen imperialen Führungsschicht erhoben worden, so war nun
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Für Titus undDomitian bestand dazu natürlich geringere Notwendigkeit als für Vespasian. Immerhin waren die beiden Prinzen die Söhne eines Kaisers undGottes, wie auch Plinius Paneg.11.1 anmerkt. Sueton etwa berichtet statt dessen von einer gewissen Bodenständigkeit Vespasians, welche dieser imLaufe seines Lebens nie habe ablegen können oder wollen, und erzählt explizit von den Umständen seiner Herkunft. Diese seien zwar nicht senatorisch gewesen, aber es wird dieEhrenhaftigkeit seines familiären Hintergrundes hervorgehoben; siehe 2.2. –Wenn BENNETT 1997, 14 behauptet, im Jahre 67 sei Vespasian etwa Suet.Vesp.1.2– one of Rome’s most celebrated living marshals“gewesen, so ist dies nur einer der zahlrei„ chen sachlichen undinterpretatorischen Fehler jener Studie. Tatsächlich hatte sich Vespasian bis zumJahr 67 in keiner Weise militärisch profiliert. Das symbolische Kapital eines erfolgreichen Feldherrn sollte er erst während seines jüdischen Kommandos erhalten.
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mit dem Flavier der erste Homo Novus an die Macht gelangt, den zudem die Grenzheere ausgerufen hatten. Seitdem auch noch der Krieg in Iudäa gewonnen war, nahm die militärische Sieghaftigkeit in der Herrschaftsdarstellung von Vespasian undTitus eine ungeheure Rolle ein; sei es nunin der Münzprägung, in welcher Darstellungen der niedergeworfenen Personifikation Iudaeas jahrelang große Relevanz besaßen, oder in der baulich-konzeptuellen Ausgestaltung des Templum Pacis; jenes Forums, das Vespasian in Romerrichten undmit den Spolien des Iudaeischen Krieges ausstatten ließ.3 Domitian sah sich bei seinem Herrschaftsantritt getrieben, möglichst bald eigenen militärischen Ruhm zu erwerben, da ihm, anders als seinem älteren Bruder, vom Vater jeglicher Ehren-Anteil am Iudaeischen Sieg vorenthalten worden war. Vespasian und Titus hatten gemeinsam über die Iudaeer triumphiert, Vespasian hatte sich sogar demrömischen Volk zum ersten Mal in seiner neuen Rolle als Kaiser erst dann gezeigt, als er –erst Monate nach seinem Regierungsantritt –als Sieger über die Iudaeer in derHauptstadt eingezogen war. Dieser Sieg unddas in derFolge prononcierte Ideal militärischer Leistung waren vomBeginn derRegierung Vespasians an wesentliche Züge der flavischen Herrschaftsdarstellung geworden. Doch diese nachhaltig wirkende Imago des sieghaften Kaisers war nur auf denvorgesehenen Nachfolger Titus, nicht aber auf Domitian übertragen worden. Er hatte mit demSieg in Iudaea nichts zutungehabt, daer sich zujener Zeit als Stellvertreter seines Vaters in derRolle eines Praetor Urbanus Consulari Potestate in Romaufgehalten hatte. Dieses Defizit, seine militärische Imago bislang nicht konkretisiert zu haben, lässt Domitians Bemühen im Sommer 70 verstehen, während des Aufstandes der Bataver nach Nordwesten an die Front aufzubrechen, umdort durch sein Eingreifen in die Kämpfe seinerseits militärischen Erfolg zu erringen. Doch obwohl Domitian schon vor der Überquerung der Alpen die Nachricht erhalten hatte, dass das feindliche Heer bereits geschlagen worden sei, zog er bis nach Lyon weiter. Schließlich konnte sein Begleiter Mucian ihn zurUmkehr bewegen. Die offizielle Umschreibung dieses unnötigen und erfolglosen Zuges bietet Flavius Josephus, derberichtet, bereits das bloße Gerücht des anrückenden Domitian habe die Feinde zur Aufgabe bewegt.4 Das offensichtlich erklärungsbedürftige Verweilen des Caesars jenseits der Alpen deutet Josephus denn auch als die Neuordnung Galliens unddie präventive Konsolidierung des Friedens. Hierauf sei Domitian bedeckt mit Ruhm, wie es dem Sohn eines solchen Vaters schließlich entspreche, nach Rom zurückgekehrt. Doch es blieb bei der rhetorischen Makulatur, denn auch in der Folgezeit boten weder sein Vater noch sein Bruder ihm die Möglichkeit, sich militärisch zuprofilieren. So wares nurkonsequent, dass Domitian nach seiner eigenen Thronbesteigung nur wenig Zeit auf die innenpolitische Konsolidierung der Herrschaft verwandte. Bereits im Herbst des Jahres 82 trieb er die
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Siehe hierzu imKapitel zumTraiansforum denAbschnitt 5.2 „ Templum Pacis“ . Flav.Ios.b.J. 7.4.2.
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Vorbereitungen zu einem Krieg voran, der seine grundsätzliche militärische Imago konkretisieren sollte.5
Im Jahre 83 begann Domitian ohne äußeren Anlass einen Krieg gegen die Chatten, den er im Bereich der Wetterau tief in rechtsrheinisches Gebiet trieb.6 Nach einigen Erfolgen ließ derPrinceps noch im selben Jahr denFeldzug beenden, um sich in Rom eine Fülle von Ehren übertragen zu lassen.7 Die herausragende Auszeichnung war dabei der Germanicus-Beiname.8 Zum ersten Mal hatte ein römischer Kaiser seinen Siegerbeinamen nicht bloß ererbt, sondern ihn eigenständig und durch seine Anwesenheit auf dem Kriegsschauplatz erworben.9 Neben dem Triumph erhielt der Kaiser das Recht, sich ständig mit 24 Liktoren zu umgeben unddemversammelten Senat im Habitus des Triumphators zu begegnen. Weiterhin ließ sich Domitian schon für mehrere Jahre im Voraus, nämlich bis 89, in ununterbrochener Folge zum Consul Ordinarius designieren.10 Daneben erhöhte der Kaiser den Sold seiner Legionäre ganz erheblich, nämlich umein ganzes Drittel.
Damit signalisierte er, welche Bedeutung undwelchen Status er in seinem Principat dem Militär beimaß.11 Die ungeheure Relevanz des Germanensieges in seiner Herrschaftsdarstellung lässt sich auch an den zahlreichen Münztypen erkennen, die auf dieses Ereignis Bezug nahmen. So ließ Domitian sich selbst als Feldherrn darstellen, der die Kapitulation der Germanen annimmt, und als heroischen Führer, der seinen Fuß auf den bezwungenen Rhein setzt. Diese Bilder wurden ergänzt durch zahlreiche Darstellungen von Tropaia undvonVictorien, die Waffen verbrennen.12 Für Domitian war es nötig gewesen, rasch militärischen Erfolg zu erringen unddiesen denZeitgenossen in deutlicher Weise vor Augen zu führen. Die Vielzahl und der innovative Charakter seiner Ehrungen zeugen von dem Verlangen,
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Siehe hierzu die knappen Darstellungen von WOLTERS 1989 und WOLTERS 2000. –BE2002, 41f. berichten ebenfalls in konziser Form vomVorgehen Domitians andergermanischen Grenze undbetonen, dass „ dasGesamtkonzept derrechtsrheinischen Besatzung...neben einer Weiterführung der Pläne Vespasians auch propagandistische Zwecke verfolgt haben“dürfte. –Dieser Aussage liegt ein nur wenig reflektiertes Konzept von ‚Propaganda‘zugrunde, welches die Existenz vonErwartungshaltungen undNotwendigkeiten einer militärischen Profilierung, denen Domitian unterlag, vernachlässigt. 6 Suet.Dom.6.1; Frontin.strat.1.1.8. 7 Siehe hierzu ausführlich STROBEL 1987. 8 Frontin.strat.2.11.7. 9 KNEISSL 1969, 38ff. betont, dass bereits Vitellius der Germanicus-Beiname verliehen worden war; dies hatte jedoch auf seine Erhebung durch dasgermanische Heer hingewiesen. 10 Cassius Dio 67.4.3 berichtet von der Designierung für zehn Amtsperioden, wasjedoch nach JONES 1979, 59ff. korrigiert werden muss. 11 Cassius Dio 67.3.5. 12 RIC Domitian, Nr. 66a, 252, 254f., 257ff., 266f.; Abbildungen dieser Stücke bei WOLTERS 61, Nr.29– 37. 1989, 58– CKER/SCHALLMAYER
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sich selbst als sieghafter Imperator zu profilieren. Daneben wollte er demonstrieren, seine Vorgänger überflügelt zu haben. Daher ließ der Kaiser für seine Propagierung des Germanensieges nicht allein die erwähnten neuartigen Bilder prägen, sondern bewusst auch solche Münzbilder kopieren, die bereits sein Vater anlässlich seines Sieges über die Iudaeer hatte emittieren lassen. So hatte Vespasian etwa Darstellungen mit der IVDAEA CAPTA prägen lassen. Dies war in der römischen Münzprägung die erste Legende mit einem Hinweis auf eine unterworfene Provinz gewesen. Andiese Prägung erinnerte Domitian miteiner eigenen, hier abgebildeten GERMANIA CAPTA. Zudem kopierte er von denMünzbildern sei-
nes Vaters dasMotiv des siegreichen Reiters, der seine Feinde niederstreckt, und eine Darstellung, welche die niederworfene Provinz undihre Bewohner abbildete. Dass Domitian aber nicht nurdenVergleich mit seinem Vater anstrebte, sondern gerade auch die Konkurrenz zu den Taten seines Bruders suchte, wird etwa bei Martial deutlich: Der Kaiser habe nach seinem Sieg in Germanien nunendlich auch jenen Beinamen erhalten, den er sich schon als Knabe verdient habe; wodurch er sogar einen Scipio Africanus und einen Metellus Creticus übertreffe. Zudem, betont Martial, habe Titus nur zusammen mit seinem Vater den Iudaeischen Triumph feiern können, doch Domitian habe sich den Germanischen Lorbeer ganz alleine verdient.13 In diesen Zeilen ist das schwierige Bemühen der frühen Herrschaftsdarstellung Domitians reflektiert, sich selbst über die Erfolge seiner Vorgänger zu erheben, ohne aber die Siege seiner eigenen Familie zu entwerten, da gerade die Filiation der Sieghaftigkeit, jene familiäre Weitergabe des Ruhmes, ein wesentliches Element derflavischen Herrschaftsbegründung darstellte. Welche Relevanz der Feldzug gegen die Chatten im Rahmen seiner Herrschaftsdarstellung besaß, wird ebenso darin deutlich, dass Domitian noch Jahre nach seinem Triumph von 83 den Sieg über Germanien intensiv propagierte. So ließ er später etwa die Monate September undOktober in Germanicus undDomitianus umbenennen.14 Hiermit zeichnete Domitian
denMonat seiner Thronbestei-
gung unddenseiner Geburt aus. Auf diese Weise wurden die Feiern desDies Im-
perii Domitians unmittelbar mit demwesentlichen Ideologem seiner Herrschaft in dieser Zeit verbunden, der nunmehr eingelösten Prädisposition zum Siegen.15 Im
13 Martial 2.2. 14 Der Zeitpunkt
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hierfür ist ungewiss. Cassius Dio 67.4.4 berichtet dies vom Jahre 84. Der früheste Beleg datiert aber in das Jahr 87/88 (siehe FLAIG 1992, 425 mit Anm. 36). Als Anlass zur Umbenennung ist der zweite Triumph des Kaisers im Jahre 86 anzunehmen, den er aber über die Daker feierte. Dass Domitian zu diesem Zeitpunkt weiterhin den Germanicus-Beinamen derart betonte und sich nicht etwa als Dacicus hervorhob, wirft ein Licht auf die Relevanz dieses ersten Sieges für Domitian. Hierin zeigt sich aber auch, wie ungeheuerlich es war, dass Traian später insgesamt das Prestige dreier Siegerbeinamen in seiner militärischen Imago kumulierte. Martial 9.1; Cassius Dio 67.4.3. Dies warkeinesfalls ein singulärer Vorgang. Ein Vorbild aus derAnfangszeit desPrincipats boten etwa die Benennung derMonate Juli undAugust, uman Caesar und Octavian zu erinnern. Nach Suet.Tib.26.2 hatte Tiberius die Umbenennung von September und Oktober in Tiberius undLivius verboten. Caligula hatte den September in Germanicus umbenennen lassen, wasaber laut Suet.Cal.15.2 zumGedenken an seinen Vater
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Jahre 89 feierte der Princeps einen Doppeltriumph über Daker und Chatten, bei welchem er erneut seine Sieghaftigkeit als Germanensieger demonstrierte. In diesemJahr beschloss der Senat auch die Errichtung einer monumentalen Reiterstatue auf demForum Romanum.16 Sie zeigte denKaiser auf seinem Pferd, das den Kopf des personifizierten Rheines zertrat.17 Doch dieser Germanenkrieg Domitians undderresultierende Triumph sollten vonderNachwelt sehr negativ gezeichnet werden. Zwar waren dem Reich nominell zwei neue Provinzen hinzugefügt worden, Germania Superior undInferior. Doch dies warlediglich eine euphemistische Umschreibung für die bereits seit einiger Zeit etablierten Territorien der germanischen Heeresgruppen. Die Prononcierung der GERMANIA CAPTA, wie übrigens auch schon derIVDAEA CAPTA unter Vespasian, bezeichnete in erster Linie einen Rechtsakt; die Einrichtung einer Region, die schon längst unter faktischer Vorherrschaft Roms gestanden hatte, als Provinz des Reiches. Alleine im Rechtsrheinischen stellten die räumlichen Zugewinne eine wirkliche territoriale Erweiterung dar. Insgesamt aber hatte die von Domitian provinzialisierte Germania wenig mit jener Konzeption von Germanien zu tun, welche etwa die Iulisch-Claudische Zeit besessen hatte. Damals hatte Germania den gesamten Raum zwischen Rhein, DonauundElbe bezeichnet. So sollte Tacitus im Jahre 98 bereits im ersten Satz seiner Germania auf diese Diskrepanz der historischen und der zeitgenössischen Raumwahrnehmung hinweisen.18 Cassius Dio bestreitet überhaupt militärische Aktionen Domitians imrechtsrheinischen Gebiet underklärt dasdortige römische Ausgreifen zureinen Raubzügen.19 Der Panegyricus desPlinius geht so weit, dem letzten Flavier bloße falsi triumphi zu unterstellen.20 Diese Behauptung geht zurück auf daserhebliche Auseinanderklaffen vonDomitians Anspruch auf militärischen Ruhm undseinen nachweisbaren kriegerischen Erfolgen. Die mittleren Regierungsjahre des Kaisers waren von seinem Bemühen geprägt, schnelle Erfolge zu erringen. Seine Siege ließ der Kaiser der Öffentlichkeit eindrucksvoll verkünden, umseine Imago des grundsätzlichen Siegers endlich durch konkrete militärische Erfolge zu bestätigen. Dabei kam es jedoch immer wieder zu schweren Rückschlägen.21 Schien Domitians militärischer Ruhm nach dem Germanentriumph undseiner intensiven Propagierung im Jahre 83 schon konsolidiert, fielen 85 unerwartet dakische Truppen in die römische Provinz Moesien ein. Ende des geschehen sei. DieIdee dieses Aktes unterscheidet sich also wesentlich vonderjenigen Domitians, derdieUmbenennung ausvonihmeigenständig erbrachten Taten rechtfertigte. Die Akte Caligulas undDomitians wurden, anders alsjene desCaesar unddesAugustus, nach ihrem Tode wieder rückgängig gemacht. –Domitian scheint Germanicus nicht nurals Teil der imperialen Titulatur, sondern als festen Namen getragen zu haben; siehe hierzu MERKELBACH 1979. 16 Zur Datierung siehe GEYSSEN 1996, 21 mit Anm. 4. 17 Siehe hierzu im Kapitel zum Traiansforum den Abschnitt 6.2.2 „Equus Domitiani –quae moles Latium complexa forum“ . 18 Siehe hierzu weiter unten denAbschnitt 9.3 „ . Die Germania“ 19 Cassius Dio 67.3.5. 20 Siehe etwa Plin.paneg.11.4; 16.3; 54.4 undTac.Agr.39.1. 21 Siehe zudenEreignissen imfolgenden CHRIST 1992; WITSCHEL 1997; STROBEL 1989.
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Jahres sah es dann so aus, als sei der Sieg errungen unddie Gefahr gebannt; und so wurde 86 dererste Dakertriumph gefeiert. Doch bereits 87 wurde erneut ein römisches Heer an der Donau schwer geschlagen. Der Feldherr fiel. Ausrüstung, Feldzeichen und zahlreiche Gefangene gerieten in die Hände der Daker. Die Darstellung Domitians als sieghafter Princeps hatte erheblich an Glaubwürdigkeit verloren. Eine Verschwörung, die im September 87 aufgedeckt wurde, deutet sogar auf einen kaiserlichen Akzeptanzverlust in senatorischen Kreisen hin. UmKräfte für einen Krieg an der Donau zu sammeln, sah derPrinceps sich zudem gezwungen, die etablierte offensive Politik in Britannien aufzugeben unddie römischen Linien zurückzuziehen. Mit dendort freigesetzten Truppen war Domitian gerade bereit, im Jahre 89 an die Donau aufzubrechen, als die Usurpation des Antonius Saturninus ausbrach.22 Obwohl dessen Heer bereits vomniedergermanischen Statthalter Aulus Bucius Lappius Maximus geschlagen worden war, begab sich Domitian nach Germanien, umdie Offiziere der abgefallenen Truppen zu richten undumeinen Strafzug gegen die Chatten zu unternehmen, die sich zuvor mit Saturninus verbündet hatten. In der Folgezeit wurden dieser von Lappius niedergeschlagene Versuch einer Usurpation unddie Strafaktion zueinem Germanensieg Domitians stilisiert. Im Anschluss an diese Expedition konnte Domitian endlich an die mittlere Donau aufbrechen, wie er es vor der Usurpation vorgehabt hatte, um zunächst einen Krieg gegen Quaden und Marcomannen zu führen, die in dem geplanten Dakerkrieg die Flanke des römischen Heeres hätten bedrohen können. Die Truppen des Kaisers wurden aber entscheidend geschlagen, und Domitian musste rasch mit demDakerkönig Decebalus einen Verhandlungsfrieden schließen, um demEintritt vondessen Truppen in diese Kämpfe vorzubeugen. Römische Subsidienzahlungen undtechnische Unterstützung vermochten zwar Feldzeichen und Gefangene von Decebalus zurück zu gewinnen, doch rechtfertigte dieses Stillhalteabkommen keinesfalls denanschließenden Doppeltriumph Domitians über Daker undChatten am Ende des Jahres 89. Schon 92 brachen erneut Marcomannen, Quaden undJazygen in Pannonien ein undrieben eine Legion völlig auf. Domitian eilte wieder an die Donau und musste sich doch darauf beschränken, diese Grenze defensiv auszubauen. Die Regierungszeit Domitians war also geprägt von einem Bemühen, möglichst schnell einen militärischen Ruhm zuerwerben, wie er zentrales Element der Herrschaftsdarstellung von Vespasian und Titus gewesen war. Dieses Streben
22 Siehe
hierzu STROBEL 1986 undbesonders FLAIG 1992, 417– 450, der die Mechanismen der Usurpation treffend untersucht. Er charakterisiert den obergermanischen Heeresverband als Truppen, denen bewusst gewesen sei, dass nach derKonsolidierung dergermanischen Grenze undder Verlagerung des Truppengewichts undder Aufmerksamkeit an die Donau, an ihrem Standort kein militärischer Ruhm mehr zugewinnen war. So büßte Domitian trotz einer Reihe Faktoren, die geeignet waren, sein Prestige bei denRheinarmeen zusteigern, seine Akzeptanz bei diesem Truppenkörper ein: trotz des erfolgreichen Chattenkrieges von 83 undder kaiserlichen Anwesenheit anderFront während dieses Feldzugs, trotz derintensiven Verkündung dieses Sieges undder damit verbundenen Prestigesteigerung für das germanische Heer sowie trotz dererheblichen Solderhöhung fürdie Legionäre nach Abschluss derKämpfe.
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lässt sich an den kaiserlichen Akklamationen ablesen. Vespasian hatte sich in zehn Regierungsjahren zwanzig Mal zumImperator ausrufen lassen, Titus hatte bereits vor seiner Thronbesteigung 14 Akklamationen aufzuweisen, die er während seines Principats auf 17 steigern sollte. Hingegen war Domitian vor dem Jahre 81 keine Gelegenheit gegeben worden, eine Imperatoren-Akklamation anzunehmen. Mit denVorgaben dermilitärischen Imagines seiner kaiserlichen Vorgänger vor Augen wurde Domitian regelrecht gezwungen, innerhalb vonacht Jah-
ren die ungeheure Menge von 21 Imperatorentiteln anzusammeln. Danach allerdings nahm er nurnoch eine einzige Akklamation entgegen.
Fassen wir die bisherigen Ergebnisse zum domitianischen Bemühen um den Nachweis militärischer Leistungskraft zusammen, erhalten wir folgendes Bild: Bereits nach geringen Erfolgen ließ derKaiser einen Feldzug abbrechen, umihn als Sieg zu stilisieren und so in innenpolitisches Kapital umzuwandeln. Ausgehandelte Achtungserfolge wurden mit einem Triumph beschlossen, doch das darausresultierende Ansehen wurde durch erneute militärische Katastrophenmeldungen zunichte gemacht. Den Konflikten an der Donau, die demrömischen Reich hier neu entstanden waren und die auch zukünftig seine Kräfte binden sollten, konnte Domitian nicht endgültig undoffensiv begegnen. Die Truppenkapazitäten reichten hierfür nicht aus. So warderPrinceps gezwungen, in Britannien die seit langem voran getriebene Expansion zurück zu nehmen. Auch wurden die Eroberungen in Germanien für alle weitere Zeit aufgegeben, undder Grenzverlauf wurde für seine Verteidigung optimiert. Der Verzicht auf eine Ausdehnung derGrenzen undder Übergang zur Defensive am Rhein, in Britannien und an der Donau müssen daher als Merkmal der domitianischen Politik gelten, welche auch für die späteren Kaiser langfristig richtungweisend werden sollte. Obwohl derPrinceps diese militärische Realität erkannte, mochte undkonnte er auf die intensive Propagierung von außenpolitischen Erfolgen in der Tradition seiner unmittelbaren Vorgänger nicht verzichten. So sehr Domitian sich auch bemühte, mit seinem Sieg über Germanien mit demIudaeischen Sieg seines Vaters undBruders in Konkurrenz zu treten, er konnte diesen Vergleich nicht gewinnen. Denn die germanischen Erfolge konnten derÖffentlichkeit keinesfalls so deutlich vor Augen geführt werden, wie es der Sieg in Iudaea mit seinen glanzvollen Spolien, seinem erheblichen materiellen Gewinn für das Reich undder ungeheueren Menge an Sklaven vermocht hatte. Die defensive Konsolidierung der Grenzen brachte nicht annähernd so viel militärischen Ruhm wie ein augenfälliger Sieg oder gar eine Ausdehnung des Reiches. Zudem sah sich Domitian außerstande, in der Frage der veränderten Außenpolitik zu einem demonstrativen Konsens mit den Senatoren zugelangen.23 Die Diskrepanz warzu groß zwischen der grenzpolitischen Realität unddemkaiserlichen Anspruch auf deren triumphale Darstellung, welche Domitian auch noch dazu benutzte, um die Stilisierung seiner eigenen Person in einem bisher nicht gekannten Maße voranzutreiben.
23
FLAIG 1992,
423ff.
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Es griffe jedoch erheblich zu kurz, die Motivation für eine solch intensive, unddann eben auch überzogene, Propagierung militärischer Sieghaftigkeit allein einem kompensatorischen Bedürfnis des Princeps zuzuschreiben. Domitian war vielmehr zumOpfer neuartiger Anforderungen an die militärische Imago des römischen Kaisers geworden, die affirmativ von den Truppen, deren senatorischen Legaten undder stadtrömischen Öffentlichkeit getragen undvorangetrieben wurde. Diesen Erwartungen unddemDruck, Status undPrestige anzusammeln, musste der Kaiser nachkommen, doch konnte seine tatsächliche Grenzpolitik die Ausmaße undIntensität seiner Herrschaftsdarstellung nicht rechtfertigen. Eben diesen Vorgaben seiner Vorgänger und Erwartungen seiner Untertanen sah sich Traian ausgesetzt, als er die Nachfolge seines Adoptivvaters Nerva antrat. Doch damit nicht genug, auch sein leiblicher Vater hatte ihmeine schwer wiegende Hypothek hinterlassen.
9.1.2.
PATRICIO
ET CONSULARI ET TRIUMPHALI PATRE GENITUS TRAIANUS PATER24
Der Vater Traians stammte aus der spanischen Provinz Baetica.25 Er hatte unter Claudius als einer derersten nicht-italischen Senatoren denAufstieg in denrömischen Senat geschafft. Damit war der Grundstein für eine mögliche Karriere der Nachkommen dieses Homo Novus gelegt. Er selbst aber durfte angesichts all jener älteren senatorischen Familien, deren Angehörige schon seit mehreren Generationen im Senat saßen, nicht auf allzu große Ehren für sich hoffen. Der Rang eines Mannes und damit seine weitere Hoffnung auf politischen Aufstieg lagen eben nicht allein in seinen persönlichen Verdiensten begründet. Sie beruhten zum großen Teil auf dem symbolischen Kapital, welches seine Vorfahren hatten akkumulieren können. Von einem Mitglied des Senatorenstandes wurde erwartet, sich dieser Leistungen seiner Vorfahren würdig zu erweisen, ihren Taten nachzueifern undsein eigenes politisches Handeln an diesen Leistungsvorgaben auszurichten. Imbesten Falle erfüllte derNachfahre diese Erwartungshaltung nicht nur, sondern übertraf sie sogar. Dabei stand derjunge Politiker nicht allein unter ständiger Beobachtung seiner eigenen Familie, sondern er musste sich außerdem vor den Augen seiner Standesgenossen bewähren, also auch seiner politischen Konkurrenten. Ein Homo Novus durfte freilich nicht allzu viel erwarten. Wer als erster Mann seiner Familie im Senat saß, verfügte im Normalfall noch nicht über ausreichende Kontakte zu den einflussreichen Vermittlern sozialer Ressourcen oder gar zum Kaiser selbst. Daher schien für ihn etwa der Consulat fast außer Reichweite. Für den Nachfahren eines Homo Novus konnte es nur Steigerungen geben. Sollte etwa der Vater eine günstige Karrierevorlage gegeben haben, und sollte der Sohn selbst besonders tüchtig sein und zudem über mächtige Fürspre24 So bezeichnet Plin.paneg.9.1 denTraianus Pater. 25 Zumfolgenden siehe ECK 1997, 111ff.
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cher beim Kaiser verfügen, so mochte er wohl einen der begehrten Suffectconsulate erringen können. Dies waren die Perspektiven, welche die imperialen Strukturen demVater Traians undseinem Sohn bieten konnten. Doch es sollte ganz anders kommen.
Der ältere Traian hatte vomJahre 67 anals Legionslegat unter demKommando Vespasians gegen die Iudaeer gekämpft. Als Nero im Jahre 68 ermordet wor-
den war, wurde die römische Welt für die nächsten anderthalb Jahre ins Chaos gestürzt. In dieser Zeit, da die Usurpatoren einander abwechselten, wahrte TraianusPater die unbedingte Loyalität gegenüber Vespasian. Da dieser sich amEnde gegen seine Konkurrenten durchsetzte, sollte sich diese Treue als eine ungeheuer wertvolle soziale Ressource herausstellen. Hinzu kam, dass derFlavier zahlreiche Adlektionen in den Senat undin den Patriziat vornahm.26 Er machte die von ihm ernannten Patrizier nicht allein zu einer Statuselite, sondern vor allem auch zu einer Funktionselite, indem er sie gezielt auf die Statthalterposten in den kaiserlichen Provinzen beförderte. Da der Usurpator Vespasian im Osten Mangel an senatorischen Funktionsträgern hatte, schuf er sie sich selbst. Denn er hatte wohl bereits im Sommer 69 denRang zahlreicher seiner Vertrauten, die sich zudiesem Zeitpunkt in seiner Nähe aufgehalten hatten, entsprechend erhöht. So hatte offensichtlich auch der ältere Traian es vermocht, die Gunst des Kaisers in einem solchen Maß zu erlangen, dass er unter die Patrizier aufgenommen wurde unddass ihmwohl bereits im Jahre 70 der Consulat übertragen worden war. In denJahren 74 bis 77 sollte er sogar die Statthalterschaft vonSyria innehaben; jener Provinz, vonderausVespasian seinen Siegeszug begonnen hatte unddieimmer noch eines der wichtigsten Zentren der Truppenkonzentration war. Während dieser Zeit nun scheint es zueinem Kampf mit denParthern gekommen zusein, dendasrömische Heer unter der militärischen Führung des älteren Traian siegreich für sich entscheiden konnte. Dafür bekam der kaiserliche Statthalter von Vespasian die Ornamenta Triumphalia verliehen. Patrizier, Consular, Vir Triumphalis: Dies waren die Vorgaben, welche Traianus Pater seinem Sohn vermacht hatte. Für einen Homo Novus aus der Provinz wardies eine ungewöhnliche undungeheuer rasante Karriere gewesen. Sein Sohn würde an diesen Erfolgen gemessen werden. Er würde sie übertreffen, zumindest erreichen müssen. Das hatte sein Ziel zu sein. Hinzu kam, dass derjunge Traian als flavischer Patrizier als Teil einer klar definierten Elite aufgewachsen undheran gezogen worden war, unddass deren Selbstverständnis auf ganz anderen Säulen ruhte als etwa das der Iulisch-Claudischen Patrizier. Unter Vespasian waren sie die militärische Elite, ihnen wurden bevorzugt die Kommandos über die Provinzen mit den stehenden Heeren übertragen. In einer Zeit, in eine militärische Imago grundlegend für die kaiserliche Herrschaftsdarstellung war unddie Wahrnehmung des Principats überhaupt bestimmte, kamjener Gruppe undihrer militärischen Selbstdefinition besondere Bedeutung zu. Auf diesem Feld hatte auch die Zukunft desjungen Traian zuliegen.
26
JONES 1979,
410, 417f. 27; FLAIG 1992, 407–
9. TRAIAN AMRHEIN
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Doch die Zeiten hatten sich mittlerweile geändert. Domitian beendete die Privilegierung derPatrizier. Während seiner Regierung ist nurein Patrizier als Statthalter einer kaiserlichen consularen Provinz nachgewiesen. Stattdessen wurden Angehörigen dieser Gruppe vornehmlich die Proconsulate von Africa und Asia übertragen; reiche Provinzen zwar, doch ohne die Möglichkeit einer militärischen Profilierung. Nunerreichten von 56 Patriziern des domitianischen Senats immerhin 47 denConsulat, doch nurzweien von ihnen wurde ein prätorischer oder consularischer Posten im kaiserlichen Dienst übertragen.27 Auch derjunge Ulpier war davon betroffen. Zwar konnte er wegen seiner patrizischen Privilegien die Ämterlaufbahn schneller absolvieren als viele seiner Mitsenatoren, und der Consulat hätte für ihn wohl schon im Jahre 86 erreichbar sein können, doch eines schien unter Domitian völlig unmöglich gemacht: seinen Vater konnte Traian nicht übertreffen; er konnte nicht einmal mehr mit ihm gleichziehen. Eine der großen Provinzstatthalterschaften mit der prestigereichen Führung mehrerer Legionen und womöglich einem Grenzzwischenfall, der ihm die Ornamenta Triumphalia hätte einbringen können, vielleicht sogar gegen einen der großen undtraditionsreichen Feinde Roms, mochten es nunGermanen oder Parther sein, schien völlig ausgeschlossen. In der Folgezeit wurde zudem deutlich, dass Traian nicht zu den ausgewiesenen Favoriten Domitians gehörte.28 Sein Consulat ließ jedenfalls auf sich warten. So dürfte es ein wenig verwundert haben, dass ihm die Führung einer Legion in Hispania Ulterior übertragen wurde; für den Sohn eines Patriziers unter Domitian immerhin ungewöhnlich undkein notwendiger Schritt in dessen Ämterlaufbahn. Doch auch hier warkeine Chance auf denErwerb militärischen Ruhmes zuerwarten, Spanien wareine ruhige Provinz. Doch wiederum sollte alles anders kommen als erwartet. 9.1.3. DIE MILITÄRISCHE
IMAGO TRAIANS BIS ZUMJAHRE 98
Am Ende des Jahres 88 erhob sich L.Antonius
Saturninus, der Befehlshaber der obergermanischen Legionen, gegen Domitian. Sofort wurden Gegenmaßnahmen ergriffen, undauch Traian setzte seine Soldaten von Spanien ausnach Germanien gegen denUsurpator in Bewegung.29 Er selbst musste nicht mehr in die Kämpfe amRhein eingreifen, denn die Erhebung warbereits vonLappius Maximus, dem Statthalter von Niedergermanien, unterdrückt worden. Möglicherweise nahm Traian in derFolge der gescheiterten Saturninus-Usurpation als Legat seiner Le-
27 FLAIG, 1992, 417– 423, hier 419; JONES 1979, 54. 28 ZumFolgenden siehe ECK 1997, 112f. 29 Es ist nicht davon auszugehen, dass Traian erst auf den Marschbefehl für seine Legionen wartete. Antonius Saturninus hatte von sich aus andere Statthalter undLegionskommandeure kontaktiert, umsich deren Unterstützung zu versichern. Wer zu einer solchen Unterstützung nicht bereit war, hatte unverzüglich seine Truppen gegen denUsurpator in Bewegung zu setzen. Dies verlangte die Loyalität gegenüber demKaiser, zu welcher mansich bereits durch sein Nichteingreifen aufderSeite desUsurpators erklärt hatte.
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gio VII Gemina an Strafaktionen gegen die Chatten teil.30 Wie demauch gewesen sein mag, sein Eingreifen wurde von Domitian honoriert, denn wenig später erhielt Traian den ordentlichen Consulat des Jahres 91; wohl im Gegenzug für die Demonstration seiner Loyalität und seiner Akzeptanz des Kaisers. Diese Auszeichnung schien derGipfel derKarriere Traians zusein, doch eben imnegativen Sinn. Denn es warangesichts derPersonalpolitik Domitians wohl unmöglich, dass für denPatrizier nach seinem Consulat noch etwas Größeres folgen könne. Wie gesagt, es war definitiv nicht zu erwarten, dass ihm eines der wichtigen militärischen Kommandos übertragen würde. Und doch kam es wiederum überraschend, denn Domitian wurde ermordet undNerva auf den Thron gehoben. Von ihm erhielt Traian die Statthalterschaft der Germania Superior. Einige Monate später wurde Traian bei seiner Adoption zusammen mit allen anderen Bestandteilen derimperialen Titulatur auch derBeiname Germanicus übertragen. Dies wardie Reflexion eines Sieges in Pannonien, den der Statthalter Pompeius Longinus im Jahre 97 erfochten hatte. Dessen Verkündung auf dem Capitol hatte Nerva zum Anlass genommen, seine Adoption Traians mitzuteilen.31 Bei dieser Gelegenheit hatte der Princeps erst selbst diesen Siegerbeinamen angenommen und ihn dann auch auf seinen neuen Caesar übertragen lassen. Hiermit trug der solcherart designierte Nachfolger ohne eigenes Verdienst auf diesem Gebiet den gleichen Siegerbeinamen Germanicus, denauch der letzte Flavier getragen hatte; doch der hatte sich den Titel immerhin noch mit vonihmselbst geführten Kriegen erworben.32
Es lässt sich also soweit zusammenfassen, dass Traian von mehreren Seiten her unter ganz erheblichem Druck stand, sich nach seiner Herrschaftsübernahme demonstrativ undnachweisbar militärisch zu profilieren. Die Herrschaftsdarstellung der römischen Kaiser hatte während der letzten drei Jahrzehnte eine ungeheure Betonung ihres kriegerischen Elementes erfahren. Die Erwartungen der Plebs Urbana undder Senatoren, vor allem aber des Heeres, nicht bloß an eine grundsätzliche Sieghaftigkeit, sondern eben auch an tatsächliche Siege des römischen Princeps waren immens gestiegen. Die flavische Dynastie hatte dafür gesorgt, 30 Die aufrührerische Legio XXI Rapax warvon Germanien an die Donau
31 32
verlegt worden und weitere Truppen waren durch Antonius Saturninus selbst abgezogen worden. Ein Verweilen der traianischen Legion amRhein, ummilitärische Hilfe bei der Expedition gegen die Chatten zu leisten, würde so plausibel. Hierdurch ließe sich ein ansonsten undeutlicher Hinweis des Panegyricus verstehen, Traian habe nach seinem Marsch als derrichtige Mann gegolten, eine Unternehmung nach deranderen auszuführen; Plin.paneg.14.5. Wie demauch sei, es kann sich lediglich umeine Strafexpedition gehandelt haben, nicht aber umeinen Krieg. Domitian hatte zwar vorgeführt, wie auch kleinere Erfolge großartig dargestellt werden konnten, doch die –auch nurvermutete Gelegenheit –reichte längst nicht aus, umdemPrätorier undspäteren Kaiser eine adäquate militärische Imago zuverschaffen, dieer auch demonstrativ hätte nachweisen können. Plin.paneg.8.2f. Es ist unverständlich, dass BENNETT 1997, 44f ohnejeden Nachweis undwider alle Ergebnisse der Forschung für Traian noch während der Herrschaft Domitians zunächst eine Statthalterschaft in Germanien, danach eine inPannonien postuliert.
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dass die herrscherliche Selbststilisierung ganz wesentlich auf militärischem Erfolg basierte. Domitian hatte in der Tradition seines Vaters undBruders, die sich vor ihrem jeweiligen Herrschaftsantritt auf den Schlachtfeldern Iudaeas bewährt hatten, diese militärische Komponente der Kaiserherrschaft umeine weitere Facette bereichert, die sich für die folgende Zeit des Principats als wesentlich erweisen sollte. Er war der erste Kaiser, der sich tatsächlich hatte rühmen können, seinen Siegerbeinamen durch eigene Anwesenheit und eigenes Engagement auf einem Kriegsschauplatz wahrlich verdient zu haben. Eben dies hatte zu einem Paradox des Akzeptanzsystems geführt. Denn die Abwesenheit des Kaisers aus Rom, dieses heikle Fernsein von Senatoren undPlebs Urbana, war zur notwendigen Voraussetzung geworden, umimKreise seiner Truppen militärischen Ruhm erwerben zukönnen. Somit schien ein Verhalten desPrinceps, dasseine Akzeptanz bei zwei der dafür relevanten Gruppen prekär werden ließ, erst die Voraussetzung für die Akzeptanz seiner Herrschaft bei derdritten Gruppe geworden zusein.33 Während des Principats Nervas, als Traian Statthalter von Obergermanien war, wurde deutlich, wohin es führte, wenn derrömische Kaiser keine Reputation als erfolgreicher Feldherr besaß. Nerva war von den Soldaten nicht akzeptiert worden. Er hatte zwar über mehrere Jahrzehnte hinweg bedeutenden Einfluss in der römischen Senatspolitik besessen, doch er hatte nie eine Provinz mit militärischem Kommando geführt. Es gab keine Truppen, die ihm gegenüber eine solche Anhänglichkeit besessen hätten wie etwa das obergermanische unddas untergermanische Heer an deren ehemalige Consularlegaten, Nervas Altersgenossen Verginius Rufus und Vestricius Spurinna. Diese Männer, wie er selbst mit großer Erfahrung in derPolitik, holte sich derKaiser zumindest in sein Consilium. Doch obwohl er sich mit ausgewiesenen militärischen Leistungsträgern umgab, war seine Akzeptanz bei denPrätorianern längst nicht gesichert. Es kamzurErhebung derKohorten im Sommer 97. Dementsprechend ist die Münzprägung Nervas voll jener Bilder, welche die erhoffte CONCORDIA EXERCITUUM beschwören.34 Auch bei den Heeren in den Provinzen scheint der Kaiser nicht ausreichend akzeptiert gewesen zusein. ImOsten, undwieder einmal warSyrien derUnruheherd, drohte Gefahr für die Stabilität seiner Herrschaft in der Kombination eines unzufriedenen Statthalters, Cornelius Nigrinus, mit einer Konzentration von Truppen, die den Kaiser nicht akzeptierten. Die syrischen Legionen sahen in ihrem Legaten, demhöchstdekorierten General Domitians, einen verdienteren Kandidaten für denThron. Die stadtrömischen Kohorten scheinen ihren Druck auf den Princeps mit der Rückendeckung dieser Truppen ausgeübt zu haben. Doch statt dieser Truppen vermochten die ebenfalls mit Nerva unzufriedenen Heere derbeidengermanischen Provinzen unter demKommando vonLicinius Sura undUlpius Traianus den letztlich entscheidenden drohenden Einfluss auf den Kaiser zu neh33 Zur Relevanz des Heeres als maßgebliche
Gruppe für die Stabilität der politischen Ordnung undals Garant für den Machterhalt des Kaisers oder als Ursache seines Sturzes siehe in der Einleitung denAbschnitt zumAkzeptanzsystem. 34 Siehe die Abbildung im einleitenden Abschnitt dieses Kapitels und vergleiche etwa BMC 30, 53ff., 86; SHOTTER 1978, 165; DERS.1983. Nerva XLIV, Nr. 4– 9, 25–
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men, so dass Nerva sich von seinen Beratern lenken ließ, denUlpier zu adoptieren.35
Nunkonnte der solcherart designierte Thronnachfolger, wie wir sahen, bis zu diesem Zeitpunkt seinerseits recht wenige militärische Erfolge vorweisen. Dies warfatal angesichts derKonkurrenz, die er in seinem ausgeschalteten Konkurrenten Cornelius Nigrinus besessen hatte, jenem ausgewiesenen militärischen Veteranen derdomitianischen Donaukriege. Andessen Verdiensten musste Traian sich messen lassen, wenn er selbst als geeigneter für den Thron erscheinen wollte als jener. Der bisherige Mangel an militärischer Erfahrung undkriegerischem Erfolg war zudem fatal, wenn Traian nicht ein ähnliches Schicksal wie der bedrängte Nerva erleiden wollte. Schließlich gab es neben Traian durchaus senatorische Statthalter, die größeres militärisches Prestige besaßen als der Ulpier unddie ihrerseits capaces imperii gewesen wären. Wenn Traian also bisher keinen militärischen Ruhmerlangt hatte, so musste dieser her; undzwar schnell. Zudem sah sich Traian am Rhein auch großem Druck durch seine Truppen ausgesetzt. Die Legionen in denbeiden germanischen Provinzen waren schon seit längerer Zeit ein enttäuschter Verband.36 Angesichts der Einfälle in Pannonien hatte Domitian schon während der achtziger Jahre darauf verzichtet, eine Expansion im rheinischen Germanien weiter voran zu treiben. Stattdessen hatte er die Legionäre zur Bautätigkeit herangezogen, umden Grenzverlauf für die Verteidigung zu optimieren. Den Legionen war bewusst, dass sie hier bloßen Kasernendienst, keinesfalls aber eine propagatio imperii zu erwarten hätten. Militärischen Ruhm würden in Zukunft die Donaulegionen erwerben. In der Folge trug die Unzufriedenheit der obergermanischen Truppen zur Usurpation des Saturninus bei. Nach dessen Niederschlagung hatte Domitian bei seiner Strafaktion gegen die Chatten das Rheinheer noch einmal Siege erringen lassen. An der Situation der germanischen Legionen aber sollte sich bis zumJahre 98 nichts mehr ändern.37 Womöglich wareiner der Gründe, warum Traian nach seiner Übernahme der Herrschaft am Rhein blieb, dass er einer Unzufriedenheit dieser Truppen begegnenmusste, die unter Domitian an derGrenze zuGermanien Erfolge hatten feiern können unddie nunzurUntätigkeit verurteilt waren, da die Expansion nicht weiter vorangetrieben wurde. Es griffe nunaber zukurz, wollte manals Ursache die35 Als diese Berater Nervas haben wohl vornehmlich jene Männer zu gelten, die in denJahren 98 und100undkurz darauf einen zweiten undsogar dritten Consulat erhielten; eine Ehre, die nurdenengsten politischen Anhängern gewährt wurde. Es handelt sich bei diesen Parteigängern Traians umSex.Iulius Frontinus (cos II 98, cos III 100), L.Iulius Ursus (cos II 98, cos III 100), L.Iulius Ursus Servianus (cos II 102), L.Licinius Sura (cos II 102, cos III 107). –Siehe hierzu vor allem ECK2002a sowie DERS. 2002b und 1997, außerdem GRAINGER 2003. 36 Hierzu siehe FLAIG 1992, 428ff.; 443– 447. 37 Die Erwartungen derRheintruppen sollten erst durch die Dakerkriege Traians erfüllt werden. Aus diesem Anlass wurde aus Untergermanien die Legio X Gemina Pia Fidelis aus Nimwegen 102 nach Pannonien verlegt. Die Legio I Minervia Pia Fidelis aus Bonn warbereits 101 direkt an die Donaufront versetzt worden. Es verblieb die Legio VI Victrix. AusObergermanien wurde dieLegio XI Claudia PiaFidelis ausVindonissa 100/101 nach Pannonien verlegt. Die Legio XIV Gemina Martia Victrix aus Mainz warbereits spätestens ab 97 in Pannonien stationiert worden; siehe hierzu mitEinzelnachweisen STROBEL 1984, 85– 99.
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ser Unzufriedenheit eine, wie auch immer geartete, fortgesetzte Loyalität gegenüber Domitian erkennen wollen. Dabei hilft auch nicht die Erklärung, dass die Legionen Untergermaniens sich während derUsurpation des L. Antonius Saturninus für den Flavier erklärt hatten, die Truppen von Obergermanien geschlagen hatten unddafür jeweils den Beinamen pia fidelis erhalten hatten, was bei ihnen auch in derFolgezeit außergewöhnliche Ergebenheit gegenüber Domitian bewirkt habe.
Dass die Truppen ihre Beinamen auch noch behielten, nachdem das Andenken Domitians längst schon zumnegativen Zerrbild umgeschrieben war, ist kein Beweis für eine solche Loyalität. Zumeinen ist es nicht möglich, gegenüber einemtoten Kaiser Loyalität zu empfinden; es kann lediglich die Rede davon sein, dass die Truppen gegenüber demNachfolger geringe Ergebenheit empfunden haben mögen, welche aus dessen Vergleich mit demToten entstand. Zumanderen wares nicht üblich, Truppen deren ehrenden Beinamen wegzunehmen, ohne dass diese sich unehrenhaft verhalten hatten; dieser Entzug von Status wäre ein ungeheurer Affront gewesen undhätte das Akzeptanzsystem eines seiner Grundpfeiler beraubt. Schließlich hatten sich die Legionen Untergermaniens absolut konform derWerte ihrer Profession undderNormen einer fürdie Herrschaft desrömischen Kaisers wesentlichen Gruppe verhalten, als sie ihrem Princeps zu Hilfe kamen, dervoneinem Usurpator herausgefordert worden war. Eine ‚gute‘Tat, mochte sie auch unter einem vonderNachwelt als ‚schlecht‘ gezeichnetem Herrscher erfolgt sein, durfte nur bedingt geschmälert werden. Genauso wenig verschwieg etwa derjüngere Plinius, dass er einst candidatus Caesaris gewesen war. Er berichtete davon in seinen Briefen und ließ es inschriftlich verkünden.38 Dass ihmdiese Ehre unter Domitian zuteil geworden war, erwähnte er nicht; allerdings konnte jeder seiner Standesgenossen sich daran erinnern oder es zumindest leicht errechnen. Doch Kandidat des Princeps gewesen zu sein, war eine Ehre, trug als solche zurauctoritas des derart Begünstigten bei undlegte seinen Status unter den Standesgenossen fest. Ein Senator waralso darauf angewiesen, seine honores aufzuzählen, mochten sie auch vom Pessimus Princeps stammen. Nichts anderes galt für die Truppen. Wenn Traian also die Nähe der Legionen in Untergermanien suchte, dann nicht, weil er deren vermeintliche Loyalität gegenüber Domitian hätte verringern müssen, sondern weil er seine eigene Akzeptanz bei diesem großen undwichtigen Heer verbessern musste, indem er dessen Soldaten die Ehre eines längeren Aufenthalts in ihrer Mitte gewährte, wenn er mitihnen schon nicht in denKrieg ziehen wollte. In den Augen seiner senatorischen Standesgenossen verbanden bislang zwei Ereignisse den Namen Traians mit militärischem Vorgehen. Doch keines dieser beiden Ereignisse war, so wie sie sich ereignet hatten, recht geeignet, zuTraians Nutzen dargestellt zu werden. Es handelte sich zum einen um Traians Engagement während des Jahres 89, zumanderen umseine drohende Einflussnahme auf 38 In denSenat trat Plinius durch die Bekleidung derQuästur während desAmtsjahres 89 ein; er warals candidatus caesaris ein quaestor imperatoris, demes oblag, die Verlautbarungen des Princeps imSenat vorzutragen; Plin.ep.7.16.2; 2.9.1; CILV 5262 = ILS2927.
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Nerva,
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ihnzuadoptieren. Seine Waffenhilfe bei derNiederschlagung derUsurpa-
tion des Saturninus hatte dazu beigetragen, Domitian anderMacht zuhalten. Mit
dieser Loyalitätsbekundung gegenüber demmittlerweile zumPessimus Princeps verzerrten Flavier warnunjedenfalls kein Staat mehr zumachen. Doch immerhin war der Marsch über die Pyrenäen selbst geeignet, umvorzuführen, wie gut der Kaiser seine Truppen habe disziplinieren können, umihnen diese Strapazen abzuverlangen, undwelche Großtaten vor allem er geleistet habe. Die Art, wie die Entfernungen unter seinen mächtigen Schritten dahin geschmolzen seien, lässt Plinius seinen Princeps denn auch mit Hercules vergleichen.39 Der Kaiser als Zuchtmeister einer vermeintlich grundsätzlich unkontrollierbaren Soldateska undderKaiser als Heros –noch im September 100 sollte der Lobredner abwegige Ideologeme bemühen müssen, umnachzuweisen, dass derTraian seine generelle Prädispositionzusiegen schon längst konkretisiert habe. Außer diesem Marsch von 89 hatte es bis zumHerrschaftsantritt Traians nur noch eine Verbindung zwischen ihmunddemHeer gegeben. Daswarjener Druck gewesen, mit demer undLicinius Sura aus den germanischen Provinzen heraus, gestützt auf die Macht ihrer Legionen, die Adoptionsentscheidung Nervas beeinflusst hatten. Doch auch dieses Drängen konnte ins Positive gekehrt werden. So reflektiert etwa der Panegyricus eine Version der traianischen Herrschaftsübernahme, die das Verhältnis des Kaisers zu seinen Truppen auf ganz charakteristische Aspekte hin verengt. In dieser offiziellen Version der Ereignisse von 97 tritt Traian als Wohltäter des Staates auf. Er habe aus der Ferne mit seinen disziplinierten Truppen in der Hinterhand den Prätorianeraufstand sofort ersticken können, als Nerva sich zu seiner Adoption entschlossen habe. Der militärische Druck Traians wurde also zu einer segensreichen Rettung der Res Publica umformuliert.40
DemKaiser musste klar sein, dass sein Bemühen ummilitärische Erfolge, das wir für die Zeit nach demAntritt seiner Alleinherrschaft beobachten können, im Erfolgsfall einem weiteren wesentlichen Zweck dienen würde. Schließlich hatte imbisherigen Principat derSieg über einen äußeren Feind schon mehrmals erfolgreich dazu gedient, einen voran gegangenen Sieg im Bürgerkrieg zu bemänteln, ihn zumindest im Vergleich als geringer erscheinen zu lassen. Die Erinnerung an den einen Krieg konnte durch die intensive Darstellung eines anderen Krieges zumindest oberflächlich verdeckt werden; gerade wenn mit diesem anderen Krieg eine solche Masse an Beute verbunden war, dass seine Propagierung in ungeheuremAusmaß möglich wurde. Dies warbei Augustus derFall gewesen, derseinen Sieg über Marcus Antonius miteinem Sieg über Ägypten hatte verbinden können. Auch Vespasian hatte dies vorgeführt, als er in seiner neuen Rolle als Kaiser erst nach der Einnahme Jerusalems nach Rom zurückgekommen war und auf diese Weise mit einer großartigen Demonstration seines Iudaeischen Sieges die Erinne-
39 Plin.paneg.14.2. –Siehe hierzu ausführlich das Kapitel zum Panegyricus mit seinem Abschnitt 3.4.2 „ VonSpanien nach Germanien –DasHercules-Paradigma“ . 40 Siehe hierzu imKapitel zumPanegyricus denAbschnitt 3.4.3 „recusabas imperare –Prätorianeraufstand undAdoption“ .
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rung an seinen Sieg in denBürgerkriegen zuverwischen vermocht hatte.41 In eben der Weise durfte auch Traian hoffen, dass, sollte seine militärische Imago erst einmal ihre Konkretisierung gegen äußere Feinde erfahren haben, die Erinnerung anseine bisherigen militärischen Taten übertüncht wäre. Wegen all dieser guten Gründe und unbedingten Notwendigkeiten musste Traian umeinen schnellen Erwerb militärischen Ruhmes bemüht sein. Es waren die Vorgaben, die sein eigener Vater ihm in militärischen Dingen auferlegt hatte, undjene, welche die flavischen Herrscher allen folgenden Principes überhaupt
aufbürdet hatten. Dem Princeps stand außerdem das Bild des Vorgängers Nerva vor Augen, der die Hypothek, der römische Kaiser müsse sich als sieghaft erweisen, nicht hatte einlösen können undder damit an seiner geringen Akzeptanz bei denTruppen gescheitert war. Zuletzt musste Traian bemüht sein, jene beiden Gelegenheiten zuüberdecken, die seine Person mitdemHeer verbanden. Doch in dieser Konstellation derZwänge schienen die Chancen Traians zueiner militärischen Profilierung gut zu sein. Schließlich hielt sich der Kaiser inmittenjener Truppen auf, die seinen Weg zur Herrschaft maßgeblich unterstützt hatten. Sie waren es gewesen, die ihn erst capax imperii gemacht hatten. Seine germanischen Legionen hatten Traian zu seinem Status verholfen und durften nun ihrerseits auf die reziproke Anerkennung ihrer Unterstützung hoffen. Ein Donativ zu Regierungsbeginn konnte angesichts dieser Erwartungen nur eine anfängliche Geste sein; letztlich war es nur eine konventionelle undkalkulierbare Statuszuweisung. Wahres Prestige konnten sich dieLegionäre allein imKampf erwerben.42 Wenn wirbedenken, dass derKaiser unter diesen Umständen aneiner Grenze des Reiches stand, an der auch schon seine Vorgänger gekämpft undgesiegt hatten, dass sich hier also die ersehnte Gelegenheit in ganzer Deutlichkeit bot, dann schien sein nächster Schritt klar zusein.
41 Dass dieser Mechanismus
nicht so gutfunktionierte, wiedie Kaiser sich daswünschen mochten, zeigt dastaciteische Totengericht über Augustus unddie darin enthaltene Beurteilung der Bürgerkriege. Hier fällt dasSchlagwort vonderpax verum cruenta; Tac.ann.1.9.4 und1.10.4. Auchdietaciteischen Historien reflektieren nicht allein jenes Vespasian-Bild, demderKaiser inFormseines Templum Pacis einDenkmal setzen ließ. Im Falle Traians aber können wir erkennen, dass die spätere Tradition zwar auch negative Aspekte seines Charakters undseiner Herrschaft reflektiert, dass aber die Herrscher des gesamten zweiten Jahrhunderts ihren Herrschaftsanspruch direkt,
unddie severische Dynastie
noch indirekt, auf Nerva undTraian als den Beginn einer ungebrochenen Linie von guten
Principes zurückführten. Bis aufwenige Hinweise imPanegyricus undbei denspäteren Autorenfinden wirkeine Hinweise auf eine Schwarzzeichnung desAndenkens Traians. Es handelt sich aberjeweils nurumso kleine Hinweise, dass sie nicht geeignet waren, einüber Jahrhunderte gültiges Bild vomOptimus Princeps umzustürzen. Siehe hierzu im Schlusskapitel den . Abschnitt „cupido triumphandi –Die Ambiguität der Imago“ 42 FLAIG 1992, 444 weist darauf hin, dass während des Principats römische Legionäre niemals Angst sogar vor verlustreichen Einsätzen hatten. Stattdessen war es selbstverständlich, sich umEinsätze zubemühen unddies auch deutlich zuzeigen. FLAIG 1992, 446f. zeigt derAutor deutlich, dass derGrund für die Hinrichtung derCenturionen des obergermanischen Heeres nach der Niederschlagung der Usurpation des Saturninus war, dass Domitian demonstrieren musste, der Kaiser lasse sich seine Grenzpolitik nicht von einem frustrierten Heeresverband diktieren.
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9.2. DIE BEFRIEDUNG
GERMANIENS
Die stadtrömische Bevölkerung war nach Nervas Tod über das Verhalten ihres neuen Kaisers irritiert. Sie musste feststellen, dass Traian offensichtlich nicht sofort nach seiner Thronnachfolge nach Rom kommen wollte, umsich dort vor Senat undPlebs zu zeigen, programmatische Reden zu halten, Ehrungen zu akzeptieren, Spiele zu geben, ein Congiarium auszuschütten, demBedürfnis der Plebs nach emphatischer Huldigung entgegen zukommen, mit denSenatoren die Tafel zu teilen; kurz, ein kommunikatives Nahverhältnis zu etablieren. In der Suche nach Antworten für dieses Verhalten drängte sich die Frage auf, ob der Kaiser einen Krieg in Germanien führen wollte. Manches deutete darauf hin. Er hatte bis dahin noch keine militärischen Erfolge aufzuweisen, doch er stand mit starker Truppenmacht amRhein; rund 35.000 Mann, unter denen sechs Legionen waren. Außerdem hatte Traian während der letzten Monate als Statthalter Einblick in die politischen und militärischen Notwendigkeiten an der germanischen Grenze erworben. Er trug auch schon den Siegerbeinamen Germanicus, der ihm jedoch lediglich bei seiner Adoption übertragen worden war, ohne dass er ihn selbst mit Taten angefüllt undihn somit gerechtfertigt hätte. Die Bevölkerung Roms musste sich fragen, ob derKaiser dies nunnachholen wollte. Doch dasVerhalten des Princeps ließ seine Absichten nicht erkennen undgab sogar neue Rätsel auf. Statt nämlich umgehend entweder nach Rom zurück zu kehren oder die Expansion in Germanien zu beginnen, blieb Traian in der linksrheinischen römischen Provinz, unternahm keine Expeditionen jenseits des Flusses undkonsolidierte die Grenzen. Er führte damit jene Maßnahmen weiter, die schon Domitian anderRheingrenze begonnen hatte. In dieser Zeit wurde derBau von Straßen in denrechtsrheinischen Gebieten vorangetrieben,43 die Infrastruktur des Hinterlandes gestärkt, und es wurden Verteidigungsanlagen ausgebaut.44 So erhob Traian etwa Nimwegen undXanten in den Rang einer Kolonie. Alle diese Akte, die für das hauptstädtische Leben ohne direkten Belang waren, konnten wegen derAbwesenheit des Princeps rege Deutungsversuche seiner weiter gehenden Absichten hervorbringen und für Gerüchte sorgen.45 Was bedeute etwa die Gründung der Colonia Ulpia Traiana? Natürlich entspreche Traian damit zunächst der Imago eines fürsorglichen Princeps, indem er seine Veteranen versorge unddiese Maßnahmen mit seinem Namen verknüpfe. Natürlich bediene der Kaiser mit seinen Koloniegründungen die Erwartung, dass römische Eroberung irgendwann auch in die Prosperität des einstmals feindlichen Landes einzumünden habe.46 43
Damit einher gingen Straßenbauprojekte entlang derDonau, die zu einer
bis zumSchwarzen
1992, 294. 44 Die einzelnen Aktivitäten Traians im rheinischen Raum sind nachgewiesen bei PARIBENI 1 (1975), 98f.; siehe konzise auch SCHALLMAYER 1999b undvor allem ZAHRNT 2002. 45 Zum Mechanismus des Entstehens von Gerüchten innerhalb der Plebs Urbana während der römischen Kaiserzeit siehe FLAIG 2003b. 46 Zu dieser Funktion des Kaisers undseines Heeres siehe im Kapitel zumTraiansforum den Abschnitt 6.5.3 „ civilis miles –Die Imago desBürgersoldaten“ .
Meer reichenden Heeresstraße führen sollten;
CHRIST
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Doch lasse dieser Akt auch an die Kolonieerhebung Colchesters unter Claudius erinnern. Diese Tat habe schließlich denAbzug derXX.Legion undihren Einsatz in einem neuen Feldzug eingeleitet.47 Wolle Traian also Truppen bewegen? Wenn dies aber doch bloß die infrastrukturelle Förderung einer römischen Provinz sei, warum müsse derKaiser dann persönlich darüber wachen; warum komme er dann nicht in seine Hauptstadt zurück? Was schließlich bedeute der Straßenbau entlang derDonau? Wie sich herausstellte, verzichtete Traian in Germanien auf ein aggressives Vorgehen, welches die ihmzugestandene Sieghaftigkeit mit einem Schlachtenerfolg hätte bestätigen können. Es sollte sich zeigen, dass er bereits einanderes Ziel im Blick hatte, nämlich das dakische Reich. Doch zunächst behauptete Traian, dass sein defensives Verhalten vollkommen gerechtfertigt sei. Ein Krieg sei hier nicht nötig, Germanien sei nämlich längst schon befriedet. Diese Aussage ließ er in einem bis dahin einzigartigen Modus verkünden. In der römischen Geschichte hatte es in den Beziehungen zu auswärtigen Völkern bis zur traianischen Zeit zahlreiche Beispiele gegeben, dass eine lediglich formale Anerkennung römischer Oberhoheit durch die Gegner undder beiderseitige Verzicht auf offensive Politik als römische Siege proklamiert worden waren. Als Beispiele seien etwa Neros Politik gegenüber Armenien genannt48 und der vermeintliche Sieg des Augustus über ganz Germanien.49 Traian ließ nun seinerseits ab der ersten von ihm selbst gesteuerten Münzemission, die Ende Februar 98 begann, ein inhaltlich zusammenhängendes Programm verkünden, das die Ruhe unddenFrieden in Germanien proklamierte.50 Dasherausragende Stück dieser Prägeserie ist eine imFolgenden abgebildete Dar-
47 Darauf weist BECK 1998, 32 hin. 48 Im Jahre 54 hatten sich die Parther wegen innenpolitischer Schwierigkeiten aus Armenien zurückgezogen; GRIFFIN 1984, 231. Nach Tac.ann.13,6ff. habe der Senat daraufhin demKaiser Ehrungen, triumphatorischen Habitus undeine Ovatio angetragen; dies alles lehnte Nero jedoch zudiesem Zeitpunkt noch ab. Ein Jahr später aber stellte dasPartherreich denRömern Geiseln, undNero nahm hierauf seine zweite imperatorische Akklamation an. Er wartete also einen sichtbaren undvonRombewirkten Erfolg ab, umseine militärische Imago zu konkretisieren. Es entsprach durchaus den Konventionen der senatorisch-kaiserlichen Kommunikation, dem Herrscher Ehrungen durchaus auch in jenen Situationen anzubieten, die nicht auf Kriegstaten des Herrschers zurückzuführen waren und die zudem nicht mit nachweisbaren Gesten einer Niederlage derFeinde verbunden waren. Doch die Regeln dieser Kommunikation verboten ebenfalls, solche Akklamationen anzunehmen. Angemessen für denKaiser war vielmehr eine demonstrative Zurückweisung der Ehren. Erst wenn der Sieg in Romtransparent gemacht werden konnte, wenn also die parthischen Geiseln vor Senat undVolk geführt werden konnten, wardie Annahme der Ehrungen gerechtfertigt. –Ein Vorbild hatte Augustus geboten, der für die diplomatische Rückgewinnung der Feldzeichen von denParthern seine neunte imperatorische Akklamation angenommen hatte.
49 RGDA 26: Gallias et Hispanias provincias, item Germaniam quaincludit Oceanus a Gadibus adostium Albis fluminis pacavi. –Die Niederlage des Varus findet hier keine Erwähnung. 50 Die frühesten Stücke dieser Germania-Darstellung tragen noch nicht den Titel des Pater Patriae undkönnen daher vor Oktober 98 datiert werden, jenem Zeitpunkt, als Traian denTitel annahm; STRACK Nr. 6.
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stellung der Germania, die vornehmlich auf Aurei emittiert wurde.51 Die Personifikation der Provinz sitzt als weibliche Gestalt auf hexagonalen Schilden, die in der römischen Staatskunst als charakteristischer Teil der germanischen Wehr galten. Die Germania ist in ihrer Landestracht gekleidet undhält einen Ölzweig in ihrer Rechten, in derrömischen Bildersprache ein Attribut derFriedensgöttin Pax. Ihre Haltung ist gelassen. Der angewinkelt aufgestützte Armist typisch fürbildliche Darstellungen derSecuritas, der Sicherheit. Diese Münzen sind das erste Zeugnis für eine Darstellung einer befriedeten Provinz auf römischen Münzen überhaupt. Sie kontrastierten jene Stücke Domitians, welche dieser bis in die letzten Emissionen seiner Regierung hatte prägen lassen undvondenen eines unten abgebildet ist.52 Auf diesen Stücken saß die personifizierte Germania im Klagegestus auf der Erde über einem zerbrochenen Speer.53 Hieraus ergibt sich ein interessanter Befund: Zu ebenjener Zeit, in der die hauptstädtische Prägeanstalt diese innovativen Stücke Traians mit einer friedlichen undprosperierenden Germania emittieren ließ, befanden sich noch jene domitianischen Münzen massenhaft im Umlauf, die lediglich die Kunde verbreiteten, Germania sei niedergeworfen worden. Dass Traian für seine Darstellung das goldene Prägemetall gewählt hatte, verdeutlichte zwar zunächst, dass diese Stücke vor allem die senatorische Zielgruppe anvisierten, doch dies warauch Ausdruck des segensreichen Fortschritts der kaiserlichen Fürsorge für diese Provinz. Die Leistungen der beiden Kaiser wurden auf diese Weise auch unmittelbar miteinander vergleichbar. Die Aussage war deutlich: Im Gegensatz zu Domitian hatte Traian Germanien nicht allein nur niedergeworfen. Er hatte Germanien wahrhaft befriedet. In seinem Bemühen, sich als sieghafter Kaiser darzustellen, tat Traian zweierlei. Zumeinen betonte er, Domitian in Germanien übertroffen zuhaben. Der kaiserliche Anspruch, eine Provinz befriedet zu haben, so dass sie prosperiere, war absolut neu. Hier stellte sich nicht der zerstörende Kriegsherr dar, wie Domitian es mit seiner konventionellen Abbildung der niedergeworfenen Germania getan hatte; nein, hier zeigte sich, durch wessen Einfluss das Reich blühe.54 Zum ande-
51
STRACK 1931, 69f., Nr. 12 mitTaf.1. –In einer späteren Phase deszweiten Consulats wurden auch Denare mit dieser Darstellung emittiert (STRACK 1931, Nr. 23); nie aber wurde dieses
Bild in denunedlen Metallen geprägt. 52 RICDomitian, Nr. 69, 202, 252, 278, 312, 341, etwa mit Taf.5.79. 53 In dieser Manier sollte nur wenige Jahre später Traian seine Dacia-Victa Münzen
54
prägen lassen. Diese Facette der Herrschaftsdarstellung Traians sollte in den nächsten Jahren erhebliches Gewicht erlangen. Der Optimus Princeps ließ mit der Einweihung des Traiansforum die Darstellung einer besiegten Dacia vondemBild einer befriedeten undprosperierenden Dacia ab-
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ren sollte Traian, wie wir unten sehen werden, die Gelegenheit wahrnehmen, in Pannonien durch denAbschluss derFriedensgespräche seine bislang nurgenerelle militärische Imago zu konkretisieren: Dort sollte er signalisieren, den Krieg in Pannonien, mithin imanderDonau gelegenen Teil Germaniens, beendet zuhaben undseinen Siegerbeinamen zuRecht zutragen.55
In dieser Zeit wurden in Rom die Forderungen nach einer Rückkehr des Kaisers immer lauter. Martial formulierte diese Wünsche in einem Epigramm: Der Rhein möge den Kaiser seinen Völkern und der Stadt Rom wiedergeben.56 Der Dichter wies auf die Berechtigung dieser Ansprüche hin, indem er unterstrich, der Rhein sei doch schon auf beiden Ufern ein römischer Fluss, undderFlussgott habe seine goldenen Hörner bereits zurück erhalten.57 Kein barbarisches Radwerde denzugefrorenen Strom jemals wieder befahren. Der Tiber sei schließlich der Herr des Rheines undbefehle diesem daher, Traian zurückzuschicken. In diesem forderndenEpigramm kontrastierte Martial die Politik Traians mitjener Domitians: Vor wenigen Jahren hatte der Dichter den Flavier noch dafür gelobt, dem Rhein bereits zumdritten Male die goldenen Hörner abgebrochen zu haben.58 Nunbetonte er, dass derFlussgott sie vonTraian wieder zurück erhalten habe. Traian habe die Gegend also nicht unterworfen; besser noch, sie prosperiere durch ihn. Bemercivilis miles –Die Imago des lösen. Siehe imKapitel zumTraiansforum denAbschnitt 6.5.3 „ 963; ; STRACK 1931, 207 ff., Nr. 435, Taf.7.8; RICNr. 621ff.; BMCNr. 960– Bürgersoldaten“
Nr. 990.
. –Noch Jahre später sollte DerFriedensschluss inPannonien“ 55 Siehe hierzu denAbschnitt 10 „ am Bogen von Benevent das traianische Ideologem von einer Germania Pacata dargestellt werde. Auf demunteren Relief des linken Pfeilers der Landseite ist Traian im Kreise von Germanen abgebildet. Es findet sich kein Hinweis darauf, dass Traian die Stämme im Kampf besiegt gehabt hätte, stattdessen ist hier ein Vertragsschluss bildlich dargestellt. Der Kaiser
56
57 58
trägt auf diesem Relief die Toga, nicht einen Panzer oder sonstige Hinweise auf einen voran gegangenen Krieg; FITTSCHEN 1972, 751 mit Anm. 28. Noch in der späten Phase der traianischen Regierung, als längst schon gewaltige Siege über das Dakerreich errungen worden waren, dieja auch auf denReliefs dargestellt sind, undals derKaiser längst schon religiöse Überhöhung in Anspruch nahm, noch in einer Zeit, in der Traian schon wieder in einen neuen Krieg mit demPartherreich aufgebrochen war, besaß jener Bestandteil seiner frühesten Herrschaftsdarstellung, Germanien sei vonihmnicht niedergeworfen, sondern befriedet worden, wesentliches Gewicht. Erst vordemHintergrund derbis zum Jahre 114 errungenen Siege, vermochte diese Imago des Kaisers als nicht nur eines Kriegsherrn, sondern auch eines Zivilisationsbringers ihre volle Wirkung zuentfalten. Martial 10.7. –Die relative Datierung dieses Epigramms ergibt sich auszwei Faktoren. Zum einen richtet sich Martial andenpersonifizierten Rhein, dieser möge denKaiser gehen lassen. Das Gedicht wurde also zu einem Zeitpunkt verfasst undverbreitet, als die Pläne Traians, sich vomRhein nach Pannonien andie Donau zubegeben, in Romnoch nicht allgemein bekannt geworden waren. Zumanderen greift Martial dieprogrammatische Aussage derbefriedeten Germania aufundmacht sich diese zunutze. –Ohne diese Argumente zuberücksichtigen, datiert SPEIDEL 2002, 32 dasMartial-Epigramm indenSpätsommer desJahres 100, daer in dessen Worten eine topische Verwandtschaft zumPanegyricus sieht, wasdasFehlen jeder Erwähnung desanstehenden Dakerkrieges angeht. Die römische Bildsprache ließ Flussgötter Hörner auf ihrem Kopf tragen. Martial 7.7.3; 9.101.17.
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kenswert ist also, dass der Dichter mit seinen Aussagen unmittelbar auf die Programmatik Traians einging, welche die Germania als friedliche und blühende Provinz darstellte. Martial reflektierte hier zumeinen konkrete Aussagen, die zur gleichen Zeit auch auf Münzen verbreitet wurden, und zum anderen generelle Aspekte der traianischen Herrschaftsdarstellung, welche die demonstrative Abgrenzung des neuen Kaisers von Domitian umfasste. Wenn Martial zudem schrieb, durch die Konsolidierung der germanischen Grenze auf beiden Flussseiten sei die Gelegenheit zubarbarischem Überschreiten des Stromes dauerhaft verhindert, nahm er Bezug auf ein Ereignis domitianischer Zeit. Während derusurpation des Antonius Saturninus hatten nämlich die Chatten gedroht, den vereisten Fluss zu überschreiten, was jedoch durch die einsetzende Schmelze verhindert worden war. Die Feinde von einst, betont der Dichter, seien nunjedenfalls keine Bedrohung mehr. Wie wir sogleich sehen werden, besaß dieses Motiv auch in der taciteischen Germania große Bedeutung. Der Dichter baute sein Epigramm also auf mehreren Aspekten der aktuellen Herrschaftsdarstellung auf und brachte sie miteinander in Einklang. Doch zugleich kehrte er sie argumentativ gegen ihren Urheber; affirmierend forderte er: Da die Provinz ja nunbefriedet sei undblühe, gebe es doch eigentlich keinen Grund mehr, warum Traian sich trotzdem noch am Rhein aufhalte undnicht nach Romkomme.59 DerTiber fordere ihnzurück!
9.3. DIE
GERMANIA DES TACITUS
Eine ganz ähnliche Reflexion undrhetorische Ausnutzung der kaiserlichen Programmatik von einem befriedeten Germanien, wie sie eben anhand des MartialEpigramms deutlich wurde, lässt sich auch in einem ungleich prominenteren Zeugnis dieser Monate beobachten. In jener Zeit von Frühjahr bis Herbst 98, als Traian sich noch amRhein oder bereits in Pannonien befand,60 publizierte Cornelius Tacitus, der im Jahre 97 Consul gewesen war, seine ethnographische Schrift über die Germanen.61 Auch in ihr ist die kaiserliche Rechtfertigung eines Verzichts auf Expansion an dengermanischen Grenzen bereits reflektiert. Der Traktat 59 Dieses
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affirmative Einfordern von Aussagen eines anderen ist für Martial ein gängiger Mechanismus, umseine Ansprüche zuformulieren; siehe hierzu etwa SPISAK 1997 und1998. Es ist zudem die Methode desPanegyricus, denKaiser durch diezustimmende Betonung gewisser Facetten seiner Herrschaftsdarstellung zurtatsächlichen Einlösung dieser Facetten zu bewegen. Siehe hierzu imKapitel zumPanegyricus denAbschnitt 2.2.2 „ nondicturi nisifecerit –DenKaiser auffordern“ . Der einzige Hinweis auf eine ungefähre Datierung der Schrift ist der Hinweis in Tac.Germ.37.2. auf ihr Entstehen im zweiten Consulat Traians, d.h. 27.1.98 bis Oktober 99. Zueiner genaueren Chronologie siehe weiter unten. Meine folgende Untersuchung dieses Themas baut auf denErgebnissen der Studie vonJanWilhelm BECK 1998 auf. Dort wirdauch eine detaillierte Forschungsgeschichte derGermania geboten.
9. TRAIAN AM RHEIN
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ist jedoch durchzogen von einer Ungewissheit des Autors, wie der Kaiser in der Germanienfrage verfahren werde. Dies wird daran deutlich, dass Tacitus eine explizite Stellungnahme für oder wider eine kriegerische Expansion in dieser Region vermeidet. Die an einer Biographie des Tacitus orientierte Forschung war stets darum bemüht, eine solche eindeutige Stellungnahme ausderGermania herauszufiltern oder hineinzulesen, umauf diese Weise möglichst Aussagen über die persönliche politische Einstellung des Autors zuerlangen. Immer wieder wurde diese Frage zumMittelpunkt für die Untersuchungen der Schrift. Vernachlässigt wurden dabei aber deren spezifische Entstehungsbedingungen.62 Viel zu selten wurden die Aussagen des Tacitus mit denzeitgleich stattfindenden Ereignissen und der damals aktuellen Herrschaftsdarstellung korreliert, wie es im Folgenden geschehen soll. Kein einziges Mal wurde angemessen berücksichtigt, dass die Germania das Werk eines Senators war, denseine Standespflichten in derHauptstadt hielten, während sein neuer Kaiser, der in dieser Rolle noch nicht vor denSenat getreten war, ganz offensichtlich keine Anstalten machte, sich vomRhein nach Romzubegeben. Noch niemals fand Beachtung, dass der Traktat die Stellungnahme eines ranghohen Angehörigen der politischen Führungsschicht war, die sich angesichts der dauerhaften Abwesenheit des Kaisers erheblich in ihrem Status reduziert sah, und deren Zugang zu den vom Kaiser vermittelten sozialen Ressourcen erheblich eingeschränkt war. Undes wurde immer schlimmer, je länger der Kaiser sich an der Reichsgrenze aufhielt; an eben jener Reichsgrenze, über die der Senator seine Abhandlung verfasste. Füreine absolute Datierung derGermania gibt es nureinen direkten Hinweis. Im 37. Kapitel ist der zweite Consulat imperatoris Traiani erwähnt; mithin könnte Tacitus die Schrift innerhalb eines Zeitraumes von Januar 98 bis Ende 99 publiziert haben. Für eine genauere Datierung müssen also die Aussagen des Werkes selbst heran gezogen werden, umzu sehen, ob sich in ihnen Inhalte derzeitgenössischen Herrschaftsdarstellung widergespiegelt finden, damit wir diese miteinander korrelieren können. Ich möchte kurz rekapitulieren: Die Publikation fiel in jene Monate, in denen Traian sich amRhein aufhielt unddann weiter an die Donaunach Pannonien zog; eine Zeit, in welcher der Kaiser also zwei Grenzen bereiste, die dasrömische Reich vondemvonTacitus beschriebenen Raum Germaniens trennte. In dieser Zeit ließ Traian Goldmünzen mit der Aussage prägen, Germanien sei befriedet, under schloss die Friedensverhandlungen mit den germanischen Sueben ab. Erst vor diesem Hintergrund kann sich die politische Funktion der Germania im Rahmen der senatorisch geprägten Herrschaftsdarstellung desJahres 98 offenbaren.
62 Als typisch für die antiquarische
Forschung, die auf eine politische Kontextualisierung vollständig verzichtet, sei ausderjüngsten Zeit WHITTAKER 2000, 318 zitiert, immerhin in einem weit verbreiteten Handbuch undReferenzwerk: (The Germania) „ is a study of tribes beyond the nothern frontier, which owes as much to Tacitus’romantic concept of the ‚noble savage‘ as to his spirit of ethnographic enquiry.“
VOM RHEIN NACHROM
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9.3.1. EIN EXKURS –DER GEOGRAPHISCHE RAUM ‚Germania‘
AmAnfang einer Untersuchung der Germania muss ein kurzer Überblick stehen, welches Gebiet imWandel derZeiten mit diesem Begriff bezeichnet worden war, da im weiteren Verlauf der Argumentation die Diskrepanz zwischen einer historischen Vorstellung vonGermania undjener zurZeit desTacitus eine wichtige Rolle spielen wird.63 Caesars Commentarii des Gallischen Krieges verorteten die Germanen allein im rechtsrheinischen Bereich, umden Lesern zu verdeutlichen, dass die Eroberung Galliens an einer nachvollziehbaren geographischen Grenze Halt gemacht hatte. Die Rezeption der Commentarii etablierte denn auch in der politischen Geographie der Folgezeit den Rhein als die Grenze zwischen Kelten undGermanen.64 Bereits in dieser Zeit galten die Germanen als Prestigegner. So brachte dererste Vorstoß Caesars über denRhein, so geringen strategischen Wert diese Expedition auch besaß, demFeldherren erhebliches Renommee ein. Im Jahre 55 gewährte der Senat Caesar supplicationes außergewöhnlicher Dauer von 20 Tagen, während ihm für die Unterwerfung „ganz Galliens“zwei Jahre zuvor lediglich 15 Tage zugestanden worden waren. Während derFeldzüge des Drusus unddesTiberius von 11 v.Chr. bis 6 n.Chr. reduzierte sich der Begriff ‚Germania‘ im Sprachgebrauch der Schriftsteller auf die Bezeichnung jenes Raumes zwischen Rhein und Elbe.65 Die weiter östlich liegenden Gebiete, die ursprünglich ebenfalls als ‚Germania‘ bezeichnet worden waren, wurden auf diese Weise ausgeblendet. Von demgeographisch derart redu-
zierten Gebiet konnte freilich behauptet werden, Germania sei eine beinahe tributpflichtige Provinz.66 Für diese Erfolge jenseits des Rheins, und damit für die Ausdehnung der Reichsgrenzen, ließ Augustus das Pomerium erweitern. In den durchdrungenen Gebieten undnoch darüber hinaus begann Rom Präsenz zu zeigen. Das Reich koordinierte Wanderungen undmoderierte innere Konflikte der Stämme. Die Legionen überwinterten im Land undgermanische Stämme stellten denRömern Hilfstruppen.67 Nach der Varus-Niederlage im Jahre 9 n.Chr. wurden die römischen Truppen amRhein auf 8 Legionen aufgestockt. Bis auf einige demonstrative Übergriffe in das rechtsrheinische Gebiet unter der Führung des Germanicus begnügte sich Romaber in derFolge mit der Sicherung derRheingrenze. So bekam Germanicus für einen tiefen Vorstoß nach Norddeutschland im Jahre 15, der aber sehr verlust-
63 Zur Entwicklung der römisch-germanischen Geschichte unddemWandel in der geographischen Wahrnehmung des Raumes Germania siehe in konziser Form besonders WOLTERS 1989 und2000 mitausfuhrlicher undweiterführender Literatur. Europas galt aus römischer Sicht als unterteilt in Siedlungsgebiete der Gallier, Germanen undSkythen. Die griechische Tradition, wie sie etwa bei Poseidonios deutlich ist, differenzierte bis dahin undauch weiterhin lediglich zwischen Kelten imWesten undSkythen imOsten; Poseid. FGH87, F 22. WOLTERS 2000, 16f.
64 Der Norden
65 Vell.Pat.2.97.4, 100.1; Flor.2.30.22– 29. 66 Vell.Pat.2.97.4. 67 Vell.Pat.2.118.2; Tac.ann.1.60.2, 2.10.3, 2.17.5, 12.23.2; Cassius Dio 54.32.3, 55.6.6, 55.10a.2, 56.19.4; SHA Aur.21.9ff., vergleiche Gellius 13.14.3; WOLTERS 1989, 27f.
9. TRAIAN AMRHEIN
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reich und nur von geringen Achtungserfolgen gekrönt gewesen war, einen Tride Cheruscis Chattisque et Angrivariis quaeque aliae nationes usque ad umph „ .68In diesen Worten wurde noch einmal die augusteische WahrAlbim colunt“ nehmung Germaniens als des gesamten Raumes zwischen Rhein undElbe deutlich. In der Folgezeit jedoch bremste Tiberius die Bestrebungen seines Adoptiv-
sohnes, Germanien vollständig zuunterwerfen. Mit demTod des Germanicus im Jahre 19 warauch der Konflikt im Kaiserhaus beendet. Bezeichnend ist, dass der Ehrenbeschluss des Senats für Germanicus dessen expansive Ambitionen verschleierte und die vergangenen Angriffskriege resümierte: Die Germanen seien aus Gallien zurückgedrängt worden, die Feldzeichen des Varus zurückgewonnen; dessen Niederlage sei somit gerächt.69 Eine aggressive Germanienpolitik desTiberius warhiermit beendet, unddie römischen Truppen zogen sich an die natürlichen Grenzen zurück, die vonRhein und Donau definiert waren. Zwar gab es weiterhin rege Wirtschaftskontakte undauch politische Beziehungen zwischen demReich unddenGebieten jenseits derFlüsse, doch verzichtete die römische Außenpolitik in derFolgezeit auf eine Einmischung in innergermanische Verhältnisse. Die Truppen schlugen nicht einmal mehr angemessen zurück, als etwa durch eine Erhebung der Friesen „ das Reich an seiner äußeren Grenze entehrt wurde“ .70 Erst als Vespasian den Aufstand der Bataver zurückgeschlagen hatte, der auf das Reichsgebiet nach Krefeld, Xanten, Neuss undKöln übergegriffen hatte, nutzte der Kaiser die Gelegenheit, ohne großen Widerstand auch Gebiete rechts des Rheines zu sichern unddemReich fest einzugliedern. Diese Politik sollte Domitian in demoben besprochenen Rahmen fortsetzen. Er warder erste Kaiser gewesen, derseinen Siegerbeinamen nicht geerbt, sondern sich durch eigene Anwesenheit an der Front verdient hatte. Dementsprechend hatte dieser Sieg großes Gewicht in der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung gehabt, gerade auch in der Darstellung Domitians durch die Dichter.71
9.3.2. MOTIVE DER TACITEISCHEN DARSTELLUNG
Im Folgenden
möchte
ich zunächst einige Gegenstände der taciteischen Schilde-
rung darlegen. Dabei wird deutlich werden, dass der Senator die Räume unddie Stämme Germaniens in einer ganz charakteristischen Weise schilderte, so dass er gar nicht explizit für oder wider eine Expansion in Germanien Stellung beziehen musste. Vielmehr beließ er es bei Andeutungen undtextimmanenten Unklarheiten, die in ihrem zeitgenössischen Kontext gelesen aber eine deutliche Aussage beinhalteten.
68 Tac.ann.2.41.2, 1.55.1; Strabo 7.1.4. 69 LEBEK 1987, 133. 70 Tac.ann.4.74.1. 71 Zu diesem Thema sei neben den Studien von NAUTA 2002 undLORENZ 2002 vor allem auf die Arbeit vonJ. LEBERL 2004 verwiesen.
VOMRHEIN NACHROM
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„triumphati magis quam victi“–Die Abneigung gegen vorschnelle Triumphe
Tacitus berichtet, wenn manvom ersten Auftreten der Kimbern bis zumzweiten Consulat Traians rechne, würden die Germanen schon seit 210 Jahren besiegt: tam diu Germania vincitur.72 Seine folgende Aufzählung der vergangenen Waffengänge Roms mit Germanien macht aber deutlich, dass all dies keine dauerhaften Siege waren: Immer wieder hätten die Germanen sich erhoben undrömische Heere geschlagen. Undkonsequent heißt es amEnde dieser Liste vonKriegen, dass auch injüngster Zeit über die Germanen mehr triumphiert worden sei, als dass sie tatsächlich besiegt worden seien: proximis temporibus triumphati magis quam victi sunt.73 Mit dieser Formulierung schien der Autor auf die domitianischen Chattenkriege hinzuweisen; so wenigstens deutete die Forschung es zumeist.74 Nun schrieb Tacitus aber nicht ausdrücklich, dass seine Kritik amvorschnellen Triumphieren sich auf Domitian beziehe. Tatsächlich ist der Flavier in der fraglichen Passage namentlich nicht einmal erwähnt. Welche Wege, diese Passage zuverstehen, eröffneten sich demzeitgenössischen Leser? Dieses Kapitel 37 der Germania berichtet von den bisherigen Kriegen Roms gegen die Germanen. Es zählt die entsprechenden Feldherren der republikanischen Zeit auf, nennt denDivus Iulius, Drusus, Nero, Germanicus undbeschließt die Reihe der Principes mit Gaius. Von den Imperatoren derjüngsten Zeit aber, das heißt, jener Feldherren proximis temporibus, die Tacitus kritisiert undumdie es unshier geht, ist eben, wie gesagt, allein Traian namentlich genannt. Sogar die unmittelbare Wortwahl legt eine gedankliche Verbindung nahe: Der historiographische Abriss der Schlachten beginnt mit den Worten „ ad alterum imperatoris Traiani consulatum...tam diu vincitur“ , er endet „...magis quam victi sunt“ . Die taciteische Formulierung riskierte also, dass der Leser sie auf Traian und Nerva bezog. Diese beiden Kaiser hatten erst jüngst denTitel Germanicus angenommen. Nerva hatte diesen Siegerbeinamen wenige Monate zuvor für den Sieg in Pannonien in seine Titulatur eingegliedert, doch an der Beilegung dieses Krieges hatte der Kaiser gar keinen Anteil gehabt.75 Traian hatte den Siegerbeinamen Germanicus sogar nurdurch seine Adoption als Teil derimperialen Titulatur übernommen. Domitian hingegen hatte noch selbst an der Front gestanden. Er hatte den Chattenkrieg des Jahres 83 von Mainz aus geleitet und so seine Annahme des Beinamens verdient. DemLeser desJahres 98 wardeutlich, dass dieBezeichnung Germanicus für Nerva undTraian weit weniger verdient schien alsjene desPessimus Princeps. Dieser Makel wurde auch nicht durch andere militärische Erfolge kompensiert, welche die beiden daneben errungen hätten. Fürbeide wardies, wie
72 Tac.Germ.37.2. 73 Tac.Germ.37: ac rursus inde pulsi proximis temporibus triumphati magis quam victi sunt. 24 bietet einen Überblick über die bisherigen Deutungsversuche dieser Ger74 BECK 1998, 19– mania-Passage. Unter demEindruck des Panegyricus unddes Agricola, in denen Domitian für diese Kriege falsi triumphi vorgeworfen werden, schien der Fall klar; siehe etwa Tac.Agr.39.1: derisui fuisse nuper falsum e Germania triumphum; Plin.paneg.16.3: mimicos currus...
falsae simulacra victoriae.
75 Plin.paneg.8.2f.
9. TRAIAN AM RHEIN
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berichtet, die einzige Gelegenheit gewesen, ihre jeweilige militärische Imago als konkretisiert darzustellen. Nunließe sich gegen eine solche Lesart aber zuRecht vorbringen, dass Nerva undTraian wegen dieses Sieges doch gar nicht triumphiert hätten; anders als Domitian, der seine Germanenkriege in eben dieser Form demonstriert hatte. Wenn Tacitus zu häufiges Triumphieren kritisiere, könne er an dieser Stelle also nur Domitian gemeint haben, undder zeitgenössische Leser könne gar nichts anderes verstanden haben.76 Es ist jedoch zu bedenken, dass die stadtrömische Öffentlichkeit im Jahre 98 schlichtweg nicht wissen konnte, ob Traian bei seiner Rückkehr nach Rom nicht vielleicht doch werde triumphieren wollen. Wollte der Kaiser seine Sieghaftigkeit nämlich schnell und deutlich betonen, lag nichts näher, als über jene Germanen nunauch zutriumphieren, gegen die bereits ein solcher Sieg errungen worden war, dass Traians imperiale Titulatur daran erinnerte. Ein Triumph über die Germanen wäre also nur noch eine Bestätigung des ihm ohnehin schon übertragenen Titels Germanicus gewesen. Für eine solche Demonstration seiner Sieghaftigkeit wäre eine triumphale Rückkehr nach Rom die passende Gelegenheit gewesen, ähnlich wie einst Vespasian als neuer Kaiser undnach langer Abwesenheit als Sieger über die Iudaeer in seine Hauptstadt eingezogen war. Ich möchte keinesfalls behaupten, dass es auf die Frage, ob Tacitus hier bewusst auf Traian angespielt haben mag, eine definitive Antwort gibt. Es ist aber zumindest deutlich, dass der Schriftsteller trotz der Möglichkeit, dass man diese Passage kritisch gegenüber Traian lesen könnte, die zweideutige Formulierung in seinen Text aufnahm. Als ein vorsichtiges Fazit dieses Abschnitts sei also festgehalten, dass der Senator seinen generellen Widerwillen gegen zu schnell gefeierte Triumphe ausdrückte, die nicht auf tatsächlichen militärischen Siegen beruhten, unddass er dabei in Kauf nahm, dass seine Stellungnahme auch auf denpannonischen Sieg Traians bezogen würde, dendieser garnicht selbst errungen hatte.
Daswahre Germanien –einungeheurer Raum Interessant ist weiterhin, dass die taciteische Germania keine literarische Revision der domitianischen Politik war. Eine Polemik gegen den Ermordeten undseinen Principat, wie etwa dernurkurze Zeit später entstandene Agricola oder derPanegyricus sie reichlich bieten, findet in der Germania keinen Niederschlag. Domitian wird nicht einmal an den Stellen erwähnt, die Gelegenheit zu einer expliziten und namentlichen Schmähung geboten hätten, etwa in der Frage vonfalsi triumphi; einem Motiv, welches imAgricola undim Panegyricus ein fester Bestandteil des Bildes vom Pessimus Princeps ist. Warum also verzichtete Tacitus auf diese Möglichkeit derposthumen Diskriminierung? Für denHistoriographen hätte ein solcher Angriff immerhin ein Mittel sein können, die überzogene Propagierung der germanischen Erfolge Domitians zu korrigieren. Er hätte auf diesem
76 Dies merkt FLACH 1989, 34, Anm. 29 an.
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Wege zugunsten Traians die militärische Imago Domitians rhetorisch vermindern können, welche dieser seinen Nachfolgern als Vorgabe undLast überlassen hatte. Dass gerade dies aber nicht die Absicht des taciteischen Traktats war, wird
durch weitere Beobachtungen bestätigt. Der Consular formuliert nämlich unmittelbar zu Beginn seiner Schrift bewusst undeutlich, wenn er schreibt, dass an der Nordgrenze Germaniens, im Gebiet des Oceanus undseiner Inseln, gewisse Völker erst vor kurzem (nuper) durch den Krieg entdeckt worden seien.77 Der voranstehende Überblick über die Geschichte des Begriffes Germania und darüber, welcher geographische Raum durch die Zeiten hiermit denotiert war, wird nun helfen, ausdieser taciteischen Aussage Folgerungen zuziehen. Im frühen Principat hatte es nur zwei Kriegszüge gegeben, die geeignet waren, diese taciteische Formulierung zu rechtfertigen: dendes Germanicus undden des Agricola.78 Gehen wir zunächst von einem Leser aus, der nicht die historischen Kenntnisse besaß, in demunscharfen Hinweis des Historiographen die Züge dieser beiden Feldherren wiederzuerkennen. Er dürfte in seinem Bemühen, das taciteische nuper mit einem konkreten Herrscher zu verbinden, gestockt haben: Denn die von Tacitus beschriebene Entdeckung gewisser Stämme Nordgermaniens, welche die Gegend des Ozeans bewohnten, ließ sich schlichtweg nicht mit demBellum Suebicum des pannonischen Statthalters Pompeius Longinus vereinbaren, für welches im Jahre 97 Nerva undTraian jeweils ihren Siegerbeinamen Germanicus erhalten hatten. Weiter nördlich in Germanien waren da schon die Chattenkriege Domitians geführt worden. Falls unser Leser aber darüber informiert war, dass diese Expeditionen nicht das Meer erreicht hatten, konnte er in demnuper keinen Sinn sehen. Glaubte er hingegen denBeteuerungen der flavischen Herrschaftsdarstellung, der Kaiser habe Germanien weiträumig bis hin zumOzean durchdrungen, vermochte er in der taciteischen Passage sogar eine Bestätigung dieser Aussagen Domitians vermuten. Es lässt sich also auch anhand dieser Passage feststellen, dass die domitianischen Kriege keinesfalls gering gezeichnet werden; eher ist dasGegenteil der Fall. Die germanischen Gegner Domitians, die Chatten, werden vonTacitus sogar ausdrücklich als besonders tapfer und als den Römern ähnlich geschildert. Dies werde deutlich in ihrem Bemühen ummilitärische Effizienz, in der Qualität ihrer Führung und in der Vielseitigkeit des Fußvolks. Wo andere Stämme nur in eine Schlacht zögen, gingen die Chatten gleich in denKrieg.79 Wenn nunaber ein taciteischer Leser tatsächlich die historischen undgeographischen Kenntnisse besaß, in der vom Historiographen beschriebenen Entdeckung die Taten von Germanicus undAgricola zu sehen, würde die Ambiguität der Formulierung erst recht deutlich: Bereits diese einleitenden Worte der Schrift
77 Tac.Germ.1. 78 WOLTERS 1994, 77ff. vermutet in dieser Formulierung einen Hinweis auf die Eroberungen des Agricola in Britannien. Hiermit wäre die Erinnerungsschrift des Tacitus an seinen Schwiegervater bereits in dieser Passage präfiguriert. 79 Tac.Germ.30: quodque rarissimum nec nisi Romanae disciplinae concessum, plus reponere in duce quam in exercitu. Omne robur in pedite, quem super arma ferramentis quoque et copiis onerant: alios adproelium ire videas, Chattos adbellum.
9. TRAIAN AM RHEIN
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wie auch der gesamte Rest der Darstellung explizierten die wirkliche Größe Germaniens.80 Eines musste dem historisch informierten Leser mit dieser Beschreibung deutlich werden: Jene Siege der vergangenen Jahre, aus denen die drei letzten Kaiser ihren jeweiligen Siegerbeinamen Germanicus abgeleitet hatten, waren nicht einmal imAnsatz eine Durchdringung jener schier unendlichen Weite gewesen, die Germanien tatsächlich war. Mit seiner Darstellung verdeutlichte Tacitus, dass unter Domitian, Nerva und Traian gerade einmal am Rande der germanischen Welt Grenzkonflikte stattgefunden hatten, obwohl sich diese Kaiser als Sieger über die Germanen bezeichnet hatten. Zudem betonte der Senator, dass diese besiegten Stämme der Peripherie kein Vergleich seien zu all dem tatsächlichen Schrecken, der das Innere Germaniens bevölkere: etwa zu den Hariern, die sich schwarz färbten, in derNacht kämpften undderen Totenheer einen höllengleichen Anblick biete.81 Wirwollen also wiederum festhalten: DerAutor äußert keine direkte Kritik an einem konkreten Herrscher, auch nicht an Domitian. Tacitus übt vielmehr eine generelle Kritik: Er weist auf die erhebliche Diskrepanz zwischen der wirklichen Weite Germaniens undjener Germania-Konzeption hin, die es Domitian, Nerva und Traian erlaubt hatte, sich an den Grenzen dieses riesigen Gebietes Siege zu verschaffen. Doch zum einen seien dies Siege gewesen, die schwer genug errungen worden seien, obgleich es sich umbloße Grenzkonflikte mit vergleichsweise harmlosen Gegnern gehandelt habe. Zumanderen seien es keine Siege vonDauer gewesen: Gerade während der Regierung Domitians war schließlich deutlich geworden, dass, während ein vermeintlicher Sieg noch gefeiert wurde, an eben dieser Front der nur unterdrückte Krieg schon wieder losbrach.82 Tacitus kritisiert also, undhier können wir an das vorherige Ergebnis anknüpfen, eine Facette des Principats, durch die der Kaiser gezwungen schien, umjeden Preis sogar inhaltsleere Siege erringen zumüssen undzutriumphieren.
80 Dies warein Germanien, daszumindest im frühesten
Principat erkundet worden undin weiten Gebieten noch bekannt gewesen war. Explizit weist Tacitus etwa in seiner Charakterisierung derElbe auf diese Diskrepanz hin; Germ.41: Einst sei diese nämlich ein berühmter und denRömern wohlbekannter Fluss gewesen; nunkenne mansie allein nochvomHörensagen. 81 Tac.Germ.43. –Die Schrift beschreibt die Germanen nach Himmelsrichtungen geordnet. Tacitus geht vondenRombekannten Völkern ausundbeschreibt imVerlauf seiner Darstellung immer weiter abgelegene Stämme, bis er andie Enden derWelt stößt; an eine Peripherie jeglicher Zivilisation, über die keine verlässlichen Informationen mehr vorliegen undwo sogar legendenhafte Gerüchte versagen. Dort mögen wohl Menschen mit Tierleibern wohnen;
. Tac.Germ.45f.: „illuc usque –et fama vera –tantum natura“ Traians sollte sich das anhand des ersten Dakerkrieges zeigen. Der Ruhm des neuen Dacicus wurde von der Nachricht geschmälert, erneut rüste der vermeintlich niedergeworfene Decebalus zum Krieg. Nicht anders sollte es im Falle des traianischen Partherkrieges sein. Kaumhatte derPrinceps vorschnell denSiegerbeinamen Parthicus angenommen, als seine Eroberungen durch Aufstände undGegenoffensiven wieder verloren gingen.
82 Für die Regierung
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Der germanische Sicherheitsgürtel
Die Germania schildert ein Großgebiet; nicht allein den römischen Grenzverlauf zu Germanien.83 Ein weiteres Motiv der taciteischen Darstellung ist die spezifische Schilderung dieser germanischen Grenzen zum römischen Reich als einer sicheren und einigermaßen kultivierten Zone. Der kaiserliche Siegerbeiname Germanicus suggerierte zwar eine militärische Durchdringung des gesamten Raumes, doch davon konnte in der Realität keine Rede sein. In Ansätzen mochte dies noch für die wenigen römischen Besitzungen jenseits des Rheines zutreffen, aber nicht für die ungeheure Landmasse, die Tacitus schilderte. Undso beschreibt der Autor die Siedlungsgebiete der Stämme von den römischen Grenzen aus:84 Schon diesseits des Rheines wohnten Germanen; die Treverer, Nervier undandere. Sie alle seien schon längst befriedet. Dann komme zwar als Grenze derRhein, doch auch das andere Ufer bevölkerten befreundete Stämme; die Bataver und Mattiaker. Bei den Bewohnern des Decumatlandes aber, welches Teil der römischen Provinz sei, handele es sich umfriedliche Gallier. Die sich anschließenden Hermunduren freilich seien wieder Germanen; doch seien auch sie eine fida Romanis civitas, die freien Handel mitderrömischen Provinz treibe. Tacitus beschreibt also einen Sicherheitsgürtel umdie römischen Grenzen an Rhein undDonau, deraus befreundeten Stämmen bestehe. So seien etwa auch die Ubier wegen ihrer erwiesenen Treue mit Absicht am Rhein angesiedelt worden; als seine Bewacher freilich, nicht als Bewachte, betont Tacitus. Mancherorts aber gebe es Lücken in diesem Cordon Sanitaire, etwa im Bereich der Chatten, jenes wohlorganisierten undfeindlichen Stammes. Doch genau dort, belehrt derSenator seine Leser, habe derRhein noch ein festes Bett undgenüge als natürliche Grenze.85 Im übrigen wohnten genau angrenzend die Usiper undTencterer, undangesichts derTatsache, dass die germanischen Stämme sich ohnehin ständig bekrieg83 Vor diesem
Hintergrund gewinnen wörtliches Zitat undinhaltliche Anlehnung an die Commentarii Caesars vomGallischen Krieg an Bedeutung. Der Vergleich mit dessen geographischer Konzeption ist erhellend. Tacitus lässt sein Werk nämlich beginnen mit„Germania omnis a Gallis Raetisque et Pannoniis Rheno et Danuvio fluminibus, a Sarmatis Dacisque mutuo metu aut montibus separatur“und so weiter in diesem Sinne. Die Definition des germanischen Raumes erfolgt mithilfe dergleichen Kategorien wie Caesar sie fürdengallischen verwandt hatte. Wichtig andieser noch mehrmals vonTacitus betonten Verwandtschaft (Die Affinität zum Bellum Gallicum wird noch verstärkt durch ein weiteres wörtliches Zitat (Tac.Germ.9.1 undCaesar b.G.6.17.1) unddadurch, dass die einzige Quelle für die Germania, die Tacitus nennt, Caesar ist (Tac.Germ.28.1).) ist aber, dass Caesar seine Commentarii aus einer charakteristischen ex-post Sicht schrieb, dass er also zu Beginn der von ihm zu schildernden Handlung nicht ein freies Gallien, sondern dasbereits durch römische Provinzgrenzen definierte Gallien geographisch umriss. Vom ersten Satz an ist das von Caesar geschilderte Land als ein Aufmarschgebiet für die Legionen gekennzeichnet; beziehungsweise, als ein zumZeitpunkt der Veröffentlichung bereits von Truppen vollständig durchdrungener Raum. Genau dies ist dastaciteische Germanien aber nicht.
STRACK 1931, 71 mit Anm. 71. 85 Tac.Germ.32: Proximi Chattis certum iam alveo Usipi ac Tencteri colunt.
84
Rhenum, quique terminus esse sufficiat,
9. TRAIAN AM RHEIN
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ten, unddass die Reiterei der Tencterer so gut sei wie das Fußvolk der Chatten, seien eigentlich auchjene nicht zufürchten.
Germanen
–die friedlichen Freunde Roms
Interessant ist weiterhin, dass Tacitus zwar die grundsätzliche Gefährlichkeit der Germanen eindringlich schildert, dass er aber bei seiner Beschreibung jener Stämme, die bereits einmal gegen Rom im Kampf angetreten waren, diese Waffengänge verschweigt. Besonders fällt das amBeispiel der Bataver auf. In seinen Historien charakterisiert Tacitus deren Aufstand als schwere Unruhen in Germanien. In diesem langen Krieg hätte die römische Macht beinahe einen vernichtenden Schlag erhalten. Sogar von niedergehauenen Heeren ist hier die Rede.86 Auch der Agricola berichtet von schweren Niederlagen römischer Truppen in Germanien während derHerrschaft Domitians. Verlust habe sich an Verlust gereiht, und selbst das Reichsgebiet schien betroffen.87 Angesichts dieser drastischen Schilderungen in dernahezu zeitgleich verfassten Schrift verwundert deren Fehlen in der Germania. Hier ist der Bataveraufstand nur flüchtig und implizit erwähnt; von irgendwelchen römischen Verlusten ist keine Rede. Nein, betont derConsular, die Bataver seien treue Bundesgenossen, seien es immer schon gewesen.88 Auch die Chatten undSueben hatten gegen Romgekämpft, wasTacitus sogar imProömium der Historien festhalten sollte; nicht anders die Hermunduren undMattiaker, die erst kurz zuvor, imJahre 89, denKrieg gegen Romgewagt hatten, undschließlich dieMarcomannen undQuaden, die gemeinsam mitdenBatavern gekämpft hatten. Von ihnen berichtet Tacitus, dass sie seit kurzem auch auswärtige Könige erduldeten, deren Stellung undMacht aber rein auf römischen Einfluss zurückgingen. Rom unterstütze sie mit Geld, seltener mit Waffenhilfe.89 All diese erwähnten Stämme sind in der Germania nicht als jene Feinde Roms beschrieben, die sie wenige Jahre vor der Publikation des Traktats noch gewesen waren. Sie werden als friedlich geschildert, zumTeil sogar als gute Freunde desReiches.90
Germanien
–einunattraktives Landundseine gefährlichen
Bewohner
Tacitus geht an verschiedenen Stellen des Werkes über das bloße Referieren von germanischer Geographie und Ethnographie hinaus. Ich möchte kurz auf zwei Motive hinweisen, welche die Schrift durchziehen: die mangelnde Attraktivität des Landes als römischer Siedlungsraum unddie Gefährlichkeit seiner Bewohner. ImAgricola sollte Tacitus die Ergiebigkeit derBodenschätze jener Provinz loben, 86 Tac.hist.3.46.1; 4.12.1. 87 Tac.Agr.41.2f. 88 Tac.Germ.29. DerAufstand ist ohne Nennung des Stammes in Germ.37.5 erwähnt. 89 Tac.Germ.42: iamet externos patiuntur [sc. Marcomani Quadique], sedvis et potentia regibus ex auctoritate Romana. Raro armis nostris, saepius pecunia iuvantur, nec minus valent. 50. 90 Tac.hist.1.2.1; Germ.29, 41, 42 –Siehe hierzu BECK 1998, 46–
1 44
Vom R hein n a c h Rom
in der sein Schwiegervater die m ilitärische Eroberung vorangetrieben hatte. D agegen konstatiert er für Germanien, bisher jedenfalls seien dort weder Gold noch Silber gefunden worden, und an Eisen mangele es auch . 91 Überhaupt sei das von ihm betrachtete Germ anien in jeder H insicht ungastlich: klimatisch, für die Landwirtschaft und sogar auch nur zum B etrachten .92 Daneben schildert Tacitus, wie gefährlich die Bewohner dieses wüsten Landes seien . 93 Zwar handele es sich bei ihnen eher um Einzelkämpfer, doch bewiesen sie außergewöhnliche Tapferkeit und Aufopferung für ihre Anführer in der Schlacht, wo sogar ihre Frauen käm pften. Im Frieden bereite auch das Spiel schon au f den K am pf vqr . 94 Keineswegs fehle es an übergeordneten Strukturen. Tacitus redet von Königen, eigens eingesetzten Heerführern, einem fest um rissenen Adel und organisierter Rechtsprechung, sogar von einer germanischen V olksversam m lung . 95 Daneben stehen die Effizienz ihrer Entscheidungsprozesse und ihre sittliche Unverdorbenheit .96 Insgesamt, doch diese Passage ist von Tacitus nicht im Realis form uliert , 97 dürften die Germ anen wohl weniger mit W affen als unter Ausnutzung ihrer Trunksucht zu besiegen sein . 98
Das Lob des waffenlosen Sieges und der innergermanischen Zwietracht N eben dieser Passage, gibt es noch eine Reihe anderer Stellen in der Germania , welche dieses M otiv des waffenlosen Sieges betonen, das uns Hinweise au f die 91 92 93
94 95 96 97
98
Tac.Agr.12.5f.; Germ.5f. Tac.Germ.2. B e c k 1998, besonders 45f. betont in seiner Darstellung die Schilderungen des Tacitus zum vermeintlich ungeordneten Leben der Germanen allzu sehr und geht daher erheblich zu wenig auf die, unserer Ansicht nach die Darstellung dominierenden, Elemente der Ordnung germanischer Stämme ein, wie wir sie hier kurz vorführen. Siehe etwa Tac.Germ.6, 7f., 14, 24.1. Tac.Germ.7, 11, 12 Tac.Germ.18f, 22. Neben all dies tritt ein weiteres wichtiges Thema der Germania, welches wir hier aber nicht behandeln können. Dies sind die zahlreichen Vergleiche der germanischen Sitten mit ihren römischen Entsprechungen. So deutet Tacitus etwa in seiner Beschreibung des Stimmverhaltens im germanischen Rat auf Senatssitzungen hin (11-13), übt implizite Kritik an einem prominenten Schlagwort der traianischen Herrschaftsdarstellung, dem ,saeculum‘ (19: „...nec corrumpere et corrumpi saeculum vocatur“). Auch lobt er die germanische Sitte, um Nachwuchs bemüht zu sein, und bemerkt, dass dort Kinderlosigkeit nicht von Vorteil sei. Angesichts der Relevanz dieses Themas in eben derselben Zeit, in der frühen Phase des traianischen Principats, und der damit korrespondierenden Bekennmisse des Plinius gegenüber dem Kaiser in ep.10.2 zu seinem unbedingten Kinderwunsch und der Klage desselben Autors in ep.4.15.10 über die fatale Neigung seiner Standesgenossen, kinderlos bleiben zu wollen, gewinnt diese Aussage des Tacitus über die konträre Sitte der Germanen erheblich an aktueller politischer Aussagekraft. Nicht anders ist es etwa mit der taciteischen Kritik an Geldverleih, Gräberluxus und der Consecration von Frauen, einem für die Herrschaftsdarstellung wesentlichen Akt; siehe hierzu etwa die Kapitel Germ.8, 26, 27. Tac.Germ.23.
9. TRAIAN AMRHEIN
145
Einordnung der Schrift in den politischen Kontext des Jahres 98 ermöglicht. Das herausragende Beispiel hierfür ist der Bericht vom Untergang der Brukterer, den Tacitus als besonderen Segen charakterisiert: Denn dieses Volk sei von seinen verbündeten Nachbarstämmen geschlagen undgänzlich ausgerottet worden.99 Die Götter hätten den Römern damit große Gunst erwiesen, da die Brukterer nicht durch römische Waffen gefallen seien, sondern vor denAugen eines nurzuschauenden römischen Heeres. Tacitus beschließt diesen Bericht mit seiner bekannten Feststellung, dass es für das Reich nichts Besseres gebe als die Zwietracht seiner Feinde.100 Das Lob des waffenlosen Sieges und eines nichtmilitärischen Engagements ist auch in der taciteischen Beschreibung der Marcomannen und Quaden enthalten: Seit neuestem duldeten sie auch auswärtige Könige, deren Macht auf römischer Unterstützung beruhe. Rombiete ihnen nämlich Geld, seltener Waffenhilfe.101
Wozu las mandie Germania?
In der Frage, was die Funktion der Germania im politischen Kontext des Jahres 98 war, muss zunächst geklärt werden, wie weit es die Funktion des Traktats ge-
wesen sein mag, daszeitgenössische Publikum mit geographischen undethnographischen Informationen zu versorgen. Einige formale Eigenheiten der Germania weisen in der Tat darauf hin, dass die Schrift vornehmlich zum situativen Gebrauch undzurknappen Information gedacht gewesen sei. So unterscheidet sie sich von den dezidiert historiographischen Werken des Tacitus durch das Fehlen eines Proömiums undeines Nachwortes, welche die Gedanken des Werkes resümiert undauf seine Relevanz für die Entstehungszeit oder auch für nachfolgende Generationen hingewiesen hätten.102 Die Abhandlung informierte ihre Leser oder
99 Tac.Germ.33. –Diese Niederlage der Brukterer ist auch bei Plin.ep.2.7.1f. erwähnt als eine Operation, bei welcher Vestricius Spurinna durch bloße Androhung von Gewalt den König derBrukterer heimgeführt hatte; dazu siehe weiter unten. 100 Die Relevanz derPassage wird eben auch darin deutlich, dass Tacitus sie in eine jener Reflexionen mit aktuellem Bezug münden lässt, die in der Germania selten sind. Es handelt sich umdie viel diskutierte Stelle der urgentibus iam imperii fatis in Kapitel 33: Iuxta Tencteros Bructeri olim occurrebant: nunc Chamavos et Angrivarios inmigrasse narratur, pulsis Bructeris ac penitus excisis vicinarum consensu nationum, seusuperbiae odio seupraedae dulcedine seufavore quodam erga nosdeorum; namne spectaculo quidem proelii invidere. Super sexaginta milia non armis telisque Romanis, sed, quod magnificentius est, oblectationi oculisque ceciderunt. Maneat, quaeso, duretque gentibus, si nonamor nostri, at certe odium sui, quando urgentibus imperii fatis nihil iampraestare fortuna maius potest quamhostium discordiam. 101 Tac.Germ.42: iamet externos patiuntur [sc. Marcomani Quadique], sedvis et potentia regibus ex auctoritate Romana. Raro armis nostris, saepius pecunia iuvantur, necminus valent. –Indirekt ist dieses Thema deswaffenlosen Sieges auch in demLob auf die Chauken enthalten, für deren großen Mutundunbestreitbare Macht es kein besseres Zeugnis gebe, als dass sie ihre Überlegenheit nicht auf Waffentaten gründeten. Ihre Überlegenheit liege in lustitia. Doch sooft Notkäme, hätten sie dieWaffen zurHandundein Heer stünde bereit; Tac.Germ.35. 102 Auch wenn eine solche programmatische Stellungnahme fehlt, beanspruchte Tacitus doch an einigen Stellen seines Traktats dieObjektivität derDarstellung; siehe etwa Tac.Germ.3, 46.
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VOM RHEIN NACHROM
Zuhörer über die Völker eines Raum, der während der Herrschaft Domitians aus dem Interesse imperialer Expansionspolitik verschwunden war, über dessen erneute Relevanz als ein zu erobernder Raum man aber wieder zu diskutieren beginnen konnte, wenn mandasVerhalten Traians betrachtete. Die Germania unterrichtete ein Publikum, dessen Wahrnehmung durch das Fernbleiben des Kaisers undseinen Aufenthalt amRhein auf Germanien gelenkt war. Wie notwendig waren solche Informationen in früher traianischer Zeit? Gab es dennkeine anderen Quellen derInformation über dieses Land, seine Bewohner, deren Gebräuche, Stärken und Schwächen? Genau das Gegenteil war der Fall. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass ein literarisch interessiertes Publikum in dieser Zeit keine Kenntnisse von der germanischen Geschichte, Geographie und Ethnographie besessen habe. Zumindest bestand für diese Leser reiche Möglichkeit, sowohl auf kurze Abrisse als auch auf umfangreiche Darstellungen dieser Themen zurückzugreifen. So gab es etwa den Germanenexkurs im sechsten Buch der Commentarii von Caesars Gallischem Krieg. Außerdem wissen wir, dass das 104. Buch des Livius eine Abhandlung der situs Germaniae moresque bot. Auch hatte nicht allzu lange vor Tacitus der ältere Plinius ein umfangreiches Werk über alle bisherigen Kriege verfasst, die Rombis dahin mit den Germanen geführt hatte; und das in immerhin zwanzig Büchern, wie sein Neffe betont.103 Tacitus selbst sollte den älteren Plinius als den Germanicorum bellorum scriptor bezeichnen und dessen Studien in denAnnalen zitieren. Von der Prominenz gerade dieser Quelle in traianischer Zeit zeugt auch ihre namentliche Heranziehung und Diskussion durch Sueton.104 Zuletzt erst hatte Silius Italicus die domitianischen Germanenkriege in epischer Form dargestellt. Unddies sind nur diejenigen Schriften, von denen wir sicher wissen. Nicht überliefert sind etwajene Abhandlungen, aus denenderältere Plinius sein Wissen bezogen hatte.105 Dem interessierten Leser der traianischen Zeit stand also eine ungeheure Menge vonLiteratur über Germanien zur Verfügung. Mansollte deninformativen Wert der taciteischen Schrift demnach eher in ihrer kompilierenden Kürze sehen. Freilich bietet der Traktat auch keine plakative politische Botschaft. So bietet die Germania eben gerade keine explizite Stellungnahme für oder wider eine Expansionjenseits desRheines. Doch derSenator breitet die ethnographischen undgeographischen Informationen in ganz charakteristischer Weise vor seinem Publikum aus, womit er die Wahrnehmung seiner Leserschaft in die von ihm gewünschte Richtung lenkt. Führt mandie Ergebnisse zusammen, die wir im Verlauf unserer Diskussion derInhalte der Germania gewonnen haben, so ergibt sich dasfolgende 103 Plin.ep.3.5.4. 104 Tac.ann.1.69; Suet.Cal.8.1. 105 BECK 1998, 14f. weist zumVergleich darauf hin, dass die Römer über die Briten eigene fundierte Kenntnisse erst seit denfünfziger Jahren hatten haben können. ZurZeit derAbfassung des Agricola aber fühlt Tacitus sich bemüßigt, eine Erklärung abzugeben, warum er nunnoch eine weitere Abhandlung über dieses Volk biete. Schließlich hätten sich doch schon viele Schriftsteller mit den Briten beschäftigt. –Wie anders habe es wohl im Falle der Germanen ausgesehen, in deren Fall die Römer auf eine bereits zweihundertjährige Geschichte von Kriegen undzeitweiligen Eroberungen hätten blicken können.
9. TRAIAN AM RHEIN
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Bild: Tacitus weist zwar darauf hin, wie wenig von dem geographischen Raum Germaniens erst unterworfen worden sei, doch er fordert nicht zu weitergehenden Eroberungen auf. Stattdessen schildert er die Unattraktivität des Landes und die Gefährlichkeit seiner Bewohner. Eroberungen wären also nicht nur verlustreich, sondern auch sinnlos. Diese Aussage wird noch durch den spezifischen Modus seiner Darstellung gesteigert, der die riesigen und undurchdringbaren Ausmaße des Landes schildert, in demMischwesen aus Mensch undTier lebten. Der Senator berichtet jedoch, die bestehenden Grenzen, die das römische Reich von Germanien trennten, seien sicher durch treue Bündner und natürliche Barrieren. Die angeborene Zwietracht der germanischen Stämme untereinander verhindere ihrerseits deren gemeinsames Vorgehen gegen Rom. Gänzlich müsse das Imperium aber nicht auf Einflussnahme jenseits des Rheins verzichten, betont Tacitus, immerhin bewähre sich das System der indirekten Herrschaft, ohne dass Rom selbst militärisch aktiv werden müsse. Der Handel mit Germanien wird nicht nurals Beweis guter Beziehungen geschildert, sondern auch als Zeichen für die Prosperität der römischen Provinz. Besonders aber kritisiert Tacitus, wie wir sahen, jene für einen Kaiser vermeintliche Notwendigkeit, überstürzt Siege erringen zu wollen unddiese in ungerechtfertigten Triumphen vorzuführen. Zudem führt der Senator die Diskrepanz zwischen demgeographischen Konzept Germaniens seiner eigenen Zeit unddem tatsächlichen Raum Germania vor, under weist darauf hin, dass über die Germanen in letzter Zeit mehr triumphiert als gesiegt worden sei. Hiermit erinnert er nicht allein daran, dass schon Domitian unter diesem Zwang gestanden hatte, sondern er nimmt es auch hin, dass seine Adressaten diese Aussage auf diejüngsten Träger des Germanicus-Beinamens bezögen, Nerva undeben auch Traian. Was aber kann es in der Situation des Jahres 98 für einen Sinn gehabt haben, dass ein prominenter Senator eine derartige Meinung literarisch darlegte, die ausdrücklich Stellung nahm gegen inhaltsleere und vorschnelle Triumphe in Germanien; in einer Zeit, da der Kaiser mit gewaltiger Truppenmacht an eben dieser Grenze stand?
9.3.3. DIE POLITISCHE
FUNKTION DES TRAKTATS IM JAHRE 98
Inwiefern war solch eine Darstellung eines Senators von Relevanz in der Herrschaftsdarstellung des Jahres 98? Konnte Tacitus damit rechnen, dass seine Schrift denKaiser erreichte undauf welche Weise konnte sie auf Entscheidungen des Princeps einwirken?106 Im Folgenden soll gezeigt werden, dass die Germania nicht zuletzt als ein Zeugnis des affirmativen Forderns im Rahmen der senatorisch-kaiserlichen Kommunikation verstanden werden muss.
106 BECK 1998, 61 meint, dass „ der ferne römische Senat 98 n.Chr. wohl kaum entscheidend auf Trajan undseine Germanenpolitik einwirken konnte“ .
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VOM RHEIN NACH ROM
Tacitus hatte damit zu rechnen, dass seine Abhandlung den Kaiser erreichte. immerhin ein Thema, das in engem Zusammerhang mit den wesentlichen Fragen deraktuellen Politik Traians stand. Außerdem warderAutor zu diesem Zeitpunkt ein prominentes Mitglied desrömischen Senats. Er warimJahre 97 Consul gewesen undbefand sich somit in einer Region, in welcher derpolitische Wettstreit intensiv war. Mochten durchaus einige Senatoren denSuffectconsulat erreichen, wares doch umso schwerer, danach eine der begehrten Statthalterschaften zu erringen. Dies galt gerade für eine Zeit, da der Princeps neu war und sich fernab von Rom aufhielt. In diesen Monaten wurde die senatorische Konkurrenz wegen der Verknappung der Vermittler sozialer Ressourcen härter. Die Beobachtung vonÄußerungen der Standesgenossen nahm zu. Tacitus musste davon ausgehen, dass seine Schrift vondenStandesgenossen aufmerksam gelesen würde. Der stadtrömischen Elite warbewusst, dass Traian für die Konkretisierung seiner grundsätzlichen Sieghaftigkeit einen Krieg, einen Sieg undeinen Triumph benötigte, umseine Sieghaftigkeit auch demonstrativ vorzuführen. Nunsah Rom aber auch, dass derKaiser keine Anstalten machte, in seine Hauptstadt zurückzukehren, nachdem ihm der Tod Nervas gemeldet worden war. Traian stand mit zahlreichen Truppen am Rhein und er hatte während seiner Statthalterschaft Erfahrungen an dieser Grenze sammeln können. Zudem sah er sich großem Druck durch seine Truppen ausgesetzt, die auf baldigen Einsatz drängten. Es waren Bedingungen, die Traian geradezu einluden, in Germanien einen Krieg zu führen. Doch es waren vor allem zwei Gründe, die es den Senatoren wenig ratsam erscheinen ließen, an dieser eigentlich ruhigen Grenze Feindseligkeiten zu beginnen. Der erste Grund bestand in grenzstrategischen Überlegungen. Die Erfahrungen, welche die domitianische Zeit mit dem Dakerreich gemacht hatte, zeigten, dass an der Donau nur ein prekärer Waffenstillstand, nicht aber ein dauerhafter Friede herrschte. Nach wie vor zahlte das römische Reich Subsidien an Decebalus.107 Sollte Traian einen Krieg in Germanien beginnen, musste er damit rechnen, dass die Daker diese Situation ausnutzen würden. In diesem Falle würde Rom an zwei Fronten bestehen müssen. Der zweite Grund, der die Senatoren gegen einen Krieg in Germanien einnahm, war ihre Vermutung, dass dies eine lange Abwesenheit des Kaisers nach sich ziehen würde. DemReichsadel waren die Zwänge zurmilitärischen Profilierung, unter denen Traian stand, wohlbekannt, doch wares nunviel wichtiger, dass derneue Kaiser nach Romkomme. Der Principat Nervas warlediglich eine Phase des Übergangs gewesen, voller Unruhen. Während des Ringens umdie Nachfolge des Princeps und unter dem Eindruck von Gewalt war der senatorische Konsens ins Wanken geraten. Angesichts zweier Thronprätendenten hatten die Senatoren über ihre Loyalität entscheiden müssen. Ein Auftritt des Princeps in Romwäre zu
Er behandelte
107 Plin.paneg.12.2 und Cassius Dio 67.7.4 erwähnen den Beginn dieser Zahlungen; STROBEL 1984, 155f. und1989, 90 mitAnm. 31 bemerkt zwar die Konventionalität dieses Aktes in einem Klientelverhältnis, akzentuiert dabei aber nicht ausreichend den ungeheuren symbolischen Wert, dass Romjener Dacia Capta, über diebereits triumphiert worden war, nach wie vorjährlich Gelder zahlte. Dies hatte als eine Schande zugelten.
9. TRAIAN AM RHEIN
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diesem Zeitpunkt nötig gewesen, damit sie ihn demonstrativ ihrer Akzeptanz hätten versichern können. Traian hatte sich schon während jener Monate nicht in der Hauptstadt blicken lassen, in denen er nach seiner Adoption derdesignierte Nachfolger gewesen war. Sollte er nunweiterhin fernbleiben, sah es ganz danach aus, als komme es wieder zu jener Unzulänglichkeit der kaiserlich-senatorischen Kommunikation, die auch schon im Principat Domitians geherrscht hatte. Traian sah sich im Konflikt zwischen denErwartungen, die das Heer an ihn stellte, und jenen derPlebs Urbana unddesSenats.
9.3.4. DIE GERMANIA IM RAHMEN DER TRAIANISCHEN HERRSCHAFTSDARSTELLUNG
Im Folgenden möchte ich auf einige Aussagen der Germania hinweisen, die Parallelen zur traianischen Herrschaftsdarstellung dieser Monate zeigen. Es scheint mir sicher, dass der Traktat bereits berücksichtigte, dass Traian betonte, Germanien sei befriedet, wie wir anhand des besprochenen Münzbildes sahen. Tacitus wies nämlich auf die Diskrepanz zwischen dem geographischen Großraum Germaniens undjenem germanischen Grenzstreifen an Rhein und Donau hin, aus dessen Durchdringung die Germanicus-Beinamen der letzten drei Kaiser resultierten. Der Consular verzichtete aber entgegen der zeitgenössischen Abgrenzung Traians vonDomitian darauf, demFlavier explizit falsi triumphi vorzuwerfen, um so denInhalt vondessen Siegerbeinamen deutlich zu enthüllen. Dies hängt damit zusammen, dass Traian sich eben dieselbe Ambiguität der Bezeichnung ‚Germania‘zuNutzen machte, wie der Pessimus Princeps es getan hatte. Auch der neue Herrscher betonte plakativ, Germania, also das gesamte Germanien undnicht nur die Grenzzone, sei befriedet undprosperiere. Hätte demnach Tacitus dasüberzogene Maß der domitianischen Herrschaftsdarstellung in diesem Punkt kritisiert, hätte mandiese Kritik auch auf Traian beziehen können. So beließ Tacitus es bei einer Reihe vonAusführungen, welche auf diese Diskrepanz zwar lediglich implizit hinwiesen, die aber in ihrer Gesamtheit die eindeutige Empfehlung eines Verzichts auf einen erzwungenen Triumph bedeuteten, wie wirfeststellen konnten. Ein ähnlicher Fall, in dem die Schilderung der Schrift Rücksicht auf die aktuelle traianische Herrschaftsdarstellung nahm, betrifft die römischen Besitzungen auf der rechten Rheinseite. Tacitus äußert sich nämlich abfällig darüber, auf welche Weise dasDecumatland, dereinzige römische Besitz jenseits des Flusses, von Domitian der Provinz Germania Superior zugeschlagen worden sei: Eigentlich seien dessen Bewohner gar keine Germanen; tatsächlich handele es sich um dahergelaufenes gallisches Gesindel. Die Not habe sie verwegen gemacht, so dass diese Leute das umstrittene Land besetzten. Daraufhin habe mannur noch einen Grenzwall anlegen undWachen vorschieben müssen. Seitdem gelte dasGebiet als
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150
Vorland des Imperiums und werde als Teil der Provinz angesehen.108 In seiner Schilderung dieses römischen Gebietes muss Tacitus drei Dinge miteinander zur Deckung bringen: So schmälert er zunächst die Leistung Domitians. Dieser habe nicht die römische Provinz erweitert, sondern allenfalls einen Grenzzaun gezogen. Daneben betont derConsular, dass dieser üble Landstrich derGrenzregion, derja sogar schon von römischer Kultur berührt werde, keinesfalls zu einer weiteren Expansion Germaniens ermuntern könne. Es sei eine strukturschwache Region, und alles, was dahinter komme, sei noch schlimmer. Andererseits durfte Tacitus nicht den Anschein wecken, zur Provinz Germania Superior gehöre ein deplorables Gebiet. Daher weist er darauf hin, dass mittlerweile das Decumatland von seinen Siedlern ja kultiviert werde. Für die Zukunft seien jedenfalls gute Zustände zu erwarten: Traian proklamierte ja schließlich, Germania sei befriedet undprosperiere.
Ein weiterer Aspekt, in demsich Aussagen der Germania mitjenen der traianischen Herrschaftsdarstellung decken, ist das Lob des waffenlosen Sieges. Mit seiner erwähnten Schilderung des Niedergangs der Brukterer erinnerte Tacitus sein Publikum an einen Staatsakt, der erst vor kurzer Zeit in Rom stattgefunden hatte undder die traianischen Ideologeme des waffenlosen Sieges undderBefriedung Germaniens in mustergültiger Weise bestätigte. Dem Consular Vestricius Spurinna war in Rom eine Triumphalstatue errichtet worden, undzwar principe auctore, wie Plinius berichtet.109 Dieser Vestricius Spurinna hatte –wahrscheinlich imJahre 97 –denvertriebenen König derBrukterer erneut in seine Herrschaft eingesetzt.110 Die Germania berichtet, dass zuvor eine Koalition von Stämmen gemeinsam die Brukterer besiegt habe, und dass römische Truppen dabei nicht
selbst hätten eingreifen müssen.111 Die Forschung datierte diesen öffentlichen Akt der Statuenaufstellung bislang in den Principat Nervas. Da allerdings weder der Plinius-Brief selbst, noch das Publikationsdatum seines Buches –es wurde wohl erst 100 herausgegeben –einen Hinweis auf eine genauere Datierung bietet, bliebe zumindest die Möglichkeit, dass der in diesem Zusammenhang erwähnte Princeps auch Traian sein könne.112 Nunakzentuiert Plinius in seinem Brief die Leistung des Vestricius Spurinna in einer ganz charakteristischen Weise: Herrlich sei es, allein durch Androhung eines Krieges ein kriegswütiges Volk zu unterwerfen. Abschreckung sei die 108 Tac.Germ.29: Non numeraverim inter Germaniae populos, quamquam trans Rhenum Danuviumque consederint, eos qui decumates agros exercent. Levissimus quisque Gallorum et inopia audax dubiae possessionis solum occupavere; mox limite acto promotisque praesidiis sinusimperii et pars provinciae habentur. 109 Plin.ep.2.7.1ff. 110 ZurDatierung dieser militärischen Aktion siehe SYME1991. 111 Tac.Germ.33 berichtet von einer erst seit kurzer Zeit zurückliegenden Schlacht. Denn man erzähle, berichtet Tacitus, nunseien neue Stämme in das angestammte Gebiet der Brukterer gezogen.
112 Zu dieser Argumentation, welche auch Traian in Betracht zieht, siehe vor allem ECK 1985, 152ff.; SYME 1991. –Noch für die domitianische Zeit entscheidet sich WOLTERS 1989, 66.
9. TRAIAN AMRHEIN
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schönste Art des Sieges! Diese Worte reflektieren jenes Ideologem des waffenlosen Sieges, das in denersten Monaten der traianischen Regierung von großer Bedeutung war. Da dieses inhaltliche Kriterium bei allen Versuchen, die Statuenaufstellung zu datieren, bislang noch niemals berücksichtigt wurde, möchte ich es hier zugunsten einer Datierung in die traianische Zeit ins Feld führen. Mag der Sieg selbst auch im Jahre 97 errungen worden sein, ist es durchaus möglich, dass die Errichtung des Standbildes erst in traianischer Zeit stattfand. Zumindest bezeugt ein zweiter Consulat, den Spurinna im April 98 zusammen mit dem abwesenden Kaiser bekleidete, dieWertschätzung desUlpiers fürdiesen Mann. Träfe diese These zu, ergäbe sich ein interessanter Befund. Dann wäre nämlich diese Zeremonie für Traian ein Medium gewesen, das Ideal des waffenlosen Sieges in Romverbreiten zu lassen. Er hätte vomRhein auseinen Staatsakt in der Hauptstadt veranlasst, dessen Anlass, nämlich dieAufstellung einer Triumphalstatue auf dem Augustusforum, für jene spezifische Facette der traianischen Herrschaftsdarstellung eine multiplikatorische Wirkung in der Öffentlichkeit gehabt hätte.113 Das Ritual selbst wäre das Medium gewesen. Immerhin war eine solche Statuenaufstellung stets mit einer Zeremonie verbunden, in deren Verlauf auf die Gründe dererfolgten Auszeichnung Bezug genommen werden konnte. In unserem Falle hätte die Laudatio dieses besonderen Sieges des Vestricius Spurinna an eine spezifische Darstellung Traians erinnert. Denn auch der Kaiser hatte seine vermeintlichen Erfolge bislang ohne denEinsatz vonWaffen errungen. Im Panegyricus ist vorgeführt, wie eine solche Laudatio des bisherigen militärischen Defizits des Princeps aussah: Die bislang fehlenden Waffentaten gingen allein darauf zurück, dass keiner der Feinde es überhaupt wage, gegen Traian anzutreten. Der Redner erklärt dies mit der Vielzahl von Tugenden und der ungeheuren heroischen Leistungskraft, die der Kaiser besitze. Der Gegner stelle sich erst gar nicht, sondern verstecke sich vor Traian.114
113 ECK2000, besonders 486ff. weist aufdiese Wirkung vonEhrenmonumenten überall imrömischen Reich hin, welche die Ereignisse auch entgegen der politischen Realität darzustellen vermochten. So ließ ein Veteran des traianischen Partherkrieges auf dem Podium des Forumstempels in Thamugadi zwei Statuen der„ Victoria Parthica Aug(usta)“errichten. Dermilitärische Rückzug in Parthien und der eigentliche Fehlschlag dieses Krieges blieben hier ausgeblendet. Doch mitderZeit vermochten dieses Denkmal undähnliche Monumente in der Wahrnehmung ihrer Betrachter eine eigene Wirkungsmacht zu entfalten. In derNachwelt etablierte sich die monumentalisierte Erinnerung an Siege in Parthien. Diese Verzerrung der Ereignisse wurde auch imprivaten Bereich verbreitet, etwa auf Gebrauchsgeschirr, undmultiplizierte diese Version in außerordentlicher Weise. So wurde etwa eine Arena-Szene auf gallo-römischer Terra Sigilata des Jahres 117 dargestellt, die einen durch die Beischrift als
PARTU identifizierten Mann imKampf gegen zwei Löwen zeigen. –Siehe hierzu LABROUSSE 1981, SETTIS/LA REGINA/ AGOSTI/ FARINELLA 1988, 226ff., SETTIS 1989, EGELHAAFGAISER 2003, 118ff. 114 Dies ist besonders deutlich imPanegyricus, isb 12. –Siehe hierzu im Kapitel zumPanegyri. –Selbst wenn wecus denAbschnitt 3.1. „contecti caedibus campi –Die Imago des Heros“ der die Schlacht, noch die Statuenaufstellung in der Regierung Traians stattgefunden hätten, wäre dieser Brief des Plinius für diese Untersuchung von besonderem Interesse. Zumindest nämlich publizierte Plinius das Buch, in welches jener Brief Aufnahme fand im Jahre 100; mithin zu einer Zeit, in welcher derKaiser immer noch keine militärischen Erfolge errungen
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VOM RHEIN NACH ROM
Das Lob einer nichtmilitärischen Intervention trägt Tacitus auch im Falle der Marcomannen undQuaden vor. Deren Könige würden schon seit einiger Zeit von Romeingesetzt undmit Geld unterstützt, so dass ein militärisches Eingreifen dort nicht mehr nötig sei.115 Die Essenz dieser Aussage ist also, dass die Zahlung von Subsidien an Barbaren durchaus sinnvoll sei. Diese Stellungnahme gewinnt vor demHintergrund des traianischen Aufenthalts an Rhein undvor allem Donau erhebliche Relevanz; unddas nicht allein in seinem Bezug auf die von Tacitus erwähnten germanischen Stämme, sondern vor allem auf die Daker; die imJahre 98 prominentesten Empfänger solcher römischer Zahlungen. Womöglich ist diese Passage derGermania schon ein Hinweis auf Gerüchte oder sogar die Gewissheit, Traian werde vom Rhein an die Donau ziehen und dort den Krieg vorbereiten. Nach demWaffenstillstand von 89 hatte Domitian begonnen, an Decebalus Geld zuzahlen, undNerva wieauch Traian hatten diese Praxis fortgesetzt. Im Jahre 100 sollte der Panegyricus Traian loben, weil er diese Zahlungen eingestellt habe.116 Es gibt keinen Hinweis darauf, wann genau der Kaiser dies getan hatte, vor oder nach derPublikation der Germania. Zumindest hatte Tacitus seinem Princeps gegenüber eine deutliche Empfehlung ausgesprochen: Er lobte die Zahlung von Subsidien als ein effektives Mittel, umKriege zuvermeiden. Wir können nicht feststellen, ob das Publikum des Tacitus diese Aussagen nun allein auf germanische Stämme bezog oder auch auf die Daker. Wie dem auch sei, vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse lud der Consular seine Leser zu einer solchen Interpretation jenseits desreinen Wortlautes ein. Imeinen wieimanderen Fall hätte der Consular damit seine Abneigung gegen mögliche Feldzüge Traians artikuliert, da hierdurch eine womöglich jahrelange kaiserliche Abwesenheit aus Romdrohte. 9.3.5. FAZIT
Was also war die kommunikative Funktion der Germania im Rahmen der Herrschaftsdarstellung desJahres 98? Ihr Verfasser bestätigt die offizielle Programmatik dieser Monate in einem wesentlichen Punkt: Die beiden römischen Provinzen, Germania Superior und Germania Inferior, prosperieren. Außerdem treibe Rom Handel mit dem freien Germanien und besitze Amici unter den Stämmen der Grenzregion. Zudem sei derrömische Besitz in dieser Region sicher undwerde es hatte. Auch in diesen Monaten war das Ideologem des waffenlosen Sieges wesentlicher Bestandteil der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung, wie der nurwenig später publizierte Panegyricus beweist. Die Publikation des Briefes ist ein weiteres Beispiel fürjene Demonstrationen seiner Akzeptanz, welche dieser Autor der traianischen Herrschaftsdarstellung entgegen brachte.
115 Tac.Germ.42. 116 Plinius schilderte es als eine dergrößten Schandtaten Domitians, demDakerreich Subsidien gezahlt zuhaben. Der Senator warf demPessimus Princeps vor, mit gewaltigen finanziellen Mitteln und Geschenken Geiseln und Siege gekauft zu haben; Plin.paneg.12.2; vergleiche Cassius Dio 67.7.4.
9. TRAIAN AM RHEIN
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wegen natürlicher Grenzen, treuer Bündner undinnergermanischen Zwistes auch weiterhin sein. Doch gegen eine Ausweitung der Grenzen spricht sich Tacitus deutlich aus. Seine Darstellungsweise der ungeheuren Weiten, die jenseits des Flusses beginnen, zeichnet ein ganz spezifisches Bild des Landes und seiner Bewohner: Eine Eroberung sei gefährlich, sei nicht nötig und lohne sich auch gar nicht. Außerdem weist Tacitus auf die Unattraktivität aller Gebiete jenseits des Rheines hin: Dies sei keine ergiebige Region für eine Eroberung undProvinzialisierung. Daneben spricht sich Tacitus gegen forcierte Kriege undTriumphe aus; gegen Triumphe, die nicht die Manifestationen von tatsächlich großen Siegen seien, sondern solche Feiern, die der Kaiser alleine deswegen begehe, weil er sie als notwendigen Teil der militärischen Facette seiner Imago erachte. Die Synthese aus diesen Beobachtungen ist die Feststellung, Traian solle keinen Krieg in Germanien beginnen. Hier wird deutlich, wie sich die Affirmation der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung mit Forderungen an denPrinceps verbindet. Auch der Bericht von der Niederlage der Brukterer ist ein Beispiel für diese Kombination von Forderung undAffirmation. Zum einen preist Tacitus den waffenlosen Sieg und das Konzept der indirekten Herrschaft, wodurch er seiner Leserschaft verdeutlicht, er selbst lehne die militärische Durchdringung des Landes ab. Zumanderen signalisiert der Senator mit diesem Lob seine Akzeptanz jenes imperialen Ideologems, welches dem Kaiser ebenfalls waffenlose Siege zusprach; freilich deswegen, weil dieser tatsächlich bislang weder Kriege geführt, noch Siege errungen hatte. In derGermania lassen sich also ebenjene rhetorischen Mechanismen finden, welche wir schon für das besprochene Epigramm Martials feststellen konnten: Traian möge heimkommen, schließlich betone er doch selbst, dass Germanien befriedet sei undprosperiere. Der Dichter akzeptiert die kaiserliche Darstellung undformuliert ausihrer Aussage seinen Willen. DasResultat ist affirmatives Fordern. Die Relevanz dieses Mechanismus für die Kommunikation mit demKaiser wurde bereits in den Untersuchungen der vorangegangenen Plinius-Briefe deutlich. Das Kapitel zumPanegyricus wird das affirmative Fordern noch umfassend behandeln. Ein charakteristisches Merkmal dieses rhetorischen Mechanismus ist, dass zur Durchsetzung von Forderungen oder zur Formulierung von Bitten keine direkte Kritik amHerrscher geäußert wird. Stattdessen wird die Programmatik des Kaisers demonstrativ anerkannt, indem sie reflektiert wird. Dem Princeps wird damit nicht nur die Akzeptanz seiner Herrschaftsdarstellung, sondern auch die seiner Person selbst signalisiert. Aber imRahmen dessen, wasdie Herrschaftsdarstellung desKaiser vondiesem behauptet oder wassie für ihnin Anspruch nimmt, wird die Forderung formuliert, der Princeps möge sein Handeln auch tatsächlich an demvon ihm Proklamierten ausrichten. Auf diese Weise werden die prononcierten Facetten einer kaiserlichen Imago zur Grundlage einer Argumentation, welche die reale Einlösung dieser Aspekte des herrscherlichen Verhaltens einfordert.
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VOM RHEIN NACH ROM
Die Forderungen des Tacitus in der Germania sind nurvor demHintergrund der Entstehung dieser Schrift angemessen zu würdigen. Die Senatoren sahen, dass Traian von verschiedenen Umständen gezwungen schien, möglichst rasch militärische Erfolge nachzuweisen: die Betonung dermilitärischen Facette in derkaiserlichen Imago durch die Flavier, der Ruhm des Traianus Pater –Parthersieger und , die motivierten germanischen Legionen, die als Kaisermacher Vir Triumphalis – ihrerseits eine Anerkennung forderten, und die dementsprechend zum Einsatz drängten; über demallen aber diebislang fehlenden militärischen Erfolge Traians. Der Kaiser warschon seit Monaten aus Romabwesend, undes bot sich die Perspektive, dass er derHauptstadt auch noch längere Zeit fernbleiben werde, begänne er erst einmal einen Krieg. Die fortgesetzte Ablehnung desKaisers, nach Rom zurückzukehren, zeigt, dass für Traian die Konkretisierung der militärischen Facette seiner Imago wichtiger war, als in seiner neuen Rolle als Princeps bald mit demGesamtsenat zusammen zu kommen. Wir sehen auch, dass der Senat diese Ansicht nicht teilte. Für die Senatoren war es in dieser Zeit erheblich wichtiger, dass ihr Kaiser endlich nach Rom komme, umdas Gremium nicht länger in dessen Ehrenstatus zu reduzieren und um die momentanen Unzulänglichkeiten des Systems der Maklerpatronage durch seine regelmäßige Anwesenheit wieder zu beheben.
10. DER FRIEDENSSCHLUSS IN PANNONIEN Schon seit derersten vonihmselbst gesteuerten Emission, also seit Ende Februar 98, hatte Traian Münzen mit derDarstellung einer Fortuna Redux prägen lassen, derPersonifikation derunversehrten Rückkehr.1 Auf diesen Bildern steht Fortuna
nach links und hält gemäß der üblichen und seit Jahrzehnten etablierten Iko-
nographie Füllhorn undSteuerruder in ihren Händen. Die Besonderheit der traianischen Münzen ist, dass sie Fortuna das Ruder auf einem Schiffsbug absetzen lassen. Diese Prägungen wiesen nicht etwa auf eine konkrete Seereise Traians hin. Vielmehr reflektierten sie generell, dass derKaiser auf die Erwartungen der Untertanen reagierte, indem er ihnen versprach, bald von seiner Reise nach Romzurückzukehren. Da diese Münzen bis in den dritten Consulat hinein geprägt wurden, das heißt, bis in eine Zeit, da der Kaiser schon wiederin die Hauptstadt zurückgekehrt war, sollte mandie früheren Stücke als visualisiertes Versprechen des Kaisers ansehen, die späteren als einen Dank andie Göttin für seine unversehrte Rückkehr.2 Doch vorerst blieb der stadtrömischen Bevölkerung lediglich die reine Perspektive, der Kaiser werde schon bald in die Hauptstadt zurückkommen. Die ihnen in Aussicht gestellte Hoffnung wurde allerdings enttäuscht, denn derKaiser entfernte sich immer weiter vonItalien. Tatsächlich sollte Traian keinen Krieg andergermanischen Grenze beginnen. Die Ereignisse der folgenden Monate zeigten, dass er seine Aussage, Germanien sei befriedet, nicht durch einen von ihm selbst begonnenen Krieg widerlegte. Stattdessen schloss er sogar einen Frieden an der germanischen Grenze. Während er selbst ein imperium maius über die Rheinprovinzen behielt, brach er nämlich nach Pannonien an die Donau auf. Der pannonische Statthalter Cn. Pinarius Aemilius Cicatricula Pompeius Longinus hatte im Jahre 97 das Bellum Suebicum erfolgreich beendet.3 Eben dieser Sieg war der Anlass für die Niederlegung des
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2 3
79, Nr. 22, Taf.1. STRACK weist darauf hin, dass das Ruder der Fortuna STRACK 1931 76– seinen Ursprung natürlich in derSeefahrt hatte, dass es aber bis zumtraianischen Principat als Attribut der Personifikation diese ursprüngliche Bedeutung bereits verloren hatte. Es habe nurmehr zurIllustration derAuffassung gedient, dass ganz allgemein derLauf desSchicksals der Steuerung derFortuna unterliege. Indem dietraianischen Münzen nunaber die Prora hinzufügten, wurde Fortuna wieder auf ihre engere Bedeutung festgelegt undsymbolisierte ganz konkret die unversehrte Heimführung des Kaisers nach Rom, wenn diese auch nicht auf dem Seeweg erfolgte. Mit einem modifizierten Bild wurde dieser Typus derFortuna Redux wieder imfünften Consulat wohl in den Jahren von 107 bis 111 geprägt. Der Anlass dieser Prägungen sollte die Rückkehr Traians ausdemzweiten Dakerkrieg sein. ZurEreignisgeschichte desFolgenden siehe STROBEL 1985, 23f.
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Lorbeers im Tempel des Iuppiter Optimus Maximus gewesen, bei welcher Nerva Traian adoptiert hatte. Ausdiesem Sieg resultierte der Siegerbeiname des Germanicus, den Traian als Teil seiner imperialen Titulatur trug. Pompeius Longinus hatte als Statthalter derProvinz schon seit 97 die Friedensverhandlungen mit den suebischen Stämmen geführt, doch mit demEintreffen des Kaisers übernahm dieser persönlich die Leitung der Gespräche. Somit konnte er den offiziellen Friedensschluss für sich selbst in Anspruch nehmen und sich die Beendigung dieses Krieges zuschreiben. Sein Siegerbeiname, dener schon imOktober 97 ohnejedes eigene Zutun erhalten hatte, wurde auf diese Weise imNachhinein gerechtfertigt. Pompeius Longinus wurde als Statthalter abgelöst unddurch den Vertrauten des Kaisers, L. Iulius Ursus Servianus, ersetzt, der gerade zuvor erst mit der obergermanischen Statthalterschaft betraut worden war. Pompeius Longinus hatte seine Kompetenz als Befehlshaber bewiesen, was ihm eine Menge symbolischen Kapitals eingebracht hatte. Während Traian für sich gerade erst die generellen militärischen Aspekte seiner Imago konstruierte, die unabdingbarer Bestandteil der Herrschaftsdarstellung eines jeden römischen Kaisers sein mussten, hatte Pompeius Longinus seine militärische Virtus bereits konkret und eindrucksvoll vorgeführt. Daher war er als Befehlshaber von fünf Legionen, und damit der größten Truppenkonzentration des Reiches, ein potentieller Konkurrent Traians und als solcher nicht tragbar.4 Trotzdem verzichtete Traian nicht auf seine Kompetenz. Pompeius Longinus hatte einst die obermoesische Statthalterschaft innegehabt und war daher mit den Verhältnissen in jener Gegend des Reiches wohlvertraut. Er begleitete den Kaiser wohl als Comes nach Moesien. Traian konnte die Ehre, das Bellum Suebicum zu einem friedlichen Ende geführt zu haben, seiner Herrschaftsdarstellung einverleiben. Ein Klientelverhältnis mit den suebischen Stämmen und wohl auch mit den sarmatischen Jazygen war wiederhergestellt.5 So war es nur konsequent, dass zu diesem Zeitpunkt Münzen emittiert wurden, welche die Siegesthematik weiter verbreiteten. Abgebildet wurde etwa eine Victoria, die denPalmzweig als Zeichen des Sieges hält undan einemAltar opfert.6 Auch Roma warabgebildet, in kurzem Gewand undmitnackter
4
24 weist darauf hin, dass die Artdieses Vorgehens Traians gegenüber PommitdenSorgen Domitians gegenüber Agricola korrespondiert; Tac.Agr.39.1f. STROBEL 1985, 23 betont, dass diese Stämme in derFolge jeweils bedeutende Kontingente in den beiden Dakerkriegen stellten. – Diese Maßnahmen fanden ihren Niederschlag in STROBEL 1985,
peius Longinus
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Plin.paneg.12.3f., 16.2. STRACK 1931, 67f., Nr. 20, Taf.1; STROBEL 1985, 22f. mit Anm. 97 vermutet, dass die Victoria-Prägungen bereits auf denpannonischen Sieg des Jahres 97 zurückgingen, dessen Feier bereits unter Nerva begonnen habe; vergleiche SHOTTER 1983,224. Demist jedoch zu entgegnen, dass zwar vonder ersten Emission Traians an Victorien emittiert wurden. Diese warenjedoch im Flug undmit einem Clipeus Virtutis dargestellt worden. Derbesprochene Typ aber dersitzenden Victoria beim Opfer datiert erst ab derdritten Emission Traians undweist daher keine Kontinuität zu denDarstellungen Nervas auf. Diese Victoria-Prägungen wurden wohl mit dem Sieg des Jahres 97 verbunden, da nun während der Anwesenheit Traians der Frieden geschlossen warundTraian bereits seit seiner Adoption denSiegerbeinamen ausdiesemKrieg trug.
10. DER FRIEDENSSCHLUSS IN PANNONIEN
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Brust.7 Sie sitzt auf einem Panzer inmitten erbeuteter Waffen undhält in der LinkendasKurzschwert, in derRechten eine Victoria. Diese Münzen weisen aufkein bestimmtes Ereignis dieser Zeit explizit hin, undso ist in ihnen eher eine Darstellung dergrundsätzlichen Sieghaftigkeit desrömischen Kaisers zuverstehen. Doch ganz ohne konkreten Hintergrund waren diese Darstellungen der Victoria undder Roma Victrix nicht. Die Sieghaftigkeit des Kaisers warnundurchaus nachgewiesen, wenn auch bisher lediglich ankleinen Erfolgen. Den Beinamen Germanicus, den Traian schon seit einiger Zeit getragen hatte, hatte er nun mit seinem Friedensschluss in Pannonien konkretisiert undmit Inhalt angefüllt. Germanien hatte er befriedet; so verkündeten es die Münzen.
7
STRACK 1931, 68f., Nr. 25, Taf.1 weist auf die Tradition dieses Bildtyps hin, den bereits Galba mitderLegende ROMA VICTRIX verbunden hatte (RIC Galba, Nr. 143; BMCGalba, Nr. 243, Taf.55.8) undder von Vespasian als ROMA PERPETVA geprägt worden war (RIC Vespasian, Nr.309; BMCVespasian, Nr.423f. Taf.15.1f.). Nero hatte diesen Typus ebenfalls darstellen lassen als Zeichen für die Erhöhung des römischen Ansehens durch die Unterwer27). 86, Taf.39, 24– fung des Tiridates (RIC Nero, Nr. 50f.; BMCNero, Nr. 81–
11. PLINIUS TRITT ALS PATRON AUF INDULGENTIAM TUAM PLENISSIMAM EXPERIOR1
Dass diese kaiserlichen Aussagen in Romsofort akzeptiert wurden, zeigt ein weiterer Brief des Plinius an Traian. Hierin bat der Ärarpräfekt den Kaiser, seinen Amicus Voconius Romanus in denSenatorenstand zuerheben. Es handelt sich bei diesem Schreiben also umein weiteres Zeugnis für die Vermittlung sozialer Ressourcen. Zugleich ist derBrief aber auch wieder ein herausragendes Beispiel, um die Mechanismen der kaiserlich-senatorischen Kommunikation zu illustrieren. In ihmwird in einzigartiger Weise das Ineinandergreifen von senatorischer Affirmation der imperialen Ideologeme undderdaraus abgeleiteten Forderungen deutlich.
Umseinen Amicus in einem möglichst guten Licht erscheinen zu lassen, bemüht Plinius bei dessen Charakterisierung nämlich Kategorien, welche auch Traian für die Darstellung seiner eigenen Imago verwendete. Plinius modellierte dasBild des Voconius Romanus nach dem Vorbild des Kaisers. Traian sollte einem Mann, welcher gewissen imperialen Idealen derart entsprach, und seinem Förderer, der diese Ideale so intensiv verinnerlicht hatte, die formulierte Bitte umStatusaufwertung nicht versagen können. Auch bei der Untersuchung dieses Briefes wird im Vordergrund unseres Interesses zunächst eine aufmerksame undtextnahe Diskussion des Schreibens stehen, deren Ergebnisse sodann mit parallelen Zeugnissen außerhalb des Textes korreliert werden sollen. Hierauf werden wir versuchen, Aussagen zurkommunikativen Funktion des Schreibens in derspezifischen Situation des Herbstes 98 zu treffen. Das Schreiben muss in die Zeit unmittelbar nach demformalen Friedensschluss in Pannonien durch denKaiser datiert werden. Der Weg zu dieser Feststellung beinhaltet ein interessantes Problem, das aus der Anrede Traians in diesem Brief entsteht. Der Kaiser wird hier nämlich als Imperator angesprochen. In den Episteln, die Plinius vor seiner bithynischen Mission an Traian sandte, gebrauchte der Senator in derRegel denGrußnamen Domine.2 Es gibt lediglich drei Ausnahmen, in denen Traian als Imperator gegrüßt wird. Hierbei handelt es sich umdie Briefe 10.1, 10.4 und 10.14. Wir wollen kurz betrachten, warum Plinius in diesen Fällen nicht die übliche Anrede benutzte. In Brief 14 aus demJahre 102 ist diese verän1 2
In Anlehnung anPlin.ep. 10.4.1. Hiermit sind jene 14 Episteln des zehnten Buches gemeint, welche Plinius demKaiser vor seiner Mission in Bithynien zukommen ließ. Die Briefe aus Bithynien nennen, bis auf ganz wenige Ausnahmen, denKaiser ebenfalls Domine. Jene späten Sonderfälle sindjedoch nicht Teil dieser Untersuchung. Sie entstanden Jahre später undgehören demnach in einen ganz anderen historischen Kontext.
11. PLINIUS TRITT ALS PATRON AUF
159
am leichtesten nachzuvollziehen. Plinius beglückwünscht in dem Schreiben den Kaiser zu seinem Sieg im ersten Dakerkrieg. Der Kaiser warnoch im Felde von seinen Truppen als Imperator akklamiert worden undhatte diesen Titel auch angenommen. In Brief 10.14 reflektiert Plinius also diese dritte Imperatorakklamation Traians.3 Aus dieser Beobachtung hatten wir bereits die Anrede Traians in 10.1 abgeleitet. Plinius hatte hier Imperator als seine Anrede des Kaisers gewählt, weil dies die militärische Facette derkaiserlichen Imago akzentuierte, aufderen Profilierung Traian schon zudiesem Zeitpunkt bedacht gewesen war. Der dritte Brief, welcher denKaiser nicht als Domine, sondern stattdessen als Imperator adressiert, ist eben die Epistel 10.4. Auch diese Ausnahme konnte bislang nicht erklärt werden, denn eine Motivation hierfür ließ sich nicht feststellen.4 Zudieser Zeit warTraian nämlich nicht als Imperator akklamiert worden. Seine zweite Akklamation sollte er erst im Herbst 101 anlässlich der Beendigung des ersten Dakischen Krieges entgegennehmen. Warum also brach Plinius in diesem Brief mit der üblichen Gepflogenheit, den Kaiser mit Domine anzureden? Die Antwort ergibt sich allein ausdemhistorischen Kontext. Mit dieser Anrede reflektierte Plinius den formalen Abschluss der Friedensverhandlungen in Pannonien. Der Brief selbst ist mittels einer relativen Chronologie hinreichend genau auf den Frühherbst des Jahres 98 zudatieren, also injene Zeit unmittelbar nach demoffiziellen Abschluss des Krieges mit den suebischen Stämmen.5 Zwar hatte Traian die aus dem Sieg des Pompeius Longinus resultierende Reputation benutzt, um derte Anrede
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Diese Ansicht kann seit SHERWIN-WHITE 1966, ad loc. als etabliert gelten. –Es handelte sich hierbei schon umdiezweite Imperatorakklamation Traians imersten dakischen Krieg undum seine dritte überhaupt. Die erste warbei seiner Adoption durch Nerva erfolgt, die zweite im Jahre 101 undschließlich die dritte, umwelche es sich hier handelt, imJahre 102 nach dem (vorläufigen) Sieg über Decebalus. SHERWIN-WHITE 1966, ad loc.: ” Only thrice does Pliny address Traian as imperator, ...in 10.4. for no clear reason.”–Auch der Erklärungsversuch von HEIDER 2000, 191f., Anm. 649 kann nicht überzeugen. Die Chronologie der ersten Briefe des zehnten Buches entspreche nicht ihrer überlieferten Reihenfolge. Tatsächlich gehöre 10.4 in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit 10.1. Die Anrede Domine erkläre sich dann daraus, dass Traian vor Annahme des Pater Patriae Titels nicht Domine habe genannt werden wollen. HEIDER selbst . schwierigen Hypothese“ spricht voneiner „ Natürlich erklärt sich die Anrede Domine ausderpaternalen Imago des Kaisers, doch die Ansicht von HEIDER ist alleine schon deshalb unzutreffend, weil sie nicht berücksichtigt, dass, anders als derPater Patriae, derDominus kein ordentlicher Bestandteil derimperialen Titulaturwar. Wenn manzudem ep.10.4 vorep.10.2 datieren wollte, käme manin arge Erklärungsnot, warum Plinius für einen Amicus eine besondere Statuserhöhung zu einem Zeitpunkt vermitteln konnte, daer selbst noch aufdie Vermittlung durch einen Dritten angewiesen war. Der voranstehende Brief 10.3a datiert in die frühe zweite Hälfte des Jahres 98. Der folgende Brief 10.5 ist in den letzten Monaten des Jahres 98 anzusiedeln. Siehe hierzu SHERWINWHITE 1966, ad loc. –Ein Kriterium der absoluten Chronologie, das nachstehend im Text ausgeführt wird, sei hier vorweggenommen. Plinius betont die Pietas des Voconius Romanus so sehr, dass dieser Brief wohl noch während des Zeitraums der Emission der Pietas-Münzen datiert undnicht in derZeit nach deren Wegfall; einer Zeit, in welcher dasKonzept derPietas als eine Strategie zur Begründung dertraianischen Herrschaft erheblich an Bedeutung verloren hatte.; vergleiche hierzu auch-den Abschnitt 4 „Plinius beglückwünscht den Kaiser –et privatim etpublice opto“ .
VOM RHEIN NACHROM
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die militärischen Aspekte seiner eigenen Imago zu konkretisieren, doch eine weitere imperatorische Akklamation hatte er für seine lediglich zeremonielle Rolle
bei derWiederherstellung desFriedens nicht angenommen. Wenn Plinius in diesem Brief denKaiser dennoch als ‚Imperator‘adressierte, so ließe sich zunächst vermuten, dass der Senator zwar davon ausging, dass Traian jede Möglichkeit nutzen werde, sich militärisch zu profilieren, und den Titel daher annehmen werde, dass Plinius aber nicht wusste, dass der Princeps diesen
Titel tatsächlich eben nicht angenommen hatte. Gegen diese Möglichkeit muss eingewendet werden, dass zeitgleich mit der Mitteilung vom Friedensschluss selbst auch die Nachricht nach Romhätte kommen müssen, dass der Kaiser sich nicht zumImperator hatte ausrufen lassen. Diese Akklamationen erfolgten nach Kämpfen in derRegel noch auf demSchlachtfeld selbst. Eine Akklamation hätte sich unmittelbar andie Zeremonie desFriedensschlusses anschließen müssen. Mit der Kunde vom offiziellen Friedensschluss mit den Sueben musste Plinius demnach auch Kenntnis erhalten, dass Traian hierfür keinen Imperatorentitel angenommen hatte.
Wenn also Plinius denKaiser dennoch undwider besseres Wissen als Imperator titulierte, so wardies ein demonstrativer Akt vonbesonderer Bedeutung: Der Senator maß dem pannonischen Friedensschluss ostentativ eine größere Bedeutung bei, als Traian selbst im Rahmen seiner Herrschaftsdarstellung dies zu tun bereit war. Dieser Verzicht Traians ist leicht nachzuvollziehen. Der Kriegserfolg gegen die Sueben lag immerhin schon über ein dreiviertel Jahr zurück. Undwenn Traian selbst auch keinerlei Anteil an denKämpfen undihrer siegreichen Beendigung gehabt hatte, so trug er hierfür schon längst einen Titel. Immerhin hatte Nerva anlässlich dieses Sieges bei der Adoption Traians seinem Nachfolger denTitel des Imperators undden Siegerbeinamen des Germanicus übertragen. Es gab also gar keinen Grund für Traian, für denselben Sieg noch eine imperatorische Akklamation anzunehmen. Dies hätte die Herrschaftsdarstellung desKaisers überdehnt. Doch worauf der Kaiser wohlweislich verzichtete, das vollzog Plinius. Der Senator signalisierte, seinerseits bereit zu sein, denbloßen Abschluss derFriedensverhandlungen als abermaligen militärischen Erfolg Traians anzuerkennen, wert einerimperatorischen Akklamation. Plinius bestätigte demHerrscher, erunterstütze dessen Bemühen ummilitärische Erfolge undderen Inkorporation in seine Imago. Das bewusste Überdehnen eines Erfolges, undsomit ein kalkuliertes Missverstehen der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung, wurde auf diese Weise zu einem Akt derAkzeptanzbekundung. Nunging dieser planvolle Verstoß gegen die kaiserlichen Vorstellungen aber nicht so weit, dass Plinius auf denSieg selbst Bezug genommen hätte, wie er dies etwa nach dem ersten Dakerkrieg tun sollte.6 Der Senator beglückwünschte den Kaiser nicht zudemlange zurückliegenden Sieg in Pannonien. Er hielt sich ebenfalls zurück, auch nur denzeremoniellen Friedensschluss zu erwähnen. Die Verhandlungen, welche zum offiziellen Kriegsende führen sollten, waren schon seit Oktober 97 von Pompeius Longinus geführt worden. Traians unmittelbarer Anteil 6
Plin.ep.10.14.
11. PLINIUS TRITT ALS PATRON AUF
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an diesem Friedensschluss warrein formal gewesen undhatte sich auf die Zeremonie desHerbstes 98 beschränkt. Aber eben diese Zeremonie reflektierte Plinius mit seiner Anrede Traians als Imperator. Er demonstrierte so, dieser Frieden stiftenden Handlung des Kaisers große Relevanz einzuräumen; eine größere Relevanz, als der Kaiser selbst dies im Rahmen seiner militärischen Herrschaftsdarstellung zu tunbereit war: Der traianische Imperatorentitel gewinne seine Bestätigung in demFriedensschluss. Bereits in seinem ersten Brief hatte der Senator in seinen persönlichen Wünschen für die Regierung Traians mit derfortitudo den militärischen Erfolg in den Mittelpunkt gestellt. Dort hatte er dem Kaiser signalisiert, er werde dessen Bemühen um militärische Profilierung akzeptieren.7 Hier nun bestätigte Plinius seine frühere Aussage. Da aber Traian inzwischen noch keinen Krieg sieghaft geführt hatte, stellt Plinius in 10.4 dasBild eines Princeps in den Vordergrund, der seinen Imperatorentitel bestätigt, indem er den Frieden schafft, nicht indem er einen Krieg beginnt.8 Plinius entwickelt hier natürlich keine pazifistische Konzeption für den Principat. Verständlich wird sein Vorgehen nur, wenn mandie besonderen Bedingungen dieser Zeit betrachtet. Der Kaiser war lange Zeit schon nicht mehr in Rom gewesen und die Stimmen wurden lauter, die seine Rückkehr forderten. Doch anstatt von der Rheingrenze aus nach Italien zu ziehen, hatte sich Traian erst einmal nach Pannonien begeben. Er machte auch weiterhin keine Anstalten, nach Romzurückzukehren. Sein Bemühen, seine grundsätzliche Sieghaftigkeit auch zu konkretisieren, ließ ihn die Kriegsvorbereitungen gegen Dakien immer weiter vorantreiben. Dies drohte, denKaiser noch lange Zeit andenGrenzen desReiches zu fesseln. Doch Plinius signalisierte anzuerkennen, dass die Imago des Princeps nicht allein durch Kriegstaten, sondern eben auch durch Friedensschlüsse ausgemacht werde. Ein weiteres Bemühen umSiege sei daher nicht vonnöten; der Kaiser könne nach Romkommen. Außerdem wares schmeichelhaft, demKaiser militärische Erfolge zuzusprechen, obwohl er diese bisher nicht errungen hatte. Im Panegyricus sollte nur wenig später dieses Ideologem systematisch und umfassend formuliert werden: Der Kaiser sei so mächtig, dass keiner der Feinde es wage, mit ihm zu kämpfen. Auf diese Weise war die Anrede Traians als Imperator zugleich auch das Signal, Plinius sei bereit, die bisherige militärische Erfolglosigkeit desKaisers in etwas Positives zuverkehren. Nach diesen Bemerkungen zu denImplikationen derAnrede wollen wiruns dem Inhalt des Schreibens zuwenden. Der Brief warkein Teil einer amtlichen Korrespondenz, die der Senator mit demKaiser hätte führen müssen. Plinius behandelte keinen Gegenstand, welcher sich aus seiner Aufgabe als Ärarpräfekt ergeben hätte. Rein formal gesehen, war es ein privates Bittschreiben. Dieser Brief war der 7 8
Plin.ep.10.1; siehe hierzu denAbschnitt
. etpublice opto“
4 „Plinius
beglückwünscht
denKaiser –etprivatim
Dieses Ideologem eines trotz ausbleibender Erfolge prononciert sieghaften Kaisers sollte im Panegyricus desJahres 100 umfangreich undsystematisch dargestellt werden; siehe hierzu im Kapitel zumPanegyricus den Abschnitt 3.1 „ contecti caedibus campi –Die Imago des Heros“ .
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162
erste in einer Reihe von Anfragen an Traian, die nicht eine Statuserhöhung des Plinius selbst betrafen, sondern die eines Dritten. Voconius Romanus hatte sich an den Prätorier gewandt mit der Bitte, ihm soziale Ressourcen, über die der Kaiser verfügte, zu vermitteln. Plinius selbst hatte nur wenige Monate zuvor von einer solchen Ressourcenpatronage profitiert, als er Anfang 98 von Traian mit dem Dreikinderrecht ausgezeichnet worden war. Dies war das Resultat einer Vermittlung desIulius Ursus Servianus gewesen, denPlinius dabei umHilfe gebeten hatte.9Nun trat der Ärartribun selbst als Patron auf. Er bemühte sich nämlich darum, seinen Amicus vom Kaiser in den amplissimus ordo erheben zu lassen, ihn also zum Senator zu machen.10 Voconius Romanus war ein Anwalt, der mit dem gleichaltrigen Plinius schon seit den gemeinsamen Studientagen befreundet war. Sein Vater wareinst zumrömischen Ritter ernannt worden,11 doch dadieser Status zwar lebenslänglich, doch eben nicht vererbbar war, gehörte Voconius Romanus nur dem Stand der Decurionen an.12 Er kam aus Spanien, war erst vor kurzer Zeit Flamen derProvinz Hispania Tarraconensis gewesen undhatte in dieser Funktion in derProvinzhauptstadt Spiele ausgerichtet. Er warPräsident desProvinzlandtags undoberster Priester desKaiserkultes gewesen.13 Doch in seinem Bemühen, den Freund zu empfehlen, ließ Plinius all diese glanzvollen Einzelheiten in dessen Vita demKaiser gegenüber unerwähnt. Er verzichtete darauf, in seinem Bittschreiben die priesterlichen Verdienste des Voconius Romanus hervorzuheben, seine Freigebigkeit als Veranstalter von Spielen und somit als Euerget der Provinz darzulegen, um ihn als einen Mann erscheinen zu lassen, der wegen seiner Tugenden und seiner gemeinnützigen Taten die Erhebung in den Senatorenstand verdient habe. Plinius unterließ es, die Verdienste des Amicus als Förderer derkaiserlichen Herrschaftsdarstellung in derProvinz darzulegen. Plinius betonte auch nicht, dass er seinem Studiengenossen bereits unter
9
Siehe hierzu den Abschnitt 7 „ Plinius bedankt sich –initia felicissimi principatus“ .
12
BLEICKEN 1989, 1.298.
10 Was bedeutet diese Formulierung amplissimus ordo? Bezeichnet sie die bloße Erhebung in den Stand der Senatoren oder sogar die Aufnahme in den Senat? Man muss sich wohl für letzteres entscheiden. SHERWIN-WHITE 1966, 563 ad ep.10.4.2. legt dar, dass der Princeps entweder aufgrund seiner censorischen Gewalt Kandidaten etwa gemäß ihres Alters in eine bestimmte Position heben konnte, also zum Beispiel in den Rang eines Quaestoriers oder Praetoriers. Daneben konnte derPrinceps Leuten denZugang zumSenat ermöglichen, indem er sie füreines derQuaestorenämter empfahl. Soweit zumreinen Procedere. Einen Hinweis zurBeantwortung unserer Frage liefern unsdieFormulierung amplissimus ordoselbst undihre Gebrauchsbedingungen imWerk desPlinius. In ep.10.3a.2 und10.3b, bezeichnen Plinius undTraian jeweils denSenat als amplissimus ordo. Es ist deutlich, dass hier nicht dersenatorische Stand gemeint ist. Derselbe Befund lässt sich fürep.10.95 nachweisen, auch diesmal die Worte Traians undsomit offizieller Sprachgebrauch, undzusätzlich noch in Sueton Otho 8.1 undVesp.2.3. Plinius bat denKaiser also, Voconius zumSenator zumachen, nicht nurihnin densenatorischen Stand zuerheben. 11 Plin.ep.2.13.4.
13 Zur Vita des Voconius Romanus siehe SHERWIN-WHITE 1966 ad loc. und2.13. –Das Amt desFlamen einer Provinz wurde jährlich durch Wahl neubesetzt.
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Nerva eine Aufgabe in dermilitia equestris vermittelt hatte14 undvondiesem Kaiser sogar das Dreikinderrecht für Voconius Romanus erwirkt hatte;15 ein Recht, das er selbst erst einige Zeit später von Traian erhalten hatte. Stattdessen wählte Plinius einen anderen Weg, umdemKaiser seinen Freund zuempfehlen. Seine Argumentation ruhte auf drei Pfeilern. Sie berief sich auf das richtungweisende Vorbild Nervas, auf die herausragenden Tugenden des Voconius Romanusundauf die eigenen Qualitäten als Vermittler kaiserlicher Ehren. Zunächst ist bemerkenswert, dass Plinius sich nicht umeine Beförderung seines Freundes bloß in denRitterstand bemühte, sondern seinen Protegé diese Stufe, welche eigentlich die Voraussetzung einer Ernennung in den Senatorenstand war, überspringen lassen wollte. Plinius muss sich des Erfolgs seines Anliegens recht sicher gewesen sein, umdieses außergewöhnliche Maßeiner Statusanhebung zuerbitten. Ansonsten hätte der Senator nurumdie geringere Auszeichnung desFreundes, die Erhebung in denRitterstand, gebeten. Plinius weist in seinem Brief darauf hin, dass er bereits vor einiger Zeit von Nerva diese Auszeichnung für Voconius Romanus erbeten habe. Als Erklärung, warum er nunnoch einmal darum bitten müsse, beeilt er sich aber, ausführlich darzulegen, dass dies allein die Schuld der Mutter seines Freundes gewesen sei. Diese habe nämlich nicht schnell genug für die Schenkung von vier Millionen Sesterzen an ihren Sohn gesorgt, zu welcher sie sich als Voraussetzung für diese Ehre gegenüber Nerva verpflichtet hatte.16 Über dieser Verzögerung des Vorganges sei Nerva aber verstorben. Daher, betont der Ärarpräfekt, sei die Erfüllung seines eigenen Wunsches, die Statusaufwertung des Voconius Romanus, nunderbonitas Traians vorbehalten. Plinius legt großen Wert auf die Feststellung, dass allein diese Widrigkeiten die bisherige Erfüllung seiner Bitte verhindert hätten. Er betont, dass Nerva das Ansinnen keinesfalls abgewiesen habe, und dass keine Rede davon sein könne, dass gar er selbst als Vermittler der kaiserlichen Gunst versagt habe. Zugleich aber signalisiert Plinius mit diesem Bericht, sich sicher sein zudürfen, dass Traian seine Bitte einlösen werde. Die vermeintlich bereits erfolgte Zusage Nervas wird instrumentalisiert. Sie ist fürPlinius ein weiteres Argument, umüber die Validität des Sachverhaltes selbst hinaus sein Anliegen zu rechtfertigen. In der Tat konnte Plinius hier optimistisch sein. Die erwiesenen undbeschlossenen Wohltaten eines Herrschers wurden gewöhnlich von seinem Nachfolger bestätigt.17 Insofern war
14 Plin.ep.2.13. –Zuderintensiven Diskussion über die Art derAufgabe, die Plinius demVoconius Romanus beim consularischen Legaten Priscus vermittelte, siehe SHERWIN-WHITE 1966 ad loc. 15 Plin.ep.2.13.8.
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Nerva hatte die Erhebung des Voconius Romanus in den Senatorenstand natürlich an die notwendigen Vermögensvoraussetzungen geknüpft. Vor der Schenkung hatte daspersönliche Vermögen des Kandidaten scheinbar noch nicht die Summe eines senatorischen Mindestvermögens erreicht. Daraus resultierte Nervas Aufschub des Verfahrens. Der Kaiser hatte den formellen juristischen Abschluss der Schenkung abwarten wollen. –Entgegen der deutlichen Quellenaussage behauptet HEIDER 2000, 202, Nerva habe die Bitte umErhebung des Voconius Romanus abgelehnt. Dies lässt sich auch damit nicht belegen, wie HEIDER a.a.O. suggeriert, dass Voconius sich nicht als Senator nachweisen lässt. Vergleiche etwa Plin.ep. 10.58.7– 10.
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dieses Argument ein gewichtiger Grund für Traian, der Bitte des Plinius zuzustimmen. Da Traian zudem in Germanien nicht über alle Segmente der kaiserlichen Commentarii verfügt haben dürfte, jener Archive, in denen solche Vorgänge verzeichnet waren, hatte es nicht zuletzt einen ganz praktischen Zweck, die Geschichte desVerfahrens in dieser Ausführlichkeit zureferieren.
Doch der Senator bemühte sich, demKaiser seine Bitte noch über die Berufung auf Nerva hinaus zurechtfertigen, indem er Traian die besonderen Tugenden seines Amicus aufzählte. Neben den wissenschaftlichen Interessen des Voconius Romanus nennt Plinius als dessen herausragende Eigenschaft die Pietas. Sie allein habe ihmdie liberalitas derMutter, die hereditas seines leiblichen Vaters unddie adoptio durch den Adoptivvater eingebracht. Gesteigert werde sie aber noch durch den Glanz seiner Herkunft und seiner paternae facultates.18 Plinius stellt also fest, dass die Pietas seines Freundes der Grund für dessen materielle Güter, das wohlwollende Entgegenkommen seiner Angehörigen undfür seine Adoption gewesen sei. Der Senator argumentiert hier mit einem Gedankenkomplex, welcher deutlich andie Herrschaftsdarstellung seiner Zeit erinnert. Denn auch Traian maß, zumindest in dieser frühen Phase seiner Regierung, derPietas eine besondere Rolle bei. Sie wurde als seine Kardinaltugend imUmgang mit demeigenen Adoptivvater Nerva angesehen. Zujener Zeit, in der Plinius seinen Brief verfasste, kursierten massenhaft Münzen, welche die Pietas des Kaisers priesen.19 Auch ließ in eben dieser Zeit der Senat derPietas Traians in Romeine Säule errichten.20 Diese Facette der Herrschaftsdarstellung war somit alltäglich zu greifen. Plinius selbst hatte Ende Januar in seinem ersten Brief an denKaiser diese Tugend programma-
18 Plin.ep.10.4.4f.: (4) Cumsit ergo finitum, quod spes nostras morabatur, nonsine magna fiducia subsigno apudte fidem promoribus Romani mei, quos et liberalia studia exornant et eximiapietas, quae hanc ipsam matris liberalitatem et statim patris hereditatem et adoptionem a vitrico meruit. (5) Auget haec et natalium et paternarum facultatium splendor; quibus singulis multum commendationis accessurum etiam ex meis precibus indulgentiae tuae credo. 19 Siehe hierzu den Abschnitt 4 „Plinius beglückwünscht den Kaiser –et privatim et publice . –Diese Münzen waren bereits in derersten unddaher vomKaiser noch nicht gesteueropto“ ten Emission geprägt worden. Das lässt zunächst nur darauf schließen, dass die Pietas von denverantwortlichen Münzbeamten als eine wichtige Tugend Traians angesehen wurde. Dass Plinius seinen ersten Brief an den Kaiser programmatisch mit Pietas einleitet, deutet zudem darauf hin, dass auch die Senatoren in der Pietas eine Kardinaltugend des Kaisers zu sehen
glaubten. Dieser Befund sagt noch nichts über die Einstellung des Princeps selbst aus. Nun
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wurden die Darstellungen derPietas aber auch noch in derdritten, vomKaiser schon gesteuerten Emission geprägt. Dies zeigt zumindest, dass Trajan bereit war, densenatorischen Erwartungen an seine Pietas entgegen zu kommen. Dass derPrinceps die Prononcierung dieser Tugend bereits imHerbst 98 wieder aufgeben würde, warzudemZeitpunkt, als Plinius denvorliegenden Brief verfasste, jedenfalls noch nicht zu ersehen. Der Senator maßder Tugend im Rahmen seiner Argumentation jedenfalls großes Gewicht bei. CIL VI 563. –Diese Säule ist aufgrund ihrer inschriftlichen Angabe TRP III COS II PP auf denZeitraum vom 10.12.98 bis Oktober 99 zudatieren.
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Tua quidem pietas ...”hatte jenes Schreiben begonnen. Dies tisch vorangestellt. “ waren die ersten Worte des Senators an denneuen Princeps gewesen.21 Doch die Pietas Traians galt nicht alleine seinem Adoptivvater. Auch der Einfluss des Traianus Pater, des leiblichen Vaters des Kaisers, hatte großen Anteil an der Thronerhebung gehabt. Spätestens im Jahre 100 sollte seine Relevanz für die Thronfolge seines Sohnes vom Senat demonstrativ als gleichwertig neben der Rolle Nervas anerkannt werden. Im September dieses Jahres berichtete nämlich derPanegyricus desPlinius, dass derTraianus Pater undDivus Nerva im Jenseits miteinander stritten, waswohl schöner sei; einen solchen Sohnes gezeugt oder ihn adoptiert zu haben.22 Zusammen mit der Mutter Traians sollte auch sein Vater einige Jahre später als Imago Clipeata eine prominente Position auf demTraiansforum einnehmen; auch sollte er in verschiedenen Münzbildern dargestellt werden.23 Die Pietas des Kaisers gegenüber diesen drei Personen, seinen leiblichen Eltern undseinem Adoptivvater Nerva, warauf derstaatlichen Ebene nichts anderes als jene dreifache Pietas des Voconius Romanus auf der privaten Ebene im Umgang mit dessen leiblichen Eltern undseinem Adoptivvater, die hier von Plinius gerühmt wird.24 Plinius stellt eine Verbindung zwischen Traian und seinem Amicus also nicht allein dadurch her, dass er beiden die gleiche Kardinaltugend zuschreibt; er parallelisiert sogar die familiären Konstellationen der beiden. Dies heißt aber nicht, dass Plinius den Lebenslauf des Voconius Romanus in irgendeinerWeise falsch dargestellt hätte, umsolche Übereinstimmungen mitderVita des Kaisers zu erzielen. Die Familienverhältnisse des Amicus waren transparent und konnten nachgeprüft werden. Doch Plinius akzentuierte denBericht in einer ganz spezifischen Weise und stellte eine der zentralen kaiserlichen Tugenden dieser Zeit in denMittelpunkt seines Schreibens. Dies war eine Strategie, denPrinceps vomGegenstand derBitte zuüberzeugen, welche Plinius für erfolgversprechender 21 Siehe hierzu den Abschnitt 3: „Plinius beglückwünscht den Kaiser –et privatim et publice opto“.
22 Plin.paneg.89.1 ff.; Reflexionen derRelevanz des Traianus Pater etwa auch noch in 9.2, 14.1. –Der einzige Unterschied zwischen diesen beiden Vätern Traians lag darin, dass Nerva bereits seit demJahre 98 divinisiert war. Der leibliche Vater sollte erst wesentlich später vergöttlicht werden.
23 24
Dies istjedoch nurdasfrüheste, fürunsgreifbare Zeugnis derherausgehobenen Stellung des Traianus Pater. Doch wahrscheinlich hatte seine Relevanz, undzwar vornehmlich der Einfluss seiner militärischen Imago als Parthersieger, größte Wirkungsmacht imHeer gehabt, seit während derHerrschaft Nervas dasBemühen desobergermanischen Legaten umeine Thronfolge zu seinen eigenen Gunsten deutlich geworden war. Die militärische Reputation des Traianus Pater war seit jener Phase schon ein Argument gewesen, um auch die militärische Kompetenz seines Sohnes unddessen Eignung zur Führerschaft auszuweisen. –Siehe hierzu auch im Kapitel zum Traiansforum den Abschnitt 6.3.1 „ Die beiden Väter Traians –pulchrius genuisse talem an elegisse“ . Siehe hierzu imKapitel zumTraiansforum denAbschnitt 6.3.3 „ Bildnisschilde undRestituti520. onsprägungen“ ; vergleiche BOSCHUNG/ECK 1998; ZANKER 1970, 517– Es ist nicht leicht verständlich, warum Plinius in diesem Schreiben nicht auch die Verdienste des Voconius Romanus in derHispania Tarraconensis hervorhob. Immerhin hatte dieser dort als Flamen dieAufsicht über denKaiserkult gehabt, waseinweiterer Beweis für seine Pietas, undzwar gegenüber demKaiser selbst, gewesen wäre.
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hielt, als etwa von denVerdiensten des Romanus imKaiserkult undfür seine Provinz zuberichten. Doch Plinius stellt die Verbindung zwischen Voconius Romanus und dem Kaiser noch intensiver her als nur mit der Parallelisierung ihrer Familienverhältnisse. Er verbürge sich nämlich pro moribus Romani mei.25 Nun wäre diese Formulierung nicht weiter auffällig, wenn Plinius sie nicht nur wenig zuvor, in seinemdritten Brief an Traian aus der Mitte des Jahres, in charakteristischer Weise
gebraucht hätte. In diesem bereits besprochenen Schreiben hatte der Ärarpräfekt denKaiser gebeten, sein Verhalten, nämlich die Übernahme einer Prozesstätigkeit im Amt, probare sanctissimis moribus tuis.26 Nur wenig später, im Panegyricus des Jahres 100, ist das Ideologem der imperialen mores umfangreich formuliert. Hier besitzt die Aufsicht Traians über die mores seiner Bürger großes inhaltliches Gewicht.27 Das Verhalten des Princeps selbst diene seinen Untertanen als normatives Vorbild. Doch die Gratiarum Actio ist nurdie früheste tradierte Quelle, welche die Sittenwacht Traians so explizit undumfassend zumThema macht. Wie wir gerade sahen, argumentierte Plinius aber bereits in der Mitte des Jahres 98 ansatzweise mit diesem Ideologem. Er setzt es ein, umseinem Anliegen die größere Überzeugungskraft zuverleihen.28 Es ist deruns schon bekannte Mechanismus von affirmativer Akzeptanz und sich daraus ergebenden Forderungen in der kaiserlich-senatorischen Kommunikation: Die Herrschaftsdarstellung des Princeps wird demonstrativ anerkannt, indem sie reflektiert wird. DemHerrscher selbst wird damit nicht nurdie Akzeptanz seiner Programmatik, sondern auch die seiner Person selbst signalisiert. Im Gegenzug aber fordert der Bittende vom Kaiser, diese von ihm prononcierten Werte auch zumBewertungsmaßstab fürdieTaten anderer zumachen. Weralso signalisiert, sich konform derkaiserlichen Werte zu verhalten, erkennt diese demonstrativ als Konstituenten einer allen gemeinsamen Werteordnung an.Traian wollte die Lauterkeit seiner eigenen Mores und seine Sittenwacht über die Untertanen als
25 Plin.ep.10.4.4. 26 Plin.ep. 10.3a.3: ...cum omnia facta dictaque meaprobare sanctissimis moribus tuis cupiam. – Siehe hierzu das gleichnamige Kapitel. dieser Stellen anzuführen, in Plin.paneg.41.4: Quo evenit, ut tibi quumplurimum protuis, plus tarnen pronostris moribus debeamus.; 45.4: Et ideo adhuc non praefecturam morum recepisti, quia tibi beneficiis potius, quamremediis ingenia nostra experiri placet...Nescio, anplus moribus conferat princeps, quibonos esse patitur, quamquicogit.; 45.5: Huic (i.e.Traiano) enim cari, huic probati esse cupimus..., ut prope omnes homines unius moribus vivamus.; 47.1: Quid vitam? quid mores iuventutis? quam principaliter formas!; 53.1: depravatosque mores principatus parens noster reformet et corrigat.; 80.2: ...litigatores...nec tamverentur, quid decausa sua, quam quid demoribus sentias. –Ein Blick in JACQUES/VAN OOOTEGHEM 1966 lässt die Verwendungsvielfalt des mores-Konzeptes im Panegyricus schnell erkennen. Im Kapitel zumPanegyricus wird zudem argumentiert werden, dass die Gratiarum Actio des Plinius nurTeil einer Tradition solcher Reden war, die regelmäßig mehrmals im Jahr im Senat gehalten wurden, unddass die dort aufscheinende Gedankenwelt nicht genuine Gedanken ihres Redners undAutors, sondern etablierte Ideologeme der Herrschaftsdarstellung reflektierte.
27 So etwa, um nur einige
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Grundelemente seiner Imago des Guten Princeps anerkannt haben. Plinius erkannausdrücklich anundwies zugleich auf die Untadeligkeit der Sitten seines Amicus hin, denen das kaiserliche Verhalten normatives Vorbild sei. Undso begründet Plinius mitzwei Anklängen andiezeitaktuelle traianische Programmatik sein Anliegen, mit derPietas unddenMores des Voconius Romanus. DerAmicus besitze die gleichen Tugenden wie derKaiser undsetze sie nach dessen Vorbild so in seinem eigenen Leben um, wie der Herrscher sie zum Wohl des Staates gebrauche. Dem Princeps wird es schwer gemacht, sich der Wirkungsmacht seiner eigenen Ideologeme zuentziehen.29
te die Sittenwacht des Kaisers
Auch im dritten Aspekt seiner Argumentation macht Plinius sich diesen Mechanismus zuNutze. Bisher hatte er dasVorbild Nervas unddie Tugenden desVoconius Romanus erläutert. Nun begann er, sein eigenes gutes Verhältnis zu Traian hervorzuheben. Der Senator betont, die indulgentia des Kaisers selbst bereits in reichem Maße genossen zu haben. Immerhin hatte der Princeps Plinius 97 zum Ärarpräfekten ernannt undihmerst Anfang desJahres das Dreikinderrecht verliehen.30 Daher sei er Traian besonders verpflichtet. Diese bisherigen Erfahrungen ermunterten ihnnunaber, sich auch noch imNamen seiner Freunde demPrinceps zu verpflichten. Zu diesem Zweck beschreibt Plinius ausführlich das enge Nahverhältnis zwischen sich und Voconius Romanus. Damit signalisiert er Traian, dass er sich des Wertes der kaiserlichen Ressourcen sehr wohl bewusst sei und keinesfalls beabsichtige, mit denkaiserlichen Ressourcen, die er zur Vermittlung erhalten werde, wahllos umzugehen. Er setze sich hier nämlich füreinen besonderen undlangjährigen Freund ein, vondemer genau wisse, dass dieser eine Erhebung in denSenatorenstand verdiene. Plinius baut dendritten Aspekt seiner Bitte also auf verschiedenen Prämissen auf: Bisher habe Traian seine Anliegen stets huldvoll gefördert. Außerdem wisse Plinius mit den kaiserlichen Ressourcen derart verantwortungsbewusst umzugehen, dass er sie nuran einen außergewöhnlichen Mann vermitteln werde. Drücke diese Umsicht mit denRessourcen also nicht auch seine hohe Wertschätzung des Kaisers aus?31 Demnach werde derPrinceps doch sicher auch weiterhin, undzwar aktuell in der Sache des Voconius Romanus, die Anliegen des Plinius fördern.32 Doch der Senator dämpft diese Forderung ab. Er lässt sie nicht derart offen in seinem Brief stehen. Stattdessen betont er zu wissen, dass allein die kaiserliche indulgentia seine Bitte gewähren werde.33 Plinius verleiht hiermit seiner Abhängigkeit vomPrinceps deutlichen Ausdruck, denn die herrscherliche Huldwareine 29 Die Anlehnung an die Ideologeme
Traians, um seinen Einsatz für Voconius Romanus intensivieren, sind allen bisherigen Interpreten entgangen, jüngst etwa HEIDER 2000.
zu
30 Plin.ep.10.2; 3a. 79 31 Zu diesem Mechanismus der Ressourcenverfügung siehe vor allem BARGHOP 1994, 65– 107; vergleiche außerdem SALLER 1982 und 1989. undFLAIG 1992, besonders 104– 32 Plin.ep. 10.4.1: Indulgentia tua, imperator optime, quamplenissimam experior, hortatur me,ut
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audeam tibi etiam proamicis obligari. Plin.ep. 10.4.5: Quibus singulis multum commendationis accessurum etiam indulgentiae tuae credo.
ex meis precibus
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hierarchische Tugend, die nur von dem sozial deutlich Übergeordneten zu den sozial unter ihm Stehenden wirken konnte. Die kaiserliche Huldmanifestierte sich in Wohltaten, die von den Senatoren etwa mit Gaben unmöglich adäquat erwidert werden konnte. WasdemUntertan blieb, waren Pietas undLoyalität; Demonstrationen, die sozial deutlich übergeordnete Position des Herrschers anzuerkennen.34 Plinius signalisiert also, sich einer von ihm nicht beeinflussbaren Entscheidungsfreiheit desMonarchen zuunterstellen. Er demonstriert zuwissen, dass die kaiserliche indulgentia prinzipiell nicht einzufordern sei. Doch wiederum konstruiert Plinius auch hier eine rhetorische Fußangel. Er schreibt nämlich, dass er fest daran glaube, Traian werde seine Huldüber ihnausgießen. Der Senator konnte dies äußern, da es Teil der Imago eines Guten Princeps war, denAkzeptanzbekundungen loyaler Untertanen seinerseits mit weiterreichenden Ehrungen zu begegnen. Immerhin bedeutete die Erhebung des Voconius Romanus in den Senatorenstand nicht nur für diesen selbst, sondern auch für den Vermittler der Huld einen Gunstbeweis des Princeps. So betont Plinius abschließend, sofern Traian seine Bitte erfülle, werde er sich nicht länger allein der Wertschätzung des Princeps ihm selbst gegenüber rühmen können, sondern auch derjenigen gegenüber seinen Freunden.35 Hier wird noch einmal deutlich, dass der Kern jenes Bittens umdie eigene Statuserhöhung oder die eines Dritten nicht nurin demErgebnis selbst lag. Wichtiger wardie Demonstration dieses Erfolges gegenüber den Standesgenossen, die gleichermaßen um derartige Gunstbeweise des Kaisers kämpften. Ein Senator musste sich seiner Fähigkeiten und Erfolge als Patron und Makler von sozialen Ressourcen rühmen können. Auch von Voconius Romanus durfte Plinius nunerwarten, dass dieser ihn als denVermittler seines neuerlangten Status preisen undempfehlen werde. FürPlinius war diese Einlösung seiner Bitte umdie Statuserhöhung seines Freundes ein wesentliches Mittel zursozialen Distinktion seiner eigenen Imago.
Für die Folgezeit ist Voconius Romanus nicht als Senator nachgewiesen, undes existiert auch kein Dankesschreiben von Plinius an denPrinceps.36 Es hat denAnschein, als sei Traian den Wünschen des Ärarpräfekten nicht in der Weise entgegen gekommen, wie dieser es sich gewünscht hatte. Diese Schlussfolgerung wird von einem weiteren Zeugnis gestützt. Plinius schrieb nach der Rückkehr Traians nach Rom einen Brief an einen gewissen Priscus, den consularischen Statthalter einer Provinz mit mehreren Legionen. Diesen bittet Plinius, Voconius Romanus zuseinem Amicus zumachen undihnin seinem Stab aufzunehmen. Nungeht aus dem Schreiben mit seinem Lob der Tugenden undKarriere des Voconius Romanusaber nicht hervor, dass Traian diesen mittlerweile in denSenatorenstand erhoben hätte. Traian scheint sich der Bitte des Plinius umErhöhung seines Protegés 34 Siehe hierzu etwa FLAIG 1993 undBARGHOP 1997. –Das sozial aufsteigende Gegenstück der herrscherlichen indulgentia wardie Pietas desUntertanen; siehe hierzu COTTON 1984,
35 Plin.ep. 10.4.6: ...ut noninmetantum verum et in amico gloriari iudiciis tuis possim. 36 Die Rekonstruktion dieses Szenarios kann imRahmen derfortlaufenden Argumentation nicht geleistet werden. ZumZwecke einer ausführlichen Diskussion habe ich denfolgenden Exkurs verfasst. Hierin wird auch die Identität des Priscus geklärt werden.
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Voconius Romanus in den Senatorenstand tatsächlich verschlossen zu haben. Welche Beobachtungen ergeben sich daraus? Traian war den Empfehlungen des Plinius nicht gefolgt. Der Senator sah seine Hoffnungen enttäuscht, vor den aufmerksamen Augen seiner Standesgenossen zum ersten Male unter Traian nicht nur als Nutznießer, sondern als Vermittler von kaiserlichen Ressourcen aufzutreten. Doch wichtiger noch war, dass Traian sich bewusst gegen eine Entscheidung seines Vorgängers gewandt hatte. Plinius berichtet ja davon, dass die Erhebung des Voconius Romanus in den Senatorenstand unter Nerva bereits genehmigt worden sei. Nur die verzögerte Geldanweisung der Mutter des Romanus habe damals diese Statuserhöhung verhindert. Im Prinzip hätte es also für Traian nur eine Formsache sein dürfen, einen Beschluss seines Vorgängers lediglich zu bestätigen. Doch Plinius sollte sich weiterhin umdasFortkommen seines Amicus bemühen. Nach Traians Rückkehr nach Romhatte sich der Senator zu diesem Zweck noch einmal an denKaiser gewandt. Bei dieser Gelegenheit hatte er für Voconius Romanus zwar nicht die Aufnahme in denSenat, sondern dasius trium liberorum erfolgreich erbeten. Denn Plinius schreibt in seinem eben erwähnten Empfehlungsbrief 2.13 an den consularischen Statthalter Priscus, dass er für Voconius Romanus vom Optimus Princeps jüngst erst das Dreikinderrecht erwirkt habe. Dieses verleihe derKaiser zwar nursparsam undmitBedacht, dennoch habe er es Plinius bewilligt, als sei es seine Wahl gewesen.37 Mit dieser Formulierung, Traian habe ihmselbst dasIus huldvoll gewährt, nuanciert Plinius, dass die Entscheidung des Princeps allein auf sein Engagement als Vermittler zurückzuführen sei und dass sie vor allem ihm selbst Ehren undNutzen bringe. Dagegen erwähnt Plinius mit keinem Wort, dass die Verleihung des Ius für den Empfänger Voconius Romanus auch nurirgendetwas zu bedeuten habe. Plinius stellt allein sich selbst als Nutznießer der herrscherlichen Huld dar, mag sie auch zugunsten eines Dritten erfolgt sein. Er selbst skizziert ein Bild von sich als eines wirksamen Vermittlers kaiserlicher Ressourcen. Als ein solcher unterstütze er eben auch seinen Amicus Voconius Romanus. Umdessen Karriere ging es ja in diesem Brief an den Statthalter. Und Priscus folgte wohl der Empfehlung des Plinius. Später scheint Voconius Romanus seinen Amicus, Mentor und Förderer Plinius auf dessen Sondermission nach Bithynien begleitet zuhaben.38 Kommen wirnach diesem knappen Exkurs zurweiteren Karriere desVoconius Romanus wieder zurück in den Herbst des Jahres 98 und zu Plinius, dessen Bitte umeine Erhöhung seines Freundes in den Senatorenstand von Traian nicht erfüllt worden war. Wir sehen, dass die Bedeutung einer solchen kaiserlichen Genehmigung für Plinius und seine Standesgenossen nicht vornehmlich in ihrem praktischen Resultat lag –der Senatorenstand hätte ein weiteres Mitglied aus der , sondern in dem symbolischen Wert seiner Erlangung und Provinz erhalten –
37 Plin.ep.2.13.8: ...et nuper ab optimo principe trium liberorum ius impetravi, quod, quamquam parce et cumdelectu daret, mihi tamen, tamquam eligeret, induisit. 38 Dies legt ep.9.28.4 nahe, wo Plinius von der Planung einer gemeinsamen Unternehmung spricht, welche einen Aufbruch desVoconius Romanus ausSpanien nötig mache.
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Durchführung. Plinius hatte es nicht vermocht, mit dem aus Rom abwesenden Kaiser einen solchen Kontakt, ein solches Nahverhältnis herzustellen dass dieser bereit gewesen wäre, den Bitten des Senators nachzugeben unddessen symbolisches Kapital zusteigern. Womöglich liegt dasdaran, dass Plinius zuviel verlangt hatte. Schließlich hatte er nicht zunächst den Status eines römischen Ritters für Voconius Romanus erbeten, sondern sogleich dessen Erhebung vom Decurionat in den Senatorenstand durchsetzen wollen. Hätte der Kaiser seinem Senator dies zugestanden, so hätte die patronale Kompetenz desPlinius eine erhebliche Steigerung erfahren. Derartige Nuancen der kaiserlichen Gunst gerieten unter den aufmerksamen Augen der konkurrenzbewussten Standesgenossen zu wichtigen Indikatoren einer sozialen Statusdistinktion fürEmpfänger undVermittler. Plinius konnte sich rühmen, als Prozessbeteiligter ganze Provinzen verteidigt undals Favorit des Kaisers dessen Gunst zum Wohle von Dritten eingesetzt zu haben. Doch dies warunter Domitian undNerva gewesen. Für gewöhnlich setzte ein Nachfolger zwar die Personalpolitik seines Vorgängers fort, undes wurde kein Senator in seinem Status reduziert.39 Dies warauch derFall, wenn derneue Kaiser sich von demalten in vielen Feldern der Politik zumindest symbolisch absetzte, wie Nerva undTraian dies vonDomitian getan hatten. Doch die Thronfolge Traians bot eben jenes Problem, dass der Kaiser sich zu diesem Zeitpunkt nicht in Rom aufgehalten hatte undauch nach einem dreiviertel Jahr noch keine ernsthaften Anstalten machte, in die Hauptstadt zurückzukehren. Eine ansonsten komplikationslose Form der Kommunikation war hier unmöglich gemacht. Gewöhnlich konnte der Kaiser einzelnen Senatoren unmittelbar signalisieren, oder diese vermochten es zumindest durch intensive Beobachtung des kaiserlichen Verhaltens folgern, dass sie sich mitAussichten auf Erfolg ermuntert fühlen durften, die kaiserliche Huld zu erbitten. Im täglichen Umgang miteinander konnten die individuellen Akzeptanzbekundungen der Senatoren und die kaiserlichen Reaktionen darauf in vielfältiger Weise formuliert werden. DaTraian aber demSenat bisher noch nicht in seiner neuen Rolle als Princeps begegnet war, hatten die Senatoren auch noch keine Möglichkeit gehabt, ein solches auf demonstrativen Akten basierendes Nahverhältnis zumKaiser herzustellen. Der unmittelbare Zugang zumKaiser war in dieser Zeit nurausgesucht Wenigen vorbehalten. Zunächst warPlinius auch nurauf die Vermittlung vonkaiserlichen Ressourcen angewiesen gewesen. Der Patron für seinen eigenen Statuszuwachs, nämlich für die Verleihung des Dreikinderrechts, warein Comes desKaisers gewesen, Iulius Ursus Servianus. Dass einer der hochrangigen Patrone dieser Zeit bereit gewesen war, sich für ihn einzusetzen, hatte Plinius das sichere Gefühl verliehen, die Gunst des Kaisers zu genießen. Einige Monate später erst hatte er nun seinerseits gewagt, als Ressourcenvermittler zugunsten eines Dritten Traian brieflich gegenüber zu treten. Dazu hatte Plinius seine Argumentation mit Konzepten der traianischen Herrschaftsdarstellung gestützt und dem Princeps dabei seine Akzeptanz dieser Konzepte demonstriert. Die Ablehnung seiner Bitte aber
39 DieKontinuität derpolitischen Karrieren während dieser Zeit, nicht nurvonPlinius undTacitus, ist geeignet, diese Fortführung derPersonalpolitik zuillustrieren.
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zeigte, dass Plinius seinen Einfluss als Ressourcenvermittler Principat Traians überschätzt hatte.40
in demnoch jungen
EIN EXKURS ZUR VIERTEN EPISTEL DES ZEHNTEN BUCHES
Im Folgenden soll ausführlicher, als dies im Haupttext
geschehen konnte, darge-
legt werden, wie sich meine Überzeugung begründen lässt, Traian habe der Bitte
des Plinius nicht entsprochen und Voconius Romanus nicht in den amplissimus ordo erhoben. Die Argumentation wird auf zwei Pfeilern ruhen. Zum einen soll gezeigt werden, dass Romanus sich zu keiner Zeit als Senator nachweisen lässt, unddass stattdessen die meisten Zeugnisse zu seiner Person deutlich darauf hinweisen, dass er es nicht war. Zumanderen wird es umeine relative Datierung unseres Briefes 10.4 undder bereits erwähnten Epistel 2.13 gehen, eines Empfehlungsbriefes für Voconius Romanus. Es wird deutlich werden, dass der Brief an Traian früher datierte als dieses Empfehlungsschreiben. Wurde Voconius Romanus
vonTraian zumSenator ernannt?
Voconius Romanus lässt sich für die folgenden Jahre nicht als Senator nachweisen. Dieser Befund ließe sich noch mit der mangelhaften Überlieferungslage der
40 Dies wäre die Erklärung für den Charakter jener Empfehlungsschreiben, die in den Briefen 10.5ff. und 10.10 f. überliefert sind. Hier setzt sich Plinius für seinen ägyptischen Masseur Arpocras ein, für zwei Freigelassene einer ihmbekannten Dame, für vier Angehörige seines Arztes, sowie für weitere drei Freigelassene, wobei er in diesen Fällen der Bitte von deren Patronen folge. Diese zehn Bitten verfasste Plinius als bloße Routineschreiben. Er argumentierte längst nicht derart umfangreich undauch nicht unter Zuhilfenahme derSprache undKonzepte derkaiserlichen Ideologeme, wie er das im Fall des Voconius Romanus getan hatte. Doch in diesen späteren Fällen bemühte sich Plinius fürMenschen, deren Begünstigung durch denKaiser ihremFürsprecher bei weitem nicht jenes soziale Prestige einbringen konnte, wie es die Erhebung desVoconius Romanus in denSenatorenstand vermocht hätte. Plinius hatte dieQualität seiner Ansprüche also erheblich zurück genommen. Erst wieder imJahre 101/102, als Traian sich im Dakerkrieg aufhielt, unddie Senatoren ein weiteres Malauf die briefliche Kommunikation mit ihrem Princeps angewiesen waren, sollte sich Plinius wieder trauen, auch Bitten umhöherrangige Gesten zu formulieren. So bat er etwa darum, einen seiner Amici zur Prätur gelangen zu lassen. In diesem Brief ist dann auch wieder die Rede von derfelicitas temporum, welche die bona conscientia civium tuorum auffordere, vonder indulgentia Traians Gebrauch zu machen. Hierzu sei Plinius ermuntert, weil Traian ja jede Gelegenheit wahrnehme, Wohltaten zu erweisen, undweil er auch Plinius in derVergangenheit solche Gaben reich gewährt habe; ep.10.12. Hier ist also wieder der Mechanismus des emphatischen Forderns am Werk. Plinius macht wieder rhetorischen Gebrauch vondenimperialen Ideologemen underhofft sich als reziproke Geste aufdiese Demonstration seiner Akzeptanz dieGewährung dervonihmerhofften sozialen Ressource. Noch deutlicher wird dies in derdarauf folgenden Epistel, in welcher Plinius für sich selbst ein Priesteramt erbat, kraft dessen er dann auch iure sacerdotii, undnicht längernurmitpietate privata fürTraian zudenGöttern beten könne; ep.10.13.
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Quellen erklären. Doch denNachweis hierfür liefert uns der Brief 3.13, geschrieben im Herbst 100. Diesen schickte Plinius an Voconius Romanus, um die beigefügte Vortragsversion des Panegyricus zu kommentieren. Voconius Romanus war also Ende des Jahres 100 kein Mitglied des Senats, als welcher er dem Vortrag beigewohnt hätte.41 Auch spätere Schreiben an Voconius Romanus zeigen, dass dieser kein Senator warunddass er sich wahrscheinlich immer wieder über lange Zeit hinweg nicht in Rom aufhielt, sondern womöglich in Spanien, seiner Heimatprovinz. So deutet der Brief 9.28 darauf hin, dass Romanus zu diesem Zeitpunkt fernab Italiens wohnte: Drei seiner Briefe seien nachjeweiliger langer Verzögerung nun endlich als eine Sendung bei Plinius eingetroffen. Es liegt nahe, dies aufdenPostweg zwischen Spanien undItalien zurückzuführen, daeinsolcher Befund innerhalb Italiens wegen des damaligen Systems zur Übermittlung von Nachrichten durch persönliche Boten nicht wahrscheinlich ist. Auch der Brief 6.33 deutet darauf hin, dass Voconius Romanus während der senatorischen Sitzungszeit aus Rom abwesend war.42 Plinius schildert in diesem Schreiben nicht allein minutiös den genauen Prozessverlauf eines Verfahrens, in welchem er selbst plädiert hatte, sondern er berichtet sogar von der Hintergrundgeschichte dieses Prozesses. Es war eines jener seltenen großen Verfahren vor allen vier Kammern des Centumviralgerichts, an denen Plinius teilnahm. Wäre Romanus zu dieser Zeit in Rom gewesen, hätte Plinius den bedeutenden Prozess
nicht derart ausführlich schildern müssen. Zu Recht magmanentgegnen, dass die Briefe des Plinius doch –wie hier ja auch stets postuliert –literarisch kunstvolle Medien zur Stilisierung seiner eigenen Person und nicht nur zur Information des Empfängers seien. Dies führt uns zu einer grundsätzlichen Überlegung zumCharakter des Briefcorpus im Spannungsfeld von so genanntem Gebrauchsbrief und literarisch stilisierter Epistel; eine Diskussion, in die viel Energie der Plinius-Forschung floss.43 In unserer Studie sehen wirin derweiten Verbreitung einer stilisierten Imago desPlinius dieHauptfunktion der Schreiben. In der Tat geht die kommunikative Funktion der Briefe weit über diereine Information desjeweiligen Korrespondenten hinaus. Nunzeigen die Episteln aber, dass Plinius sich seine Adressaten für gewöhnlich nach dem Gegenstand aussucht. Er war so umsichtig, die Fiktion eines im Vordergrund stehenden Informationsgehaltes aufrecht zu erhalten. Das heißt, er
41 Wie Plinius
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schreibt, sandte er diesen Brief schon kurz nach Vortrag derGratiarum Actio an Voconius Romanus. Nurwenig später besaß er schon die zupublizierende Version derRede. Diese ausgearbeitete Version schickte er mit ep.3.18 an einen ritterständischen Freund, Vibius Severus. Unsere Vermutung, dass Voconius Romanus als Nichtsenator den Vortrag der Gratiarum Actio nicht gehört habe, wird auch durch diese Korrelation bestätigt: Die beiden Versionen desPanegyricus gingen jeweils anNichtsenatoren, die denVortrag selbst nicht gehört hatten. Andere Briefe, wie etwa die Epistel 8.8, welche eine italische Quelle beschreiben, deuten darauf hin, dass Romanus sich zumindest zeitweise in Italien aufhielt, wenn vielleicht auch nicht gerade zurAbfassungszeit desBriefes. Umfangreiche Diskussionen zurForschungsgeschichte dieser Frage bieten die Überblicke bei LUDOLPH 1997 und BEUTEL 2000.
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pflegte sich einen Adressaten so zu wählen, dass die Epistel diesen tatsächlich informierte. Daher gehen so viele Berichte vonSenatssitzungen anritterständische Amici des Plinius in den Municipien. Wäre Voconius Romanus also zur Zeit des Prozesses tatsächlich in Rom gewesen, hätte Plinius gegen dieses grundlegende Kriterium seiner Briefsammlung verstoßen. Stattdessen hätte er einen anderen Korrespondenten gewählt. Wenn Voconius Romanus sich aber bei verschiedenen Gelegenheiten während dersenatorischen Sitzungsperioden nicht in Romaufhielt, so ist dies ein weiteres Indiz, um unsere Vermutung zu stützen, dass er kein Mitglied des Senats war. Stattdessen zeigen die meisten Zeugnisse, die zu seiner Person überliefert sind, dass er nie über den Ritterstand hinaus gelangte. Einen weiteren wichtigen Hinweis hierauf bietet die Epistel 2.13, die wir sogleich behandeln werden. Plinius hatte den Statthalter Priscus gebeten, Voconius Romanus unter seine Amici und in seinen Stab aufzunehmen. Zu diesem Zwecke lobt er seinen Freund und berichtet, dass er ihm das Dreikinderrecht verschafft habe. Aber davon, dass Traian diesen Amicus mittlerweile in denSenatorenstand erhoben habe, ist nichts gesagt, obwohl dies ein wesentliches Kriterium derArgumentation gewesen wäre. BERRIMAN/TODD vertraten die Ansicht, dass Traian Voconius Romanus durchaus in den Senatorenstand erhoben habe, da der Princeps sich doch nicht gegen eine bereits getroffene Entscheidung seines Vorgängers gerichtet hätte. In derTat habe, wie Plinius berichtet, Nerva seiner Bitte umErhebung des Romanus schon zugestimmt. Dies sei zunächst nur an der verzögerten Bereitstellung von Geldmitteln und dann an Krankheit und Tod Nervas gescheitert. Die Autoren Would Traian –whowas willing in another case to bend his own fragen also: “ 7, the Alexandrian rules in a liberal direction to oblige a client of Pliny (ep.10.5– doctor, Arpocras) –really risk causing offence by overturning a decision in prin.44 ciple made by his predecessor, andthat at the very beginning of his reign?“ Dieses Argument krankt an zweierlei. Zunächst ist deutlich, dass die Frage, ob Traian denn so etwas tun würde oder nicht, eine bloße Suggestivfrage ist, die auf Spekulation basiert. Außerdem hat Traians Verhalten in der ArpocrasGeschichte offensichtlich rein gar nichts mit der Sache des Voconius Romanus zu tun. In der Angelegenheit des Masseurs ging Traian mit seiner eigenen Entscheidung ungezwungen um,in der Sache des Romanus mit der Entscheidung Nervas. Nur weil Traian seinen eigenen Prinzipien in einer Angelegenheit nicht konsequent folgte, kann nicht gefolgert werden, dass er nicht in einer anderen Sache die Entscheidung seines Vorgängers entwertete. Der Befund wird erst dann richtig interessant, wenn wir unsverdeutlichen, dass Traian sich bewusst gegen eine bereits getroffene Entscheidung Nervas gewandt hatte –unddies gegen die Gepflogenheit des Principats, die Entscheidungen derVorgänger zuübernehmen.45 Die Rekonstruktion der Ereignisse beruht auf einer relativen Datierung der beiden Briefe ep.10.4 und2.13. Nurnach Klärung dieser Frage lässt sich feststel44
45
BERRIMAN/TODD 2001, 320 mit Anm. 43. Prominent ist hier die Brieffolge 10.58ff., in dereine Entscheidung Domitians über Nerva Traian ihre Gültigkeit nicht verliert, sondern diese jeweils bestätigt wird.
bis
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len, ob Traian die Bitte des Plinius abgelehnt hatte undob die Anfrage anPriscus vor oder nach jener an Traian gerichteten erfolgte. Doch diese relative Datierung ist umstritten. SYME etwa bezog eindeutig Stellung zugunsten einer früheren Abfassung von 10.4, doch er verzichtet auf eine Begründung.46 Diese sei hier nun erbracht.
Wann wurde derBrief 2.13 verfasst? Zumindest der Brief 10.4 entstammt einer sehr frühen Phase in Traians Herrschaft. Doch wurde 2.13 noch davor verfasst, womöglich schon unter Nerva? Ist eigentlich Nerva der in 2.13.8 erwähnte Optimus Princeps? Das Publikationsdatumdeszweiten Buches istjedenfalls für eine Datierung dieses Briefes nicht hilfreich. Die in diesem Buch kompilierten Briefe umfassen einen langen Zeitraum. So kann etwa 2.11 mitdemBericht vonderVerurteilung desMarius Priscus sogar erst imJahre 100 verfasst worden sein. Daszweite Buch wurde also frühestens zu diesem Zeitpunkt herausgegeben, somit lange nach der für uns hier relevanten Zeit. Zur Klärung der Frage müssen demnach in erster Linie Hinweise aus dem Text der Briefe selbst bemüht werden. Meiner Ansicht nach gibt es im Wesentlichen zwei Argumente, die dafür sprechen, dass 2.13 nach 10.4 verfasst wurde; dass sich Plinius in der Sache desVoconius Romanus also erst anTraian undspäter anPriscus gewandt hatte. Zum einen schreibt Plinius mit dem Hinweis auf die Statthalterschaft des Priscus, dass dieser nunschon seit langer Zeit seine Amici gefördert habe („ Regis exercitum amplissimum. Hinc tibi beneficiorum larga materia, longum praeterea tempus, quoamicos tuos exornare potuisti.“ ). Der Wortlaut mit demeinleitenden hinc macht deutlich, dass Plinius die Möglichkeiten des Priscus, seit langer Zeit schon seinen Freunden zu helfen, direkt auf die Statthalterschaft zurückführt. Der Legat hatte sein Amtaber erst im Jahre 98 angetreten.47 Hätte Plinius 2.13 schon vor 10.4 verfasst, mithin amAnfang des Jahres 98, wäre der Hinweis auf die lange Zeit, seit welcher Priscus in seiner Legatur nun schon seine Amici gefördert habe, unverständlich. Zudiesem Zeitpunkt hatte Priscus seinen Posten erst wenige Wochen innegehabt. Zum anderen zeigt der Brief 10.4, dass jener Voconius Romanus dem Princeps hier zumersten Mal vorgestellt wurde. Traian kann ihmalso nicht schon davor das Ius verliehen haben. Hätte er es getan, wäre der entsprechende Briefwechsel zwischen Plinius undTraian in dieser Sache zuerwarten. Außerdem hätte Plinius in 10.4 den Princeps darauf hinweisen müssen, dass dieser Voconius Romanus ja erst kürzlich dasDreikinderrecht verliehen habe. Das Beneficium erfolgte also nicht in denersten Wochen destraianischen Principats.
46 SYME 1979. 47 Bei diesem Priscus
handelte es sich –umhier vorzugreifen –umNeratius Priscus, der die Statthalterschaft Niedergermaniens von98 bis 100(?) innehatte. PIR V 350f –Diese Ansicht wird imAbschnitt „ Weralso ist derPriscus ausep.2.13?“dargelegt werden.
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Es gibt aber immer noch die Möglichkeit, dass schon Nerva dem Voconius Romanus das Dreikinderrecht verliehen hatte. Dies halte ich nun aber ebenfalls für sehr unwahrscheinlich. In 10.4 weist Plinius, umsein Anliegen zu untermauern, Traian darauf hin, dass er schon von Nerva die Erhebung des Voconius Romanus in denSenatorenstand erbeten hatte. Gemäß unseren Ausführungen zuden Mechanismen desForderns hätte Plinius in seinem Schreiben auf eine Verleihung des ius trium liberorum durch Nerva hinweisen müssen, wenn eine solche erfolgt wäre. Dies wäre ein gutes Argument andie Adresse Traians gewesen, imRahmen derPersonalpolitik seines Vorgängers zu verfahren undVoconius Romanus auch weiterhin zufördern. Es findet sich aber kein Hinweis auf eine solche Begünstigung des Amicus durch Nerva. Stattdessen fühlt sich Plinius sogar genötigt, die unter Nerva verschleppte Erhöhung des Voconius Romanus in den Senatorenstand zu entschuldigen. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass Plinius seinem Amicus das Dreikinderrecht vermittelt habe, noch bevor er selbst es erhalten hatte. Denn das warerst unter Traian auf die Fürsprache des Iulius Ursus Servianus hin geschehen, wie in ep.10.2 deutlich wird. So muss auch diese Alternative verworfen werden, dass Voconius Romanus bereits von Nerva das Ius trium liberorum verliehen bekommenhatte.
Es bleiben zwei weitere Optionen: Plinius hatte für Voconius Romanus die Erhebung in den Senatorenstand erbeten, doch Traian hatte stattdessen das Ius trium liberorum gewährt. Wir dürften in diesem, ohnehin nur konstruierten, Falle aber doch ein Dankesschreiben vermuten, wie es die sonstigen Gepflogenheiten des Plinius in seiner Korrespondenz mit demKaiser nahe legen. Wenn Traian etwas gewährt, bedankt sich Plinius dafür; das ist die Regel. Einen solchen Dankesbrief gibt es aber nicht. Als letztes bleibt die Hypothese, dass Traian dem Voconius Romanus dasIus erst nach seiner Rückkehr nach Romgewährte. Auf diese Weise lässt sich auch das Fehlen eines Dankesbriefes von Plinius an Traian leicht erklären: Der Dank wurde persönlich abgestattet. Ein Brief wäre in diesem Falle unnö-
tig gewesen. Auch die Chronologie lässt diese Möglichkeit zu. Priscus warvon98 bis 100 Statthalter. Wenn Voconius Romanus das Dreikinderrecht erst 99 oder 100, also nach demkaiserlichen Adventus, bekommen undPlinius entsprechend erst dann an denLegaten in der Provinz geschrieben hätte, würden zwei unserer Anhaltspunkte für eine relative Chronologie endlich erklärbar: Auf diese Weise konnte der Senator berichten, erst nuper habe er das Ius für seinen Amicus vermittelt. Hiermit wäre auch plausibel, dass Plinius von Priscus schreiben konnte, dieser besitze in seiner Position als Statthalter schon lange die Möglichkeit, seine Amici zufördern („ ). longum praeterea tempus, quoamicos tuos exornare potuisti“ Handelt
es sich beijenem Priscus ausBrief 2.13 umIavolenus Priscus?
Als stärkstes Argument dafür, dass es sich bei jenem Priscus aus ep.2.13 umden Juristen Iavolenus Priscus handele, galt in der Literatur bisher immer der Brief
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6.15. Plinius berichtete hierin Voconius Romanus von einer Rezitation, bei welcher sich Iavolenus Priscus wegen seines Verhaltens Tadel und Spott zugezogen
habe. Überhaupt, meint Plinius, sei Priscus dubiae sanitatis. Die Formulierung ist deutlich. DiePublikation dieses herben Urteils undsomit dieVerbreitung desauffälligen Verhaltens des Priscus noch zu dessen Lebzeiten spricht dafür, dass PliniuszuIavolenus Priscus eingetrübtes Verhältnis hatte. Es wurde nunargumentiert, diese Missstimmung resultiere daraus, dass es dieser Iavolenus Priscus gewesen sei, der einst nicht der Bitte des Plinius in dessen Brief 2.13 entsprochen habe. Dadurch habe Priscus es sich mit diesem undmit Voconius Romanus verdorben, an dendieser Brief konsequent ja auch adressiert ist. Plinius undRomanus hätten sich mitderVerbreitung dieser Anekdote also gerächt. Zugegeben, diese Hypothese ist reizvoll und fand deswegen in der Forschungsdebatte auch weite Verbreitung. Belegt werden kann sie aber nicht. Ein It Beispiel füreine konjizierende undsuggestive Lesart ist etwa SYME 1960, 365: „ is difficult to resist the conclusion that Iavolenus Priscus is none other than the army commander The legate Priscus can hardly be L.Neratius Priscus (suff. 97). This man’s province was Pannonia, and his tenure should fall in 102– 5.(...) Syria, not Pannonia, would seem to be a suitable destination for a quiet, comfortable and cultivated person like Voconius Romanus, whose home was at Saguntum.“Die Worte sprechen für sich. SYMES Argumentation wurde noch einflussreicher durch ihre Rezeption. ALFÖLDY/ HALFMANN 1973, 362f. legten in ihrer Untersuchung, die das abrupte Endedersyrischen Statthalterschaft des Cornelius Nigrinus imJahre 97 darstellt, mit Bezug auf Iavolenus Priscus dar: „ Beim heutigen Stand derForschung kann nicht bezweifelt werden, daßer...ungefähr von 97/98 bis 100/101 Statthalter von Syrien war. Wir wissen nämlich, daßPlinius allem Anschein nach im Jahre 100 oder 101 seinen Freund Voconius Romanus einem consularen Armeekommandeur namens Priscus empfahl; nach herrschender Ansicht wardieser Kommandeur kein anderer als L.Iavolenus Priscus, damals Legat dersyrischen Armee.“Als Beleg wirdunter anderem auf drei Stellungnahmen von SYME (so etwa die oben ausgeführte von 1960) verwiesen. Nurzwei Seiten später ist für ALFÖLDY/HALFMANN 1973, 365 die eben noch herrschende Ansicht“ herbeizitierte „ , welche nicht bezweifelt werden könne, zur Jedoch war dieser Senator, wie oben erwähnt, so gut wie Gewissheit geworden: „ sicher erst zwischen 97/98 und 100/101 Legat von Syrien –somit kann er nicht jener Legat gewesen sein, der im Jahre 97 abgelöst wurde, sondern war offensichtlich der erste reguläre Statthalter nach Larcius Priscus, der seinen Sonderauftrag unzweifelhaft bereits kurz nach der Adoption Trajans ablegte.“Diese Argumentation wurde ungeprüft von SCHWARTE 1979 und STROBEL 1985 übernommen; zwei Darstellungen, die für die Folgezeit das Bild des Umbruchs von 96 bis 98 auch über dendeutschen Sprachraum hinaus prägten. Auch BERRIMAN/TODD 2001 identifizierten Iavolenus Priscus zu Unrecht mit demPriscus der Epistel 2.13. Außerdem versuchten die Autoren nachzuweisen, dass es sich auch beijenem Unbekannten ausdemPlinius-Brief 9.13, denALFÖLDY/HALFMANN 1973 bereits als Cornelius Nigrinus identifiziert hatten, umlavo-
Priscus..
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lenus Priscus handele. Für ihre Argumentation konzedierten sie einen möglichen Publikationszeitraum deszweiten Buches derPlinius-Briefe von97 bis 100. Wäre der Brief am Anfang dieses Zeitraums veröffentlicht worden, so die Autoren, müssten sie sich wohl für Neratius Priscus, den Gouverneur Niedergermaniens aussprechen. Doch stattdessen entscheiden sie sich für ein spätes Publikationsdatum.48 Ihre Argumentation hierfür ist aber, wie schon gezeigt, fehlerhaft, wenn sie behaupten, Plinius habe ja schließlich auch unmittelbar zu Beginn des traianischen Principats senatorischen Rang für Voconius Romanus durchgesetzt. In Brief 2.13 sei aber deutlich, dass Romanus lediglich ritterständisch sei. Daher sei 2.13 noch in die Regierung Nervas zu datieren und der Empfänger könne demnach kein anderer als Iavolenus Priscus sein. Daraus folge auch, dass seine Statthalterschaft Syriens in denPrincipat Nervas zudatieren sei. An dieser Stelle sei nurder grundlegende Fehler derArgumentation kurz aufgezeigt, nämlich dass BERRIMAN/TODD davon ausgehen, dass Voconius Romanus senatorischen Rang erhalten habe. Hierauf gründen ihre Darlegungen. Bemerkenswert ist, dass sie einräumen (320, Anm.43), dass eben dies sich in denQuellen nicht nachweisen lasse. Aber Traian hätte doch nicht gegen die bereits getroffene Entscheidung seines Vorgängers gestimmt, und so weiter. Auf das Defizit dieser Argumentation wurde bereits oben hingewiesen. Neben den Ausführungen von SYME 1960 zogen ALFÖLDY/HALFMANN 1973 für ihren Nachweis, dass Iavolenus Priscus dererste Statthalter Syriens in traianischer Zeit gewesen sei, auch ECK 1970, 152ff mit Anm.171 heran. Dieses Argument verlor mittlerweile an Valenz, da dieser seine Ansichten bezüglich der syrischen Statthalter in ECK 1982, 321 und 1983, 227 revidierte. In diesen Studien 94/95 als Statthalter Syriens nachgewurde Iavolenus Priscus für die Jahre 92/93– 97 Statthalter undwurde von wiesen. Cornelius Nigrinus war dort demnach 95/6– Larcius Priscus abgelöst, der für die Zeit 97/8 als Stellvertreter des syrischen Statthalters diente. Seit 100/101 bis 103/4 ist dann C.Antius A.Iulius Quadratus als Statthalter Syriens nachgewiesen.49 100 bleibt also Dererste Legat Syriens in traianischer Zeit, in derZeit von98– nach wie vor ein Unbekannter. Es istjener Ignotus, denzu identifizieren die Forschung sich schon seit Jahrzehnten leider vergebens bemüht. Sofern zur Beantwortung dieser Frage keine neuen epigraphischen Zeugnisse erschlossen werden, wird die Person des ersten syrischen Legaten traianischer Zeit ein Rätsel bleiben. Für die Beantwortung unserer Frage ist die Identifizierung dieses Unbekannten freilich irrelevant.
48 Dies tunsie aufgrund derAusführungen von SHERWIN-WHITE 1966, adep.2.13, ohne eigene
Argumente vorzubringen. Diese Identifizierung des Priscus mit lavolenus Priscus ist aber Grundlage ihres Artikels, der eine luzide Neuschreibung der Ereignisse zwischen 96 und98 anstrebt. So ist verwunderlich, dass angerade diesem vitalen Punkt derArgumentation keine eigene Leistung gebracht wurde.
49 ECK 1982, 334 mit Anm. 213.
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Weralso ist derPriscus ausBrief 2.13? Nach diesem Abriss der Rezeption der Gleichsetzung von Iavolenus Priscus mit
demEmpfänger des Plinius-Briefes 2.13 wollen wirunsere bisherigen Ergebnisse zusammenfassen. Wie wir zeigten, ist der Brief 2.13 an Priscus erst nach der Rückkehr Traians zu datieren. Daraus wird eines deutlich: Es kann sich beijenem Priscus nicht um Iavolenus Priscus handeln. Grundlage des Briefes ist ja, dass Plinius an einen consularischen Statthalter in einer Provinz mit mehr als einer regis exercitum amplissimum“ Legion schreibt. Darauf deutet die Formulierung „ hin.50 Soweit wir wissen, umfasste die Karriere des Iavolenus Priscus Statthalter95/6) und in Africa posten in Germania Superior (i.J. 89/93), in Syria (i.J.92/3– (i.J. 101/2).51 Für die fragliche Zeit, in welcher Plinius seinen Brief zugunsten des Romanus schrieb, ist für ihn also keine Statthalterschaft nachzuweisen. Weraber ist dann dieser Priscus, Statthalter einer consularischen Provinz um das Jahr 99/100, andenderBrief 2.13 adressiert ist? Für die Zeit zwischen 90 und 107 sind nurzwei Prisci nachzuweisen, die mit consularischen Statthalterschaften betraut waren. Einer davon ist Iavolenus Priscus. Damit kommt als einzige Alternative Neratius Priscus ins Spiel. Er war der Suffectconsul von97 gewesen undhatte die Statthalterschaft Niedergermaniens in 100(?) innegehabt.52 Plinius hatte sich also nicht an einen Statthalden Jahren 98– ter Syriens, sondern Niedergermaniens gewandt. Für Neratius Priscus hatte sich mittlerweile auch SYMEin Revision seines eigenen Urteils von 1960 erklärt.53 Zum Abschluss dieser Untersuchung möchte ich noch kurz auf BAUMANN 1989, isb.173 hinweisen, der umfangreich dazu Stellung nimmt, bei jenem Statthalter könne es sich keinesfalls um Neratius Priscus handeln. Seine Argumente reichen für dieses Ergebnis aber nicht aus; stattdessen weisen sie erhebliche Unstimmigkeiten auf: „ However, Neratius can safely be ruled out for tworeasons: he did not govern Syria, but he did govern lower Germany, which on Syme’s own showing is not an area to which Voconius wanted to be sent; andNeratius was a close associate of Pliny’s great friend, Aristo, so that an appeal to Neratius by 50 Plin.ep.2.13.2. 51 Siehe hierzu ECK1982, Anm. 226 und 1983, 232. Siehe zuletzt mit einer gründlichen Sichtung undSynthese desMaterials DABROWA 1998, 73f. 52 Danach wurde er Statthalter Pannoniens von 103– 106; zu ihmsiehe PIR V, 350f.; BAUMANN 203, besonders 198. 1989, 194– 53 Als Synthese einer Reihe von Vorstudien siehe SYME 1985, 339f. –Hierzu hatte ihn CAMODECA1976 veranlasst. Dieser hatte die Lesung einer Inschrift, welche bis dahin eine pannonische Legatur für Neratius Priscus nahe zu legen schien, von P[annonia] inferiore zu G[ermania] inferiore verbessert.
Erst nach Abschluss dieser Passagen erreichte mich das neupublizierte Onomasticon zuden Werken des jüngeren Plinius von A. BIRLEY 2000. Auch dort ist, angesichts des knappen Raumes jedoch ohne Dokumentierung, die Ansicht vertreten, dass a) dasGesuch des Plinius an Traian, Voconius Romanus in den Senatorenstand zu erheben, fehlschlug, unddass b) es sich bei demPriscus in Plin.ep.2.13 umNeratius Priscus, denStatthalter vonGermania Inferior, hier in denJahren 98– 99(?), handelt; siehe ferner zurPerson desNeratius Priscus BIRLEY 1999, besonders 42, Anm. 20.
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Pliny could hardly have fallen on deaf ears. We therefore base ourselves on Syme’s original belief that Priscus is Iavolenus Priscus.“Dieses Argument krankt an zweierlei: Zum einen bemüht BAUMANN in seinem Versuch, sich von SYME 1985 abzusetzen, eben dessen spekulierende Ansichten von 1960 über die Frage, in welcher Provinz mit mildem Klima sich der Spanier Voconius Romanus denn wahrscheinlich wohlgefühlt hätte; dieses Argument hatten wir oben bereits als unzureichend zurückgewiesen. Zumanderen geht BAUMANN davon aus, dass die Bitte desPlinius in2.13 abgelehnt worden sei.
Es muss also zumAbschluss dieses Exkurses kurz betrachtet werden, ob die Bitte, die Plinius an diesen Priscus in ep.2.13 gestellt hatte, erfolgreich war oder nicht. Ein gewichtiges Argument spricht für die gewogene Aufnahme des Empfehlungsschreibens: Hätte Priscus der Bitte des Plinius tatsächlich nicht entsprochen, hätte dieser den Empfehlungsbrief wohl kaum veröffentlicht.54 Es wäre der Nachweis seiner Schwäche als Ressourcenvermittler gewesen. Hingegen sind Dankesschreiben für erwiesene Leistungen in seinen Briefen nicht unbedingt üblich. Ausnahmensind die Briefe an Traian, unddies führte unsja auch dazu, für die nicht erfolgte Erhebung des Voconius Romanus in den Senat zu argumentieren. Dass der Brief 10.4 trotz seines Misserfolges aber überliefert ist, resultiert ausderandersartigen, daposthumen, Publikation des zehnten Buches. Doch im Corpus der ersten neun Briefbücher bedeutet ein fehlender Dank nicht die Ablehnung der Bitte. Es entspricht der Konvention eines literarischen Werkes, dessen Autor seine Imago als erfolgreicher Ressourcenvermittler derart stilisierte, dass Misserfolge nicht an die breite Öffentlichkeit gelangten, und dass mithin von ihm selbst publizierte Briefe erfolgreiche Briefe waren.55
54 Es sind auch längst nicht alle erfolgreichen Empfehlungsschreiben desPlinius vonihmpubliziert worden. So erfahren wir etwa in 3.8.1, dass der Senator für Suetonius Tranquillus eine Stelle als Tribun imStab desNeratius Marcellus erreicht hatte, welche ernunaufCaesennius Silvanus umschrieb. VonderUmschreibung erfahren wirdirekt, vonderursprünglichen Bitte andenStatthalter aber wissen wirnurindirekt. Es existiert weder dasentsprechende Empfehlungsschreiben für Sueton, noch ein Dankesschreiben. 55 SYME 1985 argumentiert sogar, dass es in derTat doch eine Art Dankesschreiben des Plinius anNeratius Priscus, zumindest ein publiziertes Lob vondessen Person, für die Aufnahme des Voconius Romanus in denStab desPriscus gegeben habe. In Plin.ep.3.3.1 ist nämlich die RedevondenFamilienverhältnissen derCorellia Hispulla undihres Sohnes (L.Neratius?) Corellius Pansa (cos.ord.122): „pater quoque et patruus inlustri laude conspicui“ . SYMEführt in einem, allerdings nicht vollends beweisbaren, doch meiner Ansicht nach plausiblen, Gedankengang aus, es handele sich bei diesen beiden umL.Neratius Marcellus, denSuffectconsul von 95, undeben seinen Bruder, unseren Neratius Priscus. –In diesem Sinne äußert sich nunauch BIRLEY 2000, s.v. Corellia Hispulla; Neratius Marcellus; Neratius Priscus.
12. DAS DONATIV –AEQUATI SUNTENIMPOPULO MILITES1 Zu einem
nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt während seiner Abwesenheit aus Rom, und zwar wahrscheinlich sehr bald nach seinem Herrschaftsantritt, hatte Traian seinen Truppen ein Donativ auszahlen lassen. Im September des Jahres 100 sollte sich der Suffectconsul Plinius in seiner Gratiarum Actio bemühen, die Tatsache zu erklären, dass Traian seinen Soldaten ein Donativ früher gegeben habe als den stadtrömischen Bürgern ein Congiarium.2 Doch schließlich, betont derSenator, hätten die Truppen zunächst ja auch nurdie Hälfte dervollen Summe bekommen, die Plebs aber mit einem Mal den Gesamtbetrag. Auf diese Weise
seien beide Gruppen einander wieder gleichgestellt worden.3 Diese Passage eröff-
netdenBlick aufeinProblem, welches bislang keine Beachtung fand. Das erwähnte Congiarium wurde unmittelbar nach der Ankunft Traians in Romausgegeben; es wareine derersten öffentlichen Zeremonien, mitwelcher der Kaiser vor der Plebs Urbana auftrat. Der Akt selbst wurde in visueller Verkürzung und mit der Beischrift CONG(iarium) P(opulo) R(omano) auf Sesterzen dargestellt, die noch in den zweiten Consulat datieren. Da die Szene allein in diesem Nominal ausgegeben wurde, liegt die Vermutung nahe, dass die Stücke selbst anlässlich des Congiariums verteilt wurden.4 Dass ein Congiarium erst so spät undnicht schon zumBeginn der Regierung ausgezahlt wurde, erinnerte die Plebs daran, dass der Kaiser sich lange Zeit nicht in Rom hatte blicken lassen, womit er seine Akzeptanz bei der stadtrömischen Bevölkerung auf eine harte Probe gestellt hatte. Dass nuneine solche Gabe mit einem Mal und nicht etwa gestaffelt ausgezahlt wurde, war völlig klar undhätte eigentlich ihrer besonderen Betonung durch den Redner nicht bedurft. Dagegen erschließt sich die Feststellung von der, zunächst
1 2 3
4
Plin.paneg.25. Das Congiarium warerst nach der Rückkehr Traians, wahrscheinlich schon im Oktober 99, ausgegeben worden, während die Soldaten ihrDonativ wohl bereits in derallerersten Zeit der traianischen Alleinherrschaft erhalten hatten. Plin.paneg.25.2: Nisi vero leviter attingi placet, locupletatas tribus, datumque congiarium populo, et datum totum, quum donativi partem milites accepissent. An mediocris animi est, his potius repraesentare, quibus magis negari potest? quamquam in hacquoque diversitate aequalitatis ratio servata est. Aequati sunt enim populo milites, eo quodpartem, sedpriores; populus militibus, quodposterior, sedtotum statim accepit. Die schwer verständliche Formulierung, es sei ja wohl kein Anzeichen einer kraftlosen Gesinnung, jenen etwas zukommen zu lassen, denen es leichter versagt werden könne, scheint bewusst offen zulassen, vonwemhier dieRede ist, Soldaten oder Plebs. RICNr. 380f.; STRACK 1931, 84– 89, Nr. 323, Taf.4. –Die Sesterzen wurden noch vor der Designation Traians zumdritten Consulat, also vordenWahlcomitien imOktober, emittiert.
DAS DONATIV
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nurteilweise erfolgten, Zahlung andie Soldaten nicht sofort. DerRedner berichtet allein von der Auszahlung einer pars donativi. Diese Formulierung impliziert, dass später noch eine weitere pars ausgegeben wurde. Sonst machte der Hinweis auf denTeilcharakter des Donativs keinen Sinn. Es lässt sich aber nurschwer vorstellen, dass Traian seinen Soldaten mit den Worten entgegen getreten sei, sie bekämen erst einmal nurdie Hälfte ihres Geldes. Dies hätte denTruppen in empfindlicher Weise suggeriert, sie brächten ihrem Feldherrn nicht das angemessene Maß an Akzeptanz entgegen, was dieser nunmit einer vorläufigen Einbehaltung vonTeilen des Donativs ahnde. Dabei waren sie doch eine maßgebliche Stütze für denHerrschaftsanspruch des Ulpiers gewesen. Die Auszahlung kaiserlicher Spenden, seien es nunCongiarien oder Donative, warweniger ein Mittel derBereicherung für die derart Begünstigten, als vielmehr eine symbolische Geste, eine Angelegenheit der Statuszuweisung.5 Das Funktionieren des Akzeptanzsystems war auf Gesten der Reziprozität angewiesen. Der Kaiser hatte all jenen Demonstrationen emphatischer Zustimmung, welche ihm entgegen gebracht wurden, seinerseits mit entsprechend abgewogenen Statuszuweisungen zu begegnen. Es wurde von ihm erwartet, dass er sich als Guter Princeps verhalte unddie ihm zugestandene generelle Freigebigkeit auch konkretisiere; eben dies nicht zuletzt durch Geldspenden. Das Verhältnis vonKaiser und Soldaten warnicht vonderHöhe der Spende abhängig, sondern vonder Symbolik des Gebens überhaupt. Daher übertraf die Auszahlung einer geringeren Summe in ihrem Status zuweisenden Potential bei weitem eine, explizit als eine solche gekennzeichnete, halbe Ausschüttung einer größeren Summe. Was Plinius in der Gratiarum Actio implizierte, wäre schlichtweg ein Affront gewesen, eine demonstrative Geringschätzung der Soldaten. Nein, wahrscheinlicher ist, dass es bis zur Rede des Plinius, bis zum September 100, zwei Donative an die Legionäre gegeben hatte; zwei verschiedene Gelegenheiten, bei denen Geld und symbolisches Kapital ausgeschüttet worden waren. Das Filtrat dieser Episode ist, dass die Plebs bei einer Gelegenheit vom Princeps Geld und Status zugewiesen bekommen hatte, und zwar erst nach der Rückkehr Traians nach Rom, die Soldaten bei zweien. Demnach waren die Truppen bevorzugt worden. Plinius aber fasst diese zwei Donative rhetorisch zu nur einem zusammen; deren erstes erklärt er zurbloßen Anzahlung, deren zweites, die vermeintliche Vollendung einer angefangenen Leistung, lässt er in seiner Rede unerwähnt. Sie wird denZuhörern allein durch denHinweis auf denTeilcharakter derersten Spende in Erinnerung gebracht. Dadurch, dass er die Donative unddas Congiarium in unmittelbare Verbindung zueinander bringt undsie zu einem Argument macht, um die Gleichbehandlung von Soldaten und Plebs zu beweisen,
5
ZurSymbolik derkaiserlichen Gabe unddesDonativs imbesonderen siehe FLAIG 1992, 451– 469. –Die Donative andie einfachen Soldaten warvonnurgeringer Höhe, wenn mansie mit jenen andie Prätorianer vergleicht oder gar mit denDonativen republikanischer Feldherrn an deren Truppen. So hatte das geringste Donativ des Pompeius allein 1500 Denare umfasst (Plut.Pomp.45.3), während kein kaiserzeitliches Donativ vor derZeit Hadrians 300 HS überstieg. Ganz anders wares wiederum umdie Prätorianer bestellt, vondenen etwa unter Claudius undNerojeder 3750 Denare erhielt.
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suggeriert der Redner, dass Traian seine vermeintliche Aufteilung des Donativs ausRücksichtnahme aufdiePlebs Urbana vorgenommen habe. Gerade diese Suggestion verdeutlicht wiederum, dass solche Geldgeschenke eine Frage der Statuszuweisung waren. Im Übrigen ist nicht die Rede davon, zu welchem genauen Zeitpunkt die Auszahlungen an die Soldaten erfolgten. Suchte manhierfür nach Gelegenheiten, liegen wohl der Zeitpunkt der Annahme der Alleinherrschaft und der Friedensschluss in Pannonien nahe. Gewissheit ist in dieser Frage nicht zu erlangen. Es bleibt festzuhalten, dass demsenatorischen Redner daran lag, den Status, den Traian während seines langen Aufenthaltes den Legionen auf Kosten der stadtrömischen Bevölkerung hatte zukommen lassen, rhetorisch wieder zu vermindern. Verglichen mit jenen Summen, welche Senatoren bei verschiedenen Gelegenheiten vom Kaiser erhalten konnten, waren die direkten Geldgeschenke für die beiden anderen Sektoren des Akzeptanzsystems bloße Kleinigkeiten.6 Seien es nun Geschenke, Einladungen zur Tafel, die Ausstattung einzelner mit dem Mindestzensus für den Senatorenstand oder vieles andere mehr: Die einzelnen Senatoren profitierten ammeisten von derkaiserlichen Freigebigkeit. Warum also warein Senator, der mit erstaunlichen Summen beschenkt oder mit prestigeträchtigen Posten bedacht werden konnte, darum bemüht, ein Donativ zu verschleiern? Die Antwort ist ein weiteres Mal, dass es bei allen Unterschieden in Güte und Umfang der Gaben schlichtweg nicht vorrangig umeine Bewertung dieser Kriterien ging, sondern umdie Symbolizität desSchenkens überhaupt. DerKaiser hatte sich lange Monate der unmittelbaren Kommunikation mit der stadtrömischen Plebs unddenSenatoren entzogen unddiese in ihrem Status erheblich vermindert; zurgleichen Zeit hatte er sich imKreis seiner Legionen aufgehalten undzweifach seine Achtung gegenüber den Truppen demonstriert. Eben dies war der Anlass von Verstimmung undführte zu der eben behandelten Konstruktion des Panegyri-
cus.
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Anders freilich sieht es mit den Manifestationen der kaiserlichen Liberalitas undCura aus; jenen Bauprojekten und Spielen etwa, die der Herrscher finanzierte und die ebenfalls den Großgruppen zukamen. Es geht uns hier aber um direkte Spenden, die unmittelbar vom Princeps zumEmpfänger gingen. Undwenn dereinzelne Bürger oder Soldat sein Geld auch nicht unmittelbar ausderHanddesKaisers empfing, sowurde ihmdochdiese Summe bei ei-
nergenau definierten Gelegenheit undpersönlich übergeben.
13. PLINIUS ERSUCHT UM URLAUB ADMUNIFICENTIAM COHORTATUS1
Nach zwei Briefen, diePlinius Ende 98 undimFrühjahr 99 anTraian geschrieben hatte undin denen sich der Senator erfolgreich für die Bürgerrechtsverleihung an seinen Masseur eingesetzt hatte,2 erreichte im Sommer 99 ein weiterer Brief des Plinius denPrinceps an der Donau.3 In diesem Schreiben ersuchte derÄrarpräfekt denKaiser umkurzfristigen Urlaub vonseinem Amt. Als Grund nannte Plinius, er müsse denBau eines von ihm gestifteten Tempels in Tifernum Tiberinum beaufsichtigen, einem Municipium, in dessen Umgebung er Landbesaß. Zugleich wolle er die Gelegenheit nutzen, umauf diesen Gütern nach demRechten zusehen. Das Antwortschreiben des Kaisers auf diese Bitte ist ebenfalls überliefert. Daraus erkennen wir, dass Plinius der Amtsurlaub ohne Umstände sofort gewährt wurde.4 Wir werden sehen, dass Plinius in diesem Brief demKaiser ein weiteres Mal demonstrierte, wie ernst er seine Amtsführung nehme unddass er seine Akzeptanz der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung und somit Traians überhaupt betonte. Es wird deutlich werde, dass Plinius sich zu diesem Zweck als ein Euerget gemäß demkaiserlichen Vorbild stilisierte, indem er betonte, er setze sich mit ganz bestimmten Taten undTugenden für dasWohl seines privaten Umfeldes ein, die den Taten undTugenden Traians zumWohle der Res Publica entsprächen. Der Senator lasse sich also von den gleichen Werten leiten wie der Princeps undtue im Kleinen nichts anderes alsjener imGroßen. Plinius berichtet in seinem Brief, er habe bei denDecurionen vonTifernum Tiberinum umdie Bereitstellung eines Baugrundes gebeten, auf welchem er mit eigenen Mitteln diesen Tempel errichten könne. Die Ratsherren hätten unverzüglich ihm selbst die Wahl eines geeigneten Bauplatzes überlassen. Seit diesem Zeitpunkt sei Plinius bis jetzt aber durch verschiedene Dinge von der weiteren Bau-
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In Anlehnung anPlin.ep. 10.8.1. 7. Plin.ep. 10.5– Für die Datierung des Jahres siehe
SHERWIN-WHITE 1966, ad loc. –Die Datierung des Monats leitet sich daraus her, dass Plinius betont, sein Amtsmonat gehe amersten September zu Ende. Demnach musste er genügend Zeit einrechnen für denWegseines Schreibens zuTraian, für eine nötige Bearbeitung undfür denWegdes Rückschreibens. Da Plinius für seinen Urlaub nurdie dreißig Tage des Septembers einplante, warihmsicherlich daran gelegen, unmittelbar amAnfang dieses Zeitraums losreisen zu können, waswiederum nahe legt, dass er eine Antwort des Kaisers sicherlich noch im August erwartete. Daher ist ein Datum im Juli oder sogar bereits imJuni fürdieAbfassung desSchreibens anzunehmen. Plin.ep. 10.9.
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planung abgehalten worden. Zuerst sei er selbst krank gewesen, dann habe Nervas Krankheit ihn an einer Reise gehindert. Nun schließlich werde er durch seine Amtspflichten als Ärarpräfekt in Romgehalten. Der Senator ersucht Traian daher umUrlaub für den Monat September, diese Zeit wolle er endlich zur Suche des Bauplatzes nutzen. Neben diesem Gesuch umUrlaub bittet Plinius den Princeps, auch dessen Standbild unter dieKaiserstatuen imTempel einreihen zudürfen. Außerdem verhehle er nicht, gibt Plinius zu, dass er bei dieser Gelegenheit auch seine dort gelegenen Güter aufsuchen wolle, eine Inspektion sei nötig. Dies alles werde eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, unddaher bitte er denKaiser auch umganze dreißig Tage Urlaub. Abschließend betont Plinius zu wissen, dass allein die kaiserliche Indulgentia ihm ermöglichen werde, sein Werk der Pietas schnell in Gang zu setzen unddarüber hinaus die Ordnung seiner eigenen Verhältnisse vorzunehmen. Wir sahen, dass bereits im Jahre 98 Plinius bemüht gewesen war, demKaiser zu demonstrieren, dass er die Pflichten seines Amtes sehr ernst nehme.5 Damals wie auch jetzt hob der Senator hervor, die Ärarpräfektur von Nerva und Traian erhalten zu haben, weswegen eine gewissenhafte Amtsführung für ihn gerade auch Ausdruck dafür sei, sich der erwiesenen Huld derbeiden Kaiser dankbar zu zeigen. Daher erläutert Plinius demPrinceps auch, dass während seiner geplanten Urlaubszeit nurwenige Amtspflichten aufihnwarteten. ImSeptember sei nämlich ohnehin sein Kollege mit der Durchführung der Amtsgeschäfte betraut. Überdies sei der Monat voller Feiertage.6 Offensichtlich bekleideten die beiden Ärarpräfekten ihr Amt rotierend, und die Amtsführung wechselte nach einem bestimmten Zeitraum, demhier erwähnten menstruum. Wenn Plinius es nunzu einem Argument seines Urlaubsgesuches macht, dass dieser Monat, in dem eigentlich sein Kollege den Amtvorsitz führe, so viele Feiertage habe, impliziert er, dass, wenn der September weniger dies feriati hätte, er selbst in Rom bleiben müsste, um seinen Kollegen bei dessen Amtsgeschäften zu unterstützen. Wegen der wenigen Geschäftstage im September aber werde dieser seine Aufgaben schon alleine bewältigen. Aufdiese Weise stilisiert Plinius sich unausgesprochen, doch eindrücklich als ein Ärarpräfekt im Auftrag des Kaisers, der während seines eigenen menstruum die Amtsgeschäfte gewissenhaft erledige undwährend des menstruum seines Kollegen auch diesem noch unter die Arme zu greifen pflege. Doch weniger kompetent undfleißig als Plinius selbst zu sein, hieße auch, sich der erwiesenen Huld des Princeps als nicht ausreichend dankbar zu erweisen. Der Präfekt nutzte also die Gelegenheit, um in seinem Brief an den Kaiser gleichsam im Vorübergehen denAmtskollegen noch in dessen Kompetenz herabzusetzen. Ein Gleichrangiger war immer auch der direkte Konkurrent fürjene Ämter, die sich an das aktuelle anschließen mochten. So lässt sich dieser Seitenhieb auf Cornutus Tertullus erklä-
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Siehe hierzu die Diskussion vonPlinius ep.10.3a. Plin.ep.10.8.3: Namet menstruum meum Kalendis Septembribus finitur, et sequens mensis complures dies feriatos habet.
13. PLINIUS ERSUCHT UM URLAUB
185
ren, den Plinius ansonsten als einen engen Amicus darstellt; nicht jedoch, ohne immer wieder seinen eigenen Vorrang
zubetonen.7
Zu der Tempelstiftung, die er in Tifernum Tiberinum beabsichtigte, berichtet Plinius demKaiser, sei er durch das vorbildhafte Beispiel Nervas angeregt worden. Denn der Adoptivvater Traians habe seinen Bürgern die munificentia vorgelebt undhabe ja auch in einer Rede zur allgemeinen Freigebigkeit aufgerufen. Eben daraufhin habe auch Plinius sich entschlossen, in seinem eigenen Umfeld Beispiele dieser Tugend zu geben. Der Senator berichtet hier also von einem Ineinandergreifen von imperialer undprivater Cura, unddies besaß eine lange Geschichte. Die römischen Kaiser waren stets bemüht gewesen, die Repräsentation reicher Privatpersonen imöffentlichen Raum derHauptstadt zuverhindern. Doch konnten sie andererseits schon zumZweck ihrer eigenen finanziellen Entlastung nicht einfach auf deren Ressourcen verzichten. Schon Augustus hatte dieprincipes viros
des Staates häufig ermahnt, die kaiserlichen Baumaßnahmen mit eigenen Projekten zu unterstützen.8 Doch seitdem hatten sich die Zeiten geändert. Bereits seit Tiberius hatte in Rom allein noch der Herrscher bauen und sich als Stifter des Werkes feiern lassen dürfen. Allen anderen war diese Möglichkeit einer monumentalen Darstellung ihrer selbst verwehrt worden. Als Beispiel für diesen Wandel seien die Triumphmonumente genannt. Schließlich waren in republikanischer Zeit und auch noch unter Augustus von Triumphatoren zahlreiche Bauten ex manubiis, errichtet worden, also aus dem Erlös ihrer Beute.9 Doch seit dem Jahre 19 v.Chr. waren siegreichen Feldherren keine Triumphe mehr, sondern nur noch die Ornamenta Triumphalia gewährt worden, undallein Mitglieder der imperialen Domus durften noch Triumphe feiern. Entsprechend gab es fortan auch keine Stiftungen öffentlicher Gebäude durch Triumphatoren, die nicht dem Kaiserhaus angehörten.10 Zudem hatte bereits Au-
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8 9 10
Selbst ein Brief, welcher scheinbar allein dem Lob dieses Freundes gewidmet ist, stilisiert 6 drückt Plinius seine Freude über diezu Plinius als denVorrangigen derbeiden. In ep.5.14.3– seiner Karriere parallel erfolgte Laufbahn desCornutus Tertullus aus. Sie seien Amtskollegen in der Präfektur des Aerarium Saturni undim Consulat gewesen. Nunhabe der Freund die CuraderViaAemilia erhalten, er selbst dieCura Tiberis. Plinius verzichtet aber nicht darauf, auf dasdeutlich höhere Alter seines Amicus hinzuweisen. Einst hätten sie nämlich in einem Lehrer-Schüler Verhältnis zueinander gestanden. Das anfängliche Lob ist also erheblich relativiert, wenn nicht gar entwertet. Plinius verdeutlicht seiner Leserschaft, die Ämterlaufbahn sehr viel schneller als Cornutus Tertullus durchlaufen zu haben. Seine eigene Tüchtigkeit habe die Jahre, welche der Freund ihmursprünglich voraus gewesen sei, dahin schmelzen lassen. Abgesehen davon scheint die Cura Tiberis als dasprestigereichere Amtvonbeiden angesehen worden zu sein. Anders als die verschiedenen Curatoren dereinzelnen italischen Straßen, besaß derCurator Tiberis dasRecht, seinen Namen neben dendesKaisers aufdieTerminationssteine zusetzen. Die Meilensteine deritalischen Straßen aber trugen alleine denKaisernamen. Suet.Aug.29.4f. Zudieser Art derFinanzierung siehe denAbschnitt 6.4.2 „ ex manubiis –Die Popularisierung derDakersiege“imKapitel zumTraiansforum. VEYNE 1988, 587.
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gustus die Viri Triumphales seiner Zeit dazu angehalten, ihre Manubiae etwa für den Straßenbau zu verwenden.11 Statt in Marmor zumRuhm der eigenen Person und der eigenen Familie musste fortan in Straßenbelag investiert werden. Auf diese Weise aber warfürjene potentiellen Konkurrenten desKaisers, die aufgrund jenes sozialen Prestiges, welches sie durch militärischen Erfolg unddessen publi-
kumswirksame Verkündung erworben hatten, allesamt selbst herrschaftsfähig gewesen wären, kein großer Ruhm im Stadtbild zugewinnen. Die Hauptstadt warschon vondieser Zeit annurmehr derEntfaltungsraum allein des Princeps gewesen. Dieser war auf die Akzeptanz der Plebs angewiesen undmusste mit Gebäuden, Spektakeln, Geschenken undGesten seiner Majestät um ihre Gunst werben. Wollte der Herrscher aus der Menge der Senatoren herausragen, musste er die Prachtentfaltung Roms für sich monopolisieren. Stiftungen, Spiele undBauten zumRuhm anderer Patrone musste er verhindern.12 Nun überstiegen die kaiserlichen Mittel zwar die jedes einzelnen Senators bei weitem, doch sie alleine reichten für den dauerhaften Unterhalt der Hauptstadt und des Reiches nicht aus. Die Reichselite musste also dennoch tätig werden.13 So blieben in Rom selbst nach wie vor Magistrate für die regelmäßig anfallenden Munera zuständig und trugen deren Kosten. Sie mussten etwa Speisungen ausrichten und die regelmäßig stattfindenden Spiele veranstalten. Dabei waren denGeldgebern aber nurAusgaben innerhalb festgesetzter Grenzen erlaubt.14 Auf diese Weise blieb außergewöhnliche Prachtentfaltung für die extraordinären Munera desKaisers reserviert. Eine mit demHerrscher konkurrierende Repräsentation einzelner Bauherren war somit ausgeschaltet. Doch blieb dem Senat als Stifterkollektiv auch weiterhin erlaubt, in Rom mächtige Bauwerke zu errichten, deren Inschriften denKaiser im Dedikationsdativ nannten undso bezeugten, dass dieser oderjener Bogen demSenat zuverdanken sei. Tatsächlich waren dies dann aber doch nurMonumente zurVerherrlichung derHerrscher, wie etwa die Bögen
11 Suet.Aug.30.1; Tibull 1.7.57– 62 lobt in seinem Gedicht auf Messalla auch die von jenem gebauten Straßen bei Tusculum undAlba. 12 Eine Ausnahme waren wohl die Thermen des Licinius Sura auf demAventin. Es bleibt aber unklar, ob Traian demFreund, derWesentliches zu seiner Thronfolge geleistet hatte, erlaubt hatte, diese Bauten zuerrichten, oder ob derKaiser nach demToddes Sura zudessen Andenken die Bäder selbst stiftete. CIL VI 40690; Aur.Vict.13.5; Epit. de Caes.13.6; siehe auch KOLB 1995, 569.
13 FürVEYNE 1988, 586ff. ist dies auch ein Zugeständnis andie republikanischen Institutionen undihre Tradition der magistratischen Munera. Doch der kaiserzeitliche Usus, denNamen des Stifters nicht mehr zu erwähnen, warein solcher Bruch mit der republikanischen Praxis, dass manvoneinem solchen Zugeständnis nicht mehr reden kann. ImVordergrund stand die 14
vom Kaiser instrumentalisierte Finanzkraft anonym bleibender Stifter für den notwendigen Unterhalt des Reiches. So legten etwa Augustus undClaudius fest, dass nicht mehr als 120 Mannbei denSpektakeln auftreten sollten unddass die Ausgaben eines Amtsträgers diejenigen seiner Kollegen nicht übertreffen durften; Cassius Dio 54.2; 60.5. Weitere Beispiele bei VEYNE 1988, besonders 589f.
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des Titus, des Septimius Severus unddie Traianssäule.15 DemHauptstädter wurde auf diese Weise deutlich, dass der Kaiser der alleinige Euerget Roms war. In Italien war der Fall anders gelagert. Außerhalb Roms hatten die Kaiser während des ersten Jahrhunderts finanziell fast ausschließlich im Bedarfsfall eingegriffen, etwa nach Katastrophen. Die italische Bevölkerung war für die Akzeptanz des Monarchen und somit für die Stabilität der Kaiserherrschaft überhaupt irrelevant. Sie stand in keinem vergleichbaren Verhältnis zum Princeps wie die Plebs Urbana undmusste dementsprechend auch nicht annähernd intensiv hofiert
werden. Weder konnte sie auf die kaiserliche Herrschaftsdarstellung Einfluss nehmen, noch war sie eine wichtige Zielgruppe von deren Botschaften. Die Ausnahmen vonder Praxis des geringen kaiserlichen Engagements für Italien blieben selten. So waretwa dasdomitianische Weinbauedikt zur Steigerung derGetreideanbauflächen eine Maßnahme gewesen, um die italische Prosperität voranzutreiben.16 Doch gerade wegen der fehlenden kaiserlichen Initiative durften, ja, mussten Decurionen und Senatoren sich als Wohltäter in den Municipien engagieren. Allein durch diese Maßnahmen war die italische Infrastruktur gewährleistet, und so durften sich in den italischen Gemeinden jeweils einzelne Senatoren getrost profilieren, etwa in ihren Geburtsorten oder dort, wo sie Villen und Ländereien besaßen. Hier konnten sie als Patrone undEuergeten auftreten, Spiele veranstalten, Stiftungen ins Leben rufen undBauwerke errichten. Doch gegen Ende desersten Jahrhunderts nahm die Intensität deskaiserlichen Engagements außerhalb Roms zu. Seit Nerva wurden Maßnahmen zur infrastrukturellen Stärkung Italiens sogar auf Münzen der Reichsprägung dargestellt. Auf ihnen ließ derPrinceps etwa an seine Reduktion der Fuhrzölle erinnern.17 Mit dieser Maßnahme nahm er von den Municipien die Lasten des Unterhalts der Straßenstationen und bestritt diesen in der Folge aus der Staatskasse. Auch die von Nerva eingesetzte Ackerkommission und sein System der Alimentarstiftungen galten als geeignet, die italische Prosperität zu vermehren undfür einen Anstieg der Geburtenrate zu sorgen.18 Die Herrschaftsdarstellung hatte eine neue Facette gewonnen, die Imago des Kaisers beinhaltete in der Folge eine Cura Italiens.19
15
VEYNE 1988, 588 mitAnm. 390. –Siehe etwa die Dedikationsinschrift derTraianssäule, CIL VI 960 = ILS 294: SENATVS POPULVSQUE ROMANVS/ IMP CAESARI DIVI NERVAE F NERVAE/ TRAIANO AVG GERM DACICO PONTIF/ MAXIMO TRIB POT XVII IMP VI COS VI P P/ AD DECLARANDVM QVANTAE ALTITVDINIS/ MONS ET LOCVS TANT[is oper]IBVS SIT EGESTVS.
16 Suet.Dom.7.2; 14.2. 17 Siehe etwa RIC Nerva, Nr. 93, 104; BMCNerva, Nr. 119. –Zum Münzprogramm Nervas siehe konzise BRENNAN 2000 und SHOTTER 1983.
18 Siehe hierzu Plin.ep. 1.8.2,10; 4.13, 4.15; 7.18, 7.31. 19 Unter der Regierung Traians sollten diese Maßnahmen dann auch tatsächlich zunehmen. Seine Hafenneubauten und Straßenprojekte legen davon Zeugnis ab; LUMMEL 28f. Er ließ etwa die, ansonsten singuläre, Darstellung einer italischen Straße in allen Metallen massen989, 998f., 1012f. Unter Hadrian 491, 986– 641; BMCNr.484– haft prägen; RICNr. 266f., 636– wurde diese Heraushebung spezifisch italischer Themen wieder relativiert. Italien wurde nun etwa als eine von vielen in die Reihe der Provinzdarstellungen eingeordnet; siehe hierzu 32. LUMMEL 29–
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Nunhatte Nerva aber nicht nurselbst Maßnahmen zumAusbau Italiens ergriffen, sondern er hatte –wiePlinius in seinem Brief anTraian reflektiert –in einer Rede auch alle Bürger dazu aufgerufen, sich in ihren Heimatstädten oder in den ihnen verbundenen Gemeinden finanziell zu engagieren. Somit war das senatorische Engagement in Italien auf einer symbolischen Ebene aufgewertet worden. Es ging nicht mehr allein darum, sich in denGemeinden selbst hohes Ansehen als Euerget zu erwerben. Es wurde zu einer Geste der Akzeptanzbekundung gegenüber dem Princeps, dessen Beispiel demonstrativ zu folgen und dem Aufruf mit großzügigenGesten nachzukommen. Unter Traian sollte dies noch deutlicher werden. Er erweiterte den Empfängerkreis der staatlichen Alimentarstiftungen ganz erheblich und dehnte daneben mit zahlreichen Baumaßnahmen seine italische Cura aus.20 Auf diese Weise bot auch der Optimus Princeps den senatorischen Gemeindepatronen ein normatives Vorbild. Als Beispiel hierfür sei das Zusammenspiel privater undimperialer Alimentarstiftungen genannt. Die von einzelnen Senatoren undHonoratioren getragenen Alimentationen machten einen beträchtlichen Teil des gesamten Unterstützungsprogramms aus. Immerhin war manche private Stiftung, wie die des Plinius in seiner Heimatstadt Comum, erheblich höher dotiert als einzelne Stiftungen des Princeps.21 Natürlich stellten diese Patrone ihren Euergetismus in den vonihnen begünstigten Gemeinden zur Schau und verbreiteten ihre Liberalitas, wie Plinius es etwa literarisch tat. Doch es warTraian, der auf Münzen den Ruhm der Summe all dieser Maßnahmen für sich beanspruchte, den Ruhm einer umfassenden Alimentatio Italiae. Er ließ sich, wiehier gezeigt, wegen der Gesamtheit der kaiserlichen und senatorischen Stiftungen als der Restitutor Italiae abbilden.22
20 Zu der Alimentation Italiens
siehe vor allem ECK 1979 und vergleiche jüngst
Lo CASCIO
2000.
21 Plinius selbst stiftete in Comum 500.000 HS (CIL V 5262; Plin.ep.7.18). Für Tarracina ist eine Stiftung von 1.000.000 HS bezeugt (CIL X 6328) undaußerhalb Italiens sogar in Höhe von 1.300.000 HS (Sicca, CIL VIII 1641). Die beiden bekanntesten Stiftungen Traians in Italien lagen zumTeil deutlich unter diesen Summen. In Veleia zahlte der Herrscher 1.044.000 HS (CIL XI 1147), in Ligures Baebiani 401.800 HS (CIL IX 1455) an die Grundeigentümer aus.
22 Traian ließ massenweise
Münzen mit diesen beiden Bildern emittieren. Die Darstellung der ALIM(entatio) ITAL(iae) zeigte ihn mit der personifizierten Italia, welche demKaiser zwei Kinder zuführt. Auch auf der Darstellung der REST(itutio) ITAL(iae) ist der Princeps als Wohltäter Italiens abgebildet. Er hilft der knienden Personifikation Italiens auf, welche wiederum in Begleitung zweier Kinder ist. Der bildliche Anklang verdeutlicht, dass der Kaiser sein Alimentationssystem als Ursache für die Renovatio Italiens angesehen haben wollte; RIC Nr. 105f., 461f., 470; BMCNr. 186*, 194*, 202+, 404, 870. –Eine Abbildung dieser Prägung ALIM(entatio) ITAL(iae) findet sich im Kapitel zu den Restitutionsmünzen im Abschnitt 7 . Libertas –DiePlutei Traiani“ „
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189
Das ist verständlich, daderKaiser auch trotz derhochdotierten Stiftungen von Senatoren undDecurionen immer noch die Hauptlast der finanziellen Belastung insgesamt trug. Immerhin kamen diejeweiligen Stifter zumeist nurfür einen oder zwei Orte auf, derHerrscher aber für viele. Aber dies warnicht dereinzige Grund seines umfassenden Anspruchs. Die Gemeinden besaßen zwar einen weniger engenpersönlichen Kontakt zumKaiser als zuihren jeweiligen Patronen, welche die Municipien regelmäßig besuchten, doch mit den Alimentationen, egal, ob privat oder öffentlich, wurden die Cives, die Untertanen desKaisers, gefördert. Letztlich besaß allein derKaiser die Loyalität seiner Bürger, nicht dereinzelne senatorische Patron. Dieser verdankte seine politischen undfinanziellen Einflussmöglichkeiten allein demSpielraum, denderPrinceps ihmgewährte. DerBürger eines italischen Municipiums warimtäglichen Leben zwar wohlvertraut mitjenen Stiftungen, die senatorische Patrone seinem Städtchen hatten zukommen lassen, doch er konnte auch sehen, dass diese einzelnen Euergeten Italiens sich wiederum zusammentaten, umals Kollektiv Monumente zumRuhm des Kaisers zu errichten, und dass sie ihre Position allein dessen Huldverdankten. Die Wohltäter einzelner Gemeinden ehrten also ihrerseits den obersten –und alleinigen –Wohltäter des Gesamtstaates. Diese Bauwerke zu Ehren des Herrschers, etwa die Ehrenbögen vonAncona undBenevent, wiesen auf die allumfassende Fürsorge desPrinceps hin, dessen Cura alle senatorischen Einzeltaten übertreffe.23 So beanspruchte der Kaiser auch in Italien, dem noch verbliebenen Feld senatorischer Euergesie, seine Vorrangstellung als Patron.24 Mochten sich also auch zahlreiche Angehörige der Reichselite in den ihnen verbundenen Landgemeinden engagierten, so nahm der Kaiser für sich allein in Anspruch, die Prosperität Gesamtitaliens voranzutreiben. Schon der Großvater der Ehefrau des Plinius, L. Calpurnius Fabatus, hatte in Comumeine Säulenhalle gestiftet unddazu noch die Stadttore verschönern lassen.25 Plinius selbst hatte noch zuLebzeiten Nervas eine Bibliothek in Comum gestiftet, außerdem dort einen Teil der Kosten für eine Schule undderen Lehrer übernommen und eine private Alimentarstiftung ins Leben gerufen.26 Es war selbstverständlich, dass der Senator sich seiner finanziellen Stiftungen auch öffentlich rühmte. Er tat dies mit Inschriften, die er an dengestifteten Bauwerken anbringen ließ, undin Form seiner publizierten Briefe, in denen er einem Lesepublikum von
23 Senat undVolk von Romhatten
diese Bögen gestiftet. Der Bogen vonAncona erinnerte an dendortigen Hafenbau undverzeichnete mit seiner Inschrift, dass Traian mit eigenen Mitteln die Verbindungen zwischen Italien unddenProvinzen zurSee verbessert habe. AufderAttika des Bogens scheinen Statuen des Kaisers, seiner Frau undseiner Schwester gestanden zu haben; CIL IX 5894 = ILS 298 im Jahre 115. 24 Ihren Anspruch auf eine gesamtitalische Cura hatten die Kaiser seit jeher erhoben. Ihre Aufgabe waretwa deritalische Straßenbau. DieMeilensteine trugen ihren Namen undzeigten als Leistungsdokumente ganz Italien, wemVerkehr undKommunikation zu danken waren; KUHOFF 1993, 203
25 Plin.ep.5.11.1 aus demJahre 104. 26 Plin.ep. 1.8.2, 10; 4.13; 7.18.
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seiner Freigebigkeit berichtete.27 Plinius bereitete sogar jene Rede zur Publikation vor, die er bei der Einweihung der von ihm gestifteten Bibliotek gehalten hatte, und versäumte auch nicht, auf die Tradition der Wohltätigkeit in seiner Familie hinzuweisen.28 Auf diese Weise stellte Plinius sich als einen gütigen Patron dar, als einen Euergeten, der einer ihm verbundenen Gemeinde zumAufschwung verhelfe, wenn wer seinen Lesern etwa demonstrierte, erhebliche Geldmittel einzusetzen, doch diese nurfür ganz bestimmte Zwecke aufzuwenden.29 Denn er sprach sich explizit dagegen aus, Spiele und Gladiatorenkämpfe zu stiften. Stattdessen
investiere er in dieAusbildung vonKindern. Plinius weist aber auf die Mühen dieser Art vonUnterstützung hin. DenMenschen seien Vergnügungen für Augen undOhren nämlich willkommener als Zuschüsse für die Erziehung ihres Nachwuchses. Er betont, dass seine Stiftungen gerade deswegen wichtig seien, weil er sich gegen die Trägheit der von ihmBegünstigten durchsetzen müsse, die von sich aus keine Initiative zur Förderung ihrer Söhne undTöchter entwickelten. Er selbst könne aber besser als jene erkennen, was gut für sie undgut für den Staat sei, nämlich die Ausbildung ihrer Kinder. Plinius stilisiert sich seinem Publikum gegenüber also nicht nurals Liebhaber der studia undFörderer des intellektuellen Lebens. Er stellt vor allem eindringlich seine paternale Fürsorge dar, seine Verantwortung, für die Bürger der ihm verbundenen Gemeinden auch gegen deren Widerstand dasRichtige zutun. Diese öffentliche Demonstration seiner paternalen Cura für die Heimatstadt besaß ihr Gegenstück in der Cura des Kaisers als Pater Patriae für den Staat. Seit Beginn des traianischen Principats waren Alimentation und intellektuelle Förderung der Jugend fester Bestandteil der Herrschaftsdarstellung gewesen.30 Plinius beteuerte sogar, er ziehe in seinen Taten die öffentlichen Interessen seinen privaten vor. Schließlich sei derallgemeine Nutzen seiner Schenkungen größer als der persönliche Ruhm, der ihm dadurch zukomme.31 Zwar lasse ihm die von ihm finanzierte Alimentation finanzielle Nachteile entstehen, doch seien eigene Vorteile vergänglich, öffentliche jedoch währten ewig.32 Umeine Stiftung müsse mansich jedenfalls sorgfältiger kümmern als umdaseigene Vermögen. In einer Zeit, in der die Cura Italiens immer größere Relevanz in derHerrschaftsdarstellung erlangte, wurden solche Aussagen von senatorischen Patronen zu Demonstrationen ihrer Akzeptanz des Princeps, wenn sie sich gemäß dem herrscherlichen Aufruf verhielten, diekaiserliche Tat zumVorbild nahmen undihr eigenes Tunausdengleisiehe hierzu ECK2001 –Die Inschrift stammt wohl aus Comum undwarwohl über demEingang der Thermen angebracht, deren testamentarische Stiftung auf Plinius zu-
27 CIL V 5262;
28 29 30
rückging. Dieser Brief 1.8, hier besonders Abschnitt 5, ist ein Musterbeispiel für die Stilisierung als Wohltäter gegenüber deneigenen Standesgenossen. Siehe etwa Plin.ep.7.18.2. Siehe etwa Paneg.26f.; 47.1 f. –ZurKorrespondenz derDarstellung des Plinius als pater familias in seinen Briefen undderDarstellung Traians als pater patriae imPanegyricus siehe auch schon v. HAEHLING 1994, 61.
31 Plin.ep.1.8.13. 32 Plin.ep.7.18.5.
13. PLINIUS ERSUCHT UM URLAUB
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chen Tugenden entstehen ließen, die auch zentraler Bestandteil der kaiserlichen Imago waren.
In diesem Sinne ließ sich auch die von Plinius geplante Reise nach Tifernum Tiberinum in mehrfacher Hinsicht als ein Beweis für seine Akzeptanz Traians verstehen. Zunächst war die Stiftung eines Tempels ein Beitrag zur Aufwertung der Gemeinde nach dem Vorbild des kaiserlichen Engagements in Italien. Daneben habe er, berichtet der Senator demPrinceps, zur Ausstattung des von ihmzu stiftenden Tempels Kaiserstatuen aus seinem eigenen Besitz vorgesehen. Nerva habe ihm bereits huldvoll gestattet, sein Standbild in dem zu errichtenden Bauwerk aufzustellen. Nun sei es seine größte Bitte, dass auch Traian ihm die Errichtung Über dieses Angebot hinaus, die statuarische Präseiner Statue erlauben senz Traians in dem Städtchen zu verstärken, berichtet Plinius demKaiser aber noch von einem weiteren Anliegen, welches dieser ebenfalls als direkte Akzeptanzbezeugung auffassen mochte. Plinius wolle nämlich die Gelegenheit derReise nutzen, bei dem abgelegenen Municipium nach seinen Gütern zu sehen.34 Es sei nötig geworden, die Ländereien neuzu verpachten, damit der zukünftige Pächter noch rechtzeitig den Rebschnitt vornehmen könne. Zudem müsse er wegen der ständigen Missernten noch vorOrteine Senkung desPachtzinses prüfen. Plinius stellt sich in diesem Brief Traian gegenüber als einen aufmerksamen Gutsherrn dar, der um das Wohl seiner Ländereien undder Menschen, welche diese Güter als Pächter bewirtschaften, sehr besorgt sei. Gerade auch um das Schicksal deseinzelnen kümmere er sich. Er demonstriert demKaiser, in die wirtschaftlichen Notwendigkeiten seiner Güter eingeweiht zu sein, sich mit den jeweils aktuellen Problemen dort zubeschäftigen undauch in derLage zu sein, diese Probleme bei eigener Besichtigung selbstständig zu lösen. Denn genau dafür brauche er ja den Urlaub. Außerdem betont Plinius in dem Urlaubsgesuch an Traian, er tue etwas für die rückständigen Gebiete Italiens, wenn er berichtet, seine Ländereien lägen wirklich weitab von Rom. Insgesamt demonstriert Plinius also, gemäß des kaiserlichen Vorbilds zuhandeln: Mit seiner Einstellung undden daraus resultierenden Taten tue er seinen Teil für die Prosperität Italiens, unddies sogar in einem derart abgelegenen Teil desLandes, wie er schreibt. Doch zugleich betont der Senator zuwissen, dass er die rasche Ausführung seiner Pietas unddie Ordnung seiner eigenen Angelegenheiten allein der Indulgentia des Kaisers zu verdanken haben werde.
möge.33
Nunist aber auffällig, wie Plinius eben diesen Tempelbau in Tifernum Tiberinum undseinen Patronat über diese Gemeinde überhaupt in einem Brief aus demJahre 104 an den Großvater seiner Frau, Calpurnius Fabatus aus Comum, schildert.35 33
Plin.ep. 10.8.4: Rogo ergo ante omnia, permittas mihi opus, quodincohaturus sum, exornare et tuastatua. 34 Der Senator weist deutlich darauf hin, dass seine Ländereien recht groß seien, da ihr Pachtzins jährlich über 400.000 Sesterzen betrage, und dass sie weit entfernt von Rom liegen;
10.8.5f.
35 Plin.ep.4.1.
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Der Ton ist ein ganz anderer als in seinem Urlaubsgesuch an den Kaiser einige Jahre zuvor. Plinius antwortet in diesem Schreiben auf eine Emladung des Calpurnius Fabatus, er werde gerne die gemeinsame Heimatgemeinde besuchen. Vorher jedoch müsse er noch einen Abstecher nach Etrurien machen. Dorthin werde er aber nicht reisen, um seine Ländereien zu besichtigen; das könne man gut aufschieben. Nein, er müsse sich einer notwendigen Pflicht unterziehen: ein von ihm gestifteter Tempel müsse eingeweiht werden.36 Insgesamt hoffe er, sich nurmöglichst kurz in dieser Gemeinde aufhalten zumüssen, nicht länger als einen Tag. Wenn er noch einen weiteren Tag dort verbringen müsse, werde er die eigentliche Reise nach Comum umso schneller vorantreiben. Insgesamt schildert Plinius seinen Patronat in Tifernum Tiberinum als eine Last, von der er nicht so recht wisse, was er davon halten solle. Das Städtchen habe ihn einst zwar mit großem Eifer aber nur geringem Urteilsvermögen zum Patron ernannt, als er selbst fast noch ein Knabe gewesen sei.37 Das Verhalten der Gemeinde ihm gegenüber schildert der Senator als eine Reihe kindlicher Empfindungen, denen er seinerseits nun auch nachgeben müsse. Den Tempel habe er überhaupt nurgebaut, umsich für diese Begeisterung dankbar zuzeigen; schließlich sei es schändlich, sich in Fragen der Zuneigung übertreffen zu lassen.38 Die verspätete Einweihung des Tempels erscheint auffällig, immerhin hatte Plinius den Bau bereits im Principat Nervas geplant. In den Jahren 97/98 war er an der Suche eines Bauplatzes vermeintlich gehindert worden, wie aus seinem Urlaubsgesuch imSommer 99 deutlich wurde, undnunerst, imJahre 104, reiste derSenator nach Tifernum Tiberinum, umdasBauwerk endlich einzuweihen. Seine Worte lassen erkennen, dass der Tempel schon seit geraumer Zeit fertig gestellt war: Es sei mittlerweile nämlich inreligiosum, die Weihung immer noch länger hinaus zu schieben.39 Offenbar wurde also der Kultbetrieb allein dadurch verhindert, dass der Stifter des Bauwerks und Patron der Gemeinde sich bislang keine Zeit genommen hatte, denTempel einzuweihen.40 Hier ist keine Rede davon, dass er mit seinen Stiftungen sorgsamer umgehe als mit demeigenen Vermögen, wie Plinius an anderer Stelle schrieb.41 Diese Äußerungen des Senators sind charakteristisch dafür, wie er in seinen Briefen die Aufenthalte auf seinen Landgütern schildert.42 Die Besitzungen stili36 Plin.ep.4.1.3: Erit una sed brevis mora: deflectemus in Tuscos, non ut agros remque familia, sedut fungamur necessario officio. remoculis subiciamus –id enim postponi potest – 37 Plin.ep.4.1.4: Oppidum est praediis nostris vicinum –nomen Tiferni Tiberini – , quod me
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paene adhuc puerum patronum cooptavit, tanto maiore studio quanto minore iudicio. Adventusmeos celebrat, profectionibus angitur, honoribus gaudet. Plin.ep.4.1.5: In hoc ego, ut referrem gratiam –nam vinci in amore turpissimum est – , templum pecunia meaexstruxi;... Plin.ep.4.1.5: templum pecunia mea exstruxi, cuius dedicationem, cum sit paratum, differre longius irreligiosum est. Voneiner Verschleppung derArbeiten durch die Gemeinde kann kaumdieRede sein. Plinius betont sogar die Eilfertigkeit der Decurionen, die ihm selbst die Auswahl des Bauplatzes freigestellt hätten; ep.10.8.2.
41 Plin.ep.7.18.5. 42 Siehe etwaPlin.ep.5.14.8; 7.30.2f; 9.15; 9.37.
13. PLINIUS ERSUCHT UM URLAUB
siert
er zu Stätten eines
‚otium studiosum‘;
193
zu Orten, an denen er die Geschäftig-
keit Roms, welche ihmoftmals so verleidet sei, nicht etwa ablege, sondern sie auf das Feld der studia projiziere. So berichtete Plinius, auf dem Land die eigenen Prozessreden zu überarbeiten undsich Diskussionspartner dorthin einzuladen. Er bittet sogar den amtierenden Consul, ihm die acta urbana zuzuschicken, damit er
trotz seiner Abwesenheit in denStaatsgeschäften informiert bleibe. Seine Arbeitslust auf demLande scheint seinem hauptstädtischen Arbeitspensum also in nichts nachzustehen. Sobald jedoch praktische Probleme in der Gutsverwaltung auftauchen, undPlinius veranlasst wird, den Pflichten eines Grundbesitzers nachzugehen, drückt er deutlich seinen Unmut über das Landleben aus. Die Bauern belästigten ihn mit ihren Bitten, beklagt er sich, undihre Rechnungen lese er nur ungern undflüchtig. Außerdem beanspruchten zu viele Leute seine Zeit, da sie ihn als Richter oder Vermittler in ihrem Streit forderten. Manchmal, berichtet Plinius, setze er sich garauf ein Pferd, durchreite die Güter undspiele denPater Familias, nurumsich überhaupt einmal bewegen zukönnen.43 Da wird denn auch die Pflicht, einen neuen Pächter zu suchen, anders als in seinem Urlaubsgesuch an Traian, nicht als ein Werk der Fürsorge, sondern als eine große Bürde dargestellt. Als seine Pächter zunehmend Probleme bekommen, ihre Rückstände zubezahlen, undes Plinius scheint, als gäben sie sich dabei auch gar keine Mühe mehr, bezeichnet er dieses Verhalten als hartnäckige Krankheit und findet neue Wege, an die ihm zustehende Pachtsumme zu gelangen. Seine Bauern, berichtet er nämlich, müssten ihmnuneinen Teil der Ernte in Naturalien abliefern. So würde verhindert, dass sie weiterhin alles allein für sich verbrauchten, ohne ihm sein Geld zu geben. ZurKontrolle werde er also einige Sklaven die Arbeit undErnte derBauern beaufsichtigen lassen.44 Plinius konstruiert also in denvonihmselbst publizierten Briefen für sich eine anders akzentuierte Imago des Landbesitzers als in seiner Korrespondenz mit demKaiser. Gegenüber seiner Leserschaft nimmt er die Rolle eines Gutsbesitzers ein, der die Idylle des Landes suche, um sich dort seinen studia hinzugeben, für welche Rom mit seinen Amtsaufgaben undSenatsgeschäften zu hektisch sei. Die Bauern und deren Angelegenheiten aber hielten ihn von diesem Leben ab. Nun darf manaber angesichts dieser Darstellung nicht vergessen, dass Plinius betont, sich umdiese Probleme zwar nurungern zukümmern, aber es eben doch zutun.45
43 Plin.ep.9.15.3: patrem familias...ago. 44 Plin.ep.9.37. 45 KEHOE 1988 und 1989 undLUDOLPH 1997, 48f. behaupten, dass Plinius sich in den ersten neun Briefbüchern bewusst als landwirtschaftlich ungeübten Stadtrömer dargestellt hätte, der nur gelegentlich den Landmann gespielt habe, obwohl für den aufmerksamen Leser hinter dieser Fassade ein ökonomisch aktiver Landbesitzer durchscheine. In seinen Briefen anTraianhabe sich Plinius aber als Experte in landwirtschaftlichen Fragen stilisiert. Als Ursache fürdiese unterschiedliche Darstellung wird die Differenz vonliterarisch stilisierten Briefen undsogenannten Gebrauchsbriefen genannt. Daszehnte Briefbuch sei schließlich nicht zur Publikation vorgesehen gewesen; siehe etwa RADICE 1962. LUDOLPH 1997, 50 verkannte zwar nicht, „ dass es ein Spezialfall ist, wenn ein Untergebener an seinen Kaiser schreibt, unddass manin einem solchen Briefwechsel...a priori mit Formen des bewussten Ausdrucks rechnen muss, vor allem natürlich in offiziellen Dank- und Grußadressen.“
VOM RHEIN NACHROM
194
In der Tat beschwert er sich bei seinen
Korrespondenten unddemLesepublikum seiner Briefe, wie viele Klagen seiner Bauern er sich anhören müsse undwie viel Ärger die Suche nach einem Pächter bedeute. Doch die Berichte über das vermeintliche Übermaß an Arbeit unddas Lamentieren über diese Arbeit sind letztendlich zwei Aspekte einer bewussten Stilisierung seiner Rolle als Senator auf dem Lande. Denn in allen diesen Briefen besitzen gerade die berichteten Beschwerlichkeiten die Funktion, dem Leser zu demonstrieren, dass Plinius seine Pflichten als Gutsbesitzer gegenüber den Bauern doch sehr ernst nehme. Gerade dieser Aspekt derFürsorge ist in denersten neun Briefbüchern herausgehoben. Im Übrigen sind diese Aspekte der stilisierenden Darstellung als Landbesitzer nichts anderes als die fortwährenden Hinweise auf die Beschwerlichkeit seines jeweils aktuellen Amtes, das er in Rom bekleide; ein Topos in allen Briefbüchern außer dem zehnten. Auch hierbei demonstriert die Klage über Arbeitsauslastung nur, dass der Senator seine Aufgaben gewissenhaft erfülle.46 Betrachten wirein weiteres Beispiel. Seine Klage über beschwerliche Pflichterfüllung auf dem Lande illustriert Plinius etwa damit, dass es für eine effektive Alimentation nötig sei, ein für ihn kompliziertes Verpachtungssystem zu wählen, dadie Gemeinde mit geschenktem Geld wohl verantwortungslos umgehen werde. Auch würde dasvonPlinius gestiftete Ausbildungsgeld schlichtweg verschwendet werden, wenn er seine Zahlungen nicht an die Bedingung geknüpft hätte, dass die Gemeinde ihrerseits einen Teil dieser Unterstützung zu übernehmen habe. Schließlich gebe Plinius, wie schon erwähnt, sein Geld lieber für die Erziehung vonKindern aus als für Gladiatorenspiele, selbst wenn letzteres vonderGemeinde lieber gesehen werde.47 Die Beschwernisse resultieren also allein ausdemgroßenMaßderFürsorge desPlinius. Der wesentliche Unterschied des zehnten BuDaneben aber gebe es imzehnten Buch „eine ganze Reihe vonBriefen, die Plinius ganz mit einer Sache befasst zeigen und die man im Sinne eines impliziten und unbewussten Ausdrucks auswerten kann.“ Nun ist es aber naiv, für diese Schreiben an den Kaiser ein geringeres Maß an literarischer Stilisierung anzunehmen, weil ihr Autor sie nicht zur Publikation vorgesehen habe. Eine solcheEinschätzung derBriefe anTraian missachtet denhochgradig stilisierten undprogrammatischen Charakter, dengerade diese Schreiben haben. Ineklatanter Weise werden so diehistorische Situation ihrer Abfassung und ihre kommunikative Funktion im Kontakt mit dem Princeps vernachlässigt. Wenn Plinius sich zu demgleichen Thema imzehnten Buch anders äußert als in denersten neun, so wird dadurch längst nicht derunbewusste Ausdruck desAutors deutlich, eben der „wahre“Plinius. An diesem Punkt hätten sich die Autoren vielmehr die Frage stellen müssen, warum der Autor sich jeweils auf diese spezifische Weise dargestellt haben mag. Meiner Ansicht nach ist bereits eine Prämisse derArgumentation von LUDOLPH 1997, 48 unzutreffend. Der Autor geht nämlich davon aus, dass Plinius „ in Übereinstimmung mit der verbreiteten Haltung seiner Klasse Desinteresse an ökonomischen Problemen demonstriert...“ . Es gibt aber zahlreiche Belege in denBriefen, dass Plinius sich sehr bewusst zu ökonomischen Fragen seiner Güter äußert. Beispiele hierfür sind etwa 3.19; 8.2; 9.37; außerdem
9.16; 9.20.2.
46 Die wichtigsten
Passagen
umdieses
Phänomen
9.37.5; daneben Plin.ep.9.15.1; 9.36.6. 47 Plin.ep.1.8.10–13; 4.13.5f.; 7.18.1.
zu illustrieren sind Plin.ep.5.14.8; 7.30.2ff.;
13. PLINIUS ERSUCHT UM URLAUB
195
ches zu den anderen Briefbüchern liegt darin, dass von den Lasten einer solchen Fürsorge in den Schreiben an Traian keine Rede ist. Doch beiden Registern der Darstellung ist gemeinsam, dass Plinius von sich selbst das Bild eines pflichtbewussten Amtsträgers und eines verantwortungsvollen Untertanen des Kaisers entwirft. Als solcher unterhalte er große Güter und widme seine Einkünfte und seine Energie der Fürsorge für ein italisches Städtchen. Der Senator demonstriert auf diese Weise, in seinem privaten Einflussbereich undals Patron einer Gemeinde in Etrurien Dinge in Gang zu setzen, die ihr Vorbild in der Fürsorge des Kaisers als Pater Patriae in Italien hätten. Als Triebkräfte seiner Wohltaten nennt Plinius denn auch bestimmte Taten undTugenden, die fester Bestandteil derkaiserlichen Imago waren, etwa munificentia und liberalitas. Plinius geht mit seinem Vergleich sogar noch darüber hinaus, wenn er seine private Alimentarstiftung als aeterna bezeichnet.48 Hiermit bedient er sich bewusst einer Terminologie, mit der auch Traians Wirken zumWohle Italiens beschrieben wurde. Es galt nämlich als elementarer Bestandteil der Imago des fürsorglichen Kaisers, mit seinen Stiftungenfür die Aeternitas Italiens Sorge zutragen.49
In seinem Antwortschreiben an Plinius sollte Traian allen Punkten des Anliegens zustimmen.50 Hatte Plinius die Ernsthaftigkeit seiner Amtsführung betont, so honorierte derPrinceps diese Beteuerung nun, indem er denPräfekten darin bestätigte, tatsächlich ein districtum officium zu bekleiden. Außerdem erhielt Plinius die et multas Genehmigung zu einem Urlaub während des Septembers, da er dafür „ privatas et omnes publicas causas“vorgebracht habe, wie Traian betonte; also, viele private unddaneben sämtliche im öffentlichen Interesse liegenden Gründe, oder aber, Gründe, von denen viele privat, alle jedoch öffentlich seien. Unsere bisherige Betrachtung des Briefes legt die zweite Möglichkeit nahe. Plinius hatte zwar als Gründe für sein Urlaubsgesuch private Anliegen angeführt; also Gründe, dienicht mitseiner öffentlichen Person als Amtsträger zusammenhingen, schließlich wolle er als von einer Gemeinde ernannter Patron auf eigene Kosten einen Tempel errichten, diesen mit Statuen aus seinem Besitz ausstatten undauf seinen eigenen Gütern nach demRechten sehen. Wirhatten jedoch gesehen, in welchem Maß diese scheinbar rein privaten Tätigkeiten mit den Zielen der traianischen Herrschaftsdarstellung konform waren. In der etrurischen Gemeinde selbst stellte sich Plinius öffentlich als Patron dar. Daneben beschrieb er den Tempelbau in seinen zur Publikation vorgesehenen Briefen. Vor allem aber präsentierte er sich Traian als Fürsorger einer abgelegen Landstadt, wobei er seine Tätigkeit selbst 48 Plin.ep.7.18.5: Sedoportet privatis utilitatibus publicas, mortalibus aeternas anteferre. 49 Dies wird etwa in einer Inschrift aus Ferentinum deutlich (CIL VI 1492=ILS 6106 vom 19. Oktober 101). Die Alimentarstiftung in dieser Gemeinde solle von allen Zeiten dankbar gepriesen werden, dasie ein WegzurAeternitas Italiens sie. Die Gemeinde erinnert hierzu an ihren Patron T.Pomponius Bassus undandie vonjenem initiierte Alimentarstiftung: demandatam sibi curam ab indulgentissimo Imp. Caesare Nerva Traiano Augusto Germanico, qua aeternitati Italiae suae prospexit, secundum liberalitatem eius ita ordinare, ut omnis aetas curae eius merito gratias agere debeat. 50 Plin.ep.10.9.
VOM RHEIN NACHROM
196
und deren Motivation mit Inhalten und Ausdrucksformen der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung korrespondieren ließ. Die Taten des privaten Umfelds waren also injeder Hinsicht Handlungen mit einem öffentlichen Charakter. Plinius hatte in seinem Schreiben verstanden, seine eigenen ökonomischen Interessen mit Motiven der Herrschaftsdarstellung zu vermengen undauf diese Weise seine Akzeptanz von deren Inhalten bewiesen. Traian honorierte dieses Bekenntnis, indem er Plinius erlaubte, Romzuverlassen. Auf die Bitte des Plinius, in demTempel auch eine Statue Traians aufstellen zu dürfen, ging derKaiser gesondert ein. Plinius möge dieses Standbild ruhig errichten. Er solle jedoch wissen, dass Traian solche Ehren nuräußerst sparsam gewähre.51 Der Wortlaut überlässt es auch an dieser Stelle unserer Interpretation, wessen honores hier gemeint seien. Zunächst scheint eindeutig, dass damit die Ehren für Traian gemeint seien, schließlich ging es umseine Statue. Nunist im Laufe unserer Darstellung aber immer wieder auch deutlich geworden, dass die herrscherliche Erlaubnis, bestimmte Dinge tun zu dürfen, für die Senatoren eine begehrte soziale Ressource war, umderen Erlangung die Standesgenossen miteinander konkurrierten. Die Genehmigung, mitten in Italien in einem Tempel eine kaiserliche Statue aufstellen zu dürfen, waraußergewöhnlich undfür denErrichter besonders prestigeträchtig. Wenn der Princeps explizit betonte, dies nur sehr selten zu erlauben, erwuchsen aus derkaiserlichen Zustimmung vor allem Plinius erhebliche honores.52 Mit seinem Bittschreiben hatte der Präfekt dieser kaiserlichen Geste denWeg bereitet. Denn Plinius hatte den Bau des Tempels, und somit indirekt auch die Aufstellung der Statue, als ein Werk seiner Pietas bezeichnet. Deren Umsetzung aber, schrieb er, werde er allein derIndulgentia Traians zu verdanken haben. Die Worte Pietas und Indulgentia verhalten sich komplementär zueinander. Sie bezeichnen ein hierarchisches Verhältnis zwischen zwei Personen. Wie schon in seiner Bitte umeine Statuserhöhung des Voconius Romanus betonte Plinius also auch hier, dass er sich Traians huldvoller Entscheidung unterwerfe.53 Die kaiserliche Indulgentia konnte nicht eingefordert werden. Sie wurde eben nurdemjenigen gewährt, derseinerseits bewusst daskomplementäre Verhalten demonstrierte. Die Pietas war das pflichtbewusste Verhalten gegenüber Autoritäten, mithin das bewusste Einnehmen einer untergeordneten Position, die den Höherstehenden in dessen Primat bestätigte. Traian betonte diesen Aspekt in seiner Antwort ganz besonders, indem er die Aussage des Senators präzisierte: Die Aufstellung seiner
51 Plin.ep.10.9: 52
53
Statuam poni mihi a te eo quo desideras loco, quamquam eius modi honorum parcissimus tarnen patior, ne impedisse cursum erga mepietatis tuae videar. Die Zustimmung Nervas, dessen Standbild zu errichten, wird von Plinius als ein Argument ins Feld geführt, dass auch Traian derAufstellung seiner Statue zustimme. DerPrinceps sollte aktueller Endpunkt einer Kaiserreihe sein. Ihm wurde bewusst nicht signalisiert, dass seine Statue etwa in einem kultischen Rahmen besonders herausgehoben sein werde. Daher betont Plinius auch, er habe die Kaiserstatuen von den Vorbesitzern seines Gutes übernommen. Er signalisiert, diese seien ihmgewissermaßen gerade zurHandundnunmüsse er die Reihe nur noch aufdenaktuellen Stand bringen. Plin.ep.10.4, besonders 1und5. – ZuIndulgentia undPietas siehe auchCOTTON 1984.
13. PLINIUS ERSUCHT UM URLAUB
197
Statue werde er genehmigen, um nicht den Eindruck zu erwecken, er behindere . den “cursum pietatis erga me” Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass Traian Ausdruck undInhalt der Herrschaftsdarstellung, wie sie in denWorten des Plinius formuliert waren, modifiziert hatte. Denn die Gebrauchsbedingungen des Wortes Pietas sind in demkai-
serlichen Antwortschreiben deutlich anders als in demUrlaubsgesuch des Senators. Während Plinius die Stiftung des Tempels insgesamt als Werk seiner Pietas bezeichnet hatte, nahm Traians Antwort die Formulierung des Senators bewusst auf, doch nannte allein die Errichtung der kaiserlichen Statue einen Akt der Pietas des Plinius. Der Herrscher bekräftigte auf diese Weise das hierarchische Gefälle zwischen ihnen. Seine Indulgentia gewähre er Plinius gern, sofern dieser ihmPietas entgegenbringe und auf diese Weise die ihm übergeordnete Stellung Traians signalisiere. Denn es wardeutlich, dass die Erfüllung aller Bitten des Senators auf die kaiserliche Zustimmung angewiesen waren: vomUrlaub während des Amtes, der ihm die Verfolgung seiner ökonomischen Interessen ermöglichte, bis zur Errichtung des kaiserlichen Standbildes, welche Plinius erheblichen Statuszuwachs unter seinen Standesgenossen einbrachte. Insgesamt gesehen, konnte Plinius ein weiteres Mal erkennen, dass derabwesende Kaiser ihmgewogen war.
14. PLINIUS ERWARTET DENKAISER EXOPTATISSIMUS ADVENTUS1
Im Sommer 99 erreichte denKaiser ein weiterer Brief des Plinius.2 Dies sollte die letzte Epistel sein, die der Senator Traian vor dessen Rückkehr nach Rom im Oktober dieses Jahres schickte. In dem Schreiben bedankte sich Plinius beim Princeps zunächst für die prompte Verleihung des alexandrinischen Bürgerrechts
an seinen Masseur Arpocras, um welche er zuvor gebeten hatte.3 Diesem Dank fügte derSenator amEnde desBriefes aber noch einAnliegen hinzu: Er beabsichtige nämlich, demKaiser entgegenzureisen. Er bitte also darum, demHerrscher eine möglichst weite Strecke entgegen eilen zu dürfen, umsich so bald als möglich dersehnlichst erwünschten Rückkehr Traians erfreuen zukönnen.4 DerGrund für diese Bitte scheint evident zu sein. Nach langer Zeit kehrte Traian endlich wieder in seine Hauptstadt zurück. Es verwundert also nicht, dass der Senator beabsichtigte, denKaiser schon früh in Italien zuempfangen, umauf diese Weise, wie er betont, seiner besonderen Freude Ausdruck zu verleihen. Doch die Tatsache, dass Plinius sich veranlasst sah, zunächst einen Brief mit diesem Gesuch zu schreiben unddemKaiser nicht einfach ohne diese schriftliche Rückversicherung entgegen zueilen, bedarf einer näheren Betrachtung. 1 2
3 4
In Anlehnung anPlin.ep. 10.10.2. Der Brief muss in die Zeit unmittelbar vor demEintreffen Traians in Italien datiert werden. Der vorangegangene Brief des Präfekten an denKaiser (ep.10.8) hatte die Rückkehr Traians noch mit keinem Wort erwähnt. Mindestens bis zumJuli war also die Nachricht, der Kaiser werde nach Italien kommen, in Rom noch nicht publik geworden. Die Heimkehr erfolgte wohl im Oktober des Jahres 99. Gesichert ist Traians Aufenthalt in Italien zumindest ab den Iden des November dieses Jahres, da ein Brief des Kaisers an die Stadt Delphi von Antium ausmitCOSII datiert ist; siehe SHERWIN-WHITE 1966 adloc. STRACK 1931, 79, 88f. begründete außerdem plausibel, dass die Rückkehr Traians vor dem ersten Congiarium datierte, welches in Plin.paneg.41.1 beschrieben ist. Die Münzen, welche bei dieser Gelegenheit emittiert wurden, sind aber mit COS II datiert. Mithin fand das Congiarium vor denConsulatswahlen des Jahres 99 statt, die in Plin.paneg.61, 63f. dargestellt sind. Die Ankunft Traians erfolgte aber erst, nachdem die Missernten in Ägypten bekannt geworden waren (Plin.paneg.30f.). Somit kann der kaiserliche Adventus zwischen diesen beiden Ereignissen datiert werden, wodurch die Rekonstruktion auch einer absoluten Chronologie möglich wird. Zudem lassen die Regierungsakte, von denen Plinius in paneg.22– 63 berichtet, dass Traian sie zwischen seiner Ankunft in RomundJanuar 100 unternommen habe, keinen langen Zeitraum dazwischen vermuten. Dieser Vorgang erstreckt sich über dieBriefe 10.5– 7. Plin.ep. 10.10.2: Obviam iturus, quo maturius, domine, exoptatissimi adventus tui gaudio frui possim, rogo permittas mihi qualongissime occurrere tibi.
14. PLINIUS ERWARTET DEN KAISER
199
Warum musste Plinius sein Anliegen überhaupt als Bitte formulieren? Schließlich bedeutete es einen Aufwand für die Senatoren, dem Kaiser so weit entgegen zu ziehen undihn bereits weit außerhalb seiner Hauptstadt in Empfang zunehmen. Vor demHintergrund unserer bisherigen Untersuchung gesehen, wäre diese Mühe doch demonstrativer Ausdruck der Wertschätzung Traians gewesen. Ein derartiges Ehrengeleit durch Italien hätte eine Bekundung der Loyalität dargestellt, undauf solchen Gesten beruhte die kaiserlich-senatorische Kommunikation. WardemPrinceps denn nicht daran gelegen, auf diese Weise seine Akzeptanz bei den Senatoren bestätigt zu sehen? Doch offensichtlich war es bei einem kaiserlichen Adventus auch nach dessen langer Abwesenheit den Senatoren nicht ohne weiteres erlaubt, sich aus Romzu entfernen. Warum wares ihnen verwehrt, dem Kaiser auf eigene Veranlassung entgegen zu ziehen und ihm auf diese Weise zu huldigen?
Wir wollen zunächst betrachten, welche Bedeutung ein solcher kaiserlicher Adventus für die Kommunikation der Senatoren mit demKaiser besaß, undwelche Praktiken undZeichen zu seinem Ablauf gehörten. Der ausführliche Bericht des Flavius Josephus von der Rückkehr Vespasians nach Italien ist geeignet, dies zu illustrieren.5 Der Historiograph berichtet aus eigener Anschauung, Senat, Plebs Urbana undHeer hätten das größte Wohlwollen für denPrinceps an denTag gelegt. Deswegen sei manihm entgegen geeilt. Zunächst seien Vespasian die angesehensten Männer derBürgerschaft bis weit vor die Stadt entgegen gekommen, da sie zuungeduldig gewesen seien, ihn in Rom selbst zu erwarten.6 Dann seien auch die anderen Bürger in Massen vor die Stadt gezogen, da ihnen jeder Aufschub, den Kaiser zu sehen, unerträglich erschienen sei. Als der Herrscher nun immer näher gekommen sei, undschon die ersten Berichte vonderLeutseligkeit, welche Vespasian jedermann erweise, in der Stadt eingetroffen seien, da habe sich auch die ganze übrige Bevölkerung mit Frauen undKindern an die Wege gestellt. Wo immer er vorbeigekommen sei, habe das Volk ihn wegen seiner freundlichen Erscheinung als denWohltäter, Retter undallein würdigen Beherrscher Roms gefeiert. Die Stadt sei wie ein Tempel geschmückt gewesen, undnur mit Mühe habe der Gefeierte sich einen Weg durch die Masse des ihn dicht umdrängenden Volkes bahnen können. Nach diesem freudigen Empfang, welchen RomdemKaiser bereitet habe, undnach zahlreichen Opferhandlungen undFürbitten fürVespasian undseine Söhne habe derWohlstand derStadt rasch zugenommen. Dieser Bericht des Josephus zeigt deutlich, dass der emphatische Empfang des neuen Kaisers ein Resultat von dessen großer Akzeptanz bei den drei maßgeblichen Gruppen des Staates war. Obwohl der kaiserliche Adventus also ein Akzep5
6
Flav.Ios.b.J.7.4.1. –Vergleiche hierzu auch den Abschnitt zum Akzeptanzsystem in der Einleitung dieser Arbeit. Laut Cassius Dio 63.2 und5 habe Mucian, Vespasians Vertrauensmann in Rom, denKaiser bereits bei seiner Landung in Empfang genommen, undDomitian sei seinem Vater in Benevent begegnet. Doch diese beiden waren die Spitzen des Staates zu dieser Zeit. Beide waren demStatus eines normalen Senators enthoben undmögen denKaiser dementsprechend vor allen anderen empfangen haben.
200
VOM RHEIN NACH ROM
tanzritual war, stellte er gleichwohl eine Herausforderung an den Habitus des Herrschers dar. Schließlich kam der Princeps zu ein undderselben Zeit in unmittelbaren Kontakt mit den Senatoren, mit großen Teilen der Plebs Urbana undmit seinen Soldaten. Dies war eine Konfliktsituation für die Facetten der kaiserlichen Imago. Denn diese drei Gruppen stellten an sein Verhalten sehr unterschiedliche Erwartungen. So sollte er gegenüber den Senatoren Egalität demonstrieren. Er sollte sich als einer der Ihren geben, gleichsam als ranghöchster Consular. Doch diese Egalität, welche denKaiser im Zusammensein mit Mitgliedern derReichselite auszeichnete, wurde in seinem Kontakt mitderPlebs Urbana konterkariert. Für die Bürger Roms hatte der Princeps ein mächtiger Fürsorger zu sein. Die Plebs wünschte sich ihren Kaiser nicht als Vornehmsten der Consulare sondern als väterlichen Herrscher, dem sie emphatischen Zuspruch und Verehrung entgegenbrachte. Der Bericht des Flavius Josephus zeigt deutlich, in welch starkem Maße religiöse Elemente ein Teil dieser Verehrung waren. Dies alles geschah im Beisein der Senatoren undzeigte diesen deutlich, dass ein Princeps eben weit mehr als nur ein Consular war. Es sei an dieser Stelle betont, dass den Senatoren der bestehende Rangunterschied zum Kaiser wohlbewusst war, doch diese Diskrepanz konnte undmusste, sofern manunter sich war, durch kaiserliche Gesten der Gleichheit undEhrenbezeugung überbrückt werden. Nunwurde diese diffizile Kommunikation des Ausgleichs aber ungleich schwerer gemacht, wenn dem Kaiser im Beisein der Senatoren von der Plebs Urbana ein Habitus abverlangt wurde, der seine Überlegenheit derart deutlich werden ließ, dass solche Gesten der Gleichheit undJovialität beinahe unmöglich wurden. Der Konflikt der verschiedenen Facetten der kaiserlichen Imago war aber noch ausgeprägter. Da der Adventus außerhalb der Grenzen Roms stattfand, befanden sich beim Herrscher nochjene Abteilungen seines Heeres, die ihrem Feldherrn bis hierher das Geleit gegeben hatten. Die Loyalität der Soldaten aber galt allein dem Kaiser. Er war der einzige, der in einem dauerhaften Nahverhältnis zum Militär stand, und eben nicht die immer wieder wechselnden senatorischen Kommandeure. Gerade im Kreise der Truppen und deren Zeremonien und Ausstattung, etwa beim jährlichen Eid auf den Kaiser und angesichts der Herrscherbilder an den Feldzeichen, wurde den Legaten deutlich, dass der Princeps eben nicht allein der ranghöchste Consular war. Hinzu kam, dass noch in traianischer Zeit die Mehrzahl der Zivilisten, die bei einem kaiserlichen Adventus mitten im ansonsten entmilitarisierten Kernland des Reiches auf bewaffnete Truppen traf, über so gut wie keine unmittelbare Erfahrung mit Soldaten aus den Provinzen verfügte. Der Anblick von organisierten Soldaten in Italien ließ immer noch an Bürgerkriegsszenarien undbewaffnete Märsche aufRomerinnern.7 Denn wiedem Adventus Vespasians ein Bürgerkrieg vorangegangen war, demauch italische und stadtrömische Zivilisten zumOpfer gefallen waren, war auch die Thronnachfolge Nervas mit militärischer Bedrohung verbunden gewesen, die Wirkung auf die
7
Dies ist in dentaciteischen Historien, immerhin eine Schrift dertraianischen Zeit, undauch noch im Panegyricus 20 reflektiert. An dieser Stelle kontrastiert Plinius den Rückmarsch Traians nach Rommitjenem Domitians nachdenGermanenkriegen.
14. PLINIUS ERWARTET DENKAISER
201
Hauptstadt gezeigt hatte. Sowohl Traian als auch sein Konkurrent Cornelius Nigrinus hatten sich in diesen Wirren des Jahres 97 auf die Macht ihrer Legionen gestützt. Der Senat war deswegen verunsichert gewesen, der Standeskonsens war aufgebrochen, und der Princeps wurde während des Prätorianeraufstandes sogar mit Waffengewalt bedroht.8 Doch insgesamt war der Adventus eines Kaisers ein aussagekräftiges Konsensritual der Bürgerschaft, der Ausdruck des Consensus Universorum.9 Hier kam derPrinceps mitdemSenat, mit Segmenten derPlebs Urbana undTeilen desHeeres tatsächlich einmal unmittelbar zusammen, wasbei zahlreichen anderen Ritualen des Akzeptanzsystems nicht derFall war. Diese fanden gemeinhin in solchen politischen Räumen statt, die eine oder zwei dieser maßgeblichen Gruppen ausschlossen.10 So bot ein Adventus die Gelegenheit zu einer eindrucksvollen Manifestation kaiserlicher Akzeptanz, doch zugleich stellte er den Kaiser vor große Probleme, da dieser auf drei Gruppen zugleich eingehen undderen teilweise erheblich divergierenden Ansprüchen nachkommen musste.11
8 9
10
11
Plin.ep.9.13.10f. Trotzdem weist Josephus auf die hierarchische Ordnung innerhalb der konsensual auftretenden Bürgerschaft hin. Vor allen anderen hätten sich nämlich die Angesehensten der Stadt aufgemacht, denKaiser zu empfangen. Josephus scheint damit nicht allein den Senat zu bezeichnen, sondern wohl denSenat unddie angesehensten Ritter, wie auch Plin.paneg. 23.1 sie fürdenAdventus Traians zusammen erwähnt. Die Hierarchie ist nachvollziehbar. In denAugen der Plebs Urbana besaßen besonders die Senatoren einen uneinholbaren Vorsprung an sozialem Prestige. Daraus resultierte eben auch ihr Recht, vor allen anderen demKaiser zu begegnen. Doch schließlich lässt Josephus alle fürdieAkzeptanz desKaisers relevanten Teile der Bürgerschaft, Senat, Plebs Urbana unddie mitgezogenen Legionäre, untereinander den gemeinsamen Konsens demonstrieren. Als eine solcherart organisierte Masse treten sie dem Kaiser gegenüber. Vespasian werden Demonstrationen seiner Leutseligkeit abverlangt, die vom Volk mit immer neuen Manifestationen seiner emphatischen Akzeptanz beantwortet werden. So konnte etwa im stadtrömischen Kontext die Akzeptanz des Militärs nicht derart prononciert ihren Ausdruck finden. DemMilitär als Waffen tragendem undin geschlossenen Einheiten auftretendem Verband stand derZutritt zur Stadt außer bei wenigen Gelegenheiten nicht offen. Auf der anderen Seite waren Senat und Plebs Urbana im Heerlager nicht anwesend, demvorrangigen Feld für die Akzeptanzbekundungen der Legionen. Bei den Spielen wiederum, der politischen Arena der Plebs Urbana, spielten weder Militär noch Senat eine bedeutende Rolle. Diese Art der Schilderung wurde nun aber nicht allein für die Heimkehr Vespasians verwandt. Die Beschreibung desJosephus bedient sich vielmehr auseinem semiotischen Fundus und einem Repertoire von Formulierungen, welches für die Beschreibung eines beliebigen kaiserlichen Einzugs in die Hauptstadt zur Verfügung stand, sei es nun, umeinen Adventus darzustellen oder auch einen Triumph. So wurde etwa die traianische Heimkehr imPanegyricus mit eben denselben Kategorien beschrieben. Eine derart typisierte Darstellung steigert nunzwarnicht denQuellenwert derPassage fürdenjeweiligen konkreten Adventus. Doch sie erhöht die Aussagekraft des Berichtes für eine Untersuchung jener Praktiken, in denen sich im frühen Principat die Kommunikation zwischen dem Princeps und den drei relevanten Gruppen des Staates offenbarte. Wir können ein Repertoire von Gesten erkennen, die zwischen demKaiser undseinen Bürgern ausgetauscht werden. Diese nahmen jeweils aufeinander Bezug undbedingten einander wiederum. Nicht ein individueller Adventus wird rekonstruierbar, sondern die Praktik des idealen Adventus. Diejeweiligen Abweichungen vondie-
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VOM RHEIN NACHROM
Blicken wir nach diesen Ausführungen noch einmal genau auf das Anliegen des Präfekten. Plinius bittet ja denKaiser nicht etwa darum, Romüberhaupt verlassen zu dürfen. Denn dass er Traian entgegen reisen werde, ist in seinen Worten deutlich. Es steht demnach für Plinius außer Frage, dass er als Mitglied des Senats in Kürze ohnehin Traian begrüßen werde. Tatsächlich geht es ihmdarum, demKaiser so früh begegnen zudürfen, wie dieser es nurzulasse. Mithin bemüht sich der Senator in seinem Brief um nichts Geringeres, als bereits vor dem kollektiven Empfang des Gesamtsenats mit Traian zusammentreffen
zu dürfen. Nun gab es
aber strenge Regeln für das Zusammentreffen der Senatoren mit dem Herrscher. Allein derKaiser legte fest, werzuwelchem Zeitpunkt seiner Reise zuihmvorge-
lassen wurde. Im bisherigen Verlauf der Untersuchung wurde deutlich, dass die Nähe zum Princeps gerade während seiner Abwesenheit von Rom eine wertvolle soziale Ressource für die Angehörigen der Reichselite unddass der Zugang zumKaiser ein Gegenstand ihres Konkurrenzkampfes untereinander war. In ihren Möglichkeiten zu reisen waren die Senatoren ohnehin sehr eingeschränkt. Hierzu bedurften sie derausdrücklichen Genehmigung desKaisers. Demzufolge waren nurwenige von ihnen in der Zeit seit dem Regierungsantritt Traians im Januar 98 bis zum Herbst 99 persönlich mit dem Princeps zusammengetroffen, während die überwiegende Mehrheit der Senatoren ihren Kontakt zu Traian mit Briefen hatte herstellen müssen. Manche hatten ihre Schreiben nicht einmal direkt an denKaiser adressiert, sondern sich an die Vertrauten in derNähe desHerrschers gewandt, umsie zuFürsprechern ihres Anliegens zumachen.12 Diese Wenigen, die während dieser Zeit regelmäßig zumKaiser vorgelassen wurden, waren aus der Masse ihrer Standesgenossen deutlich herausgehoben, denn ihre Position verdankten sie allein derpersönlichen Wertschätzung desHerrschers. Die Senatoren wussten, dass solche Favoriten sogar auf die Ansichten und Entscheidungen gerade eines neuen Princeps Einfluss zu nehmen vermögen. Dieser sei schließlich in seiner Rolle als Kaiser noch unerfahren und mit dem Gesamtsenat bislang nicht zusammengetroffen. Nunsei noch die Zeit, in welcher der Kaiser nach politischen Freunden Ausschau halte.13 Doch es war nicht allein die Vermutung, dassjene denHerrscher in seinen Entscheidungen beeinflussen könnten, wodurch diese Wenigen ein ungeheures Prestige in denAugen ihrer Standesgenossen gewannen. Von ihnen wusste man, sie würden wichtige Vermittler der begehrten sozialen Ressourcen sein, derhonores eben, welche derKaiser verwaltete. Doch die Motive, weshalb die Nähe des heimkommenden Princeps gesucht wurde, gingen auch darüber noch hinaus. Traians Adventus in Italien warnundie erste Gelegenheit für alle Senatoren, demneuen Kaiser auch persönlich zubegegnen. Es verwundert also nicht, dass in dieser Situation unter den Senatoren Konkurrenz entstand, ob einer von ihnen
12 13
ser Ideallinie liefern dann die wertvollen Einblicke in die Besonderheit einer bestimmten historischen Konstellation. Vondiesem Mechanismus legt besonders derPlinius-Brief 10.2 Zeugnis ab. Tac.hist.4.7.3, 8.2 konstatiert dies fürdenabwesenden Vespasian.
14. PLINIUS ERWARTET DEN KAISER
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Traian nicht schon früher begegnen dürfe als andere Mitglieder des Gremiums, undwer an seiner Seite eine möglichst lange Strecke reisen durfte. Der Symbolwert einer solchen Geste, mit welcher der Kaiser einzelne Senatoren früher empfangen konnte als die Mehrzahl der Senatoren, war also immens. Der Brief des Plinius war die Bemühung, sich einen Vorsprung vor den Standesgenossen zu verschaffen, wie wohl eine Reihe der Senatoren es in dieser Situation genauso versucht haben mag. Der Ärarpräfekt wusste, dass eine solche Aufwertung seines gesellschaftlichen Status nur vom Princeps persönlich gewährt werden konnte, und dass ein Verstoß gegen dieses Gebot sozial geahndet würde. Daher musste Plinius Traian fragen, ob er ihmmöglichst weit entgegen ziehen dürfe. Doch derKaiser war gezwungen, derartige Bitten umdie demonstrative Auszeichnung einzelner abschlagen. Natürlich hatte sich eine Gruppe von hochrangigenBegleitern als Entourage desPrinceps stets in seiner Nähe aufgehalten, als er vomRhein an die Donau gezogen war. Doch dieses Consilium hatte nur aus relativ wenigen Senatoren bestanden, und seine personale Zusammensetzung dürfte sich nicht allzu sehr verändert haben. Es gab also nur eine geringe Anzahl von Senatoren, die wegen ihrer Kaisernähe besonders ausgezeichnet waren unddie in den Augen ihrer Standesgenossen erhebliches Prestige besaßen. Diesen wenigen Privilegierten stand die Masse der in Rom gebliebenen Senatoren gegenüber. Deren Aufgabe wares nun, beim Adventus des Kaisers diesem als Körperschaft entgegen zu gehen, umihn ihrer aller Akzeptanz zu versichern. Denn der Kaiser war darauf angewiesen, dass seine Akzeptanz in regelmäßig stattfindenden Ritualen von allen Senatoren bestätigt wurde undnicht nur von einzelnen Mitgliedern des
Gremiums. Es reichte eben nicht, dass manche Senatoren Traian ihre besondere Loyalität nachweisen wollten und ihm deshalb ostentativ weit entgegen gingen, während andere Senatoren womöglich in Rom zurückblieben. Die senatorische Loyalität gegenüber dem einstigen Mitsenator und nunmehr neuen Kaiser war eben keine disponible Gefälligkeit. Sie war eine Geste, die zwar den Anschein einer freiwilligen Handlung besaß, doch sowohl die Geste als auch dervermeintliche freie Wille konnten eingefordert werden. Sie waren nur ein Bestandteil des komplexen Geflechts der auf Reziprozität gründenden Kommunikation zwischen Senatoren undKaiser.14 Seinerseits musste derPrinceps darauf bedacht sein, prinzipiell alle Mitglieder des Gremiums während des Empfangs gleich zubehandeln, wollte er die senatorische Konkurrenz zu Beginn seiner Regierung nicht noch zusätzlich befördern. Tacitus berichtet im vierten Buch der Historien, welches Konfliktpotential es in sich barg, wenn die Senatoren selbständig entscheiden mussten, wer von ihnen zum Kaiser reisen dürfe.15 Zu Beginn der Regierung Vespasians war es nämlich erforderlich gewesen, dass sich eine Delegation zumKaiser nach Alexandria begab. Es warin dieser Situation unmöglich gewesen, dass alle Mitglieder des Gremiums Romverließen, undso warein heftiger Streit darüber entstanden, auf welche Weise diese Gesandten auszuwählen seien. Zugunsten des Losverfahrens 14 FLAIG 1993 und2003c. 8.5. 15 Tac.hist.4.6.3–
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wurde vorgebracht, dass alle Mitglieder des Gremiums gleich gutgeeignet seien, demKaiser imNamen des Senates zuhuldigen. Dagegen wurde das namentliche Wahlverfahren scharf zurückgewiesen: Diese Art der Abstimmung wurde als die Quelle von Feindschaften angesehen, welche diehierin Zurückgesetzten empfänden. Wollte also derPrinceps solche Feindschaften der Senatoren untereinander undsolche einzelner Senatoren ihm gegenüber vermeiden, durfte er bei seinem Adventus keine Senatoren zurückweisen und auch keine bevorzugen. Gesuchen wiejenem des Plinius nachzugeben, hätte gezeigt, dass der Herrscher neben der kleinen Gruppe seiner Amici im Consilium
auch seine Favoriten aus der in Rom verbliebenen Masse von Senatoren bereits ausgewählt hätte, noch bevor die meisten vonihnen überhaupt eine Chance gehabt hätten, mit ihrem ehemaligen Mitsenator undneuen Träger einer völlig veränderten Rolle zusammen zutreffen. Daher betonen Schilderungen von kaiserlichen Adventus denn auch, dass der gesamte Senat den Princeps empfangen habe.16 Für die Heimkehr Neros etwa berichtet Tacitus, dass alle Senatoren in Festkleidern demHerrscher entgegen gezogen seien. Der Historiograph sagt jedoch nichts darüber, wie weit dies gewesen sei. Auch Cassius Dio lässt den Gesamtsenat Nero empfangen, aber in Rom. Die Quellen äußern sich also widersprüchlich über den Ort des Empfangs, doch ist ihnen gemeinsam, dass sie die Senatoren als eine Gruppe handeln lassen. Alle innerhalb des Gremiums vorhandenen Unterschiede des sozialen Prestiges bleiben in dieser Schilderung der senatorischen Historiographen irrelevant, Einzelne werdennicht herausgehoben. Es scheint aber unmöglich, dass derKaiser bei derVielzahl der Senatoren auf alle in gleicher Weise zuging. Manche Mitglieder des Gremiums standen ihm persönlich schlichtweg näher als andere. Doch die Quellen erwähnen keine solche Differenzierung der Senatoren nach Rang, politischem Kalkül oder persönlicher Freundschaft. Stattdessen hebt der Panegyricus hervor, Traian habe den Senat, undPlinius verwendet hier den Kollektivbegriff senatum, mit einem Kuss empfangen.17 Im Falle der Ritter aber betont Plinius, Traian habe die führenden Mitglieder des Ritterstandes namentlich angeredet, mithin ausgewählte Einzelpersonen.18 Angesichts dieser klaren Differenzierung undder Semantik des Adventus erscheint es plausibel, dass es in der Tat zur Imago eines Guten Princeps gehörte, bei seinem Empfang durch denGesamtsenat keines vondessen Mitgliedern explizit herauszuheben, sei es durch individuelle Namensnennung oder durch Küsse. Der Senat trat dem Kaiser geschlossen gegenüber. In bildlichen Darstellungen eines Adventus findet diese Demonstration des senatorischen Zusammenhalts und Konsenses seinen Ausdruck darin, dass als Empfangskomitee nicht mehrere Senatoren demPrinceps gegenüber stehen, sondern der Genius Senatus, die Verkörpe-
16 Eine umfangreiche Liste der überlieferten kaiserlichen Adventus und ihrer Quellenbelege bietet derAnhang vonLEHNEN 1997. 17 Plin.paneg.23.1: ...senatum osculo exciperes. 18 a.a.O.: ...equestris ordinis decora honore nominum...signares.
14. PLINIUS ERWARTET DENKAISER
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rung des Gesamtsenates.19 Der Adventus ist auch in seiner visuellen Reduzierung als ein Konsensritual abgebildet.
Als Musterbeispiel fehlgeschlagener Kommunikation bei der Begrüßung eines Kaisers durch seinen Senat kann der Einzug des Vitellius nach Rom im Jahre 69 gelten. Vitellius hatte sich in der ersten Schlacht von Bedriacum gegen Otho durchgesetzt undmarschierte nunvonNorden her auf die Hauptstadt. Vitellius ist für Tacitus das beste Beispiel eines Kaisers, der von seinen Soldaten erhoben wurde unddiese nicht kontrollieren konnte, denn der Historiograph schildert den schrittweisen Adventus des neuen Kaisers, als sei es ein Feldzug gewesen.20 So seien nämlich Municipien undKolonien vondenVitellianern geplündert worden, und Raub sei für sie alltäglich geworden; sogar am Tempelbesitz hätten sie sich bedient. Ihre Anführer aber hätten nicht gewagt, ihnen Einhalt zu gebieten. Überhaupt sei Italien beim Durchzug des Vitellius schlimmer als im Krieg betroffen worden.21 Vor Romsei sein Tross riesengroß gewesen, habe auszügellosen Soldaten bestanden, einer Vielzahl vonBegleitern undfrechen Sklaven. Die größte Belästigung, die vondiesem Haufen ausgegangen sei, hätten aber die Senatoren und Ritter ausgemacht, die in Massen demsiegreichen Herrscher aus der Hauptstadt entgegen gelaufen seien unddessen Gunst gesucht hätten. Umdies zu verdeutlichen, führt Tacitus die Motive dieser Angehörigen des Reichsadels vor: Einige seien Vitellius aus Furcht entgegengelaufen, viele aus Schmeichelei, die übrigen und allmählich alle seine gekommen, um nicht beim allgemeinen Aufbruch der anderen zurückzubleiben. Tacitus beschreibt diesen Adventus als charakteristisches Vorzeichen einer schlechten Regierung. Nicht allein der Kaiser verstößt gegen die Regeln einer
19 Siehe etwa die entsprechende Szene amTraiansbogen von Benevent. Das gleiche Phänomen gilt für Profectus-Szenen, Darstellungen des kaiserlichen Aufbruchs aus Rom; siehe hierzu HÖLSCHER
1967; KOEPPEL 1969; LEHNEN 1997 und 2001.
20 Tac.hist.2.56.1. 21 FLAIG 1992, 18f. betont, dass diese Darstellung semantisch überdeterminiert ist. Verdeutlicht mansich, was„schlimmer als im Krieg“tatsächlich bedeutete, so ist manerstaunt, dass eben davon keine Rede ist; keine Versklavung, kein Niederbrennen vonStädten undLandschaften undso weiter. In derTat erkennt man, entkleidet mandenText dieser Bewertung, dass Tacitus hier Fouragieren undRequirieren schildert, wie unmittelbar darauf auch ausdenWorten desHistoriographen selbst deutlich wird: Italiens Vorräte seien nämlich mitderZeit erschöpft gewesen, undso hätten sich die Massen von Soldaten unddie sich daraus ergebenden Schädenkaumertragen lassen. Es hatte demnach Übergriffe wegen derlogistischen Probleme gegeben, neben denunterlegenenehemaligen Othonianern nunauch noch die Truppen des Vitellius zuversorgen. Tacitus entscheidet sich also bewusst für eine Vermengung zweier Kategorien, umseinem Publikum denEindruck desVitellius als eines auf Romziehenden Kriegsherren zuverstärken. FLAIG ebd, 19 bemerkt hierzu: „ Die Geschehnisse selber wechseln also in einer Verschleifung das semantische Feld; d.h. sie werden demBereich der Logistik entrissen unddemBereich dermilitärischen Zerstörung zugewiesen. Aber auch innerhalb derpolitischen Semantik fallen beide Lasten –die tatsächliche unddie vorgespiegelte –scharf auseinander: bei jener handelt es sich um einen Aufwand für die Res publica, bei dieser um Ausraubung durch Feinde.“
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ansonsten denKonsens anstrebenden Kommunikation, auch die Reichselite befindet sich in Auflösung. Die Senatoren scheren sich nicht länger umihre Residenzpflicht in der Hauptstadt undhaben jeden Standeskonsens aufgegeben. Einjeder sei für sich aufgebrochen, umdenKaiser schon weit außerhalb derStadt zuempfangen. Das Szenario der Usurpation hatte das eigenmächtige Handeln nötig gemacht. Nurmehr die Amicitia desPrinceps schien deneinzelnen schützen zukönnen. Sie allein schien die Unversehrtheit vonVermögen, Leib undLeben gewährleisten zu können. Die logische Folge wardie einsetzende intensive Konkurrenz. Werwürde als erster beim Princeps sein undauf ihneinwirken können? Konsequent lässt die Darstellung des Tacitus in der nächsten Szene den Kaiser als Feldherr gekleidet in Rom einmarschieren undVolk wie Senat dabei vor sich her treiben. Die Gesten bedingten einander. Die Senatoren selbst hatten ihren Konsens untereinander aufgegeben undkonnten nunvomKaiser derart vorgeführt werden. Implizit wird die grundsätzliche Gleichheit der Senatoren bei einem kaiserlichen Adventus auch in den Schilderungen vomVerhalten jener Kaiser deutlich, welche sich gegen die guten Formen derKommunikation zwischen Princeps undSenat vergingen. So wird von Caligula berichtet, er habe verboten, dass ihm auch nur irgendein Senator entgegen ziehe. Auch Nero habe, ob er nun abreiste oder nach Rom wiederkam, keinen einzigen Senatoren mit einem Kuss bedacht. Hier wie dort hatte der Kaiser das Begrüßungsritual also ganz kategorisch untersagt, nicht nureinzelnen, sondern allen Mitgliedern desGremiums.22 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass in derFülle dermöglichen Szenarien einer Kommunikation zwischen Princeps undSenatoren ein kaiserlicher Adventus von herausragender Bedeutung war. Hier traf nach langer Zeit der Kaiser endlich wieder mit demGesamtsenat zusammen. ImFalle Traians begegnete man sich in dieser neuen Rollenkonstellation überhaupt zumersten Male. Der Kaiser durfte erwarten, dass alle Senatoren ihm entgegen kamen. Dies war Ausdruck
einer zweifachen konsensualen Geschlossenheit: jener aller Senatoren innerhalb
des Senats undaußerdem jener des Gesamtsenats mit demKaiser. Es warderkollektive Ausdruck des Senats, als Gremium geschlossen aufzutreten und als solches den Kaiser zu akzeptieren. Zogen alle Senatoren dem Princeps entgegen, besaß dereinzelne keine Möglichkeit, sich durch seine bloße Anwesenheit zuprofilieren. Allein die Abwesenheit eines Senators konnte noch auffallen. Angesichts der Konkurrenz unter den Senatoren um die begehrte Ressource der Kaisernähe und der daraus resultierenden gegenseitigen Beobachtung unter den Mitgliedern des Senats wurde dafür gesorgt, dass das Fernbleiben einer PersonvomZeremoniell schnell bekannt undweiter getragen wurde. Sich als Senator demAdventus zu verweigern oder als Kaiser einzelnen Senatoren die Teilnahme zu verbieten, war vor den aufmerksamen Augen der Standesgenossen Ausdruck Cassius Dio 63.20.5. –DenDarstellungen ist gemeinsam, dass beide Kaiser mit ihrem Verhalten zwar die Senatoren gegen sich aufbrachten, dass sie aber nicht die innnersenatorische Konkurrenz anheizten. Sie waren schlichtweg nicht länger bereit, demSenat jenen Ehrenstatus zukommen zu lassen, welchen dieser fürsich beanspruchte. –Siehe hierzu 139. 102 und 135– auch WINTERLING 2003, besonders 93–
22 Tac.ann.14.13.2;
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eines tiefreichenden Bruches zwischen den Beteiligten. So wurde etwa Thrasea Paetus als einziger Senator von Nero nicht zugelassen, als die Mitglieder des Gremiums dem Kaiser entgegen gingen. Dies war der sichere Hinweis, dass der Kaiser dem Senator die Freundschaft entzogen hatte.23
23
2003, etwa 28 und97f. hebt hervor, dass grundsätzlich alle Senatoren Amici des Princeps waren. Es gab allein denAkt der Aufkündigung einer Freundschaft; deren Schließung hingegen wurde nicht gesondert betont. Thrasea Paetus warals einziger Senator bei zwei Gelegenheiten nicht zumHerrscher vorgelassen worden; so, als alle Mitglieder des Gremiums nach Antium strömten, umNero nach demTodseines neugeborenen Sohnes aufzuwarten. Tacitus nennt diese vomKaiser befohleneZurückweisung eine Kränkung, welche denbevorstehenden TodThraseas angekündigt habe (Tac.ann. 15.23.4). Der Senator aber habe diese Herabsetzung noch mit unerschüttertem Sinn hingenommen. Einige Zeit später jedoch, als alle Senatoren wiederum demKaiser entgegen zogen, der sich Rom in Begleitung des parthischen Herrschers Tiridates näherte, um Nero zubegrüßen unddenKönig zu sehen, dawurde abermals als einzigem Thrasea Paetus dies verboten (Tac.ann.16.24.1). Damit hatte Nero denSenator bei zwei Gelegenheiten in dessen Status erheblich herabgesetzt. DerKaiser hatte allen verdeutlicht, dass Thraseas Gesellschaft vomPrinceps nicht länger geduldet wurde. Thraseas Standesgenossen war auf diese Weise deutlich vor Augen geführt, dass der Senator jeder Einflussmöglichkeit auf den Kaiser und somit seiner Relevanz als Vermittler der kaiserlichen Ressourcen beraubt worden war. Nero hatte, indem er ihn an seiner Kondolenzaufwartung gehindert hatte, demSenator gezeigt, dass er sich injenem Spannungsfeld von kaiserlichem Privatleben und offizieller Begegnung den gemeinsamen Umgang verbat. Zusätzlich jedoch hatte Nero Thrasea auch noch in seiner senatorischen Würde herabgesetzt. Der Princeps hatte ihmverboten, amEmpfang des parthischen Königs teilzunehmen; mithin an einer Tätigkeit, welche nominell zu denAufgaben des Senats gehörte. Dass Thrasea nun begonnen habe, sich Gedanken über einen ihmdrohenden Prozess zu machen, undan Nero eine Anfrage gerichtet habe, wessen er sich denn schuldig gemacht habe, zeigt, dass der Princeps demSenator diekaiserliche Freundschaft gekündigt hatte. Thrasea Paetus war nunnicht länger ein Teil dieser kleinen und exklusiven Statusgemeinschaft, deren Mitglieder persönlichen Zugang zumKaiser hatten. Nach wie vor warer Mitglied desSenats, doch die schützende HanddesKaisers warüber ihmdemonstrativ weggezogen worden. Seine Konkurrenten durften sich mit Aussichten auf sicheren Erfolg ermuntert sehen, einen Majestätsprozess gegen Thrasea in Gang zusetzen. –Die Aufkündigung derkaiserlichen Freundschaft und ihre Konsequenzen veranschaulicht FLAIG 1993 am Beispiel des Majestätsprozesses gegen C.Silius imJahre 24 n.Chr. Mit den erwähnten Verboten undsomit der Freigabe des Senators für die Anklage im Rahmeneines Majestätsprozesses sanktionierte Nero seinerseits aber nurdasdeviante Verhalten desThrasea Paetus. Dieser hatte etwa sein Beharren auf der Souveränität senatorischer Entscheidungen gegenüber demKaiser zumTopos seiner politischen Argumentation gemacht. Auch hatte er sich verschiedenen wichtigen Ritualen derkaiserlich-senatorischen Kommunikation verweigert. So hatte er etwa den Senat verlassen, als über Agrippina verhandelt wordenwar, under hatte nicht genug Regung beim Juvenalienfest gezeigt. Thrasea hatte außerdemnicht am Leichenbegängnis der Poppaea teilgenommen oder anjener Senatssitzung, in welcher die göttlichen Ehren für die Verstorbene beschlossen worden waren (siehe etwa WINTERLING
Tac.ann.13.49.3; 15.20ff.; 16.21f.). Diese Termine waren für Nero notwendig gewesen, das gestörte Verhältnis vonKaiser und Senat demonstrativ als ein gutes darzustellen, indem alle Senatoren ihre Geschlossenheit untereinander demonstrierten undzugleich ihren Konsens mit demPrinceps. Indem Thrasea
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Von solch einem Senator, der an demtraianischen Adventus des Oktobers 99 nicht teilgenommen hatte, berichtet Plinius in einem seiner späteren Briefe. Die Epistel erzählt von Leben und Tod des Dichters Silius Italicus.24 Dieser habe sich einst aus Altersgründen nach Campanien zurückgezogen undsich in diesem Refugium der Verehrung seiner literarischen Vorbilder gewidmet. Nicht einmal die Rückkehr Traians habe ihn aus seiner Abgeschiedenheit hervorlocken können, betont Plinius. Eine wichtige Tatsache wird hier noch einmal deutlich: Wenn Silius auch sonst zu keiner Zeit einen Anlass gesehen haben mochte, nach Rom zurückzukommen, hätte nach Meinung des Plinius doch wenigstens der kaiserliche Adventus die Gelegenheit sein müssen, Campanien zu verlassen. Wenn also bei der Heimkehr Traians die Anwesenheit sogar eines Senators erwünscht war, der sich längst schon aus dempolitischen Alltag zurückgezogen hatte, so wurde wohl gerade von allen aktiven Senatoren erwartet, dass sie den Kaiser begrüßten. Der Literat zog im Oktober 98 jedenfalls vor, auf seinem Landsitz zu bleiben. Und so schrieb Plinius resümierend, es gebühre dem Kaiser großes Lob, unter welchem Silius Italicus diese Entscheidung freigestanden habe. Ein großes Lob gebühre aber auch demDichter selbst, dereine solche Freiheit zu nutzen gewagt habe.25 Diese Bewertung lässt sich mit einer Passage des Panegyricus vergleichen, in welcher Plinius das Verhalten Traians bei Audienzen beschreibt.26 Obwohl derKaiser stets große Sorge umdie Verwaltung des Reiches trage, berichtet der Suffectconsul, verbringe er doch einen großen Teil des Tages mit seinen Besuchern; gerade so, als habe er Muße. Doch derPrinceps erwarte gar nicht, dass alle Senatoren auch immer zum öffentlichen Besuchstermin kämen. Wenn einmal jemand hierbei fehle, gelte er selbstverständlich und von vorneherein als entschuldigt. Denn Traian wisse ja, dass alle Senatoren keinesfalls aus Zwang, sondern freiwillig und guten Mutes zur Audienz kämen. Traian erkenne, dass einjeder sich selbst zuliebe denPrinceps aufsuche. Daher gewähre derKaiser umso lieber immer noch mehr Zeit für dieses Vergnügen derAudienz. Diese Passage illustriert, dass die Kommunikation von Kaiser und Senat ein Geflecht aus Gesten derReziprozität war. Beide Seiten hatten sich einander ihres jeweiligen guten Willens zuversichern. Traian etwa verzichtete demonstrativ darauf, dass alle Senatoren ihn bei jedem öffentlichen Empfang besuchten. Er gewährte den Senatoren damit ostentativ ein Stück von Freiheit. So jedenfalls be-
24 25 26
Paetus, anders als alle seine Standesgenossen, sich dieser rituellen Kommunikation verweigerte, wies er zugleich aufdiebestehenden Unstimmigkeiten hinundverhinderte durch seine Abwesenheit dieangestrebte Demonstration desKonsenses. Plin.ep.3.7, verfasst nach seinem Consulat. Plin.ep.3.7.6: Magna Caesaris laus, sub quo hoc liberum fuit, magna illius, qui hac libertate ausus estuti. Plin.paneg.48.1f.: Ipse autem ut excipis omnes! ut exspectas! ut magnam partem dierum inter tot imperii curas quasi per otium transigis! Itaque nonut alias attoniti, nec utpericulum capitis adituri tarditate, sed securi et hilares, quum commodum est, convenimus. Et admittente principe, interdum est aliquid, quodnosdomi quasi magis necessarium teneat: excusati semper tibi, nec unquam excusandi sumus. Scis enim sibi quemque praestare, quod te videat, quodte frequentet: ac tanto liberalius ac diutius voluptatis huius copiam praebes.
14. PLINIUS ERWARTET DENKAISER
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zeichnet Plinius das Fernbleiben des Silius Italicus unddie kaiserliche Haltung, welche dies überhaupt erst möglich gemacht habe: als Zeichen derLibertas; eben jener Freiheit, denKaiser nicht fortwährend in dessen Rolle als denallen Senatorenübergeordneten Verwalter sozialer Ressourcen hofieren zumüssen. Es wardie Freiheit, ihmstattdessen als vermeintlich gleichrangigem Standesgenossen gegenüber zu treten, dessen Salutatio man ruhig auch einmal ausfallen lassen und anlässlich derer mansich stets frei entscheiden könne, ob manhingehen wolle oder nicht. Zum ritualischen Charakter der Kommunikation von Kaiser und Senatoren gehörte nunaber ebenso, dass, gerade umdiese herrscherliche Geste der Libertas auch ebenso demonstrativ zu würdigen, die Senatoren ihrerseits diese Manifestation derImago eines Guten Princeps nicht ausnutzten. Gerade deswegen waren sie genötigt, denKaiser regelmäßig aufzusuchen. Sie mussten demonstrieren, dass sie gerne kämen, auch wenn es gar nicht von ihnen verlangt würde, und dass sie deswegen zu ihm gingen, weil das Verhalten Traians eben tatsächlich einer solchen Imago des Guten Princeps entspreche. Der ostentative Akt verlangte also immer nach einer ebenso ostentativen Geste als Antwort. Dementsprechend betont Plinius, allein die Wesensart des Princeps mache diese Libertas möglich. Er ist sich demnach bewusst, dass die Freiheit der Senatoren lediglich eine vomKaiser gewährte Freiheit sei. Plinius hebt denn auch hervor, wie außergewöhnlich es gewesen sei, dass Silius Italicus gewagt habe, die demonstrative Geste desKaisers für sich tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Denn Silius Italicus hatte sich gemäß dem Wortlaut der Aussage Traians verhalten. Er hatte auf die kaiserliche Geste, welche ihm Libertas angeboten hatte, seinerseits mit der Verweigerung einer entsprechenden Geste reagiert. Plinius bewertet dieses Verhalten als negativ undlässt es pointiert in seine Kritik amDichter einfließen.27 Anders als bei den vorangegangenen Briefen an Traian ist für dieses Schreiben keine ausdrückliche Antwort des Kaisers überliefert. Der Präfekt hatte eine bittende Frage an den Princeps gerichtet, doch wir kennen die Antwort nicht. Die ansonsten lückenlose Überlieferung der Korrespondenz zwischen Plinius und Traian während dieser Jahre lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass ein sol-
27 Die Aussage, Silius Italicus gebühre Lob für seine Weigerung, demAdventus Traians beizuwohnen, ist nicht im Sinne desWortlauts zuverstehen. Die Aussage ist in einen Kontext eingebettet, in welchem Plinius dentoten Schriftsteller in verschiedenen Lebensbereichen heftig kritisiert, vornehmlich in seiner manierierten Lebensart, seiner politischen Vergangenheit, seinen Todesumständen undin seiner literarischen Unzulänglichkeit. DerBrief attestiert dem Dichter, seine Werke mitmehr Sorgfalt als Talent geschrieben zuhaben, undweist auf seine Kaufsucht und seinen wahllosen Umgang mit seinen Landsitzen hin. Plinius karikiert die Vergil-Verehrung des Silius Italicus, dessen Geburtstag er gewissenhafter begangen habe als seinen eigenen unddessen Grabmal er wie einen Tempel verehrt habe. Außerdem sei Silius unter Nero freiwillig als Ankläger aufgetreten. Seinen Selbstmord habe er ausEkel vor einem Geschwür begangen. Dies ist die Karikatur eines Freitodes ausstoischer Gesinnung. Der Hinweis darauf, dass Silius Italicus bei Traians Adventus nicht nach Romgekommen sei, ist also nur eine von mehreren Schmähungen. –Vergleiche hierzu, mit einer anderen Ansicht, 123. LEFÈVRE 1989, 118–
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cher Antwortbrief verloren sein könnte.28 Doch hätte es ihn gegeben, wäre er wohl
geworden. Es sei denn, Traians Antwort hätte demSenator rundheraus verwehrt, seiner Bitte zu entsprechen. Dann wäre womöglich nachvollziehbar, dass Plinius diesen Brief nicht in seine Akten aufgenommen hätte. Sehr wahrscheinlich ist allerdings, dass es ein solches Schreiben überhaupt nicht gab. Prüfen wiralso dieMöglichkeiten. In denbisherigen Ausführungen wurde deutlich, vonwelcher Aussagekraft es gewesen wäre, hätte Traian einzelnen Senatoren gestattet, ihmentgegen zuziehen und ihm noch vor der Masse ihrer Standesgenossen zu begegnen. Eine solche Geste hätte wenige Mitglieder des Gremiums bevorzugt, viele verprellt, unddie Imago des Guten Princeps wäre schwer beschädigt gewesen. Nun scheint der Princeps bei seiner Heimkehr aber die Formen eines ehrenvollen Umgangs mit den Senatoren gewahrt zu haben. Immerhin betonte, wie wir sahen, die panegyrische Beschreibung des traianischen Adventus die Gleichbehandlung aller Senatoren. Sie stellte demKaiser den Senat als Kollektiv gegenüber. Dies ist ein Anhaltspunkt dafür, dass Traian Bitten wie die des Plinius wohl zurückgewiesen hätte. Nungab es in derVergangenheit durchaus Gelegenheiten, bei denen in derTat Einzelne dem Kaiser vor allen anderen begegnen durften, doch hatte es sich bei diesen stets umbesonders hochgestellte Personen gehandelt. Vespasian etwa war bei seiner Landung in Italien von Mucian, seinem Verwalter Roms, undvon seinem Sohn Domitian empfangen worden, bevor ihm die Masse der Senatoren begegnen durfte.29 Vor diesem Hintergrund ist nicht wahrscheinlich, dass Traian seinem prätorischen Ärarpräfekten Ähnliches erlaubt hätte. Plinius warnoch nicht Consul gewesen und zählte nicht zu den Spitzen des Senats. Möglicherweise schlug Traian die Bitte desPlinius also ab. Doch auch dasist nicht plausibel, denn wir sahen ebenso, welche Aussagekraft es besaß, wenn einem Senator derZutritt zumHerrscher verweigert wurde. So ist es also wahrscheinlich, dass Traian demPräfekten erst gar nicht antwortete. Das Ausbleiben eines solchen Schreibens ließ sich leicht erklären, immerhin befand der Princeps sich gerade auf einem anstrengenden Heimmarsch, auf dem er etwa Huldigungen der verschiedenen Gemeinden entgegen nehmen musste, durch die er zog. Somit warwenig Zeit, Gesuche zubeantworten. Außerdemwürde manin Kürze ohnehin zusammentreffen. Auf diese Weise verhinderte Traian, einen Senator bloßzustellen, der während der langen kaiserlichen Abwesenheit ausRomverschiedene Demonstrationen derkaiserlichen Indulgentia empfangen hatte undder in gebührendem Maße seine Pietas gegenüber demPrinceps immer wieder betont hatte. Dabei hatte Plinius nie vergessen, weitere kaiserliche Wohltaten für sich unaufdringlich, doch bestimmt einzufordern. Auch dieses Schreiben, sollte es denn nicht mit einem Brief des Kaisers beantwortet worden sein, darf nicht als ein Rückschlag für Plinius gelten. Mit seiner Bitte hatte Plinius demonstriert, bereit zu sein, Traian eine außergewöhnlich weite Strecke entgegen
zueinem Teil deszehnten Brief-Buches
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überliefert ist. Cassius Dio 63.2 und5.
555 macht plausibel, dass die Sammlung weitgehend vollständig 1966, 533–
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zu gehen, weiter als andere dies womöglich bereit waren zutun. Auf diese Weise hatte der Senator den Kaiser ein weiteres Mal seiner besonderen Loyalität versichert. DerPrinceps nahm dies für die Folgezeit billigend zurKenntnis. Die ersten Monate des traianischen Principats konnten in diesem Kapitel nicht annähernd vollständig betrachtet werden. Zahlreiche Ereignisse dieser Zeit und viele Themen des Verhältnisses zwischen Kaiser und Senatoren mussten unbehandelt bleiben oder konnten nur skizziert werden; ansonsten hätte der Umfang des zurückliegenden Abschnitts im Rahmen der gesamten Studie noch erheblich anwachsen unddasFormat einer eigenständigen Monographie annehmen müssen. Es sind keinesfalls nurMarginalien, die nicht dargestellt wurden, sondern bisweilen zentrale Gegenstände undwichtige Quellen des frühen traianischen Principats. So fand etwa der gesamte Themenkomplex des Umgangs mit der domitianischen Vergangenheit keine oder zumindest nur wenig Beachtung.30 In diesem Zusammenhang unterblieb auch eine eingehende Interpretation destaciteischen Agricola undjener Briefe, die Plinius während des von mir betrachteten Zeitraums geschrieben hatte. Auch auf zahlreiche Münzen, die in diesen eindreiviertel Jahren emittiert wurden unddiewichtige Aspekte dertraianischen Herrschaftsdarstellung reflektierten, wurde nicht eingegangen, etwa verschiedene Darstellungen der Pax.31
Doch immerhin konnten wir im zurückliegenden Kapitel ansatzweise erkennen, wie die Herrschaftsdarstellung Traians konstituiert wurde; wie nämlich Aussagen gemacht wurden, die Desideraten entgegenkamen, undwie dies wiederum Reaktionen der anderen Seite nach sich zog. Der Charakter des für uns in den Quellen reflektierten Phänomens der Herrschaftsdarstellung als ein beständiger Prozess derKommunikation wurde deutlich. Anhand derbesprochenen Briefe des Plinius ließ sich etwa erkennen, mit welchen Mitteln ein Senator bemüht war, den Kontakt mit dem aus Rom abwesenden Kaiser auf dem Briefweg herzustellen. Hierbei wurde deutlich, dass Plinius bei der Formulierung von Bitten an denKaiser seine Argumentation in Einklang mit Inhalten derkaiserlichen Herrschaftsdarstellung brachte. In diesen Beispielen gewann derMechanismus des Affirmativen
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Zumindest auf diesen Punkt wird anhand der vomPanegyricus konstruierten Vita Traians im folgenden Kapitel nochweiter eingegangen. In den ersten Monaten des traianischen Principats wurden zwei verschiedene Darstellungen der Pax Augusti auf Münzen geprägt. Von der ersten Emission an undinjeder weiteren bis unmittelbar nach demersten Dakerkrieg wurde in den Edelmetallen undauf Sesterzen das Bild einer stehenden Pax emittiert. Sie hielt einen Olivenzweig in ihrer rechten Handundein 56, Nr. 3, Taf. 1; Nr. 304, Taf.4; Nr. 400, Taf.7. Szepter in ihrer linken. STRACK 1931, 52– Zur gleichen Zeit wurde das Bild einer sitzenden Pax emittiert, jedoch nur auf Denaren und Aurei. Sie unterschied sich nicht allein durch ihre Haltung von der ersten Darstellung, sondern auch wegen ihrer Attribute. Sie hielt nämlich einen Olivenzweig undein Füllhorn. Siehe
56, Nr. 13, Taf. 1;Nr. 33, Taf. 1. etwa STRACK 1931, 53– Dieser Typus lässt sich anhand von Vorbildmünzen etwa des Galba, Vitellius, Vespasian und Domitian identifizieren, welche die Personifikation mit der Umschrift PAX AVGVST(i) bzw. PAX P ROMANI darstellen ließen. Zu den Einzelnachweisen hierfür siehe STRACK 1931, 53, 134. Anm. 129–
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Forderns an Kontur: Ein Senator reflektiert die kaiserlichen Ideologeme und macht sie zum Teil seiner Argumentation. Hiermit signalisiert er demHerrscher, die Inhalte von dessen Herrschaftsdarstellung zu akzeptieren. Doch zugleich knüpft der Senator an seine Akzeptanzbekundung eine Forderung: Der Kaiser möge sich so verhalten, wie er es von sich behaupte undwie er dargestellt sein wolle, undschließlich wie der Senator es schließlich gerade akzeptiert habe. Diesen Mechanismus werden wir im Verlauf des nächsten Kapitels noch intensiver betrachten. ImFolgenden wird es nämlich umdenPanegyricus desjüngeren Plinius gehen, der im Jahre 100 aus senatorischer Sicht eben jene Zeit reflektierte, welche das vorangegangene Kapitel behandelte. Zuerst aber müssen die besonderen Bedingungen dieser Form der Kommunikation zwischen Kaiser und Senatoren näher untersucht werden. Dabei wird sich herausstellen, dass derPanegyricus ein wichtiges Medium einer regelmäßig stattfindenden Kommunikation zwischen Senat undPrinceps war, deren Ziel die Herstellung vonKonsens war.
DRITTER
TEIL
DER PANEGYRICUS
EIN MEDIUM DES SENATORISCH-KAISERLICHEN KONSENSES
1. EINLEITUNG
Amersten September des Jahres 100 trat Plinius vor denvollständig versammelten Senat unddenebenfalls anwesenden Princeps, umeine Dankestede zuhalten. Es war der erste Amtstag des Senators als Suffectconsul. Diese Rede ist uns in ihrer erweiterten Form, welche Plinius unmittelbar nach semem Vortrag publizierte, vollständig überliefert. In derForschung hat derPanegyricus seit jeher eine gespaltene Aufnahme gefunden. Das vermeintliche Übermaß von Kaiserlob undSchmeichelei in der Rede schien manchen ihrer bisherigen Interpreten eine Aburteilung des gesamten Dokuments sowie zugleich des Autors nahe zu legen.1 Dabei beschränken sich Aussagen wie etwa, die Rede sei ein „ , manfühle sich höchst unerfreuliches Produkt“ gar angewidert2, keineswegs auf eine ferne Forschungsvergangenheit. Tatsächlich wirdauch heute noch, etwa in einer maßgeblichen Übersetzung derPlinius-Briefe, der Panegyricus als ein „Produkt unmännlicher und dem Kaiser wahrscheinlich unerwünschter Liebedienerei“bezeichnet.3 Im Folgenden möchte ich nur kurz auf zentrale Ansätze derjüngeren Plinius-Forschung undderen Beurteilung des Pane-
gyricus eingehen.4 Während der letzten zwanzig Jahre wurde der Panegyricus zunehmend als eine Quelle im programmatischen Kontext der frühen Jahre des traianischen Principats gesehen. Doch Plinius als einen „ Politiker, Karrieristen undselbstgefälligen Rhetor“sowie als „Aktivisten desjeweils herrschenden Regimes“darzustellen, war nicht geeignet, zu einer angemessenen Untersuchung des Werkes zu führen.5 So
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SYME1958, 114urteilte, derPanegyricus „ hasdone nogoodto thereputation of theauthor or to the taste of the age. The speech is a strange andblended product, heavily loaded with poThe etical ornaments.”–In ähnlicher Weise äußerte sich SHERWIN-WHITE 1969, 77, 82: „ speech is terrible –because Pliny took all the space he could, elaborated everything, repeated everything...where every fact andpoint, every adjective andadverb is swollen andmultiplied in a series of turgid restatements.” M.SCHANZ/ C.HOSIUS: Geschichte der römischen Literatur bis zumGesetzgebungswerk des Kaisers Justinian; Teil 2: Die römische Literatur in der Zeit der Monarchie bis auf Hadrian; München 1935; hier S. 661. –Zu weiteren Ausfällen dieser Art sei auf die Aufzählung bei 73 verwiesen. FEURSTEIN 1979, 2; FELL 1992, 15, Anm. 44 und BENNETT 1997, 63– KASTEN 1979, 665. Für einen umfassenden Überblick der älteren Literatur sei FEDELI 1989 nahegelegt,
für die
jüngere Literatur seien die umfangreichen Forschungsüberblicke bei FELL 1992 undBEUTEL 2000 empfohlen. Hier stellvertretend STROBEL 1999, 18. –Von STROBEL 1985, Anm. 21 warPlinius bereits als der geschickte, zielbewußte und wendige Politiker und Propagandist“entlarvt worden. – „
1. EINLEITUNG
215
die Betrachtung des Panegyricus als „Wust an niederer ,„ im einzelnen auf die Vielzahl von Vertuschungen, Schmeichelei für Trajan“ Retuschen, Halb- und Unwahrheiten dieser deutlich im Rahmen der trajanischen 6Eine genauere Differenzierung dieser Propaganda liegenden Schrift einzugehen.“ nicht wenige(n) Sentenzen, die nunwirklich ohne Zweifel mit zudenHöhepunk„ ,7 ten der adulatio, der schmeichlerischen Reverenz und Anbiederung gehören“ blieb oftmals aus. Manche Darstellung des Panegyricus scheint die Quelle als ein Lügenkonglomerat einzustufen, welches es zu entlarven gelte, um die dahinter verborgene Wahrheit des traianischen Principats erkennen zu können. Mit dieser Prämisse ist diewissenschaftliche Argumentation kontaminiert. Doch auch andere Darstellungen der Rede undihres Autors, die weniger von persönlichen Vorlieben diktiert sind, vermögen nicht vollends zu überzeugen, selbst wenn sie zu der Einsicht gelangten, dass im Panegyricus eine einzigartige Quelle von ungeheurer Relevanz für eine Erforschung des traianischen Principats und der gesamten frühen und mittleren Kaiserzeit überhaupt überliefert ist. So sieht etwa F. BEUTEL, diejüngste monographische Untersuchung der Quelle, im , das von das positive politische Programm der Opposition“ Panegyricus sogar „ den Kontakten des Plinius zur sogenannten Stoischen Opposition beeinflusst gewesen sei.8 Überliefert sei hier der originäre Staatsentwurf des Plinius nach der Ermordung Domitians. BEUTEL geht zunächst von der vermeintlichen Gewissheit aus, anhand des Werks des Plinius eine verlässliche Vita dieses Autors rekonstruieren zu können. Sodann glaubt er, den Aussagen des Senators Glauben schenken zu dürfen, er sei mit denMitgliedern einer ebenso vermeintlich fest umrissenen ‚Stoischen Opposition‘ undderen Angehörigen eng befreundet gewesen. Zudem meint der Autor, jene Politiker, welche dieser Opposition zuzurechnen seien, identifizieren zu können. Hierauf schließlich möchte er aus lediglich sekundären undmitgroßem zeitlichen Abstand überlieferten Äußerungen daspolitische Programm dieser Gruppe rekonstruieren undvermeint, es im Panegyricus wiederzufinden. M. FELL 1992 sieht im Panegyricus die Präsentation der „wünschenswerten Eigenschaften eines Princeps ausder Sicht der Senatoren“ .9DerAutor geht davon aus, dass derConsul Plinius stellvertretend für seine Standesgenossen andenKaiser Forderungen gestellt habe, wie dieser sich nach denVorstellungen des Gremiumsverhalten solle. Die Studie bemüht sich in derFolge darum, zunächst dasvon Plinius formulierte Ideal eines Princeps darzustellen, um danach die Übereinstimmung von diesem ‚Anspruch‘mit der ‚Wirklichkeit‘ herauszufinden undfestverhinderte bisweilen
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Die Wertung undAnalyse der Aussagen im Panegyricus des Vergleiche Strobel 1999, 17: „ jüngeren Plinius –zugleich eine Frage derBeurteilung dieses Mannes selbst (...)“ . STROBEL 1983, 37 und 47, Anm. 4. STROBEL 1985, 12. BEUTEL 2000, besonders 116– 127, hier 124. –Der Untertitel dieser Studie kündigt denn auch Neue Aspekte imWerk desjüngeren Plinius“an. „ FELL 1992, 107.
216
DER PANEGYRICUS
zustellen, dass Traian insofern in der Tat der optimus princeps gewesen sei.10 Doch auch diese Studie, wie alle anderen zuvor, übersieht zentrale formale und inhaltliche Aspekte der Quelle. Ohne deren Berücksichtigung aber kann eine Untersuchung des Panegyricus, wie überhaupt der gesamten Herrschaftsdarstellung dertraianischen Zeit, nurunzureichend gelingen.
10 FELL 1992, 176. –So zeigt es bereits der Titel dieser Arbeit: undWirklichkeit derimperialen Programmatik Traians“ .
„Optimus Princeps? Anspruch
2. IN HACNOTA,
VULGATA, DICTA
SUNT OMNIA
DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
AmAnfang einer Analyse derGratiarum Actio mussmansich verdeutlichen, dass mit der Bezeichnung ‚Panegyricus‘ unterschiedliche Stadien einer Textentwicklung bezeichnet sind; zumeinen jene Rede, die Plinius im Senat gehalten hatte, dann aber auch deren umfangreichere Versionen, die er zumeinen imKreise seiner Amici rezitierte, zum anderen publizierte.1 Allein diese in erweiterter Form publizierte Fassung ist uns überliefert. Eine Untersuchung von Form, Inhalt und Zweck des uns überlieferten Panegyricus muss sich also der textuellen Stratigraphie der Quelle zumindest bewusst sein. Doch man stößt bei dem Versuch, diese Ebenen voneinander zu scheiden, rasch andie Grenzen derPhilologie. Denn allein anhand des uns überlieferten Textes ist eine Trennung zwischen den Elementen des ursprünglich mündlichen Vortrags undjenen der literarischen Stilisierung nicht möglich.2 Undso waren bisherige Versuche der Scheidung vonoriginalen Inhalten undBestandteilen späterer Überarbeitung rein spekulativ undkonnten nicht überzeugen.3 Die von Plinius im Senat vorgetragenen Worte lassen sich aus demPanegyricus nicht herausfiltern. Wie wir sehen werden, ist eine solche Trennung dieser Schichten für unsere Untersuchung auch gar nicht nötig. Es wird im Folgenden um eine Analyse der Mittel der traianischen Herrschaftsdarstellung gehen, umdie Modi ihrer Aufnahmeundihre Reflexion durch die Senatoren. Dabei wird deutlich werden, dass der Panegyricus ein Dokument eines spezifischen kommunikativen Szenarios zwischen Kaiser undSenat ist, das denZweck hatte, einen zweifachen Konsens herzustellen: jenen der Senatoren untereinander, so dass sie demKaiser als geschlossene Gruppe gegenüber treten konnten, undjenen des gesamten Gremiums mit dem Herrscher. Dabei sind es im Wesentlichen zwei Faktoren, die garantieren, 1
Auch die publizierte und die rezitierte Version unterschieden sich voneinander. Plinius schreibt nämlich in seinem Brief 3.18.4, er habe eigentlich vorgehabt, die Rede seinen Amici nuran zwei Tagen vorzutragen. Dann hätten diese aber noch einen dritten Tag für den Vortrag gefordert. Plinius verfügte demnach über einen bestimmten Fundus von Text undTopoi, aus welchen er je nach den zeitlichen Vorgaben unterschiedlich lange Versionen einer Prä-
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1999. Viele Studien versuchten sich an einer solchen Scheidung der verschiedenen Fassungen. Da diese Bemühungen aus dengenannten Gründen allesamt fruchtlos waren, seien hier nurkurz erwähnt DIERAUER 1866, DURRY 1956, FEDELI 1989, FEURSTEIN 1979, MESK 1910, STROBEL 1985. –Für einen weiteren Überblick siehe BEUTEL 2000.
sentation zusammenstellte. FANTHAM
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DER PANEGYRICUS
dass auch die publizierte Version –deren literarische Stilisierung hierbei unbe-
ist –die gleiche programmatische Dichte und die gleiche Konformität mit den herrscherlichen Ideologemen besaß, wie sie der Vortrag im Senat unter denAugen desKaisers hatte. Zumeinen behandelte Plinius in beiden Fassungen dasselbe Thema: Er reflektierte die aktuelle Herrschaftsdarstellung Traians. In seiner politischen Brisanz und Aktualität unterschied sich das Publizierte nicht vom Vorgetragenen, und Plinius setzte sich mitbeiden Produkten gleichermaßen derKontrolle durch seine Standesgenossen aus. Wie diese bereits als Zuhörer im Senat die Worte des Redners auf ihre Konformität mit dertraianischen Herrschaftsdarstellung hin kontrolliert hatten, so taten sie es nunals Leserschaft undRezitationspublikum mit den Zeilen des Autors. Zumanderen muss davon ausgegangen werden, dass die Veröffentlichung des Panegyricus bereits kurz nach demVortrag erfolgte. Die publizierte Version der Rede beinhaltet Passagen, die zeigen, dass in ihr ein Zustand dertraianischen Herrschaft beschrieben ist, derzeitlich als die letzten Monate des Jahres 100 identifiziert werden kann. Dies mag anhand eines kurzen Beispiels illustriert sein. Traian trat seinen vierten Consulat, zu dessen Übernahme die publizierte Gratiarum Actio ihn drängt, schon kurz nach der Rede des Plinius an; nämlich am ersten Januar des Jahres 101.4 Im Text ist aber noch nicht einmal die Rede davon, dass der Kaiser sich zu diesem Amt bereits habe designieren lassen. Diese Designation erfolgte aber schon im Oktober 100. Wäre derPanegyricus auch nureinen Tag nach dieser Designation publiziert worden, hätte er den vierten Consulat Traians nicht als ein bloßes Desiderat darstellen können, wie es die uns überlieferte Version der Rede tut.5 Die Veröffentlichung datierte also noch in den September. Aus diesen Gründen, nämlich wegen der gleichartigen programmatischen Brisanz, derjeweiligen Anteilnahme der Standesgenossen und wegen der zeitlichen Nähe von Vortrag undPublikation, ist gewährleistet, dass auch dieunsüberlieferte Version derRede als Zeugnis jener Kommunikation zwischen Kaiser undSenat gelten kann, wiesie vordemGremium vorgetragen wurde. Bei einer Untersuchung des Panegyricus kann manauf Aussagen seines Autors selbst zurückgreifen. Denn nurkurze Zeit nach demVortrag imSenat äußerte sich Plinius in zwei Briefen zurkommunikativen Funktion derRede selbst undzu der von ihm in umfangreicherer Form publizierten Version.6 In diesen Episteln nommen
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Plin.paneg.78f. Im weiteren Verlauf der Darstellung wird deutlich werden, dass Plinius bei der Materialsammlung für denPanegyricus zumindest inhaltlich größtenteils auf Vorbilder zurückgreifen konnte, nämlich auf bereits gehaltene undwomöglich auch publizierte Gratiarum Actiones. Für seinen eigentlichen Vortrag konnte er den derart gesammelten Stoff selektieren. Für die spätere Publikation hatte Plinius also eine Fülle an Material zurVerfügung, welches er nicht im Vortrag selbst präsentiert hatte. Daher ist zumindest für die Phase derÜberarbeitung nicht allzu viel Zeit zuveranschlagen. Aus diesem Grunde, undweil die Bedeutung des Panegyricus wesentlich in seiner Aktualität lag, ist mit einer Publikation nurkurze Zeit nach demVortrag selbst zurechnen. Plin.ep.3.13 und 18.
2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
219
formulierte Plinius jene Kategorien, von denen er selbst berichtet, er habe sie für die Beurteilung seiner Rede und deren Veröffentlichung als wichtig angesehen. Auf diese Kriterien lenkte er bewusst denBlick seiner Adressaten undsomit auch die Wahrnehmung des erweiterten Lesepublikums seiner Briefe. Im Folgenden werden zunächst diese beiden Briefe näher betrachtet, erst danach soll der Pane-
gyricus selbst untersucht werden.7 Zuerst wird also dargestellt werden, welche Relevanz eine solche Rede in der politischen Kultur des Principats besaß, umanschließend mit den hierbei erzielten Ergebnissen die Frage zu behandeln, warum Plinius seinen Vortrag nach der Rezitation im Senat überarbeitete, ihn im Kreise derAmici vortrug undzudem publizierte. Erst imAnschluss soll die Interpretation derRede anhand ebenjener Kategorien erfolgen, die derAutor in seinen Briefen selbst als wesentlich für dasVerständnis desPanegyricus kennzeichnete.
2.1. OFFICIUM
CONSULATUS –DER VORTRAG IM SENAT
Plinius schickte seinem Amicus Voconius Romanus ein Exemplar jener Rede zur Lektüre, mit welcher er kürzlich als Consul demOptimus Princeps Dank gesagt habe.8 Dieser Protegé des Senators begegnete uns bereits im vorangegangenen Kapitel: Während Traian sich noch in dennördlichen Provinzen aufgehalten hatte, warPlinius umeine Erhebung des Voconius Romanus in den Senatorenstand bemüht gewesen; ein Anliegen, das derKaiser jedoch abgeschlagen hatte.9 Voconius hatte umein Exemplar dieser Senatsrede gebeten, undin seinem Begleitschreiben umreißt Plinius nunkurz einige Aspekte seines Werkes.10 So betont er, dass bei in hac nota, vulgata, dicta sunt diesem Stoff schon alles bekannt undgesagt sei („ omnia“ ), während andere Themen denLeser bereits durch ihre inhaltliche Neuheit aufmerksam hielten.11 Ein Leser seiner Gratiarum Actio seijedoch gleichsam otio-
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Um eine konsequente Lesung der Briefe zu unterstützen, sollen jedoch schon in diesem Arbeitsschritt bisweilen Zitate ausdemPanegyricus selbst zur Illustration dieser Selbstzeugnisse herangezogen werden. Plin.ep.3.13.1: Librum, quonuper Optimo Pricipi consul gratias egi, misi exigenti tibi missurus, etsi nonexegisses. Siehe hierzu imKapitel „ VomRhein nach Rom“ denAbschnitt 11 „Plinius tritt als Patron auf –indulgentiam tuamplenissimam experior“ . Plin.ep.2.13.2: In hoc consideres velim ut pulchritudinem materiae ita difficultatem. In ceteris enim lectorem novitas ipsa intentum habet, in hac nota vulgata dicta sunt omnia; quo fit, ut quasi otiosus securusque lector tantum elocutioni vacet, in quasatisfacere difficilius est, cum sola aestimatur. So sollte Plinius über ein Projekt schreiben, welches die traianischen Dakerkriege kurz nach Optime facis, quod bellum Dacicum ihrem Abschluss in epischer Form darstellen wollte: „ scribere paras. Nam quae tam recens, tam copiosa, tarn lata, quae denique tam poetica et quamquam in verissimis rebus tamfabulosa materia?“ ; Plin.ep.8.4.1.
220
DER PANEGYRICUS
sus undsecurus undachte nur noch auf den Stil.12 Doch Plinius betont, immerhin besondere Anforderungen an den Stil zu haben: Die Kunst des Panegyricus sei es nämlich nicht, lediglich schöne Einfälle zu haben und großartigen Ausdruck zu pflegen. Wichtig sei vielmehr, angemessen zu gliedern und figurativ zu variieren.13
Aus diesen Worten erhalten wir Informationen, die in der Tat bislang noch niemals angemessen in eine Untersuchung dieser Quelle einbezogen worden sind, undohne deren Beachtung jede Auseinandersetzung mit der politischen Funktion des Panegyricus nur scheitern konnte. Wie wir sehen, argumentiert Plinius, dass der Inhalt des Panegyricus, nämlich die Reflexion der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung, ein Gegenstand desöffentlichen Interesses sei, einElement derpolitischen Kultur: Seine intensive Kenntnis (nota) sei weit verbreitet (vulgata). Außerdem scheint dieser Inhalt bereits vor demZeitpunkt seiner eigenen Rede vorgetragen worden zu sein (dicta sunt omnia). In der Tat gibt es eine Reihe von Hinweisen darauf, dass die Danksagung des Plinius keine einmalige Gelegenheit gewesen sein kann, und dass es in traianischer Zeit bereits eine lange Tradition solcher Gratiarum Actiones gab, die in regelmäßigen Abständen vorgetragen wurden.14 Schon in der späten Republik beschrieb Cicero, dass es etablierter Brauch derConsuln sei, in ihrer ersten Ansprache Dank zusagen. Allerdings wandte sich der republikanische Magistrat noch an die Contio und dankte dieser für seine 12 Dieses Phänomen beschreibt Plinius auch an anderer Stelle, etwa in ep.3.15. Dort versichert er einem jungen Dichter, er werde dessen Werke zu schätzen wissen, dadieser eine sehr anmutige Vortragsweise besitze. Plinius lobt zunächst also die Art und nicht den Inhalt
des
Werkes. 13 Plin.ep.3.13.3: Naminvenire praeclare, enuntiare magnifice, interdum etiam barbari soient, disponere apte, figurare varie nisi eruditis negatum est. 14 Die Anzahl derForscher, welche auf die Periodizität solcher Reden hinweisen, ist gering. So merkt etwa ECK 2002a, 13 an, dass man die Worte jener Gratiarum Actio, welche Traian selbst undsein Kollege imJahre 91 gehalten hätten, nach derErmordung Domitians wohl geflissentlich wieder vergessen habe. Ob jene Rede publiziert worden sei, wisse man nicht. Auch STROBEL 1999, 17 bezeichnet denPanegyricus desPlinius als eine „Schrift, deren zeitgenössische Bedeutung als eine in derendlosen Reihe vergleichbarer Dankesreden mitgutem Grund als eher gering einzuschätzen ist, wasebenso für ihre Publikation gelten kann“ . Allein die Einzigartigkeit des Panegyricus in der Überlieferung suggeriert eine solche Singularität derDanksagung fürdierömische Kaiserzeit. Andieser Stelle versagt auch die quellennahe Untersuchung von SCHILLINGER-HÄFELE 1958; ebenso BEUTEL 2000, besonders 116– 127, der in der Rede den originären Staatsentwurf des Senators Plinius zu sehen meint und demnach die innovative Leistung desPanegyricus überbewertet. In gleicher Weise verkennt ENENKEL 2003, 157 das serielle Element dieser Kommunikation zwischen Kaiser undSenat. In seiner Untersuchung derAugustus-Vita Suetons postuliert er: Weiter warSueton mitdemPanegyricus zweifellos vertraut; er hatte bekanntlich mitPlinius „ in direkter Verbindung gestanden, derals sein literarischer Patron aufgetreten war.“Hier wird nicht nureine unhaltbare Singularität derGratiarum Actio vorausgesetzt; hier wird zudem argumentiert, dass inhaltliche Überschneidungen in den Aussagen von Zeitgenossen in erster Linie auf deren persönliche Bekanntschaft unddie Amicitia unter Literaten zurückgingen. JedeBerücksichtigung eines aktuellen politischen Klimas dieser Zeit, deren Ideologemen sowie derMedien, umdiese auszudrücken, wirdaufdiese Weise verhindert.
2. DIEPUBLICA GRATIARUM ACTIO
221
Wahl.15 Seit augusteischer Zeit hatte der Consul bei seinem Amtsantritt dem Princeps zu danken. Seitdem wurde aber nicht mehr für denverliehenen Consulat gedankt, sondern für die vielfältigen Wohltaten, die der Princeps erweise.16 Das nächste Zeugnis für einen solchen Brauch derDanksagung gibt erst wieder Plinius. Er blickt auf die Zeit Domitians zurück undbezeugt die Etabliertheit solcher Reden. Ausdrücklich betont er, dass der Senat solche Dankesreden wie die seine zur Zeit Domitians immer wieder nur ungern angehört habe.17 Auch an anderer Stelle fordert derRedner, die Senatoren sollten nicht mehr die gleichen Lobesworte für Traian wählen, die sie vorher schon für andere Principes gebraucht hätten. Denn bereits aus der Art der Danksagungen (gratiarum agendarum) der eigenen Zeit müsse deutlich werden, wem sie gelten und wann sie gesprochen worden seien.18 Plinius verwendet also für die Lobreden der domitianischen Zeit eben jenenBegriff, mit demer auch seine eigene Rede an Traian bezeichnet: gratiarum actio. Der gleichen Terminologie bedient er sich auch in seinem Bericht über die Dankesrede des Verginius Rufus, welche dieser anlässlich seines Consulats im Jahre 97 an Nerva gerichtet habe: in consulatu gratias agere.19 Von sich selbst bezeugt Plinius, sein Lob des Optimus Princeps ex more gehalten zu haben;20 auch dies ein deutlicher Hinweis auf zahlreiche Vorläufer. Er berichtet sogar von besonderen Konventionen, die sich mittlerweile innerhalb dieses Genres der Danksagungen etabliert hätten. So sei es nämlich mit der Zeit zur Gewohnheit geworden, dass der Consul dem Princeps neben öffentlichem Dank auch seinen persönlichen Dank ausspreche. Diese Aufgabe wolle er sogar nicht nurfür sich selbst, sondern auch für seinen Amtsgenossen Cornutus Tertullus übernehmen.21 Der Senator berichtet darüber hinaus von einer regelrechten Institutionalisierung derDankesreden. Sein Consulat habe ihmnämlich diePflicht auferlegt, im Namen des Staates dem Kaiser Dank zu sagen.22 Diese erwähnte Pflicht spezifiziert er noch: Er müsse einem Senatsbeschluss gehorchen, welcher
7. –Cicero kontrastiert seine Dankbarkeit gegenüber derContio mit seiner 15 Cic.de leg.agr.2.1– relativen Indifferenz demSenat gegenüber, danicht jener, sondern dasVolk ihn gewählt habe. In 2.6 weist Cicero zudem auf seine Antrittsrede amersten Januar im Senat hin, berichtet aber in diesem Falle vonkeiner Danksagung. 16 Ovid Pont.4.4.39f.: ...egeris et meritas superis cumCaesare grates, qui causa, facias cur ita, saepe dabit...
17 Plin.ep.3.18.6: (materia; i.e. gratiarum actio) quam in senatu quoque, ubiperpeti necesse erat, gravari tarnen vel puncto temporis solebamus... –Der zweifache Gebrauch des Praeteritum weist aufdieIteration dieses Vorganges hin. 18 Plin.paneg.2.3: Nec eadem deprincipe [palam], quae prius, praedicemus; neque enim eadem secreto loquimur, quae prius. Discernatur orationibus nostris diversitas temporum, et ex ipso genere gratiarum agendarum intelligatur, cui, quando sint actae.
19 Plin.ep.2.1.5: Nam, cumvocem praepararet acturus in consulatu principi gratias.... 20 Plin.ep.3.18.1: ...ut...principi gratias agerem. Quodegoin senatu...ex more fecissem... 21 Plin.paneg.90.3f.: Quia tamen in consuetudinem vertit, ut consules publica gratiarum actione perlata, suoquoque nomine quantum debeant principi profiteantur, concedite menonprome magis munere isto quam pro collega meo Cornuto Tertullo clarissimo viro fungi. Cur enim nonproillo quoque gratias agam, proquononminus debeo? 22 Plin.ep.3.18.1.
222
DER PANEGYRICUS
zum Nutzen des Staates beschlossen habe, der Consul möge Dank sagen.23 Ich möchte es mit einem letzten Hinweis auf die Regelmäßigkeit der Gratiarum Actiones bewenden lassen. Der von Plinius überlieferte Wortlaut dieses Senatus Consultum nennt gute und schlechte Principes als die Adressaten der Rede.24 Auch das scheint auf die Etabliertheit dieser rituellen Danksagungen hinzuweisen. An welche verschiedenen Principes hätten sich zu ein undderselben Zeit solche Reden richten sollen? Die Passage erscheint erst dann sinnvoll, wenn wir denSatz nicht synchron, sondern diachron auffassen; wenn wir mithin von einer Tradition derPanegyrici ausgehen. Resümiert man diese Belege, lässt sich also für die Regierungen Domitians, Nervas undTraians definitiv die Existenz solcher Dankesreden feststellen. Somit ist immerhin für den ersten September 100 eine Tradition von Vorgängerreden konstatieren. Wann genau allerdings die Regelmäßigkeit dieser Praxis etabliert wurde, bleibt aufgrund des nur spärlich tradierten Quellenmaterials ungewiss.25 Wir können aber über diese Erkenntnisse hinaus noch weitere Aussagen über die Häufigkeit derReden treffen, zumindest in dervonunsuntersuchten Zeit. Immerhin wurde deutlich, dass die Pflicht zurDanksagung an die Bekleidung des Consulats geknüpft war. Es fällt dabei aber auf, dass Verginius Rufus unter Nerva Consul Ordinarius gewesen war, doch Plinius seine Rede als Suffectconsul hielt. Es scheint also, dass ein solcher Panegyricus nicht allein Aufgabe desersten Consuls des Jahres war, sondern auch anlässlich der Nachfolgeconsulate gehalten wurde. Wiederum ist aufgrund der fragmentarischen Überlieferung nicht eindeutig zu beantworten, ob zu Beginn einer jeden Amtsperiode von Suffectconsuln eine solche Rede gehalten wurde, doch im weiteren Verlauf meiner Darstellung wird deutlich werden, dass dies wahrscheinlich der Fall war. Dies alles deutet darauf hin, dass es sich bei der Gratiarum Actio umein periodisch undmehrmals im Jahr vollzogenes Ritual handelte, bei welchem anlässlich seines Amtsantritts einer derbeiden jeweiligen Consules Ordinarii undSuffecti auf Geheiß des Senats demPrinceps eine Dankesrede vorzutragen hatte.
Nun muss ein weiterer Umstand besonders betont werden, der in der Forschung noch nie angemessen in Betracht gezogen wurde: Die Gratiarum Actiones waren keine persönliche Danksagung für den verliehenen Consulat. Zwei Gründe sprechen ganz deutlich dagegen. Plinius dankte Traian in seinem, doch auch im Namenseines Amtskollegen Cornutus Tertullus. Hätte es sich bei einem Panegyricus um eine persönliche Danksagung gehandelt, so hätte auch dieser Kollege dem 23 Plin.paneg.4.1f. –Ja, er spricht
sogar davon, der Senat habe es befohlen; auch dies ein Hinweis auf die Relevanz dieser Reden: Id nunceo magis solemne ac necessarium est, quodparens noster privatas gratiarum actiones cohibet et comprimit, intercessurus etiam publicis, si permitteret sibi vetare, quod Senatus iuberet. 24 Plin.paneg.4.1: ...[senatus consultum] placuit, ut boni principes quae facerent recognoscerent, mali quae facere deberent. 25 Dank und Lob gegenüber dem Herrscher kommen in ganz unterschiedlichen Genres der Überlieferung zumAusdruck. Manvergleiche mit demPanegyricus etwa dasjeweilige Lob aufTiberius imSC dePisone patre undimWerk desVelleius Paterculus.
2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
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Kaiser persönlich danken müssen undnicht nur mittelbar über seinen Kollegen. Außerdem ist an keiner Stelle des Panegyricus die Rede davon, dass Plinius für die Verleihung seines Consulats danke. Stets betont er, demPrinceps als Consul oder anlässlich seines Consulats zu danken.26 Eben dies war auch für Verginius Rufus der Anlass gewesen, seine Gratiarum Actio vorzutragen, denn auch von ihmwird berichtet, er habe demKaiser in seiner Eigenschaft als Consul gedankt, nicht aber dafür, dass dieser ihn zumConsul gemacht hatte.27 Die Fragen, die wir also stellen müssen, um die politische Funktion des Panegyricus zu verstehen, sind: Wofür, wenn nicht für ihr Amt, hatten die Consuln dem Kaiser zu danken? Warum wurden solche Gratiarum Actiones trotz der Bekanntheit ihrer Materie in regelmäßigen Abständen gehalten? Die mehrfach im Jahr stattfindenden Amtsantritte der Consuln boten wiederholte Gelegenheit für eine solche Rede.28 Dass es gerade der Consul sei, der mit dieser Rede beauftragt zuwerden pflege, leitet Plinius ausderVergangenheit her, aus dem mos maiorum:29 Bei wichtigen Gelegenheiten –und was sei wichtiger, fragt Plinius, als demOptimus Princeps zudanken? –sei es vonjeher die Aufgabe des Consuls gewesen, die Rede mit einem Gebet an Iuppiter zu beginnen. Auch der Panegyricus sei traditionell auf diese Weise einzuleiten. Die kommunikative Funktion der Gratiarum Actio war es, dass ein Senator als Vertreter des GremiumsimNamen des Staates demPrinceps generellen Dank aussprach. Der Consul war der hierfür geeignete Exponent des Senats, gerade weil er dessen Sitzungen leitete. Noch ausrepublikanischer Tradition stammte seine Verantwortung, für die sakrale Absegnung von staatsrelevanten Akten zu sorgen. Vor diesem Hintergrund wirddeutlich, warum es in derTatbelanglos war, dass diese Rede nicht von beiden Consuln vorgetragen wurde. Immerhin wird derAmtskollege des Redners vollends marginalisiert, wenn ihmdie Gelegenheit zupersönlichem Dank undzur Rede überhaupt entzogen und dem Vortragenden überantwortet wird. Es ging eben nicht umeine Danksagung derMagistrate für verliehene Consulate, sondern um die Gelegenheit zu einem spezifisch senatorisch-kaiserlichen Konsensritual, innerhalb dessen es völlig ausreichte, wennbei periodisch wiederkehrenden Gele-
26 Siehe etwa Plin.ep.3.13:
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nuper optimo principi consul gratias egi; Plin.ep.3.18: Officium consulatus iniunxit mihi, ut rei publicae nomine principi gratias agerem. –Diese Tatsache ist in der Forschung zumeist übergangen worden. Tatsächlich beschränkt sich die Danksagung des Plinius für sich selbst undseinen Kollegen Cornutus Tertullus auf die Paragraphen 90.3– 95. So schreibt etwa KÜHN1985, 1 in dermaßgeblichen deutschsprachigen Edition desTextes „ DerConsul, derdemBrauch entsprechend fürsich undseinen Kollegen beim Amtsantritt dem Kaiser Dank abstattet für die Übertragung des Consulats,...“ . Siehe auch ECK2002a: Undein Konsul hatte demKaiser im Senat für die Zuerkennung des Konsulats zu danken. „ Nicht jeder wird dann eine solch hohe, über weite Strecken freilich wenig inhaltsvolle, rhetorische Form erreicht haben wie Plinius d.J. (...)“ . Plin.ep.2.1.5: Nam, cumvocem prepararet acturus in consulatu principi gratias,... Im Jahre 98 etwa gab es acht Amtszeiten vonjeweils zwei Suffectconsuln, 99 waren es fünf Amtsperioden und 100 gab es sechs Gelegenheiten für solche Reden. Dies zeigen die bisher bekannten Consularfasten dieser Jahre; ECK2002b. –Ich danke Herrn Professor Werner Eck fürdiefreundliche Überlassung deszujenem Zeitpunkt noch unveröffentlichten Manuskripts. Plin.paneg. 1.1: Bene ac sapienter...maiores instituerunt...
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DER PANEGYRICUS
genheiten
ein Exponent des Senates demPrinceps im Vortrag gegenübertrat. Die
neue Amtsperiode der Consuln oder Suffectconsuln war lediglich derAnlass zum Vortrag. Das panegyrische Ritual selbst und sein Inhalt waren wichtig, der Vortragende waraustauschbar.
2.2. DER PANEGYRISCHE
MECHANISMUS
2.2.1. ADRESSATEN UNDTHEMEN
Die ersten vier Paragraphen des Panegyricus bilden eine Art Proömium. Bereits hier sind einige der Themen angesprochen, die Plinius im Verlauf seiner Darstellung noch ausführlich behandeln sollte. DerRedner formuliert hier, wie er vorgehenwerde, welche Facetten desPrinceps er besonders zubehandeln gedenke, und warum er glaube, dass gerade diese wichtig seien. ImFolgenden möchte ich mich einigen der rhetorischen undinhaltlichen Eigenarten der Rede zuwenden, umdie spezifischen Bedingungen des panegyrischen Rituals erkennen zu können. Die regelmäßig vorgetragenen Gratiarum Actiones werden dabei als das Medium einer Kommunikation beschrieben werden, die exklusiv zwischen dem Senat und demKaiser stattfand, undderen wichtigste Aufgabe es war, einen demonstrativen Konsens zwischen beiden Parteien herzustellen. Es wird deutlich werden, dass der Exponent des Senats keinesfalls eine bloße Schmeichelrede auf den Princeps hielt unddass er auch nicht allein eine offiziell approbierte Herrschaftsideologie wiedergab. Stattdessen werden wirsehen, dass auch die Senatoren in durchaus deutlicher Weise ihre Wünsche undForderungen an dasVerhalten desPrinceps formulierten.
Die Rede richtet sich explizit an drei Adressaten. Dies hat die gesamte Forschung bislang nicht berücksichtigt. Doch eben dieser Befund lässt wichtige Rückschlüsse auf die kommunikativen Eigenheiten desPanegyricus zu. Unmittelbar am Anfang seiner Rede spricht Plinius die Senatoren an,30 dann erfolgt die Anrufung des Iuppiter Optimus.31 Deutlich später erst wendet sich derConsul dem Princeps zu.32 Diese Anordnung ist nicht zufällig, denn das Ende der Rede entspricht ihr. Während sich Plinius nämlich noch im finalen Absatz an die Senatoren wendet,33 hatte er imParagraphen davor zumletzten Mal Iuppiter angerufen,34 unddavor wiederum hatte er bereits zumletzten Mal den Kaiser angeredet.35 Die 30 31 32 33 34 35
Plin.paneg. 1.1: patres conscripti. Plin.paneg. 1.6: Iuppiter Optime. Plin.paneg.4.3: Caesar Auguste. Plin.paneg.95.1: patres conscripti. Plin.paneg.94.1: Capitoline Iuppiter. Plin.paneg.93.3.
2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
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Rede ist also symmetrisch angelegt, und die Anrede der Senatoren umfasst den Text vomersten bis zumletzten Absatz. Diese Anordnung verdeutlicht die überaus wichtige Rolle der Senatorenschaft in diesem Szenario. Dass es allein diese drei Adressaten waren, die der Redner mit seiner Gratiarum Actio ansprach, wird auch in der Bitte des Plinius an Iuppiter deutlich: Dieser möge darüber wachen, dass seine Rede der Würde des Consuls, des Senates unddes Princeps entspreche.36 Andere Adressaten erwähnt die Rede nicht; keine anderen Gruppen scheinenjenen politischen Raum mitgestaltet zuhaben, in demdie Gratiarum Actiones ihren Platz hatten.
So hebt denn auch der senatorische Redner seine Standesgenossen deutlich von der Plebs Urbana ab: Der Populus feiere immer nur die herausragenden Eigenschaften unddas auffälligste Verhalten desjeweils aktuellen Kaisers; welche Züge dies auch immer seien. Dabei sei das Verhalten der Masse zwar besonders durch ostentativen Konsens undemphatische Akzeptanzbekundungen geprägt; in der Frage aber, wem und weshalb sie diese Einmütigkeit demonstriere, sei die Plebs sehr wankelmütig. Es fehle ihr nämlich die Einsicht in die maßgeblichen Differenzierungskriterien von guter und schlechter Herrschaft. Wie nämlich das Volk den einen Princeps als schön gepriesen habe unddessen Darstellungskunst und Gesang gelobt habe, so würdige es nun Traian wegen seiner überragenden Tapferkeit, auch wegen seiner pietas, abstinentia undmansuetudo.37 Aus diesen Worten des Panegyricus wird deutlich, dass der Consul für den Senat beanspruchte, dasMonopol auf die wahre Deutung derErscheinungsformen von Herrschaft zu besitzen. Die für eine gute Herrschaft nötigen Kriterien rhetorisch darzulegen undihre Existenz in derPerson Traians zubestätigen, ist Aufgabe desSenatsredners undkonstituierendes Element derGratiarum Actio. Auch die publizierte Version der Danksagung richtete sich formal unddemWortlaut nach an eben dieses Publikum. Mögen auch noch so viele literarisch Interessierte, die nicht dem Gremium angehörten, einer Rezitation des Panegyricus beigewohnt oder die publizierte Version gelesen haben, so richtete sich doch auch diese erweiterte Fassung allein an Senatoren, Kaiser undIuppiter. VomRitual der Gratiarum Actio, wie es zumAmtsantritt des Consuls im Senat stattgefunden hatte, wardas nicht-senatorische Publikum ohnehin ausgeschlossen gewesen. Die kommunikativen Koordinaten des Panegyricus sind hiermit klar markiert: Bei der Gratiarum Actio handelt es sich um das Medium einer Kommunikation, die exklusiv zwischen demSenat unddemKaiser stattfand. Das Gremium wurde dabei voneinem Exponenten vertreten, demConsul. Dieser sprach verbindlich im Namen des Gesamtsenates. Es war seine Aufgabe, eine kollektive Meinung zu artikulieren; nicht seine persönliche. Außerdem stand die Rede unter der Aufsicht des obersten Staatsgottes. Es ist bezeichnend, dass Plinius in der Anrufung Iuppi-
36 Plin.paneg. 1.6. 37 Plin.paneg.2.6. –Plinius kontrastiert dieKriterien fürdie Beurteilung eines Kaisers durch den Populus Romanus unddurch die Senatoren, etwa indem er die vermeintliche Indifferenz des Populus gegenüber Traian darstellt unddas Volk seinen Herrscher nur als hunc bezeichnen lässt.
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DER PANEGYRICUS
ters nicht allein darum bittet, seine eigenen Worte mögen von demAnschein der Schmeichelei frei sein, sondern dass er die göttliche Hilfe auch gegen eine etwai-
ge Nötigung anruft.38 Die Aufgabe des Gottes ist es also, nicht nur den Redner, sondern auch denKaiser zu disziplinieren, undmögliche Verstöße gegen denbeteuerten Konsens zusanktionieren.
Auffällig ist, dass der Panegyricus beinahe ausschließlich senatorische Belange mit unserer Feststellung, dass die Rede das Zeugnis eines Konsensrituals ist, das allein zwischen Kaiser und Senat stattfand. Mögen dasHeer unddie Plebs Urbana auch wesentliche Faktoren des Akzeptanzsystems gewesen sein, so sind sie als Publikum der Gratiarum Actio fast ebenso marginalisiert wie die italische Bevölkerung oder die Bewohner der Provinzen. Diese Gruppen waren wichtige Adressaten anderer Segmente der traianischen Herrschaftsdarstellung; doch weder sind sie die Zielgruppen des Panegyricus, noch behandelt die Rede ihre Interessen.40 Der Suffectconsul geht fast nur auf Themen ein, die für dieMitglieder desGremiums vonRelevanz waren. So berichtet Plinius etwa vondemVerhalten desPrinceps als Consul, in denWahlcomitien undals Gerichtsvorsitzender; allesamt Gelegenheiten, bei denen er sich wie ein republikanischer Magistrat verhalten habe.41 Daneben schildert Plinius Traians Wertschätzung derpatrizischen Familien, doch auch, dass derKaiser einen Kandidaten bevorzugt habe, welcher noch nicht der Nobilität angehöre.42 Der Redner lobt die Atmosphäre bei den traianischen Gastmählern undpreist das Verhalten der Damenderkaiserlichen Domus, die sich gemäß jener Normen verhielten, anwelchen auch die Gattinnen vonSenatoren gemessen wurden.43 Auch mit seinem Lob, dass Traian das Delatorenunwesen undviele finanzielle Zwänge beseitigt habe, schildert Plinius auf breitem Raum das Wirken des Princeps zu Gunsten der Senatoren.44 Sogar jene Passagen, welche das Verhalten des Princeps etwa gegenüber der Plebs Urbana beschreiben, loben letztlich, dass Traian nicht zuletzt auch hier Tabehandelt.39 Das korrespondiert
38
Plin.paneg.1.6: Quomagis aptum piumque est, te, Iuppiter optime maxime...precari, ut mihi digna consule, digna senatu, digna principe contingat oratio: utque omnibus, quae dicentur a me, libertas, fides, veritas constet: tantumque a specie adulationis absit gratiarum actio mea, quantum abest a necessitate. 39 Auf die Bedeutung dieser Ausnahmen, also etwajener Passagen, welche das Verhältnis des Kaisers zu seinen Legionen behandeln, werde ich im zweiten Teil dieses Kapitels eingehen. Dort wird gezeigt werden, dass auch Schilderungen, dienicht explizit dasVerhältnis vonKaiser undSenat thematisierten, dennoch eine wichtige politische Funktion für dieses Verhältnis besaßen. 40 Siehe hierzu den Abschnitt 2 „ Das Akzepanzsystem“im einleitenden Kapitel. –Zu dieser Differenzierung der traianischen Programmatik nach Adressaten vergleiche auch LUMMEL 33. Dieser Ansatz scheitert aber, daer die in denjeweiligen Aussagen derProgram1991, 6– matik Dargestellten mitderZielgruppe dieser Aussagen gleichsetzt. 65, 76f. undpassim. 41 Siehe etwa Plin.paneg.60, 63, 64.2– 42 Siehe etwa Plin.paneg.69f. 43 Plin.paneg.48f., 83f. 43. 44 Plin.paneg.34–
2. DIE PUBLICA GRATIARUMACTIO
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ten und Tugenden demonstriere, die für das gute Verhältnis des Princeps zum Senat ebenfalls relevant waren.45 Die meisten Inhaltspunkte dieser Rede vomersten September 100 behandeln ein konkretes Verhalten Traians in bestimmten Situationen. Der Panegyricus präsentiert demanwesenden Kaiser kein abstraktes Herrscherideal. Stattdessen attestiert derRedner demPrinceps eine Vielzahl von Tugenden undstellt dar, wie und bei welchen Gelegenheiten Traian diese Virtutes in derVergangenheit zumWohle seiner Bürger in Taten umgesetzt habe undhoffentlich auch in Zukunft umsetzen werde. Plinius hat hier keinen abstrakten Staatsentwurf formuliert, der von den aktuellen Ereignissen undProblemen losgelöst gewesen wäre. Wenn wir uns nun wieder in Erinnerung rufen, dass solche Reden in regelmäßigen Abständen gehalten wurden, wird deutlich, warum Plinius anVoconius Romanus über dasExempin hac nota, vulgata, lar der im Senat gehaltenen Rede hatte schreiben können, „ , unddass die Gliederung derRede undihre figurative Variation dicta sunt omnia“ die eigentlichen Herausforderungen des Autors seien, um den Leser zufrieden stellen zu können. Denn inhaltlich können sich zeitlich beieinander liegende Gratiarum Actiones nicht sehr voneinander unterschieden haben. Plinius trug zumindest kaum Neues vor. Immerhin referieren umfangreiche Abschnitte des Panegyricus Ereignisse, die zum Zeitpunkt des Vortrags schon lange zurück lagen; sei es nundie Jugend Traians, sein Marsch von Spanien nach Germanien, die Wirren des Prätorianeraufstandes oder sein Aufenthalt an derDonau. Wenn diemeisten Passagen nunauch Ereignisse betreffen, die erst kurze Zeit zurücklagen, waren dies zumZeitpunkt der Senatsrede doch schon einige Monate; so etwa die langen Ausführungen zum Consulatsantritt Traians am ersten Januar 100. Der größte Raum der Rede ist jenen kaiserlichen Taten undTugenden gewidmet, die sich seit Traians Rückkehr im Oktober 99 bis zumSeptember 100 als günstig für die Senatoren herausgestellt hätten. Dieser Befund erklärt sich schlichtweg daraus, dass Traian sich erst seit weniger als einem Jahr wieder in Romaufhielt. Erst seit wenigen Monaten hatte derKaiser wieder unmittelbar mit demSenat kommuniziert, underst seit dieser Zeit waren all jene wichtigen Akte vollzogen worden, welche für das Verhältnis des Gremiums zum Kaiser wichtig waren unddie in denGratiarum Actiones des Jahres 100 dankbar gelobt wurden. Nun waren aber auch diese Ereignisse des Jahresanfangs längst schon von den anderen Consuln in deren Danksagungen vor dem September 100 vorgetragen worden. Denn was, außer eben diesen Themen des Plinius, hätten jene Consuln noch berichten können, die bei ihrem jeweiligen Amtsantritt in den Monaten vor September gesprochen hatten?46
45 So ist etwavonderLiberalitas desKaisers dieRedeundvonderLibertas, welche ergarantiere. Außerdem macht derRedner vonderPlebs Urbana rhetorischen Gebrauch, indem er den 46
Princeps vonderen Pietas erhöht sein lässt. Die Darstellung derUntertanen undihrer Begeisterung ist also bloßes Mittel zumLob desKaisers; Plin.paneg.24.4f., 25.3, 28.4. AmEnde desAbschnitts 2.3. „ Die modestia des bonus civis –Eine Rezitation im Kreise der Amici“wird deutlich werden, dass diese Gratiarum Actiones beim Antritt desConsulats nicht die einzige Gelegenheit waren, demKaiser seine Taten vorzutragen undseine Tugenden zu
228
DER PANEGYRICUS
Es ließe sich vermuten, dass solche Dankesreden zwar häufig, aber nicht mit wiederkehrender Regelmäßigkeit gehalten worden seien, sondern nurdann, wenn etwas derart Bedeutendes passiert war, dass es sofort zumBestandteil derkaiserlichen Herrschaftsdarstellung hätte werden müssen. Doch in der Fülle der Informationen, welche der Panegyricus zur fernen undnahen Vergangenheit Traians bietet, wird zumindest kein Vorkommnis der Sommermonate 100 deutlich, das eine solche Rede notwendig gemacht hätte. Ein unmittelbarer Anlass dieser Rede ist nicht zuerkennen. Tatsächlich handelte es sich bei demVorgetragenen umwohlbekanntes undbei mehrfacher Gelegenheit schon referiertes Material. Die Bedeutung despanegyrischen Rituals lag eben gerade nicht in der inhaltlichen Variation des Vorgetragenen, sondern vielmehr in der regelmäßigen Wiederholung dieser Inhalte undihrer rituellen Reflexion vor Senat undKaiser. Auf die entscheidende Frage, warum diese Themen trotz ihrer Bekanntheit immer wieder vorgetragen wurden, müssen wir antworten, dass die Stärke dieses periodischen Vortrags der Reden darin lag, dass ihre Inhalte auf diese Weise immer wieder aktualisiert werden konnten. Hatte ein Ereignis stattgefunden, hatte der Princeps einen wesentlichen Regierungsakt vorgenommen, wollten Traian oder der Senat eine bestimmte Imago des Kaisers akzentuieren, konnte dieses Anliegen binnen kürzester Zeit in den Themenfundus der Herrschaftsdarstellung aufgenommen unddort verhandelt werden. Dort erfuhr es seine Reflexion durch den Redner und seine Ablehnung oder Zustimmung durch dasPublikum, Senat undKaiser. Dieser Befund ist umeine weitere Facette zu ergänzen: Das rhetorische Szenario des Panegyricus macht deutlich, dass die Danksagung im Senat vorgetragen wurde. Doch lässt sich klären, ob auch derPrinceps bei dieser Gelegenheit anwesend war? Die Frage ist berechtigt, ob Plinius durch die häufige persönliche Anrede Traians seiner publizierten Version nicht bloß denAnschein derAuthentizität habe verleihen wollen. Warum hätte sich der Kaiser immer wieder jene Reden anhören sollen, die ihm stets gleiche Inhalte undgleiches Lob vorgetragen zu haben scheinen? Nunlag aber die Bedeutung dieses periodischen Rituals darin, dass mit seiner Hilfe Kaiser undSenat ihre jeweiligen Anforderungen aneinander formulieren konnten. Hier wurde verhandelt, welche kaiserlichen Imagines wie vom Senat reflektiert wurden. Hier konnte der Kaiser seinerseits sehen, welche Bestandteile der Herrschaftsdarstellung bei den Senatoren tatsächlich auf Akzeptanz stießen undwelche sie weniger schätzten. Undhier wurde regelmäßig ein Bild des Verhältnisses zueinander gezeichnet. Während des Vortrags konnten beide Seiten ihre Zustimmung oder Ablehnung gewisser Inhalte nuancieren. Dies konnte verbal geschehen, mit emphatischen Ausrufen undunter Murmeln, oder allein mit Gesten undMimik. Im weiteren Verlauf des Kapitels, nämlich bei derUntersuchung jenes sozialen Raumes, welchen eine Lesung konstituierte, werden wirsehen, wie wichtig es war, dass die kaiserzeitlichen Besucher einer Rezitation ihre Äußerungen undReaktionen genau kontrollierten; etwa, anwelchen Stellen unbedachte Gesten aussaverdeutlichen. Wir wissen zumindest, dass auch die designierten Consuln Princeps Anträge zustellen hatten; siehe Plin.ep.6.27.
zu Ehren des
2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
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gekräftiger waren als eine Vielzahl absichtsvoll gesprochener Worte.47 Das Publikum der traianischen Zeit war geübt darin, selbst die kleinsten Erschütterungen der Anwesenden zu erkennen undzu deuten. Genau deswegen aber war es wichtig, dass beide Kommunikationspartner bei diesen Vorträgen anwesend waren, die dengemeinsamen Umgang behandelten. Undauseben diesen Gründen ist es nicht allein sehr wahrscheinlich, sondern war sogar die Voraussetzung für den reibungslosen Verlauf des panegyrischen Vortrags, dass alle Senatoren diesen Gelegenheiten beiwohnten unddass natürlich auch derKaiser anwesend war. Rückblickend wird nun also ein weiteres wesentliches Defizit erkennbar, welches der Kommunikation zwischen Senat und Kaiser durch dessen längere Abwesenheit entstand. Zwar konnten Princeps und Gremium programmatische Schreiben hin undher senden, doch es warunmöglich, Reaktionen des Gegenübers zubeobachtenundanhand seiner bewussten undunbewussten Gesten zudechiffrieren.
ZumAbschluss dieser Passage möchte ich noch kurz darauf hinweisen, welcher Art die im Panegyricus beschriebene Hierarchie ist, also das Verhältnis des Redners undseiner Standesgenossen zumPrinceps. ZuBeginn seiner Rede fragt Plinius, was die Senatoren denn vereint zu feiern pflegten: die Göttlichkeit des Princeps; oder seine Menschlichkeit, Bescheidenheit und Umgänglichkeit, wie Liebe undFreude es ihnen eingäben?48 Diese Frage drückt keine Alternative aus, die zuUngunsten derGöttlichkeit zuverneinen wäre. Wenn der Senat in der gleichen Passage nämlich aufgefordert wird, demKaiser niemals wie einem Gott oder einem Numen zu schmeicheln, so richtet sich diese Passage doch nicht gegen die divinitas Traians.49 Vielmehr kritisiert sie den Einsatz von Schmeicheleien als Ausdruck des Herrscherlobs; schließlich, referiert der Consul, sei Traian denGöttern ganz ähnlich.50 Doch die Sprache dervergangenen Lügen sei für denOptimus Princeps nicht angemessen, undso müsse Traian miternst gemeintem Lob gepriesen werden. Besonders betont Plinius aber auch, dass der Princeps selbst sich als unus ex nobis betrachte. Undgerade dies begründe seine Ausnahmestellung. Denn der Kaiser erinnere sich gleichermaßen daran, ein Mensch zu sein wie den Menschen voran zu stehen.51 Traian wird hier also nicht nur als seinen Bürgern und Untertanen übergeordnet präsentiert, sondern allen Menschen. Das Spannungsfeld wird deutlich, in welchem der Kaiser zwischen menschlicher undgöttlicher Sphäre eingeordnet ist. Der Panegyricus in seiner vorgetragenen oder publizierten Version war kein Fürstenspiegel, der demKaiser ideale Tugenden empfohlen hätte. Stattdessen, so schreibt Plinius über seine Rede, habe der civis seinem Herrscher dessen eigene, 47 Siehe
48 49 50 51
hierzu den Exkurs im Abschnitt 2.3 „ Die Lesung als sozialer Raum senatorischer Stan. deskontrolle“ Plin.paneg.2.7. Plin.paneg.2.3: Nusquam utdeonusquam utnumini blandiamur. Plin.paneg.1.3: dis simillimus. Plin.paneg.2.4: Unum ille se ex nobis –et hoc magis excellit atque eminet, quod unum ex nobis putat –nec minus hominem se quamhominibus praeesse meminit.
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DER PANEGYRICUS
tatsächliche Tugenden zu verdeutlichen.52 Die Vorgabe, dass dies mit ehrlichen Lobesworten zu geschehen habe, zeigt jedoch, dass es tatsächlich ideale Herrschertugenden sind, die in den vermeintlich individuellen Virtutes des Kaisers beschrieben werden. Denn die persönlichen Züge des Kaisers sind nicht relativierbar durch ein Abwägen des Redners, ob er sie preisen oder tadeln sollte. Die einzig mögliche Stellungnahme des Untertanen zu den individuellen Eigenschaften desHerrschers ist dasLob. Dessen Wahrhaftigkeit könne nunaber wegen des absolut positiven Charakters der kaiserlichen Tugenden gar nicht erst angezweifelt werden. Aus diesen Worten wird das hierarchische Gefälle deutlich, das den Imperator vomCivis trennt. Die Gratiarum Actio ist kein Zeugnis eines Szenarios der Kommunikation zwischen gleichberechtigten Partnern. Die Rolle des Belehrenden kann der Senatsredner nicht einnehmen; nicht gegenüber seinem Kaiser mit dessen verabsolutiertem Tugendkanon, dernurgelobt werden kann. Der Versuch einer Belehrung würde eine übergeordnete oder gleichrangige Position voraussetzen, unddies wäre Ausdruck von Anmaßung; einer Verhaltensweise, welche die dargestellten Rangverhältnisse verletzte. Der Kaiser steht also demUntertanen gegenüber, nicht der Princeps einem Standesgenossen und Mitsenatoren. Nicht einmal die zukünftigen Herrscher bedürften eines Lehrmeisters, betont der Redner. Ihnen möge die Person Traians mit den in ihr kumulierten Exempla das normative Leitbild sein. Dadurch attestiert Plinius jenem verabsolutierten Tugendkanon Traians sogar zeitliche Enthobenheit. Dieser entspreche nicht nur den aktuellen Erfordernissen der eigenen Zeit, sondern stelle sogar für die Zukunft den maßgeblichen Fundus anherrscherlichen Virtutes dar.
Bisher konnten wir also feststellen, dass derPanegyricus desPlinius dasMedium einer spezifischen Kommunikation ist, die exklusiv zwischen den Senatoren und dem Kaiser stattfand. Der oberste Staatsgott hatte zu gewährleisten, dass der Redner vom Anschein der eigenen Schmeichelei und der kaiserlichen Nötigung frei sei. Die Rede besaß nicht den Anspruch, ein abstraktes Herrscherideal zu formulieren, sondern führte die Tugenden Traians vor unddie aus ihnen resultierenden Taten, die derKaiser zumWohle seiner Senatoren vollbracht habe. Die Gratiarum Actiones wurden in regelmäßigen Abständen gehalten; wohl zu Beginn einer je-
denneuen Amtsperiode der Consuln. Bei diesen Gelegenheiten reflektierte einer der Consuln als Exponent des Gesamtsenats, welche Facetten der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung in welchem Maßakzeptiert wurden. Gerade in derperiodischen Wiederholung der Inhalte lag der Sinn des panegyrischen Konsensrituals, da auf diese Weise das Bild des Verhältnisses von Kaiser undSenatoren immer wieder aktualisiert werden konnte. Im Folgenden werden wir sehen, welche Möglichkeiten der Redner besaß, auch die Wünsche des Senats demHerrscher gegenüber zuartikulieren.
52 Plin.ep.3.18.2f. –Ein Fürstenspiegel
konnte der Panegyricus demAnspruch des Plinius gemäßallein für Traians Nachfolger sein –unddies auch nur indirekt -, da ihnen das vomOptimus Princeps gezeichnete Bild als Beispiel dienen sollte.
2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
2.2.2. NONDICTURI
231
NISI FECERIT –DEN KAISER AUFFORDERN
Plinius berichtet über die publizierte Version seiner Rede, vor allem solle sie mit wahren Lobesworten demKaiser seine Tugenden empfehlen.53 Diese Aussage ist ganz erstaunlich. Denn wasbedeutet es,jemandem Tugenden zuempfehlen, welche dieser schon besitzt? Plinius verwendet an dieser Stelle das Verb commendare, für welches es in seinem Werk eindeutige Gebrauchsbedingungen gibt: Es ist das Wort, mit demder Senator Empfehlungsschreiben an seine Amici zugunsten Dritter bezeichnet.54 Es sollen demKaiser aber keineswegs beliebige lobenswerten Tugenden empfohlen werden, sondern virtutes suae, wie Plinius betont: also seine eigenen Tugenden. Mit diesem Befund korrespondiert denn auch die Aussage des Senators, dass die guten Kaiser aus einem Panegyricus erfahren sollten, was sie tatsächlich leisteten.55 Was soll es heißen, demPrinceps dessen eigene Tugenden zuverdeutlichen? Für eine Klärung dieser Fragen soll im Folgenden anhand einiger Beispiele ein den Panegyricus durchziehendes Motiv vorgestellt werden, das in der Forschung bislang keinerlei Beachtung fand. Die politische Funktion der Rede ist aber ohne dessen Betrachtung nicht erkennbar. Es handelt sich hierbei umdenrhetorischen Mechanismus des Affirmativen Forderns. Bei einer Untersuchung dieses Punktes wird deutlich, dass der Consul nicht einfach eine offizielle Version der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung referierte. Vielmehr werden wir sehen, wie der Senatsredner demPrinceps die Vorstellungen der Senatoren bezüglich des kaiserlichen Verhaltens übermittelte; wie er also die traianische Herrschaftsdarstellung mitgestaltete.
Zudenjenigen Herrschertugenden, die fürdenSenat besondere Relevanz besaßen, gehörten Modestia undModeratio. Das Vorhandensein dieser Tugenden gewährleiste, dass derPrinceps seine herausgehobene Stellung gegenüber den Senatoren nicht missbrauche. Undaufjene Virtutes des Kaisers, betont Plinius, wolle er sei-
53 Plin.ep.3.18.2f.: ...primum ut imperatori nostro virtutes suae veris laudibus commendarentur, deinde ut futuri principes nonquasi a magistro, sedtarnen sub exemplo praemonerentur, qua potissimum via possent adeandem gloriam niti. (3) Nampraecipere, qualis esse debeat princeps, pulchrum quidem, sedonerosum ac prope superbum est. Laudare vero optimum principemac perhoc posteris velut e specula lumen, quod sequatur, ostendere idem utilitatis habet,
54 55
adrogantiae nihil. Demnach sollten also auch zukünftige Kaiser ermahnt werden, auf welchem Wege sie am besten nach demgleichen Ruhme streben sollten. Diese Ermahnung habe nicht wie durch einen Lehrer zu geschehen, sondern anhand jenes Beispiels, welches Traian biete. Es sei zwar schön, einem Kaiser vorzuschreiben, wie dieser zu sein habe, doch ebenso hochmütig wie anmaßend undbeschwerlich. Das Lob des Optimus Princeps aber undseine Präsentation als Beispiel für die Nachfolger seien nützlich undkeinesfalls anmaßend. Siehe hierzu die Stellennachweise bei JACQUES/VAN OOTEGHEM 1965, 150f. –ZumGenre derEmpfehlungsschreiben auchbei Plinius siehe HEIDER 2000. Plin.paneg.4.1. –Plinius betont, dass ein Senatsbeschluss zu öffentlichem Nutzen festgelegt habe, dass mit der Stimme des Consuls, undzwar in Form einer Danksagung, gute Principes erführen, wassie tatsächlich leisteten, schlechte Principes, wassie leisten sollten.
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DER PANEGYRICUS
ne Rede ausrichten.56 Mit diesen Worten bestätigte der Redner Traians übergeordnete Position. Denn diese herausgehobene Stellung desKaisers warüberhaupt erst die Voraussetzung dafür, dass er Selbstbescheidung undMaßhaltung üben konnte, um huldvoll seinen Untertanen die konkreten Manifestationen dieser abstrakten Tugenden reichhaltig zukommen zu lassen. Nach den Worten des Plinius ist es nämlich gerade dasgroßzügige Ausmaß derkaiserlichen Herablassung undJovialität, die ihn weit über seine vermeintlichen Standesgenossen hinaus hebe.57 Doch will derKaiser seine Herrschaft akzeptiert sehen, muss sein Handeln Facetten des Bildes des Guten Princeps reflektieren, damit seine Herrschaftsdarstellung in diesen spezifischen Punkten nicht allein Hülle bleibt. Das heißt, der Princeps muss auch konkrete Manifestationen der an ihm gelobten generellen Tugenden erbringen. Mit den Worten, er werde seine Rede der Modestia undModeratio Traians anvertrauen, signalisiert Plinius dem Kaiser, der Senat habe dessen Imago der Selbstbescheidung und Maßhaltung akzeptiert. Doch zugleich legt der Exponent des Senats den Kaiser auf ein Verhalten gemäß eben jenen Tugenden fest: Der Kaiser möge sich im Gegenzug für diesen Akt der Anerkennung seiner Tugenden auch tatsächlich von jener Modestia und Moderatio leiten lassen; vor allem in seinem Handeln zuGunsten der Senatoren. Dieses reziproke Moment der senatorisch-kaiserlichen Kommunikation, diese gegenseitige Durchdringung von Anerkennen undFordern, ist bereits im Proömium des Panegyricus sehr deutlich. Hier berichtet Plinius, dass die Senatoren in kollektiven, doch vermeintlich spontanen Aufwallungen von Pietas ihre Wünsche an denKaiser zu äußern pflegten: „Dies möge er tun; dies möge er hören!“58Nun hebt der Redner aber hervor, das Gremium wäre zu solchen Ausrufen gar nicht erst bereit, wenn der Princeps diese Bitten nicht gleichsam schon vorher erfüllt hätte. Es geht in dieser Passage also umBitten der Senatoren, welche sie in der Hoffnung äußerten, der Kaiser möge ihnen nachkommen. Doch gleichzeitig mit ihren Bitten formulieren die Senatoren eine derart starke Gewissheit und zeigen ein so deutliches Vertrauen in die Erfüllung ihrer Wünsche, dass der Kaiser sich demnicht entziehen kann. Dies ist der bereits vorgestellte Mechanismus des Affirmativen Forderns. Notwendig für sein Funktionieren ist, dass die Senatoren in konsensualer Geschlossenheit demKaiser gegenübertreten. Als Gruppe signalisieren sie ihre Bereitschaft, jene Facetten seiner Herrschaftsdarstellung zu akzeptieren, die er von ihnen gelobt wünsche. Aber im Gegenzug fordern sie die Einlösung ihrer Bitten gemäß eben diesen Facetten. Wenn derKaiser etwa wolle, dass seine Humanitas undCivilitas, seine Temperantia undFacilitas gepriesen werden, müsse er auch tatsächlich Demonstrationen dieser Tugenden seiner jovialen Um-
56 Plin.paneg.3.2:
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Quantum admepertinet laborabo, ut orationem meam admodestiam principis moderationemque submittam. Plin.paneg.2.4.: Unum ille se ex nobis –et hoc magis excellit atque eminet, quod unum ex nobis putat, necminus hominem se quamhominibus praeesse meminit. Plin.paneg. 2.8: ..quam commune, quam ex aequo... –2.8: ...alternis votis ‚Haec faciat, haec audiat‘quasi nondicturi nisi fecerit comprecamur! –3.1: Igitur quod temperamentum omnes in illo subito pietatis calore servavimus ...
2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
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er müsse ihre Wünsche erfüllen.59 DerPanegyricus berichtet, Traian reagiere auf derartige senatorische Anliegen mit Erröten und Tränen der Rührung, da ihm deutlich werde, dies gelte seiner Person, nicht seiner Stellung als Princeps.60 Auch hier sind zugleich senatorischer Konsens und hierarchische Diskrepanz betont: Das Gremium wendet sich gemeinsam mit Bitten an den Kaiser. Das kommunikative Gefälle wird aber durch Emotionalität unddie Demonstration affektiver Nähe auf beiden Seiten überwunden, wenn die Senatoren vermeintlich spontane und emphatische PietasBekundungen zum Ausdruck bringen, und der parens noster, wie Plinius den Herrscher an dieser Stelle nennt, mit Rührung darob reagiert. Die Terminologie der Passage macht deutlich, dass die senatorische Forderung die Form einer Bitte von Kindern an den Vater hat, welcher dieser sich nicht entziehen könne, da das Bild des Guten Princeps schließlich Schutz undWohlfahrt derBürger gewährleiste. In dieser inszenierten Emotionalität verbinden sich die konsensual agierenden Senatoren mitdemKaiser zueiner großen Eintracht. DerPanegyricus offenbart an dieser Stelle seinen Charakter als das Zeugnis eines zweifachen Konsenses: jenes der Senatoren untereinander und jenes des senatorischen Kollektivs mit dem Princeps. ImFolgenden möchte ich anhand ausgewählter Textbeispiele das SpektrumderBeispiele erweitern, umunseren Blick fürdenMechanismus desAffirmativen Forderns zu schärfen undumzu zeigen, für welche Zwecke dieses rhetorische Mittel vomSenatsredner eingesetzt wurde. gänglichkeit zumNutzen der Senatoren geben: Kurzum,
In einer Passage seiner Rede beschreibt Plinius, inwiefern die Eigenschaften des Princeps den Senatoren ein gelebtes Vorbild seien. So habe Traian etwa die Censur deswegen bisher nicht übernommen, da er den Charakter der Senatoren eher durch die Gewährung von Beneficia prüfe als mit harten Maßnahmen.61 Wichtig 59 Im Ansatz sieht dies auch OEHL 2002, 311 mit Blick auf das Briefcorpus: „Wenn er [i.e. Plinius] Trajans civilitas begrüßte, so war dies nicht Opportunismus, sondern aufrichtige Dankbarkeit dafür, dass auch der Kaiser die Tradition nicht als Schatten abtat, sondern ihr Respekt erwies.“Auch wenn OEHL resümiert (322), dass die demonstrative Civilitas des Princeps auch der Festigung seiner Macht gedient habe, so geht er doch von einem sehr einfachen Modell der Kommunikation zwischen Kaiser undSenatoren aus. Dies betrifft in besonderem Maße die Erforschung dervermeintlich ‚wahren Absichten‘und‚persönlichen Ansichten‘desPlinius, welche OEHLeher „ als ehrliche Meinungsäußerung werten undnicht lediglich als heuchlerische adulatio vordemneuen Machthaber“sehen möchte (319). Eine Diskussion einer derFormen, in denen sich die Civilitas Traians manifestiert habe, nämlich seiner Zugänglichkeit beim Gastmahl, bietet MORTON-BRAUND 1996; siehe hierzu auch 1998. –ZumPhänomen der Jovialität als hierarchisch wirkender Handlungsweise siehe auch JEHNE 2000, der zwar die republikanische Zeit behandelt, doch auch einen Ausblick in den frühen Principat unternimmt unddabei zu Recht auf die Anwendbarkeit der Kategorie ‚Jovialität‘ sowohl auf die Kommunikation republikanischer Nobiles mit demVolk wieauch desPrinceps mitseinen Senatoren hinweist. 60 Diese vermeintliche Spontaneität, betont Plinius, signalisiere demKaiser die Aufrichtigkeit MORTON-BRAUND
seiner Senatoren.
61 Plin.paneg.45.4: Et ideo non censuram
adhuc, non praefecturam morum recepisti, quia tibi beneficiis potius, quamremediis ingenia nostra experiri placet.
D e r Pa n e g y r ic u s
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in diesen Worten ist für unsere Untersuchung das kleine Wort „bisher“, das adhnc. Plinius erinnert in dieser Passage implizit daran, dass Domitian die Censura Perpetua übernommen hatte und kontrastiert damit das Verhalten Traians.62 Der Senatsredner hielt es also für lobenswert, dass sich Traian diese Imago eines Pessimus Princeps, die lebenslange Sittenaufsicht über die Senatoren, nicht angeeignet habe. Das adhuc zeigt uns, dass er ganz offensichtlich nicht wusste oder sich zumindest nicht darauf festlegen wollte, ob der Kaiser sich nicht vielleicht doch eines Tages vom Senat zum Censor Perpetuus werde ernennen lassen. Daher baute er dieses rhetorische Caveat ein. Doch diese Worte reflektierten nicht allein eine Unsicherheit; sie waren auch eine Forderung. Denn Traian wusste nun, dass die Senatoren eine eventuelle Annnahme der Censur auf Dauer von vomeherein anlehnten. Der Redner des Panegyricus, dieser Exponent des Senats, hatte also nicht allein das bisherige Verhalten Traians gelobt, die Censur nicht übernommen zu haben. Er hatte ihm zudem den Wunsch des Gremiums deutlich gemacht, der Princeps möge auch in Zukunft keine Censura Perpetua übernehmen. Er wird sogar noch deutlicher: „Perge modo, Caesar...!“; der Herrscher möge derart fortfahren. Als öffentliches Vorbild solle er allein mit seinen Tugenden und den von ihm vorgelebten Handlungen die Wirkung einer Censur erzielen.63 In ganz ähnlichem Sinne müssen die kaiserlichen Recusationes verstanden werden, also jene ritualisierten Versuche des Senats, dem Kaiser Ehrungen zu übertragen; auf deren Ablehnung durch den Princeps nimmt die Intensität des Drängens der Senatoren zu, woraufhin letztlich doch die Annahme folgt. Mechanismen und politischer Gehalt einer solchen Recusatio waren den Zeitgenossen wohlbewusst und wurden von ihnen reflektiert. So schreibt Plinius etwa über Traians Zurückweisung des Consulats: „Perpessus es longum illud carmen comitiorum, nec iam inridendam morem“. Der Akt insgesamt sei eine „liberae civitatis simulatio“ gewesen.64 Doch der Senatsredner verdeutlicht auch, wie prekär es bisweilen sein konnte, kaiserliche Recusationes richtig einzuschätzen. Nachdem Traian nun schon einmal den Consulat abgelehnt habe, solle er dies doch kein zweites Mal tun. Solche wiederholte Ablehnung könne schließlich fehlgedeutet werden; vor allem in dem Sinne, die Ehrung schiene Traian zu gering. Doch tatsächlich sei es ja gerade Traians Hochschätzung des Consulats, welche ihn dieses Amt habe ablehnen lassen. Um die Leute aber davon zu überzeugen, dürfe er die Ehrung nicht noch einmal abschlagen. Schließlich, so insinuiert Plinius, handele es sich ja bloß um einen aufgeschobenen Konsulat, um einen consulatus dilatus.65 62
Domitian hatte sich im Jahre 84 zum Censor Perpetuus wählen lassen; Cass.Dio 67.4.3. – Daneben erwähnt Plinius in gleicher W eise auch die bisher nicht erfolgte Annahme der praefectura morum, der vom Censorenam t losgelösten censorischen Gewalt. Iulius Caesar hatte diese sich übertragen lassen, Augustus etwa hatte sie aber abgelehnt; Suet.Div.Iul.76.1, R g d a
63
Plin.paneg.45.6: Perge modo, Caesar, et vim effectumque censurae tuum propositum, tui actus obtinebunt. - Siehe zu Traians Umgang mit der Censur auch das Ende des Abschnitts 6.3.3 „Bildnisschilde und Restitutionsprägungen“ im Kapitel zum Traiansforum. Plin.paneg.63.2 und 63.5. Plin.paneg.57.1; 59.1.
6 . 1.
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2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
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Der Interpret solcher Passagen darf es sich nicht derart leicht machen, sie als bloße Ausflüsse zeittypischer Schmeichelei zu verurteilen. Vor uns sehen wir stattdessen genau jenen Mechanismus, der soeben vorgestellt wurde: In der Sache der Censur verdeutlicht undempfiehlt Plinius dem Kaiser dessen eigene Tugenden, die ohnehin als normatives, doch unübertreffbares Vorbild dienten. Der Senator führt in seiner Rede also vor, welche der kaiserlichen Imagines undwelche ihrer Manifestationen vondenSenatoren gutgeheißen werden. Er signalisiert dem Kaiser, wie dieser seine Schritte wählen und sein Verhältnis zu den Senatoren auch in Zukunft gestalten möge, umweiterhin gelobt undgeachtet, eben akzeptiert zu werden. Genau dies trifft auf das Drängen des Senatsredners zu, der Kaiser möge denConsulat nicht noch ein zweites Mal ablehnen. Offensichtlich hatte sich Traian demRitual derRecusatio widersetzt, indem er demDrängen, welches aufseine Ablehnung folgte, nicht nachgegeben hatte, sondern dendritten Consulat –zumindest zumvonihmerwarteten Zeitpunkt –tatsächlich nicht angenommen hatte. In gewisser Weise hatte sich der Princeps damit an denRegeln der senatorisch-kaiserlichen Kommunikation vergangen; wahrscheinlich hatte er den Senat zu intensiv bitten lassen. Allerdings hatten die Senatoren trotz dieses Aufwands undtrotz dieser demonstrativen Einnahme einer bittenden undsomit untergeordneten Position kein Ergebnis in demvon ihnen gemutmaßten Sinn erzielt. Hierauf sahen sie sich wohl in ihrem Ehrenstatus reduziert; zumindest hatte Traians Verhalten sie verunsichert. In derTat nahmTraian diesen dritten Consulat erst einJahr später an,nämlich ab Januar 100. Doch schon im September 100 ermunterte der Panegyricus den Princeps erneut zur Annahme eines Consulats, für 101 nämlich. Dies verband der Senatsredner nunmit der expliziten Aufforderung, Traian möge sich erklären und diesen Consulat nicht wieder konsequent abzulehnen. Der Senatsredner verlieh zu diesem Zweck seinem festen Glauben Ausdruck, Traian wolle durchaus weiterhin Consulate bekleiden. Dann solle er sie auf Drängen des Senats aber auch annehmen. Plinius kritisiert andieser Stelle nicht dasRitual einer kalkulierten Recusatio der Ehrung, das heißt ihrer verzögerten Annahme; diese war für denPrinceps nötig, umModeratio zu demonstrieren. Es ging stattdessen um eine überraschende vollständige Recusatio. Plinius bittet den Kaiser also, seine Senatoren nicht wieder derart hinzuhalten, dass sie sich bis zur völligen Enthüllung der wahren Machtverhältnisse erniedrigen müssten, welche normalerweise vom Mantel des gegenseitig demonstrierten Respekts voreinander verdeckt waren. Der Senatsrednerreflektiert also ganz offen dashierarchische Gefälle vonKaiser undSenatoren undgibt die konsensuale Illusion auf, der Princeps sei unus e nobis. Gleichzeitig beruhigte Plinius Traian aber auch, dass eine gewissermaßen serielle Übernahme von Consulaten, wie sie in der gleichen Passage Domitian vorgeworfen wird, demOptimus Princeps nicht übel genommen würde.66 Denn Traians Bemühen, diesen Aspekt der Tyrannen-Imago zu vermeiden, hatte nicht emphatische Zustimmung, sondern Verwirrung undÄrger heraufbeschworen. Es war nundie Aufgabe des Senatsredners, angesichts der bevorstehenden Designierung 66 Plin.paneg.58.1.
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DER PANEGYRICUS
für die Consulate des kommenden Jahres die Sichtweise des Senats zu verdeutlichen und dem Kaiser Handlungsempfehlungen auszusprechen insofern fordert der Panegyricus Transparenz in Wort undTat, doch er bietet sie zugleich auch. In eben diesem Sinne ist die Gratiarum Actio ein Zeugnis der Genese kaiserlichsenatorischer Verständigung unddesAkzeptanzrituals.
Der panegyrische Mechanismus des Affirmativen Forderns ist aber nicht einfach ein Zeugnis dafür, dass die Senatoren ein bestimmtes Verhalten desPrinceps oder politische Desiderate verlangten. Wichtiger als die tatsächliche Umsetzung von Wünschen einzufordern waren für den Panegyricus der demonstrative Charakter des Vortrags unddie dabei vollzogene ritualisierte Übereinkunft zwischen Senat und Kaiser. Relevant war der ostentative Konsens. Im folgenden Beispiel wird dies noch deutlicher. Der Princeps stand faktisch über denleges der Res Publica. Das war ihm undden Senatoren auch bewusst. Der Panegyricus aber betont, der Princeps habe sich den Gesetzen unterworfen.67 Sofern manausschließt, dass entweder Plinius tatsächlich glaubte, Traian sei an die leges gebunden, oder dass bloße Schmeichelei amWerk war, kann mandiese Aussage auf zweierlei Weise deuten: So könnte dies heißen, die Senatoren wünschten, auch derPrinceps solle sich den Gesetzen unterwerfen. Diesen kollektiven Wunsch verdeutlicht der Vertreter des Senats demKaiser nachdrücklich unddemonstrativ, wenn er feststellt: „ipse te legibus subiecisti“ . Indem der Senat einen nicht vorhandenen Zustand preist, fordert er dessen Realität ein. DemPrinceps wird signalisiert, was er zu tunhabe, um auch weiterhin die emphatische Akzeptanz der Senatoren zu besitzen: Er möge sich vonnunan tatsächlich den Gesetzen unterordnen. Versteht mandie Passage in diesem Sinne, sieht manallein dasElement dessenatorischen Forderns. Die Aussage des Redners sollte aber in einem anderen, in einem erweiterten Sinn verstanden werden: Auch wennbeiden Seiten bewusst war, dass derPrinceps faktisch nicht an die Gesetze gebunden war, wollte derKaiser sich vondenSenatoren dennoch als einen solchen Herrscher anerkannt wissen, der sich den Gesetzen unterordne. Seinen Wunsch, derart dargestellt zu werden, machte er deutlich. Der Senat konnte nundurch seinen Exponenten, denVortragenden der Gratiarum Actio, feststellen lassen: „ ipse te legibus subiecisti“ . Hiermit hatte der Senat signalisiert, denWunsch desHerrschers verstanden zuhaben. DerPrinceps sah, dass die von ihm erwünschte Herrschaftsdarstellung vom Senat verinnerlicht worden war. Dass der Kaiser sich tatsächlich den Gesetzen unterwarf, wurde aber nicht erwartet, zumindest nicht in erster Linie. Es ging hier vorerst allein umdie Geste, die Wünsche der anderen Seite zu reflektieren, ihre Akzeptanz zu signalisieren undauf diese Weise denKommunikationspartner in seinem Status zubestätigen. Im Gegenzug freilich wurden wiederum die eigenen Vorstellungen akzentuiert undder Gegenseite als Forderung präsentiert; also etwa, der Kaiser möge in seinen Taten eine Haltung einnehmen, als stehe er tatsächlich unter denGesetzen. Plinius nennt an dieser Stelle sogar selbst ein Beispiel für diesen, vom Senat erwünschten, kaiserlichen Habitus: So hatte Traian nämlich vor demAntritt seines 67 Plin.paneg.65.1.
2. DIE PUBLICA GRATIARUMACTIO
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Consulats vor den versammelten Senatoren geschworen, er werde den Gesetzen nicht zuwider handeln. Beim Schwur des Treueids habe der Kaiser sich sogar vor dem Consul erhoben!68 Auch in dieser differenzierten Interpretation des Ausipse te legibus subiecisti“sehen wir also den Mechanismus des Affirmaspruchs „ tiven Forderns amWerk, doch im Vordergrund steht nicht die tatsächliche Erfüllung der Wünsche. Es geht vielmehr darum, die Wünsche des jeweils anderen Kommunikationspartners als relevante Desiderate anzuerkennen, somit demWillen der anderen Partei Gewicht beizumessen unddiese in ihrem Status aufzuwerten; ein Vorgehen, das seinerseits Erwartungsdruck gegenüber demKommunikationspartner aufbaute, wiederum mit Status zuweisenden Gesten zureagieren.
Ein weiteres Beispiel soll diesen Mechanismus des Affirmativen Forderns in der Gratiarum Actio zeigen. In einer Passage behandelt Plinius die Securitas des Kaisers undunter welchen Umständen –die selbstverständlich unter Traian gegeben seien, wie der Redner betont –diese Sicherheit gewährleistet sei.69 Es geht also umeinen besonders heiklen Punkt imVerhältnis desPrinceps zumSenat, nämlich umdie Unversehrtheit des Lebens des Herrschers. Wie prekär diese Securitas des Kaisers sein konnte, war während der vergangenen Jahre mehrmals deutlich geworden: in der Usurpation des Saturninus, in der Ermordung Domitians und im Prätorianeraufstand, welcher die Schwäche Nervas gezeigt hatte. Außerdem war Nervas Securitas auch vonjenen Druck bedroht worden, den Cornelius Nigrinus undUlpius Traianus als Statthalter ihrer Provinzen undKommandeure ihrer Legionen auf den Kaiser ausgeübt hatten, um ihn jeweils zu ihren Gunsten zu einer Klärung der Nachfolge zu bewegen.70 Nunbetont Plinius, der Optimus Princeps brauche sich natürlich nicht zu fürchten; seine Securitas sei schließlich gesichert. Doch derRedner sagt auch etwas über die Umstände undBedingungen dieser Sicherheit. Denn Traians Senatoren liebten den Princeps zwar so, wie er es verdiene, doch täten sie dies nicht aus Liebe zu ihm, als vielmehr zu sich selbst. Niemals aber möge derTag anbrechen, dasie ihre feierlichen Vota nicht auch aus persönlichem Interesse, sondern allein noch aus Verpflichtung äußerten! Schändlich sei es nämlich für einen Princeps, wenn ihn seine Sicherheit zum Schuldner anderer mache. Von Traian selbst ermächtigt, sei der Staat mit den Göttern übereingekommen, dass diese den Princeps unbeschadet lassen sollten, wenn er den Staat gutundzumVorteil aller lenke unddie Bürger seinerseits unversehrt lasse. Ansonsten aber sollten sie ihmihren Schutz entziehen undihn solchen Vota über-
65.2. 68 Plin.paneg.64.2–
69
70
Plin.paneg.68.4ff.: Amamus quidem te, in quantum mereris; istud tamen non tui facimus amore, sed nostri: nec unquam illucescat dies, quo pro te nuncupet vota non utilitas nostra, sedfides, Caesar. Turpis tutela principis, cui potest imputari. Queri libet, quod in secreta nostra non inquirant principes, nisi quos odimus. Namsi eadem cura bonis, quae malis essent, quamubique admirationem tui, quodgaudium exsultationemque deprehenderes! Die ängstliche Unsicherheit der Senatoren desJahres 97 reflektiert etwa Plin.ep.9.13. –Siehe hierzu neben ALFÖLDY/HALFMANN 1973, SCHWARTE 1979 und STROBEL 1985 vor allem ECK 2002 a und2002b sowie GRAINGER 2003.
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DER PANEGYRICUS
lassen, welche man nicht öffentlich ausspreche.71 Denn gewiss habe das Ende früherer Kaiser gezeigt, dass die Götter nur diejenigen Principes liebten, die auch vondenMenschen geliebt wurden.72 Der Panegyricus macht an dieser Stelle deutlich, wie wichtig für den Kaiser seine Akzeptanz durch den Senat sei: Sie war die Gewähr für seine Sicherheit. Denn in der referierten Passage betont der Senatsredner nichts weniger, als dass derPrinceps auch etwas dafür leisten müsse, umgeliebt undakzeptiert zuwerden. Schließlich, hebt Plinius hervor, äußerten er und seine Standesgenossen ihre Beteuerungen der Nähe zum Princeps und ihre Bekundungen seiner Akzeptanz vornehmlich aus eigenem Interesse. Zur Verstärkung des Arguments bemüht Plinius sogar göttlichen Schutz; immerhin warIuppiter einer der drei Adressaten derRede. Verhalte sich also ein Princeps derart, dass seine Senatoren ihn nicht länger schätzten, so möge dieser Verstoß des Herrschers sanktioniert werden. Die Unsterblichen sollten ihren Schutz, welchen sie grundsätzlich den guten Herrschern angedeihen ließen, voneinem solchen schlechten Herrscher nehmen. Doch Plinius belässt es nicht bei diesen wenig konkreten Hinweisen. Indem er nämlich auf dasEnde früherer Principes hinweist, die dengöttlichen Schutz verloren hätten unddaraufhin der Wutder Menschen ausgeliefert gewesen seien, erinnert der Redner etwa an die Nötigung des mitissimus senex Nerva durch Prätorianer undThronaspiranten, an Herrscher, die während einer Usurpation umgekommen waren, und an verschiedene Morde. Die implizite Androhung göttlicher Sanktion und menschlicher Gewalt, falls der Princeps nicht in ausreichendem Maße den Erwartungen undWünschen der Senatoren entgegen komme, werden deutlich. Doch Plinius beeilt sich zu betonen, dass Traian selbstverständlich solches nicht zu befürchten haben werde: Wenn er doch nur das Privatleben seiner Untertanen ausforschte, welche Begeisterung für sich würde Traian da überall feststellen können!73 Und Plinius versichert dem Princeps, man schwöre ihm schließlich Treueide, da er bereits zuvor allen einen solchen Eid geschworen habe.74
ZumAbschluss dieses Abschnitts möchte ich eine etwas längere Passage des Panegyricus ohne weiteren Kommentar zitieren. Hier finden sich auf engstem Raum jene Themen undMechanismen kondensiert, die sich im Verlauf der bisherigen Betrachtungen als konstitutiv für den Panegyricus als Medium des Konsenses 71 Plin.paneg.67.5: Egit cumdiis, ipso te auctore, Caesar, respublica, ut te sospitem incolumemque praestarent, si tu ceteros praestitisses: si contra, illi quoque a custodia tui [capitis] oculos dimoverent, teque relinquerent votis, quae nonpalam susciperentur. principum exitus docuit, ne a diis quidem amari, nisi quos homines ament.
72 Plin.paneg.72.4: Et sane priorum
73 Plin.paneg.68.7. 74 In ähnlicher Weise wird derPrinceps darauf hingewiesen, dass zuseiner Stellung gehöre, sein Privatleben offen zu legen, denn alles, was er tue, werde bemerkt. Es folgt jedoch sofort die beschwichtigende Versicherung des Redners, Traian habe dabei natürlich nichts zu befürchten, da sein häuslicher Bereich ihm zur Ehre gereiche; Plin.paneg.83.1. –Siehe zu diesem Thema REES 1998.
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zwischen Kaiser und Senat herausstellten. Mit den bisherigen Ausführungen besitzt der Leser ein geeignetes Instrumentarium, um selbständig die verdichtete Darstellungsweise des senatorischen Redners und das Zusammenwirken von Affirmativem Fordern undrhetorischen Rückversicherungen zubetrachten. Das Hintergrundszenario für diese Passage ist, dass Traian am ersten Tag seines dritten Consulats den Senat ermahnt hatte, die Freiheit neu zu gebrauchen unddie Sorge umeinen gleichsam gemeinsamen Staat zuübernehmen. Nunhätten, betont Plinius, Traians Vorgänger genau das gleiche gesagt, doch damit hätten sie kein Vertrauen gefunden. Vor Augen habe man schließlich noch den Untergang vieler Männer, die sich von der Windstille hätten täuschen lassen und im überraschenden Wirbelsturm zerschmettert worden seien. Kein Meer sei so trügerisch wie jene Principes und ihre Schmeichelworte.75 Doch Traian, kontrastiert der Redner nun, könnten die Senatoren furchtlos undbegeistert folgen:
Dugebietest uns, frei zusein, undso werden wir frei sein; dugebietest uns, öffent„ lich unsere Meinung zusagen, undso werden wires tun. Dennunser bisheriges Stillhalten geschah nicht aus eingewurzelter dumpfer Gleichgültigkeit, nein, Angst und Schrecken undjene ausGefahren erwachsene unselige Klugheit ließen es unsratsam erscheinen, Augen undOhren undHerzen vomStaate fernzuhalten –doch gab es da überhaupt noch einen Staat? Jetzt aber erfüllt unsfestes Vertrauen
auf dein eidlich bekräftigtes Versprechen, wir öffnen unsern Mund, der in langer Knechtschaft verschlossen war, wir lösen die Zunge aus den Fesseln so vieler Übel. Denn duwillst wirklich, dass wir so sind, wie dues verlangst, undhinter deinen Ermahnungen verbirgt sich keine Falschheit, keine List, nichts schließlich, was einen Vertrauensvollen zu täuschen trachtet –freilich nicht ohne Risiko für den, der täuscht; denn noch nie ist ein Princeps betrogen worden, wenn er nicht selbst als erster betrogen hat. Diese Einstellung unseres gemeinsamen Vaters glaube ich erkannt zuhaben sowohl aus demInhalt seiner Rede wie insbesondere aus derArt seines Vortrags. Denn wie bewundernswert ist der Ernst seiner Gedanken, die schlichte, angemessene Wortwahl, die Überzeugungskraft in seiner Stimme, die Entschiedenheit seines Gesichtsausdrucks; welche Glaubwürdigkeit spricht aus seinen Augen, seiner Haltung, seiner Gebärde, kurz aus seiner ganzen Erscheinung. Also wird er immerfort seiner Empfehlungen an uns sich erinnern unddeshalb bei all unseren künftigen Versuchen im Umgang mit der Freiheit, die er uns geschenkt hat, genau wissen, dass wir ihm eben dadurch Gehorsam erweisen. Es besteht kein Anlass zur Befürchtung, in seinen Augen als unvorsichtig zu gelten, wenn wir ent-
75 Plin.paneg.66.2f.: (2) Illuxerat
primus consulatus tui dies, quo tu curiam ingressus, nunc singulos, nunc universos adhortatus es resumere libertatem, capessere quasi communis imperii curas, invigilare publicis utilitatibus et insurgere. (3) Omnes ante te eadem ista dixerunt, nemini tarnen ante te creditum est. Erant suboculis naufragia multorum, quos insidiosa tranquillitate provectos improvisus turbo perculerat. Quod enim tam infidum mare, quam blanditiae principum illorum, quibus tanta levitas, tanta fraus, ut facilius esset iratos, quam propitios habere? Te vero securi et alacres, quovocas, sequimur.
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DER PANEGYRICUS
schlossen Gebrauch machen von der neuen Zeit; weiß er doch, dass wir unter einem 76 schlechten Princeps unsanders verhalten haben.“
2.2.3. ILLUD ADDITUM ANOBIS
OPTIMI COGNOMEN
KOORDINATEN EINER HERLEITUNG
Im Folgenden werden wir betrachten, auf welche Weise Traians Beiname ‚Optimus‘imPanegyricus hergeleitet wird. Obwohl derPanegyricus selbst immer wiederdie besondere Bedeutung dieses Titels für Traian betont, gibt es bislang keine systematische Untersuchung jener Aspekte, welche die Bezeichnung ‚Optimus Princeps‘semantisierten. Doch gerade in ihr sind –ähnlich wie injenem Traians-
Porträt, dessen Behandlung amAnfang dieser Arbeit steht –verschiedene Rollen desKaisers konzentriert, so dass eine Analyse dieser Bestandteile als eine Fallstudie der traianischen Herrschaftsdarstellung dienen kann. Der folgende Abschnitt wird in exemplarischer Weise dasGeflecht vonIdeologemen deutlich machen, die bereits in der frühen traianischen Zeit erhebliche Wirkungsmacht besaßen und deren Relevanz noch am Ende seiner Herrschaft ungebrochen war. Wir werden sehen, wie Plinius die Rolle Traians im Kontext seiner senatorischen Standesgenossen undim Gefüge zwischen Menschen undGöttern sah, wie er ihn außerdem im Vergleich zu seinen Vorgängern auf demThron undvor demHintergrund der republikanischen Vergangenheit bewertete.
Traian sollte die Bezeichnung ‚Optimus‘ erst im Jahre 114 zum offiziellen Bestandteil seines Herrschernamens machen. So lauteten erst ab August 114 etwa die Legenden der Münzvorderseiten IMP CAES NER TRAIANO OPTIMO AVG.77 Diese Aufnahme des ‚Optimus‘ in die kaiserliche Titulatur resultierte aus den ersten deutlichen Erfolgen im Partherkrieg, nämlich demAbschluss desFeldzuges
76 Zueiner Behandlung
77
dieser Passage unddesThemas derLibertas imPanegyricus siehe MOR67.3 in derÜbersetzung nach KÜHN 484. –Plin.paneg.66.4– FORD 1992 undFEDELI 1989 480– 1985: (66.4) Iubes esse liberos; erimus. Iubes, quae sentimus, promere in medium: proferemus. Neque enim adhuc ignavia quadam et insito torpore cessavimus: terror, et metus, et misera illa ex periculis facta prudentia monebat, ut a republica (erat autem omnino nulla respublica) oculos, aures, animos averteremus. (5) At nunc tuadextera tuisque promissis freti et innixi, obsepta diutina servitute ora reseramus, frenatamque tot malis linguam resolvimus. Vis enim tales esse nos, quales iubes, nihilque exhortationibus tuis fucatum, nihil subdolum, denique nihil, quod credentem fallere paret, non sine periculo fallentis. Neque enim unquam deceptus est princeps, nisi quiprius ipse decepit. (67.1) Equidem hunc parentis publici sensum, cumex oratione eius, turn pronuntiatione ipsa perspexisse videor. Quae enim illa gravitas sententiarum! quam inaffectata veritas verborum! quae asseveratio in voce! quae affirmatio in vultu! quanta in oculis, habitu, gestu, toto denique corpore fides! (2) Tenebit ergo semper, quod suaserit: scietque nos, quoties libertatem, quam dedit, experiemur, sibi parere. (3) Nec verendum est, ne incautos putet, si fidelitate temporum constanter utamur, quos meminit submalo principe aliter vixisse. Siehe STRACK 1931, 35f.
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in Armenien und der daraus resultierenden Einrichtung der Provinz Armenia. Doch schon seit seinem fünften Consulat –dasheißt, bereits ab demJahre 103 mit
denErfolgen des ersten Dakerkriegs –hatten die Rückseitenlegenden von DenarenundAurei derReichsprägung durchgehend SPQR OPTIMO PRINCIPI gelautet.78 Die Einführung dieser Umschrift ging mit einer markanten Umformulierung deskaiserlichen Namens auf denMünzvorderseiten einher. Hier wurde derKaiser nicht länger imNominativ genannt, wiedies seit Beginn seiner Herrschaft derFall gewesen war, sondern fortan im Dativ. Mit Aversen und Reversen der Münzen wurde also eine Ehrendedikation für Traian durch Senat undVolk von Romwegendeskaiserlichen Erfolgs im ersten Dakerkrieg suggeriert. Doch diesen beiden Schritten hin zur offiziellen Aufnahme des Optimus-Beinamens in die Titulatur Traians waren das Lob des Panegyricus unddie Ausführungen des Plinius zum Bedeutungsgehalt dieses Titels schon umeinige Jahre vorausgegangen. In der Gratiarum Actio des Plinius wird deutlich, dass Traian spätestens im September 100 als ‚Optimus Princeps‘bezeichnet wurde. Allerdings lässt sich nur wenig darüber sagen, zu welchem Anlass undin welcher Form Traian diesen Namen erhalten hatte. Plinius hebt am Ende seiner Rede hervor, das Optimi cognomen sei Traian von Senatus populusque Romanus hinzugefügt worden, während er im Proömium des Panegyricus berichtet, die Senatoren hätten dies getan. An 79Auch Adoptavit te (...) senatus in ‚Optimi‘ nomen.“ anderer Stelle betont er: „ hier ist also die Rede davon, dass derName allein auf denSenat zurückgehe. Man wird wohl voneiner Appellation Traians mit diesem Namen durch den Senat ausgehen müssen, demeine entsprechende Akklamation desPopulus gefolgt war. Die Bezeichnung besaß zumindest keinen derart offiziellen Charakter wie etwa der Titel des ‚Pater Patriae‘, der Traian ja unmittelbar nach dem Tode Nervas vorschnell beigelegt worden warundder es ihm zunächst unmöglich gemacht hatte, das Ritual der Zurückweisung wichtiger Ehren zu praktizieren, um sich gemäß dem Bild des Guten Princeps zu verhalten.80 Von einer entsprechenden Zurückweisung des Optimi cognomen wissen wirnichts. Alle Überlegungen, wann dieser Titel demPrinceps angetragen worden war, basieren allein auf relativer Chronologie. Plinius berichtet nämlich von denEhrungen der frühesten traianischen Zeit, und dass diese nun vom Optimus-Namen, welcher Traian aufgrund seiner Verdienste (merito tibi) übertragen worden sei, übertroffen würden.81
78 ZurDatierung siehe STRACK 1931, 40. 79 Plin.paneg.2.7: illud additum a nobis OPTIMI
cognomen; 88.4: Senatus Populusque Romanus tibi cognomen adiecit; 88.5: Adoptavit te optimus princeps [i.e. Nerva] in suum, senatus in OPTIMI nomen. –Es fällt auf, dass Plinius hier Nerva als ‚Optimus Princeps‘bezeichnet. Weiter unten werden diese Relativierungen destraianischen Namens behandelt werden. denAbschnitt 3 „Antizipation undFehleinVomRhein nach Rom“ 80 Siehe hierzu imKapitel „ OPTIMI
81
schätzung –Die ersten Münzemissionen“ . Plin.paneg.88.7: Merito tibi ergo post ceteras appellationes haec est addita, ut maior. –Inte61, derdie Reihe jener ressant undplausibel erscheint mir eine These von STRACK 1931, 57– Ehrungen in frühester traianischer Zeit mit der Darstellung einer Victoria mit dem Clipeus Virtutis in Verbindung bringt. Diese Darstellungen wurden seit der zweiten Emission bis zu jenem Zeitpunkt des fünften Consulats geprägt, daauf derRückseite vonDenaren undAurei die Dedikationsformel SPQR OPTIMO PRINCIPI einsetzte. Dies zeugt davon, dass neue Eh-
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DER PANEGYRICUS
Der Titel gehörte demnach nicht zu einem Paket vonEhrungen, die Traian schon unmittelbar zu Beginn seiner Alleinherrschaft übertragen worden waren. Aufgrund dieses Befundes und der Betonung, der Titel sei dem merito principi verliehen worden, ließe sich vermuten, dass dies eine derEhrungen war, die Traian entgegengebracht wurden, als derKaiser imJahre 99 vonderDonau nach Rom zurückgekommen war. Wir wollen nun mit der Untersuchung jener Sinnfacetten beginnen, welche das Cognomen besaß, und die Plinius an einigen Stellen seiner Rede vorstellt.
Die erste dieser Facetten stellt denVergleich Traians mit Iuppiter her. DerRedner betont, demOptimus Princeps müsse Dank ausgesprochen werden. Denn es gebe kein schöneres Göttergeschenk als einen castus et sanctus et diis simillimus princeps.82 Schließlich sei derHerrscher von Iuppiter selbst in aller Öffentlichkeit gefunden und erwählt worden.83 Bereits hier ist also eine generelle Affinität des Kaisers zu den Göttern hergestellt. Unmittelbar darauf ruft Plinius den Iuppiter Optimus an undnennt ihn den Gründer undBewahrer des Reiches. Der Senatsredner bezeichnet also in einem Abstand vonnurwenigen Worten seinen Princeps undIuppiter jeweils als ‚Optimus‘.84Allein schon diese unmittelbare Nähe verdeutlicht, dass der Panegyricus offensichtlich eine konzeptuelle Verbindung des Herrscherbeinamens mit dem traditionellen Attribut des höchsten Staatsgottes intendiert. An späterer Stelle hebt Plinius seinen Kaiser rhetorisch sogar über den Gott: Der Vater der Götter und Menschen werde ja zunächst unter dem Namen ‚Optimus‘, dann erst unter derBezeichnung ‚Maximus‘verehrt. Umso strahlender sei da Traians Ruhm, da er anerkanntermaßen der Beste undzugleich der Größte sei.85 Diese Konnotation des Pater Patriae mit demGott, dem Vater aller, ist eine derKoordinaten, die denOptimus-Beinamen inhaltlich bestimmen. Doch Plinius betont, die Senatoren feierten nicht allein die divinitas desHerrschers. Denn gerade humanitas, temperantia, facilitas machten den Optimus Princeps aus.86 Umdies zu illustrieren, berichtet Plinius von der Einmütigkeit der Senatoren, mit der sie diese Tugenden feierten, under hebt zugleich die konsen-
82
rungen, die mit demsiegreichen Ende des ersten Dakerkrieges zusammenhingen, die frühen Appellationen offensichtlich qualitativ übertroffen hatten. Ich möchte STRACK aber darin widersprechen, dass sich diese Darstellung schon von Anfang an auch auf den Optimus-Titel bezogen habe. Plinius betont deutlich, dass dieser Beiname demverdienten Kaiser nach den anderen Appellationen angetragen worden sei. Plin.paneg.1.3: Quod enim praestabilius est aut pulchrius munus deorum, quam castus et sanctus et diis simillimus princeps?
83 Plin.paneg.1.5. 84 Plin.paneg.1.2:...ad agendas optimo principi gratias; 1.6: Quomagis
85
aptum piumque est, te, Iuppiter optime maxime, antea conditorem, nunc conservatorem imperii nostri, precari, ut... Plin.paneg.88.8: Ideoque ille parens hominum deorumque OPTIMI prius, deinde MAXIMI nomine colitur. Quopraeclarior laus tua, quemnonminus constat optimum esse, quam maxi-
mum.
86 Plin.paneg.2.7: Quid nos ipsi? divinitatem principis nostri, an humanitatem, temperantiam, facilitatem, ut amor et gaudium tulit, celebrare universi solemus? Iam quid tam civile, tam senatorium, quam illud additum a nobis OPTIMI cognomen?
2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
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suale Übertragung des Optimus-Titels hervor. Einerseits betont der Panegyricus also, dass Traian deswegen derOptimus sei, weil er Tugenden besitze, welche für die Senatoren relevant seien, und weil diese Tugenden in entsprechenden Taten Ausdruck fänden. Diese Verbundenheit wird auch an zahlreichen anderen Stellen derRede prononciert, wonach Traian immer wieder vonsich sage, er sei nureiner der Ihren.87 Mit seiner Frage, welcher Name denn tarn civile tam senatorium sei wiejenes Optimi cognomen, stellt Plinius den Titel sogar als die Essenz von Senatorentum undBürgerlichkeit dar. Andererseits aber scheint der Princeps dem senatorischen Kontext weit enthoben, immerhin gilt er als göttlich erwählt, sogar gottähnlich und Iuppiter unmittelbar vergleichbar. Hier wird ein starkes Spannungsfeld deutlich, in welches derPanegyricus Traian hebt. Zwei einander entgegengesetzte Konzepte verorten den Herrscher zwischen göttlicher und senatorischer Sphäre, doch beide Konzepte sind Bedeutungsfacetten desselben Beinamens . Optimus Princeps” „ Der Optimus Princeps Traian wird nun aber nicht allein durch seine Verortung im Gefüge der Götter und Standesgenossen definiert. Er tritt sogar mit der gesamten römischen Erfolgsgeschichte und deren Summi Viri in Konkurrenz. Eine weitere Facette des Bedeutungsgehalts des Optimus-Beinamens ist nämlich die panegyrische Definition des Princeps als der herausragenden Verkörperung aller denkbaren Tugenden. In einer Passage diskutiert Plinius die Wahl desTitels vor dem Hintergrund der Frage, welche anderen Appellationen des Herrschers denn sonst möglich gewesen wären. Hätten die Senatoren Traian denn ‚Felix‘ nennen sollen? Schließlich gelte dies nicht demWesen, sondern nurdemäußeren Erfolg eines Menschen. Oder ‚Magnus‘? Mehr Missgunst als Glanz sei damit verbunden. Nein, der Name ‚Traian‘ gehöre untrennbar zu ‚Optimus‘. So führten einst bei denPisones Frugi deren frugalitas, bei denLaelii Sapientes diesapientia undbei denMetelli Pii diepietas zu ihrer jeweiligen Benennung. „Alle diese Eigenschaften sind in Deinem einen Beinamen zugleich mit enthalten. Es kann ja nur der als der Beste gelten, der alle anderen hervorragenden Männer an Ruhm übertrifft, undzwarjeden auf seinem Gebiet. –Nec videri potest optimus, nisi qui est omnibus optimis in sua cuiusque laude praestantior.“88 Die hier vom Panegyricus entwickelte Imago Traians und ihre Implikationen für das etablierte normative Referenzsystem der Senatoren sind ganz erstaunlich. UmdenBedeutungsgehalt des ‚Optimus‘zu bestimmen, bemüht Plinius denVergleich mit prominenten republikanischen Gestalten: Mit Sulla Felix, Pompeius Magnus, den Pisones Frugi, den Laelii Sapientes undschließlich den Metelli Pii. Er wählt Exempla-Träger, also jene Männer, die als die herausragenden Verkörpe-
87 Siehe etwa Plin.paneg.2.4. 88 Plin.paneg.88.5f: Ansatius fuit, FELICEM vocare? quodnonmoribus, sedfortunae datum est: satius, MAGNUM? cui plus invidiae, quam pulchritudinis inest. Adoptavit te optimus princeps in suum, senatus in OPTIMI nomen. Hoc tibi tamproprium, quam paternum; nec magis definite distincteque designat, quiTRAIANUM, quamquiOPTIMUM appellat: utolim frugalitate Pisones, sapientia Laelii, pietate Metelli monstrabantur. Quae simul omnia uno isto nomine continentur. Nec videri potest optimus, nisi qui est omnibus optimis in sua cuiusque laude praestantior.
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rer jener Tugend galten, nach welcher sie ihren Beinamen erhalten hatten –frugalitas, sapientia, pietas. Kurzum, er wählt Männer, die einst jeweils als der Optimusgalten; unszwar einjeder auf seinem Gebiet. Doch im Pahegyricus übertrifft die traianische Imago jedes einzelne dieser Vorbilder. So wusste der kompetente Zuhörer oder Leser der Gratiarum Actio, dass etwa der Consul des Jahres 80
v.Chr. denBeinamen ‚Pius‘wegen seiner Bemühungen erhalten hatte, den Vater ausdemExil zuholen. Plinius führte anhand derTaten des Optimus Princeps aber vor, dass die kaiserliche Pietas schlichtweg über jener eines Metellus Pius stehe. Schließlich manifestiere sich Traians Pietas nicht nurseinem Vater, sondern auch seinem Adoptivvater gegenüber; vor allem aber gegenüber der Res Publica, welche er aus demAufruhr gerettet habe, undschließlich auch noch gegenüber den Göttern, aufderen Geheiß er diese Rettung unternommen habe. Plinius sagt also, der Traianus Optimus verkörpere nicht nur alle Tugenden; er verkörpere zudem eine jede vonihnen besser als ihr bisheriger herausragender Exemplum-Träger.89 Das senatorische Normensystem basierte auch noch imPrincipat auf diesen Tugenden undbezog ausderErinnerung anderen republikanische Träger seine Wirkungsmacht. Durch den zweifachen traianischen Anspruch wird das System keinesfalls entwertet, sondern vielmehr bestätigt. Der Kaiser schafft keinen alternativen Kanon der Virtutes, sondern seine Imago wird von den etablierten republikanischen Tugenden erst konstituiert. Doch die Referenzpunkte des senatorischen Normensystems haben sich verändert. Sie sind nicht länger auf zahlreiche Einzelpersonen aus verschiedenen Jahrzehnten verteilt, sondern sind allesamt in derImago desOptimus Princeps monopolisiert.90 Der Optimus-Beiname leitete sich aber nicht nur aus virtutes ab, sondern resultierte auch aus deren Manifestationen, also aus denTaten des Princeps. Plinius betont, dass der Divus Nerva sich freuen könne, da er sehe, dass jener, den er als den Besten adoptiert habe, sich tatsächlich als der Beste erweise undals solcher auch anerkannt werde.91 Daneben nennt der Redner seinen Kaiser Optime principum, fortissime imperatorum. In dieser Anrede wird der Optimus-Beiname noch näher erläutert, denn der Zusatz fortissimus Imperator weist auf Traians militärische Leistungskraft hin.92 Dieses Konzept sollte noch Jahre später auf dem Traiansforum seinen Ausdruck finden, da vor den Eingängen der Basilica Ulpia dem Kaiser dedizierte Ehrenstatuen von Senat undPopulus aufgestellt waren, die besagten: „ OPTIME DE RE PUBLICA MERITO DOMI FORISQUE“.93Hier wird
89 Eng mit diesem 90
91 92
Konzept verwandt ist die Serie derRestitutionsmünzen, die ebenfalls republikanische Taten und Tugenden, zivil und militärisch, mit dem Namen Traians verbunden darstellte. Diese Münzemission wird im fünften Teil dieser Arbeit behandelt. Neben zahlreichen anderen Phänomenen, wie etwa der zunehmenden Übertragung senatorischer Aufgaben andenKaiser, ist dies einweiteres sinnfälliges Bild fürdie immer weiter voranschreitende Loslösung der kaiserzeitlichen Senatoren von den republikanischen Wurzeln ihres Standes. Plin.paneg.89.1. Siehe hierzu auch imKapitel zumPanegyricus denAbschnitt 4 „Plinius beglückwünscht den Kaiser –etprivatim etpublice opto“ .
93 CILVI 959; ILS292.
2. DIE PUBLICA GRATIARUM
ACTIO
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der Titel weniger durch Tugenden gerechtfertigt, also durch die dem Guten Princeps inhärente Prädisposition zu Großtaten, als vielmehr durch die Taten des Kaisers selbst, undzwar auf zivilem undmilitärischem Gebiet. Gerade im architektonischen und programmatischen Kontext des Forums wurden diese Leistungen des Herrschers unmittelbar sichtbar underfahrbar. Sie waren die Voraussetzung für den Bau der Anlage gewesen und für die Möglichkeit, sie nun auch im Frieden nutzen zu können.94 Der Panegyricus betont also, dass Tugenden gottgegeben seien, doch dass ihre Umsetzung durch den Menschen erfolgen müsse. So ist eine weitere Koordinate des Optimus-Titels nicht allein Traians Monopol, herausragende Tugenden zubesitzen, sondern auch das Monopol, diese in einzigartigerKombination undunübertrefflicher Weise umzusetzen. Eine weitere wichtige Facette, durch welche der Optimus-Beiname seine Bedeutung erhält, ist der Kontrast der traianischen Imago mitjenen der bisherigen Principes. Selbst ‚Imperator‘, ‚Caesar‘und‚Augustus‘, zählt Plinius die Bestandteile der imperialen Titulatur auf, bedeuteten nicht soviel wie ‚Optimus‘. Denn eben dies sei der Ausdruck dafür, besser zu sein als alle Imperatoren, Caesaren undAugusti zusammen.95 Konkret geschieht die Kontrastierung mit den Vorgängern im Panegyricus auf dreierlei Weise. Zum einen verwirft der Panegyricus sämtliche Principes vor Traian unddifferenziert nicht nach einzelnen Personen. So ist etwa generell vonderpriorum principum adrogantia gegenüber demSenat die Rede, mit welcher Traians Optimus-Cognomen kontrastiert wird, der ja tarn civile tarn senatorium sei.96 Auf Nachweise dieser grundsätzlichen Disqualifizierung verzichtet derPanegyricus. Daneben berichtet Plinius aber auch vonkonkreten Taten ganz bestimmter Principes, die er zurIllustration dafür heranzieht, warumTraian derbeste derbisherigen Kaiser sei.97 So wird etwa Titus undDomitian vorgeworfen, diese hätten ihren jeweiligen Vorgänger vergöttlicht, um als Sohn undals Bruder eines Gottes zu gelten. Ähnliche Motive werden Augustus, Tiberius, Claudius undNero zugeschrieben, die aus schändlichen Motiven frühere Kaiser hätten divinisieren lassen. Traian hingegen habe nur seiner Sohnespflicht gegenüber Nerva in angemessener Weise entsprochen.98 Als dritte Strategie des Kontrastes prangert der Panegyricus Taten und Wesenszüge an, die für einen bestimmten Princeps derart charakteristisch waren, dass derentsprechende Kaiser auch ohne Nennung seines Namens zuidentifizieren ist. So ist etwa die Rede von einem schauspielernden und singenden Princeps; ein kaiserlicher Habitus, der im Gedächtnis der traianischen Zeit fest mit Nero ver-
Equus Traiani – hierzu dasKapitel zumTraiansforum, besonders denAbschnitt 6.2.3 „ . stabulum tale condi iubeto, si vales“ Plin.paneg.88.7. 51, besonPlin.paneg.2.7; vergleiche etwa auch die Zusammenstellung bei BEUTEL 2000, 44–
94 Siehe
95 96
ders 49. 97 Bis auf Nerva
werden Traians Vorgänger pauschal verdammt. Diese Aussage trifft zu, auch , da er wenn Plinius paneg.45,1 schreibt „excepto...praeterea uno aut altero (et nimis dixi)“
hierbei imUnklaren lässt, welche Principes er meint. 98 Plin.paneg.11.1.
246
DER PANEGYRICUS
bunden war.99 Bemerkungen über eine missglückte Adoption, welche, anders als diejenige Traians, nicht geeignet gewesen sei, Aufruhr zu ersticken, lassen an Galba undPiso denken.100 Traian wird in allen diesen Fällen also nicht vonvornherein über seine Vorgänger gestellt, sondern seine Taten undTugenden werden mitjenen der Vergangenheit verglichen. Dann lässt derRedner aber keinen Zweifel daran, dass Traian diese Vergleiche nicht zuscheuen brauche, denn gerade auf diese Weise offenbare er sich ja als Optimus Princeps. Auch vondenguten Principes sei Traian schließlich derbeste.101 Es wurde im Verlauf der bisherigen Ausführungen deutlich, dass der Optimus-Beiname des Princeps niemals absolut gebraucht wurde, sondern stets relativ. Er ist jeweils in einen ihn semantisierenden Kontext eingebaut. Der Panegyricus legte dar, dass Traian als Kaiser eine Vielzahl von Tugenden besitze, die für das gute Miteinander von Kaiser undSenat unabdingbar seien. Darüber hinaus seien ihmaber mehr Tugenden gegeben als jedem anderen sonst, unddiese setze er außerdem in einer solchen Weise in Taten um, die ihm niemand gleichtun könne. Schließlich seien diese Eigenschaften und Fähigkeiten dem Optimus Princeps vomIuppiter Optimus gegeben. All dies hebe Traian von vorherigen Summi Viri ab; seien es die großen Männer der Republik oder seine Vorgänger auf dem Thron. Nur in diesem Koordinatensystem lassen sich der Bedeutungsgehalt des traianischen Beinamens ‚Optimus Princeps‘undseine Relevanz als Ideologem der traianischen Herrschaftsdarstellung angemessen würdigen.
Werfen wir zumEnde dieses Abschnitts noch einen Blick auf eine programmatische Zielsetzung des Panegyricus: „ Sed parendum est senatus consulto, quo ex utilitate publica placuit, ut consulis voce, sub titulo gratiarum agendarum, boni principes, quaefacerent, recognoscerent; mali, quaefacere deberent.“102In diesen Worten wird deutlich, dass gute, doch auch schlechte Principes die Adressaten solcher Reden waren, und dass die Gratiarum Actio ihrem Wesen gemäß jeden dieser Herrscher zu loben habe. Es sei eben auch nötig, einen malus princeps zu preisen, was in parainetischer Absicht geschehen müsse. Bemerkenswert ist, dass Plinius hervorhebt, in derZukunft würden gute sowie schlechte Principes sich den Namen ‚Optimus Princeps‘ beilegen undihren Senat zwingen, den Herrscher so zu nennen.103 Plinius relativiert hier also den traianischen Titel und sagt zugleich etwas Grundsätzliches über die Art derKommunikation, der die Gratiarum Actio angehörte. Der Senatsredner reflektiert hier die Umstände, unter denen solche
99 Plin.paneg.2.6. 100 Plin.paneg.8.5. 101 Ein besonderes Segment
dieser Methode, denOptimus-Beinamen durch die Abgrenzung von bisherigen Kaisern herzuleiten, ist die Gegenüberstellung von Traian und Domitian, oder vielmehr der Vergleich ihrer Imagines: der Kontrast zwischen Optimus und Pessimus Princeps, zwischen idealem Princeps undTyrannen. –Siehe ausführlich hierzu in der Einlei. tung dieser Arbeit denAbschnitt 4 „ DasKonzept derImago“ 102 Plin.paneg.4.1. 103 Plin.paneg.88.9f. –Angesichts dieser Aussage wird deutlich, weshalb der Redner auch für Nerva dieBezeichnung eines Optimus Princeps wählen konnte; Plin.paneg.92.4; 94.3.
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2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
Reden zustande kämen, und erläutert, auf welche Weise sich der Anspruch der Herrschaftsdarstellung eines Princeps vonderWirklichkeit seines Handelns unterscheiden könne. Das einzige Caveat, welches Traian davon abhalten konnte, sich selbst in diesen Worten kritisiert zusehen, wardie demonstrative Zusicherung des Gremiums, jene kollektive Erklärung der Senatoren, die durch einen der ihren vertreten waren, dass die Worte des Lobes wahrhaftig seien und dass der Herrscher sie so aufzufassen habe, wie sie auch ausgesprochen würden.104
2.3. DIE MODESTIA DES BONUS
CIVIS
EINE REZITATION IM KREISE DER AMICI
In einem Brief anVibius Severus berichtet Plinius, dass erjenen Vortrag, welchen er im Senat gehalten habe, nunauch in schriftliche Form gegossen habe, denn er habe es als einem guten Bürger angemessen erachtet, dasselbe Thema noch umfassender undreicher ausgemalt darzustellen.105 Hierbei berichtet er von der großen Freude, welche ihm die Rezitation seines neuen Werkes bereitet habe. Seine Amici seien nämlich während zweier Tage zusammengekommen, um seiner Lesung beizuwohnen, und das trotz widriger Umstände. Das Wetter sei nämlich schlecht gewesen, zudem habe man in Rom niemals viel Zeit, undangenehm sei ein solcher Vortrag normalerweise auch nicht. Umso mehr Vergnügen habe es Plinius aber bereitet, dass seine Amici so zahlreich erschienen seien; immerhin habe er seine Einladungen nur sehr unverbindlich ausgesprochen gehabt, nicht aber schriftlich oder gar mit vorgefertigtem Programm. Auch habe Plinius ursprünglich nur zwei Tage rezitieren wollen, doch die Amici hätten von sich aus sogar noch einen dritten TagdesVortrags gefordert.106 Plinius beschreibt hier eine Gelegenheit kaiserzeitlicher Rezitationspraxis, wie sie ausvielen Quellen bekannt ist.107
Umdiesen Bericht des Plinius von seiner eigenen Lesung des Panegyricus im Kreise der Amici angemessen würdigen zukönnen undseine politischen Implikationen zu verstehen, müssen wirjenen sozialen Raum, der durch eine Lesung unter Senatoren konstituiert wurde, untersuchen. Zu diesem Zwecke sollen allein Äußerungen des Plinius betrachtet werden, um zu erkennen, welche Relevanz er 104 Zum Thema der fortwährend von Plinius betonten Wahrhaftigkeit seiner Worte siehe . 187, „ Theartof sincerity. Pliny’s Panegyricus“ BARTSCH 1994, besonders 148– 105 Plin.ep.3.18.1: ...bono civi convenientissimum credidi eadem illa spatiosius et uberius volumine amplecti.
106 Plinius wird also zunächst nur Ausschnitte der Schrift vorgetragen haben, die er dann am dritten Tagumdienoch fehlenden Passagen desPanegyricus ergänzt haben mag. 107 Hierzu siehe BINDER 1995.
248
DER PANEGYRICUS
selbst einer Rezitation in der politischen Kultur seiner Zeit beimaß, auf welche Verhaltensweisen der Gäste er dabei achtete, und welche Forderungen an den Gastgeber einer solchen Gelegenheit gestellt wurden. Wirwerden sehen, dass eine Lesung für Plinius nicht allein eine Gelegenheit für literarischen Genuss war, womöglich nicht einmal in erster Linie, sondern in besonderer Weise ein Aktionsfeld senatorischer Repräsentation und ein Spiegelbild ihrer binnenständischen Konkurrenz. Davor aber müssen wir uns der Aussage des Plinius widmen, der Princeps selbst habe private Danksagungen verboten.108 Wir wollen kurz betrachten, warum dies der Fall gewesen sein mag. Denn im Sinne der bisherigen Ausführungen müssen wir fragen, ob es für einen Senator denn nicht gerade ein besonderer Beweis seiner Akzeptanz kaiserlicher Ideologeme unddamit des Kaisers überhaupt war, die traianische Herrschaftsdarstellung auch außerhalb des Senats zu verbreiten. Warum aber sollte der Princeps dies nicht zulassen; wenn sein Verbot denn nicht nur eine Geste demonstrativer Bescheidenheit gewesen sein sollte? Wenn private Danksagungen aber tatsächlich verboten waren, wie konnte Plinius seine Rede imKreise derAmici rezitieren? Wie wir sahen, reflektiert der Panegyricus weder eine reine Stellungnahme der Senatoren, wie ihrer Sicht nach der Kaiser zu sein habe, noch den bloßen Wunsch des Kaisers, wie er von den Senatoren gesehen werden wollte. Doch die Gratiarum Actio ist das Zeugnis einer Kommunikation, die exklusiv zwischen demKaiser unddemSenat stattfand; undzwar demGesamtsenat, denn dasRitual war auf zweifachen Konsens angewiesen: auf jene demonstrative Übereinkunft aller Senatoren untereinander und auf jene des gesamten Gremiums mit dem Princeps. Erst auf diese Weise wares möglich, denPrinceps seiner Akzeptanz und deren Bedingungen zu versichern. Es konnte dem Herrscher schließlich nicht genügen, dass diese Akzeptanz von manchen der Senatoren in emphatischem Maße demonstriert wurde, von anderen in geringerem undwieder von anderen womöglich gar nicht. Daher machten allein die regelmäßigen Sitzungen des Gesamtsenats unter Anwesenheit des Kaisers jenen zweifachen Konsens möglich, der für das panegyrische Ritual notwendig war. Hier versicherte der gesamte Senat, vertreten durch einen Exponenten, den Herrscher seiner Akzeptanz und richtete zugleich Forderungen an ihn. Nurbei diesen Gelegenheiten konnte eine verbindliche Zustandsbeschreibung des kaiserlich-senatorischen Verhältnisses formuliert werden. Daher besaßen diepublicae gratiarum actiones autoritativen Charakter. Aus genau diesem Grunde mussten konkurrierende Modelle ausgeschlossen werden. Daher habe derparens noster die privatas gratiarum actiones verboten, wie Plinius hervorhebt.109 Denn nur solange die Herrschaftsdarstellung in einem klar definierten sozialen Raum referiert wurde, der allein von Kaiser und Senat konstituiert und kontrolliert wurde, waren die Facetten und Formen dieser Dar108 Plin.paneg.4.2: ...quod parens noster privatas gratiarum actiones cohibet et comprimit... 109 Die Wahl dieser Bezeichnung ‚parens noster‘ für Traian ist an dieser Stelle wohlreflektiert. Mit ihr betont der Autor zum einen den Konsens des Senats, zum anderen das spezifische Verhältnis desKaisers zumGremium, welches denKonsens möglich mache.
2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
249
stellung für beide Seiten transparent und überprüfbar. Danksagungen außerhalb dieses offiziellen Rahmens waren der gemeinsamen Kontrolle entzogen, undohne diese Aufsicht hätten andersartige Darstellungen des aufeinander abgestimmten Systems ausTaten undTugenden Traians kursieren können. Doch wennPlinius die erweiterte Fassung seiner actio publica in seinem Haus vortrug, besaß diese Rezitation trotz der Veränderung von Ort undPublikum genauso wenig einen privaten Charakter wie das Haus des Plinius selbst. Denn ein solcher Vortrag war sowohl seiner Durchführung wie auch seinem Inhalt nach öffentlich. Die Rede warbereits im Senat approbiert worden; sie hatte ihre Valenz für die Darstellung Traians bereits öffentlich vor Senat undPrinceps nachgewiesen. Form undInhalt derRede als Reflexion derHerrschaftsdarstellung verhinderten somit einen rein privaten Charakter ihrer Rezitation, mochte diese auch im kleineren Kreis der Amici oder gar nur als Lektüre eines Einzelnen stattfinden. Nununterlag aber gerade die Lesung vor geladenen Gästen, wie Plinius sie durchführte, einer besonderen Kontrolle, welche die Konformität des Rezitierten mit derim Senat vorgetragenen Version gewährleistete undderwirunsimFolgenden widmen wollen.
EIN EXKURS –DIE LESUNG ALS SOZIALER RAUM SENATORISCHER STANDESKONTROLLE
Plinius berichtet einem seiner senatorischen Korrespondenten, wie sehr er sich über dasVerhalten einiger Zuhörer bei einer herausragenden Lesung geärgert habe.110 Diese Geladenen hätten nämlich keine
Reaktion gezeigt; keine Mimik, keine Gesten. Plinius äußert, sie selbst hätten dies wohl für gravitas und sapientia gehalten undhätten dies auch denanderen Gästen suggerieren wollen. Tatsächlich sei es aberpigritia, adrogatia, sinisteritas undamentia gewesen, den ganzen Tag für die Lesung aufzuwenden, um sich dann doch nur beleidigend aufzuführen. Zwar seien sie als Freunde gekommen, doch hätten sie den Gastgeber als ihren Feind zurückgelassen. Plinius beschreibt mit diesem Szenario einen sozialen Raum, in welchem die Gäste einen der Situation nicht angemessenen Habitus gewählt hatten. Die soziale Sanktionierung erfolgt sofort. Die Gäste machten sich demGastgeber unbeliebt, zudem trägt derBrief ihren Tadel weiter undverbreitet die Empörung seines Autors.111 Als Grund für dieses Fehlverhalten nennt Plinius eine Art desWettstreits, der ständigen Verortung dereigenen Fähigkeiten imVerhältnis zu Konkurrenten. Er führt aus, dass gerade das allgemeine Übereinkommen, die Leistungen anderer zu loben, wichtig sei. Es sei nämlich egal, wie die 110 Plin.ep.6.17. –Bei dem Korrespondenten handelt es sich um Claudius Restitutus; zu ihm siehe SHERWIN-WHITE 1966 und BIRLEY 2001 ad loc. eines Habitus, nicht um die Anprangerung bestimmter Personen. Daher wird deren Identität gemäß seiner üblichen Praxis verschwiegen, dass in der Kritik Namen oftmals nicht genannt werden.
111 Es geht Plinius um die Geißelung
250
DER PANEGYRICUS
Fähigkeiten der anderen sich zu den eigenen verhielten. Schließlich müsse man die Schwächeren loben, um sich selbst umso deutlicher von ihnen abheben zu können unddadurch noch größer zu erscheinen. Die Stärkeren hingegen müssten deshalb gelobt werden, weil mansonst auch kein Lob für sich selbst beanspruchen könne. AmEnde aber müsse stets derKonsens stehen.112 Darauf nicht einzugehen, sei soziale Devianz, die sanktioniert werde. Die Teilnahme aneiner Lesung, womöglich garaneiner mehrtägigen, wie im Falle des Panegyricus, signalisierte die eigene grundsätzliche Bereitschaft zur Kommunikation.113 Wenn diese nun erwartete Kommunikation aber ausblieb und sogar jegliche Stellungnahme verweigert wurde, entstanden Unsicherheit und Kränkung, wenn nicht sogar inimicitia, wie Plinius betont. Er unterstellt, die Gäste hätten gravitas zur Schau stellen wollen, jene Tugend, die maßgeblich für den Habitus eines republikanischen Senators gewesen war. Der soziale Raum der Lesung ließ die Umsetzung dieser Tugend jedoch nicht zu. Es ergeben sich für den Leser, auch fürdenantiken, zwei mögliche Lesarten derPassage: Wenn die Devianten nicht senatorischen Standes waren, hätten sie denHabitus dergravitas unrechtmäßig angenommen. Sie hätten eine Tugend für sich okkupiert, welche dem Referenzsystem ihres eigenen Standes nicht entsprach. Der Brief wäre dann eine Geißelung vonStandesanmaßung. Oder aber die Devianten waren Senatoren, deren Versuch, mit ihrem Habitus an republikanische Verhaltensideale anzuknüpfen, als anachronistisch zumScheitern verdammt war. Gravitas ist unangemessen, wenn sie in einem sozialen Raum zur Schau gestellt wird, welcher erst durch intensive Kommunikation konstituiert wird. Denn die Tugend steht hier nicht für ein würdevolles Auftreten, sondern für eine Haltung der Verweigerung, die den eigentlichen Grund für das Zusammenkommen konterkariere, indem sie die senatorische Kommunikation verhindere. Plinius betont ananderer Stelle, wiewichtig für ihnselbst die Stellungnahmen der Gäste bei seinen eigenen Lesungen seien.114 Gerade auf die kleinsten Hinweise der Zuhörer müsse er als vortragender Autor achten, umderen wahre Ansicht erkennenzu können. Äußerungen wie Gemurmel, Nicken, ein Blick oder eine Handbewegung stünden für ihn daher über einer mündlichen Aussage. Denn diese könnte allzu nachsichtig sein. Auf die kleinen Zeichen reagiere er also undredigiere seine Schriften dementsprechend, ohne dass der Kritiker sich der Dechiffrierung seines Verhaltens überhaupt bewusst geworden sei. Plinius hebt also hervor, dass er unbewussten Hinweisen größeres Gewicht beimesse als absichtsvoll geäußerten Aussagen. Das gilt sogar für einen Kreis handverlesener Freunde, vondenen Plinius wahrheitsgemäße Reaktionen erhofft.115 Obwohl wir diese Schilderung der Kommunikationsverweigerung in einem Bericht von einer Lesung finden, undPlinius denBrief auch mit einer Charakteri112 Plin.ep.6.17.4.
113 Wirwissen voneinigen mehrtägigen undvielstündigen Reden desPlinius; siehe hierzu WIN-WHITE 1966, besonders zu Plin.ep.4.5.2 und 1.13.4. 114 Plin.ep.5.3.8ff. 115 Plin.ep.5.12.1.
SHER-
2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
251
sierung seines eigenen Verhaltens gegenüber Literaten schließt, sind doch jene Passagen allgemein gehalten, welche dievonPlinius geforderte Normenkonformität undHabituskontrolle im Umgang mit anderen behandeln; sie berichten nicht speziell vom Verhalten bei Lesungen. Plinius betont, senatorische Konkurrenz dürfe auf keinem ihrer Gebiete zur Verweigerung von Kommunikation führen. Er verdeutlicht seinen Lesern, dass die senatorische Einordnung nach dem Rang zwar notwendig sei, um den Stand zu strukturieren, doch müssten Rangunterschiede letztlich in Konsens einmünden. Gerade die Lesung bietet für Plinius einen sozialen Raum, innerhalb dessen die Ränge des öffentlichen politischen Lebens durch andersartige Kriterien hinterfragt und entwertet werden können. So gibt Plinius, entgegen seiner sonst üblichen Haltung, Namen nicht zunennen, den hochrangigen Senator Iavolenus Priscus der Lächerlichkeit preis.116 Seine Unaufmerksamkeit bei einer Lesung wird als Anzeichen eines zweifelhaften Geisteszustandes bezeichnet; sein Verhalten wird als auffällig und lachhaft gebrandmarkt. Die Anwesenden hätten ihnzumZiel von Spott undWitz gemacht. So ist auch der Hinweis, dass Priscus im öffentlichen Leben ein häufig herangezogener Ratgeber sei, keine Entschuldigung für sein Fehlverhalten. Vielmehr ist der Leser eingeladen, nunmehr auch die öffentliche Kompetenz des Priscus genauer zu bewerten. Die Devianz in einem sozialen Raum wirkt sich auf einen anderen aus.117 Interessant ist nunweiterhin, dass nicht allein dasVerhalten des Priscus getadelt worden sei, auch der Gastgeber habe eine frostige Aufnahme erfahren. Plinius resümiert, wichtig sei nicht nurdie eigene gute Leistung. Auch dieWahl derGäste bestimme denWert eines Gastgebers.
Nach dieser Betrachtung der Rezitationspraxis in traianischer Zeit unddemVersuch, sie aus der Sicht des Plinius hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Funktion im senatorischen Leben zu betrachten, wollen wir uns nunwieder seiner eigenen Lesung des Panegyricus zuwenden. Deren besondere Umstände legen eine intensivere Betrachtung nahe, denn ihre spezifische Relevanz kann erst nach einem Blick auf dasZusammenwirken vonAutor, Publikum undGegenstand derRezitation deutlich werden. Erst dann offenbart sich diebesondere Bedeutung dessozia-
lenRaumes, derbei dieser Gelegenheit konstituiert wurde.
116 Plin.ep.6.15. –Der Consular Priscus war Statthalter Syriens gewesen, hatte als Rechtskundiger großes Renommee erworben undgehörte demConsilium Principis unter Traian an. Er waralso ein Senator miterheblichem sozialen Kapital. –SHERWIN-WHITE 1966, adloc. 117 Die Auffälligkeit undLächerlichkeit des Priscus scheinen jedoch nicht allein in seiner mangelnden Aufmerksamkeit zu liegen sondern auch etwas mit demInhalt seiner unbedachten Prisce, iubes...“ Äußerung zu tunzu haben. Die rezitierte Elegie habe begonnen „ . Dies habe Iavolenus Priscus auf sich bezogen und sei mit den Worten aufgeschreckt, er befehle gar nichts. Die Absurdität liegt in der aus seiner Unachtsamkeit resultierenden Annahme des Priscus, er werde aufgrund seiner herausragenden gesellschaftlichen Stellung undals Amicus des Kaisers als jemand angesehen, der in demsozialen Raum der Lesung anderen befehlen könne. Die von Plinius dargestellte soziale Devianz beruht auf einer vermeintlichen Anmaßung vonRang. –Zubisherigen Deutungen dieser Anekdote siehe BAUMAN 1989, 166f.; vergleiche auch imKapitel „ . denAbschnitt 11 „Exkurs zuep.10.4“ VomRhein nach Rom“
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DER PANEGYRICUS
Derinhaltliche Mittelpunkt dieses drei Tage dauernden Treffens wardieaktuell kursierende Herrschaftsdarstellung Traians. Diese hatte der Autor in Form einer Rede erst kurz zuvor im Senat vorgetragen. Dabei war er in seiner Funktion als Consul der Vertreter des senatorischen Kollektivs gewesen, aus dem nun wahrscheinlich auch ein Großteil seiner Gäste stammte. Das Grundgerüst des konkreten Vortrages wardenmeisten Zuhörern also bekannt. Darüber hinaus war dieser Stoff schon mehrfach im Senat als Inhalt einer Gratiarum Actio vorgetragenworden. Auch die generelle Materie waralso bekannt. Daneben betont Plinius aber, dass seine Gäste nicht einfach in einen von ihm diktierten Termin hätten einwilligen müssen, sondern dass die Geladenen von sich aus einen Tag hätten angeben müssen. Sie hatten sich demnach selbst darum bemühen müssen, dass ihnen vorgetragen werde. Angesichts ihrer inhaltlichen Vertrautheit, dem Zeitmangel des hauptstädtischen Lebens undder oftmals beklagten Last derRezitationen, welche Plinius selbst beklagt, mag der Wille der Amici zunächst verwundern, nach zwei Tagen derLesung auch noch einen dritten Tag zufordern. Wir konnten bereits oben sehen, dass der Kaiser privatas gratiarum actiones verboten hatte. Plinius bewegte sich mit seiner Rezitation in einer Grauzone. Er entfernte seine Danksagung, die im Senat bereits begutachtet worden war, aus deren angestammtem Kontext, derexklusiv senatorisch-kaiserlichen Kommunikation, und rezitierte die erweiterte Version in einem sozialen Raum, in dem die Lesung gemäß der Unterscheidung des Plinius keine actio publica mehr war. Doch die Lesung des Plinius warauch keine actio privata; weder in ihrem inhaltlichen Mittelpunkt, derapprobierten Herrschaftsdarstellung, noch in ihrer sozialen Funktion. Die Rezitation einer erweiterten Fassung der Gratiarum Actio im Freundeskreis bedeutete denVortrag vonInhalten, die im Senat vondenStandesgenossen und dem Kaiser bereits kontrolliert worden waren und nun auch der Kontrolle derAmici unterlagen. Die Lesung konstituierte ein intensives Kontrollgeflecht unter den Anwesenden. Genaue Verhaltensformen waren gefordert und wurden beobachtet. Deviantes Verhalten wurde streng geahndet, undjedem Teilnehmer wurde die Inszenierung seiner Persönlichkeit abverlangt.118 Die gegenseitige Kontrolle unter den Anwesenden war besonders hoch, wenn der inhaltliche Mittelpunkt ihres Treffens die kaiserliche Herrschaftsdarstellung betraf. So erklärt sich nunauch das hohe Maßan demonstrativem Verhalten, dasPlinius für sich undseine Gäste konstatiert. Die vermeintlich zeitraubende undlästige Beschäftigung der dreitägigen Lesung wird erst dann als sinnvoll deutlich, wenn wir sie vornehmlich als ein Podium für die Inszenierung vonsenatorischem Habitus unddemonstrativer Loyalität ansehen. Zumeinen war für den Princeps die Rezitation der von ihm und dem Senat approbierten Herrschaftsdarstellung 118 Eine Rezitation war eben nur eines der Foren senatorischer Kommunikation, bei denen die binnenständische Aufsicht der Senatoren untereinander besonders ausgeprägt war. Die Teilnahme an solchen Gelegenheiten warfür deneinzelnen wichtig, uman derKommunikation seines Soziums zupartizipieren. Andererseits setzte er sich damit derintensiven Verhaltens117 zu den Feldern senatorikontrolle seiner Standesgenossen aus; siehe FLAIG 1992, 107– scher Konkurrenz, die ausdemStreben nach Nähe zumKaiser entstand, undBARGHOP 1994, 159 zurbinnenständischen Beobachtung undderInszenierung dereigenen Person. 150–
2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
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eine Gelegenheit zur weiteren Verbreitung dieser Inhalte undeiner Verlängerung des panegyrischen Rituals. Andererseits bot eine Lesung demAutor die Gelegen-
heit, dem Princeps und den Standesgenossen seine besondere Loyalität für den Kaiser zu demonstrieren, da er denWirkungskreis seiner actio publica ausdehnte. Inhalte der kaiserlichen Programmatik, welche die Kontrolle durch ihre Deutungselite beim Senatsvortrag durchlaufen hatten, wurden aus ihrem ursprünglichen Kontext einer exklusiven kaiserlich-senatorischen Kommunikation in einen anderen sozialen Raum überführt. Der unterlag zwar nicht derunmittelbaren Aufsicht des Kaisers, doch wegen der intensiven gegenseitigen Beobachtung der Senatoren in ihrer Konkurrenz um Herrschernähe stand auch dieser Kontext unter indirekter Aufsicht des Princeps. Denn wer gegen das offizielle Bild der Herrschaftsdarstellung verstieß, wie es in derkaiserlich-senatorischen Kommunikation konsensual konstruiert worden war, musste damit rechnen, mit sozialen Sanktionen belegt zu werden. Und dies betraf nicht allein den Vortragenden. Komplementär zu der freiwilligen undkollektiven Akzeptanz der Herrschaftsdarstellung durch die Senatoren und zu jenem zweifachen Konsens, wie der Panegyricus es betont, gab es auch für die Gästerolle bei einer solchen Rezitation derselben Inhalte feste Regeln.119 Wer etwa bei einer Reflexion der Herrschaftsdarstellung demonstrierte, gelangweilt zu sein, oder wer auch nuraus seiner Rolle des emphatischen bonus civis fiel, hatte mit sozialen Sanktionen zurechnen. Denn dasWissen umeinen solchen Habitusverstoß eines Senators wäre symbolisches Kapital in den Händen seiner mit ihmkonkurrierenden Standesgenossen gewesen, welches diese zumSchaden des Betroffenen undzumBeweis dereigenen Loyalität beim Kaiser hätten einsetzen können. Allerdings besaß eine ausreichend nachgewiesene Begeisterung ihrerseits Wert. Immerhin war Plinius nicht allein seiner Pflicht nachgekommen, im Senat vorzutragen, sondern er hatte überdies für sich die Gelegenheit wahrgenommen, mit seiner Rezitation einen sozialen Raum zu schaffen, in welchem er seine besondere Akzeptanz von Facetten der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung unddamit desHerrschers selbst hatte demonstrieren können. Eine Gelegenheit eben dazubot derVortragende auch seinen Gästen, indem er ihnen Möglichkeit gab, etwa durch eine aktive Mitbestimmung des Termins oder durch das Fordern eines zusätzlichen Tages ihr besonderes Interesse an der Rezitation und ihrem Inhalt zu demonstrieren. Dementsprechend erfüllte auch der Brief selbst eine besondere Funktion. Er dokumentierte diesen sozialen Raum und die ihn konstituierende Manifestation von Loyalität gegenüber dem Kaiser über den bloßen Anlass hinaus, denn die Verbreitung des Berichts von der Rezitation in Briefform war notwendig, umüber die kurzlebige Tagesaktualität hinweg imGedächtnis zubleiben. Daher wardie Publikation dieses Berichtes konsequent undnötig. Doch eines muss auffallen, das ein bezeichnendes Licht auf die eigene Darstellung des Senators wirft. Allein Plinius ist namentlich genannt, und so bietet sein publizierter Bericht der Lesung nur ihm selbst Gelegenheit, seine emphati3.1, 4.3 und passim. Diese wenigen Zeugnisse aus dem 119 Siehe etwa Plin.paneg.1.2, 2.1, 2.8– Proömium desPanegyricus mögen zuraussagekräftigen Illustration ausreichen.
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DER PANEGYRICUS
sehe Akzeptanz des Princeps zu demonstrieren sowie sich als Multiplikator von dessen Herrschaftsdarstellung zu stilisieren. Die Namen seiner Gäste übergeht Plinius, denn es lag in deren eigener Verantwortung, derartige Demonstrationen ihrer Loyalität zu dokumentieren.120 Das Verschicken des Briefes undseine Veröffentlichung waren notwendige Mittel, die literarisch stilisierte Vita des Plinius zu verbreiten. Sie gehen aber weit über dasbloße Informieren eines Freundes hinaus, welcher der Rezitation nicht beigewohnt hatte. Denn dessen Fernbleiben ist für den Briefschreiber erst die nötige Voraussetzung, um die Zusendung eines solchen Berichts zurechtfertigen undumspäter imRahmen einer Publikation diesen Bericht seiner demonstrativen Loyalität auch weiteren Kreisen mitzuteilen. Zugleich impliziert das Schreiben aber auch Tadel an die Adresse des Vibius Severus, dieser kollektiven Manifestation von Akzeptanz des Princeps nicht beigewohnt zu haben. Plinius hebt sich also von demsäumigen Freund ab, umsein eigenes Bild daran kontrastiv zumodellieren.
Zureigenen Darstellung desPlinius gehört auch die Aussage, dass seine modestia dieRezitation bereits nach zwei Tagen habe beenden wollen, doch dieAmici hätten ihn gedrängt fortzufahren.121 Der Senator greift hier eine derzentralen Tugenden der traianischen Herrschaftsdarstellung auf, die auch in der Gratiarum Actio große Relevanz besitzt, undnimmt sie für die Darstellung seiner eigenen Person in Anspruch. Dabei begibt sich Plinius aber rhetorisch in eine Situation, die der des Kaisers nicht unähnlich ist. Seine Weigerung, aus modestia denVortrag fortzusetzen, und sein darauf folgender Entschluss, dem affirmativen Druck seines Publikums doch nachzugeben, sind nichts anderes als die rituelle Zurückweisung von Ehren undWürden durch den Princeps, welche er dann auf Drängen des Senats hin doch annimmt. Der Verlauf einer solchen Ablehnung und des sich anschließenden Drängens ist in beiden Fällen vonAutor undKaiser zukalkulieren, daderjeweilige soziale Raum besondere Beweise demonstrativer Affirmation und Reziprozität vonPublikum undSenat einforderte. Zwar kann die Brisanz der senatorischen Rezitationspraxis nicht begriffen werden, wenn mandaspolitische Potential unddie sozialen Kontrollmechanismen einer Lesung nicht erkennt, doch natürlich beschränkte sich derReiz einer Lesung nicht allein auf diese politischen Inhalte. Auch die literarischen Interessen des Autors undder Zuhörer dürfen natürlich nicht vernachlässigt werden. Unddaher räumt Plinius der Frage, welcher Stil für einen solchen Vortrag denn angemessen sei, in seinem Brief einigen Platz ein. Allerdings birgt auch diese vermeintlich rein stilistische Abhandlung politische Implikationen in sich. Plinius kontrastiert nämlich drei Stile miteinander.122 Aus der Vergangenheit stamme ein Stil, der gekennzeichnet sei durch seine süßliche undschmeichlerische Ausdrucksweise (dul120 Darüber hinaus wirkte die Fama, Plinius sei Mittelpunkt eines Kreises solch engagierter Amici, positiv. 121 Plin.ep.3.18.4: ...cumque modestia meafinem recitationi facere voluisset, utadicerem tertium diem, exegerunt.
122 Plin.ep.3.18.8ff.
2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
255
cia blandaque), die sich fest eingebürgert habe.123 Dieser Stil werde von vielen Verfassern, die demPublikum gefallen wollten, immer noch gepflegt. Seinen eigenen Zuhörern jedoch habe ein zweiter Stil besonders gefallen, der sich durch seine Strenge und Knappheit auszeichne.124 Der severitas dieses Stils entspreche dabei jene severitas, mit welcher seine Zuhörer den rezitierten Text beurteilten; eine Tugend, auf deren weitere Verbreitung Plinius hoffe, wie er betont. Diesem herben Stil solle jener schmeichlerische doch endlich weichen!125 Doch demstehe wohl der allgemeine Publikumsgeschmack entgegen. Plinius befürchtet zudem, dass die Passagen, die er im strengen Stil verfasst habe, etwas gedrängt und zu weit hergeholt erscheinen könnten.126 Daher habe er für die Darstellung seines Themas einen dritten Stil bevorzugt, der sich durch eine gewisse Leichtigkeit auszeichne.
Er sei insgesamt fröhlicher undgelassener (hilarius et quasi
exsultanti-
us).127
Plinius fordert also, dass Schmeicheleien möglichst bald der severitas weichen müssten. Vorerst jedoch sei für eine Gratiarum Actio ein heiterer Stil ange-
messen. Für Plinius wardie Glaubwürdigkeit des Panegyricus untrennbar mit der Art ihres sprachlichen Ausdrucks verwoben.128 Einem Wandel der ausgedrückten Inhalte sollte auch ein stilistischer Wandel der Ausdrucksebene selbst erfolgen.129 Wenn Plinius den aus der Vergangenheit stammenden Stil als dulcia haec blandaque charakterisiert, so sagt er damit, dass inhaltliche Schmeicheleien auch durch eine schmeichlerische Sprache ausgedrückt würden. In eben diesem Sinn ist für Plinius severitas ein Stilmerkmal, doch zugleich eine Eigenschaft seiner Zuhörer, die es ermögliche, diesen strengen Stil angemessen zu würdigen. Nunwaren diebeiden Begriffe blanditiae undseveritas in derfrühen traianischen Literatur in charakteristischer Weise semantisiert. Sie waren ein Mittel, umden Optimus und denPessimus Princeps zu kontrastieren. Mit blanditiae wurden Art undInhalt der senatorischen Worte undTaten unter Domitian bezeichnet,130 während Plinius im Panegyricus konstatierte, dass die allgemeine Erneuerung und Verbesserung der Sitten aus der Severitas Traians resultiere.131 Der Senator beschreibt in seinen stilistischen Ausführungen also seine eigenen Leistungen unddie Einstellung seiner Amici, deren gute Fama auf ihn selbst zurück wirkt, in den gleichen Kategorien, die wesentlich für die aktuelle Darstellung Traians waren. Durch die Publikation dieses Briefes gerieten auch diese Aussage undSelbststilisierung zu einer öffent-
123 Plin.ep.3.18.10: dulcia haec blandaque vel iusta possessione. 124 Plin.ep.3.18.8: animadverti enim severissima quaeque vel maxime satisfacere; 125 Plin.ep.3.18.10: ...veniat dies (utinamque iam venerit!), quo austeris illis severisque dulcia haec blandiaque... decedant.
126 Plin.ep.3.18.10: ...possint videri accersita et inducta. 127 Plin.ep.3.18.10: ...laetioris stili...rationem; ...illa, quaehilarius etquasi exsultantius scripsi... 128 BARTSCH 1994, vorallem dasKapitel „ 187. , 148– Theart of sincerity: Pliny’s Panegyricus“ 2.3; 3.4. 129 So etwa in Plin.paneg.1.6– 130 Siehe zur Veranschaulichung Martial 10.72; Tac.hist.1.37.4. –Zahlreiche weitere Beispiele bietet BARTSCH 1994, 181ff.
131 Plin.paneg.46.6.
256
DER PANEGYRICUS
lichen Akzeptanzbekundung dertraianischen Herrschaftsdarstellung unddemonstrierten Konformität mit deren Facetten.132 ZumLob Traians komme noch hinzu, dass eine Tätigkeit, nämlich eine Gratiarum Actio zu halten, welche früher in demMaße verhasst gewesen sei, wie sie falsch war, nunin demMaße liebenswert sei, wie sie wahr sei.133 Plinius zeigt hier eine Bedingtheit auf: Umso bessere Umstände vomKaiser für wahrhaftige Aussagen geboten würden, desto liebenswerter sei der Inhalt dieser Aussagen für die Senatoren. Dies ist ein Hinweis auf denMechanismus des Affirmativen Forderns. Plinius verdeutlicht implizit, dass schlichtweg jeder Kaiser von den Senatoren ein Lob seiner Tugenden zu hören bekomme. Doch Herrscher, welche jenem Bild, das sie von densenatorischen Rednern einforderten, nicht auch wirklich entsprächen, müssten davon ausgehen, dass dieses Lob keinesfalls ehrlich gemeint sei. Erst unter einem Kaiser, der die an ihm gelobten Tugenden auch tatsächlich zum Nutzen des Staates undder Senatoren wirken lasse, könnten diese Tugenden auch ehrlich gelobt werden. Es existiert für Plinius demnach ein Spektrum, innerhalb dessen Anspruch undWirklichkeit der kaiserlichen Virtutes mehr oder auch weniger übereinstimmen könnten. In diesem Zusammenhang ist für das Verständnis des panegyrischen Mechanismus eine Aussage des Plinius über dengrundsätzlichen Wechsel, welchem die menschliche Natur ausgesetzt sei, interessant: Glück verkehre sich nämlich in Widrigkeit, undaus Widrigkeit entstehe wieder neues Glück. Der Gott aber verberge denjeweiligen Beginn dieses Umschwungs im Dunkeln, undoft verstecke sich, was zum Glück oder Unglück führen werde, zunächst unter dem Anschein des Gegenteils. Diese Stellungnahme steht im Text zwischen demLob, wie sehr Traian den Frieden fördere, und der Schilderung des Prätorianeraufstandes. Das Thema der Wechselhaftigkeit ließ sich an dieser Abfolge der Ereignisse also her132 In denPlinius-Briefen, welche ich imKapitel „ VomRhein nach Rom“ vorstellte, wurde dieser bewusst hergestellte Zusammenhang ebenfalls deutlich. Dort wardie Reflexion der kaiserlichen Ideologeme eine Akzeptanzbekundung gegenüber demHerrscher gewesen, welche eine reziproke Geste derGunst vonTraian erwarten ließ; siehe etwa Plin.ep.10.4. Vor demHintergrund dieser Überlegungen gewinnt auch jene Reaktion ihre Bedeutung, die Plinius für die Leser der veröffentlichten Rede konstatiert. Er schrieb nämlich in Epistel 3.13.2, angesichts der allgemein bekannten und kursierenden Inhalte der Darstellung fühle sich der Leser quasi otiosus et securus. Nunwaren diese beiden Begriffe injener Zeit aber wesentliche Bestandteile dersenatorischen Lebenswelt. Securitas bezeichnete dievomKaiser zu garantierende Sicherheit der Senatoren für deren Besitz undLeben, während Otium eine senatorische Lebensführung abseits derstadtrömischen Politik benannte. Die von Plinius unterstellten Empfindungen lassen sich dadurch erklären, dass der senatorische Adressatenkreis durch die Regelmäßigkeit des panegyrischen Konsensrituals über die Positionen desKaisers informiert war, unddass diese nicht sprunghaft variierten. DerSenator konnte erst wegen seiner Vertrautheit mit den Inhalten der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung, die beim Vortag derGratiarum Actiones regelmäßig aktualisiert wurde, mitjener Securitas rechnen, deren Gewährung der Princeps zumTeil seiner Imago gemacht hatte. Seinerseits konnte derKaiser durch sein fortwährendes Betonen, er werde die senatorische Sicherheit gewährleisten, unddurch entsprechendes Handeln ein gewisses Vertrauen bei den Senatoren herstellen.
133 Plin.ep.3.18.7.
2. DIE PUBLICA GRATIARUM ACTIO
257
vorragend illustrieren. Der Weg führte vomfriedlichen Nerva über das Chaos der bewaffneten Gewalt hin zur Wiederherstellung der Ordnung durch Traian. Doch mit seinem Kommentar weist Plinius darauf hin, dass der Wandel an sich eine habet has vices gewissermaßen anthropologische Konstante sei. Er fügt hinzu, „ condicio mortalium.“Und so relativiert der explizite Hinweis, dass nicht allein Gutes aus Bösem, sondern dass stets auch Böses aus dem Anschein des Guten entstehen werde, unausgesprochen auch dentraianischen Principat undalles Lob, welches die Senatoren deraktuellen Felicitas Temporum entgegen brächten.134
Zum Abschluss dieses ersten Teiles des Kapitels sollten wir uns verdeutlichen, dass es neben demRitual der Gratiarum Actiones noch weitere Gelegenheiten für diese besondere Art der senatorisch-kaiserlichen Kommunikation gab. Dies waren etwa jene Anträge, welche die designierten Consuln zu Ehren des Herrschers zu stellen hatten. In einem seiner Briefe aus demJahre 107 antwortet Plinius auf die Anfrage eines jüngeren Amicus, C.Vettenius Severus, eines Suffectconsuls jenes Jahres.135 Dieser wisse nicht, was er als consul designatus denn in honorem principis beantragen solle. Plinius stellt fest, hierfür sei leicht etwas zu finden. Dementsprechend schwer jedoch sei die Auswahl, immerhin böten die kaiserlichen Virtutes reichhaltigen Stoff. Zur Illustration berichtet Plinius von denDingen, die er selbst als designierter Consul beantragt habe. Vor allem habe er sich damals bemüht, seine Lobesrede von allem Anschein der Schmeichelei freizuhalten. Er beschließt seinen Rat mit dem Hinweis, dass ja gerade die jüngsten Großtaten Traians Gelegenheit gäben, Neuartiges, Großes und Wahrhaftiges (nova magna vera) zubeantragen. In diesem Brief findet sich einiges wieder, was wir bei der Betrachtung des Panegyricus als eines Mediums der Herrschaftsdarstellung feststellen konnten. Das Schreiben zeigt, dass die designierten Suffectconsuln eines Jahres etwas zu Ehren desKaisers zubeantragen pflegten. Dies warmit einer Lobrede zu verbinden, die auf die Taten und Tugenden des Princeps einzugehen hatte. Wie beim Panegyricus lässt sich auch in diesen Anträgen ein periodisch wiederkehrendes Ritual erkennen, das im Senat und im Idealfall auch vor dem anwesenden Princeps stattfand.136 Es wird deutlich, dass zwar die Form des Ausdrucks, nicht aber die Inhalte dieser Lobreden statisch waren. Vielmehr wurden sie denaktuellen Geschehnissen angepasst, so dass Plinius seinem Amicus vorschlagen konnte, jüngste Ereignisse undkaiserliche Großtaten zumThema vonLobrede undAntrag zumachen. Die traianischen Erfolge im zweiten dakischen Krieg, von denen Plinius hier spricht, waren als Thema hervorragend geeignet. Die Eroberungen an der Donau 134 Eine solche generelle Relativierung aller Lobesworte finden wir an einigen Stellen der Rede. So weist Plinius etwa darauf hin, dass in der Zukunft der Senat sicher gezwungen würde, auch schlechte Principes Optimus zu nennen. Hiermit ist ausgedrückt, dass ein vermeintlich ehrlich gemeintes Lob stets auch erzwungen werden könne; Plin.paneg.88.10. 135 Plin.ep.6.27. 136 Bei der Rede des Vettenius Severus kann dies nicht der Fall gewesen sein, daTraian erst im Frühsommer 107 nach Romzurückkommen sollte.
258
DER PANEGYRICUS
waren erst am Ende des Jahres 106 abgeschlossen worden undboten daher tatsächlich genügend Ereignisse, die in dieser Form einer Lobrede noch nicht präsentiert worden waren. Neben derNeuigkeit unddemAusmaß (nova magna), die ein Lob desDakerkrieges auszeichnen würden, weist Plinius seinen Amicus aber auch auf die Wahrhaftigkeit dieses Lobes hin (vera). Mittlerweile ging es nicht mehr nurumein Preisen einer grundsätzlichen militärischen Sieghaftigkeit, deren Konkretisierung noch ausstand. Eben dies habe Plinius noch voreinigen Jahren in seinem eigenen Antrag tun müssen, stellt er implizit fest. Doch die Zeiten hätten sich geändert.137 Die jüngst errungenen traianischen Erfolge waren nachweisbar, und die seit Jahren intensiv prononcierten grundsätzlichen Facetten der militärischen Imago des Kaisers waren durch Taten bestätigt worden. Dieser neue Sieg musste zentraler Bestandteil des Herrscherlobes werden. Nurso konnte verdeckt werden, dass bereits nach demersten Dakerkrieg die Niederwerfung dieses Volkes gefeiert worden warundTraian einen Triumph gefeiert hatte, doch dass dieser Triumph offensichtlich vorschnell gewesen war; immerhin hatte Rom abermals gegen Decebalus antreten müssen. Doch nunschien Dakien tatsächlich besiegt zu sein, seine Städte waren erobert, undder Kopf des Königs warTraian überbracht worden. Endlich hatte die militärische Imago des Princeps ihre eindrucksvolle Bestätigung erhalten. Doch die Worte des Plinius aus demJahre 107 mit ihrer impliziten Aussage, als designierter Consul für das Jahr 100 habe er selbst Dinge loben müssen, die eben nicht vera gewesen seien, sollen uns wieder zumPanegyricus zurückführen. Im Folgenden werden wir untersuchen, mit welchen konkreten rhetorischen Mitteln undStrategien in derGratiarum Actio des Septembers 100 eine auf ihre Weise eindrucksvolle militärische Imago für Traian generiert wurde, obwohl der Kaisernoch keine tatsächlichen militärischen Erfolge errungen hatte.
137 Plin.ep.6.27.4f.: Praeterea faciendi aliquid non faciendive ratio cumhominum ipsorum turn rerum etiam ac temporumcondicione mutatur. (5) Namrecentia opera maximi principis praebent facultatem nova, magna, vera censendi.
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO Bei der Untersuchung der panegyrischen Mechanismen konnten wir feststellen,
dass die Gratiarum Actio fast ausschließlich Themen behandelt, die senatorische Belange berühren. Nun gibt es aber auch Passagen, die etwa den Umgang des Kaisers mitseinen Soldaten betreffen. Besonders die Darstellung Traians imKreise der Legionen während der Zeit seiner militärischen Ausbildung undwährend der Monate an Rhein und Donau nimmt am Anfang des Panegyricus einigen Raum ein.1 Die Truppen waren allerdings nicht die Adressaten der Rede; allein Senat undKaiser kommunizierten impanegyrischen Konsensritual. Hieraus folgt, dass der Aufenthalt Traians an den Grenzen des Reiches undsein Verhältnis zu denLegionen zwei Themen waren, welche entweder von großem Interesse für die Senatoren waren oder die der Princeps von den senatorischen Rednern in spezifi-
scher Weise dargestellt sehen wollte. Im zweiten Teil meiner Untersuchung des Panegyricus möchte ich auf die politische Funktion dieser Passagen für die Konstruktion deskaiserlich-senatorischen Konsenses eingehen.
Das Thema der ersten Paragraphen des Panegyricus ist noch allein die zivile Imago Traians. Auch die Herleitung des Optimus-Konzepts im Proömium verzichtet auf jegliche militärische Konnotation.2 Wenn Plinius danach allerdings vorführt, dass die an einem Kaiser vermeintlich gelobten Werte immer auch gerade deren Gegenteil bedeuten könnten, so nennt er in seiner Aufzählung auch explizit einen Aspekt der militärischen Imago. Der Redner betont nämlich, es werde im Folgenden keine Gefahr bestehen, dass der Kaiser in einem Lob seiner Tapferkeit eine tatsächliche Kritik an seiner Furcht vermuten werde.3 Oben sahen wir bereits, wie eine solche Aussage zu verstehen ist: Plinius sagte hiermit nicht, dass er von den Taten und Tugenden Traians erzählen werde, wie sie sich wirklich zugetragen hätten. Schließlich waren sich Redner, Senat undKaiser derpanegyrischen Überspitzung der Schilderung sehr wohl bewusst, und die Rede ist eine Darstellung des Kaisers, nicht wie er tatsächlich war, sondern eine Reflexion seiner Herr1
2 3
Das Verhältnis des Kaisers zur Plebs wird im Vergleich hierzu schon in erheblich weniger Passagen dargestellt. Plin.paneg.2.7. –Auch in der zweiten, für die Koordinaten des Optimi cognomen wichtigen 89.1 ist nicht explizit davon die Rede, dass derTitel auf militärische Erfolge zuPassage 88.4– rückzuführen sei. Plin.paneg.3.4: Haec me cura, haec difficultas sola circumstat: nam merenti gratias agere facile est, Patres Conscripti. Nonenim periculum est, ne, quum loquar de humanitate, exprobrari sibi superbiam credat; quum de frugalitate, luxuriam; quum de clementia, crudelitatem; quum de liberalitate, avaritiam; quum de benignitate, livorem; quum de continentia, libidinem; quumdelabore, inertiam; quumdefortitudine, timorem.
260
DER PANEGYRICUS
schaftsdarstellung. Doch es wäre erheblich zu einfach, Plinius hier der Schmeichelei oder gar derLüge zubezichtigen. Er sagte eben gerade nicht, dass er wahrheitsgetreu von Traian berichten werde. Er betonte stattdessen, es bestehe keine Gefahr, dass der Kaiser diesen Bericht –undzwar diesen für alle Beteiligten erkennbar überspitzten Bericht –beargwöhnen werde. Plinius nimmt hiermit die Akzeptanz seiner Rede durch den Princeps voraus. Der Vertreter des Senats demonstrierte selbst gerade, dass das Gremium die kaiserliche Herrschaftsdarstellung akzeptierte, indem er sie in seinem Vortrag reflektierte. Nunsignalisierte er Traian aber, dass der Senat seinerseits davon ausgehe, dass auch derPrinceps die vom Gremium reflektierte Darstellung seiner Herrschaftsdarstellung akzeptieren werde. Dies ist dasrhetorische Hintergrundszenario fürdie Darstellung dermilitärischen Imago Traians, die im Wesentlichen zwei Komponenten umfasste: den Heros unddenCommilito.
3.1.
CONTECTI CAEDIBUS CAMPI – DIE IMAGO DES HEROS
3.1.1. AEQUATA DIS IMMORTALIBUSPOTESTAS– EINE ANNÄHERUNG
Das richtungweisende Proömium des Panegyricus lässt den Kaiser mit bloßem Kopfnicken über Land und See, Krieg und Frieden bestimmen, in seiner Macht den Unsterblichen gleich.4 Auch an anderer Stelle berichtet Plinius mehrfach davon, dass bereits die Nachricht vomHeranstürmen Traians seine Feinde in Schrecken versetze, unddass er Meere zutrocknen undGebirge zu glätten in derLage sei. Diese Aussagen als reine Schmeichelei und Übertreibung abzuqualifizieren undfür sie keinerlei Quellenwert zukonstatieren, würde unsderwertvollen Möglichkeit berauben, die kaiserliche Herrschaftsdarstellung zu kategorisieren. Was derRedner unshier nämlich ausbreitet, ist eine ganz bestimmte Facette dermilitärischen Imago, die ich im Folgenden die „ heroische“nennen werde. Diese Form der kaiserlichen Darstellung ist keine Innovation des traianischen Principats gewesen. Auf eben diese Weise schilderte etwa Flavius Iosephus den Marsch des jungen Domitian, als dieser von Rom aus dem Zentrum des Bataveraufstandes entgegen gezogen war.5 Mit seiner vomVater ererbten Tapferkeit undeiner über seine Jahre hinaus gereiften Kriegserfahrung sei er sofort gegen die Barbaren aufgebrochen. Allein schon das Gerücht, derjunge Caesar marschiere heran, habe den Mut der Germanen gebrochen, so dass sie sich gerne wieder unter das Joch gebeugt hätten. Danach sei Domitian zurück nach Rom gezogen, ruhmbedeckt
4
5
Plin.paneg.4.4. Flav.Ios.b.J.7.4.2. –Siehe hierzu auch das Kapitel „ VomRhein nach Rom“ mit seinem Abschnitt 9.1.1 „ falsi triumphi –Domitian als Opfer seiner eigenen Imago“ .
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
261
und ausgezeichnet durch Taten, die zwar nicht sein Alter, wohl aber seine Abstammung hätten erwarten lassen. Tatsächlich war der Aufstand schon längst niedergeschlagen worden, noch bevor Domitian die Alpen überquert hatte.6 Die Rhetorik, einem Kaiser militärische Erfolge zu attestieren, obwohl solche gar nicht existierten, ist also im Falle Domitians undTraians die gleiche. Fehlten die sichtbaren Zeugnisse, dass durch einkonkretes Engagement desHerrschers derKrieg gewonnen worden sei, musste seine Tat in eine andere Sphäre gehoben werden, die auf solche konkreten Nachweise gar nicht angewiesen war. Die Tatsache, dass weder Domitian noch Traian in das Kriegsgeschehen eingegriffen hatten, ließ sich ins Positive wenden und unerhört übersteigern: Bereits das bloße Gerücht ihres Heranstürmens habe dieFeinde in Auflösung gestürzt undverhindert, dass sie sich überhaupt stellten. Im Folgenden werden wir untersuchen, mit welchen Mitteln diese heroische Imago desKaisers geschildert undplausibel gemacht wird, undauf welche Weise die Vita Traians mit ihrer Hilfe gedeutet, umgeschrieben undaufgewertet wird. Es wird deutlich werden, dass die heroische Imago aus einem Axiom der kaiserlichsenatorischen Kommunikation entstehen konnte, welches besagte, ein Guter Princeps sei grundsätzlich sieghaft. Da Traian ein solcher Guter Princeps sei, könne es also gar keinen Zweifel an der Größe seiner Erfolge geben, oder zumindest nicht daran, dass er gewiss einmal große Erfolge erringen werde. Zunächst wollen wir betrachten, wie Plinius die Zeit des Aufenthalts Traians an der Donau behandelte. Hieraus kann die politische Funktion der heroischen Imago für die traianische Herrschaftsdarstellung im September 100 abgeleitet werden.
3.1.2. TRAIAN ANDER DONAU Plinius beginnt seine Schilderung der kaiserlichen Kriegstaten an der Donau mit einem Vergleich.7 Unter Domitian hätten die Feinde nicht um ihre Freiheit gekämpft, sondern hätten sogar das römische Reich unterwerfen wollen. Mit gewaltigen Geschenken undZahlungen an diese Stämme sei früher der Anschein eines Sieges erkauft worden. Darüber hinaus habe ein Waffenstillstand zu deren Bedingungen abgeschlossen werden müssen.8 Nun aber verbreite Traian Furcht und Schrecken unter den Barbaren, worin er jenen großen Heerführern der Vergangenheit gleiche, welche die Schlachtfelder mit Toten bedeckt und die Meere mit Blut getränkt hätten. Die Feinde könnten die Römer nurnoch umSchonung bit-
ten.
Zu Illustration undNachweis dieser generellen Aussage schildert Plinius den Aufenthalt Traians an der Donau während des Jahres 98/99. Nach einem ungeheueren Zug durch endlose Weiten sei Traian mit sicherer Gelassenheit demDrohenderFeinde amanderen Ufer begegnet, undzwar durch Zurschaustellung eher 6 7 8
Tac.hist.4.85. 12.2. Plin.paneg.11.5– Zudiesem Topos siehe auch Tac.Agr.41.2; Cass.Dio 67.6f.
262
DER PANEGYRICUS
der Toga als der Waffen.9 An der Donau habe er im Winter, einer Zeit, die für die Feinde ungemein günstig, für Rom hingegen sehr ungünstig sei, die Frontlinie gegen die wildesten Völker aufgebaut. DerFluss sei nämlich zugefroren gewesen, so dass eigentlich ganze Armeen in die römische Provinz hätten einfallen können. Nun sei mit Traians Ankunft aber etwas ganz Erstaunliches geschehen. Bei seinemHerannahen habe es nämlich denEindruck gemacht, als hätten die Jahreszeiten gewechselt. Die Feinde hätten sich verstecken müssen, undstatt ihrer hätten die Römer getrost das Eis überschritten. Den Vorteil der Gegner für sich ausnutzend, hätten sie gegen die Barbaren einen Winterkrieg in deren eigenem Stil geführt. Dies alles habe den Feinden große Ehrfurcht und Scheu eingeflößt.10 Plinius schildert hier ein Szenario, in welchem nicht alleine die Waffen der Feinde gegen Romgerichtet gewesen seien, sondern sich auch deren Umwelt gegen die römischen Legionen gewendet habe.11 Durch Traians Herannahen seien Feind undNatur jedoch bezwungen worden. Der Kaiser säe nämlich terror und metus unter den Gegnern des Reiches12 undvermöge sogar gegen die Unbill der Natur zu kämpfen, was gewöhnlichen Menschen unmöglich sei. Diese Passage preist also die außergewöhnliche Sieghaftigkeit des Kaisers und seine militärischen Erfolge während der langen Zeit seiner Abwesenheit. Doch es fällt auf, dass hier keine konkreten Kampfhandlungen erwähnt sind. Zwar berichtet der Redner von einem Überschreiten der Donau durch römische Truppen, doch nicht von einem Zusammenstoß dieser Soldaten mit den Dakern. Das verwundere nicht, betont der Panegyricus, schließlich hätten diese sich ja angesichts der Macht des Kaisers versteckt. Als Fazit der Episode bleibt festzuhalten, dass die Rede in ihrem Bemühen, für Traian eine Imago des erfolgreichen Feldherrn zu konstruieren, keineswegs Schlachten fingiert, die nicht stattgefunden hatten. Stattdessen wählt der Panegyricus eine andere Methode, umrhetorisch zu überdecken, dass es trotz der langen Abwesenheit Traians aus Rom und trotz seiner intensiven Kriegsvorbereitungen keinen militärischen Erfolg für die römischen Truppen an der Donau gegeben hatte, den der Kaiser bei seiner Rückkehr hätte vorweisen können. Der hierfür nötige rhetorische Mechanismus beruht darauf, dass die grundsätzliche Sieghaftigkeit desHerrschers –die freilich nicht in Frage gestellt ist, denn immerhin sei Traian von denGöttern zumKaiser gemacht worden –gar keine Möglichkeit habe, sich in konkreten Erfolgen auszudrücken. Sie offenbare sich stattdessen in seinem halb-göttlichen Erscheinen, welches denLauf derNatur unddenbekannten Gang vonKriegen zuverändern möge: Jahreszeiten ändern sich, die wildesten Völker verkriechen sich. Die spezifische militärische Imago, welche derPanegyricus an diesem Phänomen aufzeigt, überstrahle bei weitem jene konventionellen Siege, die manin gewöhnlichen Schlachten erringen könne. Die Konstruktion der 9 Plin.paneg.56.7. 13.1. 10 Plin.paneg.12.3– 11 Plin.paneg.12.3. –Dieses Motiv soll in der Untersuchung des Traiansforums ausführlich behandelt werden.
12 Plin.paneg.14.1.
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
263
heroischen Imago des Kaisers ist für den Panegyricus also eine Möglichkeit, das bisherige militärische Defizit unddenMisserfolg an der Donau argumentativ umzudeuten und gerade aus dieser Erklärungsnot ein Bild außergewöhnlicher Tugenden zuzeichnen.13 Im Folgenden werden zwei Strategien vorgestellt werden, mit denen der Panegyricus der heroischen Imago Plausibilität zu verleihen und sie aufzuwerten sucht. Zumeinen weist Plinius darauf hin, dass eine solche ArtvonSieghaftigkeit bereits auf eine sehr lange Tradition in der römischen Erfolgsgeschichte zurückblicken könne. Zumanderen legt der Senatsredner dar, dass die Manifestationen derheroischen Imago Traians ausdenselben Tugenden hervorgingen wie die zivilen Regierungsakte des Kaisers. Denn im Gegensatz zu militärischen Erfolgen waren diese zivilen Manifestationen der herrscherlichen Virtutes mittlerweile nachweisbar. Wenn also das Vorhandensein dieser kaiserlichen Tugenden sich bereits in Taten offenbart hatte, so musste ein Lob der Sieghaftigkeit des kaiserlichen Heros als ebenso gerechtfertigt gelten wie etwa ein Lob seiner Förderung der Alimentarstiftungen! Doch soll zunächst jene vonPlinius postulierte Tradition der heroischen Sieghaftigkeit untersucht werden.
Der Senator betont, dass durch solch heroisches Verhalten, wie derKaiser es zeige, bereits in der römischen Vergangenheit die Siege errungen worden seien. Schließlich sähen die Gegner in Traian wieder einen jener Imperatoren vor sich, die einst das Feindesland mit Blut getränkt hätten, „unum ex illis veteribus etpris.14Der Kaiser wird auf diese Weise also mit den Heerführern der fernen recis“ publikanischen Vergangenheit in Verbindung gebracht. Beispiele oder garNamen werden allerdings nicht genannt, so dass nicht weiter bestimmbar ist, an wenPlinius hier erinnert. Traian wird in eine der Zeit enthobene Tradition einer nicht weiter zu hinterfragenden Erfolgsgeschichte der Res Publica gestellt. Die nachweisbare Ausdehnung desReiches ist Beweis genug. Doch zugleich wirddasAuftreten des Herrschers an der Donaufront qualitativ weit über diese Siege der Vergangenheit gehoben, da sich ihm die Feinde ja gar nicht erst gestellt hätten. Der rhetorische Einsatz derheroischen Imago warebenfalls für die Prognose geeignet, dass Rom wohl auch in der Zukunft nicht so bald die Gelegenheit bekomme, einenSieg undTriumph Traians zusehen. Als Grund hierfür nennt der Redner neben der übermenschlichen Leistungskraft des Kaisers auch dessen besondere Tugenden. Zunächst äußert Plinius seine Begeisterung darüber, dass Traian aufgrund seiner Moderatio den Frieden liebe, 13 Es sei nurkurz darauf hingewiesen, dass die heroische Imago des Kaisers nicht allein für die Darstellung kriegerischer Taten geeignet war. Mit ihrer Hilfe ließen sich ebensogut zivile Taten undTugenden illustrieren. So berichtet etwa Plin.paneg.25.3ff. von der Verteilung des Congiariums nach der Rückkehr Traians. Damals sei mancher etwa durch Krankheit oder Abwesenheit ausRomdavon abgehalten worden, seine Spende entgegenzunehmen. Doch der Kaiser habe festgesetzt, jeder solle kommen, wann er könne. So habe Traian, betont der Panegyricus, gleichsam durch liberalitas und munificentiae ingenium riesige Entfernungen schrumpfen lassen unddempersönlichen Unglück seiner Cives abgeholfen. 14 Plin.paneg.12.1.f.
264
DER PANEGYRICUS
obwohl er so gutmit seinen Soldaten umzugehen verstehe undin einer Atmosphäre kriegerischen Ruhmes aufgewachsen sei.15 Wenn sein Vater auch ein Triumphalis Vir gewesen sei, und am Tage seiner Adoption dem Capitolinischen Iuppiter ein Lorbeer dargereicht worden sei, sehe Traian doch keine Veranlassung, bei jeder Gelegenheit für sich einen Triumph zu erstreben. Denn der Princeps suche keine Kriege. Aber natürlich fürchte er sie auch nicht. In diesen Worten kommt eine interessante Prämisse zumAusdruck. Längst schon könnte Traian Triumphe feiern, doch ließe seine Moderatio ihn dies gar nicht wünschen. Dass der Kaiser nämlich bisher noch nicht im Triumph in Romeingezogen ist, wird als Zeichen dafür gewertet, dass er diese Form, seine militärische Leistungskraft zu manifestieren, allein für ungeheure Siege reserviere. Auch in diesen Worten wird also die Tatsache der fehlendem militärischen Erfolge umgedeutet. Der Panegyricus suggeriert, dass Traians Taten allein seinen eigenen Ansprüchen noch nicht genügten, während die gesamte Res Publica die militärischen Verdienste ihres Princeps doch längst schon als groß genug erachte. Rhetorisch wird also aus der militärischen Not eine zivile Tugend gemacht. Denn immerhin habe Traian ja schon einmal am Ufer der Donau gestanden und sei siegessicher gewesen. Das Überschreiten des Stroms hätte eigentlich denSieg bedeuten müssen. Dass dies nicht geschah, lasse sich nicht demKaiser anlasten; schließlich habe sich in Traians Bereitschaft zumKrieg ja gerade seine Fortitudo ausgedrückt. Doch die Daker seien vor ihm ausgewichen! Gegen einen solchen
Feind aber habe Traian keinen Entscheidungsschlag führen wollen. Denn genau hier komme seine Moderatio zumAusdruck. Pointiert gesagt: Traians Fortitudo hindere die Feinde zukämpfen, seine Moderatio hindere ihn selbst. Es ging dem Panegyricus mit seiner Formulierung der heroischen Imago Traians also darum, Sieghaftigkeit zukonstruieren, ohne sie an konkreten Erfolgen derVergangenheit exemplifizieren
zumüssen.
3.1.3. NONTIMES BELLA NECPROVOCAS –DIE VISION EINES
TRIUMPHES16
Im Folgenden möchte ich darstellen, dass die heroische Imago nicht nur für eine Erklärung vergangener militärischer Erfolglosigkeit geeignet war. Mit ihrer Hilfe konnten die Senatoren auch ihre Wünsche an Traian artikulieren, dieser möge nicht wieder in den Krieg ziehen, sondern in der Hauptstadt bleiben. Zu diesem Zweck soll betrachtet werden, mit welchen Mitteln der Panegyricus die Vision eines triumphalen kaiserlichen Einzugs auf dasCapitol beschreibt.17 Bisher wurde noch niemals darauf hingewiesen, dass diese Vorausschau in zwei Teile zerfällt und genau genommen zwei verschiedene Gelegenheiten eines solchen Einzugs 15 Plin.paneg.16.1f.: Sed magis praedicanda moderatio tua, quod innutritus bellicis laudibus pacem amas: nec quia vel pater tibi triumphalis, vel adoptionis tuae diedicata Capitolino Iovi laurus, idcirco ex occasione omni quaeris triumphos. (2) Nontimes bella, nec provocas. 16 Plin.paneg.16.2. 17 Plin.paneg.16.3–17.
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
265
Der erste Teil kündigt eine Manifestation dertraianischen Sieghaftigkeit gegen einen konkret benannten Feind, wählt zurBeschreibung dieser zwar an,und Szene aber nicht die Bezeichnung ‚Triumph‘. Der zweite Teil hingegen beschreibt tatsächlich einen Triumph undwählt auch diesen Namen, allerdings gegen nicht weiter definierte Gegner. Ich werde zeigen, dass diese Trennung angesichts der politischen Funktion derRede imJahre 100 immens wichtig war. umfasst.
Plinius beginnt seinen Bericht vonderVision eines Triumphes damit, dass Traian anderDonau gestanden habe, aber die Feinde sich geweigert hätten, gegen ihnzu kämpfen. Dies sei dasErgebnis seiner Fortitudo gewesen. Zeichen seiner Moderatio sei es hingegen, dass er deswegen nicht triumphieren werde. Also werden eines Tages, betont der Senator, keine unechten Triumphwagen und gefälschten Siegeszeichen auf das Capitol ziehen.18 Stattdessen werde ein Imperator kommen, derwahren unddauerhaften Ruhm verkünden werde. Denn Frieden, Ruhe unddas vollkommene Eingeständnis der Feinde, unterworfen worden zu sein, werden so unwiderleglich von der Sieghaftigkeit des Kaisers künden, dass er, umdies nachzuweisen, eigentlich niemanden erst habe besiegen müssen.19 Unddies sei herrlicher als alle Triumphe! Bisher habe immer nurdie Verachtung derFeinde für das Reich Anlass zu Siegen geboten, nunaber ihre Einsicht in die Niederlage. Denn derunter denunterworfenen Feinden eingekehrte Friede sei ein ins Ewige fortgesetzter Sieg desKaisers: Sie erhöben sich nurdeswegen nicht gegen Rom, weil sie sich derAussichtslosigkeit eines Aufstandes gegen denOptimus Princeps bewusst seien. Doch sollte ein Barbarenkönig nun aus Wahnsinn undWut so weit gehen, dass er Traians Zorn und Empörung verdiene, dann solle er nur glauben, durch Meere, gewaltige Flüsse undschroffe Gebirge vor Traian geschützt zu sein. Tatsächlich werde er sehen, wie alle diese Hindernisse Traians Virtutes weichen werden, under werde glauben, die Berge seien eingesunken, die Flüsse ausgetrock-
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Hieran wird deutlich, wie sehr Traians Imago dessieghaften Feldherren auch durch denKontrast zurdomitianischen Imago modelliert undwie dieser Gegensatz instrumentalisiert wurde, um dem Ideologem der kaiserlichen Sieghaftigkeit Plausibilität zu verleihen. Das nicht zu hinterfragende Axiom der Imago des Pessimus Princeps attestierte demletzten Flavier falsi triumphi, gemietete Kriegsgefangene undandere Kunstgriffe, umRomzutäuschen undmilitärische Erfolge zu erfinden. Die traianische Imago war als Gegenbild dazu entworfen, und ihr Axiom lautete, Traian würde niemals so handeln, wie Domitian es getan habe. Demnach sei es also unmöglich, dass derOptimus Princeps solche falsi triumphi feiern werde. Wegen seiner Moderatio würde er eher garkeine Triumphe feiern. Plin.paneg.16.3f.: Accipiet ergo aliquando Capitolium non mimicos currus, nec falsae simulacra victoriae; sed imperatorem veram ac solidam gloriam reportantem, pacem, tranquillitatem, et tamconfessa hostium obsequia, ut vincendus nemo fuerit. (4) Pulchrius hoc omnibus triumphis. Neque enim unquam, nisi ex contemptu imperii nostri factum est, ut vinceremus. (5) Quod si quis barbarus rex eo insolentiae furorisque processerit, ut iram tuam indignationemque mereatur: naeille, sive interfuso mari, seufluminibus immensis, seupraecipiti monte defenditur, omnia haec tamprona, tamque cedentia virtutibus tuis sentiet, ut subsedisse montes, flumina exaruisse, interceptum mare, illatasque non classes nostras, sed terras ipsas arbitretur.
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DER PANEGYRICUS
net, das Meer verschwunden, undes seien gegen ihn nicht die römischen Flotten ausgerückt, sondern die Naturgewalten selbst.20 Plinius erzeugt in diesem ersten Teil seiner Darstellung die Vision derNiederlage eines barbarus rex. Hiermit ist Decebalus gemeint; allein gegen ihn rüstete Traian im September 100. Die Vermutung, mit diesen Worten sei Dakien beschrieben, wird von den topographischen Eigenheiten der Schilderung bestärkt, denn gewaltige Flüsse undschroffe Gebirge wurden in der zeitgenössischen Darstellung als die geographischen Besonderheiten des Landes angesehen.21 Doch die grandios anmutenden Formulierungen derPassage sind bei genauerer Betrachtung sehr zurückhaltend. Die Rede ist etwa davon, dass Naturgewalten, nicht aber rö-
mische Truppen, dendakischen Feind niederwerfen werden. Wir können festhalten, dass in dieser Passage zwar vondenfalschen Triumphen Domitians die Rede ist, dass Plinius aber für den Abschluss des Dakerkrieges, den Traian während seiner Abwesenheit vorangetrieben hatte unddessen Fortsetzung unmittelbar bevor stand, keinen Triumph erwähnt. Vielmehr sagt derRedner deutlich, dass Traians zukünftige Mitteilung in Rom, dass ein Sieg gar nicht erst nötig gewesen sei, umdie Feinde deutlich zubesiegen undFrieden herzustellen, noch herrlicher sein werde als alle Triumphe. Damit erklärt der Panegyricus den Triumph zu einer minderen Manifestation der Sieghaftigkeit. Weit überragt werde ein solcher Triumph von einem Sieg, der dadurch errungen werde, dass allein wegen des heroischen Auftreten Traians die Feinde in Panik versetzt undzerstreut würden. Nunmochte dieses Erklärungsmuster geeignet sein, darzulegen, warum Traian in Dakien nicht einen solchen Sieg errungen habe, der ihn triumphierend in seine Hauptstadt hätte zurückkehren lassen. Doch diese Strategie, einen Triumph als lediglich sekundären Nachweis von Sieghaftigkeit abzuhandeln, war für die Zukunft nicht geeignet. Schließlich liefen längst schon die Rüstungen an der Donau, unddemSenat warklar, dass Traian nunalles daran setzen würde, einen Sieg zu erringen und diesen im Triumph vorzuführen. Der Redner musste also seine Gewissheit formulieren, dass Traian selbstverständlich in der Zukunft triumphierenwerde. Undso berichtet Plinius imzweiten Teil seiner Darstellung, er vermeine schon den Triumph des Kaisers zu sehen.22 Ihm sei, als erkenne er schon die
20 Plin.paneg.16.3.
21 So nennt
22
Plin.ep.8.4.2 als bedeutendste Leistungen bei der Eroberung Dakiens nicht etwa große Schlachten, sondern die Bezwingung von Flüssen undMeeren. Außerdem wurde auf Münzen die Personifikation der bezwungenen Dacia auf einem Steinhaufen sitzend dargestellt, und es gab Darstellungen, auf denen der personifizierte Danuvius die Dacia würgte. Auch dies warein Zeichen dafür, dass Traian sich die Naturgewalten untertan gemacht hatte; siehe etwa STRACK 1931, Taf. 2.159, 6.383, 7.435. Plin.paneg.17: Videor iamcernere nonspoliis provinciarum, et extorto sociis auro, sedhostilibus armis captorumque regum catenis triumphum gravem. Videor ingentia ducum nomina, nec indecora nominibus corpora noscitare. Videor intueri immanibus ausis barbarorum onusta fercula, et sua quemque facta vinctis manibus sequentem: mox ipsum te sublimem, instantemque curru domitarum gentium tergo; ante currum autem clypeos, quos ipse perfoderis. Nec tibi opima defuerint, si quis regum venire in manus audeat, nec modo telorum tuorum, sed etiam oculorum minarumque coniectum toto campo, totoque exercitu opposito, perhorrescat. Meruisti proxima moderatione, ut, quandocunque te vel inferre vel propulsare bellum
3 . TR A IA N S MILITÄRISCHE IM AGO
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gefangenen Könige, die geschlagenen Heerführer und die Schautafeln der bezwungenen Völker. Sogar die Spolia Opima würden Traian zufallen, falls einer dieser Fürsten es nur wage, gegen ihn selbst anzutreten. Allein schon der drohende Blick des Kaisers werde wohl den Gegner erschüttern. Schließlich werde Rom auch jene Schilde sehen können, die der Kaiser eigenhändig durchbohrt haben werde. Der Redner beschreibt in diesen Worten also seine Vision eines eindrucksvollen Sieges und seiner dinglichen Manifestationen. Er betont, welche ungeheuren Taten Traian selbst an vorderster Front vollbringen werde und stellt den Kaiser mit dem Hinweis auf die Erringung der Spolia Opima zudem in eine exklusive Reihe republikanischer Kriegshelden, die letztlich auf den mythischen Stadtgründer Romulus zurückgeht. Doch auch diese visionäre Schilderung – wie schon jene des vermeintlichen Triumphes gegen die Daker – drückt keineswegs die Gewissheit aus, dass Traian tatsächlich siegen werde. Der Triumph mit seinen deutlichen Zeichen eines nachweisbaren Erfolges wird nämlich allein mit Verben des Scheinens geschildert. Auch ist die Beschreibung dieses Sieges weit weniger konkret auf einen bestimmten Gegner bezogen, als dies im ersten Teil der Vision mit Decebalus der Fall war. Im zweiten Teil ist allein die Rede von einer ganzen Reihe Undefinierter Feinde. Wir können festhalten, dass Plinius sich insgesamt auf keinen Feind festlegt, über den Traian einst triumphieren werde. Liest man beide Teile der Triumphvision gemeinsam, so ergibt sich, dass trotz der bereits laufenden Rüstungen Traians gegen Decebalus in keiner Passage des Textes die Gewissheit formuliert wird, dass Traian über die Daker triumphieren werde. Welche Funktion besaß nun aber die vorgeführte Differenzierung innerhalb des Textes in der politischen Situation des Septembers 100? Warum wurde dieser rhetorische Aufwand betrieben, den bislang ausgebliebenen militärischen Erfolg zu einem außergewöhnlichen Sieg der kaiserlichen Tugenden zu stilisieren, und dennoch keine konkrete Perspektive eines Triumphes über Decebalus zu entwerfen? Wir bereits dargestellt, demonstrierten die Senatoren im Panegyricus ihre Akzeptanz der kaiserlichen Ideologeme; sie formulierten aber auch ihrerseits Forderungen an den Princeps. Eben dieser Mechanismus ist auch hier am Werk. Die Senatoren signalisierten Traian, keinen Zweifel daran zu haben, dass er dereinst über zahllose Völker triumphieren werde;23 schließlich sei er ja unzweifelhaft sieghaft. Damit demonstrierte das Gremium seinem Kaiser die grundsätzliche Anerkennung seiner militärischen Imago. Doch die rhetorische Emphase hatte ihren Preis. Denn der panegyrische Mechanismus mit seinen Bekundungen von Akzeptanz und seinen Zuweisungen von Status beruhte auf Reziprozität. Und so
23
coegerit imperii dignitas, non ideo vicisse videaris, ut triumphares, sed triumphare, quia viceris. Der Panegyricus vermochte aber nicht zu sagen, ob dies nun auch gegen den offensichtlich nächsten Gegner der Fall sein werde, nämlich Decebalus. Aus den W orten des Redners spricht die Unsicherheit der Senatoren, von w elcher Art die nächste M anifestation der m ilitärischen Imago Traians wohl sein werde. Es mochte ein tatsächlicher Sieg sein, ein diplom atisch herbeigeführter W affenstillstand oder ein fa lsu s triumphus – die Vergangenheit bot je des dieser Szenarien.
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DER PANEGYRICUS
betont Plinius ausdrücklich, wann immer dem Kaiser ein Krieg aufgezwungen würde, werde er triumphieren, weil er gesiegt habe. Aber er werde nicht Krieg führen undsiegen, umzu triumphieren.24 Mit diesen Worten wirdjeder vermeintlichen Notwendigkeit, welche Traian in nächster Zeit empfinden möge, einen Triumph zu feiern, eine Absage erteilt. Der Senatsredner geht aber noch weiter. Schließlich stellt er fest, es sei schöner als alle Triumphe, wenn ein Feldherr berichten könne, derFeind sei ohne einen Sieg unterworfen worden. Diese Aussage lässt sogar den bereits geplanten Krieg gegen Decebalus als eigentlich unnötig erscheinen. DerKaiser wird auf diese Weise aufgefordert, sich mit derdemonstrativen und emphatischen Akzeptanz seiner grundsätzlichen Sieghaftigkeit durch die Senatoren zu begnügen, undnicht nach einer Manifestation seiner konkreten Sieghaftigkeit zustreben. Wasaber warderGrund dieser senatorischen Forderung? Wieso legte der Senat seinem Kaiser nahe, keinen Triumph zu suchen? Warum versicherte derRedner demHerrscher, dass niemand einen Sieg von ihm in nächster Zeit erwarte? Die Antwort liegt injenen Erfahrungen, welche die Senatoren bislang mit Traian gemacht hatten. DemGremium warbekannt, oder es vermutete dies zumindest, dass Traian denbevorstehenden Feldzug gegen Dakien höchstpersönlich anführen würde. Wie wir sehen konnten, hatten die Flavier, insbesondere Domitian, ihren Nachfolgern diesen spezifischen Habitus des römischen Kaisers als eines Anführers seiner Truppen zur Nachahmung vorgelebt undals Hypothek auferlegt. Traian selbst hatte injener Zeit, die er zwischen Rhein undRomverbracht hatte, demonstriert, wieviel Bedeutung er derpersönlichen Aufsicht über dieKriegsvorbereitungen beimaß. Die Anwesenheit des Kaiser an den Grenzen und auf den Kriegsschauplätzen des Reiches bedeutete aber gleichzeitig die Abwesenheit des Kaisers aus Rom; mit all jenen negativen Folgen für die senatorische Lebensführung und das System der Maklerpatronage, die wir bereits im ersten Kapitel erkennen konnten. Die grundsätzliche Sieghaftigkeit des Kaisers uneingeschränkt zu bestätigen, hieß für einen Senator im Jahre 100, ihre konkrete Umsetzung abzulehnen.25
AmEnde dieses Abschnitts möchte ich auf eine Passage hinweisen, die ebenfalls in diesem Sinne verstanden werden muss. Plinius betont nämlich, dass Traians Taten als Feldherr mit keinem seiner Vorgänger in Konkurrenz zu treten hätten:26 Man lebe nicht mehr in der Zeit der alten Exempla eines Fabricius, Scipio und 24 Plin.paneg.17.4. 25 Neben STROBEL 1985, 16 führt auch SPEIDEL 2002, 30 aus, die Aussage des Panegyricus, Traian suche denFrieden undnicht denKrieg, sei dieAntwort desPlinius auf „entsprechende Vorwürfe aus der Zeit der Kriegsvorbereitungen gegen die Daker.“Die Autoren legen nicht dar, von wemderartige Vorwürfe hätten stammen sollen, dass Plinius den Kaiser dagegen hätte verteidigen müssen. Impliziert wird allerdings, dass es Vorwürfe ausdemSenat gewesen seien. Dies aber hieße, das innovative Potential des Panegyricus zu hoch einzuschätzen undin der Rede ein singuläres Dokument zu sehen, welches seinem Autor ein Podium zur Verkündung seiner persönlichen Meinung gegen seine Standesgenossen geboten hätte.
26 Plin.paneg.13.4f.
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
269
Camillus.27 Damals habe es zeitgleich stets jemanden gegeben, von dem man selbst übertroffen worden sei. Jenem habe man nacheifern wollen und habe sich so gegenseitig immer weiter übertroffen. Heutzutage aber sei das Interesse am Militär auf das bloße Zuschauen reduziert, unddie einstige Mühsal gelte als ein Vergnügen. Kein hochdekorierter Veteran trainiere noch die Soldaten, sondern ein beliebiger griechischer Fechtmeister. Da sei es großartig, wenn wenigstens einer jenen Geist der alten Zeit empfinde. Ohne einen Konkurrenten undohne ein Vorbild der eigenen Zeit müsse Traian nuralleine sich selbst immer wieder übertref-
fen.
Diese Aussage reflektiert, dass der Senat das kaiserliche Bemühen um den schnellen Erwerb einer militärischen Imago zuBeginn seiner Regierung ablehnte. Plinius betont, dass der Kaiser sich mit keinem seiner Vorgänger messen müsse unddass er sich denZwängen einer solch ausgesprochen militarisierten Form von Herrschaft, wie sie von den Flaviern geprägt worden war, nicht ergeben müsse. Der Redner impliziert dabei, dass Domitian kein echtes soldatisches Interesse am Militär gehabt habe, und dass die Ausbildung nicht mehr gemäß den althergebrachten Traditionen erfolgt sei. Schließlich sei die Heeresdisziplin in dieser Zeit zugrunde gegangen. Mit Traian habe mannunwieder einen Kaiser, der sich an patrius mos undpatria virtus erfreue. Aus dieser Tugend leitet der Panegyricus konsequent auch Traians Recht aufHerrschaft ab. Auf diese Weise wird in der Kommunikation zwischen Senat undTraian die akzentuiert militärische Imago der Flavier rhetorisch entwertet. Sie wird nicht als ein Ideal dargestellt, dem Traian nachzueifern habe. Schließlich gebe es für ihn keine Konkurrenten außer ihm selbst. Das bedeutet, jene Taten, welche der Panegyricus lobt, solle derKaiser in derbegonnenen Richtung weiterführen. Bestimmte Taten desRegierungsanfangs werden hier vomSenat akzeptiert, undihre Fortsetzung wird affirmativ eingefordert. DemKaiser wird signalisiert, er habe Maßstäbe in seinem Verhältnis zum Senat gesetzt, denen er weiterhin nachkommen solle. Doch dem Bemühen um den schnellen Erwerb militärischer Erfolge zur Konkretisierung und Stärkung der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung, was mit einer erneuten langen Abwesenheit Traians verbunden gewesen wäre, erteilt der Panegyricus eine deutliche Absage.
27
Plinius stärkt die Beweiskraft seines Argumentes durch die Dreizahl der Exempla. Dabei abstrahiert er soweit wie möglich, indem die Exempla-Träger in einen kollektiven Plural setzt. Er redet vonFabricii, Scipiones undCamilli. Außerdem entzeitlicht er deren Taten, da er sich nicht aufdenkonkreten Träger eines Exemplums bezieht. Während mandie Mehrzahl der Scipiones noch auf die einzelnen herausragenden Individuen aus dieser Familie beziehen könnte, wird diese Vermutung bereits imFalle derCamilli beseitigt. Es gabnureinen Camillus, der ein Exemplum-Träger war. Auf diese Weise summiert diese Aussage des Plinius die gesamte bisherige Geschichte. Denn Taten „ in der Art eines Fabricius usw.“wurden auch noch nach demAbleben dieser Exempla-Träger vollbracht. So vermeidet Plinius eine genaue Datierung jener Wende, vonder er berichtet. –ImÜbrigen ist die Verwendung der Dreizahl unddie nurwenig konkrete Benennung derExemplum-Träger auch eine gängige rhetorische Strategie in denWerken Ciceros.
270
DER PANEGYRICUS
3.2. IMPERATOREM
COMMILITONEMQUE MISCUIS28
DIE IMAGO DES COMMILITO
Die Schilderung der heroischen Imago Traians führt direkt zu einer anderen Facette der militärischen Imago des Kaisers: der des Commilito. Trotz ihrer grundsätzlichen Andersartigkeit handelt es sich bei ihr doch umkeinen Gegensatz zur heroischen Facette; vielmehr ergänzt sie diese. In derArgumentation des Panegyricus besitzt das Ideologem des Kaisers als eines Kameraden seiner Soldaten, der mit denTruppen alles teile, ein ebensolches Gewicht wiejenes desHerrschers als eines Halbgottes, der die Gebirge Dakiens durch sein bloßes Herannahen einebne. Auch diese Facette der militärischen Imago Traians besaß eine besondere politische Funktion in der Kommunikation der Senatoren mit ihrem Kaiser während des Jahres 100. Eine Verknüpfung der beiden Imagines bietet etwa die Aussage des Plinius, dass Traian bei denFeinden Scheu hervorrufe, bei deneigenen Soldaten aber Bewunderung; dasselbe Verhalten erzeugt also veneratio undadmiratio.29 Undso beschreibt Plinius, wiegutdasVerhältnis derSoldaten zuTraian denn sei. Der Princeps teile Hunger undDurst mit ihnen undsei mit demgleichen Staub bedeckt wie die Mannschaften.30 Die etwas älteren Legionäre könne er mit ihrem Namen anreden, denn er kenne ihre Taten unddie Wunden, die sie für die Res Publica empfangen hätten. Welchen Veteranen gebe es denn, dernicht schon Seite an Seite mit Traian gedient habe?31 In dieser Darstellung des Plinius stammt die besondere Vertrautheit des Kaisers mit den Soldaten aus der Zeit seiner eigenen militärischen Ausbildung. Zum einen suggeriert die Schilderung des Senators, dass Traian schon an so vielen Orten gedient habe, dass ihm kaum ein Soldat unbekannt sei. Zumanderen betont derRedner aber auch, dass Traian nicht einfach nurzahlreiche Kommandoposten innegehabt habe; vielmehr habe er stets inmitten seiner Legionäre im Kampf gestanden. Diese persönliche Anwesenheit an vorderster Front allein sei der Grund dafür, dass ihm die Veteranen nicht ihre Wunden vorzeigen müssten; schließlich sei er dabei gewesen, als sie diese erhalten hätten. Der Panegyricus attestiert dem Kaiser hier also eine Vergangenheit mit einer Vielzahl eigenhändig vollbrachter Kriegstaten. Doch der Redner berichtet, das Verhältnis des Kaisers zu seinen Soldaten gehe über eine bloße Frontbekanntschaft weit hinaus. Dies soll anhand einer scheinbar unbedeutenden Bemerkung illustriert werden, nämlich der Aussage, Traian grüße seine Legionäre mit Namen. Hier beschreibt der senatorische Redner eine Praktik, deren soziale Aussagekraft als fes-
28 InAnlehnung anPlin.paneg.19.3. 29 Plin.paneg.13.1: Haec tibi apud hostes quemadmodum comparasti?
30 Plin.paneg.13.1. 31 Plin.paneg.15.5.
veneratio: quid apud milites? Quam admirationem
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
271
ter Bestandteil des politischen Lebens den Senatoren wohlvertraut war: das Begrüßungsritual mit hochrangigen Klienten. Die Senatoren überließen es nicht ihrem jeweiligen Erinnerungsvermögen, jene sozial Untergeordneten, denen man begegnete, beim Namen nennen zu können. Stattdessen gab es Nomenclatoren, deren Aufgabe es war, die Namen der Amici undhöherrangiger Klienten zu kennen unddiese dem Herrn mitzuteilen. Ihre Existenz legt davon Zeugnis ab, dass die namentliche Begrüßung ein Mechanismus der sozialen Distinktion und der demonstrativen Zuweisung von Status war. Umso mehr galt dies, wenn es der Kaiser war, der da grüßte, zudem aus dem Gedächtnis ohne die Hilfe eines Nomenclators. In derTat lobt der senatorische Redner an anderer Stelle seiner Dankesrede, dass Traian bei seiner Heimkehr nach Rom die Senatoren mit einem Kuss begrüßt habe, unddie Ritter undseine Klienten mit deren Namen angesprochen habe. Dies sei ein deutliches Zeichen der kaiserlichen Familiaritas gewesen.32
Der Panegyricus preist denKaiser also dafür, seinen Soldaten mit der persönlichen Anrede auf demgleichen Weg Status zuzuweisen wie Rittern undhochrangigen Klienten. Dieses Lob muss überraschen. Schließlich waren Senat undHeer zwei Sektoren des Akzeptanzsystems, die miteinander umkaiserliche Gesten der Anerkennung wetteiferten. Wenn der Princeps also, wie Plinius betont, viel Zeit mit den Legionären verbrachte, so bedeutete dies, dass er in jener Zeit mit den Senatoren nicht hatte kommunizieren können. Plinius preist demnach ein kaiserliches Verhalten, dasfür denSenat in denMonaten nach derInthronisation Traians eine grobe Zurückweisung gewesen war undzu einer erheblichen Verschärfung der senatorischen Konkurrenz umdie begehrten sozialen Ressourcen geführt hatte. DasProblem gewinnt noch an Schärfe, wennwirunsin Erinnerung rufen, welches Bild der senatorisch geprägte Diskurs der traianischen Zeit von den Legionären zeichnete: Prinzipiell faul undzügellos seien sie einem jeden willfährig, der sie nur ausreichend zu bestechen verstehe. Als Instrumente eines skrupellosen Anführers zögen sie sogar gegen Rom, umSchrecken undTodzuverbreiten.33 Für eine Bestätigung dieses Bildes brauchten die Senatoren desJahres 100 nicht bis in die Zeit jener Bürgerkriege zurückblicken, die zum Aufstieg des Augustus oder des Vespasian geführt hatten. Zwei Jahre zuvor erst hatte der Konflikt zwischen Cornelius Nigrinus und Ulpius Traianus dazu geführt, dass Nerva in Rom mit Waffengewalt bedroht und der senatorische Konsens gegenüber dem Kaiser von derParteinahme fürdieKonkurrenten aufgebrochen worden war. Erst vor diesem Hintergrund lässt sich in angemessener Weise erkennen, was es bedeutete, wenn der Panegyricus als exklusiver Konsensakt der Senatoren mit demKaiser dessen enges Verhältnis zudenLegionären feierte undjene Jahre lobte, in denen Traian zunächst als Statthalter Germaniens unddann als Imperator an 32 Plin.paneg.23.1:
33
Gratum erat cunctis, quod senatum osculo exciperes, ut dimissus osculo fueras; gratum, quod equestris ordinis decora honore nominum sine monitore signares; gratum, quodtantum nonultro clientibus salutatis quasdam familiaritatis notas adderes. Dieses Bild des Soldaten wird besonders plastisch in den Historien des Tacitus; vergleiche 33. FLAIG 1992, besonders 25–
272
DER PANEGYRICUS
Rhein undDonau der Kommunikation mit den Senatoren entzogen gewesen war. Schließlich hatte die Bedrohung durch seine Legionen sogar die senatorische Securitas, ihre Unversehrtheit an Leib undGut gefährdet. Warum lobte der senatorische Redner in dieser Passage Vorgänge, die seinen eigenen Interessen doch eigentlich diametral hätten entgegenstehen müssen? Nunschildert Plinius aber die Jahre des kaiserlichen Aufenthalts imKreise der Soldaten unddasenge Verhältnis zwischen Traian undseinen Legionären in einer ganz charakteristischen Weise. Er betont nämlich, welcher Segen dem Staat fortwährend aus dieser Verbundenheit entstehe. Schließlich sei der enge Umgang Traians mit seinen Truppen überhaupt erst die Voraussetzung für die Disziplin der Legionäre. Als Anführer habe Traian es etwa verstanden, die Soldaten nach seinem Willen so zu lenken, dass diese in jenem Winter an der Donau erst dann den Fluss überschritten hätten, als Traian dies zugelassen habe.34 Der Panegyricus betont aber sogleich, dass aus diesem Gehorsam demStaat niemals Gefahr gedroht habe. Schließlich betonten die Legionäre sogar, ihre Wunden pro re publica empfangen zu haben.35 Damit ist nuanciert, sie ließen sich eben nicht in erster Linie pro principe verwunden, sondern allein fürdie gemeinsame Sache aller. Doch der Kaiser sei eben nicht allein ein Anführer, der zu befehlen verstehe, sondern er biete seinen Soldaten gerade als Kamerad ein positives Vorbild, dessen Einfluss sich die Soldaten nicht entziehen könnten. Sie nähmen sich Traian als Beispiel für ihr eigenes Verhalten, gerade weil sie ihntäglich vorAugen hätten. In besonderer Weise sei die Comitas desKaisers gegenüber seinen Truppen während eines gemeinsamen Manövers deutlich geworden.36 Bei dieser Gelegenheit habe Traian nämlich Seite an Seite mit seinen Soldaten trainiert undin einem Übungskampf ohne Rangunterschiede die Mannschaften ermutigt, auch auf ihn die Speere zu schleudern. Er habe die Zweikämpfe persönlich überwacht, für die Ausrüstung gesorgt unddie Waffen geprüft. Seinen erschöpften Kameraden habe er Zuspruch unddenKranken Hilfe gebracht. Plinius berichtet hier von verschiedenen Facetten des kaiserlichen Umgangs mit den Truppen. Als Kaiser habe Traian den Soldaten aufgetragen, sich gemäß seinen Befehlen zu verhalten. Als Commilito habe er ihnen in engem Kontakt durch die Vielzahl seiner Tugenden undFertigkeiten ein tüchtiges Vorbild geboten. Als besorgter Anführer habe er sich ihrer Probleme angenommen. Mit diesem lebenden Beispiel vor Augen hätten die potentiell unkontrollierbaren Legionäre ein diszipliniertes Verhalten angenommen. Deswegen habe Traian als Erneuerer einer längst verkommenen disciplina castrorum alles Übel des zurückliegenden Saeculum ausgerottet: die Faulheit unddenUngehorsam derTruppen.37
34 35 36 37
Plin.paneg.12.4. Plin.paneg.15.5. Plin.paneg.13.1ff. Plin.paneg.18.1: Quam speciosum est enim, quod disciplinam castrorum lapsam exstinctamquerefovisti, depulso prioris seculi malo, inertia et contumacia et dedignatione parendi?
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3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
MILITES NIHIL
APLEBE
TRANQUILLITATE DIFFEREBANT38
–DIE HEIMKEHR
Zu welchem Wohle des Staates sich diese Disziplin in derjüngsten Zeit ausgewirkt habe, referiert Plinius in seinem Bericht vomkaiserlichen Rückmarsch von derDonau nach Rom. Es sei die Liebe derBürger gewesen, die denKaiser in seine Hauptstadt zurückgerufen habe. Und so habe Traians caritas patriae seinen amor castrorum bezwungen.39 Auf diesem Rückmarsch nach Rom habe sich nochmals gezeigt, dass die Tugenden des Kaisers sowohl zivile Wohltaten als auch militärische Disziplin gewährleisten. Wenn diese Schilderung auch betont, dass Traian in Unterbringung undVerpflegung seinen Soldaten gleichgestellt gewesen sei, wird das kaiserliche Verhalten als eine Demonstration der Moderatio dargestellt, welche sich die Soldaten wegen des ständigen engen Kontaktes zu ihrem Commilito zum Vorbild genommen hätten. Als Resultat dessen sei der Rückzug durch die Provinzen nach Italien ein Muster an Disziplin gewesen, und kein Mann habe umseine Frau oder Tochter besorgt sein müssen. Ganz anders sei die Heimkehr Domitians von der Donau nach Rom gewesen. Sein Zug sei eine einzige Verwüstung undPlünderung gewesen undeiner Naturkatastrophe gleichgekommen. Mit seinem Bericht attestiert der Panegyricus auch demPessimus Princeps, ein besonderes Nahverhältnis zu denLegionen gehabt zu haben. Schließlich habe auch er gutfür seine Truppen gesorgt undihnen Quartier, Nahrung und Frauen herangeschafft. Der Unterschied zu Traian aber sei, dass Domitian sich bei all seiner Liebe zumHeer nicht umdie Zivilisten unddie blühenden Provinzen gekümmert habe. Traian hingegen sei anders, betont der Senator, unddies sei auch deutlich zu erkennen. So habe Traian etwa eine Liste der Aufwendungen seiner Rückreise zusammen mit jenen Domitians veröffentlichen lassen, um den Unterschied zwischen ihm und dem Flavier zu verdeutlichen. Auch gehe Traians ausgeprägte Zuneigung zu seinem Heer mit großer Liebe für dieZivilbevölkerung einher. Hier schildert Plinius also zwei Arten der intensiven Nähe von Kaiser und Soldaten sowie die Auswirkungen eines solchen Verhältnisses. Das Verhalten der Truppen erscheint im Panegyricus als ein Spiegelbild desjeweiligen kaiserlichen Charakters undals Resultat deskaiserlichen Auftretens. Das Heer Domitians wird demnach als plündernder Haufen dargestellt, denn auch Domitian habe seinen Truppen ein solches Vorbild geboten, dass diese sich dem ihnen vorgelebten Beispiel nicht hätten entziehen können. Das Verhalten der Legionäre entspricht damit jenem senatorisch geprägten Bild der Soldaten, wie es etwa in den taciteischen Historien gezeichnet wird. Ganz anders aber der Optimus Princeps: Seine Tugenden gewährleisten die Disziplin der Legionäre. Das leuchtende und vorgelebte Beispiel Traians veranlasse sogar jene Soldaten, die unter Domitian gewütet hätten, sich das Verhalten unddie Tugenden des Optimus Princeps zumVorbild zu nehmen.
38 In Anlehnung anPlin.paneg.23.3. 39 Plin.paneg.20.1.
274
DER PANEGYRICUS
Nicht nur der Heimmarsch, auch Traians Einzug nach Rom sei anders gewesen als die der früheren Herrscher.40 Jene hätten sich fahren oder gar auf Schultern tragen lassen. Traian aber sei zu Fuß gekommen undhabe allein durch seinen hohen Wuchs alle überragt. Auf diese Weise habe er einen Triumph nicht über die Patientia der Bürger, sondern über die Superbia früherer Principes gefeiert. In dieser Passage wertet der Panegyricus dentraianischen Adventus in charakteristischer Weise auf. Der Redner verurteilt ohne Differenzierung jene Kaiser, die als Triumphatoren auf derQuadriga stehend nach Romeingefahren waren. Doch deren Manifestationen der Sieghaftigkeit hätten tatsächlich gar nicht den Feinden gegolten, sondern deneigenen Untertanen. Der über Jahrhunderte etablierte Habitus des Triumphators wird hier vom Senatsredner also schlichtweg als Superbia
bezeichnet.
Nunhatte Traian trotz seiner langen Abwesenheit an Rhein undDonau und trotz der Kriegsvorbereitungen gegen die Daker keine Schlachten geschlagen und keinen Sieg errungen, der einen triumphalen Einzug in seine Hauptstadt gerechtfertigt hätte. Aber gerade das zeichne Traian doch besonders aus, beteuert Plinius. Schließlich lasse seine Moderatio ihnkeinen militärisch motivierten Triumph über seine Feinde feiern. Denn allein schon seine zivilen Tugenden undsein Habitus, sich nicht über seine Untertanen zuerheben, seien eine ArtTriumph, diejene militärische, unddaher konventionelle Zurschaustellung von Sieghaftigkeit überrage. Derzivile Adventus wird imPanegyricus mithin in denKategorien desmilitärischen Triumphes geschildert, wobei er diesen noch bei weitem übertreffe. Die Reaktion der Zuschauer hierauf sei emphatischer Konsens. So hätten die Kinder Traian kennen lernen, die Männer sich ihm zeigen unddie Greise ihn bestaunen müssen, als verbürge der Anblick des Herrschers Salus und Sanitas. Manche hätten gar bekannt, ihr Leben habe sich jetzt erfüllt; andere, jetzt beginne ihr Leben erst.41
In der Schilderung des triumphgleichen Adventus Traians geht Plinius in auffälliger Weise auf die Kinder ein, welche den heimkehrenden Princeps bestaunt hätten. Seine Ausführungen zu dieser nachwachsenden Generation sind Passagen, in denen der Panegyricus das Bild des Legionärs als eines Bürgersoldaten konstruiert; das heißt, dass die Legionäre der traianischen Zeit sich nicht nur zu benehmen wüssten, sondern sich nicht einmal wesentlich von der Zivilbevölkerung unterschieden. Wir werden sehen, dass diese Konstruktion imJahre 100 besondere politische Brisanz besaß. Der Senator betont, dass besonders die Frauen glücklich gewesen seien über ihrMutterglück, daihre Kinder zugleich Bürger für denPrinceps undSoldaten für den Imperator seien.42 Dieser futurus populus solle Traian durch dessen Stiftung 40 Plin.paneg.22.1f. 41 Diese schon messianisch zu nennende Heilserwartung scheint Bestandteil der heroischen Imago des Kaisers gewesen zu sein. So berichten etwa Sueton undTacitus von Wunderheilungen Vespasians inAlexandria; Suet.Vesp.7.2f.; Tac.hist.4.81. 42 Plin.paneg.22.3: Feminas etiam tunc foecunditatis suae maxima voluptas subiit, quumcernerent, cuiprincipi cives, cui imperatori milites peperissent.
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
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derAlimenta als einen öffentlichen Vater kennen lernen, schließlich wüchsen die Kinder durch seine Mittel und für ihn heran.43 Immerhin ernähre die Liberalitas des Princeps 5000 freigeborene Kinder. Sie sollen zunächst seine Erziehungsbeihilfe erhalten, später seinen Sold.44 Sie mögen die Stütze in Kriegen und der Schutz im Frieden sein, denn das traianische Programm fülle Feldlager undBürgerlisten zugleich.45 Auch in seinen Bemühungen, zu erklären, warum die Soldaten zwei Donative erhalten hatten, noch bevor die Plebs Urbana ein Congiarium erhielt, betont Plinius, dass die Truppen schließlich zunächst lediglich die Hälfte der vollen Summe bekommen hätten, die Plebs jedoch den Gesamtbetrag mit einem Mal. Und damit seien beide Gruppen einander gleichgestellt worden.46 Die Diskrepanz der bisherigen Statuszuweisungen an Legionäre undPlebs wird also rhetorisch nivelliert. Plinius lässt seine Schilderung der vermeintlichen Gleichheit vonMilitär undZivilbevölkerung in der Feststellung kulminieren, dass beim traianischen Adventus die Soldaten sich durch nichts von der Plebs unterschieden hätten; nicht in Aussehen, Beherrschung, noch Bescheidenheit. Ruhig unddiszipliniert hätten sie zugelassen, dass sich die Menge, die Senatoren undRitter ganz nahe andenPrinceps heran gedrängt hätten.47 Plinius schildert das Bild der Legionäre also in ganz anderer Weise als die gleichfalls senatorisch geprägte Historiographie dieser Zeit. Der Senatsredner betont, durch seine vorgelebten Tugenden habe Traian daszügellos gewordene Militär diszipliniert. Für die Zukunft könnten die allgemeinen Hoffnungen sogar noch darüber hinausgehen, da Bürger und Soldaten gemeinsame Wurzeln besäßen. Schließlich gingen beide ausjenen Kindern hervor, die von Traian als demVater des Staates herangezogen würden. VomKindesalter anwürden sie lernen, dass sie die Chancen ihres Lebens einem Princeps verdankten, der mit seinen Tugenden die Ordnung der Res Publica und die allgemeine Wohlfahrt gewährleiste. Der Panegyricus schildert den Legionär also nicht als Bestandteil eines innerhalb des Staats abgesonderten Mikrokosmos. Er wird nicht als Vertreter einer gewalttäti43 Plin.paneg.26.1: examina infantium futurusque populus. 44 Plin.paneg.26.3: ...ut iam inde ab infantia parentem publicum munere educationis experirentur; crescerent de tuo, qui crescerent tibi, alimentisque tuis ad stipendia tua pervenirent, tantumque omnes
unitibi quantum parentibus suis quisque deberet.
45 Plin.paneg.28.4ff.:
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Paullo minus, Patres Conscripti, quinque millia ingenuorum fuerunt, quae liberalitas principis nostri conquisivit, invenit, adscivit. Hi subsidium bellorum, ornamentum pacis, publicis sumptibus aluntur, patriamque nonutpatriam tantum, verum ut altricem amare condiscunt. Ex his castra, ex his tribus replebuntur; ex his quandoque nascentur, quibus alimentis opus nonsit. Im Kapitel „ VomRhein nach Rom“ mit seinem Abschnitt 12 „ Das Donativ –aequati sunt enim populo milites“wurde die Argumentation zu diesem Ergebnis hin vorgeführt. – Plin.paneg.25.2: Nisi vero leviter attingi placet, locupletatas tribus, datumque congiarium populo, et datum totum, quum donativi partem milites accepissent. An mediocris animi est, his potius repraesentare, quibus magis negari potest? quamquam in hac quoque diversitate aequalitatis ratio servata est. Aequati sunt enim populo milites, eo quod partem, sed priores; populus militibus, quodposterior, sedtotum statim accepit. Plin.paneg.23.3: silentes quietosque lictores tuos subsequebare: nam milites nihil a plebe habitu, tranquillitate, modestia differebant.
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DER PANEGYRICUS
gen Gegenwelt dargestellt, der abseits der zivilen Gesellschaftsordnung lebe und für die Bürger des Reiches ein unberechenbares Risiko sei. Stattdessen wird dem Legionär attestiert, die Ordnung zu schützen. Hier wird der Legionär zumCivilis Miles.48
DiePanegyricus entwickelt also die Imago deszivilisierten unddisziplinierten Soldaten. Die Senatoren seien sich bewusst, woher diese Disziplin komme. Schließlich sei gerade Traian selbst diszipliniert. Dies habe er während der Jahre seiner eigenen Ausbildung gelernt und in seiner Zeit als Statthalter Germaniens bewiesen. Der Redner wählt zur Illustration der kaiserlichen Disziplin also jene Zeit, in welcher derFrieden im Staat besonders prekär gewesen war, denn damals befürchtete mandenEinmarsch zweier rivalisierender Heerführer in Italien. Plinius betont, Traian habe damals nur seine soldatische Pflicht getan. Er sei somit durch Gehorsam andie Herrschaft gekommen. Denn gemäß demmosa maioribus traditus undder disciplina habe ein folgsamer Soldat aequo animo den Weisungen seines Kaisers zu gehorchen undgegebenenfalls auch schwere Aufgaben zu übernehmen, wie etwa die Last des Gemeinwesens. Spätere Zeiten würden kaum glauben, dass der Sohn eines Patriziers, Consulars und Triumphators nicht von jenem Heer ausgerufen worden wäre, welches fortissimus, amplissimus, amantissimus sui gewesen sei. Man würde sich in der Zukunft wundern, dass ein Mann, demals Statthalter vonGermanien vonRomausderBeiname Germanicus verliehen worden sei, von sich aus nichts unternommen gehabt habe, um Kaiser zu werden, sondern vielmehr nur seine Pflicht als Soldat undals Privatus getan habe.49 Dies sei ein magnum moderationis indicium gewesen.50 Nungebe er die von ihmverinnerlichten Tugenden an seine Truppen weiter. Wie bei der Konstruktion der heroischen Imago gehen auch hier soldatische fortitudo undkaiserliche moderatio Hand in Hand. Der disziplinierte Traian diszipliniere also seinerseits die Soldaten. Die politische Funktion dieser Darstellung der Nähe zwischen Kaiser und Soldaten undder Schilderung des Legionärs als eines Civilis Miles lag vor allem darin, dass der Panegyricus rückschauend versicherte, dass Traian als Statthalter Obergermaniens niemals seine Legionen gegen Rom und die Zivilbevölkerung geführt hätte. Der Druck auf Nerva unddie Unsicherheit der Senatoren im Jahre 97 angesichts eines zubefürchtenden Bürgerkrieges wurden auf diese Weise rhetorisch entwertet.51 Rufen wir uns in Erinnerung, dass die panegyrischen Danksagungen das spezifische Medium eines exklusiven Konsensaktes der Senatoren mit 48 Siehe hierzu auch imKapitel zumTraiansforum denAbschnitt 6.5.3 „civilis miles –Die Imago desBürgersoldaten“ . 49 Plin.paneg.9.1ff. 50 Plin.paneg.9.1, 3ff., hier 3: Paruisti enim, Caesar, et ad principatum obsequio pervenisti, nihilque magis a te subiecti animi factum est, quamquod imperare coepisti. IamCaesar, iam imperator, iam Germanicus, absens et ignarus, et post tanta nomina, quantum ad te pertinet,
51
privatus. Diese Unsicherheit und Angst sehen wir etwa in Plin.ep.9.13.10f. reflektiert und in Plin.paneg.9.2, wojeweils vondemamplissimus exercitus derbeiden Thronprätendenten die
Rede ist.
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
277
demKaiser waren. Hier wurden jene Ideologeme verhandelt, die für das Verhältnis zueinander wichtig waren. Die Aufgabe des senatorischen Redners wares, als Exponent des Gremiums undstellvertretend für seine Standesgenossen diese spezifische Version derWirren während desPrincipats Nervas zureflektieren undsie damit demonstrativ
zu akzeptieren.
Vergangenheit wurde konsensual
zu einem
Geschichtsbild gefügt.
Doch mochte der Panegyricus auch betonen, welcher Segen aus demguten Verhältnis zwischen Kaiser undTruppen resultierte, schien die Nähe Traians zu seinen Soldaten, welche sich in der Wahl des Begriffs ‚Commilito‘ für dieses Verhältnis niederschlug, suspekt zu sein. Interessant ist vor allem der Bericht Suetons, da dieser Autor seine politische Konditionierung im Principat Traians erhalten hatte unddaher fürdenBegriff undseine Aussagekraft sensibilisiert war. Der Autor berichtet, diese Bezeichnung für dasVerhältnis vonFeldherr undSoldaten habe schon in der ausgehenden Republik große Bedeutung besessen, wenn er milites pro contione“genannt referiert, dass Iulius Caesar seine Männer nicht „ . Dies sei gar ein Grund für die blandiore nomine commilitones“ habe, sondern „ Tapferkeit der Soldaten undihre Ergebenheit bis hin zumBürgerkrieg gewesen.52 Von Augustus hingegen berichtet der kaiserzeitliche Biograph, er habe nach seinem Sieg im Bürgerkrieg seine Soldaten fortan weder vor ihnen noch in Edikten commilitones, sondern stets milites genannt; auch von seinen Söhnen und Stiefsöhnen habe er dies verlangt. Augustus habe die Bezeichnung commilitones nämlich als „ambitiosius“angesehen, wozu weder die „ratio militaris aut temporum quies aut sua domusque suae maiestas“Anlass biete.53 Spätere Kaiser gebrauchten die Anrede, doch gerade die flavischen Principes, deren militärische Leistungskraft imZentrum ihrer Herrschaftsdarstellung stand, verzichteten darauf.54 Traian brach mit dieser Praxis, er verhielt sich nicht gemäß der Begründung des ersten Princeps. Stattdessen bezeichnete er selbst in offiziellen Verlautbarungen die Soldaten als commilitones, wenn diese die Belange des Militärs berührten.55 Sueton hatte also zwanzig Jahre erlebt, in denen Traian seine Soldaten commilitones genannt hatte. Und doch suggerierte der Autor, diese Bezeichnung sei ein Ausdruck vonkaiserlichen blanditiae, wasweder militärischer Zucht, den Friedenszeiten noch demAnsehen eines Kaisers oder seines Hauses angemessen sei. Weder der Autor noch seine Leser konnten angesichts ihrer eigenen Erfahrungen mit der traianischen Herrschaftsdarstellung derart unbedarft mit diesem Begriff umgehen, dass diese Schilderung lange zurückliegender Ereignisse nicht Konnotationen mit derunmittelbaren Vergangenheit geweckt hätte. Bemerkenswert für die Akzeptanz des Begriffs durch die Senatoren in traianischer Zeit sind außerdem einige Briefe im zehnten Buch des Plinius. Wir hatten 52 Suet.Div.Iul.67.2– 68.1. 53 Suet.Div.Aug.25.1. 54
2002, 28;
59; INSTINSKY 1956. CAMPBELL 1984, 32– Secutus animi mei integritudinem erga optimos fidelissimosque commilitones...existimavi, ut... –Es geht hierbei umdie Anerkennung vonTestamenten der Soldaten, selbst wenn diese gewissen formalen Kriterien nicht genügten. SPEIDEL
55 Dig.29.1.1:
278
DER PANEGYRICUS
bereits im zweiten Kapitel gesehen, dass es bisweilen vorkam, dass Plinius in einem seiner Schreiben Formulierungen verwandte, welche der kaiserlichen Kanzlei nicht genehm waren. Hierauf erhielt der Senator ein Antwortschreiben, welches seinen eigenen Text mit den relevanten Modifikationen in Wortwahl oder inhaltlicher Gewichtung wiedergab.56 In zweien seiner Briefe trennt der Senator die commilitones von den provinciales; der Begriff dient hier also zu einer Scheidung von Militär und Zivilbevölkerung, und der Antwortbrief Traians übernimmt eben diese Worte.57 In zwei anderen Briefen allerdings beinhaltet das traianische Schreiben den Begriff, ohne dass Plinius ihn zuvor gebraucht hätte.58 Einer dieser Fälle stellt wiederum den allein genannten commilitones die provinciales an die Seite. Doch in diesem Schreiben geht es um die Feier zum Jahrestag des kaiserlichen Regierungsantritts; also eines Ereignisses, bei dem die Soldaten eine wichtige Rolle gespielt hatten, da Traian diesen Tag im Kreis seiner Legionen am Rhein verbracht hatte.59 In seinem Glückwunschbrief berichtet Plinius lediglich, dass „diem...debita religione celebravimus“. Traians Antwort bedeutete eine erhebliche Modifizierung dieser Aussage: „Diem imperii debita laetitia et religione commilitonibus et provincialibus praeeunte te celebratum libenter cognovi litteris ruis.“ Es war dem Kaiser also wichtig, dass der Senator betonte, der Tag des kaiserlichen Herrschaftsantritts sei von der Provinzbevölkerung und den Mitsoldaten gefeiert worden. Noch auffalliger ist ein früheres Schreiben. In seinem kurzen Brief hatte Plinius nämlich dreimal den Begriff milites benutzt, doch Traian verwandte stattdessen in seiner Antwort commilitones. In beiden Fällen fand also eine Verbesserung der Wortwahl statt. Der Kaiser bestand auf einer stärkeren Hervorhebung der Vorstellung, dass er der Commilito seiner Soldaten sei.
3.3. DER WEG ZUR MACHT Im Folgenden wollen wir betrachten, wie der Panegyricus mit Hilfe der Imago des Heros und der des Commilito, beziehungsweise mit einer Vermischung beider, 56
Siehe etwa die Briefpaare 10.35f.; 52f.; 88f.; 100f.; 102f.; vergleiche hierzu das Kapitel „Vom Rhein nach Rom" mit seinem Abschnitt 4 „Plinius beglückwünscht den Kaiser – et privatim etpublice opto“ 57 Plin.ep.10.52f.; 100f. 58 Plin.ep. 10.19f.; 102f. 59 Genau diese Tatsache hatten auch schon jene Münzen der frühesten Prägegruppe der traianischen Regierung betont, die den Kaiser bei der symbolischen Darstellung der Herrschaftsübergabe im Panzer abgebildet hatten. Bereits zu diesem Zeitpunkt war die militärische Imago Traians akzentuiert worden. - Siehe hierzu im Kapitel „Vom Rhein nach Rom“ den Abschnitt 5 „PROVIDENTIA SENATUS – Von wem erhielt der Kaiser seine Herrschaft?“.
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
279
bestimmte Episoden der traianischen Vita in spezifischer Weise im Rückblick anders darstellte, als sie sich tatsächlich ereignet hatten. Zur Illustration hierfür werden wir Ereignisse aus der Zeit vor Traians Thronbesteigung untersuchen: etwa seine Jugend an der Seite seines Vaters in Syrien, als er der eigentliche Sieger gegen die Parther gewesen sei; jene Wochen während derUsurpation des Antonius Saturninus, als Traian mit seiner Legion aus Spanien als loyaler Untertan Domitians zur Niederwerfung dieses Aufstandes an den Rhein geeilt war; und schließlich jene Monate im Jahre 97, als Traian dembedrohten Nerva den Thron gerettet habe.
3.3.1. NECDUM IMPERATOR,
NECDUM DEI FILIUS60
–DIE JUGEND TRAIANS
UmTraian als einen militärisch erfolgreichen Kaiser darzustellen, konstruiert Plinius rückblickend einen Werdegang Traians, der bereits in dessen Jugend die Qualitäten eines Heros habe erkennen lassen. Sei es denn nicht der Anfang von Traians Taten gewesen, als er schon im Knabenalter im Krieg gegen die Parther die gloria patris vermehrt und sich eigentlich damals schon seinen späteren Beinamen Germanicus verdient habe? Damals habe er die Parther allein mit der bloßen Nachricht von seinem Heranrücken in Schrecken versetzt undden Rhein
undden Euphrat in Bewunderung seiner Person miteinander verbunden?61 Ganze zehn Jahre habe er als Tribun gedient, dabei die entferntesten Länder durchstreift undan derSeite derMannschaften gedient; schließlich habe es demjungen Traian nicht ausgereicht, die übliche kurze Militärzeit zu durchlaufen.62 Der senatorische Redner bringt in dieser Passage die beiden Facetten des Kaisers zusammen: den Heros, der Feinde und Natur bezwinge, und den Commilito, der in jahrelangem Lagerdienst zumdisziplinierten Soldaten undVorbild seiner Truppen gereift sei. Als Informationsquelle zummilitärischen Werdegang des späteren Kaisers in dessen Jugend besitzen wir allein den Panegyricus. Die Forschung bemühte sich immer, in der Rekonstruktion der Vita desjungen Ulpius Traianus, jene von Plinius betonten zehn Jahre des Militärtribunats zu erklären. Zumeist geschah dies mit demHinweis darauf, dass dies zwar eine ungewöhnlich lange Zeit sei, dass Traian aber durchaus zuerst in Syrien, dann in Germanien,63 womöglich aber statt-
60 Plin.paneg.14.1. 61 Plin.paneg.14.1:
62 63
Nonne incunabula haec tibi, Caesar, et rudimenta, quum puer admodum Parthica lauro gloriam patris augeres, nomenque Germanici iamtummererere, quum ferociam superbiamque barbarorum ex proximo auditus magno terrore cohiberes, Rhenumque et Euphratem admirationis tuae fama coniungeres? Plin.paneg.15.1– 3. Siehe etwa KÜHN1985 ad.loc.; FRANKE 1991, 1.162; BENNETT 1997, 22f. konstruiert aufrein hypothetischer Basis einen Tribunat für Traian in Germanien, nennt selbst seine Überlegungen aber ‚speculations‘. B.RADICE in der Loeb-Ausgabe des Panegyricus bemerkt zu dieser Passage: „Probably a reference to the part played by Trajan in the revolt of Saturninus, 1 January 89.“
280
DER PANEGYRICUS
dessen in Asia,64 die Jahre seines Tribunats abgeleistet haben könnte. Im Folgendenwerden wireine alternative Lesart dieses Abschnitts unternehmen. Dabei wird sich zeigen, dass manaus den rudimentären Angaben der Gratiarum Actio nicht die Eckdaten der Vita Traians herleiten kann, sondern dass diese Ausführungen vielmehr beabsichtigten, das bisherige Fehlen militärischer Erfolge des Princeps rhetorisch in sein Gegenteil zuverkehren.
Einzig verlässlich erscheint die Bemerkung des Panegyricus, dass Traian unter demKommando seines Vaters in Syrien als Tribun gedient habe.65 Dieser war in denJahren von etwa 73 bis 77 Statthalter dieser Provinz gewesen.66 Während dieser Zeit war es zu einem Grenzkonflikt mit den Parthern gekommen, für dessen siegreiche Beendigung dem Traianus Pater von Vespasian die Ornamenta Triumphalia verliehen worden waren.67 Es war eine durchaus übliche Praxis, dass eine der Tribunenstellen jeder Legion mit einem Anfänger der senatorischen Laufbahn –häufig einem Sohn oder sonstigem Verwandten des Provinzstatthalters –besetzt wurde.68 Die Angabe des Panegyricus, Traian sei zumZeitpunkt des Partherkonflikts beinahe noch im Knabenalter gewesen, kann allerdings nicht zutreffen, da der Kaiser bereits im Jahre 53 geboren worden war.69 Wie sich die Laufbahn des späteren Kaisers weiterentwickelte, ist unklar. Dass derjunge Traian sein Tribunat teilweise in Germanien abgeleistet habe, lässt sich jedenfalls nicht aus parallelen Zeugnissen ableiten. Der Panegyricus scheint jedoch darauf hinzuweisen, wenn er betont, Euphrat undRhein seien aus Achtung vor demjungen Traian gleichsam miteinander verbunden worden, und wenn Plinius die rhetorische Frage stellt, ob Traian denn nicht schon damals den Titel eines Germanicus verdient gehabt habe. Nun ist diese Frage im Text aber eindeutig zwischen zwei Bezugnahmen auf die Parther platziert. Demnach referiert Plinius in dieser Passage keine chronologische Abfolge der Ereignisse. Er berichtet nicht etwa von ersten Erfolgen Traians im Partherkrieg und späteren Erfolgen in Germanien. Nein, vielmehr sagt der Text deutlich, dass Traian bereits durch seine frühen Taten in Syrien sich seinen Siegerbeinamen verdient habe. Warum aber sollten Erfolge gegen die Parther denNamen eines Germanicus rechtfertigen? Bei der Beantwortung dieser Frage muss die kaiserzeitliche Praxis des Tragens von Siegerbeinamen betrachtet werden. Bis zur Regierung Traians hatten römische Principes in ihrer Titulatur immer nur einen Siegerbeinamen getragen,
64 ECK2002a vermutet, dass Traian seinen Vater in die Provinz Asia begleitet habe, welche dieser als Proconsul imJahre 79/80 oder 80/81 leitete. 65 Dies ist dereinzige Feldzug, denPlinius explizit erwähnt. 66 ECK2002a. 67 ECK1997, 112. 68 COTTON 1981, 289ff.; ECK2002a. 69 Im Kapitel zu den Restitutionsmünzen mit seinem Abschnitt 6.2 „Vesta: Ein Exkurs –Die restituierten Aurei des Claudius“ist der Gedankengang offen gelegt, der die Geburt Traians in dasJahr 53 datiert undnicht in dasJahr 56, welches stets als alternatives Datum fürdieses Ereignis galt.
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
281
unddas war stets Germanicus gewesen.70 Obwohl die Kaiser während des ersten an vielen Fronten gekämpft undgesiegt hatten, war in der kaiserlichen Titulatur der Germanicus-Beiname der alleinige Hinweis gewesen, dass der Kaiser über ein konkretes Volk gesiegt hatte.71 Es gab zwei Möglichkeiten, diesen Titel zuerwerben: durch einen Sieg über die Germanen oder durch Vererbung. So hatte etwa Caligula schon vor dem Antritt seiner Alleinherrschaft Germanicus geheißen; er hatte den Titel von seinem Vater, dem Germanensieger, geerbt.72 Domitian hingegen hatte ihn durch seinen eigenen Sieg über die Chatten erworben.73 Auch Traian trug diesen Namen, als Plinius seine Dankesrede auf den Princeps hielt. IhmwarderBeiname bei seiner Adoption übertragen worden. Der Titel war das Zeichen, dass Traian der Adoptivsohn eines Germanicus war. Der indirekte Ruhm, der sich hieraus für den Ulpier ergab, wurde noch dadurch gesteigert, dass es der Staatsakt bei der Annahme des Titels durch Nerva gewesen war, dendieser genutzt hatte, umTraian zuadoptieren. Plinius konnte bei seinem Vortrag im Jahre 100 nicht ahnen, dass in späterer Zeit die militärische Imago eines Kaisers ihren Ausdruck in verschiedenen Siegerbeinamen finden würde, welche die Besiegten regional differenzieren würden. Nurzwei Jahre später sollte Traian seiner Titulatur Dacicus hinzufügen undwiederum einige Jahre später Parthicus. Der Senator wollte mit seinen Worten also vielmehr ausdrücken, dass man bereits an den Jugenderfolgen Traians im Partherkrieg die demKaiser inhärente Sieghaftigkeit habe erkennen können, welche später durch den Beinamen Germanicus auch formalen Ausdruck gefunden habe. Es ist demnach nicht nötig, zur Erklärung der Passage eine germanische Dienstzeit desjungen Traian zukonstruieren. Die sich nunallerdings aufdrängende Frage lautet, von welcher im Jahre 100 sichtbaren Sieghaftigkeit der Senator sprach. Wie konnte sich Traian eines Siegerbeinamens rühmen, dener bloß ererbt hatte? Zudem von einem Kaiser, der an jenem Erfolg, welcher ihm selbst den Jahrhunderts
Germanicus eingebracht hatte, keinen Anteil gehabt hatte?
DasProblem erscheint
noch gravierender, wenn man sich verdeutlicht, dass der vorletzte Träger dieses Titels, Domitian nämlich, sich diesen Beinamen an der Front verdient hatte. Im 70
KNEISSL 1969.
71 Dies bezieht sich wohlgemerkt
72
73
allein auf die Titulatur. Natürlich wurden etwa Massen von Münzen emittiert, umdenSieg über andere Völker als die Germanen zuverbreiten. DerHerrscher nahm aber keinen anderen Siegerbeiname an, der nach demVorbild des Germanicus gebildet worden wäre. So hatten etwa Vespasian undTitus große Siege gegen die Judäer errungen, doch nannten sie sich deswegen nicht Iudaicus, obwohl dieser Erfolg ungeheure Relevanz für ihren Thronanspruch undihre Herrschaftsdarstellung besaß. Da sie aber weder den Germanicus-Titel ererbt noch selbst gegen dieses Volk gesiegt hatten, trugen sie gar keinen Siegerbeinamen. KNEISSL 1969, 33. So hatte etwa Domitian trotz seiner intensiv prononcierten Siege über Daker undSarmaten niemals den Beinamen Dacicus oder Sarmaticus angenommen. Lediglich Martial sollte den Kaiser in derVorrede zumachten Buch derEpigramme als Dacicus titulieren; dies ist mithin dichterische Überhöhung des Kaisers. Mochte Domitian also auch in Dakien gesiegt haben, so wies doch allein der bereits vorher von ihm angenommene Beiname Germanicus auf die militärischen Erfolge desKaisers in deren Gesamtheit hin.
282
DER PANEGYRICUS
direkten Vergleich mit demFlavier musste der lediglich ererbte Siegerbeiname für Traian eher Hypothek als Ruhm sein. Tatsächlich hatte Traian bis zumSeptember 100 in Germanien weder gesiegt noch überhaupt gekämpft. Ebenso wenig warTraian bislang gegen die Daker angetreten, sodass auch an dieser Front die Hypothek des grundsätzlichen Siegerbeinamens durch keinen Erfolg eingelöst worden war. Nunwaren aber die ersten Monate der traianischen Alleinherrschaft von zwei Beteuerungen geprägt gewesen, dass er diesen Namen zuRecht trage. Dies waren zunächst jene Münzen gewesen, mit denen Traian verkündet hatte, Germanien sei befriedet. Außerdem ist in diesem Zusammenhang die rituelle Beendigung des Kriegszustandes in Pannonien zu nennen, die mit Prägungen der Victoria und der Roma Victrix gefeiert worden war.74 Wegen dieses Krieges hatten Nerva und Traian den GermanicusBeinamen angenommen, unddaher konnte sich der Kaiser durchaus rühmen, seine Imago des Germanensiegers nachträglich gerechtfertigt zu haben; undzwar in bisher nie da gewesener Art, nämlich nicht schlichtweg als Sieger, sondern als Befrieder undKultivator Germaniens. Eben diesen kaiserlichen Anspruch reflektiert der Panegyricus in der vorliegenden Passage. Um dessen Akzeptanz durch die Senatoren zu demonstrieren, bestätigt Plinius die Rechtmäßigkeit des traianischen Siegerbeinamens. Doch der Redner geht noch darüber hinaus, wenn er sich die heroische Imago des Kaisers zunutze macht. Denn mit ihrer Hilfe legt er dar, dass sich bereits in derJugendzeit Traians die –soeben von ihm anerkannte –Sieghaftigkeit des späteren Kaisers gezeigt habe. An die Seite der rhetorischen Achtungserfolge eines befriedeten Germaniens stellt Plinius also außerdem das heroische Niederwerfen derParther; jenes Feindes, dessen Bezwingung höchstes Prestige einbrachte. Allein auf dieses rhetorische Konstrukt, auf diese Vermengung von Tatsächlichem und Imaginärem, geht die Aussage desPanegyricus zurück, bereits alsjunger Mann habe Traianseinen Siegerbeinamen Germanicus verdient gehabt.
Wie lassen sich nunnochjene stipendia decem desjungen Traian erklären, die der Panegyricus betont?75 Die Aussage des Plinius, Traian habe während seines Tribunats die fernsten Länder durchstreift, legt zumindest nahe, dass der spätere Kaiser sich während dieser Zeit in verschiedenen Regionen des Reiches aufgehalten hat. Er kann sich allerdings nicht zehn Jahre ohne Unterbrechung in den Provinzen aufgehalten haben, da er sich dann in Romnicht umdenBeginn seiner Ämterkarriere hätte kümmern können. Vielleicht reflektiert Plinius hier die Zeit vom Anlegen der Toga Virilis bis zumAntritt der Quaestur; vielleicht auchjene Jahre von der Mitte der 60er bis zur Mitte der 70er, an deren Anfang Traian noch als Knabe seinen Vater in dessen Statthalterschaft in die Baetica begleitete und an deren Ende er wiederum unter seinem Vater in Syria diente. Aufjeden Fall aber 74 Siehe hierzu das Kapitel „ Vom Rhein nach Rom“mit seinem Abschnitt 9.2 „ Die Befriedung Germaniens“–Zudenerwähnten Stücken siehe STRACK 1931, 67ff., Nr.20, Tafel 1; Nr.25, Tafel
1.
75 Plin.paneg.15.3.
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
283
erhält die Anzahl von zehn Jahren ihre Semantisierung in diesem Kontext durch republikanische Reminiszenzen. Schließlich hatte sich derrepublikanische Nobilis für die Dauer von zehn Jahren vor dem Eintritt in die Quaestur für anstehende Aufgaben bereit zu halten. Wie im Falle Traians darf mannicht davon ausgehen, dass diese zehn Jahre tatsächlich im Feld verbracht wurden, denn der politische Aspirant musste sich auf denBeginn seiner Ämterlaufbahn in Romkonzentrieren, etwa auf dasAmteines Münzmeisters. Es wurde aber doch erwartet, dass derjunge Mann zumindest einen Teil dieser Zeit tatsächlich in einer Provinz verbrachte, woer etwa unter demKommando eines Amicus seines Vaters Stabstätigkeiten zu erledigen hatte. Berühmt ist etwa die Szene, welche den Eintritt des Pompeius in den Senat beschreibt.76 Dieser wird bei der Abgabe seines Ritterpferdes von den Censoren gefragt, ob er die vorgeschriebenen Feldzüge mitgemacht habe. Er habe sie mitgemacht; undalle unter seiner eigenen Führung, wardiebeeindruckende Antwort. Wenn also auch die decem stipendia der republikanischen Zeit nicht unbedingt zehn Jahre an der Front bedeuteten, so besaßen sie zumindest auch in der späten Republik noch ungeheure soziale Relevanz; nicht zuletzt als Voraussetzung einer senatorischen Laufbahn. Die Worte des Panegyricus bezeugen, wie lebhaft die Erinnerung kompetenter Zuhörer an diese republikanische Tradition noch war. Indem Plinius dem Kaiser decem stipendia attestiert, erinnert er an die langen Dienstzeiten jener Zeit vermeintlich unverfälschter Virtus. Der Eindruck dieser Verknüpfung des Kaisers mit republikanischen Tugenden wird bestätigt von den unmittelbar folgenden Worten desRedners. Hier berichtet er, dass Traian injenen fernen Ländern, die er durchzogen habe, sich die geheiligten Spuren dergroßartigen Heerführer habe zeigen lassen.77 In Verbindung mit dem Hinweis auf den Germanicus-Titel implizierten die stipendia decem jedenfalls, dass Traian bereits als junger Mann derart Großes geleistet habe, dass schon dadurch die erst Jahre später erfolgte Übertragung eines Siegerbeinamens gerechtfertigt gewesen sei.78 Dieser Hinweis war nötig. Immerhin hatte Traian nach der Übertragung des Germanicus-Titels bei seiner Adoption tatsächlich nur wenig Großes getan, was diesen Titel im Nachhinein gerechtfertigt hätte. Die von ihm verkündete Befriedung Germaniens und seine zeremonielle Beendigung des Kriegszustandes in Pannonien waren keine großen militärischen Erfolge gewesen. Insbesondere im Vergleich mit Domitian schnitt Traian schlecht ab. Denn dieser hatte seinen Siegerbeinamen durch persönliche Anwesenheit an der Front verdient. Die rhetorische Strategie des Panegyricus war es also, angesichts fehlender Taten nach dem Jahre 97, also nach der Übertragung des Germanicus-Beinamens, Qualifikationen vor diesem Datum zukonstruieren, die denTitel vonvorneherein zurechtfertigen
76 Plut.Pomp.22.
77 78
Zugleich klingt in dieser Schilderung, die Welt zu durchstreifen unddie Widrigkeit fremder Länder zuertragen, die heroische Imago des Kaisers undsomit die Affinität zudenTaten des Hercules an. Ein weiterer Hinweis darauf, dass Traian als Militärtribun nicht in Germanien diente, ist die Tatsache, dass Plinius keinerlei Episoden hierzu in denGang derErzählung flicht, während er fürSyrien undspäter auch Spanien solche referiert; paneg.14.1 ff.
284
DER PANEGYRICUS
schienen. Der Grenzkonflikt mit den Parthern bot für eine solche generierte Bewährungsprobe des Tribunen herausragende Gelegenheit. Schließlich war nachweisbar, dass der Traianus Pater die Ornamenta Triumphalia erhalich hatte. Mitten in Rom, wahrscheinlich auf demAugustusforum, stand eine Bronzestatue des Vaters, undim Templum Pacis dürften die Spolien des Konfliktes zur Schau gestellt gewesen sein. Diese Dinge legten von dem errungenen Sieg eindrücklich Zeugnis ab. Die sichtbaren Hinterlassenschaften der Vergangenheit wurden also mit demImaginierten der Gegenwart verbunden. Daher betont Plinius, dass Traian, wie er seinem Adoptivvater Nerva die Divinisierung ermöglicht habe, so für seinen leiblichen Vater die Zeichen des Triumphes verdient habe.79 Der unmittelbarVerantwortliche fürdenSieg gegen dieParther sei also Traian gewesen.
3.3.2. VON SPANIEN NACH GERMANIEN –DAS HERCULES-PARADIGMA
Mit Hilfe der heroischen Imago vollbrachte Plinius ein weiteres argumentatives Meisterstück. Der Senatsredner befand sich in einem Dilemma. Zumeinen musste er für Traian eine facettenreiche militärische Imago komponieren, zum anderen aber gab es nur wenige Gelegenheiten, bei denen dieser sich tatsächlich kriegerisch profiliert hatte. Hinzu kam, dass eine dieser Episoden, bei denen Traian bis zumSeptember 100 als militärischer Führer aufgetreten war, sein Beistand fürden Pessimus Princeps gewesen war. Schließlich hatte Traian seine Legion von Spanien nach Germanien geführt, umden Usurpator Antonius Saturninus zu bezwingen, der sich gegen Domitian erhoben hatte. Wie ließ sich also dieser loyale Einsatz gleichzeitig als lobenswerte Tat Traians undals Distanzierung von Domitian darstellen? Der Panegyricus löste dieses Problem, indem er die Durchführung des Marsches vonseinem Zweck trennte. Zudem machte er vonderheroischen Imago Traians Gebrauch, dann vermengte er diese mit der Imago des Commilito. Im Folgenden soll erläutert werden, wasdies bedeutet. Plinius berichtet, von seiner Provinz Spanien aus habe Traian seine Truppen mit sich nach Germanien geführt. Nein, gerissen habe er sie; über eine ungeheure Strecke, durch die Gebiete zahlreicher Volksstämme, durch grenzenlose Weiten und über gewaltige Gebirge hinweg.80 Dabei habe sich Traian aber nie um ein Pferd oder gar einen Wagen bemüht. Zwar sei ihm sein Pferd hinterher geführt worden, doch nicht zur Erleichterung seines Marsches, sondern zu seiner Zier. Geritten sei Traian nämlich nurandenallgemeinen Ruhetagen, wenn alle anderen rasteten; auch dann habe er noch unermüdlich im Galopp das umliegende Gebiet erkundet. In dieser Schilderung sind die beiden militärischen Imagines des Opti79 Plin.paneg.89.3: Licet alteri vestrum filii virtus triumphalia, coelum alteri dederit. 80 Plin.paneg.14.2: Germaniam que quum plurimae gentes, ac prope infinita tas interiacentis soli,
turn Pyrenaeus, Alpes, immensique
vasti-
alii montes, nisi his comparentur,
muniunt dirimuntque. Per hoc omne spatium quum legiones duceres, seupotius (tanta velocitas erat) raperes: nonvehiculum unquam, nonequum respexisti. Levis hic, nonsubsidium itineris, seddecus, et cumceteris subsequebatur: utcuius nullus tibi usus, nisi quumdie stativorumproximum campum alacritate, discursu, pulvere attolleres.
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
285
musPrinceps miteinander vermengt. Die schier übermenschliche Geschwindigkeit Traians beim Überschreiten der Gebirge etwa drückt seine heroische Leistungskraft aus. Dabei hatte seine Legion mithalten können, weil sie vomVorbild ihres charismatischen Feldherrn beflügelt worden sei. Dazu tritt aber derHinweis, dass Traian trotz seines Pferdes nicht geritten sei. Plinius stellt denKaiser also auch als Commilito dar, deranderSeite seiner Legionäre denganzen WegzuFußzurückgelegt habe. Auch hierin sei er Vorbild gewesen. Allerdings betont der Redner, dass Traian die Leistungen seiner Soldaten weit übertroffen habe; schließlich habe er derallgemeinen Ruhetage desHeeres nicht bedurft. Daneben aber berichtet Plinius, welches spezifische Verhältnis von Domitian zuTraian sich in diesem Zugdes Legaten offenbart habe. Hier werden die Rollen festgeschrieben, die den loyalen Gehorsam des Legaten von der prinzipiellen Schlechtigkeit seines Herrschers trennen: Der antriebslose Kaiser habe Traian zwar als seine stärkste Unterstützung nach Germanien gerufen,81 doch er sei selbst dann noch auf die fremden Virtutes eifersüchtig gewesen, als er ihrer dringend bedurft habe. Plinius betont nun, er sei sich sicher, dass Domitian eine ebensolche mit Furcht vermischte Bewunderung für Traian empfunden habe, wie sie jener Iuppitersohn seinem König eingeflößt habe, als er nach immer neuen mühevollen Aufträgen unbezwungen und unverdrossen zu diesem zurückgekehrt war.82 Der Panegyricus vergleicht also Traian mit Hercules, den Marsch von Spanien nach Germanien mitdenTaten desHeros. Diese Assoziation bot ein Paradigma, mit dessen Hilfe sich darstellen ließ, dass Untertanen ihrem Herrscher in Taten undTugenden überlegen sein konnten. Es warein hervorragendes Mittel, umpolitische Karrieren, die in einer Zeit stattgefunden hatten, welche
im Nachhinein
generell verdammt wurde,
zu erklären
undihren Wert zu betonen. Mit demHercules-Paradigma ließ sich rechtfertigen,
warum unter einem schlechten Kaiser dennoch große Taten vollbracht werden könnten. Diese würden nämlich weniger in seinem Dienst vollbracht als vielmehr zur Demonstration, dass auch der schlechte Herrscher wahre Tugenden nicht unterdrücken könne. Es sei nur kurz darauf hingewiesen, dass auch der Lobpreis des Agricola durch seinen Schwiegersohn Tacitus sich dieses Hercules-Paradigmas bediente. Denn der Historiograph betont immer wieder die Leistungen Agricolas und
81
82
Unsere Erfahrungen mitdenMechanismen, die in Gang gesetzt wurden, umeiner Usurpation zu begegnen, legen nahe, dass Traian keineswegs erst an den Rhein hatte gerufen werden müssen. Eine solche Befehlskette hätte zu viel Zeit gekostet undverträgt sich auch nicht mit derChronologie derUsurpation. Stattdessen müssen wirdavon ausgehen, dass Traian bei Bekanntwerden der Erhebung von sich aus nach Germanien marschiert war, wie es von einem loyalen Legaten schlichtweg erwartet wurde; siehe FLAIG 1992, 432f. mitAnm. 68. Plin.paneg.14.5: Nec dubito, quin ille, quite inter illa Germaniae bella ab Hispania usque, ut validissimum praesidium, exciverat, iners ipse alienisque virtutibus tunc quoque invidus imperator, quum ope earum indigeret, tantam admirationem tui non sine quodam timore conceperit, quantam ille genitus Iove post saevos labores duraque imperia regi suoindomitus semperindefessusque referebat.
286
DER PANEGYRICUS
schreibt zugleich, Domitian sei ein infensus virtutibus princeps gewesen, dessen
Neid auf die Tüchtigen ihn diese habe hassen lassen.83
Nunwarder Vergleich mit Hercules für Traian aber nicht nur in dieser Hinsicht geeignet. Soeben sahen wir bereits, dass Plinius davon sprach, dass Traian während seiner stipendia decem die Welt durchstreift unddie Unbill fremder Länder ertragen habe. Auch hier klingt das heroische Ideal an. Denn seit der frühen traianischen Zeit undweit darüber hinaus besaß der Vergleich von Kaiser undHalbgott große Wirkungsmacht, und der Senatsredner betonte, dass es derselbe Gott gewesen sei, derbeide zudemgemacht habe, wassie seien: Hercules sei vonluppiter gezeugt worden, Traian sei vonIuppiter erwählt worden.84 Doch beide hätten inzwischen schon so viel Gutes getan undGroßes geleistet, dass der Glanz ihrer zu Land und See eigenhändig vollbrachten Taten schon lange ihre göttliche Herkunft überstrahle.85 In eben jener Zeit, als Plinius im Senat seine Gratiarum Actio vortrug, scheint derKaiser in RomdenKult desHercules Gaditanus eingeführt zu haben.
Im Jahre 100 gab es in der stadtrömischen Prägung auf Aurei und Denaren nurein einziges neues Münzbild. Auf diesen Stücken ist ein Standbild des Heros abgebildet.86 Dieses stand auf einer Basis, senkte die Keule, trug das Löwenfell auf dem Kopf und hielt einen runden Gegenstand in der ausgestreckten Linken. Da die Arbeiten des Hercules kanonisiert sind, ist dieser Gegenstand undmit ihr die Aussage des gesamten Bildes unschwer zu identifizieren: Es handelt sich umdie Äpfel derHesperiden.87 Der schon seit langer Zeit bedeutendste Ort derVerehrung des Hercules Invictus in Romwardie AraMaxima amForum Boarium. Das Aition dieses Kultes besagte, dass Hercules auf seinem Rückweg von Gades in der späteren römischen Provinz Baetica, wo er die Rinder des Geryoneus gestohlen habe, an dieser Stelle gerastet habe. Dort habe das Ungeheuer Cacus, welches die Ur-Siedlung Roms terrorisiert habe, demHeros seine Rinder geraubt. Daraufhin habe Hercules den Dieb erschlagen unddie
83 Tac.Agr.41.1. –In ähnlicher Weise in 1.4: Atnunc...tam saeva et infesta virtutibus tempora. – DiePassage deutet darauf hin, dass Tacitus auchunter Traian noch keine allgemeine Verbesserung diesbezüglich sah. Dengleichen Topos greift Plinius in seinen Briefen auf, wenn er berichtet, inseiner Jugendzeit sei Virtus verdächtig gewesen; ep.8.14.7. 84 Siehe etwa Plin.paneg.1.5; 8.3; 23.4 undpassim. 85 Implizit hebt der Panegyricus denErwählten sogar über denGezeugten, denn schließlich sei mit Traian ja der Beste von allen auserkoren worden, und zwar bewusst; siehe etwa Plin.paneg.82.6f. –Fürbeinahe jeden vorangegangenen Princeps lassen sich Zeugnisse seiner 86 87
Hercules-Verehrung verzeichnen, doch der traianische Hercules-Kult, besonders die Art der Gleichsetzung desOptimus Princeps mitdemHalbgott, überstieg diese Vorgänger. BMC 56; STRACK 1931, Nr. 32, 59, 428. –Diese Stücke wurden auch im griechischsprachigen Osten desReiches emittiert. ZumFolgenden siehe STRACK 1931, 95– 104.
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
287
Gegend vonihrer fürchterlichen Landplage befreit.88 Auch Traian stammte ausder Baetica. Und auch er nahm für sich in Anspruch, Rom aus der Knechtschaft befreit zuhaben, nämlich ausjener des Pessimus Princeps.89 In diesem Sinne muss die betonte kaiserliche Affinität zum Halbgott in der frühen Phase des traianischen Principats verstanden werden. Auch andere Zeug-
nisse belegen, wie prominent dieses Ideologem amAnfang der traianischen Herrschaft war. Denn auch in den ersten Reden des Dio Chrysostomos über die Königsherrschaft wird Hercules als das Vorbild Traians dargestellt.90 Denn Zeus habe Hercules aufgetragen, derKönig des gesamten Menschengeschlechtes zusein und die Tyrannen zuvernichten. Woer aber einen wahren König sehe, solle er dessen Herrschaft ehren undschützen. Deswegen sei derHeros für Traian ein Helfer und Wächter, solange dieser als ein wahrer König herrsche.91 Wahrscheinlich führte Traian nicht eigens einen neuen Hercules-Kult in Romein, sondern sorgte dafür, dass in derWahrnehmung derBürger deretablierte Kult anderAraMaxima stärker mit seiner eigenen Person verbunden wurde. Undso sollten am25.März 101 die Arvalakten denn auch ein singuläres Votum pro salute et reditu et victoria imperatoris Traiani verzeichnen, das sich wie gewohnt an die Götter richtete, doch an diesem Tag auch anHercules Victor.92 Es warder Tag, an demderKaiser in denKrieg zog.
3.3.3. RECUSABAS
IMPERARE93 –PRÄTORIANERAUFSTAND UNDADOPTION
Im Folgenden möchte ich betrachten, wie Plinius die Adoption Traians durch Nerva darstellte, den Weg des Ulpiers zur Herrschaft. Angesichts der Machtkämpfe, die in denJahren 96/97 zwischen zwei senatorischen Faktionen umdieNachfolge Nervas ausgetragen worden waren, wardies für denPanegyricus ein diffiziles Thema. Dieses Problem war schwieriger zu lösen als jenes, Traian rhetorisch von Domitian zu distanzieren, da der Redner darauf achten musste, den Druck, welchen die Partei des Ulpiers auf Nerva ausgeübt hatte, rhetorisch zu vermindern, denDruck ihrer Gegner hingegen als unrechtmäßig erscheinen zulassen. Traian durfte schlichtweg nicht als jene Bedrohung des Friedens dargestellt werden, die er als Statthalter von Germania Superior mit seinen Legionen gewesen war. Stattdessen musste er als Retter des Staates beschrieben werden. Besonders heikel war dabei, dass die Bedrohung des Friedens gerade in der Autorität desFeldherrn Traian gegenüber seinen Truppen bestanden hatte. Eben diese Nähe 88 Bereits Dionys.Hal.ant.Rom.1.42 hatte Cacus als einen barbarischen Herrscher gedeutet. 89 Noch Jahre später sollte Hercules ungeheure Valenz im Rahmen der traianischen Herrschaftsdarstellung besitzen. Siehe hierzu
dasKapitel zumTraiansforum mit seinem Abschnitt
7„ Der triumphierende Heros in der Stadt“unddas Kapitel zu den Restitutionsmünzen mit demAbschnitt 3 „Eine methodische Vorbemerkung“ .
90 BENNETT 1997, besonders 68f. 91 Dio Chrys.1, besonders 49, 60, 84. 92 CILVI, 530, Nr. 67 = ILS5035. 93 In Anlehnung anPlin.paneg.5.5.
288
DER PANEGYRICUS
warjedoch auch ein elementarer Bestandteil der für den Herrscher so wichtigen militärischen Imago. Wie konnte also der spezifisch kaiserlich senatorische Konsensakt, den der Panegyricus reflektiert, die militärische Imago des Kaisers angemessen würdigen undzugleich den militärischen Druck auf Nerva vergessen machen?
Der Senatsredner betont, in der Zeit seiner militärischen Ausbildung habe Traian vor allem die Disziplin des Soldaten gelernt, welche ihn etwa veranlasst habe, seine Legion von Spanien nach Germanien zu führen. Sie wurde im Panegyricus als eine derzentralen Tugenden desPrinceps hervorgehoben. Undso führte Plinius aus, dass Traian gemäß demmosa maioribus traditus unddieser ihmeigenen disciplina des Soldaten aequo animo jene Last auf sich genommen habe, welche der Imperator Nerva ihm aufgebürdet habe: die Res Publica nämlich.94 Der Panegyricus hebt hervor, dass Traian hierbei seine Soldatenpflicht erfüllt habe und allein durch sein tugendhaftes obsequium zum Principat gelangt sei. In der Übernahme der Res Publica habe Traian allein seine Bereitschaft zur Unterordnung bewiesen, denn er habe seine Herrschaft nicht durch Bürgerkrieg undbewaffnete Unterdrückung des Staates errungen. Stattdessen sei er friedlich durch seine Adoption unddadurch, dass die Götter sich vonGebeten hätten bewegen lassen, auf denThron gelangt. Es bestehe also ein Unterschied zwischen ihm, dendie Götter erhoben hätten, undanderen Kaisern, die allein von Menschen auf den Thron gehoben worden seien.95 Der Panegyricus lässt offen, von wem er Traian hier abhebt. War es Domitian, den der Tod seines Bruders zum Princeps hatte werden lassen? Handelt es sich umPiso, der von Galba in einer missglückten Zeremonie adoptiert worden war? Oder ist die Rede von Nerva, den die Mörder Domitians zumKaiser gemacht hatten? Traian zumindest nahm für sich in Anspruch, von den Göttern berufen worden zu sein. Durch dieses Konstrukt war nicht nur die Bedeutung Nervas fürdieNachfolge Traians reduziert, sondern auch dieRelevanz jener Faktion ausgeblendet, die denUlpier unterstützt hatte.96 94 Plin.paneg.9.4f. 95 Plin.paneg.5.1f.: Talem esse oportuit, quem non bella civilia nec armis oppressa respublica, sedpax, et adoptio, et tandem exorata terris numina, dedissent. Anfas erat, nihil differre inter imperatorem, quemhomines, et quemdii fecissent? 96 Siehe KIENAST 1968, SCHWARTE 1979, STROBEL 1985 und 1999; vergleiche BERRIMAN/TODD 2001. Siehe aber vor allem ECK2002a und2002b für eine in allen Punkten überzeugende Rekonstruktion derEreignisse, diezurAdoption Traians führten. –Ich danke Herrn Professor Werner Eck für die freundliche Überlassung dieser zwei Manuskripte vor ihrer Publikation. Der Autor verdeutlicht minutiös, wie sehr die Neubesetzung der Statthalterposten undanderer Positionen in Germania Superior, Germania Inferior undder Belgica zu dieser Zeit darauf ausgerichtet war, demUlpier einen militärisch fundierten Vorteil vor seinem Widersacher Cornelius Nigrinus zu verschaffen. ECKargumentiert ebenfalls, dass die Entscheidungen hierfür nicht vornehmlich auf Nerva selbst zurückgeführt werden dürften, sondern vielmehr aufjene Amici Traians, dieals Ratgeber Nervas Einfluss ausübten. Die Unterstützer Traians sind nuran dieser Stelle ausgeblendet. Ananderer Stelle des Panegyricus hingegen sind sie sehr präsent, wennauchniemals offen ausgesprochen wird, dass sie auf Nerva Druck ausgeübt hatten. So berichtet etwa Plin.paneg.61.6ff. vonjenen Männern,
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
289
Des Weiteren stellt der Panegyricus fest, dass sich bereits während der Herrschaft Nervas, als Traian als Statthalter in seine Provinz Germania Superior habe aufbrechen wollen, sich die Gunst der Götter gegenüber demLegaten gezeigt habe.97 Bevor er nämlich zu seinem Heer aufgebrochen sei, sei er der Sitte entsprechend zum Capitol hinaufgestiegen. Dort seien die Tore des Tempels geöffnet Imperator!“gerufen, als sie er zudieser worden, unddie anwesende Menge habe „ Da grüßten alle denGott –so meinte mandaZeit schon derPrinceps gewesen. „ mals –mit dem Zuruf Imperator; doch, wie die Zukunft erwies, galt das dir. Und genauso wurde vonallen dasZeichen aufgenommen.“98 Diese Szene des traianischen Abschieds aus Rombedarf einer Erklärung. Reduziert mannämlich die Episode auf die in ihr geschilderte Praxis, so wird deutlich, dass der Panegyricus hier eine kaiserliche Akklamation schildert und eine Recusatio des Angesprochenen. Sollte manin dieser Schilderung nicht eine bloße rückschauend konstruierte Episode sehen wollen, deren Zweck es gewesen wäre, die spätere Herrschaft Traians rhetorisch zu präfigurieren, undsollte man für sie einen historischen Kern akzeptieren, so sind die Konsequenzen bedeutend. Dies hieße nämlich, dass bereits zu dieser Zeit der Konflikt umdie Nachfolge Nervas voll entbrannt war.99 Manbraucht nicht so weit gehen, in dieser Szene ein Zurückschrecken Traians angesichts einer Aufforderung zur Usurpation der Herrschaft zu sehen. Zumindest aber sollte man konstatieren, dass beim Abmarsch Traians ausRomeine Salutatio seiner politischen Anhänger stattgefunden hatte.100 Den bisherigen Untersuchungen des Herrschaftsüberganges von Nerva auf Traian entgeht eine wesentliche Nuance des panegyrischen Berichtes und damit die unter Traian ihren dritten Consulat erhalten hatten, Iulius Frontinus, Iulius Ursus, Vestricius Spurinna, Lappius Maximus, undpaneg.67.8ff. und86 vomPrätorianerpräfekten Attius Suburanus. Vondenbeiden ersten erzählt derPanegyricus, sie hätten sich umTraian nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in der Toga durch ihre cura und vigilantia verdient gemacht; paneg.60.5ff. Hiermit ist aufihren Einsatz inRomalsBerater Nervas hingewiesen. 6: Quorum quidem in te, Caesar Auguste, iudicium et favor, tunc statim, quum 97 Plin.paneg.5.2– ad exercitum proficiscereris, et quidem inusitato indicio enituit. Nam ceteros principes aut largus cruor hostiarum, aut sinister volatus avium consulentibus nuntiavit: tibi ascendenti de more Capitolium, quamquam nonidagentium civium clamor, ut iamprincipi, occurrit. Siquidemomnis turba, quae limen insederat, ad ingressum tuum foribus reclusis, illa quidem ut tunc arbitrabatur, deum, ceterum, ut docuit eventus, te consalutavit imperatorem. Nec aliter a cunctis omne acceptum est.
98 Auffällig ist, dass der Panegyricus betont, bereits im Jahre 96 sei Traian in konzeptueller Nähedesobersten Staatsgottes gestanden; einIdeologem, welches imweiteren Verlauf seiner Herrschaft noch großen Einfluss habe sollte. DerText suggeriert, dass beim Öffnen derTempeltore die Menge die Statue des Iuppiter Imperator erblickt hätte, welche imJahre 380 von T.Quinctius Cincinnatus aus Praeneste geholt und dem Tempel gestiftet worden sei; Liv.6.29.8. Zudem wird dieAkklamation als einKonsensritual beschrieben: „omnis turba...te consalutavit Imperatorem.“ 99 Wie heikel die Senatoren bereits im Frühjahr 97 die Situation empfanden, ist in Plin.ep.9.13 reflektiert. Schon zu diesem Zeitpunkt war der Druck, den Cornelius Nigrinus aus Syrien ausübte, deutlich spürbar. Die Vergabe der Provinzkommandos an Unterstützer Traians war also schon eine Reaktion aufdiebis dahin stärkere Machtposition dessyrischen Statthalters. 100 In diesem Sinne auch STROBEL 1999, 21.
290
DER PANEGYRICUS
ein wichtiger Befund: Plinius betont nämlich, dass Traian später Kaiser werden würde, habe sich gezeigt, als er zu seinem Heer habe aufbrechen wollen. Die Formulierung lautet hier keineswegs etwa: ...als er sich in seine Provinz habe begeben wollen. Dieser feine Unterschied ist bezeichnend, denn die Hervorhebung der Truppen lässt daran erinnern, dass die Entsendung Traians nach Germania Superior nicht bloß der Beginn einer einfachen Statthalterschaft gewesen war, sondern dass der Sinn dieses Aktes darin bestanden hatte, einen derKonkurrenten umdie Nachfolge Nervas mit demKommando über Truppen zu versorgen. Die weitere Wortwahl desRedners bestätigt außerdem die Vermutung, dass Traian bei seiner Akklamation als Imperator tatsächlich vor der Wahl gestanden hatte, den Nam ipse intellegere nolebas: recusabas enim Thron einzunehmen oder nicht: „ imperare“101Plinius betont also, Traian habe diese Vorgänge auf dem Capitol nicht verstehen wollen. Er habe sich geweigert zu herrschen. Nolle undrecusare verdeutlichen, dass Traian damals eine bewusste Entscheidung dagegen getroffen habe, dieHerrschaft zuübernehmen. Über Traians Motive in dieser Situation lassen sich allein Vermutungen anstellen, allerdings begründete. Ein anderer Entschluss hätte womöglich zumBürgerkrieg geführt. Der Prätorianeraufstand sollte wenig später zeigen, zu welchen Maßnahmen die Faktion des Cornelius Nigrinus angesichts ihres offensichtlichen strategischen Nachteils bereit war. Zujenem Zeitpunkt, als Traian zuseinem Heer aufbrach, war seine Machtposition aufgrund der besonderen Verteilung der Provinzkommandos an Unterstützer der Ulpischen Faktion konsolidiert. Traian brauchte nurnoch abzuwarten unddarauf zu vertrauen, dass seine Amici in Rom denKaiser zu einer Nachfolgeregelung zu seinen Gunsten bewegen würden. Der Panegyricus hebt hervor, eben diese Ablehnung der Akklamation sei freilich der Beweis dafür gewesen, dass er ein guter Imperator sein werde. Schließlich habe Traian zur Übernahme des Staates genötigt werden müssen.102 Diese Episode der Recusatio Imperii erfüllt also eine ganz bestimmte Funktion. Sie zeigt, dass Traianzwar vondenGöttern gegebene Anlagen zumHerrschen besessen habe, dass er aber nicht bereit gewesen sei, diese gegen denStaat zuwenden. Trotz seiner Vorbestimmung zurHerrschaft habe es eines Auslösers bedurft, umTraian tatsächlich handeln zulassen. Dieser Auslöser sei der Prätorianeraufstand des Jahres 97 gewesen, jener furor und motus castrensis. Dem schwachen Nerva seien potestas und auctoritas genommen gewesen.103 Sollte diese Gewalt aber der einzig mögliche Weg gewesen sein, Traian zumSteuermann dersalus publica zumachen, so glaube Plinius, der Preis sei nicht zu hoch gewesen.104 Das übelste Beispiel sei dargeboten worden, umihmdasbeste entgegenstellen zukönnen.105 Denn dass vis undterror end101 Plin.paneg.5.5: Namipse intelligere nolebas: bene imperatur i. Igitur cogendus fuisti. 102 Plin.paneg.5.5. 103 Plin.paneg.6.1, 10.1. 104 Plin.paneg.6.2.
recusabas enim imperare, recusabas, quod erat
Corrupta est disciplina castrorum, ut tu corrector emendatorque contingeres: inductum pessimum exemplum, ut optimum opponeretur.
105 Plin.paneg.6.2:
3. TRAIANS MILITÄRISCHE IMAGO
291
lich Traians modestia besiegt hätten, sei doch der eigentliche Grund dieser Unruhen gewesen.106 Der Panegyricus berichtet also, der Staat sei in Traians Arme geflohen. Er selbst wird passiv dargestellt.107 Er sei nach Rom zurückgekehrt wie einst die großen Heerführer von weit entfernten Kriegsschauplätzen, um ihr Vaterland zuretten.108 Plinius stellt Traian hier in eine Tradition der Kriegshelden, welche die Gelegenheiten, sich Ruhm zu erwerben, aufgegeben hätten, um sich den Notwendigkeiten des Staates unterzuordnen. Trotz aller kriegerischen Erfolge habe in der römischen Erfolgsgeschichte doch immer die Sorge für das Gemeinwesen im Vordergrund gestanden. So habe Nerva seinem Nachfolger den Senat, das römische Volk, die Heere, Provinzen und Bundesgenossen übergeben. Die Götter selbst aber hätten gewollt, dass ein militärischer Erfolg den Herrschaftsbeginn dieses neuen unbesiegbaren Imperators erhöhe. Daher, suggeriert Plinius, sei der Sieg in Pannonien überhaupt erst errungen worden. Es sollte die Gelegenheit für einen Staatsakt geschaffen werden, bei demNerva den Germanicus-Titel annehmenundTraian adoptieren konnte. Sofort sei derPrätorianeraufstand zusammengebrochen, was aber weniger an der Adoption, als vielmehr an der Person des Adoptierten gelegen habe.109 Danach habe sich der spätere Kaiser natürlich als corrector emendatorque der disciplina castrorum erwiesen; jede weitere Unruhe sei daher verhindert. Der Prätorianeraufstand erhält hier eine teleologische Facette. Er wird nicht als dasgeschildert, waser tatsächlich war; nämlich ein verzweifelter Versuch der Gegner desThronprätendenten Traian, angesichts derfür sie ungünstigen Vergabe derProvinzkommandos dasGlück noch einmal zuwenden. DerAufstand wird als ein Segen dargestellt, denn er habe den folgsamen Soldaten Traian dazu veranlasst, den Staat zu retten. Wäre der Staat nicht in Not gewesen, so hätte Traian sich auch nicht umdenThron bemüht.
106 Plin.paneg.5.7. 107 Die gleiche Aussage war auch schon in den Glückwünschen des Plinius zumHerrschaftsantritt zu erkennen. Auch dort war betont worden, dass, obwohl der Princeps den Wunsch gehabt habe, möglichst spät erst Nachfolger Nervas zuwerden, die Götter ihn zumSteuermann der Res Publica gemacht hätten; ep.10.1. Doch hier wie dort ist auch die Leistungsfähigkeit desUlpiers betont, mitwelcher er denStaat zudiese Zeit eigentlich schon längst in seine Obhutgenommen undwelche die Götter dann auch bewogen habe, ihnals deneinzig geeigneten Kandidaten mitderLeitung derResPublica zubetrauen. 108 Als Beispiele nennt KÜHN1985, adloc. Hannibal, Sulla undPompeius. 109 Plin.paneg.8.1– 5.
4. FAZIT In der vorangegangenen
Untersuchung der diskursiven Eigenarten und rhetorischen Mechanismen des Panegyricus wurde deutlich, dass es sich bei der GratiarumActio umdas Zeugnis einer regelmäßig stattfindenden Kommunikation zwischen dem Senat und dem Kaiser handelt. Der Consul als Exponent des Gremiums trat dem Kaiser gegenüber, um Aspekte von dessen Herrschaftsdarstellung undderen Akzeptanz unter den Senatoren zu reflektieren. Dabei signalisierte der Redner demPrinceps durchaus, welche Wünsche dasGremium andessen Verhalten stellte. ZurIllustration despanegyrischen Mechanismus diente unsdie militärische Imago Traians, welche nur auf den ersten Blick nicht zu jenen senatorischen Belangen zugehören scheint, die denGroßteil derThemen desPanegyricus ausmachen. Denn wir gingen von der Hypothese aus, dass sämtliche Themen einer Kommunikation, welche exklusiv zwischen Kaiser und Senatoren stattfand, auch die vitalen Interessen beider Parteien berührten. Undso ließen sich bei einer Betrachtung der betreffenden Passagen zwei rhetorische Strategien undderen jeweilige politische Funktion in derspezifischen Situation des Septembers 100 feststellen: die Imago desHeros unddie desCommilito. Wir sahen, dass derPanegyricus zwar signalisierte, dasIdeologem dergrundsätzlichen Sieghaftigkeit desKaisers zuakzeptieren, dass er aber ebenso demonstrativ bekräftigte, dass Traian diese gar nicht erst durch Siege konkretisieren müsse. Immerhin weigere derFeind sich, angesichts der übermenschlichen Macht des Herrschers zukämpfen. Doch Traian verzichte auch darauf, denGegner in seinem Versteck aufzuspüren undüber ihn zu triumphieren. Schließlich dränge ihn seine moderatio nicht dazu, nach Triumphen zu streben. Diese rhetorische Strategie besaß imJahre 100 nicht allein die Funktion, denbis dahin militärisch erfolglosen Traian mittels eines Konsensrituals der Akzeptanz seiner Imago der grundsätzlichen Sieghaftigkeit durch die Senatoren zu versichern. Denn es war die Zeit, da Traian nach langen Monaten an Rhein und Donau endlich nach Rom zurückgekommen war undmittlerweile schon fast ein Jahr in seiner Hauptstadt verbracht hatte. Doch es war deutlich, dass dieser Aufenthalt seinem baldigen Ende entgegen ging. Die Kriegsvorbereitungen an der Donau wurden intensiv vorangetrieben, und Rom musste damit rechnen, dass der Princeps diesen Einfall in Dakien höchstpersönlich anführen würde1, um dem Kaiser nun tatsächlich den lange er-
1
Im Kapitel „ VomRhein nach Rom“mit seinem Abschnitt 9.1.1 „ falsi triumphi –Domitian als Opfer seiner eigenen Imago“war sichtbar geworden, dass die Flavier, besonders Domitian, fürdieses kaiserliche Verhalten dasVorbild abgegeben hatten. Genau diesen Habitus hatte der Kaiser auch während der Jahre 98/99 eingenommen. Wahrscheinlich ließ Traian auch
4. FAZIT
293
sehnten konkreten Nachweis militärischer Leistungskraft zu verschaffen. Dies der kaiserlichen Abwesenheit bedeuten. Mittels der heroischen Imago signalisierte Plinius demKaiser gegenüber, welche Haltung der Senat in dieser Angelegenheit einnehme: Traian werde triumphieren, weil er gesiegt haben werde; gewiss aber siege er nicht, umzutriumphieren. Dem Kaiser wurde hier also eine Absage an sein Bemühen um den schnellen und demonstrativen Erwerb militärischen Ruhm erteilt. Der Redner betonte fortwährend, natürlich werde Traian einst siegen und triumphieren. Doch Plinius legte sich nicht darauf fest, wann dies wohl sein werde. Auch unterließ er es, demKaiser für dendakischen Krieg einen Triumph vorherzusagen. Dies zeugt vondemsenatorischen Wunsch, der Princeps möge in seiner Hauptstadt bleiben. Er möge sich in seinem Bemühen ummilitärische Erfolge nicht erneut für längere Zeit derunmittelbaren Kommunikation mitdenSenatoren entziehen unddadurch denZugang zu densozialen Ressourcen erheblich erschweren.2 Die senatorische Reflexion dermilitärischen Imago Traians ging aber auch in eine andere Richtung, denn der Kaiser wurde nicht nur als Heros, sondern auch als Commilito beschrieben. DerRedner betonte, dass Traian vonfrühester Jugend an ein disziplinierter Soldat gewesen sei. Seine Taten undTugenden hätten den Legionären stets vorAugen gestanden, mit denen er einen so engen Umgang pflege. Hierin wirdjenes Maßan Verantwortung deutlich, welches ein Imperator gegenüber demStaat habe, dadasMilitär seinen Befehlen gehorche. Ein verantwortungsloser Heerführer könne die Legionen auf Rommarschieren lassen. Ein Heerführer, der selbst ein disziplinierter Soldat sei undder auch seinerseits die Truppendiszipliniere, verhalte sichjedoch nicht so.3 würde wieder Monate, wenn nicht Jahre,
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explizit verkünden, dass er selbst diesen Kriegszug anführen wolle. Ein Hinweis darauf bietet derPanegyricus, wenn er dasIdeal eines Herrschers lobt, dereigenhändig die Schilde durchbohrt unddie Spolia Opima erringt, nicht aber das Ideal eines Herrschers, der besonnen aus derEntfernung die Kämpfe lenkt. Wir sollten dies nicht allein als Topos derheroischen Imago ansehen. Vielmehr deutet dieses Lob wohl darauf hin, dass der Entschluss Traians, selbst anderFront zusein unddie Kämpfe zuleiten, bekannt war. In der Tat sollte Traian im März des folgenden Jahres, also gut sechs Monate später, in den ersten dakischen Krieg aufbrechen und erst wieder nach weit über anderthalb Jahren nach Romzurückkehren; KIENAST 1996, 122. REES2002 erklärt die Ausführungen desPanegyricus über vermeintliche Gegensätze in Traians Charakter undHandeln zu Recht nicht als logische Inkonsequenzen der Quelle, sondern beobachtet vielmehr zutreffend, dass diese Antithesen sogar auf engstem Raum miteinander kombiniert sind undin geradezu epigrammatischer Manier formuliert sind. Das Bild des ‚paradoxical Trajan‘sei also gewollt, konstatiert REES. Doch die Schlussfolgerungen des Autors aus dieser Feststellung sind irrig. Zunächst schreibt er demPanegyricus nämlich eine nicht gerechtfertigte Singularität als Quelle zu, da ihm der serielle Charakter dieser Art der kaiserlich-senatorischen Kommunikation entgeht unddamit dasgedankliche Caveat, dass es sich bei diesen spezifischen Ausführungen umdurchaus konventionelle Inhalte desGenres Gratiarum Actio gehandelt haben mag. Sodann erklärt er, dass es für Plinius ein vorwiegend rhetorisches Mittel gewesen sei, die Fähigkeit des Princeps zu loben, konventionelle Grenzen zu überschreiten. REES (165) beruft sich hierbei auf die Aussage des Plinius, dass die veränderten politischen Umstände nach der
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DER PANEGYRICUS
Abschließend sollten wir uns eine Frage stellen, die für alle inhaltlichen Bestandteile des Panegyricus relevant ist. Warum wurden gewisse Episoden überhaupt erzählt, warum wurden sie nicht einfach verschwiegen? Warum warderpanegyrische Redner genötigt, Ereignisse der Vergangenheit rhetorisch zu modifizieren, undwarum ließ der Kaiser im Senat immer wieder die Diskrepanz zwischen dem Anspruch undder Wirklichkeit seiner Programmatik vortragen? Ein Beispiel hierfür ist etwa die Episode der imperatorischen Akklamation auf demCapitol. Dem senatorischen Redner und dem Gremium, welchem er angehörte, wurde abverlangt, wider besseres Wissen eine modifizierte Version der Vergangenheit vorzutragen und dieser Darstellung demonstrativ zuzustimmen. Immerhin war gerade diese Episode ein prekäres Thema. Schließlich musste der Panegyricus gewisse Ereignisse umdeuten, die einst einen erneuten Bürgerkrieg, undeine Gefährdung senatorischer Güter undsenatorischer Leben hatten befürchten lassen. Diesen Befund aber allein als Schmeichelei der Senatoren oder Oppression durch denKaiser zu deuten, ist verfehlt. Denn eben hierin liegt die spezifische politische Funktion despanegyrischen Konsensaktes. Gerade das Wissen der Senatoren umjene Vorgänge des Jahres 97 machte eine solche Art des Redens darüber notwendig. Der Kaiser musste im Bemühen umseine Akzeptanz bei den Senatoren davon ausgehen können, dass alle Mitglieder des Gremiums diese vorgetragene Version akzeptierten undbereit waren, sie auch ihrerseits weiterzugeben, sei es durch einen Vortrag, durch die emphatische Zustimmung zu dieser Rede oder, wie Plinius es tunsollte, sogar noch durch ihre Rezitation undPublikation. Die Akzeptanz des römischen Kaisers hing gerade auch von der Art seiner Herrschaftsübernahme ab. Daher war es wichtig, jede der gesellschaftlichen Gruppen, welche für die Akzeptanz des Princeps wichtig waren, aufjeweils eine spezifische Version der transitio imperii zu verpflichten. Das heißt nicht, dass die kaiserliche Herrschaftsdarstellung etwa gegenüber den Legionen das gleiche Bild von den Vorgängen des Jahres 97 betont hätte, wie in der Kommunikation mit dem Senat. Den Soldaten gegenüber wurde wohl jene militärische Unterstützung stärker akzentuiert, die Traian denWegzumThron bereitet hatte. Denn gerade für die Legionen amRhein bedeutete die senatorische Version eine Statusminderung, da in dieser die Rolle des Heeres als Kaisermacher rhetorisch verdeckt wurde. Nunist es sehr wahrscheinlich, dass Traian seine Imago des Commilito auch den Soldaten präsentierte, doch in den Castra muss deren politische Funktion eine andere gewesen sein als fürdie Senatoren.
Herrschaft Domitians auch neue darstellerische Mittel des Herrscherlobs erforderten (programmatisch in paneg.2.1 ff.). REES führt aus, die Paradoxien, welche Plinius Traians Charakter und Verhalten attestiere, seien also eine rhetorische Übersteigerung undsollten zeigen, dass der Kaiser eine einzigartige Fähigkeit besitze, prinzipiell Unvereinbares miteinander zu vereinbaren. Und eben dies hebe ihn ausderMenge derMenschen undder Senatoren hervor. DaderAutor die politische Funktion der unterschiedlichen Rollenbilder aber nicht näher analysiert, noch sie historisch angemessen kontextualisiert, entgeht ihmdie eigentliche Brisanz undAussagekraft dieser Paradoxien.
4. FAZIT
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Eine weitere grundlegende Frage schließt sich hieran an. Warum genügte es dem Kaiser, dass ihm der Exponent des Senats eine bestimmte Version der Vergangenheit oder seine vermeintlichen Tugenden präsentierte, obwohl doch beide Seiten wussten, dass dies nicht dentatsächlichen Gegebenheiten entsprach? Die Feststellung, dass genau dies denKonventionen der kaiserlich-senatorischen Kommunikation entsprochen hätte, erscheint unbefriedigend. Sollte der Sinn des panegyrischen Konsensaktes etwa darin bestanden haben, dass Senat undKaiser sich auf eine bloße Fassade einigten und diese regelmäßig reflektierten? In diesem Falle wäre es für Gremium undHerrscher vor allem wichtig gewesen, sich immer wiederin ihrem jeweiligen Status bestätigt zusehen. Doch dies scheint nicht der Fall gewesen zu sein. Immerhin zeigt die Rede des Plinius, welche Relevanz der Mechanismus des Affirmativen Forderns besaß. Man muss hier trennen zwischen generellen Ermahnungen –etwa: noch niemals sei ein Princeps getäuscht worden, der nicht selbst zuvor getäuscht hätte –und konkreten –etwa: adhuc habe Traian die Censura Perpetua nicht übernommen. Hieran undamBeispiel des Verhältnisses Traians zu seinen Truppen wurde deutlich, auf welche Weise die Senatoren ihre Kritik undForderungen formulierten. Der Princeps konnte sehen, dass auch Kritik in die Reden einfloss, unddass der Redner gewisse Bestandteile derkaiserlichen Ideologeme auch vorsichtig modifizierte. Dies zeigte dem Herrscher, dass auch die Senatoren ihre Meinung artikulierten, anstatt bloß die offizielle Version wiederzugeben und ihn womöglich heimlich zu hassen. Besser war es, gewisse Unstimmigkeiten offen –doch vorsichtig –auszusprechen. Hier gewinnt auch der Topos jener Wahrhaftigkeit der Worte seine Relevanz, welche Plinius fortwährend betont. Das panegyrische Ritual bot eben auch regelmäßig eine Plattform, umkommunikative Unstimmigkeiten festzustellen undzuverhandeln.
Im Proömium des Panegyricus
äußert Plinius einen bemerkenswerten Satz, der davon zeugt, welche Relevanz derartige Kommunikationsformen für den Senat besaßen. Als derConsul von seiner Freude darüber berichtet, dass Traian privatas gratiarum actiones verboten habe, doch Reden im Senat zulasse, betont er. „Denn diese Ehre erweist dunicht dir selbst, sondern denen, die danksagen. Du gibst nur ungern liebevollem Drängen nach, undfür uns ist es nicht nötig, deine Gaben zu 4 preisen, sondern fürdich ist es nötig, unszuzuhören.“ Wir sollten in diesen Worten nicht allein unreflektiertes Lob auf den Kaiser undseine Bescheidenheit lesen. Nach allem, waswirbisher sahen, ist es nurplausibel, dass der Senat tatsächlich froh darüber war, diese Möglichkeit derregelmäßigen Kommunikation zu besitzen, unddass der Kaiser zum Zweck der periodi-
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Plin.paneg.4.3.: Utrumque, Caesar Auguste, moderate, et quod alibi tibi gratias agi nonsinis, et quod hic sinis. Non enim a te ipso tibi honor iste, sed agentibus habetur. Cedis affectibus nostris, nec nobis munera tuapraedicare, sedaudire tibi necesse est.
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DER PANEGYRICUS
schen Übereinkunft auch in seinem eigenen Interesse darauf verpflichtet war, dem beizuwohnen.5
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Der individuelle Redner dürfte jenseits desAnspruchs, eine kollektive Meinung vorzutragen, auch über die Chance erfreut gewesen sein, sich persönlich profilieren zukönnen. So sind etwadie letzten Passagen des Panegyricus, in denen Plinius von sich undseinem Kollegen erzählt, nicht notwendig in allen Teilen eine Hinzufügung der publizierten Version. Auch im Vortrag vor Senat undPrinceps hatte ein persönlicher Dank seinen Sinn. Hier wurden anhand einer exemplarischen Karriere die transparenten, gütigen undgerechten Beförderungskriterien Traians auch ganz generell gelobt; hier wurde noch einmal die Kontrastierung der Imagines Traians undDomitians unternommen, undhier wurden noch einmal dersenatorische Konsens 95. betont; paneg.90–
VIERTER
TEIL
DAS TRAIANSFORUM
DER STEINERNE TRIUMPH
1. EINLEITUNG Im Jahre 109 warTraian gezwungen, eine Bitte desjüngeren Plinius, seines Sondergesandten in Bithynien, abzulehnen, deren Erfüllung sich als lukrative Einnahmequelle hätte herausstellen können. Im ersten Jahr seiner Legatur bat der Senator nämlich seinen Kaiser, ihm einen Fachmann für Bauvermessung in die Provinz zu schicken. Auf diese Weise, betonte Plinius, ließen sich wohl beträchtliche Summen von den lokalen Bauunternehmern wegen deren fehlerhafter Abrechnungen zurückgewinnen. Doch Traian musste diesen Vorschlag ablehnen. Er beklagte nämlich selbst eine Knappheit anFachleuten für die Bauvermessung von Projekten in Romundseiner Umgebung.1 Tatsächlich ließen gigantische Baumaßnahmen in der Stadt und ihrem Umland seit demEnde des zweiten Dakerkrieges bis in die Jahre des Partherkrieges riesige Komplexe monumentaler Architektur entstehen. So wurde im Jahre 107 am Hafen von Centum Cellae gebaut, undim Jahre 109 entstanden neben anderemdieTraiansthermen, die Aqua Traiana unddieNaumachie. Bis 112 waren das Forum, die Basilica unddie Traiansmärkte beendet, undauch die Fertigstellung des Hafens von Ostia datiert injene Zeit. Das Jahr 113 sah die Fertigstellung der Columna Traiana. Zur gleichen Zeit kamen weitere italische Projekte hinzu, wie etwa der Bogen von Benevent von 114 und die Hafenanlagen von Ancona aus demJahre 115. Angesichts dieser Bautätigkeit schien es Traian unmöglich, auch nureinen einzigen Fachmann fürBauvermessung in dieProvinz abzustellen.2 Die Monumente Traians sollten noch lange Zeit vom Ruhm des Optimus Princeps künden. Als Kaiser Constantius II. im Jahre 356 n.Chr. die Stadt Rom besuchte, wurde er zumTraiansforum geführt. Von dieser Begegnung des Kaisers mit den Monumenten berichtet Ammianus Marcellinus.3 Diese Passage soll dem 1
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Dies geht aus Plin.ep.10.17b und 10.18.3 hervor, der Anfrage des Plinius undder Antwort Traians: „ Mensores vix etiam iis operibus, quae aut Romae aut in proximo fiunt, sufficientes habeo.“Es handelt sich umdie Zeit zwischen dem 17.September unddem24.November des Jahres 109 oder 110. Siehe zur Datierung SHERWIN-WHITE ad loc. und die Diskussion bei WILLIAMS 1990. Die Interpretation von LUMMEL 1991, 109, Anm. 641 von Plin.ep.10.40.3, dass ebenfalls ein Mangel an Architekten in Rom bestanden habe, geht aus der Quelle nicht hervor undlässt sich demnach nicht halten. ZuderFülle italischer Bauprojekte intraianischer Zeit siehe konzise VONHESBERG 2002. Amm.Marc.16.10.15f.: (15) Verum cum ad Traiani forum venisset, singularem sub omni caelo structuram, ut opinamur, etiam numinum adsensione mirabilem, haerebat adtonitus per giganteos contextus circumferens mentem nec relatu effabiles nec rursus mortalibus adpetendos. Omni itaque spehuius modi quicquam conandi depulsa Traiani equum solum locatum in atrii medio, qui ipsum principem vehit, imitari se velle dicebat et posse. (16) Cui prope adstans regalis Ormizda, cuius e Perside discessum supra monstravimus, respondit astu gentili
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1. EINLEITUNG
folgenden Kapitel voranstehen, denn sie reflektiert wie kaum ein anderes Zeugnis die Ehrfurcht eines antiken Betrachters angesichts dieser gewaltigen Anlage: „Dann kamder Kaiser zumTraiansforum. Nach unserer Meinung lässt es sich mit keinem anderen Bauwerk unter dem Himmel vergleichen und verdient sogar nach Meinung der Götter Bewunderung. Da blieb er wie vomDonner gerührt stehen, und seine Gedanken schweiften um die gigantischen Konstruktionen, die Worte nicht schildern können unddie von Menschen nicht noch einmal erreicht werden können. Nachdem alle seine Hoffnung, irgend etwas dieser Art unternehmen zukönnen, niedergeschlagen war, sagte er, er wolle allein die Reiterstatue Traians nachahmen, die mitten auf demAreal desPlatzes stand unddie denKaiser selbst trug; dies könne er. Doch der persische Prinz, der Constantius begleitete, riet ihm: ‚Zuvor, Imperator, befiehl, einen solchen Stall zu bauen, falls Du das vermagst. Jenes Pferd, das herzustellen Duanordnest, wird so viel Platz brauchen wiedieses, daswirhier sehen.‘“
«ante» inquit «imperator stabulum tale condi iubeto, ita late succedat, ut iste quemvidemus».
si vales: equus, quem fabricare
disponis,
2. DIE LESBARKEIT DES TRAIANSFORUMS EINE METHODISCHE VORBEMERKUNG
Am Anfang der Untersuchung soll eine kurze Einleitung stehen, in welcher die nötigen theoretischen Voraussetzungen für eine gründliche undadäquate Interpretation des traianischen Forums vorgestellt werden. Die theoretischen Ausführungenwerden immer wieder vonkonkreten Beispielen illustriert werden, welche der anschließende Haupttext ausführlich behandeln wird. Der monumentale Komplex des Traiansforums bildete bestimmte Inhalte der Herrschaftsdarstellung des Optimus Princeps ab. Hier warTraians eigene Rolle in der Gesellschaft reflektiert undin Relation zu deren tragenden Gruppen gesetzt. Auf diese Weise versuchte der Princeps, auf die Außenwahrnehmung seiner Person Einfluss zu nehmen. Da die Herrschaftsdarstellung erst in der gelebten Kommunikation des Herrschers mit jenen Teilen der Gesellschaft konstituiert wurde, die für seine Akzeptanz relevant waren, also Senat, Heer undPlebs Urbana, mussten auch die Monumente des Forums als ein Medium dieser Herrschaftsdarstellung den Bedürfnissen und Erwartungen seiner Betrachter affirmativ entgegenkommen. Seinen Sinngehalt erhielt dieser Ort durch die Vermengung von grundlegenden Ideologemen des römischen Principats mit spezifischen Ideologemen der traianischen Zeit und aktuellen politischen Ereignissen, die allesamt hier in baulicher Formumgesetzt worden. Der architektonische Komplex entstand in einer Zeit, in welcher Traian im zweiten Dakerkrieg endlich sichtbare militärische Erfolge erzielt hatte, unddiese Siege in verschiedenen Medien öffentlich dargestellt wurden. Doch das Forum mit seinem monumental formulierten Anspruch der kaiserlichen Sieghaftigkeit deutete auch schon auf denKrieg gegen die Parther hin, denderKaiser nurkurze Zeit nach derEinweihung derBauten beginnen sollte. In derZeit zwischen diesen beiden Feldzügen hielt sich Traian in Rom auf und verwandte erhebliche Mittel auf deninfrastrukturellen undrepräsentativen Ausbau seiner Stadt. Seine Wirkung auf die Zeitgenossen erhielt das Forum zumeinen durch die konsequente Einbettung seiner Bildsprache undAussagen in den Kontext der sonstigen traianischen Herrschaftsdarstellung, zumanderen dadurch, dass die Monumente an bestimmte Aspekte der Vergangenheit erinnerten undderen Relevanz für die eigene Gegenwart vorführten. Wir werden sehen, dass erst hierdurch die Taten undTugenden Traians mit der Erfolgsgeschichte der römischen Vergangenheit vergleichbar wurden, doch zugleich wegen derArt ihrer Darstellung, nämlich dervisuellen und konzeptuellen Übersteigerung der kaiserlichen Leistungen, als nicht zu übertreffen geschildert wurden.
2. DIE LESBARKEIT DES TRAIANSFORUMS
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Ein solcher Erinnerungsort, wie das Traiansforum es war, vermag auf verschiedene Arten konstituiert zu werden, da seine Funktionen gleichermaßen die Ausdeutung der Vergangenheit und der Gegenwart betreffen können.1 So mag sein Sinn durch ein erinnerungswürdiges Ereignis gestiftet werden, welches unmittelbar an diesem Ort oder in seiner Nähe stattgefunden haben mag. Ein Beispiel hierfür ist das Tropaion Traiani, welches als Monument zur Erinnerung an die römische Unterwerfung Dakiens mitten im einstigen Feindesland errichtet wurde.2 Ein Erinnerungsort kann jedoch auch auf einen ganz bestimmten Aspekt der Vergangenheit hinweisen, welcher nicht an diesem Ort selbst stattgefunden haben muss. In einem solchen Fall ist die Erinnerung vomOrt desursprünglichen Geschehens gelöst, undder Erinnerungsort ist lediglich ein Stellvertreter des eigentlichen historischen Schauplatzes. Als Beispiel hierfür lässt sich die Columna Traiana in Rom nennen, die an die Feldzüge des Kaisers in Dakien erinnerte. Auch die Vollzugsorte vonRitualen, mit denen an vergangene Ereignisse erinnert werden soll, können ein solcher Erinnerungsort sein. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Route der Triumphzüge durch Rom. Die regelmäßige Semantisierung des Vollzugsortes durch das Ritual kann eine dauerhafte geistige Verbindung des stellvertretenden Erinnerungsortes mit Ereignissen derVergangenheit herstellen. Wenn die Sinnpflege eines Gedächtnismals periodisch oder sogar regelmäßig betrieben wird undseine Aussagen gezielt aktualisiert werden, vermag er für die kollektive Sinnstiftung einer politischen oder sozialen Gemeinschaft instrumentalisiert werden. Denn derErinnerungsort dient als Medium nicht nurdazu, Erinnerungspflege der Vergangenheit zu betreiben. Es kann auch dazu beizutragen, Aspekte der eigenen Gegenwart intentional in der Memoria späterer Zeiten zu verankern. In diesem Falle wird bereits die Gegenwart in solche Ereignisse und Strukturen unterteilt, welche der Erinnerung an sie würdig oder unwürdig sind, umauf das zukünftige Bild der eigenen Zeit selbst dirigierend einzuwirken. Eine solche dauerhafte Selektion derMemoria kann nurdann gelingen, wenn auch die nachfolgende Zeit für sich selbst eine eigene Sinnstiftung aus denInhalten dieser Memoria undihrer Umsetzung in Form des Erinnerungsortes gewinnt. Der Erinnerungsort muss demnach stets seine Relevanz für die aktuelle politische undsoziale Gemeinschaft beweisen, ansonsten verliert er seine Wirkungskraft. Eine Steuerung dieser Funktion kann in allen genannten Fällen nur von einer mächtigenDeutungselite initiiert undgetragen werden. Dies kann ein Einzelner sein oder eine soziale Gruppe, deren Ressourcen die Errichtung von Bauwerken möglich machen, und deren Einfluss die Aussagen dieser Monumente mit Rücksicht auf die Erwartungen und Fähigkeiten der angesprochenen Zielgruppen festzulegen vermag.
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Angesichts zahlreicher Publikationen der vergangenen Jahre, die sich mit demKonzept des Erinnerungsortes befassen, ist es notwendig, darauf hinzuweisen, dass in der vorliegenden Studie derBegriff ‚Erinnerungsort‘ allein in demSinne verwandt wird, derimText selbst expliziert ist.
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FLORESCU 1965.
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DAS TRAIANSFORUM
Ein Betrachter kann seinerseits das Werk auf unterschiedlichen Ebenen reflektierender Durchdringung wahrnehmen. Zur Illustration seien zwei Beispiele genannt. So können monumentale Aussagen gewisse Stoffe der Mythologie und Geschichte als bauliche undkonzeptuelle Versatzstücke verwenden, umdie Inhalte aktueller Politik unddie Facetten der Herrschaftsdarstellung mit Analogien zu umschreiben. Bis zu welchem Grad ein Betrachter diese Metaphorik versteht, hängt vonseinem Kenntnisstand ab. Mochte er auch mit derkonkreten politischen Aussage an sich wohlvertraut sein, war er womöglich trotzdem nicht imstande, ihre mythologische Umschreibung zu dechiffrieren. So wusste der stadtrömische Beobachter der dreißiger Jahre v. Chr. natürlich, dass zwischen Octavian und Marcus Antonius Rivalität herrschte. Doch diese Kenntnis allein gewährleistete noch nicht, dass er eine bildliche Darstellung vonHercules undOmphale als die verkleidete Schmähung desPaares Antonius undKleopatra verstehen konnte.3 Der Betrachter mochte mit diesem Mythos schlichtweg nicht vertraut sein oder in der vereinfachten Abbildung den Inhalt des ihm eigentlich bekannten Mythos nicht erkennen. Vielleicht konnte er eine Verbindung von Bild undMythos auch herstellen, doch wusste dies nicht mit den Themen aktueller Politik zu verbinden, etwa weil ihmdie Gleichsetzung vonAntonius mitHercules nicht geläufig war.
Ein weiteres Beispiel, umdie Lesbarkeit eines Monumentes auf unterschiedlichen Ebenen der intellektuellen Durchdringung zu illustrieren, ist das nebenstehend abgebildte Relief im Durchgang des traianischen Bogens von Benevent, welches eine Opferszene zeigt. Ein Betrachter mochte meinen, dass hier ebenjenes konkrete Opfer dargestellt sei, welches Traian anlässlich der baulichen Fertigstellung des betreffenden Wegabschnitts der Via Traiana vollzogen hatte. Womöglich konnte er in derPerson des Opfernden auch nurdie Züge seines Kaisers erkennen und–ohne die dargestellte Szene mit einem historischen Ereignis zu verbinden – verstehen, dass hier die Pietas Traians betont wurde. Ein anderer Betrachter mochte vielleicht garkein inhaltliches Element der Szene erkennen; weder umdas historische Ereignis wissen, nicht die Züge des Kaisers identifizieren noch die Darstellung eines Opfers oder die abgebildete Pietas. Er mochte schlichtweg über die gute Straße erfreut sein undden großen Bogen, welchen ein Kaiser hatte errichten lassen, derfür seine Untertanen gutzusorgen schien.
Bis zu welchem Grad ein Betrachter einzelne undmiteinander kombinierte Aussagen der Herrschaftsdarstellung intellektuell durchdringen konnte, um für sich ein Verständnis dieser Aussagen zu konstruieren, wurde wesentlich bestimmt von seiner bisherigen Vertrautheit mit deren Inhalten unddenFormen ihres bildlichen
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Siehe hierzu ZANKER 1987, 66f.
2. DIE LESBARKEIT DES TRAIANSFORUMS
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Ausdrucks. Diese Wahrnehmung wurde vornehmlich durch seine Erfahrung mit den Visiotypen der imperialen Bilderwelten bedingt unddurch alltägliches Erleben geschult. Mit dem Begriff ‚Visiotypen‘ werden in dieser Studie visuelle Versatzstücke bezeichnet; Bildmotive, die ursprünglich exklusiv in einem Kontext oder Medium verwendet wurden, doch in andere Kontexte undMedien transponiert wurden und dabei eine semantische Modifikation erfuhren. Zur Illustration genannt sei etwa das Vorkommen von Victorien, Sphingen undRankenfriesen auf Monumenten der augusteischen Zeit und deren Übernahme in die privaten Bilderwelten dieser Zeit, wodurch auch ihre ursprüngliche Aussage verändert wurde. Ein anderes Beispiel für Begriff undKonzept desVisiotyps ist dasZitieren baulicher Bestandteile eines architektonischen Kontextes in einem korrespondierenden architektonischen Kontext, wodurch nicht allein eine visuelle Affinität erzeugt wird, sondern auch eine konzeptuelle. Genannt sei etwa die Entwicklung des Visiotyps der Stützfigur von den Koren des Erechtheions über die Karyatiden des Augustusforums hin zudenDakerstatuen desTraiansforums. Ein anderes Beispiel ist der Visiotyp einer Reiterstatue auf einer Platzanlage von den Standbildern des Forum Romanum undjenes des Caesarforums über die Quadriga des Augustus auf dessen Forum unddenEquus Domitiani wiederum auf demForum Romanum bis zumgewaltigen Equus des Optimus Princeps auf dem Traiansforum. Ein abschließendes Beispiel ist der Visiotyp des Säulenmonuments undseine Entwicklung vonderrepublikanischen Columna Rostrata zurColumna Traiana. Wesentliche Voraussetzung für das Verständnis von Bildern undMonumenten sind demnach die bisherigen Kenntnisse des Betrachters, die durch denregelmäßigen Umgang mit anderen Medien vergangener Zeit oder derselben Zeit erworben wurden, so etwa Münzen, Literatur, Rituale undeben auch andere Bilder und Monumente. Denn die Aussagen verschiedener Medien der Herrschaftsdarstellung ergänzen einander oftmals; sie reflektieren gleiche oder ähnliche Facetten einer gemeinsamen Aussage undnehmen bisweilen sogar unmittelbar aufeinander Bezug. So wurden etwa die Monumente desTraiansforums während ihrer Bauzeit und noch lange danach auf massenhaft emittierten Münzen der Reichsprägung abgebildet.4 Außerdem wäre die bewusste Verlegung des Atrium Libertatis von seinem ursprünglichen Ortundseine bauliche Eingliederung in denKomplex des Traiansforums hinein von wesentlich geringerer Bedeutung gewesen, wenn an eben diesem neuen Ort in der Folgezeit keine Rituale stattgefunden hätten, deren Inhalt die Libertas war. Denn hier wurden Freilassungen vorgenommen, womit private undöffentliche Freiheit in charakteristischer Weise miteinander verbunden wurden.5 Ein Erinnerungsort erhält also erst in der Vernetzung mit anderen Medien seine spezifische Semantisierung. Baulich umgesetzte Inhalte herrscherlicher Programmatik mögen, für sich allein betrachtet, ihrem Betrachter nurals abstrakte und schwer dechiffrierbare Aussagen der Herrschaftsdarstellung erscheinen. Sie werden jedoch als konkrete Manifestationen der unmittelbar erlebten Herrschaft
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Siehe STRACK 1931, 202– 207, Nr. 197, Taf.3, 10; Nr. 226, 234, Taf.10; Nr. 388, Taf.6; Nr. 433, Taf.8; Nr.452, 457. Siehe hierzu ausführlich dasTeilkapitel 6.3.3 „ Bildnisschilde undRestitutionsprägungen“.
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lesbar, wenn sie mit anderen Medien oder Ritualen ihrer Zeit in Verbindung gebracht werden. Erst in dieser Kombination der Teilaussagen ergibt sich eine verständliche Aussage auch deseinzelnen Mediums. Nunwird die Wahrnehmung eines Betrachters aber abstumpfen, wenn er täglich demselben baulichen Kontext begegnet, ohne dass sich dessen Aussagen verändern. Wie dies für alle Medien der Herrschaftsdarstellung der Fall ist, so ist auch die Wirkungskraft monumentaler Aussagen auf die Akzeptanz ihrer Betrachter angewiesen; und ein Erinnerungsort kann in seiner Wirkung verlieren, wenn seine Relevanz für die Gemeinschaft dieser nicht verständlich ist. Die Aussage von Monumenten bedarf also einer ständigen Aktualisierung, umauch eine langfristige Wahrnehmung ihrer Botschaften zu gewährleisten. Wesentliche Aspekte zur Sinnstiftung undSinnerhaltung vonMonumenten sind zumeinen die Art ihrer alltäglichen Nutzung durch die Betrachter, sofern die charakteristischen Umstände und Inhalte dieser Nutzung mit den baulich verdichteten Aspekten der Herrschaftsdarstellung korrespondieren; zum anderen sind Rituale relevant, die im baulichen undkonzeptuellen Kontext der Monumente vollzogen werden. Zur Illustration sei die Nutzung des Templum Pacis genannt. Die baulich ausgedrückte Programmatik des von Vespasian erzielten Friedens und die Nutzung des Komplexes als eines kontemplativen Raumes, in welchem die Betrachter eben jenen Frieden erleben konnten, korrespondierten miteinander. Hinzuweisen ist auch auf die Senatssitzungen im Tempel des Mars Ultor auf demAugustusforum, während derer über Krieg und Frieden sowie über die Gewährung von Triumphen entschieden wurde. Inmitten der personalisierten Erfolgsgeschichte der Res Publica in Form der Statuengalerie der Summi Viri undneben denvon denParthern wiedererlangten Feldzeichen wurden Anliegen diskutiert, die sich auf eben jene Virtus bezogen, von deren Manifestationen die Beratenden umgeben war. Auch hier korrespondierten die baulich verdichtete Aussage der Monumente und ihre Nutzung in wesentlichen Aspekten.6 Eine solche regelmäßige Sinnstiftung von Monumenten ist Aufgabe einer Deutungselite, welche die Inhalte und Aussagen dieses Monuments verwaltet, dirigiert unddabei auch Erwartungen der Nutzer berücksichtigt. Wir stellten bereits fest, dass die Konstituierung, Inbesitznahme undPflege eines monumentalen Erinnerungsortes eine programmatische Entscheidung ist, ausgewählten Aspekten der Vergangenheit nachträglich jenen Sinn zu stiften, der für die Konsolidierung dereigenen Gemeinschaft Relevanz besitzt. Mankönnte nunannehmen, diese rein auf eine vergangene Gegenwart bezogene Instrumentalisierung von Orten und Monumenten bedinge durch ihre bauliche Umsetzung den völlig unwandelbaren Charakter dermonumentalen Aussage. Doch diese Sichtweise setzte voraus, dass sowohl die Monumente als auch ihre Nutzer unveränderlich seien. Tatsächlich jedoch ist eine bauliche Veränderung dervorhandenen monumentalen Aussage zu jeder Zeit möglich. So kann ein Forum etwa durch hinzugefügte architektonische Elemente auch in seinem Sinngehalt ergänzt undmodifiziert werden. Zusätzliche
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Siehe hierzu unter anderem
in diesem Kapitel dieAbschnitte 5.2. und5.3 undpassim.
2. DIE LESBARKEIT DES TRAIANSFORUMS
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oder entfernte Inschriften und Statuen vermögen eine Nuancierung der bis dahin verkündeten Botschaft zuerreichen.7 Doch im Sinne der bisherigen Ausführungen ist dies weder die einzige noch die wesentliche Methode, umdie Botschaft eines baulichen Komplexes zu verändern. Denn gerade die regelmäßige Ausdeutung einer Anlage durch Rituale und Veranstaltungen kann auf konkrete Bedürfnisse dereigenen Zeit eingehen. Modifikationen derRituale, wie etwa hinzugefügte oder fortgelassene Inhalte derdabei gehaltenen Reden, verändern Nutzung und Wahrnehmung der Monumente und somit deren Aussage. Auf diese Weise kann demKomplex immer wieder ein aktualisierter und sogar tagespolitisch relevanter Sinn gestiftet werden. Ähnliches gilt für das Publikum der Monumente, denn auch die Betrachterrolle verändert sich mit der Zeit undihren Ereignissen. Die Kriterien für die Wahrnehmung von gegenwartsrelevanten Aspekten im baulichen Kontext verändern sich mit den individuellen Erlebnissen des Betrachters und mit den kollektiven, an welchen er teilhat. Die Ausdeutung der Monumente muss sich daher den veränderten Erfahrungen der Gemeinschaft anpassen, um ihren Anspruch der kollektiven Sinnstiftung aufrecht zuerhalten. Als Beispiel hierfür sei das Augustusforum genannt.8 Auf ihm waren Marmorstatuen derrepublikanischen Principes Viri aufgestellt. Diese Bildnisse waren eine Stein gewordene Erfolgsgeschichte vonMännern undderen Taten imDienste der Res Publica. Nach der Einweihung der Anlage kam zu diesen Dargestellten keine Marmorstatue mehr hinzu. Doch das Augustusforum warschon zu Lebzeiten des ersten Princeps der Ort, an dem auch Bronzestatuen derjenigen errichtet wurden, denen die Ornamenta Triumphalia verliehen worden waren. Das heißt, dass auf dem Augustusforum bei jeder Statuenaufstellung auch regelmäßig eine Zeremonie stattfand, bei der sich der Ortunddie versammelte politische Gemeinschaft gegenseitig Sinn stifteten. Was ist damit gemeint? Einerseits wurde die Aussage des Ortes regelmäßig aktualisiert. Denn zujenen Principes Viri in Marmor, die in der fernen Vergangenheit etwa über die Samniten gesiegt hatten, gesellten sich nundie Bronzestatuen von herausragenden Männern der Gegenwart, welche die Triumphalinsignien für ihre Verdienste etwa in Germanien erhalten hatten.9 Die Bedeutung des Ortes für die Gemeinschaft konnte so den aktuellen politischen Gegebenheiten regelmäßig angepasst werden. Andererseits wurden die Taten der Gegenwart in eine Tradition eingebunden. Ihre Entwicklung aus der Republik heraus konnte aufgezeigt werden. Das Handeln der Gegenwart wurde ausdenErfolgen der Vergangenheit heraus begründet undbestätigt. Die Relevanz der gegenwärtigen Taten für die weitere Entwicklung des Gemeinwesens wurde transparent durch die nunmehr mögliche, unmittelbare Vergleichbarkeit mit ihren Vorgängern. Doch die Aufstellung von neuen Statuen war eben nur eine von vielen Zeremonien, die eine Ausdeutung der Monumente möglich machten. Es gab 7
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Zu nennen wäre etwa die Entfernung von Statuen vom Capitol undihre Neuaufstellung auf demMarsfeld durch Augustus; Cassius Dio55.10.3. Siehe zurVertiefung desFolgenden besonders denAbschnitt 5.3 „ DasAugustusforum“ . Vell.Pat.2.104.2.
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noch zahlreiche andere Gelegenheiten.10 Wenn also die Gegenwart aus dermonumentalen Darstellung der Vergangenheit hergeleitet wird, können politische Entscheidungen der Gegenwart ihre Rechtfertigung aus dieser bewährten Vergangenheit erhalten. Sie können als konsequente Entwicklung und Fortführung einer nachweisbaren Erfolgsgeschichte dargestellt werden.
Dem Sinngehalt des Traiansforums kann man sich demnach nur dann nähern, wenn mandie Nutzung der Anlage betrachtet, die Frage nach seinen Betrachtern stellt, undwenn mandasMonument als denSchnittpunkt zweier Achsen aus diachroner Herleitung undsynchroner Vernetzung ansieht. Die diachrone Herleitung des Forums beinhaltet, die Traditionen seiner baulichen Gestalt und seiner programmatischen Aussage anhand architektonischer und konzeptueller Vorbilder aufzuzeigen.11 Dabei ist besonders darauf zu achten, wie weit diese Vorgänger in baulicher Gestalt und inhaltlicher Aussage modifiziert wurden. Als Beispiele im Falle desTraiansforums wären seine deutliche Anlehnung anFeldlagerarchitektur sowie an die Grundrisse des Augustusforums unddes Templum Pacis zu nennen. Doch wurden diese einzelnen Komponenten unter Traian zu einem neuartigen
baulichen Kontext verschmolzen, wodurch eine originäre programmatische Aussage entstand, die keines der Vorbilder in dieser Art ausgedrückt hatte. Einander konträre Aussagen wurden hier miteinander verbunden, doch sie widersprachen sich in dem neu geschaffenen Kontext der traianischen Anlage keineswegs, sondern waren Ausdruck vonderen charakteristischer Polysemie. Die synchrone Vernetzung des Traiansforums betrifft die zeitgenössische Intermedialität der baulichen undkonzeptuellen Bestandteile der Monumente.12 Dieses Kapitel soll daher auch einzelne visuelle Versatzstücke in der Stadtlandschaft traianischer Zeit untersuchen undderen direktes oder modifiziertes Zitat imbaulichen Kontext des Traiansforums. Die zeitgenössische Intermedialität umfasst jedoch vor allem die Reflexion ähnlicher Ideologeme in verschiedenen Quellen mit den gleichen oder modifizierten Aussagen. Hierbei ist nach zwei Arten der synchronen Vernetzung zu differenzieren, der werkimmanenten und der werktranszendierenden: Die werkimmanente Beobachtung muss das Zusammenwirken einzelner baulicher Komponenten hin zum Konzept zunächst auf demForum selbst als System erfassen. Als Beispiel hierfür wäre die Verwendung verschiedenartiger Statuentypen Traians vor der Basilica Ulpia zu nennen, mittels derer sich der Princeps als Magistrat, Feldherr undPontifex Maximus zeigte, wodurch er verschiedene Imagines seiner Herrscherrolle vorführte. Diese unterschiedlichen Formen der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung müssen korreliert werden etwa mit den scheinbar konträren Aussagen des Forums: der Fülle an militärischer Ikonographie undeiner dabei rein zivilen Nutzung der Anlage. Nurauf diese Weise ist eine verlässliche Beschreibung jener traianischen Imago möglich, die auf dem
10 So legten etwa die Knaben hier ihre Männertoga an, Statthalter
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wurden von hier aus in die Provinzen verabschiedet undauswärtige Gesandtschaften wurden andiesem Ortempfangen. Siehe hierzu denAbschnitt 5 „ Architektonische Zitate unddie Frage derNutzung“ . Siehe hierzu denAbschnitt 6 „ DieTransformation derVisiotypen“ .
2. DIE LESBARKEIT DES TRAIANSFORUMS
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Forum ihre spezifische Darstellung fand. Die werktranszendierende Beobachtung erfasst die Verwendung baulicher oder konzeptuell zusammenhängender Bestandteile des Forums in anderen zeitgenössischen Medien. Als Beispiel hierfür wäre etwa die Darstellung der Traianssäule auf Münzen zu nennen oder die korrespondierende Beschreibung zweier verschiedener Arten von militärischer Führerschaft auf denReliefdarstellungen desForums undimPanegyricus des Plinius.13
Die Frage nach denNutzern desTraiansforums ist wesentlich für dasVerständnis seiner programmatischen Aussage. Es reicht jedoch nicht, am Monument nach Darstellungen einzelner Gesellschaftsteile zusuchen oder nach Darstellungen von konkreten undsymbolischen Akten, welche für diese Gesellschaftsgruppe unmittelbar relevant gewesen sein mögen, umdaraus eine Zielgruppe des Forums herzuleiten.14 So wäre es unzureichend, allein wegen derHäufigkeit ihrer Darstellung auf demTraiansforum voneiner soldatischen Zielgruppe zu sprechen. Das Militär würde auf diese Weise zur Hauptzielgruppe des Forums erklärt. Die Betrachteten würden mit den Betrachtenden verwechselt. Denn die Dargestellten sind nicht auch selbstverständlich die Adressaten der Bilder. Hier muss deutlich getrennt werden: Das primäre Publikum des Forums war der regelmäßige Nutzer dieses öffentlichen Raumes, unddas warder stadtrömische Zivilist. Diese Aussage gewinnt nunerheblich an heuristischem Wert, wenn manfragt, welchen Sinn es wohl hatte, dass der Kaiser die militärischen Aspekte seiner Herrschaftsdarstellung undsein Verhältnis zum Heer im entmilitarisierten stadtrömischen Kontext derart prononcierte. Es gilt zu untersuchen, welche Relevanz das Dargestellte für die verschiedenen Betrachtergruppen gehabt haben mag; hierbei müsste etwa zwischen einem senatorischen undeinem nicht-senatorischen Publikum differenziert werden. In dertäglichen Nutzung desForums ist also nicht das soldatische, sondern das zivile Individuum mit dem militärischen Erscheinungsbild der Monumente konfrontiert. Dabei unterscheiden sich diese Zivilisten im Grad ihrer Vertrautheit mit den Inhalten der Herrschaftsdarstellung sehr voneinander. Hier muss der Ausgangspunkt für eine Untersuchung sein, worin die Sinnstiftung dermilitärischen Motive für ein Publikum gelegen haben mag, das in seiner überwältigenden Mehrheit keine unmittelbare Einsicht in die soldatische Lebenswelt hatte.15 Die Suche nach den Adressaten anhand einer direkten Verbindung, oder sogar Gleichsetzung, von dargestellter und angesprochener Bevölkerungsgruppe verhindert die Beantwortung dieser Frage. Dieses Vorgehen vernachlässigt zudem potentielle Ambiguitäten in der Ausdeutung baulicher undkonzeptueller Versatzstücke des Forums. Zudem konnten nach ihrer jeweiligen lebensweltlichen Erfahrung verschiedene Betrachtergruppen durchaus divergierende Aussagen einunddesselben Komplexes undseiner Monumente wahrnehmen.
13 Siehe hierzu imKapitel zumPanegyricus denAbschnitt 3 „Traians militärische Imago“ . 14 Hierin liegt das Problem der Studie von LUMMEL 1991. Der Begriff der ‚Zielgruppe‘ wird unscharf verwendet, daer sowohl die imMedium dargestellte Gruppe, als auch die Adressatendieses Mediums bezeichnet; siehe etwa a.a.O. 148f. 15 Siehe hierzu auch denAbschnitt 6.4.3 „civilis miles –Die Imago des Bürgersoldaten“.
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DAS TRAIANSFORUM
Wiedies möglich sein konnte, soll imFolgenden erläutern werden. Zudiesem Zweck sollen zunächst architektonische Bestandteile undstädtebauliche Relevanz desimZentrum Roms neuentstanden Komplexes kurz vorgestellt werden.
3. BAULICHE BESTANDSAUFNAHME SINGULARIS SUB OMNI CAELO STRUCTURA1
Das Traiansforum liegt in der Senke zwischen Quirinal undCapitol undschließt den Komplex der Kaiserforen nach Nordwesten hin ab.2 Es ist die am spätesten erbaute und zugleich die größte der imperialen Platzanlagen im Zentrum der Stadt. Seine rund 310 m Länge und 188 m Breite lassen es fast ebenso viel Platz einnehmen wie die anderen Kaiserforen zusammen.3 Das Traiansforum richtete 1 2
3
Amm.Marc.16.10.15.
Zur baulichen Bestandsaufnahme des Traiansforums und zu den archäologischen Realien siehe besonders PACKER 1997b; zu der damit verbundenen Aussage der Monumente siehe nach wie vorauch ZANKER 1970. Bereits Domitian hatte amspäteren Ort desTraiansforums eine größere Anlage geplant. Darauf weisen einige verstreute Zeugnisse hin. So hebt etwa Aur.Vict. de Caes. 13.5 hervor, Traian habe zahlreiche vonDomitian begonnene Projekte beendet, unter anderem dasForum. Damit einher geht der Befund einer Mauer, welche Ziegelsteine aufweist, die Stempel aus 151. Diese Mauer ist abgebildet bei DARdomitianischer Zeit tragen; ANDERSON 1984, 148– 248 zu den vermeintlichen domitianiWALL-SMITH 1996, Abb.109; siehe DIES 1996, 240– schen Projekten, dieTraian beendet habe. Es scheint nicht plausibel, dass maneinen Haufen domitianischer Ziegelsteine über eine Dauer von 10 Jahren liegen gelassen hätte, umsie in traianischer Zeit zuverwenden. Es ist allerdings möglich, deren Wiederverwertung zuvermuten. Derarchäologische Befund deutet darauf hin, dass Domitian an diesem Ort bereits für ein größeres Projekt Vorarbeiten geleistet hatte. Das heißt nicht, dass schon Domitian an dieser Stelle ein solch großes Forum habe errichten wollen, wie Traian dies tat. Allerdings darf derUmfang desdomitianischen Projektes nicht zugering veranschlagt werden. Immerhin umfasste esjene Einebnungsarbeiten amSüdWest Hang des Quirinal, die nötig waren, um die erwähnte Mauer überhaupt errichten zu können.
243 weist zudem auf einen Marmorsteinbruch in Phrygien hin, aus demeinige jener Dakerstatuen stammen, dieaufdemTraiansfoum aufgestellt waren. Inschrif116. Die Arbeit begann dort ten datieren denHochbetrieb dieses Steinbruchs in die Jahre 107– jedoch schon im Jahre 92. Bereits Domitian nutzte also diesen Marmor. DARWALL-SMITH spekuliert, dass Traian auf Statuen zurückgegriffen habe, die schon Domitian für seinen Bau eines eigenen Forums hätte herstellen lassen. Diese Ansicht impliziert also, dass einwesentlicher Bestandteil der Forumskonzeption, nämlich die Verherrlichung der dakischen Kriege unddieAusstattung desForums mitdenStatuen dakischer Gefangener, bereits aufDomitian zurückgehen. Dies aber allein daraus zuschließen, dass der Steinbruch schon seit demJahre DARWALL-SMITH 1996,
92 ausgebeutet wurde, vermag nicht zuüberzeugen. MagDomitian auch Vorarbeiten –welchen Ausmaßes auch immer –für ein Forum geleistet haben, sollte es doch erst Traian und seiner immensen Dakerbeute vergönnt gewesen sein,
diese monumentale Anlage
zuerrichten.
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DAS TRAIANSFORUM
sich in seinen Achsen andenbisherigen Platzanlagen imStadtzentrum aus. Es lag im rechten Winkel zumForum Augustum undparallel zumForum lulium. Seine Mittelachse wardie direkte Verlängerung desflavischen Templum Pacis. DerBau der Anlage veränderte die topographischen Gegebenheiten der römischen Innenstadt ganz erheblich, dader Quirinalshügel durchbrochen undabgetragen werden
musste, umdas Forum auf das Marsfeld hin auszurichten. Planung undBau des Komplexes wurden nach dem Ende des zweiten Dakerkrieges im Jahre 106 vorangetrieben, undso konnten die Platzanlage des Forums unddie Basilica Ulpia bereits im Januar 112 der Öffentlichkeit zeremoniell übergeben werden, während die Säule erst imMai 113 geweiht wurde.4
Die Anlage bestand in derAntike ausmehreren, baulich voneinander differenzierten Teilen, die ein originäres Ensemble bildeten, welches in der Folgezeit in dieser Form nicht nachgeahmt wurde5: einem bebauten Bereich zwischen den Fora Augusti und Traiani, dem eigentlichen Forumsplatz mit seitlichen Portiken und Exedren, der Basilica Ulpia, der Traianssäule und den beiden Bibliotheksgebäuden.6 Die Existenz eines Tempels für den Divus Traianus und die Diva Plotina innerhalb des Forumareals war lange Zeit in der Forschung heftig umstritten. Während auch die aktuellen Grabungsbefunde keine zufriedenstellende Lösung des Gesamtproblems bieten können, wo genau dieser Tempel stand, ist mittlerweile jedoch sicher, dass er sich nicht an demfrüher angenommenen Ortbefand. Im Verlauf der vorliegenden Studie wird denn auch dafür plädiert werden, dass das Traiansforum –weder zu Lebzeiten des Princeps noch danach –zu seiner vollen Sinnentfaltung auf einen solchen Tempel angewiesen war. Stattdessen soll 4 5
6
Fasti Ostienses bei SMALLWOOD 1966, 32, Z.63, 66; DEGRASSI Inscr.Ital.XIII 1. 201, 203. KUHOFF 1993, 181. Die Existenz unddasAussehen desbebauten Bereiches zwischen Augustusforum undTraiansforum sind spätestens seit derVorabpublikation der Grabung von MENEGHINI 2001 gesichert.
3. BAULICHE BESTANDSAUFNAHME
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dafür eingetreten werden, dass der Tempel des Vergöttlichten Traian und der Vergöttlichten Plotina ein rein hadrianisches Bauwerk war, das nicht zum ursprünglich geplanten Forum gehörte undauch niemals dort gebaut wurde.7 Zunächst sollen diese Bestandteile des Forums in ihrer jeweiligen Gestalt knapp referiert werden, umeinen Eindruck vondemrein baulichen Erscheinungsbild der Anlage zu vermitteln. Dabei werden wir uns auf die Behandlung gesicherter Elemente beschränken, zumal die folgende Interpretation des Traiansforums undseiner Aussagen nicht von der Existenz des Tempels oder von der Art jenes Raumes zum Augustusforum hin abhängt. Am Ende des Kapitels werden wir sehen, dass sich alleine schon die unumstrittenen Bestandteile des Forums zu einer konsequenten Aussage verbanden. Zwar wird die Deutung einzelner Be-
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Die Existenz eines Tempels fürTraian undPlotina wird durch eine hadrianische Dedikationsinschrift bewiesen; CIL VI 966 = ILS 306. Sein Standort am –bisher dort postulierten – Kopfende des Forums in seinem Nord-Westen beruht jedoch auf bloßen Analogieschlüssen undVergleichen mitdenanderen imperialen Fora, für die sich dortjeweils ein Tempel nachweisen lässt. Zudem hat die lange Tradition vonAbbildungen desForumsgrundrisses mit dem Tempel längst schon ihre eigene Dynamik undsuggestive Kraft entwickelt. Solange jedoch die archäologischen Befunde keine eindeutigen Antworten zugeben vermögen, muss die Frageunbeantwortet bleiben, woimrömischen Stadtbild sich dieser Tempel befand. Der archäologische Befund konfrontiert den Betrachter mit zwei wesentlichen Problemen, nämlich der Gestaltung der beiden Zugänge vomAugustusforum undMarsfeld her undder fraglichen Existenz eines Forumstempels. Bereits ZANKER 1970, 537 wies darauf hin, dass die Grundrisse des nördlichen Bereichs des Traiansforums auf sämtlichen Plänen bis dato rein hypothetisch gewesen seien. Zugleich nahm er selbst an diesem Ortjedoch den Tempel an undbaute seine Interpretation der Gesamtanlage darauf auf. Er gewann diese Ansicht aus Fragmenten großer Säulen undKapitellen, die manin der Nähe gefunden hatte. Doch ZANKERS Aussage a.a.O., auch Gellius noct.Att.11.17.1 unddie SHA Hadr.19.9 bezeugten, dass Hadrian denTempel bei den Bibliotheken habe erbauen lassen, geht in dieser Form aus den genannten Quellen nicht hervor.
Die aktuellen Grabungen weisen darauf hin, dass die nord-westlich der Bibliotheken gefundenen Substruktionen zu gering scheinen, umeinen Podiumstempel gestützt zu haben; siehe etwa MENEGHINI 1998; vergleiche LAROCCA 2000. Stattdessen lassen dieimAreal hinter der Traianssäule gefundenen Fundamente undSäulen auf einen größeren Torbereich schließen. ZANKER 2000a undDAVIES 2000, 186, Anm. 50 weisen darauf hin, dass ein Zugang vom Marsfeld her denBetrachter zunächst mit der Säule konfrontiert hätte. Deren Dedikationsinschrift liegt aber vonhier ausnicht imBlickfeld. Dies impliziert, dass derBetrachter vonder Basilica her andie Säule heran treten sollte, unddass sich derHaupteingang zumForum nicht imNord-westen befand. Doch auch die Annahme, der Tempel habe sich womöglich amsüd-östlichen Ende des Forums befunden, lässt sich nicht aufrechterhalten. Noch MENEGHINI 1998 vermutete dort ein Bauwerk ähnlich dem nahe gelegenen Mars Ultor Tempel. Überzeugende archäologische Hinweise auf die für einen solchen Bau nötigen Fundamente blieben jedoch aus. Den Abschluss derPlatzanlage bildete eine gebogene unddurchgezogene Mauer; ein Podiumstempel stand dort jedenfalls nicht. Stattdessen wiesen neuere Grabungen im Bereich zwischen den Fora Traiani undAugusti einen bebauten Raum nach, dessen Zweck bislang nicht eindeutig geklärt werden konnte. Aufgrund dieser Befunde gelangte etwa ZANKER 2000a zu der Ansicht, dass derTempel desDivus Traianus undderDiva Plotina kein Teil derForumsanlage gewesen sei. Er vermutet denTempel stattdessen auf demMarsfeld in derNähe des Hadrianeums.
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DAS TRAIANSFORUM
standteile der Anlage und ihre Kombination untereinander große Relevanz besitzen, doch wird die Interpretation nicht voraussetzen, dass diese Bestandteile in einer bestimmten Abfolge betrachtet werden mussten, um eine sich steigernde Sinnentfaltung der Anlage für ihren Betrachter zu offenbaren.8 Es soll vielmehr versucht werden, dasForum als einen Ort darzustellen, dessen Publikum lediglich dort flanierte oder ihn als Stätte von Alltagsgeschäften nutzte, ohne die gesamte intendierte Programmatik jeweils systemisch undals idealtypische Sinnentfaltung wahrzunehmen. Im Vordergrund soll ein Betrachter stehen, dessen Assoziationen angesichts bestimmter baulicher oder konzeptueller Bestandteile des Komplexes hätten geweckt werden können, undder sich deren Umsetzung aus ihrer diachronen Herleitung aus Vorbildbauten oder aus ihrer synchronen Vernetzung mit anderen Medien dereigenen Zeit hätte erklären können.
Der Eingangsbereich, der von Südosten her den Zugang auf das Forum gewährte, bot einen Durchlass mit verkröpfter Säulenstellung unddarüber eine breite Attikazone.9 In Aedikulen auf beiden Seiten des zentralen Durchganges waren 8
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dominiert genau dieser Ansatz einer postulierten Sinnentfaltung. So lässt etwa ZANKER 1970, 539 denBetrachter seinen Wegnehmen vomTriumphbogen durch das Atrium Fori unddie Basilica, an der Säule vorbei zum Ende dieser Raumfolge, dem Tempel Traians mit einer Statue des Divus in der Tempelcella; dergleichen etwa KUHOFF 1993, 188f. undbesonders die Titel von J. PACKER zumTraiansforum. Sie betonen, dass ein Großteil des Sinngehaltes desForums sich erst ausdemBeschreiten dergesamten Raumfolge ergeben hätte. Nunmachen erst seit kurzem die Grabungsergebnisse dies unwahrscheinlich, indem sie auf das Fehlen des Tempels am bisher vermuteten Standort hinweisen und somit auf eine völlig andere räumliche Einteilung unddann wahrscheinlich auch andere räumliche Wahrnehmung desForums durch seine Betrachter. Doch setzten die oben genannten Interpretationen ohnehin einen (für denInterpretierenden) idealen Betrachter voraus, dereben diesen Weg durch die gesamte Anlage konsequent undbewusst hätte beschreiten müssen, umdie postulierten Steigerungen undihre Kulmination imTempel erkennen zukönnen. Es ist fraglich, ob manim Falle dieses Eingangsbereichs von einem monumentalen Bogen oder gar einem Triumphbogen sprechen sollte. Eine Ansicht dieses Bogens ist auf Münzen mitderBeischrift FORVM TRAIAN(i) dargestellt. Aufdiesen Stücken ist die Innenseite des Eingangsbereichs abgebildet, wie sie vom Forumsplatz her gesehen wurde. Nun ist der Durchlass auf allen diesen Münzen jedoch als derart klein wiedergegeben, dass dies die Bezeichnung als monumentaler Triumphbogen keinesfalls rechtfertigt. Stattdessen sollte diese Münzdarstellung in Analogie zu entsprechenden Abbildungen der Basilica Ulpia gesehen werden. Letzteres Münzbild ist imAbschnitt 6.3.2 „ Die Betonung desdynastischen Prinzips“ dieses Kapitels abgebildet. Siehe STRACK 1931, 202– 205, Nr.202, 210, 411, 424; 207, 216. Auf denDarstellungen beider Münzbilder sind die seitlichen Abschlüsse derBauwerke identisch, denn hier wie dort ist auf beiden Seiten des jeweiligen Eingangs noch eine kleinere Säule dargestellt. ImFall derBasilica Ulpia wissen wirsicher, dass hier nurderprominenteste Teil derFassade abgebildet war, nämlich derdreitorige Eingang, unddass die Architektur seitlich weiterlief, wasoffenbar durch diese kleinen Säulen dargestellt wurde. Wenn sich nun eben diese kleinen Säulen auch auf den Darstellungen des Eingangsbogens finden, heißt dies, dass auch hier die Architektur auf beiden Seiten weiterlief. Abgebildet ist also schlichtweg ein Stück prominenter Fassade mit verkröpfter Säulenstellung undeinem Durchlass, jedoch kein singuläres Bogenmonument. KUHOFF 1993, 305, Anm.494 weist, und dies prinzipiell zu Recht, auf die Schwierigkeiten derMethode hin, Bauwerke durch ihre Darstellung aufMünzen zurekonstruieren. Er erwähnt etwa denFall eines Augustusbogens, der auf Münzreversen mit einer Pferdequadriga, doch
In Teilen derForschung
3. BAULICHE BESTANDSAUFNAHME
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Statuen aufgestellt, die sich als gefesselte dakische Gefangene identifizieren lassich Imagines Clipeatae. Auf dem Eingang selbst waren Statuen aufgestellt. Zentrales Element dieser Gruppe scheint ein Triumphalgespann mit Pferden gewesen zusein, auf demderKaiser stand und von einer Victoria bekränzt wurde. Seitlich davon befanden sich noch weitere Statuen, deren Identifikation jedoch unsicher ist.11 Der Platzbereich des Forums wareine offene Fläche von 116 x 95 Metern, die auf allen Seiten vonhohen Mauern von der unmittelbaren städtischen Außenwelt abgeschlossen war.12 Inmitten des Atrium Fori, jedoch nicht im Zentrum des Platzes, sondern nach Süd-Osten 12 Meter hohe monumentale Reiterstatue des Kaisers, versetzt, erhob sich die 8– derEquus Traiani. Entlang der Längsseiten des offenen Platzareals verlief je eine Porticus mit einer tiefen Exedra. In der Attikazone der Portiken waren, wie auch in den Nischen des Eingangsbereichs, Statuen gefangener Daker aufgestellt. In den Zwischenräumen der Statuen waren Bildnisschilde ausgearbeitet. Über dieser Zone undauf demGebälk befanden sich Marmorbasen mit darin steckenden vergoldeten Legions- undKohortenzeichen.13 Mit diesen Signa wechselten Inschriften ab. Sie besagten, der Komplex sei ex manubiis errichtet worden, aus demVersteigerungserlös der Kriegsbeute.14 Quer über dem Platz lag die Basilica Ulpia, deren sen.10 Darüber befanden
bisweilen auch mit einer Elefantenbiga dargestellt wurde. Diese Gefahr der irreleitenden Beschreibung des Monumentes mit Hilfe eines anderen Mediums –hier derMünze –ist gerade in unserem Falle des Eingangsbogens groß, da der Darstellung zudem die Legende FORVM TRAIAN(i) imAbschnitt beigefügt war. Dies könnte denVerdacht aufwerfen, die Münzrückseite sei so schematisiert, dass eine Identifikation des Monumentes nurdurch die Kombination eines charakteristischen Visiotyps eines solchen Triumphbogens mit einer das Bauwerk konkretisierenden Umschrift möglich gewesen sein könnte. Dagegen spricht jedoch, dass derBogen auf denMünzen mit spezifischen baulichen Elementen abgebildet ist, die sich auch an den rekonstruierbaren anderen Monumenten des Forums nachweisen lassen. Denn in ähnlicher Weise waren auch die Portiken unddie Front derBasilica gegliedert. Es ist also durchaus möglich, dass die FORVM TRAIANI-Münzen ein typisches Abbild mitunzweifelhaftem Wiedererkennungswert darstellen, ohnejedoch ein exaktes Abbild des konkreten Monuments zubieten. Dafür spricht, dass dasGespann auf demBogen meistens mitsechs, manchmal jedoch nurmitvier Pferden abgebildet ist; siehe STRACK 1931, Nr.216, Taf.3; vergleiche dazu WOLTERS 1999a, 277. Diese Relativierung scheint mirjedoch nicht denDurchgang zubetreffen. 10 Dieser Statuentypus ist leicht nachvollziehbar zuerkennen anhand dertatsächlich gefundenen Statuen dakischer Gefangener mitihrem jeweils charakteristisch gesetzten Spielbein. 11 ZANKER 1970, 508 vermutet Tropaia undVictorien, dieweitere Tropaia trugen. 12 ZANKER 1970, 504f. 13 CILVI 2943. Die Abbildungen sind bei ZANKER 1970, 524f. zu sehen. 14 Dies wird durch bauliche Überreste und deren Beschreibung bei Gellius noct.Att.13.25.1 bestätigt: In fastigiis fori Traiani simulacra sunt sita circumundique inaurata equorum atque signorum militarium, subscriptumque est ex manubiis (vergleiche ZANKER 1970, 520f.). Zu
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DAS TRAIANSFORUM
Nord-Ost undSüd-West Seiten ebenfalls Exedren aufwiesen, die denen der Portiken in Lage und Proportion entsprachen. Die Basilica war mit ihrer Länge von 159 Metern undihrer Breite von55 Metern dergrößte Baudieser Art in derrömischen Welt.15 Vor denStufen des gewaltigen Gebäudes befanden sich Statuen des Kaisers, die von Senat und Volk dort aufgestellt worden waren. Das Dach der Eingangsseite der Basilica vom Forumsplatz her war mit Victorien, Zweigespannen und Quadrigen geschmückt.16 Ihre Attikazone war wohl ähnlich differenziert wie die derPortiken. Wiederum waren Dakerstatuen undmilitärische Feldzeichen aufgestellt. An die Nord-West Seite der Basilica schlossen die beiden Bibliotheksgebäude an; wahrscheinlich je ein Gebäude für die griechische unddie lateinische Literatur.17 Zwischen den Bibliotheken befand sich die 40 Meter hohe Traianssäule mit ihrem 200 Meter langen Friesband, welches Szenen aus dentraianischen Dakerkriegen abbildete. Die Säule trug eine Statue des Kaisers, der im Panzer mit Speer undGlobus dargestellt war.18 In der Säulenbasis befand sich der Raum, in dem die Urne des Kaisers beigesetzt war. Von hier aus erschloss sich der Zutritt zu einer Plattform unterhalb der Statue, hoch über demBoden. Von hier aus waren die strahlenden Bronzedächer der Forumsbauten unddie Traiansmärkte zubewundern.19 Verschiedene architektonische Elemente des Forums waren schon lange vor ihrer Einweihung auf Münzen dargestellt worden.20 Es handelt sich umBilder der Basilica Ulpia, des Equus Traiani, der Traianssäule und des monumentalen Eingangsbereichs. Münzen mit der Basilica und der Säule wurden bereits während des fünften Konsulates emittiert, das heißt, vor demJahre 112 undsomit noch in der Phase ihres Baus. Während des sechsten Konsulates wurden dann Bilder dieser Bestandteile des Forums in allen Nominalen massenhaft emittiert. Die Columna Traiana ist der einzige dieser Forumsbauten, dessen Bild noch in denEmissionen vomSommer 114 bis Winter 115/116 geprägt wurde. In dieser Zeit stand die Säule also bildlich stellvertretend für den Gesamtkomplex. Dies spricht für die besondere Prominenz, die sie vor allen anderen Monumenten des Forums besaß
derBedeutung dieser Finanzierung desForums siehe denAbschnitt 6.4.2 „ ex manubiis –Die Popularisierung derDakersiege“ . 15 KOLB 1995, 389. 16 Siehe hierzu die Rekonstruktion bei PACKER 1992, 160. 17
Zur Bibliotheca Ulpia siehe MENEGHINI 2002.
18 Dies ist auf Münzen deutlich zuerkennen; siehe etwa STRACK 1931, 205f. 19 Pausanias 5.12.6; 10.5.11 hebt die Bronzedächer desForums hervor. Er nennt die Anlage ein . Wunder wegen ihrer Größe undGestaltung undnennt siepauschal „ dasrömische Forum“ 20 Siehe STRACK 1931, 202– 207, Nr. 197, Taf.3 und 10; Nr. 226, 234, Taf.10; Nr. 388, Taf.6; Nr. 433, Taf.8; Nr. 452, 457. –Die Abbildung eines Münzbilds des traianischen Reiterstandbilds findet sich in diesem Kapitel im Abschnitt 6.2.3 „Equus Traiani –stabulum tale condi iubeto, si vales“ , eine Münzabbildung der Basilica Ulpia befindet sich in diesem Kapitel im Abschnitt 6.3.2 „ Die Betonung desdynastischen Prinzips“ .
3. BAULICHE BESTANDSAUFNAHME
315
undbezeugt ihre nachhaltige Funktion als repräsentativer Sinnträger der Aussage des gesamten Forums. Die Auswahl der Bauten für diese Münzbilder lässt erkennen, dass die Aussage des Forums vornehmlich auf seine militärische Komponente verkürzt wurde. Gerade die Darstellung der Basilica betonte deren Statuenschmuck aus Quadriga, Trophäen, Waffenträgern und Victorien. So wurde auch der Betrachter der Münzen außerhalb Roms mit dieser militärisch geprägten Ikonographie ziviler Nutzbauten vertraut gemacht. Mithilfe dieser massenhaft emittierten Münzen wurde die Aussagenvielfalt des Forums in ganz charakteristischer Weise kanalisiert.
4. DIE STÄDTEBAULICHE RELEVANZ DES FORUMS Das Traiansforum verlangt bereits wegen seiner städtebaulichen Relevanz besondere Aufmerksamkeit im Rahmen der Herrschaftsdarstellung Traians, denn sein Bau ist untrennbar mit denanderen Großprojekten dieser Zeit verbunden, vor allem mit den Traiansmärkten und den Traiansthermen. Diese Komplexe bildeten zusammen ein bauliches Ensemble, welches das Zentrum Roms in großdimensionierten Ausmaßen veränderte undsich mit anderen Orten des städtischen Lebens als ein harmonisches Netz öffentlicher Räume präsentierte. Durch das Abtragen des Hügelsattels zwischen Quirinal undArx wurden neue Verkehrswege eröffnet.1 So bot die Straße südlich des Forums nun eine ebenerdige Passage, welche die vorhandenen Foren im repräsentativen Stadtzentrum mit demMarsfeld verband. Trotz dieser Abkürzung musste der Passant bei der Durchquerung des Zentrums allerdings einen Umweg über diePortiken desTraiansforums in Kauf nehmen, da der direkte Wegüber das Atrium Fori von der querliegenden Basilica verwehrt wurde.2 Die Anlage gewährte also eine Erleichterung undAbkürzung des Weges, sie zog denFlaneur jedoch zugleich auf ihr Areal. Der Durchgangsverkehr wurde vomgroßzügigen Raum desForums zumVerweilen eingeladen. Das Forum überschritt auch, wersich vomMarsfeld ausüber das Stadtzentrum hinaus zumColosseum oder zudenTraiansthermen begab. Diese Thermen waren auf denResten derDomus Aurea gebaut, jener Palastanlage, die Nero gebaut hatte, indem er teilweise auch Privatbesitz enteignet und öffentlichen Raum okkupiert hatte.3 Die Domus Aurea war bei einem Brand des Jahres 104 in großen Teilen zerstört worden, so dass Traian in derFolge die Reste des unteren Stockwerkes am Mons Oppius als terrassierten Unterbau für seine Thermenanlage benutzen konnte.4 Bereits im Jahre 109 ließ Traian hier ein zehn Hektar großes Areal mit Badegebäuden und Parkanlagen eröffnen.5 Der Umbau warnicht nurarchitektonischer Art. Auch der Symbolcharakter derHandlung war groß. Denn der Kaiser hatte einen Palast, der als Manifestation der Tyrannenimago Neros galt, in einen baulichen Beweis seiner herrscherlichen Freigebigkeit verwandelt. Eine einst allein demDespoten vorbehaltene Fläche war als nunallgemein nutzbarer Raum der Öffentlichkeit übergeben worden. Die Verbindung 1 2 3
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Die ursprüngliche Höhe desabgetragenen Sattels wurde vonderHöhe derTraianssäule angezeigt. So besagt es die Inschrift des Sockels der Säule; CILVI 960 = ILS 294. KOLB 1995, 377. DARWALL-SMITH 1996, 36ff. Abbildung bei BENNETT 1997, 150f. Darauf weisen Ziegelstempel hin; LEPPER/FRERE 1988, 236ff.; vergleiche SMALLWOOD 1966, Nr.22, Z.10f. Zudiesem Bauabschnitt gehörte auch derBaudesLudus Magnus unddesLudusDacicus.
4. DIE STÄDTEBAULICHE RELEVANZ DES FORUMS
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aus städtebaulichem Nutzen undDemonstration kaiserlicher Tugenden bestimmte denWert dieses Projektes. Gleichzeitig mit dem Forum wurden die Traiansmärkte geplant. Deren Konstruktion war eng mit der städtebaulichen Aufwertung verbunden, welche das Stadtzentrum durch denBau des Forums erhielt, da die fünf Stufen der terrassenförmig angelegten Märkte zunächst einmal die Flanke des abgetragenen Quirinal abstützten. Auf demSattel zwischen Capitol undQuirinal waren seit republikanischer Zeit zahlreiche Ladengeschäfte angesiedelt gewesen. Diese wurden durch die Einebnung der Landschaft für denForumsbau abgerissen. Doch mit denTraiansmärkten erhielt die Innenstadt zusätzlichen Raum für eine große Zahl neuer Ladengeschäfte für ständigen Verkauf undeine großräumige Markthalle für das wechselnde Angebot.6 Insgesamt wurde der Anteil an Verkaufsflächen in der römischen Innenstadt konzentriert underheblich gesteigert. Die neu erbauten Straßen nördlich des Forums gewährten den Bewohnern der Subura nun durch die Traiansmärkte dendirekten Zugang zumMarsfeld. Wie schon imFalle derPassage südlich desForums, magauch hier die Versuchung für denDurchgangsverkehr groß gewesen sein, inmitten derAnlage undihrer Geschäfte zuverweilen. Im Schnittpunkt all dieser Achsen befand sich die monumentale Manifestation der traianischen Herrschaft. Das Forum und sein Umfeld waren also Teil eines Programms wesentlicher Verbesserungen in infrastruktureller Hinsicht. Zumersten Male waren zentrale öffentliche Räume direkt und komfortabel miteinander verbunden. Kaiserliche Programmatik und alltägliche Nutzung des prächtig gestalteten öffentlichen Raumes undseiner Bauten griffen hier direkt ineinander. Das entstandene Stadtbild warProgramm.7
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Durch denStadtausbau dervorherigen Jahrzehnte hatten sichjene Geschäftsanlagen, die sich imBereich des Argiletum befunden hatten, auch auf demCaelius unddemEsquilin angesie380. delt. ZudenMärkten unddenThermen desTraian siehe KOLB 1995, 377– Zu einer konzisen Darbietung des traianischen Bauprogramms in Rom siehe NÜNNERICHASMUS 2002 b. Eine Einführung in dietraianischen Staatsreliefs bietet HÖLSCHER 2002.
5. ARCHITEKTONISCHE ZITATE UNDDIE FRAGE DER NUTZUNG Anders als die militärische Ikonographie des Traiansforum mit seinen Triumphbögen, Feldzeichen undTrophäen es vermuten lassen könnte, fanden hier weder zu Lebzeiten Traians, noch in den Jahren danach militärisch geprägte Veranstaltungen statt. DasForum warein rein zivil genutzter Ort, derprivaten undöffentlichen Beschäftigungen Platz bot sowie repräsentativen Akten einen Vollzugsrahmen bereitstellte. Seine Nutzung war vielfältig, da sich der Komplex rasch zu einem der wichtigsten offiziellen Zentren der Stadt entwickelte.1 Hadrian verbrannte hier Schuldtafeln,2 undAurelian vernichtete öffentliche Aufzeichnungen.3 Hier versteigerte Marc Aurel kaiserlichen Besitz, umseine Kriege zufinanzieren,4 und Commodus verteilte Congiaria.5 Hier hinterlegten Senatoren ihre Wertgegenstände, und Prozesse wurden öffentlich geführt. Neue Gesetze wurden hier ausgestellt.6 Auf dem Platzareal konnten sich große Menschenmassen versammeln, etwa für Zeremonien mit dem anwesenden Kaiser. Hier wurden Sklaven freigelassen, hier wurden die öffentlichen Bibliotheken konsultiert. Außerdem verlief der Durchgangsverkehr für Passanten zwischen Stadtzentrum und Marsfeld über die Anlage. Der Komplex sprach also diverse Gruppen mit ihren unterschiedlichen Interessen an.7 Die Anlage war ein in sich abgeschlossener Baukomplex, dessen Eigenständigkeit im Stadtbild ringsum durch hohe Mauern betont wurde. Somit war die
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166, 177; KÖB2000. 1984, 162– SHA Hadr.7.6; CILVI 967. SHA Aurelian 39.3. SHA Marcus 17.4f.: Cumautem ad hoc bellum omne aerarium exhausisset suum neque in animum induceret, ut extra ordinem provincialibus aliquid imperaret, in foro divi Traiani aucANDERSON
tionem ornamentorum imperialium fecit vendiditque aurea pocula et cristallina et murrina, vasa etiam regia et vestem uxoriam sericam et auratam, gemmas quin etiam, quas multas in repostorio sanctiore Hadriani reppererat. Et per duos quidem menses haec venditio celebrata est, tantumque auri redactum, ut reliquias belli Marcomannici ex sententia persecutus postea dederit potestatem emptoribus, ut, si qui vellet empta reddere atque aurum recipere, sciret licere. A.a.O. 21.9: Et, ne provincialibus esset molestus, auctionem rerum aulicarum, ut diximus, fecit in foro divi Traiani, in quapraeter vestes et pocula et vasa aurea etiam signa cumtabulis magnorum artificum vendidit. SHA Comm. 2.1: adhuc in praetexta puerili congiarium dedit atque ipse in basilica Traiani praesedit.
240. 2000, 128, 220, Anm. 47 nennt Schol.Juv.163f.; Gellius noct.Att.13.25.2; Cod.Theod.14.2.1; Novell.Valent.19.4; 21.1.7; 21.2.6; 23.9; 27.8; 31.7M; SHA Comm.2.1; Sid.Apoll.carm.2.544f.; vergleiche PACKER 1995. PLATNER/ASHBY 1929,
DAVIES
5. ARCHITEKTONISCHE ZITATE UNDDIE FRAGE DER NUTZUNG
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Wahrnehmung der architektonisch differenzierten Bestandteile des Forums von innen heraus als bauliches undkonzeptuelles Ganzes gewährleistet. Auch die Abschottung nach außen vermittelte den Betrachtern die Homogenität der Anlage. Doch die baulichen Komponenten desForums sprachen nunkeineswegs eine einheitliche Sprache. Stattdessen waren die Monumente in verschiedener Hinsicht bewusste Zitate von architektonisch undkonzeptuell untereinander sehr divergierenden Vorbildbauten. So lässt sich für das scheinbar so einheitliche Ganze eine deutliche Vielschichtigkeit seines Sinngehaltes feststellen. Zunächst sollen nun diejenigen Bauten vorgestellt werden, denen das Traiansforum größere architektonische Formenzitate verdankte, wenn es etwa deren Grundrisse oder Teile davon in seine Gestalt übernahm. Besonderes Augenmerk soll demZusammenspiel von architektonischem Rahmen undNutzung derjeweiligen Anlagen gewidmet werden. Als Beispiele sollen die zeitgenössische Feldlagerarchitektur betrachtet werden, dasTemplum Pacis unddasAugustusforum.
5.1. DIE FELDLAGER-ARCHITEKTUR Das Forum Traiani ZANKER
wurde von einer militärischen Ikonographie dominiert. PAUL wies überzeugend nach, dass der Grundriss des Traiansforums der zeit-
genössischen Feldlager-Architektur ähnelte.8 Der Architekt des Forums, Apollodoros vonDamaskus, warals Militärbaumeister mit dieser Formsprache wohlvertraut.9 Darüber hinaus jedoch konnte ZANKER deutlich machen, dass neben der architektonischen gerade auch eine konzeptuelle Affinität zwischen Forum und Feldlager-Architektur bestand. Diese Ähnlichkeit ließ den Betrachter einzelne bauliche Bestandteile des Forums auch jenseits ihres rein werkimmanenten Zusammenspiels wahrnehmen. Auf diese Weise erhielten innovative Bauteile durch ihren Vergleich mit Elementen eines Feldlagers zusätzliche Sinnfacetten. So hatte etwa die Basilica, welche den Forumsplatz quer liegend abschloss, kein Vorbild auf den bisherigen Kaiserforen. Deren Platzanlagen wurden jeweils von einem Tempel abgeschlossen. Stattdessen erinnerte die Basilica mit ihrer Lage im Forumsgrundriss an die ihr entsprechende Position einer Lagerbasilica. Den Bibliotheksgebäuden auf beiden Seiten der Säule entsprach die Lage des Legionsarchivs. In der Bibliothek des Forums befanden sich sowohl ein Archiv für Staats8
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ZANKER 1970, 505f., der sich hierbei auf RODENWALDT 1926, 338f. bezog. Prokop de aedif.4.6.13 bezeugt, dass Apollodor der verantwortliche Architekt jener Brücke bei Debrecen über die Donau war, die vonCassius Dio 68.13 ausführlich beschrieben ist. Eine Reflexion dieser Brücke findet sich auch bei Plinius ep.8.4.2. Das Bauwerk ist natürlich auch auf der Traianssäule selbst dargestellt; siehe CICHORIUS 101; LEHMANN-HARTLEBEN civilis miles –Die Imago desBürgersolda1926, Tafel 45. Siehe hierzu denAbschnitt 6.5.3 „ ten“ . Laut Cassius Dio 69.4.1 erbaute Apollodor für Traian neben demForum undanderem auchnoch einOdeion undeinGymnasion inRom.
320
DAS TRAIANSFORUM
als wahrscheinlich auch die traianischen Commentarii der Dakerkriege, die ihre bildliche Umsetzung im Reliefband der Säule fanden. Die Traianssäule hatte ihr Vorbild in demFahnenheiligtum derPrincipia, wodie Signa untergebracht waren undderKaiserkult praktiziert wurde.10 Die Form der Säule erinnerte mit ihrem lorbeerumkränzten Schaft unddenAdlern, die auf der Basis saßen und mit Tainien umwundene Girlanden in denKlauen trugen, an ein Feldzeichen. Die Basis mit ihren präzisen Darstellungen dakischer undroxolanischer Waffen konnte zudem als ein aufgeschütteter Waffenhaufen gesehen werden.11 Außerdem war die Säule das Urnengrab Traians –der Ort, an demder Divus Traianus inmitten seines monumentalisierten Leistungsberichts verehrt wurde. Die Säule besaß also durch ihr Aussehen und durch ihre Sinnenfaltung nach der Beisetzung Traians eine zweifach fundierte Affinität zu einem Fahnenheiligtum. Mit demZitat dermilitärischen Architektur korrespondierte die bildliche und statuarische Ausschmückung desForums. Zahlreiche Standbilder gefangener Daker verwiesen auf die unterworfene Völkerschaft. Ihr Bezwinger warderKaiser, der selbst mit vielen Statuen in den Portiken undihren Exedren sowie vor der Eingangsfront derBasilica Ulpia undin ihrem Inneren dargestellt war. DieReliefs des Großen Traianischen Frieses und der Säule berichteten von seinem Ruhm. Traians triumphatorischer Habitus aber fand seinen krönenden Abschluss in der Panzerstatue auf der Säule, mit der er sein Areal überragte. Breiter Raum wurde auch der Darstellung seines Heeres eingeräumt, das auf den Reliefs am Ruhme des Kaisers beteiligt wurde. Die einzelnen Einheiten fanden separate Erwähnung in derForm ihrer vergoldeten Feldzeichen, die auf denDächern derGebäude aufgestellt waren. Mit diesen Erkenntnissen konnte ZANKER in seiner Deutung des Traiansforums konsequent darlegen, „dass Traian mitten in der Stadt eine Artvon steinernem Heerlager hatte aufschlagen lassen“ .12Die Kritik an dieser Interpretation erbrachte zu Recht den Nachweis, dass Foren mit querliegender Basilica längst schon zu Beginn des 2. Jahrhunderts in provinzialen Städten erbaut worden waren.13 Der Schluss, dass das Traiansforum unmittelbar aus der militärischen Architektur hervorgegangen sei, schien also keinesfalls mehr zwingend. Hatte das hauptstädtische Forum seine Vorbilder gar in Baukomplexen der Provinzen? Diesem Verdacht ist eines entgegenzuhalten: Nicht allein der Grundriss des Forums ließ das Vorbild erkennen. Tatsächlich betonte vor allem auch die kriegerische Ikonographie des Traiansforums die konzeptuelle Affinität zur militärischen Architektur. Das „steinerne Heerlager in der Stadt“erinnerte viel eher daran als an die zivilen Foren in der Provinz.14 Grundsätzliche Erkenntnisse ZANKERS waren dokumente
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1970, 506, 533. 1970, 524 mitdendazugehörigen Abbildungen. ZANKER 1970, 506. 13 TRUNK 1993; VON HESBERG 1999; vergleiche SCHALLES 1992; ZANKER 2000b. –Siehe zur römischen Militärarchitektur generell JOHNSON 1987. 14 So waren auch provinziale Foren aus Feldlagern hervorgegangen, deren Grundrisse undarZANKER
ZANKER
chitektonische Konventionen sich noch in den entstehenden Städten wieder fanden. So ließe sich also davon sprechen, dass provinziale Foren unddas Traiansforum ein gemeinsames
Vorbild besaßen.
5. ARCHITEKTONISCHE ZITATE UNDDIE FRAGE DER NUTZUNG
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also in keiner Weise entwertet. Für Romwardiese Art des architektonischen Anklangs völlig neuartig. In der Hauptstadt besaßen Foren einen Tempel an ihrer Schmalseite undauf ihnen waren in keiner auch nur annähernden Dichte Waffen, Kriegstaten undUnterworfene abgebildet. Traians Bruch mit den etablierten baulichen Konventionen warbedeutsam. Eine baulich-konzeptuelle Erklärung hierfür
bot die Feldlagerarchitektur. Doch bereits ZANKER musste sich selbst zweifelnd fragen, ob diese bauliche und konzeptuelle Ähnlichkeit des Forums mit der militärischen Nutzarchitektur denzeitgenössischen Betrachtern beim Durchschreiten dereinzelnen Bestandteile der Anlage derart deutlich gewesen sein könne. Ihre Nutzung unterschied sich natürlich ganz erheblich vom Leben in den Castra. Die Betonung des militärischen Elements auf demForum warinsgesamt durch die Verdichtung derentsprechenden Ikonographie völlig offensichtlich. Aber das Erkennen nicht nur des architektonischen Zitats, sondern besonders der damit verbundenen konzeptuellen Anspielungen, etwa, dass die Position der Säule mit der Position des Fahnenheiligtums als Ort des Kaiserkultes korrespondierte, setzte eine tiefere Vertrautheit mit militärischer Architektur undderen Funktionen voraus. Über eine solche verfügten die stadtrömischen Betrachter wohl kaum, die in ihrer Mehrzahl über keine eigene Erfahrung mit der Lebenswelt der Legionäre in den Provinzen besaßen. Immerhin bildeten diese Zivilisten aber denprimären Adressatenkreis der Monumente und waren deren beinahe ausschließliche Nutzer. Doch der monumentale Komplex besaß eben nur in einigen seiner Bestandteile Ähnlichkeit mit der zeitgenössischen Feldlagerararchitektur. Sie warnureine der Facetten der architektonischen undkonzeptuellen Herleitung des Forums. Tatsächlich besaß die Anlage noch andere architektonische Vorbilder, etwa dasTemplum Pacis unddasAugustusforum, die sich im Kern ihrer Aussage vonder Feldlager-Architektur ganz erheblich unterschieden. Doch erst aus der Ausdrucksvielfalt seiner Vorbilder lässt sich die Polysemie des Traiansforums verstehen, welches all diese unterschiedlichen, undsogar divergierenden, Gedanken in seiner Gestalt undKonzeption vereinte. Das Traiansforum warnämlich neben seinen Anklängen an die zeitgenössische Feldlagerarchitektur zugleich die bauliche Umsetzung des Friedens, einer Segnung, dieTraian fürdieRes Publica in denDakerkriegen erkämpft habe.
5.2. DAS TEMPLUM PACIS Das Forum Traiani stellte in verschiedener Hinsicht ein Zitat des nahegelegenen Templum Pacis dar. Dieses befand sich vom Traiansforum aus gesehen jenseits des Augustusforum unddes Forum Transitorium aufjenem Gelände, dasnördlich
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DAS TRAIANSFORUM
der Basilica Aemilia im Jahre 64 abgebrannt war.15 Vespasian hatte im Jahre 71 mit demBau eines Tempels für den Frieden begonnen undhatte diesen unddas ihn großzügig umgebende Areal im Jahre 75 fertiggestellt. Zujenem Zeitpunkt hatte die Anlage keine direkte Verbindung zu demunweit gelegenen Forum Romanum oder zu den Foren des Divus Iulius unddes Divus Augustus. Von diesen war es durch das Argiletum getrennt. Erst mit demForum Transitorium, welches diese Durchgangsstraße monumental ausbaute, erfolgte die bauliche undkonzeptuelle Verbindung mit dem Areal der Kaiserforen. Obwohl seine Funktion nicht diejuristischen undverwaltungstechnischen Aspekte der beiden iulischen Foren umfasste undebenso wenig in seiner Nutzung demForum Transitorium oder gar demForum Romanum entsprach, stellte das Templum Pacis spätestens nach dieser baulichen Anbindung einen räumlichen Teil der Kaiserforen dar. Die Anlage stellte mit ihren Ausmaßen von 110x135 Metern freier Fläche, die zumAufenthalt der Besucher einluden, eine Besonderheit gegenüber den bisherigen Forumsbautendar, deren offenes Platzareal durch diejeweils verhältnismäßig großen Tempel erheblich eingeschränkt wurde. Das Templum Pacis war konzipiert als ein öffentlicher Platz mit einer Reihe von Gebäuden an seiner süd-östlichen Querseite. Einer dieser Räume war der eigentliche Tempel, welcher der Pax gewidmet war; in einem anderen wardie Forma Urbis untergebracht. Nach dem Ende der Bürgerkriege der Jahre 68/69 erinnerte die Stiftung eines Areals fürdenFrieden aneinen programmatisch ähnlichen AktdesAugustus. Schließlich hatte dieser ebenfalls nach denvonihmbeendeten Bürgerkriegen demneuen Frieden einen Ort eingerichtet, die AraPacis. Die Anklänge andenersten Princeps reichen aber noch weiter. DasAugustusforum hatte dem Sieg gegen die inneren unddie äußeren Feinde ein Denkmal gesetzt. Der Mars Ultor Tempel warursprünglich vor der Schlacht vonPhilippi gegen die Caesarmörder gelobt worden.16 Er waralso zunächst eine Erinnerung an die siegreiche Beendigung derBürgerkriege gewesen. Erst später wurde dasBauwerk zusätzlich semantisiert durch die intensiv propagierte Rückgewinnung jener Feldzeichen, die Crassus andieParther verloren hatte. Sie waren imTempel ausgestellt. Neben das Motiv derRache des Sohnes andenMördern desVaters ausPietas trat dasMotiv, eine Schmach des römischen Volkes gegen einen auswärtigen Feind getilgt zu haben. In den Portiken des Templum Pacis hatten die Spolien aus dem Iudaeischen Krieg ihren Platz. Sie waren die augenfälligen Nachweise des flavischen Sieges über den äußeren Feind. Dem Sieg über den inneren Feind setzte das Templum Pacis nicht ausdrücklich ein Denkmal, denn im Jahre 68/69 hatten Bürger gegen Bürger gekämpft. Eine triumphierende Erinnerung daran verbat sich. So wurde als Anlass für den Beginn der Baumaßnahmen der Triumph über die Iudaeer gewählt.17 Außerdem hatte Vespasian nach diesem Sieg auch endlich über
15 Siehe hierzu in konziser Form KOLB 1995, 387f.; ausführlicher ANDERSON 1984. DerGrundriss dieses Komplexes ist auf der Forma Urbis erhalten. Die literarischen Quellenaussagen zumTemplum Pacis sind von geringem Umfang. Sie beinhalten Sueton.Vesp.9.1; Flav.Ios. b.J.7.5.7; Gellius noct.Att.5.21.9; 16.8.2; Plin.nat.hist.12.94; 34.84; 35.105f., 109. 16 Suet.Aug.29.1. 17 So verbreitete es auch die zeitgenössische Literatur; Flav.Ios.b.J.7.5.7.
5. ARCHITEKTONISCHE ZITATE UNDDIE FRAGE DER NUTZUNG
323
die notwendigen Mittel verfügt, um solche Monumente finanzieren zu können. Wahrscheinlich war das Forum ex manubiis finanziert, aus dem Erlös der Kriegsbeute, wie schon dasAugustusforum vor ihmunddas Traiansforum danach.18 Doch der flavische Komplex betonte durchaus denBruch mit derunmittelbaren Vergangenheit zum Nutzen des römischen Volkes. Vespasian hatte nämlich Statuen undEinrichtungsteile aus der Domus Aurea Neros entfernen lassen.19 Auf seinem Forum gab er sie der Öffentlichkeit nicht allein symbolisch zurück. Der Kaiser ließ das Volk anjenen Reichtümern undKunstgegenständen teilhaben, die ihmbisher vorenthalten worden waren. Nero hatte demVolk Kunstwerke entzogen, umsie für seine private Betrachtung zu reservieren. Durch die erneute Ausstellung dieser exklusiven Gegenstände in einem neu geschaffenen öffentlichen Raum demonstrierte Vespasian seine Liberalitas gegenüber demVolk.20 Auf diese Weise hatte er die unter Nero in dieser Hinsicht gestörte Kommunikation zwischen Herrscher und stadtrömischer Bevölkerung wiederhergestellt. Vespasian konnte sich also rühmen, den prekären Konsens zwischen Kaiser und Plebs, der unter Nero undwährend der Usurpationen aus dem Gleichgewicht geraten war, endlich wieder gefestigt zuhaben. Umsich aber vonderVergangenheit abzugrenzen undseine Herrschaft aus dieser Abgrenzung zu rechtfertigen, konnte sich der Kaiser in seinen Monumenten nicht auf die Zeit derBürgerkriege beziehen. Daher hob er denKontrast zu Nero stärker hervor. In dieser Hinsicht war das Templum Pacis eben nicht allein ein Monument des äußeren, sondern auch des inneren Friedens. Doch anders als auf demAugustusforum war der kultische Mittelpunkt hier eben nicht die Verehrung desMars, sondern die Segnungen derPax.21 Vespasian hatte es vermieden, im Templum Pacis eine genealogische Anbindung an etwaige Stammgottheiten seiner Familie herzustellen, wie Caesar sie mit dem Venustempel und Augustus mit dem Marstempel betont hatten. Vespasian verzichtete darauf, einzig seine persönliche Leistung für den Staat darzustellen undein bloßes Monument seiner Virtus zu errichten. Er betonte auch nicht etwa die Perspektive einer dynastischen Fortsetzung seiner eigenen Herrschaft. Proklamiert wurde stattdessen der Frieden. Er sollte vomPublikum des Areals in einerAtmosphäre vonPortiken undBlumenbeeten, Wasserspielen undBibliotheken 1995 vermutet für das Templum Pacis eine solche Finanzierung ex manubiis, da Flav.Ios. b.J.7.5.7 betont, es sei zur Feier des Sieges über die ludaeer errichtet worden. Zudemhabe der Friedenstempel zwischen Mars Ultor Tempel undColosseum gelegen. Diese beiden Monumente waren ausdenErlösen derBeute finanziert wurden, wieRGDA21 fürden Marstempel undALFÖLDY a.a.O. für das Colosseum nachweist. –Siehe hierzu auch denAb. schnitt 6.4.2 „ exmanubiis –Die Popularisierung derDakersiege“ 19 ZANKER 1997, 18 mit Hinweis auf R.A. STUCKY: Rückgriffe in derKunst der mittleren Kai41. serzeit; in: Hefte desArchäologischen Seminars derUniversität Bern 11(1986), 27– 80, sowie 20 Zu der Verpflichtung des römischen Kaisers zur Liberalitas siehe FLAIG 1992, 75– KLOFT 1977 undSTYLOW 1972; zur Umsetzung kaiserlicher Liberalitas in Bauten siehe vor 546 undZANKER 1997. –Siehe hierzu im Kapitel zu denRestitutiallem VEYNE 1994, 543– . onsmünzen denAbschnitt 7 „ Libertas“ 21 In densüd-östlichen Räumen des Templum Pacis warauch die flavische Version derForma Urbis angebracht. Auch in dieser Ausstellung deshauptstädtischen Stadtplans lag eine wichtige Funktion desBaukomplexes.
18
ALFÖLDY
324
DAS TRAIANSFORUM
genossen werden.22 Im Bereich des Templum Pacis fanden –anders als etwa auf demAugustusforum –keine juristischen oder administrativen Tätigkeiten statt, es wurden dort auch keine Staatsakte vollzogen. Das Templum Pacis stellte in seiner baulichen und konzeptuellen Gestaltung sowie seiner anschließenden Nutzung eine Mischung ausTriumphalmonument undFriedensmonument dar.23 DasForum
den wiederhergestellten Konsens zwischen Kaiser, Senat undVolk. Da derSieg desKaisers imKrieg gegen dieIudaeer manifest geworden war, umfasste dieser Konsens auch das Militär. Die Verbindung lag in der Virtus des Siegers Vespasian, der den Krieg beendet hatte undnun auch demrömischen Volk die Früchte des Krieges in Form der Segnungen des Friedens in reiner, baulich erfahrbarer undbegehbarer Form zurückgegeben hatte. In dieser Hinsicht stellte das Templum Pacis ein bewusstes Gegenstück zumAugustusforum dar. DasTraiansforum verwendete einige Facetten dieses Baukomplexes, architektonisch undkonzeptuell. So setzte es in seiner Ost-West Ausdehnung exakt das
betonte
Templum Pacis fort, was allerdings auch durch die städtebaulichen und topographischen Vorgaben bedingt war.24 Auch entsprachen sich in etwa die Innenmaße der beiden Platzareale. Vor allem jedoch korrespondierten die beiden Foren in ihrer jeweiligen Nutzung. Sie dienten nämlich vornehmlich dem Aufenthalt der Bürger und deren alltäglichen Verrichtungen.25 Doch die jeweils anvisierte Nutzung der Anlagen fand in einem ganz unterschiedlichen Kontext statt. Konzeptuell korrespondieren beide Foren in der Hinsicht, dass auf ihnen erlebbar Frieden umgesetzt wurde. Die Bauherren wählten hierfür jedoch einen divergierenden Darstellungsmodus. Das Templum Pacis prononcierte die Segnungen des außenpolitischen Friedens durch die dargebotenen Spolien desIudaeischen Krieges. Die Statuen aus der ehemaligen Domus Aurea betonten zudem den friedensgleichen Konsens innerhalb der Res Publica. Das Traiansforum pointierte in ähnlicher Weise den siegreichen Abschluss der Dakerkriege durch seine massierte militärisch geprägte Bildersprache. Der Komplex akzentuierte jedoch in seiner baulichen Gestalt viel weniger deutlich die Segnungen, sondern vielmehr die Ursachen des Friedens. Er monumentalisierte die Virtus des Siegers undseines Heeres. Es wird noch deutlicher zuzeigen sein, dass auch das m ein Ort des Konsenses zwischen Kaiser, Militär undZivilbevölkerung war26, undauf eigentümli-
Traiansforu
22
ZANKER
1997, 18; DERS. 2000.
23 KOLB 1995, 378. 24 Diese Achse der beiden Kaiserfora existierte, aber nur auf demReißbrett des Städteplaners. Vomalltäglichen Betrachter wurde sie wohl kaumwahrgenommen, daein direkter Sichtkontakt von dendazwischen liegenden Fora des Augustus unddesNerva verhindert wurde. Dass diese Achse nichtsdestotrotz vorhanden war, ist eines der seltenen Beispiele der Herrschaftsdarstellung, in denen eine Aussageabsicht ohne die Möglichkeit ihrer Rezeption durch ein Publikum medial umgesetzt wurde. Ein weiteres Beispiel ist etwa die mangelnde Lesbarkeit deroberen Windungen desFrieses derTraianssäule vomBodenniveau aus. 25 In traianischer Zeit ist für das Forum Traiani nicht nachzuweisen, dass regelmäßig stattfindende Staatsakte auf sein Areal verlagert worden wären, wie es etwa mit demForum Augustum geschehen war. –FürNachweise der Nutzung der Fora siehe denKatalog vonKÖB
26
2000; siehe auch WATKINS 2002. Siehe hierzu denAbschnitt 6.5.3 „ civilis miles –DieImago desBürgersoldaten“ .
5. ARCHITEKTONISCHE ZITATE UNDDIE FRAGE DER NUTZUNG
325
che Weise das Zitat von der baulichen undkonzeptuellen Ausgestaltung undbesonders der zivilen Nutzung des Templum Pacis mit einer prononciert militärischen Ikonographie verband. Diese Anklänge der programmatisch angereicherten Architektur an den Friedensgedanken waren zwar bewusst gewählt worden, sie waren jedoch sehr voraussetzungsreich. So konnten auch die Konnotationen mit demTemplum Pacis für sich allein keine prominente Rolle in derHerleitung und Deutung des Traiansforums beanspruchen. Vielmehr sind die Anklänge des Traiansforums an das vespasianische Areal in Hinblick auf bauliche Gestalt, programmatische Aussage undfunktionale Nutzung als lediglich eine Facette seiner Ausdeutung zuverstehen. Die formale Affinität der Foren eröffnete demBetrachter ebenfalls den Blick auf die konzeptuelle Nähe der Areale und auf die Rolle des Kaisers und seiner Kriege im Dienst des Staates. Das scheinbar rein kriegerische Gepränge des Traiansforums wurde in der Zusammenschau mit dem Templum Pacis in einer ganz besonderen Weise lesbar. Der Betrachter konnte nämlich erkennen, dass erst der kaiserliche Sieg über die Daker denBau dieses Forums ermöglicht hatte. Zugleich wurde deutlich, dass dieser Krieg über denäußeren Feind undder daraus resultierende Frieden in den Provinzen des Reiches undan seinen Grenzen auch den inneren Frieden bedingten. Auf demForum Traians konnten die Früchte dieses Sieges undFriedens genossen werden. Es wardemPublikum möglich, sich in einer kostbar ausgestalteten Architektur zu bewegen, die erst mit der Kriegsbeute hatte erschaffen werden können. Die Betrachter konnten hier ihren Geschäften oder ihrer Freizeit nachgehen, die ihrerseits auch Resultat der Segnungen jenes Friedens waren, denTraian undsein Heer mit Krieg undSieg über die Daker für das römische Volk erworben hatten.
5.3. DAS AUGUSTUSFORUM Das Traiansforum zitierte in wesentlichen architektonischen Komponenten das Augustusforum. Der Bau dieses Forums ging auf ein Gelübde Octavians im Jahre 42 zurück. Sueton berichtet, vor der Schlacht von Philippi gegen die Mörder seines Adoptivvaters habe er dem Mars Ultor einen Tempel gelobt.27 Den etwa 125x118 Meter großen Komplex hatte Augustus auf privatem Grund und finanziert ausdenErlösen derKriegsbeute errichten lassen.28 Anlässlich derVerleihung des Titels Pater Patriae war das Forum am ersten August des Jahres 2 v.Chr. ein27 Suet.Aug.29.2. 28 RGDA21: In privato solo Martis Ultoris templum forumque Augustum ex manibiis feci. SuetonAug.56.2 berichtet davon, Augustus habe sein Forum mitkleinerem Grundriss als eigentlich geplant errichten lassen, umbei derBaulandgewinnung niemanden enteignen zumüssen: Forum angustius fecit nonausus extorquere possessoribus proximas domos.
326
DAS TRAIANSFORUM
geweiht worden. Das Areal bestand in der Hauptsache aus drei Teilen. Zwei Portiken mitje einer Exedra bildeten die Seiten desAtrium Fori, auf demdie Quadriga errichtet war, die Augustus als Triumphator darstellte. Den Abschluss des Forums nach Nord-Osten bildete der Tempel des Mars Ultor. Den Tempel selbst überragte die heute noch erhaltene Umfassungsmauer, die dasForum vonder Subura abtrennte. Die Statuengalerien der Summi Viri in denPortiken unddie Giebelausstattung des Tempels griffen mit vielen anderen Komponenten der Anlage derart ineinander, dass sich sehr aussagekräftige, doch in ihrer ganzen Tiefe ausgesprochen voraussetzungsreiche Bezüge der einzelnen Teile aufeinander ergaben, die sich zueiner kohärenten Programmatik fügten.29 Die architektonische Gestaltung des Traiansforums übernahm das bauliche Element derPortiken mit ihren groß proportionierten Exedren vonderbenachbarten Anlage undgestaltete zusätzlich auch die Schmalseiten derBasilica Ulpia als Exedren. Dieses charakteristische Bauelement des Augustusforums wurde somit von Traian architektonisch verdoppelt. Darüber hinaus erinnerte der Bodenbelag der Exedren an den Bodenbelag der Portiken des Augustusforums.30 Auf diese Weise zitierte dertraianische Baukomplex denaugusteischen, doch zugleich übertraf er ihn.31 Dabei traten nicht allein die Bauten in Konkurrenz zueinander. Gerade die Bauherren selbst wetteiferten miteinander. Traian wies auf die bauliche Ähnlichkeit hin, zeigte jedoch deutlich, an wemer gemessen werden wollte, und übertraf jenen Vorgänger allein schon durch die Ausmaße des Baus. Schließlich bewiesen die geräumigen Exedren unddie erheblich größere Fläche des Platzareals, über welche ungleich größeren Ausmaße öffentlichen Raumes derBauherr im Vergleich zu seinen Vorbildern hatte frei verfügen können.32 Das Augustusforum stellte zum Zeitpunkt seiner Einweihung in Architektur undNutzung eine Neuheit dar, die erst aus dem Vergleich mit den bis dahin erbauten Foren in derInnenstadt deutlich wird. Das Forum Romanum warein historisch gewachsener Ort, dessen statuarische undmonumentale Ausstattung keinem einheitlichen Programm gefolgt war. Das Forum Iulium war eine Ansammlung von selbständigen Bauteilen, die zwar den baulichen Notwendigkeiten der Zeit und dem Willen des Bauherren entsprachen, die jedoch keine programmatische Gesamtaussage in sich trugen, welche derart konsequent umgesetzt gewesen wäre, wie dies auf demAugustusforum der Fall war. Dort allerdings bildeten die architektonischen Elemente ein harmonisches Zusammenspiel. Ihr Wesen als voneinander untrennbare Bestandteile eines Ganzen war deutlich. Allein die in dieser Form beim Caesarforum nicht vorhandenen hohen Umfassungsmauern gaben dem
29 Zu den baulichen 30
Bestandteilen des Augustusforums und den sich daraus ergebenen programmatischen Aussagen siehe immer noch besonders ZANKER 1968; GANZERT/KOCKEL 1988 undSPANNAGEL 1999 miteinem umfassenden Literaturüberblick. PACKER 1997, 272ff.; Abbildung des augusteischen Belags bei KAISER AUGUSTUS 1988, Farbtafel 3.
31 ZANKER 1997, 38. 32 Die kaiserlichen Bemühungen, die Vorgänger mit Bauten zu übertreffen, korrespondieren unter anderem mit demAnwachsen des Congiariums an die berechtigten Teile der Plebs Urbana seit Nerva. Hierzu siehe BRENNAN 2000, 50.
5. ARCHITEKTONISCHE ZITATE UNDDIE FRAGE DER NUTZUNG
327
Augustusforum den Charakter einer in sich abgeschlossenen Anlage. Mit seiner freien Zugänglichkeit hatte das Caesarforum noch deutlich in der Tradition des nach allen Seiten hin offenen Forum Romanum gestanden, mit dem es auch Bereiche seiner Nutzung durch die Öffentlichkeit gemeinsam hatte. Hier fanden etwa Handel undBankgeschäfte statt.33 Bereits Caesar hatte eigentlich gewünscht, sein Forum sollte von Markttätigkeiten und Volksversammlungen frei sein, um vor allem demGerichtsbetrieb zu dienen, dann auch der Verwaltung unddem Schulbetrieb. Doch erst Augustus konnte auf die Art der alltäglichen Nutzung seiner Anlage dirigierenden Einfluss nehmen.34 Darüber hinaus war das Augustusforum ein Repräsentationszentrum, was sich in dernicht-alltäglichen Nutzung des Komplexes ausdrückte. Dieser Ort sollte zum religiösen undpolitischen Mittelpunkt des neuen Staates werden,35 dessen Werden und Sein die augusteische Programmatik fortwährend prononcierte. Diese Facetten seiner Nutzung sollten jedoch auch über die Regierungszeit des Augustus hinaus dem Forum erhalten bleiben. Auch derBau desTraiansforum änderte daran nichts. So sollte etwa der Marstempel Schauplatz wichtiger Staatsakte sein.36 Hier hatte Augustus die von den Parthern wiedergewonnenen Signa aufstellen lassen undauch in Zukunft sollten wiedergewonnene Feldzeichen an diesem Orte dem Gott dediziert werden. Hier sollten dementsprechend auch errungene Triumphalinsignien niedergelegt werden. Augustus stellte sich auf seinem Forum als Begründer von Traditionen dar, die ihren Ursprung in seinen privaten Anliegen gehabt hatten –wenn dererste Princeps auch stets betont hatte, diese seien zumNut, die dannjedoch zu Ritualen undZeremonien des zen der Res Publica gewesen – Gesamtstaates akzentuiert wurden. Auf diese Weise waren etwa dem Capitolinischen Iuppiter Optimus Maximus traditionelle Zuständigkeiten genommen worden, umsie demMars Ultor zuübertragen. Mars warzwar durch seine Söhne derAhnherr aller Römer, doch warer in der augusteischen Herrschaftsdarstellung undbesonders auf diesem Forum demKaiser mit besonderer Affinität verbunden. Mit dessen Person wurden nun auch zahlreiche andere Staatsakte oder Zeremonien von öffentlichem Interesse verbunden. Diese hatten bisher an verschiedenen Plätzen der Stadt ihre Vollzugsorte gehabt undwurden nun von Augustus in den neu erbauten Mars Ultor Tempel transferiert. Nunwurden hier fremde Gesandtschaften empfangen, hier wurde der Senat einberufen, wenn es umdie Frage von Krieg undFrieden ging undwenn Triumphe beschlossen wurden. Auf demAltar des Mars opferten die Statthalter vor ihrer Abreise in die Provinzen. Hier legten auch die Knaben die Toga Virilis an. So mussten etwa das Comitium, die Curia unddie Platzanlage desForum Romanum einige derpolitischen Rituale, dietradi-
33 Appian bell.civ.2.102; ZANKER 1968, 7 mitAnm. 16. 34 ZudenZeugnissen derNutzung derinnenstädtischen Foren siehe KÖB2000. 35
KIENAST 1999, 243.
36 ZudenRitualen, dieaufdemAugustusforum
vollzogen wurden, siehe Sueton Aug.21.2; 29.2; Cassius Dio 55.10.2ff.; vergleiche hierzu ZANKER 1968, 24 undKIENAST 1999, 243f.
328
DAS TRAIANSFORUM
tionell bislang auf ihnen durchgeführt worden waren,
an das Augustusforum ab-
treten.37
37 So etwa die Beantragung derLex Curiata
durch die Proconsuln; Senatsentscheidungen über Krieg undFrieden; dasAnlegen derToga Virilis undGerichtsprozesse.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
6.1.
MONUMENTE UNDIHRE BETRACHTER
Die vorangehenden Bemerkungen galten architektonischen Ensembles, die das Traiansforum mit seiner Ausgestaltung zitiert hatte. Dabei verglichen wir das Traiansforum mit verschiedenen Vorbildern in Hinblick auf diejeweilige Gestalt undNutzung dieser Anlagen. Es wurde hieraus auch für das Traiansforum deutlich, dass allein schon die bauliche Anlage des Forums im städtischen Kontext undseine Funktion im alltäglichen Hauptstadtleben reiche programmatische Aussagen beinhalteten. Wir sahen, dass ein Betrachter das Traiansforum mit anderen baulichen Komplexen nicht allein wegen architektonischer Affinität zu vergleichen vermochte, sondern gerade auch wegen Korrespondenzen in derjeweiligen Nutzung. Gerade die unmittelbar nebeneinander gebauten innerstädtischen Platzanlagen Roms waren nicht allein in architektonischer Hinsicht vergleichbar, sondern auch in derFrage ihrer Funktion fürdasAlltagsleben., An dieser Stelle sind erneut einige grundlegende Überlegungen nötig, bis zu welchem Grad undin welcher Form sich die Aussagen derMonumente derstadtrömischen Bevölkerung erschließen konnten.1 In derFrage nach denNutzern oder dem Publikum von Staatskunst wird in der Forschung immer wieder jene Frage virulent, welcher Zeitgenosse denn tatsächlich all diese programmatischen Stellungnahmen verstanden haben mochte und in wessen Kopf sich diese Vielzahl von Versatzstücken zujenem anspielungsreichen System imperialer Herrschaftsdarstellung ergänzt haben mochte, als welches moderne Wissenschaft es rekonstruiert. Sei es denn nicht in erster Linie eine langjährige luzide Gelehrtentätigkeit, welche der römischen Staatskunst im Nachhinein derart komplexe Aussagen zuschreibe? Wie könne man dem antiken Betrachter ein solches Reflexionsniveau attestieren, über welches dieser doch wohl kaum verfügt habe? So habe der antike 1
Ich sehe zudiesem Zeitpunkt imdeutschen Sprachraum nurwenige Studien, die sich mitdem beschäftigen. Daher ist die Thema der„ Bild-Räume undBetrachter imkaiserzeitlichen Rom“ gleichnamige Arbeit von ZANKER 2000d besonders hervorzuheben. Diese Untersuchung erreichte mich erst nach der Abfassung dieses Kapitels, ich stimme mit Zanker aber in allen Die Vorgänge undRituale vonAlltag undFest vollziePunkten überein. DerAutor schreibt: „ hensich in bestimmten Räumen. Diese Räume sind oft architektonisch gestaltet undmit Bildern versehen. Zusammen mit denspontanen undorganisierten Lebensläufen, die sich in ihnen abspielten, boten sich diese Räume den Zeitgenossen einst bildhaft dar, wurden als ein Ganzes erlebt. Mandenke etwa an ein mit Statuen ausgestattetes undmitMenschen gefülltes römisches Theater. Wirwollen solche Räume imFolgenden ‚Bild-Räume‘nennen.“(206).
330
DAS TRAIANSFORUM
Betrachter doch auch Münzen in erster Linie zumZahlen verwendet undnicht, um sein Wissen umdie neuesten Akzente kaiserlicher Herrschaftsdarstellung aufzufrischen.2 Schließlich hätten die stadtrömischen Bürger auch die Monumente und Platzanlagen im täglichen Leben genutzt undsie nicht vornehmlich als Herausforderung ihrer Dechiffrierkünste benutzt. Ohnehin sei es doch deutlich, dass, wolle manetwas Verbindliches zurprogrammatischen Aussage von Staatskunst festhalten, dies doch gerade deren Vagheit undVielschichtigkeit sei. Im Folgenden wollen wir einen Blick auf das Augustusforum werfen, als das Paradigma unddieMesslatte dermonumentalen Herrschaftsdarstellung römischer Kaiser. Wir wählen dieses Beispiel aus verschiedenen Gründen. Zumeinen werdenwir im Verlauf unserer Betrachtungen einzelne, im Kontext besonders aussagekräftige, architektonische Bestandteile des Traiansforums mit deren baulichen und konzeptuellen Vorgängern auf dem Augustusforum vergleichen. Denn bei allen Zitaten möglicher Vorbilder sind die Anklänge des Forum Traiani an das Forum Augusti besonders deutlich. Daher besitzt die Platzanlage des ersten Princeps für unser Erkenntnisinteresse eine gewisse Prominenz. Sodann ist unsere Wahl gerechtfertigt, weil in einer bis heute maßgeblichen Darstellung die Foren desAugustus unddesTraian unter demAspekt derWirkung eines Staatsdenkmals auf sein Publikum miteinander verglichen wurden.3 Diese Ausführungen werden wir zum Ausgangspunkt unserer eigenen Diskussion dieser Frage heranziehen. Zuletzt bietet sich für die grundsätzliche Behandlung des Problems von der Verständlichkeit der Aussagen eines imperialen Baukomplexes das Augustusforum besonders an, daunsdie Quellen relativ gut gerade auch über die Nutzung dieses Forums informieren. Im vorangegangenen Kapitel hatten wir diese Facetten bereits kurz umrissen. Die alltägliche undperiodische Nutzung der Monumente aber soll im Folgenden der Mittelpunkt unserer Überlegungen sein. Es soll dafür plädiert werden, dass sich die programmatische Aussage nur durch diese Regelmäßigkeit derNutzung erschloss, durch sie überhaupt erst Wirkung entfalten konnte, unddass sie gerade keine Abstumpfung desBetrachters zurFolge hatte.
Das Augustusforum war ein systemisch wahrzunehmender Baukomplex mit einem hohen Grad an programmatischer Kohärenz. Um seine Aussagen in ihrer ganzen Tiefe wahrzunehmen, scheint es großer Vertrautheit mit den Ideologemen der augusteischen Herrschaft unddetaillierter Kenntnisse der anspielungsreichen
imperialen Bilderwelten bedurft zu haben, in denen diese Ideologeme visualisiert wurden. Wie konnte also der einfache Betrachter die zahlreichen Sinnfacetten, welche die moderne Forschung für die Anlage rekonstruierte, wahrnehmen? Die Fragen nach dem Publikum oder den Zielgruppen der Staatsdenkmäler wandten bislang ein einfaches Kommunikationsmodell an. So wurde das Denkmal „ als Botschaft verstanden, die zwischen Urheber undBetrachter, ‚Sender‘und‚Adres-
2
Zudiesem
3
HÖLSCHER
Gelehrtenstreit siehe die Zusammenfassung bei WOLTERS 1999 mit ihrem Referat derForschungspositionen undweiterführender Literatur.
1984a.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
331
.4 Auch galt sat‘, vermittelt und zugleich von beiden im hohen Maße geprägt ist“ in erster Linie dem spezifischen Publikum, dessen Sache in dem das Interesse „ Denkmal Ausdruck findet, underst unter dieser Voraussetzung demUrheber, so.5 Mit diesen Überlegungen wurde im fern er sich an dieses Publikum wendet“ direkten Vergleich des Augustusforums mit demTraiansforum demletzteren eine plakative Vereinfachung und Prosaisierung der Bildsprache und der damit verbundenen Aussage attestiert.6 Statt der alten Nobilität habe Traian vor allem das Heer ansprechen wollen.7 Das Nachlassen historischer Bildung habe die Urheber dertraianischen Staatsdenkmäler veranlasst, auf die geringere intellektuelle Kapazität des Publikums einzugehen, um die Monumente auch breiteren Schichten verständlich zumachen.8 Es sei unbenommen, dass die ganze Tiefe der Aussagen des Augustusforums wohl nur mit dem „geistigen Niveau der stadtrömischen Oberschicht“zu durchdringen undin diesem Voraussetzungsreichtum womöglich vornehmlich für diese konzipiert war. Damit verglichen waren die Aussagen des Traiansforums in einer anderen Formsprache formuliert.9 Doch, wie oben ausgeführt, ist daraus noch kei-
ne andere
primäre Zielgruppe herzuleiten. Ebenso wenig sollte diese Erkenntnis
der bloßen Andersartigkeit dazu verleiten, die programmatischen Aussagen des Traiansforums als relativ simpel zu erachten. Für die Aussagen des Augustusforums sollte im selben Zugnicht ein solches Niveau postuliert werden, dass es für andere als den Ideal-Betrachter als intellektuell schier undurchdringlich erscheint.10 Eine solche Betrachtung vernachlässigt wesentliche Aspekte, welche der
4
5 6
7
8 9
1984a, 8. 1984a, a.a.O. HÖLSCHER 1984a, 9, 34. Diese simplifizierende Ansicht, die Gleichsetzung vonDargestellten mitBetrachtern, ist auch die Grundlage vonLUMMEL 1991. HÖLSCHER 1984a, 34 mit Anm. 132, wo er unter Heranziehen von FRIEDLÄNDERS Sittengeschichte auf das Sinken derallgemeinen Bildung hinweist. Hingewiesen sei hier etwa auf die semantische Einengung, welche die Aussage der Karyatidendes Augustusforums in Form der Daker des Traiansforums erfuhr; siehe hierzu denAbHÖLSCHER
HÖLSCHER
. 6.4 „Dakerstatuen –exempla servitutis“ 2000d, besonders 220f. weist auf die Diskrepanz zwischen Maximal- undMinimalinterpretationen der Bild-Räume hin. Er wählt das Beispiel der Ara Pacis undfragt sich, wie viele Zeitgenossen des Augustus die Gesamtheit der Anspielungen der Bilderfriese verstandenhätten. Er weist aber darauf hin, dass dieBilder derAraauch auf einer weit weniger voraussetzungsreichen Ebene hatten verstanden werden können. Der Zug der Mächtigen des Staates im Priestergewand etwa war ein Zeugnis von deren Pietas, unddie Darstellung der bewaffneten Roma gegenüber derItalia, dieinmitten vonKindern undfriedlichen Tieren saß, warauchohnedieKenntnis derhöfischen Dichtung zuverstehen. ZANKER spricht sich zuRecht gegen jene Deutungen aus, die sich an maximalen Interpretationen versuchen unddenIdealbetrachter voraussetzen. Dies zwinge sie, noch in denkleinsten Details der Darstellung Kohärenz zu erkennen und einen Künstler ohne jede künstlerische Es wäre Freiheit vomvermeintlich perfekt durchdachten Auftragsprogramm zupostulieren. „ durchaus sinnvoll, auchnach demweniger kundigen odernuroberflächlich interessierten Betrachter zu fragen. Die Aufgabe des Historikers besteht darin, die unterschiedlichen undwischnitt
10
ZANKER
332
DAS TRAIANSFORUM
Ausdeutung von Bildinhalten und Aussagen der Foren dienten. Es handelt sich hierbei um die für einen Nutzer stets aktualisierte Sinnstiftung des Monumentes durch interpretierende Akte der Kommunikation, durch politische Rituale etwa. Das Publikum trat dem Staatsdenkmal nicht hilflos undverständnislos gegenüber. Dafür sorgten verschiedene Medien, die das Forum und seine Sinnbezüge dem Betrachter transparent erscheinen ließen. Augustus selbst hatte in einem öffentlichen Edikt seine Absicht bekannt geben lassen, die er mitdemBauseines Forums verfolgte. Die Aussage dieses Ediktes, welches wohl im Bereich des Forums selbst angebracht war, ist bei Sueton überliefert, der sie in unmittelbarem Zusammenhang mit einem der wichtigsten konzeptuellen Versatzstücke des Forums erwähnt, der Galerie der Summi Viri: Augustus habe gewollt, dass die Bürger an deren Beispiel undLeistungen ihnselbst, aber auch diePrincipes kommender Zeit messen sollten.11 Die Wahrnehmung der Summi Viri wurde demBetrachter auch erleichtert durch ihre jeweilige Darstellung als Feldherr oder Magistrat und die beigefügten Tituli und Elogien. Neben dieses Medium –das Edikt, welches denselben Urheber hatte wie das Forum –tritt ein Zeugnis, welches wesentliche Aspekte derHerrschaftsdarstellung jener Zeit widerspiegelte, nämlich dieFasten des Ovid. DerAutor beschreibt in einer Passage dieses Werkes die Wahrnehmung des Forumsareals unddeckt einige dermaßgeblichen Ideologeme auf.12 Es darf hierbei nicht übersehen werden, dass diese Medien eine unterschiedliche Vorbildung undintellektuelle Durchdringung voraussetzten. So sind die Fasten des Ovid wesentlich voraussetzungsreicher und schwieriger verständlich als dasEdikt, welches wahrscheinlich auf demForum selbst angebracht war. Die alltägliche Vertrautheit des Bürgers mit den augusteischen Ideologemen und ihren Visiotypen darf jedoch nicht unterschätzt werden. Die Inhalte der Herrschaftsdarstellung hatten modifiziert ihren Einzug gerade auch in die privaten Lebenswelten gehalten.13 Überdies wurden die wesentlichen Aussagen der herrschaftlichen Ordnung bei regelmäßig stattfindenden Gelegenheiten dem Publikum vorgeführt. So fanden etwa Festveranstaltungen und Spiele anlässlich der Forumseinweihung statt, welche zu einer Deutung der konzeptuellen Bestandteile des Forums vor großem Publikum Gelegenheit boten.14 Keinesfalls vernachlässigt werden sollte, dass derart prominente Bauensemble wie etwa die Foren bereits während ihres jahrelangen Baus, dann aber vor allem auch nach ihrer Fertigstellung, im Focus der öffentlichen Aufmerksamkeit waren. Mansprach über sie, undwer sie nicht verstand, ließ sich vonjemandem, der über tiefere Kenntnisse verfügte, in dessen Verständnis dermonumentalen Aussage einweihen.
11
dersprüchlichen Interessen einer Zeit darzustellen, in unserem Fall die verschiedenen Rezeptionsmöglichkeiten aufzuzeigen.“ Sueton Aug.31.5. –Cassius Dio bezog seine Kenntnisse der bei ihm 55.10.2, 5 überlieferten Tätigkeiten, die nach dem Willen des Augustus auf dem Forum stattfinden sollten, möglicherweise aus eben diesem Edikt; so KUHOFF 1993, 178, Anm. 131.
12 Ovid fast.5.545– 598. 13 ZANKER 1987, besonders 264– 293. 14 Cassius Dio 55.10.7ff.; KUHOFF 1993, 180 Anm. 137 vermutet, dieser Bericht mit seinen genauen Angaben etwa über die Anzahl derTiere sei offiziellen Acta entnommen.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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Gerade der Gedanke an die regelmäßig auf demForum stattfindenden Zeremonien undStaatsakte lässt die Vorstellung voneiner Ausdeutung desMonumentes auch nach seiner Einweihung plastischer werden. Diese rituellen Abläufe waren eng mitjenen Ideologemen verbunden, welche auch baulich auf demForum umgesetzt waren:15 Bei denEntscheidungen über Krieg undFrieden bot die Kulisse des Mars Ultor Tempels zahlreiche Gelegenheiten, bei denen dasBauwerk und seine Umgebung für dasPublikum gedeutet werden konnten. Es warmöglich, des konkreten Anlasses seines Gelöbnisses zu gedenken oder auf die allgemeine Relevanz des Vaters Mars für den Herrscher, aber eben auch für das gesamte römische Volk hinzuweisen. So gelang es immer wieder, sich in Form des sieghaften Friedens einer wesentlichen Facette seiner kollektiven Identität auf demWege der Abgrenzung von inneren oder äußeren Feinden zu versichern. Ebenso bot der Empfang ausländischer Gesandtschaften auf dem Forum vielfältigen Anlass, die vergangene undgegenwärtige Macht Roms darzustellen. Die Galerie der Summi Viri stellte dabei die zunächst Fleisch unddann Stein gewordene Erfolgsgeschichte desrömischen Volkes dar, die nunin Augustus kumulierte. Inmitten dieser Vorbilder sollten sich auchjene Männer einordnen, welche ihre Triumphalinsignien beim Mars Ultor niederlegten. Ihnen wurden Bronzestatuen auf demForum aufgestellt, womit sie sich nicht nur im Geiste, sondern auch tatsächlich zu den Vertretern der römischen Erfolgsgeschichte gesellten. Aus dem Kreis der Summi Viri sollten sich die Statthalter aufmachen, umdenRuhm Roms auch in die Provinzen zutragen. Diese Galerie undihre Helden derVergangenheit sollte sich vor allem derKnabe als normative Exempla nehmen, wenn er die Toga Virilis anlegte. Nimmt man alle diese Gelegenheiten zusammen, so ergibt sich, dass dasForum recht häufig der Vollzugsort vonZeremonien war, deren semantischer Gehalt in engem Zusammenhang mit den Aussagen des Forums stand. All diese Festakte machten es regelmäßig möglich, konkret auf die Taten der Summi Viri hinzuweisen und die Kumulierung ihrer Tradition in Augustus darzustellen. Gemeinsam mit dem Princeps waren diese Principes Viri16 die Exempla und der Maßstab für das Handeln der gerade zu Männern gewordenen Knaben der Aurea Aetas. Es gab also zahlreiche regelmäßig stattfindende Rituale, bei denen die AussagendesForums demPublikum imVerlauf einer Zeremonie erläutert undgedeutet werden konnten. Das Individuum waranlässlich der Staatsakte Teil eines Kollektivs, undbei diesen Gelegenheiten konnten die Aussagen der Monumente so modifiziert werden, dass sie der eigenen Gemeinschaft in der Gegenwart Sinn stifteten. Nunlässt sich ein architektonischer Kontext ohne sichtbaren Aufwand nicht verändern, doch die visualisierten Ideologeme der Foren waren ausgesprochen vieldeutig. Zwar verwiesen die einzelnen baulichen Elemente für den Betrachter
15 16
Hierauf weist auch SEHLMEYER 1999, 269f. hin, ohnejedoch die Konsequenzen einer möglichen regelmäßigen Ausdeutung desBildprogramms imZeremoniell zuerkennen. SPANNAGEL 1999, 327f. begründet, warum diese Bezeichnung seiner Ansicht nach die Funktion derHelden derVergangenheit besser beschreibt als Summi Viri: so werde die Einreihung desPrinceps Augustus in eine Tradition deutlich, zugleich kumuliere diese Tradition in einer Monopolisierung derBezeichnung für Augustus.
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aufeinander, doch ermöglichte eine begleitende Ausdeutung ihre variable Kombination miteinander als programmatische Versatzstücke. In ihrer Aussage waren die monumentalen Komplexe also keinesfalls festgelegt, undgerade im regelmäßigen Zeremoniell ließ sich diese Aussage schrittweise modifizieren. In der Vergangenheit monumentalisierte Aussagen, welche allein Inhalte der damaligen Gegenwart ausdrückten, konnten so von der Nachwelt den Realitäten ihrer eigenen Zeit angepasst werden. Ein Bild der Vergangenheit wurde erst durch deren Deutung konstituiert; undso waren Aussagen derVergangenheit –in welchem Mediumauch immer –auf ihre regelmäßige Aktualisierung in der Gegenwart angewiesen. Wenn nundie Vergangenheit als teleologische Hinführung auf die Gegenwart dargestellt wurde, erschien diese nachvollziehbar hergeleitet undgerechtfertigt. Diese Anmerkungen zur regelmäßigen Ausdeutung der imperialen Foren im Rahmen von Ritualen können wegen der mangelhaften Quellenlage nicht nachgewiesen werden. Sie haben jedoch mehr als nur hypothetischen Charakter.17 Es ist zu fragen, ob etwa das Augustusforum mit seinem System komplexer Aussagen tatsächlich derart exklusiv mit den verschiedenen Ebenen seiner Programmatik umging, dass die imperialen Ideologeme, die dort dargestellt wurden, dem Großteil derstadtrömischen Betrachter schlichtweg verschlossen geblieben wären. Auf deren Kenntnis, Verständnis und Akzeptanz war der Konsens zwischen Princeps und Plebs angewiesen. Vitruv weist am Anfang seines Werkes auf die Notwendigkeit einer umfassenden Bildung des Architekten hin.18 Neben zahlreichen anderen nützlichen Wissenschaften müsse er auch in historiae bewandert sein. Denn er müsse den Fragenden Auskunft geben können, warum er gerade dies oder jenes am Bau dargestellt habe. Diese Passage steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Karyatiden des Augustusforums, die gleich behandelt werden sollen. Es existierte also ein Bewusstsein, welche Probleme die Interpretation eines komplexen Bildprogramms bereiten könne. Die Passage weist aber auch auf die Bedürfnisse hin, eine solche Anlage intellektuell zu durchdringen, und führt eine der zahlreichen Gelegenheiten vor, diese zu erklären.19 Die nachgewie-
17
ZANKER 2000d, besonders 205, 224 weist darauf hin, dass die meisten der Probleme umdie Betrachter von Bild-Räumen sich nicht mit der Hilfe verbindlicher Methoden lösen ließen. Für die antiken Kulturen fehlten in der Regel direkte Zeugnisse über die Reaktion der BildBetrachter. Auch die Einbeziehung der Kontexte undRezeptionsvorgänge mache Deutungen nicht ‚objektiver‘, provoziere jedoch neue Überlegungen, durch welche scheinbar eindeutige Ergebnisse derpositivistischen Sachforschung problematisch werden könnten. AmEnde einer solchen Untersuchung könnten aber statt desAnspruchs auf eine ‚richtige‘Deutung alternativeLösungsvorschläge stehen. 18 Vitruv 1.3ff. 19 An dieser Stelle sei auch auf Properz 3.4.11– 22, Ovid trist.4.2.19– 56 undOvid ars 1.219– 228 hingewiesen. Die Autoren betonen jeweils, dass ein Triumphzug Gelegenheit biete, umseine kulturelle Kompetenz zubeweisen, etwa Darstellungen des Euphrat undTigris auseinander halten undPerser von Armeniern unterscheiden. Jede dieser drei Passagen bezeugt die Anteilnahme des Publikums bei der Ausdeutung von Zeremonien während ihres Verlaufes. Zugleich wird aber auch darauf hingewiesen, wie wenig verlässlich solche deutenden Aussagensein konnten: Ovid fordert denLeser auf, sollte dieser diekorrekten Namen etwa derunterworfenen Fürsten nicht kennen, so müsse er stattdessen plausible Namen erfinden.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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senen Nutzungsmöglichkeiten von Forumsanlagen legen zudem ihre regelmäßige Auslegung nahe. So geschah etwa die Aufstellung von Statuen auf demAugustusforum nicht klammheimlich, sondern in einem Staatsakt. Ein solcher bot dann aber immer wieder Gelegenheit zu einer Auslegung der monumental verdichteten Aussage für das anwesende Publikum in diesem zeremoniellen Rahmen. Das Traiansforum verzichtete auf eine ähnliche Okkupation durch solche regelmäßigen Staatszeremonien. Stattdessen wählte der Bauherr eine Formsprache, die sich gegenüber der augusteischen durch einen konkreteren Darstellungsmodus unterschied. Die Komplexität dersystemischen Aussage wardavon jedoch nicht beeinträchtigt. Anhand einzelner Beispiele sollen nun die Anspielungsdichte des Traiansforums undsein Voraussetzungsreichtum in Bildersprache undProgrammatik vorgestellt werden. DerBlick soll auf ausgewählte Visiotypen gelenkt werden, die dasTraiansforumvomAugustusforum übernahm. Deren Einbindung in ihren baulichen Kontext auf dem Augustusforum war mit bestimmten Aussagen der Herrschaftsdarstellung verbunden. Es soll geprüft werden, in welcher Weise die Gestalt dieser Visiotypen im Kontext des Traiansforums transformiert wurde, undwie ihre programmatischen Aussagen bei dieser Wiederverwendung modifiziert wurden. Die Frage stellt sich, warum Traian etablierte Bildelemente und ihre Aussagen aufgriff, um diese dann in seinem Sinne umzuändern. Die folgende Untersuchung soll daher einzelne Visiotypen des Traiansforums in den Mittelpunkt stellen und ihre Herleitung aus baulichen undkonzeptuellen Vorbildern behandeln sowie deren Transformation durch den Optimus Princeps. Zugleich soll die Gestalt und Aussage dieser baulichen Bestandteile im Kontext der traianischen Bildersprache undProgrammatik betrachtet werden. Erst aus diesem Schnittpunkt von diachroner Herleitung undsynchroner Vernetzung wird deutlich werden, welche imperialen Ideologeme und welche Aspekte der Herrschaftsdarstellung auf dem Forum reflektiert wurden. Als Beispiele hierfür sollen der Equus Traiani behandelt werden, die Imagines Clipeatae, die Dakerstatuen unddie Traianssäule.
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DAS TRAIANSFORUM
6.2. DER EQUUS TRAIANI –EXEMPLA VIRTUTIS Im Atrium Fori
stand die monumentale Reiterstatue des Kaisers. Der Visiotyp eines solchen Standbildes inmitten einer Platzanlage hatte zurZeit Traians bereits mehrere baulich und konzeptuell ähnliche Vorgänger. Caesar hatte auf dem Forumlulium vor demTempel derVenus Genetrix die Statue seines Pferdes errichten lassen.20 Augustus war auf seinem Forum in einer Quadriga dargestellt,21 und Domitian hatte sich auf demForum Romanum ebenfalls eine monumentale Reiterplastik aufgestellt.22 Beim Vergleich der Umstände ihrer Errichtung, ihrer Bildsprache undder Modi ihrer Präsentation fällt auf, dass diese Reiterstandbilder die unterschiedlichen Herrschaftskonzepte ihrer Erbauer wiedergaben.
6.2.1. DIE QUADRIGA DES AUGUSTUS –QUAE MIHI EX SC
POSITAE SUNT23
Augustus betonte, er habe sein Forum in privato solo errichten lassen.24 Dabei habe er denGrundriss desAreals modifizieren müssen, umkeinen derEigentümer des Geländes enteignen zu müssen.25 Auf diesem Privatgrund und in den baulichen und konzeptuellen Kontext seines Forums hinein hatte sich Augustus auf Senatsbeschluss eine Quadriga errichten lassen, welche ihn wohl als Triumphator zeigte. Anlässlich der Verleihung des Pater-Patriae Titels wurde dieser im Sockel der Quadriga inschriftlich verzeichnet;26 ein Titel, der vor allem Assoziationen an Romulus unddessen den Staat schützende Facette weckte.27 Auf dem Forum setzte sich Augustus nicht nurdadurch in konzeptionelle Beziehung zu diesem ersten Triumphator Roms,28 indem er ein Standbild des Romulus in derExedra dersüdlichen Porticus aufstellen ließ, die auf die Quadriga des Princeps inmitten des Platzareals verwies.29 Darüber hinaus ließ Augustus mit der Konzeption seines Forums in seiner eigenen Person die Summi Viri der Republik und ihre für den
20 Sueton Div.Iul.61; Statius silv.1.1.84f. –Zu römischen BERGEMANN
Reiterstandbildern
siehe generell
1990.
21 RGDA35. 22 Statius silv.1.1. 23 In Anlehnung anRGDA35. 24
RGDA 21.
25
Sueton Aug.56.2: Forum angustius fecit nonausus extorquere possessoribus proximas domos.
26
RGDA 35.
27 Cic.de rep.1.64 weist auf Ennius hin, derRomulus denpater undpatriae custos genannt hatte. So wurde auch Cicero nach Beendigung der Catilinarischen Verschwörung undNiederschlagung derinneren Feinde als Pater Patriae bezeichnet. 28 In ähnlicher Weise hatte sich Augustus bereits amPartherbogen des Jahres 19 v.Chr. zu Romulus in Beziehung gesetzt. Hier überragte die Triumphalqudriga des Princeps die demBogen eingeschriebenen Triumphatoren-Fasten, die Romulus als ersten Triumphator Roms anführten.
29 Siehe hierzu ZANKER 1968, 20 ff.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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Staat errungenen Erfolge kumulieren. Für sich wählte er den Darstellungsmodus desTriumphators in einer Quadriga, doch gestand er auch denSummi Viri Standbilder mittriumphatorischem Habitus zu. Diese Helden derVergangenheit waren in zweifacher Hinsicht selektiert worden. So hatte zunächst der Princeps über ihre Aufnahme in das Statuenprogramm entschieden, dann waren aber den Statuen auch Elogien beigegeben, welche die Lebensbeschreibungen standardisierten, indem sie lediglich bestimmte Facetten derjeweiligen Viten aufführten. Die derart vereinheitlichten Summi Viri wurden somit in ihren Leistungen nach transparenten Kriterien vergleichbar. Das öffentliche Verständnis dieser Darstellung beförderte Augustus imoben erwähnten Edikt: Die Bürger sollten ihn und die zukünftigen Principes an dem Vorbild messen, welches diese Triumphatoren darstellten.30 Augustus stellte also die eigenen Leistungen in den Kontext der Vergangenheit. Die militärisch begründeten Exempla der republikanischen Helden wurden von ihm der Gegenwart und Zukunft als normative Vorbilder empfohlen. Der Princeps selbst bot seine Erfolge ebenfalls derGegenwart undZukunft als Exempla zumVergleich an. Die Nutzung des Forums korrespondierte hiermit. Hier sollten Staatsakte in der Tradition jener Leistungen stattfinden, die er selbst undseine republikanischen Vorgänger zumWohle der Res Publica vollbracht hatten. Die Beurteilungskriterien für die Nachwelt waren anhand der Elogien zwar hochgesteckt, doch transparent. Die Taten selbst waren zwar potentiell nachzuahmen, Augustus hatte jedoch dafür gesorgt, dass der Princeps nicht zu übertreffen war. Das Recht auf Triumphe etwa blieb Mitgliedern desKaiserhauses vorbehalten. Die exklusive Zusammenstellung der Helden unddie Auswahl lediglich bestimmter Facetten ihrer Taten bedeuteten eine zweifache Selektion durch Augustus. Er bestimmte, anwelchen Vorbildern er gemessen werden wollte, umdie Siege dieses vielseitigen Wettstreits in seiner Person kumulieren zu lassen. Augustus entzog sich demhistorisch gewachsenen Statuengarten des Forum Romanum und stellte sich seinen eigenen Baukomplex zusammen, innerhalb dessen er beurteilt werden wollte. Einen ähnlichen Zweck verfolgte die Entfernung von Statuen vom Capitol und deren Aufstellung auf dem Marsfeld.31 Der Princeps beseitigte die räumliche Monopolisierung des republikanischen Triumphes auf dem Capitol. Statuen von Triumphatoren sollten in Zukunft massiert nurnoch auf demAugustusforum stehen undweiterhin aufgestellt werden. Diese Statuen waren imGegensatz zu denStatuen der Summi Viri in denNischen derForumsportiken nicht aus Marmor gestaltet. Sie waren aus Bronze undstanden in den Interkolumnien der Portiken.32 Die Entscheidung über deren Aufstellung unterlag nicht länger dem Willen einzelner Gentes, sondern jeweils einem Senatsbeschluss, demder Kaiser zustimmen musste.33 Das triumphatorische Ritual war dem Iuppiter Optimus Ma-
30 31
Sueton Aug.31.5. Cassius Dio 55.10.3.
32 ZANKER 1968, 15. 33 ECK1984, 143 weist auf denFall des C. Metellus Scipio hin, derlaut Cicero adAtt.6.1.17 auf demCapitol eine ganze ‚turma inauratarum equestrium‘ habe aufstellen lassen, wobei der Stifter jedoch die Inschriften dereinzelnen Dargestellten durcheinandergebracht habe.
338
DAS TRAIANSFORUM
ximus genommen worden, um es dem Mars Ultor zu übertragen. Somit war ein zweiter städtischer Schwerpunkt mit Triumphatorenstatuen nicht länger akzeptabel, auch wenn er historisch gewachsen war. Schließlich war diese republikanische Tradition in das Forum Augustum inkorporiert worden. Sie erfuhr hier ihre endgültige Steigerung in der Person des triumphierenden Augustus und dessen Begründung einer ebenso grundsätzlich erfolgreichen Dynastie. Die Quadriga war Augustus also auf Senatsbeschluss auf seinem eigenen Grund undBoden errichtet worden. Seine Bereitschaft, dievorherigen Eigentümer des Geländes angemessen zu entschädigen, und seine Zurückhaltung gegenüber denen, die einem Verkauf abgeneigt waren, werden betont. Dies waren notwendige Facetten derDarstellung eines Civilis Princeps. Der Pater Patriae Titel bezeugte integrative Leistung undmilitärischen Erfolg desPrinceps bei derAbwehr innerer undäußerer Feinde. Die Virtus des triumphierenden Augustus stand dabei im Mittelpunkt der statuarischen Aussage. Sie warbaulich undkonzeptionell aus der Tradition der Summi Viri undihrer kumulierten Leistungen hergeleitet. Der vom Princeps der Öffentlichkeit übergebene Raum bot eine (selektierte) Zusammenschau der republikanischen Erfolgsgeschichte und lud Gegenwart und Zukunft zumnormativen Vergleich ein. Die Aussage des Equus Domitiani jedoch unterschied sich vonderQuadriga desAugustus ganz grundlegend.
6.2.2. DER EQUUS DOMITIANI –QUAE MOLES LATIUM COMPLEXA FORUM34
Die Reiterstatue Domitians war dem Kaiser anlässlich seines Doppeltriumphes über Chatten undDaker im Jahre 89 vom Senat errichtet worden.35 Sie ist in verschiedenen Quellen beschrieben. So gibt etwa ein Münzbild ihre Gestalt wieder36, daneben beschreibt ein Gedicht des Statius ihr Aussehen und ihre Wirkung auf den Betrachter.37 Zudem ist ihr Aufstellungsort archäologisch zu rekonstruieren, sodass wir wissen, wo genau auf demForum Romanum es stand.38 Die Ausmaße 10 Metern vermuten. Aus diesen des Sockels lassen eine Standbildhöhe von 8– Zeugnissen wird die charakteristische Art der Einbindung des Equus in denbaulichen undkonzeptuellen Kontext des Forums deutlich: Der Kaiser war in Tunica undPaludamentum mit einem Schwert amGürtel dargestellt. Er hielt in derlinken Handeine Statuette derMinerva. Seine Rechte warerhoben; eine Geste, die Kriegen Einhalt gebieten sollte. Sein Ross trat auf den Kopf des personifizierten Rheins. Domitian hatte sich als Germanensieger darstellen lassen, dessen Siege dem Erdkreis Frieden entstehen ließen. Der Kaiser war gleichermaßen erfolgreich,
34 35 36 37
38
In Anlehnung an Statius silv.1.1.1f. Zur Datierung siehe GEYSSEN 1996, 21 mit Anm. 4. BMCDomitian 406; BERGEMANN 1990, 42, Nr. L31, Taf.92d, aus demJahre 95/96. Statius silv.1.1. –Hierzu siehe besonders GEYSSEN 1996 undHARDIE 1983. Siehe hierzu
imKapitel zudenRestitutionsmünzen denAbschnitt 7 „Libertas –Plutei Traia-
ni“ . Vergleiche auch die Diskussion bei DARWALL-SMITH 1996, 227– 233, besonders 229f.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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Kriege zu führen als auch den Frieden zu gebieten.39 In diese programmatische Aussage bezog Domitian seine Schutzgöttin Minerva ein. Der Kaiser ließ seine persönliche Virtus undderen Manifestationen unmittelbar ausgöttlichem Beistand undSchutz entstehen undokkupierte so das Forum Romanum für seine Zwecke. Denn in paradoxer Sichtweise lässt der Dichter den Equus Domitiani das Forum umfassen.40 Das Bild hat sich nicht länger in denOrt einzufügen. Die Monumente des Forums bilden allein die Folie, vor welcher der Kaiser sich mit der Vergangenheit zu seinen eigenen Gunsten messen kann. Hier triumphiert er über die zu Stein gewordene Erfolgsgeschichte der Res Publica. Entwertet sind etwa Curtius, der Divus Iulius undAeneas. Sie alle sind der Imago des Herrschers einverleibt. Die traditionellen Exempla haben angesichts der Leistungen des Kaisers ihre normative Wirkungsmacht verloren.41 Die Beschreibung des Statius schildert in eindrucksvoller Weise, wiedasStandbild in denAugen desBetrachters angesichts dessen Kenntnis der Mythotopographie des Forum Romanum an Sinn gewann. Zugleich liefert derPoet aber mehr als nurseine bloße persönliche Sichtweise des Bildes, mit welcher er womöglich höchstens noch den Bildungshorizont einer gelehrten Oberschicht reflektieren mag. Statius schuf nämlich mit seinem Werk für seine Zeit eine neue Matrix derInterpretation der Statue. Anhand der entstandenen, Sinn gebenden Beschreibung vermochte derLeser, derzugleich Betrachter war, denEquus besser zuverstehen, als es ihmdurch die Betrachtung allein möglich gewesen wäre. Kurzum, das Standbild wirkte auf die Gestaltung des Textes unddieser wiederum vermochte dieRezeption desBildes zulenken. Auch Zeugnisse austraianischer Zeit erlauben einen Einblick in die Rezeption des Equus Domitiani. Plinius beklagt im Panegyricus,42 dass früher gewaltige Herden von Opfertieren auf ihrem Weg vomForum Holitorium über die Via Sacra auf das Capitol gewissermaßen abgefangen wurden. Sie seien gezwungen geschreckliche Bild des grausamsten Tyrannen“herumzugehen.43 wesen, umjenes „ Dieses Bild sei mit so viel Opferblut verehrt worden, wie Domitian selbst Menschenblut vergossen habe. Die Nachbarschaft mit den übermäßig vielen Statuen des blutschänderischen Princeps habe die Götterbilder entehrt. Daher schildert Plinius auch denVollzug derDamnatio Memoriae, denBildersturz des Tyrannen, als einen kollektiven undkonsensualen Akt. VomJubel desVolkes getragen, habe 39 Statius silv.1.1.37: dextra vetat pugnas; Martial 9.5.1. Siehe auch Statius silv.1.1.15f. und 562. –Siehe hierzu GEYSSEN 1996, 67f.; SCOTT 1936, 94f. 43; 5.1.258– vergleiche 4.1.17– 40 Statius silv.1.1.1f.: Quae superimposito moles geminata colosso / stat Latium complexa forum? –Zur Entwicklung dieser perspektivischen Verzerrung undderen Implikationen siehe KLODT 1998; vergleiche
auch DIES. 2001.
41 AHL1984 geht davon aus, dasganze Gedicht Silvae 1.1 sei eine einzige Invektive vonStatius gegen Domitian gewesen. Dem Autor entgeht aber, wie sehr die Verse, die ihm derart schmeichlerisch erscheinen, dass er sie allein ironisch undsubversiv deuten kann, injene panegyrischen Konventionen eingebettet sind, welche wir etwa in denGedichten Martials und vor allem natürlich im Panegyricus des Plinius umgesetzt sehen. –Für eine eingehende Betrachtung dervermeintlich adulatorischen, sogennanten ‚Hofdichter‘ der domitianischen Zeit
verweise ich aufNAUTA 2002 unddie Arbeit vonLEBERL 2004. 42 Plin.paneg.52.3– 7. 43 Plin.paneg.52.7: saevissimi domini atrocissima effigies.
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DAS TRAIANSFORUM
niemand seine Freude unterdrücken können, die Statuen und Bilder Domitians zerschlagen und eingeschmolzen zu sehen. Aus diesen Verkörperungen des Schreckens undderDrohung sei etwas für die Menschen Nützliches entstanden. Dass Plinius damit nicht etwa nurrein Symbolhaftes meint, sondern durchaus Konkretes, wird durch ein paralleles Zeugnis bei Cassius Dio deutlich.44 Demnach hatte Nerva die zahlreichen Bildnisse Domitians in Gold undSilber einschmelzen und als Münzen ausgeben lassen. Auf diese Weise war das vom Pessimus Princeps Angemaßte unddemVolk Vorenthaltene nunwieder nicht nur symbolisch, sondern handfest zurück erstattet worden. Schon Ende desJahres 96 konnte der Sturz der Reiterstatue von Martial im Zuge eines satirischen Seitenhiebes verwendet werden.45 Seine beiläufige Anspielung auf den Vorgang spricht für die Prominenz desAktes in der aktuellen Stadtpolitik. Auch Traian machte Gebrauch von demehemaligen Platz des Equus als negativ belegtem Erinnerungsort, denn er errichtete an dieser Stelle seine Statuengruppe der Alimentatio Italiae.46 Wenn diese auf den Plutei Traiani mit dem zweifach dargestellten Marsyas abgebildet wurde, derwie auch die Alimentation eine Chiffre für Libertas war, wird deutlich, auf welche Weise die Umsemantisierung dieses Ortes vor sich ging.47 Ein System gegenseitiger Libertas-Verweise ersetzte einen Ort, anwelchem derEquus Domitiani einst gestanden hatte undderdenZeitgenossen als monumentale Manifestation jener Servitus erschienen war, unter welcher man während der Regierung Domitians gelitten habe. Domitian hatte also in die gewachsene Sinnlandschaft des Forum Romanum derart eingegriffen, dass nach seiner Ermordung eine mehr als nur symbolische Entsühnung des Ortes nötig geworden warundneue Libertas alte Servitus ersetzen musste. Der Pessimus Princeps hatte den öffentlichen Raum umsemantisiert
44 Cassius Dio 68.1.1. 45 Hier sie nurnoch eine Miszelle zurRezeption desEquus Domitiani genannt. Martial 11.21.1 bezeichnet nämlich die Vagina einer gewissen Lydia als so lose wie equitis... culus aeni, also, wiederHintern desBronzepferdes. RODRIGUEZ-ALMEIDA 1982/3 schlägt vor, in dieser Passage einen Reflex der Abnahme der Domitiansfigur vomCorpus desPferdes zusehen. Die Figur desReiters besaß natürlich keine ausgearbeitete Unterseite, da sie hier mit dem Pferd verbunden gewesen war. Stattdessen klaffte dort ein riesiges Loch im Reiter. Diese plausible Vermutung geht auf Beobachtungen bei der modernen Abnahme Marc Aurels von seiner Pferdestatue zumZweck der Restaurierung zurück, bei der ebenjener geschilderte Sachverhalt sich offenbarte. –Diese Feststellung geht über den Charakter einer Anekdote weit hinaus, bezeugt sie doch abermals die nachhaltige Präsenz des Standbildes in denKöpfen undwelche Prominenz der Sturz des Equus beim Vollzug der Damnatio Memoriae besaß; ein Ereignis, ohne dessen Kenntnis, oder wahrscheinlich sogar Miterleben, sich derWitz desEpigramms nicht erschließen ließ. 46 AufdenPlutei Traiani ist eine Statuengruppe abgebildet, dieTraian sitzend zeigt. Vorihntritt Italia, dieeinKind aufdemArmträgt undvoneinem weiteren Kindbegleitet wird. Diese Sta-
auf denPlutei korrespondiert mit ihrer Darstellung auf traianischen Münzen, die mit der Beischrift ALIM ITAL versehen sind; STRACK 1931, Nr. 404, Taf.7; BMCNr. 870 ff. Es handelt sich also umeine visuelle Chiffre derAlimentatio Italiae. 47 Siehe hierzu undzuderviel erörterten Frage, ob diese Plutei nunin traianischer oder hadrianischer Zeit entstanden seien, imKapitel zudenRestitutionsmünzen denAbschnitt 7 „ Libertuengruppe
tas–Plutei Traiani“ .
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und dessen traditionelle Wahrnehmung und Deutung in seiner eigenen Person fluchten lassen, indem er beanspruchte, die Helden der Vergangenheit zuübertreffen. Zukünftige Virtus müsse an seiner Vorgabe gemessen werden. Die Nutzung des Forum Romanum als eines normativen Referenzpunktes kollektiver Selbstvergewisserung vor demHintergrund der exemplarisch strukturierten Vergangenheit konnte so nicht länger funktionieren: Da Domitian seinen göttlichen Schutz durch Minerva betonte, ja, augenfällig werden ließ, er habe Minerva in derHand, stand er außerhalb jeder möglichen Konkurrenz. Kein Kaiser hatte sich auf diese Weise mit einem Gott darstellen lassen. Domitian hatte die Geschichte des römischen Volkes undseine Normen durch seinen Eingriff in dengewachsenen öffentlichen Raumentwertet. Die Unterschiede zu Caesar undAugustus sind wesentlich. Caesar hatte auch einen Equus aufstellen lassen. Doch der große Unterschied zu Domitians Standbild liegt darin, dass Caesar seine Statue eben nicht auf demForum Romanum, sondern auf demvonihmbegonnenen Forum Iulium hatte aufstellen lassen. In der Tat nennt die Beschreibung des Statius jenes Caesar-Bild, welches vom Forum Iulium her herüber luge, als potentiellen Konkurrenten des domitianischen, doch der Dichter lässt keinen Zweifel daran, dass der Equus des Flaviers eben nicht allein die republikanische Geschichte, sondern auch die Erfolge der bisherigen Principes übertreffe. Undmögen sich auch die diffizilen Implikationen, derer Statius sich bediente, nicht jedem in gleicher Weise erschlossen haben, so lud allein schon die schiere Größe des Equus Domitiani zu einem Vergleich mit bisherigen Statuen ein, in welchem er souverän bestehen konnte. Auch Augustus hatte privaten Boden für seine integrative Deutung der römischen Geschichte benutzt, in welcher ausgesuchten Helden der Vergangenheit ihr Platz zugestanden wurde. Ihre Tugenden undTaten leiteten die Vormachtstellung desPrinceps herundbegründeten das dynastische Prinzip. Der Princeps hatte sich einem Tugendwettstreit auf den statuengefüllten Orten des Forum Romanum und des Capitols entzogen, indem er seinen eigenen Raum schuf, in dem er nach transparenten Kriterien mit selektierten Exempla in Wettstreit trat. Augustus betonte, bestimmte exempla maiorum, die aus der Gegenwart längst schon verbannt gewesen seien, wieder eingeführt zuhaben. Er selbst habe derNachwelt multarum rerum exempla zur Nachahmung hinterlassen.48 Domitian aber hatte den öffentlichen Raum herausgefordert und die Summi Viri marginalisiert. Mit dem Anspruch, seine Taten resultierten aus göttlichem Schutz, brachte er jene historisch gewachsene Semantik aus demGleichgewicht, die auf demForum Romanum ihre bauliche Verdichtung etabliert hatte. Doch dieser Eingriff hatte eine andere Qualität als vorausgegangene kaiserliche Bauprojekte auf diesem Forum: Domitian reduzierte das göttliche Element auf eine Minerva-Statuette, die er auf der Hand trug. Der Kaiser begab sich nicht lediglich in ein anmaßendes Gleichheitsverhältnis zuderGottheit, sondern signalisierte ihre Instrumentalisierung.
48 RGDA8.
342
DAS TRAIANSFORUM
6.2.3. EQUUS TRAIANI –STABULUM
TALE CONDI IUBETO, SI
VALES49
Während die Quadriga des triumphierenden Augustus undseine Nomenklatur
am
Mars Ultor Tempel die einzigen expliziten Hinweise des Augustusforums auf den Princeps darstellten, warderEquus Traiani nureines derBilder dieses Herrschers
auf seinem Forum. Zahlreiche Manifestationen der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung dominierten die Anlage. Traian begrüßte denBetrachter als Triumphator im Sechsergespann auf dem Eingangsbogen des Forums. Neben Portiken und Exedren bargen auch Eingangsbereich und Innenraum der Basilica Ulpia eine Vielzahl seiner Statuen. Über demEingang zu der Halle ließ sich der triumphierende Traian von Victoria in einer Quadriga bekränzen. Relieffriese bezeugten seine Taten. Die Darstellung des Princeps kumulierte in seinem Standbild auf der Columna Traiana, 40 Meter über dem Boden. Der Equus Traiani war also nur eines vonvielen Medien, umdie Macht des Dargestellten bildlich darzustellen. Bereits die Ausmaße der Statue demonstrierten den Anspruch Traians: Die zitierte literarische Schilderung Ammians zeugt lediglich davon, dass die Größe der Statue denMaßen des Platzareals angemessen warund dass sie sogar Kaiser Constantius II. verblüffte.50 Die archäologischen Hinweise lassen auf eine Höhe von 8 bis 12 Meter für die Statue allein ohne den Sockel schließen.51 Einen Eindruck der Gestalt dieses riesenhaften Monuments vermittelt ein Münzbild, welches denKaiser mit einer Victoria-Statue in der Linken abbildet. Seine Lanze hält er mit der Spitze nach unten gerichtet.52 Traian stellte sich
49 InAnlehnung anAmm.Marc.16.10.15. 50 Amm.Marc.16.10.15. –Siehe die Einleitung
dieses Kapitels mitdemvollständigen Text der Passage. 51 DerEquus Traiani wardemnach zweimal bis dreimal größer als die Reiterstatue Marc Aurels auf demCapitol. 52 Die Forschung diskutierte ein weiteres Münzbild als mögliche Darstellung dieses Standbildes. Dieses stellt denKaiser mit stoßbereiter Lanze auf steigendem Ross dar, der einen zu Boden gestreckten undwaffenlosen Daker niederreitet; siehe STRACK 1931, Nr.80f., 360f.; BMCNr. 841, 900– 903, 942f.; vergleiche ZANKER 1970, 508ff. undKUHOFF 1993, 311. 245f., 833– Beide entschieden sich ausguten Gründen gegen diesen Typals Darstellung derReiterstatue. Zunächst ist anzumerken, dass die Statik eines steigenden Pferdes bei der errechneten Höhe desBildes heikel gewesen wäre. Sodann existiert eine Reihe vonMünzen, diezeitgleich auch in Denaren emittiert wurden und Bestandteile des Forum Traiani zeigen, so etwa den Triumphbogen, die Basilica Ulpia, die Säule undeben auchjene vergleichsweise ruhige Darstellung desKaisers auf demPferd. Das Bild mit demsteigenden Pferd aber wurde nurin Aurei undnichtedlen Metallen emittiert. Umdies nuranzumerken: es hätte zurDarstellung Traians auf demForum als souveräner Sieger undWahrer derDisziplin seiner Truppen eher diese, in ihrer Expressivität zurückhaltende Darstellung gepasst. Siehe dazu auch den Abschnitt 6.5.3 civilis miles –Die Imago desBürgersoldaten“ „ . –Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass dasuns überlieferte Aussehen anderer Statuen, wieetwa dasReiterbild Marc Aurels aufdemCapitol, stets eher andastraianische Münzbild desruhigen Reiters erinnert als anjenes dessteigenden
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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hier als Pacator Orbis dar. Im Gegensatz zu Domitian, der seinen konkreten Sieg über die Germanen mit Hilfe göttlicher Unterstützung abgebildet hatte, pronon-
cierte Traian seine grundsätzliche undpersönliche Sieghaftigkeit. Die bauliche Gestalt des Komplexes rechtfertigte diesen Anspruch des Kaisers. Der Dakersieger signalisierte zumeinen, die Mittel unddie Macht zubesitzen, einen solch gewaltigen Komplex zu errichten. Zum anderen suggerierten Ausmaß undAusstattung der Anlage eine derartige Singularität des Sieges, dass die omnipräsente militärische Ikonographie berechtigt schien. Augustus hatte sich einen eigenen Statuengarten geschaffen unddessen Inhalte selektiert, um sich in die Reihe der Summi Viri einordnen zu können. Er trat mit der Vergangenheit in einen Wettstreit, dener steuerte unddener daher gewinnen konnte. Doch obwohl der erste Princeps selbst der Kumulationspunkt der impliziten Aussagen des Forumskomplexes war, hatte er nur sehr behutsam explizit auf sich selbst hingewiesen. So berichtete er in seinem Tatenbericht, die Quadriga sei ihm auf Senatsbeschluss errichtet worden. Dies sei zudem auf dem Privatgrund des Princeps geschehen. Gerade dies hervorzuheben, warihmwichtig. Die Aussage desKomplexes kumulierte zwar in der Bedeutung des Augustus und seiner Erfolge, das Forumwar aber dennoch eine integrative Deutung der republikanischen Geschichte und ein Ort des staatlichen Konsenses. Auch Domitian hatte seinen Equus von Senat und Volk beschließen lassen. Doch der Aufstellungsort besaß eine ganz andere Relevanz. Der Flavier hatte die Semantik des gewachsenen öffentlichen Raumes auf dem Forum Romanum zerstört. Indem er seine göttliche Unterstützung prononcierte, warer zudem in einen ungleichen Wettbewerb mit denstatuarischen Helden derVergangenheit getreten. Traian schuf sich seinen eigenen Statuenraum, wie Augustus dies getan hatte. Die Person des Optimus Princeps dominierte hier allerdings derart, dass andere Dargestellte optisch undkonzeptuell marginalisiert wurden. Traian okkupierte zu diesem Zweck kein historisch gewachsenes Areal. Stattdessen schuf er mit den gewaltigen Mitteln seines Sieges einen neuen öffentlichen Raum, umsich unddie Ideologeme seiner Herrschaft darzustellen. Auf diese Weise entzog sich der Kaiser einem direkten Wettstreit der Tugenden. Der Optimus Princeps exponierte seine Leistung nicht länger, um sich mit republikanischen Helden oder Vorgängern imPrincipat direkt vergleichen zu lassen. Die baulichen Zitate desAugustusforums unddessen Steigerung durch die traianische Anlage drückten ja nicht allein die bauliche Intensivierung aus: Es wurde offensichtlich, dass der Princeps Pferdes. Dieser Darstellungstyp ist im Übrigen längst schon vor Traian nachzuweisen. Ein nahezu identisches Bild finden wir etwa in den Prägungen des Titus; siehe hierzu mit weite-
renBelegen STRACK 1931, 119f. Die Ansicht von FERRIS 2000, 70, das Motiv des siegreichen Reiters erinnere an die Enthauptung des Decebalus durch den Kavalleristen Maximus, lässt sich durch keinen Hinweis begründen. Dieser Darstellungstyp hatte sich bereits in flavischer Zeit etabliert; siehe etwa Ric 2, Taf.3, Nr. 36; BERGEMANN 1990, 43, Taf.91g, k; 92c. Wenn FERRIS a.a.O., 79f. die Szene a Dacian des Großen Traianischen Frieses als Darstellung des Kaisers interpretiert, der „ chieftain (by allusion obviously Decebalus)“niederreite, zeugt dies von einer gewissen Nonchalance derInterpretation.
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DAS TRAIANSFORUM
Augustus die Principes Viri derRepublik übertroffen hatte, während der Optimus Princeps seinerseits Augustus übertroffen hatte. Ein weiterer Vergleich mit den republikanischen Helden warnicht nötig. Zwar waren auch weitere Herrscher auf dem Forum dargestellt, doch wurde deren Taten nicht annähernd so viel Prominenz eingeräumt, wie Augustus dies den Statuen der Summi Viri zugestanden hatte. Einzig seine eigenen Taten undTugenden boten jene; normative Referenz, die derOptimus Princeps vorgegeben hatte, undan welcher sich die späteren Kaiser würden messen lassen müssen. Nachdem er also alle Vorgänger, die Großen derRepublik unddes Principats übertroffen hatte, trat Traian allein noch mit sich selbst in einen Vergleich. Nunwetteiferten die verschiedenen Facetten seiner gelebten Manifestation des Guten Princeps miteinander. Denn auf seinem Forum war der Princeps in verschiedenen Bildnistypen dargestellt. Bei den Ausgrabungen wurden Teile von traianischen Ehrenstatuen und Panzerstatuen gefunden.53 Es waren also neben zivilen auch militärische Facetten seiner Imago abgebildet. Vor dendrei Eingängen derBasilica Ulpia befanden sich Statuensockel mit Dedikationsinschriften, die Senat undVolk von Rom bei der Einweihung derBasilica im Jahre 112 aufgestellt hatten. Die Statuen waren dem Kaiser gewidmet als dem OPTIME DE RE PUBLICA MERITO DOMI FORISQUE.54 Diese Inschriften in Verbindung mit den unterschiedlichen Statuentypen betonen zwei wesentliche Facetten des traianischen Optimus-Konzeptes55, welche bereits die Herrschaftsdarstellung des Panegyricus besonders herausgehoben hatte: nämlich das Verhältnis von Tugenden undTaten des Kaisers in seinem Anspruch, derOptimus Princeps zusein, unddie Harmonie dermilitärischen undder zivilen Manifestation der traianischen Herrschaft.56 Wir wollen diesen Zusammenhang imFolgenden kurz skizzieren. Auf dem Forum wurde das Konzept, dass Traian der Optimus Princeps sei, vornehmlich aus den Taten des Princeps hergeleitet, nicht aus seinen Tugenden: Die Dedikation besagte, Traian habe sich um den Staat am besten verdient gemacht (optime meritus). Die Taten des zweifachen Dakersiegers wurden allein schon durch die reinen Ausmaße des Forums bewiesen. Die bildlich-konzeptuelle Ausgestaltung der Anlage setzte den Sieg über denFeind in einer klar verständlichen Formsprache um. Der grundlegende Unterschied zur Gratiarum Actio des Plinius war, dass dem Kaiser nicht mehr allein eine Prädisposition zur militärischen Leistung undzumTriumph zugesprochen wurde.57 Nicht länger musste ge-
53
1970, 521 undPACKER 1997b weisen auf die Darstellung des Kaisers injenen drei Typen hin, die seit Augustus für die Herrscherdarstellung kanonisiert waren: als Imperator in derPanzerstatue, als Magistrat in derToga undcapite velato als Pontifex Maximus. ZANKER
54 CILVI 959. 55 Siehe hierzu im Kapitel zum Panegyricus den Abschnitt 2.2.3 „illud additum a nobis Optimi cognomen –Koordinaten einer Herleitung“ . 56 FEHR 1985, 46 weist darauf hin, dass diese Kombination aus militärischem undzivilem Lob für Inschriften nicht besonders üblich war, während sie eine gängige Verschmelzung in der Literatur war. eines Triumphzuges in Plinius paneg.16f. ist demnach lediglich eine als Gewissheit formulierte Facette der Herrschaftsdarstellung, die generelle Prädisposition des Herr-
57 Die Vision
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
345
wünscht werden, dass doch nur erst einer der Barbarenkönige es wagen möge, Traian herauszufordern.58 Der Kriegsfall war seit dem Jahre 100 bereits zweimal eingetreten. Zwei Feldzüge waren im Triumph beendet worden. Anders als der Panegyricus stellte das Forum nicht die Hoffnung auf Sieg dar, sondern die Leistung des Siegers. Mittlerweile hatte Traian jene militärischen Erfolge, die er im Jahre 100 noch nicht hatte vorweisen können, nachweisbar errungen. In Gestalt seines Forums wies der Imperator sie nach. Die monumentale Überhöhung des Sieges wurde in derGegenwart manifestiert undfür die Nachwelt perenniert. Das Optimus-Konzept des Traiansforums gleicht auch hierin jenem des Panegyricus, dass sowohl die militärische als auch die zivile Leistung des Princeps betont wurden, er habe sich domiforisque ambesten verdient gemacht. Die Gratiarum Actio bewertete Ereignisse der Jahre 96 bis 100 vor demHintergrund allgemeiner Herrschertugenden. Aktuelles und Generelles griffen ineinander. Die aktuellen Inhalte waren von zivilen Akten des Princeps geprägt gewesen. Besonderen Raum hatten etwa die Steuermaßnahmen des Kaisers unddas Verhalten in seinem dritten Konsulat eingenommen.59 Militärische Akte waren generell und prospektiv behandelt worden, indem der Redner etwa seine Hoffnung auf Siege ausgedrückt hatte. Das Forum kehrte diese Darstellungsweise um. Die generelle Sieghaftigkeit des Kaisers wurde anhand der Dakersiege konkretisiert undnachgewiesen. Ein Großteil der Ikonographie des Forums, wie etwa die goldenen Feldzeichen unddie Bildnisse gefangener Daker, korrespondierte mit der Darstellung des Kaisers in der Panzerstatue undwies auf militärische Leistung hin. Die zivilen Aspekte der traianischen Herrschaftsdarstellung scheinen angesichts des militärischen Übergewichts der bildlichen Ausgestaltung der Anlage verdrängt worden zu sein. Sie scheinen reduziert auf eine lediglich generelle Komponente der traianischen Herrschaft, die es auf dem Forum neben der Thematik der konkreten Dakersiege zu betonen galt; so wie im Panegyricus eine grundsätzliche Sieghaftigkeit hinter konkreten zivilen Taten zurückgetreten war. Doch die zivile Imago des Kaisers wurde durchaus auf dem Forum dargestellt, nämlich unter anderem in der statuarischen Ausschmückung des Areals; aber eben nicht derart deutlich wie die militärischen Aspekte. Vor allem aber fand die zivile Facette der traianischen Herrschaftsdarstellung ihren Ausdruck in der Nutzung der Anlage. Die Aussage des Programms der unterschiedlichen Kaiserstatuen, Traian habe sich im Krieg, aber auch in Frieden ambesten umden Staat verdient gemacht, reflektierte die militärische Ausgestaltung eigentlich zivil genutzter Bauten. Die militärische Ikonographie des Forums richtete sich an ein schers zur Sieghaftigkeit werde sich eines Tages in konkreten Siegen manifestieren. Allein die futurische Formulierung paneg.16.3: „Accipiet ergo aliquando Capitolium...imperatorem“ lässt den rein prospektiven Charakter des Triumphes erkennen. Es verbietet sich, den Inhalt dieser Paragraphen als Hinweis auf die Überarbeitung undHerausgabe desPanegyricus Ende 102 oder gar erst im Jahre 103 anzunehmen, wie etwa SHERWIN-WHITE 1966 zuPlin.ep.3.18 spekuliert. Siehe hierzu besonders im Kapitel zumPanegyricus den Abschnitt 3.1 „ contecti . caedibus campi –Die Imago desHeros“ 58 Siehe hierzu etwa Plin.paneg. 16f. 59 Plin.paneg.36– 80. 41; 56–
346
DAS TRAIANSFORUM
stadtrömisches Publikum, das in seiner überwiegenden Mehrheit aus Zivilisten bestand. Anders als das Augustusforum hatte das Traiansforum keine regelmäßig stattfindenden Staatsakte okkupiert, sondern diente dem öffentlichen Leben in all seinen Facetten. Hierin wares demTemplum Pacis sehr ähnlich. Dochjenes hatte eher die kontemplativen Aspekte einer künstlichen Landschaft in denMittelpunkt seiner Nutzung gestellt, während das Traiansforum verschiedenen Akten ziviler Geschäftigkeit Platz bot. Das Traiansforum ließ sein Publikum die Segnungen des imperialen Friedens wahrnehmen, der auf den Dakersiegen beruhte. Der Kaiser zeigte demVolk, dass er mit militärischen Mitteln die zivilen Annehmlichkeiten ihres Forumsaufenthalts errungen hatte. Dies muss gerade auch vor dem Hintergrund gesehen werden, welche Mißstimmung die langdauernde kaiserliche Abwesenheit in der Bevölkerung hervorgerufen hatte. Mit seinen Bauten rechtfertigte Traian auch diese Jahre, die er fernab der Hauptstadt verbracht hatte, und seine Taten dieser Zeit wurden den Betrachtern transparent. Die Leistungen des Princeps hatten einen riesigen öffentlichen Raum geschaffen und diesen ausgeschmückt. Der Kaiser sorgte mit seiner Beseitigung der außenpolitischen Bedrohung für innenpolitische Prosperität. Die militärische Erscheinung des Traiansforums deutete auf die Voraussetzung für seine Nutzung hin, denn erst der kaiserliche Sieg habe denWohlstand der Untertanen bedingt. Dieser Wohlstand umfasste gleichermaßen die prachtvolle Monumentalität des imperialen Bauprogramms und die friedliche, sorgenfreie Art seiner Inbesitznahme durch die Öffentlichkeit. Kaiserliche Herrschaftsdarstellung ist hier vonöffentlichem Wohl nicht zutrennen. Trotz ihrer konzeptuellen Nähe sind die Botschaften der Foren Vespasians undTraians sehr verschieden. Traian hatte sich selbst als denStifter desFriedens zum Monument erhoben, wovon die Vielzahl jener Bildnisse kündete, welche allein ihn darstellten. Vespasian hatte auf eine derartige persönliche Leistungsschau verzichtet. Zwar hatte er auf seinem Forum die iudaeischen Spolien aufstellen lassen und Kunstgegenstände aus der Domus Aurea dem Volk symbolisch zurückgegeben und damit den Ertrag des außenpolitischen und des innenpolitischen Friedens dargestellt. Doch anders als Traian hatte Vespasian seine eigene Leistung nicht durch dasvielfache Aufstellen eigener Statuen visuell multipliziert. Der Flavier beschloss das Areal seines Forums mit einem Tempel an der durch seine Vorgänger dafür etablierten Stelle. Caesar und Augustus hatten auf ihren Foren Tempel ihrer Stammgötter Venus undMars errichten lassen, denen die Person des Herrschers eng verbunden gewesen war und deren jeweiligen Schutz er für sich proklamiert hatte. Vespasian hatte auf demeigenen Forum keinen Tempel einer Stammgottheit seiner Familie aufgestellt. Er hatte der Pax einen Tempel errichtet, in welchem der Frieden selbst verehrt wurde. Deutlich wurde dies anhand der Spolien für den äußeren Feind undwegen der Erfahrungen des stadtrömischen Publikums auch für den Sieg im Bürgerkrieg. An dessen Beendigung konnte jedoch nicht triumphierend erinnert werden. Stattdessen bildeten die aus der Domus Aurea entfernten unddemVolk wiedergegebenen Kunstgegenstände eine Chiffre fürjenen erneuerten Consensus Universorum, der unter Nero undin denBürgerkriegen zerstört worden war.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
347
Durch den baulichen Anklang war auch eine konzeptuelle Affinität hergestellt: Was Venus für Caesar gewesen warundMars für Augustus, das stellte nun die Pax für Vespasian dar. Er prononcierte weder eine mythische Herleitung seiner Familie noch seiner Herrschaft, wie Caesar undAugustus dies getan hatten. ImZentrum derAussage des Templum Pacis stand keine dynastische Perspektive undnicht die Virtus destriumphierenden Kaiser, sondern derErtrag dieser Virtus, deren Früchte allen transparent waren undzugänglich sein sollten. Domitian wiederum errichtete an der Kopfseite des von ihm erbauten Forum Transitorium den Tempel seiner Schutzgöttin Minerva. Damit konstruierte auch er keine mythische Herleitung seiner Dynastie, sondern demonstrierte, welche Relevanz die Göttin für seinen Principat besaß: Seine persönliche Virtus ließ er aus göttlicher Unterstützung entstehen, wie er es auch in Form desEquus Domitiani darstellen ließ. Traian brach nunals erster Kaiser mit demKonzept einer solchen Anlage, die denTempel an denKopf des Platzareals stellte. Stattdessen errichtete er dort eine Basilica, die der täglichen Geschäftigkeit der Hauptstadt dienen sollte. Doch dahinter erbaute er eine Säule, in der seine Asche ruhen sollte. Kein Tempel einer Schutzgottheit stellte denAbschluss seines Forums dar. Der Divus Traianus sollte hier sein Grab erhalten. Kein fremdes Verdienst undkeine göttliche Hilfestellung schmälerten die persönliche Virtus des triumphierenden Kaisers. Kein Göttertempel sollte die Aufmerksamkeit derNutzer des Forums vomDivus Traianus ablenken. Der ruhte in der Basis seines Säulenmonuments, das diese Virtus darstellte. Genau wie das Templum Pacis betonte das Traiansforum mit seiner Nutzung den gesellschaftlichen Konsens undreichsweiten Frieden. Doch die traianische Bildsprache verwies erheblich deutlicher als die Vespasians auf die persönliche Virtus des Kaisers undauf seine Rolle als Feldherr, welche diese Segnungen erst möglich gemacht hatte. Die prononcierte Teilhabe des Militärs an den Erfolgen des Kaisers warin diesem Umfang eine ikonographische undkonzeptuelle Neuerung. Die erhaltenen Inschriftenbasen mit der Bezeichnung militärischer Einheiten verweisen auf die Rolle, die der Kaiser seinen Truppen bei der Darstellung der Dakerkriege zugestand.60 Doch bei den militärischen Einheiten handelte es sich umKollektive, die der Befehlsgewalt des Kaisers unterstellt gewesen waren. Die Anonymität ihrer einzelnen Mitglieder verhinderte dasEntstehen vonKonkurrenz fürdenKaiser. Dem Kaiser entstand durch diese Art der Zurschaustellung seiner Affinität zumHeer sogar Ruhm, da er die dargestellten Einheiten kontrolliert unddiszipliniert hatte, ummit ihnen denmanifest gewordenen Sieg zu erringen. Traian schuf sich einen eigenen Statuenwald. Doch anders als im Falle des Augustusforums ist für das Traiansforum zu Lebzeiten des Kaisers keine Aufstellung einer Statue sicher nachzuweisen, die eine andere Person als den Herrscher selbst dargestellt hätte. Keine Tituli oder Elogien weisen darauf hin.61 Erst nach demTode desHerrschers
60 Es wird später also noch zu fragen sein, wie das Verhältnis des Kaisers zu seinen Truppen in anderen Segmenten derHerrschaftsdarstellung dargestellt wurde. 61 Es wurde vermutet, dass der Kaiser die Statuen dreier Vertrauter auf seinem Forum habe aufstellen lassen. Bei diesen dort Geehrten habe es sich um die Consulare und Offiziere
348
DAS TRAIANSFORUM
wurden auf dieser Platzanlage Triumphalstatuen errichtet. Die inschriftlich nachgewiesenen Ehrungen des Traiansforums stammen sämtlich aus deutlich späterer Zeit, zumeist aus demvierten undfünften Jahrhundert. Es gibt Hinweise, die vermuten lassen, dass bereits unter Hadrian Triumphalstatuen auf demTraiansforum aufgestellt wurden, doch lässt sich dies epigraphisch nicht verifizieren.62 Doch kein zeitgenössisches Individuum konnte mit dem Herrscher um die Urheberschaft dererrungenen Erfolge wetteifern.
62
Q.Sosius Senecio, A.Cornelius Palma und L.Publilius Celsus gehandelt. Deren Ehrung mit einer Statue ist tatsächlich durch Cassius Dio 68.16.2 nachgewiesen, ohne dass jedoch Ort und Datum dieser Ehrung angegeben wären. Die Literatur bemühte sich (etwa LAHUSEN 1984, 28), ausdemTextzusammenhang bei Cassius Dioeine Aufstellung aufdemTraiansforumzurekonstruieren. Die Argumentation betonte, dass unmittelbar nach dieser Passage die Bibliotheken Traians unddieColumna Traiana erwähnt würden. Hierbei wirdaberübersehen, dass zwischen denbeiden Passagen eine weitere eingefügt ist, welche denUmgang des Kaisers mit Verschwörern behandelt. Die beiden Zeugnisse in der Epitome vonCassius Dio gehören demnach keinesfalls zwingend zusammen. Dasjüngste Beispiel für einen bemühten Nachweis, dass Statuen jener drei Consulare aufdem 83. Die Autorin suggeriert, Traiansforum aufgestellt worden seien, ist BOATWRIGHT 2000, 80– dass auf demAugustusforum zwischen 113 unddemvierten Jahrhundert keine Ehrenstatuen aufgestellt worden seien. Hierbei bezieht sie sich auf LAHUSEN 1984, 26, Anm.164. Doch diese Passage bei LAHUSEN stellt deutlich fest, dass aus nachtraianischer Zeit keine Quelle bekannt sei, dieausdrücklich eine Statue auf demAugustusforum erwähne. DerUnterschied der Darstellung ist beträchtlich: BOATWRIGHT zitiert LAHUSEN also ungenau, umso festzustellen zukönnen, dass noch zuLebzeiten Traians Triumphalstatuen aufgestellt worden seien. Außerdem betont BOATWRIGHT ebd, 82, dass von 113 bis in das fünfte Jahrhundert hinein mehr als 30 Statuen fürdasTraiansforum nachgewiesen seien. Dabei bezieht sich die Autorin 31. An dieser Stelle vermutet LAHUSEN jedoch nur die Aufexplizit auf LAHUSEN 1984, 29– stellung von Triumphalstatuen zu Traians Lebzeiten. LAHUSEN betont ausdrücklich, dass die namentlich sicher zuzuordnenden Inschriften auf Ehrungen sogar erst in nachhadrianischer Zeit hinweisen. Cassius Dio 69.7.4 berichtet, Hadrian habe zahlreiche Ehrenstatuen fürLebende undTote „ auf dem Forum“aufstellen lassen. ECK 1984, 145 weist darauf hin, dass bis in die hadrianische Zeit keine Inschrift für eine Ehrenstatue klar zuzuordnen ist. Eine Ausnahme könnte CILVI 1386 = ILS 1023 sein, als deren Fundort dasAugustusforum genannt wird. Diese fragmentierte Inschriftenbasis wird auf denoben genannten A.Cornelius Palma bezogen. LAHUSEN 1983, 28, Anm. 181 vermutet, diese Statue sei Palma im Jahre 106 errichtet worden. Da der Autor jedoch davon ausgeht, dass die von Cassius Dio 68.16.2 erwähnte Statue Palmas auf dem Traiansforum aufgestellt worden sei, ist er gezwungen, davon auszugehen, dass dies eine zweite Ehrenstatue Palmas sei. Da dieser Schluss jedoch, wie oben gezeigt, zweifelhaft ist, liegt es nicht fern zu vermuten, dass es sich bei dervonCassius Dio erwähnten Statue für Palma umebenjene vomAugustusforum handelt. Dadie Zuweisung derInschrift jedoch nicht endgültig gesichert ist, muss diese Annahme vorerst hypothetisch bleiben. Sie beansprucht jedoch vordemausgeführten Hintergrund traianischer Herrschaftsdarstellung auf demForum mehr Plausibilität als die oben diskutierten Thesen von BOATWRIGHT und LAHUSEN. Vergleiche dieAuflistung derBelege bei PLATNER/ASHBY 1929, 239f.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
6.3.
349
IMAGINES CLIPEATAE –EXEMPLA PRINCIPUM
In der Attikazone der Portiken des Traiansforums waren hoch über dem Boden Imagines Clipeatae angebracht. Der archäologische Befund selbst lässt nurwenige Rückschlüsse auf ein Bildprogramm zu. Auf dem Forum wurden bei Grabungen zwei überlebensgroße Porträtköpfe in traianischem Stil gefunden. Einer dieser beiden, der hier abgebildet ist, wurde lange Zeit für ein Bildnis der Agrippina Minor gehalten. Erst jüngst wurde diese Ansicht dahingehend revidiert, dass es sich um ein Porträt der Mutter des Kaisers Traian handeln müsse.63 Der nur in der Kinnpartie bis zur Mitte des Gesichts erhaltene zweite Kopf stellte denKaiser Nerva dar. Aufgrund ihrer ähnlichen Größe unddes korrespondierenden Stiles sind auch ein Caesarkopf und ein Porträt Vespasians ebenfalls dem Traiansforum zuzuschreiben.64 Hinzu kommt noch ein Kopf der Livia, der gleichermaßen von dort stammt.65 Diese Porträtköpfe waren hoch über dem Platz inmitten ihres Bildnisschildes angebracht.66 Die archäologischen Grabungen bieten keinen Hinweis auf etwaige Beischriften oder Elogien, die sich in der Höhe bei denKöpfen selber oder auf demBoden desPlatzareals befunden hätten. Trotz dieses lückenhaften Befundes soll versucht werden, das Bildprogramm jener Imagines Clipeatae undihre programmatischen Aussagen zurekonstruieren. Hierzu muss auf zwei Ebenen vorgegangen werden: Zumeinen ist der Ursprung dertraianischen Porträtgalerie diachron ausdemAugustusforum herzuleiten. Zum anderen muss ihre synchrone Vernetzung mit anderen zeitgenössischen Medien erfolgen. Dabei wird deutlich werden, dass auf demForum sowohl Mitglieder der Familie Traians als auch frühere Principes mit ihren nächsten Angehörigen dargestellt waren.67
1998. 1970, 518f. weist darauf hin, dass beide sich einst in der Sammlung Farnese befan-
63
BOSCHUNG/ECK
64
ZANKER
den.
65
58; 380ff., Kat.190f. 99, Abb.55– 520 vermutet, dass diese Köpfe zu Statuen gehörten, welche in den Ni1970, 517– schen der Portiken aufgestellt gewesen seien. PACKER 1997b betont jedoch, dass die Spuren derVerzapfung andenKöpfen weniger auf Statuen als aufebenjene Bildnisschilde schließen ließen. 67 Dies hatte bereits ZANKER 1970, 519f. angenommen, jedoch nicht systematisch nachzuweisen
66
PACKER 1997b,
ZANKER
versucht.
350
DAS TRAIANSFORUM
6.3.1. DIE BEIDEN VÄTER TRAIANS PULCHRIUS GENUISSE TALEM ANELEGISSE?68
Das Traiansforum übernahm zahlreiche bauliche undkonzeptuelle Versatzstücke vomAugustusforum. So orientierte sich die traianische Galerie der Imagines Clipeatae an der augusteischen Galerie der Principes Viri. Mit diesem Statuenprogramm auf dem Augustusforum waren die Geschichte der Res Publica und die Familiengeschichte des Iulischen Geschlechts zusammengeführt worden.69 In den Statuennischen der einen Exedra standen die Principes Viri der republikanischen Vergangenheit. Ihnen gegenüber in der anderen Exedra befanden sich Vorfahren desKaisers ausderGens Iulia. Anbaulich prominenter Stelle stand Romulus, der Begründer der Republik und Vertreter ihrer personalisierten Erfolgsgeschichte. Ihmwaraufderanderen Seite desPlatzes Aeneas zugeordnet, derStammvater des iulischen Geschlechts. Ihre beiden Standbilder nahmen die großen Zentralnischen derExedren ein.70 DieMaße deserwähnten Nerva-Porträts lassen erkennen, dass dieser Kopf um rund ein Drittel größer war als die anderen Bildnisse, die vom Traiansforum stammen. Der Vorgänger undAdoptivvater des Traian nahm demnach gegenüber den anderen Bildnisköpfen eine prominente Position unter denImagines Clipeatae ein.71 Im Jahre 112, demJahr der Forumseinweihung, wurden Münzen, wie die hier abgebildete geprägt, die auf ihrer Rückseite mit der Umschrift DIVI NERVA ET TRAIANUS PAT(er) die einander gegenübergestellten Köpfe des Divus Nerva und des Divus Traianus Pater zeigten.72 Einen
68 In Anlehnung anPlin.paneg.89.2. 69 Vergleiche hierzu denAbschnitt 6.2.1 „ Die Quadriga desAugustus –quae mihi ex SCpositae sunt“ . 358. 1999, 256– 1970, 519, Anm. 61 vermutete, dass dieser Kopf Nervas undseine Statue in der größeren Nischen einer derExedren aufgestellt gewesen sei. 72 Ric Nr. 726ff.; BMCNr. 498; STRACK 1931, 199– 202, Nr. 206, 215, Taf.3. Hierbei war dem verstorbenen Herrscher jedoch der Lorbeerkranz vorbehalten, während der Divus Traianus Pater barhäuptig dargestellt ist. Siehe zu solchen Doppelbüsten auf Münzen auch CHANTRAINE1991. –Zur Datierung dieser Emission vor der Konsekration Marcianas siehe den Abschnitt 6.3.2 „ DieBetonung desdynastischen Prinzips“ . 70
71
SPANNAGEL
ZANKER
DerDivus Nerva wurde außer auf diesen Münzen nurnoch auf dentraianischen RestitutionsAurei dargestellt. Die Datierung dieser restituierten Münzen ist ungewiss. Der überwiegende Teil der Forschung geht von einer Emission im Jahre 107 aus. Diese Ansicht ist so weit verbreitet wie falsch. Die traianischen Nummi Restituti gehören umdas Jahr 112 datiert; siehe hierzu das Kapitel zu den Restitutionsmünzen. Der Zeitpunkt der Emission des Doppelporträts derbeiden Divi istjedenfalls, umdies hier nurkurz zuerwähnen, einer derzahlreichen Hinweise darauf, dass auch die Restitutionsmünzen eher in denpolitischen Kontext des Jahres 112 undkeinesfalls injenen desJahres 107 gehören. –Vergleiche schon STRACK 1931, 41 mitAnm. 84.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
351
solchen Zusammenhang zwischen leiblichem Vater undAdoptivvater des Kaisers herzustellen, war bereits am Anfang der Regierung Traians ein wichtiger Aspekt der Herrschaftsdarstellung gewesen. So hatte Plinius im Panegyricus gleichermaßen den Divus Nerva undden Pater Traianus angeredet, dessen Platz zwar nicht unter den Sternen, doch nahe bei ihnen sei.73 Der Vater Traians wardemnach im Jahre 100 bereits tot, doch noch nicht konsekriert.74 Dass er im Panegyricus derartig herausgehoben wurde, liegt in der wichtigen Rolle begründet, die er im Vorfeld der Nachfolgeradoption gespielt hatte. Hierfür ist es irrelevant, wann er gestorben war. Solange sein Todeszeitpunkt unbekannt ist, bleibt unklar, ob dies nun eine aktive Intervention zugunsten seines Sohnes gewesen sein mag, sofern er im Jahre 97 noch gelebt haben sollte; oder ob einflussreiche Unterstützer Traians mit dem Andenken seines toten Vaters operierten, nicht zuletzt mit dessen militärischen Leistungen, um dem Sohn mithilfe der vergangenen Taten und Tugenden derGens Ulpia eine Grundlage seiner Akzeptanz zubereiten. Die Prägung des Jahres 112 gehört zu den chronologisch frühesten Zeugnissen seiner Vergöttlichung. Es ist zuvermuten, dass diese Münze anlässlich seiner Divinisierung emittiert wurde. Eine Doppelprägung derbeiden vergöttlichten Väter desKaisers lenkte vonder Singularität desVorganges ab, denleiblichen Vater des Kaisers zu konsekrieren, dessen Rolle mit der Adoption seines Sohnes durch Nerva eigentlich abgelöst war. Der ältere Traian hatte mit der aktiven Herrschaft seines Sohnes nichts weiter zu tun. Offiziell verdankte der Kaiser ihm nicht den Thron. Diese Divinisierung eines Mannes, der kein Augustus gewesen war, warohne Vorbild undsollte in der gesamten Kaiserzeit nur noch ein einziges Mal vorkommen.75 Die außerordentliche Relevanz desTraianus Pater für die Herrschaftsdarstellung Traians wird weiterhin in einer Reihe vonMünzemissionen in Silber deutlich, welche, wie auf derlinken Seite abgebildet, dasPorträt des DIVUS PATER TRAIANUS allein zeigten, ohne Nerva. Diese Denare fanden erheblich weitere Verbreitung als jene Konsekrati-
73 Plin.paneg.89, 1f.; FELL 1992, 26 bezieht diese Aussage aus unverständlichen Gründen auf den Kaiser Traian, nicht auf denTraianus Pater, der an dieser Stelle explizit angesprochen wird.
74 ObTraianus
Pater bereits vor der Adoption seines Sohnes durch Nerva gestorben war, lässt sich aus denQuellen nicht eindeutig beantworten. Ein Argument für denTod des Traianus Pater vorderAdoption ist, dass Aur. Vict. 13.1 erwähnt, Traian sei durch Adrogatio adoptiert worden. Dies impliziert, er habe zudiesem Zeitpunkt nicht mehr unter derPatria Potestas gestanden. Die Inschrift CIL VIII 8316 = ILS 307 aus Numidien ist jedoch dem M VLP(io) TRAIAN(o) PATR(i) IMP CAES NERVAE (tra)IANI AVG (ger) DAC P(ont max) TR P(ot...cos) VI P P gesetzt worden. Sie waralso ihrer Form nach einem Lebenden geweiht und kann frühestens in den ersten Wochen des Jahres 112 geweiht worden sein, wie STRACK 1931, 200 betont. 75 Auf diesen Fall des lulius Marinus, Vater des Philippus Arabs, weist TEMPORINI 1978, 139, Anm. 603 hin. Doch diese Consecration wurde –anders als die des Traianus Pater –offiziell nicht in Romundauf stadtrömischen Münzen betont.
352
DAS TRAIANSFORUM
ons-Aurei, welche die beiden Väter des Kaisers abbildeten.76 Ferner wurden Denare emittiert, die, wie eben rechts im Bild, eine Kultbildstatue des DIVUS PATER TRAIAN(us) zeigten.77 Die Ehre dieser Darstellung hatte der Divus Nerva nicht erhalten. Unter Traian wurden ihm alleine keine Münzen geprägt.78 Somit ist zu konstatieren, dass demleiblichen Vater Traians eine größere Relevanz in derProgrammatik des Jahres 112 eingeräumt wurde als demAdoptivvater des Kaisers, seinem Vorgänger Nerva. Worin lag nun aber die Relevanz des Traianus Pater begründet, so dass er konsekriert wurde? Warum wurde er über zwölf Jahre nach seinem Tod abermals zu einem wichtigen Gegenstand der Herrschaftsdarstellung Traians? Die Beantwortung dieser Frage führt zuzwei wesentlichen Ideologemen der traianischen Herrschaft: der militärischen Aspekte der traianischen Herrschaftsdarstellung undder Betonung des dynastischen Nachfolgeprinzips. Die Prominenz desVaters Traians lag in seiner Vergangenheit als Sieger über die Parther begründet.79 Die Aussage, dass diese konkrete Kompetenz des Vaters auf den Sohn übergegangen sei, wurde in einer Zeit getroffen, als Traian sich anschickte, seinerseits in einen Partherkrieg aufzubrechen. Bereits zu Beginn des traianischen Principats hatte Plinius herausgehoben, dass der Herrscher seinem kaiserlichen Vorgänger Nerva zwar dieGöttlichkeit verliehen habe, seinem leiblichen Vater habe er jedoch die Ornamenta Triumphalia verschafft. Diese waren dem ehemaligen proprätorischen Legaten der Provinz Syria nach einem Erfolg über die Parther von Vespasian verliehen worden.80 Der Panegyricus betonte, dass der spätere Kaiser Traian im Alter von 23 Jahren unter seinem Vater als Militärtribun gedient unddabei Außerordentliches geleistet habe. Im Partherkrieg habe sich derjunge Mann besonders ausgezeichnet undden Ruhm seines Vaters vermehrt.81 Die bloße Mitteilung vomanrückenden Tribun habe die Parther in Schrecken gestürzt und deren Wildheit und Hochmut beendet.82 Auf diese Weise habe derSohn demVater denSieg geschenkt.
76 RICNr. 251f. Auch auf Aurei
77
78 79
80
wurde der Traianus Pater alleine dargestellt; RICNr. 762ff. Dieser Typus istjedoch seltener als die Denar-Prägungen. STRACK 1931, Nr.205, 213f. Die Münze zeigt ihn in langem Gewand auf einer Sella Curulis sitzend, wobei er Schale und Szepter hält. Dieser Typus entspricht dem Darstellungsmodus des DIVUS AUGUSTUS PATER unter Tiberius und des DIVUS TRAIAN AUG PARTH PATER unter Hadrian. Siehe hierzu STRACK 1931, 199, Nr. 204, 212, Taf.3. Eine Ausnahme stellen nurdie Restitutionsaurei dar. Aber auch dort ist Nerva nureiner von mehreren dargestellten Principes. Es bleibt dieFeststellung, dass Traian fürNerva alleine keine Münzen prägen ließ. Siehe hierzu im Kapitel „ VomRhein nach Rom“ denAbschnitt 9.1.2 „ patricio et consulari et triumphali patre genitus –Der Traianus Pater“ . Traianus Pater war von 74 bis 77 der Statthalter Syriens gewesen. Siehe hierzu ECK1982,
287ff.
81 Vergleiche ECK1999 zu diesem wichtigen Motiv, dass es zumIdealbild eines Sohnes gehöre, dievomVater errungene Stellung zuerreichen undsogar zuübertreffen, umsomit dasfamiliärePrestige zuvermehren. 82 Plin.paneg.14.1.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
353
Doch tatsächlich hatte Traian bis zumersten Dakertriumph des Jahres 103 keinen nennenswerten militärischen Erfolg erringen können.83 Bereits im Jahre 100 war also der militärische Erfolg des Vaters betont worden, umdie bis dahin nur mangelhaften kriegerischen Erfolge des neuen Kaisers aufzuwerten: Die biographische Episode Traians in seiner Rolle als Militärtribun wurde nachträglich in die nachweisbaren Erfolge seines Vaters eingebunden unddiese Rolle wurde heroisch überhöht.84 Die bis zum Jahre 102 fehlende eigene Leistung wurde durch überprüfbare familiäre Leistung kompensiert. In der Frühphase des traianischen Principats hatte diese Kompensation einer generellen Stärkung der militärischen Imago desKaisers gedient. Doch die ab demJahr 112 zubeobachtende Hervorhebung des Parthersiegers Traianus Pater erfüllte einen anderen Zweck. Hier wurde der anstehende Partherkrieg des Sohnes konkret programmatisch vorbereitet.85 Mittlerweile hatte Traian genügend eigene Erfolge in den Dakerkriegen errungen hatte, die seine militärische Kompetenz bestätigten, und so hatte er auch die jedem Kaiser eingeräumte grundsätzliche Prädisposition zum Erringen von Siegen konkretisiert. Doch nun stand ein Krieg gegen die Parther an. Die Betonung der Erfolge des Vaters im Vorfeld dieses Zuges wies darauf hin, dass schon einmal ein Mitglied der Gens Ulpia die Parther bezwungen habe. Die Prädisposition zu einemsolchen Sieg schien also in derFamilie zuliegen. Daneben konnte derKaiser betonen, mit seinem eigenen Sieg seinem Vater, demParthersieger undVir Triumphalis, nachzueifern und ihn übertreffen zu wollen. Die Akzeptanz des groß angelegten Feldzugs wurde auf diese Weise programmatisch vorbereitet. Das erhebliche Maß an Aufmerksamkeit, das die kaiserliche Darstellung zu diesem Zwecke auf den Traianus Pater unddessen Vergangenheit lenkte, wurde durch seine Divinisierung hervorgerufen undgesteuert. Den Adoptivvater Nerva in diesen Vorgang mit einzubeziehen, indem er auf Münzen neben demnunmehr Divus Traianus Pater dargestellt wurde, warlediglich ein Instrument, das die Eh83 84 85
den Abschnitt 9.1.3 „Traians militärische VomRhein nach Rom“ Siehe hierzu im Kapitel „ . Imago bis zumJahre 98“ . Siehe hierzu imKapitel zumPanegyricus denAbschnitt 3.1 „ DieImago desHeros“ Obwohl derAusbruch direkter Kampfhandlungen Roms mitdemPartherreich erst in dasJahr 114 datiert, gibt es doch deutliche Hinweise darauf, dass dieser Feldzug bereits imJahre 111 in seine Vorbereitungsphase getreten war. Laut Cassius Dio 69.1.1 war nämlich Hadrian von Traian nach Syrien geschickt worden, umdenParthischen Krieg vorzubereiten. Wann dieser Auftrag erfolgte, geht aus der Quelle nicht hervor. Doch es ist bekannt, dass Hadrian bereits imHerbst desJahres 111 ausRomnach Osten aufgebrochen sein muss, daer in diesem Winter 111/112 dereponyme Archon vonAthen war. Diese außergewöhnliche Ehrung deutet darauf hin, dass Hadrian in wichtiger offizieller Mission unterwegs war. Es ist möglich, dass Hadrian mit der syrischen Statthalterschaft in denJahren 112 bis 114 betraut war. Zwischen der Statthalterschaft desL. Fabius Iustus, die 111/112 endete, undjener des C.Iulius Quadratus Bassus, die 114/115 begann, weisen die Fasten der syrischen Statthalter eine Lücke auf; 357. Daneben BENNETT 1997, 184 u. Anm. 9f.; vergleiche W. ECK, Chiron 12 (1982), 353– weist derAusbau der Via Egnatia imJahre 112 auf der Strecke vonDyrrachium nach Acontisma auf die infrastrukturelle Vorbereitung des geplanten Partherkrieges hin. Dieser Weg durch die Balkanhalbinsel wardie wesentliche Landroute von Italien in die östlichen Provinzen; BENNETT 1997, 184 mitAnm. 11; SMALLWOOD 1966, 415.
354
DAS TRAIANSFORUM
ren des leiblichen Vaters rechtfertigen sollte. Der Kult des neuen Divus wurde assoziativ mit demetablierten Kult eines anderen Divus verbunden. Beide Väter gleichzeitig zu verehren warnicht anstößig. Den leiblichen jedoch derart hervorzuheben undden Staatsgott dabei zu vernachlässigen, wäre nicht akzeptabel gewesen. Undso ist als zweites Ideologem der fortgeschrittenen traianischen Herrschaft das Prinzip der dynastischen Nachfolge zu nennen, auf welches durch die im Jahre 112 intensivierte Betonung des Traianus Pater hingewiesen wurde. Indemnämlich die militärische Filiation von Traianus Pater zu seinem Sohn hergestellt wurde, wurde diese Perspektive auch für die Zukunft der Gens Ulpia eröffnet. Die Damen des kaiserlichen Hauses, Marciana, Salonia Matidia, Sabina und
Mindia Matidia wurden so zudirekten Nachfahren eines Divus. Diese Aura hatten sie durch die bloße Adoption Traians, ihres Bruders, Onkels und Großonkels, durch Nerva nicht erlangen können.86
6.3.2. DIE BETONUNG DES DYNASTISCHEN
PRINZIPS
Diese Betonung des dynastischen Prinzips findet in jener Zeit auch auf anderen Münzen ihren Niederschlag.87 Am29. August 112 starb die verwitwete Schwester des Kaisers, die Augusta Ulpia Marciana. Anfang September wurde sie konsekriert.88 Ihr Augusta-Titel wurde ihrer Tochter Salonia Matidia übertragen.89 Vielfach wurde angenommen, der Beginn der ‚dynastischen‘ Prägungen unter Traian, also auch der Münzen mit den Divi Nerva undTraianus Pater, habe situativ bedingt mit dem Tode Marcianas eingesetzt.90 Doch dabei wurde übersehen,91 dass bereits vor ihrem Tode Münzen für die MARCIANA AUGUSTA SOROR IMP TRAIANI geprägt worden waren, auf deren Rückseite die MATIDIA AUG F(ilia) dargestellt war.92 Sie war als Pietas zwischen zwei Kindern dargestellt, bei denen es sich umihre beiden Töchter handeln könnte, Mindia Matidia undVibia Sabina. Salonia Matidia wurde auf diesen Münzen nicht als Augusta, sondern als Au86 Hierauf weist TEMPORINI 1978, 139 hin. 87 ZurGeschichte dertraianischen Augustae undihrer Relevanz in dertraianischen Herrschaftsdarstellung siehe TEMPORINI 1978 und 1999 sowie 2002, BOATWRIGHT 1991 und ROCHE 2002; siehe auch WATKINS 2002.
88 Laut KIENAST 1990, 125wurde derBeschluss zurKonsekration noch amselben Tage gefasst. Das Funus Censorium fand am 3. September statt. PRICE 1987, 92 weist darauf hin, dass in derKonsekration derUlpia Marciana jener Umbruch zu fassen ist, derdie religiös motivierte Entscheidung, nach demBegräbnis über Divinisierung zu entscheiden oder nicht, nun auch formal zueiner politischen Entscheidung vordemBegräbnis werden ließ; vergleiche die ausführliche Diskussion bei TEMPORINI 1978, 194– 255. 89
SMALLWOOD
1966, 22, Z.39ff.
90 Siehe zuletzt etwa WEISER 2001. 91 Mit der wohl nachhaltigsten Wirkung
wurde diese irrige Ansicht von MATTINGLY, BMC3, LXXXII vertreten. 92 Ric Nr. 742; COHEN 1882, 100, Nr. 1f.; Bildnachweise bei STRACK 1931, Nr. 183; siehe auch TEMPORINI
1999, 49, Abb. 1f.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
355
gustae Filia bezeichnet. Sie selbst hatte denAugusta-Titel noch nicht erhalten, der ihr erst nach dem Tode Marcianas übertragen werden sollte. Demnach datieren diese Münzen in die Zeit vor dem Ableben der Marciana. Schon zu Lebzeiten Marcianas wurden also die verwandtschaftlichen Bande desKaiserhauses prononciert. Demnach setzte auch derBeginn derDarstellungen derFamilie desKaisers nicht erst imSeptember 112, sondern bereits vorher ein. Undso darf nicht länger als vermeintliche Gewissheit davon ausgegangen werden, dass dasDoppelporträt derbeiden Väter Traians unddie Einzeldarstellungen des Traianus Pater, welche als Bestandteile derdynastischen Prägungen angesehen werden, erst amEnde des Jahres 112 emittiert wurden. Stattdessen muss festgehalten werden, dass die Prägungen, welche die kaiserliche Familie abbilden, nicht situativ durch den Tod Marcianas bedingt waren. Dieses Ereignis warnicht der Auslöser für die Emissi-
on.
Nach der Konsekration Marcianas wurden Münzen mit demPorträt der MATIDIA AUG(usta) DIVAE MARCIANAE F(ilia) geprägt. Auf deren Rückseiten stand wiederum Matidia mit ihren beiden Töchtern inmitten der Umschrift PIETAS AUGUST(a).93 Auch hier wurde das dynastische Prinzip des Kaiserhauses über drei Generationen hinweg hervorgehoben, von der Großmutter Marciana über die Tochter Matidia zu den Großnichten Matidia und Sabina.94 Einen direkten männlichen Nachkommen des Princeps gab es nicht. Doch seine zwei Enkelinnen gewährten die Möglichkeit
einer dynastisch basierten Heiratspolitik.95 So war etwa Sabina die Frau des dadurch auch nächsten männlichen Angehörigen Traians, des zukünftigen Kaisers Hadrian. Aus der Perspektive auf solche Verbindungen erklärt sich die Relevanz der kaiserlichen Damen imJahre 112. Zueben dieser Zeit wurden auch Münzen emittiert, welche die Ehefrau des Kaisers, die Augusta Pompeia Plotina, im Porträt zeigten. Als Rückseitendarstellungen dieser Prägungen dienten etwa Vesta und die Ara Pudicitiae.96 Die drei Damen des Kaiserhauses wurden auf Münzen in allen Metallen undNominalen dargestellt.97
93 RICNr. 759, 761. 194 betont dieses dynastische Element der Prägungen; siehe auch 94 TEMPORINI 1978, 190– 1991 und ROCHE 2002. unter Traian wird konzise erörtert von BIRLEY
TEMPORINI 1999 und 2002, BOATWRIGHT
95 Die Nachfolgefrage
1999 und TEMPORINI 2002. 96 RICNr. 730 ff., 733. 97 Erstjüngst konnte auch für Salonia Matidia jenes Goldquinarstück nachgewiesen werden, das längst schon wegen der parallelen Stücke für Plotina undDiva Marciana erwartet wurde. Es wurde am22. Mai2000 bei Numismatik Lanz in München zurVersteigerung angeboten; Katalog 97, S. 58, Nr.568. DasPorträt derMatidia ist dabei ihrer Mutter Marciana angeglichen. DasRückseitenbild ist fürdiese Emission derimperialen Damen bisher unbekannt. Es zeigt Fortuna. Dasdynastische Prinzip wies also in die Zukunft. Herrscherhaus undReich sollten durch die Familie Traians prosperieren. –Diese bisher unbekannte Reverse in dieser Serie weist deutlich darauf hin, dass die Emissionen derimperialen Damen weitaus umfangreicher
356
DAS TRAIANSFORUM
Mit demBefund, dass die traianische Programmatik in dieser Zeit das dynastisch-familiäre Prinzip betonte, korrespondiert, dass die Basilica des Forums den Beinamen Ulpia erhielt. Diese Bezeichnung ist gesichert durch Fragmente der Forma Urbis, die im folgenden Abschnitt abgebildet sind, und durch die Beischriften auf Münzen wie der hier gezeigten.98 Nach der Adoption durch Nerva hatte Traian sein eigenes Nomen Gentile ‚Ulpius‘ selbstverständlich nicht in die Herrschertitulatur aufgenommen. Zum einen begab sich Traian also mit dieser Benennung des Gebäudes in die konzeptuelle Nachfolge von Stiftungen in republikanischer Tradition, da Ausstattung undBenennnug der Basilica Ulpia zu deren Vergleich mit ähnlichen Bauten der Vergangenheit aufriefen, etwa der Basilica lulia oder der Basilica Aemilia.99 Gerade Assoziationen mit der Basilica Aemilia wurden dem Betrachter nahegelegt. Denn diesen Bau stellte Traian in der Serie seiner Restitutionsprägungendar, wobei auf derMünzabbildung die Imagines Clipeatae amGebäude deutlich zu erkennen waren.100 Doch zum anderen wertete diese Bezeichnung vor allem die Vergangenheit der Gens Ulpia auf. Republikanische Stiftungen waren Beweise für die glorreiche undruhmvolle Familiengeschichte des Stifters gewesen. Erst eine Vergangenheit voller Erfolge rechtfertigte eine derart monumentale Repräsentation der Gens an prominenter Stelle im Stadtbild. Diese Gebäude waren gestiftet worden in Erinnerung an die kumulierten Erfolge der Vorväter des Stifters. Sie dienten seiner eigenen Darstellung undderseiner Familie. Der Stifter warnurdergegenwärtige Träger einer ungebrochenen Familientradition, vorwelcher er sein eigenes Handeln ausrichten undrechtfertigen musste. Die Benennung dertraianischen Halle als Basilica Ulpia suggerierte eine solche Erfolgsgeschichte derGens Ulpia in derArtundimUmfang alter republikanischer Gentes. Es ist demnach zu konstatieren, dass mindestens seit dem Jahre 112 die dynastischen Bande innerhalb des Kaiserhauses prononciert wurden. Besonders wurde die Abstammung des Kaisers von seinem leiblichen Vater betont. Dessen besondere Relevanz in der traianischen Programmatik des Jahres 112 bestand in seiner Vergangenheit als Parthersieger. Der Kaiser leitete seinen prospektiven undkomplexer waren, als die Funde es bisher vermuten ließen. Denn nunist angesichts der sonstigen Übereinstimmungen innerhalb der Serie eine solche Fortuna-Rückseite auch für Plotina undDiva Marciana zuerwarten. 98 Eine Abbildung dieses Fragments der Forma Urbis findet sich im folgenden Abschnitt 6.3.3 Bildnisschilde und Restitutionsprägungen“–Siehe auch ZANKER 1970, 529, Abb.45 und „ PACKER 1995; Münze: STRACK 1931, 204f., Nr.202, Taf.3; 210, 411, Taf.6; 424, Taf.7. 99 ZANKER 1970, 523. 100 ZumIneinandergreifen von Forumsbau undRestitutionsprägungen siehe das Kapitel zu den Restitutionsmünzen. Diese Prägung zitierte eine Münze etwa ausdemJahre 65 v. Chr. vonM. Aemilius Lepidus. Sie warzusätzlich mit der erklärenden Umschrift M LEPIDUS AEMILIA REF(ecit) versehen. Der Vater des späteren Triumvirn hatte die Basilica im Jahre 78 restaurieren lassen unddabei Imagines Clipeatae seiner Familienmitglieder aufhängen lassen. Eines dieser Stücke ist abgebildet im Kapitel zu den Restitutionsmünzen im Abschnitt 4.4 „ Das Bauprogramm des Forum Traiani“ . –Siehe auch CRAWFORD 1974, Nr. 419/3b; MATTINGLY 1926, Nr. 20; BMCNr. 683, Abb.22.18.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
357
Erfolg im anstehenden Krieg nicht allein aus der Facette der grundsätzlichen Sieghaftigkeit seiner Herrschaftsdarstellung ab, sondern verwies ebenso auf Erfolge, welche sein Vater errungen hatte unddie als Erfolge derGens Ulpia zugelten hatten. Dabei wurde das dynastische Konzept aus der Vergangenheit hergeleitet undin die Zukunft verlängert, indem etwa die Kaisernichte Matidia mit ihrer Mutter undihren beiden Kindern dargestellt wurde. Hier offenbarte sich die Perspektive auf ein Fortbestehen derHerrscherfamilie.
6.3.3. BILDNISSCHILDE UNDRESTITUTIONSPRÄGUNGEN
Die Galerie der Principes Viri auf demAugustusforum hatte männliche Angehörige des Iulischen Geschlechts den herausragenden Männern aus der Vergangenheit derRes Publica gegenüber gestellt. Ausdieser programmatischen Zusammen-
führung war der Herrschaftsanspruch des Princeps hergeleitet worden. Augustus betonte, die Geschichte der Res Publica mit der Geschichte seiner eigenen Gens untrennbar verbunden zuhaben. Er stellte sich als Vollender dieser beiden Stränge derVergangenheit dar, die in ihmkumulierten. Ein ähnlicher Befund lässt sich für die traianische Zeit nachweisen. Zur selben Zeit wurde in der Münzprägung die Familie des Kaisers hervorgehoben, und auf dem Forum wurde die Mutter des Kaisers als Imago Clipeata dargestellt. Dem Divus Traianus Pater wurde auf Münzen dieses Jahres der Divus Nerva gegenübergestellt. Der archäologische Befund weist die Existenz von Kaiserporträts in Bildnisschilden nach. Gemäß demaugusteischen Vorbild ist auf demTraiansforum eine Gegenüberstellung von Familienangehörigen mit herausragenden Vertretern derVergangenheit zu vermu-
ten.
Einen Hinweis auf die Auswahl der als Imagines Clipeatae am Traiansforum dargestellten Principes geben die traianischen Restitutionsmünzen, die während der Bauphase des Forums emittiert wurden.101 In diese Münzserie wurden jene Vorgänger Traians aufgenommen, deren Andenken nicht derDamnatio Memoriae verfallen war.102 Undso finden sich auf einigen Restitutionsprägungen Hinweise auf die Betonung eines dynastischen Prinzips. So zeigt ein Aureus für Iulius Caesar die Göttin Venus als Stammutter des Iulischen Geschlechts. Eine Augustusmünze undeine Tiberiusprägung bezeichnen diese Kaiser jeweils als DIVI FILIUS, undeben diese Tiberiusmünze stellt auch noch die Kaisermutter Livia dar. Zu den Restitutionsprägungen gehörte auch eine Spes-Darstellung, mit der Claudius auf die Geburt des Britannicus hingewiesen hatte. Die beiden restituierten Prägungen fürdenDivus Nerva waren die ersten, auf denen dertote Kaiser überhaupt so bezeichnet wurde. Schließlich verweist derHandschlag auf derRückseite eines
101 Zu den traianischen
Restitutionsprägungen, ihrem programmatischen Gehalt undzur Rechtfertigung einer solchen Spätdatierung siehe dasKapitel zudenRestitutionsmünzen. 102 Es handelt sich bei diesen umIulius Caesar, Augustus, Tiberius, Claudius, Galba, Vespasian, Titus undNerva.
358
DAS TRAIANSFORUM
dieser Typen auf die Concordia beim Herrschaftsübergang von Nerva auf Traian undbetonte soebenfalls diedynastische Nachfolge. Im Jahre 112 wurde also die Familie Traians in der Münzprägung besonders herausgehoben. Das Nebeneinander seiner natürlichen unddynastischen Abstammung wurde betont, wobei der familiären Linie aus politischen Erwägungen der Vorzug gegeben wurde. Zugleich wurden die bisherigen Principes in spezifischer Weise dargestellt. Dies geschah in Form der imperialen Restitutionsaurei undder Imagines Clipeatae an den Gebäuden des neuen Forums. Wahrscheinlich waren auf demForum also die Vorgänger Traians mit ihren nächsten Verwandten abgebildet; so Caesar, Vespasian undLivia. Ihnen wurden Familienmitglieder des Kaisers aus der Gegenwart und der Vergangenheit gegenüber gestellt; etwa die Schwester undMutter Traians. Die Verbindung zwischen derfamiliären Linie und jener der kaiserlichen Vorgänger stellten die Porträts des Divus Nerva und des Divus Traianus Pater dar. In diesem Schnittpunkt stellte sich der Optimus Princeps dar. Auf diese Weise konnte Traian beanspruchen, das augusteische Vorbild weit übertroffen zu haben. Augustus hatte die Zusammenführung von zwei parallelen Entwicklungslinien der römischen Geschichte verkörpert: Die göttliche Abstammung seiner Familie vereinbarte er mit der durch Mars ebenfalls göttlich fundierten Erfolgsgeschichte der Res Publica. Auf seinem Forum ließ Augustus diese beiden Stränge in seiner Person kumulieren. In der traianischen Galerie warAugustus nunlediglich ein Bestandteil, nurein Vorgänger vonmehreren in dessen Herrschaftsbegründung; unddies war Augustus auch nur in einer derbeiden Linien, als deren Schnittpunkt sich Traian darstellte. Die ideologische Sonderstellung des Augustus als Begründer des Principats wurde zudem dadurch relativiert, dass auch Iulius Caesar in die Galerie der Principes auf dem Forum undin die Restitutionsprägungen einbezogen wurde.103 Es ist ein charakteristisches Merkmal dertraianischen Imagines Clipeatae, die republikanischen Summi Viri nicht darzustellen. Diese waren bereits auf demAugustusforum in der Imago des Princeps und dessen Tugenden aufgegangen, als Augustus sich als die Kulmination derrepublikanischen Geschichte undihrer Virtutes dargestellt hatte. Nun war es an Traian, den Vorgänger Augustus zum Bestandteil seiner eigenen Imago zumachen. Der Hinweis auf Gestalten derrepublikanischen Geschichte war für Traian nach dem Resümee des Forum Augustum nicht mehr nötig. Augustus hatte jene übertroffen, der Optimus Princeps übertraf nun Augustus.104 Damit hatte Traian nicht nur die bisherigen Principes, sondern auch indirekt die republikanische Vergangenheit überwunden. Die traianische Galerie spiegelte die politische Ordnung des Principats wider. Der Herrschaftsanspruch des Princeps lag in der seit langem etablierten Tradition des römischen Kaisertums begründet. Die Aufreihung früherer Principes bewies das. Aber es wurden auf demForum undauf denRestitutionsprägungen längst nicht alle bishe-
103 Das Konzept, Caesar in die Reihe der Principes mit einzubeziehen, korrespondiert mit der Anordnung derKaiserviten Suetons; siehe auch BOWERSOCK 1969. 104 Auf die Relativierung des Augustus in der traianischen Literatur weist BEUTEL 2000, beson55 hin. ders 51–
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
359
rigen Kaiser dargestellt, denn die Vorgänger Traians unterlagen ebenfalls einer Selektion, wie dies für die augusteischen Summi Viri derFall gewesen war. Doch die Kriterien der Auswahl waren andere. Es kamweniger auf die messbaren Errungenschaften der Kaiser an, sondern darauf, wie bestimmte Facetten ihrer Herrschaft in der bisherigen Überlieferung dargestellt worden waren. Bewertet wurde vor allem ihr gutes Verhältnis zumSenat. Nurwenn dieses Kriterium erfüllt war, warihr Andenken nicht von der Damnatio Memoriae betroffen. Erst unter dieser Voraussetzung konnten sie als positiv konnotierte Exempla fortleben. Auf diese Weise waren sie in dertraianischen Galerie zitierfähig. Nun besaß Nerva in der Herrschaftsdarstellung seines Adoptivsohnes und Nachfolgers nicht gerade eine prominente Rolle.105 Sein Andenken wurde daher nicht etwa bereits in den ersten Regierungsjahren Traians mit Münzbildern oder Monumenten geehrt. Dem Divus Nerva wurde zu keinem Zeitpunkt der traianischen Regierung eine besondere Ehre zuteil. Erst viel später wurde er auf Restitutionsmünzen mit demTraianus Pater dargestellt, als dessen ehrenvolles Andenken ein Gegenstand der Herrschaftsdarstellung geworden war. Doch auch dann war Nerva nureiner vonmehreren Principes.106 Gerade dies zeigt, dass Traian die Begründung seiner Herrschaft nicht konkret auf den einzelnen Vorgänger Nerva stützte sondern auf die Tradition des gesamten Principats, indem sich derOptimus Princeps als Kulmination der anschaulich gemachten Reihe der Boni Principes darstellte.107
Sollte es sich bei jenen weiblichen Köpfen, die auf dem Forum gefunden unddie dort als Imagines Clipeatae angebracht waren, tatsächlich umLivia unddie Mutter Traians handeln, was sehr plausibel erscheint,108 so hätten die Bildnisschilde nicht nur auf das durch Tradition etablierte Konzept von Kaiserherrschaft verwiesen, sondern auch auf deren dynastisches Prinzip. Die Mehrzahl der bisherigen Thronwechsel hatte auf der Vorstellung beruht, ein Herrscher sei bereits aufgrund seiner Familienzugehörigkeit regimentsfähig. Das dynastische Prinzip wareine wesentliche Strategie zurHerrschaftsbegründung des gegenwärtigen unddeszukünftigen Kaisers. Ausdiesen Überlegungen heraus gewinnen die Frauen des Kaiserhauses ihre Bedeutung. Auf demAugustusforum warkeine Frau dargestellt worden, nur Venus als mythische Stamm-Mutter der Gens Iulia. Als Teil der Kultbildgruppe des Mars Ultor Tempels gehörte sie jedoch nicht in die Reihe der Summi Viri. Die Taten, deren Kumulation undjeweilige Vollendung wurden
Augustus für sich in Anspruch genommen hatte unddie seine Herrschaft aus der familiären wie auch aus der gesamten römischen Geschichte herleiteten, waren in republikanischer Tradition nurvonMännern vollbracht worden.
105 Siehe hierzu
KIENAST 1968.
106 Siehe hierzu ausführlich dasKapitel zudenRestitutionsmünzen. 107 Diese Herleitung desOptimus-Beinamens warauch schon zuRegierungsbeginn Traians ausgeprägt gewesen; vergleiche Plinius paneg.2.7; 88.7. Siehe hierzu im Kapitel zumPanegyricus denAbschnitt 2.2.3 „illud additum a nobis Optimi cognomen –Koordinaten einer Herlei-
. tung“
108 BOSCHUNG/ECK 1998.
360
DAS TRAIANSFORUM
Im Rahmen dertraianischen
Programmatik bezog dasdynastische Prinzip nun
auch die Frauen des Herrscherhauses ein. Hierbei wurden unter denImagines Cli-
peatae Frauen nicht nurin der familiären Herleitung Traians dargestellt, wofür das Porträt der Mutter Traians spricht. Frauen wurden auch in die Reihe seiner kaiserlichen Vorgänger aufgenommen, wofür etwa der Kopf der Livia spricht. Traian leitete die Rechtfertigung, die weiblichen Angehörigen seiner eigenen Familie als Imagines Clipeatae darzustellen, aus der Vergangenheit her. Eine Betonung der Frauen des Herrscherhauses war aber in der Intensität, mit welcher Traian es betrieb, bis dahin ohne Vorbild gewesen. Keiner seiner Vorgänger hatte seine Schwester und seine Nichte und sogar seine Großnichten derart herausgehoben. Indem Traian jedoch auch die Frauen der bisherigen Principes darstellen ließ, konstruierte er eine Tradition. Er suggerierte eine Vorgängerpraxis, die zwar tatsächlich in demMaße ohne Vorbild war, die sich aber instrumentalisieren ließ zur Betonung einer dynastischen Nachfolge über die weibliche Linie. In der Herrschaftsdarstellung Traians paarten sich also die dynastische und die familiäre Herleitung seines Regierungsanspruchs mit seiner eigenen Leistung. Er war von Nerva adoptiert worden, was seine Herrschaft aus der Reihe seiner kaiserlichen Vorgänger heraus begründete. Doch die Herrschaftsdarstellung verkündete, Traian sei erst deshalb erwählt worden, weil er selbst undseine Vorfahren sich durch Taten und Tugenden besonders ausgezeichnet hätten.109 Diese grundsätzliche Befähigung wurde auf dem Traiansforum in eindringlicher Form konkretisiert und nachgewiesen: Die militärische Leistung des Kaisers und die daraus resultierenden zivilen Segnungen wurden in anschaulicher Bildsprache dargestellt. Der Princeps dominierte das Forum durch die zahlreichen Verweise auf seine eigene Person. Selbst wenn er sich also als den Schnittpunkt oder die Kumulation zweier Strategien zur Herleitung von Kaiserherrschaft betrachtete,110 erhob er dennoch den deutlichen Anspruch, durch seine eigene Leistung diese Vorgaben nicht bloß zu erfüllen: Traian warmit denbisherigen Principes in einen Wettstreit getreten under hatte sie überwunden. Er inkorporierte sie undihre Erfolge in seine Herrschaftsdarstellung. Er trug bereits zwei Siegerbeinamen, und bald sollte ein dritter dazukommen. Auch die statuarische Aufstellung derSummi Viri des Iulischen Geschlechts auf demAugustusforum war auf deren Taten zurückgeführt worden, die ihnen in Form vonElogien undTituli für denBetrachter transparent beigegeben worden waren. Aber die fehlenden Elogien undTituli des Traiansforums reduzierten die Imagines Clipeatae zuhoch über demBoden angebrachten Herleitungen der traianischen Herrschaft. Doch gerechtfertigt wurde dieser Anspruch auf die Herrschaft durch die zahlreichen Erscheinungsformen des Kaisers selbst undseiner Taten auf seinem Forum. Traian hatte in den Komplex seines Forums das Atrium Libertatis übernommen. Dieses war in republikanischer Zeit der Amtssitz der Censoren gewesen. Deren Aufzeichnungen scheinen im Atrium Libertatis aufbewahrt gewesen zu sein, das seinen Namen von den zeremoniellen Freilassungen erhalten hatte, die
109 Siehe etwa Plin.paneg.88.6; 89.3. 110 So bereits ZANKER 1970, 519f.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
361
dort stattfanden.111 Das Gebäude war einst ex manubiis errichtet worden112 und in baulicher Verbindung mit demKerker am Fuße des Capitols gestanden, woes nach demBau desCaesarforums dessen nordwestliche Ecke gebildet hatte. In augusteischer Zeit war das Atrium Libertatis von Asinius Pollio restauriert worden, derhier die erste öffentliche Bibliothek Roms untergebracht hatte.113 Nun ist aber auf einigen, hier abgebildeten Fragmenten der Forma Urbis die nordöstliche Apsis der Basilica Ulpia als LIBERTATIS bezeichnet.114 Und dies bedeutet, dass das Atrium Libertatis von Traian nicht einfach nur in sein Forum hatte
eingegliedert, sondern innerhalb desAreals
auch verlegt wurde. Nach dem Bau des Traiansforums wurde nämlich nicht etwa die Apsis seiner süd-westlichen Porticus
als Atrium Libertatis bezeichnet, wodieses sich bei einer schlichten Eingliederung in denForumsgrundriss hätte befinden müssen. Stattdessen wares in die gegenüberliegende Apsis der Basilica verlegt. Sein Bücherbestand ging wohl in die Bibliotheken desForums ein. Indem Traian denOrt desAtrium Libertatis innerhalb seines Forums bewusst verlegte, ergänzte er die Aussagen der Monumente umdurchaus bedeutungsvolle Komponenten. In der Basilica Ulpia fanden künftig Freilassungen von Sklaven statt.115 Doch neben dieser regelmäßig stattfindenden Manifestation von individueller Freiheit wurde die Basilica Ulpia nunauch mitdemKonzept derkollektiven Libertas verbunden, wie sie wesentlicher Bestandteil der imperialen Programmatik Traians war: Die persönliche Entlassung aus demSklavenstand wurde mit der allgemeinen Befreiung der Res Publica aus der Tyrannis des Despoten Domitian korreliert.116 Hier war die Gelegenheit zu einem häufig wiederkehrenden Ritual
111 Zur Baugeschichte und Nutzung des Atrium Libertatis siehe KOLB 1995, 189f., 205f., 264, 266, 270, 345, 475, 585, 587. 112 Plinius nat.hist.7.115; Isid.orig.6.5. 113 Sueton Aug.29.4f. 114 ZANKER 1970, 522f.; 529. 115 Durch Sid.Apoll.2.544f. ist diese Nutzung noch fürdie Spätantike bezeugt. 116 Mit seiner Einführung des Kultes desHercules Gaditanus, jener Facette desGottes, die in der Baetica verehrt wurde, der Heimatprovinz Traians, hatte der Kaiser auch seine Abgrenzung vonDomitian betont. DieGeschichte desalten Hercules-Kultes anderAraMaxima ging daraufzurück, dass, Hercules, dieRinder desGeryoneus ausSpanien treibend, auch inRomRast gefunden hätte. Dort habe amFuße desCapitols dasUngeheuer Cacus, dasdie Menschen der Gegend terrorisierte, demHeros diese Rinder gestohlen. Hercules erschlug ihn undbefreite damit dasVolk ausderSklaverei. Diesem alten Kult verlieh Traian neue Bedeutung. Er stellte die Verbindung von sich mit Hercules her undnahm in Anspruch, Romausder Servitus Domitians befreit zuhaben, wie dies im Mythos bereits präfiguriert gewesen sei. Dass Hercules ein Sohn Iuppiters war, ließ die Annäherung vonKaiser undHeros für ersteren noch angenehmer erscheinen. Dies zeigen etwa auchjene Münzen, die Traian unter der persönlichen Tutel des luppiter Optimus Maxi-
362
DAS TRAIANSFORUM
geboten, innerhalb dessen auf diesen Zusammenhang zwischen privater undöffentlicher Freiheit hingewiesen werden konnte. Die Sklavenfreilassungen konnten den Rahmen einer ständig aktualisierten Sinnstiftung für den befreiten Populus Romanus darstellen. Daneben bedeutete die bauliche Eingliederung des Atrium Libertatis in den Forumskomplex auch eine Reminiszenz an die Republik. Auf demForum undin derHerrschaft desKaisers wurde dasFortleben alter Traditionensuggeriert. In dieser Beziehung korrespondiert es etwa mitderBenennung der Halle als Basilica Ulpia; eine Bezeichnung, die eine Stiftung nach demVorbild derrepublikanischen Gentes andeutete. Durch die Umlegung des Atrium Libertatis warzudem auf ein wichtiges Ideologem der traianischen Zeit hingewiesen, die vorgelebte Censur des Optimus Princeps: Wie erwähnt, wardas alte Atrium Libertatis in derRepublik dasAmtslokal der Censoren gewesen. Die Censur wurde in der Kaiserzeit noch gelegentlich von denPrincipes übernommen. Diese hatten sich zwar situativ bedingt noch zu Censoren wählen lassen, doch für gewöhnlich nahmen sie censorische Aufgaben im Rahmen des Imperium proconsulare wahr. Domitian jedoch hatte mit dieser Tradition gebrochen. Er hatte sich im Jahre 84 den Titel eines Censor Perpetuus gegeben und ihn als festen Bestandteil in seine imperiale Titulatur aufgenommen.117 Bis dahin war diese Übernahme des Amtes auf Lebenszeit ohne Vorbild gewesen. Auch nach Domitian sollte kein Kaiser dies tun. ImJahre 100 hatte Plinius sehr vorsichtig auf die unterbliebene Übernahme der Censur durch Traian hingewiesen: Bisher habe erja noch nicht das Censorenamt unddie Oberaufsicht über die Sitten übernommen.118 Schließlich prüfe Traian den Charakter derBürger durch Wohltaten, nicht durch eingreifendes Handeln. Der Princeps steuere die guten Sitten seiner Mitbürger nicht durch Zwangsmaßnahmen, sondern durch seine eigene tugendhafte Lebensführung. Die Vita des Princeps selbst sei daher eine Censur, undzwar eine ständige. In bewusster Abgrenzung von der ständigen, institutionalisierten Censur Domitians lobt Plinius Traian also; auf deranderen Seite zeigt diese Passage auch die Ungewissheit des Redners und seine mangelnde Kenntnis der kaiserlichen Pläne. Wenn er auch bisher noch nicht das Amtübernommen hatte, so mochte er es vielleicht bald doch tun. Doch Traian tat gerade dies nicht. Zunegativ wardiese Maßnahme Domitians belegt. Stattdessen verlegte der Princeps den alten censorischen Amtssitz und integrierte ihn in sein Forum, der Öffentlichkeit zugänglich. Dort, im Rahmen seiner monumentalen Leistungsschau, fand diese republikanische Reminiszenz ihren Platz undverband censorisches Eingreifen undFreiheit untrennbar mit der Person, denTaten unddenTugenden Traians.
musstehend zeigen. Siehe etwa STRACK 1931, Nr. 224, Taf.3; vergleiche vor allem im Abschnitt 7 „ Dertriumphierende Heros in derStadt“ , imKapitel zumPanegyricus denAbschnitt 3.4.2 „ Von Spanien nach Germanien –Das Hercules-Paradigma“sowie im Kapitel zu den Restitutionsmünzen denAbschnitt 7 „ Libertas“ . 117 Cassius Dio 67.4.3. 118 Plin.paneg.45.4– 6: noncensuram adhuc, nonpraefecturam morum recepisti (...). –Siehe hierzuimKapitel zumPanegyricus denAbschnitt 2.2.2 „ nondicturi nisifecerit –DenKaiser auffordern“ .
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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6.4. DAKERSTATUEN –EXEMPLA SERVITUTIS In der Attikazone der Portiken und der Basilica wie auch in den Nischen des monumentalen Eingangs des Forums standen 2,30 Meter hohe Statuen dakischer Krieger aus verschiedenen Sorten farbigen Marmors.119 In ihrer Nationaltracht waren sie waffenlos undmit verschränkten Händen als Supplikanten dargestellt. Wenn sie auch nicht deutlich nach individueller Physiognomie differenziert waren, so stellten sie zumindest die unterschiedlichen Typen desbarhäuptigen Dakers undjenes mit einer Kappe dar, des Comatus und Pileatus. Die Sozialordnung dieser Krieger wurde hier auf das wesentliche Minimum reduziert wiedergegeben. Ihre Aufstellung war wesentlicher Bestandteil der militärischen Assoziationen, welche die Forums-Architektur undihr statuarischer Schmuck weckten. Die Dakerstatuen hatten für das Gebälk keinerlei statischen Zweck, obgleich sie diesen Eindruck zu erzeugen suchten. Sie waren baulich gesehen reine Schmuckelemente. Mit ihnen alternierend waren in der Attikazone der Portiken die besprochenen Imagines Clipeatae angebracht. In der Gebälkzone unmittelbar darüber befanden sich Inschriften, die besagten, derBau sei ex manubiis errichtet worden. Diese baulichen Elemente hatten ihre Vorgänger auf dem Forum Augustum.120
6.4.1. DIE KARYATIDEN DES FORUM AUGUSTUM
Die Attikazone der Portiken auf dem Augustusforum war durch Frauenstatuen gegliedert. Das Vorbild ihrer Gestalt waren die klassischen Koren des athenischen Erechtheions. Während die athenischen Statuen jedoch anstelle von Säulen das Dach des Baus tatsächlich stützten, hatten die Standfiguren des Augustusforums keine tragende Funktion. In ihnen lief jedoch eine Reihe konzeptueller Anspielungenzusammen, die sich auf verschiedenen Ebenen bewegten. Zunächst waren die Stützfiguren des Augustusforums geeignet, auf die Koren des Erechtheions in 119 Man gewinnt eine Vorstellung von der Art der ursprünglichen Aufstellung der Statuen auf demTraiansforum anhand jener Dakerstandbilder, die Constantin der Große als Spolien an seinem Bogen verwendete. Die Abbildung zeigt eine dieser traianischen Spolien. 120 Cassius Dio 68.9.1f. undderZusatz vonPetrus Patricius zudieser Stelle berichten, die Pileati seien die vornehmeren Daker gewesen. Zunächst habe Decebalus lediglich langhaarige, einfache Krieger als Abordnung zu Traian geschickt, umso seine Geringschätzung des Kaisers auszudrücken. Nach Verlusten habe erjedoch die vornehmen Kappenträger als Emissäre geschickt. Diese Stelle bietet zusammen mit Cassius Dio 68.10.1 auch eine literarische Reflexion der statuarischen Ausstattung des Traiansforums. Denn hier ist das Auftreten der Daker mitniedergeworfenen Waffen undverschränkten Armen literarisch beschrieben worden; eben so, wie sie auf demTraiansforum statuarisch dargestellt waren.
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ihrer Funktion
DAS TRAIANSFORUM
als Opferdienerinnen des mythischen Königs Kekrops hinzuwei-
sen. Auf diese Weise stellte Augustus eine Analogie zudenMythischen Königen von Latium undRom her, die ihre Plätze unter den Summi Viri121 hatten, unddie somit integraler Teil der visualisierten Herleitung des augusteischen Principats waren. Diese Anspielung hätte dann aber nurauf einen Teil des statuarischen Programmes des Augustusforums Bezug genommen. Ausgehend von ihrer Funktion als Opferdienerinnen im Kult repräsentierten die Statuen auch die Pietas, jene Tugend, welcher neben der militärischen Virtus auf demForum größtes Gewicht zukam.122 Die Kopien der Erechtheion-Koren lassen sich auch mit der Finanzierung desAugustusforums verbinden, dieex manubiis erfolgt war, wieAugustus in seinem Tatenbericht hervorhebt.123 In dem Falle hätte das klassische Zitat an die Aufstellung griechischer Beutestücke erinnert.124 Die wohl wichtigste Aussage und die plausibelste Deutung dieser in ihrer Aussage so ungeheuer vielschichtigen Statuen bietet Vitruv als zeitgenössischer Betrachter des Augustusforms.125 Er berichtet von dem baulichen Visiotyp geschmückter Frauenstatuen, die er als Karyatiden bezeichnet.126 Diese hätten den Athenern als exempla servitutis in einem aeterno triumpho gedient. Im Sinne des antiken Autors deutete PAUL ZANKER die Statuen des Augustusforums „ als eine sinnbildliche Darstellung der von Augustus ihrer Hybris wegen gedemütigten Völkerschaften.“127Dazu wurde kritisch angemerkt, Vitruv habe bereits die Funktion der klassischen Koren falsch verstanden, da seine aitiologische Episode um die Karyaten sich erst nach demBau des Erechtheions zugetragen habe. Zudem sei der Bezug auf das Augustusforum wegen des unsicheren Publikationsdatum seines Werkes ohnehin keineswegs gesichert.128 Dem muss nun aber entgegen gehalten werden, dass allein durch diese –wenn ausheutiger Sicht auch historisch fehlerhafte –Begründung Vitruvs, keineswegs bewiesen ist, dass nicht die augusteische Zeit in den Karyatiden eben diese Exempla Servitutis gesehen haben mag.129 Zur Erhellung dieser Frage vermag jedoch der bauliche Befund des Traiansforums zudienen, welches denaugusteischen Visiotyp ja aufgriff.
121 So etwa SPANNAGEL 1999, 286f. 122 So etwa SCHOLL 1998, 53ff. 123 RGDA21. 124 So etwa WESENBERG 1984, 172ff., der betonte, die Originale verblieben dabei als ewige Erinnerung an ihrem ursprünglichen Ort, so dass eine gegenseitige Referentialität gewährleistet gewesen sei. Das Betrachten einer der Statuengruppen konnte die Erinnerung an diejeweils andere auslösen. 125 Vitruv 1.1.4: Statuas marmoreas muliebres stolatas, quae Cariatides dicuntur, procolumnis in opere statuerit et insuper mutulos et coronas conlocaverit. 126 Die Bezeichnung geht auf die Benennung der Einwohner von Karyai zurück, die für ihren Verrat an den gemeinsamen griechischen Interessen bekriegt undbesiegt worden seien. Als Sklavinnen hätten die Frauen ihre Gewänder und ihre Schmuckstücke nicht mehr ablegen dürfen. 127 ZANKER 1968, 12f. 128 So etwa GANZERT/KOCKEL 1988, 192. 129 So auch schon ZANKER 1968,30, Anm. 48 selbst.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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Die Statuen des Traiansforums zitierten jene des Augustusforums direkt in Gestalt undbaulicher Form, undso sollte auch die Möglichkeit eines konzeptuellen Anklangs diskutiert werden. Die Rezeption eines Visiotyps durch eine spätere Zeit vermag immer auch mögliche Hinweise auf seine ursprünglichen Bildaussagenzugeben, wenn mandabei Phänomene wieetwa eine Bedeutungserweiterung oder, wie in unserem Falle, eine Bedeutungsverengung der originalen Inhalte in Betracht zieht. Die Standbilder der gefangenen Daker waren Monumente des traianischen Triumphes und Sieges. Ein visuell dominantes Element des Forum Augustum war in ein ähnlich dominantes Element des Traiansforums transformiert worden. Dabei korrespondierten beide in ihrem baulichen Kontext. Diepotentielle Vielschichtigkeit bei der Deutung der augusteischen Karyatiden hatte Traian in eine deutlichere Sprache übersetzt. DerVisiotyp wardabei seiner Polysemie entkleidet. Die Art der traianischen Rezeption dieser augusteischen Statuen gibt also einendeutlichen Hinweis aufjene Bedeutungsfacette derKaryatiden, die in traianischer Zeit offenbar besonders transparent erschien. Andere Lesarten der Koren des Forum Augustum sollen für den augusteischen Baukomplex unddessen zeitgenössische Betrachter keinesfalls abgestritten werden. Denn gerade die Mehrdeutigkeit unddas Zusammenführen von bildlichen undkonzeptuellen Traditionen ist ein konstitutives Element der augusteischen Repräsentationskunst. Doch Traian hatte sich bei der Übernahme des Visiotyps für einen dieser möglichen Deutungsaspekte entschieden. Auf dem Traiansforum wurde die Darstellung des triumphierenden Siegers und seiner unterworfenen Gegner mit einer solchen Klarheit prononciert, die dasAugustusforum nicht aufwies. Indes wollte Traian noch auf anderen Ebenen seinen Vorgänger übertreffen. Wegen der baulichen Ähnlichkeit der Stützfiguren –wie auch der anderen gemeinsamen Visiotypen –auf den beiden Foren wurde der Betrachter zu einem Vergleich derjeweiligen Gesamtanlagen eingeladen. So trat die bloße Menge der Dakerstatuen mit den Karyatiden in einen quantitativen Vergleich, der mit dem Größenvergleich der beiden Foren korrespondierte. Außerdem hatte Augustus die Karyatiden seines Forums aus einfarbig weißem Marmor gestalten lassen, wodurch er die Assoziationen mit deren klassischem Ursprung beförderte. Doch Traian wandte sich von dieser gedanklichen Verbindung ab. Die verschiedenen Sorten farbigen Marmors der Statuen wiesen auf diverse Weltgegenden hin, aus denen der Kaiser diese kostbaren Materialien hatte besorgen lassen. Die Daker waren aus Marmor hergestellt, der aus Phrygien, Ägypten und Numidien nach Romtransportiert worden war.130 Damit wurde deminformierten Betrachter allein schon der räumliche Rahmen der kaiserlichen Herrschaft eindrücklich vor Augen
130
SCHNEIDER
165; ZANKER 1997, 38f. –Mit den farbigen Marmorsorten der Da1986, 162– die Polychromie derBodenbeläge derPortiken aufdem
kerstatuen korrespondierte außerdem Forum.
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DAS TRAIANSFORUM
geführt.131 In derPolychromie
der Statuen fand dasImperium seine geographische Verdichtung auf demTraiansforum. 6.4.2. EX MANUBIIS–DIE POPULARISIERUNG DER DAKERSIEGE
Im unmittelbaren baulichen Kontext von Dakerstatuen undSigna befanden sich Inschriften, die besagten, dasForum sei ex manubiis errichtet worden. Dies ist bei Gellius überliefert,132 der an diesen Umstand eine umfangreiche Diskussion knüpft zumUnterschied von manubiae undpraeda.133 Demnach bezeichnete praeda die Beutestücke eines Krieges, manubiae hingegen waren der Erlös aus der Veräußerung dieser Beutestücke. Die praeda stand in der Kaiserzeit dem Imperator zu. Dieser ließ für gewöhnlich Teile dieser Beute durch die Präfekten des Aerariums oder die Quästoren verschenken, verkaufen oder öffentlich versteigern. Der Erlös hieraus stand zur Verfügung des Kaisers, wobei von ihm erwartet wurde, die manubiae für Geschenke undStiftungen zu verwenden.134 Umin seinem Werk diese inhaltliche Differenz umfassend zu erläutern, nimmt Gellius explizit auf das Traiansforum Bezug. Daher ist davon auszugehen, dass er sich bewusst war, dass das Forum eben gerade nicht aus dem Einschmelzen undAusmünzen der kostbaren Beutestücke finanziert worden war, sondern ausdemErlös derVersteigerung oder demVerkauf derpraeda. Das heißt jedoch nicht, dass nicht auch derKaiser selbst aus seinem Privatvermögen einen guten Teil der nötigen Summe aufgebracht haben mag.135 Doch letztlich bestätigte auch diese Unterstützung nur die Darstellung desfreigebigen Princeps. Da die einzelnen Stücke der praeda verschenkt, verkauft oder versteigert wurden, mussten dementsprechend viele dakische Spolien in Privatbesitz kursieren. Waffen und sonstige Beutestücke wurden also in Wohnhäusern zur Schau gestellt. Wenn der neue Besitzer die Beutestücke ausstellte, deutete er zunächst 142, wenn er aufdie raffinierte Phänomen behandelt BARGHOP 1994, 132– Zusammenstellung der Speisenfolge in senatorischen Haushalten hinweist. Hier wurden verschiedene Speisen mit ihren Herkunftsregionen assoziativ verbunden. Die Größe des Reiches konnte sinnlich nachvollzogen werden. Vergleichbar hiermit war die unterschiedliche Herkunft dereigenen Sklaven. 132 Gellius noct.Att.3.25.1: In fastigiis fori Traiani simulacra sunt sita circumundique inaurata equorum atque signorum militarium, subscriptumque estexmanubiis. 133 Siehe zur Differenzierung besonders Gellius a.a.O.3.25f. –In der Forschung wurde dieser Unterschied bei der Beschreibung der Inschriften nicht berücksichtigt. 134 Diese Erwartungshaltung, mitdenmanubiae nicht nureinige wenige Freunde zubeschenken, drückt Cato desumpto suoaus, tradiert bei Fronto epist.ad Antonin.1.1. 135 Vondieser ArtdesZuschusses berichtet Tac.ann.3.72.1 in Bezug aufdieaugusteische Baupolitik. –Deutlich ist die Differenzierung vonpraeda undmanubiae bei Sueton Aug.30.1, wo von der manubialis pecunia die Rede ist. Weiter beschreibt Sueton Div.Iul.26.2 als Verwendungsmöglichkeiten von manubiae den Aufbau des Forum Iulium, ein Gladiatorenspiel und ein Festessen für die stadtrömische Bevölkerung. Laut Plin.n.h 7.97 errichtete Pompeius Magnus derMinerva ein Heiligtum ex manubiis. –Tac.ann.2.53 hingegen bezeichnet geweihte Trophäen alssacratae manubiae.
131 Ein ganz ähnliches
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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auf seinen Reichtum hin, auf welchen die Betrachter anhand der Güte undMenge der Spolien schließen konnten. Dies verbindet die Beutestücke mit sonstigen Phänomenen desAusstattungsluxus vonPrivathäusern. Darüber hinaus aber vermochten dakische Beutestücke im Privatbesitz eine gewisse Haltung ihres Besitzers gegenüber demKaiser unddessen Herrschaftsdarstellung auszudrücken. Schließlich waren Erwerb undZurschaustellung dieser Spolien eine Geste demonstrativer Akzeptanz der kaiserlichen Kriegstaten. Der Erwerb der Spolien ließ den Bürger an der Finanzierung des Forums teilhaben, erleichterte den gedanklichen Zugang zur militärisch geprägten Bilderwelt des Baukomplexes und demonstrierte die Akzeptanz von dessen monumentalen Aussagen. Auf diese Weise beförderte die private Verbreitung der Spolien einen kollektiven Identifikationsprozess, welcher die traianischen Dakerkriege als Kämpfe des gesamten römischen Volkes wahrnehmen ließ. Die Ausstellung vonBeutewaffen warin republikanischer Zeit auf die Häuser derFeldherren beschränkt gewesen, wosie als Ehrenzeichen hingen undauch bei einem Besitzerwechsel des Hauses nicht entfernt werden durften.136 In der Republik war die senatorische Binnendifferenzierung nach Rang und Ehre auch auf solche Trophäen angewiesen, umdie Bedeutung der eigenen Gens bestimmen zu können. So behandelt der ältere Plinius die Beutestücke im Zusammenhang mit denImagines unddenStammbäumen imAtrium derFamilie, jenen Manifestationen akkumulierten symbolischen Kapitals.137 Die Kaiserzeit war sich des Zeichencharakters der Spolien also noch wohlbewusst. Doch alle Beute gehörte allein noch demeinzigen Imperator, derauch denTriumph feierte, demKaiser. Spolien als Rang differenzierendes Kriterium hatten ihre Wirkungsmacht eingebüßt. Der Herrscher konnte nach seinem Ermessen die Beute verteilen, solange er denForderungen anseine Freigebigkeit entsprach. Diese Verteilung der Beutestücke hatte nun für die Konkretisierung undden Nachweis militärischer Leistung des Kaisers weitreichende Folgen. Das sichere Wissen darum, dass militärische Erfolge an der Donaufront errungen worden waren, warnicht mehr allein der exklusiven Gruppe der Legionäre vorbehalten, sondern entwickelte auch in der Zivilbevölkerung eine Breitenwirkung. Jeder konnte für sich ein solches Beutestück, einen solchen kleinen Beweis des römischen Sieges erwerben. Die Spolien in Privatbesitz hatten somit eine multiplikatorische Wirkung für die imperialen Ideologeme. Jenseits der herrscherlich gesteuerten öffentlichen Baukomplexe warimperiale Programmatik erfahrbar. Indem derKaiser die zivilen Mitglieder der Res Publica an der Beute teilhaben ließ, popularisierte er die Siegesthematik der Dakerkriege. An die Errichtungsart ex manubiis waren zudem Assoziationen mit republikanischen Feldherren geknüpft.138 Ebenso hatte auch Augustus in denRes Gestae betont, er habe sein Forum privato solo ex 136 Plut.quaest.Rom.37; Plin.nat.hist.35.7. 137 Plin.nat.hist.35.7. 138 SPANNAGEL 1999, 11f. weist darauf hin, dass die ausderKriegsbeute errichteten Tempel und Portiken desMarsfeldes ausrepublikanischer Zeit als Vorbilder für die Kaiserforen zugelten haben. Doch auch SPANNAGEL übersieht den Unterschied zwischen praeda und manubiae undsomit die Konsequenzen daraus.
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DAS TRAIANSFORUM
manibiis errichten lassen.139 Beide Aussagen verweisen auf die Liberalitas des Stifters.140
Traian handelte, wie es gemäß seiner Imago des freigebigen Herrschers erwartet wurde; zwar versteigerte er zunächst die Gegenstände der Kriegsbeute an das Volk, behielt dann aber denGewinn nicht für sich, sondern gab ihn wiederum dem römischen Volk, undzwar in Form eines monumentalen Forums.141 Traian demonstrierte hiermit auch, dass es sich bei den von ihm gefeierten Triumphen keinesfalls umfalsi triumphi handelte. Solche vorgetäuschten Siege wurden Domitian vorgehalten, denn unter dessen Regiment, behauptete der Panegyricus, seien Triumphfeiern sichere Zeichen einer Niederlage gewesen.142 Mit Hilfe der Spolien belegte Traian in der Öffentlichkeit die Größe und Wahrhaftigkeit des eigenen Sieges. Durch die Streuung der dakischen Kriegsbeute wurde die Rechtfertigung des triumphierenden Kaisers weit verbreitet undjedermann vor Augen geführt.143
6.5. DIE TRAIANSSÄULE –EXEMPLA COMITATIS Zwischen den Bibliotheksgebäuden auf der Nord-West Seite der Basilica Ulpia befand sich die Traianssäule. Mit ihrer Höhe von 40 Metern überragte sie die an139 RGDA21. 140 Hierzu siehe KLOFT 1970, 74ff. –Vergleiche hierzu etwa Plin.paneg.25f. 141 ALFÖLDY 1995 weist auch für das Colosseum eine Errichtung ex manubiis nach. Er vermutet ferner für das Templum Pacis eine eben solche Finanzierung, da dieses zwischen demMars Ultor Tempel unddemColosseum gelegen habe, die beide ausden Erlösen der Beute finanziert worden seien, undda Flav.Ios.b.J.7.158 betont, es sei zur Feier des Sieges über die ludaeer errichtet worden.
142 Siehe etwa Plin.paneg.11.4, 12.2, 17.1.
143 Meines Wissens ist dieses Thema bisher weder historisch, noch archäologisch eingehend untersucht worden. Während die Erforschung der privaten Verbreitung von Waffen oder sonstigen Beutestücken vernachlässigt wurde, fanden Waffendarstellungen auf Münzen oder in deröffentlichen Repräsentationskunst intensive Beachtung; siehe hierzu zusammenfassend 116. In der offiziell gesteuerten Kunst, seien es nun die MonuRADNOTI-ALFÖLDI 1999, 83– mente oder die Münzen, waretwa an denjeweiligen Spoliendarstellungen genau jenes Volk abzulesen, welches diese Waffen führte. Es gab also keinen Einheitstypus der fremdartigen Waffe, die etwa für Germanen, Briten undDaker gleichartig dargestellt gewesen wäre. Stattdessen waren diese ethnischen Spezifika deutlich differenziert. DerDaker wurde also mit seinemKrummschwert, der Falx, abgebildet, der Germane mit hexagonalem Schild undHosen, undso fort; anders hingegen, doch ohne denoben genannten Befund zu berücksichtigen, äußert sich ZANKER 2000c, besonders 411f. Eine solche diachron anzulegende Untersuchung vonSpolien in Privatbesitz ist ein Desiderat,
das mit bloßer antiquarischer Forschung nichts zu tun hätte. In der römischen Gesellschaft, für die der Krieg derartige kulturelle Dimensionen besaß, ist die Frage nach den Mechanismeneiner Popularisierung desKrieges etwa durch Spolien vongrößter Bedeutung.
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6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
deren Gebäude des Forumskomplexes undwar weithin sichtbar. Auf ihrer Spitze befand sich eine Panzerstatue Traians. Der rund 200 Meter lange undin 23 Spiralen ansteigende Relieffries, der sich umdie Säule windet, zeigt Szenen aus den beiden Dakerkriegen des Kaisers. Das Heer ist in verschiedenen Situationen zweier Kriegszüge dargestellt. Vom Einmarsch in das Feindesland, dem Vorantreiben des Feldzugs durch Ausbau militärischer Infrastruktur über verschiedene Belagerungen undSchlachten bis zumsiegreichen Abschluss derKriege steht das römische Heer im Mittelpunkt. Die Person des Herrschers dominiert die Darstellung. In 155 Szenen ist er rund sechzigmal dargestellt.144 Die Abfolge der Szenen scheint insgesamt eine zeitliche undlogische Stringenz zubeanspruchen, unddie Bildsprache, in der die Kriegstaten des Heeres und ihres Feldherren dargestellt sind, wählte eine dokumentarische Darstellungsart.145 Sie suggeriert eine realistisch anmutende Beschreibung derFeldzüge undihrer einzelnen Episoden. In die Darstellung typischer Tätigkeiten eines Heeres und seines Kaisers scheinen Anekdoten derFeldzüge eingefügt zusein: Der Kaiser zieht in verschiedene Städte ein, ein Barbar fallt vomMaultier,146 Decebalus begeht Selbstmord147 undso fort. Dem Betrachter wird ein vermeintlich berichthaftes Panorama der traianischen Kriege in Dakien vorgeführt. Bei der Untersuchung des Monumentes undbei der geistigen Durchdringung seines Sinngehaltes ergibt sich ein gewichtiges Problem: Die einzelnen Szenen waren von keinem Punkt aus für den Betrachter auch nur in annähernder Gesamtheit sichtbar. Allein schon die Höhe der Säule verbietet die Betrachtung der oberen Reliefs. Dieser Unmöglichkeit, mehr als nur einige ausgewählte Windungen erkennen zu können, steht der Befund gegenüber, dass auch die obersten Szenen genau so sorgfältig gearbeitet sind wie die unteren.148 Vielfach wurde nach Erklärungen für diese Diskrepanz zwischen vollendeter Ausarbeitung und erheblich eingeschränkter Lesbarkeit gesucht. Es lässt sich etwa feststellen, dass dasRelief-
144 Bei der Bezugnahme auf einzelne Szenen des Reliefbandes wirdjeweils auf die Zählung der Abgüsse von CICHORIUS 1896 verwiesen werden. Diese sind von 1 bis 155 durchnumeriert. Eine Neuedition undeinen Kommentar der Reliefs bieten LEPPER/FRERE 1988. Die Cichorius-Platten sind in diesem Werk noch weiter in 414 Einzelszenen untergliedert worden. Im Folgenden ist jedoch die Zählung der Platten nach CICHORIUS beibehalten worden. Die einzelnen Szenen umfassen zwar zumeist größere Handlungszusammenhänge, doch ist deren Numerierung in der Forschung allgemein etabliert undzur Bestimmung derjeweils zitierten Darstellung hinreichend genau. Sollte sich in unserer Darstellung die Cichorius-Zählung einmalals zuungenau erweisen, etwa beim Hinweis auf Details, wird zusätzlich auf die weiterreichende Differenzierung nach LEPPER/FRERE verwiesen werden. Wegen der besseren Abbildungsqualität ist vorallem KOEPPEL 1991/92 zuempfehlen. 145 Diese Darstellungsweise unterscheidet sich erheblich von derjenigen etwa des Großen Traianischen Frieses. Hier wurde die grundsätzliche Sieghaftigkeit desrömischen Kaisers in heroischer Überhöhung geschildert.
Zu diesen
beiden Darstellungsmodi
in verschiedenen
Medien
und ihrer programmatischen Aussage siehe im Kapitel zum Panegyricus den Abschnitt 3
. Traians militärische Imago“ „ 146 CICHORIUS 8f. 147
CICHORIUS
145.
148 Dieunteren sechs erkennen.
Windungen sind auch in ihren darstellerischen Details einigermaßen
gutzu
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DAS TRAIANSFORUM
band ursprünglich bemalt war. Somit mag eine visuelle Differenzierung der Szenen erleichtert gewesen sein. Doch kann dies auch nur für die untersten Säulenwindungen gegolten haben.149 Denn selbst wenn man Galerien auf den umliegendenDächern der Bibliotheken undPortiken annimmt, von denen aus maneinige der weiter oberhalb umlaufenden Windungen hätte betrachten können, wären trotzdem noch längst nicht alle der Reliefs zu erkennen gewesen. Die künstlerische Qualität derDarstellungen richtete sich also nicht nach ihrer Sichtbarkeit.150 Doch selbst fürdie Betrachtung deruntersten Reliefs ergaben sich Schwierigkeiten. Umnämlich die Szenen in ihrem dargestellten Ablauf zu lesen, hätte der Betrachter in einem fort die Säule umlaufen müssen, um der Erzählung des sich windenden Frieses zu folgen. Diesem Problem trat die Forschung entgegen, indemsie die Lesbarkeit der Säulenreliefs auf einer vertikalen Ebene betonte.151 Es konnte gezeigt werden, dass unmittelbar übereinander angeordnete Szenen zusammengefasst eine ebenso aussagekräftige narrative Ebene undPanoramen der Feldzüge bieten, wie die horizontal fortlaufende Erzählung es tut. Auf diese Weise hätte ein Betrachter nicht um die Säule herumlaufen müssen, um bestimmte Aspekte des Sinngehalts dieses Monuments wahrzunehmen. Aber dies war eben nur ein Teil der gesamten Aussage, welche die Säule bot. Selbst wenn ein Betrachter eine Vielzahl von Vertikalkorrespondenzen für sich zu entdecken undzu dechiffrieren vermochte, bezog sich diese Lesbarkeit doch wiederum nur auf die unteren Segmente der Säule. Bei allen partiellen Erklärungsversuchen bleibt die Feststellung, dass ein Großteil des Bildfrieses der Traianssäule schlichtweg nicht
zuerkennen war.152 Ausdieser mangelhaften Lesbarkeit dermeisten Szenen derColumna Traiana ergibt sich, dass sich der Sinngehalt der Säule für die Betrachter nicht allein in demSehen undErkennen einzelner Darstellungen desRelieffrieses entfaltete. Es kann nicht die primäre Absicht des Kaisers undseines Planungsstabes gewesen sein, demPublikum des Staatsdenkmals eine injeder Einzelheit überprüfbare Abfolge der Dakerkriege zu vermitteln.153 Von dieser Grundvoraussetzung hat alle 149
FERRIS 2000, 62f. verzichtet bedauerlicherweise auf eine Darlegung seiner doch Erklärung bedürfenden Vermutung, dass „ ...it wasprobably notoriginally intended that the column shaft would be decorated...“ . 150 Im Übrigen ist diese mangelnde Sichtbarkeit von ganzen Bildprogrammen für antike Bauwerke kein überraschender Befund, dies gilt schon fürBauten ausarchaischer undklassischer Zeit in Griechenland. 151 So bereits LEHMANN-HARTLEBEN 1926; siehe weiterhin GAUER 1977, 45ff.; FARINELLA 9; SETTIS ETAL. 1988, 182– 1981, 2– 220; BRILLIANT 1984, 90– 188, 202– 94; siehe vor allem jedoch HÖLSCHER 1980, 290–297, BAUMER/HÖLSCHER/WINKLER 1991 und HÖLSCHER 2002. 152 Als Vertreter divergierender Ansichten dazu, was für Konsequenzen ausdieser mangelhaften Lesbarkeit der Säule sich für deren Aussage undAbsicht ergeben, seien hier VEYNE 1995 und SETTIS 1990 genannt; vergleiche zusammenfassend HUET 1996 und vor allem ZANKER
2000d.
153 Es kann keine Rede davon sein, dass diese Form der Darstellung ein planerischer Fehlgriff gewesen sei. Schließlich wurde eben dieser Ausdruck dermonumentalen Darstellung in späterer Zeit auch für die Säule des Marc Aurel aufgegriffen. Darauf weist auch DAVIES 2000, 127 hin.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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weitere Interpretation auszugehen. Es soll im Folgenden untersucht werden, welcheAussage derTypus eines Säulenmonuments ansich besaß. Welchen Eindruck vermittelte die Kombination aus dem, was der Betrachter auf der Traianssäule erkennen konnte, mit dem, was er an alltäglichem Vorwissen über stadtrömische Monumente überhaupt besaß? Es wird zu klären sein, auf welche Weise der Sinn des Monuments sich durch seine bauliche und konzeptuelle Einbindung in den gesamten Kontext des Forums konstituierte. Weiterhin muss die Rezeption der Columna beachtet werden. Hierzu sollen zeitgenössische Aussagen zur Nutzung oder Wahrnehmung der Säule und ihrer Funktion im Kontext des Forums untersucht werden.
6.5.1. VON SÄULEN UNDEULEN
Der dokumentarische Charakter der Säule als Bericht der Dakerkriege wird auch in ihrer Ähnlichkeit mit einer Buchrolle deutlich.154 Der Typus eines Säulenmonumentes mit umlaufendem Spiralfries stellte eine bauliche undkünstlerische Innovation dar. Bis dahin hatte es in der antiken Architektur keine rundum undauf ganzer Höhe reliefierten Säulenschäfte gegeben.155 Die Bilderfolge des Frieses der Columna Traiana ließ amoberen Ende der Säule eine Kannelierung sichtbar werden. Dies konnte der Betrachter von keinem Punkt aus zu erkennen. Trotzdem wurde dieser Fiktion großes Gewicht beigemessen, indem eine vermeintliche Struktur des Schaftes skulpiert wurde. Es wurde also evoziert, eine kannelierte
Säule sei mit der bildlichen Darstellung der traianischen Kriegszüge schräg umwickelt worden. Die Säule erinnerte aufdiese Weise aneine ArtBuchrolle. Die bildliche Umsetzung einzelner Szenen stand in der Tradition der Triumphmalerei; jener Bildtafeln, mit denen der siegreiche Feldherr demstadtrömischen Volk seine Taten darstellte und sie ihm transparent und nachvollziehbar machte. Die Reihung dieser Vielzahl von Szenen ließ jedoch an die erzählerische Abfolge literarischer Feldzugs-Commentarii erinnern undan die Bildsprache der seit der Republik etablierten Triumphmalerei.156 Die innovative Darstellungsart derTraianssäule wardie monumentale Überführung derliterarischen in eine bildliche Ausdrucksform. Dabei erinnerte die visuelle Fiktion des sichtbar gelassenen 154 ZumFolgenden siehe hin.
ZANKER
1970, 526ff; auf diese Affinität wies bereits BIRT 1907, 269ff.
155 Ausnahmen, wie etwa die Säulen des Artemistempels in Ephesos, waren zumeinen nur im untersten Teil des Schaftes reliefiert gewesen, zumanderen stieg die Darstellung nicht spiralförmig an. 156 ZumGenre der Commentarii siehe RÜPKE 1992; BEARD 1985. –HÖLSCHER 2002 betont in Anlehnung an SETTIS 1988, dass antike Buchrollen in ganzer Länge um ihre Stäbe gerollt wurden, undspricht sich daher gegen eine solche Deutung derColumna Traiana als die traianischen Feldzugsberichte konnotierend aus. Tatsache ist jedoch, dass das Monument suggeriert, eine Bilderzählung mitkontinuierlicher Szenenabfolge lege sich umdie Säule. Insofern war das Gesamtbild, welches die Columna bot, eine Mischung der Genres der literarischen Darstellung in deren spezifischer materieller Form, eben der Buchrolle, undderTriumphmalerei.
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DAS TRAIANSFORUM
Säulenschaftes an den Stab einer Buchrolle und verwies somit auf den literarischen Ursprung derbildlichen Darstellung. Zur Verdeutlichung der monumentalen Aussage der Säule wurde also der Vergleich mit jenem anderen Medium angestrebt, das seit republikanischer Zeit als die etablierte Ausdrucksform von Magistraten galt, die ihre rechtfertigenden Berichte an denSenat gesandt hatten.157 Es wurde somit nicht allein die rein visuelle Ähnlichkeit von Säule undBuchrolle betont. Gleichzeitig wurde diese Dokumentation der Kriege Traians konzeptuell mitjener Handlung eines republikanischen Magistrats verbunden, der dem Senat als der Gruppe, der er angehört und welcher er Rechenschaft schuldet, Bericht erstattete. Doch mit Säule undForum erstattete Traian nicht allein dem Senat seinen Bericht, sondern dem gesamten Volk. Vor ihmrechtfertigte derKaiser seine herausragende Position in derGesellschaft unddie monumentalen Mittel, mitdenen dieser Rang verkündet wurde. Der dokumentarische Charakter des Reliefbands wird auch durch die Darstellung einer Victoria bekräftigt. Die Göttin warin die Szenen zwischen denbeiden Dakerfeldzügen eingeordnet.158 Ihr waren zwei Trophäen beigesellt, während sie den Sieg des Kaisers auf einem Schild verzeichnete.159 Die Darstellung der traianischen Kriegstaten wurde durch diese göttliche Manifestation in ihrem Wahrheitsgehalt bestärkt. Victoria stellte als Zeugin den Sieg fest. Sie bekräftigte durch ihre Zeugenschaft denAnspruch desKaisers aufseine monumental umgesetzten Ehren.160 Auch die zeitgenössische Wiedergabe desMonuments imBild bietet Hinweise auf eine dokumentarische Aussageabsicht der Säule. In der römischen Münzprägung existieren von der Columna Traiana zwei grundsätzlich unterschiedliche Typen: Auf der Säule ist entweder eine Panzerstatue des Kaisers oder –erheblich seltener –eine Eule dargestellt.161 Der späteste sicher bestimmbare Zeitpunkt für diese beiden Prägungen ist jeweils die Mitte des Jahres 111 als zeitlicher Endpunkt des fünften Consulats.162 Die Darstellung der Säule mit einer Eule wurde in 157 ObnunderBetrachter damit konkret auf die Feldzugs-Commentarii desKaisers hingewiesen werden sollte, ist fraglich. Schließlich wardie Kannelierung an der Spitze der Säule für den Betrachter vonkeinem Punkt aussichtbar; zuhoch befand sie sich über demBoden. Doch der Auftraggeber des Monuments hatte ungeachtet der Sichtbarkeit genau jenes gewünscht und herstellen lassen. 158 CICHORIUS 78. 159 Zudiesem Typus siehe HÖLSCHER 1967, 122ff. 160 Die Relevanz dieser Victoria, die den Sieg des Kaisers verzeichnet, ihn dadurch scheinbar nachweisbar macht und göttlich legitimiert, wird auch durch ihre Rezeption an einer vergleichbaren Stelle derMarcussäule deutlich (Szene LV). 161 Eine Typenauflistung findet sich bei LEPPER/FRERE 1988, 193– 197. Die Darstellung mit der Panzerstatue ist weitaus häufiger in denSammlungen bezeugt alsjene miteiner Eule. Qualitativ schlechtere Abbildungen dieses Typs mögen suggerieren, bei demSäulenschmuck handele es sich umeinen Adler; siehe etwa STRACK 1931, Nr. 386, Taf.6. Vergleicht manhiermit etwa die entsprechende exzellente Abbildung bei FLORESCU 1969, 58, Abb.23, so wird deutlich, dass es sich statt eines Adlers tatsächlich umeine Eule handelt. 162 Die beiden Darstellungen datieren ihren Legenden nach in die Zeit von 103 bis zumFebruar 116. Dieser Zeitraum umfasst denfünften undsechsten Konsulat Traians bis zurÜbernahme desOptimus-Beinamens in die offizielle imperiale Titulatur. Doch seit wann genau die Münzenimlangen Zeitraum mitderLegende COSV bereits geprägt worden waren, ist nicht fest-
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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der Forschung häufig mit einem anderen Monument als der Traianssäule verbun-
den. Es wurde postuliert, es handele sich umein ansonsten unbekanntes Bauwerk, vorzugsweise um eine Minerva-Säule, da die Eule ein typisches Attribut dieser Göttin sei.163 Diese These trifft jedoch nicht zu, wofür es mehrere Hinweise gibt.
beide Darstellungstypen der Säule in exakt demselben Zeitraum emitist zu beachten, dass die Bilder der Eulensäule deutliche visuelle Affinität zudenentsprechenden Darstellungen derStatuensäule besitzen. Daher sei die aussagestärkste Abbildung der Eulen-Säule hier beschrieben.165 Auf der Basis sind die für die monumentale Traianssäule charakteristischen Adlerfiguren dargestellt. Die Säulenbasis selbst ist in sechs rechteckige Felder unterteilt. In ihnen ließen sich die Eingangstür der Columna Traiana erkennen, das darüber befindliche Feld mit der Dedikationsinschrift unddie sich auf beiden Seiten jeweils oben und unten befindenden Reliefs. Zudem besitzt diese Darstellung der Eulen-Säule ebenfalls einen Säulenschaft mit links umlaufend reliefiertem Band.166 Dieses spiralförmige Relief waraber eine spezifische Innovation derTraianssäule. Die Abbildungen der Eulen-Säule bedienten sich also darstellerischer Mittel, die der zeitgenössische Betrachter mit der ungleich prominenteren Traianssäule verband. Die Darstellungen der Eule sollten aber noch weiter pointiert werden: Auf einer Prägung aus dem sechsten Konsulat des Kaisers, und demnach schon erhebliche Zeit nach der Weihung der Columna Traiana emittiert,167 saß eine übergroße Eule auf einer schlanken undnicht reliefierten Säule, deren Kapitell und Basis kaum ausgeprägt waren.168 Die Eulen-Säule war hier zwar der meisten charakteristischen Merkmale der Traianssäule entkleidet, doch besaß zu dieser Zeit die Columna Traiani eine derartige Prominenz im Stadtbild undin derzeitgenössischen Münzprägung, dass bereits eine sehr vereinfachte undrein typologische Darstellung der Columna zu ihrer Identifizierung ausgereicht haben dürfte. Da zudem der Visiotyp des Säulenmonumentes auf Münzen bereits in früheren Jahren mit der Eule darauf dargestellt worden war, war das Bild immer noch als eine Darstellung der Traianssäule zu identifizieren, auch wenn nun die Darstellung des Tieres die Abbildung dominierte.
So wurden
tiert.164 Außerdem
zustellen. DieAngabe ‚Mitte desJahres 111‘ ist diezeitlich äußerste Grenze desfünften Consulats, die hier jedenfalls allzu vorsichtig gewählt ist. Der Bau der Säule unddie Emission dieser Prägungen mussten bereits deutlich vordiesem Zeitpunkt eingesetzt haben. 140 undjüngst noch bei WEISER 2001, Anm. 87. 163 STRACK 1931, 136– 164 So wurde etwa keine dieser Prägungen noch nach Februar 116 ausgegeben.
165 STRACK 1931, Nr. 386, 388, Taf.6. 166 Die hier gezeigte Abbildung ist bei STRACK 1931, Taf.6 entnommen. Sie ist zwar undeutlich, doch derdazu gehörige Text auf S. 137 bestätigt, dass die Säulendarstellung eine Reliefspirale besitzt. Siehe außerdem a.a.O. 291. 167 August 114 bis Herbst/ Winter 115/116, d.h. die 14. Emission nach STRACK 1931, 19. 168 STRACK 1931, 138, Nr. 458, Taf.8.
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DAS TRAIANSFORUM
Das wichtigste Argument gegen eine Minerva-Säule ist jedoch, dass in der gesamten traianischen Reichsprägung bis auf einige irreguläre Ausnahmen keine Minerva-Darstellungen emittiert wurden.169 Die Göttin nimmt in der Herrschaftsdarstellung Traians eine marginale Rolle ein. Dies lässt sich dadurch erklären, dass Minerva die persönliche Schutzgöttin Domitians gewesen war. Er hatte sie auf Münzen und Monumenten vielfach darstellen lassen.170 In bewusster Abgrenzung von seinem Vorgänger hatte bereits Nerva auf eine Hervorhebung dieser Göttin verzichtet. Traian setzte diese Tendenz des deutlichen Bruches mit der domitianischen Minerva in allen Medien fort. Die postulierte Aufstellung einer Votivsäule für diese Göttin kann sich auf kein traianisches Parallelzeugnis stützen, welches diese Vermutung bekräftigen könnte. Stattdessen handelt es sich bei beiden Bildern umtypologische Darstellungen der Columna Traiana, die das Monument keinesfalls realistisch in jener Gestalt abbildeten, die es nach seiner Fertigstellung besaß. Ohnehin weisen die zahlreichen Abbildungen des Bauwerks zumTeil ganz erhebliche Unterschiede auf. Dies betrifft nicht nurdieDiskrepanz zwischen denbeiden Darstellungstypen derSäule mitEule undPanzerstatue, sondern gerade auch dieDivergenzen innerhalb derAbbildungen jenes einen Modells mit Panzerstatue. Der Visiotyp des traianischen Säulenmonuments ist auf allen Prägungen jedoch stets hinreichend deutlich erkennbar.171 169 Diese Ausnahmen sind BMCNr. 529* (Goldquinar der Plotina ohne Herrschertitulatur) = STRACK 1931, Nr. 262; KOMNICK 2001, Nr.71 (Restitutionsmünze mit Bild des Titus) = RIC Nr. 834; BMCNr. 1057 (undatierter Quadrans mitMinerva undDiana ohne Herrscherporträt) = RICNr. 696, vgl STRACK 1931, Nr. 490ff. –Außerdem wurde Minerva in einer Emission als Teil der Capitolinischen Trias im fünften Konsulat Traians geprägt; siehe STRACK 1931, Nr. 119. Siehe hierzu ausführlich imKapitel zudenRestitutionsmünzen denAbschnitt 5 „ Die Capitolinische Trias“ .
170 Als Beispiel für die Art, wie Domitian die Göttin im Rahmen seiner Herrschaftsideologie instrumentalisierte, ist etwa deroben besprochene Equus Domitiani zunennen. 171 Bereits oben wurde auf das Problem hingewiesen, römische Bauwerke allein aus ihrer numismatischen Darstellung rekonstruieren zu wollen. Doch alle Abbildungen treffen die wesentliche Gestalt der Säule so genau, dass eine mehr als nur hinreichende Identifikation der Columna Traiana ohne weiteres möglich war. Eine Erklärung der visuellen Differenzen mit demHinweis, es müsse sich hierbei wohl umein anderes Säulenmonument in der Stadt handeln, verkennt das römische Bildverständnis von Münzdarstellungen undist daher nicht angebracht; siehe etwa STRACK 1931, 137. Auch ist die Behauptung von LEPPER/FRERE 1988, 197 nicht nachvollziehbar, die frühen Darstellungen der Säule bis zumJahre 112 basier193– tenaufspäter revidierten Bauentwürfen. Umdiese Ansicht augenfällig zuwiderlegen, vergleiche manetwa RICNr. 579, Tafel 11.201 mit STRACK 1931, Nr. 388, Taf.6. Obwohl beide Münzen ausdemfrühesten Darstellungszeitraum der Säule überhaupt stammen, nämlich demfünften Konsulat bis 111, unterscheiden sie sich deutlich: Während die Münze bei STRACK erheblich hinter demspäteren undrealistischeren Äußeren der Säule zurückbleibt, kommt die Münze aus dem RIC dem sehr nahe. Vergleicht manmit ihr allerdings Prägungen des sechsten Konsulates, so fällt auf, dass von diesen etwa BMCNr. 1017 verglichen mit den erheblich früheren Prägungen einen Abfall des darstellenden Realismus bedeutet: Die frühere Prägung der Säule (sehr wahrscheinlich früher als 111) bildet dasMonument realistischer ab, alsdiespätere Prägung (115/116) dies tut. Doch nicht nurdies ist bemerkenswert. Gerade die Typen derJahre 112 bis 116 divergieren ganz erheblich untereinander in ihrer jeweiligen Abbildung des tatsächlichen Monuments
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Wenn nunaber die Traianssäule entgegen ihrem tatsächlichen Aussehen auch noch lange nach ihrer Errichtung mit einer Eule abgebildet wurde, muss davon ausgegangen werden, dass dieser Darstellung besondere Bedeutung zukam. Gera-
de angesichts der bewussten Abkehr Traians von Minerva als der Schutzgöttin Domitians ist der Verweis auf sie in Zusammenhang mit der Säule besonders bemerkenswert. Die darstellerische Verbindung vonColumna Traiana mit demTier der Minerva kombinierte ebenso deren konzeptuelle Aspekte: Die militärische Bildsprache der Säule verband sich mit bestimmten Facetten der Göttin. Die Verbindung aus derAufstellung des Monuments zwischen denbeiden Bibliotheksgebäuden mit demdokumentarischen Charakter des Relieffrieses als visueller Metapher der traianischen Feldzugs-Commentarii gibt einen Hinweis. Die Säule in Verbindung mit der Eule deutet auf Minerva als Schutzgöttin der Bibliotheken hin.172 Die Vielzahl der Facetten der Göttin Minerva warzudem das ideale Transportmittel dieses Gedankens, da diese Göttin in ihrer Gestalt das Kriegerische mit dem Wissen und seiner Bewahrung verband. Sie war ideal, um die literarischen undmonumentalen Feldzugsberichte Traians unter ihren Patronat zustellen. Daneben tritt ein weiterer Punkt, derdie militärischen Konnotationen betrifft. So hatten Attalos II. undGordian III. die Kriege gegen ihre Feinde programmatisch zugrundsätzlichen Feldzügen zwischen derkultivierten undderbarbarischen Welt erklärt. Zu diesem Zweck hatten sie vomhistorischen Paradigma der athenischen Perserkriege Gebrauch gemacht. Unter Gordian etwa wurde im Jahre 242, als derKaiser seinerseits in einen Krieg gegen die Perser seiner Zeit aufbrach, ein Kult der Minerva in Rom eingeführt, der unmittelbar an Athena Promachos auf demSchlachtfeld vonMarathon erinnerte.173 Die Vermutung ist keinesfalls abwegig, dass auch Traian seine Feldzüge gegen die Daker in dieser Form darstellen ließ unddass das Münzbild der Säule mit derEule eine Reflexion dieses Ideologems ist. Das Zeichen der Athena Promachos in Verbindung mit den Berichten
(vergleiche etwa BMCNr. 994f., 1003f., 1016, 1024 und die zahlreichen Abbildungen der Säule aufdenTafeln 16, 17, 18, 19, 21, 39, 40, 41). Dochjene wurden in einer Zeit geprägt, als dieSäule aufdemTraiansforum fürjeden Stempelschneider bereits zubesichtigen war, ob sie nunbereits schon eingeweiht waroder sich noch in derPhase ihrer baulichen Umsetzung befand. Nicht einmal die charakteristischen Adler der Basis sind auf allen Prägungen des sechsten Konsulates dargestellt; siehe etwaBMC566, Tafel 19.12. Bereits STRACK 1931, 13ff., 205f. hatte darauf hingewiesen, dass die einzelnen Bestandteile derColumna Traiana vondemjeweiligen Stempelschneider unterschiedlich deutlich akzentuiert werden konnten, ohne die Identifizierbarkeit des Gesamtmonumentes zu gefährden. Es ging eben nicht umdie realistische Abbildung der Columna Traiana, sondern umeine hinreichende Identifizierbarkeit des Visiotyps des Säulenmonumentes. Es ging umdie typologische Abbildung eines Bauwerks, welches in dieser Zeit ungeheure Prominenz imStadtbild besaß. 172 ZANKER 1970, 528. Eine abwegige Ansicht wird von LEPPER/FRERE 1988, 195 vertreten, die vermuten, eine tatsächliche Eule habe sich während der Bauzeit auf demunfertigen Säulenstumpf regelmäßig niedergelassen, wasals gutes Omen gedeutet worden sei. Als Erinnerung andasGlück verheißende Ereignis sei dieser Münztypus geprägt worden.
173 GEHRKE
1997,
209.
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DAS TRAIANSFORUM
dertraianischen Feldzüge zeigte, in welche historische Tradition der Optimus seine Erfolge eingeordnet haben wollte.174 6.5.2. EXEMPLA OPTIMI PRINCIPIS
Die Form undFunktion derColumna Traiana erinnerte aneine Ehrensäule in republikanischer Tradition, derdie Statue eines Geehrten aufgesetzt war.175 DieAufstellung eines solchen Statuentyps wurde durch beigefügte Attribute erklärt und gerechtfertigt. So wiesen auch Inschriftentafeln auf den Geehrten und auf jene seiner Taten hin, welche die Aufstellung der Säule veranlasst hatten. Die Errichtung einer Columna Rostrata etwa war erklärt durch die an ihr angebrachten Rammsporne, die in einer Seeschlacht erbeutet worden waren.176 Der Sieg wurde ausschnitthaft durch diese Spolien symbolisiert. Somit waren die Rostren nicht Schmuck des Monuments, sondern Dokumentation des errungenen Sieges und gleichzeitig die Rechtfertigung für eine Aufstellung desMonumentes überhaupt.177 Insofern wardieses Medium selbstreferentiell. In ähnlicher Weise warderumlaufende Relieffries derTraianssäule die Erklärung, dem Kaiser dieses Ehrenmal zu errichten. Auf dem Bildband wurden die Taten des Herrschers undseines Heeres demBetrachter deutlich vor Augen geführt. Der Sieg über die Daker wurde in seinen einzelnen Etappen ausführlich in einer Vielzahl von Szenen dargestellt. Bereits die Ausmaße der Säule und des Forumskomplexes, in den sie eingebunden war, waren das monumentale Zeugnis der Größe dieser Kriege undder Größe der Siege, die solche Bauten möglich gemacht hatten. Die Ehrenstatue Traians auf der Spitze der Säule wurde durch die vielfache Darstellung des Herrschers in den einzelnen Szenen begründet. Die Größe und Vielfältigkeit seiner Taten war allein schon anhand der ungeheuren Größe des monumentalen Komplexes nachzuprüfen und wurde durch die Bildsprache des Relieffrieses noch näher erläutert. Wäre die Rechtfertigung, ein solches Ehrenmal für denDakersieger Traian aufzustellen, noch nicht durch denalles überragenden Gesamteindruck von Säule undarchitektonischem Kontext des Forums deutlich geworden, so waren zudem noch die einzelnen Episoden der Kriegszüge nachzuprüfen. Mag die bildliche Erzählung des Relieffrieses auch eine zeitlich und logisch geordnete Abfolge derFeldzüge schildern, so ist dieser Darstellungsmodus in sei174 ImÜbrigen gehörte auch in Pergamon eine Bibliothek zumKomplex jener Monumente, welche den Ruhm der pergamenischen Herrscher verkündeten, und in dieser Bibliothek selbst warauch eine Statue derAthena aufgestellt. 175 ZudenDenkmälern dieser Art ausderZeit derRepublik siehe SEHLMEYER 1999 und2000. 176 Siehe etwa HÖLSCHER 1978. –Erwähnt sei an dieser Stelle etwa die Columna Rostrata, welchesich Augustus nach seinen Siegen vonNaulochos undActium hatte errichten lassen. 177 ZANKER 1970, 529 weist mitzwei Zitaten aufdenSinngehalt vonEhrensäulen hin. Derältere Plinius beschreibt denSinngehalt vonEhrensäulen: columnarum ratio erat attolli super ceteros mortales (nat.hist.34.27). Ennius schrieb über Scipio: quantam statuam faciet populus Romanus / quantam columnam quae restuas loquatur (Varia II, ed.I. Vahlen 212).
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nem Realismus doch erheblich eingeschränkt. Darauf weist bereits die künstlerische Ausarbeitung desReliefbandes hin. Die Figuren sind häufig in starrer Frontalität dargestellt. Der Kaiser wird größer abgebildet als die einfachen Soldaten, und die römischen Generäle treten in der bildlichen Umsetzung der Kriege neben Traian nicht hervor. Die Person des Herrschers ist auf demKriegsschauplatz über die Maßen prominent dargestellt. Daher ist weniger voneiner historisch akkuraten Darstellung der Dakerkriege zu sprechen. Der Säulenfries visualisiert die, mit
literarischen Feldzugs-Commentarii vermengten, Res Gestae Traians.178 Viele dieser Szenen haben einen ausschnitthaften oder exemplarischen Charakter.179 So beginnt etwa die bildliche Schilderung der kriegerischen Handlungen auf der ersten Säulenwindung mit der Donauüberquerung durch das römische Heer.180 Die folgende Szene zeigt den Kriegsrat Traians in einem befestigten Lager181 und geht anschließend in eine Lustratio mit Suovetaurilia über.182 In den nächsten Szenen fällt ein Barbar vomMaultier,183 undder Kaiser redet zur Heeresversammlung184
Allein schon eine nähere Betrachtung dieser Komposition stellt den Modus einer realistischen Darstellung in Frage. DemConsilium im Lager hatte natürlich ein vorheriger Bau derBefestigung voranzugehen. Auf die Darstellung einer solchen Tätigkeit wurde an dieser Stelle der Kriegserzählung jedoch verzichtet. Es handelte sich aber keinesfalls umeine Szene, die etwa zubanal gewesen wäre, um überhaupt abgebildet zu werden, denn dieses visuelle Handlungsversatzstück ist bereits auf derzweiten Säulenwindung ausführlich abgebildet. Dort ebnen Legionäre das Land undschlagen Bäume, umCastra zu errichten. Wir erkennen, dass der Lagerbau somit zumfesten Typenrepertoire des Frieses gehört, doch dass er nur an bestimmten Stellen der Erzählung dargestellt wurde. Eine aridere Frage betrifft den Zeitpunkt der Lustratio. Warum wurde sie nicht vor dem Einmarsch der Römer in Dakien dargestellt? Ohne Zweifel hatte zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ein solches Opfer stattgefunden, umsich des göttlichen Beistands amAnfang der Expedition zu versichern. Der Betrachter ist mit einer perspektivischen Verkürzung des Feldzugs konfrontiert. Für die bildliche Darstellung wurde nur eine Auswahl von Szenen gewählt. Es muss also nach der Bedeutung deren spezifischer Kombination gefragt werden. 178 DAVIES 2000, 72. 179 Zurplakativen Darstellungsweise kaiserlicher Tugenden in denSzenen desRelieffrieses siehe 297, BAUMER/HÖLSCHER/WINKLER 1991 für das Folgende vor allem HÖLSCHER 1980, 290– sowie CONDURACHI 1982 und BRILLIANT 1984, 90–123
3ff.
180
CICHORIUS
181 182 183 184
CICHORIUS 6. CICHORIUS 8.
CICHORIUS 9. CICHORIUS 10.
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DAS TRAIANSFORUM
Die Darstellung einzelner Szenen oder einer Verbindung von Szenen besaß eine eigenständige Semantik, welche über den rein dokumentarischen Charakter des Frieses im Sinne einer realistischen Darstellung der Dakerkriege hinausging. In der Tat bilden die Szenen Entfaltungsräume für Tugenden des Kaisers undseines Heeres. Die auf demRelief dargestellten Szenen sind die dokumentarisch ver-
kürzten Visiotypen komplexer Handlungen des römischen Heeres. Mit diesem Typenrepertoire wurden die Taten des Princeps und seine Interaktion mit dem Heer dargestellt. Diese visuell verdichtete Darstellungsweise lässt es zu, die konkreten Akte des Herrschers und seiner Truppen schlagwortartig auf eine Tugend des Handelnden zu reduzieren. Das Überschreiten der Donau drückte die Virtus des Heeres undseines Feldherrn aus.185 Das Consilium Traians mit seinen Adjutanten zeigte die Bereitschaft des Princeps, seine Umgebung zu Ratschlägen aufzufordern undderen Inhalte auch zuberücksichtigen. Keineswegs wurde in diesen Szenen die Darstellung eines autonom entscheidenden Autokrators visualisiert. Stattdessen betonte die Bildsprache die Transparenz der kaiserlichen Meinungsbildung, unddie Darstellung deraristokratischen Ratgeber nahmeinigen Platz ein. Daneben bezeugte das Ritual einer Lustratio die Pietas des Herrschers, der die religiösen Pflichten natürlich auch im Feindesland nicht vernachlässigte. Dem Betrachter wurde sogar suggeriert, dass die gewogene Aufnahme dieser Suovetaurilia durch die Götter unmittelbar darauf wurde durch den Sturz des Barbaren von seinem Maultier ausgedrückt. Wem dies aber als Prodigium noch nicht günstig genug erschien, demwurde die göttliche Gewogenheit durch den Blitze schleudernden Iuppiter bewiesen, der demrömischen Heer in der Entscheidungsschlacht zurSeite stehen sollte.186 Es handelte sich bei den Szenen des Relieffrieses also um programmatische undformelhaft zugespitzte Motive.187 Die prononcierte Darstellung derInteraktion des Kaisers mit seinem Heer verdeutlichte die Auswirkung spezifischer Facetten Traians auf die Qualität seiner Truppen. Die Darstellung des Princeps blieb somit nicht auf dem Niveau von bloßen Schlagworten. Der Einfluss des kaiserlichen Vorbilds auf seine Soldaten und die daraus resultierende Effizienz der Truppen wurde auf demFries undin denMonumenten desForums in eindrucksvoller Weise nachvollziehbar. Die Betonung der militärischen Leistungskraft wurde von jenen vergoldeten Signa ausgedrückt, die auf denmit Bronze gedeckten Dächern der Gebäude errichtet waren. Mit der Darstellung jeder einzelnen Einheit waren zugleich dieAkteure undZeugen dertraianischen Siege genannt. Auch wenn also die Traianssäule in der langen Tradition einer republikanischen Ehrensäule stand, so bedeutete ihre Aussage dennoch eine gewaltige Steige-
185 HÖLSCHER 1980, 292 f. weist auf eine Münze Marc Aurels hin, die dessen Donauübergang mit der Legende VIRTVS AVG darstellt; BMCNr. 624, 1427. 186 CICHORIUS 24. 187 In gleicher Weise sind etwa auch die Münzabbildungen zuverstehen, die komplexe Interaktionen auf die visuelle undsemantische Essenz der Handlung reduzierten; etwa Darstellungen eines Congiariums oder einer Adlocutio, aber auch die Personifikationen derkaiserlichen Tugenden werden in dieser Weise vermittelt. –DAVIES 2000, 72 vergleicht diese formelhaften Motive auch mit derDarstellung derTriumph-Paneele andenInnenseiten des Titusbogens.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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rung jenes Visiotyps. Nicht allein die Größe des traianischen Monuments und seine Einbettung in einen derartigen architektonischen Kontext sprengten die republikanischen Ausmaße. Auch die Vielseitigkeit des Dargestellten übertraf die bisherigen Vorbilder. Die Taten desKaisers undseiner Soldaten gingen weit über etwa jene einzelnen Seesiege hinaus, welche die bisherigen Columnae Rostratae dokumentiert hatten unddie bereits hinreichende Voraussetzung für die Aufstellung jener Säulen gewesen waren. Dagegen bildete die Traianssäule zwei große Kriege mit einer Vielzahl von Schlachten undBelagerungen ab, große Ingenieursleistungen undeine Fülle von Tugenden des Kaisers undseines Heeres. Der Fries illustrierte, dass Traian undsein Heer sich in denverschiedensten Situationen bewährt hatten, umdie Dakerkriege siegreich zu beenden. Der Kaiser war auf dem Kriegsschauplatz omnipräsent. Erst die Zusammenschau der zahlreichen Einzelszenen machte den ungeheuren Umfang der Ansprüche des Feldherrn nicht nur aufmilitärischen Ruhm deutlich. Demrepublikanischen Nobilis wareine Ehrensäule als Monument seiner militärischen Virtus errichtet worden. Sieg undTriumph dokumentierten den Gipfel seiner persönlichen Errungenschaften im Dienst der Res Publica. In der Umsetzung undder Darstellung militärischer Virtus kumulierte sein Leistungsideal. Dagegen stellte die Traianssäule eine ungeheure Vielzahl jener Tugenden dar, die Bestand der kaiserlichen Imago waren. Nicht allein die militärische Virtus des Herrschers wurde prononciert, sondern darüber hinaus seine Pietas, Clementia, Providentia, Cura undso fort. Militärische undzivile Tugenden gingen ineinander über. Angesichts dieser Vielfalt musste die Aussage einer republikanischen Ehrensäule bemerkenswert eindimensional erscheinen. Sie war einmal die visuelle Kumulation des republikanischen Referenzsystems vonTugenden gewesen. Doch dieser Kanon war schon längst von der facettenreichen Imago des Kaisers und deren Darstellung in Form der Columna Traiana unddes Forum Traiani abgelöst worden. Die Säule dokumentierte die Tugenden des Herrschers undrechtfertigte damit zugleich ihre eigene Aufstellung. Die dargestellte Vielfalt der kaiserlichen Taten rechtfertigte den Ausbau des stadtrömischen Zentrums zu einer eindrucksvollen Manifestation derVielzahl traianischer Virtutes. Doch zugleich wurden die Taten des Kaisers auch transparent. Traian forderte zur affirmativen Bewertung seiner Res Gestae auf, indem er seine Erfolge fürdasPublikum sichtbar darstellte. Diese Art überdeutlicher Visualisierung dermilitärischen Aspekte dertraianischen Herrschaftsdarstellung warnötig. Die Kriege derdomitianischen Zeit waren in denersten Regierungsjahren Traians heruntergespielt worden, bis er selbst militärische Erfolge hatte vorweisen können. Der neue Kaiser vermochte bei seinem Regierungsantritt im Jahre 98 noch nicht mit der ausgeprägt militarisierten Herrschaftsdarstellung Domitians mitzuhalten. Daher mussten dessen Erfolge rhetorisch verringert und als bloße falsi triumphi denunziert werden.188 Traian plante nunzunächst, gegen dasDakerreich desDecebalus vorzugehen, dervonDomitian nicht besiegt worden war, über denderKaiser aber dennoch triumphiert hatte. Zu
188 Siehe etwa Plin.paneg.11.4, 12.2, 17.1.
380
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diesem Zweck brach Traian die Expansion an der germanischen Grenze ab,189 um die zukünftige Donaufront aufzubauen. Die Region Germania wurde als Pacata dargestellt.190 Bereits diese Aufgabe eines potentiellen Expansionsvorhabens verlangte eine Rechtfertigung.191 Doch sollte sich auch Traians Feldzug in Dakien,
sein erstes Bemühen umeigenen militärischen Ruhm, als nurgeringer Erfolg herausstellen. Die Beendigung des ersten Dakerkrieges und der abschließende Triumph sollten sich spätestens bei Beginn erneuter Feindseligkeiten im Jahre 105
als Fehlschlag herausstellen. Traian musste ein weiteres Mal einen großen Krieg gegen einen König führen, über denschon zwei Triumphe gefeiert worden waren. Ein zweites Mal musste der Kaiser gegen einen Gegner antreten, für dessen vermeintliche Niederwerfung er bereits drei imperatorische Akklamationen undden Siegerbeinamen Dacicus angenommen hatte.192 Die vermeintlichen militärischen Errungenschaften Traians waren im Jahre 105 in der Tat in bedenkliche Nähe zu den geschmähten falsi triumphi Domitians geraten. Und so verlangte der Abschluss des zweiten Krieges nach einer ungeheuren Intensität in seiner monumentalen Umsetzung. Der Sieg musste beweisbar sein. Die Beute und die Bauten, welche aus ihr finanziert worden waren, ließen den Betrachter die militärischen Aspekte der traianischen Herrschaftsdarstellung nachvollziehen. Hier wurde der Anspruch desKaisers auf seine außergewöhnliche Sonderstellung begründet. 6.5.3. CIVILIS MILES –DIE IMAGO DES BÜRGERSOLDATEN
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich das Traiansforum mit seiner militärischen Ikonographie primär an ein stadtrömisches Publikum richtete. Doch für denHauptstädter repräsentierte dasrömische Heer eine fremdartige Lebenswelt.193 189 Diese Expansion warbesonders vonDomitian angestrebt worden. 72, Nr. 12 auf Taf.1. 190 STRACK 1931, 69– 191 Eine solche Rechtfertigung ist reflektiert imPanegyricus desJahres 100 undin derGermania des Tacitus aus demJahre 98; siehe hierzu ausführlich im Kapitel „ Vom Rhein nach Rom“ dieAbschnitte 9.2 „ Die Befriedung Germaniens“und9.3 „ Die Germania desTacitus“ . 192 Die Relevanz dieses Siegerbeinamens unddie öffentliche Aufmerksamkeit, fürdie er gesorgt haben mag, dürfen nicht unterschätzt werden. DaTraian bereits denGermanicus in seiner Titulatur führte, warderDacicus schon der zweite Siegerbeiname. Derartiges hatte noch kein römischer Kaiser vor Traian getan. Alle bisherigen Principes hatten lediglich einen geführt. Siehe hierzu auch KNEISSL 1969.
193 FLAIG 1992, 132– 173, besonders 132– 142, beschreibt ausführlich die intensive Binnenkohäsion der Legionen, ihre spezifische lebensweltliche Abschottung undden Charakter ihrer Gehorsamsmodalitäten gegenüber demKaiser. Zwar gab es auch in traianischer Zeit noch theoretisch die allgemeine Wehrpflicht für römische Bürger, doch warderDienst in denLegionen, der freien römischen Bürgern vorbehalten war, wegen guten Soldes und ausreichender Versorgung sowie großzügiger Gratifikation beim Ausscheiden ausdenTruppen derart attraktiv, dass es kaumzuRekrutierungsschwierigkeiten kam. Die Rekruten hatten ursprünglich aus der Plebs Rustica Italiens gestammt, doch mitderZeit hatte die Rekrutierungsbasis in denintensiv romanisierten Westprovinzen erheblich an Bedeutung gewonnen. Die Legionen des Ostens hatten bereits seit demBeginn des
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Italien selbst warseit vielen Jahren entmilitarisiert, undbis auf die Gardeeinheiten standen hier regulär keine Truppen unter Waffen. Stattdessen waren die Legionen fernab Roms in denGrenzprovinzen stationiert undbildeten dort einen eigentümlichen Mikrokosmos. Die Außenbeziehungen der Soldaten waren während ihrer aktiven Dienstzeit auf ein Minimum reduziert, unddie vorgeschriebene Ehelosigkeit unddie Kasernierung in Lagern während des zwanzigjährigen Dienstes mit anschließender fünfjähriger Bereitschaft beschränkten die Kontakte mit der Zivilbevölkerung Italiens ganz erheblich. Mangelnde Erfahrung mit denTruppen hatte vor allem der stadtrömische Zivilist. Er besaß ein Bild des Soldaten, dasmaßgeblich vonderErinnerung andievergangenen Bürgerkriege derJahre 68/9 bestimmt war. In dieser Zeit war der Krieg nach Rom getragen worden undhatte sich vor denAugen deshauptstädtischen Publikums abgespielt. Die Darstellung der Soldaten etwa bei Tacitus als eine derart korrupte und blutgierige Truppe, dass ein skrupelloser Imperator sie jederzeit auf das Gemeinwesen hetzen könne, legt davonZeugnis ab.194 Zudem war die Rolle der Legionen bei der traianischen Inthronisation noch lebhaft in Erinnerung. Zwar hatte das militärisch fundierte Drängen des obergermanischen Statthalters im Jahre 97 keinen Platz in der offiziellen Herrschaftsdarstellung Traians gefunden, doch –wie gesehen –erlaubt eine genaue Lesung des Panegyricus die Rekonstruktion jener Ereignisse und besonders der Relevanz, welche die von Traian kommandierten Verbände dabei besessen hatten.195 Die Hauptstütze des traianischen Herrschaftsanspruches war die affirmative Akzeptanz durch die Legionen gewesen. Sie hatten ihn capax imperii gemacht. Da die Kaiser seit Beginn des Principats bei ihrer Inthronisation maßgeblich vonbewaffneten Einheiten unterstützt worden waren, war die Affinität Traians zu seinen Truppen bei der Nachfolgeregelung prinzipiell nichts Neues für die stadtrömische Plebs. Doch nunvisualisierte das Traiansforum dauerhaft ein intensives Nahverhältnis vonImperator undSoldaten in einem öffentlichen Raum, welcher in erster Linie derzivilen hauptstädtischen Bevölkerung vorbehalten war. Diese Demonstration einer womöglich zuengen Nähe vonKaiser undHeer undihre monumentale Umsetzung inmitten der Stadt musste irritieren, gerade auch die Senatoren. So muss also gefragt werden, auf welche Weise die römischen Truppen hier mitten in der Stadt präsentiert waren, und welche spezifische Darstellung des römischen Soldaten und seines Verhältnisses zum Kaiser dem zivilen Publikum vermittelt werden sollte. Hierzu sollen zunächst die wesentlichen Unterschiede in der Abbildung vonrömischen Legionären undAuxiliartruppen betrachtet werden.196 Die Legionäre werden nur dann als Kampfverband dargestellt, wenn sie als ausgebildete Spezialisten technisch anspruchsvolle Tätigkeiten vollbringen, etwa die Bedienung von Belagerungsmaschinen, oder wenn die Kampfsituation intenPrincipats ihren personalen Nachschub aus den östlichen Provinzen bezogen. Die Rekruten erhielten nundasrömische Bürgerrecht bei ihrem Eintritt in die Legion; CHRIST 1992, 413. 173. 194 Siehe hierzu FLAIG 1992, besonders 25– 31, 132– 195 Siehe hierzu im Kapitel zumPanegyricus denAbschnitt 3.2 „imperatorem commilitonemque . miscuis –Die Imago desCommilito“ 196 ZumFolgenden siehe FEHR 1985/86.
382
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sive Disziplin verlangt, etwa beim Bilden einer Testudo-Formation.197 Die Auxiliareinheiten hingegen haben in derDarstellung derReliefs dasHauptgewicht der
unmittelbaren Handgemenge der Schlachten zu tragen. Bis auf die kommandierenden Offiziere bestanden diese Truppenkörper aus Nichtrömern. Ihre Aktionen werden auf dem Fries als effektiv dargestellt, Angriffe und Belagerungen gelingen. Doch ist ihre Kampfesweise als weniger geordnet undweniger diszipliniert wiedergegeben als jene der Legionäre. Das Bild des Auxiliarsoldaten vermittelt die Darstellung des Halbbarbaren, der sich mit den dakischen Barbaren in einen Schlagabtausch begibt, der mehr auf roher körperlicher Kraft und drangvollem Impetus beruht als auf jenem kriegerischen Spezialistentum, wie es zur Darstellung des Legionärs gehört. Man vergleiche etwa die aufeinander folgenden Szenen, welche der letzten Schlacht des ersten Krieges vorausgehen:198 Während eine Gruppe von Legionären denWald abholzt, befinden sich Auxiliareinheiten undirreguläre Truppen in einem erbitterten undverlustreichen Nahkampf mit den Verteidigern eines dakischen Holzforts, die soeben einen Ausfall unternommen haben. In der nächsten Szene belagert eine Testudo der Legionäre eine aus Stein gebaute dakische Festung. Die Schwierigkeit der jeweils zugewiesenen Aufgabe korrespondiert also mit derFähigkeit derBeauftragten, diesen Auftrag erfolgreich zuvollenden. Denn die hohen Steinmauern der Festung stellen ein viel schwierigeres Hindernis dar, als die Holzpalisaden des Forts. Diese einfachere Befestigung wird zudem von ungeordneten Dakern bewacht, während die Verteidiger der Festung sich auf der Mauer formiert haben undgeordnete Abwehr leisten.199 In dieser Situation fordert die Bildsprache desFrieses die Leistung vonmilitärischen Spezialisten. Die Legionäre müssen in disziplinierter Formation die Steinfestung belagern, während der ungestüme Angriff auf das Holzfort den Hilfstruppen überlassen ist. Letztlich erledigen beide Truppenteile in gewohnter Effizienz ihre jeweilige Aufgabe, doch anschließend verdeutlicht der Fries die ungeheure Diskrepanz zwischen ihnen. Denn bei ihrem Empfang durch Traian strecken Auxiliarsoldaten demKaiser die abgeschlagenen Köpfe der Feinde entgegen.200 Nun findet sich diese Visualisierung derKopfjagd tatsächlich mehrfach auf demRelieffries, niemals jedoch in der
197 Siehe etwa die Szenen
CICHORIUS
71, 114.
72. 198 CICHORIUS 69– 199 Von den drei Verteidigern der Mauer scheinen zwei der dakischen Oberschicht der Pileati anzugehören, während die Verteidiger des Forts lediglich Comati sind, von denen nur einer einen Helm trägt. Auch in dieser darstellerischen Miszelle kommt die Schwierigkeit der Belagerung für die Legionäre zumAusdruck. Zudem wird deren Prestigegewinn ausdemerfolgreichen Sturm noch gesteigert durch den sozialen Rang der Verteidiger dieser Festung: Den Legionären stellt sich die dakische Führungsschicht entgegen, die Auxiliaren kämpfen mit deneinfachen Comati. 200 FERRIS 2000, 68 referiert diese Szene, „ a Roman trooper“halte den Kopf zwischen seinen Szenen. Doch anstatt sich bewusst zu machen, dass es ein bedeutender Unterschied ist, ob Roman trooper“nunein Auxiliarsoldat oder ein Legionär ist, spekuliert er über die dieser „ etwaige Rotfärbung desBlutstroms in dereinstigen Bemalung derSäule.
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Darstellung von Legionären.201 Hier wird die Darstellung der Auxiliartruppen als Halbbarbaren bestärkt.202 Auf dem Reliefband ist also die Darstellung von kriegerischer Gewaltausübung durch Legionäre erheblich beschränkt. Die Traianssäule stellte den Legionär als fleißig undvor allem diszipliniert dar. Der ruhigen Ordnung derRömer ist die Auflösung der Daker gegenübergestellt.203 Die Toten auf dem Schlachtfeld sind dakischer Herkunft. Verwundete Legionäre werden nur einmal dargestellt, wenn die Arbeit eines römischen Arztes abgebildet ist.204 Der semantische Gehalt dieser Szene stellt die helfende Effizienz des ärztlichen Spezialisten in den Vordergrund, nicht die Verletzung des individuellen Legionärs. Neben die disziplinierten Kampfszenen trat also die Darstellung von Handlungsweisen, die nicht spezifisch demmilitärischen Lebensbereich zuzuschreiben waren, sondern die im zivilen Leben ihr Pendant oder sogar ihren Ursprung hatten.205 Der römische Sol-
201 Siehe etwa CICHORIUS 24 = LEPPER/FRERE 1988, Nr. 57f. (auf Stangen gespießte Köpfe) und Nr. 60 (ein Auxiliarsoldat hält den abgeschlagenen Kopf mit seinen Zähnen); 72 = LEPPER/FRERE 1988, Nr. 183 (Traian werden Köpfe entgegen gehalten); 113 = LEPPER/FRERE 1988, Nr. 303 (im Schlachtgetümmel wird ein Kopf genommen), undnatürlich 147 = LEPPER/FRERE 1988, Nr. 391f. Hier wird das Haupt des Decebalus den Legionären präsentiert, welches von einem Auxiliarsoldaten abgeschlagen worden war. Dieser Vorgang verweist schon auf die Zurschaustellung dieser Trophäe in Romselbst unddenSturz des Kopfes von 179; SPEIDEL 1970; den Scalae Gemoniae herab. Vergleiche LEPPER/FRERE, 1988, 176– SMALLWOOD 1966, Nr. 20, Z.1f. Die Darstellung abgeschlagener Köpfe in den Händen eines Legionärs auf demGroßen Traianischen Fries lässt sich hiermit nicht direkt vergleichen, da sie der Logik, Konvention und Semantik einer anderen Bildsprache folgt, die Kaiser undHeer heroisch-symbolhaft überhöht. ; Traians militärische Imago“ Siehe hierzu auch imKapitel zumPanegyricus denAbschnitt 3 „ 33. –FERRIS 2000, 81 urteilt unverständlich anavergleiche HÖLSCHER 1987, besonders 29– chronistisch, wenn er die Zurschaustellung unddenTreppensturz des Kopfes des Decebalus als „excessively cruel treatment“bezeichnet. 202 FEHR 1985/86, 44 weist auf die Übereinstimmung mit Gladiatorenkämpfen hin, wie sie etwa von Traian mit 10.000 Teilnehmern nach demEnde des zweiten Krieges veranstaltet worden waren. Auch bei diesem stadtrömischen Ritual drückte sich zivilisierte Überlegenheit aus. Zur Gladiatur gehört auch der Topos des barbarischen Hangs zur Selbstvernichtung sowie die Sympathie fürjene Barbaren, denen es in der Arena gelingt, gemäß demrömischen VirtusIdeal zu kämpfen. –Ich danke Herrn Professor Egon Flaig für die freundliche Überlassung seines Manuskripts zurrömischen Gladiatur vor dessen Druck; siehe FLAIG 2000. 203 FERRIS 2000, 66 weist darauf hin, dass die Daker oft in derNatur, in Wäldern undBerglandschaften dargestellt seien. Andererseits seien sie auch häufig in ihren Städten undFestungen abgebildet. Hiermit habe demBetrachter die Opposition zwischen Barbaren undZivilisation demonstriert werden sollen. FERRIS behauptet also, dass urbane Daker denBetrachter eigentlich anRömer erinnern sollten, umdiese mitdenruralen Dakern zuvergleichen. Diese abwegige Ansicht lässt FERRIS a.a.O. kumulieren: „This is quite another example of the ‚nostalgia‘ trend, a longing for a purer andsimpler state of being...“ .
204 CICHORIUS 40 = LEPPER/FRERE 1988, Nr. 103. 205 Die vorliegende Betrachtung verdankt der Studie von FEHR 1985/86 sehr viel. FEHR weist ausdrücklich auf diese Durchmischung vonziviler undmilitärischer Erfahrungswelt hin. Die Legionen wurden in einer Weise dargestellt, diedenetablierten undvonSenatoren geprägten Schilderungen vonSoldaten alsplündernden undunkontrollierbaren Haufen entgegentrat. Der
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dat warAkteur oder Publikum bei Tätigkeiten, mit denen auch die nichtmilitärische Bevölkerung in ihrem Leben vertraut war. Die Legionäre stellten die Arbeitskräfte beim Beladen undEntladen von Schiffen. Sie arbeiteten als Handwerker beim Bau von Brücken und Gebäuden, ernteten Getreide und vollbrachten spezialisierte Tätigkeiten, etwa als Arzt. Außerdem waren die Legionäre vielfach in einem Nahverhältnis mit demKaiser dargestellt. In einer Adlocutio richtete er dasWort ansie oder vollzog gemeinsam mitihnen dieOpfer. Die Bildsprache vermittelte das Bild von disziplinierten Arbeitern, die unter der unmittelbaren Aufsicht des Kaisers standen. Dessen vielfach dargestellte Anwesenheit in zahlreichen Szenen des Reliefbandes betonte das enge Verhältnis des Imperators mit seinen Soldaten. Diese affektive Nähe wardabei nicht negativ konnotiert. Es wurde in den Szenen des Frieses keinesfalls die Möglichkeit eröffnet, dass diese Nähe gegen die Zivilbevölkerung instrumentalisiert werden könnte. Die Legionäre standen unter der ständigen Aufsicht des Kaisers. Dessen Darstellung als Civilis Princeps gewährleistete die friedliche Ruhe der Soldaten gegenüber der römischen Zivilbevölkerung. Vor seinem Erfahrungshorizont der vergangenen Bürgerkriege wurde dem stadtrömischen Publikum suggeriert, dieser Kaiser werde sein Heer nicht gegen Rom führen. Stattdessen führte er effizient erfolgreiche Kriege mit ihm. Das Heer würde sich auch nicht selbständig gegen Rom wenden oder mit einem Usurpator gegen die Stadt marschieren. Stattdessen wies das Reliefband auf das besondere Nahverhältnis undauf die Gehorsamsstrukturen zwischen Kaiser und Soldaten hin. Der Princeps hielt sein Heer durch diese Art des Umgangs miteinander unter Kontrolle. Dieses Verhältnis wurde seinen Betrachtern in Romnachvollziehbar gemacht. Ein Teil der militärischen Tätigkeiten wurde visuell in die Nähe ziviler Tätigkeiten gerückt. Das Publikum der Traianssäule sah im Felde kaiserliche Tugenden dargestellt, deren Umsetzung ihm aus dem stadtrömischen Auftreten des Kaisers bekannt warunddie zu der zivilen Darstellung des Guten Princeps gegenüber der Bilderfries vermied, die imKrieg notwendige Gewalt als vonLegionären ausgeübt darzustellen; wohl aberwurden dieAuxiliaren als Verursacher dieser Gewalt abgebildet. FEHRa.a.O. 43f. weist darauf hin, dass es für den Städter ein sozialpsychologisches Problem bedeutet habe, eine solche Manifestation militärischer Macht mitten im Stadtgebiet zu sehen. Doch FEHRa.a.O. 50f. geht zuweit, wenn er resümierend vermutet, dasMilitär undseine Effizienz hätten den Zivilisten als Vorbild dienen sollen. Angesichts desolater Verhältnisse im zivilen Bereich seien dabei stadtrömische Funktionseliten angesprochen gewesen. Als Beispiele nennt FEHREquites, die zunehmend Staatsaufgaben übernahmen undgewöhnlich über lange Militärerfahrung verfügten. Obwohl BOATWRIGHT 2000 im wesentlichen Kontinuität von der flavischen hin zur traianischen Architektur derMonumente feststellt, konstatiert siejedoch (89), dass „ Post-Flavian public architecture in the capital city consciously and innovatively appealed to the newly indispensable equestrians and senators from northern Italy and the provinces.“Diese Feststellung kannjedoch nicht überzeugen; nicht zuletzt deswegen, weil sie auf – wieoben gezeigt –nicht nur hypothetischen, sondern sogar falschen Vermutungen zum Statuenprogramm deraufdemForum Traiani Geehrten zuLebzeiten desOptimus Princeps bauen.
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Plebs Urbana gehörten. Damit korrespondierte die Darstellung der Soldaten. Die abgebildeten Legionäre verrichteten in ihrer militärischen Lebenswelt Tätigkeiten, die der betrachtende Zivilist zu einem guten Teil in seiner eigenen Lebenswelt wiedererkennen konnte. Die kaiserliche Adlocutio vor den Soldaten etwa unterschied sich in ihrer bildlichen Darstellung undihrem symbolischen Gehalt nicht sehr von einer entsprechenden stadtrömischen Zeremonie vor dem Volk. Auch besaßen Opfer undLustratio im Krieg für das Heer einen vergleichbaren Sinngehalt wie dieser Ausdruck kollektiver Pietas ihn für das hauptstädtische Publikum hatte. Die Reliefs derTraianssäule bildeten denLegionär als Civilis Miles ab. Mit diesen Beobachtungen zu der spezifischen Darstellung des Legionärs korrespondiert eine Beobachtung zurDarstellung derProvinz Dacia auf Münzen. Es ist dabei bemerkenswert, welche Rolle die imperiale Programmatik den römischen Legionären bei der Kultivierung des Landes zuschrieb. Seit dem Ende des ersten Dakischen Krieg waren Prägungen der niedergeworfenen Dacia emittiert worden, die mit DAC(ia) CAP(ta) im Abschnitt den römischen Sieg feierten.206 Erst im Jahre 112 wurde die Reihe dieser triumphierenden Darstellungen von einem völlig anderen Typus ersetzt, umdie Reihe der Abbildungen der Dacia zu beenden. Anfang Mai 113 wurden die dritten Spiele anlässlich desdakischen Triumphes begangen. In deren Rahmen wurde amzwölften Mai die Columna Traiana offiziell dem Volk übergeben. Das gesamte Forumsareal war somit fertiggestellt. Dacia galt nunals befriedete Provinz, auf die von nun an in der traianischen Münzprägung nicht länger hingewiesen wurde. Diese Emission von 112 mutet daher an wie ein Schlussstrich unter der triumphalen Thematik der Dakerkriege. Es handelt sich um Münzen mit der Legende DACIA AVGVST(i) PROVINCIA.207 Die personifizierte Dacia ist mit ihrer einheimischen Tracht bekleidet undsitzt auf einem Felsen, der die bildliche Chiffre für ihr bergiges Land ist. Vor ihr spielen zwei Kinder, vondenen eines Trauben, das andere Ähren hält. Die Dacia selbst hält im linken Armeinen Legionsadler.
206 Siehe etwa RICNr. 96, 620; ein weiteres Stück ist imKapitel zudenRestitutionsmünzen im Die Annexion Arabiens“abgebildet. –Nach demersten Krieg trugen sie die Abschnitt 4.2 „ Umschrift DACIA VICTA, nach dem zweiten Krieg die Legende DACIA CAPTA. Bis Anfang 112 wurde zudem die VICTORIA DACICA auf Denaren dargestellt, obwohl Dakien bereits imJahre 106 mitD.Terentius Scaurianus einen propraetorischen Statthalter als Provinz des römischen Reiches erhalten hatte. Zu dieser frühen Geschichte der Provinz siehe etwa 172. BOWERSOCK 1983, FUNKE 1989, BENNETT 1997, 163– 963, 990. –Vergleiche 207 STRACK 1931, 207ff., Nr. 435, Taf.7.8; RICNr. 621ff.; BMCNr. 960– LUMMEL 1991, 85.94f., der darauf hinweist, dass in den Jahren seit 106 eine deutliche Hervorhebung vonThemen zubeobachten ist, die provinziale Belange betreffen.
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Auf dieser Münze wird nicht länger dasunterworfene undtrauernde Feindesland dargestellt, sondern die prosperierende Provinz. Die Kinder legen Zeugnis von denPerspektiven Dacias ab, deren Wohlstand sich in den Erzeugnissen des Landes widerspiegelt.
Das Bild bietet einen zweifachen Hinweis darauf, wemall
dies zu verdanken ist. Zumeinen wird in derMünzlegende die Rolle Traians pro-
Es ist das Protektorat des Princeps, welches die Provinz aufblühen lässt. Die AVGUSTI PROVINCIA steht unter seinem persönlichen Einfluss. Zum anderen deutet die Legionsstandarte auf die Rolle des Militärs in diesem Prozess hin. Das römische Heer wird als Beschleuniger eines Kultivierungsprozesses dargestellt. Nachdem die Legionen Land und Stämme der Daker bezwungen haben, ist nun die Entwicklung dieser Provinz hin zum Wohlstand gewährleistet. Dies drückt sich in denbeiden Erzeugnissen Wein undKorn aus, die auf dennunmehr nonciert.
geregelten Landbau verweisen. DasHeer derbeiden Kriege unddie Truppen, die als Besatzung in Dakien zurückgeblieben waren, wurden als Vermittler von Kultur und Wohlstand dargestellt. Sie waren gemeinsam mit dem Kaiser die Garanten der friedlichen Entdieses wicklung der Provinz.208 Die Prägung dieser Münzen mit ihrer spezifischen Bildes von der Rolle des Militärs bei der Kultivierung Dakiens begann zujenem Zeitpunkt, als das Traiansforum eingeweiht wurde, am ersten Januar 112. Die Ausprägung einer spezifischen Darstellung desLegionärs, diezivile undmilitärische Facetten miteinander vereinbarte, wird mit diesen Münzen und derbildlichen Ausstattung desTraiansforum gleichermaßen bezeugt. Die Inschrift der Säulenbasis trug mit ihrer Aussage zudieser Darstellung des traianischen Legionärs bei. Sie verzeichnete die herausragende Ingenieursleistung und den städtebaulichen Aufwand, den es bedeutet hatte, dem Forumskomplex seinen Bauplatz zu bereiten.209 Die Höhe der Säule sollte anzeigen, umwie viel der Bergsattel abgetragen und das Gelände eingeebnet werden musste, um solchen Bauwerken Platz zu schaffen:210 Vermittlung
208 Der Vergleich mit der früh-traianischen Prägung der befriedeten Provinz Germania aus dem Zeitraum von Mitte Februar bis Oktober 98 zeigen denwesentlichen Unterschied in demjeweiligen Konzept von einer befriedeten Provinz. Die Germania hält statt des Aquila einen Zweig in der Hand, das Attribut der Pax. In dieser Darstellung kommt der Rückzug von der germanischen Front zumAusdruck. Dem Militär wird –anders als im Falle der befriedeten Dacia –hier keine Rolle imKultivierungsprozess derProvinz zugesprochen. Siehe hierzu das Kapitel „ Vom Rhein nach Rom“mit seinem Abschnitt 9.2 „ ; Die Befriedung Germaniens“ vergleiche STRACK 1931, 69– 72, Nr. 12, Taf.1. 209 CILVI 960 = ILS 294; FLORESCU 1969, 28ff. 210 ZANKER 1970, 529f. formuliert die geläufige Übersetzung: „ um zu zeigen, bis zu welcher Höhe Berg undPlatz abzutragen waren, umsolchen Bauwerken Platz zumachen.“–Die korrekte Übersetzung dieser Zeilen warlange Zeit strittig, gerade weil dieletzte Zeile nicht vollständig erhalten ist. Die Rezeption derBauinschrift durch Cassius Dio 68.16.3 beweist jedoch die Richtigkeit des hier vorgestellten Wortlauts. Zu den Interpretationsmöglichkeiten des 207. Textes siehe LEPPER/FRERE 1988, 203– Bis zudenAusgrabungen vonBONIwarangenommen worden, dass damit dieTerrainarbeiten gemeint waren, welche unmittelbar für die Errichtung der Säule nötig gewesen wären. Doch BONI 1907/08 konnte bei Grabungen unter derSäule bereits republikanische Bauschichten an
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SENATVS POPULVSQUE ROMANVS
IMP CAESARI DIVI NERVAE F NERVAE TRAIANO AVG GERM DACICO PONTIF MAXIMO TRIB POT XVII IMP VI COS VI P P AD DECLARANDVM QVANTAE ALTITVDINIS MONS ET LOCVS TANT[is oper]IBVS SIT EGESTVS
Der Hinweis auf die zivile Bautätigkeit mitten im römischen Stadtzentrum als Dedikationsinschrift aneiner Manifestation militärischer Ikonographie gab immer wieder Rätsel auf. Warum scheint sich die Inschrift nicht auf das Dargestellte zu beziehen? Doch die städtischen Bauarbeiten lassen sich durchaus mitderabgebildeten Lebenswelt der Legionäre in Einklang bringen. Blickte der Betrachter von der Inschrift auf die darüber liegenden untersten Säulentrommeln, so sah er die römischen Legionäre beim Bau der Schiffsbrücke über die Donau, bei Befestigungsarbeiten an einem Lager und beim Schlagen einer Schneise in den dakischen Wäldern.211 Die Legionäre waren also im Felde bei ebenjenen Arbeiten zu betrachten, mit denen die zivilen Ingenieursleistungen undBaumaßnahmen korrespondierten, die im Bau des Forums ihren Ausdruck gefunden hatten. Davon legte die Höhe der Säule Zeugnis ab. Zivile Errungenschaften wurden mit militärischen eng verbunden. Die Dedikationsinschrift wurde von zwei Victorien gestützt, die von Darstellungen von Waffenspolien umgeben waren. Auf diese Weise wurde die stadtrömische Bauleistung als ein Sieg dargestellt, der mit den dakischen Siegen zusammenhänge. Der Kampf gegen die Natur in Dakien undRom wurde mit demKampf gegen die Barbaren korreliert. Die militärischen Pioniermaßnahmen der Säulenreliefs wurden als Sieg über daskriegerische Volk unddie unwirtliche Umwelt derBarbaren dargestellt.212 Die Darstellung des römischen Legionärs als Civilis Miles ließ diesen eine Doppelrolle erfüllen als Bezwinger undanschließend als Kultivator vonLandund Leuten. Das Ausmaß der wilden Leistungskraft der Barbaren im Kriege wurde durch die vermeintlich komplizenhafte Unzugänglichkeit ihrer Lebenssphäre mit all deren Gefahren unterstützt undgesteigert. Daher schienen der Kaiser undsein Heer nicht allein die Völkerschaften derBarbaren bezwingen, sondern sich gerade auch deren unwirtliche undfeindliche Umwelt unterwerfen zumüssen. Der zivilijenem Ortnachweisen, womandenHügel vermutet hatte. Es wurde somit deutlich, dass die Höhe der Säule nicht die Arbeiten an ihrem Standort selbst, sondern jene Maßnahmen unmittelbar daneben anzeigen sollte: DerHang des Quirinal warin derTat abgetragen worden, um dennord-östlichen Exedren des Forumsportiken undder Basilica Platz zu schaffen. Die Traiansmärkte hatten dabei auch eine abstützende Funktion. Die Höhe der Säule entsprach jener Die posthuHöhe, bis zuderdie Traiansmärkte aufragten. Siehe hierzu denAbschnitt 6.5.4. „ me Sinnentfaltung des Forums –solus omnium intra urbem sepultus“ . 211 Die vertikale Szenenabfolge beim Betrachten derSäule ist vongroßer Relevanz. Siehe hierzu etwa GAUER 1977, 9ff., 45ff.; BAUMER/HÖLSCHER/WINKLER 1991. 212 DRERUP 1966, 181ff. betont die Bedeutung dieses Topos in flavischer undtraianischer Literatur.
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satorische Aspekt einer Eroberung gewinnt daher erheblich an Relevanz. Die Länder jenseits des römischen Natur- und Kulturraumes waren aus römischer Sicht von Barbaren bewohnt.213 Der marginale Bereich des Grenzraumes trennte die zunächst grundsätzlich unvereinbaren Konzepte von zivilisierter Kultur und wilder Undurchdringlichkeit.214 Das Zentrum des Reiches war entmilitarisiert und friedlich. Es ging in jene Grenzzonen über, die von stehenden Heeren gegen die Barbaren verteidigt wurden und die ihrerseits die Kultur des Reichszentrums in die wilden Außengebiete zu tragen hatten. Die Propagatio Imperii bestand zu gleichen Teilen ausmilitärischer undkultureller Durchdringung.215 Mit dieser Beobachtung korrespondiert eine Aussage desPlinius ausdemJahre 107. In einem seiner Briefe ermuntert er den Adressaten Caninius, ein Epos über die traianischen Dakerkriege zu verfassen.216 Zu diesem Anlass rekapituliert Plinius jene Ereignisse, die besonders wert seien beschrieben zuwerden undtrotz ihres Wahrheitsanspruches einen wundersamen Stoff böten. Dazu rechnet Plinius nunaber nicht etwa ungeheure Feldschlachten oder sonstige unmittelbar kriegerische Großtaten. Vielmehr hebt er die Leistungen des römischen Heeres in ihrer Bezwingung derdakischen Natur hervor. Caninius solle vonumgeleiteten Flüssen schreiben,217 von Kastellen, die an Berghänge gebaut wurden und von den konstruierten Brücken des Krieges. Er solle vom Schicksal des Königs berichten undvon den beiden Dakertriumphen Traians, von denen der eine die erste, der andere die letzte wahre Siegesfeier über dieses Volk gewesen sei. Plinius nennt also in erster Linie denSieg derRömer über die Natur. Mit dieser sei dann auch das dakische Volk besiegt gewesen. Wenn er betont, jetzt erst sei wahrhaft und nachhaltig über Dakien triumphiert worden, impliziert er, dass dies auch eine Folge derendgültigen Niederwerfung desLandes gewesen sei.218
213 Zur Konzeption der Grenze und ihrer
konkreten Manifestation
in der Mittleren Kaiserzeit
siehe WHITTAKER 2000.
214 BORCA 1996. 215 GEHRKE 1999, 28. –Andieser Stelle sei auch hingewiesen auf die Germania desTacitus und Caesars Commentarii debello Gallico. Hier wirddasFeindesland beschrieben, indem dieAutoren ihre Schilderungen der Stämme mitderBeschreibung vonderen Lebensräumen miteinander verschmelzen. LandundBewohner werden als Einheit wahrgenommen. 216 Plin.ep.8.4.1f. 217 Nach Cassius Dio 68.14.4 hatte Decebalus seine Schätze vergraben undeinen Fluss darüber hinweg leiten lassen. Nachdem Traian davon erfahren hatte, ließ er diesen Fluss wieder in sein altes Bett umleiten. Die Relevanz dieser Episode, die von Plinius hier konfirmiert wird, ist offensichtlich. Der Königsschatz warein ungeheuer aussagekräftiges materielles Gut, das derTriumphator vorweisen konnte. Dieser Teil derBeute nahm eine prominente Rolle imTriumphzug ein. Die königliche Beute war eine Demonstration, nicht nur zu behaupten, einen Sieg errungen zu haben, sondern tatsächlich bis ins Herz des Feindeslandes vorgestoßen zu sein. 218 Möglicherweise reflektiert ein Brief des Plinius, den der Legat aus Bithynien an Traian schickte, denBau des Forums. Der Senator äußert in ep.10.88 seine Wünsche anlässlich des kaiserlichen Geburtstages und betont, der Princeps möge „florentem virtutis tuae gloriam quam incolumis et fortis aliis super alia operibus“mehren. Der Brief wurde geschrieben, als amForum schon fast fertiggebaut war. Plinius wählt eben dieses Wort operibus, welches auch auf dem Sockel der–allerdings erst 113 eingeweihten –
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Die thematischen undmotivischen Anregungen des Plinius stimmen mit den Berichten vom Dakerkrieg des Cassius Dio unter anderem darin überein, dass beide gerade den Brückenbau deutlich aus den anderen Kriegsleistungen herausheben. Die Brücke über die Donau war im Jahre 105 von demBaumeister Apollodor fertiggestellt worden. Auf dem Fries der Traianssäule wurde sie in zwei Szenen dargestellt.219 Cassius Dio zählt diese Brücke zu den größten Leistungen Traians überhaupt.220 Er könne den Kaiser für diese technische Meisterleistung nicht genug loben.221 Im Symposion Iulians wird Traian attestiert, der einzige gewesen zusein, derauch die Völker jenseits derDonau in dasrömische Reich einSic in provinciarum speciem redactas vigegliedert habe.222 Seinem Ausspruch ” Sic pontibus Histrum glacie perfidum deam Dacias“habe Traian folgen lassen ” superem“223Die Bedeutung der Donaubrücke für die dakischen Kriege und für die Herrschaftsdarstellung des Kaisers wird dann aber gerade auch darin deutlich, dass sie das einzige außeritalische Bauwerk ist, das in der zeitgenössischen Reichsprägung dargestellt wurde.224 Es scheint nun nicht weiter verwunderlich, wenn im kriegerischen Kontext der dakischen Feldzüge auch der Brückenbau als wesentlicher Teil der Logistik mit eben diesen militärischen Maßstäben beurteilt wird und als eine der Ausdrucksmöglichkeiten militärischer Leistung verstanden wird.225 Doch längst schon vor Cassius Dio undPlinius war der Bau von Brücken gerade im zivilen Bereich mit militärisch geprägter Ikonographie verbunden worden. So beschrieb Statius imJahre 95 die Öffnung derVia Domitiana zwischen Neapel undSinuessa.226 Der Columna Traiana eingemeißelt war. Nunsollte davon ausgegangen werden, dass auch schon eine ganze Weile vor der eigentlichen Übergabe der Säule an die Öffentlichkeit an der Aufrichtung dieses Monumentes gearbeitet worden war. In diesem Falle muss der Sockel mitder Inschrift bereits zu sehen gewesen sein. Im Verlauf der Darstellung zeigte ich an mehreren Stellen, dass Plinius die aktuell kursierende Herrschaftsdarstellung Traians in Konzept und Wort aufgriff. Ich halte es nicht fürunwahrscheinlich, dass auch hier ein solcher Fall vorliegt. Entweder hatte er vor seiner bithynischen Mission selbst noch den Sockel gesehen oder ihm warvondessen Inschrift ausRomberichtet worden. Die Vermutung, dass mit operibus die gigantischen Bauprojekte Traians bezeichnet sein könnten, wird durch den bereits in der Einleitung dieses Kapitels besprochenen, früheren Brief Traians an seinen Legaten bestätigt (Plin.ep.10.18.3). Plinius hatte den Kaiser gebeten, ihmeinen Fachmann für Bauvermessung nach Bithynien zu schicken. Traian musste dies ablehnen: „ Mensores vix etiam iis operibus, quae aut Romae aut in proximo fiunt, sufficientes habeo.“Der Kaiser verwandte also selbst eben dieses Wort für seine Bauprojekte, also auch fürdasgerade entstehende Forum mitderColumna.
219 CICHORIUS 99, 101. 220 Cassius Dio 68.13.
16 hervorgehoben. Prokop de aedif.6.6.11– berichtet von einer Abhandlung, die Apollodor als Konstrukteur dieser Brücke über seine Arbeit verfasst habe. 222 Iuliani Imp.conv. 327 D. 223 Amm.Marc.24.3.9. 224 STRACK 1931, 127. 192; vergleiche ROSSI 1978. 225 ZumFolgenden siehe KLEINER 1991, 188– 84. 226 Stat.silv.4.3.81–
221 Diese Brücke wurde noch imsechsten Jahrhundert
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personifizierte Fluss Volturnus bedankt sich beim Kaiser für die Brücke, welche dieser über ihn gebaut habe. Er nennt Domitian den victor perpetuus ripae. Und weiter betont Statius, die Leistung Domitians in Krieg undFrieden sei gleichermaßen überragend. Der Gott-Kaiser sei besser und mächtiger als die Natur selbst.227 Auch hier sind die zwei Aspekte der generellen Sieghaftigkeit des römischen Kaisers miteinander verbunden: Die Feinde bekämpfe er im Krieg, die Unbill der Natur sogar noch im Frieden. In diesem Gedicht baut Domitian eine Brücke, umdie weiträumige Umleitung seiner Straße zu vermeiden. Dieser Triumph über die Natur findet bei Statius seinen Ausdruck in der Beschreibung des Bogens, welcher den Eingang zu dieser Brücke über den Volturnus bildete.228 Dieser Bogen sei geschmückt gewesen mit Tropaia, das heißt mit Versatzstücken einer Ikonographie, die eindeutig allein dem militärischen Bereich entstammt.229 Doch Trophäen auf einer Brücke, die über einen Fluss im entmilitarisierten Heimatland Italien führt, lassen sich nicht mehr mit militärischen Aktionen in Verbindung bringen. Eine solche Brücke ist eine rein zivile Konstruktion, diejedoch hinsichtlich ihrer Durchführung und ihres Ergebnisses mit einem militärischen Erfolg vergleichbar gemacht wird. Eine militärische Ikonographie wirdzurBeschreibung ziviler Baukunst gewählt, undder Sieg über die widerspenstige Natur wird mit demSieg über einen Feind korreliert. Dabei macht es hier keinen Unterschied, ob diese bezwungene Natur Teil des friedlichen Reichsinneren ist, seiner Randgebiete oder Teil desFeindeslandes. Die von Statius erwähnten Tropaia auf der Brücke sind nicht lediglich eine vomDichter ersonnene Art visueller Chiffre für den Sieg über die Natur. Stattdessen ist tatsächlich von aufgestellten Trophäen auf Bauwerken auszugehen, die in Gebieten errichtet waren, die schon seit langer Zeit befriedet waren. Militärische Ikonographie war also nicht notwendigerweise an militärische Operationen geknüpft. Dies bezeugen etwa einige Münzabbildungen aus Spanien, die im Jahre 17/16 v.Chr. in der Colonia Patricia in der Baetica geschlagen wurden.230 Hier sind Brücken dargestellt, zu deren Konstruktion Eingangsbögen gehören. Diese Bögen sind ihrerseits bekrönt von Elementen triumphaler Ikonographie. Eine Münze zeigt eine Reiterstatue des Augustus mit zwei Tropaia.231 Eine weitere zeigt Victoria unddentriumphierenden Kaiser in einer Elefantenbiga.232 Die dritte Münze bildet einen Bogen mit daran befestigten Rostra ab. Auf demBogen befindet sich eine Quadriga, in welcher Victoria den Kaiser bekränzt.233 Ob sich die
227 Stat.silv.4.3.128f., 134f.: en! hic est deus, hunc iubet beatis / prose Iuppiter imperare terris...; hic paci bonus, hic timendus armis / natura melior potentiorque. 228 Stat.silv.4.3.97ff.: huius ianua prosperumque limen / arcus, belligeris ducis tropaeis / et totis Ligurum nitens metallis.
229 Auch Caligula bezeichnete es nach Cassius Dio 59.17.9 als seinen Triumph, eine Schiffsbrücke bei Baiae gebaut zuhaben. Aufdiese Weise habe er Meer zuLandwerden lassen. 230 Die besagte Münzreihe ist jeweils mit der Rückseitenumschrift SPQR CAESARI AVGVSTO QVOD VIAE MVN(itae) SVNT versehen oder miteiner Variante dieser Legende. 231 BMCAugustus, 435f.; RICAugustus, 142. 232 BMCAugustus, 432; RICAugustus, 140. 233 BMCAugustus, 433f.; RICAugustus, 144.
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Rostra auf den Sieg Octavians bei Actium beziehen, oder ob sie eine Chiffre für die Bezwingung des Flusses sind, ist nicht zu entscheiden.234 Interessant bei diesen Beispielen ist, dass die Brücken, ob sie nun in Italien oder Spanien errichtet waren, sich in seit langer Zeit befriedete Landschaften einfügten. Auch hier ist die militärische Ikonographie Hinweis nicht auf einen Krieg, sondern auf die Bezwingung widriger Naturgegebenheiten. Wenn wir nunauf Traian undseine Unterwerfung Dakiens zurückblicken, so stellen wir fest, dass auch die gefeierte Brücke über die Donau von eben dieser Bildersprache geprägt ist. Anhand zweier Beispiele wird dies augenfällig. Injener Szene des traianischen Säulenfrieses, welche die Donauüberquerung der Legionäre auf der Brücke des Apollodor darstellt, ist auch der Durchgangsbogen dargestellt, dendiese Brücke trug. Hierauf sind deutlich zwei Tropaia zu erkennen.235 Auch das hier gezeigte Münzbild einer Brücke, vielleicht eben jener über die Donau, auf traianischen Sesterzen zeigt schematisch deren Bögen mit kleinen Tropaia geschmückt.236 Dieses Bild wurde in den Bronzenominalen imfünften Konsulat Traians emittiert. Es warTeil einer Serie vonPrägungen, die denSieg Traians in denDakerkriegen darstellten.237 Parallel dazu wurden auch Darstellungen der Personifikation eines befriedeten undruhig daliegenden Danuvius ausgegeben.238 Diese Darstellung besaß eine ganz andere Aussage alsjener personifizierte Rhein, denderEquus Domitiani auf dem Forum Romanum zertreten hatte. Danuvius ist auf dem Säulenfries sogar als Helfer der römischen Truppen dargestellt. Er stützt die Schiffsbrücke mit seinen Händen, welche das traianische Heer nach Dakien hinüber führt.239 Diese Darstellung des einstmals feindlichen Landes kulminiert in einer weiteren, hier gezeigten Münzabbildung: DerFluss selbst stürzt sich auf die niedergefallene Dacia undwürgt sie.240 Die Daker undihr Land, so scheint es, seien nicht nurvomKaiser undseinen Truppen unterworfen worden; die Natur selbst stand auf der Seite derRömer underleichterte ihren Vormarsch. Das zivili234 KLEINER 1991, 191. 235 CICHORIUS 101; LEPPER/FRERE 1988, 155ff.; KLEINER 1991, 187. 236 STRACK 1931, 127ff. Nr. 385 Taf.6. –Es wurde, angefangen mit RIC 2, S. 241, vielfach argumentiert, es handele sich bei dieser Darstellung umden Pons Sublicius in Romundnicht umdie Donaubrücke. Die Argumente gegen diese Ansicht sind bereits von STRACK a.a.O., besonders Anm. 510, überzeugend vorgetragen worden. 237 Siehe hierzu ausführlich im Kapitel zumPanegyricus den Abschnitt 3.1 „contecti caedibus . campi –Die Imago desHeros“ 238 STRACK 1931, 125f, Nr. 159, Taf.2. 239 CICHORIUS 3. 240 STRACK 1931, 126, Nr. 383, Taf.6.
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satorische Anliegen Traians undseines Heeres warvomLand als rechtmäßig anerkannt worden undwurde von ihmeigenständig vorangetrieben. Die kultivierende Durchdringung der Natur unddie Bezähmung ihrer Unbill wurden hier dargestellt als die unmittelbare Voraussetzung zum Sieg über die feindliche Bevölkerung. Dies wareine Leistung, die auf demSäulenfries des Traiansforums als Folge derIngenieursleistungen derrömischen Legionäre dargestellt war. Diese Leistungen hatten in eben der gleichen Weise zur Bezwingung des stadtrömischen Naturraumes beigetragen. Zivile undmilitärische Leistungen waren eng miteinander verbunden. Die Facette des Civilis Miles fand hier ihren nachhaltigen Ausdruck. Ein weiteres Motiv für diese spezifische Darstellung derLegionäre imRelieffries als effektiv undkontrolliert ist auf die hohen Kosten vonFeldzügen zurückzuführen.241 Ob Traian bereits in der Planungsphase des Forums an einen Feldzug gegen das parthische Reich gedacht haben mag oder nicht, ist hierbei irrelevant. Mit der Aussage der Monumente richtete der Kaiser sich auch beschwichtigend an die Betrachter. Das Ausmaß der herrscherlichen Sieghaftigkeit unddie Größe seiner Dakersiege wurden bildlich dargestellt und anhand des eigentlichen Forumskomplexes direkt erfahrbar gemacht. Der neu gewonnene Reichtum der Staatskasse warmonumental demonstriert. Der stadtrömischen Bevölkerung wurde suggeriert, sich keine weiteren Sorgen um die Finanzierung eventuell anstehender Feldzüge machen zu müssen. Sollte es einmal dazu kommen, so würden die Legionen in gewohnter undnunauch visuell nachvollziehbarer Leistung diesenKrieg schnell beenden. Die Prestigesteigerung für das Heer hing davon ab, in welchem Maße die Aussage derMonumente vomstadtrömischen Betrachter akzeptiert undihmplausibel gemacht wurde.242 Der Bereich DOMI wurde mit demBereich FORISQUE auf eben solche Weise untrennbar verbunden, wie es bereits bei den Inschriften derKaiserstatuen vorderBasilica Ulpia derFall gewesen war, die ausdenkaiserlichen Verdiensten in diesen beiden Bereichen abgeleitet hatten, dass Traian der Optimus Princeps sei.243 Die Höhe der Säule stellte auf ihrem umlaufenden Relieffries nicht allein dokumentarisch die Größe derdakischen Kriege dar, sondern die Säule zeigte zugleich auch durch ihre bloße Höhe die stadtrömische Bezwingung derNatur an. Der Relieffries bildete eine entsprechende Naturüberwindung in den dakischen Feldzügen ab, die gleichwertig neben den unmittelbaren Kampfhandlungen der Legionäre stand.244 Der Kaiser gewährleistete Großtaten in Krieg und Frieden. Der Soldat stand dabei unter derdirekten Kontrolle desHerrschers. Dem stadtrömischen Betrachter bot sich kein Bild einer entfesselten Soldateska. Er warkonfrontiert mit einer visualisierten Darstellung des Legionärs, der diszipliniert undunter Aufsicht Traians seinen geordneten Tätigkeiten nachging,
241 DAVIES 2000, 131ff. 242 FEHR 1985/86,43. 243 CILVI 959. Siehe hierzu denAbschnitt 6.2.3.”Equus Traiani –stabulum tale condi iubeto, si vales” . 244 FEHR 1985/86, besonders 46– 50.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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die dem Zivilisten transparent waren.245 Das Ineinandergreifen von militärischer undziviler Facette derAussage ließ die Segnungen desFriedens, die das Volk auf demForum erfahren konnte, unmittelbar aus demKrieg hervorgehen. Das dargestellte intensive Nahverhältnis vonKaiser undHeer warderGarant fürdiese Segnungen. So beinhaltete das Monument eine vielschichtige Aussage, deren Facettenjeweils in der Person Traians kumulierten. Die Größe des Feldherrn in Taten undTugenden wurde durch seine allgegenwärtige Präsenz auf demKriegsschauplatz nachgewiesen, die auf denReliefs vielfach dokumentiert war. Die Größe des Überwinders der stadtrömischen Hügel unddie Größe des Siegers über Volk und rauhes Land derDaker, derTriumph Traians in Krieg undFrieden, wurde vonder Panzerstatue desKaisers bezeugt. Diese hatte er sich wegen derkonkreten militärischen Nachweise seiner generellen Sieghaftigkeit verdient.246 Von der Spitze der Säule ausüberragte die Statue denForumskomplex; diese gewaltige Manifestationmilitärischer Erfolge undziviler Errungenschaften, dendie traianische Dakerbeute finanziert hatte.
6.5.4. DIE POSTHUME
SINNENTFALTUNG DES FORUMS
SOLUS OMNIUM INTRA URBEM SEPUL TUS247
Im Jahre 117 starb der Kaiser in Kilikien. Sein Leichnam wurde nach Pierien gebracht, wo Hadrian ihn verbrennen ließ.248 Doch der Verstorbene zog wenig später als Parthersieger in einem Triumph in Rom ein.249 Auf demTriumphwagen stan245 FEHR 1985/86, 43 weist darauf hin, dass die Brutalität in den Reliefs des Säulenfrieses sehr beschränkt ist, wohingegen die Gewalt des Großen Traianischen Frieses in einer ganz anders motivierten Bildsprache erzählt wird undheroisch-symbolhaft überhöht ist. Vergleiche dazu 33. HÖLSCHER 1987, besonders 29– 246 Der Sieg über dieNatur warmilitärisch konnotiert undwurde konsequent auch so belohnt. In eben dieser Weise ist die Verleihung der Ornamenta Triumphalia etwa an Domitius Corbulo zuverstehen. Dieser hatte imJahre 47 vonseinen Legionären einen 37 kmlangen Kanal zwi6. Die gleiche schen Maas undRhein anlegen lassen; Tac.ann.11.20.2, Cassius Dio 60.30.3– Ehrung wurde in dieser Zeit auch Curtius Rufus zuteil, derseine Legionäre imLand derMattiaker Silberadern hatte aufspüren lassen; Tac.ann.11.20.3.
247 In Anlehnung anEutrop.8.5.2. 248 Siehe zumFolgenden die Beschreibung bei ECK1997, 110f. 249 Laut SHAHadr.6. ließ Hadrian die Ehre des Triumphes, die ihmder Senat in einer emphatischen Akzeptanzbekundung zukommen lassen wollte, ebenso demonstrativ auf seinen toten Vorgänger übertragen. Diese Ehrenzurückweisung wird von den SHA in direkten Zusammenhang gerückt mitderAblehnung des Pater Patriae Titels unddiversen Akten derimperialen Fürsorge. Der Verzicht auf denTriumph über die Parther lässt sich also nicht nurdaraus erklären, dass die Erfolge an der Ostgrenze des Reiches bereits injenen Tagen sich aufzulösen schienen, unddass derneue Kaiser auf einen solchen falsus triumphus, wie er zur Imago desPessimus Princeps gehörte, gern verzichtete. Stattdessen demonstrierte Hadrian durch die Zurückweisung desTriumphes zumeinen seine Pietas gegenüber demVorgänger. Zumanderen erwies er auch seine Achtung gegenüber demSenat, der ihmdie Siegesfeier hatte zuerkennen wollen. DerNutzen, denHadrian durch diesen zweifach semantisierten Akterlangte,
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DAS TRAIANSFORUM
den das wächserne Bild des Toten und die goldene Urne, die seine Asche barg.250 Der Zug endete auf dem Traiansforum, wo die Überreste des Kaisers in einer Kammer der Basis seiner Säule beigesetzt wurden.251 Durch diesen Akt erhielten Säule undForum eine zusätzliche Bedeutung. Ein posthumer Sinngehalt des Monumentes offenbarte sich, der zuvor von einer Vielzahl aussagekräftiger Konnotationen verdeckt worden war.252 Obgleich in der späten Phase der traianischen Regierung in verschiedenen Medien eine deutliche religiöse Überhöhung des Herrschers zu beobachten ist, war doch die Bestattung des Kaisers innerhalb des Pomerium ungewöhnlich. Die Quellen traianischer Zeit bieten keine Hinweise auf den Plan einer solchen Beisetzung unddie späteren Quellen weisen auf die Besonderheit desAktes hin. Traians Vorgänger Nerva etwa waraußerhalb dergeheiligten Stadtgrenze im Tumulus Iuliorum beigesetzt worden, jenem Mausoleum des Augustus auf demMarsfeld. Damit hatten Nerva undsein Erbe Traian auch bewusst auf die Kontinuität des Principats hingewiesen. Auch wenn die familiärdynastische Linie seit denIuliern längst schon abgerissen war, begaben sich doch auch die späteren Kaiser noch in diese assoziative Nähe. Traians Nachfolger Hadrian ließ sich ebenfalls außerhalb des Pomerium begraben. Er fand seine Ruhe sogar jenseits des Tibers, allerdings in einem eigenen Mausoleum, woin derFolge die meisten seiner Nachfolger des zweiten unddritten Jahrhunderts beigesetzt werden sollten. Tatsächlich war Traian bis in die Spätantike der einzige Kaiser,
der innerhalb der geheiligten Stadtgrenze beigesetzt wurde. Keiner seiner Vorgänger hatte ihm dafür ein Vorbild geboten. Es muss daher gefragt werden, welche Bedeutung diese Innovation für die Gesamtaussage des Forums besaß und welchen Sinn diese Art der Bestattung im Rahmen der Herrschaftsauffassung Traians ergibt. Es wird zuerörtern sein, ob diese Nutzung der Säule als Grablege überhaupt durch ihnbestimmt worden war, oder ob erst Hadrian dies veranlasste. Die Polysemie der Traianssäule als Begräbnis- undApotheosemonument sowie als Nachweis der Leistungen des Kaisers besaß stadtrömische Vorbilder.253 So hatte etwa Augustus sein Mausoleum auf demMarsfeld als Grabmal undzugleich als Tropaion gestalten lassen.254 Bereits derBegräbniszug desersten Princeps hatte deutliche Elemente eines Triumphzuges beinhaltet.255 So war das Bildnis des Kaisers mitdemTriumphgewand angetan, ein weiteres Bild fuhr auf einer Triumphalquadriga. Die Prozession zeigte Darstellungen der von Augustus unterworfenen Völker, undderPrinceps fand seine letzte Ruhe auf demMarsfeld. Die Nutzung dieses Ortes als militärischer Übungsplatz undseine fortschreitende Bebau-
war größer als der Nutzen, den ein unzureichend motivierter Triumph ihm hätte einbringen können.
250 Vergleiche hierzu KIERDORF 1986b undARCE2000. 251 Cassius Dio 69.2.3; Aur.Vict.epit.13.11; Eutrop.8.5.2f.: solus omnium intra urbem sepultus est, ossa conlata in urnam auream in foro, quod aedificavit, subcolumna posita sunt. 252 Diese posthumen Bezüge aufgezeigt zuhaben, ist dasVerdienst vonZANKER 1970, 531– 544. 253 ZumFolgenden siehe DAVIES 2000, 61– 67. 254 BOSCHUNG 1980; VONHESBERG 1988.
255 Cassius Dio 56.34; Tac.ann.1.8; Suet.Aug.100; vergleiche
VERSNEL 1970, 122f.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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ungstanden seit denfrühen Zeiten derRepublik ganz im Zeichen desMars.256 Die meisten Tempelbauten dieses Areals waren in derFolge vonSiegen zuLand oder See erfolgt. Das Marsfeld war der Ausgangspunkt von Triumphzügen, und dort waren auf Senatsbeschluss jene Generäle beerdigt worden, die einen Triumph gefeiert hatten. Hier hatte Pompeius seine Triumphe monumentalisiert in Form des Theaters, der Porticus, der Curia und des Tempels, welchen er der Venus Victrix geweiht hatte. In ähnlich zweideutiger Weise wie Pompeius, der sein Theater zum bloßen Aufgang zumTempel erklärt hatte, ließ sich Augustus an diesem Ort ein gewaltiges Tropaion errichten –ein Siegesmonument, das aber auch seine Asche barg.257 So umging er dennötigen Senatsbeschluss, der ihmdie Errichtung eines privaten Grabes auf öffentlichem Grund hätte gestatten müssen.258 Dieser Tumulus Iuliorumvermochte in seiner baulichen undkonzeptuellen Gestaltung auch an ein Heroengrab erinnern. Das Gebäude suggerierte einen mit Bäumen bewachsenen Grabhügel, der sich von seinen Unterbauten deutlich abhob.259 Der triumphale Einzug Traians als Parthersieger unddie Beisetzung injenem Monument, das seine Taten darstellte undaus diesen Leistungen zugleich auch seinen Anspruch auf Apotheose ableitete, konnte also etwa auf die Bestattung des Augustus als ein Vorbild zurückblicken. Die Beisetzung innerhalb desPomeriums warjedoch seit jeher ein ungewohnter Akt gewesen, der durch dasZwölftafelgesetz bereits verboten worden war. In republikanischer Zeit war diese Ehrung neben den Vestalinnen nur herausragenden Triumphatoren zugestanden worden.260 Auf Senatsbeschluss undvirtutis causa hatten diese ihr Grab innerhalb der geheiligten Stadtgrenze erhalten. Gemäß dieser Tradition wurde auch demTriumphator über Germanen, Daker undParther diese Ehre zugestanden. Bis zur Zeit Traians hatten die Kaiser nicht mehr als nur einen Siegerbeinamen geführt.261 Die drei Beinamen in der Titulatur Traians kennzeichneten die außergewöhnliche Ausprägung der militärischen Facette in der Herrschaftsdarstellung des Kaisers. Dies wurde aufgegriffen von Hadrian unddemSenat, die nach der Consecration des Herrschers Divus Traianus Parthicus als offiziellen Titel für Traian beschlossen. Die militärischen Aspekte der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung, die sich auch in seiner Titulatur verdichtete unddie sich als Überbau derUrne in Form derSäu256 Siehe hierzu generell COARELLI 1997. 257 VONHESBEG 1988, 248 weist darauf hin, dass die bauliche Gestalt des Mausoleums mit der Zeit umviele Elemente ergänzt wurde, diees immer deutlicher optisch undkonzeptuell anein triumphales Monument deriulisch-claudischen Dynastie heranrücken ließen. So wurden etwa Beutestücke aufdenBrüstungen platziert undimPark wurden Ehrenstatuen aufgestellt. 258 DAVIES 2000, 67. 259 VONHESBERG 1988, 248 weist darauf hin, dass Achilles dem Patroklos ein eben solches Heroon habe errichten lassen, dessen Durchmesser von 100 Fuß dasAugustusmausoleum in seinen Maßen entsprochen habe. Vergil förderte diese Assoziationen mit einem Heroengrab, indem er denLatinerkönig Dercennus unter einem solchen Hügel begraben sein ließ, welcher wie derTumulus Iuliorum mit Steineichen bewachsen war. 260 Cic.de leg.2.23.58; Plut.quaest.Rom.79; Plut.Publ.23.1–3.
261 Siehe hierzu KNEISSL 1969.
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le monumental manifestierte, schienen Traians Beisetzung nach Art der republikanischen Triumphatoren mehr als hinreichend zurechtfertigen.262 Die bisherigen Kaiserforen Roms hatten ihre Platzanlage jeweils durch einen Tempel an der Stirnseite beendet, der auf dem Traiansforums dort nicht vorhanden war.263 Stattdessen befanden sich in entsprechender Lage die querliegende Basilica Ulpia undhinter ihr die Traianssäule. Dieser Bruch mit derbaulichen und konzeptuellen Gleichartigkeit sämtlicher Vorgängerkomplexe ist das stärkste Argument für eine traianische Planung derGrablege. Der Tempel eines Divus wurde auf demTraiansforum durch dasHeroengrab des Kaisers ersetzt. Der Säulenfries dokumentierte die kriegerischen Erfolge Traians undverdeutlichte deren Zusammenhang mit seinen städtebaulichen Errungenschaften. Indem der Herrscher mit demTraiansforum seine militärischen undzivilen Taten zur Schau stellte, erhob er bereits zuLebzeiten Anspruch auf seine Vergöttlichung. Dort sollte seiner gedacht werden, dort sollte seine Verehrung stattfinden. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Traiansforum einen Teil seines Sinngehalts neben anderen Vorbildern auch aus dembaulichen Zitat der zeitgenössischen Feldlagerarchitektur ableitete.264 Der Ort der Bibliotheken war mit dem Platz von Legionsarchiven in denCastra vergleichbar. Die Lage der Basilica Ulpia imForumskomplex korrespondierte mit dereiner Lagerbasilica in denPrincipia. Der Standort derColumna Traiana imGrundriss derForumsanlage entsprach dabei derLage desFahnenheiligtums imGrundriss eines Legionslagers. Dort hattendie Signa ihren Platz unddort warderOrtdesKaiserkultes. Dieses Fahnenheiligtum des Legionslagers wurde imForumsgrundriss vonjenem Ortgespiegelt, an demderKaiser begraben warundwoer verehrt werden konnte: seiner Säule. Diese architektonische Assoziation wurde durch das konkrete Aussehen des Monumentes verstärkt, das Ähnlichkeit mit einem Feldzeichen besaß. Der Säulentorus 262
2000, 32f. weist auf eine posthume Ehre hin, die der ermordete Iulius Caesar erfuhr. Laut Sueton Div.Iul. 85 warCaesar eine Marmorsäule aufdemForum aufgestellt worden, die demParens Patriae gewidmet war. DAVIES vermutet eine Reminiszenz andiese FormderEhrung Caesars, als Traian sein späteres Säulengrab geplant habe. Das wesentliche Problem hierbei ist jedoch, dass diese Säule Caesars eben gerade keine Grablege, sondern eine reine Ehrensäule war. Interessant istjedoch derFortgang derQuelle: Sueton bezeugt nämlich, dass noch lange Zeit bei dieser Säule geopfert worden sei. Hier seien Gelübde abgelegt undStreitfälle durch Schwüre beim Namen Caesars geschlichtet worden. Dies ist ein Beispiel für die Einbindung vonMonumenten in Alltagsrituale. Neben derprimären Funktion derEhrung und Erinnerung etablierten sich mit derZeit sekundäre Funktionen, die keinen spezifischen Bezug mehr auf denursprünglich Geehrten hatten. Doch dasAndenken an Caesar wurde durch die DAVIES
regelmäßige Nutzung immer wieder aktualisiert.
263 Zudiesem Zeitpunkt lassen die aktuellen Grabungsergebnisse keinen Tempel anentsprechender Stelle als Abschluss der Gesamtanlage weder nach Nord-Westen, noch nach Süd-Osten hinvermuten; siehe zudieser Frage denAbschnitt 3 „Bauliche Bestandsaufnahme –singularis sub omni caelo structura“ . Mages einen Tempel –in welcher Form auch immer undanwelcher Stelle auch immer –auf demAreal gegeben haben, so muss doch festgehalten werden, dass der Forumskomplex mit seinen entsprechenden Vorgängern in gerade dieser Hinsicht bricht. Es gab im Vergleich zu denanderen Foren anentsprechender Stelle keinen Tempel. 264 Siehe hierzu denAbschnitt 5.1 „ Die Feldlagerarchitektur“.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
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war ein Lorbeerkranz, und Adlerstatuen bildeten den plastischen Schmuck der Basis.265 Die Säulenbasis selbst suggerierte, ein Haufen erbeuteter dakischer Waffen zusein.266 Sie warmit Victorien geschmückt. Doch zugleich wurde einem Betrachter augenfällig, dass die Säulenbasis einem Grabaltar ähnelte. Auch diese besaßen häufig Doppeltüren mit Inschriftentafeln darüber.267 Zudem warder Typus derColumna eine gängige Form von Kenotaph undGrabmal.268 Die Gestalt der Columna Traiana verband also auf einer ihrer Betrachtungsebenen zwei Typen von Grabmonumenten, die in einem Begräbniskontext klar als solche zu identifizieren waren, Säule undAltar. Doch ein solcher Kontext, der die Säule in diesem Sinn eindeutig hätte dechiffrieren können, bot sich demBetrachter nicht. Er konnte sich vollständig wohl erst nach der Bestattung Traians erschließen: Die Adler undVictorien der Säulenbasis waren eben nicht allein nurals Hinweise auf die militärische Sieghaftigkeit des Herrschers zu verstehen. Sie deuteten zugleich auch auf seine Apotheose undÜberwindung des Todes hin.
Doch auch zu Lebzeiten des Princeps hatte der aufmerksame Beobachter an verschiedenen Stellen des Forums bauliche Hinweise auf dessen Anspruch auf Konsekration finden können. So bildete etwa ein Fries in der Basilica Ulpia Victorien ab, die Stiere töten undKandelaber schmücken. Diese Ikonographie barg eine doppeldeutige Aussage in sich.269 Zum einen wurde generell auf das Konzept der kaiserlichen Sieghaftigkeit hingewiesen. Doch zugleich verwies dieser Fries auf den Sieg des Kaisers über denTod. Dies wird von einem zweiten Fries vom Atrium Fori nahegelegt, der Löwengreifen zeigt. Ihnen gegenüber steigen Amoretten aus Akanthusblättern heraus undbieten den Greifen Trank dar. Der Greif war der Begleiter der Nemesis, wenn die rasende Göttin die Feinde Roms bestrafte. Doch hier sind die Greife befriedet. Die Waffentaten desKaisers hatten ihren Erfolg bewiesen. Nemesis ruhte.270 Darüber hinaus waren Greife auch mit Apollo 265 266
ZANKER
1970, 524f.
FERRIS 2000, 62 sieht die Basis als „ perhaps representing an actual temporary victorious . Man mag display of such material here before the dedication andbuilding of the column“
geneigt sein, demzu glauben, wenn mannur die Bauarbeiten am Forum zu übersehen vermag, die sich nach FERRIS wohl geschickt daran vorbei hätten bewegen können. 267 BECCATI 1960, 30f.; HAARLOV 1977; BOSCHUNG 1987; DAVIES 2000, 32. 268 ZANKER 1970, 533 mit Anm. 125 zitiert Serv. ad Aen.8.664: sicut columnae mortuis nobilibussuperponuntur adostendum eorum columen. 269 Siehe zu den folgenden Beispielen ikonographischer Ambiguität DAVIES 2000, 33f. unddie 244. dort genannte Literatur; PACKER 1997b, 217– 270 So erklären sich auch die zahlreichen Darstellungen vonGreifen auf kaiserlichen Panzerstatuen. Ein weiterer Fries stellt Greifen mitKandelabern dar; PACKER 1997b, 279. Hier sind die Wesen rein auf ihre apotropäische Wirkungsabsicht beschränkt, die sie als Grabeswächter
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DAS TRAIANSFORUM
undDionysos verbunden.271 Sie bewachten Götter, Herrscher unddie Gräber der Toten, weshalb sie ein häufig dargestelltes Motiv auf Sarkophagen waren. Der Greif hatte seinen festen Platz in der dionysischen Regeneration. Diese Aussage wurde von den dargestellten Amoretten verstärkt.272 Sie waren häufig mit nach unten gerichteter Fackel dargestellt, umdie Auslöschung des Lebens anzudeuten, undkonnten so alsBegleiter derToten gelten. Es gibt keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass Traian sein Forum als seinen Begräbnisort geplant hätte. Nichts kann beweisen, dass er die Säule statt eines Tempels für seine Verehrung hat bauen lassen.273 Doch waren die architektonische Formsprache unddie einzelnen baulichen Bestandteile undSchmuckelemente des Komplexes durchweg voneiner Polysemie derAussage geprägt. Deren Elemente offenbarten sich in all ihrem Beziehungsreichtum wohl erst im Triumph des toten Kaisers, der sich in seiner Säule innerhalb des Pomeriums beisetzen ließ. Wie auch schon diejeweiligen Einweihungszeremonien des Forums undder Säule an Feste geknüpft gewesen waren, so wurde auch diese posthume Sinnentfaltung des Monumentes miteiner Zeremonie verbunden undimRitual verlängert. Dies wird auch für das Traiansforum deutlich. Amersten Januar des Jahres 112 hatte Traian seinen sechsten Konsulat angetreten. Noch andiesem Tagübergaber dasAreal seines Forums unddieBasilica Ulpia offiziell demPublikum. Es war der Beginn der Feiern seiner Quindecennalia gewesen. Am28.Januar, dem Dies Imperii seiner Thronbesteigung, ließ der Kaiser 15 Festspieltage beginnen. Amersten März beschlossen Senat undRitterstand 30 Rennen imCircus zuEhren des Herrschers.274 Am zwölften Mai des Jahres 113 wurde die Columna Traiana eingeweiht. Es warder Tag, an demvor vielen Jahren Augustus denTempel des Mars Ultor geweiht hatte. Zugleich wurde auch der Tempel der Venus Genetrix einnahmen, wie DAVIES 2000, 34 anmerkt. –Zur Polysemie in der Darstellung von Greifen siehe SIMON 1962. 271 Siehe hierzu DAVIES 2000, 34 und 188 mit Anm. 75 undder dort genannten Literatur. Sie weist darauf hin, dass der Greif sich mit Apollo verband im Gefolge derAusbreitung vonPythagoreismus undOrphismus unddemGlauben an Seelenwanderung. Der Greif wurde weiterhin vornehmlich dem Dionysos Sabazios beigesellt. Dieser Gott der Wiedergeburt versprach wie Apollo seinen Anhängern die Unsterblichkeit. 272 DAVIES 2000, 188 mit Anm. 76 undder dort genannten Literatur weist darauf hin, dass auch Putten zu denBegleitern von sowohl Apollo als auch Dionysos gehören. Der dionysische Aspekt des Frieses wird laut SIMON 1962, 770 durch die Darstellung von Silen undMänade auf demVolutenkrater verstärkt, deraufdemFries abgebildet ist. 273 CLARIDGE 1993 vermutet sogar, das Monument sei von Traian mit einem glatten Schaft gebaut worden. ZuLebzeiten Traians sei einzig die Basis skulpiert gewesen. DerRelieffries sei erst vonHadrian ergänzt worden, als dieser die Säule zumGrab seines Vorgängers habe umgestalten lassen. Doch dann wäre wohl eine stärkere Präsenz Hadrians in den Szenen des Frieses zu erwarten. Diese Hypothese bietet zudem auch keine Erklärung dafür, warum die Darstellung der Taten des Divus Traianus Parthicus auf die Dakerkriege beschränkt blieb. – FERRIS 2000, 193 zeigt sich besonders inkonsequent: „ While Claridge’s paper quite rightly views thecolumn as a Hadrianic funerary monument, it will nevertheless be discussed here as a Traianic symbol.“Bedauerlicherweise bleibt FERRIS jede Rechtfertigung dieser Ansicht schuldig.
274
SMALLWOOD
1966, Nr. 22, Z.34; Nr. 23, Z.35ff.; BENNETT 1997, 183.
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auf dembenachbarten Caesarforum nach seiner Renovierung wieder der Öffentlichkeit übergeben.275 Die Übergabe eines Monumentes war immer mit einer Zeremonie verbunden, die vielfältige Sinnbezüge herzustellen vermochte. Es konnte auf Parallelen mitderVergangenheit, deren Männern undgroßen Taten hingewiesen werden, und es konnten diese Sinnbezüge in den Ideologemen der eigenen Zeit verankert werden. Synchrone unddiachrone Bezüge ergänzten einander. Dabei musste derBetrachter demMonument niemals unvorbereitet gegenüber treten. ImRitual wurde die Ausdeutung dermonumentalen Aussage vorgenommen. Cassius Dio bringt die Beisetzung der Überreste Traians in der Säulenbasis in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Beginn von Parthischen Spielen, die man danach noch lange Zeit gefeiert habe.276 Vielleicht wurden diese Spiele gemeinsam mitderBestattung desKaisers initiiert. Dies ist wahrscheinlich, dadieZeremonie der Grablege als Triumphzug ausgeführt wurde. Aus den Spielen anlässlich der siegreichen Beendigung des Feldzuges wurden zugleich Leichenspiele für den Feldherren des Krieges. Seine Grabkammer befand sich auf seinem Forum innerhalb dergeheiligten Stadtgrenze wie ein Heroon auf derAgora. Der Zusammenhang von Spielen undBestattung ist ein Hinweis auf eine Ritualisierung rund umdenTod des Princeps undsein Monument. Bei der Betrachtung der Traianssäule muss der Interpret von heute sich nicht nur verdeutlichen, dass dieses Monument zur Zeit seiner Erbauung in einem bestimmten architektonischen Rahmen zu sehen war, der nunnicht mehr erhalten ist. Er muss sich genauso klar machen, dass dasMonument einst zugänglich war. Das Denkmal von heute wurde einst genutzt und begangen. Wenn der Besucher der Traianssäule durch die geöffneten Türen ihrer Basis eintrat, sah er sich in einem kleinen Vorraum. Von dort aus führte ein kleiner Gang nach links hin zujener Kammer, in der die Urne Traians aufbewahrt wurde.277 Wenn der Eintretende sich aber nach rechts wandte, konnte er die 185 Stufen derWendeltreppe aufsteigen. Das Dunkel der Treppe wurde nur von den wenigen Scharten im Stein erleuchtet. Trat der Besucher endlich wieder ins Freie, stand er auf einer kleinen Plattform unterhalb derKaiserstatue und30 Meter über demPlatzareal. Doch wenn derBetrachter aus der Tür heraustrat, so fiel sein erster Blick nach Osten. Er sah auf die Traiansmärkte.
Ein Graffito aus Ostia zeigt ein Bild der Traianssäule.278 Diese Ritzzeichnung betont einige charakteristische visuelle Elemente der Columna, die wertvolle Rück275
276
SPANNAGEL 1999, 56 mit Anm. 270. Der Tempel der Venus Genetrix war zuerst am 26.September 46 v.Chr. geweiht worden. Cassius Dio 69.2.3. Wievieles andere auch seien diese Spiele später wieder aufgegeben wor-
den.
277 Diese Kammer warwohl imJahre 117 nach derBeisetzung derUrne verschlossen worden. 278 Siehe hierzu LANGNER 2001, Nr. 2285. Ostia III 9,22 aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts; Insula delle Muse, Arkadenhof II, Südostwand links vomEingang; mittlerweile abgenommen oder zerstört; Höhe 33 cm, Breite 7 cm. Inschrift auf demSockel nach LANG/ H() / Hieron pi/nxit; EV; NTEILLA (?). Zudiesem Graffito gehört auch ein NER: Bild desPharos vonAlexandria.
pute...
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schlüsse auf ihre Wahrnehmung durch Publikum und ihre Nutzung erlauben. So sind mehrere Stufen abgebildet, die vom Bodenniveau bis zur Tür führen. Der Sockel selbst ist überproportional groß wiedergegeben, was sich allerdings auch
mit der darauf eingeritzten Inschrift erklären lässt. Der Säulenschaft ist ohne den Spiralfries wiedergegeben; ihn zu zeigen, schien dem Zeichner weniger wichtig zu sein, als drei der rechteckigen Lichtschächte abzubilden, durch die das Treppenhaus erhellt wurde. Und schließlich ist der Abschluss der Traianssäule nicht etwa die kaiserliche Statue, sondern –wie es denAnschein hat–eine mit einer Balustrade versehene Plattform. Wir haben in diesem Graffito also ein Zeugnis vor uns, welches die Säule nicht in erster Linie mit jenen visuellen Charakteristika abbildete, die unsbei ihrer Betrachtung als ein Staatsdenkmal vorrangig in den Sinn kommen. Hier wurde ein
begehbares Monument gezeichnet. Römische Monumente waren auch bauliche Vollzugsrahmen für Rituale.279 In ihnen bewegte sich Publikum, das dort selbständig agierte oder Zeuge vonHandlungen war. Die Bauten können nicht angemessen beurteilt werden, wenn man ihre Nutzung nicht ausreichend berücksichtigt. Doch das Monument war nicht einfach einem Publikumsverkehr ausgesetzt. Es steuerte ihnvielmehr selbst. Dies konnte durch obrigkeitlich gelenkte Nutzungsmöglichkeiten der Monumente geschehen oder auch durch ihre spezifische Architekturform. Die Wendeltreppe im Säulenschaft der Columna Traiana ist hierfür ein Beispiel. Ein derartiges Inneres stellte eine architektonische Neuerung dar, undder Interpret muss sich die Frage stellen, welche Funktion diese spezifische Nutzbarkeit des Monumentes besaß. Zunächst bot die Plattform einen Überblick über die umliegenden Örtlichkeiten mit ihren Monumenten. Es ist kein Zufall, dass dererste Blick desaufgestiegenen Betrachters auf jene zivilen Errungenschaften Traians fiel, die dieser mitten im Stadtzentrum hatte erbauen lassen.280 Die Traiansmärkte waren gemeinsam mit demForum undder Basilica eingeweiht worden. Nurgemeinsam machten diese Bauten die städtebauliche Verbesserung der römischen Innenstadt aus. Sie müssen als ein gemeinsamer Komplex betrachtet werden. So hatten die Märkte neben ihrem infrastrukturellen Wert und dem symbolischen Wert als großartiger Demonstration kaiserlicher Liberalitas auch eine rein praktische Funktion. Sie stützten denHang desQuirinals, derabgetragen worden war, um dem eigentlichen Forumsbereich Platz zu schaffen. Der Betrachter auf der Säule befand sich auf gleicher Höhe mit dem obersten Stockwerk dieser Märkte. Hier nunkonnte er sehen, was die Inschrift ihmversprochen hatte, unter der er eben hindurch gegangen war, um die Treppe zu ersteigen. Er
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9: „ The architecture of the Romans was, from first to last, an art of shaping space around ritual.“ DAVIES 2000, 167– 169 weist darauf hin, dass derBlick beim Heraustreten ausdemTreppenhaus derColumna desMarc Aurel aufdieMonumente desvergöttlichten Antoninus Pius auf demMarsfeld fiel. BROWN 1961,
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blickte direkt aufjene Bauwerke, zu deren Bau der Berg hatte weggeschafft werdenmüssen. Darauf wies die Höhe derSäule hin.281 Dem Betrachter wurde vom Monument durch seine Form und Nutzbarkeit noch mehr abverlangt. Die Säule erzwang vonjenen, die sie bestiegen, eine fortgesetzte Bewegung gegen den Uhrzeigersinn, bis sie die Plattform erreichten.282 Die kreisförmige Bewegung nimmt eine wichtige Rolle im römischen Ritual ein. Die zirkuläre Bewegung verlieh ihrem Mittelpunkt besondere Relevanz.283 Hier konzentrierte sich die Energie des Rituals. Doch zugleich warderKreis hier auch eine Grenze mit magischer Kraft, die sein Zentrum nach außen hin schützte oder es im Inneren band.284 Zeremonien bei Städtegründungen beinhalteten das Ziehen der ersten Furche (primus sulcus)285, welche die geheiligte Stadtgrenze definierte.286 Dieses Ritual wurde in den jährlichen Festen des Amburbium287 und der Ambarvalia288 nachvollzogen. Auch der Triumph war ein Umgehungsritual. Die Bewegung derProzession imKreis sühnte undreinigte denBereich, derumlaufen wurde.289 In diesem Sinne muss auch die Kreisbewegung der Trauernden bei kai-
Addeclarandum quantae altitudinis mons et locus tantis operibus sit 281 CILVI, 960; ILS 294: „ 133 betont, dass derBetrachter vonderPlattform auseinen be. –DAVIES 2000, 130– egestus“
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sonders guten Überblick über die Märkte und den gewaltigen Forumskomplex gewinnen konnte, um die Leistung nachprüfen zu können, deren Vollendung Traian für sich in Anspruch nahm. Dies stimmt natürlich. Doch dies kann nicht derprimäre Zweck derBegehbarkeit des Monumentes gewesen sein. Denn einen Überblick konnte der Betrachter sich auch verschaffen, wenn er in derMitte des Atrium Fori stand undumsich schaute. Durch die Abgeschlossenheit der Anlage und ihre Wahrnehmung als einheitlicher Komplex wäre dieser Eindruck sogar noch stärker gewesen. 135, besonders 125f. Zurfolgenden Darstellung undihren Beispielen siehe DAVIES 2000, 120– Die Ergebnisse deranregenden Studie vonDAVIES sollen hier kurz referiert werden, umdie Besonderheit der zirkulären Bewegung deutlich zu machen. Für eine ausführliche Abhandlung sei aufdiebemerkenswerten Ergebnisse adloc. verwiesen. 327; Petron.sat.57; 62; Hom.Od.11.26ff. Plin.nat.hist.30.131; 28.23; Claud.cos.Hon.sextu 324– –Zurömischen Umgangsriten siehe BAUDY 1998.
284 Artem.2.24; Petron.sat.57. 285 Varro ling.5.143 286 Daher erschlug Romulus auch seinen Bruder Remus, als dieser miteinem Satz über die Stadtmauer sprang. Plut.Vit.Rom.10. Weitere Beispiele dieser Art sind Apollodor 1.18 und Plut.quaest.graec.37.
287 SHA M.Ant.20.3. 288 Macrob.sat.3.5.7; Polyb.4.21.8; Cato agr.141. 289 Hieran erinnert, dass Opfer den Altar umlaufen mussten, auf dem sie geschlachtet werden sollten. Siehe z.B. Serv. adAen.4.62; Porph.abst.2.54; Val.Flac.8.245f.; Schol.Aristoph. Pax 957. Laut Hom.Il.22.165; 24.16, 417 hetzte Achilles seinen Gegner Hektor dreimal umdie Mauern 89 kriecht eine Troias undschleifte ihn dreimal um den Scheiterhaufen. In Verg.Aen.5.84– Schlange siebenmal umdenTumulus desAnchises unddie Altäre, kostet vondendargebotenen Speisen undverschwindet wieder, ohne geschadet zuhaben, wasvonAeneas freudig als günstiges Prodigium erkannt wird.
Auch auf derTraianssäule sind solche Reinigungsrituale abgebildet. In CICHORIUS 8, 53 und 103 etwa wirdjeweils ein Zugder Suovetaurilia entgegen demUhrzeigersinn umdas römische Lager herum geführt. DasOpfer selbst fand imLager statt. Doch musste diesem Aktein Zugumseine Einfassung voraus gehen. Siehe hierzu LEPPER/FRERE 1988, 157f. Laut Cassius
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DAS TRAIANSFORUM
serlichen Begräbnissen verstanden werden.290 Die drei Hauptquellen für die Beisetzung eines Herrschers stimmen in ihrer Beschreibung derjeweiligen ZeremoDie Magistrate aber undder Ritterstand, ihrem Rang entsprechend nie überein.291 „ gekleidet, und gleichermaßen auch Reiterei und Fußvolk umzogen rings den Scheiterhaufen, wobei sie schwierige Bewegungen friedlicher und kriegerischer Art ausführten.“Das Funus Publicum wurde so beschrieben, dass eine große Pompa abgehalten werde, bei welcher nach dem Senat der gesamte Populus den Scheiterhaufen umschreiten und ihn sühnen solle.292 Doch auch für die Zeit nach einem Begräbnis ist die zirkuläre Bewegung um das Grab heru m nachgewiesen. Auch Jahre nach dem Begräbnis des Drusus berichtet Sueton von einem immer nochjährlich stattfindenden Zugumjenen honorarius tumulus, welchen dasHeer ihmerrichtet hatte.293 Das Begräbnis wurde regelmäßig rituell nachvollzogen. Ein solcher Zug ist auch auf der Säulenbasis des Antoninus Pius dargestellt. Während deren nach Süden gewandte Seite die Apotheose desKaisers undseiner Gemahlin zeigt, bilden die östliche undwestliche Seite eine Decursio ab.294 Die Reiter ziehen hier entgegen demUhrzeigersinn umein Zentrum. Dass diese Richtung der Bewegung nicht willkürlich dargestellt ist, sondern durch Tradition motiviert ist, zeigt ein Zeugnis des Statius ”lustrantque ex more sinistro orbe rogum”.295 Diese Bewegung war auch dem Besucher verschiedener kaiserlicher Grabmonumente auferlegt. Der Innenausbau der Mausolea des Augustus undHadrian zwang den Eintretenden, sich auf konzentrisch angelegten Korridoren innerhalb des Monumentes zu bewegen.296 So wurde das Mausoleum des Hadrian von Südenherbetreten. Ein Gang führte zumBeginn dieses ringförmig angelegten Korridors, der 360° gegen den Uhrzeigersinn anstieg undüber demEingangsbereich Dio 46.38 nahmen es die Truppen von Brutus undCassius bei Philippi denen des Antonius und Octavian übel, dass die gesamte Opferhandlung innerhalb der Befestigung ausgeführt wurde.
290 Die Kreisbewegung ist jedoch nicht allein für das kaiserliche Begräbnis nachgewiesen, sondern auch für dasprivate. Siehe etwa Plut.quaest.rom.14, der sich hier auf Varro bezieht; vergleiche Plut.Num.14 und Cam.5. Die epischen Nachweise bei Stat.Theb.6.213– 216; 350 suchen womöglich die Affinität zumkaiserlichen Begräbnisritual. Val.Flac.3.347– 291 Cassius Dio 75.4f., hier 5.5 (Pertinax) in leicht modifizierter Übersetzung von Otto Veh; 46 (Augustus); Herodian 4.2 (Septimius Severus). vergleiche a.a.O. 56.34– 292 Declam.pseudo-Quintil.329. 293 Suet.Claud.1.3. Siehe auch Verg.Aen.5.545– 588 mit der Beschreibung der jährlich stattfindenden Totenfeiern zuEhren des Anchises, die auch diffizile Reitermanöver beinhalteten. In Aen.5.94 erneuert Aeneas nach einem günstigen Prodigium sein Gelöbnis, für denVerstorbenendemnächst wieder solche Feiern abzuhalten. 294 DAVIES 2000, 43. 295 Stat.Theb.6.215f. 296 DAVIES 2000, 219, Anm. 34 weist darauf hin, dass diese Begräbnisstätten gewöhnlich wohl geschlossen waren. Laut Sueton Vesp.23 habe Vespasian geträumt, die Türen des Augustusmausoleums hätten sich geöffnet. Dieses Prodigium wurde vomKaiser als Todesankündigung empfunden, wenn auch nicht des eigenen. DAVIES a.a.O. vermutet, dass die Monumente wohl nur bei erneuten Beisetzungen geöffnet wurden sowie bei Zeremonien zu Ehren der Toten, die dort bereits ruhten. DerZutritt zudenMausoleen sei wahrscheinlich nurMitgliedern der kaiserlichen Familie undPriestern gestattet gewesen.
6. DIE TRANSFORMATION DER VISIOTYPEN
403
Von dort aus führte der Wegüber einen weiteren kreisförmig angelegten Gang undzusätzlich eine spiralförmig ansteigende Treppe hinzurGrabkammer.297
endete.
Die von der Architektur dem Besucher aufgezwungene Dynamik innerhalb des Monumentes ließ ihnjene Art vonBewegung wiederholen, die fester Bestandteil der Bestattungsfeiern gewesen war.298 Dem Toten wurde auf rituellem Wege erneut die Ehre erwiesen.299 Wie Achilles umdas Grabmal des Patroklos gelaufen war, so konnte das stadtrömische Publikum dem suggestiven Duktus des ansteigend umlaufenden Spiralfrieses auf der Außenseite undder Treppe im Inneren der Säule nachgeben. Der Besucher der Traianssäule erklomm diese Wendeltreppe über der Urne des toten Kaisers, des neuen Staatsgottes. Er vollzog das Begräbnisritual nach. Der Aufstieg ließ das Publikum sinnlich an der Apotheose des in den Himmel aufgestiegenen Divus teilhaben. Es muss eine unbeantwortete Frage bleiben, wem eine solche Nutzung der Säule gestattet war.300 Die Enge desTreppenaufgangs und die kleine Fläche derAussichtsplattform lassen vermuten, dass derAufstieg geregelt warundkeinesfalls größeren Gruppen auf einmal freistand.
297 Siehe dieBeschreibung unddenGrundriss bei DAVIES 2000, 37f., 124, Abb.26, 67. 298 WINDFELD-HANSEN 1962, 58. 299 DAVIES 2000, 125f. weist zu Recht darauf hin, dass ein solches Umschreiten des Toten auch magische Bedeutung hatte, indem es ihn in der Grabkammer band undihn gleichzeitig vor äußeren Einwirkungen schützte. Dazu magein kathartischer Nutzen für denEintretenden gekommen sein, der sich bei seinem Gang durch die Begräbnisstätte auf derGrenze zwischen derWelt derLebenden undderToten befand. Alle diese Aspekte werden vondenoben angeführten Quellenbeispielen gestützt, die auf die bindende undschützende Funktion eines solchen Rituals für dasZentrum hinweisen undauf die kathartische Wirkung für seine Aktanten. 300 DAVIES 2000, 129f. weist darauf hin, dass die Zeugnisse für einen Publikumsverkehr rar sind undzumeist in die Spätantike datieren. So wurde derName Constantius in das Treppenhaus geritzt. Die Annahme ist reizvoll, es handele sich bei diesem umKaiser Constantius II., derin der eingangs zitierten Episode bei Ammianus Marcellinus 16.10.15f. eine solch prominente Rolle spielt. Dieser Autor bezieht sich auch auf die Aussichtsplattformen derColumna Traiana undderMarcussäule, wenn er vonelati vertices quiscansili suggestu consurgunt, priorum principum imitamenta portantes spricht (16.10.14). Siehe hierzu LEPPER/FRERE 1988, 13. So wurden etwa auch mittelalterliche Pilger in ihren Reisehandbüchern über die Anzahl der Stufen undder Fenster in der Säule unterrichtet. Siehe hierzu DAVIES 2000, 221, Anm. 56; Eutrop.8.5.3 nennt dieexakte Höhe derSäule. BECKMANN 2002, 352f. zeigt, dass die Wendeltreppe im Inneren der Traianssäule, wie auch im Schaft der Säule des Marc Aurel, die Wahrnehmung dieser Monumente durch ein Publikumwesentlich bestimmte. Neben denbereits erwähnten Beispielen verweist er aufeine Analogie in derWahrnehmung derSäulen desTheodosius undArcadius in Konstantinopel. Beide besaßen wie ihre stadtrömischen Vorbilder einen umlaufenden Spiralfries undeine Wendeltreppe imInneren. Die Notitia urbis Constantinopolitanae ausderWende vomvierten zum . fünften Jahrhundert beschreibt diese Säulen als columnam intrinsecus usque ad summitatem gradibus perviam undals columnam intra se gradibus perviam. Auch die Elagabal-Vita in der Historia Augusta (24.7) reflektiert die Art der Wahrnehmung der Traianssäule unddie Möglichkeit, in ihrem Treppenhaus zueiner Aussichtsplattform aufzusteigen: Constituerat et columnam unam dare ingentem, ad quam ascenderetur intrinsecus, ita ut in summo Heliogabalum deumcollocaret.
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Selbst wenn der Zugang nurwenigen oder ausgesuchten Besuchern möglich gewesen sein mag, so wurde der rituelle Kreisgang um den Toten in seiner Grabkammer in mehrfacher Hinsicht vollzogen.301 Denn auch die auf dem Reliefband dargestellten römischen Soldaten drängen im Gegenuhrzeigersinn den Fries nach oben. Diese Dynamik wird gerade in den verschiedenen Schlachtenszenen deutlich.302 Die Römer pressen nach vorne, während die Daker imUhrzeigersinn eine vergebliche Abwehr unternehmen. Das römische Heer vollzieht eine ewige Decursio umseinen toten Feldherrn herum. Auch derBetrachter derunteren Säulenreliefs wargezwungen, sich auf demInnenhof zwischen denBibliotheken umdie Säule herum zubewegen, wenn er die fortlaufende Bilderzählung verfolgen wollte. Das Monument erzwang eine spezifische Interaktion mit seinem Betrachter. Derdabei entstandene Sinngehalt darf bei einer Betrachtung desMonuments nicht übergangen werden.
301 DAVIES 2000, 129 vermutet in der Zugangsberechtigung „perhaps...a privilege reserved for thepowerful elite“ . 302 Auch die Szenen mitdemKaiser zeigen diesen mitseinem Blick in Richtung derfortlaufendenErzählung. Dakische Supplikanten sind hingegen nach links ausgerichtet. Der Marsch, Brückenbau unddie Schiffahrt des römischen Heeres verläuft nach rechts.
7. DER TRIUMPHIERENDE HEROS IN DER STADT Traian hatte sich inmitten seiner Stadt beisetzen lassen. Die Assoziationen zu einemHeroengrab, das seine regelmäßige Semantisierung durch dasBetrachterverhalten erfuhr, wurden dadurch befördert. Diese Form der Grablege erinnerte neben denVorbildern aus demgriechischen Osten an das mythische Romulus-Grab auf dem Forum Romanum, dem traditionellen Mittelpunkt der Stadt und ihres Reiches. In derTat warRomulus auch amBogen vonBenevent des Jahres 114 ein Paradigma des Kaisers und seiner spezifischen Herrschaftsauffassung. Auf den unteren Reliefs der Stadtseite ist ein Adventus in der Stadt Romdargestellt. Hier übergibt der Genius Senatus als Ausdruck der Providentia Senatus dem einziehenden Kaiser dasZeichen seiner Macht. In denAttikareliefs der Stadtseite findet diese Szene ihr konzeptuelles Pendant. Auf dem rechten wird Traian von Roma, Romulus selbst, den Penates Publici Populi Romani und dem Genius Populi Romani in einem Adventus begrüßt.1 Im linken Attikarelief der Stadtseite wird Traian von Iuppiter der Blitz überreicht. Dem Kaiser wird also von Senat und Gott gleichermaßen das Regiment übertragen.2 Von den mythischen Verkörperungen Roms aber wird er als neuer Heros in deren Kreis aufgenommen. Traian hatte sich längst vorher schon als einen neuen Stadtgründer darstellen lassen. Er hatte nach denDakerkriegen das Pomerium erweitert, auf diesen Akt in der Reichsprägung des fünften Consulats hingewiesen undihn später in der Restitutionsprägung aufgegriffen. Die Erweiterung des Pomeriums, der geheiligten Stadtgrenze, konnte aber nur durch denjenigen erfolgen, der auch die Grenzen des Reiches in ungeheurer Weise erweitert gehabt habe. Genau diese Voraussetzungen hatte Traian mit seiner militärischen Eroberung undkulturellen Eingliederung Dakiens in das Reich herausragend erfüllt.3 Hierin lag auch seine Verbindung mit einem zweiten heroischen Vorbild neben Romulus.4 Traian hatte in allen Phasen seiner Regierung enge Affinität zu
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782. Mit diesem Adventus in der Stadt Rom auf der Stadtseite des 1972, 773– Bogens korrespondiert die Darstellung des Kaisers als Gründer der neuen Provinz, die auf demAttikarelief derLandseite dargestellt ist. Diese zweifache Herleitung der Herrschaft Traians hatte auch schon der Panegyricus ausgeführt. Ihre Stränge laufen in den Koordinaten zur semantischen Bestimmung des OptimusBeinamens zusammen. Die Zu all dem siehe ausführlich im Kapitel zu den Restitutionsmünzen den Abschnitt 4.3 „ FITTSCHEN
Erweiterung desPomerium“ . Ergo Eutrop.8.8 reflektiert diese bemühten Vergleiche des Optimus Princeps mit Romulus: „ Hadriano successit T. Antoninus Fulvius Boionius, idem etiam Pius nominatus, genere claro, sednonadmodum vetere, vir insignis et quimerito Numae Pompilio conferatur, ita ut Romulo Traianus aequetur.“
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Hercules bewiesen. Kaiser und Heros hatten mit ihren Taten zum Nutzen der Menschheit ihre Erhebung unter die Götter gerechtfertigt,5 wofür sie vom Scheiterhaufen aus direkt in den Himmel steigen sollten. Beide hatten diese Taten an denRändern derZivilisation vollbracht unddiese Räume kultiviert. Plinius reflektierte bereits imJahre 100 Traians heroische Facetten undbrachte sie mitHercules in Verbindung. Zunächst wurden Hercules undTraian in ihrem jeweiligen Verhältnis zu Eurystheus undDomitian verglichen. Der Pessimus Princeps habe angesichts derUnverdrossenheit seines Feldherrn eine eben solche Scheu vordessen überragender Leistung empfunden, wie der König vor dem Halbgott, der nach seinen Arbeiten stets unbezwungen zurückgekehrt sei.6 Der Glanz ihrer eigenhändig vollbrachten Taten, seien sie auf See oder in den Bergen ausgeführt, überstrahlten längst schon den Glanz ihrer göttlichen Abkunft.7 Hercules war von einemGott gezeugt worden, Traian warvoneinem Gott erwählt worden.8 Zu eben dieser Zeit hielt Dio Chrysostomos seine ersten Reden über die Königsherrschaft. Hier wurde Hercules explizit zumVorbild Traians.9 In ungeheurer Fülle waren schon seit demJahre 100 in Romundim griechischen Osten Münzen geprägt worden waren, die eine Kultstatue des Heros zeigten.10 Als Traian die Legio II Traiana im Jahre 102/104 aufstellte, erhielt sie denn auch Hercules als Standartenemblem.11 Bei dieser Darstellung des Halbgottes handelte es sich wahrscheinlich um den Hercules Gaditanus.12 Der wichtigste Kultplatz des Hercules war die Ara Maxima amForum Boarium. Hier habe Hercules gerastet, als er aus der Nähe von Gades kam, wo er die Rinder des Geryoneus geraubt hatte. Seinerseits habe ihm dort das Ungeheuer Cacus die Herde gestohlen, worauf Hercules diesen erschlug und die Menschen der Umgebung aus dessen Schreckensherrschaft befreite. Auch Traian stammte aus dieser Gegend Spaniens undvermochte so, die Figur des Hercules Invictus als Hercules Gaditanus mit neuem Sinn zu versehen: Hercules und Traian wurden hier gleichgesetzt als jeweilige Befreier Roms aus der Despotie des Unterdrückers. Dem Kaiser wurde zugeschrieben, Rom aus der Knechtschaft Domitians in die Freiheit geführt zuhaben, so wie Hercules derBevölkerung der Ur-Siedlung Roms geholfen hatte.13
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Zu Hercules siehe Cic.pro Sest.143; Ov.met.9.256ff.; Sen.Herc.fur.1942f.
Plin.paneg.14.5. Plin.paneg.82.6f. Siehe etwa Plin.paneg.1.5; 8.3; 23.4 undpassim. BENNETT 1997, besonders 68f. 10 BMCNr. 56; STRACK 1931, Nr. 32, Taf.1; Nr. 59, Taf.1; Nr. 428, Taf.8. –Die Abbildung eines dieser Stücke findet sich im Kapitel zum Panegyricus im Abschnitt 3.3.2 „ Von Spanien nach Germanien –DasHercules-Paradigma“ . 11 BENNETT 1997, 72. 12 ZumFolgenden siehe STRACK 1931, 95– 104. 13 Siehe hierzu ausführlich imKapitel zumPanegyricus denAbschnitt 3.4.2 „ VonSpanien nach Germanien: DasHercules-Paradigma“ .
7. DER TRIUMPHIERENDE HEROS IN DER STADT
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Doch nicht nuramAnfang der traianischen Regierungszeit waren der Kaiser und Hercules unter anderem in Literatur und Münzdarstellungen miteinander verglichen worden. Nach dem zweiten Dakischen Triumph im Jahre 106 hatte Traian einen Agon zuEhren desHercules gestiftet, die Ludi Herculei, unddarüber hinaus war ab demfünften Consulats das Ideologem der kaiserlichen Affinität zum Halbgott durch neuartige Münzbilder noch intensiver betont worden.14 Neben solchen Stücken, auf denen der Gott selbst opferte, wurde auch eine Darstellung der Attribute des Hercules emittiert.15 Sie zeigte eine rechteckige Basis, über der das Löwenfell herabhing. Hierauf stand die Keule und ragte als Säule empor. Diese Münze wurde zeitgleich mit denersten Bildern der Traianssäule geprägt, so dass die Art der Abbildung der Keule in Form einer Säule durchaus an die gerade entstehende Columna Traiana erinnern ließ. In deren Reliefs wurden eben jene Taten des Kaisers dargestellt, die an die Werke des Hercules erinnern sollten. Die Leistung des Hercules zum Wohl der Menschen wurde visuell und konzeptuell mit den Feldzügen des Optimus Princeps in Dakien korreliert. Die Motivation für diesen Agon, die Münzdarstellung des Heros unddie seiner Attribute in Form einer Säule lag injenen Taten begründet, die Traian, wie Hercules, erfolgreich an denRändern der Zivilisation vollbracht hatte, umdiese in die Kultur zu führen undprosperieren zu lassen.16 In vielfacher Hinsicht war Hercules also ein handlungswei14
136, Nr. 95, STRACK 1931, 133– Triumph
zu Ehren des Iuppiter
135, Taf.2. –Auch Domitian hatte nach seinem dakischen die Capitolinischen Spiele gestiftet; siehe hierzu
Capitolinus
Suet.Dom.4.4.
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16
Opfernder Hercules: Auf diesen Stücken hielt der Heros Fell undKeule im Armundopferte mit einem Skyphos über einem Altar mit einer Flamme darauf. Laut der Tradition (Serv.ad Aen.8.278) hatte Hercules dieses Gefäß bei seinem Aufenthalt zurückgelassen, wonach es im Kult anderAraMaxima eine bedeutende Rolle zuspielen begann. Attribute des Hercules: Diese Münzen wurden im COS V als Asses emittiert; RICNr. 581, Tafel 11.202; BMCNr. 944ff., Tafel 7.1; Strack 1931, 135f., Nr. 389, Taf.6; Cohen 565 f. STRACK 1931, 135f. vermutet in dieser Darstellung eine visuelle Chiffre der Ludi Herculei. Er sah sich am ehesten an eine Meta erinnert, die auf einem Spina-Abschluss ruht. STRACK spricht sich für eine Abbildung desgeschmückten Circus Maximus aus, in dessen Kampfbahn die Spiele zuEhren des Hercules stattgefunden hätten. Er betont die Plausibilität seiner Deutung, ohne jedoch auf ihr zu beharren. Injedem Falle vermögen diese Münzen die Relevanz desHercules indieser Zeit zubezeugen. Diesem Duktus der Interpretation möchte ich mich anschließen. Die parallele Emission der Darstellungen mitderSäule, derKeule –undderEule; siehe denAbschnitt 6.5.1 „ VonSäulen undEulen“–weist auf deren mögliche konzeptuelle Verbindung hin. AmBeispiel korrespondierender Aussagen in der Reichsprägung undin denRestitutionsmünzen wurde deutlich, wie sehr verschiedenartige Ausdrucksmöglichkeiten innerhalb der Münzprägung ineinander zugreifen vermochten. Die Res Gestae des Herrschers auf seiner Säule standen in enger Verbindung zudenTaten des Hercules. Die gleichzeitige Prominenz des Heros als herrscherliches Paradigma undder Columna Traiana auf Münzen, ist so auffällig, dass mansich vor dem Hintergrund des polysemen Charakters der römischen Bilderwelten dieser rekonstruierten gedanklichen Verbindung nicht verschließen darf.
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DAS TRAIANSFORUM
sendes Paradigma für den Princeps. Traian stilisierte sich zu Lebzeiten nicht als Gott, aber er betonte seine Ähnlichkeit mit dem Heros, die ihm, wie jenem, mit seinem Tode die Göttlichkeit einbringen sollte. Die Stadt Rom war bereits seit langer Zeit entmilitarisiert. Die geheiligte Stadtgrenze wurde nurbei einer Gelegenheit regelmäßig von Truppen überschritten: im Ritual des Triumphs. Die permanente Präsenz des römischen Heeres in Stein auf demTraiansforum, ihr Kriegsherr in der triumphalen Quadriga, die Daker als Exempla Servitutis, die überall präsenten Hinweise auf die Kriegsbeute – dies alles zeigte die Truppen undihren Kaiser, den Heros undneuen Staatsgott, im steinernen Triumph.
FÜNFTER
TEIL
DIE TRAIANISCHEN RESTITUTIONSMÜNZEN
1. DIE EMISSION In der traianischen Münzprägung fallt eine Reihe von Stücken auf, die von der stadtrömischen Prägeanstalt in nur kleiner Auflage emittiert wurden, und für die sich die Bezeichnung ‚Restitutionsmünzen‘ etabliert hat.1 Alle diese Stücke kopierten Münzen der Vergangenheit. Nach unserer bisherigen Kenntnis bestand die Serie aus 51 Denaren, die republikanische Typen zum Vorbild hatten, und 23 Aurei, die sich an Typen des Principats anlehnten. Auffällig ist jedoch, dass Traian nicht einfach alte Münzen identisch nachprägen ließ, sondern dass er deren ursprüngliches Erscheinungsbild zumTeil erheblich veränderte. Zunächst einmal waren alle dieser neu geprägten Stücke mit der stets gleichen Herrschertitulatur des Kaisers auf ihren Rückseiten versehen: IMPCAES TRAIAN AVGGERDACPP REST(ituit). Doch auch die Darstellungen selbst wurden gravierend verändert: So wurden auf manchen Typen einige Bildelemente ihrer historischen Vorbilder weggelassen oder auch frei ergänzt. Sogar historisch nicht miteinander zu vereinbarende Vorder- undRückseitenbilder wurden miteinander kombiniert. ZumTeil schuf man sogar ganz neue Typen. Doch durch deren Einreihung in die Serie der in der Vergangenheit tatsächlich einmal geprägten Typen 1
Auch die Kaiser Titus, Domitian undNerva hatten Münzen der Vergangenheit restituieren lassen. Bei diesen handelte es sich aber ausschließlich umAes-Stücke, imFalle Nervas auch umdrei Denare. ImUnterschied zu der Suite Traians kopierten diese Restitutionsmünzen allein Münzen der römischen Kaiserzeit ohne jegliche Modifikation desjeweiligen Vorbildes. Obwohl sie sicherlich Vorgänger der traianischen Restitutionsprägungen sind, sollen diese Restitutionsmünzen der Flavier undNervas hier nicht näher behandelt werden. Die formalen Unterschiede zu denen Traians sind groß, dasdargestellte Programm ist vergleichsweise wenig komplex. Insofern sei auf ihre Behandlung bei KOMNICK 2001 verwiesen. Hier nur so viel: Die Serie des Titus bildete anlässlich der Konsekration Vespasians Porträts der ‚guten‘ Mitglieder der Iulisch-Claudischen Dynastie ab. Er illustrierte auf diese Weise das Prinzip der gelungenen dynastischen Erbfolge undstellte sich selbst in die Reihe seiner Vorgänger. Sein Bruder Domitian ließ zurKonsekration desTitus die gleichen Bilder prägen wie sein Bruder. Auch ihm diente die Berufung auf die dynastische Erbfolge der IulischClaudischen Zeit als Rechtfertigung desselben Prinzips innerhalb derFlavischen Dynastie.
Der Prägeanlass derRestitutionsmünzen Nervas ist imPrätorianeraufstand undderAdoption Traians im Jahre 97 zu finden. Die Emission umfasst allein alte Münztypen des Augustus, welche die Themen Weltherrschaft, göttlich verliehene Macht undProvidentia in Bezug auf die kaiserliche Nachfolge betonen. In diesen Restitutionsmünzen ist der Versuch Nervas zu erkennen, seine eigene geschwächte Position zu stärken undseine eigene Adoption Traians mitderAdoption desTiberius durch Augustus zuvergleichen.
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1. DIE EMISSION
suggerierten auch diese modifizierten Stücke, einem bestimmten historischen Vorbild nachempfunden zu sein. So handelt es sich etwa bei demhier abgebildeten Stück umeinen Aureus, dessen Vorderseite mit der Umschrift DIVUS IULIUS ein Porträt Caesars zeigt, unddessen Rückseite inmitten dererwähnten Titulatur unddes Restitutionshinweises Traians eine Darstellung der Nemesis abbildet. Da diese Rückseite von einer Vorbildmünze des Claudius stammt, hier aber mit demKonterfei Caesars verbunden ist, haben wirin dieser Restitutionsmünze eines jener Stücke vor uns, die lediglich vorgaben, einen historischen Prototypen mit dieser spezifischen Kombination vonAverse undReverse zubesitzen.2 In dertraianischen Emission sind die großen Männer dermythischen undhistorischen Vergangenheit undihre jeweiligen Taten reich vertreten. So finden sich etwa Typen, die an Aeneas undRomulus erinnern, an Camillus, Horatius Cocles und Decius Mus. Verschiedene Siege werden dargestellt, so über die Gallier, Hannibal, Antiochos undVercingetorix, umnureinige zunennen. Außerdem sind die großen Gentes derRepublik mit ihren alten Prägungen vertreten, etwa Scipionen, Aemilier undMeteller. Götter undHalbgötter finden sich in einer Vielzahl, wie sie in dertraianischen Reichsprägung sonst nicht vorkommen, undzahlreiche personifizierte Tugenden ergänzen dasBild. Die zeitliche Trennung zwischen den Münzen derRepublik unddesPrincipats wird imLeben Caesars vollzogen, derin beiden Reihen vorkommt: Caesar als Dictator Perpetuus noch auf denrestituierten Denaren, der Consul Caesar undder Divus Iulius schon auf Aurei.3 Die Reihe der Principes ist selektiert: In die Reihe der traianischen Restitutionsmünzen sind nur jene Herrscher aufgenommen, die keiner Damnatio Memoriae anheim gefallen waren und deren Andenken ohne Schmähung hochgehalten wurde. Sie sind auf unterschiedlichen Münzen jeweils als Imperator undals Divus dargestellt.4 Schon bei der oberflächlichen Betrachtung der Serie ergeben sich Probleme. Wasbedeutet es etwa, wenneinstmals konkurrierende Exempla vonPietas nunals gleichwertig dargestellt werden, undAeneas neben die Brüder von Catania tritt? Warum nahm Traian auch Münzen des Horatius Cocles, des Decius Mus unddes Camillus in die Serie auf undsuggerierte auf diese Weise, auch diese Stücke besäßen republikanische Prototypen, was tatsächlich aber nicht der Fall war? Und
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KOMNICK 2001, Nr. 54, BMCNr. 698, RICNr. 815. Dies korrespondiert mitderRolle Caesars in denKaiserviten Suetons. Auchhier ist derDivus Iulius der erste Princeps. Vergleiche hierzu BOWERSOCK 1969 –Nungibt es in der traianischen Serie auch zwei restituierte Denare, welche diese Regel zudurchbrechen scheinen. DerenPrototypen stammen ausdemJahre 12 v.Chr. undzeigen denKopf desAugustus auf ihrer Vorderseite. Auf ihrer Rückseite ist aber jeweils M.Agrippa abgebildet; einmal als Reiterstatue, einmal imPorträt mitderCorona Navalis. Vermutlich wollte Traian dieTaten desAgrippa, welche einst die hier gezeigten Ehren gerechtfertigt hatten, als Teil einer typisch republikanischen Tradition imschon begonnenen Principat darstellen. –Auf die zweite Irregularität, eine als Aureus restituierte Prägung des Sextus Pompeius, wird weiter unten im PietasAbschnitt eingegangen; zumBildnachweis dieser Stücke siehe KOMNICK 2001, Nr.50f., 55. Dies sind Caesar, Augustus, Tiberius, Claudius, Galba, Vespasian, Titus undNerva. Es fehlen Caligula, Nero, Otho, Vitellius undDomitian. Wiewohl Tiberius als Imperator dargestellt ist,
existiert keine Darstellung
vonihmals Divus, daernicht konsekriert
wurde.
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
warum sind außerdem die meisten jener Rückseitenbilder, die vorgeben, serzeitliche Prototypen zurückzugehen, schlichtweg erfunden?
auf kai-
2. FORSCHUNGSÜBERSICHT ZUR DATIERUNG UNDAUSSAGE DER NUMMI RESTITUTI
Bei ihrer Beschäftigung mit den Restitutionsmünzen standen für die Forschung zwei Fragen im Vordergrund, deren Lösung untrennbar miteinander verbunden
ist: die Datierung und die Aussageabsicht der Serie.1 Denn solange nicht geklärt war, wann genau die Stücke geprägt undverteilt worden waren, schien es derbis-
herigen Forschung unmöglich zu sein, etwas zur Bedeutung dieser Münzserie oder einzelner ihrer Bilder zu sagen. Nunstehen aber für eine zeitliche Fixierung der Emission nur wenige Hinweise zur Verfügung, und dementsprechend divergieren die bisherigen Datierungsversuche ganz erheblich. Sie schwanken zwischen 102 und 117.2 Im Wesentlichen könnte man drei Kriterien als geeignet ansehen, diesen Zeitraum einzugrenzen: die kaiserliche Titulatur auf den Stücken undderen Stil,3 daneben eine Passage bei Cassius Dio undschließlich die Aussage derBilder. ImFolgenden sollen Relevanz undAussagekraft dieser Möglichkeiten kurz diskutiert werden. Der von der Forschung postulierte zeitliche Gesamtrahmen der Emission von 102 bis 117 lässt sich anhand der auf den Münzen verwandten Titulatur Traians schnell eingrenzen, denn diese umfasst bereits den kaiserlichen Siegerbeinamen Dacicus, aber noch nicht dasCognomen Optimus. Dieser Befund grenzt denmög-
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26 ist Angesichts desjüngsten undexzellenten Forschungsüberblicks bei KOMNICK 2001, 9– Studie nicht nötig, die bisherigen Positionen umfangreicher als lediglich zur Illustration derwesentlichen Standpunkte zureferieren. Einen Überblick derDatierungsversuche bietet KOMNICK 2001, 137. –Als symptomatisch für die bemühten Versuche einer Datierung sei FELL 1992, 84 genannt, derdie Serie auf dengesamten Zeitraum vonEnde 102 bis August 114 datiert undeine genauere Festlegung schuldig bleibt. Als weiteres Kriterium einer Datierung ließe sich eine vergleichende metrologische Untersuchung der Restitutionsmünzen undderregulären traianischen Reichsprägung anführen. Doch die metrologische Analyse, wie sie von HILL 1970 undWALKER 1977 für die traianischen Münzen vorgenommen wurde, entbehrt –undzwar nicht nur, doch vor allem –im Falle der Nummi Restituti einer soliden Grundlage: Die Exemplare derRestitutionsmünzen, die für eine solche Analyse herhalten mussten, waren derart abgegriffen, dass verlässliche Aussagen über ihr ursprüngliches Gewicht nicht möglich waren. Da die Metrologie aber notwendigerweise auf eine Argumentation imBereich vonZentigrammen angewiesen ist, wardermögliche Fehlerbereich in diesem Falle vonvorneherein zugroß. Seriöse Aussagen hätten also zumindest die Verwendung stempelfrischer Münzen erfordert. Darüber hinaus aber wurde die Analyse lediglich anderohnehin nicht reinen Oberfläche derrestituierten Stücke vorgenommen, wasauch fürdieAnalyse desFeingehaltes eigenwillige Daten lieferte. es in dieser
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
lichen Emissionszeitraum immerhin auf die Zeit zwischen dem Herbst 102 und der zweiten Augusthälfte 114 ein.4 Da weder ein Consulat noch ein anderer Bestandteil der kaiserlichen Titulatur auf die Münzen geprägt wurde, der zu einer genaueren Datierung geeignet wäre, müssen andere Kriterien zur Klärung dieser
Frage bemüht werden. Verschiedene stilistische Merkmale lassen zumindest eine Datierung zu Anfang des eben genannten Zeitraum unmöglich erscheinen. Hierzu zählen etwa die kleinen Buchstaben derUmschrift unddie relativ kleinen Köpfe auf denAversen, somit die Größe des freibleibenden Raumes zwischen Kopf und Schrift. Gleichzeitig besitzen die Porträts der Dargestellten auf denRestitutionsmünzen eine gewisse Fülligkeit der Züge. Vergleicht mandiesen Befund mit denAurei undDenaren derregulären traianischen Reichsprägung, so lässt sich feststellen, dass diese erst ab demJahr 108 zunehmend in diesem Stil geprägt wurden.5 Doch magdie Stilkunde für die Emission auch eine gewisse zeitliche Eingrenzung von 108 bis 114 nahelegen, kann dieses Resultat trotzdem noch nicht befriedigen, zum einen wegen derVagheit undSubjektivität der genannten Kriterien, zumanderen wegen des immer noch zulangen möglichen Zeitraums.
Nunbefürwortet der größte Teil der Forschung eine Datierung der Serie in das Jahr 107/108. Diese Ansicht basiert auf einer Passage bei Cassius Dio. Xiphilinos, der Epitomator Dios, berichtet nämlich, dass Traian abgegriffenes Geld habe einschmelzen lassen.6 Aus dieser Information wurde vielfach konjiziert, das so zurückgewonnene Metall sei in neuer Form, nämlich als Nummi Restituti, wieder ausgemünzt worden.7 In das Jahr 107/108 wurde diese Einschmelzaktion deswegen datiert, weil die vermeintlich streng chronologische Struktur des Dio-Textes eben dieses Jahr für den Einzug der abgegriffenen Münzen zu suggerieren schien. Die Datierung der Restitutionsmünzen anhand dieser Schlussfolgerung ist jedoch auszwei Gründen gänzlich haltlos: Zumeinen lässt sich die Datierung derbei Dio erwähnten Einschmelzaktion keineswegs auf dasJahr 107 festlegen;8 zumanderen
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8
KIENAST 1996,
123.
In diesem Sinne ansatzweise bereits STRACK 1931, 41. Cassius Dio 68.15.31. So etwa WOLTERS 1999, 403 ohne Begründung: „Mitgrößerer Wahrscheinlichkeit bezieht sie [i.e. die Einschmelzaktion] sich auf die in ihrem Umfang ebenso singuläre wie spektakuläre 200, derresümieAusgabe derRestitutionsmünzen“ . –Siehe auch DUNCAN-JONES 1994, 193– rend behauptet, dierepublikanischen Denare hätten einen höheren Feingehalt als ihre restituierten Kopien besessen, unddaher sei diese Serie dasZeugnis eines Profitstrebens: Hier habe diekaiserliche Prägeanstalt hochwertiges Silber gewinnen wollen. Diese Behauptung, dass es einen Zusammenhang zwischen Münzeinzug und Restitutionsmünzen gebe, istjüngst erst vonKOMNICK 2001, 158– 164 widerlegt worden, derumfangreich darlegt, dass die von Dio berichtete Einschmelzaktion keinesfalls sicher in das Jahr 107 datiert werden dürfe. Daher kann hier auf eine eigene Darstellung dieser Argumentation verzichtet werden. Es sei jedoch festgehalten, dass allein schon der Hinweis darauf, dass Dio keine erneute Ausmünzung des Materials in Form der Restitutionsmünzen erwähnt, dazu geeignet gewesen wäre, die bisherige Datierung der Serie auf 107 umzustoßen. Wann genau
2. FORSCHUNGSÜBERSICHT
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erwähnt der Text mit keinem Wort, dass die eingeschmolzenen Stücke wieder ausgemünzt worden seien, und zwar schon gar nicht in Form der Restitutionsmünzen.9 Bereits mit dieser einfachen Beobachtung ist die Datierung der Nummi Restituti in das Jahr 107 hinfällig; doch stattdessen galt seit der kompilierenden Behandlung der Serie durch H. MATTINGLY diese Datierung als etabliert undwurde von den meisten der späteren Forschungsarbeiten akzeptiert undunreflektiert übernommen.10 Dementsprechend blieben diese Studien die Antwort auf evidente Fragen schuldig: Warum etwa wäre lediglich eine Auswahl jener eingezogenen Münzen der Vergangenheit in die Serie der Nummi Restituti aufgenommen worden? Warum wurde das Aussehen zahlreicher Prototypen bei deren Nachprägung verändert? Warum wurden sogar einige Motive ganz neugeschaffen, ohne dass es für sieje ein Vorbild gegeben hatte? Und so wurde vermutet, Traian habe wohl jene eingezogenen Typen alleine schon im rein dinglichen Sinne nicht verloren gehen lassen wollen; schließlich seien dies die Zeugnisse derrömischen Erfolgsgeschichte gewesen, die ansonsten durch das Einschmelzen der Originale verloren gewesen wären.11 In ähnlichem Sinne wurde gemutmaßt, die Serie sei eine herrscherliche Geste an antiquarisch interessierte Kreise gewesen, gewissermaßen an römische Numismatiker, denen der Kaiser einen Gefallen damit habe tun wollen, alte Stücke durch prägefrische zuersetzen; freilich nicht ohne auf seine Urheberschaft mit Hilfe derkaiserlichen Titulatur hinzuweisen.12 Weite Verbreitung fand daneben die Vermutung, die Restitutionsmünzen hätten an die großen Männer der Vergangenheit und ihre Taten erinnern sollen. Ein antiquarischer Ansatz konstatiert, Traian habe aus Reverenz gegenüber der römischen Erfolgsgeschichte ausgewählte Münzen der Vergangenheit neuprägen lassen.13 Dabei habe der Kaiser vor allem jene Aspekte, die er für
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nämlich die berichtete Einzugsaktion stattgefunden haben mag, ist für eine Datierung der Nummi Restituti keine relevante Frage. Eine Weiterverwertung des eingeschmolzenen Edelmetalls, womöglich seine erneute Ausmünzung imRahmen dertraianischen Reichsprägung, ist freilich anzunehmen. Doch dies hat nichts mitdenNummi Restituti zutun. MATTINGLY 1926. –Es gab Ausnahmen, die allerdings eine frühere Datierung annahmen; siehe etwa MANNSPERGER 1974, 969 (i.J.102) undWEISER 1999, 239 (i.J.104). Vergleiche allerdings WEISER 2002, 156 (um 107/8). So vermutet etwa HEINRICHS 2001, 216: „ Da andererseits die eingezogenen alten Münzen zu einem Teil der römischen Tradition geworden waren undähnlich wie die Inschriften die Erinnerung an ihre Emittenten wach hielten, mochte ihre Entfernung aus demUmlauf als ein Aktmangelnder pietas erscheinen, zumal dieersatzweise neuemittierten Stücke aktuelle Kaiserporträts trugen, mithin als Ausdruck übersteigerten Selbstbewusstseins auf Kosten von Vorgängern oder Angehörigen republikanischer Adelsfamilien missverstanden werden konnten. (...) Gerade solche Kaiser, die in größerem Umfang alte gegen neue Münzbestände austauschten, mochten eine zumindest symbolische Geste für ein Gebot der Fairness halten, möglicherweise auch fürmehr.“ Siehe etwa WOLTERS 1999, 278: „ Fast hat man den Eindruck, dass hier nur eine kleinere ‚Suite‘für ‚Sammler‘hergestellt worden ist.“ Diesen Ansatz vertrat etwa MATTINGLY in seinem bis heute maßgeblichen Aufsatz von 1926. Außerdem publizierte er diese Ansicht in den von ihm verfassten Passagen des BMCIII, The legenLXXXVI-XCIII. Die politischen Aussagen der Serie resümierte er, a.a.O. XCIII: „
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seine Herrschaft als wichtig empfunden habe, hervorgehoben. Das wesentliche Kriterium für die Aufnahme eines Stückes in die Serie seien also entweder der jeweilige Münzmeister undder Prägeanlass des Prototyps gewesen oder aber die aufjener originalen Münze dargestellte mythische oder historische Tat. Die Serie sei also ein Panorama der römischen Geschichte gewesen, gewissermaßen ein numismatisches Pendant zu solchen literarischen Erscheinungen der frühen Kaiserzeit wie der Exempla-Sammlung des Valerius Maximus oder dem knappen historischen Abriss desVelleius Paterculus. Die innovativeren Interpretationen mutmaßten immerhin noch, dass Traian mit der Serie auch ein Stück Herrschaftsdarstellung habe betreiben wollen, was freilich zumeist ‚Propaganda‘ genannt wurde. Wie diese aber ausgesehen habe, blieb in denmeisten Fällen unbeantwortet. Die Vermutungen kamen nicht darüber hinaus, etwa auf die zahlreichen militärisch motivierten Typen der restituierten Münzen hinzuweisen undzu betonen, dass schließlich auch Traian seine militärische Leistungskraft unter Beweis gestellt undihr mit seinem Forum ein Denkmal gesetzt habe. Womöglich habe der Optimus Princeps auch implizit zumVergleich seiner eigenen Person mit den Männern der Vergangenheit aufgefordert; ein Motiv, welches ja auch der Panegyricus thematisiere.14 Dass diese im Kern richtige Überlegung über denbloßen Ansatz nicht hinauskam, lag wohl auch an denKriterien, nach denen die Münzen traditionell klassifiziert werden. Wie berichtet, sah MATTINGLY denGrund für die traianische Restituierung einzelner Münzen im Prägeanlass desjeweiligen Vorbildes. Dies veranlasste ihn dazu, in seinem bis vor kurzem maßgeblichen Katalog der Nummi Restituti ausdemJahre 1926, die Stücke nach derchronologischen Abfolge ihrer Prototypen zu ordnen. Durch dieses vermeintlich einzige, oder zumindest beste, und tatsächlich ja auch transparente Ordnungskriterium wurde aber verhindert, andere Muster der Klassifikation zu erproben; etwa nach ähnlichen Typen und inhaltlich verwandten Konzepten des Dargestellten, unddies unabhängig von der zeitlichen Abfolge der Vorbilder. Die chronologische Anordnung nach Prototypen ist auch in demmonographischen Katalog von H. KOMNICK aus demJahre 2001, der als das zukünftige Referenzwerk zur Beschäftigung mit den Restitutionsmünzen zu gelten hat, das ordnende Kriterium. ImRahmen meines knappen Resümees zurForschungsgeschichdary glories of the Republic descend through the line of great Republican generals and statesmen andafter them through the ‘good’Emperors to the optimus princeps’whoguarantees that optimus status rerum’, which hadbeen the dream of ‘the Roman patriots of all ages.“ Mit dieser‘ Sichtweise war es natürlich unmöglich, die zahlreichen Modifikationen der Prototypen unddie Fiktion bestehender Vorbilder zu erklären. 14 Siehe etwa MANNSPERGER 1974, 968f.: Die traianische Serie diene „der Untermauerung der eigenen Position durch das Aufzeigen einer durchlaufenden ‚Heilsgeschichte‘ Roms, die im Optimus Princeps ihre Vollendung findet“ . Sie habe „die Vergangenheit in ihrem Sinne deuten“ wollen. Auch KOMNICK 2001, 178 kommt in seinem Kapitel „Historisch-politische Auswertung“der Restitutionsmünzen lediglich zudemFazit, dass „ die Typenauswahl bei denrömischen Münzenzuweilen auch durch politische Bedürfnisse oder Ziele bestimmt gewesen ist“ .
2. FORSCHUNGSÜBERSICHT
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te soll nunetwas ausführlicher diese jüngste Studie als vorläufiges Fazit des Forschungsstandes zu den traianischen Restitutionsmünzen diskutiert werden. KOMNICK konstatiert am Ende seiner kurzen Auswertung der historisch-politischen Implikationen derNummi Restituti, W. KUHOFFS Interpretation der Statuen in den Säulenhallen des traianischen Forumsplatzes könne ohne weiteres auch auf die Restitutionsmünzen übertragen werden. Nach dessen Interpretation ordneten die Statuen in denSäulenhallen desForumsplatzes, welche kaiserliche Vorgänger und berühmte Staatsmänner der bisherigen Principatszeit dargestellt hätten, Traian, ein Beziehungsgeflecht persönlidessen Reiterstatue die Platzmitte einnahm, in „ cher und sachlicher Verbindungen mit der traditionsreichen Vergangenheit“ein als Kumulationspunkt der historischen Entwicklung des undrepräsentierten ihn „ Prinzipats“.15Der ideologische Hintergrund scheint KOMNICK in beiden Fällen der gleiche zu sein, wenn auch mit demUnterschied, dass die Münzserie die republikanische Tradition mit einschließe, die beim Statuenschmuck des Traiansforums Als Anlass für die Ausprägung der ausgespart worden sei. KOMNICK resümiert: „ trajanischen Restitutionsmünzserie sollte daher die Einweihung des Trajansforum durchaus in Erwägung gezogen werden.“16 Es gab bislang nur zwei Untersuchungen, die für ein Emissionsdatum der Nummi Restituti im Jahre 112 eintraten.17 Als erster überhaupt merkte P.STRACK im Jahre 1931 gleichsam miszellenhaft an, die Serie sollte wohl auf 108 oder 112 datiert werden. Der Grund für letztere Festlegung war für ihn das unvermittelte Einsetzen von Konsekrationsbildern Nervas in der regulären Reichsprägung im Jahre 112, das ihm mit denrestituierten Aurei des Divus Nerva in Verbindung zu stehen schien. Doch STRACK verwies darauf, dass kurz zuvor erst MATTINGLY im Jahre 1926 die Restitutionsmünzen gründlich untersucht habe: „ Da sie in der Tat eine in sich geschlossene Gruppe bilden undnuraus sich undnicht aus demVergleich mit den übrigen Prägungen erklärt werden können, glaubte ich seine [i.e. hier nicht noch einmal wiederholen, noch seine zutreffenden Erläuterungen im einzelnen besprechen zu sollen.“18 Da STRACK also deutlich zu denAusführungen von MATTINGLY tendierte, der die Serie ja auf 107 datierte, wird manwohl annehmen müssen, dass er in der Datierungsfrage eher 108 als 112 den Vorzug gegeben hätte. Für das Jahr 108 trat MATTINGLYS] vollständige Materialsammlung
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1993, 183. –Dass freilich diese Interpretation derbaulichen Bestandteile destraianiEquus Traiani –stabulum taschen Forums so nicht haltbar ist, sahen wir im Abschnitt 6.2.3 „ le condi iubeto, si vales“des Kapitels zumTraiansforum. Denn erst in nachtraianischer Zeit standen Statuen von anderen Personen als demKaiser auf demForumsareal. Die kaiserlichen Vorgänger des Optimus Princeps undderen Familien hingegen waren schon während dessen Regierungszeit als Bildnisschilde in die Fassaden integriert. KUHOFF
16 KOMNICK 2001, 178. 17 In dieser Feststellung sindjene Studien ausgenommen, deren Annahmen eines Emissionsda114 umtums dasJahr 112 lediglich beinhalten, also Datierungen, welche etwa die Jahre 102– fassen; so FELL 1992, 84. –Doch diese Studien, die in der Frage der Nummi Restituti sehr knapp gefasst sind, übersehen bereits, dass allein schon die Herrschertitulatur ihre jeweilige Datierung unmöglich macht; dazu siehe oben. Daher sind diese Untersuchungen nicht als ernsthafte Versuche einer gewissenhaften Prüfung derDatierungsfrage anzusehen. 18
STRACK 1931, 41 f.
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STRACK im Übrigen deswegen ein, weil auch er die bei Cassius Dio erwähnte Einschmelzaktion durchaus mit derPrägung derNummi Restituti verband. Undso bleibt nureine Studie, nämlich die vonKOMNICK, welche die Emission derSerie in dasJahr 112 datierte. DerAutor gelangt jedoch zudieser, nach der von mir vertretenen Auffassung richtigen, Datierung auf einem methodisch anfechtbaren Weg. Er argumentiert nämlich, dass es außer der erwähnten Kaisertitulatur der Nummi Restituti nur eine Phase innerhalb der traianischen Reichsprägung gebe, während derer auf Denaren undAurei die Titulatur Traians ebenfalls im Nominativ stehe undnicht im Dedikationsdativ, wie es seit demJahre 103 bis zumEnde seiner Regierung üblich war. Diese Nominativlegende wurde auf einer Reihe von Münzen im sechsten Consulat geprägt, aber nur bis zur Annahme des Beinamens Optimus, mithin von 112 bis August 114.19 Unter diesen Prägungen finden sich Darstellungen etwa des Forum Traiani und der Basilica Ulpia, die Prägungen zum Andenken an den Divus Traianus Pater, den Divus Nerva und Darstellungen des Iuppiter Conservator. Diese Typen werden im Folgenden noch behandelt werden. In derTat sind diese Münzen dieManifestationen jener Ideologeme, in deren Kontext auch die Nummi Restituti gehören. Dennoch ist die kurzzeitige Nominativlegende der Reichsprägung nicht unbedingt mit jener Legende der Restitutionsprägungen gleichzusetzen: „ TRAIANUS...RESTITUIT“ist anders als die Nominativlegende derReichsprägung ein vollständiger Satz, derdie Urheberschaft des Princeps demonstriert: Traian hat diese Münze unddie mit ihr verbundenen Erinnerungen an Männer undTaten derrömischen Erfolgsgeschichte in seiner eigenen Zeit wiederhergestellt.20 KOMNICKS grammatisches Argument zur Datierung derRestitutionsmünzen kann also nicht überzeugen.
19 Es handelt sich bei diesen 20
Münzen umjene, deren Vorderseitenlegende in derKlassifizierung vonHILL 1970 die Nummer 24 trägt, bzw. umdie Stücke STRACK 1931, Nr. 210– 217a. KOMNICK 2001, 137 f.
3. EINE METHODISCHE VORBEMERKUNG Eine Interpretation der Restitutionsmünzen im Kontext der traianischen Ideologeme hängt eng mit ihrer genauen Datierung innerhalb der traianischen Regierungszeit zusammen. Gerade eine solche gesicherte Datierung wurde aber bisher von der Forschung mit den herkömmlichen Methoden der Münzdatierung nicht erreicht. Diesen Mangel weisen alle bisherigen Untersuchungen und Deutungen der Restitutionsmünzen auf. Es gab in der Vergangenheit keinen Versuch –und , die Aussagen der man kann diese erstaunliche Tatsache nicht genug betonen – Serie oder auch nureinzelner Restitutionsmünzen mit demInhalt der zeitgenössischen kaiserlichen Darstellung zu korrelieren. Nicht einmal jene Studien, welche die scheinbare Gewissheit besaßen, die Serie sei im Jahre 107 emittiert worden, unternahmen es, Gemeinsamkeiten zwischen den Nummi Restituti undden vermeintlich zeitgleich emittierten Bildern der regulären Reichsprägung zu suchen; ganz zu schweigen von Arbeiten, die womöglich die zeitgenössische Architektur oder Literatur zumVergleich bemüht hätten. Die Restitutionsmünzen wurden bislang in keiner einzigen Studie ernsthaft mit anderen Medien der traianischen Zeit verglichen. Dieser Mangel beruht im Wesentlichen auf drei Ursachen. Zunächst wurden die Restitutionsmünzen als eine in sich geschlossene Serie betrachtet, die man separat vonderohnehin schon sehr komplexen Reichsprägung Traians mitdenihr eigenen Datierungsproblemen behandeln könne. Daneben verhinderte eine über Jahrzehnte hinweg immer wieder unreflektiert übernommene Datierung der Serie auf 107 ihre Einordnung in die richtige Phase des traianischen Principats undsomit in denkorrekten historischen Kontext. Außerdem wardenMünzmeistern der Prototypen und den dort dargestellten Ereignissen, wie bereits erwähnt, zu viel Aufmerksamkeit geschenkt worden. Der Anlass für die Emission wurde eher darin gesucht, welche Relevanz deren republikanische undkaiserzeitliche Vorbilder in der Zeit ihres eigenen Entstehens gehabt hätten. Man fragte zu selten nach der Relevanz einzelner restituierter Prägungen, und besonders nach der Bedeutung vonderen Modifikationen, fürdenPrincipat Traians. Undso gibt es bis heute keine einzige Studie, welche die Nummi Restituti im Kontext jener Ideologeme betrachtet hätte, die in der Zeit zwischen dem Ende des ersten dakischen Krieges unddemBeginn des parthischen Feldzugs kursierten.1
1
Wer immer dies in Ansätzen tat, tat es rudimentär undfehlerhaft; siehe etwa FELL 1992, 85, das militärische Element in denRestitutionsprägungen nicht so stark bederbehauptet, dass „ .– tont ist, wie dies bei denanderen Münzen nach demzweiten dakischen Krieg derFall ist“ Diese Aussage vermag einer Überprüfung der Reversen der Münzserie nicht standzuhalten,
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Diesen Mangel will die vorliegende Arbeit zubeheben versuchen. Ausgehend von der Annahme, dass zwischen Datierung und Interpretation ein Zusammenhang besteht, soll hier einmal der umgekehrte Weg beschritten werden. Im Verlauf einer Interpretation der Münzen soll auch ihre Datierung unternommen werden. Während der vorangegangenen Untersuchung der traianischen Herrschaftsdarstellung traten immer wieder erstaunliche Parallelen zwischen den Restitutionsmünzen undanderen Medien zutage. Dies legte bereits nahe, dass die Nummi Restituti in denKontext der traianischen Programmatik umdas Jahr 112 zu datieren sind.2 Im Folgenden soll diese Vermutung anhand repräsentativer Beispiele illustriert und erhärtet werden. Es soll dabei wie folgt vorgegangen werden: Einzelne Münzen sollen auf verschiedenen Ebenen in ein Netz von Bezügen eingeordnet werden. In Betracht kommt zunächst einmal, die jeweiligen Vorder- und Rückseiten zueinander undzumhistorischen Geschehen der traianischen Zeit in Bezug zusetzen. Sodann kann die einzelne Münze in die Gesamtheit derRestitutionsserie eingeordnet werden, besonders können ihre Motive mitdenDarstellungen anderer Restitutionsmünzen verglichen werden. Auch innerhalb der traianischen Reichsprägung undin anderen Medien der Zeit, wie etwa Architektur und Literatur, ist nach Bezügen undprogrammatischer Verwandtschaft mit denNummi Restituti zu suchen. Dieses intermediale Korrelieren erwies sich bereits für die traianische Reichsprägung als gewinnbringend, etwa als wir feststellen konnten, dass bauliche Bestandteile des traianischen Forums parallel zu ihrem Entstehen auf Münzen abgebildet wurden, oder dass ein stadtrömischer Betrachter mit dem Visiotyp desunterworfenen, gebundenen Dakers auf demForum bereits vonzahllosen Münzen des Optimus Princeps vertraut war, welche dieser nach der siegreichen Beendigung seiner Kriege an der Donau hatte prägen lassen. In eben dieser Weise sollen nunauch die Restitutionsmünzen behandelt werden.
Es ist wichtig, bei dieser Suche nach einer programmatischen Verwandtschaft mit anderen Medien die Perspektive eines antiken Adressaten der Münzaussagen einzunehmen. Dazu muss aber zunächst die Adressatengruppe eingegrenzt werden. Hinweise hierfür bietet zunächst die Überlieferungssituation, die nahe legt, dass die Restitutionsmünzen nur in sehr kleiner Zahl emittiert wurden undkeinesfalls weit verbreitet waren. Zudem sind sie nur in den Edelmetallen Gold und Silber geprägt worden, nicht als Aes-Stücke. Beide Feststellungen lassen auf einen exklusiven Adressatenkreis schließen. Dies wird bestätigt durch die im Laufe der Darstellung zu belegende Beobachtung, dass ein Verstehen der Münzen, welche über dasbloße Betrachten eines einzelnen Stückes hinaus gehen soll, offenbar ein gewisses Bildungsniveau erforderte, besonders auf dem Gebiet der Mythologie undder republikanischen Geschichte. Denn wenn die Münzen mit diesen Kenntnissen betrachtet werden, bietet sich ein derart kunstvolles Gefüge von Anspie-
2
dennzahlreiche Rückseiten deuten aufdieThematik vonSieg, Kampf undTriumph hin; siehe etwa die Auflistung bei KOMNICK 2001, 177 Anm. 632. Siehe hierzu etwa im Kapitel zum Traiansforum den Abschnitt 6.3.3 „ Bildnisschilde und Restitutionsprägungen“ .
3. EINE METHODISCHE VORBEMERKUNG
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lungen undZitaten dar, dass es unausweichlich erscheint, die spezifische Auswahl der restituierten Stücke als planvoll anzusehen. Kunstvoll und anspielungsreich konstruierte Bezüge der Münzen aufeinander zielen jedoch darauf, zumindest von einem Teil derAdressaten auch auf eben dieser Ebene gelesen werden zukönnen. Wir müssen daher davon ausgehen, dass sich die Restitutionsmünzen an einen exklusiven, gebildeten Adressatenkreis wandten. Ihre formale Ähnlichkeit, etwa die identischen Umschriften, undihre inhaltlichen Bezüge aufeinander legen zudemnahe, die einzelnen Stücke als Teil eines Systems wahrzunehmen: So erhält etwa die Münze mit der Abbildung des ersten Stadtgründers Romulus weitere Bedeutungsfacetten, wenn man sie im Zusammenhang mitjenen Restitutionsprägungen betrachtet, welche diejenigen historischen Figuren abbilden, die als abermalige Stadtgründer galten, Camillus undAugustus. Gleiches gilt beispielsweise für die Aeneas-Restitution unddie ebenfalls restituierte Münze mit einer Darstellung derBrüder vonCatania. Diese Stücke bildeten ehemals miteinander konkurrierende Exempla von Pietas ab, welche in der Auseinandersetzung vonAugustus mit Sex.Pompeius eine Rolle gespielt hatten. Auch hier ergibt sich erst aus der Zusammenschau beider Münzen ein über die jeweilige Einzelaussage hinaus gehendes Verständnis. Es soll angesichts dieser Überlegungen davon ausgegangen werden, dass die Restitutionsmünzen wahrscheinlich als komplette Serie, zumindest aber in Gruppen an einen wahrscheinlich senatorischen Adressatenkreis verschenkt wurden oder anPersonen imnäheren Umkreis Traians. Doch zurück zumProblem der Perspektive eines antiken Betrachters. Diese muss für die Interpretation der Restitutionsserie maßgeblich sein. Mithin muss danach gefragt werden, welche Aussagen undBedeutungsfacetten ein traianischer Betrachter in einer solchen Münze wohl hätte erkennen können. Doch gilt es, hierbei bloße Spekulationen zu vermeiden. Deswegen ist auf solche Erkenntnisquellen zurückzugreifen, von denen wir wissen, dass sie einem Zeitgenossen tatsächlich zur Verfügung standen. ZurRekonstruktion der antiken Perspektive trägt etwa bei, dass wir davon ausgehen dürfen, dass ein traianischer Betrachter, der gemäß unserer Arbeitshypothese die Restitutionsmünzen im Jahre 112 in den Händen hielt, mit den Monumenten des Forum Traiani vertraut war. Ebenso werden ihm gewisse, öffentlichkeitswirksam vorgenommene kaiserliche Regierungsakte bekannt gewesen sein. Geht man, wie in dieser Studie, davon aus, dass der Adressat in der Regel der Senatorenschicht oder der näheren Umgebung des Kaisers angehörte, so darf zudem eine genauere Kenntnis der Inhalte der imperialen Programmatik unterstellt werden. Auf die Notwendigkeit eines gewissen Bildungsniveaus zumsystemischen Verstehen der Serie ist oben bereits hingewiesen worden. Es soll jedoch gezeigt werden, dass die Restitutionsmünzen durchaus auch ohne ein solches Niveau lesbar waren, wenn auch die von einem solchen Betrachter gewonnenen Aussagen eher allgemeiner Natur blieben. Der Betrachter musste ein Münzbild nicht notwendig völlig dechiffrieren oder es in ein komplexes System einordnen können, umihmeine Aussage zuentnehmen. Mit dem so erarbeiteten Instrumentarium sind folgende Fragen zu stellen: Welche der Aussagen einer Münze, sofern der Betrachter mehrere Aussagen dechiffrieren konnte, hätten für ihn im Vordergrund gestanden? Dies lässt Rück-
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schlüsse auf die Frage zu, warum gerade dieses oder jenes Original von Traian restituiert wurde. Welches bildliche oder programmatische Element einer jahrhundertealten Prägung war von solchem Wert für den Princeps, dass es ihn zur Restitution eben dieses Stückes veranlasste? So könnte es etwa sein, dass an den Münzmeister des Prototyps erinnert werden sollte oder an den Prägeanlass dieses Originals. Vielleicht wardie wichtigste Information dieser Münze aber auchjene historische oder mythische Begebenheit, welche der Münzmeister hatte abbilden lassen unddie für ihn selbst schon Geschichte war. Undwares überhaupt die Averse oder die Reverse dieser Münze, die Traian zu ihrer Aufnahme unter die Nummi Restituti veranlasst hatte? Womöglich wares gerade die Kombination der Aussagen beider Münzseiten, die für ihre Restituierung verantwortlich war. In einem solchen Fall gälte es nunaber zu bedenken, dass eine solche Kombination vonAussagen in derRepublik eine ganz andere Bedeutung gehabt haben mochte, als die traianische Zeit in ihr sah. Mittlerweile mochten gewisse bildliche Versatzstücke ganz andere Assoziationen hervorrufen, als sie dies zweihundert Jahre zuvor getan hatten. Dementsprechend wurde eine republikanische Münze möglicherweise nicht wegen ihrer originalen Aussage, sondern wegen ihrer plakativen Abbildung solcher Bildelemente restituiert, die für die Ideologeme des traianischen Principats in irgendeiner Weise wichtig waren.
Vorab noch ein Wort zur Bebilderung dieses Kapitels. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Restitutionsmünzen Traians in nurkleiner Auflage emittiert wurden. Daher sind die der Forschung zurVerfügung stehenden Stücke, die auch in dieser Studie zur Illustration verwendet werden müssten, oftmals von mäßiger Qualität, was die Erkennbarkeit des Münzbildes in seinen Details angeht. Da in der folgenden Behandlung einzelner Prägungen aber genau diese Details wichtig sind, umdenGedankengang transparent zumachen, wird in vielen Fällen statt der traianischen Restitution deren historischer Prototyp abgebildet sein. Sofern die traianische Münze charakteristische Modifikationen des Vorbildes aufweist, wird darauf selbstverständlich hingewiesen. Für Abbildungen sämtlicher Restitutionsmünzen Traians sei nochmals auf denKatalog vonH. KOMNICK verwiesen. Als illustrierendes Beispiel der Methode, mit deren Hilfe im Folgenden die voranstehenden Fragen beantwortet werden müssen, soll ein vonTraian restituierter Denar dienen, dessen hier abgebildetes republikanisches Vorbild 112 oder 111 v. Chr. geprägt wurde. Die Identität des ursprünglichen Münzmeisters ist nicht gesichert.3 Die Rückseite der Münze zeigt einen Reiter mit einem zweiten Pferd, der nach links über eine Ratte hinwegsetzt. Hier ist ein Desultor abgebildet, ein Circusreiter. Die dargestellte Tätigkeit war für den Betrachter der traianischen Zeit leicht zu identifizieren, denn er war mit derartigen Vorführungen in seiner Alltagswelt vertraut. Doch ob der Betrachter dieses restituierten Denars auch wusste, aus welchem Anlass das republikanische Original einst geprägt worden war, auf welche historische oder mythische Begebenheit dieses Bild womöglich
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KOMNICK
2001, Nr. 7;
CRAWFORD
1974, Nr. 297/1a.
3. EINE METHODISCHE VORBEMERKUNG
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Bezug nahm, undwas die beigefügte Ratte bedeuten sollte, bleibt unklar. Zumindest weiß auch die heutige Forschung auf diese Fragen keine rechte Antwort. Ein kleines Feld unter denPferdehufen auf der Münzrückseite mit denBuchstaben DSS lässt aber darauf schließen, dass dieses Bild aller Wahrscheinlichkeit nach eine Statuengruppe darstellte; zumindest waren die Worte D(e) S(enatus) S(ententia) bei Bauinschriften eine übliche Formel. Womöglich war dieses Ensemble noch in traianischer Zeit im öffentlichen Raum zu besichtigen. So mochten also einem Römer aus der Hauptstadt, der zudem mit den Geschichten undExempla der Vergangenheit vertraut war, diese Hintergrund und ihr historischer bekannt gewesen sein. Doch das Statuengruppe galt eben nurfür eine kleine Gruppe von gebildeten Betrachtern. Wenn nunaber, wovon hier ausgegangen wird, die Serie der Restitutionsmünzen sich genau an jenes kleine Segment der Bevölkerung wandte, das aufgrund seiner Bildung in historischen Dingen bewandert war, also die zumeist senatorische Reichselite, dann sollte deren Fähigkeit, das Münzbild in antiquarischer Hinsicht zu dechiffrieren, nicht unterschätzt werden. Aber auch auf einer anderen, konkreteren Ebene, die noch eher auf die alltäglichen Erfahrungen des traianischen Publikums rekurrieren konnte, besaß dieser restituierte Denar Bedeutung. Denn seine Vorderseite zeigt eine belorbeerte Hercules-Büste mitdemLöwenfell undderKeule aufdenSchultern. Hier bot sich der Vergleich mit den zahlreichen Herculesmünzen der traianischen Reichsprägung an. Seine Affinität zudemHalbgott zubetonen, warfür Traian schon seit Beginn seiner Herrschaft eines derwichtigsten Ideologeme gewesen. In derUntersuchung desPanegyricus wurde auf die politische Funktion dieser Verbindung für denBeginn der traianischen Herrschaft hingewiesen: Wie Hercules Gaditanus von Spanien her kommend die Ur-Siedlung Roms vomUngeheuer Cacus befreit habe, so habe der ebenfalls aus Spanien stammende Traian das Rom seiner Zeit vomTyrannen Domitian befreit. Auch in derBehandlung desForum Traiani wurde deutlich, welch große, doch mittlerweile veränderte Rolle derHercules Invictus gerade in den Jahren nach den Dakerkriegen für die traianische Herrschaftsdarstellung besessen hatte.4 Nunaber, imsechsten Consulat, gewann amVorabend desparthischen Krieges das Ideologem des Heros, der die fernsten Weltgegenden durchdrungen hatte, noch einmal erheblich an Relevanz. In jenem Jahr, in dem das Traiansforum der Öffentlichkeit übergeben wurde und in dem auch alle Bauten
4
Hier hatte sich derKaiser mit demHeros insoweit verglichen, als beider Position in derWelt
aufgöttlichen Einfluss zurückgehe, nämlich auf dieZeugung beziehungsweise dieErwählung durch Iuppiter, und dass beide an der Peripherie der Zivilisation Großes vollbracht, wilde Länder undderen wilde Bewohner kultiviert hätten. In diesem Sinne waren dieDarstellungen des Hercules Invictus undseines Kultes an derAra Maxima zu verstehen. –Zuderbetonten Affinität zwischen Traian und Hercules siehe ausführlich im Kapitel zumPanegyricus den Von Spanien nach Germanien –Das Hercules-Paradigma“undim Kapitel Abschnitt 2.3.2 „ zumTraiansforum denAbschnitt 7 „ . Dertriumphierende Heros in derStadt“
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des Forum Traiani auf Münzen der Reichsprägung abgebildet wurden, setzte er-
neut die Prägung der Kultstatue des Hercules Gaditanus ein.5 Der Betrachter dieses restituierten Denars mit seiner Hercules-Büste sah sich also zeitgleich mit der massenhaften Emission von Aes-Stücken konfrontiert, welche allesamt eben die-
sen Hercules abbildeten undden Anspruch des Princeps verkündeten, demHeros in Taten undTugenden ähnlich zusein. Doch darüber hinaus bot die Desultoren-Darstellung auf der Vorderseite der restituierten Münze demtraianischen Betrachter eine Möglichkeit derAssoziation undsomit einen Weg zur Interpretation, die auf Kenntnisse des genauen historischen Prägeanlasses des republikanischen Originals nicht angewiesen war. Denn auch der Alltag nach demzweiten dakischen Krieg bis zur Einweihung des Forumshatte demstadtrömischen Publikum reiche Gelegenheit zuFestspielen geboten, umdieses Bild als eine Circusdarbietung zu identifizieren undsie mitjenen Ludi in Verbindung zubringen, die derKaiser anlässlich seiner Heimkehr undder Einweihung der Forumsbauten gegeben hatte. Vielleicht war die Assoziation, die der traianische Betrachter angesichts dieser Münze haben konnte, sogar noch präziser. Denn nicht nurdie einzelnen Aussagen von Averse undReverse, Hercules undCircusreiter, sondern auch deren spezifische Kombination scheint in traianischer Zeit eine Bedeutung besessen zu haben. Denn Traian hatte wahrscheinlich nach seiner Rückkehr ausdenDakerkriegen nach Romdie Ludi Herculei gestiftet, einen Agon zu Ehren des Hercules, der, wie erwähnt, in dieser Zeit besondere Bedeutung für die Herrschaftsdarstellung des Kaisers gehabt hatte.6 So bot also schon jedes Stück für sich genommen eine Fülle möglicher Bedeutungsfacetten, was schlichtweg an der Zahl potentiell Bedeutung spendender Elemente dieser Münzen lag; also etwa, wer der republikanische Münzmeister undwas der ursprüngliche Prägeanlass war; auf welches mythische oder historische Ereignis das Dargestellte Bezug nahm; ob es Elemente der Averse oder der Reverse waren, welche die Restitution gerade dieses Stückes veranlasst hatten; ob sich eine wichtige Aussage womöglich erst aus der Kombination der beiden Seiten ergab? Wie viel derBetrachter injedem Bild zu lesen imstande war, hing davon ab, wie weit er mit den großen Männern der Geschichte undihren Taten vertraut undwie sehr er imstande war, auch die zeitgenössischen Ideologeme unddie Taten des Optimus Princeps in diesen Bilder umschrieben zu sehen. Der Vergleich und die Kombination des Einzelstückes mit anderen Restitutionsmünzen konnte eine gewisse Hilfestellung für die Interpretation, doch auch eine Steigerung in der Komplexität der Aussage bedeuten. So zeigte etwa ein ebenfalls von Traian restituierter Denar, dessen Prototyp im Jahre 113/112 v.Chr. geprägt worden war, auf seiner Rückseite zwei kämpfende Gladiatoren.7 Der Betrachter mochte sich mit diesem Motiv vor Augen also darin bestätigt sehen, dass die Darstellung des Circusreiters in der Tat eine visuell verkürzte Darstellung dertraiani-
5 6
STRACK 1931, 217, Nr. 428, Taf.3. STRACK 1931, 134ff.
7
KOMNICK 2001, Nr. 6; CRAWFORD 1974, Nr. 241/1; ganz ähnlich ist auch Nr. 28; CRAWFORD 1974, Nr. 234/1.
KOMNICK
2001,
3. EINE METHODISCHE VORBEMERKUNG
425
schen Spiele sein sollte. Immerhin waren auch Gladiatoren bei diesen Spielen aufgetreten. Die traianischen Ludi bildeten also eine mögliche Schnittmenge der Aussagen dieser beiden Bilder, und die Lesung jedes einzelnen von ihnen war durch dasjeweils andere erleichtert. Doch der Betrachter brauchte seine Münze bloß von der Rückseite mit der Abbildung des Desultors auf die Vorderseite zu wenden und den Herculeskopf betrachten, umdie Komplexität der Aussage zu erhöhen. Suchte er nämlich auf den anderen Nummi Restituti nach weiteren Abbildungen des Heros, so stieß er auf einen Denar, der auf einen hier abgebildeten Prototyp des Jahres 47/6 v.Chr. zurückging.8 Auf ihrer Rückseite zeigte die traianische Restitution Hercules Invictus. Dies war für den Betrachter die nochmalige Bestätigung seiner Beobachtung, dass der Kaiser seine Affinität zum Heros betonte. Nachdem es ihmbei dervorangegangenen Münze gelungen war, die Einzelaussagen derBilder vonAverse undReverse, Hercules undCircusreiter, zu einer noch komplexeren Gesamtaussage zu verbinden, drehte er nun vielleicht auch diese Münze mitdemHercules Invictus herum, umhier gleichermaßen eine konzeptuelle Verbindung beider Seiten miteinander herzustellen. Auf der Vorderseite ist der Kopf der personifizierten Africa dargestellt, die eine Elefantenhauptkappe trägt. Neben ihr sind Pflug undKornähren dargestellt, offensichtlich eine Anspielung auf die reichen Erträge der Landwirtschaft in Africa. Der Betrachter vermutete nun womöglich, dàss Traian einen Zusammenhang zwischen dem unbesiegten Hercules –oder sich selbst, derja die ideologische Nähe zuHercules suchte –und der Kornversorgung des Reiches herzustellen suchte. Diese Überlegung konnte von zahlreichen anderen Restitutionsmünzen gestützt werden, die ebenfalls visuelle Chiffren für eine gelungene Kornversorgung sein konnten: etwa ein Getreidemaß, die Göttin Ceres und ein Pflügender.9 Letzterer ließ sich freilich ebenso mit der Erweiterung des Pomeriums durch Traian in Verbindung bringen, wie zu zeigen sein wird. Die Kombinationsmöglichkeiten scheinen unerschöpflich. Und so kann auch diese Studie zur Aussage der Restitutionsmünzen nur den Charakter von Prolegomena besitzen. Es kann lediglich darum gehen, auf Möglichkeiten der Interpretation hinzuweisen, nicht aber darum, eine umfassende Deutung des Systems zu bieten, welche alle Stücke gleichermaßen berücksichtigt. An dieser Stelle scheint ein methodisches Caveat angebracht. Die Interpretation der jeweiligen Stücke griffe erheblich zu kurz, erhöbe man den Anspruch, die Münzen hätten allein in einer ganz bestimmten, zeitlich sehr begrenzten Situation, wie etwa dem Jahre 112 als wahrscheinlichem Datum der Emission, Bedeutung besessen und hätten auch nur während einer kurzen Zeitspanne angemessen gedeutet werden können. Die Bilder und Bildprogramme der Nummi Restituti repräsentieren in visueller 8
KOMNICK
9
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2001, Nr. 39; CRAWFORD 1974, Nr. 461/1. 2001, Nr.20, 32, 43; CRAWFORD 1974, Nr. 378/1c, 427/2, 494/29.
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
Verkürzung eine Reihe von Ideologemen, welche in der einen oder anderen Form während der gesamten Regierungszeit Traians großen Einfluss besaßen. Es lässt sich aber in derZeit nach demzweiten dakischen Krieg, undeben ganz besonders im Jahre 112, eine ungeheure Fülle von Assoziationen konstatieren, die ein antiker Betrachter haben mochte, wenn er sich bemühte, die Aussagen der Restitutionsprägungen mit sonstigen Inhalten und Ausdrucksformen der Herrschaftsdarstellung, die er aus alltäglicher Erfahrung kannte, zu verknüpfen. Betrachten wir die nächsten Stücke.
4. DIE DARSTELLUNG VON REGIERUNGSAKTEN Im Folgenden soll exemplarisch das Zusammenwirken der Nummi Restituti mit denMünzen derReichsprägung undanderen Medien dertraianischen Zeit vorgeführt werden. Anhand einiger Beispiele wird deutlich werden, wieTraian mitHilfe derRestitutionsmünzen eine Reihe vonRegierungsakten ausdermittleren Phase seiner Herrschaft in Konkurrenz zu vergleichbaren Taten der Vergangenheit treten ließ. Hieran wird derAnspruch des Optimus Princeps, dashistorische Vorbildjeweils übertroffen zuhaben, Kontur gewinnen. Es geht umdie stadtrömische Wasserversorgung, die Eroberung Arabiens, die Erweiterung des Pomeriums sowie dasBauprogramm desForum Traiani.
4.1. DIE STADTRÖMISCHE WASSERVERSORGUNG
ZudenRestitutionsprägungen gehörte eine Münze, die auf ihrer Vorderseite einen männlichen Kopf mit Diadem zeigte, hinter welchem ein Lituus abgebildet war.1 Die Legende ANCVS identifiziert die dargestellte Person als den zweiten römischen König Ancus Marcius. Die Rückseite der Münze stellt eine Reiterstatue auf einem Bauwerk dar, welches durch die Legende AQUA MAR zwischen seinen Bögen als die Aqua Marcia identifiziert werden kann. Diesen Aquädukt hatte der Prätor Q.Marcius Rex zwischen den Jahren 144 und 140 im Auftrag des Senats gebaut.2 Die Aqua war aus der Beute von Karthago undKorinth finanziert worden undwarmitihren Kosten von45 Mio. Denaren das teuerste uns bekannte Bauwerk der Republik. Sie leitete frisches Wasser in die östlichen Quartiere, Capitol undPalatin, undihre Zweigleitungen versorgten weite Teile der Stadt. Die Bedeutung der Aqua Marcia für die Infrastruktur der Stadt warimmens. Der hier abgebildete republikanische Prototyp des vonTraian restituierten Denars wurde im Jahre 56 geprägt.3 Der Münzmeister verwies mit dieser 1 2 3
KOMNICK 2001, Nr. 29; CRAWFORD 1974, Nr. 425/1. ZurBaugeschichte derAquaMarcia siehe KOLB 1995, besonders 213ff. MATTINGLY 1926, 249 nimmt an, der verantwortliche Münzmeister sei L.Marcius Philippus, der Volkstribun des Jahres 49, gewesen undgelangt so zu einer Datierung des Prototyps in das Jahr 54; vergleiche BROUGHTON MRR2 (1952), 445.
428
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
Prägung auf bedeutende Marksteine seiner Familiengeschichte: auf König Ancus Marcius als den Stammvater seiner Gens undauf seinen nicht ganz so entfernten Vorfahren Q.Marcius Rex, der die ungeheuer wichtige Konstruktionsleistung der Aqua imDienste undzumWohle derRes Publica unternommen hatte.4 Auch Traian hatte im Rahmen seiner Cura umdie stadtrömische Wasserversorgung noch vor dem Jahr 106 die Aqua Marcia restaurieren lassen.5 Diese Arbeiten waren Teil eines groß angelegten Programms zumUnterhalt der Thermen und zur Trinkwasserversorgung sowie zum Schutz vor Überschwemmungen gewesen. Der Erfolg dieser Maßnahmen fand jedoch in dieser Phase seiner Regierung keinen Niederschlag in derMünzprägung. Im Jahre 109 ließ derKaiser zusätzlich die Aqua Traiana erbauen, wobei er betonte, diesen neuen Aquädukt eigenständig finanziert zu haben.6 Der Bau wurde auf Münzen der Reichsprägung –wie der hier abgebildeten –reflektiert, die im Zeitraum von frühestens 109 bis spätestens August 114 emittiert wurden.7 Diese Prägungen bilden mitderBeischrift AQUA TRAIANA dasNumen derWasserleitung ab, dasin der Manier eines Flussgottes abgebildet ist: Die halbnackte männliche Gestalt lagert sich nach links hin. Sie hält ein Schilfrohr in der rechten Hand und lehnt sich an einen Krug mit ausfließendem Wasser. Die Szene ist in einem Nymphäum dargestellt, wahrscheinlich demarchitektonischen Abschluss der Aqua Traiana. Darauf deutet der Bogen hin, der von zwei Säulen getragen das Numen überspannt. Un-
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6 7
SEHLMEYER 2000, 275 f. vermutet in derabgebildeten Reiterstatue das Bildnis des Q.Marcius Tremulus, des Siegers über die Herniker i.J. 306 v.Chr. Dieses Standbild befand sich laut Cicero Phil.6.13 auf demForum Romanum vordemCastortempel. L.Marcius Philippus hätte in diesem Falle eine visuelle Verbindung aus Aquädukt undReiterstatue hergestellt, die in der Realität so nicht vorkam. Frontinus aq. 2.87, 2.93; DEMAN 1934; FELL 1992, 154. Anhand der dabei verwendeten Ziegel sind diese baulichen Verbesserungen nachweisbar. Der Kaiser verbesserte außerdem den Durchlauf desAnio Novus undregulierte denTiber (CIL VI 964). Vergleiche Plin.ep. 8.17 zu Überschwemmungen trotz dieser Maßnahmen. BENNETT 1997, 152; SMALLWOOD 1966, Nr. 22, 382. –Siehe CIL VI 1260 = ILS 290 aus Veii: Aquam Traianam pecunia suain urbem perduxit emptis locis perlatid p XXX.
RIC Nr. 463f., 607ff; BMC Nr. 873– 876, 918+, 959+, 975f., 996A, 1008; STRACK 1931, 192ff., Nr.407, 417, 421, Taf.7. –DerBeginn derPrägung dieses Typs fällt in denZeitraum
desfünften Consulats Traians, welcher die Jahre 103 bis 111umfasst.
Anhand
vonStilkrite-
rien (Porträt Traian δ 1 nach STRACK 1931) lässt sich jedoch feststellen, dass die Münzen nicht eher als 108/9 emittiert wurden. Dieser Befund korrespondiert mit der Datierung der Baumaßnahme auf der Bauinschrift. Die Münzen wurden demnach erst nach derEinweihung
desBauwerks ausgegeben. WEISER 2000 merkt an, dass die Prägungen der Aqua Traiana Teil jener Emission mit ausführlichen Rückseiten-Legenden seien. Wegen des epigraphisch überlieferten Datums von 109 für die Einweihung des Bauwerks datiere mithin auch diese Umstellung des Münzprogramms wohl in dasJahr 109.
4. DIE DARSTELLUNG VONREGIERUNGSAKTEN
429
terhalb der Gestalt wird die Begrenzung des Bassins, in welchem sie lagert, von Wasserrinnsalen überflossen.8 Die Aqua Traiana wurde am 24. Juni des Jahres 109 eingeweiht, zwei Tage nach den Thermae Traiani. Diese beiden Maßnahmen sind nicht voneinander zu trennen, denn die Aqua Traiana gewährleistete die Wasserversorgung der Thermae Traiani.9 Laut Aussage der Fasti Ostienses sollte der neue Aquädukt jeden Teil der Stadt mit Wasser versorgen. Das Wasser wurde vom Lacus Sabatinus zum Ianiculus transportiert. Diese Aqua war zwar bereits die zehnte nach Rom führende Großwasserleitung, doch es war erst die zweite, die auch dendicht bevölkerten Bezirk Trans Tiberim direkt mit frischem Wasser versorgte. 57 kmlang, speiste die Aqua Traiana ein Reservoir an der Via Aemilia undvielleicht ein Reservebecken der Thermae Traiani auf der anderen Seite des Flusses. Die kaiserliche Baumaßnahme stellte also eine erhebliche Verbesserung derstädtischen Infrastruktur dar, unddieDarstellung ihres Numens wurde massenhaft in vorzugsweise kleinen Aes-Nominalen, den Zahlungsmitteln des täglichen Gebrauchs, ausgemünzt undentfaltete so wegen ihrer Streuung über mehrere Jahre hinweg unerhörte Breitenwirkung.10
Als die Restitutionsmünze mit dem Bild der Aqua Marcia emittiert wurde, war also seit jüngster Zeit eine Vielzahl von Reichsmünzen im Umlauf, die auf den Bau der Aqua Traiana hinwiesen. Die Aussagen beider Medien ergänzten sich somit. Der Betrachter des restituierten Denars mochte sich daran erinnern, dass auch Traian noch vor wenigen Jahren die Aqua Marcia hatte umfassend restaurieren lassen. Er konnte erkennen, dass derPrinceps ganz in republikanischer Tradition seiner Cura umdie Wasserversorgung nachkam. Darüber hinaus aber warder Betrachter täglich mit Reichsmünzen konfrontiert, welche die Aussage der Restitutionsmünzen noch steigerten. Denn der Princeps hatte nicht allein den technischen Standard der Aqua Marcia wiederhergestellt; Traian hatte sogar die neue Aqua Traiana gebaut, unddies ganz aus eigenen Mitteln, wie die Inschriften entlang ihres Weges betonten. Die Popularität dieser Maßnahme war immens. Schließlich sicherte sie nicht allein die Frischwasserversorgung von Trastevere, sondern gewährleistete weit darüber hinaus gerade auch denWasserbedarf derneu erbauten, bis dahin größten Thermen derStadt. In ihrem jeweiligen Nutzwert entsprachen Aqua Marcia undAqua Traiana einander. Doch durch die bauliche Einheit undgleichzeitige Einweihung von Aqua Traiana undTraiansthermen wurde 8
9 10
Anders als BENNETT 1997, 152 mutmaßt, handelt es sich bei der Darstellung nicht umeinen , wie der architektonische Schmuck der künstlich gestalteten „river godreclining in a grotto“ Umgebung beweist. Auch KUHOFF 1993, 149 und Anm. 30 vermutet eine Quellgottheit in einer Grotte. HILL 1985, 86 sieht in der Gestalt den Genius der Wasserleitung. Die exakte Beschreibung bei STRACK 1931, 193f. ist jedoch dazu geeignet, jede Diskussion zugunsten derdort plausibel vorgetragenen Deutung zubeenden. 545, besonders 542 und 161 mit Abb.21. –Die erste FrischSiehe hierzu KOLB 1995, 539– wasserleitung in diesen Stadtteil war die Aqua Alsietina in augusteischer Zeit gewesen. – Vergleiche Chr.BRUUN (1993) in: LTUR 1, s.v. ‚AquaTraiana‘, 70ff. LÜMMEL
1991, 93.
430
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
der Eindruck der kaiserlichen Cura umdie stadtrömische Wasserversorgung noch erheblich gesteigert durch die Demonstration außergewöhnlicher Liberalitas des Herrschers. In der Republik waren die Betätigungsfelder stadtrömischer Cura auf Vertreter der verschiedenen Familien verteilt gewesen. Im Principat aber hatte der Kaiser sämtliche dieser Aufgaben übernommen. Er allein warzuständig für denUnterhalt und den Ausbau der städtischen Infrastruktur. Auch die großen Projekte zum Bau von repräsentativen Freizeitstätten hatte er für sich monopolisiert. Die senatorische Konkurrenz warausgeschaltet. Die Emission vonAqua Traiana und Aqua Marcia in Reichsprägung undRestitutionsmünzen ist ein deutlicher Hinweis auf Traians Bestreben, diese Taten vergleichbar zumachen undals Resultat dieses Vergleichs seine herrscherliche Imago als den Kulminationspunkt vergangener Taten und Tugenden, hier der republikanischen Cura, darzustellen. Der Kaiser konnte für sich in Anspruch nehmen, die republikanischen Leistungen übertroffen zuhaben. Die Assoziationen, die ein stadtrömischer Beobachter bei derBetrachtung des restituierten Aqua-Marcia Denars haben mochte, gingen allerdings noch erheblich weiter. Wie gesehen, war auf der Münze eine Reiterstatue zu sehen, wahrscheinlich die des Q.Marcius Rex. Außer diesem Stück war in der Serie der Restitutionsmünzen noch eine weiter Reiterstatue dargestellt. Diese hier abgebildete Restitution hatte eine Prägung aus dem Jahre 12 v.Chr. zum Vorbild, die auf ihrer Vorderseite den Kopf des Augustus, auf ihrer Rückseite ein Standbild des M.Agrippa zu Pferd zeigte.11 Nun besaß der Visiotyp der Reiterstatue um das Jahr 112 herum eine ungeheure Prominenz im römischen Stadtbild und in der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung. Es wardie Zeit, in derdas Traiansforum eingeweiht wurde, undinmitten der Platzanlage stand der monumentale Equus Traiani.12 Zu eben jener Zeit, nämlich während des sechsten Consulats des Optimus Princeps, wurde die Abbildung dieses traianischen Reiterbildes massenhaft in allen Metallen der Reichsprägung emittiert.13 Auch hier sehen wir also die Parallelität derBildsprache vonrestituierten Stücken undsonstiger stadtrömischer Münzprägung. Doch einen viel größeren Eindruck als die Reichmünzen, die denEquus Traiani abbildeten, musste auf den Betrachter der restituierten Denare jener Equus selbst machen, der im Zentrum Roms sein Publikum zu einem Vergleich mit entsprechenden Standbildern der Vergangenheit aufrief. Allein schon wegen seiner 11 Dieses steht auf einem Sockel, in den Rostra eingefügt sind; KOMNICK Nr. 50; RICAug. 412. 12 Siehe hierzu im Kapitel zum Traiansforum den Abschnitt 6.2.3 „Equus Traiani –stabulum tale condi iubeto, si vales“–Die Platzanlage des Forums und die Basilica Ulpia konnten bereits imJanuar 112 derÖffentlichkeit zeremoniell übergeben werden, während die Säule erst im Mai 113 geweiht wurde. Fasti Ostienses bei SMALLWOOD 1966, 32, Z.63, 66; DEGRASSI Inscr.Ital.XIII 1.201, 203. 13 STRACK 1931, 207, Nr. 196, Taf.3; 432, Taf.8.
4. DIE DARSTELLUNG VONREGIERUNGSAKTEN
431
Monumentalität, die für Reiterbilder bis dahin unbekannt war, undvor allem wegen seiner Einbettung in dengewaltigen architektonischen Komplex des kaiserlichen Forums, war für alle Betrachter deutlich, dass Traian mit diesem Standbild sämtliche Vorgänger bei weitem übertroffen hatte, die sich jemals in dergleichen Form hatten darstellen lassen. Der kundige Beobachter wusste womöglich noch, aufgrund welches Sieges Agrippa einst vonAugustus mitdiesem Reiterbild geehrt worden war, doch ein Vergleich dieser Statue mit dertraianischen schien nahe zu legen, dass diedakischen Siege desOptimus Princeps erheblich größer seien.
4.2. DIE ANNEKTION ARABIENS Dass Traian denVergleich seiner eigenen Taten mit denrepublikanischen Errungenschaften evozierte, um aus dieser konstruierten Agonalität als Sieger hervorzugehen, wird besonders deutlich amBeispiel der Annektion Arabiens. Unter den Restitutionsprägungen befindet sich nämlich ein Denar, dessen Prototyp in das Jahr 58 v.Chr. datiert.14 Auf ihrer Vordersei-
te bildet diese republikanische Münze einen knienden Mann ab, der ein Dromedar am Zügel hält undeinen Olivenzweig nach oben darbietet. Durch die Beischrift im Abschnitt ist dieser Mann als REX ARETAS zu identifizieren. Die Münze zeigt seine Unterwerfung. Die Legende besagt M SCAVR AED CVR EX S C. Die Rückseite zeigt Iuppiter in einer Quadriga, wobei unter denPferden ein Skorpion zu sehen ist. Die Umschrift hier lautet P HYPSAE AED CVR und C HYPSAE COS PREIVE CAPTV.
Während mit der Rückseite der Münzmeister P.Hypsaeus an die Einnahme der Stadt Privernum durch seinen Vorfahren, dem Consul C.Hypsaeus, im Jahre 329 v.Chr. erinnerte, deutete die Vorderseite auf ein erst kurze Zeit zurückliegendes Ereignis. Der curulische Aedil M.Aemilius Scaurus wies als zweiter verantwortlicher Münzmeister des Jahres darauf hin, dass er 63 v.Chr. als Quaestor des Pompeius die Unterwerfung des arabischen Königs Aretas entgegengenommen hatte. Scaurus vermied aberjeden Hinweis, dass dies damals kein wirklicher Sieg gewesen war, obwohl Nabatäa dadurch zum Klientelkönigreich geworden war, eine einmalige Tributleistung von 300 Silbertalenten hatte entrichten müssen und Pompeius diese Aktion als eine seiner Eroberungen gefeiert hatte.15 Scaurus war als der Proquaestor des Pompeius mit zwei Legionen in Syrien zurückgelassen 14
KOMNICK Nr.
27; CRAWFORD 1974, Nr. 422/1b.
15 Plut.Pomp.45.2; Plin.nat.hist.7.97; Flav.Ios.ant.Iud.14.80ff.; Zonaras 10.5. –Zum Folgenden 40. siehe ausführlich FUNKE 1989; BADIAN 1980, 124f.; BOWERSOCK 1983, besonders 28–
432
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
worden, als dieser nach Romzurückkehrte. Nachdem Aretas zuvor demPompeius gehuldigt hatte, warderPlan einer Annektion Nabatäas wohl wegen derjüdischen Expedition wieder fallen gelassen worden. Scaurus griff jedoch wenig später Nabatäa in eigener Verantwortung an. Der Erfolg dieser A tion wollte sich allerdings nicht wie gewünscht einstellen.16 Die Unbill des Landes unddie Schwierigkeiten eines Wüstenkrieges waren in der römischen Planung schlichtweg unterschätzt worden. Scaurus musste die vermittelnde Hilfe des Antipatros aus dem jüdischen Herrscherhaus in Anspruch nehmen, um den verlustreichen Krieg mit einem ausgehandelten Frieden zu beenden. Im Jahre 58 v.Chr. prägte er schließlich denoben beschriebenen, die Ereignisse verzerrenden Denar. In derFolge des Sieges, oder vielmehr des Waffenstillstands, gab es nurwenige römische Eingriffe in die Angelegenheiten des Klientelkönigreiches. So scheiterte etwa ein Versuch des Augustus im Jahre 26 v.Chr., die Handelswege in dieser Gegend unter seine Kontrolle zu bringen; durch seinen Einfluss auf diese Routen profitierte Nabatäa weiterhin ungeheuer vom römischen Fernhandel mit demOrient. Nachdem unter Domitian in denJahren 92/93 die Grenzen des Reiches im östlichen Mittelmeergebiet ausgedehnt worden waren, stellte dasNabatäerreich nurmehr die einzige Lücke in der römischen Herrschaft über die Küstenzone des Mittelmeers und deren Hinterland dar. Doch in Reaktion auf Wirren nach demTodvonKönig Rabbel ließ Traian dasnabatäische Arabien imFrühjahr des Jahres 106 durch römische Truppen besetzen.17 Den Befehl bei dieser Aktion führte A. Cornelius Palma Frontonianus, der Statthalter Syriens. Arabia wurde in der Folgezeit als eine prätorische, demPrinceps unterstehende Provinz organisiert. Als erster Statthalter ist bereits fürMärz 107 C.Claudius Severus bezeugt. Für seine militärischen Erfolge erhielt Cornelius Palma die Triumphalinsignien verliehen, undes wurde ihm eine Bronzestatue auf demAugustuslorum aufgestellt.18 Trotz dieses öffentlichen Hinweises auf eine militärische Aktion undder Aussage des Cassius Dio, Arabia sei unterworfen worden19, wurde dasEreignis in der Münzprägung als eine friedliche Hinzugewinnung zum Gebiet des Reiches reflektiert. ARAB(ia) ADQ(uisita) besagte die Legende jener Reichsmünzen, die während derJahre von frühestens 109 bis spätestens August 114 in allen Nominalen massenhaft emittiert wurden.20 Auf diesen Münzen, wie der hier abgebildeten,
16 BADIAN 1980, 125 nennt dies „offene Räuberei“ . 17 Siehe hierzu BENNETT 1997, 172– 182; BRUUN 1992. 18 Cassius Dio68.16.2. –Zumeiner Ablehnung derAnnahme, diese Statue sei Cornelius Palma auf demTraiansforum errichtet worden, siehe im Kapitel zumTraiansforum denAbschnitt 6.2.3 „Equus Traiani –stabulum tale condi iubeto, si vales“ . 19 Cassius Dio 68.15.1. –Zu Ausmaß und Charakter des Feldzuges in Arabien siehe SPEIDEL 2002, 35f.
20 Mit dieser
Datierung ist der Zeitraum von der Umstellung der Rückseitenlegenden während des fünften bis zum sechsten Consulat umrissen. Die Umstellung während des Zeitraums COSV wurde, wieoben imAbschnitt zurAqua Marcia erläutert, sehr wahrscheinlich imJahre 109 vorgenommen. ZudenStücken selbst siehe STRACK 1931, Nr.408ff. (COS V), Nr. 422f. (COS VI) sämtlich AE-Nominale; Nr. 153 (COS V) AV/AR; Nr. 174 (COS VI) AR. Zahlreiche weitere Zeugnisse bei LUMMEL 1991, Anm. 580.
4. DIE DARSTELLUNG VONREGIERUNGSAKTEN
433
ist die Personifikation der Arabia in aufrechter Haltung stehend undkeineswegs imKlagegestus dargestellt. Vielmehr hält sie die wichtigsten Exportprodukte ihres Landes in der Hand: ein Bündel von calamus odoratus zur Herstellung von Kos-
metika, Medikamenten oder Drogen und einen Zweig vom Myrrhenbaum oder Boswellia-Strauch zur Weihrauchgewinnung.21 Neben ihr steht ein Dromedar, welches denKarawanenhandel symbolisiert. Es warein singulärer Vorgang, eine Provinz von ihrer ersten Darstellung auf Münzen annicht als besiegt, sondern als befriedet abzubilden. Die Provinz Arabia wareben nicht capta oder gar victa. Sie warnicht einmal pacata, wasja auch einenvorangegangenen Krieg impliziert hätte. Sie waradquisita, sie warerworben, dem Reich hinzugewonnen. Die militärische Eroberung durch Cornelius Palma wurde dadurch ausgeblendet.22 Zudem war die Personifikation der Provinz mit drei herausragenden Gütern des Landes dargestellt, deren Nutzen für Romnungesichert war. Zweierlei Ressourcen für die Herstellung von Luxuswaren und das Dromedar als Symbol eines blühenden Karawanenhandels demonstrierten die Prosperität Arabias im römischen Reich. Gerade durch den nun reibungslosen Ablauf des römischen Fernhandels mit dem Orient unddie Tatsache, dass dieser nicht länger dennabatäischen Kontrollen undZöllen unterworfen war, dürfte das Reich gewaltig von dieser Annektion profitiert haben.23 Bereits unmittelbar nach der Besetzung wurde die Fernverbindung zwischen Syrien unddem Roten Meer gut ausgebaut und zugleich ein System von Befestigungen und Überwachungsstationen angelegt, welche die Karawanenroutenunddiewichtigen Wasserstellen zubeaufsichtigen hatten.24 Indem Traian den Denar des Aemilius Scaurus restituierte undseine eigenen ARAB(ia)-ADQ(uisita)-Münzen emittierte, wurden die beiden Nabatäa-Feldzüge vergleichbar. DerKaiser stellte seine eigene Tat in eine republikanische Tradition, indem er an die großen Kriegstaten des Pompeius in dieser Region erinnerte. Doch imVergleich dazu konnte derKaiser für sich dengrößeren Erfolg beanspruchen. Denn erst Traian hatte der Besteuerung der Fernhandelsrouten ein Ende Bereits vor derUmstellung derRückseitenlegenden warein identischer Bildtyp dieser Personifikation ohne Beischrift geprägt worden (STRACK 1931, Nr. 153, AV/AR, Taf.2). Doch erst ab 109erhielt diese Darstellung eine sie erläuternde Legende. Nachdrei Jahren erst wurde der Sieg desJahres 106 inderMünzprägung explizit gemacht.
21 WEISER 2002. 22 Ein Beispiel fürdie ikonographische
Entwicklung einer Provinz vomunterworfenen Feindes-
land zum prosperierenden Teil des Imperiums ist die Abfolge der traianischen DACIAPrägungen. lässt auch Cassius Dio 68.15.1 den Kaiser nach seiner Rückkehr nach Romzahlreiche Gesandtschaften empfangen, von denen der Historiograph jene der Inder eigens hervorhebt. Hier ist die Relevanz des römischen Fernhandels mit Luxusgütern vomundzumOrient reflektiert, dernunnach derEingliederung Nabatäas reibungsloser als zuvor verlief. DenIndern als einem derHauptlieferanten vonexklusiven Gütern kamhierbei besondere Bedeutung zu.
23 Daher
24
CHRIST
1992, 303.
434
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
bereitet und dem Reich die Provinz Arabia hinzugefügt. Damit hatte der Kaiser jenen unbefriedigenden Zustand behoben, derauf derMünze desJahres 58 v.Chr. als Sieg verkündet worden war. Traian entsprach den republikanischen Anforderungen nach militärischer Virtus also nicht nur, er übertraf sie noch. Die Zusammenschau von Reichsmünze und Restitutionsprägung besagte zudem, dass der
Kaiser die Provinz nicht nurerfolgreich erobert hatte, sondern sie zu ihrem eigenen Wohl und vor allem zum Wohle Roms prosperieren ließ. Wiederum beanspruchte Traian, republikanische Taten undTugenden in seiner Person gesteigert zu haben. Militärischer Virtus fügte er den konstruktiven Aspekt imperialer Cura
für das Wohl des Reiches hinzu.25
Dieses Ideologem, nicht alleine ein Eroberer, sondern auch ein Befrieder, nicht nureinZerstörer, sondern auch ein Kulturbringer zusein, hatte Traian schon in der frühesten Phase seiner Regierung darstellen lassen, als er im Jahre 98 die bis dahin einzigartige Darstellung einer befriedeten Germania hatte prägen lassen.26 Mit diesem Bild und seinem goldenen Prägematerial27 hatte der Kaiser die Konsolidierung der germanischen Grenze und die Prosperität dieser Region des Reiches betont undzugleich versichert, es bestehe nicht länger die Notwendigkeit, eine Eroberung jenseits des Rheins voranzutreiben.28 Doch gerade im Jahre 112 erhielt dieses Ideologem in derReichsprägung noch einmal ungeheure Prominenz. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass in den Jahren nach dem zweiten Dakerkrieg die Personifikation dieses eroberten Landes auf Münzen in einem Klageschema abgebildet worden war, das zujenem Zeitpunkt in der römischen Reichsprägung schon seit Jahrzehnten etabliert war. Dann aber, ab demJanuar 112 und somit zeitgleich mit der Eröffnung des Forum Traiani für die Öffentlichkeit, wurde ein völlig anderer Bildtypus in der Reichsprägung emittiert, der bis dahin eben-
25 Diese Botschaft wurde auch vonInschriften
bestätigt, welche verkündeten: „Imperator Caesar Nerva Traianus......der Vater des Vaterlandes hat dadurch, dass er Arabien zur Provinz machte, einen neuen Weg von den Grenzen Syriens zumRoten Meer eröffnet undihn durch seinen Statthalter C.Claudius Severus als Straße ausbauen lassen.“(so etwa CIL III
Suppl.14.149 = DESSAU ILS 5834). Darstellungen hatten am Anfang seiner Regierung den Zweck erfüllt, seine bis dahin noch nicht konkret nachgewiesene Imago des siegreichen Feldherm zu nuancieren und den geplanten Krieg ander Donaugrenze programmatisch vorzubereiten. Mitdiesen Münzen hatte Traian jene Stücke des Domitian kontrastiert, welche eine Niederwerfung Germaniens über Jahre hinweg betont hatten und die sich immer noch massenhaft im Umlauf befanden. Auf diesen Stücken saßdiepersonifizierte Germania imKlagegestus aufderErde über einem zerbrochenen Speer; RICDomitian 177, Nr. 202 mit Taf.5.79. –Siehe hierzu im Kapitel „ Vom Rhein nach Rom“ denAbschnitt 9.2 „ . Die Befriedung Germaniens“ Die Tatsache, dass diese Darstellung der Germania Pacata vornehmlich auf Aurei geprägt worden war, grenzt sie deutlich vondendomitianischen Stücken ab, welche die vermeintliche Unterwerfung Germaniens abbildeten. Das kostbare Prägemetall war geeignet, symbolisch denFortschritt unddie Prosperität derProvinz zubeweisen Dieses Ideologem desKaisers als Befrieders undKulturbringers warunmittelbar darauf inder zeitgenössischen Literatur emphatisch rezipiert worden. Siehe etwa Martial 10.7 und die Germania desTacitus; hierzu nimmt das Kapitel „ imAbschnitt 8.3 VomRhein nach Rom“ Die Germania“ausführlich Stellung. „
26 Diese
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28
4. DIE DARSTELLUNG VONREGIERUNGSAKTEN
435
falls ohne Vorbild gewesen war: die DACIA AVGVST(i) PROVINCIA.29 Diese Stücke bildeten die personifizierte Provinz ab; eine Legionsstandarte im Arm, inmitten spielender Kinder undmit dentypischen Produkten des Landes, Trauben undÄhren. Die Aussage der Stücke war, dass Dakien nach seiner militärischen Unterwerfung und der anschließenden Kultivierung des Landes durch die römischen Legionäre nunprosperieren könne. Die Verknüpfung des von Traian restituierten Denars des Aemilius Scaurus mit seiner Reichsmünze derARABIA ADQUISITA, welche die Wohlfahrt der Provinz betonte, muss daher im Zusammenhang deszurgleichen Zeit betonten Prosperierens derProvinz Dacia gesehen werden. Wenden wirunsnoch einmal jenem restituierten Denar zu,derdenRex Aretas bei seiner Unterwerfung abbildet. Denn die Assoziationen, die ein Betrachter dieser Münze und der restlichen Restitutionsmünzen haben konnte, gingen noch weiter. Die traianische Serie umfasste nämlich eine Reihe von Prägungen, deren Bilder mit der Darstellung des um Frieden bittenden Königs derNabatäer gemeinsame Bildelemente und Aussagen hatten. Zunächst handelt es sich hierbei um einen restituierten Denar, dessen hier abgebildeter Prototyp im Jahre 62 v.Chr. geprägt worden war. Die Rückseite dieser Münze zeigt L.Aemilius Paullus mit seinen Kindern, die in Begleitung des unterworfenen Königs Perseus, dessen Arme auf demRücken gefesselt sind, umein Tropaion herum stehen.30 Die zweite der erwähnten Münzen restituiert die hier abgebildete Prägung des Faustus Sulla aus demJahre 56 v.Chr.31 Ihre Reverse zeigt dessen Vater Sulla Felix auf einem Podium sitzend, zu dessen rechter Seite der gefangene Iugurtha mit auf dem Rücken gebundenen Händen kniet, während zu seiner Linken derebenfalls auf die Knie gefallene König Bocchus Sulla einen Olivenzweig entgegenstreckt. Somit wurden in der Serie dertraianischen Restitutionsmünzen drei Unterwerfungsszenen ausderrepublikanischen Vergangenheit Roms dargestellt. Darüber hinaus zeigte auch einer der
29 Siehe
hierzu undzumFolgenden mit den entsprechenden Abbildungen im Kapitel zumTraiansforum den Abschnitt 6.5.3 „ civilis miles –Die Imago des Bürgersoldaten“–STRACK 1931,
30 31
963, 990. 207 ff., Nr.435, Taf.7.8; RICNr.621ff.; BMCNr.960– 2001, Nr. 24; CRAWFORD 1974, Nr. 415/1. KOMNICK 2001, Nr. 30; CRAWFORD 1974, Nr. 426/1. –Diese Szene zeigt die Auslieferung Jugurthas durch Bocchus an Sulla, wie Bocchus sie auf Tafeln habe darstellen unddiese auf demCapitol aufstellen lassen undwie sie das Motiv von Sullas Siegelring gewesen sein soll; Plut.Marius 10, 32; Sulla 3, 6; praec.rei.p.ger.806d; Valer.Max.8.14.4; Plin.nat.hist.37.8. KOMNICK
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
restuituierten Aurei Vespasians auf seiner Rückseite ein Tropaion, vor dem ein Gefesselter in derbeschriebenen Weise kniet.32 Nunbesaß im Jahre 112 der Visiotyp des unterworfenen Feindes unddes gebundenen Supplikanten aber ungeheure Aktualität. Tatsächlich brauchte ein antiker Betrachter zudieser Zeit weder Aretas, Perseus noch Iugurtha auf denRestitutionsdenaren identifizieren zu können, um eine Parallele zu seiner eigenen Gegenwart herstellen zu können. Schließlich schauten die vielfarbigen Statuen gefesselter Daker in dutzendfacher Ausfertigung auf das Publikum des Forum Traiani herab und prägten deren Wahrnehmung der gerade neu eröffneten Anlage. Außerdem befanden sich zu dieser Zeit immer noch massenhaft Münzen im Umlauf, die in zahlreichen Typen, etwa dem hier abgebildeten, gefesselte Daker und die gebundene Personifikation derneugeschaffenen Provinz Dacia zeigten.33 DerKaiser setzte sich also auch hier in Bezug zur republikanischen Vergangenheit, undAspekte seiner auf demForum Traiani dargestellten Sieghaftigkeit spiegelten sich in denvonihmrestituierten republikanischen Münzen wider.
4.3. DIE ERWEITERUNG DES POMERIUM Ein anderer dervonTraian restituierten Denare, dessen Rückseite hier abgebildet ist, besaß sein Vorbild in einem republikanischen Serratus, derimJahre 81 v.Chr. geprägt worden war. Die Münze zeigt einen Pflügenden, der einen zweispännigen Pflug lenkt.34 Das Original spielte auf Städtegründungen an, wahrscheinlich auf die des Sertorius in Spanien. Wiederum finden wir eine Parallele zu dieser Darstellung auf einer ganz ähnlichen Münze, die Traian im
Rahmen der Reichsprägung während seines fünften Consulats emittieren ließ.35 Deren Reverse, die auf der folgenden Seite abgebildet ist, zeigt den Kaiser, der capite velato hinter einem Zweigespann mit Ochse undKuhschreitet. Die priesterliche Tracht verbunden mitdercharakteristischen Kombination derbeiden Zugtiere weist darauf hin, dass hier die Zeremonie desprimus sulcus abgebildet ist, jenes rituellen Ziehens derersten Furche bei der Gründung von Städten und Kolonien. Durch diesen Akt wurde die geheiligte
32
33
34
KOMNICK, Nr. 64f.; RIC 826f. –Hinzu kamen noch andere restituierte Darstellungen eines Gefangenen amFuße eines Tropaion; siehe etwa KOMNICK 2001, Nr.67– 69, Hybride a-c. Das abgebildete Stück ist RIC99. Eine weiteres Beispiel, RIC96, findet sich imKapitel zum Traiansforum im Abschnitt 6.5.3 „ civilis miles –Die Imago des Bürgersoldaten“ . Die Abbildung einer derDakerstauen ist imgleichen Kapitel imAbschnitt 6.4 „Dakerstatuen –exempla servitutis“ . KOMNICK 2001, Nr. 20; CRAWFORD 1974, Nr. 378/1c.
35 BMCNr. 829f.; STRACK 1931, 129f., Nr. 384.
4. DIE DARSTELLUNG VONREGIERUNGSAKTEN
437
Stadtgrenze definiert, das Pomerium. Die Aussage dieses Bildes ist umstritten. Wurde hier die Gründung von Kolonien in Dakien symbolisiert, oder nahm die Darstellung darauf Bezug, dass Traian nach den Dakerkriegen im Jahre 106 das hauptstädtische Pomerium erweitert hatte?36 Beide Ansichten lassen sich mit guten Argumenten vertreten. So hatte unmittelbar nach Abschluss deszweiten dakischen Krieges Terentius Scaurianus imJahre 107 die Hauptstadt desDecebalus, Sarmizegetusa, in die Colonia Dacica überführt. Mit dieser Koloniegründung sollte die Metropole der ebenfalls neukonstituierten Provinz entstehen.
Dies war ein wichtiger, zu gleichen Teilen symbolischer und praktischer Schritt gewesen, um das Ende der Eroberungen anzuzeigen unddie Romanisierung zu beginnen.37 Angesichts des traianischen Ideologems, den Kaiser undseine Legionäre nicht allein als Eroberer, sondern gerade auch als Kulturbringer darzustellen,38 wird erkennbar, dass die rituelle Gründung einer neuen Provinzhauptstadt als ein Akt von solch infrastruktureller undprogrammatischer Relevanz gelten konnte, dass manihn auf Münzen der Reichsprägung mit gutem Grund hätte darstellen können. Doch auch die Hypothese, die Abbildung des Kaisers amPfluggespann habe an die traianische Pomeriums-Erweiterung im Jahre 106 erinnern sollen, vermag zuüberzeugen. Die Ausdehnung des Pomeriums war ein Akt, der sakrale Fürsorge undkriegerischen Erfolg miteinander verband. In traianischer Zeit wurde es als eine seit jeher schon etablierte undunabdingbare Voraussetzung für die Erweiterung dergeheiligten Stadtgrenze angesehen, die Reichsgrenzen zuvor mit militärischen Mitteln ausgedehnt zu haben.39 Eben diese Voraussetzung hatte Traian in Dakien herausragend erfüllt; seine Eroberung wurde zumMittelpunkt seiner Herrschaftsdarstellung der folgenden Jahre.40 Mansollte diese beiden Deutungsvarian36
37 38 39
40
LUMMEL 1991, 86f. –CILVI 1231; SHA Aur.21.10f.: (10) Pomerio autem neminem principum licet addere nisi eum, qui agri barbarici aliqua parte Romanam rem p. locupletaverit. (11) Addidit autem Augustus, addidit Traianus, addidit Nero, subquoPontus Polemoniacus et
Alpes Cottiae Romano nomini sunt tributae. Die ausführliche Erklärung zu Nero magdarauf zurückzuführen sein, dass es aufgrund eines Stranges in der Überlieferung zu Nero als Tyrann nicht ersichtlich gewesen sein mag, dass diesem eine Erweiterung der geheiligten Stadtgrenze zugestanden habe. Zudem galt Nero, anders als Augustus undTraian, in der Tradition der nächsten Generationen nicht als großer Eroberer. Eine solche Erklärung undRechtfertigung seiner Tatwaralso angebracht. Siehe STROBEL 1984, 222– 225 zurRomanisierung desunterworfenen Landes. Siehe hierzu vorallem auch imKapitel zumTraiansforum denAbschnitt 6.5.3 „civilis miles – . DieImago desBürgersoldaten“ Tac.ann.12.23.2: „ Et pomerium urbis auxit Caesar (i.e. Claudius), more prisco, quo iis, qui protulere imperium, etiam terminos urbis propagare datur.“–STRACK 1931, 130 Anm. 514 hält diese Rechtfertigung einer Erweiterung des Pomeriums Roms für eine antiquarische Erfindung aus claudischer Zeit. Das heißt aber nicht, dass eine solche Erklärung keine Wirkungsmacht in traianischer Zeit besessen hätte. Die zitierten Worte destraianischen Historiographen Tacitus legen ja gerade davon Zeugnis ab. Diese Vermutung wird noch vonzwei Beobachtungen gestützt, dass nämlich ein identisches Münzbild des derart pflügenden Kaisers auch unter Commodus mit der Legende HERC(uli)
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
ten als ein Beispiel für die Polysemie römischer Bildaussagen ansehen. Die Reichsmünze wies wohl nicht allein auf die Koloniegründung Traians in Dakien nach demEnde deszweiten Krieges hin, sondern eben auch auf die stadtrömische Pomeriums-Erweiterung im Jahre 106. Beide Akte fanden zu etwa derselben Zeit statt. Zudem waren die Ausdehnung des Reiches nach Dakien unddessen kulturelle Durchdringung, wozu auch die Gründung der Kolonie gehörte, überhaupt erst die Voraussetzung für die Erweiterung des stadtrömischen Pomeriums gewesen. Der chronologische undsinnhafte Zusammenhang beider Akte war also augenfällig.
Nunerinnerte Traian an diese Vorgänge nicht nurmithilfe derReichsmünzen, die ihn amPflug darstellten, sondern auch mit dembesprochenen restituierten Denar, der ebenfalls die rituelle Ziehung des Primus Sulcus abbildete. Blickt manauch in diesem Fall wieder auf die Monumente unddie dort dargestellten Ideologeme, die zujener Zeit, in derdie Restitutionsmünzen wohl geprägt wurden, vonbesonderer Prominenz im römischen Stadtbild waren, so lässt sich auch für diese Restitutionsmünze jene Mehrschichtigkeit der Aussage konstatieren, welche wir für die Darstellung despflügenden Kaisers in derReichsprägung bereits feststellen konnten. Denn dasForum Traiani warnicht allein die monumentale Manifestation der Niederlage Dakiens undsomit derPropagatio Imperii. Immerhin verkündeten die Reliefs derTraianssäule großflächig undunübersehbar ebenfalls die kultivierende Leistung, die der römische Legionär in dieser Gegend vollbracht hatte, wozu gerade auch die Koloniegründung im ehemals feindlichen Land gehörte. Da dieser Aspekt in der Darstellung der Truppen und ihres Kaisers derart betont wurde, verwundert es nicht, dass alle kanonisierten Stadtgründer Roms, Romulus, Camillus undAugustus, sowie die historischen undmythischen Gestalten, die ihrerseits wesentlich zur Zivilisierung Latiums, zur Gründung der Hauptstadt sowie zu deren Ausbau beigetragen hatten, etwa Aeneas, Hercules undAgrippa, ebenfalls in die Serie der Restitutionsmünzen aufgenommen waren.41 Traian hatte aufgrund seiner militärischen Taten undseiner damit einhergehenden zivilisatorischen Tugenden für sich das Recht in Anspruch genommen, die geheiligte Stadtgrenze zu erweitern. Die Restitutionsmünzen mit denAbbildungen der Stadtgründer Roms verdeutlichten, dass er sich mit dieser Tat in eine wahrlich exklusive Reihe der größten Männer derVergangenheit stellte.
41
ROM(ano) CONDITORI geprägt wurden (COHEN Comm. 181– 186), unddass jene Provinzial- und Stadtprägungen, welche Koloniegründungen darstellen, deren Ort durch eine Beischrift benennen. Bei den Münzen des Commodus unddes Traian handelt es sich aber vielmehr umnicht näher bezeichnete Münzen der Reichsprägung. Anders als in den Abbildungen konkreter Koloniegründungen in denProvinzen ist mit diesen Münzen auf das Ideologem derNeugründung Romshingewiesen. KOMNICK 2001, Nr. 2, 5, 7, 31, 38, 39, 50, 51, 56ff.; CRAWFORD 1974, Nr. 28/3, 29/3, 30/– 34/1, 287/1, 297/1a, 426/2, 458/1, 461/1, RICAugustus, Nr.412, 414.
4. DIE DARSTELLUNG VONREGIERUNGSAKTEN
439
4.4. DAS BAUPROGRAMM DES FORUM TRAIANI Neben denbislang schon erwähnten Stücken wareine ganze Reihe anderer Restitutionsmünzen geeignet, ihren zeitgenössischen Betrachter an gewisse architektonische Versatzstücke des Traiansforums zu erinnern. Nurkurz sei auf die zahlreichen restituierten Münzdarstellungen hingewiesen, die von Iuppiter oder Victoria gesteuerte Quadrigen und Zweigespanne abbilden.42 Sie fanden ihr architektonisches Gegenstück injenen von Victorien gelenkten Quadrigen, die auf demEingangsbereich des Forums und auf dem Dach der Basilica Ulpia aufgestellt waren.43 Auch diejenigen restituierten Stücke, welche drei Feldzeichen abbilden, ließen Assoziationen mit dem entsprechenden Schmuck des Gebälks der Forumsportiken zu.44 Doch nicht nur als baulicher Bestandteil der Monumente fand der Visiotyp jener kombinierten Signa seinen Widerhall. Denn ab dem sechsten Consulat, undsomit parallel zurEinweihung desForums, wurden auch in dertraianischen Reichsprägung verschiedene Münztypen mitjeweils drei darauf dargestellten Signa emittiert.45 Sogar auf die Basilica Ulpia desTraiansforums scheint in der Serie derRestitutionsmünzen hingewiesen zu sein. Einer der restituierten Denare, dessen Original im Jahre 61 v.Chr. von M.Aemilius Lepidus, dem späteren III vir r.p.c, geprägt worden warunddessen Rückseite hier abgebildet ist, zeigt nämlich die Basilica Aemilia.46 Dieses Bauwerk war von dem gleichnamigen Censor im Jahre 179 v.Chr. erbaut worden. Zudem wies die Legende M LEPIDUS REF(ecit) AIMILIA SC darauf hin, dass der Vater des Münzmeisters im Jahre 78 v.Chr. die Basilica hatte restaurieren lassen undsie dabei mitjenen Bildnisschilden versehen hatte, die, wie schon auf dem republikanischen Prototyp, auch auf der restituierten Münze selbst deutlich zu erkennen sind. Es wurde bei der Besprechung des Forums, seines baulichen Dekors unddessen Bildersprache darauf hingewiesen, dass Traian das Gentilnomen Ulpius bei seiner Adoption zwar abgelegt hatte, dass er aber trotzdem dervon ihm auf demForum errichteten Basilica jenen Namen gegeben hatte.47 Auf diese Wei34/1; 280/1, 14, 27; CRAWFORD 1974, Nr. 28/3, 29/3, 30/1– 2001, Nr. 2, 4, 8, 12– 3, 422/1b. 311/1b, 348/1– 43 STRACK 1931, Nr. 207, 209f., 216, 411, 424f., Taf.3, 6, 7; ZANKER 1970, 508. 44 KOMNICK 2001, Nr. 17, 57, Hybrid d; CRAWFORD 1974, Nr. 365/1a; RICNr. 820. –Siehe Bauliche Bestandsaufnahme –singuhierzu im Kapitel zumTraiansforum den Abschnitt 3 „ ; PACKER 1992, 160. laris sub omni caelo structura“ 45 STRACK 1931, 217, Nr. 194f. –Ein ähnlicher Typ, a.a.O. 117, Nr. 379, war früher schon einmal nach demEnde des zweiten dakischen Krieges während des fünften Consulats emittiert worden, wardann aber wieder bis zumerneuten Einsetzen dererwähnten Prägung dessechs-
42
KOMNICK
tenConsulats eingestellt worden. KOMNICK 2001, Nr. 26; CRAWFORD 1974, Nr. 419/3b. 47 Siehe hierzu imKapitel zumTraiansforum die Abschnitte 6.3.2 „ Die Betonung des dynasti. schen Prinzips“und6.3.3 „ Bildnisschilde undRestitutionsprägungen“
46
440
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
se ließ die Benennung der traianischen Halle an die großen Bauten derrepublikanischen Gentes erinnern, die allesamt im aristokratischen Wettbewerb zurDarstellung undmonumentalen Perennierung ihrer Taten errichtet worden waren; aber eben nur anlässlich solcher Taten, die der Res Publica undder Fortführung der römischen Erfolgsgeschichte gedient hatten. In diese Tradition reihte Traian sich ein. Denn auch derPrinceps konnte von sich behaupten, dass er die Kriege, in welche er zum Nachweis seiner eigenen militärischen Sieghaftigkeit gezogen war, zumNutzen des römischen Volkes geführt hatte. Der Beweis dafür war, dass er mit demErlös der Beute dieser Kriege dem Populus Romanus eine Basilica errichtet hatte, wie die Welt sie bis dahin noch nie gesehen hatte. Hiermit warder Optimus Princeps zugleich seiner Imago der Freigebigkeit in hervorragender Weise nachgekommen. Dass zur Illustration dieser republikanischen Tradition gerade jener Prototyp mit seiner Abbildung der Basilica Aemilia von Traian restituiert wurde, lag wohl nicht zuletzt daran, dass die dargestellten Porträtschilde an deren Fassade die Imagines Clipeatae an den Fassaden dertraianischen Forumsbauten zupräfigurieren schienen. Auch in diesem Beispiel wurden Bilder undAussagen der restituierten Münzennicht nurin denMonumenten reflektiert. Wieder einmal lässt sich zudemhier postulierten Emissionszeitpunkt der Restitutionsmünzen im Jahre 112 eine Parallele in dertraianischen Reichsprägung beobachten. Denn zur Einweihung des Forums waren zwei Münztypen im massenhaftem Umlauf, welche den Sinngehalt der restituierten Basilica-Aemilia Darstellung für den Betrachter ergänzten. Zum einen spiegelte das Münzbild der traianischen Halle mit seiner Beischrift BASILICA ULPIA die Legende (Basilica) AIMILIA der restituierten Münze wider; zum anderen zeigten jene Reichsmünzen, welche mit der Legende FORVM TRAIAN(i) den Eingangsbereich des Forums abbildeten, deutlich die auch dort befestigten Bildnisschilde.48 Beide visuellen Elemente der Restitutionsmünze, nämlich eine Fassade mit Imagines Clipeatae und der mit einem hinzugefügten Gentilnomen charakterisierte Bautyp einer Basilica, fanden sich also auf Reichsmünzen um das Jahr 112. Restitutionsmünzen, Reichsmünzen und Monumente ergänzten einander in ihrer Aussage. Daneben reflektieren zahlreiche andere restituierte Typen die Ideologeme der traianischen Herrschaft und bildeten visuelle Versatzstücke der imperialen Bilderwelten ab. So ließ Traian etwa jenen Aureus in die Serie aufnehmen, der am Anfang dieses Kapitels abgebildet ist. Die Münze besaß keinen historischen Prototyp, da sie ein Porträt des Divus Iulius mit einer Rückseite aus der Zeit des Claudius kombinierte. Auf dieser Reverse ist eine geflügelte Nemesis abgebildet, die ihr Gewand rafft und einen Caduceus hält; zu ihren Füßen kriecht eine
48 Die Abbildung eines dieser FORUM-TRAIANI Stücke befindet sich im Abschnitt 3 Bauliche Bestandsaufnahme – singularis sub omni caelo structura“ im Kapitel zum „ Traiansforum. Eine der BASILICA-ULPIA Münzen ist abgebildet im Abschnitt 6.3.2 „ Die Betonung desdynastischen Prinzips“desselben Kapitels. –Siehe STRACK 1931, 202– 205, Nr. 202, 210, 411, 424; 207, 216.
4. DIE DARSTELLUNG VON REGIERUNGSAKTEN
441
Schlange.49 Auch diese restituierte Münzdarstellung der Göttin, deren Aufgabe es war, die Feinde Roms niederzuwerfen, fand ihre Entsprechung auf dem Forum Traiani. Einer derdortigen Friese, derbereits imKapitel zumTraiansforum abgebildet war, zeigte nämlich Löwengreifen, die Begleittiere der Nemesis, die hier friedlich von Amoretten getränkt wurden. Hiermit schien gesagt, dass auf dem Forum als einer Manifestation der vergangenen Kriegstaten diese Begleiter der Göttin, und mit ihnen Nemesis selbst, zur Ruhe gekommen seien.50 Und so wies auch derCaduceus in derHanddervonTraian restituierten Nemesis auf die Prosperität hin, diemitdenSiegen Traians erreicht worden sei.51 Einweiterer restituierter Denar zeigt dieWeihung vonSpolia Opima imTem-
pel des Iuppiter Feretrius, deren Erringung bereits im Panegyricus des Plinius erhebliche Relevanz für die prospektive Formulierung der militärischen Imago des Optimus Princeps gehabt hatte.52 Auch das Bild der römischen Erstürmung eines feindlichen Lagers konnte ein Betrachter auf Restitutionsdenaren undReliefs derTraianssäule gleichermaßen finden.53
49
50 51
52 53
Eine Abbildung dieses Stückes findet sich in diesem Kapitel im KOMNICK 2001, Nr. 54. – Abschnitt 1 „ . Die Emission“ Die Siehe hierzu mit einer Abbildung im Kapitel zum Traiansforum den Abschnitt 6.5.4 „ . posthume Sinnentfaltung desForums –solus omnium intra urbem sepultus“ Bereits die Vorbild-Rückseite des Claudius hatte die Umschrift PACI AVGVSTAE getragen unddamit aufdieBeendigung derTätigkeit derNemesis hingewiesen. –FLAIG 2003, 258 und 119 weisen auf die besondere Relevanz der Nemesis für den Kult im FUTRELL 2000, 110– Amphitheater hin, also ihre Bedeutung für Gladiatorenspiele. Angesichts derzahlreichen Tage, an denen Traian nach demzweiten dakischen Krieg Spiele veranstaltet hatte, mag man auch hierin eine Verbindung zwischen demrestituierten Aureus unddentraianischen Regierungsakten sehen. Konzeptuell sehr ähnlich sind die oben erwähnten Prägungen der DACIA AVGVSTI PROVINCIA. –Siehe hierzu auch imKapitel zumTraiansforum denAbschnitt 6.5.3 „civilis miles –Die Imago desBürgersoldaten“. KOMNICK 2001, Nr. 36; CRAWFORD 1974, Nr. 439/1; Plin.paneg.17.3. –Siehe hierzu im Kapitel zumPanegyricus denAbschnitt 2.1.3 „ non times bella necprovocas –Die Vision ei. nesTriumphes“ KOMNICK 2001, Nr. 48; CRAWFORD 1974, Nr. 514/2.
5. DIE CAPITOLINISCHE TRIAS Die Darstellung vonGöttern nimmt in derRestitutionsserie einen, relativ gesehen, erheblich größeren Raum ein, als dies in derregulären traianischen Reichsprägung der Fall ist. Dies betrifft auch gemeinsame Darstellungen von Iuppiter, Iuno und Minerva. Nurauf einer, unten zu besprechenden Reichsmünze wurden die Götter als Trias emittiert. Während kein einziges Bild der traianischen Reichsprägung Iuno allein abbildet, wurde Iuppiter immerhin einmal dargestellt; dies allerdings
nurzusammen mit demKaiser.1 Auf die Seltenheit der Minerva-Darstellungen in der Reichsprägung und deren trotzdem erhebliche Relevanz für die traianische Herrschaftsdarstellung wird weiter unten einzugehen sein. ImProgramm dervonTraian restituierten Münzen sind die Götter derCapitolinischen Trias in unterschiedlicher Häufigkeit vertreten. Während Iuppiter recht häufig dargestellt ist, finden wir Iuno nur dreimal, Minerva gar nur zweimal. Doch unter diesen fallen drei Stücke auf, die als Set zusammenzugehören scheinen. Traian ließ nämlich drei Münzen restituieren, deren Vorderseiten jeweils einzeln den Kopf des Iuppiter, der Iuno undder Minerva zeigen; hier abgebildet ist die traianische Restitution der Minerva-Variante. In der Darstellung ihrer Rückseiten unterscheiden sich diese Stücke kaum voneinander, da auf allen eine Triumphalquadriga dargestellt ist, über deren Wagenaufbau eine Victoria mit Siegesskranz schwebt, die aufunserem Stück selbst in einer kleinen Quadriga fährt.2 Die Seitenpaneele einiger dieser Stücke zeigen ein Blitzbündel, andere bilden einen Vogel ab; wahrscheinlich Adler, Pfau undEule, dietypischen Attribute derCapitolinischen Trias.3
1 2
3
STRACK 1931, 216, Nr. 203, 211, 434, 448, 462, (224) mit der Beischrift CONSERVATORI PATRIS PATRIAE. –Eine weitere Verbindung zuIuppiter bietet dasMotiv desTriumphbogens mit der Inschrift IOM; STRACK 1931, 114ff., Nr. 387, Tafel 6. 3. –Zu diesen drei Typen kommen KOMNICK 2001, Nr. 12– 14; CRAWFORD 1974, Nr. 348/1– noch zwei bisher bekannte Varianten; KOMNICK adloc. Während die numismatischen Nachschlagewerke, maßgeblich etwa CRAWFORD 1974, Nr. 3 undKOMNICK 2001, Nr. 12– 348, 1– 14, als Paneelschmuck jeweils den Adler nennen, bin
ich der Meinung, es seien –gerade in Hinblick auf die Vorderseitendarstellungen –Adler, Pfau undEule dargestellt. Die Stücke, über welche wir verfügen, seien es nundie republikanischen Originale oder die restituierten Kopien, lassen aufgrund der geringen Größe des Details diese Ansicht allerdings weder verifizieren noch falsifizieren. Zudem erscheint es mir naheliegend, dass neben diesen uns bisher bekannten Exemplaren auch noch die Kombination desMinervakopfes auf derVorderseite mitderTriumphalquadriga aufderRückseite, die statt desVogels denBlitz abbildet, existiert haben muss. Nurso wäre die Serie ein in sich konsequentes Bildsystem.
5. DIE CAPITOLINISCHE TRIAS
443
Diese von Traian restituierten Stücke besaßen ihre Vorbilder in drei republikanischen Denaren, die der Münzmeister L.Rubrius Dossenus im Jahre 87 v.Chr. hatte prägen lassen.4 Angesichts derDarstellungsvielfalt, die für die Nummi Restituti charakteristisch ist, drängt sich bei der Betrachtung dieser Stücke die Frage auf, warum Traian drei Münzen mit annähernd identischen Rückseiten hatte nachprägen lassen. Vor demHintergrund des bisher Besprochenen ist ersichtlich, dass es sich hierbei kaum um eine unabsichtliche Redundanz handeln kann. Bezüglich einer Aussage der Stücke lässt sich vorerst sicher postulieren, dass über die dreimalige Rückseiten-Darstellung der Triumphalquadriga dasRitual des Triumphes, beziehungsweise dasKonzept derSieghaftigkeit, mitdenMitgliedern der Capitolinischen Trias auf den Münzvorderseiten verbunden wurde. Eine solche Verbindung der Trias mit demTriumphritual erscheint nahe liegend, schließlich endete die Route desTriumphzuges auf demCapitol. Nun wurden die Götter Iuppiter, luno und Minerva sowie das Konzept der Sieghaftigkeit auch in anderen Medien der traianischen Herrschaftsdarstellung hervorgehoben; auffälligerweise übereinstimmend umdas Jahr 112. Zunächst ist festzuhalten, dass einer der dominierenden visuellen undprogrammatischen Aspekte des Forum Traianum die Sieghaftigkeit des Kaisers und deren Nachweis durch den Triumph ist.5 Insofern spiegelt das im Jahre 112 fertig gestellte Forum die Aussagen der Restitutionsmünzen wider. Nun wurden parallel dazu gegen Ende des fünften Consulats, jedenfalls nach 108 undwahrscheinlich um 111, die Götter der Capitolinischen Trias in der Reichsprägung dargestellt.6 Diese Koinzidenz ist deshalb bemerkenswert, weil dies die erste Münzabbildung der Capitolinischen Trias im traianischen Principat überhaupt war, undweil dieses Bild zudem gänzlich innovativ war. Es besaß keinen Vorläufer in der gesamten bisherigenrömischen Münzprägung.7 Die Rückseite derReichsprägung bildet dieGötter zusammen mitihren typischen Attributen undTieren ab, Adler, Eule undPfau.
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MATTINGLY 1926 ad loc. vermutet als Anlass dieser Prägungen, dass hiermit habe gezeigt werden sollen, die Hauptgötter Roms triumphierten über diebesiegten Bundesgenossen. Der triumphierende Siehe hierzu im Kapitel zum Traiansforum besonders den Abschnitt 7 „ . Heros inderStadt“ Die Datierung des Typs in die späteste Phase des COS V geht zurück auf STRACK 1931, 197f., 119. –STRACK nennt eine Darstellung des Iuppiter Ammon, die ebenfalls in dieser Zeit, mit der gleichen Legende undin demgleichen Aes-Nominal allein geprägt worden sei, under betont, dass diese beiden Stücke, der Ammon unddie Trias, im Verbund verstanden werden müssten. Seine Herleitung eines möglichen Zusammenhanges kann michjedoch nicht überzeugen. Allerdings kann auch ich bislang nicht mit Sicherheit sagen, welche Aussage diese Ammon-Prägung im System der Reichsprägung besaß, undob auch sie sich in irgendeiner Weise für den traianischen Betrachter mit der Serie der Restitutionsmünzen verbinden ließ. Freilich ist diese Annahme auch garnicht notwendig, setzte sie doch allein obiges Postulat vonSTRACK voraus, dass die beiden Stücke zusammengehörten. Es existiert ein einziger entfernt ähnlicher Münztypus ausdemJahre 112/111 v.Chr., geprägt von Cn.Cornelius Blasio; CRAWFORD 1974, Nr. 296, Tafel XL. –Dieser republikanische Denar ist die einzige andere Darstellung der Capitolinischen Trias, doch unterschied sich ihre Abbildung grundlegend von demtraianischen Typ; so war etwa das Schema der Stehenden ein anderes, die Attribute unterschieden sich voneinander, unddie Tiere destraianischen Aureus waren auch nicht mitabgebildet gewesen. Obwohl die Vorderseite der Münze ein Mars-
444
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
Neben dieser auffälligen Prägung wurde
zu Beginn des sechsten
Consulats,
also ab Januar 112, auch eine Darstellung Iuppiters ohne luno und Minerva in
allen Metallen der traianischen Reichsprägung massenhaft emittiert. Diese Emission war ganz bemerkenswert, weil es die erste Darstellung auf war, überhaupt römischen Reichsmünzen welche den obersten Staatsgott zusammen mit demKaiser zeigten. Mit derimDedikationsdativ CONSERVATORI Umschrift formulierten PATRIS PATRIAE zeigte sie den nackten Iuppiter, in seinen Händen Blitz und Szepter, der seinen Mantel schützend hinter demHerrscher hält, welcher deutlich kleiner als derGott dargestellt ist.8 Schon seit Beginn seiner Regierungszeit hatten das Ideologem von der göttlichen Erwähltheit Traians undseine Affinität zu Iuppiter Optimus Maximus die Darstellung des Kaisers in hohem Maße bestimmt. Dies war die wohl wichtigste Koordinate zur Herleitung des Optimus-Beinamens imPanegyricus gewesen.9 Auchnoch später in seiner Regierung verkündeten etwa die Reliefs des Bogens von Benevent mit der Darstellung einer Übergabe des Blitzes, dass Iuppiter demKaiser die Herrschaft gegeben habe.10 Daneben ergänzt die bereits besprochene Reichsmünze, welche die Traianssäule mit einer Eule auf ihrer Spitze abbildet unddadurch auf Minerva hindeutet, denBefund, dass umdas Jahr 112 die Götter der capitolinischen Trias erstmalig in der Reichsprägung dargestellt wurden, undzwar einzeln sowie als Gruppe.11 Zusammenfassend lässt sich Porträt zeigte, deutete die Münze nicht dasKonzept desTriumphes an,wie die drei vonTraiantatsächlich restituierten Stücke dies taten. Es handelt sich also umzwei völlig verschiedene
Bilder.
8
9 10 11
STRACK 1931, 216, Nr. 203, 211, 434, 448, 462, (224). –Auf einigen Exemplaren hält Traian selbst ein Szepter oder einen Zweig. Auf manchen wendet er sich sogar nach rechts undumklammert einKnie desGottes. Es ist ein weit verbreiteter undoft unreflektiert wiedergegebener Irrtum, dass derPrägeanlass dieser Münzen die Rettung Traians während des Erdbebens von Antiochia gewesen sei. Das Erdbeben ereignete sich, sei es nunim Frühjahr 115 gewesen (BIRLEY 1998, 71) oder erst im Dezember 115 (NÜNNERICH-ASMUS 2002, 173), auf jeden Fall nach der Aufnahme der Bezeichnung ‚Optimus‘ in die kaiserliche Titulatur auf der Vorderseite der Reichsmünzen. Da dies auf den früheren Emissionen dieses Bildes aber noch nicht der Fall war, kann mandie kaiserliche Errettung als Prägeanlass getrost ausschließen. Vielmehr reflektiert die Darstellung jene Vota an Iuppiter, welche anlässlich derkaiserlichen Abreise in denPartherkrieg pro reditu et salute principis übernommen wurden; so auch schon STRACK 1931, 215f. Freilich sollte dieses Bild auch noch lange nach den ersten Erfolgen im Partherkrieg undderoffiziellen Übernahme des Optimi cognomen geprägt werden. Es ist durchaus möglich, dass dieses Darstellungsschema bereits ausflavischer Zeit stammte unddenAltar des Iuppiter Conservator auf demCapitol zitierte. Domitian hatte nämlich ein solches Bild fertigen lassen, da er seine Rettung im Bürgerkrieg des Jahres 69 demobersten Staatsgott zuschrieb. Siehe hierzu dasKapitel zumPanegyricus mit seinem Abschnitt 2.2.3 „illud additum a nobis Optimi cognomen –Koordinaten einer Herleitung“ . Siehe etwa FITTSCHEN 1972, 773– 782. Siehe hierzu imKapitel zumTraiansforum denAbschnitt 6.5.1 „ VonSäulen undEulen“ .
5. DIE CAPITOLINISCHE TRIAS
445
also sagen, dass sowohl eine der Hauptaussagen des Forums, die Sieghaftigkeit des Kaisers, als auch die in denJahren vor 112 einsetzende Emission der Götter derCapitolinischen Trias in derReichsprägung in denRestitutionsmünzen reflektiert ist. Abermals legt diese Korrespondenz derAussagen es nahe, auch die Restitutionsmünzen umdasJahr 112 zudatieren.
Fürdiese Schlussfolgerung sprechen zwei weitere restituierte Stücke. Zunächst ist hier ein Restitutionsaureus zu nennen, dessen Vorderseite den Kopf des Divus Titus abbildet, während die Rückseite Minerva undMars zeigt, die einander gegenüber stehen, beide mit einem Speer in der Hand und gestützt auf einen Schild.12 Auch dieses Stück ist bemerkenswert, daein solches Bild noch nie zuvor geprägt worden war; unddoch suggerierte die Münze durch ihre Umschrift, einem historischen Vorbild nachempfunden zu sein. Während nun Mars-Darstellungen
in dertraianischen
Reichsprägung
im Zusammenhang mit dendakischen Kriegen
sehr häufig zu finden sind, kommt Minerva nurselten vor.13 Tatsächlich gibt es in dergesamten traianischen Programmatik nureinen prominenten Fall derMinervaReminiszenz. Dies sind jene erwähnten Münzdarstellungen der Traianssäule, die eine Eule –dasTier, mitwelchem Minerva typischerweise verbunden wird –an-
statt einer Statue desKaisers auf ihrer Spitze abbilden.14 Wie bereits dargelegt, war Minerva in der Vielschichtigkeit ihrer Facetten hervorragend geeignet, die Semantik der Säule undihres architektonischen Kontextes zu repräsentieren. Als Göttin der Weisheit gewährleistete sie die Wahrhaftigkeit des Berichtes, den das Reliefband abbildete; als Promachos war sie die Unterstützerin des Kaisers in seinem Kampf gegen die aus demOsten stammendenFeinde des Reiches. In dieser Rolle ist sie wohl auch mit Mars zusammen auf demerwähnten Aureus zusehen. Dies legt ihre Darstellung neben demKriegsgott in Wehr undWaffen nahe. Auch diese Restitutionsmünze nimmt also sowohl die Aussagen derReichsprägung umdasJahr 112 auf, indem sie eine Göttin dercapitolinischen Trias abbildet, als auch eine der Hauptaussagen des Forums, nämlich dasKonzept unddie Ikonographie derkaiserlichen Sieghaftigkeit. Besonders auffällig ist diese Münze deshalb, weil sie trotz ihrer vermeintlichen Imitation eines historischen Vorbildes eben doch eine Neuschöpfung traianischer Zeit war. Dies deutet darauf hin, dass ihre Aussage vongroßer Relevanz für die kaiserliche Herrschaftsdarstellung imRahmen derRestitutionsmünzen war. Eine weitere Restitutionsmünze lässt sich im Kontext der Aussagen der kaiserlichen Medien des Jahres 112 verorten. Möglicherweise stellt sie, ebenso wie die eben vorgestellte Reichsmünze des luppiter Conservator, eine Verbindung zwischen dem Staatsgott und dem Kaiser her. Das Stück fällt in der Reihe der restituierten Aurei allein schon deswegen auf, weil es der einzige Aureus ist, der
12
KOMNICK
2001, Nr. 71.
13 Einmal begegnet sie auf den anonymen
Quadrantes, einmal auf einer regulären Darstellung derCapitolinischen Trias; siehe STRACK 1931, 197f. Nr. 119. 197. –Siehe hierzu im Kapitel 14 Eine Auflistung der Typen bieten LEPPER/FRERE 1988, 193– . VonSäulen undEulen“ zumTraiansforum denAbschnitt 6.5.1 „
446
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
kein Kaiserporträt auf seiner Averse trägt. Stattdessen bildet er mit der Legende IOM CAPITOLINVS eine belorbeerte Büste des Iuppiter Optimus Maximus ab.15 Das Vorbild dieser von Traian restituierten Münze war spät im Jahre 68 für den Legaten von Germania Superior, den Usurpator Vitellius geprägt worden. Anhand dieser Prägung war demonstriert worden, dass die Armeen der germanischen Provinzen diesen zum Kaiser ausgerufen hatten und akzeptierten. Eben diese Provinz war es, in der rund dreißig Jahre später auch Traian Statthalter sein sollte, als Nerva unter dem Einfluss der Interessenvertreter des Ulpiers unddurch die Stärke dertraianischen Legionen veranlasst worden war, denLegaten zu adoptieren.
Die germanischen Provinzen mit ihrer Heeresgruppe waren der eigentliche Grund dafür gewesen, dass Traian capax imperii gewesen war. Dieser Sachverhalt war im Panegyricus außer mit Hilfe anderer Strategien auch mit der Erklärung
überdeckt worden, dass Iuppiter die Leistungskraft Traians, welche sich gerade auch in dessen militärischen Erfolgen gezeigt habe, zur Herrschaft befördert habe. Schließlich wäre Traian durch eben diese Leistungskraft auch dann an die Macht gekommen, wenn Nerva ihn nicht adoptiert hätte, betont Plinius.16 Es lässt sich also konstatieren, dass umdas Jahr 112 in der Reichsprägung die Zahl derHinweise auf Traians Affinität zumindest zu zwei Göttern derCapitolinischen Trias stark ansteigt. Auch hier ergänzen sich die Aussagen von Reichsprägung und Restitutionsmünzen; ein erneuter Hinweis, dass die Emission der Nummi Restituti in diesen programmatischen undzeitlichen Kontext gehört.
15
KOMNICK
2001, Nr. 62; RIC 1, Bürgerkriege, Nr. 124. –Die Rückseite der Münze zeigt eine
mitOpferschale undFackel. 16 Plin.paneg.7.6, 8.5 –Siehe hierzu ausführlich dasKapitel zumPanegyricus. sitzende Vesta
6. DIE DARSTELLUNG VON HERRSCHERTUGENDEN Neben jenen restituierten Stücken, die Bezug auf konkrete politische Akte des Kaisers oder auf sein Bauprogramm nahmen, finden sich in der kleinen Emission derNummi Restituti auch Typen, die in Verbindung mit Aussagen derReichsprägung wichtige Rückschlüsse auf bestimmte Ideologeme des traianischen Herrschaftsverständnisses erlauben. Deren Geflecht soll im Folgenden dargestellt werden. In engen Zusammenhang gehören hierbei die Darstellungen vonPietas, Vesta undAeternitas. Zunächst sollen die beiden ersten gesondert betrachtet werden, um dann auch die Bedeutung derAeternitas-Bilder angemessen würdigen zukönnen.
Den Abbildungen von Pietas undVesta ist gemeinsam, dass sie in der frühesten Phase des traianischen Principats schon einmal auf Münzen der Reichsprägung dargestellt, doch bereits nach kurzer Zeit wieder aufgegeben worden waren. LangeJahre hindurch finden wirkeine derbeiden auf dentraianischen Münzen. In der Endphase des fünften Consulats jedoch begann die stadtrömische Prägeanstalt plötzlich, Pietas undVesta erneut auszuprägen, undzwar bis spätestens zumJahr 114, in demsie wiederum gemeinsam undscheinbar unvermittelt aus demTypenrepertoire verschwanden. Außer diesem formalen Kriterium ihres gemeinsamen Prägezeitraums sprechen noch andere Hinweise für eine gewisse Zusammengehörigkeit vonPietas undVesta. So wurden beide Bilder in ihrer zweiten Emissionsphase nur als Denare geprägt. Außerdem hatten die Emissionen jenes späteren Zeitraums dasjeweilige Erscheinungsbild vonPietas undVesta, ihre Haltung und Attribute, gegenüber deren Erscheinung während des früheren Prägezeitraums signifikant verändert. Darauf wird sogleich einzugehen sein. Nun gab es aber zwei weitere Erscheinungen in der traianischen Münzprägung, die darauf hindeuten, dass zur Zeit der Einweihung des Forum Traiani Vesta undPietas große Relevanz in der Herrschaftsdarstellung besaßen. Zumeinenwurden nämlich ab 112 Reichsmünzen mit denPorträts derDamen des Herrscherhauses auf ihren Aversen emittiert, deren Rückseiten eben diese kaiserlichen Damen als Vesta undPietas zeigten. Zumanderen wurden dieRestitutionsmünzen emittiert, in denen Vesta undPietas mit so zahlreichen Typen aufgenommen waren, dass sie innerhalb der Serie ein ungeheures Gewicht besaßen.
448
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
6.1. PIETAS
In der Reihe der Restitutionsmünzen ist das Konzept der Pietas
zahlreich vertre-
ten. Explizite Darstellung findet die Tugend auf einem restituierten Denar, dessen Vorderseite eine Frauenbüste mit Diadem zeigt, die durch den vor ihr abgebildeten Storch als Personifikation der Pietas identifiziert wird.1 Der hier abgebildete
republikanische Prototyp dieser von Traian restituierten Münze stammte aus dem Jahre 81 v.Chr. underinnerte andenEinsatz ihres Münzmeisters Q.Caecilius Metellus Pius, derseinen Vater ausdemExil zurückgeholt hatte.2 Wegen seiner pietas erga patrem hatte derSohn dasCognomen Pius erhalten. Neben dieser Darstellung der personifizierten Pietas und der Pietas-haltigen Geschichte finden sich in der Serie derNummi Restituti zahlreiche weitere Verweise auf Pietas in ihren verschiedenen Bedeutungsfacetten. Bereits die Menge der dargestellten Gottheiten in der Serie der Restitutionsmünzen ist im Vergleich zur traianischen Reichsprägung ungewöhnlich. Allein dies lässt sich schon als Zurschaustellung von Pietas deuten. Denn den dreiundzwanzig Typen mit Göttern und Halbgöttern in jener einen Emission der Nummi Restituti3 stehen lediglich zehn Typen mit Göttern und Heroen im gesamten Zeitraum der Reichsprägung gegenüber.4 Außerdem bezeugen die Abbildungen priesterlicher Geräte5, die Verweise auf altertümliche Feste und religiöse Kulte6 und die Darstellungen von 2001, Nr. 19; CRAWFORD 1974, Nr. 374/1. –Die liebevolle Fürsorge für seine Eltern galt als die herausragende Eigenschaft des Storches (ciconia); vergleiche Aristoph.aves 1357; Ael.nat.anim.3.23. Somit wurde er als Attribut derPietas verwendet, „ 1353– ciconia pietaticultrix“(Petron.55.6 = Publil.Syrus fab.inc. 8 Ribbeck). Dieser Hinweis findet sich bei
1
KOMNICK
2
Diese Münze warvonQ.Caecilius Metellus Pius als Prätorier geprägt worden. Die Rückseite zeigt einen Elefanten mit einer Glocke umdenHals, der als eine Art Wappentier der Gens an die Schlacht vonPanormus imJahre 251 v.Chr. erinnerte, in derL.Caecilius Metellus diekarthagischen Elefanten erbeutet hatte. DerCensorier Q.Caecilius Metellus Numidicus hatte sich imJahre 100 geweigert, dasAckergesetz des Appuleius Saturninus zu beschwören undwar ins freiwillige Exil nach Rhodos gegangen. Sein Sohn erhielt für seinen Einsatz zugunsten desVaters imJahre 99 das Cognomen Pius. Mit dergleichzeitigen Darstellung dieser Tat undderReminiszenz an die Schlacht von Panormus hatte derMünzmeister also zwei Ereignisse seiner Familiengeschichte miteinander in Verbindung gebracht. Apollo, Ceres, Diana, Dioskuren, Flora, Hercules, Ianus, Iuno, Iuppiter, Luna, Mars, Mercur, Minerva, Mutinus Titinus, Nemesis, Neptun, Quirinus, Roma, Saturn, Sol, Venus, Vesta und Vulcanus. Ein Bild der Capitolinischen Trias, Ceres, Diana, Hercules, Iuppiter, Mars, Mercur, Minerva, Saturn undSol. KOMNICK 2001, Nr. 23, 26, 28, 29, 30, 37, 46, 47, 52, 55; CRAWFORD 1974, Nr. 406/1, 419/3b, 423/1, 425/1, 426/1, 443/1, 466/1, 509/5, 511/1, 511/3a. KOMNICK 2001, Nr. 28 (Floralia), 20 (Cerialia); CRAWFORD 1974, Nr. 378/1c, 423/1.
SPANNAGEL
3 4 5
6
2000, 260.
6. DIE DARSTELLUNG VONHERRSCHERTUGENDEN
449
Tempeln7 auf den restituierten Denaren und Aurei die Hervorhebung der pietas erga deos in dieser Serie.8 Zu dieser spezifischen Facette der Tugend gesellt sich die pietas erga parentes. Hierfür stehen Darstellungen des Aeneas, der seinen Vater aus dem brennenden Troja trägt,9 und eine Prägung des Sextus Pompeius mit denBrüdern vonCatania.10 In einem weiter gefassten Sinne sind auch die Restitutionsmünzen selbst als eine Manifestation von Pietas anzusehen, besonders die restituierten Aurei, welche die divinisierten Vorgänger Traians darstellen, so auch den Divus Nerva.11 Diese derart gehäufte Darstellung von Pietas in den Nummi Restituti fällt auf und bedarf einer Erklärung. Deswegen soll im Folgenden die Vielzahl direkter undindirekter Verweise auf die beiden Bedeutungsnuancen der Pietas, erga patrem und erga deos, näher betrachtet werden. Hierzu müssen wir zunächst einen vergleichenden Blick auf die Reichsprägung werfen. Wie schon erwähnt, wurde die Personifikation der Pietas in der Reichsprägung Traians nur während zweier Zeiträume dargestellt. Zumersten Mal finden wir sie vonderersten bis zurdritten Emission des Kaisers, mithin von Ende Januar bis Oktober 98, wobei erst die dritte Emission demEinfluss des damals noch aus Rom abwesenden Kaisers unterlag, wie wir sahen.12 Diese frühe Darstellung derersten Monate zeigt Pietas neben einem Altar stehend, über densie ihre Rechte hebt, während sie die Linke auf ihre Brust legt. Diese Art der PietasDarstellung besaß in derrömischen Reichsprägung keine Vorgänger. Als Motivation für die Emission dieses Bildes ist anzunehmen, dass hiermit auf die Pietas des neuen Kaisers hingewiesen wurde, welche dieser gegenüber seinem jüngst verstorbenen Adoptivvater Nerva empfinde.13 Als Anlass für diese Zurschaustellung kaiserlicher Pietas kommt zu diesem Zeitpunkt nur die Konsekration Nervas in Betracht. Diese Betonung dertraianischen Pietas erga patrem waralso situativ bedingt und wurde dementsprechend bald wieder beendet. In seiner Aussage entspricht dernurkurze Prägezeitraum derbereits oben getroffenen Feststellung, dass Traian 2001, Nr. 33f. (Vesta), 36 (Iuppiter Feretrius). –Hinzu kommen mögliche Verweise aufdieRestauration desCapitols: Komnick 2001, Nr.62, 67, 70. 8 Zudiesem Aspekt derPietas gehört auch dieBetonung desPontifex Maximus imRahmen der imperialen Titulatur auf denVorderseiten derrestituierten Aurei; KOMNICK 2001, Nr. 59, 68, 72, 73. 9 KOMNICK 2001, Nr. 38. 10 KOMNICK 2001, Nr.47. –Diese Darstellungen reflektieren zwei republikanische Exempla der Pietas, die in der Auseinandersetzung zwischen Octavian und Sex. Pompeius miteinander
7
KOMNICK
konkurriert hatten. Beide Männer hatten ihr Handeln auch aus ihrer familiären Tradition und aus der Verpflichtung gegenüber demAndenken desjeweils ermordeten Vaters heraus gerechtfertigt. Mit demSieg des Octavian über Sex. Pompeius hatte dasAeneas-Exemplum allerdings jenes der catanischen Brüder verdrängt. Nun ließ Traian wieder beide gemeinsam undals gleichwertig darstellen. 11 KOMNICK 2001, Nr. 74f. Vom Rhein nach Rom“den 12 STRACK 1931, 75f., Nr. 313, Taf.4. –Siehe hierzu im Kapitel „ . Antizipation undFehleinschätzung –Die ersten Münzemissionen“ Abschnitt 2 „ 13 Hiermit korrespondiert, dass im Jahre 99 auf Senatsbeschluss der Pietas Traians eine Säule geweiht wurde. –CILVI 563.
450
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
seinen Herrschaftsanspruch nur zu einem geringen Teil auf seine Adoption durch Nerva zurückführte. Andere Aspekte, etwa die göttliche Erwähltheit und vor allem die eigenen Leistungen, besaßen für die Begründung des traianischen Herrschaftsanspruches erheblich größere Relevanz. Da diese Pietas-Darstellung bereits ab der ersten Prägegruppe emittiert wurde, somit noch nicht unmittelbar auf den Einfluss des Kaisers zurückging, darf vermutet werden, dass diese Reminiszenz an den Verstorbenen Teil eines Automatismus war, der etwa durch die Senatssitzung in Gang gesetzt wurde, welche die Konsekration beschloss. Etwaige Münzen, die über dieses Mindestmaß an Ehrung hinausgegangen wären, indem sie etwa den Divus Nerva dargestellt hätten, fehlen in dieser Zeit noch. Sie sollten erst viel später geprägt werden, doch dazu gleich. So blieb es vorerst bei denerwähnten Stücken, die eher die pietas erga patrem Traians als die Erinnerung an Nerva selbst feierten.14
Bis zurspäten Phase des fünften Consulats sollte es in dertraianischen Reichsprägung keine weitere Darstellung einer Pietas mehr geben.15 Doch von dieser Zeit an, also frühestens seit demJahre 108 bis zumJahre 112 wurde, ausschließlich auf Denaren, eine neue Darstellung derPietas geprägt, die sich Vonjenem Typus aus den ersten Monaten der traianischen Regierung deutlich unterschied. Denn nunsteht diePersonifikation derTugend mitverhülltem Haupt neben einem Altar, hält mit der einen Hand ein Szepter undmit der anderen eine Opferschale.16 Anhand dieser Attribute war sie alspietas erga deos zu erkennen. Neben dieser Prägung gab es in der Reichsprägung zu eben derselben Zeit noch eine andere Darstellung der Pietas. Im Jahre 112 wurden nämlich vor undnach der Konsekration Marcianas,17 der Schwester des Kaisers, Münzen geprägt, auf deren Vorderseite Marciana selbst imPorträt abgebildet warundderen Rückseite Marcianas Tochter Matidia zeigte, undzwar als Pietas zwischen ihren beiden Töchtern.18 Hier wurde das Prinzip derpietas erga parentem am Beispiel der kaiserlichen Damen über 14 Siehe zurRelevanz vonPietas in derfrühesten Regierungszeit Traians auch imKapitel „ Vom Rhein nach Rom“ denAbschnitt 4 „Plinius beglückwünscht denKaiser –etprivatim etpublice opto“ . 15 Dies wardie Zeit, in welcher die Rückseiten der Reichsprägung mit erläuternden Legenden versehen wurden. Zu dieser Datierung siehe ausführlich STRACK 1931, 25– 35 undetwa WEISER2002.
16 Zumersten Mal in derrömischen Reichsprägung wird sie mit diesen Attributen dargestellt. – STRACK 1931, 186 mitNr. 161, 169 und 177 verweist hierzu auf CILVI 962 ILS 295. = 17 Laut KIENAST 1990, 125 wurde der Beschluss zurKonsekration noch amSterbetag gefasst. Das Funus Censorium fand am3. September statt. PRICE 1987, 92 weist darauf hin, dass in derKonsekration derUlpia Marciana jener Umbruch zufassen ist, derdie religiös motivierte Entscheidung, nach demBegräbnis über die Divinisierung oder deren Verweigerung zu entscheiden, nunauch formal zu einer politischen Entscheidung vor demBegräbnis werden ließ; vergleiche die ausführliche Diskussion bei TEMPORINI 1978, 194– 255. Siehe außerdem KIERDORF 1986, besonders 65f. 18 RICNr. 742; COHEN 1882, 100, Nr. 1f. –Eine dieser Münzen ist im Kapitel zumTraiansforumimAbschnitt 6.3.2 „ Die Betonung des dynastischen Prinzips“abgebildet; weitere Bildnachweise bei STRACK 1931, Nr. 183.
6. DIE DARSTELLUNG VONHERRSCHERTUGENDEN
451
drei Generationen hinweg betont und dadurch in Verbindung zum Prinzip der dynastischen Erbfolge gebracht: Pietas als das die Abfolge der Generationen verbindende Glied. Diese dynastische Prägung war, wie wir imKapitel zumTraians-
forum feststellten, keineswegs situativ durch den Tod der Marciana ausgelöst; schließlich wurde bereits zu ihren Lebzeiten die Abbildung der Matidia mit ihren Töchtern als Pietas geprägt. Nach demTode der Marciana wurde dieser Darstellung zum Teil auch explizit die Umschrift PIETAS AUGUST beigegeben.19 Doch damit nicht genug derPietas-Referenzen in genau dieser Phase destraianischen Principats. Außerdem wurden nämlich ab Januar 112 auch jene Aurei der Reichsprägung emittiert, welche mit der Umschrift DIVI NERVA ET TRAIANVS PATER denVorgänger unddenleiblichen Vater Traians imgegenübergestellten Doppelporträt zeigten.20 Um die Bedeutung dieses zweifachen Bildnisses zu erfassen, ist es notwendig, die Einzeldarstellungen des Divus Nerva und des Divus Traianus Pater in Reichs- und Restitutionsprägung zu betrachten. In der Reihe der restituierten Aurei wurde der Divus Nerva nur als einer der dort abgebildeten Principes geehrt, unter denen er keine herausgehobene Stellung einnahm. Tatsächlich waren die drei Nerva-Darstellungen der Restitutionsprägung die ersten Münzbilder mit denen Traian seinen schon lange zuvor divinisierten Vorgänger direkt ehrte.21 In der Reichsprägung ist der Befund ähnlich. Es gab während des gesamten traianischen Principats keine einzige Münze, die Nerva allein abgebildet hätte. Hieran wird abermals deutlich, dass Nerva in der Herrschaftsdarstellung Traians nureine geringe Rolle spielte. Hingegen bezog sich Traian besonders in den Münzen der Reichsprägung ab 112 massiv auf seinen divinisierten leiblichen Vater. Nicht nurwurde dasPorträt desDivus Traianus Pater alleine abgebildet, sondern sogar dessen Kultstatue wurde auf Aurei, undnoch wichtiger, auf den massenhaft verbreiteten Denaren geprägt. Unmittelbarer Anlass dieser imJahr 112 plötzlich einsetzenden Darstellung desDivus Traianus Pater aufReichsmünzen könnte dessen Konsekration gewesen sein, doch kann dies nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Auch eine Betonung des dynastischen Prinzips oder der Anspruch Traians, einst ebenso wie auch sein leiblicher Vater konsekriert zuwerden, mögen die Prägung motiviert haben. Möglicherweise wollte Traian auch im Vorfeld des gerade von Hadrian vorbereiteten Partherfeldzugs seine eigene Abstammung von einem Parthersieger hervorheben.22
19 RiCNr.759, 761. –Diese Stücke wurden erst nach derKonsekration Marcianas geprägt. Eine Bildnisschilde und Abbildung findet sich im Kapitel zumTraiansforum im Abschnitt 6.3.3 „ Restitutionsprägungen.“Zu dieser undanderen traianischen Konsekrationsprägungen siehe
20
auch SCHULTEN 1979.
215. Siehe hierzu –miteiner Abildung –imKapitel zumTrai204ff., Nr.212– den Abschnitt 6.3.2 „ Die beiden Väter Traians –pulchrius genuisse talem an ele-
STRACK 1931,
ansforum
gisse“ .
21 KOMNICK 2001, Nr. 72ff.; RICNr. 14. 22 Siehe hierzu imKapitel zumTraiansforum denAbschnitt 6.3 „Imagines Clipeatae –Exempla Principum“
452
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
Fasst man diese Ergebnisse zusammen, lässt sich das Doppelporträt von Divus Nerva undDivus Traianus Pater in derReichsprägung erklären. Traian betonte auf diese Weise gleich zweifach seinen eigenen Anspruch auf Divinisierung, immerhin stamme er sogar vonzwei göttlichen Vätern ab. Daneben mochte diese Darstellung auch dazu gedient haben, denDivus Traianus Pater in die Reichsprägung aufzunehmen. Umdann aber durch Vernachlässigung des Divus Nerva die diesem gegenüber gebotene Pietas nicht zu verletzen, wurde auch dessen Konterfei wenigstens einmal zusammen mit Traians leiblichem Vater im Doppelporträt abgebildet. Gestützt wird die Annahme, das Nerva-Porträt sei nur in rechtfertigender Funktion geprägt worden, dadurch, dass Nerva in der sonstigen kaiserlichen Programmatik, besonders der Münzprägung, keine gewichtige Rolle spielt. Hätte die Nerva-Abbildung an sich im Rahmen des Doppelporträts eine für die traianische Herrschaftsdarstellung wichtige Aussage transportiert, so wäre diese Botschaft auch mit Hilfe anderer Münzen undMedien verbreitet worden, welche denDivus Nerva alleine abgebildet hätten, so wiedies mitdemDivus Traianus Pater derFall
war.
Im Jahre 112 wurde das Ehrenmünzrecht an Plotina undMarciana verliehen, woraufhin ihre Porträts undihre Titel auf den Münzvorderseiten dargestellt werden konnten.23 So beobachten wir in diesem Jahr auf den Münzen der Reichsprägung mit der Darstellung der kaiserlichen Damen auch die Zunahme der PietasAnklänge. Denn auf diesen Stücken ist nicht nurMatidia selbst als Pietas abgebildet, sondern durch die Darstellung dreier Generationen des kaiserlichen Haushaltes ist auch das Prinzip derPietas verkörpert. Insgesamt ist daher auf denReichsmünzen des Jahres 112 die vermehrte Darstellung von Mitgliedern der Herrscherfamilie auffällig, mithin die Betonung des dynastischen Prinzips, wie oben schon einmal angedeutet. Dies geht einher mit einer neu einsetzenden Welle unterschiedlicher Pietas-Prägungen, unter anderem in Form von Konsekrationsprägungen des Divus Traianus Pater und ab September 112 der Diva Marciana. Man kann hierin die Darstellung eines Konglomerats dreier miteinander verknüpfter Themen erkennen, nämlich der kaiserlichen Pietas, des Dynastieprinzips sowie des Anspruchs Traians auf seine spätere Konsekration. In dieser Konstellation ist Pietas dasPrinzip, welches die aufeinander folgenden Generationen verbindet und die Nachkommen auf die Divinisierung ihrer Vorfahren verpflichtet. Vor dem Hintergrund der politischen Situation des Jahres 112 besaßen diese Aussagen sogar noch eine zusätzliche Bedeutung: Hadrian, der durch seine Heirat mit Sabina, Marcianas Enkelin, Traians nächster männlicher Verwandter war, wurde 111 mit einem wichtigen Kommando in Syrien betraut, der Vorbereitung des Partherfeldzugs. Auf seinem Weg nach Osten ist er im Jahr 111/112 als Archon von Athen nachgewiesen. Die Ehrung unddas Kommando waren geeignet, auf eine geplante Nachfolge Hadrians hinzudeuten. In diesem Sinne erscheint die Betonung desdynastischen Prinzips in derReichsprägung desJahres 112 auch als eine Strategie, denHerrschaftsübergang aufdenvonTraian erwählten Nachfolger,
23
STRACK 1931,
41 und 199f.
6. DIE DARSTELLUNG VONHERRSCHERTUGENDEN
453
wohl Hadrian, schon für die Zukunft abzusichern undzu rechtfertigen.24 Wieder-
um ergänzt die Serie der Restitutionsmünzen die Aussage der Reichsmünzen. Denn, wie gesehen, bilden die Nummi Restituti, so wie die Reichsprägung es um
das Jahr 112 tut, mit einer für den traianischen Principat einzigartigen Häufigkeit Pietas-Darstellungen ab. Programmatisch ergeben die Restitutionsmünzen also im zeitlichen Umfeld der traianischen Herrschaftsdarstellung des Jahres 112 einen Sinn. Diese Beobachtung lässt sich noch in anderer Hinsicht bestätigen. Denn der Konsekrationsanspruch Traians fand nicht nur in der Prägung des Doppelporträts seiner beiden divinisierten Väter Ausdruck, sondern auch darin, dass der Princeps auf den restituierten Aurei alle seine divinisierten Vorgänger darstellte und auf diese Weise gleichermaßen seinen eigenen Anspruch auf Konsekration formulierte.
In diesem Zusammenhang ist auch eines der erstaunlichsten Stücke in der Reihe der Restitutionsmünzen zu betrachten. Die traianische Münze besitzt einen hier abgebildeten Denar des Sextus Pompeius als Prototyp, welchen dieser zwischen den Jahren 42 und 40 hatte prägen lassen.25 Nunfolgt die Serie dem Prinzip, nur die Münzen der Principes in Gold zu restituieren, beginnend mit den Stücken für lulius Caesar als Consul undals Divus. Die Münze des Sextus Pompeius ist aber ebenfalls als Aureus restituiert worden, durchbricht also dieses Prinzip.26 Allein schon diese äußerliche Irregularität markiert die Münze als etwas Besonderes. Ein Blick auf ihre Rückseite lässt denn auch die ungeheure Relevanz dieses Stückes für die traianische Herrschaftsdarstellung im Jahre 112 deutlich werden. Die Reverse zeigt nämlich die einander gegenübergestellten Porträts des Pompeius Magnus und des Gnaeus Pompeius. Vater undSohn sind hier in demgleichen Schema des Doppelporträts abgebildet wie die Divi Nerva et Traianus Pater in dertraianischen Reichsprägung desJahres 112. Auch die Prägung des republikanischen Vorbildes durch Sextus Pompeius wareine Demonstration familiärer Pietas gewesen. Andieser Stelle wäre derEinwand berechtigt, dass diese beiden Münzen nicht für einen derartigen Vergleich geeignet seien, daes sich bei dereinen Darstellung umVater undBruder des auf der Vorderseite Dargestellten handele, bei deranderen aber umden leiblichen Vater unddenAdoptivvater. Demwäre zu entgegnen, dass in beiden Fällen eine familiär begründete Tradition hergestellt wurde. Der republikanische Flottenpräfekt wies auf die militärische Leistungskraft seiner im 24 Siehe zur Relevanz der kaiserlichen
Damen
im Rahmen der traianischen
Herrschaftsdarstel-
lung Temporini 1978 und 1999 sowie 2002, BOATWRIGHT 1991 undRoche 2002. 25 KOMNICK 2001, Nr. 55; CRAWFORD 1974, Nr. 511/1; BMCRR Sizilien 13. 26 Zwar folgt Sex.Pompeius zeitlich aufdenDictator Caesar, doch allein die Serie derintraianischer Zeit schon kanonisierter Principes, wie sie etwa in denKaiserbiographien Suetons vorgeführt werden, wurde als Aurei restituiert. So wurden auch Prägungen von M.Antonius und Agrippa
als Denare restituiert.
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
Krieg gegen Iulius Caesar getöteten Verwandten hin, umdie Darstellung seiner selbst umeine Facette zubereichern. DerOptimus Princeps wies darauf hin, sogar zwei divinisierte Väter zu haben, von denen einer ebenfalls Kaiser, der andere sogar Parthersieger gewesen war. Traian nuancierte somit seine militärische Imago durch denHinweis auf seine in derFamilientradition begründete Kompetenz in der Kriegsführung undbereitete wiederum für sich selbst die Divinisierung vor. Zudem betonte auch dieser Hinweis auf eine Einordnung in familiäre Traditionen das dynastische Prinzip. Auf einer abstrahierten Ebene besaßen die Prägung des Sextus Pompeius unddiejenige Traians also die gleiche rechtfertigende Funktion. DerBetrachter derrestituierten Münze konnte deren programmatischen Gehalt in jenen Doppelporträt derReichsprägung wieder erkennen, welches genau dasgleiche Schema derDarstellung aufwies undeine ähnliche Aussage verkündete. AmEnde dieses Abschnitts sei auf einen weiteren restituierten Aureus hingewiesen, der erneut ein deutlicher Hinweis auf die Datierung der Restitutionsserie in das Jahr 112 ist. Die Münze trägt denKopf des Divus Nerva auf ihrer Vorderseite, die ganz links abgebildete Reverse zeigt Nerva auf einem zweirädrigen Wagen sitzend, der von zwei Elephanten gezogen wird. Er hält ein Szepter und einen Zweig.27 Eben dieses Motiv der Elephantenbiga war in der römischen Münzprägung bis zu diesem Zeitpunkt ohne Vorbild gewesen. Doch im Jahre 112 wurde es auf einer Konsekrationsprägung für Marciana emittiert, deren Rückseite rechts abgebildet ist.28 So weisen also auch im Falle der Pietas-Anklänge zahlreiche Übereinstimmungen zwischen Restitutionsmünzen undReichsprägung auf eine Emission der Nummi Restituti in dieser Zeit undin diesem programmatischen Kontext hin.
6.2. VESTA
Zu den Gottheiten, die in der Serie der Restitutionsmünzen verglichen mit der Reichsprägung verhältnismäßig oft dargestellt wurden, zählt auch Vesta. Sechs der restituierten Denare undAurei weisen explizit auf sie hin. An erster Stelle ist ein Denar zu nennen, der einen Prototyp aus dem Jahre 69 v.Chr. restituierte. Er zeigt auf der Vorderseite einen verschleierten Vestakopf, auf der Rückseite Opfergeräte.29 Der zweite Hinweis auf Vesta findet sich auf einem restituierten Denar, dessen Vorbild im Jahre 61 v.Chr. geprägt worden war, undder auf seiner 27 28 29
KOMNICK
2001, Nr. 74. Nr. 201; BMCNr. 1086, Taf.44.8 2001, Nr. 23; CRAWFORD 1974, Nr. 401/6. –Der Prototyp war von dem curuli-
STRACK 1931, KOMNICK
schen Aedil P.Sulpicius Galba geprägt worden.
6. DIE DARSTELLUNG VONHERRSCHERTUGENDEN
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Vorderseite Kranz undSimpulum unddie verschleierte Büste der Vestalin Aemilia oder derVesta selbst zeigt.30 Derdritte undvierte Hinweis aufVesta findet sich aufzwei restituierten Denaren, die auf Vorbilder desQ.Cassius, desspäteren Caesarmörders, zurückgehen.31 Diese Prototypen waren imJahre 55 v.Chr. mit identischen Rückseiten geprägt worden. Beide zeigen denVestatempel, in demjeweils eine Sella Curulis mit einer Urne aufgestellt ist. Die Vorderseite dereinen Münze bildet eine Frauenbüste ab, die durch die Umschrift VEST(a) identifiziert wird, während die zweite Münze einen weiblichen Kopf als LIBERT(as) kennzeichnet. Außer auf diesen vier restituierten Denaren mit republikanischen Prototypen ist Vesta auch auf zwei restituierten Aurei dargestellt. Einer der beiden wurde oben bereits besprochen und abgebildet.32 Seine Rückseite stellt eine sitzende Vesta mit Opferschale und kurzer Fackel dar, während die Vorderseite mit der Legende IOM CAPITOLINVS eine belorbeerte Büste des Iuppiter Optimus Maximus zeigt.33 Dieser restituierte Aureus besitzt sein Vorbild in einer Prägung des Vitellius,34 welche Traian jedoch hatte modifizieren lassen. Denn im Jahre 68/9 n.Chr. war eben dieses, bis dahin neuartige Bild der Göttin mit der Umschrift VESTA P(opuli) R(omani) QVIRITIVM geprägt worden. Diese Legende fehlt auf der restituierten Münze. Auch der trug eben jenes zweite Restitutionsaureus erwähnte vitellianische Bild der Vesta auf seiner Rückseite, wiederum ohne Umschrift.35 Doch dies war nicht die einzige Veränderung, die Traian hatte vornehmen lassen. Denn die Vorderseite dieser zweiten, hier abgebildeten Münze zeigte den Divus Claudius auf der Vorderseite. Claudius hatte dieses Motiv allerdings nie geprägt; es sollte, wie gesagt, zum ersten Male unter Vitellius emittiert werden. Diese beiden vonTraian restituierten Aurei sind also zwei jener Stücke, für welche historische Prototypen –in diesem Fall ein claudischer undein vitellianischer –suggeriert wurden, die tatsächlich aber nie existiert hatten. Interessant ist nun vor allem, dass durch das Weglassen der ursprünglichen Umschrift VESTA P(opuli) R(omani) QVIRITIVM die dargestellte Göttin einen Teil ihrer ursprünglichen undspezifischen Semantisierung einbüßte.
KOMNICK 2001, Nr. 26; CRAWFORD 1974, Nr. 419/3b. –Der Denar zeigt eine Darstellung der Basilica Aemilia auf seiner Rückseite. Die erklärende Legende besagt M LEPIDUS REF(ecit) SC AEMILIA. DerAhndesMünzmeisters hatte dieBasilica bauen, derVater sie imJahre 78 v.Chr. restaurieren lassen undsie dabei mitjenen Bildnisschilden versehen, die auf derMünze deutlich zu erkennen sind. Wegen dieses Verweises auf die Gens Aemilia ist in derVorderseitendarstellung womöglich einBild derVestalin Aemilia zusehen. 31 KOMNICK 2001, Nr. 33f.; CRAWFORD 1974, Nr. 428/1f. –Eine Abbildung dieses Stückes
30
32
Libertas“ . befindet sich in Abschnitt 7 „ Siehe hierzu denAbschnitt 5 „ . DieCapitolinische Trias“
33 KOMNICK 2001, Nr. 62. 123); RIC 1 Bürgerkriege, Nr. 124. 73, (90, 120– 34 BMC1 Bürgerkriege, Nr. 70– 35 KOMNICK 2001, Nr. 61.
456
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
Diese Beobachtung soll vorerst nurverzeichnet werden; beim Fazit wird auf sie zurückzukommen sein, umsie näher zuerläutern.
Nach diesem Blick auf Vesta-Bilder in denRestitutionsmünzen, wird nunvergleichend die Darstellung der Göttin in der traianischen Reichsprägung untersucht. Ähnlich wie im Fall der Pietas lassen sich auch für Vesta zwei Zeiträume beobachten, in denen zwei allerdings ikonographisch grundverschiedene Darstellun-
gen der Göttin emittiert wurden. In der ersten Phase wurde Vesta von frühestens Herbst 98 bis spätestens Oktober 102 ausgemünzt.36 In diesen Emissionen ist die verschleierte Göttin sitzend mit Opferschale und kurzer Fackel dargestellt. Es handelt sich bei dieser Darstellung also umgenau jenes Bild, welches Jahre später von einem vitellianischen Vorbild, allerdings ohne Umschrift, in Form der oben abgebildeten Claudius-Restitution in die Serie der traianischen Restitutionsmünzen übernommen wurde.37 Warum Traian in der frühen Phase seiner Regierung dieses Bild einer Vesta P(opuli) R(omani) Quiritium darstellen ließ, kann nicht vollends geklärt werden. Möglicherweise wollte er seine Affinität zu der Göttin betonen, zumindest hatte derPrinceps zu dieser Zeit in seiner Funktion als Pontifex Maximus das Atrium Vestae restaurieren lassen, denWohnsitz der Vestalinnenbeim Tempel derGöttin auf demForum Romanum.38 Der zweite Zeitraum, in welchem die traianische Reichsprägung VestaMünzen prägen ließ, begann nach der Veränderung der Rückseitenlegenden im fünften Consulat, als Beischriften die Bilderzu begleiten begannen, undendete im sechsten Consulat, bevor der OptimusBeiname in die imperiale Titulatur aufgenommen wurde. Dieser Zeitraum umfasst also längstens die Jahre von 109 bis August 114. Doch das Vesta-Bild dieses späteren Prägezeitraums unterscheidet sich charakteristisch von der früheren Darstellung, denn nunhält die sitzende Göttin, die durch die Legende als VESTA identifiziert wird, ein Szepter unddas Palladium.39 Was bedeutete dieses Bild, welche Semantisierung hatte die Göttin durch den Austausch ihrer Attribute erhalten? Der Mythos besagte, dass Aeneas bei seiner Flucht aus Troia die Penaten, die im Vestatempel verehrt wurden, unddasPalladium, eine Statuette derbewaffneten Athena,
36 37
38 39
STRACK 1931, 72– 75 mitAnm. 234, Nr. 16, 27, 35, 45; dies ist dieZeit vomzweiten bis zum vierten Consulat Traians. Dass jenes Vesta-Bild auch in dieser frühen Phase der traianischen Reichsprägung ohne die Umschrift dargestellt worden war, resultiert daraus, dass in diesen Jahren die Reversen durchweg ohne erklärende Legenden geprägt wurden. Datierbare Stempel auf den beim Bau verwendeten Ziegelsteinen lassen darauf schließen, dass Traian dasAtrium Vestae in denJahren 101/2 hatte erweitern lassen; RICHARDSON 1992,
43.
STRACK 1931, 186, Nr. 163, 170, 178; RICNr. 107f. –Auch dieser spezifische Typus besaß ein Vorbild, daserstmalig unter Galba geprägt worden war.
6. DIE DARSTELLUNG VONHERRSCHERTUGENDEN
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nach Rom gebracht habe.40 Diese Szene war auf einem von Traian restituierten Denare dargestellt, dessen Vorbild hier abgebildet ist.41 Auch das Palladium wurde mit den anderen, den Erhalt der römischen Herrschaft garantierenden pignora imperii im Vestatempel auf dem Forum Romanum aufbewahrt.42 Doch zusätzlich zum Vestakult auf dem Forum Romanum hatte Augustus im Jahre 12 v.Chr., als derPrinceps Pontifex Maximus wurde, denKult derVesta Palatina gestiftet. Nunwar es seit alters her üblich, dass der Pontifex Maximus in einer an das Atrium der Vestalinnen angrenzenden Domus Publica wohnte.43 In seinem Bestreben, den Staatskult mit seiner Familie zu verknüpfen, machte Augustus einen Teil seines Hauses auf demPalatin zurDomus Publica undstiftete dort eine Aedicula, ein Bild unddenKult der Vesta.44 Dorthin brachte er auch das Palladium oder jedenfalls eine Kopie davon.45 Wegen der erwähnten, im Mythos beschriebenen Affinität des iulischen Stammvaters Aeneas zu Vesta und den Penaten undihrem neuen Sitz auf demPalatin warder Kult der Vesta Palatina zu Beginn der Kaiserzeit eng mit dem iulischen Geschlecht verbunden. Die exklusive Anbindung andiese Gens wurde mitderZeitjedoch schwächer undtrat hinter der Auffassung zurück, der Kult der Vesta Palatina sei generell Aufgabe undPrivileg des Kaiserhauses.46 Der Vestakult auf dem Palatin wurde denn auch von den kaiserlichen Damen versehen, die dementsprechend die gleichen Vorrechte wie die Vestalinnen genossen. Auf diese Weise schützte die Göttin des Staatsherdes in besonderer Weise auch denHerd des Kaiserhauses. Bei der Darstellung der Göttin mit Palladium undSzepter scheint es sich also um eine Abbildung des Kultbildes der Vesta Palatina oder zumindest um eine charakteristische visuelle Umschreibung dieses Kultes zu handeln.47 Denn während in derBildsprache derkaiserzeitlichen Reichmünzen dasSzepter generell auf eine Verbindung desAbgebildeten zumKaiserhaus hinweist, deutet dasPalladium in den Händen der dargestellten Vesta speziell auf den Kult der Vesta Palatina hin. Die von den Vesta-Bildern der ersten Prägephase deutlich unterschiedene Vesta-Prägung der zweiten Phase der traianischen Reichsprägung bildete mithin
75. 40 Vergleiche hierzu undzumFolgenden STRACK 1931, 72– 41 KOMNICK 2001, Nr. 38; CRAWFORD 1974, Nr.458/1. 42 Bei einem Brand imJahre 241 v.Chr. soll derPontifex Maximus L.Caecilius
43
44 45 46 47
Metellus es aus demFeuer gerettet unddabei sein Augenlicht verloren haben; Ov.fast. 6.437ff. DerPontifex Maximus wohnte traditionell in einer Domus Publica, die andasAtrium Vestae grenzte. So verlegte laut Suet.Caes.46.1 auch Iulius Caesar seinen Wohnort vonder Subura andie Via Sacra, als er denOberpontifikat antrat; vergleiche Cassius Dio54.27.3, 55.12.5. STRACK 1931, 73. –Ein ähnliches Vorgehen desersten Princeps ist in derbaulichen Verbindung seines Wohnhauses mitdemApollo-Tempel zusehen. CILX 6441: Palladium Palatinum. STRACK 1931, 73f. Für diese Ansicht tritt STRACK 1931, 74 ein, wenn er betont, dass Vesta ein häufiger Rückseitentyp jener Münzen war, die für die Hausherrin der kaiserlichen Domus geprägt wurden; so für Plotina, doch nicht für Marciana oder Matidia, für Sabina und für die beiden Faustinen, für diejüngere jedoch erst seit demJahre 161, in demMarc Aurel Princeps wurde undFaustina somit die Hausherrin derDomus Augusta.
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
nicht mehr die Vesta Populi Romani Quiritium ab, sondern die Vesta Palatina.48 Die Beobachtung einer gesteigerten Relevanz von Vesta ab dem Jahre 112 wird , die ab demsechsauch vonjenen Stücken ergänzt –eines ist unten abgebildet – ten Consulat, mithin seit Januar 112, auf ihren Vorderseiten Plotina zeigten, die Ehefrau des Kaisers, und deren Rückseiten ebenfalls diese sitzende Vesta mit Szepter undPalladium abbilden.49
Vergleicht mannundenBefund derVesta-Münzen mit denPietas-Darstellungen derReichsprägung, so lässt sich Folgendes feststellen: Bereits zuBeginn dertraianischen Herrschaft waren Pietas und Vesta für kurze Zeit emittiert worden. Dann war
ihre Prägung jedoch wieder eingestellt worden. Seit der spätesten Phase des fünften Consulats wurden nunplötzlich ganz undgar innovative Darstellungen der beiden Numina in der Reichsprägung emittiert, undzwar mit erklärender Beischrift, ausschließlich auf Denaren und in exakt demselben Zeitraum; beide Darstellungen endeten im August 114. Im Jahre 112 schließlich wurden diese Aussagen der Reichsprägung ergänzt. Denn es wurden, wie erwähnt, Münzen mit dem Vorderseitenporträt der Plotina geprägt, auf deren Rückseiten zumeinen deren Tochter undEnkeltöchter als personifiziertes Pietas-Ensemble zu sehen waren, zumanderen die besprochene Darstellung derVesta Palatina. Sucht man nach einer Erklärung für die plötzlich einsetzenden VestaPrägungen imspäten fünften Consulat, hilft ein Blick auf die ähnlich verlaufende Entwicklung der Pietas-Darstellungen. Dass diese Prägungen nach Jahren, in denen sie nicht emittiert worden waren, nunbeide erneut undüberdies in modifizierter Gestalt geprägt wurden, lässt immerhin einen gemeinsamen Anlass oder einen gemeinsamen programmatischen Kontext für die wiederkehrende Emission der beiden Numina vermuten. Im Verlauf der bisherigen Untersuchung konnten wir die Emission zahlreicher Bilder während des fraglichen Zeitraums beobachten, die ganz verschiedene Pietas-Facetten reflektierten. Zumeinen warin dertraianischen Reichsprägung das Bild einer Pietas erga deos emittiert worden; daneben sahen wir die Konsekrationsprägungen für Marciana unddie beiden Väter Traians, die Darstellungen der kaiserlichen Damen als Pietas-Ensemble und darüber hinaus Münzen, deren Rückseiten Pietas zeigten, während ihre Vorderseiten die Porträts derDamen abbildeten. Zumanderen konnten wir zahlreiche Bezüge auf Pietas in 48 Laut Herodian 1.14.4 soll sich im Jahre 191 n.Chr. das Palladium im Vestatempel auf dem Forum Romanum befunden haben. Dies ließe sich entweder damit erklären, dass Augustus nureine Kopie der Statuette auf denPalatin verbrachte, oder aber damit, dass irgendwann in nachaugusteischer Zeit das Palladium wieder vom Palatin in das Heiligtum auf demForum Romanum gebracht wurde. Die Entfernung eines Götterbildes ausseinem Tempel undseiner dortigen kultischen Betreuung durch dieAugusta istjedoch unwahrscheinlich. Möglicherweise befand sich also dasPalladium in traianischer Zeit aufdemPalatin, woes als Symbol des Kultes derVesta Palatina galt. 49 STRACK 1931, Nr. 180f. aufDenaren undAurei.
6. DIE DARSTELLUNG VONHERRSCHERTUGENDEN
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den Nummi Restituti feststellen. Als Grund für diese Häufung ließ sich die Betonung des dynastischen Prinzips in der Kaiserfamilie umdasJahr 112 ausmachen.50 Wahrscheinlich sollte die starke Hervorhebung derVesta, besonders desTyps der Vesta Palatina, zueben derselben Zeit die starke Affinität des Herrschers und der Augusta zu Iuppiter und Vesta ausdrücken und so demonstrieren, dass das Wohlergehen des Staates vonderFürsorge des Kaisers undderKaiserin abhinge. Zumindest besaß imJahr 112 die Darstellung derVesta Palatina mit demPalladiumbesondere Prominenz sowohl in der Reichsprägung als auch auf Münzen, deren Vorderseiten das Porträt der Kaiserin trugen. Die etablierten Darstellungen jener Vesta, die ihren Tempel auf demForum Romanum besaß, waren zu dieser Zeit vollständig durch die Bilder der Vesta Palatina ersetzt worden. So wie der Kult des Iuppiter Optimus Maximus mit demKaiser verbunden warunddenBestand des Staates gewährleistete, war im Kult der Vesta Palatina das Wohl des Staates undseiner Bürger unmittelbar vonderreligiösen Fürsorge derPlotina Augusta abhängig. Zudem hatte der Kaiser als Pontifex Maximus die Oberaufsicht über denKult derVesta auf demForum Romanum. Aufdiese Weise warderKult
derobersten Staatsgötter untrennbar mitdemKaiserpaar verbunden.
Es soll nunauf ein oben verzeichnetes Zwischenergebnis zurückgegriffen werden, welches uns helfen wird, die Aussage der Vesta-Prägungen in der Serie der Nummi Restituti besser zu verstehen: Wie erwähnt, hatte Traian einen Aureus restituieren lasse, dessen Prototyp einst von Vitellius geschaffen worden war. Dessen Vorderseite hatte den IOM CAPITOLINVS abgebildet, seine Rückseite die VESTA P(opuli) R(omani) QVIRITIVM. Während Traian bei der Restituierung dieser Münze die Vorderseitenumschrift beibehalten hatte, ließ er die Legende der Rückseite entfernen. Eben dies steht im Einklang mit den VestaDarstellungen der Reichsprägung um das Jahr 112. Um diese Zeit spielte Vesta, besonders Vesta Palatina, also eine prominente Rolle in der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung. Es liegt nahe, in diesen Zusammenhang auch die vergleichsweise häufige Vesta-Darstellung in derRestitutionsserie einzuordnen. Dem Prinzip der Restitutionsmünzen entsprach, mit Hilfe althergebrachter Darstellungen auf Aktuelles hinzuweisen. Nunexistierte aber kein altes Bild der Vesta Palatina auf Münzen, welches hätte restituiert werden können, ein solches war in der römischen Reichsprägung noch nie geprägt worden. So wurde auf der Suche nach einem Prototyp stattdessen das Bild einer Vesta Populi Romani Quiritium ausderZeit desVitellius restituiert. Indem die Restitutionsmünze jedoch die vitellianische Umschrift wegließ, wardie ursprüngliche Bedeutung dieses VestaBildes modifiziert. Der Kaiser übernahm die althergebrachte Darstellungsform, entfernte aber jene Umschrift, die darauf hinwies, dass in der Vergangenheit eine andere Facette derVesta wichtiger gewesen war, als diejenige, die Traian betonen 50 Dies geschah etwa wegen der Relevanz,
welche der Traianus Pater als Parthersieger für die programmatische Vorbereitung des traianischen Partherkrieges hatte und wegen der anstehenden Nachfolgeregelung zugunsten Hadrians; siehe hierzu ausführlich im Kapitel zum Bildnisschilde undRestitutionsprägungen“ Traiansforum denAbschnitt 6.3.3 „ .
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
ließ. Die von ihmrestituierte Münze wies nunkeineswegs mehr eindeutig auf den Vesta-Kult aufdemForum Romanum hin. Da die traianische Reichsprägung zu dieser Zeit alleine den Kult der Vesta Palatina betonte, ließ sich die derart neutralisierte Vesta-Darstellung leicht im Kontext der zeitgenössischen Vesta-Palatina Bilder lesen. Der Aureus zeigte also auf einer Seite Iuppiter, auf der anderen Vesta; die beiden Garanten für ein Fortbestehen des Reiches, deren Kulte vom Herrscherpaar unterhalten wurden. Wie oben geschildert, betonte Traian in eben dieser Zeit seine Affinität zu luppiter, zumeinen besonders in jenem Typus der Reichsprägung, der Kaiser und Staatsgott zusammen abbildete; zumanderen in denRestitutionsmünzen. Derart intensiv wurde die Affinität von Plotina zu Vesta nicht hervorgehoben, doch immerhin wurde die Augusta auf jenen Münzen, deren Averse ihr Bild trugen, als Vesta dargestellt.51 Es bleibt festzuhalten, dass die restituierten Vesta-Stücke genau auf die Reichsprägung umdas Jahr 112 abgestimmt zu sein scheinen, umim Zusammenspiel mit ihrdie Relevanz auch derKaiserin fürdenStaatskult zubetonen.52
EIN EXKURS –DIE RESTITUIERTEN AUREI DES CLAUDIUS
Bemerkenswert erscheint, dass die ihrer Umschrift entkleidete Vesta-Darstellung nicht nur auf einem vitellianischen Aureus restituiert wurde sondern auch auf einem Aureus des Divus Claudius. Da diese Kombination eines Claudius-Porträts unddieser Vesta-Darstellung keinen historischen Prototyp besaß, muss dieser von Traian fingierte Restitutionsaureus eine bewusste Entscheidung widerspiegeln. Im Folgenden wird eine Erklärung hierfür vorgestellt. Innerhalb der Restitutionsserie scheinen diedrei restituierten Aurei desClaudius aufeine Weise miteinander verbunden zusein, die über eine bloße Erinnerung andiesen Princeps hinausgeht; ihr gemeinsames Thema ist dieGeburt eines Thronfolgers.
51
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Angesichts der unmittelbar damit zusammenhängenden Stücke, welche Matidia und ihre Töchter als personifiziertes Pietas-Ensemble zeigen, scheint es mir plausibel, dass auch auf denMünzen der Plotina nicht allein das Kultbild der Vesta Palatina gezeigt ist, sondern womöglich evoziert werden sollte, hier sei die Kaiserin im Habitus der Vesta Palatina abgebildet. Ein weiterer Aspekt der Hervorhebung des Vesta-Kultes auf restituierten Münzen undin der Reichsprägung ist die Konnotation mit altertümlicher Religiosität. Die Ikonographie der Vesta mit demPalladium verwies auf ihre Ankunft in Italien mit Aeneas undsomit auf den Ursprung Roms. Vesta unddie Penaten wurden auch in Lavinium, Lanuvium undAlba Longa verehrt. Ihre Relevanz als nicht allein spezifisch römische, sondern latinisch-italische Gottheit korrespondiert mit der einsetzenden Betonung der italischen Prosperität in der Regierung Traians. In der Serie der restituierten Denare finden sich zudem zwei weitere Hinweise auf altertümliche Kulte, wenn auf den Ursprung der Cerialia und der Floralia hingewiesen wird. Dies sind Aussagen, die in dieser Form in der traianischen Reichsprägung nicht zu finden sind.
6. DIE DARSTELLUNG VONHERRSCHERTUGENDEN
461
Die Rückseite eines derAurei, der auf seiner Vorderseite ein Porträt des Imperator Claudius trägt, zeigt eine Personifikation der Spes, die eine Blume hält undihr Gewand anhebt.53 Der Prototyp dieser Darstellung war im Principat des Claudius anlässlich der Geburt des Britannicus im Jahre 46/47 geprägt worden, um die in diesen präsumtiven Nachfolger gesetzte Hoffnung auszudrücken. Ein zweiter, hier abgebildeter restituierter Aureus bildet –neben einem Porträt des Divus Claudius auf der Vorderseite –Concordia auf seiner Rückseite ab, die ein Doppelfüllhorn hält.54 Dieser Aureus besaß kein historisches Vorbild, er war mithin eine Neuschöpfung der traianischen Zeit. Wie bereits dargelegt, verweist der Visiotyp des Doppelfüllhorns in der Bildsprache römischer Münzen generell auf den Wert vonKinderreichtum undNachkommen, speziell auch auf die Geburt eines Thronfolgers.55 Beim dritten Aureus schließlich handelt es sich umdie bereits oben vorgestellte Münze mit dem Porträt des Divus Claudius, die auf ihrer Rückseite eine sitzende Vesta mit Fackel undOpferschale zeigt.56 Der Bezug derVesta-Darstellung zuClaudius undzumInhalt derRückseitenabbildungen der beiden anderen Restitutionsaurei mit dem Porträt des Claudius erschließt sich, wenn man einen Blick auf den Festkalender von Cumae wirft.57 Dieser ordnete nämlich andenGeburtstagen derMitglieder derkaiserlichen Familie supplicationes Vestae an. Zu diesem Befund, dass nämlich Vesta in Verbindung zu Geburten des Kaiserhauses steht, passt auch die von Hadrian entworfene Phylenliste von Antinoopolis. In den Namen der Phylen undDemen ist die Dynastie Hadrians aufgeführt, beginnend mit Nerva. Dieser bekommt unter anderen den Beinamen Hestieus.58 Der Stammvater der hadrianischen Genealogie wird also in Verbindung mit Vesta gebracht. Es fallt auf, dass allen drei Rückseitendarstellungen Hinweise auf Geburten in der kaiserlichen Familie gemeinsam sind, wenn nicht gar auf die Geburt eines Thronfolgers. Dass Traian diese Hinweise auf restituierten Aurei des Claudius unterbrachte, von denen sogar zwei fingiert sind, da sie keine Prototypen aus der Regierungszeit des Claudius besaßen, ist nicht weiter verwunderlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Traian im Principat des Claudius geboren wurde.59 53 KOMNICK 2001, Nr. 59; Prototyp Ric Claudius, Nr.97, 115. 54 KOMNICK 2001, Nr. 60. 55 Siehe hierzu imKapitel „ VomRhein nach Rom“ denAbschnitt 7 „Felicitas undSecuritas“ . 56 KOMNICK 2001, Nr. 61. 57 MOMMSEN CIL I (2), S.229 = Ges. Schriften IV, 259ff., besonders 260 = DESSAU 108 58 WEBER 1907, 249ff. 59 Das Geburtsjahr Traians konnte bislang nicht eindeutig identifiziert werden. Allein der Tag seiner Geburt ist bekannt. Wahrscheinlich wurde er im Jahre 53 geboren, so etwa KIENAST 1996, 122 undECK1997, 111. – Auch die Zeitttafel in NÜNNERICH-ASMUS 2002, 172f. nennt als Geburtsdatum Traians den 18. September 53 oder 56. Nundeuten die besprochenen Restitutionsmünzen des Claudius darauf hin, dass Traian noch in dessen Principat geboren sein muss, undmansich demnach fürdasJahr 53 entscheiden sollte.
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
Wahrscheinlich spielte Traian also mit den Restitutionsaurei des Claudius auf seine eigene Geburt in dessen Principat an.60 Rückblickend betrachtet kam unter Claudius mitTraian in derTat einThronfolger zurWelt.
6.3. AETERNITAS DenKonzepten vonPietas undVesta engverbunden istjenes derAeternitas. Dieser Aspekt der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung wurde in der traianischen Reichsprägung erstmalig in der späten Phase des fünften Consulats emittiert; zu jenem Zeitpunkt, als die Rückseitendarstellungen mit Legenden versehen wurden. Wie Pietas undVesta wurde auch Aeternitas nurauf Denaren undnurbis spätestens zumAugust 114 geprägt.61 Diese Reichsmünzen, von denen eine hier abgebildet ist, zeigen mit der Umschrift AET(ernitas) AVG eine stehende Frauengestalt, die in ihren Händen jeweils eine Büste des Sol mit Strahlenkrone und der Luna mit Mondsichel hält. Bevor die Frage behandelt wird, in welchen der Restitutionsmünzen das Konzept der Aeternitas ebenfalls zu finden ist, soll zunächst kurz betrachtet werden, welche Bedeutung das Konzept derAeternitas bis zudiesem Zeitpunkt imPrincipat besessen hatte. Die auf den traianischen Reichsmünzen abgekürzte Legende AVG ließ dem Betrachter Spielraum zurInterpretation. Sie wargleichermaßen geeignet, die Aeternitas Augusti, also den Anspruch des Kaisers auf Konsekration, wie auch die Aeternitas Augusta zu bezeichnen, den ewigen Fortbestand des Reiches.62 Doch bereits seit demaugusteischen Principat waren diese beiden Konzepte untrennbar miteinander verbunden gewesen. So schrieb etwa Ovid zum6. März, demTag, an demAugustus denOberpontifikat angetreten hatte, in denFasten: „Ignibus aeter-
60 Diese
Vermutung äußert schon MATTINGLY 1926 ad loc. bezüglich der Spes-Darstellung. stellt jedoch keine Verbindung zudenanderen beiden Münzbildern her.
Er
61 STRACK 1931, Nr. 154, 166, 171. 62 Auf Münzen des Vespasian mit der Umschrift AETERNITAS P(opuli) R(omani) reicht Victoria dem Kaiser das Palladium des Vestakultes; Ric Vespasian, Nr. 384, 408. Hier wurde demHerrscher aufgrund seiner nachgewiesenen Sieghaftigkeit die Sorge fürdasewige Wohlergehen des Reiches übertragen. Eine AETERNITAS AVGVSTI war zum ersten Mal auf Aes-Münzen Domitians geprägt worden; RIC Vespasian, 289, 297, 297a. Dieses Bild deutete auf die Ewigkeit des Herrschers als Gott hin. Hier war ein Anspruch des Princeps auf Konsekration formuliert. Eine Aeternitas Augusta hingegen ist mit der Ewigkeit der Kaiserherrschaft generell verbunden, auswelcher die Aeternitas Imperii resultiere. –STRACK 1931, 187 weist zumVergleich aufdie Parallele vonSalus Publica undSalus Augusta hin. Siehe hierzu auch SCHWARTE 1979.
6. DIE DARSTELLUNG VONHERRSCHERTUGENDEN
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63Princeps nis aeterni numina praesunt / Caesaris. Imperii pignora iuncta vides.“ und Staatsherd seien also die Gewähr für das Wohlergehen des Reiches. Allerdings räumte derDichter demPrinceps sogar die größere Bedeutung ein, dadieser in seiner Funktion als Pontifex Maximus die ewigen Flammen der Vesta beaufsichtige unddamit erst denBestand desReiches garantiere. Die Aeternitas Augusta wird also durch den Caesar Aeternus gewährleistet, wobei mit dieser Bezeichnung zugleich der Konsekrationsanspruch des Princeps ausgedrückt ist, die Aeternitas Augusti. Denentscheidenden Hinweis, wie unser Münzbild in dermittleren Kaiserzeit semantisiert war, erhalten wirvonMünzen Hadrians. Aufdiesen Stücken desJahres 119 warmit der ausgeschriebenen Legende AETERNITAS AVGVSTI erneut die oben abgebildete Frauengestalt mitdenKöpfen vonSol undLuna dargestellt.64 Der historische Anlass für die Emission des hadrianischen Stückes wardie Konsekration der Matidia. Diese Nichte des Divus Traianus undMutter Sabinas, der Ehefrau Hadrians, wurde im Jahre 119 konsekriert. Dieser vermutete Zusammenhang von Ereignis undMünzbild wird durch weitere Prägungen derhadrianischen Zeit bestätigt. Denn imJahre 137 wurde wiederum die AETERNITAS AVG mit der bereits vorgestellten, aus der traianischen Reichsprägung stammenden Ikonographie emittiert. Zeitgleich wurden Stücke geprägt, die auf die Konsekration derAdoptiveltern Hadrians hinwiesen.65 Deren Reverse bildet die einander gegenübergestellten Büsten des Divus Traianus undder Diva Plotina mit der Legende DIVIS PARENTIBVS ab.66 Über jedem der beiden Köpfe befindet sich ein Stern; jenes Sidus, welches schon Augustus als Zeichen der Konsekration des Iulius Caesar hatte darstellen lassen.67 Dem vergöttlichten Paar, den dynastischen Vorgängern Hadrians, werden hier als Ausdruck ihrer Divinisierung kosmologische Attribute beigegeben, womit ihre Versetzung unter die Sterne ausgedrückt ist.68 Geht mandavon aus, dass sich die Konnotationen dieser kosmologischen Attribute nursehr langsam ändern, so scheint es zulässig, die hadrianischen Münzen als Indiz dafür zu werten, dass auch die traianische Reichsprägung sich mit ihrer Darstellung von Sol und Luna auf das Thema der Konsekration bezog. Dafür sprechen auch die Ergebnisse, die bereits mit Blick auf die traianischen PietasPrägungen erzielt wurden, die innerhalb des gleichen Zeitraums undnur auf Denaren emittiert wurden. Auch hier hatte Traian mittels einer Betonung des dynas-
63 Ovid fast.6.445. –Auch das Palladium, welches im Vestakult eine große Rolle spielte, wurde als das„fatale pignus imperii Romani“bezeichnet; Liv.26.27.14; August.civ.dei 3.18. 64 BMCHadrian, Nr. 1219ff., Taf. 79.8.; deren barbarische Nachprägung Nr. 1835. 65 Traian war bereits 117 konsekriert worden, Plotina 123. Anlass der Konsekrationsprägung desJahres 137warvermutlich der20. Todestag Traians. 66 Die zeitgleiche Emission des Doppelporträts vonTraian undPlotina mit der Abbildung der von einer Frauengestalt präsentierten Büsten von Sol und Luna legte demzeitgenössischen Betrachter eine Identifikation Traians mit Sol undPlotinas mit Luna nahe. Möglicherweise ist dies ein weiteres Indiz dafür, wie bereits in traianischer Zeit die kosmologischen Symbole Sonne undMondsichel besetzt waren. 67
Zu diesem Symbol siehe SCHULTEN 1979, 30ff.
68 BMCHadrian, Nr. 603, Taf. 59.3, undNr. 483*.
464
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
tischen Prinzips den Anspruch auf seine Konsekration erhoben. Die Abkürzung
AETERNITAS AVG auf den traianischen Denaren der Reichsprägung lässt sich demnach als Aeternitas Augusti auflösen. Sie verwies jedoch wohl nicht auf den Herrscher allein, sondern bezog dessen Familie mit ein. Darauf deutet zumindest die Umschrift der hadrianischen Konsekrationsprägung für Matidia des Jahres 119 hin: Dort steht Aeternitas Augusti, nicht etwa Augustae. Nun gewährleistete die Ewigkeit des Herrscherhauses aber den Fortbestand desReiches, ein Gedanke, denOvid in deroben zitierten Stelle derFasti prägnant zumAusdruck brachte. Somit ist die Aeternitas Augusti auch der Ausdruck einer Ewigkeitskonzeption des Reiches, welche direkt durch den Kaiser und gerade auch die kaiserliche Dynastiebildung vermittelt wird. Diese Betonung derFunktion deskaiserlichen Paares als Garanten desFortbestands desReiches wurde auch
schon in der Untersuchung der Vesta-Darstellungen erläutert. Traian undPlotina hoben in besonderem Ausmaß ihre Affinität zur Göttin, ihre eigene Relevanz in deren Kult undsomit ihre Rolle für dasBestehen des Imperium hervor: derKaiser selbst als Pontifex Maximus, die Kaiserin durch ihre Aufsicht über den Kult der Vesta Palatina. Die Aspekte der Aeternitas Augusti undder Aeternitas Augusta sind daher nicht voneinander zu trennen. Eben dies drückt auch die besprochene Aeternitas-Münze der traianischen Reichsprägung aus. Die exzeptionelle Qualität des kaiserlichen Paares, die ihrer beider Konsekration rechtfertige, sei eben auch die unabdingbare Voraussetzung für die Vermittlung und Gewährleistung des prosperierenden Weiterbestands des Reiches insgesamt.69 Hinweise auf dieses Aeternitas-Konzept in derReichsprägung mit seinen Darstellungen von Sol, Luna und Sternen, lassen sich auch in der Serie der Restitutionsmünzen finden. Einer dervonTraian restituierten Denare, der auf einen Prototyp des Münzmeisters L.Lucretius Trio aus dem Jahre 76 v.Chr. zurückgeht und hier abgebildet ist, zeigt auf seiner Vorderseite den Kopf des Sol mit Strahlenkranz, während seine Rückseite eine Lunula mit sieben Sternen abbildet.70 Ein weiterer Kopf des Sol ist auf einem Prototyp des Münzmeisters L.Valerius Acisculus aus dem Jahre 45 v.Chr. dargestellt, der auf seiner Rückseite Luna abbildet, die eine Biga lenkt.71 Ein dritter restituierter Denar ahmt
69 Trotz
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71
ihrer Relevanz für die kollektive Existenz unddas Wohlergehen des Staates gab es nie einen offiziellen Kult der Aeternitas Imperii. Erst Hadrian ließ Münzen prägen, die mit der Legende ROMA AETERNA eine Roma darstellten, die Büsten von Sol undLuna hielt. Hier kamjedoch eine bis dahin nicht vorhandene Bedeutungskomponente hinzu, nämlich die der generellen Sieghaftigkeit. Die Roma wurde mit einem Waffenhaufen oder einer Victoria dargestellt. –Ric Hadrian, Nr. 263, 263a. KOMNICK 2001, Nr. 21; CRAWFORD 1974, Nr. 390/1. –Das republikanische Original war auch schon vonAnhängern des Galba in Spanien nachgeprägt worden, die esjedoch als eine Prägung desAugustus ausgewiesen hatten; siehe hierzu BMC1, S. CXCVIII. KOMNICK 2001, Nr.42; CRAWFORD 1974, Nr.474/5. –Während in derSerie derrestituierten Münzen der Gott Sol mit zwei direkten Verweisen dargestellt ist, wird er in der regulären
6. DIE DARSTELLUNG VONHERRSCHERTUGENDEN
465
eine Prägung des Jahres 42 v.Chr. nach, die auf ihrer Rückseite eine Diana Lucifera zeigt, die in ihrer Linken undRechten je eine lange Fackel trägt.72 Auch diese Fackel war ein Zeichen der Aeternitas.73 Schließlich klingt die Divinisierungsthematik auch in einem vierten restituierten Denar an, dessen Prototyp im Jahre 90 v.Chr. geprägt worden war.74 Diese Münze zeigt auf ihrer Rückseite Pegasus, derin Romals eines der Symbole vonApotheose galt. Auch die traianische
Reichsprägung hatte während des fünften Consulats das Flügelpferd darstellen lassen, allerdings ohne dass für diese Prägung ein Anlass zu erkennen wäre.75 Ein weiterer Aureus der Restitutionsserie, der zu jenen fingierten Stücken ohne einen Prototyp gehört, zeigt auf seiner Vorderseite denDivus Vespasianus.76 Das innovative Rückseitenbild drückt ein komplexes Konzept aus: Über einem Stern mit acht Strahlen sind zwei Büsten abgebildet, vondenen eine Iuppiter, die andere Merkur zeigt. Auch hier betrifft die kombinierte Aussage vonAverse undReverse derMünze denAnspruch des Kaisers auf Konsekration: Der Divus Vespasianus der Vorderseite ist als neuer Gott unter die Sterne versetzt, worauf das Sidus der Rückseite hinweist. Zugleich wird er in Affinität zum obersten Staatsgott und zu Merkur gebracht, Funktion als Geleiter der Seelen. Das Programm eines dessen in wahrscheinlich divinisierten Kaisers ist damit umrissen: Er sorgt für denErhalt des Reiches und seine Prosperität. Reichsprägung Traians lediglich in den beiden letzten Emissionen seiner Regierung in den beiden Edelmetallen emittiert; STRACK 1931, 229f. mit Nr. 244, 253; BMCNr. 592f., 621– 625. –Diese späten Darstellungen desSol proklamierten wohl die Erfolge desKaisers imOs-
72
ten des Reiches. KOMNICK 2001, Nr. 44; CRAWFORD 1974, Nr. 494/23. –Die Vorderseite zeigt denKopf des Apollo.
73 Dies wird illustriert vonMünzdarstellungen der Divinisierung der Faustina. Dieses Bild zeigt inmitten der Umschrift CONSECRATIO, wie die Diva Augusta von der geflügelten Personifikation der Aetemitas gen Himmel getragen wird, welche eben diese lange Fackel hält; RIC Antoninus Pius, Nr. 1132, BMCAntoninus Pius, Nr. 1422f. –Eben dieses Bild finden wir auch auf einem Relief des Arco di Portogallo, auf welchem die Konsekration der Sabina, der Frau Hadrians dargestellt ist; siehe HANNESTAD 1986, 207; KOEPPEL 1986, 39f. Diese Personifikation ist dasweibliche Pendant zumAion, derauf derBasis der Säule desAntoninus Piusdargestellt ist, umdort dieApotheose desKaisers undderFaustina zubegleiten. 74 KOMNICK 2001, Nr. 10; CRAWFORD 1974, Nr. 341/1. –Diese Münze warvon einem Q.Titius geprägt worden. Demnach handelt es sich bei dembärtigen Kopf der Münzvorderseite wohl umMutinus Titinus, eine Erscheinungsform desPriapus, dessen Stammort Lampsakos ebenfalls mitPegasus verbunden wurde. 75 STRACK 1931, 183f., Nr. 390, Taf.6. –STRACK a.a.O. mit Anm. 799ff. weist darauf hin, dass auf der Augustus-Ara des Vatikans die Solquadriga gemeinsam mit demFlügelpferd dargestellt sei, und dass Bellerophon auf Pegasus häufiges Motiv östlicher Grabaltäre sei; siehe ferner Marcellus auf demPariser Cameo (FURTWÄNGLER 1900, Taf.60) unddie Darstellung derFaustina Maior aufPegasus.
76
KOMNICK
2001, Nr. 66.
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
Wie bei Pietas undVesta korrespondieren also auch im Falle des AeternitasKonzeptes Bilder undAussagen der Nummi Restituti mit Bildern undAussagen der Reichsprägung, die erstmalig im Zeitraum zwischen 109 und 114 emittiert wurden. In beiden Serien finden wir zahlreiche Verweise auf kosmologische Symbolik undDivinisierung. Die Zeichen derAeternitas waren Sonne, Sterne und der Mond. Sie drückten zunächst die kosmische Kontinuität undden immerwährenden Kreislauf derGestirne aus. Doch auch die divinisierten Kaiser werden mit diesen Symbolen der kosmischen Ordnung verbunden. Die fortlaufende Abfolge von Kaisern gewährleistet die Ordnung der Welt. Der gestorbene Herrscher lebt durch seine Konsekration weiter und gewährleistet als neuer Gott, der bildlich durch das Sidus dargestellt wird, die Kontinuität der Herrschaft.77 Die Dechiffrierung derAussagen derNummi Restituti wurde vonderErfahrung erleichtert, welche die Betrachter im Umgang mit den Ideologemen der aktuell kursierenden Herrschaftsdarstellung besaßen.78 Die Assoziationen konnten sehr konkret sein, wenn sie aus dem Vergleich der restituierten Stücke mit zeitgleich emittierten 77
Brüche in einem solchen idealtypischen Verlauf derHerrschernachfolge sind akzeptabel. Die Reihe derfürTraian vorbildhaften Vorgänger imPrincipat ist anmehreren Stellen gebrochen, unddieZahl dertatsächlich divinisierten Kaiser übersteigt die dernicht vergöttlichten. Doch solange diese Abweichungen rhetorisch als Ausnahmen eines an sich guten Systems gekennzeichnet wurden, konnte die Institution der Kaiserherrschaft von solchen Brüchen nicht berührt werden.
78 Ein weiterer
Hinweis auf den Zusammenhang von kosmologischem Kreislauf, dynastischer Ewigkeit undder Konsekration des Herrschers findet sich auf einer anderen hadrianischen Münze. Deren Vorderseite bildet ein Porträt Traians mit der Legende DIVO TRAIANO PARTH(ico) AVG PATRI ab. Die Rückseite zeigt den Phoenix mit Strahlennimbus, der auf einem Lorbeerzweig sitzt. Ein Zeugnis desTacitus (ann.6.28) gewährt Einblick injene zeitgenössischen Vorstellungen, die sich mit diesem ägyptischen Vogel verbanden. So verbrenne sich der Phoenix am Ende seines Lebens selbst auf einem Scheiterhaufen. Aus seiner Asche steige der neue Phoenix. Dessen erste Schuldigkeit sei es, die Reste seines Vorgängers auf demAltar derSonne zubestatten, womit wohldieägyptische Stadt Heliopolis gemeint ist. DerPhoenix ist also ein Sinnbild fürEwigkeit undfürdenungebrochenen Kreislauf desLebens, dassich immer wieder selbst hervorbringt. Dieser Zyklus istjedoch vonderUnterstützung desneuen Phoenix abhängig, dessen Pflicht die Beisetzung seines Vorgängers ist, ohne dener selbst nicht existierte. So ist derPhoenix gerade auch das Symbol einer die Generationenübergreifenden Pflichterfüllung. Hier greifen dieKonzepte vonAeternitas undPietas ineinander: Ewigkeit kann erst durch das aktive Mitwirken eines darauf verpflichteten Nachfolgers sichergestellt werden. Diese Schilderung des Phoenix undseiner Aufgaben bei Tacitus erinnert nunin derTat sehr stark an das Konzept der Konsekration eines Kaisers durch seinen Vorgänger. Das narrative Detail eines Altars der Sonne verbindet hierbei die dynastische Kontinuität der Kaiserherrschaft mit kosmologischen Konnotationen. Die Beobachtung, dass allein einaktiver Nachfolger dieEwigkeit desVorgängers gewährleiste, korrespondiert mitphilosophischen Aussagen Senecas, wonach Aeternitas keineswegs absolut ist. Stattdessen ist sie an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Siehe etwa Sen.ad Pol.9.7 „tandem liber, tandem tutus, tandem aeternus est“ (nachdem erst einmal die Unabänderlichkeit desTodes erkannt ist) oder Sen.ad Marc.26 „ nosquoque felices animae et aeterna sortitae, cumdeovisum erit iterum ista moliri...in antiqua clementia vertamur.“
6. DIE DARSTELLUNG VONHERRSCHERTUGENDEN
467
Reichsmünzen entstanden. Sie konnten aber auch durch einen Blick auf andere zeitgenössische Medien verstanden werden; etwa, wenn beim Anblick der dargestellten Fackeln jene Amoretten in den Sinn kamen, die mit ebensolchen Fackeln in ihren Händen auf denFriesen des gerade neueröffneten Forum Traiani dargestellt waren.79 Die Assoziationen konnten auch dahin gehen, in der Reihe der Kaiser, welche auf denVorderseiten der restituierten Aurei als Imperatoren undDivi dargestellt waren, die Vorgänger Traians zusehen. Diese hatten sich zu Lebzeiten ihre Divinisierung nach demTode verdient. Somit brachten die Nummi Restituti zum Ausdruck, dass auch der Optimus Princeps sich durch seine Taten undTugenden in die Reihe seiner vergöttlichten Vorgänger einordnen werde.
79
DAVIES
2000, 188 mitAnm. 76.
7. LIBERTAS Im Folgenden sollen die Relevanz unddie Semantik der Libertas in der traiani-
schen Herrschaftsdarstellung untersucht werden. Hierzu werden zunächst die verschiedenen semantischen Stränge der Libertas-Tradition im frühen Principat aufgezeigt, umsodann jene Stücke der Restitutionsserie in diesen Kontext einzuordnen, welche die Libertas abbilden. Dabei wird sich zeigen, dass die Nummi Restituti eine ganz bestimmte Bedeutungsfacette von Libertas abbilden. Schließlich wird betrachtet werden, welcher Anlass Traian dazu bewogen haben mag, diese Stücke indieRestitutionsserie aufzunehmen.
In der Serie der Restitutionsprägungen
fallen vier Münzen auf, welche Libertas darstellen; drei davon besitzen republikanische Vorbilder, eine restituiert einen Prototyp aus der Kaiserzeit. Einer der restituierten Denare greift auf ein Vorbild aus demJahre 89 v.Chr. zurück, dender Münzmeister M.Cato hatte prägen lassen. Die Vorderseite zeigt mit der Umschrift M CATO ROMA denKopf der Libertas, die Rückseite stellt eine sitzende Victoria mit Schale und Palmzweig dar.1 Eine zweite, weiter unten abgebildete Münze geht auf ein Original des Jahres 55 v.Chr. zurück, welches Q.Cassius hatte prägen lassen. Auch hier ist mit der Umschrift LIBERT(as) das Haupt des Numen abgebildet.2 Ähnliches gilt für den dritten von Traian restituierten Denar, der hier abgebildet ist. Dieser besitzt sein Vorbild in einer Prägung des M.Iunius Brutus aus dem Jahre 54 v.Chr., die auf ihrer Vorderseite dendort dargestellten Frauenkopf mittels derLegende LIBERTAS identifiziert.3 Die Rückseite der Münze zeigt oberhalb des Namens BRVTVS vier Togati: L.Iunius Brutus, denersten Consul derRepublik, mit zwei Liktoren und einem Accensus. Das vierte Stück, der von Traian restituierte Au-
1
2001, Nr. 11; CRAWFORD 1974, Nr. 343/1a, b. –Der Kopf auf der Vorderseite lässt sich mithilfe einer Analogie als Libertas identifizieren. Denn auf einem Quinar derselben Serie desM.Cato ist derKopf desLiber mitEfeukranz abgebildet. Die Serie zeigt außer diesen beiden Typen keine anderen Personifikationen; CRAWFORD 1974, 351f., Nr. 343/2a, b. Es handelt sich aber keinesfalls umeinen Kopf der Roma, wie womöglich die Umschrift bei oberflächlicher Betrachtung suggerieren könnte. Diese Göttin wird stets mit einem Helm darKOMNICK
gestellt.
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3
KOMNICK 2001, Nr. 34; CRAWFORD 1974, Nr. 428/2. –Außerdem trägt die Averse den Namendes Münzmeisters Q CASSIVS. Die Rückseite der Prägung zeigt denVestatempel mit einer Sella Curulis, aufdereine Urne steht. KOMNICK 2001, Nr. 35; CRAWFORD 1974, Nr.433/1.
7. LIBERTAS
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reus, der im Folgenden abgebildet ist, zeigt auf seiner Vorderseite den Kopf des Galba; umseitig eine stehende Libertas, die ein Szepter und den Pileus hält, die Kappe der Freigelassenen.4 Dieses Stück kopierte eine erstmalig unter Galba geprägte Libertas-Darstellung, allerdings ohne die Legende dieses Vorbildes zu übernehmen.5 Denn diese Münze hatte mit der Umschrift LIBERTAS RESTITVTA nach demSturz Neros die Abgrenzung Galbas von seinem Vorgänger betont. Der neue Kaiser hatte auf diese Weise hervorgehoben, dass seine Usurpation im Dienste der Freiheit stehe. Dieses Libertas-Konzept ist durchaus konform mit demHauptstrang der Tradition des Libertas-Begriffs im frühen Principat. So häufig die Freiheit auch auf Münzen der Republik abgebildet worden war, so selten wurden ihre Bilder im frühen Principat emittiert. In der Zeit vor Traian war die Libertas bis auf sehr wenige Ausnahmen stets nur dann geprägt worden, wenn der Kontrast zumvorherigen Kaiser akzentuiert werden sollte.6 So hatten die Consuln nach derErmordung Caligulas die Losung Libertas ausgegeben und Claudius ließ die LIBERTAS AVGVSTA prägen.7 Auch nach Neros Tod und in der Zeit des sich anschließenden Bürgerkriegs ließen alle Usurpatoren diverse Libertas-Typen emittieren; ein Beispiel ist mit der Münze Galbas soeben vorgestellt worden.8 Zwischen den Jahren 72 und 96 gab es keine Darstellungen dieses Numens auf Münzen, denn die flavischen Kaiser betonten die Kontinuität. In dieser Zeit existierte schlichtweg nicht die Notwendigkeit, sich von seinem Vorgänger abzugrenzen. Vielmehr knüpften die Söhne zur Herleitung ihres Herrschaftsanspruches jeweils an ihren Vater an; Domitian konnte sich zudem noch auf die Regierung seinen Bruder berufen. Erst Nerva ließ wieder nach der Ermordung Domitians eine LIBERTAS PVBLICA emittieren und kopierte auf seinen Stücken den Bildtypus der erwähnten Münze Galbas.9 Es ist also ersichtlich, dass Libertas-Prägungen immer nur in die frühesten Emissionen der Kaiser aufgenommen worden waren. Dies lag in dersituativ bedingten Funktion dieses Münzbildes begründet: Libertas bedeutete vor allem die Befreiung der Res Publica durch denSturz desTyrannen.
4 5
6 7 8
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2001, Nr. 63 und63.1; RICGalba, Nr. 38. Siehe etwa BMCTaf.24.2; RICTaf.9.165. Die wenigen Ausnahmen sind sehr aussagekräftig undsollen weiter unten besprochen werden. –ZumFolgenden siehe STRACK 1931, 176ff. Flav.Ios.ant.19.186; Suet.Claud.10.3; BMC1, 130, 69; Ric 1, 185 mit Taf.35.3. Galba: LIBERTAS PR, LIBERTAS RESTITVTA, LIBERTAS AVGVSTA, LIBERTAS PVBLICA; Vitellius: LIBERTAS AVGVSTI, LIBERTAS RESTITVTA, Vespasian: LIBERTAS PVBLICA, LIBERTAS RESTITVTA, LIBERTAS AVGVSTI.- Zu den zahlrei780. chen Einzelnachweisen siehe STRACK 1931, 177f. mitAnm. 763– Ric Nerva, Nr.7, 19, 31. –Dieses Ideologem ist auch in anderen Medien undDiskursen zahlreich reflektiert; siehe etwa CILVI 472; Plin.ep.8.14.3, 9.13.4; Tac.Agr.3; Martial 11.5. KOMNICK
470
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
Vor diesem
Hintergrund erstaunen die traianischen Restitutionsprägungen. Weshalb ließ Traian mitten in seiner Regierungszeit Libertas-Darstellungen emittieren? Sein Verhältnis zur Memoria Nervas war zwar gespalten, doch konnte dies denKaiser kaum dazu veranlasst haben, einen derartigen Abstand zuseinem Vor-
gänger mit einer ganzen Reihe von Münzdarstellungen zu demonstrieren, welche die Implikation des Tyrannenmords beinhalteten. Traian hatte auch in den ersten Monaten seiner Regierung keine Libertas-Abbildungen emittieren lassen, sodass diese späten Bilder womöglich eine Reminiszenz einer früheren Prägung seiner Regierungszeit hätten sein können. Tatsächlich finden wir die erste traianische Libertas-Darstellung auf einem hier abgebildeten Aureus der Reichsprägung, der von frühestens 108 bis 111 geprägt wurde.10 Dieses Bild war ebenfalls von jener Münze Galbas kopiert worden, die auch schon als dasVorbild des eben besprochenen LibertasAureus der Restitutionsprägung identifiziert wurde; und auch auf dieser Kopie fehlte die Umschrift LIBERTAS RESTITVTA. Beide, die traianische Reichsmünze unddie Restitutionsmünze, gingen also auf dasselbe Vorbild zurück und sie wiesen die gleiche Modifikation auf.11 Besonders die bewusst nicht übernommene Umschrift der Galba-Münze und die Tatsache, dass beide Prägungen jedenfalls nicht auf den Beginn des traianischen Principats zu datieren sind, schließen jedoch aus, dass Traian sich mit ihnen bewusst in den erläuterten Hauptstrang der Libertas-Tradition des frühen Principats einordnen wollte. Letztlich kann also ein Vergleich derNummi Restituti mit derReichsprägung nicht zur vollständigen Klärung der Frage beitragen, welche Aussage mit dentraianischen Libertas-Prägungen intendiert war.
Doch womöglich hilft der Blick auf einen Nebenstrang der Libertas-Tradition weiter. In der Reichsprägung des frühen Principats gab es nämlich durchaus einige wenige Münzen, welche direkt oder indirekt Libertas darstellten, ohne imoben referierten Sinne die Abgrenzung des sie emittierenden Kaisers von seinem Vorgänger zu thematisieren.12 So waren etwa von Caligula Quadranten geprägt worden, die auf ihrer Vorderseite den Pileus zeigten undauf ihrer Rückseite die Legende RCC trugen. Dies ist aufzulösen als remissa ducentesima undwies darauf hin, dass im Jahre 39 das vectigal rerum venalium erlassen wurde.13 Unter Galba trugen einige Denare neben der Legende LIBERTAS AVGVSTA die Buchstaben RXL, was als remissa quadragesima aufzulösen ist.14 Hier ist auf den Erlass des 10
STRACK 1931, 176ff.,
Nr. 150.
11 Die Affinität der Stücke
wurde noch dadurch hervorgehoben, dass beide allein auf Aurei emittiert wurden. 12 ZumFolgenden siehe STYLOW 1971 und 1972. 13 BMCCaligula, Nr.56f.; STYLOW 1972, 44f. 14 Ric Galba, Nr. 32f. –STYLOW 1972, 51 bemerkt hierzu, dass dieser Hinweis auf denErlass zusammen mitdemBild eines Triumphbogens auch auf Typen dersiegreichen Roma geprägt wurde.
7. LIBERTAS
471
zweieinhalb Prozent betragenden Einfuhrzolles portorium Galliarum hingedeuauch die Kornähren auf einem Libertas-Denar des Galba auf eine materielle Vergünstigung an, denn Galba führte die vonNero eingestellte regelmäßige Frumentation für die Plebs Urbana wieder ein.16 Es lässt sich also feststellen, dass Caligula und Galba das Konzept der Libertas bemühten, um die von ihnen gnädig gewährten finanziellen oder materiellen Vorteile darzustellen, gewissermaßen eine Befreiung derNutznießer vonLasten. In dieser Tradition könnten durchaus auch die Libertas-Prägungen Traians stehen. An den für die Restitutionsserie ausgewählten republikanischen Stücken ist nämlich auffällig, dass auf einer jeden von ihnen das dargestellte LibertasKonzept auf ganz spezifische Weise semantisiert war und sich vonjener Bedeutung der Libertas unterschied, welche wir als vorherrschend für den frühen Principat konstatiert hatten. Die bereits erwähnten republikanischen Prägungen des M.Cato und des Q.Cassius, letztere mit dem Libertaskopf auf der Averse ist hier links abgebildet, wiesen nämlich auf Gesetze hin, welche der Überlieferung nach die Vorfahren der Münzmeister eingebracht hatten, die leges Porciae deprovocatione unddie lex Cassia tabellaria.17Deshalb zeigt die Münze des Cassius eine Sella Curulis im Tempel der Vesta; links daneben eine Wahlurne, rechts eine Stimmtafel. Auch auf der oben abgebildeten Münze des M.Brutus stand nicht etwa dasMotiv des Tyrannenmordes im Vordergrund. Der ursprüngliche Prägeanlass wardie Opposition gegen denErsten Triumvirat gewesen, besonders gegen dessen führenden Mann Pompeius. Außerdem nuancierte die Darstellung des Consuls L.Iunius Brutus mit seiner republikanischen Entourage eher die neue Ordnung nach demSturz desKönigtums als denSturz selbst. Hätte Traian mit der Aufnahme von Libertas-Bildern in seine Restitutionsmünzen tatsächlich den Tyrannenmord akzentuieren und damit das im frühen Principat vorherrschende Libertas-Verständnis, die Abgrenzung vom Vorgänger, evozieren wollen, so hätte er für seine Serie etwajene Darstellungen desNumens wählen können, die von den mobilen Münzstätten der Caesarmörder, eben jenes M.Brutus und des C.Cassius, nach dem Sturz des Diktators und mit Bezug auf diesen geprägt worden waren.18 Auf diesen Münzen stand der Tyrannenmord im Vordergrund; anders als bei jenen Stücken, die Traian tatsächlich für die Nummi Restituti ausgewählt hatte. Diese stellen nämlich, wie gezeigt wurde, eine ganz tet.15 Schließlich spielen
15
Interessant ist ferner, dass dieser Hinweis auf denSteuererlass ausschließlich auf Stücken mit einer LIBERTAS AVGVSTA Umschrift geprägt worden war, niemals mit einer LIBERTAS P R, PVBLICA oder RESTITVTA, die Galba ebenfalls hatte prägen lassen. Hiermit beanspruchte der Kaiser, dass diese finanzielle Erleichterung allein auf seiner eigenen Initiative beruhe. 16 Ric Galba, Nr. 11; siehe STYLOW 1972, 51f. 17 ZumZusammenhang vonleges undlibertas siehe WIRSZUBSKI 1950, 20, 50; WISEMAN 1971,
4f.;
CRAWFORD
1974, 290f.
18 Siehe etwa CRAWFORD 1974, Nr. 501f., 505f, (508).
472
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
bestimmte Bedeutungsfacette vonFreiheit dar, die wir ebenfalls im frühen Principat finden. Sie verbinden das Konzept der Libertas mit zivilen Handlungen; etwa solche, die an dieDurchsetzung vonGesetzen unddie Einsetzung derrepublikanischen Ordnung erinnerten.
Nuntrifft all dies auf die vonTraian restituierte Münze desGalba scheinbar geradenicht zu. Immerhin diente diese ursprünglich eindeutig derAbgrenzung Galbas vonseinem Vorgänger Nero. Doch dieses Vorbild wurde bei seiner Übernahme in die Nummi Restituti in charakteristischer Weise verändert. Die deutlich auf den Tyrannenmord-Aspekt des Libertas-Konzeptes hinweisende Umschrift LIBERTAS RESTITVTA des Originals wurde nicht auf die ansonsten detailgetreue traianische Kopie übernommen. Hierdurch wurde die vonTraian dargestellte Libertas für andere Lesarten geöffnet. Diese anderen Lesarten wiederum wurden maßgeblich durch die Aussagen der übrigen Restitutionsmünzen bestimmt. Auf diese Weise betonte der restituierte Aureus im Zusammenspiel mit den restituierten Libertas-Stücken der republikanischen Zeit die zivilen unddie Bürgerschaft ordnenden Implikationen, welche das Konzept der republikanischen Libertas in sich barg. Dieses republikanische Konzept der Libertas entspricht zwar nicht demjenigen, welches in den Münzbildern des Caligula und des Galba zum Ausdruck kommt, die auf die Gewährung materieller Vorteile hinweisen und die wir als einen Nebenstrang derLibertas-Tradition identifizierten. Doch wird deutlich, dass weder in derRepublik noch imfrühen Principat jene Facette desLibertas-Begriffs verabsolutiert wurde, welche dieAbgrenzung vomVorgänger, wenn nicht garden Tyrannenmord, thematisierte. Daneben existierte stets die Tradition einer Libertas mit zivilem Inhalt. Man sollte das Konzept der Libertas in Republik undfrühem Principat wahrscheinlich ohnehin eher in einem weiter gefassten Sinne verstehen, nämlich als generelle Befreiung vonZwangmaßnahmen, als hierin allein in einem sehr engen Sinne die Befreiung vomTyrannen zu sehen. Erst in der letzten Phase derRepublik sollte diese Bedeutungsfacette derLibertas dominant werden.19 Doch auch im frühen Principat scheint das Libertas-Konzept durchaus noch geeignet gewesen zu sein, an zivile Regierungsakte der Kaiser zu erinnern. Es bedeutete keinesfalls allein die demonstrative Abgrenzung vom –tyrannischen –Vorgänger.20 Stets gab es denNebenstrang der Tradition, der alternative Lesarten ermöglichte. Durch die spezifische Auswahl der restituierten Prototypen unddurch die
STYLOW 1972, 51 sieht in diesen Prägungen die Aussage, sich durch solche Regierungsakte vomTyrannen abzusetzen: „ Derwahre Princeps unterschied sich vondemTyrannen mit seiner Grausamkeit undHabgier durch seine Milde undGroßzügigkeit.“Der Autor setzt ein zu enges Verständnis der Libertas voraus, denn er beachtet nicht ihren engen Zusammenhang mit der Einführung von bestimmten Gesetzen zur Provocation oder zur geheimen Abstimmungbei Wahlen. 20 Im Grunde genommen blieb der semantische Kern des Libertas-Konzeptes unverändert. Zu jeder Zeit bedeutete Libertas die Befreiung von Zwängen. Aufgrund dieser Offenheit des Konzepts passte es sich imLaufe derZeit problemlos verschiedenen Deutungen an.
19
7. LIBERTAS
473
Neutralisierung des auf Galba zurückgehenden Aureus betont die traianische Restitutionsserie diese alternative, zivile Tradition desLibertas-Konzepts. Andieser Stelle drängt sich noch die Frage auf, warum Traian für diese Aussage jene Münze des Galba restituierte, die eine Abkehr vom Vorgänger ausdrückte. Zunächst einmal ist zu konstatieren, dass jenes auf den Sturz Neros hinweisende Münzbild Galbas in traianischer Zeit sehr prominent war; immerhin hatte auch Nerva auf diese Darstellung zurückgegriffen, um sich von Domitian abzugrenzen. ZumZeitpunkt der Emission der Libertas mit demPileus in traianischer Reichsprägung undNummi Restituti waren also seit einigen Jahren Münzen im Umlauf, welche eben dieses Bild erneut zeigten. Dies hatte die Prominenz des Galba-Typus erneuert. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass Traian nicht auchjenen Aspekt derLibertas betonen wollte, der auf die Abgrenzung vom Vorgänger hinwies, mochte dies nunauf Nerva abzielen oder auf Domitian. Insgesamt legt die identische Libertas-Darstellung auf demrestituierten Aureus und demAureus derReichsprägung es nahe, einerseits auch die Reichsmünze imoben geschilderten Sinne zuinterpretieren, andererseits die Restitutionsmünze ebenfalls in zeitlicher Nähe zumEmissionszeitraum der Reichsmünze zu datieren, also frühestens 108 bis 111.
Bislang konnten wir die Frage nach der Aussage der traianischen LibertasMünzen nurnegativ beantworten, wenn sich auch nach denletzten Betrachtungen vermuten lässt, dass der Anlass zur Emission der Reichsmünze wie auch der vier restituierten Typen ein ziviler Regierungsakt gewesen ist. Im Folgenden soll untersucht werden, auf welchen konkreten Anlass Traian mit den Libertas-Prägungen anspielte. Dazu ist es notwendig, das Libertas-Konzept der traianischen Zeit näher zu betrachten. Aufschlussreich dafür ist eine hier abgebildete hadrianische Prägung aus dem Jahr 119. Die im Abschnitt mit der Beischrift LIBERTAS RESTITUTA versehene Münze bildet eine komplexe Szene der Gabenverteilung ab.21 Der mit der Toga bekleidete Kaiser sitzt auf einer Sella Curulis, die auf einem Podium aufgestellt ist. Er streckt die Hand zu einer Frauengestalt aus, die ihm gegenüber steht undvon zwei Kindern begleitet wird. Was auf dieser Münze mit demSchlagwort LIBERTAS RESTITUTA bezeichnet ist, scheint also inhaltlich weit von dementfernt, was als die Aussage jener Prägungen Galbas undNervas vorgestellt wurde, die mit der gleichen Umschrift an den Tod ihrer tyrannischen Vorgänger erinnert hatten. Die hadrianische Münze illustriert vielmehr die Großzügigkeit des Kaisers. Wir werden sogleich sehen, dass dies eine Verschiebung in derWahrnehmung des Libertas-Konzeptes ankündigte, die sich schon imPrincipat Traians abzeichnet hatte.
21 Siehe etwa Ric Hadrian, Nr. 568 undBMCHadrian, Nr. 1160ff. mitTaf.77.11.
474
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
Gestützt wird diese Annahme dadurch, dass ein sehr ähnliches Münzbild bereits vonTraian zwischen 108/9 undspätestens August 114 geprägt wurde.22 Doch hier lautete die Legende nicht LIBERTAS REST(ituta), sondern ALIM(entatio) ITAL(iae), bezeichnete alsojenes groß angelegte Programm der Erziehungsbeihilfe für freigeborene Kinder. Auf diesen Darstellungen sitzt Traian auf einer Sella undreicht seine rechte Hand derpersonifizierten Italia, die ein Kind auf ihrem Arm trägt, welches sich demKaiser entgegen reckt. Ein zweites Kind steht neben ihr. Als Anlass der Emission kommen sowohl die Feier der Decennalien als auch der zehnte Jahrestag des Beginns der Alimentarinstitution Traians in Betracht.23 Die hadrianische Prägung von 119 hatte also ein Münzbild Traians übernommen, modifiziert und ihm eine andere Legende beigegeben. Dadurch wird die konzeptuelle Verbindung von Alimentatio und Libertas auf dieser hadrianischen Münze offenbar. Es bleibt jedoch die Frage, ob diese Verbindung erst unter Hadrian hergestellt wurde, oder ob dieser Kaiser mittels derMünzlegende LIBERTAS RESTITUTA nur explizit machte, was schon unter Traian als gängiges Ideologem kursierte. Dass letzteres der Fall war, legt der Panegyricus des Plinius nahe. Dieses Dokument zeigte bereits imJahre 100, unddamit lange vordemEmissionszeitraum der ALIM(entatio) ITAL(aliae)-Prägungen, eine Verknüpfung derAlimentatio mitder Libertas. In seinem Lob auf die traianische Alimentarinstitution berichtet der senatorische Redner nämlich, dass nun der Wille zur Elternschaft in ungeheurem Maße angeregt werde von der Hoffnung auf Alimenta undCongiaria, noch mehr
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STRACK 1931, Nr. 404, Taf.7. –Die hadrianische Darstellung war gegenüber dem traianischen Bild geringfügig modifiziert; das Szepter in derHand des Kaisers wurde entfernt, das Podium hinzugefügt. Ansonsten handelt es sich umannähernd identische Darstellungen. Nach seiner Rückkehr nach Rom im Oktober 99 hatte Traian die Alimentarinstitution, die Nerva begonnen oder womöglich bereits von Domitian übernommen hatte, fortgeführt und ihren Wirkungskreis erheblich ausgedehnt; CIL IX 1455, IX 5825; Cass.Dio 68.5.4; vergleiche SHA Hadr.7. Denn er hatte zudem dafür gesorgt, dass auch in den italischen Municipien private Alimentarstiftungen gegründet würden, wie etwa Plinius sie initiierte; siehe etwa Plin.ep.7.18, 10.8; CIL V 5262, dazu ECK2001. –Daneben hatte der Kaiser 5000 freigeborene Kinder aus der Hauptstadt noch vor demJahre 100 in die Frumentation aufgenommen; Plin.paneg.23. Siehe hierzu auch im Kapitel „ denAbschnitt 13 „PliVomRhein nach Rom“ nius ersucht umUrlaub –ad munificentiam cohortatus“ Die Münzen, welche diese Alimentarinstitution visuell verkürzt undauf ein Bild kondensiert darstellten, umfassten noch zwei weitere Typen. Zumeinen ist Traian mit einer Buchrolle in derHand dargestellt, wohl dasVerzeichnis derEmpfangsberechtigten, undverteilt Gaben an einen Jungen und ein Mädchen, die ihre Hände dem Princeps entgegen strecken; STRACK 1931, Nr. 155, Taf.2. Zumanderen wird eine Frauengestalt mit Füllhorn dargestellt, die personifizierte Italia oder Annona, die Ähren über ein Kind hält; STRACK 1931, Nr. 405, 416, Taf.7. Diese drei traianischen Typen tragen alle die Legende ALIM ITAL undwurden als zusammengehörende Serie in genau demgleichen Zeitraum vonfrühestens 108/9 bis spätestens August 114 geprägt.
7. LIBERTAS
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aber von der Hoffnung auf Libertas und Securitas.24 Alimentation und Libertas erscheinen hier als gleichwertige Konzepte, die auf dasselbe Ziel hinwirken: die Prosperität der Bürger im weitesten Sinne. Plinius führt diesen Gedanken noch weiter aus, indem er die Freigebigkeit als demTyrannen wesensfremd charakterisiert, sie hingegen als komplementär zu der vom Kaiser gewährleisteten Libertas beschreibt.25 Ein Zusammenhang zwischen kaiserlichen Gaben undLibertas hatte also schon in früher traianischer Zeit existiert. Hadrian explizierte in seiner Münzemission diese Verbindung lediglich.
Die eingangs aufgeworfene Frage nach derAussage derRestitutionsmünzen lässt sich somit nun beantworten. Die Annahme, dass die traianischen LibertasPrägungen nicht primär der Abgrenzung von Traians Vorgängern dienen sollten, wird gestützt durch die im Panegyricus und in der hadrianischen Münze zutage tretende konzeptuelle Verbindung von Libertas und kaiserlicher Freigebigkeit, Liberalitas. Anhand der Münzen Caligulas undGalbas, welche die Befreiung der Bürger von Abgaben verkündeten, wurde gezeigt, dass dieses spezifische Verständnis der Libertas keineswegs eine singuläre Erscheinung im frühen Principat darstellte. Zudem legt die Identität der Bilder auf der restituierten Galba-Münze unddemAureus dertraianischen Reichsprägung die Datierung derNummi Restituti in dessen Emissionszeitraum nahe; ein Ergebnis, welches abermals die in den vorigen Abschnitten getroffenen Feststellungen bestätigt. Wenn nun also die Libertas-Darstellungen sowohl der Restitutionsmünzen als auch der regulären Reichsprägung in diese mittlere Phase des traianischen Principats datiert werden können, so ergibt sich weiterhin eine zeitliche Parallele zur Emission der erwähnten traianischen Reichsmünzen, welche auf die ALIM(entatio) ITAL(iae) hinweisen. Da diejenige Facette der Libertas, welche die Prosperität der Bürger betonte, im traianischen Principat aktuell undprominent war, dürfte es zeitgenössischen Betrachtern ohne weiteres möglich gewesen sein, die Bezüge zwischen denannähernd zeitgleich emittierten Münzbildern der Libertas undder Alimentation herzustellen. Damit kann abschließend festgehalten werden, dass die restituierten Libertas-Stücke auf die Liberalitas des Optimus Princeps undbesonders auf seine Alimentarinstitution hindeuten sollten.
DIE PLUTEI TRAIANI
Die Vermutung, dass in der kaiserlichen Münzemission Alimentatio undLibertas in eine konzeptuelle Verbindung gebracht wurden, findet sich auf denBildern der
24 Plin.paneg.27.1: Magnum quidem est educandi incitamentum, tollere liberos in spem alimentorum, in spem congiariorum; maius tarnen, in spem libertatis, in spem securitatis. 25 Plin.paneg. 27.2.
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
Plutei Traiani bestätigt.26 Auf diesem stadtrömischen Relief, daszwei Szenen vor der Kulisse des Forum Romanum zeigt, ist eine Statuengruppe dargestellt, die exakt jenem Bild der ALIM(entatio) ITAL(iae) Münzen des Optimus Princeps entspricht. Das hier als Ausschnitt der
Plutei Taiani abgebildete Statuenenensemble steht auf einem Sockel und zeigt den sitzenden Traian, dem eine Frau gegenübertritt. Diese wird von einem Kind begleitet und hält ein zweites auf ihrem Arm, das sich dem Kaiser entgegenreckt.27 Die traianische Reichsprägung hatte dieses Ensemble wohl im Münzbild kopiert.28 Die Medien ergänzten einander somit, unddie Statuengruppe wurde von den zahlreich emittierten Aes-Münzen mit der Alimentations-Szene visuell multipliziert. Da die Abbildung der Statuengruppe Teil einer Reliefdarstellung war, istjedoch zunächst zureferieren, welche sonstigen Darstellungen unddamit verbundenen Aussagen sich auf denPlutei Traiani fanden. Bei diesen Plutei oder auch Anaglypha Traiani handelt es sich um zwei große Marmorreliefs, die auf ihrer einen Seite jeweils die drei für die Suovetaurilia relevanten Opfertiere abbilden.29 Die Hauptseiten der Reliefs zeigen zwei Szenen ei-
26 Die Frage, ob die Reliefs in traianischer oder aber in hadrianischer Zeit entstanden sind, ist sehr umstritten. Aufgrund desErhaltungszustandes derPlatten ist derKopf desKaisers nicht zu erkennen. Die Divergenzen der Datierung ergeben sich vor allem aus dem Relief der
27
Schuldtafelverbrennung. Ein solcher Vorgang der reliqua vetera abolenda ist für Hadrian bezeugt, für Traian wird er nicht ausdrücklich erwähnt; SHAHadrian 7; CILVI 967 = ILS 309. Nunfand aber die hadrianische Zeremonie, wie die SHA berichten, auf demForum Traiani statt, während die Reliefs dasForum Romanum abbilden. Hauptsächlich aufgrund dieser Kriterien setzt sich TORELLI 1982 vehement füreine Datierung in die traianische Zeit aus. Hinzu kommen stilistische Erwägungen, aufgrund derer sich HÖLSCHER 1984b undKOEPPEL 1986, 4 mitAnm. 13f. deutlich füreine Datierung in dietraianische Zeit ausgesprochen haben. Eine nützliche Zusammenfassung des Forschungsstandes undeine Bibliographie bietet KÖB 138. 2000, 130– Abbildungen und weiterführende Literatur bietet KOEPPEL 1986, 17– 24; siehe auch M.TORELLI (1999) in: LTUR 4, s.v. ‚Plutei Traiani‘, 95f.
28 STRACK 1931, Nr. 404, Taf.7. 29 ZumBefund siehe KOEPPEL 1986; HAMMOND 1953, besonders 129– 132. –Beide Reliefs sind 1.68 m hoch; die Darstellung derAdlocutio hat eine Breite von 5,26 m,jene der Schuldtafelverbrennung ist nurunvollständig erhalten miteiner Breite von4,34 m. Zu der Frage nach dem Ort der ursprünglichen Anbringung jener Reliefs bietet TORELLI 1982, 108 eine plausible Lösung. Er weist darauf hin, dass Konon, ein Antiquar augusteischer Zeit, berichtet, die Ficus Ruminalis undderMarsyas seien einst vonbronzenen Gittern eingezäunt gewesen. Traian habe diese durch die Marmorreliefs ersetzen lassen. Dadurch wäre auch die Prominenz dieses Ensembles auf beiden Tafeln erklärt, jenseits all seiner programmatischen Relevanz, dieimText sogleich behandelt werden wird. DieaufderInnenseite, das heißt, zurStatuengruppe hingewandten, dargestellten Suovetaurilia deuten aufdie ehrwürdige Sakralität des Ortes hin und rechtfertigten zugleich die traianische Entfernung der ursprünglichen Gitter. Diese Überlegung von TORELLI wird durch die Beobachtung gestützt,
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nes Herrscherauftritts. Ein Relief bildet eine Adlocutio an den versammelten Populus ab. Auf diesem Relief ist auch die hier interessierende Statuengruppe zu sehen. Das andere Relief zeigt eine ebenfalls öffentliche Verbrennung von Schuldtafeln; jener Aufzeichnungen der Steuerschulden, die römische Bürger an denStaatsschatz zuentrichten hatten. Im Hintergrund istjeweils eine Architekturkulisse dargestellt, die als Südseite des Forum Romanum zu identifizieren ist. Vergleicht man die Reliefs mit dem architektonischen Befund des Forums, so wird deutlich, dass, obwohl die Reliefs nicht unmittelbar nebeneinander angebracht gewesen sein können, ihre Szenen doch durchgehend gelesen werden müssen. Das Adlocutio-Relief zeigt an seinem linken Ende die Rostra adaedem Divi Iulii, dahinter denAugustusbogen, daneben die Aedes Castorum, denBeginn des Vicus Tuscus unddenBeginn derArkaden der Basilica Iulia. An seinem rechten Ende zeigt das Relief die Ficus Ruminalis unddie Statue desMarsyas.
Auch das Relief der Schuldtafelverbrennung zeigt Ficus und Marsyas, aber an seinem linken Ende. Daneben setzt sich die Fassade derBasilica Iulia fort, wie sie bereits imAdlocutio Relief begonnen wurde. Es schließen sich Vicus Iugarius, die Aedes Saturni, der Clivus Capitolinus unddie Aedes Vespasiani et Titi an. Am rechten Rand des Reliefs sind die Rostra Iulia mit dendort angebrachten Schiffsschnäbeln zu erkennen. Ein nicht erhaltener Teil des dort abgebrochenen Reliefs zeigte wohl denConcordiatempel. Das Relief der Schuldtafelverbrennung ist also im Anschluss an das Relief, welches die Adlocutio abbildet, zu lesen, wobei die Marsyas-Statue als Scharnier zwischen beiden Reliefs dient. Vor diesem architektonischen Hintergrund sind zwei kaiserliche Akte darge-
stellt. Das voranstehend abgebildete Adlocutio-Relief bildet den Kaiser mit einer Buchrolle in der Hand ab.30 In Begleitung von Liktoren steht er auf denRostra ad aedem Divi Iulii, um von dort aus mit ausgestrecktem Arm zur versammelten Menge zu sprechen. Der Populus ist repräsentiert durch Bürger, die teils die Toga
dass auch die Plutei Löcher an ihrer Oberseite aufweisen, welche einer Metallkonstruktion als Vertiefung gedient haben mögen; siehe a.a.O., Taf.4.15. HÖLSCHER 1984b weist darauf hin, dass damit allerdings nicht erklärt sei, warum uns nur zwei Reliefs undnicht vier bekannt seien, wie bei einer solchen Umhegung anzunehmen wä-
re. 30 Diese Buchrolle
stellt wahrscheinlich dasVerzeichnis derEmpfangsberechtigten dar.
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
tragen, teils die Paenula. Einige der Anwesenden tragen einen Rotulus31 unddie Sportula, ein börsenartiges Geldkörbchen. Die kaiserliche Adlocutio findet also anlässlich eines Congiariums statt. Hier wird Geld ausgeteilt. Die unterschiedliche Kleidung der dargestellten Cives zeigt deren verschiedene soziale Ränge an.32 Geeint werden die derart differenzierten Zuschauer aber durch die Ansprache des Kaisers und seine demonstrative, sich an alle richtende Liberalitas. Die versammelten Empfänger des Congiariums umstehen dasPodium mit demerhöhten Statuenensemble derAlimentatio Italiae.
Das hier gezeigte zweite Relief der Plutei Traiani zeigt Soldaten der Cohortes Praetoriae undUrbanae, welche von links her kommend die zussammengebundenen Schuldtafeln zu einem Haufen schichten. Ein Soldat steht mit Holzscheiten dabei. An seiner Seite befindet sich neben weiteren Liktoren ein Togatus. Der Kaiser selbst steht ebenfalls neben demHaufen undzündet diesen mit einer Fackel an.33 Beide Reliefs bilden also Akte der kaiserlichen Liberalitas gegenüber der stadtrömischen Bevölkerung ab.
Bei der Betrachtung der Reliefs fällt auf, dass die Kulisse des Forum
Romanum
zwar baulich korrekt wiedergegeben ist, dass aber aus der ungeheuren Fülle von Monumenten, die in traianischer Zeit inmitten der Platzanlage standen, nur zwei Statuen abgebildet sind: die Marsyas-Statue mit der Ficus Ruminalis unddie Statuengruppe, welche die Alimentationsszene mit Traian und der personifizierten Italia darstellt. Das Marsyas-Ensemble ist sogar zweimal abgebildet. Als bloße Landmarken zur topographischen Fixierung der beiden dargestellten Szenen waren diese Statuen aber unnötig; schließlich ließ allein schon der architektonische Hintergrund derReliefs dasForum Romanum als denVollzugsort derZeremonien
31
Hierbei handelt Kaisers.
32
90f. deutet die Paenula-Träger als Angehörige der Plebs Urbana, die Togati als Senatoren undEquites. ZumVergleich weist er auf die entsprechende Darstellung derLiberalitas amKonstantinsbogen hin, wo der gleiche Unterschied in der Tracht zu beobachten
es sich umihren
Berechtigungsschein für die finanziellen Zuwendungen des
TORELLI 1982,
ist.
33 Dieser
Fackelhalter trägt Tunica, Paludamentum und Fellstiefel. Anhand der Attribute und derdramatisch herausgehobenen Rolle, die er in derSzene spielt, kann trotz derZerstörungen in demDargestellten derKaiser erkannt werden; vergleiche KOEPPEL 1986, 23.
7. LIBERTAS
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erkennen. Hinzu kommt noch, dass Ficus Ruminalis undMarsyas vonjenem suggerierten Betrachterstandort aus, wie er mittels der dargestellten Baukulisse festgelegt war, eigentlich gar nicht auf denReliefs hätten abgebildet werden können. Die beiden standen nämlich an der Westseite der Basilica Aemilia vor der Curia Iulia, am Ort des alten Comitium, unddamit nicht in der Platzmitte, wie die Reliefs derPlutei es suggerieren. Wenn also beide bewusst in dasBild mit hineingezogen wurden, liegt es nahe, dass ihre gleich zweifache Anwesenheit auf den Reliefs, ebenso wie auch die Darstellung der Alimentationsstatue, eine spezifische Bedeutung in sich barg, welche für die Aussage derPlutei Traiani ganz besonders relevant war. Im Folgenden sollen zunächst die Marsyasstatue und sodann die traianische Alimentationsgruppe betrachtet undauf ihre Bedeutung hin untersucht werden. Dabei wird deutlich werden, dass diese beiden Ensembles jeweils auf ihre ArtdasKonzept derLibertas ausdrückten. Marsyas verkörperte ein vielschichtiges Konzept von Libertas. So scheint er bereits in republikanischer Zeit mit der spezifischen Libertas derPlebeier verbunden worden zu sein und mit den Rechten, welche diese sich erkämpft hatten.34 Einen Anhaltspunkt für diese Feststellung bieten Denare, die L.Marcius Censorinus im Jahre 82 v.Chr. geprägt hatte und die jene Statue des Marsyas auf dem Forum Romanum mit erhobener Hand zeigen.35 Die Verwendung dieses Bildes war für seinen Münzmeister wohl zweifach motiviert. Zumeinen wies er damit nämlich auf die vermeintliche Etymologie seines Namens hin undzumanderen auf Ereignisse seiner Familiengeschichte. Die Gens Marcia hatte nämlich mit C.Marcius Rutilius 356 denersten plebeischen Dictator und351 den ersten plebeischen Censor gestellt, womit dieser das Cognomen Censorinus für seine Gens erworben hatte. Dessen gleichnamiger Enkel wurde im Jahre 300 der erste plebeische Augur undPontifex undwarsogar zweimal Censor, 294 und265. Wahrscheinlich geht die Stiftung der Marsyas-Statue auf ihn zurück.36 Nun war das Censorenamt eng mit demKonzept der Libertas verbunden. Nicht nurwaren seine Archive im Atrium Libertatis untergebracht, sondern sie bildeten auch die Grundlage für Besitzansprüche, Distribution von Land und Essensverteilungen.37 Auch hier sieht man also schon die Verbindung von Libertas und Liberalitas, schließlich wurden die Akten, welche die Gewährung materieller Vorteile ermög106. 34 ZumFolgenden siehe TORELLI 1982, 99– 35 CRAWFORD 1976, 377, Nr. 363, Taf.47. 36 TORELLI 1982, 104 weist darauf hin, dass jener als Mitglied zweier amplissima sacerdotia eine solch wichtige Stiftung aufdemComitium vornehmen durfte. Wahrscheinlicher aber sei, dass er bereits während seiner ersten Censur 294 denMarsyas hatte aufstellen lassen. ImJahre 295 hatten nämlich bereits die ebenfalls plebeischen Ogulnii, Auguren undAedilen, die Statue derWölfin bei derFicus Ruminalis gestiftet; Liv.10.23.12. 37 Das Atrium Libertatis ließ Traian von seinem ursprünglichen Ort in die Nordwestapsis der Basilica Ulpia überführen. –Siehe hierzu im Kapitel zumTraiansforum denAbschnitt 6.3.3 . Bildnisschilde undRestitutionsprägungen“ „
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
lichten und dokumentierten, in einem Gebäude aufbewahrt, das den Namen der Freiheit trug. Einen weiteren Hinweis auf die Verbindung des Marsyas mitjenem Konzept der Libertas, das sich in der Erringung vonRechten undin Demonstrationen von Freigebigkeit manifestierte, liefert eine Untersuchung derjeweiligen Kontexte, in denen außerhalb des Forum Romanum und der Hauptstadt seine Bildnisse standen. Denn auch in den italischen Städten latinischen Rechts waren MarsyasStatuen aufgestellt. Sie wurden von denAedilen errichtet; also vonjenen Beamten, die auch für Kornversorgung undFlurordnung zuständig waren.38 Wiederum ist hier ein Zusammenhang zwischen der Gewährung materieller Vorteile und demdurch Marsyas verkörperten Konzept derLibertas zubeobachten. In der latinischen Kolonie Paestum etwa ist schon für das Jahr 273 v.Chr. eine MarsyasStatue nachgewiesen, wobei es sich um eine Bronzereplik des stadtrömischen Vorbildes handelte. Im Laufe der Kaiserzeit sollten noch viele solcher Statuen in zahlreichen anderen Städten des Reiches folgen.39 Eine Reihe literarischer Aussagen berichtet von den Gründen, Marsyas-Standbilder in Gemeinden italischen Rechts aufzustellen, undsie weisen explizit auf die Verbindung von Marsyas und Libertas hin. So berichtet nämlich Servius, dass Marsyas unter dem Schutz des Gottes Liber stehe; jenes alten Gottes, dermitdemplebeischen Hügel, demAventin, assoziiert war. Außerdem seien auf den Foren der freien italischen Städte, denen durch römisches Gesetz das latinische Recht verliehen wurde, Bilder des Marsyas als Diener des Liber als libertatis indicium aufgestellt worden. Wie Servius betont, zeige Marsyas mit erhobener Hand, dass es diesen Gemeinden an nichts fehle.40 Schon die Denare des L.Marcius Censorinus hatten, wie eben erwähnt, die Statue auf demForum Romanum miterhobener Handdargestellt. Neben der zweifachen Abbildung des Marsyas auf den Plutei Traiani geben auch andere Zeugnisse aus der traianischen Regierung einen Hinweis auf die Relevanz desMarsyas in dieser Zeit. Es ist nämlich inschriftlich bezeugt, dass Traian seine Briefe mit einer Abbildung des Marsyas zu siegeln pflegte.41 Zumeinen leitet sich dies sicher davon ab, dass Marsyas, wie eben schon erwähnt, von der
38 CILVIII 4219 = ILS 6849 (Verecunda), 16417 (El-Chorfa in Africa), 27771 (Althiburos). 39 TORELLI 1982, 105 mit Anm. 127 undF.COARELLI (1999) in: LTUR4, s.v. ‚Statua: Marsyas‘, 364f. mitweiteren Literaturhinweisen. 40 Serv.ad Aen.3.20: Quod autem de Libero diximus, haec causa est, ut signum sit liberae civitatis. Namapudmaiores aut stipendiariae erant, aut foederatae aut liberae. Sed in liberis civitatibus simulacrum Marsyae erat, qui in tutela Liberi patris est. –Serv. adAen.4.58 : Qui [i.e. Liber pater], ut supra diximus, apte urbibus libertatis est deus. Unde etiam Marsyas, eius minister, est in civitatibus, in foro positus, libertatis indicium, quierecta manutestatur nihil urbe deesse.
41 Dies ist ersichtlich aus denArvalakten des Jahres 118; CILVI 2078 = ILS 32374 II 31ff.: (ex litt)eris ImpCaes Nervae (T)raiani Optimi AugGerm D(ac Parth fratrem Arval)em cooptaverunt et a(d) sacra vocaverunt, (ibique) t(abulae aperta)e signo signatae, quod (e)xprimit Mars(yam et Olympum) su(ringe ca)nentes, in quibus scriptum fuit: Imp Caes....Dac Parth fratribus Arvalibus collegis suis salutem: „ (...)“–es folgt der Wortlaut des kaiserlichen Schreibens.
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Gens Marcia als Namenspatron in Anspruch genommen wurde.42 Aus dieser Gens stammte Traians Mutter; sie hieß Marcia, und die Schwester des Kaisers Ulpia Marciana.43 Doch der Kaiser konnte seine abgeleitete familiäre Affinität zu Marsyas auch politisch-programmatisch nutzen. Er siegelte ja nicht nur mit demNamenspatron seiner Gens mütterlicherseits, sondern zudem mit dem Symbol einer außerordentlich vielschichtigen Konzeption
vonFreiheit.
Auch die auf den Plutei Traiani dargestellte Statuengruppe, die den Kaiser mit Italia undden alimentierten Kindern zeigte, war ein indicium libertatis; unddies in zweifacher Hinsicht. Wie oben anhand des Münzprogramms erläutert, waren seit Beginn des traianischen Principats Liberalitas und Libertas eng miteinander verbunden gewesen. Dies galt besonders für eine ganz spezifische Form der Freigebigkeit, nämlich die Alimentation freigeborener Kinder. Durch diese Tat sei, wie der Optimus Princeps auf massenhaft emittierten Münzen der Reichsprägung
betonte, Italien wieder aufgerichtet worden,44 aufgehoben vomBoden, auf dender Pessimus Princeps es hatte sinken lassen; ja, auf dener Italien sogar niedergestoßen hatte. Doch jene traianische Statuengruppe des Forum Romanum war nicht nur symbolisch auf den Trümmern der domitianischen Herrschaft errichtet worden. Im Folgenden wird nämlich dafür plädiert werden, dass Traian sein Statuenensemble an jenem Ort inmitten des Forums hatte errichten lassen, an welchem zuvor derEquus Domitiani gestanden hatte. Bereits der Panegyricus bietet ein Zeugnis, auf welch charakteristische Weise im Rahmen derüber Domitian verhängten Damnatio Memoriae mit dessen Equus umgegangen worden war. Plinius bezeichnete diese monumentale Reiterstatue als , welches die Prozession der Opschreckliches Bild des grausamsten Tyrannen“ „ fertiere auf ihrem Weg vomForum Holitorium auf das Capitol abgefangen habe unddas mit ebenso viel Opferblut verehrt worden sei, wie Domitian selbst Menschenblut vergossen habe. Plinius suggeriert, dass die Verehrung derGötter durch diesen vermeintlichen Sperr-Riegel im öffentlichen Raum nahezu unmöglich gewesen sei.45 Nach derErmordung des Tyrannen sei denn derEquus auch zerschlagenundeingeschmolzen worden. Aus demhierbei gewonnenen Material aber sei denMenschen Nützliches undErfreuliches geschaffen worden. Was Plinius damit meint, wird bei Cassius Dio deutlich, derberichtet, Nerva habe die domitianischen Statuen einschmelzen undals Münzen wieder unter das Censorinus aus dem Jahre 82 v.Chr. gezeigt; CRAWFORD 1976, 377, Nr. 363, Taf.47. Darauf weist BIRLEY 1999, 41, Anm. 42 hin In der Reichsprägung der Jahre 108/9 bis 114 waren Münzen emittiert worden, die mit der Umschrift REST ITAL oder ITAL REST eine kniende Italia zeigen, der der Kaiser vom Bodenaufhilft; STRACK 1931, 190f, Nr. 162, Taf.2; 412, Taf.7; 413. –Die Abbildung eines dieimAbschnitt 13 „Plinius ersucht ser Stücke findet sich imKapitel „ VomRhein nach Rom“ . umUrlaub –ad munificentiam cohortatus“ 7, hier 7: saevissimi domini atrocissima effigies. –Siehe hierzu im Kapitel Plin.paneg.52.3– zum Traiansforum den Abschnitt 6.2.2 „Equus Domitiani –quae moles Latium complexa . Forum“
42 Das hatten die Denare des L.Marcius 43 44
45
482
DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
Volk bringen lassen.46 Als Gelegenheit für diese Demonstration ist ein Congiariumvon 96 anzunehmen.47 Nicht nur symbolisch war auf diese Weise der öffentliche Raum, dessen derartige Bebauung Domitian sich angemaßt hatte, demPopulus wiedergegeben worden. Ein früheres Beispiel einer solchen demonstrativen Rückerstattung an den Populus waren jene Kunstgegenstände gewesen, die Vespasian aus der Domus Aurea Neros hatte entfernen und im neu erbauten Templum Pacis ausstellen lassen. Denn auch der Bau der Domus Aurea Neros, jene invisa et spoliis civium exstructa domus,48 hatte den Populus aus demöffentlichen Raum verdrängt. Überhaupt war deren Areal ja nach demBrand von 104 mit repräsentativen Nutzbauten besetzt worden, etwa den Traiansthermen.49 Dass die traianische Statuengruppe genau jenen Platz ausgefüllt hat, denderSockel des domitianischen Standbildes eingenommen hatte, lässt sich archäologisch nicht verifizieren. Zwar lässt sich derStandort desEquus imPflaster desForums rekonstruieren, sodass wir wissen, auf welcher Höhe zwischen Basilica Aemilia und Basilica Iulia, zwischen Caesartempel und Vespasiantempel dieses Bild einst stand.50 Der exakte Standort des Alimentationsensembles ist jedoch unbekannt.51 Nur die Plutei Traiani geben durch dessen Verortung vor der architektonischen Kulisse desForums einen Hinweis darauf, dass es dort stand, wovorher derdomitianische Equus gewesen war. Doch es ist auch gar nicht notwendig, eine exakte Übereinstimmung der Standorte nachweisen zukönnen. Denn die Auswahl derauf denPlutei abgebildeten Regierungsakte, die örtliche Fixierung der Szenen auf demForum Romanum und die Prominenz von Marsyas und Alimentationsgruppe im Bild verkündeten das Konzept der Freiheit. Die Demonstrationen der kaiserlichen Liberalitas, nämlich die dargestellte Erleichterung der Bürger von ihren Abgaben, die Szene des Congiarium unddie abgebildete Alimentationsstatue, waren deutliche Zeugnisse jener Libertas-Facette, die in der traianischen Herrschaftsdarstellung als der Gegensatz zurdomitianischen Servitus verkündet wurde.
46 Cassius Dio 68.1.1. 47 Das erste Congiarium Nervas fand bereits unmittelbar zu Beginn seiner Regierung statt; schon die erste Emission Nervas bildet es ab. Unter Umständen waren dies die Münzen, die verteilt wurden. Doch auch in derzweiten Emission, bereits als COS II DES III, prägte Nerva noch einmal eine Congiariumsszene. Womöglich handelt es sich also nicht um eine bloße Reminiszenz an die erste Gelegenheit, sondern umeine abermalige Distribution; möglicherweise jenes Geldes, welches ausdeneingeschmolzenen Statuen gewonnen worden war. 48 Tac.ann.15.52. 49 Nero hatte seine Palastanlage nur bauen können, indem er teilweise Privatbesitz enteignete undöffentlichen Raum okkupierte; DARWALL-SMITH 1996, 36ff. –Die Domus Aurea warbei einem Brand des Jahres 104 in großen Teilen zerstört worden, so dass Traian die Reste des unteren Stockwerkes amMons Oppius in der Folge als terrassierten Unterbau für seine Thermenanlage benutzen konnte; eine Abbildung bietet BENNETT 1997, 150f.
50 Siehe hierzu die Diskussion bei DARWALL-SMITH 1996, 227– 233, besonders 229f. 51 Dass die Pflasterung nicht wieder ergänzt wurde, deutet darauf hin, dass derPlatz auch nach demSturz derStatue noch bebaut war. Es kann allerdings nicht sicher festgestellt werden, ob es dieAlimentationsgruppe war, diedenEquus ersetzte.
7. LIBERTAS
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Auf den Plutei Traiani kamen die Neubesetzung des Statuenortes unddamit die Umsemantisierung des Platzes dadurch zum Ausdruck, dass die Alimentationsgruppe denvormaligen Platz des Equus Domitiani einnahm. Die dargestellten Statuen, das Ensemble undder Marsyas, die als einzige Denkmäler des Forums auf den Reliefs abgebildet worden waren, besaßen nicht nurjede für sich, sondern gerade auch in ihrer Kombination eine besondere Relevanz. Der auf den Reliefs gleich zweifach dargestellte Marsyas war das Zeugnis einer Libertas, welche die plebeische Gens Marcia in den Ständekämpfen hatte durchsetzen können, als ihre Mitglieder zu den höchsten Ämtern undPriesterkollegien Zugang erlangt hatten. Die Aufstellung einer Statue ihres mythischen Namensgebers auf demComitium hatte diese Durchsetzung von Rechten bezeugt. Die Relevanz dessen, was dieses Bild verkörperte, war so groß, dass in den folgenden Jahrhunderten Kopien des Marsyas auch in jenen Städten Italiens und des Reiches aufgestellt wurden, die das latinische Recht erhalten hatten. Die Marsyasstatue in Romwar also seit früher Zeit das Symbol der Freiheit der Plebs sowie auch der freien Städte latinischen Rechts gewesen. Seine aufgereckte Hand zeigte, dass es RomundItalien an nichts fehle; eine Botschaft, die auf denReliefabbildungen noch von der Alimentationsstatue unterstrichen wurde. Die Verbindung desMarsyas als eines Zeichens der freien italischen Städte mit der Alimentationsstatue auf den Plutei ist darauf zurückzuführen, dass die kaiserlichen Alimenta eine italische Angelegenheit waren, die ebenfalls als Zeichen der traianischen Liberalitas galten. In den Szenen derReliefs, die ein Congiarium undeinen Schuldennachlass, mithin stadtrömische Pendants der kaiserlichen Demonstration von Liberalitas in Italien darstellen, werden also Libertas undkaiserliche Liberalitas explizit verknüpft. Über diesen Befund hinaus, der die Interpretation der Libertas-Darstellungen auf den Restitutionsmünzen bestätigt, deuten die Plutei Traiani jedoch auch jene Facette derLibertas an, welche die Abgrenzung vomVorgänger ausdrückt. Indem sie die Alimentationsstatue an eben der Stelle des Forums abbilden, an der zuvor der Equus Domitiani gestanden hatte, kontrastieren sie die auf denReliefs dargestellte Libertas undLiberalitas Traians mit demdomitianischen Regime. Die vorgeführten undangedeuteten Maßnahmen Traians sorgten für wirtschaftliche Prosperität und halfen bei der Wiederaufrichtung Italiens, welches unter Domitian vermeintlich niedergesunken war. Hier schließlich scheint nunauch wieder jenes engere Konzept von Libertas durch, welches mit der Abgrenzung von einem Vorgänger undsogar mit demTyrannenmord verbunden ist.
Ich habe im Verlauf des voran stehenden Kapitels beispielhaft vorgeführt, aus welchen Gründen ich mich dafür ausspreche, die Restitutionsmünzen als eine zusammengehörende Serie anzusehen, die umdas Jahr 112 geprägt wurde undsich vorrangig an ein senatorisches Publikum richtete. Ausschlaggebend für die Datierung wardie auffällige Übereinstimmung zwischen denAussagen derrestituierten Münzen undbestimmten kaiserlichen Regierungsakten sowie demProgramm der traianischen Herrschaftsdarstellung um das Jahr 112. Diese Übereinstimmungen beziehen sich auf die –hier zum Teil ausführlich besprochenen –einzelnen Nummi Restituti. In ihrer Gesamtheit verkörpert die Serie das Bestreben des Op-
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DIE RESTITUTIONSMÜNZEN
timus Princeps, die eigenen Taten undTugenden als den nicht zu übertreffenden Endpunkt einer langen Tradition aus Republik undKaiserzeit darzustellen. Wenn der Princeps die Münzen auch mit der Legende IMPERATOR CAESAR TRAIANUS AUGUSTUS GERMANICUS DACICUS PATER PATRIAE RESTITUIT umschrieb, bedeutete dies nicht vorrangig die Nachprägung älterer, abgegriffener Münzen. Auch war nicht nur gemeint, dass Traian die Erinnerung an diese Taten undTugenden der römischen Erfolgsgeschichte erneuert habe. Vielmehr scheint die Botschaft beabsichtigt gewesen zu sein, dass nun in der Person des Optimus Princeps den zwischenzeitlich verlorenen Taten undTugenden der römischen Tradition zu neuem undeinzigartigem Glanz verholfen werde; undzwar nicht nurausgewählten, sondern deren Gesamtheit. Schon im Jahre 100 hatte derPanegyricus des Plinius betont, dass Traian jede einzelne Tugend besitze, undzudem eine jede besser noch verkörpere als deren etablierter Exemplumsträger, woraus unübertreffbare Taten resultierten. In eben diesem Sinn beanspruchte Traian auch umdas Jahr 112, die Taten und Tugenden der römischen Erfolgsgeschichte restituiert und zugleich noch gesteigert zuhaben.
SECHSTER
TEIL
DIE KONSTRUKTION DER IMAGO
1. CUPIDO TRIUMPHANDI –DIE AMBIGUITÄT DER IMAGO AmEnde meiner
Untersuchung sollen zwei Autoren zu Wort kommen, die nach dem Tode Traians über den Optimus Princeps und sein Streben nach militärischem Ruhm schrieben, Sueton undCassius Dio. Schon Tacitus hatte in der Germania eine kritische Haltung gegenüber den Eroberungsplänen Traians eingenommen, und auch der Panegyricus hatte sich in diesem Sinne geäußert. Doch diese beiden Quellen wurden hier vornehmlich aus der konkreten Situation ihres Entstehens heraus betrachtet: In der Frühphase des traianischen Principats wares demSenat wichtig gewesen, dass derKaiser nicht wieder in denKrieg ziehe, sondern in Rombleibe. Plinius undTacitus hatten also getadelt, dass Traian in dieser Situation nach schnellen und voreiligen Triumphen strebe, nicht aber, dass der Kaiser generell militärischen Erfolg suchte. Sueton und Cassius Dio hingegen übten grundsätzliche Kritik an einem Kaiser, dessen cupido triumphandi ihn das Maß habe verlieren lassen, so dass er sich Götter, Halbgötter undunerreichbare Vorbilder zu Leitfiguren seines Handelns auserkoren habe. Wir können hier erkennen, dass eine kaiserliche Imago, die unter Traian gelobt wurde, ebenso gut
auch getadelt werden konnte.
Nurwenige Jahre nach demTodTraians veröffentlichte Sueton seine Biographien der römischen Herrscher. Er beendete die Reihe der Principes mit Domitian. Weder Nerva noch Traian fanden Aufnahme in die Sammlung. Dennoch war eine Passage aus der Vita des Divus Iulius geeignet, bei Suetons zeitgenössischen Lesern Assoziationen an den Optimus Princeps hervorzurufen. Sueton berichtet nämlich, dass Caesar für seine Quästur das südliche Spanien zugelost worden sei, und er in dieser Zeit auch nach Gades gekommen sei. Beim dortigen HerculesTempel habe er ein Bild Alexanders des Großen gesehen. Dieser Anblick habe ihn wegen seiner eigenen Tatenlosigkeit seufzen lassen: in einem Alter, in dem der Makedone bereits die Welt erobert hatte, habe er selbst noch nichts von Bedeutung vollbracht.1
In dieser Episode sind Motive miteinander vermengt, die derLeser sehr wohl auf denOptimus Princeps beziehen konnte. Die Rede ist vonderProvinz, ausder Traian stammte. Zudem verortet Sueton die Szene ausdrücklich vor demdortigen Herculesheiligtum. In meiner Untersuchung betonte ich die Relevanz des Hercules Gaditanus für die Herrschaftsdarstellung Traians. Der Heros warvomBeginn bis zumEnde des traianischen Principats für den Kaiser ein Paradigma gewesen, umsein eigenes Handeln zu erklären: Hercules under seien die Söhne eines Gottes. Sie hätten beide einem schwachen undniederträchtigen Herrn gedient und 1
Suet.Div.Iul.7.1.
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hätten Rom aus der Knechtschaft von Cacus, beziehungsweise Domitian befreit. Die Randgebiete derZivilisation seien vonihnen durchdrungen undkultiviert, die dortigen Länder undderen Bewohner bezwungen worden. Nurkurze Zeit vor der Veröffentlichung der Kaiserbiographien war das Wachsbild des Divus Traianus Parthicus während seines funus publicum auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden, und er selbst war als neuer Staatsgott in den Himmel gestiegen. Auch dies konnte die Betrachter an die Selbstverbrennung und Divinisierung seines heroischen Vorbildes Hercules erinnern. Suetons Erwähnung des Hercules Gaditanus lud seine Leser daher ein, auch die weiteren Worte der geschilderten Episode mit Traian in Verbindung zu bringen. So berichtet der Schriftsteller vom Pothos, jener Sehnsucht, die schon Alexander angetrieben habe, unddie auch jene Feldherren anstachelte, die sich mit Alexander verglichen undihmnacheiferten. Auch hier warder gedankliche Weg zuTraian nicht weit. DerKaiser hatte drei große Kriege begonnen, unddasReich zu seiner größten Ausdehnung gebracht. Dabei war Traian von einem Streben nach militärischem Ruhm angetrieben worden, welches seinen Zeitgenossen den Vergleich mit Alexander nahe legte. Doch Traian glich dem Makedonen nicht allein im Leben. Ein kompetenter Leser vermochte auch im Sterben der beiden Herrscher Parallelen zu entdecken. Beide waren auf einem Kriegszug in der Fremde gestorben, zumal an einer rätselhaften Krankheit, undhatten ihre Heimat nicht wiedergesehen. Ihrer beider Eroberungen waren ungeheuer gewesen, doch nicht vonDauer. DasReich Alexanders warzumOpfer derRivalität seiner Erben geworden, unddie Länder, welche der Optimus Princeps demReich hinzugefügt hatte, wurden schon von seinem Nachfolger teilweise wieder aufgegeben. Sueton verband also zwei Motive miteinander, welche die Leser derfrühen hadrianischen Zeit mitdemOptimus Princeps verbinden konnten, auch wenn derBiograph sie in der Vita des Divus Iulius schilderte: denHercules Gaditanus unddie unerfüllbare Sehnsucht nach Eroberungen in der Tradition Alexanders.2 Doch was bezweckte Sueton mit dieser recht offensichtlichen Anspielung, die sein Publikum leicht zu erkennen vermochte?3 Warum brachte der Biograph Traian in Verbindung mit Alexander? Ich halte diese Passage deswegen für so interessant, dass ich sie hier am Schluss meiner Untersuchung betrachte, weil ich überzeugt bin, dass bereits hier die Ansatzpunkte einer Kritik an Traian zu erkennen sind. Diese Kritik sollte in späterer Zeit expliziert werden, wie ich gleich zeigen werde. Doch wenn ihre Bestandteile bereits bei Sueton angedeutet sind, scheint dies ein Hinweis darauf zu sein, dass neben jener Herrschaftsdarstellung Traians, die ich auf den vorangegangenen Seiten behandelte, auch noch eine andere Wahrnehmung, eine andere
2
Dies waren freilich nicht dieeinzigen Passagen imWerk desSchriftstellers, die eine Kritik an der eigenen Zeit und der jüngsten Vergangenheit artikulierten. Siehe hierzu einführend
3
Das heißt freilich nicht, dass diese Anspielung derForschung zu Sueton oder Traian bislang
ABRAMENKO
1994.
aufgefallen wäre.
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des Optimus Princeps zu seiner Zeit existierte; eine Tradition, die auch nach demToddesKaisers nicht deutlich artikuliert wurde.
Darstellung
Zum ersten Mal ist eine direkte und harsche Kritik an den militärischen Unternehmungen des Kaisers in severischer Zeit überliefert.4 Anhand eines Berichts des Cassius Dio, auf den ich gleich näher eingehen möchte, wird deutlich, dass zumindest zu dieser Zeit eine alternative Sichtweise der Taten und Tugenden des Princeps existierte, die vondemunsüberlieferten Lob Traians während deszweiten Jahrhunderts verdeckt ist. Die Dominanz undKanonisierung dieser positiven Tradition über lange Zeit ist leicht zu erklären. Schließlich führten die Kaiser des zweiten Jahrhunderts ihren Herrschaftsanspruch bis auf Nerva zurück. Ganz deutlich wird dies in derAufzählung der Filiationen in der imperialen Titulatur dieser Kaiser, wenn die Principes betonten, sie seien der Sohn, Enkel oder Urenkel eines Divus. Dies liegt schlichtweg daran, dass von Traian bis Marc Aurel die Herrscher Roms adoptiert worden waren. Und für eine ungebrochene Kette ‚guter Principes‘, die jeweils von ihrem Vorgänger als ‚der Beste‘ ausgewählt worden waren, warjedes ihrer Glieder wichtig. Die Tradition legte dieKaiser aufRollen fest, die sogar noch in ihrer heutigen Beurteilung erheblichen Einfluss haben: der Philosoph auf demKaiserthron, der Reisekaiser, schließlich der, unter dem das Reich seine größte Ausdehnung erreicht hatte –bestimmte Imagines derjeweiligen Kaiser wurden derart dominant, dass sie die Wahrnehmung derHerrscher in derFolgezeit bestimmten. Hier wurde das Bild Traians als vermeintlich mustergültiger Propagator Imperii gefestigt. Sein Andenken wurde über ein Jahrhundert lang nicht beschädigt, undmögliche negative Züge des Optimus Princeps wurden ausgeblendet. Noch zu Anfang des dritten Jahrhunderts besaß dieses Bild eine politische Funktion, da die severische Dynastie anCommodus anknüpfte undsich somit ebenfalls in die Reihe derKaisereinordnete, dieseit demJahre 96 geherrscht hatten. Dann aber können wirimWerk desCassius Dio eine harte, doch vonihmbegründete Kritik feststellen. Es beginnt mit einer Reihe von Bemerkungen und Kritikpunkten, die der Autor in das 68. Buch seines Werkes einfließen lässt, die etwa neben der mangelhaften rhetorischen Bildung Traians auch seine Leidenschaft für Trank und Knaben erwähnen. Aber letztlich, bemerkt der Historiograph, sei jede Eigenschaft an ihm doch gut gewesen, und er habe niemandem etwas Böses getan. Schließlich hätte man doch wohl Anstoß daran genommen, wenn er Böses getan hätte. Zudiesen eher noch allgemeinen Andeutungen gehört auch, dass Cassius Dio Traians Vernarrtheit in das Kriegswesen betont. Doch habe dies nicht schließlich zum Erfolg geführt? Die Soldaten habe der Kaiser im Griff gehabt, mit Decebalus sei ein mächtiger Feind geschlagen worden, unddas römische Volk sei begeistert gewesen.5 Die generelle Beurteilung des traianischen
4 5
Einen ersten Überblick über die Wahrnehmung des Optimus Princeps WATERS 1974. Cassius Dio.68.7.4f.
in späterer Zeit bietet
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Principats undauch seiner Kriege durch Cassius Dio scheint also insgesamt positiv zu sein. Doch nun beginnt der Historiograph, die Einzelheiten jener Feldzüge zu schildern. Er berichtet von strategischen Fehlentscheidungen und von Traians unstillbarem Verlangen nach Ruhm; und diese Passagen konterkarieren die ausgewogenen Aussagen amAnfang des 68. Buches. In der Folge berichtet Cassius Dio, im zweiten Dakerkrieg habe Traian seine berühmte Ister-Brücke bauen lassen, umnach Dakien einfallen zukönnen. DerAutor betont, diese Leistung könne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.6 Sie sei ein Wunderwerk römischer Ingenieurskunst. Zugleich weist Cassius Dio aber auch darauf hin, dass Hadrian die Brücke wieder habe einreißen lassen. Er habe nämlich gefürchtet, Barbaren könnten dieses Bauwerk ihrerseits dazu benutzen, nach Moesien einzufallen. Bereits mit dieser Anekdote ist angedeutet, dass der Historiograph Traian attestiert, nicht die möglichen Risiken eines solchen Einfalltores berücksichtigt zu haben. Diese Aussage muss aber zunächst als wertneutral angesehen werden. Es wäre schließlich auch möglich, dass der Historiograph mit diesem Hinweis die Überängstlichkeit Hadrians hätte illustrieren wollen. Er richtet sich immerhin nicht explizit gegen eine negative Eigenschaft Traians. Doch es wird deutlich, dass Cassius Dio es als charakteristisch für Traians Unternehmungen ansah, eher in Kategorien der Eroberung als der Verteidigung gedacht zu haben. Diese Vermutung, dass tatsächlich in dieser Passage Kritik an Traian geübt ist, wird vonanderen Episoden gestützt. Den Krieg gegen die Armenier undParther habe der Princeps unter dembloßen Vorwand begonnen, der armenische Herrscher sei vom Partherkönig anstatt von ihm selbst eingesetzt worden.7 Traians eigentlicher Beweggrund sei jedoch die Gier nach Ruhmgewesen. Cassius Diounterstellt demKaiser also, die Verletzung derMaiestas Populi Romani lediglich als eine Ausrede benutzt zuhaben. Er habe von vorneherein in einen Krieg ziehen wollen, der ihm persönlich die Möglichkeit bot, seine militärische Imago erneut zu bestätigen. Der Kaiser habe seine eigenen Interessen über jene des Gemeinwohls gestellt. Cassius Dio wiederholt dieses Motiv im Verlauf seiner Erzählung undanalysiert seinen Kern. So sei Traian nach seiner Eroberung von Ktesiphon den Tigris hinunter bis auf den Ozean gesegelt.8 Dort habe derKaiser bedauert, nicht mehrjung zu sein; denn dann wäre er weiter nach Indien gefahren. In der Folge habe er allerdings begonnen, Informationen über dieses Land einzuholen. Wasfür ein glücklicher Mensch, habe der Kaiser betont, sei Alexander doch gewesen, dorthin gelangt zusein! Hier reduziert Cassius Dio also explizit die Beweggründe Traians für dengewaltigen, über Jahre hinweg an denRessourcen des Reiches zehrenden Krieg gegen die Parther auf eine Anabasis in der Nachahmung Alexanders des Großen. Zugleich lässt der Autor denKaiser erkennen, dass er aus zwei Gründen Alexandernicht werde überflügeln können: VonderTigrismündung nach Indien sei eben
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Cassius Dio 68.13. Cassius Dio 68.17.1. Cassius Dio 68.29.1.
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doch noch ein weiter Weg, undsein makedonisches Vorbild habe diese Strecke schon in erheblich jüngeren Jahren zurückgelegt. Ganz anders aber habe derKaiser sich in seinen Briefen an den Senat präsentiert. DemGremium habe er nämlich geschrieben, er sei weiter vorgedrungen als Alexander. Cassius Dio kommentiert diese Aussage nurmit demHinweis, dass Traian tatsächlich nicht einmal das vonihmEroberte selbst habe erhalten können. Das Verhalten des Senats wird von Cassius Dio als emphatisch, doch zugleich auch als ratlos geschildert. Bereits nach derEroberung Ktesiphons habe der Senat dem Kaiser nämlich die Erlaubnis gewährt, beliebig viele Triumphe zu feiern. Nunsei diese Zusicherung noch einmal bestätigt worden: Der Kaiser möge über so viele Völker triumphieren, wie ihm beliebe. Denn, so stellt Cassius Dio fest, dasGremium hatte denÜberblick über die Gebietsgewinne Traians verloren. Der Kaiser habe voneiner solchen Vielzahl vonVölkern berichtet, die er unterworfen habe, dass manihmin derCurie nicht mehr recht habe folgen können und die Namen durcheinander gebracht habe. Doch das Volk von Rom habe seinem Kaiser einen Triumphbogen bauen wollen undnoch vieles andere mehr auf dem Traiansforum. Cassius Dio stellt hier implizit unddoch ganz deutlich fest, dass Traians Ehrungen zu dieser Zeit auf bewusst vom Kaiser gesteuerten Falschmeldungen beruht hätten. Der Kaiser habe den Senat betrogen, dieser habe darüber resigniert. Indem der Historiograph die Erfolgsmeldungen als Schwindel entlarvt und die beabsichtigten Ehrungen Traians durch die unwissende Plebs Urbana mit dem Traiansforum in Verbindung bringt, wirft er zugleich einen Schatten aufjene traianischen Erfolge, die in derVergangenheit die Errichtung eben dieses monumentalen Komplexes hatten gerechtfertigt erscheinen lassen: dieDakerkriege. So wird nicht allein der Partherfeldzug, sondern die gesamte militärische Imago des Kaisers einer kritischen Prüfung durch denLeser überantwortet. Von diesem Punkt seines Werkes an nimmt die Erzählung des Cassius Dio gegenüber Traian eine deutlich negative Wende. Der Historiograph berichtet, der Kaiser sollte nichts Größeres mehr erreichen als seine bisherigen Eroberungen. Doch auch diese sollten zudem noch vomReich abfallen, als er gerade denOzean auf den Spuren Alexanders besegelte.9 Dass die unterworfenen Gebiete revoltierten, die zurückgelassenen Garnisonen vertrieben und umgebracht seien, habe Traian in Babylon erfahren; einer Stadt, in welcher es nichts zu sehen gegeben habe außer den Ruinen längst vergangenen Ruhms. Doch es seien gerade diese Erinnerung unddasAndenken Alexanders gewesen, die denPrinceps nach Babylon gezogen hätten. Im Totenzimmer des makedonischen Vorbildes habe Traian dessen Geist ein Opfer gebracht. Der Text besagt also nichts anderes, als dass zu einem Zeitpunkt, dadie gerade erzielten Gebietsgewinne durch Einfälle von außen undAufstände im Inneren wieder verloren gingen, der Kaiser sich seinem persönlichen Pothos hingegeben habe. Der Drang nach Eroberungen sei zu diesem Zeitpunkt zum Selbstläufer geworden. Längst schon seien die Kräfte des Reiches nicht mehr zumWohl der
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30.1. Cassius Dio 29.4–
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Res Publica eingesetzt worden, sondern zur Stillung derAlexander-Sehnsucht des alten Kaisers. In seiner Darstellung der Belagerung der Stadt Hatra lässt Cassius Dio die Vorwürfe gegen den Optimus Princeps kulminieren, wenn er anhand dieses vermeintlichen Desasters die Hybris Traians am Ende seiner Regierung illustriert.10 Wie viele andere Städte revoltierte im Jahre 117 auch Hatra in Arabia im Zuge jener Aufstände, die den Osten des Reiches ins Chaos stürzten, gegen die römische Herrschaft. Der Bericht des Historiographen betont, die Stadt selbst sei kein lohnendes Ziel gewesen. Er hebt die Unwirtlichkeit des sie umgebenden Landes hervor, außerdem dasFehlen vonWasservorkommen, Verpflegungsgelegenheiten undBauholz; eine Kombination, die eine erfolgreiche Belagerung von Anfang an als aussichtslos hätte erscheinen lassen müssen. Doch neben demLandundseinen Bewohnern habe auch der Sonnengott selbst mit sengender Hitze gegen die römischen Angreifer gekämpft. Ihm nämlich sei die Stadt geweiht, berichtet Cassius Dio. Undso suggeriert derBericht vondenabgeschlagenen Versuchen derrömischen Bestürmung, luppiter selbst habe die Festung gegen die Angreifer verteidigt. Denn immer, wenn die Römer den Sturm auf Hatra wagten, sei die Armee von Blitzen undDonnerkeilen getroffen und von Regen undHagel überschüttet worden. Überdies hätten sich Fliegen auf Speisen undTrank niedergelassen, sodass alle davon krank geworden seien. Auch Traian selbst habe sich hier jene Krankheit zugezogen, an der er kurze Zeit später starb.11 Die Expedition gegen Hatra wird also von Cassius Dio als völlig nutzloses Manöver dargestellt. Die Expedition habe zu großem Unheil für das römische Heer und schließlich auch zumTod des Kaisers geführt. Aber die Stadt hatte nuneinmal revoltiert, undfür Traian sei dies wohl Grund genug gewesen, das Heer in die Öde zu führen. Er habe jene weise Voraussicht undFürsorge gegenüber seinem Heer vermissen lassen, die eben auch zurmilitärischen Imago eines Guten Princeps gehörten. So ist auch diese Episode ein Beleg dafür, dass Traian in der Wertung einer späteren Tradition das Wohl des Reiches seinem eigenen unstillbaren Verlangen nach Ruhm untergeordnet habe, wofür er von denGöttern selbst bestraft worden sei. Im Bericht des Historiographen hat Iuppiter selbst sich von Traian abgewendet.12 Jener oberste Gott, dessen Epitheton Optimus der Kaiser von Beginn seiner Regierung für sich in Anspruch nahm, vondemer auf denThron gehoben worden sei unddieInsignien derHerrschaft erhalten habe, als dessen persönlicher Schützling er sich in den späten Jahren seiner Regierung darstellen ließ, habe sich dem Kaiser nun sogar persönlich entgegengestellt. Er habe ihn krank werden undan dieser Krankheit sterben lassen.13 10 Cassius Dio 68.31. –Zu Hatra siehe auch SOMMER 2003. 11 Cassius Dio 68.31.4 in Verbindung mit 68.33.1. 12 Ein schlechtes Omen sei es auch schon gewesen, dass Traian von den Verteidigern aus der Menge derAngreifer heraus erkannt worden sei undhabe beschossen werden können. 13 DieDarstellung vonBENNETT 1997, hier 200f., geht auch hier über einbloßes positivistisches Referieren derQuellen nicht hinaus. Dieses Nacherzählen ohne eigene Interpretationsleistung paart derAutor zudem noch mit nicht weiter fundierten Deutungen etwa des kaiserlichen Porträts. So wird das traianische Bildnis, welches auf dem Forum in Ankyra gehangen habe
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Cassius Dio betont, die Eroberungen des Princeps seien noch zu seinen Lebzeiten wieder vomReich abgefallen.14 Die Juden von Cyrene, Zypern undÄgypten hätten Hunderttausende Römer und Griechen ermordet und sogar gegessen. Derweil habe Traian einen Feldzug gegen Mesopotamien vorbereitet. Den Versuch, die Aufstände niederzuschlagen unddie Ermordeten zurächen, habe er seinen Feldherren überlassen. Die implizite Kritik des Historiographen ist ein schreckliches Resümee der Kriegstaten des Optimus Princeps: Der Kaiser habe nicht auf die Sicherung des Reiches geachtet. Diese sei wie eine lästige Aufgabe allein seinen Feldherrn übertragen worden. Zwar habe er die Grenzen des Imperiumsderart weit undschnell ausgedehnt wie niemand zuvor, doch seien diese Eroberungen nicht sorgsam bewahrt worden. Als dasReich von außen undim Inneren zusammengebrochen sei, habe Traian immer nur noch weiter ziehen wollen, auf den Spuren Alexanders nach Osten. Auf das Wohl und die Sicherheit der Reichsbevölkerung habe erjedoch nicht geachtet. AmEnde aber seien auch seine Eroberungen undTaten mit ihm untergegangen; Armenien, Mesopotamien und Parthien seien wieder verloren gewesen. Alle Gefahren undSchwierigkeiten, welchedieRömer –undCassius Dioredet hier explizit vonjenen Massen, welche die Lasten der Feldzüge Traians hatten tragen müssen –durchgemacht hätten, seien vergebens gewesen. Auch die Hadriansvita der Historia Augusta reflektiert diese negative Deutung der Kriegszüge und ihrer Konsequenzen: „ Nach seinem Regierungsantritt nahm Hadrian sofort wieder die alte Politik auf undrichtete sein Augenmerk darauf, denFrieden im römischen Reich zu erhalten. Denn nicht nurdie von Traian unterworfenen Stämme fielen wieder ab, auch die Mauretanier beunruhigten unsere Gebiete, die Sarmaten fingen Krieg an, die Britannier konnte nicht unter unserer Herrschaft gehalten werden. Ägypten wurde von Aufständen heimgesucht undschließlich zeigten sich Libyen undPalästina rebellisch. Darum verzichtete derKaiser auf alle Gebiete jenseits des Euphrat unddes Tigris.“15Betrachtet man die Parallelen in den Darstellungen Suetons, Cassius Dios undder Historia Augusta, so scheint sich hier eine alternative Tradition womöglich schon kurze Zeit nach demTod des Princeps abzuzeichnen, die einen interessanten Kontrast bildet zu den von mir untersuchten Taten und Tugenden Traians, jenen Aspekten der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung.
(BENNETT, Taf.2 D), zur Bestätigung jener Berichte bemüht, dass der Kaiser zu dieser Zeit bereits schwer krank gewesen sei. Hieraus entwickelt der Autor dann eine detaillierte Krankengeschichte, welche zumTode Traians geführt habe. Der Archäologe BENNETT verliert jedoch schon kein einziges Wort über die stilistischen Eigenheiten, welche solche provinzialen Porträts von Werken der stadtrömischen Werkstätten trennen. Doch medizinische Diagnosen am Kaiserporträt durchzuführen –und BENNETT Anm. 94 dankt hierfür einem Doktor der , entbehrt schließlich vollends der althistorischen Seriosität. Medizin – 14 Cassius Dio 68.32f. 15 SHAHadr. 5.1.
2. DIE KONSTRUKTION DES OPTIMUS PRINCEPS Der Panegyricus skizziert Traian, indem er ihm zahlreiche Taten undTugenden zuschrieb und ihn zusätzlich vor dem durchweg negativen Hintergrund seiner Vorgänger insgesamt und Domitians im Besonderen abbildet. Dieser Kontrast Traians zuDomitian warjedoch nurein Mittel, nicht aber derZweck derpanegyrischen Performanz. Tatsächlich lässt sich ein Gutteil der Schwarzzeichnung mit deneigenen Worten des Autors erklären, wenn er schrieb, einen Kaiser lobe man ammeisten, indem manseine Vorgänger fürihr gegenteiliges Wirken tadele. Verlöre mannämlich keine Worte über einen vorangegangenen schlechten Princeps, beweise dies, dass dereigene nicht besser sei.1 So wardie scharfe Abgrenzung der Herrscher voneinander in erster Linie ein rhetorisches Mittel. Kontrastiert wurden nicht zwei reale Persönlichkeiten, sondern der beste und der schlechteste anzunehmende Princeps. Es sind zwei polarisierte Abziehbilder vontatsächlichen Personen; die Imago des idealen Herrschers unddie Imago desTyrannen. Domitian konnte aber überhaupt erst derart negativ gezeichnet werden, weil seine Herrschaft tatsächlich Unzulänglichkeiten aufgewiesen hatte. Der Nährboden für eine negative Interpretation und Tradierung seiner Herrschaft war sein Unwillen, beziehungsweise seine Unfähigkeit, die vom Senat gewünschten Gesten der Civilitas zu demonstrieren. Darüber hinaus gehörte zu denUnzulänglichkeiten seines Principats etwa auch das zu frühe, intensive Feiern vermeintlicher Siege.2 Eben dies ließ unter den Senatoren eine Prädisposition zurnegativen Deutung und Verdammung des Flaviers entstehen. Diese Prädisposition wurde von Traian aktiviert, um sie zu einem konstitutiven Bestandteil seiner eigenen Herrschaftsdarstellung zu machen; mit dem Resultat, dass Domitian als Pessimus Princeps in die Tradition einging. Nun hätte aber jene domitianische Imago, welche Traian für seine Zwecke zum Negativen hin instrumentalisierte, von einer gegenteilig ausgerichteten Programmatik nach dem Tod Domitians auch anders gedeutet werden können. Dies wäre derFall gewesen, wenn die Domitian nachfolgenden Kaiser die Kontinuität zu seiner Regierung undnicht denBruch betont hätten. Dann hätte die völlig entgegengesetzte, doch latent ebenfalls starke Prädisposition zu einer positiven Deutung seiner Taten undTugenden aktiviert werden können. In einer solchen Tradition wäre Domitian nicht als eine Negativ-Imago kanonisiert worden, sondern als erfolgreicher Feldherr gegen die Germanen und Verteidiger der Reichsgrenzen. Er wäre posthum als großartiger Baumeister undEuerget Roms sowie als strenger
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Plin.paneg.53,6. Siehe hierzu im Kapitel „ Vom Rhein nach Rom“den Abschnitt 9.1.1 „ falsi triumphi . Domitian als Opfer seiner eigenen Imago“
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Hüter derDisziplin gefeiert worden, der statthalterlicher Willkür energisch entgegengetreten sei. Denn auch diese Facetten derdomitianischen Herrschaft scheinen in denliterarischen Quellen durch, woimmer sie demsonst rein negativ gezeichneten Charakterbild des Kaisers eine Nuancierung abgewinnen wollen.3 Dementsprechend spiegeln dieAuseinandersetzungen umdie Nachfolge Nervas auch Rivalitäten bei der Erlangung eines Deutungsmonopols über die Vergangenheit wider. Es ging umdie aus derjüngsten Zeit herzuleitende Festigung der gegenwärtigen undzukünftigen Verhältnisse. So warCornelius Nigrinus, derKonkurrent Traians in der Auseinandersetzung umdie Thronfolge, auf ein positives Domitianbild angewiesen. Denn als der amhöchsten dekorierte Feldherr des Flaviers beruhte sein Ruf, ebenfalls capax imperii zu sein, auf den siegreich geführten Donaukriegen, in denen er sich bewährt hatte. Er jedenfalls hätte die militärischen Erfolge Domitiansnicht derart herunterspielen können, wie Traian, dies tat, denn sie begründeten seinen Anspruch auf den Thron. Sie verliehen ihm die notwendige militärische
Imago. Traian aber hatte bis zu seinem Herrschaftsantritt noch keine nennenswerten militärischen Erfolge vorzuweisen. Er durfte sich nicht an Domitian und dessen Imago des erfolgreichen Feldherrn messen lassen. Dies hätte Erwartungen geweckt, von deren Erfüllung er am Anfang seiner Regierung noch weit entfernt war. Demnach musste die militärische Imago Domitians entwertet werden. Nun hatte derFlavier aber augenscheinliche Erfolge errungen, mitBeutestücken, Waffenspolien undGefangenen, die er imTriumph durch Romgeführt hatte. Münzen, diejene Siege feierten, waren massenhaft imUmlauf. Die Strategie einer rhetorischen Entleerung dieser Zeugnisse, die dem stadtrömischen Publikum wohlbekannt waren, musste daher all dies als einen gewaltigen Schwindel bezeichnen. Es galt, dasManifeste als reine Blendung zuentlarven. So wurde vongekauften Gefangenen berichtet, vom Gold, das den Bundesgenossen gestohlen worden sei, von eigens zusammengestückelten Spolien undvon zu Triumphwagen umfunktionierten Karren.4 Jeder noch so kleine Erfolg, den Traian erringen würde, sollte geeignet sein, denUrheber solcher falsi triumphi weit zuübertreffen. Aber auch Traians Principat besaß das Potential einer grundsätzlich positiven oder negativen Beurteilung. So war der Sieg gegen das Dakerreich erst in einem zweiten Krieg gelungen; freilich war schon nach dem ersten Krieg über dieses Volk triumphiert worden, undTraian hatte den Beinamen Dacicus angenommen. Auch die Annahme des zweiten Siegerbeinamens, des Parthicus, erfolgte zu einem Zeitpunkt, als das parthische Reich noch keinesfalls geschlagen war und noch bevor Aufstände im Rücken der römischen Armee den Feldzug frühzeitig zunichte machen sollten. Demnach feierte Traian ebenfalls voreilige Triumphe,
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So kommt es in denBeschreibungen von Tacitus undSueton etwa zujenen Hinweisen, der Kaiser habe sich während jener Zeit als Caesar und am Anfang seiner eigenen Regierung noch mitMühe zurückhalten können, seine schlechten Anlagen nicht durchbrechen zulassen. Später aber habe er sich deutlich zumSchlechteren gewandelt. Siehe etwa Plin.paneg.16.3, 17.1.
2. DIE KONSTRUKTION DES OPTIMUS PRINCEPS
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nicht anders als Domitian dies getan hatte. Außerdem hatte sich Traian lange Jahre seiner Regierung nicht in Romaufgehalten, was die Kommunikation mit Senat und Plebs Urbana auf ein Minimum reduziert hatte und den Ehrenstatus dieser beiden für die Akzeptanz des Princeps wichtigen Gruppen reduziert hatte. Auch die Taten desOptimus Princeps bargen also diese Ambiguität derDeutung in sich; auch seine Regierung besaß eine Prädisposition, negativ bewertet zuwerden, doch Traian ging miteiner beinahe rein positiven Imago in dieTradition ein.
Das grundsätzliche Ziel meiner Arbeit war eine Untersuchung des Phänomens der Herrschaftsdarstellung im römischen Principat am Beispiel der Regierung Traians; eine Analyse sowohl seiner Selbstdarstellung, als auch seiner Darstellung durch andere. Es gelang, diese beiden Perspektiven ineinander greifen zu lassen, umzusehen, wie sich ihre Inhalte undFormen desAusdrucks gegenseitig bedingten. Mein methodischer Ausgangspunkt war hierbei das Konzept der kaiserlichen Imago –eines Rollenverhaltens, welches der Kaiser im Umgang mitjenen Gruppen annahm, die für seine Akzeptanz, und somit für die Stabilität seiner Herrschaft, wesentlich waren. Denn die Herrschaftsdarstellung konstituierte sich in der Kommunikation des Kaisers mit, im Wesentlichen, drei gesellschaftlichen Gruppen: Senat, Heer undPlebs Urbana. Mit diesen Gruppen kamder Princeps regelmäßig in verschiedenen politischen Räumen zusammen undkonnte dabei erleben, welche Aspekte seiner Herrschaftsdarstellung in welchem Maße akzeptiert wurden. Doch auch die drei Gruppen stellten je nach ihren Bedürfnissen Forderungen an dasVerhalten des Herrschers. Diesen musste der Kaiser nachkommen, wollte er sich als ‚Guter Princeps‘ akzeptiert sehen. Da diese Bedürfnisse aber, je nach der Gruppe, von der sie geäußert wurden, sehr unterschiedlich waren, undauch nicht unbedingt dementsprachen, was der Herrscher zu tun bereit war, konnte er den Forderungen dieser Gruppen nur in Maßen entsprechen. Außerdem konnten und mussten in Reaktion auf politische Ereignisse und auf sich wandelnde Bedürfnisse der Kommunikationspartner die Facetten der Herrschaftsdarstellung modifiziert werden; doch sie besaßen zu jeweils einer Zeit für alle Parteien der Kommunikation eine gewisse Verbindlichkeit undermöglichten so politische Orientierung.
Die ersten beiden Kapitel der vorangegangenen Untersuchung bezogen sich auf die Frühphase des traianischen Principats. In ihnen wurde deutlich, auf welche Weise die Herrschaft des neuen Kaisers sich zu etablieren begann. ZuBeginn seinerRegierung entzog sich derKaiser derKommunikation mit der Senatorenschaft nahezu vollständig, da er die ersten eindreiviertel Jahre seiner Regierungszeit nicht in Rom, sondern an dennördlichen Grenzen seines Reiches verbrachte. Wegen seiner bislang militärisch nicht profilierten Vita musste Traian bemüht sein, zu Beginn seiner Regierung rasch militärischen Ruhm zu erwerben. Dazu zwang ihn vor allem, dass die flavischen Kaiser ihre grundsätzliche undkonkrete Sieghaftigkeit besonders betont hatten, wodurch sie ihren Nachfolgern die Hypothek hinterlassen hatten, diese Leistungen ebenfalls zu erbringen. Und so verbrachte
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Traian viele Monate
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andenGrenzen, umeinen Krieg gegen dieDaker vorzuberei-
ten. Doch die dadurch bedingte lange Abwesenheit des Herrschers aus Rom war ein Problem für dasAkzeptanzsystem. Denn während dieser Zeit, die er imKreis seiner Truppen verbrachte, versagte sich Traian der Kommunikation mit demGesamtsenat undmitderstadtrömischen Plebs. Noch nie warer in seiner neuen Rol-
le als Kaiser diesen Gruppen gegenüber getreten, unddurch seine Abwesenheit reduzierte er deren Ehrenstatus. Erst als die civium desideria den amor castrorum überwunden hatte, wie Plinius betont, zog Traian als Kaiser in seine Hauptstadt ein undkamin dieser neuen Rolle auch endlich mit demGesamtsenat zusammen. Es war von Bedeutung, zunächst die Bewegungen des Kaisers an der Nordgrenze seines Reiches zu betrachten, um danach rekonstruieren zu können, wie Traian selbst seine Taten während dieser Monate darstellen ließ. Eine vorrangige Informationsquelle hierfür waren die Aussagen der Reichsmünzen. Der nächste Schritt war es, zu untersuchen, wie sich die Zeitgenossen über diese Taten des Princeps undderen Darstellung äußerten. So wurde deutlich, wie die kaiserliche Abwesenheit bewertet wurde. Zu diesem Zweck betrachteten wirjene zwanzig Monate, die Traian zwischen Rhein undRom verbrachte, aus demBlickwinkel zweier Senatoren, die nicht derart privilegiert waren, dass sie den Kaiser als dessen Comites hätten begleiten dürfen. Wir sahen, wie die kaiserliche Abwesenheit in den Briefen desjüngeren Plinius und in der Germania des Tacitus reflektiert wurde. Der Traktat des Consulars Tacitus wurde aus den besonderen Umständen seiner Entstehungszeit als ein Zeugnis der auf Reziprozität undEhrenzuweisung basierenden Kommunikation zwischen Kaiser undSenatoren gedeutet. Die Schrift warauch die Stellungnahme eines in Romgebliebenen Senators, dersich wünschte, derKaiser möge nach seinem Regierungsantritt in seine Hauptstadt zurückkehren, die unmittelbare Kommunikation mit dem Senat aufnehmen und keinen Krieg beginnen, derihnnurnoch länger anderGrenze desReiches fesseln würde. Tacitus riet Traian davon ab, zur Konkretisierung seiner generellen militärischen Imago eine überflüssige undzudem wenig ergiebige Eroberung von Teilen Germaniens zuunternehmen. Als herausragendes Zeugnis dafür, welche Schwierigkeiten die kaiserliche Abwesenheit verursachte, dienten jene Briefe, die Plinius in denJahren 98 und99 an denKaiser geschrieben hatte, unddie unter diesem Aspekt noch nie untersucht worden waren. Diese Episteln dokumentieren die Annäherung eines Senators an den Princeps, zu welchem er alleine auf dem Briefweg durchdringen konnte. Denn einen direkten Zugang zumHerrscher hatten in dieser Zeit nurdie Begleiter Traians, wodurch das System der Maklerpatronage und damit der Weg zu den vomKaiser verwalteten sozialen Ressourcen erheblich erschwert wurden. In diesen Schreiben wird deutlich, dass Plinius die Argumentation seiner Anliegen stets imEinklang mitkaiserlichen Ideologemen dieser Zeit aufbaute, dass diese Gesten derüberdeutlichen Akzeptanzbekundung aber nurunzureichend als Schmeichelei kategorisiert werden können. Stattdessen wurde hier ein argumentativer Mechanismus deutlich, denich ‚affirmatives Fordern‘nannte: Ein Senator reflektiert die kaiserlichen Ideologeme und instrumentalisiert sie in seiner Argumentation. Hiermit signalisiert er demPrinceps, dass er dessen Herrschaftsdarstellung akzep-
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tiere. Gleichzeitig aber fordert er damit denHerrscher auf, sich imGegenzug auch so zu verhalten, wie dieser sich darstelle, undwie der Senator selbst es ihm eben ja bestätigt habe. Wir sahen die Wechselwirkung von senatorischen Erwartungen und den Bedürfnissen der kaiserlichen Selbstrepräsentation, die zu einer Imago führten, deren Inhalte und Ausdrucksformen zu jeweils einer Zeit zwar in Deckung zu bringen waren, welche sich diachron aber modifizieren ließen, um auf neuartige Taten undTugenden Traians Bezug nehmen zukönnen.
Die große Bedeutung des affirmativen Forderns ließ sich auch im Panegyricus feststellen, dervonder älteren Forschung häufig als Dokument der Schmeichelei oder als Ausdruck reiner Herrschaftsprogrammatik betrachtet wurde. AmAnfang meiner Untersuchung dieser Quelle hatten demnach grundlegende Gedanken zur politischen Funktion einer solchen Rede zu stehen. Es wurde, nicht zuletzt durch Selbstzeugnisse des Plinius, zunächst deutlich, dass die Gratiarum Actio des Septembers 100 keinesfalls ein Dank für die Verleihung des Suffectconsulates war, sondern vielmehr anlässlich dieser Verleihung gehalten wurde. Mithilfe weiterer Quellenbelege ließ sich feststellen, dass es sich bei derunsüberlieferten Rede des Plinius umdas Zeugnis eines Rituals handelte, das mehrmals im Jahr zwischen demKaiser unddem Senat stattfand; wahrscheinlich beim Amtsantritt jedes der Consuln-Paare: Einer dieser beiden Amtsträger hatte als Exponent des gesamten Gremiums demPrinceps ex more undauf Geheiß des Senates gegenüber zu treten. Doch seine Dankesrede war keine bloße Wiedergabe einer kaiserlichen Selbstdarstellung, noch war sie das andere Extrem, ein staatsphilosophischer Entwurf desPlinius, in welchem dieser denidealen Princeps beschrieben hätte. Stattdessen reflektierte der Redner, welche Facetten der kaiserlichen Herrschaftsdarstellung von den Senatoren in welchem Maße angenommen und ihrerseits getragen wurden. Der Princeps konnte bei diesen Gelegenheiten sehen, wie es umdie Akzeptanz seiner Person undHerrschaft überhaupt stand. Meine Untersuchung der Gratiarum Actio zeigte aber zudem die Mechanismen, mit denen der Redner argumentierte, um auch zu artikulieren, welche Wünsche die Senatoren ihrerseits an dasVerhalten desKaisers hatten. Auch hier besaß derMechanismus des affirmativen Forderns große Relevanz. Im Gegenzug für die Anerkennung des Kaisers als eines Princeps voller Modestia, Humanitas undCivilitas, erwartete der Senat nämlich, dass Traian sich demgemäß auch verhalte; dass er etwa mit seinem Habitus keine soziale Distanz zudenSenatoren demonstriere. AmBeispiel jener Passagen des Panegyricus, welche die militärische Imago desKaisers behandeln, zeigte ich, wiemitHilfe derheroischen Imago die bisherige militärische Erfolglosigkeit Traians erklärt wurde. In ähnlicher Weise war die Imago des Commilito geeignet, die Rolle Traians während der Wirren der Jahre 96/97 rhetorisch umzudeuten und ihn vom drängenden Thronprätendenten zum Retter des Staates zu stilisieren. Das panegyrische Ritual waralso einer jener politischen Räume, in denen die kaiserliche Herrschaftsdarstellung verhandelt wurde. Hierbei ermöglichte die periodische Wiederholung der Inhalte, die Facetten der Imago unddasBild des Verhältnisses vonKaiser undSenatoren immer wieder zu aktualisieren. Da der Consul im Namen des Gesamtsenates zum Kaiser sprach,
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demonstrierten die Mitglieder des Gremiums zunächst ihren Konsens untereinanderundverbanden sich dann in einem gemeinsamen Konsens mit demKaiser. In Ritualen wiediesem fand dasAkzeptanzsystem beredten Ausdruck.
ich anhand dieser Beispiele dargestellt hatte, unter welchen Bedingungen undauf welche Weise die kaiserliche Herrschaftsdarstellung in der Anfangsphase des traianischen Principats konstituiert worden war, behandelten die beiden folgenden Kapitel das Jahr 112. Zu dieser Zeit hatte sich die kaiserliche Herrschaftsdarstellung ganz andere Themen und Modi deren Ausdrucks erschlossen als injenen frühen Jahren. Der Kaiser hatte inzwischen die militärischen Erfolge errungen, nach denen er während der Frühphase seiner Regierung noch so angestrengt gestrebt hatte. Der Princeps hatte –nach weiteren Jahren derAbwesenheit an der Donaufront –mehrere Jahre in Rom verbracht. In der Hauptstadt hatte er seine Herrschaft innenpolitisch konsolidiert und damit begonnen, seine Siege in monumentaler Form darzustellen. Zu dieser Zeit ließ Traian die Restitutionsmünzen emittieren, undim Jahr 112 wurde das Forum Traiani derÖffentlichkeit überNachdem
geben. Zunächst galt mein Interesse demProgramm undden Mechanismen der monumentalen kaiserlichen Herrschaftsdarstellung auf demTraiansforum. Daneben versuchte ich, Antworten auf die Frage zu finden, wie diese visuelle Manifestation vonHerrschaft vomantiken Betrachter verstanden werden konnte. Zudiesem Zweck war es methodisch nötig, das Traiansforum als denSchnittpunkt zweier Achsen zu betrachten: seiner diachronen Herleitung undseiner synchronen Vernetzung. Die diachrone Herleitung des Forums zeigte, in welcher Tradition seine bauliche Gestalt und seine programmatische Aussage standen. Mein besonderes Augenmerk galt der spezifischen Weise, in der das Traiansforum die Gestalt und Funktion seiner Vorbilder modifizierte unddiese miteinander zu einer originären Aussage kombinierte. Die synchrone Vernetzung demonstrierte vorallem, in welcher Weise Aussagen des Forums sich in anderen, gerade auch nichtmonumentalen Zeugnissen der traianischen Zeit widerspiegelten. Diese Methode ermöglichte die Untersuchung des Forums mitjenen Mitteln, die auch demantikenBetrachter zurVerfügung standen. Auf diese Weise näherte ich mich imHauptteil des Kapitels einzelnen visuellen Bestandteilen des Forums. An zahlreichen Stellen wurde deutlich, wie sehr der Princeps bemüht war, sich in Konkurrenz zu Männern und Ereignissen der Vergangenheit zubegeben; nicht ohne dabei immer wieder seine Vorrangstellung zu verdeutlichen. Besonders strengte Traian den baulichen und konzeptuellen Vergleich mit dembenachbarten Augustusforum an, indem er etwa dessen Grundriss unddie Galerie der Summi Viri zitierte, doch eben nicht ohne charakteristische Modifikation. So steigerte er allein schon die Maße des Vorgängerkomplexes und ließ statt großer Männer der republikanischen Vergangenheit Mitglieder seiner eigenen Familie und vor allem sich selbst in zahlreichen Statuen unterschiedlicher Typen darstellen. Vonbesonderer Bedeutung warfürmich dieFrage, warum dieZielgruppe der Monumente, die stadtrömischen Zivilisten, mit der so deutlich militärisch gepräg-
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ten Ikonographie des Traiansforums konfrontiert wurde. Gerade bei der Betrachtung der Traianssäule wurde jedoch deutlich, wie sehr der Princeps darauf hinwies, dass seine Kriegstaten Resultat eben jener Tugenden seien, von denen auch die zivile Bevölkerung profitiere. Mit dieser Aussage korrespondierten die Bilder des römischen Legionärs als eines Bürgersoldaten, der bei zahlreichen Verrichtungen dargestellt wurde, die auch einem Zivilisten aus dessen Alltag bekannt
waren. Die Imago der Legionäre als plündernder Truppe, die von skrupellosen Imperatoren gegen die eigene Bevölkerung geführt werde –eine Darstellung aus derLiteratur traianischer Zeit –fand hier ihrGegenbild. ImFalle derTraianssäule etwa wurde deutlich, wie sehr die Interpretation der Monumente von einer intermedialen Herangehensweise profitieren kann. Die Präsentation des Kaiser als eines Commilito, der durch sein Vorbild die Effizienz undDisziplin seiner Truppengewährleiste, undseine gleichzeitige Stilisierung als Heros mittels seiner Herakles-Vergleiche und der posthumen Sinnentfaltung des Monumentes, war in eben dieser Weise auch schon Argument desPanegyricus gewesen.
ZumAbschluss meiner Arbeit widmete ich mich einer ganz außergewöhnlichen Quelle, denRestitutionsmünzen. Der Princeps hatte eine Reihe alter Münzmotive aus Republik undKaiserzeit mit seiner eigenen Titulatur unddemHinweis Traianus...restituit neu prägen lassen. Dabei veränderte Traian aber die Vorbilder zum Teil; ja, er schuf sogar neue Typen, nicht ohne jedoch zu suggerieren, auchjene besäßen historische Vorbilder. Ich warbemüht, die bislang ungelösten Fragen der Datierung und Aussage der Nummi Restituti miteinander zu verbinden. Als erfolgreich erwies sich wiederum die Methode, die Bilder der Serie mit anderen Medien der traianischen Herrschaftsdarstellung zu korrelieren, besonders mit der Reichsprägung. Doch auch ein Blick aufjene Ideologeme, die auf demTraiansforumdargestellt wurden, erwies sich als lohnend, so dass ich schließlich zu einer Datierung derNummi Restituti in dasJahr 112 kam. Es wurde deutlich, dass einzelne Restitutionsmünzen zum Teil ganz konkrete Regierungsakte Traians und deren Darstellung in der Reichsprägung zitierten, etwa die Hinzugewinnung der Provinz Arabia, Traians Cura umdie stadtrömische Wasserversorgung undseine Ausdehnung des Pomeriums. Daneben betonte derKaiser etwa seine Ähnlichkeit mit Iuppiter, die seiner Frau mit Vesta. Er erhob Anspruch auf eine Divinisierung und ließ darstellen, in welcher Weise das Prosperieren Roms unter seiner Herrschaft ein Ausdruck vonLibertas sei. Aufgrund des systemischen Charakters der Serie und der Vielzahl möglicher Kombinationen in der Zusammenschau von Bildern undAussagen ist davon auszugehen, dass dieRestitutionsmünzen als Suite ausgegeben wurden. Da für das kombinierende Verstehen der Münzserie gewisse Kenntnisse in Historie undMythologie notwenig waren, darf ferner davon ausgegangen werden, dass sich diese Suite wohl an einen senatorischen Adressatenkreis richtete.
Bereits zu einem Zeitpunkt, da seine monumentalen Res Gestae der dakischen Kriege auf demSäulenfries der Columna Traiana noch nicht fertiggestellt waren, plante Traian einen Krieg gegen dennächsten Feind. Das Partherreich schien die
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DIE KONSTRUKTION DER IMAGO
einzige Möglichkeit zu sein, die militärische Imago des Germanicus Dacicus noch einmal erheblich zu steigern. Hier würde nicht gegen Stämme gekämpft,
sondern gegen ein Staatswesen, das in der gemeinsamen Grenzregion ein gleichwertiger Gegner war. Die dakischen Siege undihre monumentale Manifestation mitten in Rom scheinen den Kaiser geradezu in Zugzwang versetzt zu haben, noch Größeres zuvollbringen. Nach demEinzug desDivus Traianus Parthicus als Wachsbild aufeiner Triumphalquadriga hatte dieUrne ihren Platz in derKammer des Säulenmonuments gefunden. Episoden wie diese führten dem zeitgenössischen Betrachter deutlich vor Augen, dass der Principat und seine Tendenz zur Überhöhung des Herrschers eine neue Qualität gewonnen hatte. Traian war der erste Princeps seit Augustus, der sich vom Senat einen zusätzlichen Namensbestandteil verleihen ließ unddiesen in seine offizielle Titulatur aufnahm: den Optimus. Traian warauch der erste Princeps, der mehr als einen Siegerbeinamen trug, von denen er sich zwei durch seine Teilnahme an Kriegen selbst erworben hatte. Zuvor hatten die Kaiser nurden Siegerbeinamen Germanicus getragen, undallein Domitian hatte sich diesen Namen auch tatsächlich durch die eigene Teilnahme an einem Feldzug erworben. Beide Herrscher lebten ihren Nachfolgern eine Erscheinungsform desPrincipats vor, die als gleichwertig neben die kaiserliche Präsenz in der Hauptstadt treten sollte: die kaiserliche Abwesenheit undder Aufenthalt in den Provinzen, an den Grenzen und auf den Kriegsschauplätzen des Reiches. Doch es warTraian gewesen, derzudem in bis dahin ungekanntem Maßdie italische Infrastruktur gefördert undin seiner Politik denBelangen Italiens große Bedeutung beigemessen hatte. Ein Zeugnis hierfür sind die Alimentarinstitutionen. Mit dieser Cura Italiae sollte Traian seinen Nachfolgern ein Vorbild für die Betonung derprovinzialen Belange geben. Wollte man die traianische Herrschaftsdarstellung auf wenige Züge reduzieren, die für seine gesamte Regierungszeit Bedeutung besaßen, so müsste mandas ausgeprägte Bemühen um militärischen Ruhm nennen und den Anspruch, in einem Maße wie kein anderer je zuvor Tugenden zu besitzen unddiese mit göttlicher Unterstützung in Taten umzusetzen. Eine Vorbildfunktion für den Optimus Princeps hatte daher in allen Phasen seiner Herrschaft Hercules erfüllt. Kein Mensch schien demOptimus Princeps noch vergleichbar zusein. Im Panegyricus, auf demForum undin der Serie derNummi Restituti wurde betont, dass derKaiser die Vergangenheit in seiner Imago zusammengeführt habe. Übertroffen seien die früheren Principes, übertroffen auch die Summi Viri der republikanischen Vergangenheit. Manmuss festhalten, dass sich diese Motive bei Traian nicht zum ersten Mal finden. Ansätze dafür lässt auch der Blick auf andere Principes erkennen. So wardeutlich geworden, dass Traians Streben nach einem Nachweis seiner Sieghaftigkeit zumgroßen Teil auf die flavische Dynastie zurückging, besonders auf Domitian. Außerdem hatten wir gesehen, dass schon Augustus sich auf seinem Forum als die Kulmination der republikanischen Erfolgsgeschichte Roms hatte darstellen lassen. Was die Untersuchung des traianischen Principats aber davon abhebt, sind die Quellen, die uns vorliegen. Nicht allein der Panegyricus unddie Nummi Restituti sind in der frühen Zeit des römischen Principats singu-
2. DIE KONSTRUKTION DES OPTIMUS PRINCEPS
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lär. Auch die Briefe des Plinius, welche dieser in denJahren 98 und99 an Traian schrieb, um eine Kommunikation mit dem abwesenden Princeps zu etablieren, besitzen keine Parallele. Nicht nurin denLegenden derRestitutionsmünzen wird deutlich, dass Traian den Anspruch erhob, die Summe von Taten undTugenden der römischen Erfolgsgeschichte in seiner Person wiederbelebt zu haben; auch im Panegyricus und auf demTraiansforum besaß dieser Gedanke große Relevanz. Traian nahm für sich in Anspruch, alle Tugenden zu verkörpern –undjede einzelne davon besser als deren etablierter Exemplumsträger. In eben diesem Sinne hatte der Panegyricus Traian den Optimus genannt. Doch die schier übermenschliche Gesamtheit der Taten undTugenden Traians ließen ihn dem Iuppiter Optimus Maximus ähnlich sein. In diesem Spannungsfeld zwischen den Menschen, denen er ein Civilis Princeps war, und den Göttern, denen er simillimus war, wurde der Optimus Princeps konstruiert.
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Die Gegenwelt der Barbaren und die Überhöhung der häuslichen Lebenswelt. 433. zumSystem derkaiserzeitlichen Bilderwelt; in: HÖLSCHER 2000, 409– DERS. (2000d): Bild-Räume und Betrachter im kaiserzeitlichen Rom; in: BORBEIN/ HÖLSCHER/ 226. ZANKER 2000; 205– DERS. (2000c): Überlegungen
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
SEITE
ABBILDUNG
BILDNACHWEIS
Titel
Columna Traiana; traianischer Aureus
Numismatik Lanz
12
Büste Traians
Glyptothek München
44 58 78 82 87 87 101 102 103 105
Concordia Exercituum; Aureus Nervas
LeuNumismatik
Erste Emission, Pax; traianischer Denar Provid(entia); traianischer Denar Providentia Senatus; traianisches Silber-Multiplum Adlocutio Traians; traianische Bronze
Numismatik Lanz
116 132 132 155 180 188 286 302 310 313 314 342 349 350
351 351 355 356 361 363 373 377
384 385
Classical Numismat.Group STRACK STRACK
1931 1931 1931
Fides exercituum; traianische Bronze
STRACK
Felicitas/ Securitas Temporum; traianischer Denar
Classical Numismat.Group
desDrusus; Bronze desTiberius desAntoninus Pius Securitas Imperii; Denar desCaracalla
Classical Numismat.Group
Söhne
Temporum Felicitas; Aureus
LeuNumismatik Herakles Numismatics
Germania Capta; domitianische Bronze
Sotheby’s London
‚Befriedete Germania‘; traianischer Aureus
Goldberg; Beverly Hills
Niedergeworfene Germania; Denar Domitians
Numismatica
Fortuna Redux; traianischer Aureus
Classical Numismat.Group
ArsClassica
1931
Congiarium Populi Romani; traianische Bronze
STRACK
Rest(itutio) Ital(iae); traianischer Denar
Numismatik Lanz
desHercules Invictus; traianischer Denar imDurchgang desBogens vonBenevent Grundriss derKaiserfora
Numismatik Lanz
Forum Traian(i); traianischer Aureus
Numismatica
Traianssäule; traianischer Denar
Classical Numismat.Group
Equus Traiani; traianischer Denar
Classical Numismat.Group nach ARACHNE; Köln
Statue
Opferrelief
Kopf von Traians Mutter Divi Nerva et Traianus Pater; traianischer Aureus Divus Pater Traianus; traianischer Aureus
Photo Alinari HÖLSCHER
2002 ArsClassica
ArsClassica LeuNumismatik
Numismatica
Sitzbild desDivus Traian.Pat.; traianischer Denar
Classical Numismat.Group
Matidia Augusta; traianischer Aureus
Numismatik Lanz
Basilica Ulpia; traianischer Aureus
Gorny undMosch
Fragment derForma Urbis mit Basilica Ulpia
PACKER 1997b
Dakerstatue
Photo Rene Seindal
‚Eulensäule‘ 1 und2
STRACK
Barbare fällt vomMaultier; Relief derTraianssäule
Photo Seelentag
Arbeitende Legionäre; Relief
derTraianssäule
Dac(ia) Cap(ta); traianischer Denar
1931
Photo Peter Rockwell Numismatik Lanz
517
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
385 391 391 397 400 407 410 423 425 427 428 430 431 433 435 435 436 436 437 439 442 444 446 448 453 454 454 455 456 458 461 462 464 465 468 469 470 471 473 474 476 477 478 479
Dacia Augusti Provincia; traianische Bronze
Classical Numismat.Group
Brücke; traianische Bronze Danuvius würgt die Dacia; traianische Bronze Amoretten undGreifen; Relief vomTraiansforum
Gorny undMosch; Giessen
Graffiti derTraianssäule; Ritzzeichnung ausOstia Säule
in Form einer Keule; traianische Bronze
Münzen
& Medaillen
nach ARACHNE Köln nachLANGNER 2001 STRACK
1931
Divus Iulius/ Nemesis; restituierter Aureus
Classical Numismat.Group
Hercules/Desultor; republikanischer Prototyp
Bilddatenbank Eichstätt
Africa/ Hercules Invictus; republikanischer Prototyp
Classical Numismat.Group
Aqua Marcia; republikanischer Prototyp AquaTraiana; traianische Bronze
Classical Numismat.Group
Classical Numismat.Group
2001
Reiterstatue desAgrippa; restituierter Denar
KOMNICK
Rex Aretas; republikanischer Prototyp
Classical Numismat.Group
Arabia Adquisita; traianische Bronze
Numismatik Lanz
Aemilius Paulus
undPerseus; restituierter Denar Sulla, Jugurtha undBocchus; restituierter Denar;
Classical Numismat.Group
Gefesselte Dacia; traianischer Denar
Numismatik Lanz
Pflügender
mitGespann; restituierter Denar
Classical Numismat.Group Gorny
undMosch; Giessen 1931
Pflügender Traian; traianische Bronze
STRACK
Basilica Aemilia; republikanischer Prototyp Capitolinische Trias; restituierter Denar ‚Conservatori Patris Patriae‘; traianischer Aureus Iuppiter Optimus/ Vesta; restituierter Aureus Pietas; republikanischer Prototyp Sextus Pompeius; restituierter Aureus
Classical Numismat.Group
Nerva
in Elephantenbiga; restituierter Aureus
Marciana
in Elephantenbiga;
traianische Bronze
Gorny undMosch; Giessen
Numismatik Lanz
2001
KOMNICK
Classical Numismat.Group KOMNICK KOMNICK
2001 2001
Numismatik Lanz
2001
Divus Claudius/ Vesta; restituierter Aureus
KOMNICK
Aeneas mitPalladium; republikanischer Prototyp
Photo Seelentag
Plotina/ Vesta Palatina; traianischer Aureus
Numismatik Lanz
2001
Divus Claudius/ Concordia; restituierter Aureus
KOMNICK
Aet(ernitas) Aug.; traianischer Denar
Ancient Auction House
Sol/ Lunula; restituierter Denar
KOMNICK
Vespasian/ Iuppiter, Merkur; restituierter Aureus
KOMNICK
Libertas/ L.Iunius Brutus; restituierter Denar
KOMNICK
2001 2001 2001 2001
Galba/ Libertas, restituierter Aureus
KOMNICK
Libertas; traianischer Aureus Libertas/ Vestatempel; republikanischer Prototyp
Classical Numismat.Group Photo Seelentag
Libertas Restituta; Bronze Hadrians
Classical Numismat.Group
1931
Alim(entatio) Ital(iae); traianische Bronze
STRACK
Detail derPlutei Traiani
Photo Georg Plattner
Plutei Traiani Plutei Traiani
1: Adlocutio 2: Verbrennung derSchuldtafeln
Marsyas; republikanischer Denar
2002, DAIRom 2002, DAIRom Atlantis Numismatics Ltd. HÖLSCHER HÖLSCHER
QUELLENVERZEICHNIS A) LITERARISCHE ZEUGNISSE
AELIAN de natura animalium
3.23
448 A.1
AMMIANUS MARCELLINUS
16.10.14 16.10.15f.
24.3.9 26.7.11 APOLLODOR
1.18
403 A.300 298 A.3, 342 A.49f., 403 A.300 389 A.223
57 A.3
401 A.286
APPIAN Bella civilia
2.102
327 A.33
ARISTOPHANES Vögel
1357 1353–
ARTEMIDOROS
2.24
448 A.1
401 A.284
55.10.3 55.10.5 55.10.7ff 55.12.5 56.19.4 56.34 59.17.9
7 59.24.2–
60.5
60.25.6f. 60.29.7a
6 60.30.3–
63.2 63.5
63.20.5 67.3.5 67.4.3 67.4.4 67.6f. 67.7.4
68.1.1 AUGUSTINUS de civitate dei
3.18
463 A.63
AURELIUS VICTOR de Caesaribus
13.1 13.5 13.9 13.11
351 A.74 186 A.12, 309 A.3 47 A.10 394 A.251
CAESAR Bellum Gallicum
6.17.1 CASSIUS DIO
46.38 54.2 54.27.3 54.32.3 55.6.6 55.10.2ff. 55.10.2 55.10a.2
142 A.83
68.3.4
68.3.4.1 68.5.1 68.5.1 68.5.2 68.5.4 68.7.4f. 68.9.1f. 68.9.7 68.10.1 68.10.2 68.13
401 A.289
68.14.4
186 A.14 457 A.43 136 A.67 136 A.67 327 A.36 332 A.11 136 A.67
68.15.1 68.15.31 68.16.1 68.16.2 68.16.3 68.17.1 68.24.1f.
305 A.7, 337 A.31 332 A.11 332 A.14 457 A.43 136 A.67 394 A.255 390 A.229 50 A.19 186 A.14 48 A.14 48 A.14 393 A.246 199 A.6, 210 A.29 199 A.6, 210 A.29 206 A.22 116 A.10, 118 A.19 116 A.10, 117 A.15, 234 A.62, 362 A.117 117 A.14 261 A8 148 A.107, 152 A.116 340 A.44, 482 A.46 73 A.27 46 A.8 79 A.3 46 A.9 56 A.1 46 A.9, 474 A.23 488 A.5 363 A.120 83 A.10 363 A.120 40 A.9 319 A.9, 389 A.220, 489 A.6 388 A.217 432 A.19 414 A.6 47 A.10 348 A.61, 432 A.18 386 A.210 489 A.7 88 A.4
519
QUELLENVERZEICHNIS
489 A.8 490 A.9 491 A.10 491 A.11 492 A.14 491 A.14 353 A.85 394 A.251, 399 A.276 319 A.9 88 A.1
68.29.1
30.1 68.29.4–
68.31
68.31.4 68.32f.
68.33.1 69.1.1 69.2.3 69.4.1 69.6.3
CATOde agri cultura
401 A.288
141
CICERO ad Atticum
337 A.33
6.1.17 CICERO de leg.
2.23.58
395 A.260
DIONYSIOS V. HALIKARNASSOS
287 A.88
1.42 ENNIUS Varia
(ed. Vahlen)
II, 212 376 A.177 EPITOME DE CAESARIBUS.
12.8 12.9 12.10.f. 13.6
46 A.7 46 A.8 54 A.6
186 A.12
EUTROPIUS
8.2 8.5.2f. 8.5.2 8.5.3
8.8
54 A.6 394 A.251 393 A.247 403 A.300 405 A.4
FLAVIUS IOSEPHUS Antiquitates Iudaicae
CICERO de leg. agr. 7 221 A.15 2.1–
14.80ff. 19.186
431A.15 469 A.7
CICERO Philippica
FLAVIUS IOSEPHUS Bellum Iudaicum
6.13
4.11.5 7.4.1 7.4.2 7.5.7
428 A.4
CICERO de prov.cons.
9
86 A.21
CICERO de republica
1.64
336 A.27
62 A.3 17 A.1, 199 A.5 115 A.4, 260 A.5 322 A.15, 322 A.17, 323 A.18
FLORUS
29 2.30.22–
136 A.65
CICERO pro Sestio
143 CLAUDIANUS
327 324–
406 A.5 de consulatu Honorii sextu
401 A.283
CODEX THEODOSIANUS
14.2.1
318 A.7
FRONTO Epistulae
1.1 FRONTINUS
2.87 2.93
adAntoninum
366, A.134
de aquae ductu urbis Romae 428 A.5 428 A.5
FRONTINUS Strategemata
DECLAMATIONES PS.-QUINTILIANAE
329
402 A.292
277 A.55 88 A.3
DION CHRYSOSTOMOS
1.49 1.60 1.84 40.13ff.
45.7
116 A.6 116 A.8
GELLIUS
DIGESTEN
29.1.1 50.7.9.1
1.1.8
2.11.7
287 A.91 287 A.91 287 A.91 89 A.6 89 A.7
3.25f. 3.25.1 5.21.9 11.17.1 13.14.3 13.25.1 13.25.2 16.8.2
366 A.133 366 A.132 322 A.15 311 A.7 136 A.67 313 A.14 318 A.7 322 A.15
520
QUELLENVERZEICHNIS
HERODIAN
1.6.5 1.14.4
88 A.3 458 A.48
OVIDEpistulae ex Ponto 4.4.39f. 221 A.16 OVID Fasti
HOMER Ilias
22.165 24.16 24.417 HOMER Odyssee
11.26ff.
401 A.289 401 A.289 401 A.289 401 A.283
598 5.545–
6.437ff. 6.445
OVIDMetamorposen 406 A.5 9.256ff. OVID Tristia
HORAZ Epoden
1.7.94
86 A.22
56 4.2.19–
PETRONIUS
ISIDOR Origines
6.5
361 A.112
332 A.12 457 A.42 463 A.63
55.6
57 62
334 A.19
448 A.1 401 A.283, 401 A.284 401 A.283
IULIAN Symposion
389 A.322
327D IUVENAL
81 10.78–
Satiren
25 A.15
PAUSANIAS
5.12.6 10.5.11
314 A.19 314 A.19
D.Ä. Naturalis historia 366 A.135, 431 A.15 361 A.112 322 A.15 12.94 16.4.7f. 13 A.4
PLINIUS
LIVIUS
6.29.8 10.23.12 26.27.14
289 A.98 479 A.36 463 A.63
MACROBIUS Saturnalia
3.5.7
401 A.288
MARTIAL
2.2 7.7.3
9.1 9.5.1 9.20.9f. 9.101.17 10.7 10.72
11.5
117 A.13 133 A.58 117 A15 339 A.39 13 A.6 133 A.58 133 A.56, 434 A.28 255 A.130 469 A.9
NOVELLAE VALENTINIANAE
19.4 21.1.7 21.2.6 23.9 27.8 31.7 M
318 A.7 318 A.7 318 A.7 318 A.7 318 A.7 318 A.7
OVIDArs amatoria
228 1.219–
7.97 7.115
28.23 30.131 34.27 34.84 35.7 35.105f. 35.109 37.8
401 A.283 401 A.283 376 A.177 322 A.15 376 A.136f. 322 A.15
322 A.15 435 A.31
PLINIUS D. J. Episteln
1.8.2 1.8.5 13 1.8.10– 1.8.10 1.8.13 1.13.4 1.15.4
2.1.5 2.1.6 2.7.1ff. 2.7.1f. 2.7.6
2.9.1 2.11 2.11.1
2.11.19
189 A.26 190 A.28 194 A.47 189 A.26 190 A.31 250 A.113 76 A.37
221 A.19, 223 A.27 69 A.20 150 A.109 145 A.99 68 A.18 127 A.38 174 110 A.9 112 A.12
QUELLENVERZEICHNIS
2.13 2.13.2 2.13.4 2.13.8
2.17.5
3.3.1 3.4.3ff. 3.4.4 3.5.4
3.7
3.7.6
3.8.1 3.9.3
3.13 3.13.1 3.13.2 3.13.3
3.15 3.18 3.18.1 3.18.2f. 3.18.4 3.18.6 3.18.7 3.18.8ff. 3.18.8 3.18.10
3.19 3.19.6
4.1
4.1.3 4.1.5 4.1.14 4.1.17 4.5.2 4.13 4.13.5f. 4.15.3 4.15.8 4.15.10 5.3.8ff. 5.6.25 5.11.1 5.12.1
6 5.14.3–
5.14.6 5.14.8 5.17.6 6.8.7 6.12.12
6.15
179 163 A.14, 171– 178 A.50 162 A.11 94 A.5, 95 A.8, 163 A.15, 169 A.37, 174 76 A.37 179 A.55 109 A.3 110 A.7 146 A.103 208 A.24 208 A.25 179 A.54 110 A.10 218 A.6, 172 219 A.8, 223 A.26 219 A.10, 256 A.132 220 A.13 220 A.12 218 A.6, 172 A.41
221 A.20, 221 A.22, 223 A.26, 247 A.105 230 A.52, 231 A.53 217 A.1, 254 A.121 221 A.17 256 A.133 254 A.122 255 A.124 76 A.37, 255 A.123, 255 A.126f. 194 A.45 104 A.37 191 A.35 192 A.36 192 A.38f. 192 A.37 76 A.36 250 A.113 189 A.26 194 A.47 69 A.20 69 A.20 144 A.97 250 A.114 76 A.37 189 A.25 250 A.115
185 A.7 68 A.18 192 A.42, 194 A.46 69 A.20 76 A.36 76 A.36 251 A.116, 176
6.17 6.17.4 6.26.3
6.27 6.27.4f. 6.30.1 6.33 7.16.2 7.18 7.18.1 7.18.2 7.18.5 7.30.2ff. 7.30.2f. 7.33.9
8.2 8.4.1f.
8.4.1 8.4.2
8.8
8.11.2 8.14.3 8.14.7 8.17 8.19.2
9.2 9.13
9.13.4 9.13.5 9.13.10f.
9.13.13
9.15 9.15.1 9.15.3 9.16 9.20.2 9.28 9.28.4 9.36.6
9.37 9.37.5
14 10.1–
10.1 10.1.1 10.1.2 10.2 10.2.2 10.2.2f.
521
249 A.110 250 A.112 97 A.15 228 A.46, 257 A.135 258 A.137 76 A.37 172 127 A.38 188 A.21, 189 A.26, 195 A.48, 474 A.23 194 A.47 190 A.29 190 A.32, 192 A.41, 195 A.48 194 A.46 192 A.42 69 A.20 194 A.45
388 A.216 219 A.11 266 A.21, 319 A.9 172 A.42 76 A.36 469 A.9 286 A.83 428 A.5 76 A.36 276 A.51 45 A.5, 176 469 A.9 45 A.6 237 A.70, 276 A.51, 289 A.99, 201 A.8 45 A.6
192 A.42 194 A.46 193 A.43 194 A.45 194 A.45 172 169 A.38 194 A.46 192 A.42, 193 A.44, 194 A.45 194 A.46 158 A.2 77, 159 A.4, 161A.7, 62– 291 A.107, 202 A.12 74 A.31 100 A.22 107, 159 A.4, 167 93– A.30, 175 93 A.3, 98 A.18 100 A.21, 144 A.97
522 10.2.3 10.3 10.3a
10.3.1 10.3a.1 10.3a.2 10.3a.3 10.3b 10.3b.3 10.4
10.4.1 10.4.2 10.4.4 10.4.4f. 10.4.5 10.4.6 10.5ff.
QUELLENVERZEICHNIS
101 A.24
112 108–
159 A.5, 167 A.30, 184 A.5 68 A.17 98 A.19 69 A.20, 109 A.4, 162 A.10 166 A.26 111 A.11, 162 A.10
109 A.5 73 A.25, 72 A.29, 256 179 A.132, 158– 167 A.32, 196 A.53 63 A.8, 162 A.10 166 A.25
10.95 10.100f.
95 A.10, 162 A.10 70 A.22f., 97 A.16, 278
10.102f.
A.56f. 70 A.22, 97 A.16, 278 A.56, 278 A.58
PLINIUS D. J. Panegyricus
1.1 1.2 1.3 1.5
2.3 1.6– 1.6 2.1ff.
164 A.18 167 A.33, 196 A.53 168 A.35 171 A.40, 173, 198 A.2 159 A.5 183 A.2 197, 198 109 A.6, 183– A.2, 474 A.23
2.1 2.3 2.4
10.8.1
63 A.8
10.8.2 10.8.3 10.8.4 10.8.5
192 A.40 184 A.6 191A.33 191A.34 183 A.4, 195 A.50, 196 A.51 212 171 A.40, 198– 198 A.4 171 A.40 100 A.23, 171 A.40 73 A.25, 73 A.27, 160 A.6 298 A.1 298 A.1 389 A.218 256 A.58 70 A.22f., 97 A.16, 278 A.56 298 A.1 70 A.22, 97 A.16, 278
3.1 2.8– 2.8 3.1 3.2 3.4
10.5 10.5.7
10.8
10.9 10.10 10.10.2 10.12 10.13 10.14
10.17b 10.18 10.18.3 10.19f. 10.35f.
10.40.3 10.52f.
10.58ff. 10 10.58.7– 10.88f. 10.88 10.94f. 10.94.2 10.94.3
A.56f. 173 A.45 163 A.17 70 A.22, 97 A.16, 278 A.56 75 A.35, 388 A.218
95 A.5
104 A.37
95 A.9
2.6 2.7
223 A.29, 224 A.30 242 A.84, 253 A.119 229 A.50, 242 A.82 242 A.83, 286 A.84, 406 A.8
255 A.129 224 A.31, 225 A.36, 226 A.38, 242 A.84 294 A.3 253 A.119 221 A.18, 229 A.49 229 A.51, 232 A.57, 243 A.87, 248 A.108 75 A.35, 225 A.37, 246 A.99 229 A.48, 241 A.79, 242 A.86, 245 A.96, 259 A.2, 359 A.107 253 A.119 232 A.58 232 A.58
4.1
232 A56 75 A.35, 255 A.129, 259 A.3 222 A.23 222 A.24, 231A.55, 246
4.3
A.102 224 A.32, 253 A.119,
4.1f.
4.4 4.6 11 5– 5.1 6 5.2– 5.5 5.7 6.1 6.2 7.6 7.7 5 8.1– 8.1ff.
8.1
8.2f.
8.2 8.3
295 A.4 260 A.4 76 A.37 64 A.9 288 A.95 289 A.97 287 A.93, 290 A.101f. 291 A.106 69 A.20, 290 A.103 290 A.104f. 446 A.16 104 A.37 291 A.109 46 A.8 106 A.44 73 A.27, 124 A.31 138 A.75 286 A.84, 406 A.8
QUELLENVERZEICHNIS
8.5 9.1ff.
9.1 9.2
9.3ff. 9.4f. 10.1
5 10.1– 10.2
11.1 11.4
12.2 11.5–
12
12.1f. 12.2
13.1 12.3– 12.3 12.3f. 12.4 13.1 13.1ff. 13.4f.
14.1 14.1ff. 14.2 14.5
3 15.1– 15.3 15.5
16f. 16.1f. 16.2
17 16.3– 16.3ff. 16.3
17 17.1 17.3 17.4
18.1 19.3
20 20.1 21.3f.
45 A.7, 246 A.100, 446 A.16 276 A.49f. 121A.24 75 A.35, 165 A.22 276 A.50 288 A.94 290 A.103 66 A.15 67 A.16, 69 A.20 245 A.98 118 A.20, 368 A.142, 379 A.188 261 A.7 151 A.114 263 A.14 148 A.107, 152 A.116, 368 A.142, 379 A.188 262 A.10
262 A.11 156 A.5 272 A.34 270 A.29f. 272 A.36 268 A.26 165 A.22, 262 A.12, 279 A.60f., 352 A.82 283 A.78 128 A.39, 284 A.80 124 A.30, 285 A.82, 406 A.6 279 A.62 282 A.75 75 A.35, 270 A.31, 272 A.35 344 A.57 264 A.15 75 A.35, 264 A.16, 156
A.6 264 A.17 265 A.19 75 A.35, 118 A.20, 266 A.20, 138 A.74, 345 A.58, 494 A.4 266 A.22 368 A.142, 379 A.188, 494 A.4 441 A.52 268 A.24 69 A.20, 272 A.37 270 A.28 200 A.7 273 A.39 60 A.10
63 22– 22.1f. 22.3
23.1 23.3 23.4 24.5 25f.
25
25.2 25.3ff. 25.3 25.4f. 26f. 26.1 26.3 27.1 27.2 28.4ff. 28.4 30f. 43 34–
41 36– 36.4
41.1
41.4 45.1 45.4ff. 45.4 45.5 45.6
46
46.4 46.6 47.1f.
47.1 48f.
48.1f.
48.1 7 52.3– 52.7
53.1 53.6 54.4 80 56–
56.1 56.7 57.1 58.1 59.1 60
60.5ff. 60.5
523
198 A.2 274 A.40 274 A.42 19 A.6, 271 A.32, 201 A.9, 204 A.17f. 273 A.38, 275 A,47 286 A.84, 406 A.8 66 A.14 368 A.140 180 A.1 275 A.46, 180 A.3 263 A.13 227 A.45 227 A.45 190 A.30 275 A.43 275 A.44 106 A.43, 475 A.24 475 A.25 275 A.45 227 A.45 198 A.2 226 A.44 345 A.59 76 A.35 198 A.2 166 A.27 245 A.97 362 A.118 166 A.27, 233 A.61 166 A.27 234 A.63 40 A.5 69 A.20 255 A.131 190 A.30 166 A.27 226 A.43 208 A.26 76 A.37 339 A.42, 481 A.45 339 A.43 166 A.27 493 A.1 118 A.20 345 A.59 40 A.7 262 A.9 234 A.65 235 A.66 234 A.65 226 A.41 289 A.96 52 A.22, 75 A.35
524
61
61.6ff. 63f. 63.2 63.5
65 64.2– 65.1
66.2f. 67.3 66.4–
67.5 67.8ff. 67.8 68.4ff. 68.7 69f. 72.4
76f. 78f. 80.2 82.6f. 83f.
83.1 84.6 85.5 86
89.1 88.4– 88.4 88.5f. 88.6 88.7
88.8 88.9f. 88.10 89.1ff. 89.1f.
89.1 89.2 89.3 95 90– 95 90.3– 90.3.f.
91.1 92.4 93.3 94.1 94.3 95.1
QUELLENVERZEICHNIS
198 A.2 288 A.96 198 A.2, 226 A.41 234 A.64 234 A.64 226 A.41, 237 A.68 236 A.67 239 A.75 240 A.76 238 A.71 289 A.96 47 A.10 237 A.69 238 A.73 226 A.42 238 A.72 226 A.41 218 A.4 166 A.27 286 A.85, 406 A.7 226 A.43 238 A.74 60 A.10 76 A.35 47 A.10, 289 A.96 259 A.2 241 A.79 243 A.87 360 A.109 14 A.7, 241 A.81, 245 A.95, 359 A.107 242 A.85 246 A.103 257 A.134 165 A.22 351 A.73 244 A.91 350 A.68 284 A.79, 360 A.109 296 A.5 223 A.26 221 A.21 75 A.35 246 A.103 224 A.35 224 A.34 224 A.103 224 A.33
PLUTARCH Quaestiones Romanae
14 37 79
402 A.290 367 A.136 395 A.260
PLUTARCH Vitae
Cam.5 Mar.10 Mar.32
Numa 14 Pomp.22 Pomp.45.2 Pomp.45.3 3 Publ.23.1– Rom.10 Sulla 3 Sulla 6 POLYBIOS
4.21.8 PORPHYRIOS
2.54
402 A.290 435 A.31 435 A.31 402 A.290 283 A.76 431 A.15 181 A.5 395 A.260 401 A.286 435 A.31 435 A.31 401 A.288
401 A.289
POSEIDONIOS FGH 87
F 22
136 A.64
de aedificiis 319 A.9 16 389 A.221 6.6.11–
PROKOP
4.6.13
PROPERZ
22 3.4.11–
334 A.19
PUBLILIUS SYRUS Fabulae
8 (Ribbeck)
448 A.1
RES GESTAE DIVI AUGUSTI
6.1 8 21 26 35
234 A.62 341 A.48 325 A.28, 336 A.24, 364 A.123, 368 A.139 131 A.49 336 A.21, 336 A.23, 336 A.26
SALLUST Iugurtha
10.3
86.22
PLUTARCH Praecepta r.p. gerendae
SCHOLIA ARISTOPHANES Pax
806d.
957
435 A.31
PLUTARCH Quaestiones Graecae
37
401 A.286
401 A.289
SCHOLIA IUVENAL
163f.
318 A.7
525
QUELLENVERZEICHNIS
SCRIPTORES HISTORIAE AUGUSTAE
Marcus Antonius
318 A.4 136 A.67
17.4f. 21.9ff. Hadrian
54 A.4 54 A.1, 54 A.5 54 A.7
2.5 2.6 2.7 5.1 6 7 7.6
492.15 393 A.249 474 A.23, 476 A.26 318 A.2 311 A.7
19.9
STATIUS Thebais
216 6.213– 6.215f. STRABO
7.1.4
Divus Iulius.
403 A.300
24.7 Aurelian
401 A.287
20.3 21.10f. 39.3
437 A.36 318 A.3
SENECA de clementia
13 A.4
1.26.5
SENECA Hercules furens
406 A.5
1942f.
SENECA ad Marciam
26
SENECA
402 A.290 402 A.295 137 A.68
318 A.5, 318 A.7
Elagabal
9.7
86 A.20, 339 A.39 336 A.20 339 A.39 389 A.226 389 A.228 390 A.227 390 A.227 339 A.39
SUETON Vitae Caesarum
Commodus
2.1
1.1.37 1.1.84f. 43 4.1.17– 84 4.3.81– 4.3.97ff. 4.3.128f. 4.3.134f. 562 5.1.258–
466 A.78
ad Polybium 466 A.78 inAeneida 480 A.40 480 A.40 401 A.289 407 A.15 397 A.268
SERVIUS Commentarius
3.20 4.58 4.62 8.278 8.664
7.1
26.2
46.1 61 68.1 67.2– 76.1 85 Augustus
21.2
25.1 29.1 29.2 29.4f.
30.1 31.5 56.2 100
Tiberius
24.1
24.1f. 26.2
486 A.1 366 A.135 457 A.43 336 A.20 277 A.52 234 A.62 396 A:262
327 A.36 277 A.53 322 A.16 325 A.27, 327 A.36 185 A.8, 361 A.113 186 A.11, 366 A.135 332 A.11, 337 A.30 325 A.28, 336 A.25 394 A.255 32 A.6 33 A.9 117 A.15
Caligula
8.1
15.2
146 A.104 117 A.15
SIDONIUS Carmina
2.544f. STATIUS Silvae
1.1
1.1.1f. 1.1.15f.
318 A.7, 361 A.115
336 A.22, 338 A.37, 339 A.41 338 A.34, 339 A.40 339 A.39
Claudius
1.3 10.3 Nero
8.1
402 A.293 469 A.7
86 A.24
526
QUELLENVERZEICHNIS
Otho
8.1
10.2
162 A.10 91 A.13
Vespasian
2 2– 1.2– 2.3 7.2f. 9.1 23
114 A.2 162 A.10 274 A.41 322 A.15 402 A.296
Domitian
4.4 6.1 7.2 8.2.3 14.2
407 A.14 116 A.6 187 A.16 110 A.8 187 A.16
TACITUS Agricola
1.4
3.1 12.5f.
39.1
41.1 41.2
286 A.83 69 A.20, 99 A.20, 105 A.40, 469 A.9
144 A.91 118 A.20, 138 A.74, 156 A.4 286 A.83 143 A.87, 261 A.8
TACITUS Annalen
1.7.1 1.7.6f. 1.7.7
1.8 1.8.4 1.9.4 1.10.4
1.12.1 1.55.1 1.60.2 1.69 2.10.3 2.17.5 2.41.2
2.53 3.72.1 4.74.1 6.28 6.50.4f. 11.20.2 11.20.3 12.23.1 12.23.2 13.6ff. 13.49.3
31 A.4 32 A.5 31 A.4 58 A.5, 394 A.255 32 A.7
129 A.41 129 A.41 32 A.8, 33 A.10 137 A.68 136 A.67 146 A.104 136 A.67 136 A.67 137 A.68 366 A.135 366 A.135 137 A.70 466 A.78 54 A.3, 86 A.24 393 A.246 393 A.246 48 A.14 136 A.67, 437 A.39 131 A.48 207 A.23
14.13.2 15.20ff. 15.23.4 15.52 16.21f.
16.24.1
206 A.22 207 A.23
207 A.23 482 A.48 207 A.23 207 A.23
TACITUS Germania
1 2 3 5f. 6 7f.
7 8 9.1 13 11– 11 12 14 18f.
19 22 23 24.1 26 27 28.1 29
30 32 33 35 37.2 37.5
41 42
43 45f. 46
140 A.77, 142 A.83 144 A.92 145 A.102 144 A.91 144 A.94 144 A.94 144 A.95 144 A.97 142 A.83 144 A.97 144 A.95 144 A.95 144 A.94 144 A.95 144 A.97 144 A.95 144 A.98 144 A.94 144 A.97 144 A.97 142 A.83 143 A.88, 143 A.90, 150 A.108 140 A.79 142 A.85 145 A.99, 145 A.100, 150 A.111 145 A.101 134 A.60, 138 A72f. 143 A.88 141 A.80, 143 A.90 143 A.89, 143 A.90, 145 A.101, 152 A.115 141 A.81
141 A.81 145 A.102
TACITUS Historien
1.1.4
1.2.1 1.16 1.37.4
2.48.1 2.56.1 3.46.1 4.4.1
105 A.41, 106 A.44 143 A.90 67 A.16 255 A.13 91 A.13 205 A.20 143 A.86 68 A.18
527
QUELLENVERZEICHNIS
8.5 4.6.3– 4.7.3 4.8.2 4.12.1 4.51. 4.51.1
203 A.15 202 A.13 202 A.13
143 A.86 62 A4 62 A.2 62 A.5 274 A.41 261 A.6
52 4.51–
4.81 4.85
186 A.11
VALERIUS FLACCHUS
350 3.347– 8.245f.
402 A.290 401 A.289
VALERIUS MAXIMUS
435 A.31
8.14.4 VARRO
5.143
33 56 57 57* 67f.
de lingua Latina 401 A.285
86 A.23 470 A.13 470 A.13 86 A.23 86 A.23
Claudius
145 Nero
TIBULLUS
62 1.7.57–
Caligula
86 81– 126 122–
304
469 A.7 157 A.7 86 A.23 86 A.23
Galba
243
251* 249–
157 A.7
86 A.25
Bürgerkriege 68/9 73 455 A.34 70–
90
123 120–
455 A.34 455 A.34
VELLEIUS PATERCULUS
2.97.4 2.100.1 2.104.2 2.118.2 VERGIL Aeneis 89 5.84–
5.94
588 5.545–
136 A.65f. 136 A.65 305 A.9 136 A.67
401 A.289 402 A.293 402 A.293
VITRUV
1.1.4 1.3ff. ZONARAS
10.5
364 A.125 334 A.18
431 A.15
Titus
98f. 181 178– 423f. Domitian
406
9 4– 7
30 25– 53ff. 85*
86 117 491 484– 989 986–
125 A.34 44 A.2 125 A.34 125 A.34 86 A.23 125 A.34
79 A.3
187 A.19 187 A.19 187 A.19 187 A.19
Traian
B) MÜNZEN
9 55 55* 56 134 131–
BMC Augustus
338 A.36
Nerva
998f. 1012f.
432 433f. 435f.
82 A.8, 84 A.13 79 A.4 157 A.7
390 A.232 390 A.233 390 A.231
154 186* 194*
101 A.25 78 A.1, 79 A.3 80 A.6, 81 A.7 286 A.86, 406 A.10 83 A.12 83 A.12 188 A.22 188 A.22
528
202+
220 244
245f.
378 404 468 497 493– 498 513ff.
529* 533ff. 566 587 592f. 612 625 621– 683 698 742b 742b+
747* 772 796a 793– 829f. 841 833– 870ff.
876 873– 903 900–
918+ 942f. 944ff. 959+ 963 960– 975f.
990 994f. 996A 1003f. 1008 1016 1017 1024 1057 1086 Hadrian
8 1–
483* 603 1101 1106
QUELLENVERZEICHNIS
188 A.22
83 A.10 83 A.10 342 A.52 83 A.10 83 A.10, 188 A.22 83 A.10 83 A.11
350 A.72 83 A.11 374 A.169 83 A.11 375 A.171 83 A.11 464f. A.71 83 A.11 464f. A.71 356 A.100 411 A.2 82 A.9, 87 A.27 86 A.26 81 A.7, 84 A.17 83 A.10 83 A.10 436 A.35 342 A.52 188 A.22, 340 A.46 428 A.7 342 A.52 428 A.7 342 A.52 407 A.15 428 A.7 133 A.54, 385 A.207, 435 A.29 428 A.7 133 A.54, 385 A.207, 435 A.29 375 A.171 428 A.7 375 A.171 428 A.7 375 A.171 374 A.171 375 A.171 374 A.169 454 A.28
84 A.14 463 A.68 463 A.68 84 A.14 84 A.14
473 A.21 463 A.64 463 A.64
1160ff. 1219ff. 1835 Antoninus Pius
103 A.33 465 73
678f. 1422f. Marcus Aurelius
378 A.185 378 A.185
624 1427 Caracalla
516a f.
105 A.42
BMCRR
453 A.25
Sizilien 13
CRAWFORD RRC
28/3 29/3
34/1 30/1–
234/1 241/1 280/1 287/1 296 297/1a 311/1b 341/1 343/1a,b 343/2a,b
3 348/1– 363
365/1a
374/1 378/1c
390/1 401/6
406/1 415/1 419/3b
422 422/1b
423/1 425/1 426/1 426/2
438 A.41, 439 A.42 438 A.41, 439 A.42 438 A.41, 439 A.42 424 A.7 424 A.7 439 A.42 438 A.41 443 A.7 422 A.3, 438 A.41 439 A.42 465 A.74 468 A.1 468 A.1 439 A.42, 442 A.f. 479 A.35, 481 A.42 439 A.44 448 A.1 425 A.9, 436 A.34, 448 A.6 464 A.70 454 A:29 448 A.5 435 A.30 356 A.100, 439 A.46, 448 A.5, 455 A.30 431 A.14 439 A.42 448 A.5, 448 A.6 427 A.1, 448 A.5 435 A.31, 448 A.5 438 A.41
529
QUELLENVERZEICHNIS
427/2
428/1 428/2
433/1 439/1 443/1 458/1 461/1 466/1 474/5 494/23 494/29 501f. 505f.
508
509/5 511/1 511/3a 514/2 520f.
KOMNICK
2 4 5 6 7 8 10 11 14 12– 17 19 20
21 23 24 26 27 28
29 30 31 32 33 34
35 36
425 A.9 455 A.31 455 A.31, 468 A.2 468 A.3 441 A.52 448 A.5 438 A.41, 457 A.41 425 A.8, 438 A.41 448 A.5 464 A.71 465 A.72 425 A.9 471 A.18 471 A.18 471 A.18 448 A.5 448 A.5, 453 A.25 448 A.5 441 A.53 102 A.28 2001 Nummi Restituti
438 A.41, 439 A.42 439 A.42 438 A.41 424 A.7 422 A.3, 438 A.41 439 A.42 465 A74 468 A.1 439 A.42, 442 A.2f. 439 A.44 448 A.1 425 A.9, 436 A.34, 448 A.6 464 A.70 448 A.5, 454 A.29 435 A.30 439 A.46, 448 A.5, 455 A.30 431 A.14, 439 A.42 424 A.7, 448 A.5, 448 A.6 427 A.1, 448 A.5 435 A.31, 448 A.5
438 A.41 425 A.9 449 A.7, 455 A.31 449 A.7, 455 A.31, 468 A.2 468 A.3 441 A.52, 449 A.7
37 38
448 A.5 438 A.41, 449 A.9, 457 A.41 425 A.8, 438 A.41 464 A.71 425 A.9 465 A.72 448 A.5 448 A.5, 449 A.10 441 A.53 411 A.3, 430 A.11, 438 A.41 438 A.41, 411 A.3 448 A.5 411 A.2, 441 A.49 411 A.3, 448 A.5, 453
39 42 43 44 46 47 48 50
51 52 54 55
A.25 438 A.41 438 A.41, 439 A.44
56 57 58 59 60 61 62
438 A.41 449 A.8, 461 A.53 104 A.38, 461 A.54 455 A.35, 461 A.56 446 A.15, 449 A.7, 455 A.33
63 63.1 66 67 68 70 71 72 73 74
469 A.4 469 A.4 465 A.76 449 A.7 449 A.8 449 A.7 374 A.169, 445 A.12 449 A.8, 451 A.21 449 A.8, 451 A.21 449 A.11, 451 A.21, 454
75
A.27 449 A.11 439 A.44
Hybrid
d
ROMAN IMPERIAL COINAGE
Augustus
140 142 144 412 414
390 A.232 390 A.231 390 A.233 430 A.11, 438 A.41 438 A.41
Tiberius
42
102 A.28
Claudius
97
469 A.7
530
99 115
QUELLENVERZEICHNIS
461 A.53 461 A.53
Nero
50f.
Galba
11 32f.
38
143
157 A.7
471 A.16 470 A.14 469 A.4 157 A.7
251f. 380f.
439 461f. 463f.
470 579 581
607ff.
620 621ff.
Bürgerkriege 68/9
696
124
726ff. 730ff.
446 A.15, 455 A.34
Vespasian
309 384 408
157 A.7 462 A.62 462 A.62
Domitian
66a 69 202 252 254f. 257ff. 266f.
289 297 297a 341
c 798a– d 813a– 814 816
116 A.12 132 A.52 132 A.52, 434 A.26 116 A.12, 132 A.52 116 A.12 116 A.12 116 A.12, 132 A.52, 132 A.52 462 A.62 462 A.62 462 A.62 132 A.52 103 A.31 103 A.31 103 A.31 103 A.31
Nerva
3 7 19 31
266f. 641 636–
286 A.2 469 A.9 469 A.9 469 A.9 187 A.1 187 A.19
Traian
11 14 28 29 96
105f. 107f.
101 A.25 451 A.21 78 A.1 58 A.6 385 A.206 188 A.22 456 A.39
733 742 759 761 815 820 834
352 A.76 180 A.4 87 A.27 188 A.22 428 A.7 188 A.22 374 A.171 407 A.15 428 A.7 385 A.206 133 A.54, 385 A.207, 435 A.29 374 A.169 350 A.72, 352 A.76 355 A.96 355 A.96 354 A. 92, 450 A.18 355 A.93, 451 A.19 355 A.93. 451 A.19 411 A.2 439 A.44 374 A.169
Hadrian
263 263a 568
464 A.69 464 A.69 473 A.21
Antoninus Pius
107b
185a, b
667 675ff. 682 679– 705 768 764– 857 859
961
1132 1641 1634– 1739 1736–
103 A.32 103 A.33 104 A.37 104 A.37 104 A.37 103 A.32 104 A.37 103 A.33 103 A.33 103 A.35 465 A.73 104 A.37 104 A.37
Commodus
209 568 565– 573ff.
103 A.35 103 A.35 103 A.35
Caracalla
168
105 A.42
531
QUELLENVERZEICHNIS
ROMAN PROVINCIAL COINAGE
3536 3860 3867 5135
102 A.30 102 A.30 102 A.30 102 A.29
RSC 95 STRACK
1 3 4 6 7 12 13 15 16 20 22 23 25 26 27 32 33 34 35 44 45 59 80 81 95
119 135 150 153 154 155 159 161 162 163 166 169 170
104 A.37 1931
171 174 177 178 180 181 183 194 195 196 197 201 202 203
78 A.1 211 A.31 101 A.25 101 A.25, 131 A.50 80 A.6 132 A.51, 380 A.190, 386 A.208 211 A.31 101A.25 456 A.36 156 A.6, 282 A.74 155 A.1 132 A.51 157 A.7, 282 A.74 101 A.25 456 A.36 286 A.86, 406 A.10 211 A.31 101A.25 456 A.36 101 A.25 456 A.36 286 A.86, 406 A.10 342 A.52 342 A.52 407 A.14 374 A.169, 445 A.13 407 A.14 470 A.10
226 234 244 253 262 303 304 308 309 310
432f. A.20 462 A.61 474 A.23 266 A.21, 391 A.238 450 A.16 481 A.44 456 A.39 462 A.61 450 A.16 456 A.39
323 343 347 360 361 379 383 384 385
204 205 206 207 209f. 217a 210– 210
211 212 213 214 215 216
224
462 A.61 432 A.20 450 A.16 456 A.39 458 A.49 458 A.49 354 A.92 439 A.45 439 A.45 430 A.13 303 A.4, 314 A.20 454 A.28 312 A.9, 356 A.98, 440 A.48 114 A.7, 442 A.1, 444 A.8 352 A.77 352 A.76 350 A.72 439 A.43, 440 A.48 439 A.43 418 A.19 312 A.9, 356 A.98, 440 A.48 114 A.7, 442 A.1, 444 A.8 352 A.77, 451 A.20 352 A.76, 451 A.20 352 A.76, 451 A.20 350 A.72, 451 A.20 313 A.9, 439 A.43, 440 A.48 114 A.7, 442 A.1, 444
A.8 303 A.4, 314 A.20 303 A.4, 314 A.20+ 464f. A.71 464f. A.71 374 A.169 101 A.25 211 A.31 85 A.19 82 A9, 86 A.26 82 A9, 87 A.27, 313 65 A.11, 449 A.12 180 A.4 80 A.6, 84.17 101 A.25 342 A.52 342 A.52 439 A.45 266 A.21, 391 A.240 436 A.35
391 A.236
532
386 387 388
389 390 400 404
405 407 408ff.
411 412 413 416 417 421
422f. 424f. 424
428 432 433 434
435
448 452 457 458 462
463 476 490ff.
QUELLENVERZEICHNIS
373 A.165 442 A.1 303 A.4, 314 A.20, 373 A.165, 374 A.171 407 A.15 465 A.75 211 A.31 340 A.46, 474 A.22, 476 A.28 474 A.23 428 A.7 432 A.20 312 A.9, 356 A.98, 439 A.43, 440 A.48 481 A.44 481 A.44 474 A.23 428 A.7 428 A.7 432 A.20 439 A.43 312 A.9, 356 A.98, 440 A.48 286 A.86, 406 A.10, 424 A.5 430 A.13 303 A.4, 314 A.20 114 A.7, 442 A.1, 444 A.8 133 A.54, 266 A.21, 385 A.207, 435 A.29 114 A.7, 442 A.1, 444 A.8 303 A.4, 314 A.20 303 A.4, 314 A.20 373 A.168 114 A.7, 442 A.1, 444 A.8
82 A9 83 A.10 374 A.169
V 5262 VI 472 VI 530 VI 563 VI 930 VI 952 VI 959 VI 960 VI 962 VI 964 VI 966 VI 967 VI 1231 VI 1260 VI 1386 VI 1492 VI 2078 VI 2943 VI 40690
VIII 1641 VIII 4219 VIII 8316 VIII 16417 VIII 27771 IX 1455 IX 5825 IX 5864 X 6328
X 6441 XI 1147 XVI 42
127 A.38, 188 A.21, 190 A.27, 474 A.23
469 A.9 287 A.92 164 A.20, 449 A.13 20 A.7 244 A.93 344 A.54, 392 A.243 187 A.15, 316 A.1, 386 A.209, 401 A.281 450 A.16 428 A.5 311 A.7 318 A.2, 476 A.26 437 A.36 428 A.6 348 A.61 195 A.49 480 A.41 313 A.13 186 A.12 188 A.21 480 A.38 351 A.74 480 A.38 480 A.38 188 A.21, 474 A.23 474 A.23 189 A.23 188 A.21 457 A.45 188 A.21 60 A.9
DEGRASSI INSCR. ITAL.
XIII 1.201 XIII 1.203
310 A.4, 430 A.12 310 A.4, 430 A.12
D) PAPYRI
C) INSCHRIFTEN FOUILLES DE DELPHES
3.4, Nr.287
90 A.10
CIL
I2, I Cumae
III 14149
461 A.57 434 A.25
PAP. OXY.
3022
90 A.9
• desCalpurnius Piso i.J. 69 n.Chr. 246, 288
REGISTER
auchDynastisches Prinzip auch Prosperität, durch Adoption
(Personen, Orte, Sachen undBegriffe)
auch Schlagworte, Temporum Felicitas/ Securitas
Im Folgenden verweisen Pfeile innerhalb auf die dahinter steeines Eintrags henden, kursiv gesetzten Lemmata. Auf diese Weise soll das Geflecht einander verbundener Begriffe undKonzepte transparent gemacht werden und zum Nach-
()
schlagen dieser Verbindungen anregen.
211, 266f., ADVENTUS 198–
271, 274, 405 auch Akzeptanzsystem, Rituale des Konsenses, desSenats mitdemPrinceps
AEGIS 12f. ÄGYPTEN
50 A.20, 62, 89f., 114, 128, 198
A.2, 365, 492 L. AELIUS SEIANUS, Praetorianerpräfekt,
cos. 31 24 A.14 AEMILII 411 ABWESENKEIT des Kaisers aus Rom
• ist eine normale
Erscheinungsform des
und determiniert die Herr51ff., 56f., 60 A.9, 63 A.7, 70ff., 93, 135, 139, 146, 161, 227, 262 • Motive 73f., 76, 85ff., 113, 126f. • Schwierigkeiten für das Akzeptanzsys85, 61, 78– tem 13, 22 A.8, 27, 48ff., 56– 92, 96f., 108, 110f., 113, 125, 130f., 88– Principats
schaftsdarstellung
135, 148f., 152, 161, 164, 170, 180ff.,
205, 229, 264, 268, 271f., 346, 449, 202–
486, 495 auch Gesandtschaften ACHILLES
395 A.259, 401 A.286, 403
ACONTISMA 353
ACTIUM
• M. Aemilius
• M. Aemilius
Lepidus, Münzmeister
v.Chr., späterer Triumvir
439 • L. Aemilius Paullus, cos. 182, cos.II 168 435 • M. Aemilius Scaurus, qu. 63 v. Chr. 431ff. AENEAS 339, 350, 401 A.286, 402 A.293 • auf Restitutionsmünzen 411, 421, 438, 449, 456 • undVesta 456 63, 68,
112 109–
385, 477f.
des Heeres
61
356 A.100,
AERARIUM/ AERARPRÄFEKTUR
auch Akzeptanzsystem, Rituale des Konsenses,
derBasilica Aemilia 439 Lepidus, Vater des Folgenden 356, 439 Erbauer
auch Palladium
A.85
391
ADLOCUTIO
• Aemilia, Vestalin 455 • M. Aemilius Lepidus, cens. 179 v.Chr.,
mit dem
Princeps ADOPTION
• Traians 46, 65, 73, 78ff., 104f., 124, 126f., 130, 138, 156, 159 A.3, 264, 287f., 290f., 439
AETERNITAS
467 195, 462–
• aufRestitutionsmünzen 464f. • inderReichsprägung 462 • undVesta 462f. • undPietas 466 A.78 auchDivinisierung 35, 131–154, AFFIRMATIVES FORDERN 30–
158
534
REGISTER
• im Panegyricus 224, 231– 240, 267ff., 295 • in Plinius-Briefen 74, 98f., 161, 163, 166ff., 210f., 256 auchPlinius derJüngere
425
• Prinzip der Reziprozität;
AGRIPPINA MINOR
Vipsania
29, AKZEPTANZSYSTEM 17–
• maßgebliche
Zuweisung/
16, 20, 23, 27, 32, 44, 47 A.10, 49f., 77, 93, 98, 179, 112, 115, 127, 129, 131, 135, 158– 180ff., 196f., 203f., 206, 207 A.23, 208f., 235ff., 237, 267, 271, 393 A.249, 495 • Prinzip der Hierarchie, Unterordnung Verweigerung von Ehrenstatus
Vipsanius
AGRIPPA
auch Adlocutio tung vonRitualen
Julius
AGRICOLA
159, 180ff., 199ff., 324, 378f., 385, 402 auch Herrschaftsdarstellung, Bedeu-
AFRICA 110, 123, 178
Personifikation
• Heer und Princeps 19ff., 26ff., 44, 85ff., 115f., 119 A. 22, 127, 129, 154,
Gruppen
40f.
29, 44– 17– 47,
74 A.30, 115, 124f., 187ff., 199, 201, 204f., 226, 300 auch Herrschaftsdarstellung •Verhältnis der Gruppen zueinander
22f., 33f., 56f., 83f.,
und Jovialität
20f., 67f., 125, 180ff., 201 A.9, 225,
167f., 184, 189, 191, 196f., 200, 210,
271f., 294
235, 237, 243, 270f. 230–
• Rituale desKonsenses/ derAkzeptanz • Senatoren untereinander 56, 148f., 211, 217, 232, 251, 294 203– auch Senat, Konkurrenz/ Standeskontrolle
• Senat und Princeps 13, 19ff., 21ff., 27, 32, 44, 48ff., 55f., 59f., 62f., 71f., 76f., 120, 130, 131 A.48, 148f., 154, 211, 217, 223f., 225, 168, 170, 198– 227f. A.46, 232f., 236, 248, 253, 257f., 260, 267f., 288, 324, 327f., 366ff., 393 A.249, 402, 405
auchRecusatio ALEXANDER DER GROSSE ALEXANDRIA
198, 203 ALIMENTARSTIFTUNGEN
476ff., 482 • undLibertas 474f., 479, 481, 483 auch Plutei Traiani auch Marsysas
• undmilitärische Belange 263, 274f. Cura, kaiserliche
auch Affirmatives Fordern
Kinder
auchRecusatio
18 A.4, 99
• Umfang 187– 190, 194f., 474 A.23 • bildliche Darstellung 82, 340, 474f.,
auch Adventus
auch Panegyricus
486f., 489f.
17, 50 A.20, 62, 89f., 114,
AMICI, kaiserliche/ COMITES/ CONSILIUM/ SACHWALTER
36, 47 A.10, 49f., 51ff.,
auchRezitation • Plebs Urbana undPrinceps 13, 19ff.,
60, 62f., 79, 89, 91f., 96f., 121f., 57–
27, 48, 50, 59f., 66f., 130, 180ff., 24–
290, 378
186, 201, 225, 227 A.45, 274f., 289, 318, 323f., 326, 339, 346, 366 A.135, 385, 402
AMOR 397
auch Congiarium
auchAlimentation
125f., 156, 202ff., 207 A.23, 251 A.116,
ANAGLYPHA TRAIANI
ANCHISES
Aeneas
ANCONA
• Bogen 189 A.23
Plutei Traiani
535
REGISTER
• Hafen 298 ANGRIVARIER
ASIA 123
C. ASINIUS
137
ANTINOOPOLIS, Phylenliste von
461
88, 444
ANTIOCHIA
ATTALOS
• III. der Große, auf Restitutionsmünzen 411 • IV. vonKommagene 102 ANTIPATROS, aus Hasmonäerhaus 432
ANTIUM 198 A.2 ANTONIA, Schwester
PIUS
ANTONINUS
ANTONII
Antonius, Triumvir
302, 402
A.289, 453 A.25
• L. Antonius
torio
i.J. 98 47, 289 A.96
ATRIUM LIBERTATIS 303,
360ff., 479
auchLibertas Rolle der 226, 359f., 450–
453, 458f. AUGUSTUS/ OCTAVIAN
12, 58 A.5, 117f.
306, A.15, 128, 131, 136, 271, 277, 302–
A.280, 402
•M.
II. von Pergamon 375
SEX. ATTIUS SUBURANUS, Praefectus prae-
AUGUSTAE,
desBritannicus 102 103, 104 A.37, 400
cos. 40 v.Chr. 361
A.85
Minerva
ATHENA
ANTIOCHOS
POLLIO,
ATHEN 89, 353
Saturninus, cos.suff. 82/3
26, 119, 123f., 126ff., 134, 237, 279, 284 APOLLO 397
aufRestitutionsmünzen 448, 465 A.72 APOLLODOR VONDAMASKUS
319, 389
L. APPULEIUS SATURNINUS, tr.pl. 103, 100
448
328, 346f., 390f., 402 A.289 322, 325– • und die Republik 333, 336ff., 341,
343, 357, 364 • und Pietas 322, 331 A.10, 357, 364, 411, 421, 449 A.10 auch Forum des Augustus, Tempel des Mars Ultor • undVesta Palatina 457, 462f. • Sidus Iulium 463 • Leichenzug/ Grablege 394f. • auf Restitutionsmünzen Nervas 410
A.1
AQUAE
• AQUA MARCIA
Cura, Wasserversorgung • AQUA TRAIANA
Cura, Wasserversorgung
• taciteische Beurteilung 129 A.41 • in der Herrschaftsdarstellung Traians 245 • auf Restitutionsmünzen 421, 438, 449 A.10
ARABIEN
• republik. Eroberungsversuch 431 • Annexion durch Traian 432, 491f. ARAMAXIMA 286, 406, 423 A.4 ARAPACIS 322, 331 A.10 ARA PUDICITIAE 355
AURELIAN,
röm. Kaiser 318
AUSDEHNUNG DER REICHSGRENZEN
28,
147, 263, 405, 437f. auch Pomerium AVENTIN 480
403 A.300 König vonNabatäa 431, 436
ARCADIUS, oström. Kaiser
ARETAS,
ARGILETUM 317 A.6, 322 ARMENIEN/ ARMENIER
BABYLON 490
131, 240f., 334
A.19,489, 492 ARPOCRAS
ARX 316
156, 171 A.40, 173, 198
BAETICA
121, 282, 286f., 361 A.116, 390,
486f. auch Hercules Gaditanus BAIAE
390 A.229
536
REGISTER
BASILICA AEMILIA 322, 356, 482
BRITANNIEN/ BRITEN
• auf Restitutionsmünzen 439f.
140 A.78,
„BROT UNDSPIELE“ 25
BASILICA IULIA 356, 482
244, 298, 306, 310, 316, 319ff., 344, 356, 361, 392, 396 • Bauschmuck 313f., 439
BASILICA ULPIA
BATAVER/ BATAVERAUFSTAND
119f.,
146 A.105, 368 A.143
115, 137,
142f., 260f.
BRÜCKEN
391, 489 319 A.9, 388–
auch Feinde, feindliche Natur Imago, militärische Imago Traians, Bezwingung der Natur BRUKTERER 145, 150f., 153
BEDRIACUM 205
Usurpation/Bürgerkrieg
BÜRGERKRIEG
BELGICA 47
Bogen, vonBenevent
BENEVENT
BETRACHTER, antiker
•Kenntnisse/ Perspektive 60f. A.11, 307, 312, 316, 219, 244, 277, 283, 301– 335, 318f., 321, 324 A.24, 325, 329– 404, 339, 369ff., 380f., 396 A.262, 399– 426, 466, 472, 475, 479 420– • Umgehungsrituale 401– 404
derröm. Sage •Parallelisierung mit Domitian
CACUS, Unhold
14,
286f., 361 A.116, 406, 423, 487 CAECILII 411
• C. Caecilius
Metellus Scipio, cos.
52
v.Chr. 337 A.33
• L. Caecilius
Metellus, cos. 251 v.Chr.,
auch Bildsprache
Sieger der Schlacht von Panormus 448
auch Visiotypen
A.2, 457 A.42
BEUTE
Spolien
• Q. Caecilius
Metellus Creticus, cos. 69
321, 368, 189, 314, 318–
v.Chr. 117 • Q. Caecilius Metellus Numidicus, cos.
38f., 335, 365, 421, 424f., 300, 306ff., 329– 437f.
109 v.Chr., geht i.J. 100 ins Exil 448 A.2 • Q. Caecilius Metellus Pius, Sohn des Vorigen, cos. 80 v.Chr., erhält das
BIBLIOTHEKEN
375, 396 BILDSPRACHE ANTIKER MEDIEN 12,
auchBetrachter auch Visiotypen BITHYNIEN
70f., 89, 158, 169, 298, 388f.
A.218
CALIGULA
BOCCHUS, König
vonMauretanien 435
317 A.6
31 A.2., 50 A.19, 86, 117f.
A.15, 138, 206, 281, 390 A.229, 469–
472
BOGEN
• des Augustus 477 • von Benevent 13, 84, 133 A.55, 205 A.19, 298, 302, 405, 444 • des Constantin 38, 363 A.119 • des Septimius Severus 186f. • des Titus 186f. BONN 126 A.37
CALPURNII
•L.
Calpurnius Fabatus, Schwieger-
desPlinius 189, 191 343 • L. Calpurnius Piso Frugi Licinianus, i.J. 69 adoptiert vonGalba 246, 288 großvater
Calpurnii Pisones
CAMILLUS, M. Furius C. 269
BRITANNICUS, (Tiberius Claudius Caesar
Britannicus)
Cognomen ‚Pius‘ 243f., 448 CAELIUS MONS
102, 357, 461
auf Restitutionsmünzen 411, 421, 438 CAMPANIEN
208
CANINIUS RUFUS,
Amicus des Plinius 388
537
REGISTER
46, 124, 264f., 289f., 309, 317, 327, 337, 339, 341, 342 A.52, 361, 427, 435 A.31, 443, 444 A.8, 449, 477, 481
CAPITOL
auch luppiter Optimus Maximus CARACALLA 104
i.J. 97 46f.
103 A.35, 104 A.37, 105
COMMODUS
192 COMUM 188– auch Plinius, Darstellung als Guts-
herr
CASSII
•C. Cassius Longinus, Caesarmörder 322, 402 A.289, 455, 468, 471 •Cassius Dio Cocceianus, Historiograph: Beurteilung Traians
486
CONCORDIA
44, 78, 106, 125, 357, 461,
477 24ff., 82, 180ff., 198 A.2, 275, 318, 326 A.32, 473, 478, 481ff.
CONGIARIUM
auch Cura
CATANISCHE BRÜDER
auf Restitutionsmünzen 411, 421, 449 CENSUR 162 A.10, 233f., 295, 360, 362,
479
auch Akzeptanzsystem, Rituale des Konsenses, der Plebs Urbana mit dem
Princeps
auch Traian, Darstellung, als Vor-
CONSENSUS UNIVERSORUM
Akzeptanz-
system, Rituale desKonsenses
bild undZuchtmeister CENTUM CELLAE, Hafen 298
CONSILIUM PRINCIPIS
Amici, kaiserli-
che
CERES
• auf Restitutionsmünzen 425, 448 • Cerialia 448 A.6 119, 124, 134, 137f., 140, 116–
142f.
CONSTANTIUS
II., röm. Kaiser
CONTIO
220f.
• Claudius,
Princeps 12, 48 A.14, 102, 104 A.37, 121, 131, 245, 469 • auf Restitutionsmünzen 357, 411,
440, 455, 461
• Corellia Hispulla 179 A.55 • L. Neratius Corellius Pansa, cos. 122, Sohn derVorherigen 179 A.55 auch Neratii CORNELII
Severus, Legat
in Arabia,
cos.suff. 112 432
• Faustus genden
CLUNIA 60 A.9
COLCHESTER 131
316, 323, 368 A.141 COLUMNA ROSTRATA 303, 376, 378f. COLOSSEUM
auch Visiotyp, Säulenmonument COLUMNA TRAIANA
Säule des Traian
COMES, kaiserlicher
Amici, kaiserliche
327f., 479, 483
COMMENTARII
Pater-Patriae Titel
CORELLII
CLAUDII
• C. Claudius
298, 403
A.300 CORONA CIVICA
CHERUSKER 137
COMITIUM
auch Imago, Imago des
Commilito
A.39, 318, 437 A.40
A.37, 105
CASPERIUS AELIANUS, Prätorianerpräfekt
CHATTEN
auch Säule des Traian, Bildsprache COMMILITO
136, 142 A.83, 146, 320,
371f., 375, 377, 388 A.215
Cornelius Sulla, Sohn desFol-
435
• L. Cornelius Sulla Felix, dict. 243f., 291 A.108, 435 • A. Cornelius Palma Frontonianus, cos. 99, Statthalter von Syrien 348 A.61, 432f. • M.Cornelius Nigrinus Curiatius Ma47, 125f., 176f., ternus, cos.suff. 83 44– 201, 237, 271, 276 A.10, 287, 289 A.99, 290, 494
538
REGISTER
auch Traian, WegzurMacht, militärisches Drohen/ Rolle des Heeres • Cornelii Scipiones 268f., 411
• P. Cornelius Scipio Africanus 117 • P. Cornelius Tacitus Tacitus CORNUTUS TERTULLUS
COTTIUS
Bauliche Ausstattung DAMNATIO MEMORIAE
339f., 357, 359,
411, 481f.
Iulius
DANUVIUS, Flussgott
Vestricius
CUMAE, Festkalender
379f., 385f., 388, 405, 407 A.14, 408, 420, 423f., 434, 436ff., 490 •Dakerstatuen Forum des Traian,
von 461
391
48, 83 A.10, 268, 343 A.52, 119, 148, 152, 258, 265–
DECEBALUS, Dakerkönig
189 CURA, kaiserliche 185–
• Kornversorgung 24ff., 90, 187, 198 A. 2, 425, 471 auchAlimenta
363 A.120, 369, 379, 383 A.201, 388, 437, 488 DECIUS Mus
auf Restitutionsmünzen 411
auch „ Brot undSpiele“
auch Congiarium
DECURIONEN
91, 162, 183, 187, 189
• Wasserversorgung Roms 298, 427–
DELATOREN 226
431 • undLibertas 470f., 473, 483
DERCENNUS, Latinerkönig 395
DELPHI
auch Liberalitas, kaiserliche
DESULTOR
• und republikanische Cura 430, 440, auch Traian, Wettstreit mit der Vergangenheit • Schuldenerlass 318, 476 A.29, 477f.,
DIANA
DION CHRYSOSTOMOS 89ff., 406 DIONYSOS 398
DIOSKUREN
aufRestitutionsmünzen 448
483 327f.
DIVINISIERUNG
• des Herrschers
CURTII
• M. Curtius, Heldderröm. Sage 339 •Q.
A.259
Spiele
auf Restitutionsmünzen 448, 465
479f.
CURIA
89f., 198 A.2
Curtius Rufus, cos.suff.
44 393
• Anspruch des Herrschers auf Divini449, 452f., 465, 467 • vonPersonen • Marciana 144 A.97, 350 A.72, 450– sierung 395ff.,
A.246 CYRENE 492
‚DACICUS‘
gewährleistet den Fort-
466 bestand des Reiches 462–
Siegerbeinamen
DAKER/ DAKIEN 48, 152,
262, 264, 274,
282 •Herrschaftsdarstellung im Zuge der Dakerkriege 73, 75f. A.35, 84f., 104, 106, 117 A.14, 118, 126, 131, 141 A.82, 268, 274, 287, 148, 241, 257f., 265– 347, 363, 300f., 310, 320f., 324, 343– 366ff., 368 A.143, 369, 371f., 375ff.,
452, 458 • Matidia 144 A.97, 463f. • Nerva 58, 63 A.8, 65f., 245, 284,
449 • Plotina 144 A.97, 463 • Traianus Pater 350– 354, 451f., 458 • Traian durch Hadrian 393 A.246, 395, 463
• Vorgänger Traians 449 • Attribute • Aion 465 A.73
539
REGISTER
• Pegasus 465 • Phoenix 466 A.78
auch Hadrian, als Nachfolger Trai-
ans
auch Aeternitas
auch Traian, Anspruch auf Divinisie-
62, 462 A.62, 102f., 210, 211 A.31, 309 A.3, 407 A.14, 493f.
DOMITIAN
•Herrschaftsbegründung
durch Vater
undBruder 76, 119f., 245, 469 •Herrschaftsauffassung 69, 85, 110, 341, 390 116f., 119f., 338– •Schutz durch die Götter 38, 338f., 341, 343, 347, 374f., 444 A.8
• Bemühen um militärische Erfolge 76, 121, 126, 137ff., 260f., 268f., 281, 115– 338f., 342, 432 • und der Senat 44, 149, 156 A.4, 221,
493ff.
• Ermordung 44, 46, 124, 237, 239, 288, 469 • eigene Restitutionsprägungen 410 A.1 • indertraian. Herrschaftsdarstellung ‚falsi triumphi‘ 1 16– • 121, 139ff., 149, 261, 265f., 274, 368, 493f. •servitus 340f., 361 A.116, 362,
482f. auchImago, des Tyrannen
auch Augustae, Rolle der DYRRACHIUM 353 A.85
EID, kaiserlicher 56f.
ELBE 136f., 141 A.80 Ritter
EQUITES
EQUUS DOMITIANI
341 338–
• Standort 303, 338, 482 •Wahrnehmung 86 A.20, 339, 340 A.45, 391, 481ff. • politische Bedeutung seiner Überbauung 482f. EQUUS TRAIANI
348 303, 313, 342–
• reflektiert inderMünzprägung 430f. ERECHTHEION-KOREN
303, 363ff.
auch Visiotyp, Gefesselter/ Stützfigu-
ren ERINNERUNGSORT, Definition
301–307
ESQUILIN 317 A.6 EUPHRAT
280, 334 A.19, 492
EURYSTHEUS 406
DOMITII
• L. Domitius Apollinaris, cos.suff. 97 45 A.6 •Cn. Domitius Corbulo, cos.suff. 39 393 A.246 DOMUS AUREA 316, 322, 324, 346, 482 DONATIV 46 A.7, 129, 180ff., 275 DREIKINDERRECHT
rung
EXEMPLA
243f., 268f., 341, 364, 411, 416,
421 auch Traian, Wettstreit mit der Vergangenheit
auch Augustus, unddie Republik
96, 100, 104 A.37, 93–
170, 173 106, 163, 167–
L. FABIUS IUSTUS, Statthalter Syrias bis
111/12 353 A.85
auch Kinder/ Nachkommen DRUSUS IULIUS CAESAR
(der Jüngere)
102, 136, 138, 402
282 v.Chr. 268 FAUSTINA MINOR
DYNASTISCHES PRINZIP
•Relevanz/ politische
C. FABRICIUS LUSCINUS, cos. 288, cos.II
83
A.73
A.11, 102f., 114, 117, 129 A.41, 341, 463 360, 452f., 459– 347, 350–
FEINDE
Bedeutung
103, 457 A.47, 465
123, 134, 136, 147
• Verhalten 261f., 264ff., 382 • feindliche Natur 262, 265, 387– 393
540
REGISTER
•als
auch Brücken FERENTINUM 195
FICUS RUMINALIS
476 A.29, 477ff., 479
auch Monumente
• Nutzung 327f., 396 A.262
A.36 FIDES
historisch gewachsener Statuen-
341 raum 303, 326ff., 337–
A.49
38, 78, 86f., 111f.
auch Betrachter
• als Kulisse der Plutei Traiani 477ff.,
FLAVISCHE DYNASTIE
Elemente derHerrschaftsdarstellung • Betonung der Kontinuität 117, 347,
482f. FORUM DES TRAIAN
469
• als Teil des traianischen
•Bemühen um militärische Erfolge 121, 124f., 128f., 268f., 277 113–
298, 316f.
auch Vespasian;
Titus;
Domi-
tian FLAVIUS JOSEPHUS 199 FLORA
• auf Restitutionsmünzen 448 • Floralia 448 A.6 Affirmatives Fordern
FORDERUNGEN
FORMA URBIS
322, 323 A.21, 356, 361
FORUM DES AUGUSTUS
284, 310, 322,
328, 367f. 325– • Bauliche Ausstattung
• Statuen/
seiner baulichen Gestalt
und der dargestellten Konzepte 306, 328, 396f. 318– • Bauliche Ausstattung 309– 315, 320f. • Zugang 312f. • Dakerstatuen 236 A.33, 309 A.3, 312ff., 320, 345, 363, 365, 408, 420,
436 auch Visiotyp, Gefesselter/ Stützfiguren
auch Daker/ Dakien, Herrschafts-
Summi Viri
151, 304ff., 326, 332f., 336ff., 341, 343f., 349f., 357ff., 364, 432 auch Ornamenta Triumphalia • Quadriga 303, 336ff., 341ff.
• Tempel des Mars Ultor 304, 322f., 325ff., 333, 342, 346f., 359, 368 A.141, 398
darstellung
imZuge derDakerkriege
• Imagines
Clipeatae 349f., 357– 360,
363 auch Visiotyp, Imagines clipeatae
• Feldzeichen 313f., 320, 345, 378, 439 • Großer Traianischer Fries 36, 307, 320, 343 A.52, 369 A.145, 383 A.201 auch Imago, Imago des Heros
• Karyatiden 303, 363ff. auch Visiotyp, Gefesselter/ Stützfi-
• Statuen von Geehrten 347f., 384 A.205 auch Basilica Ulpia
guren
• Nutzung derAnlage 327f., 329– 335 286, 406, 423 A.4
FORUM HOLITORIUM 339, 481
303, 310, 322, 326f., 336, 341, 346f., 361, 366 A.135, 398 • Nutzung 327f.
FORUM IULIUM
auchBetrachter FORUM ROMANUM 118,
auch Equus Traiani
auch Säule des Traian
auchBetrachter FORUM BOARIUM
•Herleitung
Stadtausbaus
auch Tempel, des Divus Traian und der Diva Plotina • Nutzung 245, 303f., 307f., 312, 316–
335, 345ff., 361f., 399– 319, 321, 329– 404 auch Betrachter
322, 405
• undPanegyricus 244f.
541
REGISTER
• undReichsmünzen 303, 307, 314, 342 A.52, 420, 423, 430, 439ff. • und Restitutionsmünzen 417, 420f., 425f., 430, 436, 438ff., 466f. 321f., 347
FORUM TRANSITORIUM
GADES
286, 486f.
• Genealogie Hadrians 461 • als Nachfolger Traians 84, 353 A.85, 355, 393 A.246, 395, 452, 459 A.50 auch dynastisches Prinzip
• und der Partherfeldzug 451f., 459 A.50, 492 • Mausoleum 402f. HANNIBAL
auch Baetica
393 A.246,
291 A.108
HARIER 141
Caligula
GAIUS, Princeps
60 A.9, 86, 157 A.7, 473 211 A.31, 246, 288, 464, 468–
GALBA, Princeps
GALERIA FAUSTINA 103 A.34
6, 48 A.14, 115,
GALLIEN/ GALLIER
HATRA
491
HEER
auch Akzeptanzsystem, maßgebliche Gruppen
• Verhältnis zumPrinceps 15, 26ff., 82f.
auch Prosperität, Germania
128, 148, 154, 181, 200f., A.9, 116, 125– 276, 278, 284f., 294, 307, 259, 270, 272– 393, 408, 488 347, 378f., 381– • Militär im Stadtbild 201 A.10, 347, 380f., 384, 387, 392f. • Imago der Zügellosigkeit 128, 200f., 205, 271, 273, 275, 381, 384f., 392f. auch Traian, als Zuchtmeister • Imago des Bürgersoldaten 274– 278,
auch Tacitus, ‚Germania‘
393 380–
136f., 142 A.83, 149 GASTMAHL
71, 182, 226, 366 A.131
GENIUS POPULI ROMANI 19, 405
83, 204f., 405 19, 79–
GENIUS SENATUS
GERMANIA/ GERMANEN 136–154
•Herrschaftsdarstellung im Zuge des kaiserlichen Aufenthalts amRhein 131– 134, 368 A.143
• als Provinz
54, 96, 113, 118, 120, 123f., 126 A.37, 152, 178 • geographische Konzepte 135ff., 139– 143, 145ff., 149 GERMANICUS (Germanicus Iulius Caesar)
136ff., 140, 281 ‚GERMANICUS‘
Siegerbeinamen
A.45, 141 A.81
286, 361 A.116
91, 327 GESANDTSCHAFTEN 62, 88–
auchAbwesenheit GLADIATOREN
GORDIAN
Spiele
III., röm. Kaiser 375
GRATIARUM ACTIO
GREIF
auchAlimentarstiftungen
• als Kulturbringer 385f., 438 • Auxiliarsoldaten 381ff. HEKTOR 401 A.286 HELIOPOLIS
GERÜCHTE 62, 89, 130
GERYONEUS
auch Kinder
Panegyricus
Nemesis
466 A.78
HERCULES 302
• H. Gaditanus/
Invictus/ Victor 286f.,
361 A.116, 423f., 486f. • als Paradigma für Traian 14, 128, 283 408, 423ff. A.77, 285f., 361 A.116, 405– • auf Restitutionsmünzen 422– 425, 438, 448 auch Säule des Traian, Darstellung als Keule auch Spiele, Ludi Herculei L. HERENNIUS SATURNINUS, cos.suff. 100,
HADRIAN
51 A.20, 54, 60 A.10, 318
90
542
REGISTER
HERMUNDUREN 142
IANUS
aufRestitutionsmünzen 448
Imago, desHeros
HEROS
IAVOLENUS PRISCUS (C. Octavius Tidius
HERRSCHAFTSDARSTELLUNG
• Konzept der H. 15– 42, 300
Tossianus L. Iav.Prisc.), cos. 86
auch Akzeptanzsystem
auchImago
IAZYGEN
• Medien 302– 308, 342 • Bedeutung von Ritualen 151, 304ff., 335, 366ff., 401– 404 332– auchBetrachter auch Forum des Traian, Nutzung
• Prozesshaftigkeit und stete Aktualität 29, 37, 39, 70ff., 77, 228, 235f., 257f., 335 277f., 295, 304ff., 330– •Anspruch und ‚Wirklichkeit‘ der H. 215, 246f., 256, 359 • Verbindlichkeit 39, 248f., 294ff. • Themen der H. (Auswahl): der Reichsgrenzen
Cura, kaiserliche
Hercules, als Paradigma
für Trai-
an Imago, grundsätzliche undkonkre-
220 A.14, 300, 306
auch Herrschaftsdarstellung JERUSALEM 114, 128
auch Forum des Traian, Bauliche Ausstattung, Imagines Clipeatae
auch Visiotypen, Imagines Clipeatae IMAGO
• Definition 35ff., 265 A.18, 493ff. auch Herrschaftsdarstellung
• Bild des Guten Princeps 18, 21, 28f., 32, 35, 39f., 46 A.7, 88, 91, 93, 167, 181, 187, 204f., 210, 232f., 245, 261, 359, 379, 493ff.
• Zusammenspiel/ Konflikt ihrer Facet15, 28f., 35f., 200f., 306f., 344ff. ten 12– • Prädisposition zu Taten undTugenden 37f., 104, 117, 232f., 245, 261, 493ff.
• grundsätzliche und konkrete Sieghaftigkeit 71, 74, 76, 85, 104, 113, 115,
te Sieghaftigkeit Prosperität Traian, Wettstreit mit der Vergan-
genheit
Daker, Herrschaftsdarstellung im
Zuge derDakerkriege ludaeer, Herrschaftsdarstellung im
Zuge desIudaeerkrieges Parther, Herrschaftsdarstellung im
Zuge derPartherkriege HISPANIA
119, 156
IDEOLOGEM
IMAGINES CLIPEATAE
auchForum desAugustus, Nutzung
Ausdehnung
175–
179, 251
117, 129, 138f., 148, 154, 156, 159ff., 268, 282ff., 300, 264, 265– 258, 261– 343ff., 352f., 367, 390, 393, 397 • Imago des Civilis Princeps 15, 22, 56f., 226, 229, 231ff., 240, 242f., 263ff., 264 A.18, 273f., 290f., 295, 338, 378, 436, 445 auch Traian, Darstellung der Tugenden, Civilitas
Spanien
• C. Hypsaeus., cos. 329 v. Chr. 431
• militärische Imago des Princeps 12, 122, 138f., 153f., 159ff., 77, 85, 115– 73– 291, 307, 320, 343, 352f., 365, 368, 260– 379f., 384f., 454 auch Traian, Bemühen um militäri-
• P. Hypsaeus.,
sche Erfolge
HOMONOVUS 114f., 121f. HORATIUS COCLES
aufRestitutionsmünzen 411 HYPSAEI
431
Münzmeister
58 v. Chr.
543
REGISTER
• Imago des Commilito 15, 35f., 270– 278, 284f. • politische Funktion 276f., 278– 291 • korrespondiert mitziviler Imago 263 • Bezeichnung ‚Commilito‘ 277f. auch Heer,
Verhältnis
zum
Princeps Imago der Zügellosigkeit • Imago des Heros 35f., 260– 269
• politische Funktion 14, 128, 151, 291, 344f., 269, 278– 161, 262f., 264– 352f., 369 A.145 • Bezwingung der Natur 12, 128, 393 260ff., 265f., 270, 284ff., 387– auch Brücken
• Heroengrab 395f. A.259, 405 auch Traian, Vergleich mitluppiter
auch Hercules, als Paradigma für Traian
auch Forum des Traian, Großer Traianischer Fries
• Imago des Tyrannen/
Pessimus Prin-
ceps 14f., 36, 39f., 127f., 139, 205f., 234f., 245f., 255, 265 A.18, 273, 285f.,
316, 339ff., 346, 361f., 393 A.249, 437 472, 475, 481, 483, 493ff. A.36, 469– INDIEN
433 A.23, 489
INDULGENTIA
Akzeptanzsystem, Prinzip
• Iulisch-Claudische
Dynastie als Vorbild der Flavischen Dynastie 114, 122, 410 A.1 • Cn. Iulius Agricola, cos.suff. 77 140,
143f., 146 A.105, 156 A.4, 285f. • C. Iulius Caesar, dict. 117f. A.15, 136,
138, 142 A.83, 146, 277, 322, 325, 327, 339, 346f., 357f., 457 A.43, 463, 486 aufRestitutionsmünzen 411, 440 auchForum lulium
• C. Iulius
Cornutus Tertullus, cos.suff.
100 68, 184f., 221
• S.
Iulius Frontinus, cos.II 98, cos.III 100 52f., 126 A.35, 289 A.96 •Iulius Marinus, Vater des Philippus Arabs 351 A.75 • Iulius Quadratus (C. Antius A. Iul. Q.), cos.II 105, Statthalter von Syria ca.100– 104 177
• C. Iulius
Quadratus Bassus, cos.suff.
117 353 105, Statthalter Syrias 114/15– A.85 • L. Iulius Ursus, cos.II 98, cos.III 100 52f., 126 A.35, 289 A.96 • L. Iulius Ursus Servianus, cos.II 102, cos.III 134 47, 89, 93f., 96ff., 126 A.35, 156, 162, 175 IUNII
der Hierarchie, Unterordnung und Jo-
• L. Iunius Brutus,
vialität
publik 468, 471
188 A.22, 195 A.49, 331 A.10, 474, 478, 481 ITALIKER (in der Herrschaftsdarstellung) 18, 187ff., 226 ITALIA
62, 122 •Herrschaftsdarstellung
im Zuge des
114f., 117f., 120, 128f.,
325, 346, 368 139, 281 A.71, 304, 322– A.141 auch Vespasian IUGURTHA,
IULII
König von Numidien 435f.
350, 359, 394
• M. lunius Brutus, Caesarmörder, praet. 44 v.Chr. 322, 402 A.289, 468, 471 IUNO
446, 448 auf Restitutionsmünzen 442– 441, 449 A.7 auch Spolia Opima
IUPPITER FERETRIUS
IUDAEA/ IUDAEER
Iudaeerkrieges
erster Consul derRe-
IUPPITER OPTIMUS MAXIMUS
327, 337,
378, 390, 407 A.14 • wacht über die kaiserlich-senatorische
226, 238 Kommunikation 223– •Erwählung Traians 13f., 46, 155f., 246, 262, 264, 289, 405f., 423 A.4, 444
544
REGISTER
• Beschützer des Kaisers 12f., 83, 361
LAMPSAKOS
A.116, 378, 444, 491
A. BUCIUS LAPPIUS MAXIMUS, cos. 86,
• auf Restitutionsmünzen 439, 442– 446,
cos.II 95, Sieger über Antonius Saturninus 119, 123, 289 A.96 A. LARCIUS PRISCUS, cos. 110, i.J. 97 au-
448, 455, 459, 465 auch Capitol
auch Tempel, des Iuppiter Optimus
465 A.74
ßerordentlicher
Legionslegat
in Syria
176
Maximus
Heer
LEGIONÄRE/ LEGIONEN
LEX, LEGES 236f. KAISERKULT
162, 165 A.24, 166, 320
KAPITAL, symbolisches/ soziale Ressour-
99, cen 21f., 24, 48ff., 63 A.7, 89ff., 93– 112, 120ff., 148, 162, 202f., 253, 268, 271, 367 auchMaklerpatronage Forum des Au-
KARYAI/ KARYATIDEN
gustus, Karyatiden
LIBER 468, 480 LIBERALITAS, kaiserliche
24ff., 38, 93,
180ff., 195, 263 A.13, 316f., 323, 345,
KEKROPS 364
KELTEN
• Cassia tabellaria 471 • de imperio Vespasiani Vespasian • Iulia 94 • Papia 94 • Porciae deprovocatione 471 • Zwölftafelgesetz 395
368, 400, 430, 440, 473– 475, 478ff., 483 auch Cura
136 A.64
KILIKIEN 393 KINDER/ NACHKOMMENSCHAFT
99–107,
144 A.97, 190, 194, 274f., 386
auch Libertas LIBERTAS
• auf Restitutionsmünzen 455, 468– 484 • semantische Facetten des Konzepts in
auch Dreikinderrecht
auchAlimentarstiftungen KLEOPATRA 302
473, 479f., Republik undPrincipat 468–
KÖLN 54, 60 A.9, 137
483
KÖNIGTUM, römisches
Sturz des
auch lunii
471
KONSEKRATION
gewährleistet 208, 239f.,
auch Atrium Libertatis
Divinisierung
KONSENS
Akzeptanzsystem, Rituale
des Kon-
senses
• und Liberalitas 227, 318, 340, 473, 475, 479, 483 LICINII
Herrschaftsdarstellung KOSMOLOGIE
Aeternitas
Luna
Sol KREFELD 137 KTESIPHON
• unter Traian 361f.
489f.
• M. Licinius Crassus, cos. I 70, cos.II 55 v.Chr. 322 • C. Licinius Mucianus, cos. 64, cos.II 70, cos.III 74 62, 115, 199 A.6, 210 •L. Licinius Sura, cos.II 102, cos.III 107 89, 125f. LIGURES BAEBIANI 188
LIVIA
360 349, 357–
LIVIUS 146
C. LAELIUS SAPIENS, cos. 140 243f.
A.21
545
REGISTER
LUCILLA (Annia Aurelia Galeria Lucilla),
Tochter desMarc Aurel 103
L.
LUCRETIUS TRIO, Münzmeister
76 v.
Chr 464 LUNA
• undAeternitas-Konzept 462ff. LYON 115
MAAS 393 A.246 MÄRKTE DES TRAIAN
298, 316f., 387
A.210, 399ff. MAINZ
54, 126 A.37, 138
auch Kapital, symbolisches Spolien
MARATHON 375 MARCIANA (Ulpia
M.) 54 A.4, 354f., 457
A.47 auchDivinisierung auch Dynastisches Prinzip
auch Pietas, und die kaiserlichen
angeklagt
de repetundis
MARS 333, 338, 346f., 358, 395 • aufRestitutionsmünzen 445, 448
auch Forum des Augustus, Tempel des Mars Ultor MARSFELD 305 A.7, 310, 311 A.7, 316ff., 337, 367 A.138, 394f., 400 A.280
• undGens Marcia 479– 481, 483 • als ‚indicium libertatis‘ 340, 479– 481, 483 auch Alimentarstiftungen undLiber-
tas • auf den Plutei Traiani 340, 476 A.29,
479 477– • als Siegel Traians 480f. MARTIAL 133f. MATIDIA d.J. (Mindia M.),
Großnichte
Traians 354f., 450
Damen
auch Dynastisches Prinzip
MARCII
auchMarsyas
• Marcia, Mutter Traians 349, 357, 359, 481 auchMarciana
•Ancus
in Africa 97/8, 112, 174 109–
MARSYAS
48ff., 88f., 94–99, 179, 196, 202f. 121, 148, 154, 158–
MAKLERPATRONAGE
MANUBIAE, ‘EX MANUBIIS’
103, 318, 342 A.52, 370 A.153, 372 A.160, 400 A.280, 457, 488 MARIUS PRISCUS, cos..suff. um85, procos. MARCUS AURELIUS
Marcius, mythischer König
Roms 427f.
• L. Marcius Censorinus, Münzmeister 88 v. Chr. 479f. • L. Marcius Philippus, tr.pl. 49 v. Chr. 427 A.3 • Q. Marcius Rex, praet.urb. 144 v.Chr., dieAquaMarcia 427f. • C. Marcius Rutilius, dict. 356 v.Chr.,
erbaute
auch Pietas, und die kaiserlichen Damen
d.Ä. (Salonia M.), Nichte Trai357, 457 A.47 ans 354– • Darstellung als Pietas 354f., 450 • Divinisierung 463
MATIDIA
auch Dynastisches Prinzip MATTIAKER 142, 393
A.246
MERCUR
auf Restitutionsmünzen 448, 465 MESOPOTAMIEN 492
METELLUS SCIPIO
Caecilius
342 v.Chr. 479 cos..mult. 357–
366 A.135 •und Domitian 38f., 338– 341, 347,
• C. Marcius
374f.
Rutilius Censorinus, cens.
294, 265 v. Chr. 479 MARCOMANNEN
119, 143, 152
MINERVA
auch Domitian, Schutz durch die Götter
546
REGISTER
• und der Relieffries der Traianssäule 376, 445 373– auch Säule des Traian, Darstellung
in der Herrschaftsdarstellung Traians 245f., 437 A.36, 469, 472 NERVA
mitEule • auf Restitutionsmünzen 442– 442, 448 MOESIA 48, 113, 118, 489
• Übertragung der Herrschaft durch den Senat 79 • Abgrenzung von Domitian 38f., 340,
MONUMENTE
347 • Schwäche der Herrschaft 44– 47, 65, 86, 125f., 129, 237f., 256f., 271, 290
imöffentlichen Raum 118, 150f., 184ff., 308, 189, 191, 196f., 244f., 284, 303– 335, 348, 324, 327, 332– 336– 312ff., 316– 395 A.257, 396 A.262, 423, 427, 428 A.4, 430, 432, 476, 478, 481ff. MÜNZEN
Reichsmünzen Restitutionsmünzen MUTINUS TITINUS
aufRestitutionsmünzen 448, 465 A.74
Arabien
NABATÄA
NATUR
Feinde, feindliche Natur; Imago, militärische Imago Traians,
Imago des Heros, Bezwingung der Na-
tur
410 A.1 • Gratiarum Actiones unter N. 221f. • eigene Restitutionsmünzen 410 A.1 • inderHerrschaftsdarstellung Traians • geringe Prominenz 58f., 78ff., 288,
durch Adoption Traians
360, 449, 451, 470 354, 357– 349–
• Divinisierung 394, 451f., 458 • und Traianus Pater 83 A.11, 165, 354, 357, 451– 454 350– • Bezeichnung als ‚Optimus Princeps‘ 241 A.79 • als ‚Stammvater‘ einer ‚Dynastie‘
461 auch Traian, Abgrenzung
NAUMACHIE
von/
Vergleich mit, Nerva
Traians 298
NEAPEL 389
NEMESIS
auch Prätorianeraufstand
• Konsolidierung dereigenen Herrschaft
NERVIER 142
397f.
NEUSS 137
aufRestitutionsmünzen 411, 440, 448 auch Traian als Kulturbringer
NIMWEGEN
NUMIDIEN
126 A.37, 130 365
auch Prosperität, durch Eroberung NEPTUN
aufRestitutionsmünzen 448
OCTAVIA, Schwester
NERATII
• L. Neratius
OCTAVIAN
Marcellus, cos.
95, cos.II
129 179 A.55 • L. Neratius Priscus, cos. 97 163 A.14, 179 168– auch Corellii NERO 13, 15, 24 A.14, 38, 40 A.6, 45, 60
A.9, 86, 114, 122, 138, 157 A.7, 204, 206f., 209 A.27, 316, 323, 346
OMPHALE
des Britannicus 102
Augustus
302
OPTIMUS-BEINAME
• Stadien der Übertragung 240ff. • Koordinaten der Herleitung 14, 240– 247, 259, 344f., 392, 444, 491 • Relativierung 129 A.41, 241 A.79, 246, 257, 488 auch Traian, Herrschaftsanspruch
547
REGISTER
OSTIA
298, 399
OTIUM
193, 219f., 208, 256 A.132
OVID 332
auchPompeius Longinus Schlacht von 448
PANTOMIMEN
PAESTUM 480
39f.
PARTHER/ PARTHIEN
460 427, 457–
PALLADIUM
46, 48, 73, 96,
113, 119, 124, 126, 133f., 138, 140, 161, 282f., 291 155ff., 158– PANORMUS,
PALATIN
IN P.
PANNONIEN/ SIEG
OTHO 114, 205
456, 462 A.62, 463
62, 122f., 207 A.23
• Partherkrieg 240f., 444 A.8, 489– 492 •Herrschaftsdarstellung im Zuge der 56, 83, 131 A.48, 133 A.55, 151 A.113, 157 A.7, 300, 304, 322, 327, 336, 352f., 392f., 395, 399, 423, 451, 490 auch Traian, Darstellung der LePartherkriege
PANEGYRICUS
• Tradition der Panegyrici 215, 218 A.1, 220ff., 227, 268 • Selbstzeugnisse desPlinius 218– 224 •Stadien der Textentwicklung 214f., 217f., 225, 247, 249, 296 A.5 • Vortrag 172, 214f., 247ff., 296 A.5 •Rezitation 217 A.1, 218, 247ff.,
bensphasen, Jugend/ Syrien
auch Forum des Augustus, Tempel
des Mars Ultor
257 251–
‚PARTHICUS‘
• Publikation 214f., 247
PATER-PATRIAE TITEL
• kommunikatives Szenario 214, 228 • Rolle des Consuls 220– 226 • Charakter derDanksagung 222f. • Adressaten 224– 227, 238 • steht unter göttlicher Aufsicht 223– 226, 238 • behandelt exklusiv senatorische Belange 226ff., 246, 259 • kommunikative Funktion 128, 218, 223f., 259f., 282 • als Medium des Konsenses 217, 228, 233, 276f., 294
• Periodizität/
Aktualität dieser Reden
223, 227f., 256 A.132, 257f., 294 219–
•Forderungen im P.
Affirmatives
Siegerbeinamen 12, 58ff., 241f.,
325, 336, 338, 393 A.249 PATRIZIER 122, 226 PATROKLOS
395 A.259, 403
PATRONAGE
Maklerpatronage
PAX 322f., 346f. auch Tempel, Templum Pacis auch Vespasian, Darstellung als Friedensbringer PENATEN
405, 456f.
PERSEUS, König
vonMakedonien 435f. Imago, des Tyran-
PESSIMUS PRINCEPS
nen PHILIPPI
322, 325, 402 A.289
PHILIPPUS ARABS
PHRYGIEN 309
Fordern
PIERIEN 393
• Stil korrespondiert mit Inhalten 219f.,
PIETAS
351 A.74
A.3, 365
254ff.
•und die
• Topos der Wahrhaftigkeit 221, 229f., 233 A.60, 246f., 255f., 258ff., 293f. A.3, 295
452f., 458 •als Gewähr für dynastische Abfolge
• Forschungsmeinungen 214ff.
•konkurrierende 421, 449 A.10
kaiserlichen Damen 450,
451f. Exempla von Pietas
548
REGISTER
• in derReichsprägung 65f., 449– 454 • auf Restitutionsmünzen 448– 454 auch Schlagworte, politische, Pietas auch Traian, Darstellung der Tugen-
den, Pietas
PLEBS URBANA
(Pompeia P.), Gattin Traians 310f., 355, 452, 457 A.47
A.11, 452
• Vergleich mit Vesta 459, 464 auch Traian, Vergleich mit luppi-
Calpurnius
Akzeptanzsystem, maß-
gebliche Gruppen
ter 483 PLUTEI TRAIANI 38, 475–
• Darstellung im Panegyricus 225, 227 A.45, 259 A.1
29 Datierung undFunktion 476f. A.26– auchLibertas
auch Gerüchte
auch Marsyas
C. PLINIUS SECUNDUS d.Ä. 146, 367
POMERIUM
auchAusdehnung derReichsgrenzen
• Anwaltstätigkeit 109– 112, 170, 172 • Selbstzeugnisse zumPanegyricus 218– 258 224, 247– • als Makler sozialer Ressourcen 94f., 171, 219 161– auch Maklerpatronage
auch Kapital, symbolisches
• Darstellung als guter
Civis/ guter
Se-
77, 109, 111, 127, 158, 167ff.,
184f., 189ff., 195, 247, 252– 256
auch Senat, Konkurrenz/ Standeskontrolle • Darstellung als Gutsherr 183, 191– 197 •signalisiert Akzeptanz Traians 71,
POMPEII
• Sex. Pompeius, Sohn des Folgenden auf Restitutionsmünzen 421, 449, 453f. • Cn. Pompeius Magnus 243f., 283, 291 A.108, 366 A.135, 395 • Eroberung Arabiens 431, 433, 453f.
• Opposition gegen P. 471 • Pompeius und Sohn verglichen mit Nerva undTraianus Pater 453 • Cn. Pompeius Longinus (Cn. Pinarius Aemilius Cicatricula P. L.), cos. 90, 97 Statthalter von Pannonien 46, 73, 124, 140, 155ff., 159ff.
98f., 106, 153, 183, 291 A.107
• Konformität mit der kaiserlichen Programmatik 108– 112, 158, 164– 167, 183, 185, 190f., 195, 254ff. auch Senat, Unsicherheit/ Ungewiss-
heit im Umgang mitdemKaiser auch Traian, Darstellung, als Vor-
bild undZuchtmeister
•kommunikative
136, 394, 405, 425, 436ff.
auch Städtegründungen
C. PLINIUS CAECILIUS SECUNDUS d.J. • Consulat 214, 219, 221ff., 257
nator
auch Affirmatives Fordern PLOTINA
• Darstellung in der Reichsprägung 83
auchAugustus, undPietas
• undVesta 447, 456, 458 • undAeternitas 466 A.78 PISO/ PISONES FRUGI
188ff., 193f. A.45, 198f., 209ff., 253–
256
Funktion der Briefe
auch Pannonien
• C. Pompeius Planta, 98– 100 praef. Aegypti 90 T. POMPONIUS BASSUS, cos.suff. 94
195
A.49 PONS SUBLICIUS 391 A.236 POPPAEA SABINA 207 A.23
M. PORCIUS CATO, Münzmeister 89 v.
Chr. 468, 471
63, 68, 70ff., 75 A.34, 93, 97 A.16, 100,
POSEIDONIOS
111, 151f. A.114, 169, 172f., 179,
PRAENESTE 289
136 A.64
A.98
549
REGISTER
14, 26, 45ff., 65, 125f., 128, 201, 227, 237f., 256f., 290f., 381 • Datierung undMotive 46 A.7 • Emissionsanlass für RestitutionsmünzenNervas 410 A.1 PRÄTORIANER/ -AUFSTAND
PRIAPUS
QUADEN 119, 143, 152
P. QUINCTILIUS VARUS, consularer Legat
9 136f. in Germanien 6– T. QUINCTIUS CINCINNATUS 289 A.98 QUIRINAL
QUIRINUS,
309f., 316f., 400 aufRestitutionsmünzen 448
465 A.74
‚PRIVAT‘
68f., 75, 100, 161, 195f., 248f., 252f., 295 PRODIGIUM 377f., 401 A.289, 402 A.293,
RECUSATIO
289f., 393 A.249
402 A.296
als Ideologem desPrincipats • undLibertas 470f., 474 • Italiens 183– 195, 298 • desReiches • durch Eroberung 136, 142f., 346,
auch Akzeptanzsystem, Rituale des
PROSPERITÄT
434f., 437f., 440, 441 A.51
Konsenses, Senat undPrinceps
auch Akzeptanzsystem, Prinzip der Reziprozität
auch Akzeptanzsystem, Zuweisung/ Verweigerung vonEhrenstatus
auch Akzeptanzsystem, Prinzip der
auch Nemesis
auch Pomerium • durch das enge Verhältnis des Kai-
sers zumHeer 273 • durch Adoption 104ff.
92, 110, 88–
162, 165 A.24 PUBLICIUS CERTUS, Ärarpräfekt 96/7
• kommunikative
Funktion 38f.,
57, 60
A.10, 132, 180, 187, 312f. A.9, 329f.,
340, 374 A.171, 428, 432, 437 • Korrelation mit • Forum Traiani 303, 307, 312f. A.9, 375, 420, 423, 430, 439ff. 314, 372– • Restitutionsmünzen 405, 418, 429f., 438, 433ff., 438ff., 443ff, 446, 464, 465f., 470, 472, 475 REMUS
401 A.286 109–112, 493f.
RESTITUTIONSMÜNZEN TRAIANS
45
A.6 L. PUBLILIUS CELSUS, cos. 102, cos.II 113 PYTHODORUS 90
REICHSMÜNZEN
REPETUNDENVERFAHREN
89ff.
348 A.61
tät den, Civilitas
466 • vonProvinzen • Africa 425 • Arabia 433ff. • Dacia 14, 385f., 405, 434f., 437, 441 A.51 • Germania 12, 130f., 132– 135, 147, 282f, 386 A.208, 434
PRUSA
Hierarchie, Unterordnung und Joviali-
auch Traian, Darstellung der Tugen-
• durch dasKaiserpaar 460, 462– 465 • durch Divinisierung derKaiser 462–
PROVINZEN/ PROVINZIALEN
vonNabatäa 432 23, 32, 59f., 234ff., 241, 254,
RABBEL, König
• Anlass derEmission 414– 418 • Adressaten 420f. auch Betrachter
• Datierung, Probleme der 413– 419 • Emissionsumfang 410f. • Prototypen, fingierte 410f., 415, 440, 445, 465
550
REGISTER
•Selektion der Typen 411, 415ff., 421f., 424f. • Forschungsgeschichte 413– 419
• Aussageabsicht 413 • Korrelation mit • Ereignissen um das Jahr 112 419– 426 • Forum Traiani 357f., 417, 420f., 425f., 430, 436, 438ff., 443ff., 466f. •traianischen Ideologemen 420, 425f., 434f., 443, 445 •Reichsprägung 357f., 405, 418, 429f., 433ff., 438ff., 443ff., 446, 453, 464, 466, 470, 472, 475 • Themen (Auswahl) • Götter, Feste, Kulte, Tempel 448f. • Militärisches 419f. A.1
v.Chr. 443
SABINA (Mindia Sabina), Großnichte Trai-
ans 54 A.4, 354, 450, 452, 457 A.47, 463, 465 A.73 auch Dynastisches Prinzip
auch Pietas, und die kaiserlichen Damen SACHWALTER
der kaiserlichen Interessen
Amici, kaiserliche SÄULE
DESTRAIAN 187, 314, 320, 368–
408 • Lesbarkeit 368– 371
• Bildsprache/ Kommunikative 379 371f., 376–
Cura, kaiserliche
Pomerium
• Vorläufer 410 A.1
Funktion
• Sockelinschrift 386f., 401 • reflektiert bei Plinius 388f. A.218
REZITATION
• Charakter des sozialen
Raumes einer
257 Rezitation 218, 228f., 247– • Publikum 218, 247, 249, 245ff. auch Konkurrenz/ Standeskontrolle auch Habitusinszenierung/ (Selbst-) Darstellung
auchPanegyricus, Rezitation
118, 133f., 280,
338, 391 RITTER 18f.,
ROSTRA IULIA 477
L. RUBRIUS DOSSENUS, Münzmeister 87
auchBetrachter
Arabien
RHEIN, Personifikation
ROSTRA AD AEDEM DIVI IULII 477
• Darstellung mit Eule darauf 372– 376, 407, 444f. auch Minerva
• Darstellung als Keule 407 auch Hercules, als Paradigma für Traian • als Grablege Traians 320, 393– 404 SAMNITEN
SARMATEN
49 A.16, 162, 170, 204, 384
A.205, 398, 402
SCALAE GEMONIAE 383
des Kon-
senses
Herrschaftsdarstellung,
281
SARMIZEGETUSA 437
SATURN, auf Restitutionsmünzen 448
RITUAL
Akzeptanzsystem, Rituale
305
Bedeutung
vonRitualen
A.201
35, 339 A.41 ‚SCHMEICHELEI‘ 30– • im Panegyricus 214, 224, 229, 235,
257, 259f., 294f. SCHLAGWORTE, politische
ROMA 156f., 282, 331, 405
• Felicitas Temporum 99– 107, 257
aufRestitutionsmünzen 448, 468 A.1 ROMULUS 267, 336, 350, 401 A.286, 405 auf Restitutionsmünzen 411, 421, 438
•Pietas
auch Visiotyp, Doppelfüllhorn 65ff., 159 A.5, 164ff., 191,
196f.
551
REGISTER
auch Traian, Darstellung der Tugen-
SEPTIMIUS SEVERUS 104 A.37
den, Pietas
Q. SERTORIUS 436
• Providentia 78– 85
SIEG, errungen ohne Waffen
auch Traian, Herleitung des Anspruchs auf Herrschaft durch, Senat • Saeculum 69 A.20, 99, 145 A.97
•Securitas
76, 100– 107, 132, 219f.,
237f., 256 A.132, 294 auch Concordia SEIANUS
Aelius
SENAT/ SENATOREN
• Nähe zumKaiser 15, 21ff., 48ff., 63, 71f., 96, 121, 126f., 168, 170, 182, 202– 206, 252 A.118, 256 A.132 • ‚Freundschaft‘mitdemKaiser 22f. auchAbwesenheit, kaiserliche
• Dacicus 12, 117 A.14, 141 A.82, 281, 380, 395, 413, 494 •Germanicus 12, 46, 73, 116f., 124, 142, 147, 149, 156f., 160, 130, 133, 137– 282, 291, 380 A.192, 395 276, 279– • Parthicus 141 A.82, 281, 395, 494 •Usus der Titelführung 117, 280ff., 360, 494 auch Optimus-Titel SIEGHAFTIGKEIT
C. SILIUS A. CAECINA LARGUS, cos. 13 SILIUS ITALICUS (Tib. Catius S. I.), Epiker,
auch Kapital, symbolisches
auch Plinius, Funktion der Briefe auch Triumph, Verzicht auf voreilige
cos. 69 146, 208f. SINUESSA 389
SKLAVEN 303
Triumphe
Ungewissheit
im Um-
auch Atrium Libertatis
gang mit demKaiser 50, 57– 73, 61, 69–
112, 130f., 135, 160, 170, 197, 97, 108– 201, 234f., 237 A.70, 239f., 276ff., 362 •Verhalten gemäß dem kaiserlichen 189 Vorbild 111, 185–
• Habitusinszenierung/ (Selbst-) 257 189, 250– lung 185–
Darstel-
auch Plinius derJüngere
•Konkurrenz/
Standeskontrolle
44f.,
101, 121, 127, 49f., 54ff., 72, 93f., 95– 211, 218, 248– 254, 148f., 184f., 201–
271, 430 auch Rezitation
auchAdventus
• unter Domitian 119, 221, 255 • als Adressaten desPanegyricus 225ff. • als Adressaten der Restitutionsmünzen 421, 423, 483 SENATUS CONSULTUM DE CN. PISONE PA-
TRE 222 A.25
Imago, grundsätzliche
undkonkrete Sieghaftigkeit n.Chr. 207 A.23
auch Affirmatives Fordern
•Unsicherheit/
144, 150f.
SIEGERBEINAMEN
auch Domitian, in der trainischen Herrschaftsdarstellung, Servitus SKYTHEN 136 A.64 SMYRNA 89
SOL
• Aetemitas-Konzept 462ff. • auf Restitutionsmünzen 448 • in derReichsprägung 464 Q. SOSIUS SENECIO, cos. 99, cos. II 107 348 A.61 SPANIEN 60 A.9, 123f., 162, 165 A.24, 172, 286 SPES
auf Restitutionsmünzen 357, 461 auch Traian, Geburtsjahr SPIELE
• Circusspiele 25, 28, 332, 366 A.135, 425, 441 383 A.202, 398, 407 A.14, 422– A.51 auch „Brot undSpiele“
552
REGISTER
• Ludi Herculei 407, 424 SPOLIEN 115, 128, 284, 346, 366ff., 368 A.143, 387, 390, 395 A.257, 408, 494 • Ex manubiis 185f., 313, 323, 325, 360, 363, 366ff. • Spolia Opima 267, 293, 441 STÄDTEGRÜNDUNGEN 436ff. • mythische und historische Stadtgründer 438
• des Iuppiter auch Capitol
auch Vespasian, Darstellung als
338f., 389f.
Friedensbringer
‚STOISCHE OPPOSITION‘ 45 A.6, SUBSIDIENZAHLUNGEN
207, 215
143, 148, 152,
261 SUBURA
SUEBEN
auchPax • des Divus Traian undder Diva Plotina 310ff., 396
317, 457 A.43 46, 135, 140, 143, 155f., 159ff.
C. SUETONIUS TRANQUILLUS, römischer
Biograph 95f., 98, 104 A.37, 146 • Beurteilung Traians 486
P.
73,
• des Mars Ultor Forum desAugustus • des Saturn 477 • Templum Pacis 115, 129 A.41, 284, 325, 346f., 368 A.141, 204, 310, 321– 482 • Nutzung 322ff.
auchPomerium STATIUS
Optimus Maximus
155f., 289
SULPICIUS GALBA, Münzmeister
lium 323, 336, 346, 398f.
• der Vesta auf dem Forum Romanum 456f., 458 A.48, 468 A.2, 471 TENCTERER 142f.
69 v.
Chr. 454 SUOVETAURILIA
• derVenus Genetrix auf demForum Iu-
401 A.289, 377f.
45, 122, 125, 176ff., 251 A.116, 279, 280, 283 A.78, 289 A.99, 352, 353 A.85, 431ff., 434 A.25, 452
SYRIA
D. TERENTIUS SCAURIANUS, cos.suff. um
104 385 A.206, 437 151 A.113
THAMUGADI
THEODOSIUS, römischer Kaiser
403 A.300
THERMEN DES TRAIAN
im Rahmen des traianischen Baupro298, 316, 429, 482
gramms
THRASEA PAETUS (P. Clodius T. P.), cos.
(P. Cornelius T.) 112 • ‚Germania‘ 134– 154
TACITUS
• historisch-politischer Kontext 135 • kommunikative Funktion 139, 141, 154 145– • Darstellung der germanischen Sitten 143ff., 144 A.97 TARRACINA 188
A.21
TEMPEL
• des Apollo auf demPalatin 457 A.44 • des Castor 477 • derConcordia 477 • desDivus Iulius 482 • desDivus Vespasianus 482
56 207 TIBER 133f., 185 A.7
35, 40 A.6, 102, 24 A.14, 31– 117 A.15, 136f., 185, 222 A.25, 357
TIBERIUS
TIFERNUM TIBERINUM
183ff., 191–197
auch Plinius, Darstellung als Guts-
herr TIGRIS
334 A.19, 489, 492
TIRIDATES 157 A.7
Q. TITIUS, Münzmeister 90 v. Chr. 465 A.74 TITIUS ARISTO, römischr Jurist 178
17, 62, 79 A.4, 82 A.8, 84, 102, 114f., 120, 281 A.70, 343 A.52
TITUS
553
REGISTER
• in der Herrschaftsdarstellung
Traians
245 • auf Restitutionsmünzen 445
• eigene Restitutionsprägungen 410 A.1 TRAIAN
• Geburtsjahr 104 A.37, 280, 460ff. • Darstellung derLebensphasen • Jugend/ Syrien 227, 279– 284, 352f. • Legat in Spanien 123f., 128, 227, 279, 284 • Legat in Germanien 45, 70, 148, 227, 271f., 276, 279f., 287 •Aufenthalt an Rhein und Donau 264, 271f., 380 134, 261– 113– auch Abwesenheit
• Loyalität gegenüber Domitian 45, 124, 287 127f., 284– • WegzurMacht • Unterstützer 45ff., 52f., 287f., 288
132ff., 149f., 221, 229, 234, 245, 246
A.101, 255, 261, 264, 265 A.18,
273f., 281ff., 284ff., 287, 296 A.5, 342, 347, 361f., 374f., 379f., 473,
481, 483 • Nerva 14, 47 A.10, 58f., 61, 64– 67, 69f., 79, 163ff., 169, 173, 245, 288, 449, 451, 470, 473 • Darstellung der Tugenden (Auswahl) 225ff., 229, 232f., 242f., 263, 272 • Moderatio/Modestia 56f., 111, 231f., 240, 242f., 263ff., 264 A.18, 273f., 290f., 295 • Freigebigkeit liberalitas; Cura Virtus 75ff., 161, 264f.,
378f.
auchAmici
desHee131, res 45ff., 73f., 79, 85ff., 125– 148, 154, 181, 200f., 237, 271, 276, 291, 381, 446 278, 283f., 287– Drohen/ Rolle
• Herleitung des Anspruchs auf Herrschaft durch
•Adoption
58, 73, 138f., 395, 410f., 413f. • Gentilnomen ‚Ulpius‘ 439f. • Abgrenzung von/ Vergleich mit •Domitian 14, 38f., 56, 69f., 99,
• Fortitudo/
A.96, 290, 351
• militärisches
•Titulatur
64– 67, 72– 77, 78– 85,
104ff., 357, 360, 450f., 454
• göttliche Erwählung 64– 67, 72– 77, 106, 237, 242f., 246, 262, 286, 288, 291, 347, 405f., 450 • Consensus Universorum 72– 77 • denSenat 78– 85, 405 • eigene Taten und Tugenden 64– 67,
Imago, militärische Imago des
Princeps • Civilitas
93, 226, 229, 233, 240, 378 • Privatleben 238 A.74 auchImago, des Civilis Princeps • Pietas 64– 67, 75, 225, 244, 302, 378f., 385 • gegenüber denGöttern 244, 448f. • gegenüber Nerva 46, 164f., 244f., 454 449– •gegenüber Traianus Pater 165, 454 244, 451–
• gegenüber
früheren Principes
196
77, 85, 241, 243f., 269, 278 A.59, 72–
A.52, 449
344, 347, 360, 376, 380, 393, 450 • Traianus Pater 121ff., 284, 350– 354, 360, 450f., 453f. • Tradition der Vorgänger 196 A.52, 362, 453 274, 349–
• gegenüber derResPublica 244 auch Pietas auch Schlagworte, Pietas
• Darstellung • als Vorbild und Zuchtmeister 36, 40, 111, 128, 166f., 230, 231 A.53,
554
REGISTER
233ff., 269, 272f., 275f., 284, 287f., 291, 342 A.52, 347, 362, 384f., 392f.,
488 auch Censur auch Heer, Verhältnis zum Princeps
auch Senat, Nähe zumKaiser • als väterlicher Fürsorger 24ff., 75, 189, 200 130, 185–
ser • unddie Republik 226, 240, 283 • Anrede als Dominus 158f. TRAIANUS PATER (M. Ulpius Traianus)
• Statthalterschaft in Syrien 122, 279– 284
• in der Herrschaftsdarstellung T.s 83
auch Cura
auch Akzeptanzsystem, Rituale des Konsenses,
• als Consul 45, 52f., 124, 218, 226f., 235ff., 239, 345 • undder Senat Senat, Nähe zumKai-
Plebs
Urbana
und
A.11, 121ff., 129, 165, 264, 276, 284,
354, 357, 451– 454, 459 A.50 350– auch Divinisierung, des Traianus Pa-
Princeps
• als Förderer vonFrieden undKultur 12, 128, 132ff., 135, 149f., 157, 161, 211 A.31, 244, 256f., 263ff., 282, 287, 324f., 342f., 345ff., 360, 380, 385f., 393, 405, 434, 437f., 440, 487
auch Imago, militärische Imago des Princeps
auchMarcii, Marcia-Mutter Traians auch Parther, Herrschaftsdarstellung
imZuge derPartherkriege
auch Cura
TREVERER 142f.
auch Nemesis auch Prosperität •im Spannungsfeld zwischen Göttern
undMenschen 68f., 229, 240, 243, 501 • Vergleich mit Iuppiter 242f., 459, 464 auch Plotina, Vergleich mit Vesta
• Vergleich mit Hercules 128, 283 A.77, 408, 423ff. 285f., 361 A.116, 405– auchHercules auchImago, Imago desHeros auch Optimus-Beiname
•Wettstreit mit der
ter
Vergangenheit/
246, 261, 263, 267, 268f., 283, 288, 291, 300, 326, 343f., 356, 358, 360, 362, 365, 379, 395f., 427, 430f., 433ff., 440 • Bemühen ummilitärische Erfolge 124, 127f., 131, 134f., 148, 266, 352f., 487 auch Alexander der Große auch Imago, militärische Imago des Handeln gemäß des mos 243f.,
Princeps
• Anrede ‚Imperator‘ 73f., 158– 161 • als Stadtgründer 438
TRIUMPH
139, 84 A.18, 131 A.48, 136–
150f., 185, 258, 304, 320, 322, 324,
339, 342, 326f., 333, 334 A.19, 336–
348, 351, 353, 364f., 367f., 371, 344– 396, 398f., 379f., 385, 388, 390, 393– 401, 405, 407f., 490, 494
• Vision
eines Triumphes
im Panegyri-
268, 344f. A 57 cus 263– • Verzicht auf voreilige Triumphe 138f., 147, 264f., 267ff., 274, 393 A.249, 486, 493 auch Domitian, ‚ falsi triumphi ‘ •Ornamenta triumphalia 122f., 185, 280, 284, 305, 333, 352, 393 A.246 • Route desTriumphzuges 301, 443 • T. unddie Capitolinische Trias 443 TROIA
401 A.286
TROPAION TRAIANI
301
TUMULUS IULIORUM
chenzug/ Grablege
Augustus, Lei-
555
REGISTER
• Vestatempel auf dem Forum
USIPER 142 USURPATION/ BÜRGERKRIEG
17, 21, 26f.,
45, 119 A.22, 122ff., 126ff., 129 A.41f., 134, 200f., 237f., 279, 284f., 288f., 322f., 346, 381, 384, 446, 469
Roma-
num 456f., 458 A.48, 468 A.2, 471 • Vestakult auf dem Palatin/ Affinität
zurAugusta 355, 457ff., 463 A.63 • Vestalinnen 395, 456 auchAemilia
auch Verschwörung
VESTRICII
• Vestricius L. VALERIUS ACISCULUS, Münzmeister 45
v. Chr. 464 VELEIA 188 A.21
336, 346f., 357, 359, 395 auf Restitutionsmünzen 448
VIAE
VERCINGETORIX
auf Restitutionsmünzen 411 209 A.27
VERGIL
125,
221ff. VERSCHWÖRUNG
23 A.9, 24 A.14, 27,
119 auch Usurpation
14, 17, 62f., 79 A.4, 82 A.8, 84, 102, 114f., 117, 120, 122, 128f., 137, 139, 157 A.7, 199, 203f., 210, 211 A.31, 271, 280f., 352, 402 A.296, 436, 462 A.62, 469 A.9 • Lex de imperio Vespasiani 20 A.7, 114 • auf Restitutionsmünzen von Titus und Domitian 410 A.1 • Darstellung als Friedensbringer 304, 325, 346f. 322– auch Pax
VESPASIAN
auch Templum Pacis
auchIudaea Restitutionsmünzen
448f., 454–
462 • in der Reichsprägung 355, 456 • undAeternitas 462f. • undPietas 447, 456, 458
• Atrium Vestae 456
• Aemilia 68 A.18, 185 A.7 • Domitiana 389f. • Egnatia 353 A.85 • Sacra 339, 481 • Traiana 302 VIBIUS SEVERUS, Amicus desPlinius 247 VICTORIA 83, 151 A.113, 156f., 282, 314, 372, 387, 390, 397, 439, 442, 462 A.62, 468 A.1 VICUS IUGARIUS 477 VICUS
Tuscus 477
VIPSANII
• Vipsania
Agrippina Minor, Mutter
Ne-
ros 349
• M. Vipsanius Agrippa, cos. 37, cos.II 28, cos.III 27 v.Chr. • auf Restitutionsmünzen 430f., 438 VISIOTYP
• Definition 103 A.36, 303, 335, 365 • Doppelfüllhorn 102– 105, 461 auch Schlagwort, Felicitas Tempo-
VESTA
• auf
den 68 • T. Vestricius Spurinna, cos.suff.II 98 125, 145 A.99, 150f., 289 A.96 C. VETTENIUS SEVERUS, cos.suff. 107 257
VENUS
L. VERGINIUS RUFUS, cos.III 97
Cottius, Sohn des Folgen-
rum • Reiterstandbild 303, 336– 344 • Säulenmonument 303, 372– 376, 397
• Imagines Clipeatae 165, 356, 439f. • Gefesselter/ Stützfigur 303, 363– 366, 420, 435f. auch Betrachter auch Bildsprache
556
REGISTER
62, 114, 116, 205f., 211 A.31, 446, 455, 459
VITELLIUS
VITRUV 334 VOCONIUS ROMANUS (C.
Licinius Mari-
nusV. R.), Amicus desPlinius 94f., 98, 179, 196, 219 158– • Empfänger desPanegyricus 219 VOLTURNUS 390
VOTA 237f., 287, 444 A.8 VULCANUS
auf Restitutionsmünzen 448
WETTERAU 116 WINDISCH (Vindonissa)
126 A.37
XANTEN (Colonia Ulpia Traiana)
ZYPERN 492
130, 137
Anhand der Regierung Traians wird das Phänomen der Herrschaftsdarstellung im römischen Principat betrachtet. Es wird deutlich, dass sich Herrschaft nicht in einem autoritären, hierarchisch organisierten Regieren erschöpfte, sondern im Wesentlichen durch Konsens funktionierte. Um diesen Konsens herzustellen, war ein fortlaufender Prozess der Kommunikation nötig, in dem der Kaiser und jene Gruppen, die für seine Akzeptanz wesentlich waren, affirmative Forderungen an das Verhalten
des Gegenübers formulierten und ihrerseits auf solche Wünsche reagierten. Die Arbeit unternimmt vor diesem Hintergrund eine zum Teil grundlegende Neubewertung bekannter Quellen und zeigt exemplarisch, wie das Zusammenspiel unterschiedlicher Medien die Darstellung des Kaisers konstituierte. Die Arbeit wurde ausgezeichnet mit dem Bruno-Snell-Preis der Mommsen-Gesellschaft.
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag
ISBN 3-515-08539-4
9 783515 085397