Taffe Kommissarinnen und emanzipierte Kommissare?: Zur sozialen Konstruktion zeitgenössischer TV-Ermittlerteams in deutschen Krimiserien 9783839440155

"Doppelter Einsatz" (Double the stakes) for gender studies: How traditional gender roles are (re)produced and/

143 15 9MB

German Pages 292 Year 2017

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Table of contents :
Inhalt
1. Einleitung
2. Konzeptioneller Rahmen
3. Bewahrer der Ordnung – Der deutsche TV Kriminalkommissar
4. Von Mannsweibern und Hausfrauen – Kriminalkommissarinnen im deutschen Fernsehen
5. Gemischtes Doppel – Eine plurale Geschlechterkonstruktion?
6. Fazit und Ausblick
7. Quellenverzeichnis
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Taffe Kommissarinnen und emanzipierte Kommissare?: Zur sozialen Konstruktion zeitgenössischer TV-Ermittlerteams in deutschen Krimiserien
 9783839440155

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Raphaela Tkotzyk Taffe Kommissarinnen und emanzipierte Kommissare?

Gender Studies

Raphaela Tkotzyk, geb. 1979, lehrt Neuere deutsche Literaturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Didaktik an der Technischen Universität Dortmund. Sie hat in Siegen, Bochum und an der University of Virginia (USA) studiert.

Raphaela Tkotzyk

Taffe Kommissarinnen und emanzipierte Kommissare? Zur sozialen Konstruktion zeitgenössischer TV-Ermittlerteams in deutschen Krimiserien

Originaltitel der Dissertation: »Zwischen emanzipierter Männlichkeit und erweiterter Instrumentalität - Zur sozialen Konstruktion zeitgenössischer TV-Ermittlerteams in deutschen Krimiserien« Disputation: 24. November 2015

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2017 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4015-1 PDF-ISBN 978-3-8394-4015-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

1. Einleitung | 7 2. Konzeptioneller Rahmen | 19

2.1 Geschlechterforschung und Geschlechtsdarstellung – Eine Forschung über die Weiblichkeit? | 19 2.2 Geschlecht als gesellschaftliche Normkategorie | 24 2.3 Geschlechterstereotype und Geschlechterrollen | 28 2.3.1 Geschlechterstereotype | 28 2.3.2 Geschlechterrollen | 33 2.4 Konzepte pluraler Geschlechtsidentitäten | 38 2.4.1 Substereotype | 39 2.4.2 Travestie und Maskerade | 40 2.4.3 Das Konzept der Androgynie | 43 2.5 Geschlecht und Kleidung | 45 2.6 Geschlecht und Sprache | 51 2.7 Film und Fernsehen als Orte der Geschlechterpräsentation | 54 3. Bewahrer der Ordnung – Der deutsche TV Kriminalkommissar | 61

3.1 Wann ist ein Mann ein Mann? | 62 3.2 Der deutsche TV-Kriminalkommissar | 71 3.2.1 Kommissar Keller – Vaterfigur der deutschen Nachkriegsgeneration | 71 3.2.2 Weg von der Vaterfigur – hin zum „Schmuddelkommissar“ | 77 3.3 Moderne Ritter? Die Männer von „Alarm für Cobra 11“ | 82 3.3.1 Geschlechtstypische Verhaltensweisen | 86 3.3.2 Körperlichkeit und männliches Kleidungsverhalten | 103 3.3.3 Zwischen Vaterfigur und Individualist | 109 3.3.4 Das neue Rollenverständnis des 21. Jahrhunderts | 115 3.4 Männliche Rhetorik | 124 4. Von Mannsweibern und Hausfrauen – Kriminalkommissarinnen im deutschen Fernsehen | 139

4.1 Der weibliche Rezipient | 140 4.2 Die mediale Inszenierung von Kriminalkommissarinnen | 144 4.2.1 Die Genese der TV-Kriminalkommissarin | 149

4.2.2 TV-Kriminalkommissarinnen ab den 1990er Jahren | 156 4.3 „Doppelter Einsatz“ – doppelte Frauenpower? | 169 4.3.1 Weiblichkeitskonzepte in „Doppelter Einsatz“ | 170 4.3.2 Kleidung als Ausdruck von Geschlechtlichkeit | 182 4.3.3 Weiblichkeitskonzepte zwischen Selbstverwirklichung und traditioneller Rollenverteilung | 190 4.4 Weibliche Rhetorik | 198 5. Gemischtes Doppel – Eine plurale Geschlechterkonstruktion? | 209

5.1 Gemischtgeschlechtliche Ermittlerduos im deutschen TV | 210 5.2 Plurale Geschlechteridentität? Die TV-Ermittler von “Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ | 217 5.2.1 Frank Traber – ein Vertreter traditioneller Männlichkeit? | 224 5.2.2 Susanna von Landitz – eine typische Frau? | 238 5.2.3 Kleidungsverhalten als Ausdruck von Geschlechtlichkeit | 242 5.2.4 Plurale Identität oder traditionelles Geschlechterverhältnis | 247 5.3 Rhetorik bei gemischtgeschlechtlichen Ermittlerpaaren | 255 6. Fazit und Ausblick | 267 7. Quellenverzeichnis | 273

7.1 Literaturquellen | 273 7.2 Internetquellen | 284 7.3 Fernsehsendungen und -serien | 289

1. Einleitung

In seinem 2008 erschienenen Werk „Jungen und Männer heute: die erschwerte männliche Sozialisation in der modernen Gesellschaft und ihre Folgen“ konstatiert Thomas Hertling, dass medial nach wie vor ein traditionelles Männerbild vorherrscht.1 Dieser Aussage steht jedoch die Feststellung entgegen, dass sich seit Beginn der 1990er Jahre immer mehr Frauen aus der passiven Opferrolle gelöst und aktivere Rollen mit Heldinnenambitionen in Film und Fernsehen eingenommen haben2, wie in „Aliens“ (1986), „Thelma und Louise“ (1991) und „Terminator 2“ (1991). Diese Veränderungen werden im Rahmen der Psychoanalyse als ein Bild der Kastration angesehen. Denn sie stellen eine Dramatisierung am Vergnügen des Machtgewinns und der Angst vor dem Machtverlust dar. Weiblichen Betrachtern ist es seitdem möglich sich mit dem idealen Bild einer machtvollen Frau zu identifizieren, die gleichsam schön und attraktiv ist, ohne dabei ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit einzubüßen.3 Deutlich wird dies besonders an der gestiegenen Anzahl weiblicher TV-Ermittler in deutschen TV-Krimiserien. Doch nicht nur das: Kritiker bezeichnen die zeitgenössischen TV-Kriminalkommissarinnen gar als Ikonen starker Weiblichkeit. Denn während sie zur Prime Time, alleine oder im Team ihre Fälle mal knallhart, mal weiblich raffiniert, mal intuitiv und dann wieder betont analytisch lösen4, ermitteln ihre männlichen Kollegen, einst alleinige Bewahrer der Ordnung sowie Beschützer der Schwachen, hauptsächlich im Vorabendprogram oder verwandeln sich zu musizierenden Softies, die

1

Vgl.: Hertling, Thomas: Jungen und Männer heute. Die erschwerte männliche Soziali-

2

Vgl.: Tasker, Yvonne: Spectacular Bodies: gender, Genre, and the Action Cinema. Lon-

3

Vgl. ebd., S. 16.

4

Vgl.: Kubitz, Peter Paul/Gerlinde Waz: Die Kommissarinnen. Berlin 2004, Klappen-

sation in der modernen Gesellschaft und ihre Folgen, Berlin 2008, S. 47. don 1993, S. 16.

text.

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von Selbstzweifeln geplagt ihren Dienst quittieren.5 Hierdurch entsteht der Eindruck, dass die fiktiven Ermittler und Ermittlerinnen die sozial verankerten Geschlechterbilder ins Wanken bringen, die der Frau den Platz im Haushalt und bei den Kindern, dem Mann dagegen, als Repräsentanten der öffentlichen Welt, den Bereich außerhalb des Hauses zuteilen. Dieser Eindruck scheint sich bei gleichgeschlechtlichen Ermittlerpaaren noch zu intensivieren, denn hier wird - zumindest vordergründig - das Bild vermittelt, dass einer der Partner die heterosexuelle Matrix, in der der Mann als Ausgangspunkt der geschlechtlichen Dichotomie definiert ist, durchbricht. Wodurch die Annahme nahe liegt, dass die Ermittlerteams des 21. Jahrhunderts ein subversives Potential zur Durchbrechung des traditionellen Geschlechterverhältnisses gefunden haben. Doch stimmen diese Wahrnehmungen überhaupt? Bedeutet das verstärkte Auftreten weiblicher TV-Ermittler gleichzeitig eine Stärkung der Emanzipation in den Medien sowie eine Veränderung des traditionellen Rollenbildes? Oder erliegen wir hier einem Trugschluss? Muss vielleicht doch Hertling Recht gegeben werden, wodurch sich alle Bemühungen der medialen Emanzipation als nichtig erweisen würden. Um dies zu klären, geht die nachfolgende Untersuchung der Frage nach, ob und inwiefern sich die soziale Konstruktion der TV-Kriminalkommissare und -Kommissarinnen von der traditionellen Sichtweise auf Mann und Frau unterscheidet? Man könnte auch fragen: Inwieweit bedienen sich die Macher zeitgenössischer TV-Krimiserien der traditionellen Geschlechterstereotypen und inwieweit erschaffen sie ein neues Rollenverständnis? Um die oben aufgeworfenen Fragen klären zu können, soll eine Analyse bzw. Offenlegung der Geschlechterstereotypen fiktiver Kommissare und Kommissarinnen erfolgen. Denn Geschlechterstereotypen stellen ein umfassendes System von Alltagsannahmen über die Geschlechter und das ihnen anhängige Rollenverhalten dar und spiegeln das gesellschaftlich vorherrschende Ungleichgewicht von Frauen und Männern in verschiedenen sozialen Rollen wider.6 Als Grundlage dieser Analyse dient das aus der Sozialpsychologie stammende Stereotypinhaltsmodell, welches so Cuddy „proposes potentially universal principles of societal stereotypes and their relations to social structure.“7 Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die Ausführungen von William und Best gelegt, wie sie bei Dorothee Alfermann in 5

Vgl. diesbezüglich: Alarm für Cobra 11: Einsame Entscheidung.

6

Vgl.: Athenstaedt, Ursula/ Alfermann, Dorothee: Geschlechterrollen und ihre Folgen. Eine sozialpsychologische Betrachtung, Stuttgart 2011, S. 14. Vgl. diesbezüglich auch Alice Eagly: Sex differences in social behavior: A social-role interpretation. Hilsdale, N.J. 1987.

7

Cuddy, Amy J., u.a.: Stereotype content model across cultures: Towards universal similarities and some differences. In: British Journal of Social Psychology (2009), 48, S. 2.

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„Geschlechterrollen und geschlechtstypisches Verhalten“ beschrieben und analysiert werden.8 Als Untersuchungsgegenstand dienen zwei gleichgeschlechtliche sowie ein gemischtgeschlechtliches Ermittlerteam. Dabei erfolgt die Analyse der Geschlechterstereotypen anhand eines Close Readings ausgewählter Folgen der TV-Krimiserien „Alarm für Cobra 11“ (RTL), „Doppelter Einsatz“ (RTL) und „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ (RTL). Angeregt durch Untersuchungen aus dem anglo-amerikanischen Raum wurde die mediale Darstellung der Geschlechter, insbesondere in Hinblick auf die Repräsentation von Frauen, auch in Deutschland ab den 1970er Jahren zum Forschungsgegenstand. Als Grundlage der deutschen Forschung galten die Arbeiten von Laura Mulvey „Visual Pleasure and Narrative Cinema“ aus dem Jahre 1975 sowie Gaye Tuchmans Aufsatz „The Symbolic Annihilation of Women by Mass Media“, der vier Jahre später entstanden ist. Während Mulvey nachzuweisen versuchte, dass der Blick im Kino grundsätzlich männlich ist, stellte Tuchman fest, dass das Leben von Frauen in den Medien trivialisiert wird.9 Eine der ersten deutschsprachigen Studien in diesem Forschungsfeld verfasste 1975 Erich Küchenhoff.10 Er befasste sich darin mit der Unterrepräsentanz von Frauen in den Medien. Obwohl er damit das Geschlechterungleichgewicht in den deutschen Medien erstmals in den Mittelpunkt der Diskussion stellte, fand seine Arbeit zunächst wenig Beachtung, da zu diesem Zeitpunkt an der Geschlechterforschung im deutschsprachigen Raum grundsätzlich wenig Interesse bestand. Dennoch entstanden in der nachfolgenden Zeit kontinuierlich Arbeiten über die Geschlechterverhältnisse in den Medien11, welche nicht nur bestätigen, dass Frauen im deutschen Fernsehen quantitativ unterrepräsentiert sind, sondern auch im Gegensatz zu Männern weniger Handlungsfreiraum besaßen. Des Weiteren fiel auf, dass das deutsche Fernsehen primär zwei Arten von Frauentypen anbot. Zum einen den Typ Hausfrau und Mutter, zum anderen die junge, attraktive und berufstätige Singlefrau.12 Fazit: Männer und Frauen wurden auf ihre geschlechtstypischen Verhaltensweisen festgeschrieben.

8

Vgl. diesbezüglich: Alfermann, Dorothee: Geschlechterrollen und geschlechtstypisches

9

Vgl.: Wenger, Esther: Wie im richtigen Fernsehen. Die Inszenierung der Geschlechter

Verhalten, Stuttgart: 1996. in der Fernsehfiktion. Hamburg 2000, S. 59. 10 Vgl. diesbezüglich: Küchenhoff, Erich: Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen – eine empirische Untersuchung der Universität Münster. Kohlhammer 1975. 11 Vgl.: Wenger 2000, S. 59. 12 Vgl. ebd., S. 65.

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Eine der umfassendsten Studien zum Geschlechterverhältnis im deutschen Fernsehen ist Esther Wengers Arbeit „Wie im richtigen Fernsehen. Die Inszenierung der Geschlechter in der Fernsehfiktion“ aus dem Jahre 2000. Wenger analysierte die Inszenierung der Geschlechter im fiktionalen Bereich zweier öffentlich-rechtlicher und zweier privater Sender. Als Datengrundlage diente ihr das Angebot verschiedener Sender an einem festgelegten Tag. Sie analysierte über 48 Programmstunden und kam dabei zu dem Ergebnis, dass Frauen nicht nur quantitativ unterrepräsentiert sind, sondern dass weibliche und männliche Figuren sich auch im Hinblick auf ihre Handlungsrelevanz und dramaturgische Funktion deutlich voneinander unterschieden. Dabei entspricht die Darstellung weiblicher Figuren dem traditionellen Rollenbild. Vordergründig wird zwar das Bild einer aktiven, starken Heldin vermittelt. Auf den zweiten Blick kommt die Erkenntnis, dass sich die vermeintlich starken Frauen in Wahrheit allenfalls oberflächlich emanzipiert geben, denn zwischen den Zeilen, so Esther Wenger, dementieren sie die Gleichberechtigung, indem sie von der Heldinnenrolle zurück in die Opferrolle fallen, in der sie als Versagerinnen nicht nur physische, sondern auch psychische Gewalt erdulden, an Depressionen leiden und zum Schluss stereotypkonform zum Friseur gehen, um sich wieder besser und als Frau zu fühlen. Dies, so Wenger, trifft nicht nur auf die großen Hollywoodfilme zu, sondern auch auf das deutsche Fernsehen.13 Zudem stellte sie fest, dass auch die körperliche Inszenierung beider Geschlechter ungleichwertig ist und daher entsprechend hierarchisch geprägt erscheint.14 Obwohl Wenger eine Bandbreite an verschiedenen fiktionalen Genres in ihre Studie einbezieht und sich eingehend mit der Stereotypisierung von Geschlecht beschäftigt, fällt auf, dass diese Untersuchung kaum deutsche Produktionen berücksichtigt, wodurch die darin gemachte Aussage, über die in Deutschland vorherrschende Auffassung von Geschlecht, schwer nachvollziehbar ist. Hinzu kommt, dass der Untersuchungszeitraum kaum Serien- oder Spielfilmformate enthält, die zum eigentlichen Zeitpunkt der Studie entstanden sind. Hierdurch wird eine Aussage über den tatsächlichen Stand von Geschlechterkonstruktion im deutschen Fernsehen zum Zeitpunkt der Untersuchung erschwert. Wenger selbst räumt diese Limitierung ihrer Untersuchung ein. „Einschränkend ist folgendes anzuführen: Dieses Ergebnis reflektiert zwar stichprobenhaft das gegenwärtige Angebot an Fernsehunterhaltungen in Deutschland, aber es repräsentiert nicht unbedingt oder ohne weiteres auch den aktuellen Stand der „Geschlechterkonstruktion“ durch das Medium.“15 13 Vgl.: Wenger 2000, S. 50. 14 Vgl. diesbezüglich ebd. 15 Ebd., S. 346.

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Des Weiteren muss erwähnt werden, dass trotz der Tatsache, dass Wenger im Verlauf ihrer Untersuchung auf die zunehmende Zahl „neuer Frauenbilder“ sowie das vermehrte Auftreten von Kommissarinnen in der deutschen Fernsehlandschaft aufmerksam gemacht wurde und ihr mehrfach die Möglichkeit geboten wurde, die bereits erarbeiteten Ergebnisse zu überprüfen, sie diese nicht in ihre Untersuchung aufgenommen hat,16 weshalb ihre Arbeit für die nachfolgende Analyse nur bedingt geeignet ist. Weitere aktuelle Arbeiten zur Darstellung von Geschlecht, und hierbei mit Fokus auf das Action- und Krimigenre, in Film und Fernsehen liefern Carla Hopfner in „Lara Croft und Charlies Angels“ (2005) sowie Kathrin Friedrich in „Film. Killing. Gender. Weiblichkeit und Gewalt im zeitgenössischen Hollywoodfilm“ (2008). Diese Untersuchungen setzen sich kritisch mit der Geschlechterstereotypisierung in den Medien auseinander und stellen dabei einheitlich fest, dass Frauen im Zuge der Postmoderne ihrer gängigen Stereotypen enthoben und zu Killerinnen und Action-Heldinnen ernannt wurden.17 Da sich jedoch keine dieser Arbeiten mit TV-Kriminalkommissarinnen im Speziellen befasst, sind auch sie nur eingeschränkt verwendbar. Zum medialen Auftreten von Kriminalkommissarinnen nehmen Gabriele Dietze im Jahre 2004 mit „Die Kommissarin: eine deutsche Medienkarriere“ und Ursula Berner in „Rebellinnen, zum Schutze der Gesellschaft“ (2005) Stellung. Berners Arbeit betrachtet die deutschsprachigen TV-Ermittlerinnen vom Standpunkt der Gender Studies und untersucht dabei anhand kurzer Sequenzen der jeweiligen Serien Darstellung und Ausdrucksweise, sowohl in körperlicher als auch in verbaler Form. Dabei kommt sie jedoch zu keinem eindeutigen Ergebnis bezüglich der sozialen Konstruktion von Kriminalkommissarinnen. Zudem vernachlässigt ihre Arbeit die partnerschaftliche Konstellation weiblicher Ermittlerteams.18 Dietze ist die Einzige, die in ihrer Analyse auch den gleichgeschlechtlichen Kooperationspartnerinnen Aufmerksamkeit schenkt. Dabei geht es jedoch weniger um geschlechtstypische Merkmale und die soziale Konstruktion im Team als um die allgemeine Feststellung, dass RTL im Jahre 1994 auch ein

16 Wenger 2000, S. 11. 17 Vgl. diesbezüglich: Hopfner, Carla: Lara Croft und Charlies Angels. Wien 2005; Friedrich, Kathrin: Film. Killing. Gender. Weiblichkeit und Gewalt im zeitgenössischen Hollywoodfilm. Marburg 2008. 18 Vgl. diesbezüglich: Berner, Ursula: Rebellinnen, zum Schutze der Gesellschaft. Die Kommissarinnen im deutschsprachigen Fernsehen. Rosa-Mayreder-College, Wien, Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, Strobl/OÖ VHS-Ottakring, Wien 2005.

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weibliches Ermittlerteam erschuf, das zwischen verschiedenen Konzeptentwürfen angesiedelt war.19 In Bezug auf wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Männer in den Populärmedien und im speziellen im Bereich des Fernsehens muss festgehalten werden, dass es sich hierbei um ein bis dato noch sehr unerforschtes Themengebiet handelt, da vor allem die kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung zunächst einmal die Erforschung der medialen Repräsentation der Frau in den Mittelpunkt ihres Interesses stellte.20 Im Zuge dieser wissenschaftlichen Betrachtungsweise fand die mediale Konstruktion und Darstellung von Männern durchaus Erwähnung, jedoch zumeist nur als Abgrenzung zur weiblichen Darstellungsweise beziehungsweise als Vergleich, um die Unterrepräsentation von Frauen zu verdeutlichen. Erst in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten wuchs die Beschäftigung mit dem Thema „Männlichkeit“ vor allem im Rahmen der Men’s Studies. Im deutschsprachigen Raum entwickelt sich langsam eine kritisch-soziologische Männerforschung. Nach wie vor bilden Arbeiten, die sich explizit mit der sozialen Konstruktion von Männlichkeit auseinandersetzen eine Ausnahme. Hier ist es insbesondere Michael Meuser, der sich der soziologischen Geschlechterforschung mit Fokus auf die Betrachtung des männlichen Körpers, widmet. Eine der neusten Arbeiten zu dieser Thematik legt Jan Benson mit „Männer und Muskeln. Über die soziale Konstruktion des männlichen Körperideals“ vor. Im Bereich der medialen Repräsentation lässt sich im deutschsprachigen Raum vor allem die umfangreiche Arbeit „Männer in den Medien“ der Gendertheoretikerin und Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Ponocny-Seliger und ihres Mannes, dem empirischen Methodiker Ivo Ponocy aus dem Jahre 2006 ausmachen. Mit Hilfe quantitativer und qualitativen Forschungsansätzen wird der Darstellung als auch der Wahrnehmung von Männern in den Medien nachgegangen. Dabei geht es unter anderem um die Darstellung von Männern als Väter, in der Partnerschaft oder Familie sowie um den Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Als Grundlage ihrer Untersuchung dienten 34 Filme aus dem deutschen sowie englischsprachigem Raum sowie 45 Fernsehserien, von denen ein Großteil aus US-amerikanischen Produktionen stammt, der kleinere Teil aus deutschen oder österreichischen. Ein konkreter Fokus auf einen bestimmten Männertyp ist nicht gegeben, vielmehr ver-

19 Vgl. diesbezüglich: Dietze, Gabriele: Die Kommissarin. Eine Medienkarriere. In: Kubitz, Peter Paul; Waz, Gerlinde (Hrsg.): Die Kommissarinnen. Berlin 2004. 20 Vgl.: Klaus, Elisabeth: Von „ganzen Kerlen”, „neuen Männern” und „betrogenen Vätern“. Mediale Inszenierung von Männlichkeit. In: Jacoby, Nina u.a. (Hrsg.): Männer und Männlichkeiten. Disziplinäre Perspektiven. Zürich 2013, S. 93-116, hier: S. 94.

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sucht die Studie einen Überblick über die Darstellung männlicher Figuren zu geben, ohne sich auf einen bestimmten Figurentyp, wie beispielsweise Ermittler, Arzt, Anwalt oder Familienvater festzulegen.21 Mit speziellem Fokus auf den männlichen Ermittler lassen sich im anglo-amerikanischen Raum die Arbeit „Detecting Men“22 von Philippa Gates ebenfalls aus dem Jahre 2006 finden sowie „Crime, Fiction since 1800. Detection, Death, Diversity“ von Stephen Knight. Bei Knight wird der Kommissar jedoch ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des „Andersseins“ betrachtet. Hauptaugenmerk liegt hier auf dem homosexuellen Ermittler.23 In Bezug auf das Genre des TV-Krimis ist zu sagen, dass sich grundsätzliche eine Reihe von Arbeiten zu diversen deutschen TV-Kriminalserien ausfindig machen lassen. Vor allem der ARD-Krimi „Tatort“ wird in zahlreichen dieser Werke zum Gegenstand der Untersuchung. Eicke Wenzel lieferte 2001 mit „Ermittlungen in Sachen tatort. Recherchen und Verhöre, Protokolle und Beweisfoto“ ein umfangreiches Werk mit wissenschaftlichen Untersuchungen verschiedener Autoren und Wissenschaftler.24 Gerald Grote beschäftigte sich mit der TV-Kriminalfigur „der Kommissar“ und seiner Entstehung25 und Tom Zwaenepoel betrachtet in „Dem guten Wahrheitsfinder auf der Spur: Das populäre Krimigenre in der Literatur und im ZDF-Fernsehen“ Kriminalkommissare sowohl im literarischen als auch im medialen Kontext.26 Obwohl seit Beginn des 21. Jahrhunderts die Auseinandersetzung mit der deutschen TV-Kriminalserie und ihren fiktiven Charakteren immer stärker wird, so enthält doch keines dieser Werke Untersuchungen zur sozialen Konstruktion oder zu den Geschlechterrollen der deutschen TV-Kriminalkommissare und

21 Vgl. diesbezüglich: Ponocny-Seliger, Elisabeth/ Ivo Ponocn: Männer in den Medien. Wie werden Männer in Film, Serie und Werbung dargestellt und rezipiert? Wien 2006: Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen. 22 Vgl. diesbezüglich: Gates, Philippa: Detecting Women. Gender and the Hollywood Detective Film. New York 2011 sowie Gates, Philippa: Detecting Men. Masculinity and the Hollywood Detective Film. New York 2006. 23 Vgl. diesbezüglich: Knight, Stephen: Crime Fiction since 1800. Detection, Death, Diversity. Hampshire 2010. 24 Vgl. diesbezüglich Wenzel, Eike: Ermittlungen in Sachen tatort. Recherchen und Verhöre, Protokolle und Beweisfotos. Berlin 2001. 25 Vgl. diesbezüglich: Grote, Gerald: Der Kommissar. Die Serie und ihre Folgen. Berlin 2003. 26 Vgl. diesbezüglich: Zwaenepoel, Tom: Dem guten Wahrheitsfinder auf der Spur: Das populäre Krimigenre in der Literatur und im ZDF-Fernsehen. Würzburg 2004.

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-kommissarinnen. Ebenso wenig wird eine vergleichende Betrachtung von männlichen TV-Ermittlerteams untersucht. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es daher, nicht nur eine Analyse respektive Offenlegung der sozialen Konstruktion des Geschlechts von TV-KriminalkommissarInnen in Ermittlerteams auf Grundlage des Stereotypinhaltsmodells vorzunehmen, sondern auch einen ersten Schritt zur Schließung einer Forschungslücke im Bereich der Gender Studies, aber auch der interdisziplinären Verwendbarkeit im Allgemeinen und mit den Film- und Fernsehwissenschaften zu machen, da bis dato keine Untersuchungen zu dieser Thematik vorliegen. Dies soll dadurch geschehen, dass interdisziplinär die Erkenntnisse aus der soziologischen und psychologischen Geschlechterforschung mit der Medienforschung verbunden werden. Dabei soll aufgezeigt werden, dass in Bezug auf TV-Kriminalkommissarinnen nur bedingt von einer ‚starken Weiblichkeit‘ gesprochen werden kann, denn die Analyse wird zeigen, dass sich die Macher zeitgenössischer TV-Krimiserien bei der ‚Zeichnung‘ ihrer fiktiven KriminalkommissarInnen an traditionellen Geschlechterstereotypen orientieren. Dies bedeutet, dass die sozial verankerten Geschlechterbilder auf einer tieferen Ebene nicht ins Wanken gebracht werden, sondern dies nur an der Oberfläche geschieht. Gleichzeitig macht die Offenlegung der Stereotypen aber auch deutlich, dass Ansätze zu pluralen Identifikationskonstruktionen vorhanden sind, diese aber nicht stark genug hervortreten, um eine grundlegende Veränderung des Rollenverständnisses herbeizuführen, wohl aber zu einer Diskrepanz zwischen sozial geteilter Erwartungshaltung und tatsächlichem Verhalten der TV-KriminalkommissarInnen führt. Die Analyse wird anhand der TV-Serien „Alarm für Cobra 11“ (RTL), „Doppelter Einsatz“ (RTL) und „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ (RTL) durchgeführt. Die Entscheidung für diese TV-Serien erfolgte durch den Umstand, dass der deutsche Privatsender RTL mit „Doppelter Einsatz“ zum ersten Mal im deutschen Fernsehen eine Kriminalserie produzierte, in der zwei weibliche Kriminalkommissare in den Hauptrollen zu sehen waren. Zeitgleich entstand ebenfalls im Auftrag von RTL die Serie „Alarm für Cobra 11“. Hier bilden zwei männliche Kriminalkommissare ein Ermittlerteam. Die Serie „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ wurde zum einen ausgewählt, weil in ihr mit Frank Traber und Susanna von Landitz zwei gemischtgeschlechtliche Ermittler agieren und somit hier im direkten Vergleich geschlechtstypische bzw. atypische Charaktermerkmale aufgezeigt werden können. Zum anderen ist die Entscheidung auf diese Serie gefallen, weil sie ebenfalls vom Privatsender RTL produziert wurde, somit denselben Anforderungen bezüglich Konzept und Publikum entspricht wie die beiden zuvor genannten Formate.

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Bei der Zusammenstellung der einzelnen Folgen wurde darauf geachtet, dass die TV-Ermittlerpaare Ben und Semir, Sabrina und Ellen sowie Frank und Susanna vor dem Hintergrund der sozial-wissenschaftlich-hermeneutischen Grundannahme, dass die Anfangssequenz eines Textes ein besonderes Erkenntnispotential enthält, weshalb sie einer ausführlichen Beschreibung und Interpretation bedarf, vor allem in ihrer gemeinsamen Pilotfolge gezeigt werden. Bei der Auswahl der weiteren Folgen wurde darauf geachtet, dass ausreichen Sequenzen vorliegen, welche die Ermittlerpaare in unterschiedlichen Situationen ihres Alltags zeigen. Hierdurch soll eine objektive Offenlegung der geschlechtstypischen und möglicherweise geschlechtsatypischen Charakteristika gewährleistet werden. Kapitel 2 bietet einen Überblick über den konzeptionellen Rahmen, der dieser Untersuchung zugrunde liegt. Im Fokus steht dabei das Stereotypinhaltsmodell sowie die ihm anhängigen Rollenbilder. Dabei wird einleitend ein Blick auf das Geschlecht als gesellschaftliche Normkategorie und seine Auswirkungen auf den Bereich der Erwerbstätigkeit geworfen, die mit Beginn der Industrialisierung in einer strikten Trennung der gesamtgesellschaftlichen Arbeitsteilung mündete, durch die sich die Aufgaben für Männer und Frauen auf die Bereiche innerhalb und außerhalb des Hauses verteilte. Gleichzeitig bedingte diese Arbeitsteilung die Herausbildung typisch männliche und weibliche Berufsfelder, die größtenteils noch heute Bestand haben. Innerhalb dieser spielt die geschlechtliche Segregation und mit ihr die Geschlechterstereotypen und die mit ihnen einhergehende gesellschaftliche Betrachtungsweise eine besonders wichtige Rolle. Welchen Stellenwert Geschlechterstereotypen und die ihnen anhängigen Rollenbilder über den Aspekt der Arbeitsteilung noch haben und inwiefern diese für die Analyse der TVKriminalkommissare, die innerhalb dieser Untersuchung betrachtet werden sollen, stehen, wird in diesem Kapitel erklärt. In Kapitel 3 wird ein Bogen vom ersten deutschen TV-Kriminalkommissar der 1960er Jahre und seiner sozialen Konstruktion über die Veränderung dieser Figur mit Anbeginn der 1990er Jahre bis hin zum aktuellen Ermittlerteam von „Alarm für Cobra 11“ gespannt. Hierbei stehen sowohl die maskulinen Charaktermerkmale des Stereotypinhaltsmodells im Vordergrund, als auch die Veränderungen der männlichen Rolle innerhalb der vergangenen sechs Jahrzehnte. Zudem wird anhand des Verhaltens- und des Kleidungsstils wird überprüft, inwiefern die TVKriminalkommissare von „Alarm für Cobra 11“ dem traditionellen Bild eines Mannes entsprechen und inwieweit Abweichungen vorzufinden sind. Abschließend werden mit Hilfe des sprachwissenschaftlichen Ansatzes die Sprechweise und das Sprachverhalten der TV-Kriminalkommissare untersucht. Dabei soll analysiert werden, inwiefern sich auch das Sprachverhalten an den typisch männli-

16 | TAFFE KOMMISSARINNEN UND EMANZIPIERTE KOMMISSARE?

chen Sprachcharakteristika orientiert und inwiefern das vorzufindende Sprachverhalten die Ergebnisse der vorausgegangenen Analyse der Geschlechtsmerkmale unterstützt. In Kapitel 4 erfolgt sowohl eine Betrachtung des weiblichen Rezipienten als auch eine Darstellung der medialen Darstellung von Kriminalkommissarinnen im Allgemeinen und im zweiten Teil im Speziellen mit dem Ermittlerduo der beiden weiblichen Kommissarinnen von „Doppelter Einsatz“ (RTL). In einer vergleichenden Analyse der Verhaltensweise sowie des Kleidungsstils werden die weiblichen und männlichen Geschlechtscharaktere der beiden TV-Ermittlerinnen herausgearbeitet und einander gegenüber gestellt. Im letzten Punkt erfolgt zudem eine Analyse des Sprachverhaltens, wobei der Frage nachgegangen wird, inwieweit sich die Kriminalkommissarinnen hierbei typisch weibliche Sprachmuster bedienen. Anhand der Analyseergebnisse soll festgestellt werden, ob und inwiefern sich die soziale Konstruktion der TV-Kommissarinnen am Stereotypinhaltsmodell und somit an der sozial geteilten Verhaltenserwartung über die Genus-Gruppe Frau orientiert bzw. ob es möglicherweise zu einer Durchbrechung geschlechtstypischer Verhaltensweisen kommt, durch die das traditionelle Geschlechterverhältnis ins Wanken geraten kann. In Kapitel 5 erfolgt abschließend die Analyse des gemischtgeschlechtlichen Ermittlerpaares. Hier wird auch das Konzept der Androgynie miteinbezogen. In Bezug auf die Untersuchung der sozialen Konstruktion von TV-Ermittlerteams wird diesbezüglich die Frage gestellt, inwieweit die Zusammenarbeit eines nicht geschlechtshomogenen Paares die gegenseitige soziale Konstruktion beeinflusst und verändert. Dabei gilt es zu klären, inwiefern sich die Konstruktion der beiden Ermittler an den traditionellen Geschlechterstereotypen orientiert oder ob es möglicherweise sogar zu einer Auflösung der Geschlechterdichotomie kommt, die im Lebensentwurf der Androgynie kulminiert. Auch bei dieser Untersuchung stehen, wie in den vorherigen Kapiteln, Verhalten, Kleidungsstil und linguistische Aspekte im Fokus der Analyse. In Bezug auf die Lesart dieser wissenschaftlichen Arbeit muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass aus Gründen der Gleichstellung von Männern und Frauen die Schreibweisen „TV-KriminalkommissarInnen“, „ErmittlerInnen“, „WissenschaftlerInnen“ sowie „RezipientInnen“ und „ZuschauerInnen“ gewählt werden, sofern beide Geschlechter betroffen sind. Des Weiteren muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass primär der Terminus „geschlechtstypisch“ Verwendung findet. Es wird jedoch auch vereinzelt von „geschlechtsspezifisch“ gesprochen. Dies folgt daraus, dass heutzutage beide Begriffe meistens synonym verwendet

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werden und die traditionelle Einteilung, wie sie in den 1970er Jahren vorgenommen wurde, nicht mehr bedacht wird.

2. Konzeptioneller Rahmen

2.1 G ESCHLECHTERFORSCHUNG UND G ESCHLECHTSDARSTELLUNG – E INE F ORSCHUNG ÜBER DIE W EIBLICHKEIT ? Wie in vielen anderen wissenschaftlichen Disziplinen gibt es seit mehreren Jahrzehnten auch in den Geisteswissenschaften eine Geschlechterforschung, die sich nicht nur fachlich vielfältig erwiesen hat, sondern vor allem auch unübersehbar ist, weshalb eine Betrachtung der sozialen Konstruktion von Individuen in diesem Bereich grundsätzlich nicht ohne eine einleitende Darstellung der Geschlechterforschung an sich erfolgen kann. Tabelle 1: Feminismus und Gender Studies im Vergleich

Prämissen

Frauenforschung Natürliche Geschlechterdifferenz ist Ausgangsbasis

Geschlechterforschung Geschlechterdifferenz wird sozial/kulturell hergestellt

Geschlechterdifferenz ist Ergebnis des Patriarchats und der Sozialisation

Differenz wird in Interaktionen zwischen Mann und Frau ständig konstruiert und aufrechterhalten

Stabilität der Geschlechteridentität

Fragilität der Geschlechteridentität

20 | TAFFE KOMMISSARINNEN UND EMANZIPIERTE KOMMISSARE?

Fokus der Forschung

Rollentausch von Gender ist nicht möglich Frau, das Weibliche, das Ausgeschlossene Die Norm Abweichungen von der Norm

Forschungsziele

Transparenz der Differenz Aufzeigen der Konsequenzen für die Frau und die Gesellschaft Aufdecken und Sichtbarmachen

Rollentausch von Gender Konstruktionsmechanismen und Regelsysteme von „doing gender“ Differenz der Differenz Vielheit von Genderidentities Analyse der Konstruktionsprozesse Analyse der Geschlechteridentität und ihrer Vielfältigkeit (diversity) Analyse der Prozesse der Um- und Neudeutung der Differenz Rekonstruktion und Dekonstruktion

Quelle: Angerer/Dorer 1994, S. 11.

Die Gender Studies, welche verstärkt seit den 1990er Jahren auch in der deutschsprachigen Wissenschaft Fuß fassen, beschäftigen sich mit dem Verhältnis von Geschlecht zu Kultur, Gesellschaft und Wissenschaft. Während der Feminismus, aus dem sie hervorgegangen sind, sich primär auf die unterdrückte Weiblichkeit konzentriert, bezeichnet Franziska Schößler die Gender Studies als ein Projekt, welches die feministischen Ansätze der 1970er Jahre, nämlich die Kritik und Analyse asymmetrischer Geschlechterverhältnisse, fortsetzt. Dennoch, so Schößler weiter, dürfen die Gender Studies nicht verallgemeinernd als Frauenforschung

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aufgefasst werden,1 denn sie legen ihren Fokus auf das soziale Geschlecht „Gender“2 sowie die Untersuchung von Unterschieden und Beziehungen von biologischem und soziokulturellem Geschlecht.3 Wie groß die Unterschiede sind, zeigen Angerer und Dorer 1994. Der Vergleich von Angerer und Dorer zeigt zwei Dinge: Zum einen, Geschlechterforschung hat Frauenforschung nicht abgelöst, sondern um neue Fragestellungen ergänzt. Zum anderen zeigt sich, dass Geschlecht in den Gender Studies nicht primär als individuelle Eigenschaft betrachtet wird, sondern als soziales Verhältnis einer politisch und historisch gewachsenen Gesellschaft. Dementsprechend steht nicht die Frau an sich im Mittelpunkt der Forschung, sondern das Geschlechterverhältnis zwischen Männern und Frauen.4 Dabei werden Kleidercodes, Verhaltensformen, aber auch Mimik, Gestik und die Sprache als Faktoren zur Herstellung des sozialen Geschlechts in Betracht gezogen, welche durch ein ständiges Reinszenieren im Alltag eines jeden Individuums erworben und überprüft werden, so dass Geschlecht als ein stetiger Prozess beschrieben werden muss und keine naturgegebene Sache ist, sondern als ein gesellschaftliches Phänomen behandelt wird, welches durch soziale sowie kulturelle Praktiken und Strukturen konstruiert wird.5 Damit stellen Geschlechterrollen soziale Zuschreibungen dar, die durch soziale Interaktionen konstruiert werden und veränderbar sind. In der Beschäftigung mit „Gender“ ist jedoch zu beachten, dass jeder Kulturkreis Geschlecht und die damit einhergehenden Geschlechtergrenzen, Geschlechtseigenschaften und Rollen anders definiert,6 was dazu führt, dass „Gender“ nicht verallgemeinert werden kann und grundsätzlich im gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden muss. Geschlecht und Geschlechterbeziehungen werden hierdurch zu „Repräsentation 1

Vgl.: Schößler 2008, S. 9.

2

Der Begriff „Gender“ kommt aus dem Englischen und bezeichnet die kulturell vorgegebene Geschlechterrolle, die eine Gesellschaft für seine Individuen bereitstellt und durch Verbote, Strafen und Belohnung für verbindlich erklärt. Der Gegenbegriff zu „Gender“ ist „Sex“, womit das biologische Geschlecht, mit welchem man zur Welt kommt, gemeint ist.

3

Vgl. Schößler 2008, S. 10.

4

Vgl.: Hönig, Katrin: Historische Rekonstruktion. In: Therese Frey Steffen, Caroline Rosenthal, Anke Väth: Gender Studies. Wissenschaftstheorien und Gesellschaftskritik. Würzburg 2004, S. 45f.

5

Vgl.: Steffen, Therese Frey/Caroline Rosenthal/Anke Väth: Gender Studies: Wissen-

6

Vgl.: Angerer, Marie-Luise / Johanna Dorer (Hg.): Gender und Medien. Theoretische

schaftstheorien und Gesellschaftskritik. 2004, S. 11ff. Ansätze, empirische Befunde und Praxis der Massenkommunikation. Ein Textbuch zur Einführung. Wien 1994, S. 11.

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kultureller Regelsysteme“7. „Dabei ist der Aspekt der Wertung des Geschlechts wichtig, denn der Wert, der innerhalb einer Kultur einem Geschlecht zugeordnet wird, wirkt sich auch auf das Verständnis des soziokulturellen Geschlechts innerhalb des gesellschaftlichen Systems aus“.8 Während „Gender“ als soziales Geschlecht definiert wird, existiert darüber hinaus das biologische Geschlecht „Sex“, mit welchem ein Individuum geboren wird. Beide „Geschlechter“ definieren sich durch ihre gegenseitige Abgrenzung. Dabei können sie übereinstimmen, müssen es aber nicht.9 Der Begriff „Gender“ wurde erstmals in den 1960er Jahren in Folge der Forschung mit intersexuellen Individuen verwendet. Mit der Nutzung des Terminus sollte verdeutlich werden, dass die Sozialisation des Individuums für die Geschlechterzugehörigkeit bzw. die Geschlechtsidentität verantwortlich ist. In den 1970er Jahren wurde er dann im feministischen Sprachgebrauch als Analysekategorie aufgenommen, um die Unterscheidung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht zu betonen und einen Ansatz zu entwickeln, der die Veränderbarkeit von Geschlecht in den Blickpunkt rückt. Damit wurden erstmals die traditionell zugeordneten geschlechtsspezifischen Charakteristika von Individuen in Frage gestellt und gemäß dem Konsens: es gibt keine homogene Gruppe von Frauen und Männern und damit auch keine klare Definition für das, was männlich oder weiblich ist, kritisiert. Durch die Auffassung, Geschlecht sei Handeln, stellte sich in der Folge die Frage, inwieweit das soziale Geschlecht tatsächlich freiwählbar ist beziehungsweise durch gesellschaftlich vorbestimmtes Handeln geleitet wird. Insbesondere in den Men’s Studies, die sich in Deutschland erst in den 1980er Jahren entwickelten, wurde diesbezüglich die Kritik laut, dass die zahlreichen gesellschaftlichen Verbote dazu führen, dass es vielmehr zu einer Einhaltung der gesellschaftlichen Normen und somit zur Einhaltung der binären Matrix kommt als zu einer freien Wahl des sozialen Geschlechts. Besonders deutlich zeigt sich dies in der Tatsache, dass homosexuelle wie auch transsexuelle Individuen, nach wie vor aufgrund ihrer geschlechtlichen Ausrichtung kaum von der Gesellschaft akzeptiert werden.10 Weiter befeuert wurde die Diskussion, um die Konstruiertheit von Geschlecht durch Judith Butler, die in den 1990er Jahren in ihren Werken „Das Unbehagen der Geschlechter“ (1991) und „Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts“ (1997) die Materialität der Körper und hier vor allem das biologische Geschlecht (sex) in den Fokus ihrer Betrachtung stellte. In Anlehnung an 7

Hof, Renate: Die Grammatik der Geschlechter. Frankfurt am Main/New York, S. 16.

8

Axenkopf, Volker: Queer in – Gender out: Ein Ausweg aus dem binären Geschlechter-

9

Vgl.: Schößler 2008, S. 11.

denken?. Hamburg 2011, S. 11. 10 Vgl. ebd., S. 10.

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Foucaults Poststrukturalismus ergaben ihre Überlegungen die Auflösung von biologischem und sozialem Geschlecht und erhebt das biologische Geschlecht ebenfalls zu einem Konstrukt. Dieses werde durch das soziale Geschlecht produziert und hierdurch zu einer vordiskursiven, natürlichen Determinanten.11 Da, nach Butler, auch die Anatomie als ein kulturell geprägtes Konstrukt betrachtet werden muss, welches die gesellschaftlichen Machtverhältnisse und mit diesen einhergehend die Geschlechterordnung bestimmt, kann das biologische Geschlecht konsequenterweise ebenfalls nur kulturell bestimmt sein. Oder anders ausgedrückt: Der geschlechtliche Körper ist immer auch ein Produkt kultureller Markierungen.12 Hieraus folgt, so Butler, dass „die Unterscheidung zwischen Geschlecht und Geschlechtsidentität letztlich gar keine Unterscheidung ist.“13 Mit diesen Aussagen legte Butler auch einen wichtigen Grundstein für die Queer Studies, die sich in den ausgehenden 1980er Jahren entwickelten und „sich mit den ‚schrägen‘ Formen des Begehrens jenseits der Heterosexualität auseinandersetzen“14, denn sie kritisiert die „Zwangsheterosexualität“, welche die Gesellschaft beherrscht. Für Butler ist Geschlecht, ähnlich wie für Simone de Beauvoir, ein ewiger Prozess des Werdens und Konstruierens „von dem man nie rechtmäßig sagen kann, daß er gerade beginnt oder zu Ende geht. Als fortdauernde diskursive Praxis ist dieser Prozeß vielmehr stets offen für Eingriffe und neue Bedeutungen.“15 Diese Performativität lässt sich laut Butler besonders deutlich bei TravestitInnen erkennen, „deren Maskerade vorführt, dass Geschlecht durch Imitation entsteht“16. Diese Aussage wurde in der Forschung jedoch zahlreich kritisiert, allen voran von Barbara Duden, die Butler nicht nur eine „Entkörperung“17 vorwarf, sondern auch die Konstruktion einer „Frau ohne Unterleib“18. 11 Vgl.: Schößler 2008, S. 97 12 Vgl. ebd. 13 Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a.M., 1991, S. 23f. 14 Schößler 2008, S. 106. 15 Butler 1991, S. 60. 16 Schößler 2008, S. 98. 17 Vgl. hierzu: Duden, Barbara: Das „System“ unter der Haut. Anmerkungen zum körpergeschichtlichen Bruch der 1990er Jahre. In: Österreichische Zeitschrift für Geisteswissenschaften 8 (1997), S. 260-291. 18 Vgl. hierzu: Duden, Barbara: Die Frau ohne Unterleib. Zu Judith Butlers Entkörperung. Ein Zeitdokument. In: Feministische Studien 11/2 (1993): Kritik der Kategorie Geschlecht, S. 24-33. Darüber hinaus übte Hilge Landweer Kritik an Butlers Einschätzung des Transvestitischen. Sie ist der Ansicht, dass in der Travestie die Geschlechterbinarität trotz scheinbarer Überschreitung aufrecht erhalten wird, denn nur dadurch dass das kulturelle und das biologische Geschlecht entgegengesetzt organisiert werden, ergebe

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Neben dem Aspekt, dass die Gender Studies sich nicht nur mit dem weiblichen Geschlecht befassen, sondern Geschlecht im Allgemeinen als ein soziales Konstrukt verstehen, welches weder eindeutig männlich noch weiblich ist, ergibt sich noch ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen ihnen und der Frauenforschung. Die Gender Studies ermöglichen nämlich zudem auch Differenzen zu betrachten, durch die sich Frauen und im weiteren Verlauf auch Männer selbst voneinander unterscheiden, insbesondere unter dem Gesichtspunkt von gesellschaftlichen Minderheiten. Diese Entwicklung nahm ebenfalls in den 1980er Jahren ihren Lauf, als Afroamerikanerinnen sowie Frauen aus ökonomisch schwächeren Ländern darauf aufmerksam machten, dass sich wissenschaftliche Untersuchungen zur Thematik Geschlecht und Geschlechtlichkeit primär mit weißen, intellektuellen Mittelstandsfrauen beschäftigten. Um diesen ethnischen Differenzen gerecht zu werden, wird Gender seit dieser Zeit durch „Race“ sowie „Class“ ergänzt, denn Frauen unterscheiden sich nicht nur aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, sondern auch durch ihre Klasse, aus der sie stammen.19

2.2 G ESCHLECHT ALS N ORMKATEGORIE

GESELLSCHAFTLICHE

Obwohl sich, wie oben dargelegt, Geschlecht als weitaus komplexer und mannigfacher darstellt als die strikte Unterscheidung zwischen Mann und Frau, scheint die Einteilung der Menschen in diese zwei Gruppen nach wie vor eine Selbstverständlichkeit zu sein, „die in verschiedenen Kulturen, die geographisch und historisch weit auseinanderliegen, zu finden ist. Diese Einteilung, die […] aus einer biologischen Gegebenheit resultiert und auf die unterschiedlichen Funktionen im Fortpflanzungsprozeß begründet ist, bestimmt maßgeblich – je nach Kultur in unterschiedlichem Maße, aber doch deutlich – das Leben eines

sich die Irritation beim Publikum. Vgl. hierzu: Landweer, Hilge: Jenseits des Geschlechts? Zum Phänomen der theoretischen und politischen Fehleinschätzungen von Travestie und Transsexualität. In: Institut für Sozialforschung Frankfurt (Hg.): Geschlechterverhältnisse und Politik, Frankfurt am Main 1994, S. 139-167. Siehe zu „Travestie und Maskerade“ auch Punkt 2.4.2 dieser Untersuchung. 19 Vgl.: Schößler 2008, S. 12.

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Individuums und sein Verhältnis zu anderen in der gegebenen Gesellschaft. Geschlechtszugehörigkeit beeinflusst die soziale Position, den Zugang zu Ressourcen, Aufgabenbereichen, Rechte und Verpflichtungen“.20

Geschlecht wird somit zu einem Schlüsselelement in der Zuweisung von gesellschaftlichen Positionen. Es wird zur gesellschaftlichen Normkategorie, durch die verschiedene Lebensentwürfe begünstigt, andere verhindert werden.21 Der empirisch-feministischen Forschung zufolge sind es primär die Frauen, die in dieser gesellschaftlichen Normkategorie eine systematische Benachteiligung erfahren. Das bedeutet, Geschlecht konstruiert und strukturiert eine soziale Ungleichheit.22 Einen wichtigen Anteil an dieser sozialen Ungleichheit hat unter anderem die Struktur des Arbeitsmarktes und in ihr die Hierarchie der Erwerbspositionen.23 In Zeiten der vorindustriellen Gesellschaften gab es zwar bereits eine klare Trennung zwischen männlichen und weiblichen Tätigkeitsfeldern, doch beide Geschlechter waren durch die Einbindung in die Familie in die gesellschaftliche (Re-)Produktion integriert. Erst mit der Einführung der Lohnarbeit änderte sich der Aufgabenbereich der Familie. Sie wurde zum Terrain der gesellschaftlichen Reproduktion.24 Hieraus erfolgte eine Trennung zwischen Erwerbssystem und dem von ihm abhängigen Haushalt. In der bürgerlichen Ideologie wurde der Mann somit zum Ernährer der Familie, der für die entlohnte Erwerbstätigkeit zuständig war, während der Frau die Instandhaltung des Haushalts und die Erziehung der Kinder oblag.25 Auch während der Industrialisierung blieb die Frau trotz Erwerbsarbeit primär für Haushalt und Kinder verantwortlich sowie für die Realisierung von Humanität in der Familie.26

20 Belinski, Eszter: Zwischen Gleichheitsnorm und Differenzerfahrung. Geschlechterkonstruktionen ungarischer JournalistInnen. Diss. Bochum 2002, S. 13f, download 05.03.2013, unter: http://www-brs.ub.ruhr-uni-bochum.de/netahtml/HSS/ Diss/BelinszkiEszter/diss.pdf. 21 Vgl. ebd., S. 14. 22 Vgl.: Gottschall, Karin: Soziale Ungleichheit und Geschlecht. Kontinuitäten und Brüche, Sackgassen und Erkenntnispotentiale im deutschen soziologischen Diskurs. Opladen 2000, S. 11. 23 Vgl.: Gottschall 2000, S. 13. 24 Vgl.: Belinski 2002, S. 15. 25 Vgl. ebd. 26 Vgl.: Hausen, Karin: Die Polarisierung der Geschlechtscharaktere – Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben. In: Conze, Werner (Hg.): Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Stuttgart 1976, S. 363-393; hier: S. 381.

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Aus der strikten Trennung der gesamtgesellschaftlichen Arbeitsteilung in Produktion und Reproduktion resultiert das Konzept der sogenannten „männlichen Normalbiographie“27, welches den Mann von der Haus- und Familienarbeit befreit und ihn vollständig der Erwerbsarbeit zur Verfügung stellt. Die Frau hingegen, die aufgrund ihrer Reproduktionsaufgaben im Haushalt und in der Familie nicht vollständig und uneingeschränkt der Erwerbsarbeit zur Verfügung stehen kann, gerät hierdurch in eine benachteiligte Position, die zahlreiche Konsequenzen mit sich bringt. Hierzu gehört neben der finanziellen vor allem die soziale Benachteiligung, denn durch die Unterscheidung der Arbeitsteilung in Produktion und Reproduktion entsteht ein neues Wertesystem, in dem die Produktionsarbeit, die eine instrumentell gebundene, zielgerichtete sowie für die Gesellschaft nützliche Tätigkeit darstellt28 und die durch die finanzielle Entlohnung zur Erhaltung des Menschen beiträgt, hierarchisch aufgewertet, wird, wodurch die Reproduktionsarbeit, nämlich die durch die Frau verrichtete Haus- und Familienarbeit, eine Abwertung erfährt.29 Damit einher geht auch die Herabsetzung der Frau, denn sie ist hierdurch nicht nur vom Lohn ihres Mannes abhängig, sondern wird auch über diesen definiert.30 Gleichzeitig bedingt die Arbeitsteilung die Herausbildung bestimmter männlich und weiblich konnotierter Berufsfelder. Zu den typischen Frauenberufen, die mit wenig Anerkennung, schlechter Bezahlung sowie geringen Aufstiegschancen verbunden sind oder wie es Rabe-Kleberg ausdrückt, Berufe, die ausbeuten und ausgrenzen,31 zählen Tätigkeiten in Bereichen wie Pflege und Erziehung.32 Noch heute wird die Einteilung in typisch männliche und typisch weibliche Berufsfelder damit begründet, dass Frauen und Männer qua Geschlecht für die jeweiligen Bereiche besser geeignet seien. Jedoch, so Angelika Wetterer, hat sich gezeigt, dass in manchen Berufsfeldern auch Geschlechterwechsel stattfinden können, „sobald sich aus ökonomischen oder anderen Gründen der Status einer bestimmten Tätigkeit im Spektrum gesellschaftlicher Arbeitsteilung nachhaltig 27 Belinski 2002, S. 15. 28 Vgl.: Notz, Gisela: Arbeit: Hausarbeit, Ehrenamt, Erwerbsarbeit. In: Becker, Ruth/ Beate Kortendiek (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. Wiesbaden 2004 (Geschlecht und Gesellschaft, Bd. 35), S. 420-428; hier: S. 420. 29 Vgl.: Ostner, Ilona: Beruf und Hausarbeit. Die Arbeit der Frau in unserer Gesellschaft. Frankfurt a.M. 1979, S. 193. 30 Vgl. ebd., S. 95. 31 Vgl.: Rabe-Kleberg, Ursula: Verantwortlichkeit und Macht. Ein Beitrag zum Verhältnis von Geschlecht und Beruf angesichts der Krise traditioneller Frauenberufe. Bielefeld 1993 (Wissenschaftliche Reihe, Bd. 54), S. 18. 32 Notz 2004, S. 420.

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verschiebt und aus diesem Grund die alte Geschlechtszuordnung eines Berufes hierarchisch nicht mehr ‚paßt‘.“33 Als Beispiel hierfür zählt u. a. das Tätigkeitsfeld des Sekretärs, das heutzutage primär von Frauen besetzt wird. Dabei lässt sich feststellen, so Wetterer weiter, dass sich entsprechend der Verschiebung in der Geschlechterzusammensetzung in einem Beruf dessen Verortung in der Hierarchie variiert. Zudem erfolgt eine Aufwertung bei Berufen, die vormals typisch weibliche Tätigkeiten repräsentierten, während Berufe, die ehemals vorwiegend mit Männern besetzt waren, ein Prestigeverlust erfahren, sobald sich der Frauenanteil erhöht.34 Ähnliches ist auch aus der Schriftsetzerei bekannt, die in einer bestimmten Phase wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem Klavierspielen der Bürgertöchter als besonders „weiblich“ galt.35 Sie wird aber zu einem Männerberuf, da die Arbeiter mit „großen, komplizierten, lauten und dreckigen Maschinen“36 zu tun haben und diese Arbeit somit in den Kompetenzbereich des Mannes fällt, da er für das Technische zuständig ist. Ein weiteres Beispiel für die Aufwertung eines Berufs ist das Arbeitsfeld des Programmierers, der zu Beginn ein Frauenberuf war, dann aber aufgrund seiner Wichtigkeit zu einem Männerberuf wurde.37 Bis heute hat diese Einteilung größtenteils Bestand. Doch geschlechtsspezifische Segregation lässt sich nicht nur zwischen den verschiedenen Tätigkeitsfeldern, sondern auch innerhalb derselben beobachten.38 Dabei wird deutlich, dass Geschlechterstereotypen und die mit ihnen einhergehenden gesellschaftlichen Betrachtungsweisen der jeweiligen Genus-Gruppen sowie berufsspezifische Anforderungen einander zugeordnet bzw. voneinander abhängig gemacht werden, und zwar ungeachtet der tatsächlichen Qualifikation eines Individuums für diesen Beruf. Gesellschaftliche Normen und Vorurteile bestimmen weitergehend das Bild auf dem Arbeitsmarkt. Dabei wird vom beobachteten

33 Wetterer, Angelika: Dekonstruktion und Alltagshandeln. Die (möglichen) Grenzen der Vergeschlechtlichung von Berufsarbeit. In ders. (Hg.): Die soziale Konstruktion von Geschlecht in Professionalisierungsprozessen. Frankfurt a.M. 1995, S. 223-246; hier: S. 232. 34 Vgl. ebd., S. 229. 35 Wetterer 1995, S. 232. 36 Vgl. ebd. 37 Vgl. ebd. 38 Vgl.: Böge, Sybille: Geschlecht, Prestige und „horizontale“ Segmentierung in der juristischen Profession. In: Wetterer, Angelika (Hg.): Die soziale Konstruktion von Geschlecht in Professionalisierungsprozessen. Frankfurt a.M. 1995, S. 139-145; hier: S. 139.

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Rollenverhalten auf die Eigenschaften des Rolleninhabers geschlossen, ohne dabei den Einfluss der Rollenanforderung wirklich zu hinterfragen.39

2.3 G ESCHLECHTERSTEREOTYPE G ESCHLECHTERROLLEN

UND

„Das Geschlecht eines Menschen ist ein Merkmal, das nicht nur die biologische und sexuelle Entwicklung entscheidend beeinflusst, sondern auch für die psychosoziale Entwicklung eines Menschen große Bedeutung hat. Diese Feststellung gilt insbesondere dann, wenn die Geschlechtszugehörigkeit als soziale Kategorie eine herausragende Bedeutung erlangt. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn […] die Person als Mitglied einer sozialen Kategorie [Subjekt oder Objekt von Wahrnehmung und Handeln wird].“40

Diese Zugehörigkeit eines Individuums zu einer sozialen Kategorie bindet bestimmte Erwartungshaltungen an sich, die „als Stereotype im Sinne von Wahrscheinlichkeitsannahmen wirken und als Rollenerwartungen normativen Charakter tragen können“41. 2.3.1 Geschlechterstereotype Dementsprechend lassen sich Geschlechterstereotype als „kognitive Strukturen, die sozial geteiltes Wissen über die charakteristischen Merkmale von Frauen und Männern enthalten“ 42 beschreiben. Sie werden, so Alfermann, „als kognitive Wissensbestände im Laufe der Sozialisation erworben (z. B. durch eigene Beobachtung, Aussagen anderer Personen oder über Medien wie das Fernsehen oder Lesebücher)“.43 Hierdurch gehören sie einerseits zum individuellen Wissensbesitz,

39 Vgl.: Eckes, Thomas: Geschlechterstereotype: Von Rollen, Identitäten und Vorurteilen. In: Becker, Ruth/Beate Kortendiek (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorien, Methoden, Empirie. Wiesbaden 2004 (Geschlecht und Gesellschaft, Bd. 35), S. 165-176; hier: S. 167. 40 Alfermann, Dorothee: Geschlechterrollen und geschlechtstypisches Verhalten. Stuttgart 1996, S. 7. 41 Ebd. 42 Eckes 2004, S. 165. 43 Alfermann 1996, S. 9.

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andererseits bilden sie den Kern eines konsensuellen, kulturell geteilten Verständnisses der typischen Merkmale der Geschlechter.44 Neben ihrer Konsensualität ist es für Geschlechterstereotype kennzeichnend, dass sie deskriptive und präskriptive Komponenten enthalten. Die deskriptive Komponente umfasst Annahmen darüber, wie Frauen und Männer sind, d. h., Individuen werden allein aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit bestimmte Merkmale zugeschrieben. Frauen „sind“ demnach abhängig, verständnisvoll und emotional, Männer „sind“ unabhängig, dominant und zielstrebig. Die präskriptive Komponente bezieht sich auf Annahmen, wie Frauen und Männer „sein sollen“ oder wie sie „sich verhalten sollten“. Frauen „sollen“ danach verständnisvoll, Männer „sollen“ dominant sein. Werden präskriptive Annahmen verletzt, resultiert dies in der Regel in Ablehnung, wie sie z. B. jenen Frauen widerfährt, die sich gegenüber ihren gleichgestellten männlichen Kollegen in einer wichtigen Frage durchsetzen.45 Neben den deskriptiven und präskriptiven Komponenten der Geschlechterstereotype lässt sich auch feststellen, dass dominante Gruppen in einer Kultur über das sogenannte positivere Stereotyp verfügen, da „Stereotype einen ethnozentrischen Bias widerspiegeln, also die Tendenz, die eigene Gruppe bzw. Kategorie höher zu bewerten […] weil sie die ingroup darstellen und die Definitionsmacht für die Bewertung und die Inhalte von Stereotypen haben“.46 Da Männer in der westlich geprägten Kultur die dominante Gruppe darstellen, sind sie es, die positiver bewertet werden.47 Allerdings ist auch festzustellen, dass es durchaus Länder gibt, in denen das weibliche Stereotyp höher bewertet wird, wie beispielsweise in Italien.48 Trotz dieser Feststellung lässt sich im internationalen Vergleich, so zumindest besagt es die 1990 von John E. Williams und Deborah L. Best durchgeführte Studie „Measuring Sex Stereotypes“ zu Geschlechterstereotypen, nachweisen, dass das männliche Stereotyp vor allem auf der Ebene der Aktivität und Stärke eine höhere Gewichtung erhielt, weshalb Männer als wertvoller eingeschätzt werden als Frauen.49 Des Weiteren kommt die Studie zu dem Schluss, dass trotz diverser Schwankungen innerhalb der Einschätzung von Geschlechterstereotypen allgemein von einer großen Übereinstimmung in der Be-

44 Vgl.: Eckes 2004, S. 165. 45 Vgl. ebd. 46 Alfermann 1996, S. 11. 47 Vgl. ebd. 48 Vgl. ebd., S. 11f. 49 Ebd., S. 12.

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trachtung und Wahrnehmung von geschlechtsspezifischen Eigenschaften der beiden Genus-Gruppen gesprochen werden kann.50 Im Rahmen der Studie, die im Forschungsfeld der kulturübergreifenden Psychologie angesiedelt ist, wurden auf Basis eines empirischen Beobachtungsansatzes Kinder und Erwachsene aus verschiedenen Nationen bezüglich typisch männlicher und weiblicher Geschlechterstereotypen befragt. Die Ergebnisse wurden aus drei theoretischen Perspektiven, nämlich im Hinblick auf die tatsächliche Bedeutung, den Ego-Status und auf psychologische Bedürfnisse, untersucht.51 In der Untersuchung ließ sich unter anderem feststellen, dass typisch weibliche Eigenschaften in keiner Nation auch als typisch männlich beschrieben wurden.52 Dies bedeutet, dass es eine klare Trennung in der Wahrnehmung und Betrachtung von Männern und Frauen gibt, die zudem interkulturell übereinstimmt. Auffällig ist zudem, dass die Anzahl männlicher Stereotypen deutlich höher ist als die weiblicher,53 wodurch das männliche Stereotyp differenzierter, ausgeprägter und vielschichtiger erscheint.54 Für die soziale Geschlechterkonstruktion bedeutet diese Feststellung, dass Männern mehr Möglichkeiten geboten werden, mit der sozialen Komponente ihres Geschlechts zu spielen und dieses zu konstruieren, wodurch der Spielraum dessen, was als männlich betrachtet und bezeichnet wird, um ein Vielfaches größer ist als der Spielraum der weiblichen Genus-Gruppe. Hieraus resultiert, dass ein stereotypkonträres Verhalten bei Frauen deutlich stärker auffällt als bei Männern, da Erstere schneller Gefahr laufen, die Grenzen dessen, was als typisch weiblich betrachtet wird, zu überschreiten. Alfermann stellt darüber hinaus fest, dass es auch im epochalen Vergleich verschiedener Analysen zur Stereotypenforschung keine bis kaum Veränderungen in der Wahrnehmung und Betrachtung der jeweiligen Genus-Gruppen gibt.55 Dies bedeutet, dass das Bild der Geschlechterstereotypen von Generation zu Generation fast unverändert weitergegeben wird. Alfermann verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Stereotypen in einem Lernprozess erworben werden, der sich hauptsächlich aus der Beobachtung von alltäglichen Verhaltensweisen der verschiedenen Genus-Gruppen sowie den sozio-kulturellen Hinweisen über die typischen Merkmale der Geschlechter herstellt. Dieses geschlechtsstereotype Wissen wird schon früh in der Kindheit erworben und sein Erwerb ist bereits im 50 Vgl.: Williams, John E./Deborah L. Best: Measuring Sex Stereotypes. A Multination Study. Newbury Park 1990, S. 80. 51 Vgl. grundsätzlich: Williams/Best 1990. 52 Vgl.: Alfermann 1996, S. 14. 53 Vgl.: Williams/Best 1990, S. 77. 54 Vgl.: Alfermann 1996, S. 14. 55 Vgl. ebd.

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Alter von 9 bis 10 Jahren abgeschlossen.56 Hieraus ergibt sich, dass sich die Stereotypisierung einer Person primär automatisch und unwissentlich vollzieht.57 Mit Beginn der Pubertät treten neben die überwiegend negativ gefärbten Charakterisierungen des anderen Geschlechts nach und nach positive Merkmalszuschreibungen, die mit einer Zunahme gegengeschlechtlicher Interaktionen und Freundschaften einhergehen. Die positiven Merkmale sind dabei allerdings auf die jeweilige traditionelle Geschlechterrolle beschränkt.58 Zusammengefasst bedeutet dies: Geschlechterstereotype bilden eine zentrale Komponente sozial geteilter impliziter Geschlechtertheorien, die ein umfassendes System von Alltagsannahmen über die Geschlechter und ihre wechselseitigen Beziehungen darstellen. Neben Geschlechterstereotypen enthalten sie Einstellungen gegenüber den Geschlechtern und ihren jeweiligen Rollen und Individuen mit rollenabweichenden Verhalten sowie geschlechtsbezogene Wahrnehmungen und Einschätzungen der eigenen Person. Geschlechtsidentität ist im weitesten Sinne 56 Vgl.: Alfermann 1996, S. 13. 57 Erste kategoriale Unterscheidungen in der Wahrnehmung von geschlechtstypischen Merkmalen finden sich bei Kleinkindern schon in einem Alter von bis zu sechs Monaten. In diesem Alter sind Kinder in der Lage, zwischen männlichen und weiblichen Stimmen zu unterscheiden. Bis zu einem Alter von circa neun Monaten sind Kleinkinder fähig, kategoriale Unterscheidungen zwischen männlichen und weiblichen Gesichtern zu treffen. Bereits Kinder im Alter von circa 12 Monaten nehmen andere Personen in eindeutig geschlechtsdifferenzierender Weise wahr. Da die Stereotypisierung die Verfügbarkeit von entsprechenden kognitiven Kategorien und die Zuordnung von anderen Personen zu der einen oder anderen Kategorie voraussetzt, ist schon bei Einjährigen die Grundlage für die Ausbildung von Stereotypen und für Prozesse der Stereotypisierung gegeben. Im Zeitraum zwischen dem ersten und dem dritten Lebensjahr entwickeln sich in zunehmendem Maße geschlechtstypische Präferenzen für Spielsachen, Aktivitäten und Spielpartner. Genau in diese Entwicklungsphase fällt der rasch voranschreitende Aufbau von bewusstem, kommunizierbarem Wissen über Geschlechterstereotype. Bis zu einem Alter von drei Jahren können die meisten Kinder das eigene Geschlecht und das anderer Kinder oder Erwachsener richtig bestimmen. Bis zum Eintritt in die Grundschule haben sich bereits rigide Formen der Stereotypisierung ausgebildet, die allerdings bis zum Ende der Grundschulzeit wieder etwas flexibler werden (vgl.: Eckes 2004, S. 168). 58 Vgl.: Eckes 2004, S. 166. Den deutlichsten Ausdruck finden diese Veränderungen in den wechselseitigen Stereotypisierungen und Verhaltenstendenzen in der Entwicklung romantischer heterosexueller Beziehungen. Hier haben Jungen nach wie vor eher die aktiv-dominante Rolle und Mädchen eher die passiv-submissive Rolle, was nicht selten spezifische Kommunikationsprobleme zur Folge hat.

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ein System von Aspekten des Selbst, die mit der Geschlechtskategorie in Verbindung stehen, also z. B. die Selbstwahrnehmung von geschlechtstypischen Eigenschaften, Präferenzen oder Zugehörigkeiten zu sozialen Gruppen.59 Diesbezüglich lässt sich feststellen: „Merkmale, die häufiger mit Frauen als mit Männern in Verbindung gebracht werden, lassen sich in den Konzepten der Wärme oder Expressivität (auch: Femininität, Gemeinschaftsorientierung, ‚communion‘) bündeln; Merkmale, die häufiger mit Männern als mit Frauen in Verbindung gebracht werden, lassen sich mit den Konzepten der (aufgabenbezogenen) Kompetenz oder Instrumentalität (auch: Maskulinität, Selbstbehauptung, ‚agency‘) umschreiben.“60

In Termini sozialer Rollen gefasst, entspricht somit das männliche Stereotyp der instrumentellen und das weibliche Stereotyp der expressiven Rolle,61 weshalb häufig auch von ‚Instrumentalität‘ und ‚Expressivität‘ anstelle von ‚Maskulinität‘ und ‚Femininität‘ gesprochen wird. Diese Einteilung, die auf die Unterscheidung familialer Rollen durch die Sozialpsychologen Parson und Bales aus dem Jahre 1955 zurückgeht,62 sieht im Mann den Ernährer der Familie, der für die Außenbeziehungen und die berufliche Rolle vorgesehen ist, während die Frau für die Familie zuständig ist. Kritisch an dieser Betrachtungsweise ist das altmodische Bild der Geschlechter, welches nach wie vor als Grundlage für die Zuschreibung der Geschlechterstereotypen genommen wird. Hierdurch werden Aspekte wie die veränderte Arbeitssituation von Frauen außer Acht gelassen. Dies hat zur Folge, dass die sich hieraus ergebenen Charakterisierungen bzw. die Flexibilität in den Geschlechterstereotypen, die aufgrund der veränderten Lebenssituationen gefordert ist, als abweichend von der Norm empfunden wird, da sich diese Norm nach wie vor an einem veralteten Geschlechterrollenbild orientiert. Inwieweit dieses „veraltete“ Bild der Geschlechterstereotypen mit dem Konzept der Geschlechterrollen einhergeht, wird in Kapitel 2.3.2 erläutert. Weiterhin hat sich in verschiedenen empirischen Erhebungen gezeigt, dass die Stabilität der Geschlechtscharaktere über die Zeit bemerkenswert hoch ist. Das bedeutet in Bezug auf Alfermanns Untersuchung und das von ihr dargelegte Stereotypinhaltsmodell, an welchem sich die Analyse der TV-Kriminalkommissare orientiert, dass die von ihr aufgezeigten

59 Vgl.: Eckes 2004, S. 166. 60 Ebd. 61 Vgl.: Alfermann 1996, S. 21. 62 Vgl.: Parson, Talcott/Robert F. Bales: Family socialization and interaction processes. New York 1955.

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geschlechtstypischen Merkmale beider Genus-Gruppen bis heute nicht ihre Aktualität verloren haben. Ebenso wird dargelegt, dass die vorzufindenden geschlechtstypischen Merkmale in hohem Maße kulturell invariant sind.63 Auffallend ist hierbei jedoch, dass die von Best und Williams durchgeführte Studie, auf die sich auch Alfermann bezieht, lediglich Länder aus dem westlichen Kulturkreis einbezieht. Hierdurch entsteht zwar hinsichtlich des westlichen Blicks auf die Geschlechterstereotype ein durchaus repräsentatives Bild, welches als Grundlage für die Analyse der TV-Serien in dieser Untersuchung durchaus Sinn macht, um jedoch die Bandbreite und Differenziertheit von Geschlechterstereotypen, die weltweit vorliegen, aufzuzeigen, kann die durchgeführte Studie nicht als repräsentativ angesehen werden. 2.3.2 Geschlechterrollen Mit dem Bild der Geschlechterstereotypen geht das Konzept der Geschlechterrolle einher. Geschlechterrollen werden definiert „as those shared expectations (about appropriate qualities and behaviors) that apply to individuals on the basis of their socially identified gender”.64 Der Akzent beim Geschlechterrollenkonzept liegt somit auf den sozial geteilten Verhaltenserwartungen, die sich aufgrund ihres sozial zugeschriebenen Geschlechts an Individuen richten.65 Alice Eagly sieht die Geschlechterrolle daher auch als „a cause of sex differences in social behavior“66 und die Geschlechterdifferenz als „a product of the social roles that regulate behavior in adult life“67. Ihrer „Theorie der sozialen Rollen“ zufolge neigen Menschen zur Annahme, dass Männer und Frauen diejenigen Merkmale aufweisen,

63 Vgl. unter anderem die Arbeiten von Twenge, Jean M.: Changes in Masculine and Feminine Traits Over Time: A Meta-Analysis. In.: Sex Roles. A Journal of Research 36 (1997) H. 5-6, S. 305-325; Eckes, Thomas: Frau und Mann in sozialpsychologischer Sicht. Herbolzheim 1997 sowie ders. 2004; Spence, Janet T./Camilla E. Buckner: Instrumental and Expressive Traits, Trait Stereotypes, and Sexist Attitudes: What Do They Signify? In: Psychology of Women Quarterly 24 (2000) H. 1, S. 44-62. 64 Eagly, Alice: Sex differences in social behavior: A social-role interpretation. Hilsdale, N.J. 1987. S. 12. 65 Vgl.: Eckes 2004, S. 165. 66 Eagly 1987, S. 15. 67 Ebd., S. 7.

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die für ihre jeweiligen sozialen Rollen, insbesondere für ihre Familien- und Berufsrollen, typisch sind,68 hieraus ergibt sich, dass „the collection of shared expectations held in relation to women constitute the female gender role, and those held in relation to men constitute the male gender role“.69 Untersuchungen der Geschlechterstereotype haben, so Eagly, gezeigt, dass der Kerninhalt des Frauenstereotyps auf die Versorgung und das Wohlergehen Dritter ausgelegt ist.70 Es ist offensichtlich, dass „caring and nurturant qualities predominate“71. Hierzu zählen unter anderem Hilfsbereitschaft, sympathisches Auftreten, Güte und Herzlichkeit.72 Diese Dimensionen, die mit dem Terminus Wärme oder Expressivität beschrieben werden, ergeben sich daraus, dass Frauen überwiegend die Hausfrauenrolle bzw. die Berufsrolle mit eher niedrigem Status, wie Grundschullehrerin, Erzieherin und Krankenpflegerin, ausüben; Kompetenz und Instrumentalität, die Termini, mit denen die Kerninhalte des Männerstereotyps bezeichnet werden, folgen entsprechend daraus, dass Männer eher als Frauen die Ernährerrolle bzw. die Berufsrollen mit eher hohem Status, wie Manager, Rechtsanwalt oder Arzt ausüben.73 „Mit anderen Worten, Menschen schließen vom beobachteten Rollenverhalten unmittelbar auf die Eigenschaften der Rolleninhaber und vernachlässigen dabei den Einfluss der in der jeweiligen Situation verhaltenswirksamen Rollenanforderungen.“74 Ferner werden die Inhalte von Stereotypen vom relativen Status der Gruppe (hoch vs. niedrig) und von der Art der Interdependenz bestimmt. Der relative Status bestimmt dabei die Einordnung einer Gruppe auf der Kompetenzdimension, und zwar in dem Sinne, dass Gruppen mit hohem Status, also die Männer, als kompetent eingeschätzt werden, solche mit niedrigem Status, nämlich Frauen, als inkompetent.75 Aus Sicht des Stereotypinhaltsmodells ergibt sich das traditionelle Frauenstereotyp aus „einem relativ niedrigen sozialen Status von Frauen in der Gesellschaft, kombiniert mit einer kooperativen Interdependenz von Männern. Umgekehrt ergibt sich das traditionelle Männerstereotyp aus einem relativ hohen gesellschaftlichen Status in Kombination mit einer kompetitiven Orientierung gegenüber Frauen“.76 68 Eagly 1987, S. 9. 69 Ebd., S. 14. 70 Vgl. ebd., S. 16. 71 Ebd. 72 Vgl. ebd. 73 Vgl.: Eckes 2004, S. 167. 74 Ebd. 75 Vgl. ebd. 76 Ebd.

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Die Art der Interdependenz bestimmt dagegen die Einordnung einer Gruppe in der Dimension der Eigenschaft Wärme, und zwar auf die Weise, dass kooperative Gruppen als warm bzw. als unbedrohlich für die eigenen Gruppenziele und kompetitive Gruppen als kalt bzw. als bedrohlich eingeschätzt werden.77 Nach dem Stereotypinhaltsmodell formen Frauen die kooperativen Gruppen, denn Wärme und Expressivität bilden den Kern des weiblichen Stereotyps, während Männer die kompetitive Gruppe darstellen. In den letzten 25 bis 30 Jahren konnte jedoch festgestellt werden, dass sich die weibliche Instrumentalität erhöht hat und es dadurch zu strukturellen Veränderungen sowie einem massiven Aufbrechen der patriarchalen Strukturen gekommen ist, insofern, dass Frauen beispielsweise immer häufiger männlich konnotierte Berufe ausüben. Dies hat dazu geführt, dass sich Männer in ihrem Selbstverständnis bedroht fühlen, da sie befürchten, ihre Männlichkeit zu verlieren. Ein Verfechter dieser Theorie ist der Schweizer Soziologe Walter Hollstein. Er argumentiert, dass durch eine Verweiblichung der Gesellschaft und die dadurch erfolgte Verdrängung aus typisch männlichen Identifikationsbereichen Männlichkeit und MannSein ihren Stellenwert verloren haben.78 Dadurch drohe die Entleerung der Männlichkeit. „Noch Gefährlicheres droht: Die Entleerung traditioneller Männlichkeit und der damit verbundene Sinnverlust bewirken, daß die Rollenerwartung an Männer zu etwas Äußerlichem werde, das innerlich nicht mehr gefüllt ist, zu einem Rollenkorsett, das zwar gesellschaftlich stützt, aber psychisch unbefriedigt läßt. Traditionelle Männlichkeit degeneriert so zur Fassade.“79

Dennoch aber wird von Männern erwartet weiterhin die Ernährerrolle einzunehmen.80 Dieses janusköpfige Bild, das die moderne westliche Gesellschaft hervorbringt, zeigt sich auch in der Tatsache, dass die Vorstellung darüber, was einen Mann ausmacht und welche geschlechtstypischen Eigenschaften ihm anhängig sind, in den letzten sechs Jahrzehnten weitestgehend konstant geblieben ist, sich 77 Vgl.: Fiske, Susan/Amy J. C. Cuddy/Peter Glick/Jun Xu: A Model of (often Mixed) Stereotyp Content: Competence and Warmth Respectively Follow from Perceived Status and Competition. In: Journal of Personality and Social Psychology 82 (2002) H. 6, S. 878-902; hier: S. 899. 78 Vgl.: Hollstein, Walter: Was vom Manne übrig blieb. Unter: http://www.streit bar.eu/aufsatz_hollstein.html, 09.11.2011, 13.56 Uhr. 79 Hollstein, Walter: Männerdämmerung. Von Tätern, Opfern, Schurken und Helden. Göttingen 1999, S. 14. 80 Ebd.

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gleichzeitig aber das männliche Rollenverhalten erweitert hat.81 Überspitzt ausgedrückt bedeutet dies, während der sozio-kulturelle Kontext von einem Mann immer noch verlangt, dass dieser stark und mutig ist, während aber ebenso vorausgesetzt wird, dass er sich beispielsweise in die Rolle des Hausmannes einfindet und Vaterschaftsurlaub nimmt.82 Gleichzeitig ist eine verstärkte Instrumentalisierung von Weiblichkeit festzustellen, die von feministischer Seite kritisch beobachtet wird. Ursula Pasero sieht hierin die Auflösung der Geschlechterdichotomie, in deren Folge das weibliche Geschlecht zu einer „ungendered person“83 wird. Dabei haben die Theorie zur sozialen Rolle, wie sie Eagly vorstellt, als auch das Stereotypinhaltsmodell aufgezeigt, dass trotz des kontinuierlichen Anstiegs an instrumentellen Merkmalen in der Genus-Gruppe Frau und des seit den 1970er Jahren rapide ansteigenden Anteils von erwerbstätigen Frauen die Invarianz der deskriptiven Inhalte konstant geblieben ist. Es ist vielmehr festzustellen, dass nach wie vor eine stark geschlechtssegretierte Arbeitswelt vorherrscht.84 Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass „auch im Bereich der Familienrollen […] bislang keine substanzielle Änderung der Rollenverteilung in Sicht [ist]: Frauen haben im internationalen Vergleich immer noch die primäre Verantwortung für Haushalt und Kindererziehung“.85 Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, „dass Frauen Erziehungsurlaub immer noch als weiblich ansehen, denn eine Mutter gehört zu ihrem Kind“, so Norbert Schneider.86 So verwundert es nicht, dass eine Befragung aus dem Jahre 1998 ergab, dass 70 % aller Mütter Erziehungsurlaub nahmen, da sie ganz für ihr Kind da sein wollten.87 Eine im Oktober 2013 veröffentlichte Studie des Allensbacher-Instituts hat 81 Vgl.: Twenge 1997, S. 305. 82 Thomas Hertling sieht gerade in diesen widersprüchlichen Anforderungen des Berufsund Privatlebens eine große Problematik für die Genus-Gruppe Mann. Denn Männer können diesen modernen und gleichzeitig ambivalenten Erwartungshaltungen, nicht zuletzt aufgrund der erfahrenen traditionell stereotyp-männlichen, häufig an patriarchalisch gefärbten und antiquierten Männlichkeitsvorstellungen orientierten Sozialisation, nicht gerecht werden. Vgl.: Hertling 2008, S. 1. 83 Vgl.: Pasero, Ursula: Dethematisierung von Geschlecht. In: Pasero Ursula/Friederike Braun (Hg.): Konstruktion von Geschlecht. Pfaffenweiler 1995, S. 50-66; hier: S. 51. 84 Vgl.: Eckes 2004, S. 173. 85 Ebd. 86 Vgl.: Schneider, Norbert F./Harald Rost: Vom Wandel keine Spur – warum ist Erziehungsurlaub weiblich? In: Oechsle, Mechthild/Birgit Geissler (Hg.): Die ungleiche Gleichheit. Junge Frauen und der Wandel im Geschlechterverhältnis. Opladen 1998, S. 217-236; hier: S. 217. 87 Vgl. ebd., S. 221.

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zudem dargelegt, dass 2/3 aller deutschen Männer weitere Vorstöße in der Gleichberechtigung ablehnen. 71 % von ihnen glauben, dass sie für den Unterhalt der Familie aufkommen müssen, und sehen daher Hausarbeit weiterhin als Frauensache an,88 obwohl sich auch das Rollenverhalten des Mannes in den vergangenen 60 Jahren verändert hat. Besonders deutlich wird dies an der Wandlung der Vaterrolle.89 Mit Beginn der 1960er Jahre rückte die Rolle des Mannes als Vater und als Ehepartner immer mehr in den Fokus politischer und wissenschaftlicher Diskussionen. Befürchtungen wurden laut, dass der rapide Anstieg der Scheidungen verheerende Auswirkungen auf die soziale Institution der Familie haben könnte. Gleichzeitig bildeten die zahlreichen Scheidungen den Ausgangspunkt für Väterrechtsbewegungen, welche das Sorgerecht für den Vater einforderten. Noch nie zuvor waren die Rollen von Vater und Mutter derart politisiert worden und wurde das traditionelle Bild der Familie so deutlich hinterfragt. Und so wurde die feministische Revolution der 1970er Jahre von einer Revolution der Männer begleitet,90 die mehr väterliche Rechte erstreiten wollten. Hierdurch kam es letztlich zu einer Neuordnung des familiären Lebens.91 Heute, so Wassilios Fthenakis, wird uns ein zweigeteiltes Bild des Vaters vermittelt, das konträrer nicht sein könnte: 88 Vgl.: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/allensbach-studie-maenner-haben– genug-von-gleichberechtigung-a-925249.html. Letzter Zugriff: 02.10.2013. 89 Während der großen Depression und des zweiten Weltkriegs war der ideale Vater Beschützer, Ernährer und Disziplinierungsperson der Familie. Die Realität sah jedoch anders aus. Viele Männer verloren ihre Arbeitsplätze und mit ihnen sowohl ihren Status als Entscheidungsträger als auch ihr Selbstbewusstsein. Sie wandten sich von ihren Familien ab und zeigten Tendenzen zum Alkoholismus. Auch während der Kriegsjahre trat die Befürchtung auf, dass die Vaterabwesenheit Probleme in der Kindererziehung mit sich bringen könnte. Daher wurde in der Nachkriegszeit viel Wert auf die Etablierung des traditionellen Familienbildes gelegt. Männer sollten vermehrt väterliches Engagement als Geschlechterrollenmodell und als Disziplinierungsperson zeigen. Väter sollten Kameraden ihrer Söhne werden und sie in sportliche Aktivitäten einbinden. Die Teilnahme an der Betreuung der Kinder oder die Übernahme von Aufgaben im Haushalt war jedoch nicht Bestandteil des traditionellen Vaterbildes. Diese familiäre Ordnung wurde bis weit in die 1960er Jahre nicht in Frage gestellt. Vgl.: Fthenakis, Wassilios: Facetten der Vaterschaft. Perspektiven einer innovativen Väterpolitik. Bundesministerium

für

Familie,

Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) 2005, S. 9f., down-

load: 22.11.2013 unter: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung2/PdfAnlagen/facettenvaterschaft,property=pdf,bereich=bmfsfj,rwb=true.pdf. 90 Vgl. ebd., S. 10. 91 Vgl. ebd.

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„Auf der einen Seite steht der ‚neue‘ androgyne Vater, der weitaus engagierter, fürsorglicher und emotional ansprechbarer ist als die väterliche Autoritätsperson früherer Zeiten. Auf der anderen Seite findet sich das verstörte Bild des verantwortungslosen Vaters, der seine Familie im Stich lässt oder der Gewalt ausübt.“92

Autorität und Respekt, die ein Mann im häuslichen Kontext erhält, sind unlösbar mit seinem ökonomischen und sozialen Status außerhalb der Familie verknüpft. Diese müssen jedoch stärker als je zuvor in der Geschichte infolge komplexer wirtschaftlicher und kultureller Veränderungen für das männliche Geschlecht selbst erarbeitet werden. Dies sowie die anhaltenden Vorstellungen über die männlichen Geschlechterstereotype können zu einem Rückzug der Väter führen, die sich von der an sie gerichteten Doppelbelastung in Beruf und Familie überfordert fühlen.93 Das veränderte Rollenverhalten der Väter erweist sich auch im Hinblick auf die Analyse der TV-Kriminalkommissare als ein wichtiger Aspekt, denn schnell avancierte der erste deutsche TV-Kriminalkommissar, Herbert Keller, zur vertrauenswürdigen Vaterfigur94 der harmoniebedürftigen deutschen Nachkriegsgesellschaft. Zwangsläufig stellt sich damit die Frage, ob und inwieweit auch die zeitgenössischen TV-Ermittler dieser Rolle und den ihr anhängigen Geschlechtscharakteristiken gerecht werden. Können auch sie als Väter der Nation bezeichnet werden?

2.4 K ONZEPTE

PLURALER

G ESCHLECHTSIDENTITÄTEN

Die Geschlechtsidentität ist als ein übergeordneter Begriff zu verstehen, mit dem zum einen die grundlegende Selbstkategorisierung der eigenen Person als männlich oder weiblich benannt wird, zum anderen beinhaltet der Begriff Geschlechtsidentität die „individuelle Selbstzuschreibung sogenannter geschlechtstypischer Merkmale im Sinne eines Selbstkonzepts eigener Weiblichkeit und Männlichkeit“.95 Ferner umfasst die Geschlechtsidentität vier verschiedene Dimensionen.

92 Ebd. 93 Vgl. ebd. 94 Vgl.: Weber, Thomas: Die beruhigende Mörderjagd. Zur Ästhetik und Funktion von westdeutschen Fernsehkrimis. In: Brück, Ingrid/Andrea Menn/Reinhold Viehoff (Hg.): Krimi im Fernsehen. SPIEL (Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft – Sonderheft) 13 (1994) H. 2, S. 256-277; hier: S. 267. 95 Vgl.: Hoffmann 1997, S. 76.

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Hierzu gehören die Selbstbeschreibung männlicher und weiblicher Eigenschaften, die Konzepte der Geschlechtsstereotypisierung, die Geschlechtsrollenpräferenzen sowie die Realisierung geschlechtstypischen Verhaltens.96 Auch diese Dimensionen lassen sich nochmals unterteilen, denn plurale Geschlechtsidentitäten variieren die oben genannten Dimensionen, so dass der durch die Geschlechterstereotype gesetzte Rahmen der bipolaren Komplementarität durchbrochen wird und damit auch die traditionelle Vorstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit.97 Zu den Konzepten pluraler Geschlechtsidentitäten können die Substereotype, die Androgynie, aber auch das Konzept der Travestie und der Maskerade gezählt werden, da in ihnen eine Möglichkeit zur Überwindung der starren Grenzen der Geschlechterdichotomie gesehen wird 2.4.1 Substereotype Sozialpsychologische Untersuchungen wie die von Carpenter und Trentham (1998), Coats und Smith (1999) oder Eckes (1994, 1997, 2002) haben nun ergeben, dass in Zeiten, in denen es Frauen möglich ist, ehemals typische Männerberufe auszuüben und Männer Erziehungsurlaub nehmen, Globalstereotype, d. h. Stereotype über die allgemeinen Kategorien von Frauen und Männern, wie sie beispielsweise von Dorothee Alfermann aufgezeigt werden, zu weit und damit zu unscharf sind, wodurch sich nicht immer mit dem sozialen Verhalten von Individuen übereinstimmen. Hier kommen nun die sogenannten Substereotype ins Spiel. Sie präsentieren mentale Repräsentationen der Globalstereotype, welche strukturell heterogen sind und sich aus einer Reihe spezifischer und in sich homogener Kategorien zusammensetzen.98 Diese Substereotype zählen zum Konzept der pluralen Geschlechtsidentität, in welchem männliche und weibliche Geschlechtscharakteristika miteinander vereint werden. Eine der ersten Untersuchungen zum Thema Substereotype stammt von Clifton, McBrath und Wick aus dem Jahre 1976. In freien Assoziationen zum Begriff „Frau“ nannten die Befragten nicht nur die erwarteten Eigenschaften, sondern auch verschiedene Frauentypen. Darunter fanden sich inhaltlich klar voneinander abgesetzte Typen wie Hausfrau, Bunny,

96 Hoffmann 1997, S. 76. 97 Ebd., S. 77. 98 Vgl.: Eckes 2004, S. 169.

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Karrierefrau99 und Emanze100. Als männliche Subtypen gelten hingegen der Alternative und der Intellektuelle.101 Auffällig ist, dass der männlichen Genus-Gruppe im Gegensatz zur weiblichen scheinbar nur zwei Subtypen inhärent sind. Erst nachfolgende Studien haben eine ganze Reihe weiterer Frauen- und Männer-Substereotype identifiziert, und zwar mit einem überraschend hohen Grad an Übereinstimmung, auch zwischen verschiedenen Kulturen. Einige der wiederholt beobachteten Substereotypen stehen dabei in klarem Gegensatz zu ihrem jeweiligen Globalstereotyp. Bei Frauentypen sind dies insbesondere die Karrierefrauen, die als dominant, kühl und selbstbewusst beschrieben werden. Bei den Männertypen handelt es sich beispielsweise um den Alternativen, der als nachdenklich, offen und gefühlsbetont beschrieben wird, oder den Intellektuellen, der redegewandt, selbstkritisch und kulturell interessiert ist. Die Existenz oder Konstruktion von Substereotypen, die auf der übergeordneten, globalen Ebene stereotypkonträr sind, führt allerdings, so das übereinstimmende Ergebnis aller Studien, nicht zu einer Schwächung oder Beschädigung des Globalstereotyps, sondern lässt dieses eher im Gesamten unverändert.102 Auch die im Jahre 2002 von Thomas Eckes erstellte Studie zu den Dimensionen von Substereotypen über Frauen und Männer bestätigt die oben gemachten Aussagen.103 Inwieweit Substereotype und damit Konzepte der pluralen Identität in der Geschlechterkonstruktion der im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchenden TV-Kriminalkommissarspaaren eine Rolle spielen, wird insbesondere in der Analyse des gemischtgeschlechtlichen Ermittlerpaares erarbeitet. 2.4.2 Travestie und Maskerade Das Eindringen der Frauen in die männlichen Territorien und die damit einhergehenden Veränderungen in der Gesellschaft stellen im traditionellen Denkschemata des Patriarchats eine nicht zu unterschätzende Bedrohung für das männliche Individuum dar, denn sie bringen das Konzept Männlichkeit ins Wanken. Hollstein

99

Vgl.: Clifton, A. Kay/Diane McGrath/Bonnie Wick: Stereotypes of Women: A Single Category? In: Sex Roles, A Journal of Research 2 (1976) H. 2, S. 135-148.

100 Vgl.: Eckes 2004, S. 169. 101 Vgl. ebd. 102 Vgl. ebd., S. 167. 103 Vgl.: Eckes, Thomas: Paternalistic and Envious Gender Stereotypes: Testing Predicitions from the Stereotype Content Model. In: Sex Roles, A Journal of Research 47 (2002) H. 3-4, S. 99-114.

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zufolge werden Männer durch die Diskreditierung ihrer Geschlechtsrolle gezwungen, ihre Geschlechtsidentität zu verbergen. Er argumentiert, dass diese Veränderungen in der männlichen Genus-Gruppe daraus hervorgehen, dass Männer in der heutigen Zeit bedingt durch das Matriarchat gezwungen werden, ihre eigene Identität und ihre eigene Männlichkeit abzulegen,104 wodurch sie in einen Zustand der „Travestie“ gerieten, welche „eine Darstellung der Ambivalenz der allgemeinen, also für alle Subjekte geltenden Situation [ist], dass das, was ganz natürlich ist, ein Effekt von Darstellungen ist“.105 Anders ausgedrückt: Die Travestie inszeniert Weiblichkeit durch das Zitieren weiblichen Verhaltens im Alltag. Dabei kommt es aber nicht nur zu einem oberflächlichen Tausch von Kleidungsstücken, sondern es werden auch mimische, stimmliche und gestische Aspekte weiblichen Auftretens übernommen und dargestellt.106 Die Ausrichtung auf die Charakterstereotypen des weiblichen Geschlechts findet dabei in der Performanz auf der Bühne statt, in der die Travestie ausgeführt wird. Hierbei kommt es aber zu keiner anhaltenden Persönlichkeitsumformung oder –angleichung noch zu einer dauerhaften Verleugnung der geschlechtlichen Identität. Die Persönlichkeit sowie die geschlechtliche Identität werden lediglich für einen gewissen Zeitraum durch eine andere überdeckt. Der Mann verliert demnach nicht seine Identität als Mann im Sinne des traditionellen Geschlechtersystems, er verbirgt sie nur. Da der Zustand der Travestie zudem nur über einen begrenzten Zeitraum stattfindet, kehrt der Mann nach Ablauf dieser Zeit wieder in sein traditionelles Rollenbild zurück. Er spielt sozusagen mit den verschiedenen Dimensionen der Geschlechtsidentitäten. Ähnlich verhält es sich mit dem Konzept der „Maskerade“; in der GenderTheorie wurde zunächst Frausein als ein inszenatorischer Akt der Maskerade verstanden, wodurch sie schließlich zu einem performativen Konzept für die Konstruktion beider Geschlechter wurde.107 Nadyne Stritzke zufolge bezeichnet die 104 Vgl.: Hollstein: Was vom Manne übrig blieb. Unter: http://streitbar.edu/aufsatz_ hollstein.html. Letzter Zugriff: 19.01.2012. Als Beispiel dafür nennt er den Berliner Psychologen Wilfried Wieck, der sich zum Feministen erklärt hat, sowie den USamerikanischen Autor Rob Stoltenberg, der sich dazu entschieden hat, kein Mann mehr sein zu wollen. Das „makaberste Beispiel“, so Hollstein, stellt der australische Soziologe Robert Connell dar, der sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen hatte. 105 Villa, Paula-Irene: Sexy Bodies: Eine soziologische Reise durch den Geschlechtskörper. 3. Aufl., Wiesbaden 2006, S. 171. 106 Vgl. ebd., S. 172. 107 Vgl.: Weihe, Richard: Die Paradoxie der Maske: Geschichte einer Form. München 2004, S. 347.

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Maskerade primär Phänomene der verstellten Präsentation von Geschlechterdefinitoren,108 die gleichzeitig das Potential birgt, einerseits als Konzept eine sexuelle Identität vorauszusetzen, die maskiert werden kann; andererseits „die Konstruiertheit von Geschlecht fundieren zu können“.109 Und die Psychoanalytikerin Joan Riviere setzt Maskerade und Weiblichkeit gleich, indem sie behauptet, es gäbe keinen Unterschied zwischen ‚maskierter‘ Weiblichkeit und ‚realer‘ Weiblichkeit.110 Folgen wir ihrer Theorie, so wie sie bei Richard Weihe nachzulesen ist, wird die Maske zu einer sexuellen Maske, die ein bestimmtes Sexualverhalten mit sich bringt, welches mit der sexuellen Orientierung und Praxis der jeweiligen Person nicht übereinstimmen muss.111 Riviere überträgt dieses Muster auf ihr A-B-CModell, wobei A (Sex) den Akteur bezeichnet, B die Gender-Position einnimmt, die durch die Maske vertreten wird, und C den Betrachter darstellt.112 Im Fall der vorliegenden Untersuchungen sind dies die ZuschauerInnen der TV-Kriminalserien. Weiblichkeit als Maskerade würde nach diesem System bedeuten, dass sich Weiblichkeit auf Position B abspielt. Entscheidend ist, dass Sex (A) auch A als Referenz hat, Gender (B) indessen die Referenz (C). Dies bedeutet, dass die Ebene B, somit die Maske des Geschlechts, wichtiger ist als A, nämlich der Körper des Akteurs.113 Riviere verweist in der Verdeutlichung dieses Modells auf den maskierten Schauspieler, der das andere Geschlecht darstellt. Weiblichkeit oder Männlichkeit von B sind lediglich eine Fassade, die auf die Sichtweisen von C, also die ZuschauerInnen zugeschnitten ist.114 Da der Mann gemäß dieser Theorie ebenfalls in den Zustand der Maskerade verfallen kann, trifft dieses Modell auch für ihn zu. Dabei erweist sich die Umkehr von Maskerade allerdings als problematisch, weil „Weiblichkeit in der Regel mit Mangelhaftigkeit und Männlichkeit mit Vollständigkeit attribuiert wird: Weibliche Maskeraden sind kulturhistorisch 108 Stritzke, Nadyne: Maskerade/Geschlechtsmaskerade. In: Nünning, Ansgar (Hg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. 3. aktual. u. erw. Aufl., Stuttgart 2004, S. 421-422; hier: S. 421. 109 Düber, Ann-Kristin: Verstellte Figuren. Camouflage und Maskerade als Konstitutionsstrategien geschlechtlicher Identitäten bei Annemarie Schwarzenbach. In: Düber, Ann-Kristin/Falko Schincke (Hg.): Perspektive. Medium. Macht. Zur kulturellen Codierung neuzeitlicher Geschlechterdispositionen. Würzburg 2010, S. 139-158; hier: S. 152. 110 Vgl.: Riviere, Joan: Weiblichkeit als Maskerade. In: Weissberg, Liliane (1994): Weiblichkeit als Maskerade. Frankfurt/Main, S. 34-47; hier: S. 39. 111 Vgl.: Weihe 2004, S. 347. 112 Vgl.: Weihe 2004, S. 347 113 Vgl. ebd. 114 Vgl. ebd.

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‚Reaktionsbildungen auf die Zuschreibung eines Mangels oder einer Abwesenheit‘“.115 Gemeinsam ist beiden Konzepten, also der „Weiblichkeit als Maskerade“ und der „Männlichkeit als Maskerade“, dass sie das jeweils andere Geschlecht brauchen, um die Konstruktion von Weiblichkeit und Männlichkeit aufrechtzuerhalten, da sie sich notwendigerweise auf das jeweils andere Geschlecht beziehen, d. h. sich von diesem abgrenzen müssen. Inwiefern die Konzepte der (Dauer)Travestie oder Maskerade bei der Konstruktion der TV-Kriminalkommissare greifen, soll primär am Beispiel des gemischtgeschlechtlichen Ermittlerpaars betrachtet werden, da hier, verkörpert durch die beiden Figuren, sowohl männliche Charaktereigenschaften als weibliche Charaktereigenschaften miteinander kooperieren müssen. 2.4.3 Das Konzept der Androgynie Gegen diese Theorien grenzt sich das Konzept der Androgynie ab, welches ebenfalls dem Bereich der pluralen Geschlechtsidentität zugeordnet werden muss. In diesem Konzept wird die Möglichkeit gesehen, die strukturellen Machtverhältnisse von Frauen und Männern in der Gesellschaft anzugleichen, das System kultureller, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Wertvorstellungen zu überwinden und somit geschlechtsspezifische Diskriminierung und soziale Ungerechtigkeit zu beseitigen,116 wodurch es im feministischen Diskurs als möglicher Weg aus einem

115 Benthien, Claudia/Inge Stephan: Männlichkeit als Maskerade. Kulturelle Inszenierungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Köln 2007, S. 7. 116 Androgyn (griech.): männliche und weibliche Merkmale aufweisend, in sich vereinigend. Vgl.: http://www.duden.de/rechtschreibung/androgyn.

Letzter

Zugriff:

12.01.2014. Beispielhaft findet sich dieser Gedanke bei Platon und seiner Idee des Kugelmenschen und der darauf basierenden Utopie der Androgynie. In diesem Mythos ist von Kugelmenschen mit vier Armen, vier Beinen und den Geschlechtsmerkmalen beider Geschlechter die Rede. Diese Kugelmenschen zogen den Zorn der Götter auf sich und wurden zur Strafe in zwei Hälften geteilt: Männer und Frauen. Seitdem sind beide Geschlechter auf der Suche nach dem jeweils anderen, um wieder vollständig zu werden. Der Kugelmensch verkörpert in diesem Mythos die Utopie der Androgynie. Bock, Ulla: Androgynie und Feminismus. Weinheim 1988, S. 140f. Ausgehend von der US-amerikanischen Transgenderbewegung hat sich mittlerweile eine Ablehnung gegen den Begriff Androgynie entwickelt. Im deutschsprachigen Raum wird von „transgender“ und „transgression“, von „gender crossing“, „gender bending“ und „cross dressing“. Vgl. Bock, Ulla: Androgynie: Von Einheit und Vollkommenheit

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hierarchischen Geschlechterverhältnis heraus diskutiert wird, durch die einer eindeutigen Zuordnung zu einem Geschlecht entgangen werden kann: „Als Ideal basiert die Androgynie auf dem Gedanken einer symmetrisch gestalteten Einheit, in der das Weibliche und Männliche gleichwertig in Eins [sic] gesetzt werden.“117 Aus sozialpsychologischer Sicht stützt sich das Androgyniekonzept daher darauf, „daß die psychologische Geschlechtsrollenorientierung auf (mindestens) zwei Dimensionen anzusiedeln sei, nämlich einer Maskulinitäts- und Feminitätsdimension, und daß jedes Individuum, Mann wie Frau, unabhängig vom biologischen Geschlecht auf diesen beiden Dimensionen jeden beliebigen Punkt einnehmen kann“. 118

Dabei kommt es zu einer Verbindung von männlichen und weiblichen Charakterzügen in einer einzigen Person.119 Erreicht werden soll hierdurch, so wie Herbert Marcuse in „Die Verweiblichung des Männlichen“ bereits 1979 bemerkte, die Durchsetzung einer „menschenwürdigen Existenzweise“120. Der Weg dorthin führt über zwei Etappen: zum einen über die gesellschaftliche Höherbewertung der immer wichtiger werdenden weiblichen Geschlechtscharakteristika, zum anderen über die Aufhebung der festgesetzten Geschlechterrollen, die mit dem biologischen Geschlecht als untrennbare Einheit imaginiert wurden.121 Allen voran bemüht sich die Sozialpsychologie, das Konzept der Androgynie zu messen und sichtbar zu machen. Hierbei wird hervorgehoben, dass psychisch

zu Vielfalt und Differenz. In: Becker, Ruth/Beate Kortendiek (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. 2. erw. u. aktual. Aufl., Wiesbaden 2008 (Geschlecht und Gesellschaft 35), S. 103-107; hier: S. 105f. Es stellt sich hierbei jedoch die Frage, ob ein Begriffswechsel nur eine Modeerscheinung darstellt oder die Diskussion um Geschlechterrollen und geschlechtsspezifisches Verhalten auf einer anderen Ebene und somit aus einer anderen Perspektive fortgeführt werden kann. Im Rahmen dieser Untersuchung wird jedoch weiterhin der Begriff „androgyn“ genutzt, da Dietze u. a. Kriminalkommissarinnen wie Lena Odenthal oder Sabrina Nikolaidou als androgyn bezeichnen. 117 Bock 1988, S. 125. 118 Alfermann 1996, S. 59. 119 Vgl. ebd. 120 Vgl.: Marcuse, Herbert: Die Verweiblichung des Männlichen. Darmstadt/Neuwied 1979 (Sammlung Luchterhand 4), S. 10. 121 Vgl.: Züger, Armin: Männerbilder – Frauenbilder. Androgyne Utopie in der Literatur zwischen 1970 und 1980. Bern 1992 (Europäische Hochschulschriften, Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur, Bd.1271), S. 122.

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androgyne Individuen gegenüber gendertypisierten Personen nicht nur ein breiteres Spektrum an Handlungsmöglichkeiten aufweisen, sondern auch „ein größeres Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an die jeweiligen Anforderungen einer Situation sowie mehr emotionale Ausgeglichenheit und ein höheres Maß an Selbstwertgefühl [aufweisen]“.122 Ihr positives Selbstwertgefühl wirkt sich dementsprechend auf ihre psychische Gesundheit aus. Seit einigen Jahren ist der Versuch zu beobachten, Androgynie nicht nur durch die Vereinigung männlicher und weiblicher Lebensentwürfe zu einer Einheit zu erreichen, sondern auch durch eine gezielte Veränderung des Körpers. Insbesondere im Bereich der körperlichen Ertüchtigung und Fitness lässt sich ein massives „gender crossing“ feststellen, denn „[i]m Spiel mit biologischen Geschlechtergrenzen erlangen z. B. Frauen durch exzessives Krafttraining eine männlich, oder Männer durch bewusstes Abmagern eine weiblich anmutende Körperstatur“.123 Des Weiteren, so Hertling, wird das androgyne Erscheinungsbild „durch spezifische Kleiderwahl und entsprechendes Styling unterstützt“124. Hervorstechend sind dabei in der männlichen GenusGruppe vor allem die homosexuellen Kreise, da in diesen besonders stark mit Grenzüberschreitungen gespielt wird.125 Inwieweit im Hinblick auf die Offenlegung geschlechtstypischer Merkmale bei TV-Ermittlerteams das Androgyniekonzept greift, soll speziell am Beispiel des gemischtgeschlechtlichen Ermittlerpaares untersucht werden, da hier durch eine Gegenüberstellung geschlechtstypischer Stereotypen beider Geschlechter ein direkter Vergleich zwischen diesen ermöglicht wird. Ferner erweist sich die Einbeziehung des Androgyniekonzepts insofern als wichtig für diese Untersuchung, als zahlreiche weibliche TV-Ermittlerinnen immer wieder als „androgyn“ oder „androgyne Kriegerinnen“ bezeichnet werden. Es gilt also darüber hinaus zu klären, inwieweit die TV-Kriminalkommissarinnen tatsächlich als androgyn bezeichnet werden können.

2.5 G ESCHLECHT

UND

K LEIDUNG

Kleidung und Kleidungsverhalten stellen einen weiteren wichtigen Aspekt in der Betrachtung der Geschlechterinszenierung dar, da Kleidung nicht nur als äußerliches Kennzeichen des Geschlechts dient, sondern durch ihre subtile Wirkung auf

122 Bock 2008, S. 104. 123 Hertling 2008, S. 119. 124 Ebd.: S. 229. 125 Vgl. ebd.

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den Körper bei der Herstellung von Geschlecht eine beachtliche Rolle spielt,126 denn, so Gabriele Mentges in „Mode: Modellierung und Medialisierung der Geschlechtskörper in der Kleidung“, erst die Kleidung macht den Körper kulturell kommunizierbar.127 Diese kulturelle Kommunizierbarkeit des Körpers durch Kleidung geht primär mit der Wahrnehmung durch den visuellen Sinn einher,128 weshalb Kleidung als Medium der nonverbalen Kommunikation zu verstehen ist.129 Hierdurch wird Mode im kulturellen System durch den Blick des anderen im sogenannten „visible self“ gespiegelt und zurückgespiegelt.130 Im Prozess der Identitätsbildung und der Geschlechterbeziehungen funktioniert Kleidung vergleichbar mit einem Bildschirm, der als Medium zwischen BetrachterIn und betrachtetem Subjekt geschaltet ist und in dem beide Blicke aufgenommen und zurückgegeben werden.131 Vestimentäre Codes ordnen Kleidungssignale nach paradigmatischen, syntagmatischen und pragmatischen Regeln132 und präsentieren sowie interpretieren hierdurch im Wesentlichen die Identität des Trägers.133 Carlo Michael Sommer stellte in Bezug auf die vestimentären Codes fest, dass diese „[i]m Unterschied etwa zur gesprochenen Sprache oder zu Mimik und Gestik […]besonders träge [sind]. Die beim Einkauf oder beim Anziehen ausgewählten Botschaften werden situationspermanent gesendet und können kaum zurückgenommen werden. Diese Trägheit legt den Sender auf das anfangs von sich vermittelte Bild fest und liefert somit eine weitere Erklärung für die große Bedeutung der Kleidung bei der Identitätspräsentation“.134

126 Vgl.: Teichert, Gesa C.: Mode. Macht. Männer. Kulturwissenschaftliche Überlegungen zur bürgerlichen Herrenmode des 19. Jahrhunderts. Münster 2013, S. 11. 127 Mentges, Gabriele: Mode: Modellierung und Medialisierung der Geschlechterkörper in der Kleidung. In: Becker, Ruth/Beate Kortendiek (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. Wiesbaden 2004 (Geschlecht und Gesellschaft, Bd. 35), S. 570-576; hier: S. 570. 128 Vgl. ebd. 129 Sommer, Carlo Michael: Der soziale Sinn der Mode. Kleidung und Mode aus sozialpsychologischer Sicht. In: Holenstein, André/Ruth Meyer Schweizer/Tristan Weddigen/Sara Magarita Zwahlen (Hg.): Zweite Haut. Zur Kulturgeschichte der Kleidung. Bern/Stuttgart/Wien 2007, S. 241-254; hier: S. 242. 130 Vgl.: Mentges 2004, S. 570. 131 Vgl. ebd. 132 Vgl.: Sommer 2007, S. 242. 133 Vgl. ebd., S. 243. 134 Sommer 2007, S. 242.

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Hierdurch sichert die Kleidung die Kontinuität der Identität ihres Trägers.135 Bereits im Hochmittelalter zeichnete sich mit der Entwicklung eines neuen Körperideals die Trennung der Geschlechterdarstellung in der Kleidung ab, die im Spätmittelalter eine weitere Zuspitzung erfuhr. Hieraus ergaben sich zwei unterschiedliche kleidungsvermittelte Körperbilder der Geschlechter, welche den Körper in den Mittelpunkt der Betrachtung rückten. Die geschlechtlichen Unterschiede wurden vestimentär hervorgehoben und erhielten durch die Kleidung eine fest umrissene Kontur. Von nun an trugen Männer und Frauen nicht mehr gleichermaßen lange kleidähnliche Gewänder, sondern die männliche Kleidung erfuhr durch das Beinkleid eine Neuerung. Die hiermit eingeleitete Trennung von männlicher und weiblicher Kleidung sollte bis zum 20. Jahrhundert anhalten.136 Gabriele Mentges betrachtet diese geschlechtsspezifische Gewandteilung kritisch, denn die Frau sollte trotz „aller Neuerungen in der Kleidung das lang fallende Gewand [beibehalten]“137, was im historischen Kontext für die Entrechtung und Unterdrückung der Frau steht.138 Besonders deutlich werde dies, so Mentges weiter, im 19. Jahrhundert, da in dieser Zeit die Polarität der Geschlechter „erfunden“ und mit „medizinischen, anthropologischen, psychologischen und psychoanalytischen ‚Argumenten‘ ‚wissenschaftlich‘ belegt“ wurde.139 Hierbei stand die Auffassung im Vordergrund, dass die Frau ihrer „Geschlechtlichkeit unterworfen sei“140, während sich der Mann „mittels seiner männlichrationalen Kraft von seinen Naturtrieben befreien könne“141, was zu der allgemein geteilten Annahme führte, dass Frauen passiv und gefühlsbetont seien, Männer hingegen aktiv, rational und beeinflussend.142 „Da die Idee der Geschlechterpolarität Auswirkungen auf die bürgerlichen Vorstellungen über Frauen- und Männerkörper hatte, wirkte sie sich auch auf Fragen der zum Geschlechtscharakter passenden Kleidung aus.“143 In zahlreichen wissenschaftlichen Diskursen, die sich ab dem 19. Jahrhun-

135 Vgl.: Sommer 2007, S. 242. 136 Vgl.: Mentges, Gabriele: Kleidung als Technik und Strategie am Körper. Eine Kulturanthropologie von Körper, Geschlecht und Kleidung. In: Holenstein, André/Ruth Meyer Schweizer/Tristan Weddigen/Sara Magarita Zwahlen (Hg.): Zweite Haut. Zur Kulturgeschichte der Kleidung. Bern/Stuttgart/Wien 2007, S. 15-42; hier: S. 24. 137 Ebd. 138 Vgl. ebd. 139 Teichert 2013, S. 60. 140 Ebd. 141 Ebd. 142 Vgl. ebd. 143 Ebd., S. 59.

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dert mit Mode und ihrer Wirkung auf die Gesellschaft sowie die Geschlechter befassten, wurde geschlussfolgert, dass Frauen eine besondere Anfälligkeit für modisches Verhalten haben. Diese Zuschreibung begünstigte und rechtfertigte gleichzeitig die Erhebung der Frau zur Modeträgerin, welche die Blicke des Mannes auf sich lenken sollte.144 Wie wichtig die Präsentation und Einkleidung des Frauenkörpers in dieser Zeit war, beschreibt Schubert von Soldern: „Die Frauen müssen sich in bezug auf die Männer passiv verhalten, der Mann hat die Wahl, er hat zu sprechen und zu handeln, und eben deshalb muss die Frau bedacht sein das „Gewählt-Werden“ zu provozieren; um aber in dem Mann die sinnliche Begierde wachzurufen, gibt es kein besseres Mittel als Kleidung, infolgedessen ist die Koketterie die Ursache der Art sich zu kleiden, und dadurch ist die Mode wesentlich beeinflusst“.145

Kleidung wird somit zum wichtigen Kriterium in der Auseinandersetzung von Geschlechterbildern und Geschlechterkonfigurationen sowie der sozialen Rolle eines Individuums in unserer Gesellschaft. Der extremen Betonung von sekundären Geschlechtsmerkmalen in der Frauenmode des 19. Jahrhunderts durch Krinoline, Tournüre und S-Linie und den unbeweglich machenden Kleiderkonstruktionen wie Korsett, Reifrock und Kleiderfülle stand die nüchtern-spröde, praktisch-funktionale Bekleidung des Mannes gegenüber,146 denn „das männliche Kleid soll überhaupt nicht für sich etwas sagen, nur der Mann selbst, der darin steckt […]“.147 In beiden Kleidungskonzepten kam die ideelle gesellschaftliche Vorstellung der Arbeits- und Aufgabenverteilung der Geschlechter zum Ausdruck, die der Frau den Bereich des Hauses und der gesellschaftlichen Repräsentation zuwies, dem Mann dagegen den Bereich der ökonomischen Produktivität.148 Dabei nahm vor allem der bürgerliche Herrenanzug eine wichtige Rolle ein. Mit ihm verband sich die normative Vorstellung, wie der Mann sein sollte: beherrscht, rational und auf das Wesentliche konzentriert.149 Noch heute wird solide männliche Bürgerlichkeit in Form des im 19. Jahrhundert in Gebrauch gekommenen Herrenanzugs zum Ausdruck gebracht, weshalb er nach wie vor das bevorzugte Kleidungsstück der Berufsgruppe der Banker ist.150 Kleidung wird somit zu einem wichtigen Kriterium in der Beurteilung von Menschen, denn die BetrachterInnen schließen von 144 Vgl.: Teichert 2013, S. 52. 145 Teichert 2013, S. 60. 146 Vgl.: Mentges 2004, S. 571. 147 Teichert 2013, S. 52. 148 Vgl.: Mentges 2004, S. 571. 149 Vgl.: Teichert 2013, S. 13. 150 Vgl.: Mentges 2007, S. 19.

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der Kleidung auf den ganzen Menschen, und damit von einem sichtbaren Merkmal auf ein Bündel nicht sichtbarer Eigenschaften. So wird ein Mensch aufgrund der Kleidung für wohlhabend, alternativ, vertrauenswürdig, aufgeschlossen151 oder aber für männlich beziehungsweise weiblich gehalten. Mit Beginn der 1920er Jahre entstand ein neuer Frauentypus. Er zeigte eine modern gestaltete Form von Weiblichkeit, die im Sinne rationaler Zweckmäßigkeit und Praktikabilität eine neue Kleidungs- und Körpersilhouette definierte: Beinfreiheit durch kurze Röcke, taillenloser Schnitt der Kleidung und kurzgeschnittene Haare, der auch als Bubikopf bezeichnet wurde. Dieses neue Frauenbild wurde insbesondere in zeitgenössischen Modezeitschriften und Illustrierten, aber auch in Film und Werbung aufgegriffen.152 Hierdurch wurde vor allem die weibliche Mode zum festen Bestandteil der medialen Kultur. Damit einher ging auch die Vorstellung, dass über die Kleidung die Frau für den Blick des Mannes instrumentalisiert beziehungsweise zum willfährigen Opfer der Mode wurde. Aus feministischer Sicht, so Mentges, wird diesen Vorstellungen vehement widersprochen. Mode wird hier vielmehr als ein Mittel zur bewussten Inszenierung des weiblichen und männlichen Selbst angesehen und zum Instrument des jeweiligen kulturellen und sozialen Milieus erhoben.153 Der moderne Umgang mit Mode erzeugt das selbstreflexive Spiel mit der Modegeschichte als Mittel zur Distanzierung von modisch erzeugten historischen Geschlechterbildern und wird in jugendkulturellen Szenen seit den 1970er Jahren als Mittel für eine Stilfindung eingesetzt. Dies gestattet, die traditionellen Weiblichkeitsbilder der Mode gewissermaßen als Maskerade zu entlarven und für neue Kontexte zu instrumentalisieren. Insbesondere das Phänomen des sogenannten Cross Dressing154, unter welchem man allgemeinhin den Akt des Tragens von

151 Vgl.: Sommer 2007, S. 244. 152 Vgl. ebd. 153 Vgl. ebd. 154 Der Begriff „Cross Dressing“ wurde in den frühen 1970er Jahren von einer Gruppe heterosexueller Cross-Dressern geprägt, um die bestehenden Assoziationen von Transvestismus zu Schwulen und transvestitischen Fetischismus zu vermeiden. Der Akt des Cross Dressings ist allerdings lange verbreitet und hat in zahlreichen Kulturen, wie in der griechischen, hinduistischen oder auch der nordischen Mythologie, stattgefunden hat und findet durchaus auch immer noch statt. Hiervon zeugen bis heute Beispiele aus der Folklore, der Literatur, Musik und dem Theater, wie dem japanischen Kabuki. Aus historischer Sicht erfüllt das Cross Dressing aber noch eine weitere Aufgabe: Es wird als eine extreme Form der Verkleidung gesehen, um bei-

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Kleidungsstücken und zugehörigen Accessoires des jeweils anderen Geschlechts, wie es von der Gesellschaft wahrgenommen bzw. festgelegt wird, versteht,155 gilt als ein solches Instrument. Denn Cross Dressing verschleiert die eigentliche Sexualität von Individuen und erschafft ein äußerliches Erscheinungsbild, das zumeist nicht mit der sogenannten „inneren“ Sexualität des jeweiligen Individuums übereinstimmt.156 Damit beschreibt das Cross Dressing eine Praxis, in der die binäre Geschlechterkonstruktion durch Mode gezielt destabilisiert und damit dekonstruiert wird.157 Ähnlich verhält es sich in diesem Zusammenhang mit der sogenannten androgynen Kleidungsweise, welche sich dahingehend vom Cross Dressing abgrenzt, als sie nicht die Adaption von Kleidung des jeweils anderen Geschlechts zur äußerlichen Transition propagiert, sondern einen Kleidungsstil, der es auf den ersten Blick unmöglich machen soll, den Träger zu einer der beiden Geschlechtsgruppen unseres binären Systems zu zuordnen. Obwohl, wie auch schon beim Cross Dressing, die Geschichte des androgynen Kleidungsverhalten bis zum 17. Jahrhundert zurückgreift, als sich vor allem aristokratische Männer Kosmetika und gepuderter Perücken bedienten und sich in Samt und Seide kleideten, kommt ihr erst im Rahmen sozialer und kultureller Bewegungen, wie der zweite Welle des Feminismus, ab den 1960er und 70er Jahre besondere Bedeutung zu. Denn in diesem Zeitraum eröffneten sich primär den Frauen neue Berufswege in bis dato typisch männlich kodierter Berufe. Von nun an trugen viele junge Frauen „pantsuits, slackes, ties, and pressed dress shirts to signify her transition from domesticity to a position of authority”158, so Brian Robertson. Gleichzeitig ließ sich aber auch eine Hinwendung zum androgynen Erscheinungsbild bei den Männern feststellen, welches sich allerdings weniger in der Kleidung als in ihren Haarschnitten manifestierte. Immer häufiger mieden Männer den Friseurbesuch und ließen sich stattdessen ihre Haare wachsen. Musikbands wie die Beatles mit ihren „girlish mop tops“159 ließen bei älteren Generationen die Befürchtung auf-

spielsweise widrigen Umständen zu entkommen. Besonders häufig tritt dies in Kriegssituationen ein, wenn Frauen sich dazu gezwungen sehen, sich als Männer zu verkleiden, um einer Vergewaltigung zu entkommen. 155 Vgl.: Houghton Mifflin Company (Hrsg.): The American Heritage Dictionary of the English Language, Fourth Edition. Houghton Mifflin Company, 2004. 156 Vgl.: Arnold, Rebecca: Fashion, Desire, and Anxiety: Image and Morality in the 20th Century. London/New York 2001, S. 122. 157 Vgl.: Mentges 2004, S. 572f. 158 Robertson, Brian: Androgyny. In: Wilett, Julie A.: The American Beauty Industry Encyclopedia. Greenwood Press, Santa Barbara, California, 2010, S. 9 159 Ebd.

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kommen, dass sich Männer und Frauen bald schon nicht mehr unterscheiden ließen.160 Die „wahre“ Androgynie, welche sowohl ein Abschalten jeglichen geschlechtsspezifischen Kleidungsverhalten als auch biologischen bzw. körperlichen Anzeichen beinhaltet, um ein „biologisches Lesen“ des Geschlechts der jeweiligen Person unmöglich zu machen, zu der unter anderem das Fehlen von Gesichtsbehaarung und Busen sowie einer verschmälerten Taille in Relation zur Hüftbreite, um dem sozialen Geschlecht und der ihm anhängenden Rolle keine Wirkungsmöglichkeit zu geben,161 ist in der Modewelt nie eingetreten. Vielmehr wurde von der Modeindustrie ein Bild vermittelt, welches ein knabenhaftes anstatt eines geschlechtslosen Aussehens postuliert und von männlichen Kleidungsstücken wie Hemden, Krawatten, dem sogenannten „Eton Jacket“ und Schirmkappen geprägt wird. Feministinnen sehen in dieser Art des „androgynen“ Kleidungsstils kein Symbol der Geschlechtergleichheit, sondern ein subtiles Mittel, um die Gleichheitsforderungen der Frauenbewegung verstummen zu lassen.162 Inwieweit das Kleidungsverhalten der fiktiven Ermittler und Ermittlerinnen für deren Einordnung in eine der beiden Genus-Gruppen von Bedeutung ist bzw. inwieweit das Kleidungsverhalten Aufschluss über die soziale Konstruktion der TV-Ermittlerteams gibt, wird im Rahmen der jeweiligen Untersuchungen beleuchtet.

2.6 G ESCHLECHT

UND

S PRACHE

Das Geschlecht und die ihm anhängigen Geschlechtscharaktere stehen auch im engen Zusammenhang mit Kommunikation und Sprache. Denn Sprachstile163 stellen nicht nur ein wichtiges Instrument zur Konstruktion von Geschlecht dar,164 sondern auch zur Wahrnehmung. Sprache ist daher mehr als nur ein Kommunikationsmittel. Sie ist Ausdruck des Denkens und der Kultur. Dieser Kultur wiederum

160 Vgl.: Robertson 2010, S. 9. 161 Vgl.: Davis, Fred: Fashion, Culture, and Identity. Chicago 1992, S. 36. 162 Davis, Fred: Fashion, Culture, and Identity. Chicago 1992, S. 36. 163 Hiermit ist die spezifische Art und Weise gemeint, wie Männer und Frauen kommunizieren. Vgl. Grässel, Ulrike: Weibliche Kommunikationsfähigkeit – Chance oder Risiko für Frauen an der Spitze?. In: Eichhoff-Cyrus, Karin M. (Hg.): Adam, Eva und die Sprache: Beiträge zur Geschlechterforschung. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2004, Bd. 5, S. 56-68; hier: S. 58. 164 Vgl. ebd.

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entspricht eine aus der Perspektive von Männern formulierte Sprache,165 wodurch Sprache zu einem wichtigen Kriterium in der Debatte um die Geschlechterungleichheit wird, wie sich aus Gottburgsen ableiten lässt: „Die stereotypen Konzepte, die ja gleichermaßen die Wahrnehmung wie auch das Verhalten beeinflussen, bestätigen somit den inferioren Status der Frau und legitimieren die superiore Stellung des Mannes […]. Diese Feststellung ist von entscheidender Tragweite, weil damit die Illusion ausgeräumt werden kann, dass Frauen mit einem ‚anderen‘ Gesprächsverhalten ‚bessere‘ Plätze in der interaktiv ausgehandelten Rangordnung erhalten“.166

Insbesondere in der Studentenbewegung von 1968 spielte die männerzentrierte und somit frauenfeindliche Sprache eine hervorstechende Rolle. Aus der Konfrontation mit dieser männlichen Sprache ging die „Feministische Linguistik“ hervor, in der anfänglich primär die feministische Sprachkritik im Mittelpunkt stand. Ihr gegenüber entwickelte sich eine männliche Verteidigung einer patriarchalen Sprachverwendung. Heutzutage liegt der Fokus auf einer geschlechtergerechten Sprache und Sprachverwendung.167 Eine der wichtigsten Arbeiten zu männlicher und weiblicher Sprachforschung lieferte 1973 Robin Lakoff mit ihrem Aufsatz „Language and Woman’s Place“. Sie argumentierte, dass sowohl die Marginalität als auch die Machtlosigkeit der Frau durch ihren Sprachgebrauch reflektiert wird. Dabei zeichnet sich der weibliche Sprachakt durch Vagheitsmarkierungen aus und wirkt oftmals überfreundlich, was der Wahrnehmung von Frauen als ernstzunehmende Personen mit eigenen Sichtweisen entgegenwirkt. Ganz im Gegensatz dazu steht, so Lakoff, die Männersprache, die sich durch den sogenannten „Rough Talk“ auszeichnet.168 Dabei beziehen sich die Bezeichnungen „Männersprache“ bzw. „Frauensprache“ zum einen auf die unterschiedlichen Gebrauchsweisen des Sprachsystems bzw. die Sprachregister, geschlechtsspezifische Asymmetrien aufweisen.169 Empirische Studien, wie die von Fillmer und Haswell (1977), Anderson (1984), Berryman und Wilcox (1980) und Cutler und Scott (1990), um nur einige zu nennen, bestätigen, dass die sprachlichen Unterschiede bereits im Kindesalter entstehen und dass das stereotypgestützte Sprechverhalten invariant zu sein 165 Eichhoff-Cyrus, Karin M.: Vorwort. In ders. (Hg.): Adam, Eva und die Sprache: Beiträge zur Geschlechterforschung. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2004, Bd.5, S. 7. 166 Gottburgsen zitiert nach Grässel 2004, S. 66. 167 Vgl.: Eichhoff-Cyrus 2004, S. 7. 168 Vgl.: Lakoff, Robin: Language and woman’s place. In: Language in Society 2 (1973) H. 1, S. 45-80. 169 Vgl.: Klann-Delius, Gisela: Sprache und Geschlecht. Stuttgart 2005, S. 19.

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scheint.170 Diese Feststellungen gehen nicht nur mit der Entwicklung der geschlechtsspezifischen Merkmale einher, sondern zeigen zudem eine starke Übereinstimmung mit der Vorstellung maskuliner und femininer Geschlechtscharakteristika, wie sie im Stereotypinhaltsmodell vorzufinden sind. In Deutschland wurde die Debatte um die geschlechtsspezifische Sprachweise von Senta Trömel-Plötz eingeleitet. In ihrem 1978 erschienenen Artikel „Linguistik und Frauensprache“ stellt sie fest, dass sich das Sprechverhalten im Deutschen nur gering vom anglo-amerikanischen Sprechverhalten, welches von Lakoff fünf Jahre zuvor untersuchte wurde, unterscheidet. Trömel-Plötz stimmt auch Lakoffs Beobachtung zu, dass weibliches Sprechverhalten grundsätzlich negativ konnotiert sei. Sie sieht hierin ein großes Problem für Frauen, sich aus ihrer machtlosen Rolle zu befreien, denn verharren sie im weiblichen Sprechverhalten, werden sie von der Gesellschaft zwar als Frauen akzeptiert, sind in ihrer Position jedoch bedeutungs- und machtlos. Verwenden sie die männliche Sprechweise, so werden sie mit Mannsweibern oder Emanzen gleichgesetzt.171 Beide Arbeiten wurden in den folgenden Jahren stark kritisiert, da sie sich nicht auf empirische Daten stützen.172 Untersuchungen neueren Datums, wie die von Frederike Braun (2004) oder Anja Gottburgsen (2002 und 2004), greifen auf eine Vielzahl von vorausgegangenen Arbeiten und Studien zurück. Dabei betrachten sie kritisch verschiedene Ansätze der linguistischen Geschlechterforschung. Dennoch kommen auch sie zu dem Ergebnis, dass es eklatante Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Sprechverhalten gibt.173 Ulrike Grässel bestätigt in ihrer Untersuchung über die weibliche Kommunikationsfähigkeit diese Feststellung.174 Die weiblichen und männlichen Gesprächsstile „sind Ausdruck ganz spezifischer, und zwar traditioneller Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit, wie sie in dem hegemonialen Männerbild des ‚Macht-Mannes‘ nach Peter

170 Vgl.: Gottburgsen, Anja: Kleiner Unterschied, große Wirkung: Die Wahrnehmung von weiblichem und männlichem Kommunikationsverhalten. In: Eichhoff-Cyrus, Karin M. (Hg.): Adam, Eva und die Sprache: Beiträge zur Geschlechterforschung. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2004, Bd. 5, S. 27-41; hier: S. 28f. 171 Vgl.: Trömel-Plötz, Senta: Linguistik und Frauensprache. In: Linguistische Berichte 57 (1978), S. 49-68. 172 Lakoff untersuchte primär ihre eigene Sprechweise. Vgl.: Lakoff 1973, S. 40. 173 Vgl.: Braun, Frederike: Reden Frauen anders? In: Eichhoff-Cyrus, Karin M. (Hg.): Adam, Eva und die Sprache. Beiträge zur Geschlechterforschung. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2004, Bd. 5, S. 9-26 und Gottburgsen 2004, S. 27-41. 174 Vgl.: Grässel 2004, S. 59.

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Döge (2000) gebündelt sind bzw. in dem Frauenbild der – so könnte diese komplementäre Form von Weiblichkeit bezeichnet werden – ‚Mutter-Frau‘“.175

Oppermann und Weber argumentieren dagegen, dass es durchaus zu einer geschlechtsgerechten Kommunikation kommen kann, sofern Männer als auch Frauen verstehen und akzeptieren, dass das jeweils andere Geschlecht über ein differentes Sprechverhalten verfügt.176 Dass Frauen in der Lage sind, die männliche Sprechweise anzuwenden und somit ein sprachliches „doing gender“ – also eine Performanz einer Geschlechtsrolle – vollziehen, sehen Oppermann und Weber am Beispiel von Frauen in Führungspositionen bestätigt.177 Einheitlich zeigen jedoch all diese Arbeiten auf, dass Männer und Frauen über unterschiedliche Kommunikationsstile verfügen, die sich am Geschlecht und den ihm anhängigen Geschlechtsstereotypen einerseits orientieren und diese zum anderen auch unterstützen. Inwieweit dies auch für die TV-KriminalkommissarInnen zutrifft, wird in den jeweiligen Kapiteln untersucht.

2.7 F ILM UND F ERNSEHEN ALS O RTE DER G ESCHLECHTERREPRÄSENTATION Einer kulturwissenschaftlichen Literaturwissenschaft ist es möglich die vielschichtigen Geschlechterkonfigurationen des Films zum Untersuchungsgegenstand zu erheben, denn Filme sind nicht nur komplex codiert, sondern knüpfen an kulturelle Traditionen an.178 Kino und Film sind Orte, an denen die patriarchale Geschlechter- und Begehrensordnung in einer ganz besonderen Weise zur Reflexion gelangt179, weshalb sie sich als wissenschaftlicher Gegenstand bezüglich feministischer Fragestellungen eignen. Ihre Aussagen über Geschlechtlichkeit sind grundsätzlich mit Blickkonstellationen verknüpft, welche seit den 1960er Jahren primär durch die psychoanalytisch orientierten Filmtheorien untersucht wurden,

175 Grässel 2004, S. 62. 176 Vgl.: Oppermann, Katrin/Erika Weber: Frauensprache – Männersprache. Die unterschiedlichen Kommunikationsstile von Männern und Frauen. Heidelberg/Zürich 2008, S. 20. 177 Vgl. ebd., S. 20. 178 Vgl. ebd., S. 147. 179 Vgl.: Kaltenecker, Siegried: Spiegelformen. Männlichkeit und Differenz im Kino. Basel 1996, S. 8.

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welche sich mit Geschlecht und Voyeurismus, aber ebenso mit Fantasie beschäftigten, denn die Leinwand gilt als Projektionsfläche für unbewusste Wünsche, die über Rollenwechsel befriedigt werden können.180 Hinsichtlich der Darstellung von Geschlecht trugen vor allem von der zweiten Frauenbewegung inspirierte Filmwissenschaftlerinnen dazu bei, dass das weibliche Geschlecht in wissenschaftlichen Untersuchungen Beachtung fand. So fragten sie beispielsweise nach „der Repräsentation von Frauen im Film, untersuchten die kinematographische voyeuristische Konstellation und analysierten den Zusammenhang von Gender und Genre.“181 Während die frühen genderorientierten Filmanalysen vor allem Weiblichkeitsikonen in den Fokus nahmen, stellt Laura Mulveys Aufsatz „Visual Pleasure and Narrative Cinema“ aus dem Jahre 1975, einen Wendepunkt in der geschlechtsorientierten Filmanalyse dar, denn sie nutzt die Psychoanalyse als politisches Instrumentarium, um verborgene Geschlechterimplikationen des Kinos aufzudecken und damit die strukturierte Macht von Geschlecht und Sexualität sichtbar zu machen. In ihrem Aufsatz, in dem sie die patriarchalen Strukturen des (Hollywood-)Kinos der 1930er bis 1950er Jahre untersucht, stellt sie fest, dass sich die patriarchale Struktur insbesondere in der Blickachse kundtut: „In einer Welt, die von sexueller Ungleichheit bestimmt ist, wird die Lust am Schauen in aktiv/männlich und passiv/weiblich geteilt. Der bestimmende männliche Blick projiziert seine Phantasie auf die weibliche Gestalt, die dementsprechend geformt wird“.182 Mulvey unterscheidet demnach zwischen dem aktiven männlichen Sehen, welches dem Blick des Begehrens entspricht und dem passiven weiblichen Gesehen-Werden, wodurch die Frau im Kinofilm zum Sexualobjekt wird. Damit folgt sie John Berger, der in seinem Werk „Way of Seeing“ äußerte, dass in der westlich geprägten Kultur vom Bild bis hin zur Vermarktung „Männer agieren und Frauen erscheinen“ oder anders gesagt, „Männer betrachten und Frauen werden betrachtet“.183 Lünenborg und Maier sehen in Mulveys Konzept jedoch die Problematik, dass die Dichotomie in Frau/Mann und die Zuordnungen passiv/aktiv anhand der Geschlechtsbinarität nicht in Frage gestellt wird, sondern reproduziert und als gegeben hingenommen wird.184 Doch nicht nur der Film, sondern auch das Format der Fernsehserie bietet mannigfache Möglichkeiten für die Gender-Media Studies. Zahlreiche TV-Serien 180 Vgl.: Schößler 2008, S. 146. 181 Liebrand, Claudia: Gender-Topographien. Kulturwissenschaftliche Lektüren von Hollywoodfilmen der Jahrhundertwende. Köln 2003, S. 10. 182 Mulvey 1994, S. 55. 183 Vgl.: Smelik 2009, S. 180. 184 Lüneborg, Margreth/Tanja Maier: Gender Media Studies. Eine Einführung. Wien/Köln/Weimar 2013, S. 52.

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wie „Two and a Half Men“, „Mad Men“ oder „Sons of Anarchy“ etablieren sich über die Geschlechterdarstellung und erzeugen hierdurch eine relativ unverkennbare Geschlechterpolarität. Besonders deutlich wird dies aber bei der HBO-Serie „Sex and the City“,185 in welcher die ZuschauerInnen vier New Yorker Karrierefrauen auf der ewigen Suche nach dem Mann für’s Leben begleiten.186 Daraus ergibt sich das interessante Paradoxon von selbstbewussten unabhängigen Frauen mit einem ausgeprägten Cinderella Komplex187. Dabei situiert sich das Geschlecht der Figuren an eine eindeutige Position, ökonomisch und hinsichtlich ihrer libidinöser Struktur: Männer haben Geld und Macht, Frauen sind schön.188 Lediglich eine der Frauen, Samantha Jones, bricht aus der gesellschaftlich geforderten Gendernormalität aus, da sie der Meinung ist, dass eine Singlefrau nur zwei Möglichkeiten hat:189 „You can beat your head against the wall trying to find a relationship, or you can say ‚screw it’ and just go out and have sex like a man.“190 Und genau dies macht Samantha und wird hierdurch zu Sam.191 Damit repräsentiert sie, so Leskau, „die erfolgreiche Abkopplung der Kausalität von ‚sex‘ und ‚gender‘“.192 Trotz der genannten Normalisierungstendenzen liegt somit „die Qualität der Serie in der wiederkehrenden Ausstellung der Ambivalenz von Disziplinierung und Ausbruch, des Zusammenhangs von Geschlechterdifferenz und der Frage nach Subjekt- und Objektpositionen in Liebes- und sexuellen Beziehungen und des Wissens um die Widersprüche der visuellen Inszenierung von Weiblichkeit“.193

185 Die Serie lief von 1998 bis 2004 in 6 Staffeln mit insgesamt 94 Folgen bei HBO. 186 Vgl.: Leskau, Linda: Medienwissenschaft und Gender. In: Kampmann, Elisabeth/Schwering, Gregor: Teaching Media. Medientheorie für die Schulpraxis – Grundlagen, Beispiele, Perspektive. Bielefeld 2017, S. 262. 187 Der Cinderella-Komplex wurde von Colette Dowling eingeführt und spielt auf die Märchenfigur Aschenputtel (bzw. Cinderella) an und beschreibt die weibliche Angst vor Unabhängigkeit und den Wunsch nach einem männlichen Retter. (Vgl.: Dowling, Colette: Der Cinderella-Komplex: Die heimliche Angst der Frauen vor der Unabhängigkeit. Frankfurt/Main 1997.) 188 Volkening 2008, S. 224. 189 Vgl. zur Figur Samantha aus Sex and the City vor dem Hintergrund der Gendernormalität: Leskau 2017, S. 262. 190 Volkening 2008, S. 224. 191 Ebd., S. 225. 192 Leskau 2017, S. 262. 193 Volkening 2008, S. 239.

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Doch nicht nur feministisch orientierte Filmtheorien finden ihren Weg in die Gender Studies, sondern auch solche, die sich mit Männlichkeit beschäftigen. Dabei leisten vor allem homosexuelle Wissenschaftler einen entscheidenden Beitrag zur kritischen Reflexion von geschlechts- und begehrensspezifischen Kinostrukturen.194 Bereits 1978 hob Robin Wood hervor, dass sowohl die feministische als auch die schwule Filmkritik gemeinsam ein Ziel verfolgen sollten, nämlich „to attack and undermine the dominant ideological norms on all levels“195, um eine Ausblendung des kinospezifischen Andro- und Heterozynismus sowie der Stereotypisierung der Charaktere zu erschaffen.196 Doch erst im Laufe der 1980er Jahre wurde, beispielsweise durch Teresa de Lauretis Arbeit zu „Technologies of Gender“ die ideologische Geschlossenheit des Erzählkinos und mit ihr die Homogenität seiner Männlichkeitsrepräsentation in Zweifel gezogen.197 De Lauretis verstand das kinematographische Konzept von Geschlechteridentitäten nicht als ein eindeutiges und in sich abgeschlossenes, sondern als einen Prozess heterogener, krisenhafter Repräsentationen, welcher Fehlfunktionen aufweist.198 In Folge dessen wurde man sich bewusst, dass das männlich-heterosexuelle Subjekt wesentlich komplexer ist, als die klassischen Untersuchungen bis dato festgestellt hatten. Filmanalysen versuchten nun vermehrt heterosexuelle Narrationen innerhalb von Erzählungen aufzudecken. Dabei stand vor allem das Motiv der Maskerade im Fokus der Untersuchungen.199 Hierdurch wurde der Blick auf zahlreiche Widersprüchlichkeiten der klassisch-narrativen Darstellung sexueller Differenzen gelenkt, die u.a. in der filmspezifischen Erotik des männlichen Körpers aufzuspüren sind. Rodowick bezeichnete diese Differenzen in „The Difficulty of Difference“ als „complex structures where multiple temporalities and subjective relations coexists in contradictory ways that are radically other to binary relations. Thus one cannot classify identification simply as masculine or feminine, active or passive, sadistic or masochistic. In all sexed subjects, its processes comprise constantly 194 Zu den sogenannten Pionierarbeiten in diesem Bereich gehören laut Siegfried Kaltenecker Richard Dyers Analysen zur „gay sensibility“ (1976), Thomas Waughs Auseinandersetzung mit Filmen für Schwule in „Films by Gays for Gays“ (1977) sowie Vito Russos „The Celluloid Closet“ (1981) über eine eigenständige homosexuelle Filmgeschichte. Vgl. hierzu: Kaltenecker 1996, S. 10. 195 Wood, Robin: Responsibilities of a Gay Film Critic. In: Nichols, Bill (Hg.): Movies and Methods. Vol. II, Berkeley, Los Angeles 1985, S. 649-660, hier: S. 653. 196 Vgl.: Kaltenecker 1996, S. 10. 197 Vgl. ebd., S. 11. 198 Vgl. hierzu: De Lauretis, Teresa: Technologies of Gender. Essays on Theory, Film, and Fiction. Bloomington 1987, S. 1-31. 199 Vgl.: Schößler 2008, S. 154.

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permutable ratios between all these term“.200 Im Zuge dieser neuen und kritischen Betrachtung der Geschlechter hat sich zudem gezeigt, „dass auch Männlichkeit dem fetischisierenden Voyeurismus der Kamera ausgeliefert ist und berücksichtigt die ethnischen Markierungen von Geschlecht und Blick. Die scheinbare Hierarchie von hegemonialen und verbotenen Blicken gilt dabei als brüchig und umkehrbar“.201 Denn auch der Mann kann dem voyeuristischen Blick nicht entkommen, wodurch Männlichkeit ebenso wie Weiblichkeit zu einem Fetisch avanciert. Insbesondere in den sogenannten „Sandalen-Filmen“202 wird der männliche Körper zum Blickobjekt. Dieser Erotisierung des männlichen Körpers kann jedoch auf zwei Arten entgegengewirkt werden: zum einen durch die forcierte Enterotisierung, zum anderen durch ein spezifisch narratives Schema, welches die patriarchale Ordnung am Ende des Filmes wieder herstellt.203 Neben dieser Fetischisierung des männlichen Körpers wird im Rahmen der Männlichkeitsdarstellung im Film besonders großer Wert auf die Sichtbarmachung der Instabilität von Männlichkeit im historischen Kontext gelegt. Durch Untersuchungen des kineastischen Männerbildes hat sich gezeigt, dass ein Wandel bezüglich der Vorstellung von 200 Rodowick, D.N.: The Difficulty of Difference. Psychoanalysis, Sexual Difference & Film Theory. New York 1991, S. 136. 201 Vgl.: Schößler 2008, S. 155f. 202 Sandalenfilme orientierten sich am Erfolg von Monumentalfilmen mit großen antiken Themen, wie sie in den 1950er- und 1960er-Jahre in Hollywood mit großem Aufwand gedreht wurden. Entscheidend für den Erfolg jener Streifen war die Einführung des breitformatigen Cinemascope-Verfahrens. Bekannte Beispiele für Monumentalfilme aus dieser Zeit, also Vorlagen für spätere Sandalenfilme, waren „Cleopatra“, „Ben Hur“, „Das Gewand“, „Quo Vadis“, „Spartacus“ sowie „Der Untergang des Römischen Reiches“. Eine der neusten Produktionen eines Sandalenfilms ist „Gladiator“. Sandalenfilme entstanden wegen der zu hohen Produktionskosten in Hollywood nicht in den USA, sondern vor allem in Italien und in anderen süd- und südosteuropäischen Ländern. Der Produktionsaufwand war deutlich geringer, die schauspielerische Besetzung billiger als bei den großen Vorbildern, jedoch fanden auch diese Filme beim Publikum großen Anklang. Im Gegensatz zu den Monumentalfilmen legten die Regisseure weniger Gewicht auf Charakterdarstellung und symbolhafte Handlungen, als vielmehr auf möglichst viele Faust- und Schwertkämpfe. Beliebtes Thema war dabei der muskulöse Held Maciste und oft absonderliche Variationen wie Kämpfe Herkules' gegen Vampire oder Zorro. Beliebter Star zahlreicher italienischer Sandalenfilme war der Bodybuilder Steve Reeves. Als Mitte der 1960er-Jahre die Produktion von Monumentalfilmen aufgrund zu hoher Kosten und schwindender Beliebtheit eingestellt wurde, verschwanden auch die Sandalenfilme (Vgl.: Schößler 2008, S. 154). 203 Vgl.: Schößler 2008, S. 154f.

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Männlichkeit stattgefunden hat. Während nämlich in den 1970er und 80er Jahren der „harte Körper“ eines Kämpfers als vorbildlich galt, zeigten die Protagonisten 1990er Jahren nicht nur einen verstärkten Familiensinn, sondern auch die Fähigkeit zur Kooperation.204 Besonders eindrucksvoll hat sich dieser Wandel anhand des Science-Fiction-Films „Terminator II: Judgement Day“ (1999) gezeigt, in dem Arnold Schwarzenegger als Terminator nicht nur in seiner Rolle als Kampfmaschine zu sehen ist, sondern auch in der Rolle als Mutter.205 Galt anfänglich Weiblichkeit als pures Blickobjekt auf der Leinwand, so hat sich gezeigt, dass in der differenzierten Neubetrachtung der Männlichkeit und des Kinos durch die neuere Filmforschung und die Gender Studies, ein weitaus komplexeres Männlichkeitsbild vorhanden ist, welches auch dem fetischisierenden Voyeurismus der Kamera ausgeliefert ist.206 Damit bieten Film und Fernsehen reichhaltiges Material für Genderanalysen, wie es sich auch in der nachfolgenden Untersuchung der TV-KriminalkommissarInnen zeigen wird.

204 Vgl.: Schößler 2008, S. 153f. 205 Vgl.: Tasker 1993. 206 Vgl.: Schößler 2008, S. 155f.

3. Bewahrer der Ordnung: Der deutsche TV-Kriminalkommissar

Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben, muß wirken und streben […]. Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder und herrschet weise […].1

Als das ZDF am 3. Januar 1969 zum ersten Mal die TV-Kriminalserie „Der Kommissar“ ausstrahlte, fehlte es dem deutschen Fernsehkrimi sowohl an Tradition als auch an eigenen Vorbildern. Doch ein deutscher Superkommissar oder „schießende Lackaffen“2, wie sie aus dem US-amerikanischen Kriminalserien dieser Zeit bekannt waren, schienen nicht der Erwartungshaltung der deutschen ZuschauerInnen zu entsprechen.3 Denn der deutsche Idealmann war durchschnittlich 1,80m groß, trug kein Bärtchen und kleidete sich gut, jedoch nicht auffallend. Zudem zeichneten ihn sein Sinn für Heim und Familie sowie Treue und Verlässlichkeit aus.4 Erst mithilfe der französischen Serienfigur Kommissar Maigret konnte ein deutscher TV-Kriminalkommissar erschaffen werden, der schon bald darauf zur Vaterfigur und zum deutschen Traum avancierte.5 1

Schiller, Friedrich: Das Lied von der Glocke. In: Oellers, Norbert (Hg.): Geschichte von Friedrich Schiller. Stuttgart 1999, S. 258.

2

Grote 2003, S. 61.

3

Vgl.: Schulze-Buchhaus, Ulrich: Die Ohnmacht des Detektivs – Literatur-historische Bemerkungen zum neuen deutschen Kriminalroman. In: Ermert, Karl/Wolfgang Gast: Der neue deutsche Kriminalroman. Beiträge zu Darstellung, Interpretation und Kritik eines populären Genres. Rehburg Loccum 1985 (Loccumer Kolloquien, Bd. 5), S. 10.

4

Vgl.: http://www.wirtschaftswundermuseum.de/maennerbild-60er-1.html. Letzter Zu-

5

Vgl.: Schulze-Buchhaus 1985, S. 10.

griff: 11.03.2013.

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Doch mit Ende der 1970er Jahre und dem aufkommenden Feminismus wandelte sich das bis dato klar definierte Männerbild und kulminierte in den 1990er Jahren schließlich im sogenannten „neuen“ Mann, welcher sich bewusst von der traditionellen Männerrolle distanzierte. Zu dieser Kategorie zählen sich heutzutage 19 % der deutschen Männer, während sich 27 % als teiltraditionell bezeichnen,6 d. h., sie sehen sich als Hauptverdiener, tolerieren aber auch berufstätige Mütter7. Mit dieser Entwicklung wurde auch die Figur des deutschen TV-Kriminalkommissars jeweiligen Neuinterpretationen unterzogen. Mithilfe des von Williams und Best erstellten Stereotypinhaltsmodells soll nachfolgend den Fragen nachgegangen werden, 1.

2.

inwieweit sich die soziale Konstruktion des deutschen TV-Kriminalkommissars des ausgehenden 20. Und beginnenden 21. Jahrhunderts an der traditionellen Vorstellung der Geschlechtercharaktere orientiert und ob im Hinblick auf den eingangs festgestellten Umstand, dass das traditionelle Geschlechterverhältnis anscheinend infrage gestellt wird, ein Verlust von Männlichkeit, so wie ihn Hollstein in der gegenwärtigen Gesellschaft zu beobachten behauptet, findet.

Dabei steht die TV-Krimiserie „Alarm für Cobra 11“ (RTL) im Fokus der Analyse.

3.1 W ANN

IST EIN

M ANN EIN M ANN ? Seit Darwin besitzen die Männer auch die wissenschaftliche Bestätigung dafür, dass sie im Vergleich zu den Frauen tatsächlich das überlegene, höhergeartete Geschlecht darstellen.8

6

Vgl.: Volz, Rainer/Paul M. Zulehner: Männer in Bewegung. Zehn Jahre Männerent-

7

Vgl.: http://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2011/0301/001_mann.jsp. Letz-

8

Müller, Klaus E.: Die bessere und die schlechtere Hälfte. Frankfurt 1990, S. 379.

wicklung in Deutschland. Baden-Baden 2008, S. 35. ter Zugriff: 11.03.2013.

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Was bedeutet es eigentlich, ein Mann zu sein? Was verbirgt sich hinter dem Begriff Männlichkeit? Eine Definition hierfür liefert der australische Soziologe Robert Connell. Er versteht Männlichkeit als eine Praxiskonfiguration innerhalb der Geschlechterordnung, die den Beteiligten eine bestimmte Position in der Gesellschaft zuordnet.9 Diese Position der Männlichkeit ist als Ausübung von Macht und Verdrängung anderer definiert, wodurch Geschlechterverhältnisse zu Machtverhältnissen erhoben werden, weshalb Männlichkeit auch immer Geschlechterpolitik bedeutet.10 Um aber genauer zu erfassen, was Mannsein im 21. Jahrhundert bedeutet und wie es sich vom Frausein unterscheidet, ist insbesondere eine Analyse der Körperlichkeit des Mannes notwendig, denn innerhalb der gesellschaftlichen Konstruktion von Männlichkeit steht beim Mann seit jeher die Leistungsfähigkeit seines Körpers im Vordergrund. Denn nur ein leistungsfähiger Körper gilt als männlich. Doch trifft diese Zuschreibung auch noch uneingeschränkt im 21. Jahrhundert zu? Thomas Hertling stellt dazu fest: „[Der] Körper, dessen Repräsentation und seine Inszenierung erlangen in den letzten Jahren einen großen Bedeutungszuwachs für die Männlichkeits- bzw. Identitätskonstruktion und -darstellung […].“11 Denn dem Mann ist es über seinen Körper möglich, seine maskulinen Qualitäten öffentlich zu inszenieren, sich im Wettkampf, etwa im Sport, mit seinen Geschlechtsgenossen zu messen oder seine Attraktivität für Frauen als Trophäe seiner Potenz zur Schau zu stellen. Somit ist der männliche Körper primär unter dem Aspekt von Körpersymbolik, Körperbildern und Körpererfahrung zu betrachten. Wie Weiblichkeit als Objekt des in erster Linie von Männern hergestellten Attraktivitäts- und Rollendiskurses ist auch Männlichkeit untrennbar mit dem Körper verbunden, als „Ort der Selbst- und Weltdeutung, als zentrale Kategorie menschlicher Sinndeutung und Handlungsorientierung“12. Der Bezug von Körperlichkeit, Männlichkeit und kulturellen Vorstellungen lässt sich auch im Stereotypinhaltsmodell wiederfinden. Attribute wie kräftig, maskulin, robust und stark, die primär in Beschreibungen des Körperbaus Verwendung finden, codieren gemäß dem Stereotypinhaltsmodell geschlechtsspezifische maskuline Charakteristika. Welch bedeutenden Stellenwert der Körper in der Diskussion um die Geschlechteridentität und die ihr anhängigen Rollenbilder und Rollenerwartungen 9

Vgl.: Connell zitiert nach Kutschera-Groinig, Sonja: Vorhang auf – Männer unter sich: sozialkritische Studien in Männergruppen. Wien 2005, S. 1.

10 Vgl.: Connell, Raewyn/Ursula Müller: Der gemachte Mann: Konstruktion und Krise von Männlichkeiten. Wiesbaden 2006, S. 56. 11 Hertling 2008, S. 109. 12 Vgl.: Groebner, Valentin: Körper auf dem Markt. Söldner, Organhandel und die Geschichte der Körpergeschichte“ In: Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung (2005) H. 6, S. 69-84; hier: S. 69.

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einnimmt, zeigt sich auch darin, dass der Mensch bereits im Kindergartenalter lernt, Männer und Frauen anhand physischer und äußerlicher Merkmale zu unterscheiden. Hierzu zählen Größe und Statur, äußeres Erscheinungsbild, Körperbehaarung wie Arm- und Beinbewuchs, aber natürlich auch der Bartwuchs. Ausschlaggebendes und eindeutigstes Kriterium sind jedoch die Geschlechtsmerkmale, die Genitalien.13 Körperlichkeit symbolisiert Geschlechtlichkeit. Und somit repräsentiert sich das sozial konstruierte Geschlecht im biologischen Geschlecht. Gemäß dem Geschlecht, so Dorothee Alfermann in „Geschlechterrollen und geschlechtsspezifisches Verhalten“, werden Individuen in den geschlechtszugehörigen und traditionell festgelegten Stereotypen erzogen, wodurch ihr zukünftiges Handeln bestimmt wird.14 Hierdurch entsteht ein enger Zusammenhang zwischen der kulturellen Sichtweise auf einen Körper und den kulturellen Annahmen über die diesem Körper zugehörigen Charaktereigenschaften. Aus diesem Grund sehen viele Männer ihren Körper als ein Gebiet an, in dem sich die (Geschlechter-)Differenzen zur Frau deutlich hervorheben lassen.15 Der Körper ist somit für die Aufrechterhaltung des eigenen Selbst von großer Bedeutung. Dabei wird er zum Medium im Prozess um die Differenzkonstruktion zwischen Männern und Frauen,16 welches primär Männer als Bühne nutzen, auf der die Verschiedenheit zum anderen Geschlecht inszeniert und deutlich gemacht wird.17 Als Folge der Gleichberechtigung in der Arbeitswelt gilt seit den 1990er Jahren verstärkt „ein gestählter,

13 Vgl.: Alfermann 1996, S. 13. 14 Vgl. ebd., S. 57. 15 Vgl.: Kutschera-Groinig 2005, S. 13. Kutschera-Groinig hat sich in ihrer sozialkritischen Studie „Vorhang auf – Männer unter sich“ der Repräsentation des männlichen Körpers gewidmet. Dabei hat sie versucht anhand von Einzelinterviews und Gruppendiskussionen die Sicht der Männer auf ihren eigenen Körper greifbar zu machen, um herauszufinden, ob es zur Bildung eines „neuen Mannes“ gekommen ist. Ihre sozialkritische Studie soll zudem aufzeigen, dass die Entwicklung von Geschlechtlichkeit nicht getrennt betrachtet nach weiblichem und männlichem Geschlecht verlaufen kann. WissenschaftlerInnen gehen immer häufiger zu interdisziplinären Arbeiten über, die erkenntlich machen, wie eng die Geschlechter und somit auch die Entwicklung der Geschlechtlichkeit und die Machtfelder miteinander verknüpft sind. 16 Selbiges gilt auch für die Frau und das Frausein. Da dieses Kapitel den Fokus jedoch auf Mann und Männlichkeit gelegt hat, soll primär auch nur vom Mann gesprochen werden. In Bezug auf Kutschera-Groinig ist noch anzumerken, dass sich ihre wissenschaftliche Untersuchung vollständig auf das männliche Geschlecht konzentriert und jeder Vergleich mit dem weiblichen Geschlecht fehlt. 17 Vgl.: Kutschera-Groinig 2005, S. 13.

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trainierter männlicher Körper als erstrebenswertes Ideal in unserer Gesellschaft“.18 Denn definierte sich der Mann in den 1950er Jahren noch über seinen beruflichen Erfolg, so ist dies im beginnenden 21. Jahrhundert aufgrund des Hineindrängens der Frau in die männlichen Arbeitsterritorien nicht mehr möglich. Da sich beruflicher Erfolg als Kriterium der geschlechtlichen Differenzierung nicht mehr eignet und das Erwerbsleben zudem von Unsicherheit, wie dem Risiko der Arbeitslosigkeit, geprägt ist, wird die männliche Ernährerrolle in Gefahr gebracht. Dennoch sind Männer durch die sozio-kulturelle Prägung unserer Gesellschaft immer noch auf das Einbehalten dieser Ernährerfunktion fixiert. Es kommt, so Hollstein, zu dem Problem einer nur noch schwachen Identifizierung mit dem Beruf, aus der männliche Identität geschöpft werden könnte, denn „typisch männliche Berufe“19 sind nicht mehr krisensicher. Arbeitslosigkeit sowie mannigfache Umschulungen zerstören das männliche Selbstbewusstsein, insbesondere dann, wenn Frauen mehr verdienen und der Mann nur noch als Nebenverdiener agiert und im Haushalt tätig wird.20 Die in der Arbeitswelt voranschreitende Feminisierung hat zur Folge, dass sich nach und nach geschlechtshomogene Gruppen in öffentlichen und beruflichen Bereichen völlig auflösen werden.21 Immer mehr Firmen und Dienstleister bauen bereits jetzt schon auf Teamwork, welche primär durch Emotionalität, Aufmerksamkeit und Gemeinschaftssinn gestützt wird.22 Dies sind Merkmale, die den klassischen Stereotypen des weiblichen Geschlechts entsprechen, nicht aber denen des männlichen. Denn das Ausdrücken von Gefühlen, insbesondere solchen, die zu einer angeblichen Schwächung der Dominanz führen, ist Männern nicht erlaubt. Vielmehr wird von ihnen erwartet, dass sie rational agieren und im vorgegebenen Schema arbeiten, ohne vom Wege abzuweichen. Aus dieser Einordnung des Mannes und der damit einhergehenden Stigmatisierung expressiven Verhaltens ergab sich die langlebige Annahme, dass der

18 Hertling 2008, S. 111. 19 Zu den „typisch männlichen Berufen“ zählt Walter Hollstein u. a. den Bergbau, die Schwerindustrie, die Metallbranche, aber auch die Autoindustrie. Vgl.: Hollstein: Was vom Manne übrig blieb – Das Problem der männlichen Identität. Unter: http://www.streitbar.eu/aufsatz_hollstein.html. Letzter Zugriff: 09.11.2011. 20 Vgl. ebd. Hollstein geht in seinen Überlegungen noch weiter und behauptet, dass sich hierdurch eine Schicht von Männern formiert, die am gesellschaftlichen Leben nicht mehr teilnehmen wird. Vgl.: Hollstein, Walter: Was vom Manne übrig blieb: Das missachtete Geschlecht. Stuttgart 2012, S. 47. 21 Vgl.: Hertling 2008, S. 110. 22 Vgl.: Hollstein: http://www.streitbar.eu/aufsatz_hollstein.html. 09.11.2011.

Letzter

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Mann seinen Körper nicht kennt.23 Vielmehr, so Züger, sei die gesamte Körpersprache unterentwickelt, weshalb er sich weder durch Gesten noch Bewegungen verständigen kann.24 Sein Körper wird lediglich als Arbeitsinstrument benutzt. Dabei erleidet er eine Beschädigung. Er wird zur Maschine, damit er sich in ein maschinelles System einordnen kann, wodurch die Person Mann „entsensibilisiert und enterotisiert“25 wird. Genuss und Spontanität, aber auch Sinnlichkeit gehen ihm dadurch verloren. Denn um den Anforderungen des Arbeitsprozesses Genüge leisten zu können, muss das Männlichkeitsideal Härte und Robustheit hervorbringen.26 Männer müssen wie Maschinen funktionieren, die sich mit anderen „Männlichkeitsmaschinen“27 messen, so Züger weiter, sodass ihr gegenseitiges Verhältnis hauptsächlich aus Konkurrenzdenken oder aus Respekt besteht, nicht aber aus Vertrauen.28 Dafür wird das männliche Kind schon früh dazu angehalten, weiblich konnotierte Gefühle zu unterdrücken. Im Erwachsenenalter bringt dieser Verdrängungsprozess zwangsläufig mit sich, dass Zweifel, Enttäuschung, das Verlangen und Zulassen von Liebe aber auch Zärtlichkeit für viele Männer ein Problem darstellen, was dazu führt, dass sie sich vor diesen Gefühlen fürchten.29 Da sich eine Mitteilung auf emotionaler Ebene somit für manche Männer als problematisch darstellt, versucht der Mann diesen Mangel über seinen Körper zu kompensieren. Nur hierdurch kann er sich als „wirklicher Mann“ gegenüber den Frauen absetzen und seinen Hegemonialanspruch, den ihm die Frau seit Beginn der 1970er Jahre und verstärkt seit den 1990er Jahren streitig macht, verteidigen und behaupten. Stärker als je zuvor werden daher Körper und Körperlichkeit zu einem wichtigen Aspekt im Kampf um den Erhalt der Geschlechterdichotomie. Wenn also die Männer des 21. Jahrhunderts in der physischen Gestaltung besonderen Wert auf ihren Körper legen, um Differenzen zu ihren weiblichen Konkurrenten hervorzuheben, so heißt das nicht, dass sie sich und ihren Körper neu definieren, sondern vielmehr versuchen sie das traditionelle Bild eines Mannes wiederherzustellen,30 wozu sie vier grundlegende Bestrebungen folgen:

23 Vgl.: Züger 1992, S. 132. 24 Vgl. ebd., S. 133. 25 Vgl. ebd. 26 Vgl.: Vianni, Gerhard: Das Elend der Männlichkeit. Heterosexualität, Homo-sexualität und ökonomische Struktur. Reinbeck bei Hamburg 1977, S. 70. 27 Züger 1992, S. 132. 28 Vgl. ebd. 29 Vgl. ebd., S. 134. 30 Vgl.: Kutschera-Groinig 2005, S. 3.

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Männer sollen alles vermeiden, was den Anschein des Mädchenhaften, Weichen, Weiblichen hat, und sich klar davon distanzieren. Nur ein erfolgreicher Mann ist ein leistungsfähiger Mann. Ein Mann soll wie eine Eiche im Leben verwurzelt sein: hart, zäh und unerschütterlich. Eine Orientierung am Pionier des Wilden Westens als Symbolbild für die traditionelle Männlichkeit hat zu erfolgen: ein Siegertyp, der aggressiv, mutig und eigenständig ist.31

Diese grundlegenden Bestrebungen korrespondieren mit Klaus Müllers Beschreibung der männlichen Gattung. In seinem Werk „Die bessere und die schlechtere Hälfte“ heißt es dazu: „[Männer] haben sich im Lauf der Geschichte – nicht zuletzt auch, wie man sagt, weil sie ‚aggressiver veranlagt‘ und stärker sind – eindeutig durchgesetzt und alle führenden Positionen in der Gesellschaft nicht nur zu erobern, sondern auch erfolgreich zu behaupten vermocht. Das Selektionsprinzip beweist ihnen, dass ihre Suprematie gleichsam naturgesetzlich fundamentiert [Hervorh. d. Verf.], somit absolut legitim – und irreduzibel [Hervorh. d. Verf.] ist. Damit steht Männlichkeit abermals für ‚Zivilisation und Fortschritt‘ […].“32

Anders ausgedrückt: Der Mann ist Zivilisation, Fortschritt und zugleich kämpferischer und aggressiver von Natur aus und definiert sich traditionell über Stereotypen, wie Stärke, Dominanz, Kontrolle, Zuversicht, Macht und Kraft sowie Aktivität, während die Frau als schwach, verletzlich, emotional und passiv beschrieben wird. Die von Müller gemachten Aussagen spiegeln sich auch im Stereotypinhaltsmodell wider. In Tabelle 2, welche die stereotypen Eigenschaften der männlichen Genus-Gruppe aufzeigt, ist zu erkennen, dass sich die typisch männlichen Eigenschaften primär dem Konzept der Instrumentalität zuordnen lassen. Merkmale, die mit dem Konzept der Wärme oder Expressivität in Verbindung gebracht werden können, sind nicht vorhanden.

31 Vgl.: Hollstein, Walter: Vom Singular zum Plural: Männlichkeit im Wandel. Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.), unter: http://www.bpb.de/apuz/144849/vom-singular-zum-plural-maennlichkeit-imwandel? p=all [Stand: 24.09.2012]. Letzter Zugriff: 20.02.2013. 32 Müller 1990, S. 379.

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Tabelle 2: Stereotype maskuline Eigenschaften. 33 anmaßend abenteuerlustig aggressiv dominant egoistisch ehrgeizig einfallsreich emotionslos entschlossen erfinderisch ergreifet Initiative ernsthaft faul fortschrittlich grausam grob hartherzig klar denkend kräftig kühn laut

logisch denkend maskulin mutig opportunistisch rational realistisch robust selbstbewusst selbstherrlich stark streng stur tatkräftig unabhängig überheblich unbekümmert unerschütterlich unnachgiebig unordentlich unternehmungslustig weise

Quelle: Alfermann 1996, S.16

Ferner lässt sich feststellen, dass im Vergleich zu den stereotyp weiblichen Eigenschaften (siehe hierzu Tabelle 4, Kapitel 4, S.149), die Anzahl der stereotyp männlichen Eigenschaften signifikant höher ist als die der weiblichen. Hierdurch wird das männliche Stereotyp als ausgeprägter und differenzierter,34 aber auch als wertvoller, besser und erfolgreicher wahrgenommen.35 Dieser Überhang an stereotypen Eigenschaften wird als positiver Effekt bezeichnet, der mit dem Machtanspruch gleichgesetzt wird.

33 Die Darstellung aus Tabelle 2 bezieht sich auf die von Alfermann angefertigte Übersetzung zu Williams und Bests‘ Stereotypinhaltsmodell. Das englischsprachige Original befindet sich in Williams/Best 1990, S. 77. 34 Vgl.: Alfermann 1996, S. 14. 35 Vgl. ebd., S. 17.

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Hollstein kritisiert nun, dass diese sogenannten positiven Eigenschaften des männlichen Geschlechts im zeitgenössisch feministischen Diskurs negativ konnotiert sind. Mut, und hier bezieht sich der Schweizer Soziologe auf die Aussagen des irischen Psychiaters Anthony Claire, wird mit Aggressivität gleichgesetzt, aus der männlichen Leistungsfähigkeit wird Karrierismus und aus Autonomie wird Unfähigkeit zur Nähe.36 Hiermit, so Hollstein, wird versucht, jegliche gesellschaftlichen Probleme der heutigen Zeit mit männlichem Versagen zu begründen. Gewalt, Kriminalität, ökonomische Katastrophen, Terrorismus, Gefühlslosigkeit, Liebesunfähigkeit sowie soziale Kälte gelten als Folgeschäden einer fehlgesteuerten Männlichkeit. Dies führt zwangsläufig dazu, dass der Mann seine Stellung als das „absolute Etwas“ verliert, denn es kommt zu einer Deformierung und Abwertung des Geschlechts.37 Hollstein führt die Ursachen für diese sozio-kulturellen Veränderungen, welche sich in der Identifizierung mit dem eigenen und in diesem Zusammenhang mit dem männlichen Geschlecht darstellen, in erster Linie auf die „weiblichen Erziehungsghettos“38 zurück, denen Jungen und junge Männer ausgesetzt werden. Angefangen bei der Aufzucht durch die Mutter, über den Kindergarten, die Grundschule, die weiterführenden Schulen, werden Jungen überwiegend durch weibliches Personal betreut und angeleitet. Dies hat, so Hollstein weiter, drastische Auswirkungen auf die Gestaltung und den Inhalt des Unterrichts, was sich wie folgt äußert: „Im Fach Deutsch mussten die Kinder Bienengeschichten lesen, im Kunstunterricht Schmetterlinge malen und beim Sport Schleiertänze aufführen“.39 Den Hauptgrund für die fehlgeleitete Erziehung von Jungen sieht Hollstein somit in dem Umstand, dass es mehr weibliches als männliches Lehrpersonal gibt.40 Nina Bessing stellte jedoch fest, dass Jungen nicht per se die Verlierer des 36 Vgl.: Hollstein: Was vom Manne übrig blieb - Das Problem der männlichen Identität. Unter: http://www.streitbar.eu/aufsatz_hollstein.html. Letzter Zugriff: 09.11.2011. 37 Vgl. ebd. 38 Vgl. ebd. 39 Ebd. 40 Hollstein steht mit seinen Befürchtungen nicht allein dar. Der Männermangel an Schulen und somit die Feminisierung der Bildung der Jungen wird seit Jahren kontrovers in Wissenschaft und Medien diskutiert. Erziehungswissenschaftler wie Dieter Lenzen sehen in der angeblichen Bildungsungleichheit zwischen den Geschlechtern eine Überschreitung rechtlicher und moralischer Grenzen. Und auch Annette Schavan setzte sich in ihrer Funktion als Kultusministerin in Baden-Württemberg massiv für einen Anstieg männlichen Lehrpersonals ein. Marcel Helbig vom Berliner Wissenschaftszentrum konnte die Befürchtungen jedoch entkräften. Gemeinsam mit Andreas Landmann und Martin Neigebauer von der Universität Mannheim untersuchte er Daten der Iglu-Studie

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Bildungssystems sind.41 Denn Jungen und Männer sind, so argumentiert sie, auch in der Berufswelt immer noch erfolgreicher als Frauen, weshalb sie nicht als Verlierer der Gesellschaft angesehen werden können.42 Und Thomas Eckes fügt hinzu, dass die Stabilität der kulturellen Merkmalsbündel der geschlechtsspezifischen Charaktereigenschaften bei Männern wie auch bei Frauen in den letzten 25 bis 30 Jahren durchweg konstant geblieben ist.43 Dies bedeutet, dass sich die Geschlechterbilder innerhalb der letzten Jahrzehnte nicht fühlbar verändert haben, weshalb ein Verlust von Männlichkeit ausgeschlossen werden kann. Dennoch ist zu beobachten, dass innerhalb der vergangenen 60 Jahre Veränderungen im Rollenverständnis stattgefunden haben.44 Diese Beobachtung sowie die Tatsache, dass die sozial geteilte Verhaltenserwartung dessen, was einen Mann ausmacht, konstant geblieben ist, führt zu der Annahme, dass es zu einem Spannungsverhältnis in der sozialen Konstruktion von Männlichkeit kommt, welches von Annahmen und Zuweisungen bestimmt wird. Bestätigt wird dies unter anderem von Thomas Hertling, der in seiner Arbeit „Jungen und Männer heute. Die erschwerte männliche Sozialisation in der modernen Gesellschaft und ihre Folgen“ feststellt, dass die durch eine geschlechtsbezogene Erziehung anerzogenen typisch männlichen Verhaltensweisen, Interessen und Gefühlsdispositionen oftmals nicht den Anforderungen einer multinationalen, sozialen, integrierten und modernen Gesellschaft entsprechen. Die immer noch auf traditionell stereotypmännlichen und patriarchalisch gefärbten sowie veralteten Männlichkeitsvorstel-

von 2001. Hierbei stellte sich heraus, dass weder Mädchen noch Jungen eine Bevorteilung im Schulunterricht erfahren. In Klassen, die von männlichen Lehrkörpern unterrichtet wurden, gab es keine Auffälligkeiten oder signifikanten Unterschiede gegenüber der erbrachten Leistungen als in Klassen, die von weiblichen Lehrkörpern unterrichtet wurden. Auch die von Helbig ausgewerteten Element-Studien aus den Jahren 2003 – 2005 bestätigten Helbigs Feststellungen. Vgl.: http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/maennermangel-an-schulen-lehrerinnen-schaden-schuelern-nicht-a-682019.html, 04.01.2013, 14:28 Uhr. 41 Bessing bezieht sich hier sowohl aus die Ergebnisse der PISA- und IGLU-Studie sowie der Studie DESI aus dem Jahre 2008. Vgl.: Bessing, Nina: Junge, welche Rolle spielst Du? Männlichkeitsbilder im Wandel. Zusammenfassung der Konferenz vom 16.06.2009. Berlin 2009, download: 23.02.2013, 18:21 Uhr unter: http://www.neuewege-fuer-jungs.de/Neue-Wege-fuer-Jungs/Dokumentation/Fachkongress-Junge-welche-Rolle-spielst-du. 42 Vgl. ebd., S. 2. 43 Vgl.: Eckes 2004, S. 166. 44 Vgl.: Twenge 1997, S. 305.

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lungen fußende Sozialisierung von Jungen und jungen Männern und die ambivalenten Anforderungen der modernen Gesellschaft, welche von einem Mann durchaus auch verlangt, dass sich dieser in der Vaterrolle wiederfindet, führen dazu, dass viele Männer an Identitätskrisen leiden, da sie diesen widersprüchlichen Anforderungen nicht gerecht werden können.45 Ob und inwieweit sich die hier gemachten Feststellungen über Mann und Männlichkeit in der sozialen Konstruktion von TV-Kriminalkommissaren ausmachen lassen, soll nachfolgend analysiert werden. Dabei erfolgt eingangs ein analytischer Überblick zu den frühen Kommissaren des deutschen Fernsehens, der dazu beitragen soll, mögliche Veränderungen im Rollenverhalten zeitgenössischer Ermittlerteams offenzulegen.

3.2 D ER DEUTSCHE TV-K RIMINALKOMMISSAR Als das deutsche Fernsehen in den 1950er Jahren seinen Sendebetrieb aufnahm, war es ein Medium für wenige Privilegierte, denn nicht jeder Haushalt konnte sich zu diesem Zeitpunkt einen Fernseher leisten. Entsprechend unsicher waren Rezeptionsverhalten und Unterhaltungsschema.46 In diese Zeit fällt auch die Produktion der TV-Krimiserie „Stahlnetz“, die erstmals am 14. März 1958 auf ARD ausgestrahlt wurde und auf realen Begebenheiten basierte. Das Konzept wurde der amerikanischen Fernsehserie „Dragnet“ entliehen. Die Mörderjagd in dieser ersten deutschen Krimiserie „[ging von] einer „anonymen Maschinerie von Polizisten [aus]“47, die zudem von Sendung zu Sendung wechselte.48 Erst Ende der 1960er Jahren sollte sich diese Art der „Zurschaustellung eines anonymen, unpersönlichen, unbestechlichen, wissenschaftlich-objektiven […] Räderwerks“49 ändern. 3.2.1 Kommissar Keller – Vaterfigur der deutschen Nachkriegsgeneration Als die Bild-Zeitung am 2. Januar 1968 titelte „Jetzt kommt der neue deutsche Superkommissar“50, steckten die Macher noch mitten in der Entwicklung einer Serie, die den Anspruch hatte, anders als die „leblosen Fließbandkrimis aus dem 45 Hertling 2008, S. 1. 46 Weber 1994, S. 262. 47 Ebd., S. 266. 48 Vgl. ebd. 49 Ebd. 50 Grote 2003, S. 15.

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Ausland“51 zu werden. Mit „Der Kommissar“ wollte man der müde gewordenen deutschen Nachkriegsgesellschaft etwas Neues bieten – eine Krimiserie, die nicht nach amerikanischen Vorbildern ausgerichtet war. Dafür entwickelte Drehbuchautor Herbert Reinecke ein einfaches und durchschaubares Konzept mit klaren Figuren und ohne verwirrende Nebenhandlungen, welches innerhalb nur weniger Monate mühelos den ersten Platz bei den Einschaltquoten erreichte. „Mit einer durchschnittlichen Sehbeteiligung von 71–74 % verzeichnete man in den Jahren 1971, 1972 und 1973 ein Traum-Ergebnis.“52 Die „ruhige und betuliche Fahndungsarbeit“53 von Kommissar Keller sorgte nicht nur für „hellwache Momente bei seinen aufgeweckten Zuschauern“54, sondern gab der harmoniebedürftigen deutschen Nachkriegsgeneration auch ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, denn: „Wenn schon die Politik versagte und ihre protestierende Jugend von den Ordnungskräften ordentlich verprügeln ließ, dabei die Menschlichkeit mit Füßen getreten wurde und die Kontrolle außer Kontrolle geriet, dann war es gut zu wissen, daß es doch noch etwas gab, auf das man sich ruhig verlassen konnte.“55

Kommissar Keller ist anders als seine „schönen, jungen, sportiven KonkurrenzInspektoren aus Amerika“56. Er ist weder schön, noch jung. Seine unauffällige Erscheinung entspricht der Vorstellung des „Typen von nebenan“57. Denn die Ordnung, so Knut Hickethier, konnte nicht von einem gutaussehenden Helden verkörpert werden, sondern nur von einem Mann, der ein Normalgesicht besaß, der das Alltägliche in seiner Physiognomie ausdrückte. Ihm sollten Abgeklärtheit und Lebenserfahrung abgenommen werden.58 Keller ist auch nicht sportiv oder besonders energetisch. Vielmehr geht der erste deutsche Kriminalkommissar „ohne Illusionen durch die Welt“59, ruhig und nachdenklich ist er, aber stets offen 51 Vgl.: Grote 2003, S. 16. 52 Ebd. 53 Ebd., S. 10. 54 Ebd., S. 16. 55 Ebd., S. 22. 56 Grote 2003, S. 20. 57 Vgl.: Hickethier, Knut: Die umkämpfte Normalität. Kriminalkommissare in deutschen Fernsehserien und ihrer Darsteller. In: Ermert, Karl/Wolfgang Gast: Der neue deutsche Kriminalroman. Beiträge zu Darstellung, Interpretation und Kritik eines populären Genres. Rehburg Loccum 1985 (Loccumer Kolloquien, Bd. 5), S. 196. 58 Vgl. ebd. 59 Grote 2003, S. 16.

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für das, was um ihn herum geschieht und gibt nie die Hoffnung auf, durch seine Entschlossenheit und Tatkraft „die verlorene heile Welt“60 wieder herzustellen. Keller ist ein stiller Held, der der sozial geteilten Verhaltenserwartung entspricht. Er ist Vertreter einer staatlichen Institution, die für Recht und Ordnung zu sorgen hat und sich um das Wohlergehen und den Schutz der Bürger kümmert. Dass in dieser Institution verkörperte Konzept von Männlichkeit orientiert sich dabei am traditionellen Männertypus, der an den traditionellen Aspekten des Männerbildes festhält, nicht nur indem er einen traditionellen Männerberuf ausübt.61 Keller dominiert sein Arbeitsumfeld, eine patriarchalisch strukturierte Mordkommission, in der Männer das Sagen haben und Frauen als dekoratives Beiwerk stillschweigend den Schriftverkehr erledigen. Als autoritäre Vaterfigur behandelt dieser Kommissar seine drei Assistenten wie Söhne62 und wird auch für die ZuschauerInnen vor den Bildschirmen zu einer Vaterfigur. Als solche verkörpert Keller einen Ermittler, der nicht nur gerecht ist, sondern auch verlässlich funktioniert.63 Denn zwischen ihm und der Institution, für die er arbeitet, scheint es keine Interessenkonflikte zu geben, da der Polizeiapparat nie als Hindernis oder Reibungsfläche auftritt.64 Keller ist zwar innerhalb seines Wirkungskreises autoritär und dominant, gleichzeitig weiß er seine Macht realistisch einzuschätzen und seine Fälle rational zu lösen. Damit erfüllt er nicht nur die gesellschaftliche Vorstellung von Mann und Männlichkeit, sondern auch die des idealen Vaters, welche Ernährer, Beschützer und Disziplinierungsperson zugleich war. Eine enge emotionale Bindung zu den Kindern war primär der Mutter vorbehalten.65 Der ihm entgegenzubringende 60 Grote 2003, S. 10. 61 Ponocny-Seliger 2006, S. 8. 62 Vgl. Grote 2003, S. 25. 63 Vgl. ebd., S. 16. 64 Vgl.: Weber 1994, S. 267. 65 Vgl.: Fthenakis 2005, S. 5f., Fthenakis stellt in dieser Arbeit fest, dass das Rollenverhalten der Väter in den vergangenen 300 Jahren gemäß dem gesellschaftlichen Wandel Schwankungen unterlag. Diese Feststellung veranlasst Fthenakis zu der Aussage, dass sich die Rolle des Mannes in der Familie nicht konstant auf ein einziges Ziel oder in eine einzige Richtung bewegte. Während im 18. Jahrhundert noch eine patriarchalische Organisierung in der Familie herrschte. Auffallendstes Kriterium dieser Zeit war die Bedeutung der Vater-Sohn-Beziehung. Dies änderte sich mit Beginn des 19. Jahrhunderts. Der Vater wurde zum Beschützer und Ernährer der Familie, da er für das materielle Wohlergehen dieser sorgte. Sein Kontakt zu den Kindern nahm in dieser Zeit drastisch ab. Im ausgehenden 19. Jahrhundert und beginnenden 20. Jahrhundert änderte sich die Rolle des Mannes in der Familie dahingehend, dass er wieder eine aktivere partnerschaftliche Rolle in der Ehe und Familie annahm. Mit der großen Depression und dem

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Respekt sowie seine autoritäre Stellung gingen nicht zuletzt aus seinem ökonomischen und sozialen Status in der Gesellschaft hervor. Damit entspricht das autoritäre, dominante und durchaus auch als emotionslos zu bezeichnende Verhalten von TV-Kommissar Keller nicht nur der sozial geteilten Vorstellung eines Vaters der Nachkriegszeit, sondern vor allem dem traditionellen Männerstereotyp, wie es unter anderem von Williams und Best aber auch von Alfermann und Eckes beschrieben wird. Thomas Weber, der in „Die beruhigende Mörderjagd. Zur Ästhetik und Funktion von westdeutschen Fernsehkrimis“ eine Kategorisierung der deutschen TVKriminalkommissare vornimmt, bestätigt die Zuordnung Kellers zur Vaterfigur, während Ilse Schliekmann-Ponkie der Meinung ist, dass diese vielmehr dem Bild eines Oberlehrers entsprechen würden, welches für das Ordnungs- und Harmoniebedürfnis der deutschen Nachkriegsgesellschaft stünde.66 „In diesem Oberlehrer-Konsens des pädagogischen Tadels steckt das gesamte Ruhe- und Ordnungsbedürfnis der deutschen Nachkriegswelt, voll Butzenscheiben, Sehnsucht und voll Gier nach Gartenzwerg-Harmonie im windstillen Kleinbürgerwinkel der Wirtschaftswunder-Hoffnung.“67

Dabei ist beiden Konzepten gemein, dass in ihnen die traditionellen gesellschaftlichen Verhaltensweisen von Männern wiederzufinden sind, die mit bestimmten Merkmalen wie Dominanz, Autorität, Entschlossenheit, Strenge, Unerschütterlichkeit und Härte belegt sind. Es lassen sich ihnen somit Charaktereigenschaften zuordnen, die gemäß der sozial geteilten, an Männer gestellten Verhaltenserwartung die männliche Genus-Gruppe auszeichnen und dem traditionellen Männerstereotyp, wie es im Stereotypinhaltsmodell aufgezeigt wird, entsprechen. Das Konzept von Männlichkeit schlägt sich aber nicht nur in der Verwendung stereotyper Charakteristika nieder, sondern auch in der äußerlichen Darstellung Zweiten Weltkrieg änderte sich dieses Bild erneut. Von nun an kehrte man zurück zum Idealtypus des Vaters, der Beschützer, Ernährer und Disziplinierungsperson zugleich war. In der Nachkriegszeit wurde dieses traditionelle Familienbild restauriert. Erst die feministische Revolution der 1970er Jahre führte zu einer Neuordnung des familiären Lebens. Das Bild von heute vermittelt zwei konträre Blickweisen. Zum einen ist da der „neue“ androgyne Vater, der engagiert, fürsorglich und emotional ansprechbar ist. Zum anderen zeichnet sich aber auch das Bild des gewalttätigen und verantwortungslosen Vaters ab. 66 Vgl.: Schliekmann-Ponkie, Ilse: Spurensuche. Der Krimi als Transportmittel für Gesellschaftsentwürfe. In: Engels-Weber, Marianne (Hg.): Quotenfänger Krimi. Das populärste Genre im deutschen Fernsehen. Köln 1999 S. 10. 67 Schliekmann-Ponkie 1999, S. 10.

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des Kriminalkommissars und seiner Assistenten. Ihre Kleidung sowie ihr Kleidungsverhalten stellen einen wichtigen Beitrag zur Geschlechterinszenierung dar, da sie als nonverbale Kommunikationsmittel Männlichkeit präsentieren. Eine tragende Rolle kommt dabei dem Herrenanzug zu, der bereits seit dem 19. Jahrhundert im Gebrauch ist und bis heute solide männliche Bürgerlichkeit zum Ausdruck bringt, da sich in ihm der ebenso würdevolle wie seriöse Habitus spiegelt, weshalb er zum bevorzugten Habit der Banker wurde.68 Mit dem Herrenanzug verknüpft sich aber auch die Zuweisung geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen wie Kompetenz und Autorität oder Kontinuität und Kompetenz,69 wodurch der Herrenanzug zum „Symbol von Macht und Männlichkeit“70 avancierte. Der Anzug, als traditionell männlich assoziierte Kleidung, ist aber gleichzeitig auch zu einer Berufsuniform geworden,71 die in gewisser Weise auch ein Mittel der Unterdrückung der Individualität darstellt, denn „one of the distinguishing characteristics of a uniform is that it suppresses individuality“72; das heißt: Der Herrenanzug überdeckt die Individualität einer Person mehr, als er sie offenbart. Die reduzierte Farbigkeit der männlich konnotierten Kleidung unterstreicht den Uniformcharakter zusätzlich, gleichzeitig, so Barbara Vinken, kommt wirkliche Männlichkeit jedoch nur dadurch am wirkungsvollsten zur Geltung, „wenn sie gerade nicht ins Auge fällt und als natürlichste Sache der Welt erscheint.“73 Mit der Wahl des Herrenanzugs als primäres Bekleidungsstück des TV-Kriminalkommissars der ausgehenden 1960er und beginnenden 1970er Jahre kommt es nicht nur zu einer vestimentären Darstellung von Männlichkeit, sondern es drückt sich damit auch die Zugehörigkeit des Ermittlers zum Apparat der Polizei und damit wiederum seine Zugehörigkeit zu der von Weber getätigten Zuordnung des Kommissars zur Kategorie Vaterfigur aus, die mit der Institution, welcher sie angehörig ist, beinahe identisch zu sein scheint. Seine Assistenten folgen als „gute 68 Vgl.: Mentges 2007, S. 19. 69 Vgl.: Giese, Charlotte: Von Unternehmensmode zu Brand Fashion: Geschlechtercodes im Spektrum medialer vestimentärer Inszenierungen. In: Simon, Michael/Thomas Hengartner/Timo Heimerdinger/Anne-Christin Lux (Hg.): Bilder. Bücher. Bytes. Zur Medialität des Alltags. Münster 2009 (Mainzer Beiträge zur Kulturanthropologie/Volkskunde, Bd. 3), S. 471-489; hier: S. 474. 70 Gozalbez Cantó, Patricia: Fotografische Inszenierung von Weiblichkeit. Massenmediale und künstlerische Frauenbilder der 1920er und 1930er Jahre in Deutschland und Spanien. Bielefeld 2012, S. 138. 71 Vinken, Barbara: Angezogen: Das Geheimnis der Mode. Stuttgart 2014, S. 169. 72 Crane, Diane: Fashion and Its Social Agendas. Class, Gender, and Identity in Clothing. Chicago 2000, S. 174. 73 Vinken 2014, S. 168.

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Söhne“ (Abbildung 2) dem Beispiel des „Vaters“ (Abbildung 1 und 2), wodurch ihm innerhalb seines Wirkungskreises eine gewisse Vorbildfunktion und Dominanz zukommt, die eine Hierarchisierung des Personals konstituiert, welche die Autorität des Kommissars unterstreicht.74 An dieses Konzept des Kommissars als mit Autorität ausgestatteter Vaterfigur und damit als Über-Ich knüpften die ebenfalls vom ZDF produzierten Serien „Derrick“ und „Der Alte“ an. Auch in ihrer Darstellung der Titelfigur nahmen sich diese Serie den TV-Kommissar Keller zum Vorbild und machte den korrekten Kleidungsstil zu einem Markenzeichen deutscher TV-Ermittler. Aus heutiger Sicht erscheinen Ermittler wie Derrick (Abbildung 3) in Jackett, weißem Hemd, dunkler Krawatte oder der Alte (Abbildung 4), dessen Trenchcoat eine gewisse Spießbürgerlichkeit und Beamtenmentalität verkörpert, als philiströs. Derricks übertrieben kleine Waffe lässt ihn mitunter unglaubwürdig erscheinen, dennoch strahlt er eine beruhigende Seriosität aus. Diese Kommissare sind in die Reihe der konservativen, kleinbürgerlichen Figuren einzuordnen, die mit ihren sanften und gewaltlosen Aktionen und ihrem hohen moralischen Anspruch auf die Zuschauer wirken.75 Abbildung 1: Kommissar Keller.

Abbildung 2: Keller und Gehilfen.

Quelle: http://www.bamby.de/1969/6

Quelle: http://vollesprogramm.blog

9Kommissar00.htm. Letzter Zugriff:

spot.com. Letzter Zugriff:

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74 Vgl.: Hickethier 1985, S. 192f. 75 Vgl.: Knott-Wolf, Brigitte: Das Spiel mit der Realität. Über einen Klassiker der deutschen Fernsehkultur. In: Katholisches Institut für Medienforschung (Hg.): Quotenfänger Krimi. Das populärste Genre im deutschen Fernsehen. Köln 1999, S. 30-36; hier: S. 35.

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Abbildung 3: Derrick.

Abbildung 4: Der Alte.

Quelle: http://www.taz.de/uploads/

Quelle: http://www.welt.de/fernsehen

images/684x342/derrick.jpg. Letzter

/article1457037/Der_Alte_bekommt

Zugriff: 20.01.2012

_ein_neues_Gesicht.html. Letzter Zu-

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griff: 20.01.2012

3.2.2 Weg von der Vaterfigur – hin zum „Schmuddelkommissar“ Obwohl sich schon kurz nach Kellers erstem Fall eine Tendenz zum Alltagsrealismus bemerkbar machte, die dazu führte, dass die schlichte und sachliche Darstellung der Fälle, die bewusst unsensationell gehalten wurden und nicht auf tatsächlichen Begebenheiten basierten, den ZuschauerInnen nicht mehr ausreichten,76 erschuf das ZDF ab 1974 mit Horst Tappert in „Derrick“ eine weitere Vaterfigur, die „die studentenbewegten Söhne und Töchter […] längst nicht mehr haben wollten.“77 Erst mit Beginn der 1980er Jahre, als die sozial-liberale Ära zu Ende ging und Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Rezession ihren Höhepunkt erreichten, verabschiedet sich der deutsche TV-Kriminalkommissar von der Vaterfigur mit Oberlehrer-Zügen. Während die deutschen Bundesbürger von Wünschen und Sehnsüchten heimgesucht werden, betritt ein neuer „TATORT“-Kommissar die Bildfläche, der nicht nur eine Zäsur setzt, sondern vor allem die Ermittler der Schmidt-Ära ablösen soll.78 Als dieser neue Kommissartyp am 28.06.1981 zum

76 Vgl.: Wenzel, Eike: Der Star, sein Körper und die Nation. Die Schimanski TATORTe. In ders. (Hg.): Ermittlungen in Sachen tatort. Recherchen und Verhöre, Protokolle und Beweisfotos. Berlin 2001, S.175-202.; hier: S. 178. 77 Dietze 2004, S. 120. 78 Vgl.: Wenzel 2001, S. 175.

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ersten Mal in der Folge „Duisburg-Ruhrort“79 auftrat, löste er eine heftige öffentliche Diskussion aus. Als „Schmuddelkommissar“80 wurde er von den an einen korrekten Kleidungsstil gewöhnten ZuschauerInnen bezeichnet. „Ordinär, undiszipliniert sei er, ruppig im Verhalten, ein Maulheld zwischen Männern und Miezen“81, so hieß es. „Der Typ stinkt uns“, schrieb Valentin Plocuch 1982 in der BZ.82 Denn Schimanski verkörperte nicht mehr den Kripobeamten, der im Kordanzug für Recht und Ordnung eintrat.83 Allein sein Erscheinungsbild (Abbildung 5) stand im absoluten Gegensatz zu dem seiner väterlichen und gutbürgerlichen Vorgänger und passte damit nicht in das gewohnte Bild eines deutschen Polizeibeamten. Nichts war vom väterlichen Typ seiner Vorgänger geblieben. Vielmehr wurde der Anspruch der 1980er Jahre, das „Männerbild durch exzessive Darstellung körperlicher Omnipotenz“84 in Form von Muskelmasse zu verstärken (Abbildung 5), mit Schimanski vollends umgesetzt. Die Betonung von Geschlechtlichkeit wird dabei durch die öffentliche Präsentation der Muskelkraft in besonderem Maße hervorgehoben, wobei die Konstruktion und Inszenierung von Männlichkeit vor dem Hintergrund der Geschlechterstereotypen mit männlich konnotierten Eigenschaften wie Mut, Kraft, Stärke und Unerschrockenheit gleichgesetzt wird beziehungsweise einhergeht.

79 „Im Duisburger Hafen wird ein Toter gefunden. Es ist der Binnenschiffer Heinz Petschek. Er wurde erstochen. Dringend der Tat verdächtig erweist sich der Schiffer Jan Poppinga; Petschek hatte mit seiner Frau ein Verhältnis. Kriminalhauptkommissar Horst Schimanski glaubt an Poppingas Unschuld. Es stellt sich heraus, daß Petschek kurz vor seinem Tod seinen langjährigen Arbeitsplatz verlassen und auf dem Schiff des Partikuliers Wittinger angeheuert hatte. Die Gründe für diesen Wechsel liegen im Dunkeln, selbst seinen Freunden hat Petschek nichts gesagt. Sicher ist nur, daß Petschek Rauschgift geschmuggelt hat. Da wird ein zweiter Toter entdeckt. Es ist der türkische Gewerkschafter Celik. Petschek und Celik haben sich gekannt. Die beiden waren einem Waffenschmuggel auf der Spur. Ist Wittinger der Mörder?“ http://www.tatort-fundus.de/web/folgen/chrono/2/1981/126-duisburg-ruhrort.html. 20.02.2013. 80 Vgl.: Hickethier 1985, S. 203. 81 Vgl. ebd. 82 Plocuch zitiert nach Hickethier 1985, S. 203. 83 Vgl.: Wenzel 2001, S. 175f. 84 Ponocny-Seliger 2006, S. 10.

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Abbildung 5: Der neue Kommissartyp: Schimanski in Einsatzkleidung.

Quelle: https://www.prisma.de/news/Schimanski-DarstellerGoetz-George-ist-tot,10174925. Letzter Zugriff: 23.05.2013.

Mit Schimanski verlässt der deutsche Fernsehkrimi erstmalig seine literarische Ursprungsform des Krimirätsels, welches Agatha Christy und Conan Doyle mit „Miss Marple“ und „Sherlock Holmes“ aufbauten und in dem Ermittler mit logischem Geschick und aufmerksamen Beobachtungen ihre Fälle lösten. Vielmehr vollzieht sich eine Revolution in der Welt der Fernsehkommissare.85 „Nicht nur, dass Schimanski aus der geordneten Beamtenwelt durch sein Auftreten und seine Körperlichkeit herausragt, er setzt sich auch – unter Verwendung seiner Körperkraft – für die sozial Schwachen ein, respektierte weniger das geschriebene als das ungeschriebene Gesetz und handelte aufgrund seiner eigenen Emotionen und seiner eigenen Vorstellungen instinktiv und selten rational. […] Schimanski [löst] seine Fälle, indem er aus dem Verdächtigen […] die Wahrheit herausprügelt. […] [Er überschritt] die Grenzen zwischen Konservatismus und Liberalismus, indem er nach Freiheitsgefühl und Eigeninterpretation agierte und den Weg zu einem unkonventionellen Fernsehbild eröffnete.“86

Seine Figur vereint mit dieser Vorgehensweise weitere geschlechtsspezifische Merkmale wie Aggressivität, Grausamkeit und Kraft, aber auch Selbstbewusstsein und Unbekümmertheit. Mit diesen typisch männlichen Charaktereigenschaften ordnet sich Schimanski in die Kategorie des Individualisten ein, der sich von seinem Vorgesetzten durch die Art und Weise, wie er seine Ermittlungen durchführt,

85 Vgl.: Buchholz, Olga: Gesellschaftskritik in der Fernsehserie „Tatort“ zwischen 1970 und 2000. Norderstedt 2006, S. 21. 86 Ebd.

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unterscheidet.87 Diese Konstellation schafft nicht nur Raum für Auseinandersetzungen zwischen den Ermittlern, sondern ermöglicht auch unterschiedliche Perspektiven auf identische Sachverhalte. Dabei kommt es häufig zu Konflikten mit den jeweiligen hierarchisch Übergeordneten, da die Ansichten des Individualisten von den gängigen und apparatrelevanten abweichen, wodurch ein Widerspruch zum Apparat und folglich zur Institution entsteht.88 Doch Schimanski unterscheidet sich von seinen Vorgängern nicht nur durch seine Körperlichkeit und sein unkonventionelles Verhalten, sondern auch durch seine Menschlichkeit.89 Dabei präsentiert sich das „Menschliche“ in erster Linie nicht mehr durch das dezent Wohlwollende, die konventionelle Freundlichkeit und die seriöse Zurückhaltung einer gemäßigten Angestellten- und subalterne Beamtenmentalität, sondern durch das Offenlegen von subjektiven Widersprüchen, das Zeigen von Emotionen, das Oftnicht-mehr-weiter-Wissen, das Herumbrüllen und Angreifen, Hartnäckigkeit und offene gezeigte Resignation. Schimanski kommt aus dem Kiez, er ist ein „Kumpeltyp, ‘n Typ von uns […] das is nisch son Daddy, der is realistisch“90. Er bringt die alltäglichen Wünsche und Sehnsüchte der ZuschauerInnen zum Ausdruck und verkörpert dadurch ein Stück Wirklichkeit.91 Damit verändert er nicht nur den „TATORT“, sondern legt auch die Grundzüge für alle nachfolgenden Fernsehkommissare,92 ohne dabei Gefahr zu laufen, seine Männlichkeit zu verlieren, denn er bewegt sich stets in den Grenzen, die Männlichkeit definieren. In Hinblick auf die politischen Spannungen dieser Zeit ist ein willensstarker Individualist eine aktuellere Erscheinung als eine Vaterfigur, welche dem Unrecht freundlich dezent gegenübersteht. Mit Schimanski legt der deutsche TV-Kommissar also seine Rolle als Vaterfigur, die zwischen Richtig und Falsch zu unterscheiden suchte und dabei belehrend auf ZuschauerInnen einwirkte, ab und bestach gleichzeitig durch seinen Kumpel-Status.93 Von nun an nehmen Personalität und Emotionen einen großen und wichtigen Teil in der sozialen Konstruktion der Kriminalkommissarsfigur ein. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass sich das dargestellte soziale Umfeld des Kommissars in das private ausdehnt, wodurch die ZuschauerInnen den Ermittler

87 In welcher Art und Weise diese Ermittlungen schlussendlich durchgeführt werden, darauf geht Weber in seiner Untersuchung nicht näher ein. 88 Vgl.: Weber 1994, S. 267. 89 „Menschlichkeit“ soll hier im Sinne von authentischer Darstellung verstanden werden. 90 Hickethier 1985, S. 203. 91 Vgl.: Wenzel 2001, S. 175. 92 Vgl.: Buchholz 2006, S. 22. 93 Vgl.: Buchholz 2006, S. 22.

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von seiner privaten und nicht nur beruflichen Seite kennenlernen und einen Einblick in seine Gefühlswelt erhalten.94 Buchholz stellt in diesem Zusammenhang einen weiteren interessanten Unterschied zwischen dem Kommissar der 1970er Jahre und dem Kommissar ab den 1980er Jahren fest, welcher für die gesellschaftlichen Veränderungen in der deutschen Populärkultur dieser Zeit steht. Während der TV-Kriminalkommissar der frühen Zeit nämlich hauptsächlich in verschiedenen Lokalen speiste und seine Ermittlungen in Pensionen und Stuben ausdiskutierte, isst der „moderne Kommissar“95 an der Imbissbude und versucht seinen Fall bei Pommes rot-weiß zu lösen.96 Doch nicht nur auf Schimanski trifft diese Aussage zu, sondern auch auf seine Kollegen der Post-Schimanski-Ära.97 Fastfood ist modern und wird zum Inbegriff des vielbeschäftigten Mannes – nicht nur des Polizisten oder Kommissars, sondern auch des Geschäftsmannes oder jungen Bankers. Sie nämlich symbolisieren das dynamische Leben. So deutet das schnelle Essen an der Bude auf den Zeitmangel der neuen Generation hin. SchliekmannPonkie bringt diese Beobachtung auf den Punkt: „Die Polizisten gewinnen den Anschluss an die moderne Lifestyle-Gesellschaft.“98 Die Aussagen von Buchholz und Schliekmann-Ponkie machen deutlich, dass die Figur des TV-Kriminalkom-

94 Deutlich wird dies auch in der TV-Krimiserie „Alarm für Cobra 11“. Hier wird beispielsweise das Familienleben der beiden Hauptcharaktere in zahlreiche Folgen integriert. So werden die ZuschauerInnen nicht nur über die Liebesbeziehung und spätere Ehe von Semir und Andrea informiert, sondern sie sind ebenso über die familiäre Entwicklung der Eheleute Gerkhan, Andreas’ Schwangerschaften und die Erziehung der beiden Töchter im Bilde bis hin zur Scheidung. Auch bei Semirs Partner Ben Jäger wird der familiäre Hintergrund zu einer wichtigen Nebenhandlung. Und so verwundert es nicht, dass die ZuschauerInnen gleich zu Beginn seines ersten Einsatzes für das Team Cobra nicht nur in das komplizierte Vater-Sohn-Verhältnis eingeführt, sondern auch über die finanzielle Lage der Familie Jäger informiert werden. Doch die neue deutsche Kriminalserie geht noch weiter. Sie entführt die ZuschauerInnen in zahlreichen Folgen auch in die eigenen vier Wände der TV-Kriminalkommissare. 95 Buchholz 2006, S. 22. 96 Vgl. ebd. 97 Beispielhaft hierfür stehen abermals die beiden TV-Ermittler von „Alarm für Cobra 11“, die im Verlauf zahlreicher Folgen sowohl Fastfood, wie Hamburger, Pommes Frites und Döner konsumieren, Essensbestellungen per Funk aufgegeben (Begraben: 0:00:08), Pizza holen (Begraben: 0:16:17) oder wie zu Beginn der Folge „Toter Bruder“ (Staffel 18, Folge 6, 23.08.2012, 20:15 Uhr, RTL) an einem Imbissstand Currywurst essen. 98 Vgl.: Schliekmann-Ponkie 1999, S. 11.

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missars einen Wandel durchlaufen hat, der ihn näher an die Gesellschaft heranbrachte und dadurch menschlicher und zugänglicher wirken lässt. Diese Feststellung unterstreichen auch die bisher erarbeiteten Ergebnisse, die besagen, dass sich mit Beginn der Schimanski-Ära auch die soziale Konstruktion des TV-Kriminalkommissars verändert hat. Er verkörpert nicht mehr die Vaterfigur mit Über-IchFunktion, die für Ordnung im Staat steht und primär männliche Geschlechtscharakteristika wie logisches und klares Denken, Emotionslosigkeit, Rationalität und ein gewisses Maß an Unbekümmertheit zum Ausdruck bringt. Mit Beginn der Schimanski-Ära ändern sich sowohl die Methodik seines Vorgehens als auch seine Rolle innerhalb des sozialen Gefüges, in dem er sich bewegt.99 Dabei verlagern sich die maskulinen Geschlechtsmerkmale auf Eigenschaften wie Aggressivität, Grausamkeit, Grobheit und Sturheit. Gleichzeitig ist der TV-Kommissar dieser Zeit aber auch mutig, selbstbewusst und selbstherrlich, gar überheblich. Doch trotz dieser Verlagerung männlicher Geschlechterstereotypen bewegt sich die soziale Konstruktion des fiktiven Ermittlers weiterhin in den Clustern der männlichen Genus-Gruppe und bestätigt damit die Unveränderbarkeit der sozial geteilten Verhaltenserwartungen an ein bestimmtes Geschlecht und gleichzeitig den Bestand des Stereotypinhaltsmodells. Ob sich diese Feststellungen auch im Hinblick auf zeitgenössische Ermittler bestätigen lassen, soll die nachfolgende Analyse des TV-Ermittlerteams Semir Gerkhan und Ben Jäger von „Alarm für Cobra 11“ darlegen.

3.3 M ODERNE R ITTER ? – D IE M ÄNNER VON „ALARM FÜR C OBRA 11“ Wie am Beispiel der TV-Kommissare Keller und Schimanski bereits dargelegt, unterzog sich die Figur des TV-Kriminalkommissars von den ausgehenden 60er Jahren des letzten Jahrhunderts bis heute zahlreichen Veränderungen. Dabei fanden die massivsten Umgestaltungen in den 1980er und 1990er Jahren statt. Von nun an dominierte nicht mehr die allwissende und belehrende Vaterfigur, sondern TV-Kriminalkommissare wurden emotionaler und verletzbarer. Zudem erlaubten Produzenten und Drehbuchautoren den ZuschauerInnen einen Einblick in das soziale Leben des TV-Kriminalkommissars, womit die Familie sowie Familienprobleme Teil der Handlung wurden. Trotz der spürbaren Veränderungen, so hat die eingangs dieses Kapitels gemachte Analyse ergeben, wich die Figur des Kriminalkommissars von dem Stereotypinhaltsmodell ab.

99 Vgl.: Wenzel 2001, S. 175ff.

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Die nachfolgende Untersuchung der TV-Kriminalkommissare Semir Gerkhan und Ben Jäger aus „Alarm für Cobra 11“100, die seit 1995 für den privaten deutschen TV-Sender RTL produziert wird, lenkt nun den Blick darauf, ob und inwieweit sich die soziale Konstruktion des Ermittlerteams in der Zeit nach 1990 an den traditionellen Vorstellungen von Männlichkeit orientiert.101 Die TV-Serie beschäftigt sich mit einer fiktiven Abteilung der deutschen Autobahnpolizei, die zwischen Köln und Neuss an der A57 ihren Sitz hat. Das Hauptermittlerteam setzte sich anfangs aus Kriminalkommissar Frank Stolte und Kriminalhauptkommissar Ingo Fischer zusammen. Doch bereits nach der zweiten Folge ersetzt der bis heute noch im Dienst stehende Kriminalhauptkommissar Semir Gerkhan den verstorbenen Ingo Fischer.102 Mit Gerkhan wird erstmals in der Geschichte des deutschen Fernsehkrimis ein Migrant zum dauerhaften Protagonisten des Geschehens. Dabei wird Migration jedoch nicht als Opfergeschichte erzählt, sondern als Aufstiegsgeschichte. Die Aufgaben des Teams bestehen primär darin, auf der Autobahn verübte Verbrechen aufzuklären. Dabei werden typische Elemente des Action- und Krimigenres, wie Verfolgungsjagden, Verhaftungen, Schusswechsel, Faustkämpfe und Explosionen miteinander vermischt. Trotz des gefährlichen Alltags des Ermittlerduos fragte die deutsche Boulevardzeitung BILD in ihrer Online-Ausgabe vom 11. Juli 2008, „Wird Cobra 11 jetzt weich gespült?“103, und spielte damit auf die Neubesetzung an Semir Gerkhans Seite an. Mit Tom Beck (Abbildung 6), einem ausgebildeten Musicalsänger und Schauspieler, fiel die Entscheidung der RTL-Produzenten durchaus ungewöhnlich aus, handelte es sich doch nicht um den stereotypen Kriminalkommissar, wie ihn die Zuschauer aus „TATORT“ oder einer der zahlreichen anderen deutschen TV-Kriminalserien gewohnt waren. „Er kann singen, tanzen und sieht aus wie Schwiegermutters-Traum. Dazu hat er noch eine Musical-Ausbildung! Hört sich ja nicht gerade nach Knaller-Baller-Macho an.“104 Auch in der Online-Ausgabe vom 02. 100 Seit dem 12. März 1996 erfolgt eine wöchentliche Ausstrahlung der Folgen von je 45 Minuten Sendezeit. Bis zum heutigen Tag wurden 8 Pilotfilme und 216 Folgen produziert. Vgl.: http://www.actionconcept.com/portfolio/alarm-fur-cobra-11-die-autobahn polizei-2/, 12.02.2015, 14:41 Uhr. 101 Die Grundlage der Analyse bilden die in der online-Mediathek des Fernsehsenders RTL zur Verfügung stehenden Episoden der Serie „Alarm für Cobra 11“. 102 Vgl.: http://www.fernsehserien.de/alarm-fuer-cobra-11. Letzter Zugriff: 12.02.2015. 103 http://www.bild.de/unterhaltung/city-talk/weich/wird-cobra-11-weichgespuelt 513144 2.bild.html. Letzter Zugriff: 13.10.2011. 104 http://www.bild.de/unterhaltung/city-talk/weich/wird-cobra-11-weichgespuelt513144 2.bild.html. Letzter Zugriff: 13.10.2011.

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März 2009 betonte BILD abermals die „sanften Seiten“105 des Schauspielers, indem sie Becks Ausbildung, seine Sportlichkeit, sein attraktives Äußeres und den Umstand, dass er „fünf Instrumente“106 spielt, in den Mittelpunkt der Berichterstattung stellte. Abbildung 6: Der neue TV-Kommissar ist Schwiegermutters Liebling.

Quelle: http://filmreporter.de/stars/TomBeck Letzter Zugriff: 21.03.2014.

Diese Eigenschaften disqualifizierten den Schauspieler in den Augen der Redakteure als glaubwürdigen Kriminalkommissar, da sie nicht den gesellschaftlich geteilten Erwartungen an die Eigenschaften von Männern erfüllen. Darüber hinaus wird an dieser Stelle deutlich, dass die fiktive Figur Ben Jäger mit dem Schauspieler Tom Beck gleichgesetzt wird,107 wodurch ein fließender Übergang zwischen der zu verkörpernden Rolle und dem Schauspieler entsteht. Durch diese Gleichsetzung wurden Eigenschaften des Schauspielers auf die Figur übertragen, wodurch die Figur des Ermittlers die gemeinhin mit ihr assoziierten Eigenschaften

105 http://www.bild.de/unterhaltung/city-talk/sanft/alarm-fuer-cobra-11-star-im-interview-7553754.bild.html. Letzter Zugriff:13.10.2011. 106 Ebd. 107 Hickethier machte bereits in Bezug auf Götz George diese Feststellung. Ihm fiel auf, dass die ZuschauerInnen im Schimanski-Tatort die Identität einer Figur bewunderten: Götz George als Schimanski. Nicht dass er ihn spielt und wie er ihn spielt, sondern dass der Schein größtmöglicher Natürlichkeit entsteht: George ist Schimanski, so Hickethier. Vgl.: Hickethier 1985, S. 203. Selbiges stellte Erik Ode bezüglich seines Filmcharakters Herbert Keller fest. Vgl.: Grote 2003, S. 25.

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der Männlichkeit verlor. Die Besetzung der Ermittlerrolle mit einem Schauspieler aus dem Musical-Genre stellte somit das in der Ermittlerfigur wirksame Männerbild und, damit verbunden, die heterosexuelle Geschlechterordnung infrage. Denn nicht nur wird der männlich konnotierte Ermittler verweiblicht, sondern eine Person mit weiblich konnotierten Zügen übernimmt berufliche Funktionen, aus denen Männer ihre Identität schöpfen (siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 2). Zwangsläufig stellt sich der durch das traditionelle Geschlechtsverständnis geprägten Wahrnehmung nämlich die Frage, ob ein Mann, dem weibliche Merkmale wie Singen und Tanzen eigen sind, überhaupt in der Lage ist, Verbrechen aufzuklären. Männern, denen diese Eigenschaften anhängig sind, werden häufig als „Softies“108 bezeichnet. Ihre Männlichkeit und das Mannsein werden damit angezweifelt. Doch RTL ließ sich nicht von den Schlagzeilen der Boulevardpresse einschüchtern, sondern machte die Eigenschaften des Schauspielers zum Markenzeichen der Figur Ben Jäger.109 Was bedeutet dies nun für die Einordnung des TV-Kriminalkommissars in die männliche Genus-Gruppe? Kann er dieser noch zweifelsfrei zugeordnet werden oder sind hier bereits erste Anzeichen einer Durchbrechung der eingeübten Geschlechterbilder vorzufinden? Inwieweit orientiert sich seine soziale Konstruktion noch am traditionellen Bild des Mannes? Und welche Rolle nimmt sein Kollege in dieser Kooperationsgemeinschaft ein? Um diesen Fragen nachgehen zu können, muss das soziale Verhaltensmuster der beiden TV-Kriminalkommissare in den Fokus genommen werden, denn dieses stellt ein wichtiges Kriterium in der Analyse der Instrumentalität als maßgeblicher männlicher Eigenschaft dar. Durch Vergleich der Verhaltensmuster beider Ermittler mit der sich im Stereotypinhaltsmodell niederschlagenden geschlechtsbezogenen Wahrnehmung ist es möglich, Aufschluss über die Konstruktion des sozialen Geschlechts zu geben. 108 Softie (von engl. softie, softy, eigentlich = Trottel) bezeichnet einen zumeist jüngeren Mann von sanftem, zärtlichem, empfindungsfähigem Wesen. Vgl.: http://www.duden.de/rechtschreibung/Softie, 22.10.2013, 12:00 Uhr. In ihrer Untersuchung „Macho, Softie, Metro – das Männerbild in Publikationszeitschriften. Eine vergleichende Inhaltsanalyse“ erweitert Franziska Becher den Begriff, indem sie Männer als Softies bezeichnet, die nicht dem klassischen Bild von Männlichkeit entsprechen. Mit diesem Bild einhergehend sind nicht stereotypkonforme Merkmale, also Merkmale, die eher als Attribute von Weiblichkeit gelten. Vgl. grundsätzlich: Becher, Franziska: Macho, Softie, Metro – das Männerbild in Publikumszeitschriften. Eine vergleichende Inhaltsanalyse. Saarbrücken 2006. 109 Vgl. u. a. die Folgen „Freunde für’s Leben“ (Staffel 22, Folge 10, 28.03.2013, 20:15 Uhr, RTL), „Unter Druck“ (Staffel 13, Folge 3, 11.10.2012, 21:15 Uhr, RTL) oder „Einsame Entscheidung“ (Staffel 23, Folge 7, 12.12.2013, RTL).

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3.3.1 Geschlechtstypische Verhaltensweisen Wie bereits bemerkt, erweist es sich als nicht einfach, Männlichkeit zu definieren. Männlichkeit wird zumeist durch eine Abgrenzung von allem Weiblichen demarkiert. Zum Mannsein gehört in diesem Sinne nicht nur die biologische Komponente, sondern in erster Linie die sozial-kulturelle. Im westlich geprägten Kulturkreis beinhaltet Männlichkeit daher neben den physischen Merkmalen wie Kraft, Stärke, Größe, ausgeprägte Muskulatur, tiefe Stimme und breite Schultern auch charakterliche Eigenschaften wie Mut, Abenteuerlust, Aggression, Dominanz und Coolness sowie die mentalen Fähigkeiten, zu denen neben technischen und organisatorischen Befähigungen auch das rationale Denken gehört.110 Diese als archetypisch bezeichneten Elemente prägen unser Bild der Geschlechter. Dass sich auch die Medien und insbesondere das Fernsehen bei der Gestaltung der Figuren am Stereotypinhaltsmodell orientieren, hat bereits der Blick auf Kommissar Keller und Schimanski gezeigt. Dabei spielt vor allem die Identifizierung der ZuschauerInnen mit den Akteuren auf der Leinwand eine bedeutende Rolle, da sie primär über die sozial geteilten Annahmen der Geschlechterbilder erfolgt. Denn wenn sich ZuschauerInnen sowohl mit dem betrachtenden Auge der Kamera als auch mit den Akteuren auf der Leinwand identifizieren, identifizieren sie sich gleichsam mit dem Sehen als auch mit dem Gesehen-Werden. Die Kultur, das Kulturelle und die symbolische Ordnung sind somit schwer von den medialen Bedingungen ihrer Entstehung zu trennen, wodurch jede Veränderung der Geschlechterordnung grundsätzlich immer in einem engen Zusammenhang mit den medialen Rahmenbedingungen der verschiedenen Zeitalter steht.111 Wie verhält sich diese Geschlechterordnung nun bei der TV-Serie „Alarm für Cobra 11“? Welche geschlechtstypischen Eigenschaften zeigen Ben Jäger und Semir Gerkhan? Was zeichnet sie als Mann aus? Lassen sich möglicherweise auch Aspekte finden, die nicht dem traditionellen Bild von Mann-Sein entsprechen und die sie womöglich die Geschlechterdifferenz überschreiten lassen? Auf den ersten Blick deutet nichts auf eine Durchbrechung traditioneller Geschlechterbilder hin, denn bereits der Vorspann der Serie verkörpert Männlichkeit par excellence. Zu Beginn jeder Folge werden die ZuschauerInnen durch eine Reihe schneller Bildwechsel von Verfolgungsjagden über Verkehrsunfälle, Schusswechsel sowie explodierende Fahrzeuge in das Terrain der beiden TV-Ermittler eingeführt. Die Straße wird hierbei als gefährlicher Ort und Arbeitsplatz

110 Vgl.: Alfermann, S. 16. 111 Braun, Christina von: Medienwissenschaft. In: Braun, Christina von/Inge Stephan (Hg.): Gender-Studien: Eine Einführung. Stuttgart/Weimar 2000, S. 302.

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gezeigt. Dabei unterstreicht die Kameraführung nicht nur die Brisanz der Situationen, sondern intensiviert gleichzeitig das Gefühl von Schnelligkeit, indem Elemente, die Schnelligkeit vermitteln sollen, verstärkt eingeblendet werden. Hierzu zählen neben Tachos und Schalthebeln auch die Fahrzeuge der beiden TV-Kriminalkommissare. Bei den Wagen handelt es sich um eine getunte Mercedes CKlasse und einen ebenfalls getunten BMW der 3er-Reihe,112 also um Autos, welche Prestigeobjekte für den durchschnittlichen deutschen Mann darstellen. Hierdurch ergibt sich für den männlichen Zuschauer nicht nur die Möglichkeit einer ersten Identifizierung mit den beiden Protagonisten, sondern die dargestellten Sequenzen unterstreichen gleichzeitig die sozial geteilte Auffassung von Mann und Männlichkeit. Ähnlich dynamisch und kraftvoll gestaltet sich dann auch die Einführung der beiden TV-Kriminalkommissare Semir Gerkhan und Ben Jäger in der Pilotfolge „Auf eigene Faust“113 (Staffel 13, Folge 1, 06.01.2011, 20:15 Uhr, RTL). zur 13. Staffel der Serie. Die Anfangssequenz zeigt einen Polizeikonvoi, der in der Nacht auf das Gelände eines Flugplatzes fährt. In einem Hangar kommt der Konvoi zum Stehen. Während schwerbewaffnete SEK-Männer die Umgebung sichern, öffnet sich die Tür eines der Fahrzeuge. Die Kamera fährt näher an den Wagen heran, bis nur noch der untere Teil der Tür zu sehen ist. Ein Paar in Fesseln gelegte Füße erscheinen unterhalb des Türrahmens. Langsam entfernt sich die Kamera wieder und gibt den Blick auf die Person frei. Man erkennt einen Mann, dessen linke Gesichtshälfte durch eine Brandnarbe gekennzeichnet ist. Wie seine Füße so sind auch seine Hände gefesselt. In diesem Moment schwenkt die Kamera in den hinteren Bereich des Hangars. Aus dem Dunklen der Halle tritt Kriminalkommissar Semir Gerkhan heraus. Mit festem Schritt, zielstrebig und kraftvoll in seinen Bewegungen geht er auf den Gefangenen zu (Abbildung 7). Es findet eine Gegenüberstellung statt. Der Mann in Handschellen versucht Überlegenheit zu demonstrieren, indem er Semirs 112 Vgl. grundsätzlich: Alarm für Cobra 11. 113 „Nach dem Mord an seinem Partner Chris Ritter hat Semir dafür gesorgt, dass der Täter, Drogenboss Sander Kalvus, verhaftet wird. Um ihn jedoch verurteilen zu können, braucht es die Aussage des Zeugen Harald Flensmann – ein nerviger Hypochonder, aber auch ein gewiefter Taktiker. Und als wäre das nicht genug, bekommt Semir auch noch einen neuen Partner: Ben Jäger, einen jungen draufgängerischen Typen, der die Autobahnpolizei nur als Durchgangsstation für seine Karriere betrachtet. Ob Semir sich auf ihn verlassen kann? Gemeinsam müssen die Kommissare Flensmann von Köln nach Berlin chauffieren. Eine Fahrt, die niemand so schnell vergessen wird…“

http://rtl-now.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11/auf-eigene-faust.php?film_id=72

75&productdetail=1. Letzter Zugriff: 22.10.2013.

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Familie bedroht. Doch der Kommissar reagiert nicht auf die verbale Attacke; er blickt seinem Gegenüber still und unbeeindruckt in die Augen (Abbildung 8). Abbildung 7: Gerkhan fest entschlossen und ohne Furcht.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:01:12.

Abbildung 8: Gerkhan präsentiert sich als stark.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:01:54.

Diese Sequenz vermittelt das Bild eines Kriminalkommissars, der gelassen und diszipliniert ist, sich nicht von Drohungen aus der Ruhe bringen lässt, sondern stattdessen mentale Stärke demonstriert. Diese stereotyp männlichen Zuschreibungen werden in der folgenden Rückblende, welche die ZuschauerInnen über das Verhältnis der beiden Figuren aufklärt, um die Eigenschaften der physischen Stärke und des Muts erweitert. Der Schauplatz hat sich geändert: Es ist Tag. Ein Helikopter taucht am Horizont auf. Von weitem ist zu erkennen, dass an einer der Kufen, eine Person hängt (Abbildung 9).

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Abbildung 9: Gerkhan hängt an den Kufen eines Helikopters.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:01:28.

Als der Helikopter näherkommt, wird deutlich, dass es sich bei der Person um Semir Gerkhan handelt. Für einen Augenblick beobachtet Semir so das Geschehen (Abbildung 10). Dann löst er seinen Griff und lässt sich fallen, dabei zielt er mit einem Maschinengewehr auf einen zweiten, nun erscheinenden Helikopter, der darauf explodiert und in einem Feuerball zu Boden geht. Abbildung 10: Kommissar Gerkhan sieht seinen Kollegen, um sein Leben laufen.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:01:36.

„Alarm für Cobra 11“ nimmt in dieser Rückblende traditionelle Geschlechterkonstruktionen und -konnotationen auf, indem Männlichkeit und Mannsein über die Attribute Stärke und Mut konstruiert werden. Man kann daher davon sprechen, dass die Verkörperung von Männlichkeit in diesen Eingangssequenzen in stark

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typisierter Weise erfolgt, da alles, was gemeinhin zum männlichen Geschlechtshabitus gehört, hier innerhalb weniger Bildfolgen angeboten wird. Auch bei Semirs neuem Kollegen Ben Jäger erweisen sich die ersten Sequenzen, der erste visuelle und auditive Eindruck, den die ZuschauerInnen von seiner Figur erhalten, von bedeutender Wichtigkeit für die weitere Wahrnehmung von Geschlechtlichkeit als auch für die Identifizierung mit der Figur. Entgegen der von „BILD“ geäußerten Meinung über die „sanften Seiten“ des neuen TV-Kriminalkommissars inszenierte RTL Bens ersten Auftritt als unbestreitbares „Statement“ für Männlichkeit. Die erste Einstellung zeigt einen in schwarz gekleideten Motorradfahrer. Die Kamera nimmt ihn von hinten auf, während er mit hoher Geschwindigkeit über die Autobahn fährt. In den nachfolgenden Bildern wird der Fokus auf das Motorrad sowie seine Schnelligkeit gerichtet. Begleitet vom Sound des Motors dauern diese Einstellungen nur wenige Sekunden. Dann zeigt die Kamera den Motorradfahrer von vorne. Das verdunkelte Visier lässt keinen Blick auf sein Gesicht zu, doch unter der offenen Jacke, die im Fahrtwind flattert, lassen sich Ansätze eines muskulösen Körpers erkennen. Es fällt zudem auf, dass die Hände des Fahrers nicht durch Handschuhe geschützt sind. Dann umfährt die Kamera den Motorradfahrer und folgt ihm für einen kurzen Augenblick, bis dieser stark beschleunigt und mit hoher Geschwindigkeit davonbraust, dabei wechselt er mehrfach die Spur, ohne dies ordnungsgemäß durch das Setzen des Blinkers anzuzeigen (Abbildung 1113). Abbildung 11: Kriminalkommissar Jäger auf seinem Motorrad.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:03:39.

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Abbildung 12: Die Kamera zeigt das Motorrad en Detail.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:03:39.

Abbildung 13: Kommissar Jäger wirkt geheimnisvoll.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:03:52.

Die Figur Ben Jäger wird in diesen ersten Minuten der Serie über die typisch männlich konnotierte Tätigkeit des Motorradfahrens eingeführt, die Mut, Selbstbeherrschung, Kraft und auch technisches Know-how erfordert. Gleichzeitig ist das Bild des „Bikers“ stark mit dem Image des bad boys verbunden,114 der sich gegen die Gesellschaft auflehnt. Deutlich werden diese Charaktereigenschaften in den der Figur zugewiesenen Handlungsweisen, wie die bei hoher Geschwindigkeit nicht ordnungsgemäß durchgeführten Spurwechsel, aber auch die nicht vor-

114 Vgl.: Joans, Barbara: Women who ride. In: Bolin, Anne (Hg.): Athletic Intruders: Ethnographic Research on Women, Culture and Exercise. New York 2003, S.159176; hier: S.163.

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schriftsmäßige Sicherheitskleidung. Hierin sind Anzeichen eines individualistischen Charakters zu erkennen, der risikobereit ist und sich nicht immer an Vorschriften und Regeln hält. Bestätigung finden diese Feststellungen durch eine Aktion, welche nur kurz nach der oben dargestellten Szene stattfindet und damit noch zur Einführung des Kriminalkommissars gezählt werden muss. Während die Kamera Semirs BMW auf einer Autobahnabfahrt einfängt, erscheint im Hintergrund plötzlich ein Motorrad. Während die Kamera bei Semir bleibt, werden die Motorengeräusche immer lauter. Dann, im Scheitelpunkt der Kurve, erscheint der Motorradfahrer neben Semir und drängt diesen beinahe von der Fahrbahn. Nach einer Schrecksekunde beginnt Semir, sich in Schimpftriaden zu ergehen. Die Kamera zeigt nun, wie der Motorradfahrer seine Fahrt mit überhöhter Geschwindigkeit fortsetzt. (Abbildung 14-16). Abbildung 14: Die neuen Partner treffen aufeinander.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:04:06.

Abbildung 15: Jäger überholt seinen neuen Kollegen.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:04:09.

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Abbildung 16: Mit überhöhter Geschwindigkeit fährt Ben Jäger weiter.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust 0:04:12.

In dieser Einführung werden somit bereits erste grundlegende geschlechtsspezifische Zuschreibungen von Männlichkeit präsentiert. Wenn nun, wie dargestellt, der Vorspann zu „Alarm für Cobra 11“ als auch die erste Darstellung Ben Jägers bereits auf die Stereotypisierung von Mannsein und gelebter Männlichkeit anspielen, wie äußert sich dieses Mannsein im weiteren Verlauf der Serie? Szenen, in denen sich geschlechtstypisch maskuline Eigenschaften wiederfinden lassen, sind in ausnahmslos allen Folgen der Serie vorhanden. Hierbei etablieren sich stereotype Merkmale der Geschlechterzuschreibung vor allem im Verhalten der beiden TVKriminalkommissare. Hierzu gehört unter anderem die geschlechtsspezifische Eigenschaft der Aggression. Beispielhaft dafür steht die erste persönliche Begegnung von Ben und Semir in der Folge „Auf eigene Faust“, die sich im Anschluss an Bens gefährliches Überholmanöver auf der Autobahnabfahrt ereignet. Ben Jäger stellt sein Motorrad vor dem Gebäude der Polizeiwache ab. Als er absteigt und seinen Helm absetzt, ist zu erkennen, dass er auf dem Parkplatz seines verstorbenen Vorgängers Chris Ritter geparkt hat. In diesem Moment ertönt aus dem Off das Quietschen von Autoreifen. Schnitt: Ein silbergrauer BMW hält direkt hinter Ben und versperrt die Parklücke, in der er das Motorrad abgestellt hat. Die Fahrertür des Fahrzeugs geht kraftvoll auf und Semir springt wütend und wild gestikulierend aus seinem Dienstwagen aus. Er läuft auf Ben Jäger zu, der sich ungerührt gibt. Es folgt ein Schuss-Gegenschuss-Verfahren, in welchem Semir für eine Weile von Ben beobachtet wird, bevor die Kamera in den Gegenschuss wechselt und über Semirs Schulter hinweg zu beobachten ist, wie Ben langsam seine Kopfhörer absetzt. Er wirkt überheblich und gibt vor, Semir nicht verstanden zu haben. Dann zeigt die Kamera Semirs Gesicht in einem Close-up. Deutlich ist ihm

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die Wut über die Reaktion des ihm noch unbekannten Motorradfahrers anzumerken. Bens selbstherrliches Verhalten verstärkt Semirs Aggressivität (Abbildung 17-19). Abbildung 17: Semir Gerkhan steigt wütend aus seinem Wagen und geht auf Ben Jäger zu.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:04:32.

Abbildung 18: Kommissar Gerkhan benimmt sich höchst aggressiv.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:04:41.

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Abbildung 19: Demonstrativ gelassen nimmt der neue Kollege seine Kopfhörer ab.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:04:43.

Neben der offensichtlichen Darstellung von Semirs Aggressionspotential zeichnen die oben beschriebenen Sequenzen noch ein weiteres stereotypes Männlichkeitsbild, welches mit Zuschreibungen wie „stur“, „anmaßend“, „selbstbewusst“, „überheblich“ sowie „selbstherrlich“ aufwartet. Diese typisch männlichen Eigenschaften vereinen sich in der Figur des TV-Kriminalkommissars Ben Jäger. Weitere Beispiele für die Akkumulation der geschlechtsspezifischen Eigenschaft der Aggression lassen sich aber nicht nur in Auseinandersetzungen wie der oben erwähnten wiederfinden, sondern vor allem und mit besonderem Nachdruck in Verhörsituationen. Zur Verdeutlichung hierfür dient eine Sequenz aus der Folge „Engel des Todes“115 (Staffel 21, 06.09.2012, 20:15 Uhr, RTL).

115 „Die langjährige Zusammenarbeit von Ben und Semir steht vor dem Aus: Semir hat den Job bei der Autobahnpolizei aus familiären Gründen quittiert und ist beim LKA zum Bürohengst mutiert. Nun müssen sich beide mit neuen Kollegen rumärgern, die so gar nicht zu ihnen passen. Erst der Mord an Oliver Sturm, dem durchgeknallten Verschwörungstheoretiker, führt die beiden wieder zusammen. Schnell gerät der 18jährige Max Berger unter Mordverdacht, da er mit einem blutgetränkten Messer neben dem Opfer gesichtet wird. Kurzerhand ergreift der Abiturient die Flucht und muss nun nicht nur seine unglückliche Liebe zu seiner Mitschülerin Florida überwinden, sondern auch damit klar kommen, dass die Polizei glaubt, er sei ein Mörder und Attentäter. Im Laufe ihrer Ermittlungen stoßen Ben und Semir dann auf eine äußerst mysteriöse Person – Djavo, der offenbar etwas Furchtbares plant und Max wie eine Marionette benutzt. Ein mörderischer Wettlauf gegen die Zeit beginnt.“ http://rtlnow.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11/engel-des-todes.php?film_id=82535&productdetail=1. Letzter Zugriff: 07.04.2013.

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Semir sitzt mit dem Tatverdächtigen Max Berger, einem 18-jährigen Abiturienten, an einem Tisch im Verhörraum der Polizeiwache. Ihre Gesichter sind kaum zu erkennen. Eindringlich redet Semir auf den jungen Mann ein. Er will verstehen, wer hinter dem Mord an seinem Bekannten steckt. Die Kamera wechselt zu Ben, der sich im hinteren Teil des Raums aufhält und dem Gespräch lauscht. Das diffuse Licht lässt sein Gesicht gefährlich wirken (Abbildung 20). Deutlich ist ihm seine Wut anzumerken. Die Einstellung wechselt und zeigt nun wieder Semir mit dem Tatverdächtigen. Dann erscheint Ben im Bild. Einen Moment lang steht er hinter Semir, dann geht er um den Tisch herum auf Max Berger zu. Als dieser die Mordvorwürfe bestreitet und abfällig über Oliver Sturm zu sprechen beginnt, gerät Ben aus der Fassung. Er packt den Tatverdächtigen am Kragen und reißt ihn mit den Worten „Hör auf so eine Scheiße zu erzählen, verdammt nochmal!“ vom Stuhl (Abbildung 21). Abbildung 20: Kommissar Jäger während des Verhörs.

Abbildung 21: Jäger greift den Tatverdächtigen an.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra

11. Engel des Todes, 0:26:30

11. Engel des Todes, 0:26:46.

Im nächsten Moment drückt er ihn gegen die Glasscheibe des Verhörraums. Gleichzeitig fährt die Kamera auf die beiden zu, bis nur noch ihre Köpfe zu sehen sind. Deutlich zeichnet diese Einstellung den Kontrast zwischen Max‘ angsterfülltem und Bens aggressivem Gesicht (Abbildung 22).

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Abbildung 22: Ben Jäger bedroht den Verdächtigen.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Engel des Todes, 0:26:50.

Bens aggressives Handeln kann als ein potentieller Gender-Marker für geschlechtstypisches männliches Verhalten angesehen werden, denn Aggressivität wird im Stereotypinhaltsmodell als eine gültige Zuschreibung von Männlichkeit verzeichnet. Die Sozialpsychologie argumentiert diesbezüglich, dass zwar durchaus auch Frauen aggressives Verhalten aufweisen können, den Hauptanteil machen jedoch Männer aus, da sie schneller dazu neigen, gewisse Situationen als provokant zu interpretieren und darauf mit Aggressionen zu reagieren.116 Aggressionen, die aus einer derartigen Provokation bzw. aus einer von der jeweiligen Figur als provokant empfunden Situation heraus entstehen, treten auch innerhalb der Kooperationsgemeinschaft der beiden TV-Kriminalkommissare auf. Abgesehen von der Pilotfolge zur 13. Staffel mit der eingangs bereits erwähnten Auseinandersetzung, die dazu diente, das neue Ermittlerpaar effektvoll wie auch konfliktreich einzuführen sowie das bis dato in der Serie verkörperte Männlichkeitsbild aufrechtzuerhalten, bietet die Folge „Familienangelegenheiten“117 (Staffel 19, Folge 6, 20.10.2011, 20:15h, RTL), in der Bens Vater fälschlicherweise

116 Vgl.: Aronson, Elliot/Timothy Wilson/Robin Akert: Sozialpsychologie. 6. Aufl., München/Boston/San Francisco (u. a.) 2008, S. 415. 117 „Ein Unbekannter ermordet einen Geldkurier und erbeutet fünf Millionen Euro, die dem skrupellosen Bauunternehmer Marcello Santi gehören. Ben und Semir finden mehrere Beweise, die ausgerechnet Konrad Jäger, Bens Vater, stark belasten. Ben kann es kaum fassen. Sein Vater soll ein Dieb und Mörder sein? Wenigstens hat er ein Alibi, denn laut seiner Freundin Anna war er zur Tatzeit bei ihr. Aber bei einem Vergleich von Konrads Fingerabdruck mit dem des Täters stimmen beide überein. Und Anna muss gestehen, dass sie gelogen hat. Während Ben weiterhin an Konrads Unschuld glaubt, bekommt Semir Zweifel. Erhebliche sogar. So geraten die beiden

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zum Hauptverdächtigen in einem Mordfall wird, zahlreiche Auseinandersetzungen, die Bens Aggressions- und Gewaltpotential zeigen. So wird er gegenüber einem Privatdetektiv und Hobbytätowierer, der für seinen Vater Ermittlungen durchgeführt hat, handgreiflich, als dieser sich nicht kooperativ zeigt. Die ausgeübte physische Gewalt wird zusätzlich von einer verbalen unterstützt, denn Ben droht dem Mann „ihm ein Arschgeweih ins Gesicht zu tätowieren“118, wenn dieser nicht kooperiert. Ähnlich gewalttätig und aggressiv zeigt sich Ben wenig später, als er Marcello Santi, einen Konkurrenten seines Vaters, aufsucht. Als dieser ihn mit den Worten „Ihr Vater war nichts anderes als ein dreckiger Dieb, ein Feigling und ein Mörder. Und sie wissen ja, was man mit Mördern macht.“119 provoziert, schlägt Ben zu. Die größte und wohl folgenschwerste Auseinandersetzung, welche gleich mehrere Ebenen der Provokation zusammenführt, hat Ben in diesem Zusammenhang aber mit seinem eigenen Kollegen, nachdem Konrad Jäger einen Fluchtversuch gewagt hat. Konrad Jäger flüchtet sich auf das Dach einer Fabrikhalle. Dort trifft er auf Semir, der seine Waffe auf ihn richtet und ihn mit den Worten „So, jetzt legen Sie die Waffe weg! Die Waffe weg!“ zur Aufgabe zwingen möchte. In diesem Moment erscheint Ben. Die Kamera zeigt ihn von hinten. Gleichzeitig sind sein Vater und sein Kollege im Bild, der immer noch seine Waffe auf Bens Vater gerichtet hält. Auch Ben hat seine Waffe gezogen und zielt damit auf seinen Kollegen. Auf seine Aufforderung, die Waffe herunterzunehmen, reagiert Semir gleichzeitig fassungslos und gereizt: „Sag mal, bist du jetzt völlig durchgeknallt?“ Die Kamera schwenkt zu Ben. Das Close-up fängt sein Gesicht und die Dienstwaffe ein. Er wirkt ruhig und konzentriert, als er Semir fragt: „Das fragst du ausgerechnet mich? Du zielst gerade mit deiner Waffe auf meinen Vater!“ Dann wird sein Tonfall aggressiver und fordernder: „Nimm deine Waffe runter!“ Auch Semir wird zusehends aggressiver. „Er hat ’ne Waffe in der Hand, Mensch. Er braucht Hilfe. Wir müssen ihn mitnehmen!“ Es kommt zu weiteren Wortwechseln zwischen den beiden Kollegen, in denen Semir seinen Partner daran zu erinnern versucht, dass sie

coolen Cops sogar in einen handfesten Streit, der ihre Freundschaft gefährdet, denn Ben scheint zu allem Entschlossen, um seinen Vater zu ‚retten‘. Während Ben verzweifelt nach dem wahren Täter sucht, will der Eigentümer der fünf Millionen blutige Rache an seinem Vater üben.“http://rtl-now.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11/familienangelegenheiten.php?fi lm _id= 49382&productdetail=1&season=19. Letzter Zugriff: 04.12.2012. 118 Alarm für Cobra 11. Familienangelegenheiten, 0:14:20. 119 Alarm für Cobra 11. Familienangelegenheiten, 0:23:58-0:24:01.

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ein Team sind. Diesen Moment nutzt Bens Vater, um davonzulaufen. Während er flüchtet, kommt es auf dem Dach der Fabrikhalle zu einem erbitterten Streit zwischen den beiden Kollegen, in dem Semir seinen Partner davor warnt, jemals wieder mit der Waffe auf ihn zu zielen.120 Die Provokation als Auslöser aggressiven und gewaltsamen Verhaltens zeichnet sich hier zum einen dadurch aus, dass ein Familienangehöriger von Kriminalkommissar Ben Jäger beschuldigt wird, einen Mord begangen zu haben. Das heißt, es kommt zu einer Bedrohung der Familie. Zum anderen ist die ausführende Institution dieser Bedrohung Bens eigener Arbeitgeber. Gesteigert wird diese Provokation drittens dadurch, dass Bens Partner von der Richtigkeit der Anschuldigungen gegenüber Jäger sen. überzeugt ist. Dies wird von Ben als Vertrauensbruch gedeutet und führt zu einer Steigerung seiner Aggressivität, die schließlich insofern eskaliert, als Ben das Leben seines Partners bedroht und es zu einem Kampf zwischen den beiden Kollegen kommt. In dieser Szene manifestieren sich auf beiden Seiten der Figurenkonstellation in den Zuschreibungen von „aggressiv“, „egoistisch“, „entschlossen“, „grausam“ und „stur“ eindeutig männliche Verhaltensweisen. Im Gesamtverlauf der polizeilichen Zusammenarbeit zwischen Semir Gerkhan und Ben Jäger ergeben sich zahlreiche Provokationen dieser Art, wodurch das traditionelle Männlichkeitsbild immer wieder eine Stärkung erfährt.121 Neben einem hohen Aggressionspotential etabliert sich Männlichkeit in „Alarm für Cobra

120 Alarm für Cobra 11. Familienangelegenheiten, 0:22:44-0:23:27. 121 Als Beispiel hierfür dient unter anderem die Folge „Freunde für’s Leben“, in der Ben nach langen Jahren der Kontaktstille seinen alten Freund Jan wiedertrifft. Dieser, aufgrund eines Unfalls auf einen Rollstuhl angewiesen, taucht eines Tages plötzlich auf dem Revier auf. Während sich Ben über den unerwarteten Besuch freut, kommt Semir das Verhalten des Unbekannten verdächtig vor. Er teilt seine Gedanken mit Ben, doch dieser fühlt sich von seinem Kollegen provoziert. Es kommt von Seiten Bens zu einer höchst aggressiven verbalen Auseinandersetzung. Vgl.: Alarm für Cobra 11. Freunde für’s Leben, 0:14:22-0:14:30. Doch nicht nur bei Ben konstituiert sich Männlichkeit über das typisch männliche Verhalten der Aggression, sondern auch bei Semir. Auslöser hierfür sind aber weniger Situationen, in denen er sich provoziert fühlt, sondern vielmehr Situationen, in denen nahestehende Personen in Gefahr sind oder in denen er nicht mehr weiter weiß, so wie in der Folge „Begraben“. Nachdem Ben gekidnappt wurde, verhört Semir einen Diskothekenbesitzer und ehemaligen Kriminellen, mit dem Ben einige Jahre zuvor eine Auseinandersetzung hatte. Bereits zu Beginn des Verhörs verhält sich Semir aggressiv und gereizt. Unmissverständlich macht er seinem Gegenüber klar, dass er in dieser Angelegenheit keinen Spaß versteht. Als der

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11“ aber vor allem über stereotype Merkmale wie Mut, Furchtlosigkeit, Tatendrang und physischer Stärke. Diese archetypischen Merkmale stehen in einem engen Zusammenhang mit der Ausrichtung des männlichen Habitus auf Leistung, Erfolg, Überlegenheit und Macht, die primär der Aufrechterhaltung des männlichen Hegemonialanspruchs dienen. Dabei ist dem Konzept der hegemonialen Maskulinität die Vorstellung inhärent, dass sich Männlichkeit in doppelter Relation konstruiert, nämlich einmal in der Auseinandersetzung mit Frauen und zum anderen in der Auseinandersetzung mit der eigenen Genus-Gruppe.122 In Bezug auf das Serienkonzept trifft insbesondere Letzteres zu, denn Ben und Semir sehen sich in ausnahmslos jeder Folge mit männlichen Verbrechern konfrontiert. Um nun ihre gesellschaftliche Stellung sowie ihr eigenes Überleben als auch Gerechtigkeit und Frieden in der Gesellschaft zu sichern, wird von ihnen verlangt, sich in körperlichen Auseinandersetzungen mit ihren Gegnern zu messen. Dies geschieht primär über den Einsatz physischer Stärke. Bereits in Bezug auf die Einführungsszene zu „Auf eigene Faust“ wurde auf diesen Aspekt eingegangen. Physische Stärke wird als zentraler Aspekt von Männlichkeit dargestellt. Dieses Konzepts bedienen sich auch alle weiteren Folgen der Serie. Insbesondere wird die Rolle von körperlicher Kraft von einer Sequenz der Folge „Engel des Todes“ demonstriert, in deren Verlauf es zu einer Verfolgungsjagd durch die Kölner Innenstadt kommt, die von einem Helikopter aus koordiniert wird. Die Kamera hat den Kölner Dom im Blick. Von Weiten ist der Lärm eines Helikopters zu hören. Funksprüche werden hektisch ausgetauscht. Vereinzelt kommt es zu Schusswechseln. Dann taucht der Helikopter auf. Auf seinen Kufen stehen Ben und Semir (Abbildung 23). Sie feuern einige Schüsse ab.

Diskothekenbesitzer sein tiefes Bedauern über das Verschwinden von Ben Jäger ausdrückt, wird Semir handgreiflich und schlägt den Kopf des Mannes auf den Bartresen. 122 Vgl: Hungerbrühler, Andrea: Hegemoniale Maskulinität im Bergführerberuf. In: Christa Binswanger (Hg.): Gender Scripts: Widerspenstige Aneignung von Geschlechternormen. Frankfurt a.M. 2009, S. 127.

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Abbildung 23: Die Kommissare Gerkhan und Jäger fliegen auf den Kufen eines Hubschraubers stehend durch Köln.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Engel des Todes, 1:25:58.

Dann wechselt die Kamera die Perspektive. Wir sehen einen Mann in Polizeikleidung, der auf einem Pritschenwagen steht und dem Fahrer lauthals Anweisungen gibt, schneller zu fahren. Gleichzeitig gibt er aus einem festinstallierten Gewehr, das sich auf dem Pritschenwagen befindet, Schüsse auf den Helikopter, in dem sich Ben und Semir befinden, ab. Schnitt: Aus dem Blickwinkel des Fahrers ist im Seitenspiegel des flüchtenden Fahrzeugs zu erkennen, wie Ben auf den Pritschenwagen springt (Abbildung 24). Abbildung 24: Kommissar Jäger springt von einem Helikopter auf ein fahrendes Auto.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Engel des Todes, 1:26:33.

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Schnitt: Aus der Vogelperspektive verfolgt die Kamera den Kampf zwischen Ben und dem Mann in Polizeisicherheitsbekleidung. Dabei wird deutlich, dass es sich bei dieser Person um den Mörder von Oliver Sturm handelt. Mit heftigen Schlägen attackieren sich die beiden Männer; abwechselnd gehen sie nieder, stehen aber immer wieder auf, um erneut zu zuschlagen (Abbildung 25). Abbildung 25: Kommissar Jäger im Kampf.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Engel des Todes, 1:26:40.

Neben diesen Szenen lassen sich zahlreiche weitere finden, welche die Demonstration physischer Kraft und Überlegenheit exemplifizieren.123 So kommt es im Finale der oben erwähnten Folge zu einem weiteren Höhepunkt in der Darstellung von Männlichkeit, als Semir seinen Partner Ben durch einen Sprung aus dem Helikopter in den Rhein vor dem Ertrinken rettet.124 Mit dieser Aktion werden weitere archetypische Merkmale wie Mut, Furchtlosigkeit und Eigeninitiative aufgezeigt. Als ähnliche Beispiele dienen hierfür unter anderem aber auch Semirs

123 Hierzu zählen unter anderem die Folge „Tödliche Wahl“ (Staffel 22, Folge 3, 18.04.2013, 20:15h, RTL), in der Semir in einen Kampf verwickelt, in dem er sich nicht nur durch den Einsatz seiner Stärke durchsetzen kann, sondern den Angreifer auch umbringt, indem er ihn von einem Hausdach wirft. Als im weiteren Verlauf der genannten Folge, Semir undercover in einer Strafanstalt ermittelt, kommt es zu einem Faustkampf zwischen ihm und dem mutmaßlichen Drahtzieher der Entführung, aus dem Semir als Sieger hervorgeht, nachdem er seinen Gegner mit heftigen Schlägen attackiert hat und schließlich ein Messer an die Kehle hält. Vgl.: Alarm für Cobra 11. Tödliche Wahl. http://rtl-now.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11/toedliche-wahl.php?film_id =107671& productdetail=1. Letzter Zugriff: 23.07.2014. 124 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Engel des Todes, 1:29:08.

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Sprung durch das Glasdach einer Fabrikhalle125 in der Folge „Auf eigene Faust“ oder Ben Jägers Versuch in „En Vogue“126 (Staffel 19, Folge 5, 13.10.2011, 20:15 Uhr, RTL), einen Tatverdächtigen durch das Erklimmen eines fahrenden LKWs an der Flucht zu hindern, oder die Rettung seines Kollegen aus einem mit Propangasflaschen gefüllten Gewächshaus127 in „Familienangelegenheiten“. Szenen wie die zuvor beschriebenen transportieren deutlich maskuline Eigenschaften wie Mut, Tatkräftigkeit, Einfallsreichtum, Entschlossenheit, Kühnheit, Initiative, Selbstbewusstsein und Tatkräftigkeit, aber auch Unnachgiebigkeit sowie Aggressivität, wodurch sie die traditionelle Vorstellung von Mann und Männlichkeit widerspiegeln. Hollsteins Klage über einen Verlust von Männlichkeit kann anhand der obigen Analysen nicht bestätigt werden. Vielmehr muss festgestellt werden, dass in der TV-Serie „Alarm für Cobra 11“ fast schon eine klischeehafte Männlichkeit erschaffen und präsentiert wird, die keine Zweifel am geschlechtsspezifischen Rollenbild des Mannes aufkommen lässt. 3.3.2 Körperlichkeit und männliches Kleidungsverhalten Neben den geschlechtstypischen Merkmalen, über die das Verhalten und die Handlungsweisen der Individuen in männlich und weiblich geteilt werden, gehören auch stereotype Praktiken des Einkleidens und der körperlichen Repräsentation zum Diskurs der Geschlechterinszenierung, denn „clothes are a major tool in the construction of identity“128, da sie neben „sozialer, kultureller oder auch kon-

125 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 1:19:58. 126 „Ben und Semir werden Zeugen, wie das junge Ex-Model Alexa ermordet wird. Die Täter entkommen, die beiden Polizisten stehen vor einem Rätsel. Dann flüchtet aus Alexas Wohnung ein weiteres Model: Alexas Freundin Jessica. Überraschenderweise kennt Hartmut Jessica, es handelt sich um seine Schwester, was er Ben und Semir allerdings zunächst verheimlicht. Die ungleichen Geschwister sind vor Jahren im Streit auseinandergegangen. Jetzt steckt Jessica in großen Schwierigkeiten: Sie ist in die Erpressung eines angesagten Modezaren verwickelt. Dieser macht Riesengeschäfte mit billigen Kopien von Herzmedikamenten – die fatalerweise als Schlankheitsmittel missbraucht werden. Um seine Schwester zu retten, trifft Hartmut eine folgenreiche

Entscheidung

vogue.php?film_id=

36216

…“

http://rtl-now.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11/en-

&productdetail=1&season=19.

04.12.2012. 127 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Familienangelegenheiten, 0:33:05. 128 Crane 2000, S. 171.

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fessioneller Zugehörigkeit […] auch die Geschlechterzugehörigkeit [signalisieren]“129 und „in Bezug auf das Männlichkeitskonzept noch heute eine enorme Bedeutung“130 haben. Obwohl heutzutage Männer wie Frauen „aus einer Vielzahl von Kleidungsstücken und Accessoires wählen“ können, wodurch Identität auf mannigfache Weise konstruiert und repräsentiert werden kann, sind in Bezug auf Kleidung und Styling für Männer dennoch zahlreiche implizite Regeln zu beachten. „So gelten Schmuck und Schminke, aber auch […] Dreiviertelhosen oder Flip-Flops für viele Männer, gerade für Angehörige der älteren Generation, noch immer als absolutes Tabu […].“131 Insbesondere im Arbeitsalltag ist der bürgerliche Dresscode noch weit verbreitet, aber es ist auch eine Anpassung an das Umfeld festzustellen, denn Männer, „who deal with the public outside their companies [adapt] their clothing styles depending upon the social characteristics of the individuals they expect to meet […]“.132 Hierzu gehört auch, dass die Freizeitbekleidung zur Arbeitskleidung wird.133 Dies trifft auch auf Ben und Semir zu (Abbildung 26 und 27). Im Gegensatz zum Ur-Vater des deutschen TV-Kriminalkommissars tragen die beiden Ermittler in ihrem Arbeitsalltag weder einen Anzug noch einen Trenchcoat, sondern Sweatshirt, T-Shirt, Lederjacke und Jeans. Insbesondere die Jeans repräsentiert dabei die Nähe zur Bevölkerung und den Personen, mit denen die Kommissare sich in ihrem Arbeitsalltag beschäftigen. Denn Jeans machen rund die Hälfte des gesamten Hosenumsatzes in Deutschland aus, 134 wodurch sie zu einem der beliebtesten Kleidungsstücke der Deutschen wird. Mit dem Tragen von Jeans liegen Ben und Semir nicht nur im Trend, sondern, wie schon ihre Kollegen der 1960er und 70er Jahre, kleiden sich gut, aber nicht auffällig.135 Die Jeans steht dabei aber auch für den Wandel der Gesellschaft und die Befreiung von Konventionen. Insbesondere die junge Generation der Spätachtziger suchte nach neuen Identitätsmöglichkeiten und nach einem Kleidungsstück, welches keine Identifizierung mit den Eltern zuließ.136 Diese Einstellung lässt sich – beginnend mit Schimanski – auch bei den TV-Ermittlern feststellen.

129 Hertling 2008, S. 122. 130 Ebd., S. 123. 131 Ebd., S. 126. 132 Crane 2000, S. 175. 133 Ebd. 134 Hofstetter, Markus: Jeans – die blaue Bank im Hosengeschäft. Bremen 2012 (GENIOS BranchenWissen, Nr. 3), S. 2. 135 Vgl.: http://www.wirtschaftswundermuseum.de/maennerbild-60er-1.html. Letzter Zugriff: 11.03.2013. 136 Vgl.: Crane 2000, S. 175

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Die Verneinung des Herrenanzugs und die Bejahung der Jeans zeigen die Loslösung von tradierten Vorstellungen. Gleichwohl stehen sie auch für den Fortschritt und das Mithalten sowie die Identifizierung mit der Gesellschaft. Abbildung 26: Die beiden Kommissare sitzen in legerer Kleidung auf der Motorhaube ihres Dienstwagens.

Quelle: http://www.welt.de/motor/article4580160/Im-FernsehenBruchpilot-im-Alltag-Genussfahrer.html. Letzter Zugriff:.01.2012

Abbildung 27: Auch während des Einsatzes tragen die Kriminalkommissare keine Uniform.

Quelle: http://www.axn.it/programmi/squadra-speciale-cobra11/galleries/squadra-speciale-cobra-11-stagione-17. Letzter Zugriff: 20.01.2012

Im Hinblick auf die körperliche Repräsentation der beiden TV-Ermittler orientierte sich RTL am vorherrschenden Idealbild des männlichen Körpers, der muskulös, aber schlank und mit breiten Schultern, schmalen Hüften und Waschbrettbauch aufwartet. Denn in diesem Idealbild spiegelt sich die gesellschaftlich geteilte Vorstellung von Männlichkeit wider, „die sich insbesondere durch Attribute

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wie Stärke, Dominanz, Leistungsfähigkeit [und] sexuelle Potenz“137 auszeichnet. Gleichzeitig wird dem Mann durch die Inszenierung seines Körpers ermöglicht, seine maskulinen Qualitäten öffentlich zur Schau zu stellen, wodurch „das vormals ‚körperlose‘ Geschlecht […] einen Körper [bekommt].138 Diese idealisierte Präsentation des männlichen Körpers ist mit besonderem Nachdruck in der Darstellung von Ben Jägers Körper wiederzufinden. Bereits in seiner Einführungsszene auf der Autobahn wird sein muskulöser Oberkörper in Szene gesetzt139 und im weiteren Verlauf der Serie immer wieder aufgegriffen, wie Abbildung 28 verdeutlicht.140 Abbildung 28: Gerkhan und Jäger mit nackten Oberkörpern.

Quelle: http://www.promiflash.de/nackt-alarm-bei-cobra-11-10 0 92112.html. Letzter Zugriff: 02.01.2014

Mit dieser Idealisierung geht noch ein weiterer Aspekt einher, nämlich die Erotisierung des männlichen Körpers. Diese setzt RTL vor allem in Bens Einführung gekonnt in Szene.

137 Benson, Jan: Männer und Muskeln. Über die soziale Konstruktion des männlichen Körperideals. Diss., Düsseldorf 2014, S. 14, download: 15.01.2015 unter http://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-27903/Dissertation_JanBenson_ finaleVersion.pdf. 138 Meuser, Michael: „Ganze Kerle“, „Anti-Helden“ und andere Typen. Zum Männlichkeitsdiskurs in neuen Männerzeitschriften. In: Döge, Peter/Michael Meuser (Hg.): Männlichkeit und soziale Ordnung. Opladen 2001 (Neue Beiträge zur Geschlechterforschung), S. 219-236; hier: S. 224. 139 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:03:52. 140 Weitere Beispiele für die Präsentation des muskulösen Körpers sind in der Folge „Mitten ins Herz“ (Staffel 19, Folge 3, 07.11.2013, 20:15 Uhr, RTL) zu finden.

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Ben Jäger stellt sein Motorrad vor der Zentrale der Autobahnpolizei ab. Während er von seinem Motorrad absteigt, fährt die Kamer immer näher an ihn heran, bis sie nur noch sein Gesäß im Bild hat (Abbildung 29). Abbildung 29: Jägers Gesäß wird gekonnt in Szene gesetzt.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:04:20.

In der nächsten Einstellung sieht man, wie er langsam seinen Helm abnimmt (Abbildung 30). Erst in der nächsten Sequenz ist Bens Gesicht komplett zu sehen. Während die Kamera an dieses heranzoomt, zeigt die Zeitlupe, wie der TV-Kriminalkommissar seine Haare von der einen zur anderen Seite wirft (Abbildung 31). Abbildung 30: Jägers Gesicht wird erstmals sichtbar.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:04:22.

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Abbildung 31: Kriminalkommissar Jäger schüttelt lasziv sein Haar.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:04:24.

Dreitagebart und zerzaustes Haar wecken bei den ZuschauerInnen nicht das Bild eines autoritären und vertrauenswürdigen Freundes und Helfers, der die staatliche Ordnung repräsentiert, sondern das eines Schönlings, der zum erotischen Objekt weiblicher Begierde erhoben wird.141 Die lange vorherrschende Vorstellung vom betrachtenden Ich, welches Rückwirkungen auf die Geschlechterwahrnehmung hatte und Männlichkeit mit Sehen und Weiblichkeit mit Gesehen-Werden gleichsetzte, da die Frau lediglich ein Objekt im narrativen Film als Manifestation der patriarchalen Gesellschaft darstellte,142 definiert RTL mit der erotisch-ästhetischen Darstellung der Figur Ben Jäger also neu, denn der junge Kriminalkommissar avanciert zum Objekt des Gesehen-Werdens. Damit folgt die Serie einem Trend, der innerhalb des Action-Genres seit Beginn der 1990er Jahre festzustellen ist. So trifft John Bergers Aussage, dass in der westlich geprägten Kultur vom Bild bis hin zur Vermarktung Männer agieren und Frauen erscheinen („Männer betrachten und Frauen werden betrachtet“143) in Bezug auf den TV-Kriminalkommissar Ben Jäger nur eingeschränkt zu, womit die These gestützt werden kann, 141 Begünstigt wurden diese Veränderungen u. a. durch die bürgerliche Frauenbewegung der 1970er Jahre. Sie veränderte die Stimmungslage bezüglich der Akzeptanz der Objektivierung des männlichen Körpers für den Blick von Frauen, indem leicht bekleidete Männer regelmäßig in Frauenzeitschriften oder in speziell für Frauen eingerichteter Werbung zu sehen waren, wodurch die Adressatinnen in einen erotisch visuellen Austausch verwickelt wurden. Vgl.: Benson 2013, S. 28. 142 Braun 2000, S. 301. 143 Vgl.: Smelik, Anneke: Lara Croft, Kill Bill and the challenges of the theory in feminist film studies. In: Buikema, Rosemarie/Iris van der Tuin (Hg.): Doing Gender in Media, Art and Culture. London/New York 2009, S. 178-192; hier: S. 180.

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dass es zu einer veränderten Wahrnehmung von Mann und Männlichkeit gekommen ist, wobei Männlichkeit aber nicht verloren geht. 3.3.3 Zwischen Vaterfigur und Individualist Die vorhergegangenen Analysen des Handlungs- und Kleidungsverhaltens, aber auch der körperlichen Präsentation der TV-Kriminalkommissare von „Alarm für Cobra 11“ veranschaulichen, dass sich die soziale Konstruktion der beiden Ermittler stark am Stereotypinhaltsmodell orientiert. Sie entsprechen damit nicht nur, wie schon ihre Vorgänger, der tradierten Vorstellung von Mann und Männlichkeit, vielmehr bestätigten sie damit auch die Beobachtungen der letzten vier Jahrzehnte, die besagen, dass medial „noch immer ein traditionelles Männerbild vermittelt wird“144. Im Hinblick auf die Assoziation des TV-Kriminalkommissars mit einer Vaterfigur formte sich, ähnlich wie bei Schimanski, ein etwas anderes Bild. Denn weder Ben noch Semir füllen die Position des väterlichen Kommissars in ihrer Ganzheit aus, wie dies in den 1060er und 70er Jahren Kommissar Keller tat. Dies bedeutet gleichzeitig, dass geschlechtsspezifische Eigenschaften, die der väterlichen Ermittlerfigur zugeschrieben werden, wie Dominanz und Autorität, aber auch ein gewisses Maß an Emotionslosigkeit, nicht primär auf die beiden TVErmittler zutreffen, wenngleich sich im direkten Vergleich der beiden TV-Kriminalkommissare zeigt, dass Semir mehr Tendenzen einer Vaterfigur aufweist als Ben, und dies nicht nur, weil Semir selbst Familienvater ist. Vielmehr sind es die Interaktionen innerhalb seiner beruflichen Wirkungsstätte, durch die ihm ein gewisses Maß an „Väterlichkeit“ zugesprochen werden kann. Hierzu gehören beispielsweise Situationen, in denen die emotionale Handlungsebene ins Spiel gebracht wird, so wie in der Folge „Mitten ins Herz“145 (Staffel 16, Folge 3,

144 Hertling 2008, S. 47. 145 „Ben und Semir ermitteln in einem Mord an einem High-Teck Waffenentwickler. Eine Spur führt auch zu Victor Hagen, dem Arbeitgeber des Opfers, wo die beiden Cops auch Bekanntschaft mit dessen attraktiver Assistentin Laura machen. Besonders Ben, der eigentlich gerade sämtlichen Frauengeschichten abgeschworen hatte, ist gleich hin und weg. Umso mehr, da Laura sich als Undercover-Polizistin outet, die Hagens illegalen Geschäften auf der Spur ist. Semir und Ben gelingt es mit Lauras Hilfe, einen Waffendeal zu vereiteln und Hagen in einer spektakulären Aktion zu verhaften. Volltreffer! Ben ist selig, Laura ist die Frau, nach der er immer gesucht hat. Er ahnt nicht, dass Hagen zum Gegenschlag ausholt und furchtbare Rache nehmen

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29.09.2011, 20:15 Uhr, RTL), in der Semir seinem Kollegen Ben als väterlicher Kumpel zur Seite steht, nachdem dessen Freundin bei einer Entführung ums Leben gekommen ist.146 In der Folge „Alleingang“ (Staffel 22, Folge 5, 20:15 Uhr, RTL) in der Ben im Rahmen einer verdeckten Ermittlung plötzlich spurlos verschwindet, wird Semirs Fürsorge in Bezug auf seinen Partner innerhalb einer Unterhaltung mit seiner Chefin Kim Krüger besonders deutlich dargestellt. Semir stürmt in das Büro der Einsatzstellenleiterin. Die Tür springt weit auf. Die Kamera schwenkt auf Semirs Gesichtsausdruck, der ebenso besorgt wie fest entschlossen ist. Seine Chefin Kim Krüger sitzt in Akten vertieft an ihrem Schreibtisch. Erst als Semir die Tür schließt, blickt sie sorgenvoll auf. Unter Schuss-Gegenschuss-Verfahren, bei denen die Kamera abwechselnd Semirs besorgt aufgeregtes Gesicht und Kim Krügers sorgenvolles Gesicht zeigt, wird der nachfolgende Dialog gesprochen. Semir laut und mit besorgtem Tonfall: „Frau Krüger, was wird denn jetzt? Haben Sie einen Plan B? Haben Sie einen Notfalltreffpunkt? Oder irgendein Ausstiegsszenario?“ Frau Krüger ruhig: „Glauben Sie, dann säße ich hier rum?“ Semir immer noch sehr besorgt: „Als sie Benny in den Einsatz geschickt haben, wird er doch diese Erschöpfungserscheinungen schon gehabt haben, oder nicht?“ Frau Krüger deutlich lauterer Tonfall: „Sie haben doch gehört, was die Psychologin gesagt hat: Man merkt es nicht.“ Semir: „Was ist, wenn Benny das zu viel wurde? Der Einsatz? Was ist, wenn er seine Tarnung nicht aufrechterhalten konnte? Haben Sie mal darüber nachgedacht?“147

Die oben aufgeführte Unterhaltung wird deutlich von Semirs Sorge um seinen Partner dominiert, dabei ist die Verwendung des Kosenamens „Benny“ besonders auffällig, denn in keiner anderen Folge der Serie verwendet Semir diese Koseform. Durch die Nutzung eines Spitznamens wird den ZuschauerInnen Semirs

will.“ http://rtl-now.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11/mitten-insherz.php?film_id=48065&productdetail=1&season=19. Letzter Zugriff: 05.04.2013. 146 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Mitten ins Herz, 0:40:24. 147 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11. Alleingang, 0:16:07 – 0:16: 30.

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emotionale Situation als auch die Verbundenheit der beiden Partner nochmals verdeutlicht. Zu einem späteren Zeitpunkt kommt es in derselben Folge zu einem weiteren Gespräch zwischen Semir und Frau Krüger, welches ebenfalls als ein weiterer Indikator für Semirs väterliche Seite angesehen werden kann. Das Gespräch endet von Seiten Semirs mit den Worten: „Wir sind ein Team. Das ist wie in einer Familie. Da passt man aufeinander auf. Wir schaffen das, Frau Krüger!“148 Unverkennbar vermitteln diese Sequenzen Semirs ausgeprägten Sinn zur Fürsorge sowie sein Verantwortungsbewusstsein gegenüber seinen Mitmenschen, also Eigenschaften, die zweifellos als väterliche Merkmale zu bezeichnen sind. Dennoch zeigt sich in dieser Zuschreibung ein wesentlicher Unterschied zwischen der Vaterfigur Keller und der vermeintlichen Vaterfigur Semir Gerkhan. Während Kommissar Keller, entsprechend dem sozialen Bild des Vaters der 1960er Jahre, eine starke Autorität und Dominanz gepaart mit einem gewissen Maß an Emotionslosigkeit aufweist, entspricht Semirs väterliche Darstellung der neuen Vaterrolle, so wie sie Fthenakis in „Facetten der Vaterschaft“ beschreibt. Dies bedeutet, Semir verkörpert als Vaterfigur nach wie vor Autorität, doch primär ist seine Rolle dadurch geprägt, dass er weitaus engagierter, fürsorglicher und emotional involvierter sowie ansprechbarer ist als die väterliche Autoritätsperson früherer Zeiten.149 Weitere Beispiele bieten die Folgen „Begraben“150 (Staffel 13, Folge 7, 08.11.2012, 21:15 Uhr, RTL) und „Unter Druck“151 (Staffel 13, Folge 3, 11.10.2012, 21:15 Uhr, RTL), um nur einige zu nennen. 148 Alarm für Cobra 11. Alleingang, 0:26:55-0:27:04. 149 Vgl.: Fthenakis 2005, S. 10. 150 „Als Ben auf seinem morgendlichen Weg zur Arbeit auf der Autobahn abgedrängt wird und nach einem Crash entführt wird, sieht Semir direkt einen Zusammenhang zu dem Gefängnisausbruch von Wolf Mahler und einem Fall, den Ben vor seiner Zeit bei der Autobahnpolizei betreut hat. Melanie Mahler, die Ex-Frau des flüchtigen Schwerverbrechers, sagte seinerzeit auf Druck Bens gegen ihren Mann aus. Die Verhaftung ging schief, Wolf nutzte Tochter Anna als lebenden Schutzschild. Ein Querschläger tötete das Mädchen und Wolf ging hinter Gitter. Seit dieser Zeit lebt Melanie unter falschem Namen im Zeugenschutzprogramm. Jetzt will Wolf seine Frau wiederfinden und

glaubt,

über

Ben

an

sie

heranzukommen.“

(RTL-Erstausstrahlung:

30.10.2008). http://rtl-now.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11/begraben-2012-01-17-20-1500.php?film_id= 58520& productdetail=1&season=13. Letzter Zugriff: 05.04.2013. 151 „Eigentlich ist es kein schlechter Tag für Semir und seinen neuen Partner Ben. Die Chefin ist in Urlaub und auch sonst scheint ein ereignisloser Tag anzustehen. Bis Ben in ein Juweliergeschäft geht, um eine Uhr reparieren zu lassen – und in einen Überfall plus Geiselnahme platzt. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Nach und nach erkennen Semir und Ben, dass sie in eine komplizierte Familientragödie geraten sind.

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Wenn an dieser Stelle über die Vaterfigur gesprochen wird, so müssen vollständigkeitshalber auch die beiden verbleibenden Kategorien des Bürokraten und Individualisten herangezogen werden. Weber definiert den Bürokraten als einen Ermittler, der ein „Rädchen innerhalb des Apparates“152 ist. Doch im Gegensatz zum Kommissar als Vaterfigur, bei der es scheinbar keine Reibungsfläche mit der Institution gibt, wird beim Bürokraten gerade diese Reibungsfläche in Auseinandersetzungen mit Kollegen und Vorgesetzten deutlich. Denn dieser Figur ist es nicht möglich frei zu schalten und zu walten, sondern sie muss die Vorschriften des Apparats akzeptieren.153 Es sind genau diese Auseinandersetzungen, die sich auch in „Alarm für Cobra 11“ finden lassen, wodurch Ben und Semir ein Stück weit auch der Kategorie des Bürokraten zugeordnet werden können. Denn auch ihnen ist es nicht immer möglich, frei zu schalten und zu walten, da sie die Regeln des Apparates befolgen müssen. Ein kleiner Teil dieser Auseinandersetzungen kann mithilfe ihrer Vorgesetzten unter den Bedingungen bürokratischer Sachzwänge gelöst werden. Der überwiegende Teil dieser Auseinandersetzungen bewegt sich jedoch auf Handlungsebenen, die weit vom Apparat entfernt sind. Bedingt wird dies, wie schon bei Schimanski, durch die Unvereinbarkeit der individuellen Entscheidungen der Ermittler mit dem institutionellen Regelwerk. Ihre nicht regelkonformen und durchaus auch übereilten Handlungen stoßen oft auf Widerstand bei den Vorgesetzten wie in der Folge „Die Braut“154 (Staffel 14, Folge 4, 12.03.2009, 20:15 Uhr, RTL). Im Rahmen der Handlung, in der Bens Der vermeintliche Überfall entpuppt sich als eine uralte Rechnung, die der Gangster Sturm mit dem Uhrmacher Jörg Bauer zu begleichen hat. Bauer erweist sich als Sturms Ex-Komplize und wird für einen Einbruch unter Zeitdruck benötigt.“ http://rtlnow.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11/unter-druck.php?film_id=7757&productdetail=1&season=13, 04.12.2012, 18:23 Uhr. 152 Weber 1994, S. 267. 153 Vgl. ebd. 154 „Kurz nach der Bilderbuch-Hochzeit wird Bens kleine Schwester Julia von zwei maskierten Gestalten entführt. Alle halten das Spektakel für die obligatorische Entführung der Braut. Erst später wird Ben und Semir klar, dass Julia das Opfer realer Kidnapper geworden ist. Die Lösegeldforderung lässt nicht lange auf sich warten: Ben soll zwei Millionen Euro überbringen – alleine und ohne Polizeiverstärkung. Die Entführer lotsen ihn in ein Parkhaus, doch statt der erwarteten Lösegeldübergabe entführen die Gangster auch noch Ben. Semir muss jetzt den Polizeiapparat in Bewegung setzen. Zu allem Überfluss wird bei einem Zusammenstoß eines LKWs mit einem Brückenpfeiler die vor Jahren einbetonierte Leiche einer jungen Frau freigelegt.“ http://rtlnow.rtl.de/ alarm-fuer-cobra-11/die-braut.php?film_id=10931&productdetail=1&season=14. Letzter Zugriff: 04.12.2012.

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Schwester Julia auf ihrer eigenen Hochzeit entführt wird, kommt es zwischen Ben und seiner Vorgesetzten zu einer Auseinandersetzung, die repräsentativ für die Konflikte innerhalb des Hierarchiegefälles der Institution Polizei ist. Während Ben darauf besteht, so schnell wie möglich zu handeln, da sich seine Schwester in Lebensgefahr befindet, beharrt Frau Krüger darauf, professionell und ordnungsgemäß vorzugehen.155 Ben wird ausfallend: „Professionell, ich scheiße auf professionell!“156 Selbst Semirs Schlichtungsversuche können Ben nicht davon abhalten, auf seine Vorgesetzte mit drohender Gebärde zuzugehen und ihre Anweisungen zu ignorieren.157 Neben diesen Auseinandersetzungen mit seiner Chefin kommt es aber auch zwischen Ben und Semir zu Konfrontationen, wie zum Beispiel in der Folge „Unter Druck“. Nachdem Ben sich bei einer Verfolgung von seinem Partner getrennt hatte, um auf eigene Faust einen Verdächtigen zu stellen, der Ben aber anschoss und ihm dann seine Waffe entwendete, kommt es zu einem heftigen Streit zwischen Semir und Ben. Ben sitzt mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einem Stuhl, während Semir sich vor ihm aufgebaut hat. Semir verärgert: „Was ist an der simplen Anweisung Warte auf mich! so schwer zu verstehen?“158

Ben reagiert uneinsichtig und kindisch auf Semirs Frage: „Wie wäre es mit ‘nem Megafon, damit es alle hören!“159

Diese Aussage macht Semir wütend, weshalb er versucht, Ben die Gefährlichkeit der Situation zu verdeutlichen. Da dieser sich aber immer noch stur zeigt, weist Semir seinen Kollegen an, den Waffenverlust ordnungsgemäß zu melden und einen Bericht anzufertigen. Ben ist jedoch davon überzeugt, den Täter vorher stellen zu können. In einem lauten, fast schon aggressiv-drohenden Tonfall versucht Semir seinen Kollegen zur Vernunft zu bringen. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung droht Semir daraus eine Dienstanweisung zu machen und Ben bezweifelt, dass es sich hierbei noch um Teamwork handelt.160 155 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Die Braut, 0:25:20. 156 Alarm für Cobra 11. Die Braut, 0:25:21. 157 Alarm für Cobra 11. Unter Druck, 0:14:00. 158 Alarm für Cobra 11. Unter Druck, 0:14:02. 159 Alarm für Cobra 11. Unter Druck, 0:14:04. 160 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Unter Druck, 0:14:06.

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Der in der Einleitung zur obigen Folge angeführte umstrittene Alleingang Bens sowie die nachfolgende Auseinandersetzung machen die individualistische Handlungsweise deutlich, die Ben zudem noch verteidigt. Der hieraus entstehende Konflikt mit dem Apparat und den dazugehörigen Personen ist zwar bei Ben stärker ausgeprägt als bei Semir, doch auch seine Methoden bewegen sich oftmals am Rande der Legalität, so wie in der Folge „72 Stunden Angst“161 (Staffel 19, Folge 1, 15.09.2011, 20:15 Uhr, RTL). Hier muss Frau Krüger massiv einschreiten, als Semir bei einer Vernehmung den Verdächtigen würgt, um ein Geständnis zu erhalten. Sie droht ihm „den Arsch [aufzu]reißen“.162 Anhand der oben genannten Szenen wird zum einen nochmals das Aggressionspotential beider Männer ersichtlich, zum anderen zeigt sich, dass das Hierarchiegefälle innerhalb des Polizeiapparates nicht nur zwischen ermittelndem Team und Vorgesetzen zum Tragen kommt, sondern auch innerhalb des Teams eine Rangordnung herrscht, welche einzelne Personen dann wiederum zu einem „Rädchen im Gefüge“163 macht. Gleichzeitig zeigt sich im Verlauf der dargestellten Szene aus „Unter Druck“ erneut Semirs väterliche Seite. Denn er sorgt sich nicht nur als Vorgesetzter, sondern er sorgt sich primär als Mensch und somit als Vaterfigur um das Wohlergehen seiner Mitmenschen. Zu diesem Wohlergehen zählt auch die Verantwortung gegenüber seinem jungen Kollegen Ben Jäger. Ben fühlt sich hierdurch jedoch in seinem individuellen Wirkungskreis eingeengt und erkennt Semirs Fürsorge nicht. Vielmehr vergleicht er seinen Kollegen mit den Worten „Deine Fürsorge und Erfahrung in Ehren, aber ich habe schon einen Vater, der reicht mir völlig!“ 164 mit seinem eigenen Vater, zu dem er kein gutes Verhältnis hat. 161 „Ben und Semir bewegen sich auf ungewohnten Terrain: Statt in einem PS-starken Gefährt, drehen sie ihre Runden auf einem ‚Drahtesel‘. Die beiden sind dazu verdonnert worden, als Fahrrad-Polizisten Dienst zu schieben. Sie werden Zeuge, wie plötzlich eine Gruppe Drogendealer regelrecht niedergemäht wird. Im Zuge der Ermittlungen wird schnell klar, dass sich in Deutschland offenbar eine Drogenorganisation breitmacht, die ohne jeden Skrupel agiert. Eine Spur führt Ben und Semir zu einer Frau aus Semirs Vergangenheit – Nazan – und deren neunjähriger Tochter Dana, sie plötzlich entführt wurde. Nazan kann sich weder erklären, woher die Verbrecher ihre Adresse haben, noch was sie von ihr wollen. Doch Nazan gesteht Semir ein anderes Geheimnis: Dana ist seine leibliche Tochter.“ http://rtl-now.rtl.de/alarm-fuer-cobra11/72-stunden-angst.php?film_id=45269&productdetail=1&season =19. Letzter Zugriff: 04.12.2012. 162 Vgl.: Alarm für Cobra 11. 72 Stunden Angst, 0:32:57. 163 Vgl.: Weber 1994, S.267. 164 Alarm für Cobra 11. Unter Druck, 0:15:32.

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Die von Weber angeführten Typisierungen der deutschen TV-Ermittler dürfen jedoch nicht apodiktisch aufgefasst werden. Denn wie sich am Ermittlerpaar Ben und Semir gezeigt hat, kommt es zu einer Kombination der Typen. Dabei finden sich diese Modifikationen „vor allem auf dem Niveau der Charakterisierung der persönlich-privaten Eigenschaften der Kommissare, deren Darstellung im Rahmen der Filmhandlung quantitativ immer mehr Raum zugestanden wird“.165 Gleichzeitig sind die jeweiligen Typisierungen stark mit der tradierten Männlichkeitsvorstellung verbunden, da sie typische Männlichkeitsmerkmale wie Autorität, Mut, Sturheit, Durchsetzungsvermögen, Tatendrang, aber auch Rationalität widerspiegeln. Da bei Ben und Semir eine Kombination der verschiedenen Typen vorliegt, zeigt auch die soziale Konstruktion der beiden Ermittler eine Variation von tradierten Männlichkeitsmerkmalen. 3.3.4 Das neue Rollenverständnis des 21. Jahrhunderts Im bisherigen Verlauf der Analyse kann die Einstiegsfrage, ob und inwieweit sich die soziale Konstruktion der beiden TV-Kriminalkommissare aus der TV-Krimiserie „Alarm für Cobra 11“ am Stereotypinhaltsmodell orientiert, insofern beantwortet werden, als die Ergebnisse eindeutig für eine starke Orientierung an tradierten Männlichkeitsvorstellungen sprechen und damit gegen eine Durchbrechung oder gar Auflösung der binären Geschlechterdichotomie. Dennoch kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass in der weitergehenden Betrachtung der Serie des Öfteren geschlechtsatypische Verhaltens- und Handlungsweisen bei den beiden Ermittlern vorzufinden sind, wodurch eine Diskrepanz zwischen der sozial geteilten Verhaltenserwartung gegenüber der männlichen Genus-Gruppe und dem tatsächlichen Handeln und Verhalten generiert wird. Um festzustellen, inwieweit diese Beobachtungen tatsächlich zutreffen und inwiefern sie das traditionelle Männerbild ins Wanken bringen, soll nachfolgend der Blick auf die Situationen gerichtet werden, die fernab tradierter normativer Verständnisse von heterosexueller Männlichkeit liegen und dementsprechend als geschlechtsatypisches Verhalten eingeordnet werden müssen. Als Beispiel dienen Szenen und Situationen, in denen die beiden TV-Kriminalkommissare an die Grenzen ihrer Gewalt über Emotionen gelangen. Dazu gehören unter anderem Morde an Kollegen, familiäre Probleme und die Bedrohung der Familie durch Außenstehende. Deutlich tritt dieses atypische Verhalten in der Folge „Auf Leben und Tod“ auf, in der Semir während eines Einsatzes seinen Kollegen Tom Kranich, den Vorgänger von Ben Jäger, verliert. Als Semir den Tatort erreicht, liegt

165 Weber 1994, S. 267.

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sein Kollege bereits sterbend am Boden.166 Semirs Reaktion erfolgt nun nicht wie erwartet im Rahmen männlicher Cluster, sondern er sitzt, wie in Abbildung 32 zu erkennen, im strömenden Regen hinter seinem getöteten Kollegen, dessen Kopf auf seinen Schoß gebettet, und weint,– was gemäß dem Stereotypinhaltsmodell nicht als typisch männlich eingestuft werden kann, da Emotionalität primär zu den weiblichen Geschlechtscharakteristika gezählt wird.167 Abbildung 32: Semir Gerkhan hält seinen toten Partner in den Armen.

Quelle: http://home.planet.nl/~schip080/engels/gesch.htm. Letzter Zugriff: 20.01.2012.

Im weiteren Verlauf dieser Folge sehen die ZuschauerInnen Semir unter anderem tränenüberströmt auf einem Brückenpfeiler sitzen – in seinen Händen ein Bild von ihm und Tom168 – sowie auf dessen Beerdigung. Hier legt er die Schleife seines Trauerbouquets zurecht, welches die Aufschrift „Du fehlst mir – Semir“169 trägt. Dann legt er das oben erwähnte Foto nieder.170 Bevor er das Grab verlässt, streicht er mit der rechten Hand, die er zuvor geküsst hat, über das Holzkreuz.171 Ähnlich verhält es sich auch bei Ben in der Folge „Mitten ins Herz“. Im Verlauf der Handlung geht Ben eine Beziehung mit der BKA-Agentin Laura ein. Doch während sie auf den mutmaßlichen Verbrecher Victor Hagen Jagd machen, wird Laura entführt. Ben ist bei ihrer Entführung anwesend und droht Hagen:

166 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Auf Leben und Tod, 0:20:44-0:21:25. 167 Vgl.: Alfermann 1996, S. 17. 168 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Auf Leben und Tod, 0:42:39-0:43:14. 169 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Auf Leben und Tod, 1:29:22. 170 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Auf Leben und Tod, 1:29:42. 171 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Auf Leben und Tod, 1:29:58.

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„Wenn Sie Laura was antun, dann mach ich Sie fertig!“172 Er wirkt bei dieser Drohung äußerst aggressiv, und repräsentiert somit eindeutig männliches Verhalten, gleichzeitig zeigt er sich aber auch emotional, also mit einer Eigenschaft, die laut Williams und Best der weiblichen Genus-Gruppe zugeschrieben wird.173 Sein Gesichtsausdruck (Abbildung 33) spiegelt deutlich die Angst und Verzweiflung wider und unterstreicht somit nicht die typisch maskulinen Geschlechtscharaktere. Abbildung 33: Kommissar Jäger wirkt erschrocken und verängstigt.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Mitten ins Herz, 0:32:06.

Im weiteren Verlauf der Folge kommt es zu zahlreichen Affekthandlungen von Seiten Bens, durch die Eigenschaften wie logisches und klares Denken, aber auch Rationalität außer Kraft gesetzt werden. In seiner Angst, Laura zu verlieren, geht Ben sogar so weit, seinen Partner Semir bis zur Bewusstlosigkeit zu würgen.174 Emotionsgeladen wird auch das Finale der Folge inszeniert. Nachdem Ben die Forderungen des mutmaßlichen Drahtziehers der Entführung erfüllt hat und auf die Übergabe und den Austausch der Geisel wartet, wird Laura erschossen.

172 Alarm für Cobra 11. Mitten ins Herz, 0:31:56. 173 Vgl.: Williams und Best 1990, S. 77. 174 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Mitten ins Herz, 0:33:19.

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Weinend und schreiend (Abbildung 34 und 35) fällt der TV-Kriminalkommissar zu Boden. Erst nachdem Viktor Hagen und seine Männer abgezogen sind, stürmt Ben, tränenüberströmt, zu Laura. An dieser Stelle verlässt er die männlichen Cluster abermals, denn Weinen ist ein Merkmal weiblicher Expressivität. Abbildung 34: Kriminalkommissar Ben Jäger schreit laut auf.

Abbildung 35: Ben Jäger hält seine sterbende Freundin im Arm.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Mitten ins Herz, 0:39:12. Mitten ins Herz, 0:37:51

Ähnliche Momente lassen sich in der Folge „Engel des Todes“ finden. Auch hier sitzt er nach der Ermordung seines Freundes weinend vor dessen Körper (Abbildung 36 und 37). Diese Szenen repräsentieren nicht nur die den Frauen zugeschriebene Charaktereigenschaft der Emotionalität, sondern negieren auch die von Daniela Lang gemachte Feststellung, dass Männer emotional stabiler sind als Frauen.175 175 Lang, Daniela: Soziale Kompetenz und Persönlichkeit. Zusammenhänge zwischen sozialer Kompetenz und den Big Five der Persönlichkeit bei jungen Erwachsenen. Landau 2009, S. 125. In ihrer Untersuchung versucht Lang u.a. theoretische Ansätze zur Auswertung und Erfassung der sozialen Kompetenz zu erläutern. Dabei stellt sie auch auf das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit, die sogenannten Big Five, vor und zeigt dabei die spezifischen Zusammenhänge der beiden Konstrukte auf. Anhand von Stichproben unter jungen Erwachsenen werden die theoretischen Modelle mithilfe von Strukturgleichungsmodelle überprüft. Hierbei ergab sich, dass sich Männer und Frauen in allen fünf Persönlichkeitsmerkmalen unterscheiden. Während Frauen in den Kategorien Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Kultur höhere Werte vorweisen konnten, zeigte sich, dass Männer emotional stabiler waren, als ihr weibliches Pendant. Vgl.: Lang 2009, S. 125.

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Abbildung 36: Ben Jäger und Semir Gerkhan trauern um ihren toten Freund.

Abbildung 37: Kommissar Jäger kennt keine Scham und weint in aller Öffentlichkeit.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11.

Engel des Todes, 0:14:32.

Engel des Todes, 0:24:46.

Darüber hinaus zeigen die beiden TV-Kriminalkommissare weitere sozial-emotionale wie expressive Kompetenzen, die gemäß Stereotypinhaltsmodell der weiblichen Genus-Gruppe zugeordnet werden. Hierzu gehören unter anderem Eigenschaften wie liebevolles, einfühlsames, gefühlvolles und sanftes Verhalten. Gleichzeitig demonstrieren sie „caring and nurturant qualities“176, die primär ebenfalls der weiblichen Genus-Gruppe zugeschrieben werden. Die Serie präsentiert diese Eigenschaften besonders deutlich in der Folge „Babyalarm“ (Staffel 19, Folge 7, 27.10.2011, 20:15 Uhr, RTL) und stützt damit auch Fthenakis These, dass sich innerhalb der männlichen Genus-Gruppe ein neues Rollenverhalten gebildet hat. Während eines Aufenthalts in einer Rehabilitationsklinik treffen Semir und Ben auf eine junge Mutter mit ihrem Baby. Sobald Semir die Kleine erblickt, wird nicht nur seine Körperhaltung deutlich weicher, sondern auch seine Stimme verändert sich und er strahlt vor Freude.177 Wie in Abbildung 38 zu erkennen, wirkt Semir sichtlich gelöst. Er geht auf das Baby zu, ergreift sein Spielzeug und beschäftigt sich mit ihm. Als die Mutter des Kindes im weiteren Verlauf der Folge entführt wird, nehmen sich die beiden TV-Kriminalkommissare des Kindes an.

176 Eagly 1987, S. 16. 177 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Babyalarm, 0:05:37-0:05:43.

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Abbildung 38: Semir spielt freudig mit dem Baby.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Babyalarm, 0:05:43.

Abbildung 39: Jäger geht voll in der Vaterrolle auf.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Babyalarm, 0:22:45.

Abbildung 40: Das Baby ist in besten Händen.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Babyalarm, 0:26:37.

Bens anfängliches Unverständnis über Semirs Gefühlsausbrüche und seine Abneigung gegenüber dem Baby schwinden, nachdem er das Kind selbst getragen hat

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(Abbildung 39). Nach einer riskanten Kletterpartie, bei der er das kleine Mädchen aus Sicherheitsgründen an seinen Partner Semir übergeben musste, besteht er sogar darauf, die Kleine weitertragen zu dürfen (Abbildung 40). Dies missfällt Semir, denn er würde die Kleine gerne selbst weiter in den Armen halten. Ben und Semir stehen am Fuße eines Abhangs. Ben beugt sich zu dem Baby hinunter und streichelt es. Ben: „Wie geht es dem Kleinen?“ Semir: „Ich glaube, der Kleine ist ’ne sie.“ Ben: „Ach darum verstehen wir uns so gut. Komm gib her!“ Semir: „Willst du haben?“ Ben: „Ja.“ Semir: „Lass mich doch.“ Ben: „Nein.“ Semir: „Ich kann doch selber halten.“ Ben: „Nein.“178

Mit diesen Worten beendet Ben die Diskussion, nimmt Semir die Kleine wieder ab und setzt er seinen Weg fort. Hier zeigt sich der eindeutige Wandel in der Darstellung des TV-Kriminalkommissars gegenüber Ermittlern wie Kommissar Keller, Derrick oder dem „Alten“, denn emotionale Ausbrüche wie die oben beschriebenen zeigte keiner der TVKommissare der 1960er und 1970er Jahre. Gleichzeitig verdeutlichen die ausgewählten Szenen aus „Babyalarm“ noch einmal die Veränderungen der sozialen Rolle des Vaters, denn das Verhalten der beiden TV-Kriminalkommissare entspricht dem Bild des „neuen androgynen Vaters“179, der sich liebevoll um seine Kinder kümmert. 178 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11. Babyalarm, 0:26:30 – 0:26:45. 179 Fthenakis 2005, S.10.

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In dieses expressive Verhalten passt auch Bens Affinität zu künstlerischen beziehungsweise musischen Betätigungen. In zahlreichen Folgen von „Alarm für Cobra 11“ wird seine Musikalität deutlich in den Handlungsfokus gerückt. In der Folge „Mitten ins Herz“ lehnt beispielsweise seine Gitarrensammlung an der Wand seiner Penthouswohnung. In „Unter Druck“ steht seine Akustikgitarre in seinem Büro; auch in diversen weiteren Folgen ist er oft mit einer Gitarre in der Hand zu sehen. Darüber hinaus wird er auch in der aktiven Rolle des Sängers gezeigt. In der Folge „Freunde für’s Leben“180 (Staffel 22, Folge 10, 28.03.2013, 20:15 Uhr, RTL) werden die ZuschauerInnen nicht nur in Bens musikalische Vergangenheit entführt, sondern sehen den TV-Kriminalkommissar sowohl als Gitarrist und Sänger181 wie auch als Pianist.182 Deutlich wird in diesen Sequenzen, dass durch das Einbringen der musischen Seite der Figur des Kriminalkommissars ihre Unnahbarkeit genommen wird. Dabei wird die Instrumentalität des TV-Kriminalkommissars durch atypisch maskuline Eigenschaften ergänzt beziehungsweise erweitert wie seine Emotionalität, die ihn schließlich zur Aufgabe seines Berufs als Kriminalkommissar zwingt. Hierdurch kippt das starre Konzept der Stereotypen und es stellt sich die Frage, ob die Darstellung der Figur Ben möglicherweise eine homosexuelle Neigung impliziert. Denn die emotionale Emanzipation, mit der Homosexualität einhergeht, ist ein wichtiger und entscheidender Entwicklungsschritt, „den viele heterosexuelle Männer nicht vollzogen haben“183, so Hertling. 180 Ben und Semir entdecken auf der Autobahn zwei Männer, die einen Unfall hatten. Als die beiden wider Erwarten plötzlich abhauen, nehmen die Polizisten die Verfolgung auf – vergeblich. Im Kofferraum des zurückgelassenen Wagens entdecken Ben und Semir eine Sporttasche mit 300.000 Euro. Zurück in der PAST beginnt die Spurensicherung. Die Identität der beiden Männer ist unbekannt und der Wagen wurde mit gefälschten Papieren angemietet. Als Ben in Jennys Büro blickt, glaubt er seinen Augen nicht zu trauen: Dort sitzt Jan Behler, sein alter Kumpel, den er seit über zehn Jahren nicht gesehen hat! Das Auftauchen seines alten Jugendfreundes konfrontiert Ben mit seiner eigenen Vergangenheit. Zu spät erkennt er, dass Jan durch einen Schicksalsschlag eine äußerst radikale und gefährliche Richtung eingeschlagen hat. Doch Ben scheint völlig taub, ob der gut gemeinten Warnungen seines Kollegen Semir. Eine Katastrophe bahnt sich an. http://rtl-now.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11/freunde -fuers-leben.php?film_id=105759&productdetail=1&season=22,

Letzter

Zugriff:

06.06.2013. 181 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Freunde für’s Leben, 0:8:12 - 0:8:40. 182 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Freunde für’s Leben, 0:29:52. 183 Hertling, Thomas: Homosexuelle Männlichkeit zwischen Diskriminierung und Emanzipation. Eine Studie zum Leben homosexueller Männer heute und Begründung ihrer wahrzunehmenden Vielfalt. Hamburg/Berlin/Wien/London 2011, S. 143.

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„Der emotional emanzipierte homosexuelle Mann hat sich gelöst von der hierarchisch konstruierten Männlichkeit, im Zuge derer weiblich konnotiertes Verhalten abgewertet wird.“184 Nur durch solch eine emotionale Emanzipation ist es dem Mann möglich, zu seinen Gefühlen und Bedürfnissen zu stehen und sich einen direkten Zugang zu diesen zu öffnen, wodurch er seine männlichen Handlungsspielräume um weiblich konnotierte erweitert. Zudem ermöglicht ihm die Entbindung von heterosexuellen Männlichkeitsnormen weiblich konnotierten Interessen oder Berufen nachzugehen, die unter anderem im künstlerisch-musischen Bereich liegen.185 Demnach wäre nicht nur Bens Emotionalität, sondern auch sein großes Interesse an Musik ein weiterer Indikator für die Implikation einer möglichen homosexuellen Orientierung des TV-Kriminalkommissars. Die oben erwähnte Emanzipation ist jedoch nicht mit Homosexualität gleichbedeutend und die Implikation einer homosexuellen Neigung bei der Figur Ben ist daher als ein Bild für eine emotionale Offenheit zu verstehen, die ihn von der stereotypen Männerrolle entfernt. So müsste einer These, dass es sich bei Ben Jäger um einen homosexuellen TV-Kriminalkommissar handelt, entgegengehalten werden, dass es auch heterosexuellen Männern möglich ist, sich Zugang zu ihrer Gefühlswelt zu bewahren, wenn ihnen bereits in ihrer Kindheit die Möglichkeit geboten wurde, ihren individuellen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Interessen nachzugehen.186 Denn: „Sowohl heterosexuelle als auch homosexuelle Männer können diese Fähigkeit aufweisen und im Zuge dessen ihre Gefühle adäquat ausdrücken und sozial-emotionale Kompetenzen entwickeln und sich damit von der vorwiegenden Außenorientierung heterosexueller Männlichkeit ein Stück weit entfernen.“187

Daher muss die zu beobachtende Diskrepanz zwischen Verhaltenserwartung und Verhalten auf Ansätze einer emanzipierten Männlichkeit zurückgeführt werden, die sich dadurch auszeichnet, dass sie typisch männliche und typisch weibliche Verhaltensweisen, wie beispielsweise Aggressivität und Emotionalität oder Durchsetzungsvermögen und Mitgefühl, miteinander vereint.188 Diese Feststellungen lassen nicht zu Unrecht die Frage aufkommen, inwieweit Geschlechterstereotypen und geschlechtstypisches Verhalten in unserer heutigen Gesellschaft und in ihrer jetzigen Form noch Aktualität besitzen, wenn Anforderungen und Handeln nicht miteinander korrespondieren. Da es sich diese Untersuchung aber nicht zur 184 Hertling 2011, S. 143. 185 Vgl. ebd., S. 144. 186 Vgl. ebd., S. 143. 187 Ebd. 188 Vgl.: Hertling 2008, S. 56.

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Aufgabe gemacht hat, diese Fragen zu klären, sondern sich in erster Linie auf die Offenlegung und den Gebrauch von Stereotypen und das geschlechtstypische wie auch -atypische Verhalten von TV-KriminalkommissarInnen konzentriert, soll diese Fragestellung als weiterführender Denkanstoß gedacht sein.

3.4 M ÄNNLICHE R HETORIK Sprache beeinflusst die Gesellschaft – und umgekehrt.189

Sprache ist mehr als nur Kommunikationsmittel; sie ist Ausdruck des Denkens. Das Bemühen um eine angemessene Sprache ist ein Prozess, da sowohl die Sprache als auch das Denken einem Wandel unterliegen. Die Auseinandersetzung mit der männerzentrierten Sprache führte in der Studentenbewegung 1968 zum Protest der Frauen. Die Kritik an dieser Sprache wurde ein Forschungsschwerpunkt in der Feministischen Linguistik.190 Doch das unterschiedliche Sprechverhalten von Männern und Frauen ist nicht nur ein Thema, das die Linguistik beschäftigt, sondern es spielt auch eine wichtige Rolle im Alltagsleben.191 1973 stellte die amerikanische Linguistin Robin Lakoff in ihrer Arbeit „Language and Woman’s Place“ die Frage, inwiefern Männer und Frauen im englischsprachigen Raum unterschiedlich sprechen. Hiermit begann eine Debatte, die bis heute nicht beendet ist. Anhand ausgewählter Szenen wird Lakoffs Ansatz aufgegriffen, um der Frage nachzugehen, ob sich Wortwahl und Sprachakte der beiden TV-Kriminalkommissare tatsächlich in die Kategorisierung Männersprache einordnen lassen und inwiefern sich diese Sprache an der gesellschaftlichen Vorstellung von Männlichkeit orientieren. Lakoff spricht in ihrer wissenschaftlichen Untersuchung ausdrücklich von „women’s language“ und „men’s language“. Männersprache zeichnet sich demnach durch einen sehr sachlichen Stil aus, welcher dazu führt, so Lakoff, dass die männliche Sprache stets höher bewertet wird und in gesellschaftlich

189 Martinetz, Helmut: Sprache und Sprechen, die Brückenbauer auf der Bühne des Alltags: Lassen Sie Ihre Stimmer erklingen. Wien 2006 (Studien der Linguistik, Bd. 13), S. 15. 190 Vgl.: Eichhoff-Cyrus, Karin M.: Vorwort. In ders. (Hg.): Adam, Eva und die Sprache: Beiträge zur Geschlechterforschung. Mannheim 2004, Bd. 5, S. 7. 191 Vgl. ebd., S. 9.

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angesehenen sozialen Situationen Verwendung findet, wie beispielsweise im Berufsleben.192 Mulac kommt 1999 zu folgenden Tendenzen im männlichen Sprachakt: • • • • • •

Bezugnahme auf Quantität beurteilende Äußerungen elliptische Sätze Direktive Lokative ich-Bezüge193

In einer Studie für das FINO Institut für Neuere Wirtschafts-Rhetorik in Braunschweig stellte sich des Weiteren heraus, dass Frauen männliches Sprechverhalten wie folgt empfinden: • • • • • • • • • • • • •

laut dominant aggressiv linearer einfacher nicht umfassend länger unterbrechen häufiger emotionsloser in kürzeren Sätzen behauptender, auch wenn ihre Aussage nicht stimmt in mehr Imperativformen und Feststellungen hierarchisch orientiert194

Laut des Konzepts der stereotypgestützten Sprachwahrnehmung geht der unterschiedliche Sprachgebrauch auf die Geschlechterdifferenz zurück, da Frauen und Männer auf Grundlage von sprachbezogenen Geschlechterstereotypen unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt werden. Gestützt wird dieses Konzept

192 Vgl.: Ayaß, Ruth: Kommunikation und Geschlecht. Eine Einführung. Stuttgart 2008, S. 22. 193 Mulac zitiert nach Braun 2004, S. 15. 194 Vgl.: Oppermann/Weber 2008, S. 15f.

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durch die sozialpsychologische Stereotypenforschung. Demnach beeinflussen Geschlechterstereotype als soziokognitive Strukturen des Alltagswissens, wie soziale Informationen wahrgenommen werden. Sie nehmen dabei jedoch nicht nur Einfluss auf die Wahrnehmung von Geschlecht und geschlechtsspezifischem Verhalten, sondern beeinflussen gleichzeitig auch das Verhalten, da mit ihnen Erwartungen über Männer und Frauen einhergehen, die beinhalten wie sich diese in konkreten Situationen verhalten beziehungsweise zu verhalten haben.195 Männern, so Gottburgsen, wird eine unverblümte, aggressive und autoritäre Sprache zugeordnet.196 In dieser Zuordnung lassen sich eindeutig Parallelen zu maskulinen Stereotypen wie Dominanz, Aggression, Klarheit und Rationalität ziehen. Gottburgsen geht zudem davon aus, dass für das männliche Sprachstereotyp phonologische und lexikalische Merkmale diagnostisch sind.197 Sie fasst das männliche Sprachstereotyp wie folgt zusammen: Tabelle 3: Das männliche Sprachstereotyp Diagnostizität

männliches Stereotyp

hoch

tiefe Stimme sexualisierte Kraftausdrücke Vorliebe für technische Ausdrücke Thema Sport Thema Politik Witze erzählen Interjektionen Kraftausdrücke allgemein undeutlich sprechen autoritär sprechen ohne Abschwächung sprechen laut sprechen aggressiv sprechen zurückhaltende Mimik dominant sprechen sarkastisch/ironisch sprechen

mittel

195 Vgl.: Gottburgsen 2004, S. 28. 196 Vgl. ebd., S. 29. 197 Vgl. ebd., S .36.

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in gemischtgeschlechtlichen Gruppen das Gespräch leiten langsam sprechen die Gesprächsführung übernehmen eigene Fähigkeiten mit besprochenen Thema verknüpfen entspannte Körperhaltung Themen bestimmen sich durchsetzen das eigene Vermögen darstellen offene und zurückgelehnte Körperhaltung reine Aussagesätze verwenden Fachwörter verwenden

Quelle: Gottburgsen 2004, S. 29.

Lakoff bezeichnet den männlichen Sprachakt auch als „Rough Talk“ und assoziiert ihn mit Sachlichkeit, Objektivität und Vernunft.198 Bereits beim ersten Zusammentreffen der beiden TV-Kriminalkommissare Ben Jäger und Semir Gerkhan kommt es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den zukünftigen Kollegen, die dem „Rough Talk“ zugeordnet werden kann und damit eindeutig Merkmale männlichen Sprechverhaltens aufweist. Nach einem riskanten Überholmanöver von Ben auf der Autobahn199 kommt es zu einer lautstarken Auseinandersetzung auf dem Parkplatz des Kommissariats. Semir wütend: „Sie haben mich gerade geschnitten!“ Ben lacht höhnisch: „Was? Sie hätten mich doch beinahe umgenietet!“ Semir laut: „Hamm‘ sie ‘ne Amnesie. Wenn ich nicht gebremst hätte, könnte man sie jetzt von Straße kratzen.“ Ben sarkastisch: „Soll ich sie jetzt für die goldene Verkehrsnadel vorschlagen oder was?“200 198 Vgl.: Ayaß 2008, S. 22. 199 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:04:06-0:04:15. 200 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:04:43 - 0:04:51.

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In diesem kurzen Dialog sind mehrere der von Gottburgsen vermerkten männlichen Sprachstereotypen vorzufinden, wie die aggressive, laute und dominante Sprechweise. Des Weiteren ist auch keine Abschwächung des Sprechverhaltens zu erkennen, vielmehr lässt sich anhand Bens letzter Aussage deutlich eine Ironisierung des Sprechaktes feststellen. Gleichzeitig ist der von Lakoff beschriebene „Rough Talk“ herauszuhören. Dabei werden auch nicht Beleidigungen ausgelassen, wie die Weiterführung des Dialogs zeigt. Semir fordernd, aggressiv: „Ausweis.“ Ben: „Schon mal was von Legitimationspflicht beim Treffen einer Maßnahme gehört?“ Semir holt seinen Ausweis hervor: „Gerkhan – Kripo Autobahn.“ Ben auf das Bild deutend: „Ist bestimmt schon ein paar Jahre her, oder?“ Semir empört: „Wer sind denn sie überhaupt?“201

Deutlich wird an dieser Stelle die konfrontative Gesprächshaltung der Männer. Angesichts dieses Dialogs kann Oppermann und Weber rechtgegeben werden, die behaupten, dass Männer aus Diskussionen als Sieger hervorgehen wollen, um Stärke zu demonstrieren.202 Dieser geschlechtsspezifische Erziehungsstil bedingt, dass es auch erwachsenen Männern in Auseinandersetzungen primär um die Interessendurchsetzung und weniger um die Aufrechterhaltung positiver Beziehungen geht.203 Ben und Semir versuchen durch ihre Wortwahl sowie die dazugehörige Syntax, Macht durch Sprache auszuüben, indem fortwährend nach einer Möglichkeit der Einschüchterung und Beleidigung gesucht wird, um als Sieger aus der Auseinandersetzung hervorzugehen. Der aggressive Sprachakt wird zudem durch die entsprechende Körperhaltung bekräftigt. Eine entspannte Haltung, wie Gottburgsen sie beschreibt, ist in dieser Auseinandersetzung nicht vorzufinden. Semir, der wie bereits beschrieben, von deutlich kleinerer Statur ist als sein Kollege, versucht sich vor diesem aufzubauen, um seinem Gegenüber direkt in die Augen zu schauen. Die Kamera unterstützt dieses Dominanzverhalten durch das Schuss-Gegenschuss-Verfahren, welches deutlich macht, dass Ben größer ist, da er auf Semir

201 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:04:53 - 0:05:08. 202 Vgl.: Oppermann/Weber 2008, S. 19. 203 Vgl. ebd., S. 51.

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hinabblickt.204 Mit dieser Einstellung soll den ZuschauerInnen suggeriert werden, dass Ben als Sieger aus der Auseinandersetzung hervorgehen wird. Dabei macht ihn viel weniger seine körperliche Überlegenheit zum Sieger, als seine Argumentation. Bedingt durch seine Forderung, Semirs Ausweis sehen zu dürfen, was durch den Hinweis auf die Dienstvorschrift verstärkt wird, übt er nicht nur Macht und Dominanz aus, sondern geht auch als Überlegener aus dem Gespräch hervor. Im Verlauf dieser Folge wird das Machtspiel zwischen den beiden Männern immer wieder thematisiert. Hierbei spielt primär Semirs Position als Dienstältester und alteingesessenes Mitglied des Teams eine entscheidende Rolle. Ein Beispiel dafür ist eine Aussage von Semir, die im Anschluss an die offizielle Bekanntmachung der beiden TV-Kriminalkommissare durch die Vorgesetzte Engelhardt erfolgt.205 Semir aggressiv: „So, jetzt spannen Sie mal Ihre Lauscher auf. Der Job hier heute ist mir sehr wichtig. Und ich bin nicht sehr glücklich darüber, dass ich ’nen Anfänger mitnehmen muss.206

Unmissverständlich, klar und deutlich formuliert, bringt Semir sein Anliegen vor und unterstreicht damit seine Dominanz und Führungsposition im Team. Bens Reaktion auf diese Ansage ergießt sich in einem gehusteten „Arschloch“207. Nur kurze Zeit später kommt es zu einer erneuten Auseinandersetzung. Während das Ermittlerteam den Kronzeugen Flensmann zum Gericht fährt, kommt es zu einem Angriff auf den Wagen der Männer. Um den Zeugen zu schützen, bringen die TVKriminalkommissare Flensmann in eine Penthousewohnung, die sich erst im weiteren Verlauf der Folge als Bens Eigentum erweist. Während Ben den Kronzeugen mit Essen versorgt, erblickt Semir zahlreiche Briefe, die an einen gewissen Herrn Jäger adressiert wurden (Abbildung 41). Er wird misstrauisch und versucht seinen neuen Partner zur Rede zu stellen (Abbildung 42).

204 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:05:21. 205 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:05:20. 206 Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:09:56-0:10:01. 207 Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:10:13. Ähnlich verhält sich Ben in der Folge „Überschall“ (Staffel 20, Folge 1, 16.01.2014, 20:15h, RTL). Hier hustet er ebenfalls das Wort „Arschloch“ als ihm ein Wachposten den Zutritt zu einem abgesperrten Militärareal verweigert.

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Abbildung 41: Semir Gerkhan durchsucht die Post seines neuen Partners.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:20:56.

Abbildung 42: Gerkhan stellt seinen neuen Partner zur Rede.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:21:00. Semir argwöhnisch: „Sicher, dass die Bude ’nem Freund von Ihnen gehört?“208 Ben leicht gereizt: „Ja, warum?“ Semir aggressiv: „Weil die Briefe hier an einen gewissen Konrad Jäger adressiert sind. Haben Sie zufällig denselben Nachnamen?“ Semir zieht seine Waffe (Abbildung 43). 208 Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:20:58.

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Ben: „Kann es sein, dass Sie ein wenig nervös sind?“ Semir laut, aggressiv: „Jemand hat uns an Kalvus verraten. Irgendjemand hat falsche Polizisten auf die Dienststelle geschickt. Und irgendjemand lügt mich gerade an.“ Ben empört: „Sie meinen … Sie meinen, ich bin ein Verräter? zunehmend aggressiver werdend Geht’s noch? Ich hätte ja wohl mehr als eine Möglichkeit gehabt unseren Atemtechniker umzulegen und Sie gleich mit!“209

Abbildung 43: Gerkhan bedroht Ben Jäger mit seiner Dienstwaffe.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:21:01.

Dann schlägt Bens Stimme in einen bedrohlichen Ton um. Ben: „Jetzt hören Sie mir mal gut zu: Ich weiß, was dieser Prozess für Sie bedeutet. Ich habe das Gefühl Sie schalten das Gehirn deswegen aus.“210

Insbesondere in diesem Abschnitt des Dialoges zeigt sich, dass der männliche Sprachakt aus kurzen und sehr direkten Sätzen besteht, so wie es Oppermann in „Frauensprache-Männersprache“ beschrieben hat. Die Sätze weisen kaum Konjugationen oder Verschachtelungen auf und gehen zielorientiert auf das Problem zu. Gleichzeitig zeigt sich auch hier die für das männliche Verhalten typische Aggressivität. Auch im weiteren Verlauf dieser Unterhaltung kommt der „Rough Talk“ immer wieder zum Tragen.

209 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:21:01 - 0:21:45. 210 Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:21:46-0:21:51.

132 | TAFFE KOMMISSARINNEN UND EMANZIPIERTE K OMMISSARE? Semir wütend und kontinuierlich lauter werdend: „Ich habe das Gefühl, Sie verarschen mich! Ihr erster Tag heute und alles geht schief? Und dann das hier. Schmeißt Ben die Briefe zu. Sie sind kein Glücksbringer!“211

Nicht nur das männliche Aggressionspotential wird hier abermals entfaltet, sondern auch die von Oppermann und Gottburgsen beschriebene Lautstärke. Erst nachdem Flensmann, der dem Streitgespräch die gesamte Zeit über stillschweigend beigewohnt hat, aufklärt, dass Ben der Sprössling einer Düsseldorfer Millionärsfamilie ist212, entspannt sich die Gesprächssituation. Es entsteht ein kurzer Frage/Rückfrage-Dialog. Semir: „Ihr Vater ist Multimillionär?“ Ben trotzig: „Und? Haben Sie damit ’nen Problem?“ Semir: „Kein so großes wie Sie anscheinend. Ich habe nur ein Problem damit, wenn man mich belügt.“213

Doch auch anhand dieses Dialogs lassen sich typische maskuline Sprachmerkmale wie die Einfachheit und Kürze ausmachen. Überwiegend wurden die bisherigen Unterhaltungen zwischen den beiden TV-Kriminalkommissaren von emotionalen Merkmalen wie Wut, Aggressivität und Lautstärke dominiert. Im Verlauf des Pilotfilmes erwarten den Zuschauer weitere Streitigkeiten zwischen den Partnern. Hierbei spielt insbesondere Bens Ansicht, die Autobahnpolizei sei lediglich ein weiterer Schritt auf seiner Karriereleiter eine wichtige Rolle, aber auch seine Herkunft. Es kommt zu folgender Unterhaltung. Ben: „Mein Vater fand’s scheiße, dass ich nicht Cello gelernt habe. Mein Vater fand’s aber auch scheiße, dass ich zur Polizei gegangen bin.“ Flensmann: „Was ist mit ihrem Vater, Herr Gerkhan?“ Semir: „Ach, der fand’s scheiße, dass ich zur deutschen Polizei gegangen bin. Er hält kurz inne. Ja, Moment, wenn sie uns jetzt hier so Vaterkomplexgemeinsamkeiten andichten wollen, das können sie vergessen Flensmann, ich komme aus einem Gastarbeiterviertel und er aus einem Luxuspenthouse.“ 211 Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:21:52-0:22:00. 212 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:22:12-0:22:21. 213 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:22:23 - 0:22:31.

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Ben arrogant: „Ja, genau! Und damit bestehen zwischen uns unüberbrückbare Klassenunterschiede. Ich oben und er ganz unten.“214

Dieser Dialog zeigt nicht nur deutlich Bens arrogante Haltung gegenüber seinem neuen Partner, sondern die ZuschauerInnen werden der Tatsache gewahr, dass es sich mit dieser Figur um einen jungen Mann aus der gehobenen Klasse der Gesellschaft handelt. Eine gewisse Sozialkritik, wie sie beispielsweise aus britischen Serien bekannt ist, schwingt in dieser Konstellation ebenso mit wie der Anspruch, dem Zuschauer zu verdeutlichen, dass sich die soziale Konstruktion des TV-Kommissars im 21. Jahrhundert verändert hat. Dieser kann sowohl ein verheirateter Familienvater mit Migrationshintergrund sein als auch ein Millionärssohn. Doch auch in der Auseinandersetzung mit potentiellen Tätern oder Zeugen wenden die beiden Ermittler diese Sprechweise an. Besonders eindringlich zeigt sich das männliche Sprechverhalten während einer Auseinandersetzung zwischen Semir und dem potentiellen Tatverdächtigen Lukowitsch sowie dessen Anwälten in der Folge „Gestohlene Liebe“215 (Staffel 22, 28.02.2013, 20:15h, RTL). Lukowitsch wird des Babyhandels bezichtigt und befindet sich zur Aufklärung der Vorwürfe auf dem Revier. Im Beisein von Frau Krüger kommt es zu folgendem Dialog. Ben: „Tschuldigung, ich kann mir den Scheiß nicht länger anhören. Tut mir leid.“216

Ben Jäger verlässt den Raum. Zurück bleiben Semir, Frau Krüger, der Tatverdächtige Lukowitsch sowie zwei seiner Anwälte.

214 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11. Auf eigene Faust, 0:30:22 - 0:30:54. 215 „Der Tod einer Hebamme führt Ben und Semir zu einer jungen Frau, die zusammen mit der Ermordeten ehrenamtlich in einem Kinderzentrum arbeitet. Diese Frau, Sonja Westfeld, trägt offenbar ein Geheimnis mit sich herum, das sie tunlichst für sich behalten möchte. Im Laufe der weiteren Ermittlungen ergibt sich plötzlich eine Verbindung zwischen Sonja Westfeld und dem Gangsterboss Lukowitsch und dessen zwielichtigen Geschäften. In welcher Beziehung steht die junge Frau zu Lukowitsch – und zum Förster, dem Sponsor des Kinderzentrums, der offenbar auch in den Fall involviert ist? Als Ben und Semir schließlich die Wahrheit erfahren, kommt es zum Wettlauf um Leben und Tod.“ Vgl.: http://rtl-now.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11/gestohleneliebe.php?film _id =102117&productdet

ail=1&season=22.

19.04.2013. 216 Alarm für Cobra 11. Gestohlene Liebe, 0:31:06.

Letzter

Zugriff:

134 | TAFFE KOMMISSARINNEN UND EMANZIPIERTE K OMMISSARE? Lukowitsch ruhig, beinahe überheblich: „Meine Anwälte fordern eine lückenlose Überprüfung dieser Stiftung. Selbstverständlich muss Herr Förster zur Rechenschaft gezogen werden…“ Semir fällt Lukowitsch wütend ins Wort: „Herr Förster ist tot. Jetzt hören Sie auf uns zu verarschen!“ Lukowitsch: „Tot?“ Semir laut und sehr wütend: „Sie haben mit Förster ’nen illegalen Babyhandel aufgezogen.“ Frau Krüger empört über Semirs Verhalten: „Herr Gerkhan.“ Anwältin: „Ich verbitte mir diese Anschuldigungen, unser Mandant hat…“ Semir aggressiv: „Ich scheiß auf ihren Mandanten.“ Anwalt empört: „Entschuldigen Sie bitte.“ Semir aggressiv: „Ich scheiß auf ihren Mandanten! Also pass auf Lukovitsch…“217 Frau Krüger: „Es reicht Herr Gerkhan.“ Semir: „… dafür fährst du ein. Das schwör ich dir! Du miese kleine Dreckssau!“218

Dann verlässt Semir den Raum und knallt die Tür hinter sich zu.219 Dieser Dialog präsentiert gleich mehrfach Eigenschaften des männlichen Sprechverhaltens, denn Semir verhält sich nicht nur aggressiv und wird laut, er unterbricht zudem seine Gesprächspartner, bedroht diese und benutzt gleichzeitig die Fäkalsprache. In der Folge „Familienangelegenheiten“ kommt es zu einer Situation, die ebenfalls deutlich die Aspekte des männlichen Sprachaktes darstellt. Der nachfolgende Dialog ergibt sich aus dem Umstand, dass Ben von seiner Vorgesetzten

217 Alarm für Cobra 11. Gestohlene Liebe, 0:31:26. 218 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11. Gestohlene Liebe, 0:31:14 - 0:31:28. 219 Vgl.: Alarm für Cobra 11. Gestohlene Liebe, 0:31:29.

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Frau Krüger suspendiert wird, da er aufgrund seiner familiären Beziehung zum mutmaßlichen Täter nicht objektiv sein kann. Frau Krüger: „Ich hoffe, sie verstehen, dass Sie an den weiteren Ermittlungen nicht teilnehmen können.“ Ben aggressiv: „Ne, das verstehe ich nicht. Es geht hier schließlich um meinen Vater.“ Frau Krüger ruhig: „Und genau das ist der Punkt: Sie sind befangen!“ Ben laut, aggressiv: „Frau Krüger, wir reden hier von einem 61-jährigen, harmlosen Mann, der sich in seinem ganzen Leben noch nichts hat zu Schulden kommen lassen. Das ist doch Schwachsinn!“ Frau Krüger ruhig: „Und seit wann sind 61-jährige Männer nicht in der Lage zu töten?“ Ben: „Ich … ich kenn ihn.“ Frau Krüger: „Wirklich? Vor einer Stunde wussten Sie noch nicht mal, dass er seit Monaten eine Freundin hat.“220

Anhand dieser verbalen Auseinandersetzung zeigt sich, dass der männliche Gesprächspartner versucht, in kurzen und schlagfertigen Sätzen sein Anliegen zielorientiert zu verdeutlichen. Nur in der Verteidigung des Familienangehörigen wendet er ein längeres Satzgefüge sowie beschreibende Adjektive an. Dies wird gezielt eingesetzt, um den weiblichen Gesprächspartner emotional zu involvieren und somit von der Unschuld des mutmaßlichen Täters zu überzeugen. Weitere typisch männliche Sprechmerkmale sind der Gebrauch von Kraftausdrücken, wie Schwachsinn, Scheiße oder Arschloch. Auffallend ist bei dieser Auseinandersetzung, dass auch Frau Krüger der männlichen Sprechweise habhaft ist. Oppermann argumentiert diesbezüglich, dass hauptsächlich nur Frauen Führungspositionen innehaben, die einen Kommunikationsstil beherrschen, bei dem mehr Behauptungen als Begründungen eingesetzt werden und bei dem es um Gewinnen oder Verlieren geht.221 Als Chefin der Autobahnpolizei hat Frau Krüger begriffen, dass männliches Gegenargumentieren auch ein Zeichen der Wertschätzung und ein Ernstnehmen der Gesprächspartner beinhaltet.222 Bedingt hierdurch ergibt sich in 220 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11. Familienangelegenheiten, 0:11:55 - 0:12:06. 221 Vgl.: Oppermann/Weber 2008, S.14. 222 Vgl. ebd., S.43.

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diesem Dialog eine Diskussion zwischen zwei gleichwertigen Gesprächspartnern aus der Ben als Verlierer hervorgeht. Ähnlich ergeht es Semir in der Folge „Auf Leben und Tod“. Hier erweist sich Staatsanwältin Frau Dr. Schrankmann als knallharter Gesprächspartner, der den männlichen „Rough Talk“ ebenfalls beherrscht. Schrankmann eindringlich: „Ist Ihnen eigentlich klar, gegen wie viele Dienstvorschriften Sie verstoßen haben? Ist Ihnen klar, dass Sie damit Ihre ganze weitere Zukunft und die der Autobahnpolizei auf’s Spiel gesetzt haben? Herr Gerkhan, Sie gefährden Menschenleben bei einer Verfolgungsjagd durch die Innenstadt. Sie attackieren Dezernatsleiter Simon …“ Semir aufgebracht, laut: „Der Mann lügt. Er deckt den Mörder meines Partners. Ich habe ihn mit eigenen Augen …“ Schrankmann ebenfalls sehr laut: „Herr Gerkhan – jetzt rede ich … Sie befinden sich offensichtlich in einem emotionalen Ausnahmezustand. In dieser Verfassung stellen Sie eine Belastung für unsere Behörde dar. Ich muss Sie beurlauben.“223

Staatsanwältin Schrankmann übernimmt in diesem Gespräch die dominierende Rolle in der Interaktion mit Semir. Durch die Unterbrechungen kontrolliert sie den Gesprächsverlauf. Obwohl sie ihre Stimme erhebt und lauter wird, ist diese fest und ernst. In dieser Sequenz wird nicht der männliche Protagonist, sondern seine weibliche Nebenfigur durch kulturelle Praktiken des Sprechverhaltens, die Dominanz, Entschlossenheit und Durchsetzungsvermögen ausdrücken, inszeniert, wodurch ein hierarchisches Verhältnis zwischen den Gesprächspartnern geschaffen wird, in welchem die Frau die höhere und somit männliche Position einnimmt. Die Analyse des Sprechverhaltens der Folge „Auf eigene Faust“ steht beispielhaft für das männliche Sprechverhalten. Es konnte festgestellt werden, dass die von Oppermann und Gottburgsen gemachten Feststellungen über das männliche Sprechverhalten, auch in den Auseinandersetzungen zwischen den beiden TVKriminalkommissaren, aber auch in Verhörsituationen zum Tragen kommen. Dies bedeutet, dass sich das Sprechverhalten der fiktiven TV-Kriminalkommissare ebenso wie die soziale Konstruktion an den gängigen Aussagen über Männlichkeit orientiert. Gleichzeitig wird hierdurch nicht der Eindruck vermittelt, dass die beiden Kommissare ihre Männlichkeit einbüßen, so wie es Hollstein für den Mann des 21. Jahrhunderts vorhersagte. Die Dialogbeispiele aus den Folgen „Familienangelegenheiten“ und „Auf Leben und Tod“ haben zudem gezeigt, dass auch 223 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11. Auf Leben und Tod, 0:40:03 - 0:40:24.

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Frauen, primär in Führungspositionen, diesen Sprachakt beherrschen. Insbesondere der Akt des Unterbrechens, wie ihn die Staatsanwältin Frau Dr. Schrankmann in der Auseinandersetzung mit Semir anwendet, zeugt von absoluter Dominanz und ist ein eindeutig männliches Sprachstereotyp.224 Inwieweit sich das Sprechverhalten weiblicher TV-Kriminalkommissare von der männlichen Sprechweise unterscheidet bzw. dieser ähnelt, wird im nächsten Kapitel ausführlich diskutiert.

224 Vgl.: Ayaß 2008, S.74.

4. Von Mannsweibern und Hausfrauen – Kriminalkommissarinnen im deutschen Fernsehen

Please know I am quite aware of the hazards. I want to do it because I want to do it. Women must try to do things as men have tried. When they fail, their failure must be but a challenge to others.1

Seit den ausgehenden 1970er Jahren erobert das weibliche Geschlecht in aktiven Rollen des Krimi- und Actiongenres sowohl die Fernsehbildschirme als auch die Gunst der Zuschauer. In Deutschland legte die britische TV-Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“2 nicht nur den Grundstein für ein verändertes Auftreten weiblicher Akteure, sondern auch für ein verändertes Bewusstsein im Umgang mit ihnen. Während die männlichen Zuschauer, so Dietze, an der britischen Agentin Emma Peel die einteiligen Lederanzüge und ihren unverkrampften Sexappeal liebten, standen die weiblichen Zuschauerinnen auf die „Mondrian-Minis“3 und „Emmas Hau-Drauf-Charme“4. Dabei war Emma Peel den Bösewichten nicht nur körperlich, sondern vor allem intellektuell überlegen, was ihr große Sympathien in

1

Amelia Earhart zitiert nach Shapiro, Fred R. (Hg.): The Yale Book of Quotations. Yale 2006, S. 225.

2

Der englische Originaltitel lautete „The Avengers“ und die Serie wurde von 1961-1969

3

Dietze 2004, S. 120.

4

Ebd.

produziert.

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frauenbewegten Kreisen einbrachte.5 Bis Kriminalkommissarinnen auch im deutschen Fernsehen einen festen Platz finden konnten, mussten noch zwei Jahrzehnte vergehen. Erst der Kommissarinnenboom6 der 1990er Jahre bedingte, dass heute im 21. Jahrhundert weibliche Kriminalkommissare in der Fernsehwelt als etabliert gelten und die aktive Rolle der Beschützerin und Retterin übernehmen.7 Anhand ausgewählter Folgen der TV-Kriminalserie „Doppelter Einsatz“ (RTL) analysiert dieses Kapitel die soziale Konstruktion weiblicher TV-Ermittlerpaare, wie sie zwischen 1993 und 2004 im deutschen Fernsehen dargestellt wurden. Die Analyse wird hierbei unter besonderer Berücksichtigung der Offenlegung geschlechtstypischer sowie geschlechtsatypischer Charaktereigenschaften der Genus-Gruppe Frau durchgeführt, wie sie im Stereotypinhaltsmodell von Williams und Best vorzufinden sind und von Dorothee Alfermann in ihrer sozialpsychologischen Studie dargestellt werden. Dabei wird der Frage nachgegangen 1. 2.

inwieweit sich die soziale Konstruktion der fiktiven TV-Ermittlerinnen am traditionellen weiblichen Geschlechterstereotyp orientiert und ob sich hierdurch ein neues Rollenverständnis bildet, welches die sozial verankerten Geschlechterbilder ins Wanken bringen kann.

Zuvor wird jedoch ein Blick sowohl auf den weiblichen Rezipienten geworfen, um die Bedürfnisse und Anforderungen der Zuschauerinnen zu verdeutlichen, als auch auf die Entwicklung der TV-Kriminalkommissarin im deutschen Fernsehen.

4.1 D ER WEIBLICHE R EZIPIENT Im Jahre 2004 sahen Frauen im Durchschnitt täglich 237 Minuten fern und damit eine halbe Stunde länger als Männer.8 Was genau Frauen zum Fernsehen bringt,

5

Vgl.: Dietze 2004, S. 120.

6

Sichtermann/Kaiser 2005, S. 91.

7

In der FAZ vom 21.05.2008 ist nachzulesen, dass von 700 Folgen „TATORT“ 112 Ermittlungen von Frauen durchgeführt wurden. Zudem sprechen die zahlreichen TV-Kriminalserien, wie beispielsweise Bella Block, Rosa Roth, Kommissarin Lucas und andere für den Umstand, dass immer mehr weibliche Kommissare die Fernsehwelt erobern. Vgl.: http://m.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tatort-kommissarinnen-und-dieerkenntnis-kam-beim-buegeln-1536808.html. Letzter Zugriff: 13.12.2012.

8

Vgl.: Sichtermann/Kaiser 2005, S. 126.

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lässt sich schwer feststellen. Die Rezeptionsforschung, so Sichtermann und Kaiser, ist sich hierin uneins, denn zum einen eröffnet die filmische Darstellung gezielt eine große Bandbreite an Möglichkeiten für die ZuschauerInnen, die Figuren wahrzunehmen, und zum anderen wird die Wahrnehmung des Gezeigten durch verschiedene Faktoren wie Lebenserfahrung, Alter und natürlich die Umgebung der RezipientInnen beeinflusst.9 Dennoch, so argumentieren sie weiter, tendieren die Zuschauerinnen dahin, dass das Gefühl des Involviertseins für die Programmauswahl mitentscheidend ist,10 denn „die Nutzerin verschmilzt nicht mit den TV-Figuren, sondern hat zu ihnen eine Beziehung wie zu intimen Bekannten“, wie Tania Modelski schreibt 11. Die modernen Peergroups sind nicht mehr nur die Kolleginnen und Kollegen aus Schule, Beruf und Freundeskreis, sondern eben auch die Serienheldinnen aus „Friends“, „Sex and the City“, „Desperates Housewives“ oder auch „Bella Block“, die eine Mischung aus Lebenstraum und Lebensanleitung verkörpern.12 Waltraud Cornelißen formuliert treffend: „Die Darstellung von Personen im (Fernseh-)Film macht oft unterschiedlichste Wahrnehmungen der Filmfigur möglich, und die jeweilige Deutung des Filmgeschehens ist abhängig von den Alltagserfahrungen der RezipientInnen, von deren Lebenswünschen und von kulturell verankerten Erwartungen an sie.“13

Gerade in den Lebenswünschen und Erwartungen der ZuschauerInnen sehen sowohl die Medienwelt als auch die Politik den sogenannten „Schlüssel zur Macht“. Gelingt es den Medien bzw. der Politik durch das Einbringen kultureller Erwartungen, Alltagserfahrungen und Wünsche die RezipientInnen in den Bann des Geschehens zu ziehen, hat die Serie Erfolg, wird eine politische Botschaft übernommen und weitergetragen. Fernsehsender versuchen diesen vielfältigen Lebens-

9

Vgl.: Cornelißen, Waltraud: Klischee und Leitbild: Geschlechtsspezifische Rezeption von Frauen und Männerbildern im deutschen Fernsehen. Opladen 1994, S. 249.

10 Vgl. ebd., S. 134. 11 Modelski, Tania: Rhythmen der Rezeption. Daytime-Fernsehen und Hausarbeit. In: Adelmann, Ralf/Hilde Hoffmann/Rolf F. Nohr (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Konstanz 2002, S. 376-387; hier: S. 378. 12 Vgl.: Berner 2005, S. 13. 13 Cornelißen 1994, S. 249.

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wünschen und Erwartungen mit verschiedenartigen Charakteren, die den Ansprüchen der ZuschauerInnen entsprechen, gerecht zu werden14, denn RezipientInnen werden heutzutage als aktiv am Fernsehprozess beteiligt betrachtet.15 Das bedeutet, männliche als auch weibliche Rezipienten können bis zu einem gewissen Maße Einfluss auf das Fernsehprogramm und die Entwicklung und Produktion von Sendematerial nehmen, indem sie das Geschehene öffentlich und privat kommentieren. Beispielsweise Liveshows wie „Deutschland sucht den Superstar“, „Das Supertalent“ oder „Big Brother“ nutzen das Modell des Zuschauereinflusses besonders deutlich. Hier ist es den ZuschauerInnen möglich, über ihre Lieblingskandidaten abzustimmen. Doch auch das umgekehrte Beispiel ist denkbar. Erreichen die Einschaltquoten nicht den gewünschten Prozentsatz, so können Serien durchaus abgesetzt werden. Dabei ist das Erfolgsrezept ganz einfach: „Bei erfolgreichen Filmen taten die Frauen etwas über ihre Liebe hinaus, und oft schiebt der Mann zum Schluss den Kinderwagen, während sie arbeiten geht. Gezeigt wird,

14 Seit 1997 strahlt der deutsche Fernsehsender WDR das Frauenmagazin „FrauTV“ aus. Das Magazin erhebt den Anspruch die Lebenswirklichkeit der Frauen so real wie möglich darzustellen. Dabei versucht es in erster Linie Frauen dazu zu ermutigen, ihren eigenen Lebenstraum zu verwirklichen. Die Basis der ausgestrahlten Beiträge stellen gut recherchierte Informationen aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Medizin dar, die auch auf die soziale Ungleichheit von Männern und Frauen behandeln. „FrauTV“ wendet sich somit offen an sein weibliches Publikum. Vgl.: http://www1.wdr.de/ fernsehen/information/frautv/ueberuns/index.html. Letzter Zugriff: 24.11.2012. Es soll, so der WDR, jedoch nicht als Kampfansage angesehen werden, sondern steht vielmehr für den offenen und klaren Blick auf frauenrelevante Themen. Bereits 1988 strahlte das ZDF das Gesellschaftsmagazin „Mona Lisa“ aus. Seit dem 7. Mai 2011 steht das Magazin jedoch unter einem neuen Motto: „Frauen, Männer und mehr“. Die weibliche Moderatorin wurde durch einen männlichen Kollegen abgelöst. „Mona Lisa“ passt sich mit seinem neuen Motto den veränderten gesellschaftlichen Strukturen an. Es möchte auch verstärkt männliche Zuschauer ansprechen und ist somit kein reines Frauenmagazin mehr. http://www.zdf.de/ml-mona-lisa/ml-mona-lisa-5990346.html. Letzter Zugriff: 24.11.2012. Im Mai 2010 startete mit dem Pay-TV-Sender Sixx, der ProSieben Sat.1 Media AG, das Frauenfernsehen. Der Sendername mit dem doppelten X steht dabei für die weiblichen Chromosomen XX. Der Sender zeigt, was Frauen angeblich interessiert. Hierzu zählen US-Serien, Spielfilme und Talkshows. Des Weiteren werden Themen wie Lifestyle, Reisen und Essen aufgegriffen. http://www.sueddeutsche.de/medien/tv-sender-sixx-appeal-die-sechs-bombe-des-fernsehens-1.70537. Letzter Zugriff: 13.12.2012. 15 Vgl.: Berner 2005, S. 13.

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was die Zuschauerinnen wollen.“16 Entsprechend dem gesteigerten Selbstwertgefühl von Frauen hieße das, wie Eckes in seinem Aufsatz „Geschlechterstereotype: Von Rollen, Identitäten und Vorurteilen“ feststellt, dass gerade Serien wie „Doppelter Einsatz“ oder „Das Duo“ von den Frauen gefordert und daher von Sendern bzw. Produktionsgesellschaften umgesetzt werden, denn TV-Kriminalserien mit weiblichen Ermittlern entsprechen den Bedürfnissen der weiblichen Zuschauer. Alicia Remirez nennt diese Art der Fernsehgestaltung „frauenaffines Fernsehen“.17 Von Produzentenseite gestützt, dürfte der Kommissarinnenboom im deutschsprachigen Fernsehen seit Mitte der 1990er Jahre ein Indiz für den Versuch sein, das bis dato männlich konnotierte Actiongenre dem weiblichen Publikum zugänglich zu machen und gleichzeitig den neuen Lebensentwürfen beziehungsweise Wünschen der weiblichen Rezipienten zu entsprechen. Seit Erich Küchenhoff 197518 als Erster den Mangel an Frauen im deutschsprachigen Fernsehen feststellte, hat sich einiges geändert. Heute, beinahe 40 Jahre später, ist die Anzahl von Frauen sowohl als Schauspielerinnen aber auch als Produzentinnen deutlich gestiegen.19 Barbara Sichtermann und Andrea Kaiser bestätigen die Feststellung, dass auf den medialen Backlash Mitte der 1990er Jahre ein Boom von starken Frauen folgte, wie Kommissarinnen, aufmüpfige Mädchen, Supergirls und intelligente Businessfrauen.20 Als Prototypen der starken und berufstätigen Frau bezeichnen sie die Kommissarin,21 denn

16 Sichtermann/Kaiser 2005, S. 146. 2004 machte Alicia Remirez, Chefin der Abteilung TV-Movies bei SAT.1, eine interessante Entdeckung: Je schlichter die Filme auf das Frau-sucht-Mann-zwecks-Lösung-aller-Probleme-Schema setzten, je weniger auch der berufliche Hintergrund der Heldin eine Rolle spielte, desto schlechter waren die Einschaltquoten. Vgl. Sichtermann/Kaiser 2005, S. 146. 17 Der Begriff stammt von Alicia Remirez, Chefin der Abteilung TV-Movies bei SAT.1, nach: Sichtermann/Kaiser 2005, S. 143. 18 Erich Küchenhoff hat 1975 in „Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen“ über sechs Wochen hinweg das Gesamtprogramm der ARD und des ZDFs bezüglich weiblicher Präsenz in Spielfilmen, Serien aber auch bei der Moderation untersucht. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass Frauen im deutschen Fernsehen stark unterrepräsentiert sind. 19 Dennoch, so Esther Wegner in ihrer Studie „Wie im richtigen Fernsehen“, herrscht nach wie vor sowohl in Bezug auf die Anzahl der Rollen die von Frauen besetzt werden also auch im Bereich der Produktion eine Unterrepräsentation von Frauen. Vgl.: Wenger 2000, S. 341. 20 Vgl. grundsätzlich: Sichtermann/Kaiser 2005. 21 Vgl. ebd., S. 88.

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„[f]ür diese Fernsehfrauen ist ihr oft harter Beruf die Hauptsache. Privates Geplänkel kommt in den Krimis der letzten Jahre zwar immer häufiger vor, stellt normalerweise aber nur die Nebenhandlung dar. Die leitende Polizistin fügt sich nicht in die in Kunst und Leben tradierte Rolle des weiblichen Opfers oder gar der schönen Leiche. Kommissarinnen und Detektivinnen halten das Heft des Handels beziehungsweise den Pistolenschaft fest in der Hand“.22

4.2 D IE MEDIALE I NSZENIERUNG VON K RIMINALKOMMISSARINNEN Die starke Präsenz von TV-Kriminalkommissarinnen ist von der Realität weit entfernt. Im Jahre 2004 stand lediglich eine einzige Frau einer Mordkommission in Deutschland vor.23 Eine zweite hatte in die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Berliner Kriminalamtes gewechselt. Die EU rügte Deutschland für seinen geringen Anteil an Frauen in Führungspositionen. Lediglich 10 % aller Stellen sind mit Frauen besetzt. Dies, so die „Welt online“, würde immerhin 28.500 Bedienstete ausmachen.24 Angesichts der Tatsache, dass erst seit den ausgehenden 1970er Jahren auch Frauen der Zugang zum uniformierten Polizeidienst gewährt wird,25 ist dies nicht verwunderlich. Im deutschsprachigen Fernsehen dagegen erfreut sich die Kriminalkommissarin großer Beliebtheit: 5 von 16 „TATORT“-Kommissariaten werden von Frauen

22 Sichtermann/Kaiser 2005, S. 88. 23 Vgl.: Dietze 2004, S. 119. 24 Vgl.: http://www.welt.de/print-welt/article172486/Die-weibliche-Seite.html. Letzter Zugriff: 04.04.2012. 25 Vgl. ebd. Die Eingliederung weiblicher Kommissare gestaltete sich zeitlich stark versetzt. Das erste Bundesland, das Frauen in Uniform einsetzte war 1978 Berlin. Ein Jahr später folgte Hamburg. In Bayern dürfen Frauen hingegen erst seit 1990 auch in den uniformierten Dienst. Damit stellt Bayern das Schlusslicht in Deutschland dar. Dennoch verkündet Elisabeth Reiher, Sprecherin der deutschen Polizeigewerkschaft (Dpdg), dass 10 % aller im Polizeidienst Beschäftigten Frauen sind.25 Auch beim deutschsprachigen Nachbarn Österreich verhalten sich diese Sachverhalte nicht anders. Am 1. Dezember 1991 wurde 40 ehemaligen Politessen nach Ende einer einjährigen Ergänzungsausbildung der Dienst in der Sicherheitswache zugänglich gemacht. Damit trat zum ersten Mal in der Geschichte der österreichischen Polizei eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen ein. Heutzutage beträgt der Frauenanteil in der Bundespolizei Österreichs 13 %.

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geleitet. Von 700 Folgen „TATORT“ sind in 112 Ermittlungen von Frauen durchgeführt worden.26 Das ZDF leistete sich mit Bella Block, Rosa Roth, Kommissarin Lucas und Kriminalrätin Dr. Eva-Maria Prohacek aus der Serie „Unter Verdacht“ gleich vier weibliche Kommissare sowie mit „Das Duo“ ein weibliches Team, die ARD etablierte neben „TATORT“ auch „Die Kommissarin“, RTL in „Doppelter Einsatz“ ein weibliches Duo und SAT.1 zeigte in „BLOND: EVA BLOND!“ ebenfalls eine Frau im harten Geschäft. Sogar in Serien wie „Die Cleveren“, „Die Sitte“, „Nachtschicht“ oder „SOKO“, in denen Ermittlerteams den Polizeialltag bestreiten, sind starke Kolleginnen immer zur Stelle. Doch was ist der Unterschied zur sozialen Wirklichkeit? Anke Bernhardt27 versucht sich in einer Erklärung: „Schwierigkeiten bereitet immer wieder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. […] Je höher die Positionen, desto geringer die Zahl der Frauen.“28 Die von Bernhardt angeführten Gründe sind durchaus plausibel; so haben sich im Bereich der Familie bis heute keine substanziellen Änderungen der Rollenverteilung ergeben. Frauen haben im internationalen Vergleich, so Thomas Eckes, immer noch die primäre Verantwortung für Haushalt und Kindererziehung.29 Diese Ungleichheit bleibt auch dann bestehen, wenn beide Partner berufstätig sind.30 Auch in der TV-Kriminalserie „Doppelter Einsatz“ wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie thematisiert. Besonders deutlich wird diese Problematik bei Ellen Ludwig31. Sie ist als Ehefrau und Mutter deutlich in den familiären Kontext eingebunden. Ihr Sohn und Mann erscheinen in zahlreichen Folgen als Nebenfiguren und spielen somit im Verlauf der Handlung immer wieder eine wichtige Rolle. Dabei wird deutlich, dass die mangelnde Vereinbarung von Beruf und weiblicher Rollenzuweisung bei Ellen oftmals zu Stress- und Konfliktsituationen

26 Vgl.: http://m.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tatort-kommissarinnen-und-die-erkenntnis-kam-beim-buegeln-1536808.html. Letzter Zugriff: 13.12.2012. 27 Anke Bernhardt ist Bundesbeauftragte für Frauenfragen bei der Polizeigewerkschaft. 28 http://www.welt.de/print-welt/article172486/Die-weibliche-Seite.html.

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griff: 04.04.2012. 29 Vgl.: Eckes 2004, S. 173. 30 Vgl.: Bianchi Suzanne M./Melissa A. Milkie/Liana C. Sayer/John P. Robinson: Is Anyone Doing the Housework? Trends in the Gender Division of Household Labor. In: Social Forces 79 (2000), H. 1, S. 191-228. 31 Ellen Ludwig, gespielt von Petra Kleinert, übernahm die Rolle an Sabrinas Seite nach Eva Lorenz’ Tod. Sie war insgesamt in den Jahren von 1999-2004 (Staffel 6-11) zu sehen. Ellen sowie ihr Mann und der gemeinsame Sohn Julian sterben in der Serie bei einem Flugzeugabsturz.

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führt, die daher rühren, dass sie beiden Rollen gerecht werden möchte.32 Doch nicht nur der familiäre Hintergrund erweist sich häufig als problematisch, sondern auch das Verhältnis der Geschlechter im Arbeitsalltag. Befragungen von Frauen im Polizeidienst haben zwar ergeben, dass sich das Verhältnis der Geschlechter zueinander im Vergleich zu den Anfangsjahren der Beschäftigung weiblicher Polizisten verbessert hat. Doch obwohl Frauen hier bis zum gehobenen Dienst beinahe eine Selbstverständlichkeit geworden sind, werden sie dennoch von Männern skeptisch gemustert. Auch Ablehnung und die Betrachtung der Frauen als Konkurrenz in ihrer Domäne kommen nicht selten vor.33 Eckes führt dieses Verhalten auf das Konzept des traditionellen Sexismus34 zurück: „Dieses Konzept zeichnet sich im Wesentlichen durch drei Aspekte aus: (a) stereotypkonforme Betonung von Geschlechterunterschieden, (b) Glaube an eine Minderwertigkeit von Frauen (relativ zu Männern) und (c) Befürwortung herkömmlicher Geschlechterrollen.“35 Dem sich aus dieser Haltung entwickelnden hostilen Sexismus gegenüber weiblichen Kollegen liegt somit das traditionelle Rollenbild von Mann und Frau zugrunde. Eine Frau, die durch ihren gesellschaftlichen Status als schwaches Glied der Gesellschaft gekennzeichnet wird, kann demzufolge nicht in der Lage sein, diese Gesellschaft vor gewalttätigen Verbrechern zu schützen, denn nur der männliche Kriminalkommissar stellt nach kulturellen Vorstellungen ein rational den-

32 Vgl.: Doppelter Einsatz. Die Wahrheit stirbt zuletzt. In dieser Folge wird die Problematik von Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehr deutlich dargestellt. 33 Vgl.: http://www.welt.de/print-welt/article172486/Die-weibliche-Seite.html. Letzter Zugriff: 04.04.2012. 34 Thomas Eckes beschreibt den Sexismus als ein Konzept unter das geschlechtsbezogene Stereotype, Affekte und Verhaltensweisen fallen, die einen ungleichen sozialen Status von Frauen und Männern zu Folge haben. In den modernen Konzepten des Sexismus zeigt sich, dass dieser durchaus eine gewisse Dualität aufweist. So zeigen sich feindselige Einstellungen gegenüber Frauen, aber auch wohlgemeinte und somit positive, wobei die strukturelle Macht von Männern einen feindseligen Sexismus entwickelt, während die Abhängigkeit der Männer von Frauen in engen interpersonellen Beziehungen einen durchaus positiven und wohlgemeinten Sexismus erwachsen lässt. Vgl. diesbezüglich: Eckes 2004, S. 170f. Bezüglich des Arbeitsumfelds, in dem sich Kriminalkommissarinnen aufhalten und bewegen, kann von einem feindseligen Sexismus gesprochen werden, da wie aus dem Interview mit Anke Bernhardt hervorgeht, männliche Kriminalkommissare ihre weiblichen Kollegen als eine Gefahr für ihre Stellung und somit für ihre Macht ansehen. 35 Eckes 2004, S. 170.

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kendes und zuverlässiges Individuum dar, welches als erhöhtes Ideal der Eigeninitiative fungiert, das symbolisch mit einem gut geordneten Sozialgefüge verbunden ist.36 Es scheint somit, dass der Polizeidienst ein frauenfeindliches Terrain ist. Ebenso verhält es sich, so Kathleen Gregory Klein, mit dem Kriminalgenre,37 denn das Opfer ist zumeist weiblich, der Kriminalkommissar oder Detektiv hauptsächlich männlich, und wenn es sich um einen weiblichen Kriminalkommissar handelt, so wird der zu erwartende Erfolg grundsätzlich infrage gestellt.38 Trotz Gregory Kleins Kritik hat sich das Kriminalgenre in den letzten Jahrzehnten ebenso wie die soziale Rollenverteilung in der Gesellschaft zu Gunsten des weiblichen Geschlechts verändert. Es lässt sich feststellen, dass insbesondere im Zeitraum von 1970 bis 2000 die von Frauen bei ihnen selbst wahrgenommene Instrumentalität eine kontinuierliche Erhöhung erfuhr, so dass eine veränderte Wahrnehmung von Frauen durch Frauen und damit eine gewandelte weibliche Selbstwahrnehmung in unserer Gesellschaft entstanden ist.39 Inwieweit eine Orientierung der TV-Kriminalkommissarinnen am Stereotypeninhaltsmodell stattfindet, soll nachfolgend geklärt werden. Um eine eingehende Analyse vornehmen zu können, muss jedoch zunächst dargestellt werden, wie die Komponenten weiblicher Geschlechterstereotypologie entstanden sind. Neben der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, welche die Ausbildung geschlechtstypischer Berufe bedingte und damit einen bedeutenden Anteil an der Stereotypisierung der Geschlechtscharaktere hatte, blieben auch im 19. Jahrhundert konstant und „werden nicht zuletzt durch Medizin, Anthropologie, Psychologie und schließlich Psychoanalyse ‚wissenschaftlich‘ fundiert“40. Sie verstärkten die Zuordnung der Frau zum privaten Umfeld, dem Haushalt, der als ihr natürliches Territorium angesehen wurde. Die diesem Bild anhängigen Grundzüge des weiblichen Charakters wurden durch Adjektive wie passiv, häuslich, sozial und

36 Vgl.: Gates 2011, S. 17. Gates untersucht anhand von mehr als 300 Filmen die Darstellung des weiblichen Kriminalkommissars von 1929 bis heute. Dabei bezieht sie sich nicht nur auf Gendertheorien, sondern auch auf Theorien des Genres sowie kritischer Konzepte der Performanz, Maskerade und des Feminismus. 37 Vgl.: Klein, Kathleen Gregory: The woman detective. Gender and Genre. Urbana 1988. Klein betrachtet weibliche Kommissare in britischen, kanadischen und amerikanischen Kriminalromanen. Dabei zeigt sie auf, dass Kriminalromane sowohl eine Reflektion auf aber auch eine mögliche Barriere für den sozialen Wandel der Frau darstellen. 38 Vgl.: Gates 2011, S. 19. 39 Vgl.: Eckes 2004, S. 166. 40 Hausen 1976, S. 369.

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zur Erziehung prädestiniert beschrieben41 und 1860 unter anderem von Friedrich August von Ammon in seinem Werk „Anleitung der physischen und moralischen Erziehung des weiblichen Geschlechts“ wie folgt darstellt: „Die Grundzüge des weiblichen Charakters sind: Zartheit des Gefühls, Weichheit, Sanftheit, Milde, Biegsamkeit im Physischen wie im Psychischen, große Geneigtheit Eindrücke aufzunehmen, geringe Selbständigkeit nach außen zu wirken; leichte Erregbarkeit und Beweglichkeit […], weniger physische Stärke, und daher mehr Schüchternheit, aber auch Bescheidenheit und Schamhaftigkeit […], mehr für die Gewalt des Herzens als für die des Verstandes, […] Liebe, Glaube, Hoffnung und Treue.“42

Die von Ammon als typisch weiblich bezeichneten Merkmale lassen sich noch heute in den sozial geteilten Verhaltenserwartungen an Frauen ausmachen, dies zumindest bestätigt Williams und Bests Studie „Measuring Sex Stereotypes“. Ihre Untersuchung macht sichtbar, dass es eine klare Trennung zwischen dem geschlechtstypischen Rollenbild und dem ihn anhängigen Verhalten von Männern und Frauen gibt, denn als typisch weiblich bezeichnete Eigenschaften werden mit eindeutiger Übereinstimmung nicht als typisch männlich beschrieben.43 Gleichzeitig wird deutlich, dass die Frau bis heute in der gesellschaftlichen Imagination das abweichende, ergänzende Prinzip zum Mann darstellt, da männliche Attribute wie Stärke, Mut oder Zielstrebigkeit nicht zu ihren geschlechtsspezifischen Merkmalen zählen. Den deskriptiven Komponenten zufolge sind Frauen „abhängig, verständnisvoll und emotional“44. Zudem stellt Alfermann fest, dass die Anzahl männlicher Stereotypen doppelt so hoch ist wie die weiblicher. Hieraus ergibt sich, dass der Spielraum dessen, was als männlich betrachtet wird, um ein Vielfaches größer ist als der Spielraum dessen, was als weiblich verstanden wird. Dies führt dazu, dass Frauen schneller ein stereotypkonträres Verhalten vorgeworfen wird. Aus Sicht der Gesellschaft verhält sich eine Frau nur dann stereotypkonform, wenn ihre Eigenschaften unter folgende geschlechtsspezifische Charakteristika fallen:

41 Vgl.: Schößler, Franziska: Einführung in die Gender Studies. Berlin 2008, S. 22. 42 Ammon zitiert nach: Panke-Kochinke, Birgit: Die anständige Frau. Konzeption und Umsetzung bürgerlicher Moral im 18. und 19. Jahrhundert. Pfaffenweiler 1991, S. 7. 43 Vgl.: Williams/Best 1990, S. 77. 44 Eckes 2004, S. 165.

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Tabelle 4: Stereotype weibliche Eigenschaften stereotype weibliche Eigenschaften45 abergläubisch geschwätzig abhängig liebevoll affektiert milde attraktiv neugierig charmant schwach einfühlsam sanft emotional sexy feminin träumerisch furchtsam unterwürfig gefühlvoll weichherzig Quelle: Alfermann 1996, S. 16f.

In der nachfolgenden Analyse der sozialen Konstruktion von TV-Kriminalkommissarinnen soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich ihre Darstellung an den oben aufgelisteten und als typisch weiblich bezeichneten Geschlechtscharakteristiken orientiert oder ob sich ihre soziale Konstruktion deutlich von den traditionellen Geschlechterstereotypen unterscheidet und es möglicherweise zu einer Dekonstruktion eingeübter Geschlechterbilder kommt. 4.2.1 Die Genese der TV-Kriminalkommissarin Die erste Kriminalkommissarin im deutschsprachigen Fernsehen war die Engländerin Emma Peel, die in Großbritannien bereits seit 1961 in der Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“ Verbrechen löste.46 Ab 1966 bestach sie auch die 45 Die Darstellung aus Tabelle 4 bezieht sich auf die von Alfermann angefertigte Übersetzung zu Williams und Bests‘ Stereotypinhaltsmodell. Das englischsprachige Original befindet sich in Williams/Best 1990, S. 77. 46 Die Figur der Emma Peel erscheint in der britischen Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“ ab der vierten Staffel. Der Charakter wurde als Ersatz für Cathy Gale erschaffen. In Kämpfen wird Peel nur selten überwältigt, ihren Partner Steed rettet sie so oft, wie er sie rettet. Sie ist ein Experte in Chemie und anderen Naturwissenschaften, aber sie ist auch künstlerisch sehr bewandert. Sie fährt einen Lotus Elan und hat zahlreiche Undercover-Einsätze zu bestehen. Der Name „Emma Peel“ ist als ein Wortspiel aus „Man Appeal“ entstanden, was eines der wichtigsten Kriterien für den Charakter gewesen sein soll.

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deutschen ZuschauerInnen durch Cleverness gepaart mit Sexappeal. Die Kostümbildner machten aus ihr eine moderne Femme Fatale, die in einem hautengen Lederanzug (Abbildung 44) auf Verbrecherjagd ging. Abbildung 44: Emma Peel im hautengen Lederanzug.

Quelle: http://www.theguardian.com/lifeandstyle/2009/apr/19/ diana-rigg-body-soul. Letzter Zugriff: 24.11.2012.

Erst 12 Jahre später folgte mit Nicole Heesters in der Rolle der Marianne Buchmüller, die erste deutsche TV-Kriminalkommissarin (Abbildung 45). Abbildung 45: Deutschlands erste Kriminalkommissarin.

Quelle: https://www.playbuzz.com/schwabischezeitung10/tatort-quiz-f-r-echte-experten. Letzter Zugriff: 24.11.2012.

Äußerlich hatte Buchmüller nichts mit der attraktiven Britin gemein, denn Buchmüller sollte eine seriöse Frau darstellen.47 Auch die von den Produzenten und Drehbuchautoren vorgegebene Vorgehensweise unterschied sich drastisch von der

47 Vgl.: Dietze 2004, S. 121.

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Peels, die durch eine Mischung aus Sexappeal, Waffenkunst und Karate bestach.48 Denn während die Britin im Umgang mit der Waffe geübt war und die Pistole zu ihrem Markenzeichen wurde49, trug Buchmüller erst in ihrer dritten Folge in „Der gelbe Unterrock“ eine Pistole. Nicole Heesters, die die erste deutsche TV-Kriminalkommissarin Marianne Buchmüller verkörperte, wehrte sich nämlich beharrlich gegen das Amazonen-Image, welches Emma Peel verkörperte. Sie wollte nicht zur Projektionsfläche eines neuen Frauentyps gemacht werden, der kämpferisch seinen Platz in der Gesellschaft und damit seine Anerkennung erstritt. „Man glaubt wohl, eine Frau in solcher Position müsse nun alles Weibliche ablegen und quasi als Supermann auftreten. Das ist aber nicht so. Für mich ist Kommissarin ein Beruf wie jeder andere, der wohl eher mit Psychologie als mit wilder Schießerei zu tun hat.“50 Sicherlich kann Heesters recht gegeben werden, dass das Handwerk eines Kriminalkommissars oder einer Kriminalkommissarin weniger aus wilden Schießereien und Verfolgungsjagden besteht als aus Kombinationsgabe und dem Zusammenführen der Beweise, dennoch ist Heesters in Bezug auf die TV-Serien darin zu widersprechen, dass die britische Agentin ihre Weiblichkeit im Kampf um einen Platz in der männlich dominierten Gesellschaft aufgab. Ganz im Gegenteil setze sie, um ihr Ziel zu erreichen, ihre Weiblichkeit gezielt als zusätzliche Waffe ein. Dabei entspricht – ähnlich wie Schimanskis rüpelhaftes Verhalten – auch das Spiel mit weiblichen Reizen nicht den konventionellen Methoden traditioneller Polizeiarbeit, doch von einer Aufgabe der Weiblichkeit zu sprechen, wie es Heesters tat, ist schlichtweg falsch. Heesters feindliche Grundhaltung war zudem unbegründet, da niemand von der ersten deutschen „TATORT“-Kommissarin erwartete, in einem knappen Bikini oder einem Lederoutfit auf Verbrecherjagd zu gehen. Sie sollte zunächst einmal ein Identifikationsangebot für Frauen darstellen. Mit Marianne Buchmüller begann die Geschichte der deutschen TV-Kommissarinnen, welche Gabriele Dietze in vier Phasen unterteilt51: die präfeministische, in der die Figur Marianne Buchmüller geschaffen wurde, die sozialistisch-emanzipierte, in der die DDR ihren ersten weiblichen Leutnant kreierte, die feministische

48 Vgl.: Holtgreve, Sabine: Supergirls – Die Geschichte der TATORT-Kommissarin. In: Wenzel, Eike (Hg.): Ermittlungen in Sachen tatort: Recherchen und Verhöre, Protokolle und Beweisfotos. Berlin 2000, S. 71. 49 Im Gegensatz zu Marianne Buchmüller wird Emma Peel auf zahlreichen Promotionsbildern mit Waffe in der Hand gezeigt. 50 Holtgreve 2000, S. 71. 51 Vgl.: Dietze 2004, S. 136.

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mit Lena Odenthal sowie Sabrina und ihren wechselnden Partnerinnen von „Doppelter Einsatz“ (RTL) und die postfeministische52 Phase mit Kommissarin Lucas oder Eva Blond.53 Dabei bemerkt Dietze, dass die Namenswahl Eva Blonds als chauvinistischer Tiefpunkt in der Namensgebung weiblicher TV-Kriminalkommissare angesehen werden kann.54 In der präfeministischen Phase näherte man sich dem Anspruch, das aus männlicher Perspektive definierte Klischee zu brechen, bestenfalls an. Dies zeigt sich, so Dietze, beispielsweise darin, dass Marianne Buchmüller durch eine „Homestory“ eingeführt wird, in der sie ein weißes, dezent dekolletiertes Negligé trägt.55 Für die Szenografen und Kostümbildner erwies es sich als schwierig, eine emanzipierte und gleichzeitig berufstätige Frau zu erschaffen, da sie auf keinerlei Vorbilder zurückgreifen konnten, denn Traditionslinien waren für diese erste „TATORT“-Kommissarin nicht vorhanden.56 Diese Problematik äußerte sich besonders deutlich in der Frage betreffs der Ansprache der Kommissarin, denn der Titel „Frau Kommissarin“57 war in erster Linie für die Ehefrau eines Kommissars gedacht. Um das Dilemma zu lösen, bedienten sich die Autoren und Designer zunächst einmal des Zeichensystems der Rebellin oder der Abenteurerin der 1920er Jahre.58 Dennoch schaffte es „TATORT“ dramaturgisch nicht, das Thema einer

52 Das Adjektiv „postfeministisch“ entstand in den 1980er Jahren und war zunächst einmal negativ konnotiert, da es für das Ende und das Scheiterns des Feminismus stand. Erst in den ausgehenden Achtzigerjahren veränderte sich dieses Verständnis. Der Postfeminismus begriff sich als eine Nachfolge des Feminismus, der die vorherigen Erkenntnisse und Positionen weder angreifen noch ersetzen wollte. Vielmehr sah er sich als eine Schnittstelle von diversen anti-definitorischen Ansätzen wie der Postmoderne, des Poststrukturalismus und des Postkolonialismus. Im Gegensatz zum Feminismus, der sich mit den Strukturen der Unterdrückung und dem Kampf um gleiche Rechte für Männer und Frauen einsetzte, versteht sich der Postfeminismus als Diskurs über diese Probleme. Vgl.: Haas, Birgit: Der postfeministische Diskurs: Positionen und Aspekte. In ders. (Hg.): Der postfeministische Diskurs. Würzburg 2006, S. 7-62; hier: S. 7f. 53 Vgl.: Dietze 2004, S. 136. 54 Vgl. ebd. Sowie http://www.abendblatt.de/kultur-live/article711900/Vom-Rehbein chen-zu-Block-Blond-und-Blum.html, Letzter Zugriff: 27.11.2012. 55 Vgl.: Dietze 2004, S. 121 56 Vgl. ebd. 57 Holtgreve 2000, S. 71. 58 Vgl.: Dietze 2004, S. 121.

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Frau in einer Männerdomäne umzusetzen.59 Frauenfiguren traten entweder nur als Ehefrauen auf oder wurden als promiske Karrierefrau beziehungsweise ledige Mütter mit der Tendenz zu Liebhabern aus dem Ausland dargestellt, so Dietze, die in diesem Sinne von einem „Lehrstück über die Unsicherheiten, die sich um die Frage angemessener Weiblichkeit ranken“60, spricht. Und so ist es nicht verwunderlich, dass der Erfolg der ersten deutschen Kommissarin nicht lange währte. Die Unsicherheiten im Umgang mit der ersten deutschen TV-Kriminalkommissarin führten im weiteren Verlauf der Serie dazu, dass sich Buchmüller von der 1920erJahre-Rebellin in eine mausgraue Erscheinung verwandelte. Dabei wich „der freche Bob einer aufwändig zu frisierenden Wasserwelle“61, so Dietze, die weiter feststellt: „Wenn eine Fernsehanstalt sich damals anschickte, eine Serienfigur „weiblicher“ zu gestalten, handelte es sich in der Regel darum, aus ihrer Windstoßfrisur ein festgesprühtes Haarkunstwerk zu machen, sie aus bequemen Schuhen in Pumps umzutopfen und in körpernahe Kleidung einzuschweißen.“62 Auch die Vorahnung ihres Liebhabers, dass sie sich eigentlich vorgestellt habe, „sanft und behütet mit einem Mann zu leben“63, wird wahr. Nachdem sie bei ihrem dritten Auftritt, wie bereits angemerkt, erstmals eine Waffe trug und nach einer Verfolgungsjagd zwei potentielle Verbrecher stellte, verschwindet sie von der Bildfläche.64 Dabei erschien Buchmüller in der ersten Folge noch als eine selbstbewusste Frau mit Erfahrung, die von ihren Vorgesetzten wie auch Kollegen geschätzt wurde.65

59 Gabriele Dietze stellt in ihrer Untersuchung die Behauptung auf, dass das deutsche Fernsehen es weder schaffte, eine Kommissarin zu erschaffen, die sich des Zeichensystems der Rebellin oder Abenteurerin der 1920er Jahre bedienen konnte, noch dass es durch die TATORT-Serien möglich war, die Frau als Kommissarin zu etablieren. Sie spricht in diesem Zusammenhang eindeutig von einer Männerdomäne. Dies sieht sie u.a. im Zitat des damaligen Münchner Polizeipräsidenten bestätigt, der empört aussagte: „Die Frau gehört nicht an die Leiche, sondern in die Küche!“ Vgl.: http://www.abendblatt.de/kultur-live/article711900/Vom-Rehbeinchen-zu-Block-Blond-und-Blum.html. Letzter Zugriff: 27.11.2012. 60 Dietze 2004, S. 121. 61 Vgl. ebd. 62 Ebd. 63 Vgl. ebd. 64 Vgl.: Berner 2005, S. 28. 65 Vgl.: Holtgreve 2000, S. 73.

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Im Gegensatz zu Gabriele Dietzes scharfer Kritik an der Figur Buchmüller muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass es sich hierbei um den ersten Versuch handelte, eine Kriminalkommissarin im deutschen Fernsehen zu etablieren. Dass hierdurch das bis dato vorherrschende Männerklischee nicht gänzlich gebrochen werden konnte, es Anlaufschwierigkeiten gab und Unsicherheiten in der Darstellungsweise auftraten, ist durchaus verständlich, handelte es sich doch um ein sensibles Thema, da die ZuschauerInnen doch bisher nur an den männlichen Kommissar gewöhnt waren. Da stellte eine berufstätige Frau ein Problem dar, wie Dietze feststellt.66 Zudem versuchte der SWR sich mit dieser neuen Form des Krimis von seinen Konkurrenten abzuheben. Wollte man also einen längerfristigen Erfolg einfahren, so hatte man behutsam vorzugehen. Die Einführung eines weiblichen Kommissars hätte ebenso zu einem Eklat werden können. Daher konnte eine völlige Etablierung, die mit dem vollständigen Durchbrechen der Stereotypen und Klischees der 1960er und 70er Jahre einhergegangen wäre, nicht gefordert und auch nicht erwartet werden. Die Fernsehzeitschrift „TV-Spielfilm“ argumentiert diesbezüglich, dass die Darstellung Marianne Buchmüllers als erste TV-Kriminalkommissarin als Versuch der Emanzipation verstanden werden kann.67 Dieser Aussage ist beizupflichten. Weiterhin stellt „TV-Spielfilm“ fest, dass Buchmüllers Umgang mit den männlichen Kollegen „unmissverständlich als Positionsbestimmung zu verstehen“68 ist: „Souverän jonglierte sie mit den Kerlen im Kommissariat und war doch immer Frau genug, um als Identifikationsfigur gelten zu können. Sie war frei von Profilierungsmarotten oder Hierarchiedemonstrationen. […] Sie überzeugte durch einen klaren Verstand und auch ein bisschen weibliche Intuition.“69 Im Gegensatz zu Gabriele Dietze sieht TV-Spielfilm in der ersten deutschen TV-Kriminalkommissarin sehr wohl eine Frau, welche auf dem Wege zur Emanzipation war.70 Dennoch muss der Aussage, dass Buchmüller frei von jeglichen Hierarchiedemonstrationen war, widersprochen werden, denn allein der Umstand, dass Buchmüller die Position der leitenden Kriminalkommissarin zugesprochen wurde und sie über männliche Assistenten verfügen konnte, zeigt eindeutig eine Hierarchisierung, welcher sich Buchmüller auch bediente, indem sie stets darauf

66 Vgl.: Dietze 2004, S. 122. 67 Vgl.:http://www.tvspielfilm.de/tatort/ermittler/70er/tatort-mainz-marianne-buchmueller,3946426,ApplicationArticle.html. Letzter Zugriff: 04.04.2012. 68 Ebd. 69 Ebd. 70 Vgl.:http://www.tvspielfilm.de/tatort/ermittler/70er/tatort-mainz-mariannebuchmueller,3946426,ApplicationArticle.html. Letzter Zugriff: 04.04.2012.

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hinwies, dass es sich bei den anwesenden männlichen Personen um ihre Assistenten handelte. Diese Hierarchisierung setzte sich auch in der Arbeitsverteilung fort; den Assistenten war es nur erlaubt, der Kommissarin zuzuarbeiten. Zurückhaltender oder, wie Holtgreve sagt, „kühl, blond und ein bisschen traurig und an eine Mutter erinnernd“71 erscheint dagegen die zweite deutsche Kommissarin, Hanne Wiegand (Karin Anselm), die erstmals in „Das Lederherz“ (1981) auftrat. „Zart, in Stehkragenbluse und sportlicher Mode enterotisiert“72, reagiert „die Frau ohne Eigenschaften“73 mit einem Lächeln, wenn die männliche Welt zur Provokation aufruft.74 Dietze deutet das ausweichende Lächeln der stillen Kommissarin als Machtgeste, welches die eigentlich tragischen Figuren der „TATORT“-Folgen mit Wiegand, die Männer nämlich, welche mit der neuen Geschlechterordnung nicht zu Recht kommen und dann als Opfer-Täter zurückschlagen, dekuvriert.75 Karin Anselm konstatiert hingegen, dass Hanne Wiegand die meiste Arbeit mit dem Kampf gegen männliche Vorurteile hatte – vornehmlich in der eigenen Behörde, weshalb sie nach sieben Tatorten vorzeitig in den Ruhestand ging.76 Szenisch wird diese Problematik durch Wiegands Abseitsposition innerhalb ihres eigenen Teams umgesetzt. Auch das Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen“ bezeichnet in seinem Artikel „Und die Erkenntnis kam beim Bügeln“ die zweite deutsche Kommissarin als „blass“77. Immerhin durfte Hanne Wiegand acht Jahre lang dezent und unauffällig auf Verbrecherjagd gehen. Dennoch erscheint es so, als würde der Emanzipationsgedanke, der noch in der ersten Folge der Buchmüller-„TATORT“-Folgen zu spüren war, mit Hanne Wiegand untergehen. Denn mit der Darstellung dieser Figur bei Hausarbeit, Kaffeekochen und Nähen spiegelt sich das traditionelle und stereotypkonforme Frauenbild jener Zeit wider. So äußerte die Figur selbst die Meinung, dass es für einen Mann kaum etwas Schlimmeres gebe, als von einer Frau verhört zu werden.78 1988 inszenierte die Dreh-

71 Holtgreve 2000, S. 71. 72 Dietze 2004, S. 122. 73 Vgl.: http://www.abendblatt.de/kultur-live/article711900/Vom-Rehbeinchen-zu-Block -Blond-und-Blum.html. Letzter Zugriff: 27.11.2012. 74 Vgl.: Dietze 2004, S. 122. 75 Vgl. ebd. 76 Vgl.: http://www.tatort-fundus.de/web/medien/broschueren/folge-300-1994/keinleben-nach-dienstschluss.html. Letzter Zugriff: 04.04.2012. 77 Vgl.: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tatort-kommissarinnen-und-die-er kenntnis-kam-beim-buegeln-1536808.html. Letzter Zugriff: 13.12.2012. 78 Vgl.: Holtgreve 2000, S. 73.

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buchautorin und Erfinderin von Hanne Wiegand ihrer Heldin in der Folge „Ausgeklinkt“ einen starken Abgang. Nach einem selbstsicheren Auftritt, bei dem sie in das Haus des mutmaßlichen Täters eindringt und diesen mit ihrer Waffe bedroht, beschließt sie aufgrund der Konflikte mit ihrem väterlichen Vorgesetzten ihre Karriere als Kriminalkommissarin zu beenden.79 Dietze sieht in diesem Abgang zwar keinen Sieg der Kommissarin gegenüber der männlichen Welt, aber „eine zutreffende Beschreibung der Situation von Frauen in männerdominierten Berufsfeldern in den 80er Jahren“80. 4.2.2 TV-Kriminalkommissarinnen ab den 1990er Jahren Der Gedanke, dass eine Frau in die Küche gehört und nicht in eine Mordkommission, so wie es 1978 im Rahmen der Erstausstrahlung der „Buchmüller-Tatorte“ zu vernehmen war, schien, trotz der Frauenbewegung, auch noch im Jahre 1997 eine gewisse Aktualität zu besitzen – zumindest nach Auffassung der öffentlichrechtlichen Fernsehanstalten. Denn auch Lea Sommer81 (Hannelore Elsner) musste sich noch in „Die Kommissarin: Alptraum“ gegen einen Mörder wehren, der es auf berufstätige und erfolgreiche Frauen abgesehen hatte, während der Privatsender RTL zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreich das Format „Doppelter Einsatz“ produzierte, welches erstmals ein weibliches Ermittlerduo zum Protagonisten der Handlung erkor. Ressentiments gegenüber den RTL-Kommissarinnen sind auf der diegetischen Ebene der Serie nicht vorzufinden. Bei den wenigen Anfeindungen, denen die Kriminalkommissarinnen ausgesetzt sind, tritt primär das Motiv des Rassismus in den Vordergrund, der sich gegen Sabrina als DeutschGriechin richtet. In der DDR betritt mit Leutnant Vera Arndt (Sigrid Göhler) 1971 die erste TVKommissarin die Bildfläche und läutet damit „sachlich, unauffällig und funktional“82 die sozial-feministische Phase ein. Wie schon bei den Ermittlerinnen von

79 Vgl.: Dietze 2004, S. 122. 80 Ebd. 81 Lea Sommer ist der Hauptcharakter in der ARD-Kriminalserie „Die Kommissarin“. Von 1994 wurden 66 Folgen der Serie im ARD-Abendprogramm ausgestrahlt. Sie ermittelt für die Kriminalpolizei in Frankfurt am Main. Vgl. http://tatort-fans.de/tatortfolge-359-die-kommissarin-alptraum/. Letzter Zugriff: 15.12.2012. Hannelore Elsner, die den Charakter der Lea Sommer verkörpert, erhielt 1995 für ihre Darstellung die Auszeichnung des Telestars als „Beste Darstellerin in einer Serie“. Vgl.: http://www.whoswho.de/bio/hannelore-elsner.html. Letzter Zugriff: 15.12.2012. 82 Dietze 2004, S. 123.

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„Doppelter Einsatz“ tauchen auch bei ihr Ressentiments bezüglich ihres Geschlechts weder bei Kollegen, noch bei Verdächtigen oder Zeugen auf. Zurückzuführen ist dieser Umstand auf die sozio-kulturellen Strukturen in der DDR, in der 16 % der weiblichen Bevölkerung berufstätig waren, weshalb eine arbeitende Frau, ob in der realen oder medialen Welt, keine Besonderheit darstellte.83 Nach der Wende präsentieren sich Tanja Voigt (Katrin Saß), Wanda Rosenbaum (Jutta Hoffmann) und Johanna Herz (Imogen Knogge) als emanzipierte Ostfrauen, „ohne Schnickschnack und Weibchengetue“84. „Mit Kurzhaarschnitt, ungeschminkt, mit klobigen Schuhen […] und unangefochten in ihrer Autorität“85 ermitteln die drei neuen Wendekommissarinnen (Abbildung 46–48) und fallen damit aus dem Rahmen der typisch weiblichen Rollenzuweisung, denn, so Dietze, von der konservativen Geschlechterpolitik früherer westdeutscher TV-Krimiformate ist nicht mehr viel übrig geblieben.86 Alle drei sind alleinerziehende Mütter mit wechselnden Liebhabern. Sie verhaften „mit deutlichen Zeichen des Mitleids die durch die Verwerfung der Wiedervereinigung kriminell gewordenen OpferTäter“87. Hiermit nähern sie sich wieder dem tradierten Weiblichkeitsbild an, wie es von Williams und Best aufgezeigt wird. Denn durch ihre eigene Passivität können sie die Situationen der Personen, mit denen sie Mitleid haben, nicht ändern. Durch diese nichtvorhandene Aktivität sowie die Kombination aus Mitgefühl und Passivität rücken sie alle näher an das tradiert weibliche Stereotyp. Im Sinne der Emanzipation bedeutet diese Darstellung der TV-Kriminalkommissarinnen einen Rückschritt, da sie sich nicht aus dem tradierten weiblichen Verhalten lösen können. Trotzdem, so Dietze, „tröstet die relative Macht der Kommissarinnen auf dem Bildschirm eine politisch enttäuschte Frauengeneration über die Rücknahme ihrer zumindest formellen sozialistischen Gleichstellung hinweg“88. Im Jahre 2002 steht Wanda Rosenbaum in „Wandas letzter Gang“89 als „symbolische Schmerzensmutter“ der Wende dar und opfert sich in ihrem letzten Auftritt heroisch für

83 Vgl.: Dietze 2004, S. 123. 84 Ebd., S. 125. 85 Ebd. 86 Vgl. ebd. 87 Ebd. 88 Ebd. 89 Wanda begeht in dieser letzten Folge ihren ersten großen Fehler in ihrer Polizeikarriere. Erst vor Gericht bemerkt sie, dass sie in eine Ermittlungsfalle geraten ist und der Täter gar nicht der Täter sein kann. In der Hoffnung ihren Fehler wiedergutzumachen, begeht sie den nächsten. Der zu Unrecht beschuldigte Mann nimmt sie und weitere Personen, darunter auch Wandas Tochter, in einer Turnhalle in seine Gewalt. Dabei geht es für

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ein Gerechtigkeitsdefizit, das sie nicht heilen kann.90 Dabei ermittelt sie nach dem Motto „Wer eine Seele rettet, rettet die ganze Welt“91. Mit ihrem Abgang stirbt auch der Sozialtypus der „anderen Emanzipation“92. Zwar versucht der ORB mit Kommissarin Johanna Herz an „das Ostmodell einer selbständigen Emanzipation“93 anzuknüpfen, doch gelingt ihm dies nicht.94 Abbildung 46: Tanja Vogt Abbildung 47: Wanda Rosenbaum

Abbildung 48: Johanna Herz

Quelle: http://www.tvspiel-

Quelle: http://www.jumpra

Quelle: http://www.stim

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Kogge;art8797,185911

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Letzter

Zu-

griff: 28.04.2017.

2. Letzter Zugriff: 15.12.2012.

Im Westen betrat bereits 1989 mit Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) die erste Figur die „TATORT“-Bühne, die sich selbst erfindet und „ein autonomes Wesen ohne

Wanda jedoch weniger um den Kampf zwischen ihr und dem Gewalttäter, als zwischen ihrer humanen Haltung als Polizistin und der Polizei draußen. Denn vor der Tür der Turnhalle wartet bereits das SEK. Dieses hält sich nicht an die Abmachungen und es kommt zu einer Schießerei, in der Wanda den für den Kidnapper bestimmten tödlichen Schuss abfängt, um ihn zu retten. Vgl.: Polizeiruf 110. Wandas letzter Gang, Staffel 31, Folge 7, ARD, 30. Juni 2002, 20:15 Uhr. 90 Vgl. Dietze 2004, S. 126 ebd. 91 Kubitz 2004, S. 153. 92 Dietze 2004, S. 126. 93 Ebd. 94 Vgl. ebd.

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Fesseln und Drangsalierungen“95 darstellt. Ulrike Folkerts beschreibt Lena Odenthal als eine einsame Frau, welche als Einzelgängerin ihren Gefühlen vertrauend ihrer eigenen Wahrheit folgt. Dabei findet sie sich, bedingt durch ihren ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, oft auf der Seite der Schwachen wieder.96 Ihre Einstiegsszene muss als für die Figur wichtiger emanzipativer Schritt angesehen werden, da sie sich aus der Obhut der Mutter löst.97 In der Mordkommission übt sie die ihr übertragene Macht als „androgyne Kriegerin“98 aus. Lena Odenthal zeigt bei ihren Einsätzen keine Angst und agiert immer überlegt rational. Zudem geht sie souverän mit ihrer Waffe um und ist äußerst sportlich, trägt Jeans, Lederjacke und Kurzhaarschnitt. In vielen ihrer Einsätze beansprucht sie sich bis an ihre körperlichen Grenzen.99 Diese Beschreibungen verweisen eindeutig auf einen Mangel an weiblichen Geschlechtscharaktereigenschaften, was bedeutet, dass die Figur Lena Odenthal nicht nach dem zu diesem Zeitpunkt gängigen Stereotypinhaltsmodell konstruiert wurde. Dietze spricht wohl auch deshalb von der TV-Kriminalkommissarin als Amazone, die 15 Jahre lang „im erotischen Niemandsland“100 agiert hat, obwohl sich bei ihr immer wieder Indizien für eine gleichgeschlechtliche Neigung zeigen. Diese Abwesenheit von Erotik begründet Dietze mit dem Grundmuster der öffentlich-rechtlichen Krimiserien: Diese seien „Truppenübungsplätze zur Ausbildung legitimer Autorität maskuliner Prägung. Erwachsene Frauen bleiben da […] Fremdkörper“.101 Bei Lena Odenthal handelt es sich um Emanzipation unter Patronage, die beiden Parteien hilft: „Die alte Machtstruktur bleibt unangetastet, dynamisiert sich sogar durch die Rekrutierung fähiger junger Kräfte, und einer Revolte ewig frustrierter weiblicher Kompetenz wird das Wasser abgegraben.“102 Dabei übersieht Dietze aber den deutlich sichtbaren äußerlichen Wandel Lena Odenthals. Zu Beginn der Serie (Abbildung 49) ist sie noch als ein ‚Mannsweib‘ mit Kurzhaarfrisur zu sehen, die ihr Gesicht betont eckig und somit männlich aussehen lässt. Damit erinnert sie an Sabrina Nikolaidou aus „Doppelter Einsatz“ (RTL). Auch sie wurde über den Großteil der Folgen mit kurzen dunklen Haaren

95 Dietze 2004, S. 124. 96 Vgl.: Kubitz 2004, S. 18. 97 Vgl.: Dietze 2004, S. 125. Gabriele Dietze sieht die Einstiegszene als ödipal an, da die Kommissarin sich von ihrer Mutter, die als Chefin der Sitte fungiert löst, um zum Vater, dem Chef der Behörde, zu kommen. Dieser versetzt die Tochter in die Mordkommission. 98 Vgl. ebd. 99 Kubitz 2004, S. 148. 100 Dietze 2004, S. 124. 101 Ebd., S. 125. 102 Dietze 2004, S. 125.

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dargestellt, wodurch der männliche Aspekt in ihrer sozialen Ausgestaltung auf den ersten Blick deutlich hervortritt. In den Abbildungen 49 und 50 zeigt sich hingegen ein deutlicher Wandel Lena Odenthals. Sie ist zunächst kaum wiederzuerkennen, denn das lange Haar lässt ihr Gesicht femininer und weicher wirken. Gleiches gilt für ihre Bekleidung. Das Oberteil in der „Mädchenfarbe“ Rosa ist dekolletiert. In Abbildung 49 trägt sie hingegen eine hochgeschlossene dunkle Bluse, welche mehr an ein Männeroberhemd erinnert als an ein feminines Kleidungsstück.103 Abbildung 49: Die junge und burschikose Lena Odenthal.

Abbildung 50: Wieder feminin am Ende ihrer Laufbahn.

Quelle: http://www.merkur-online.de/

Quelle: http://www.tz-online.de/aktuelles

nachrichten/kultur/jahre-tatort-kommis-

/stars/ulrike-folkerts-ueber-ihren-neuen-

sarin-lena-odenthal-dreharbeiten -begin-

tatort-und-20-jahre-lena-odenthal-94619.

nen-316923.html.

html. Letzter Zugriff: 04.04.2012

Letzter

Zugriff:

04.04.2012

Dieser Wandel kann als ein Versagen der Frau in der männerdominierten Welt angesehen werden, denn am Ende ihrer Laufbahn (Abbildung 50) ist es Lena Odenthal nicht möglich gewesen, die patriarchalen Strukturen zu durchdringen. Ganz im Gegenteil zeigt es sich allein in ihrer äußerlichen Umgestaltung, dass diese Strukturen nach wie vor bestehen. Anders formuliert, wird Lena Odenthal durch diese visuelle Veränderung zurück in die weibliche Rolle gedrängt, aus welcher die Figur anfänglich ausbrechen sollte, obwohl anfangs versucht wurde dem Klischee der Hausfrauen-Kommissarin, wie sie noch von Buchmüller und Wiegand verkörpert wurde, und der anhaltenden Debatte um die Rechtfertigung des

103 Holtgreve bezeichnet diesen frühen Modestil Odenthals als „Unisex-Garderobe“. Vgl.: Holtgerve 2000, S. 75.

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Einsatzes einer Kriminalkommissarin zu entkommen. Diesbezüglich betonte die Fernsehspielchefin Susan Schulte: „Wir wollten keine ‚Basisgespräche‘ mehr; es sollte nicht mehr grundlegend thematisiert werden, wie merkwürdig es ist, dass eine Frau als Kommissarin arbeitet. Lena Odenthal sollte emotional eingeführt werden. Sie war jünger, und sie ging selbstverständlich mit ihrer Waffe um.“104

Und obwohl mit Lena Odenthal erstmals eine Kommissarin ermittelte, die nicht nur im Sitzen gefilmt wurde, sondern aktiv gegen die Verbrecher vorging und sich dabei in Gefahr brachte, verfällt sie in althergebrachte weibliche Rollenmuster. Denn es gab keine Möglichkeit, eine Frauenfigur zwischen den Extremen des ‚Mannweibs‘, dessen Weiblichkeit infrage gestellt wird, und der traditionellen Frau zu positionieren. Das Rollenklischee, das im Stereotypinhaltsmodell vorgezeichnet war, erforderte, dass ein Durchbrechen der eng gesetzten Parameter der weiblichen Rolle mit einem Verlust der Weiblichkeit selbst einherging. Eine emanzipierte Frau konnte es gewissermaßen nicht geben, denn wer sich von den Rollenerwartungen emanzipierte, war per Definition keine Frau mehr. Eine Kommissarin, deren Berufsbild einen Bruch mit den weiblichen Rollenklischees nahezu erfordert, konnte es somit nicht geben. Es fehlte der Freiraum, um die Figur einer Kommissarin überhaupt überzeugend zu entwickeln. Dem zu engen Handlungsspielraum in „TATORT“ oder „Polizeiruf 110“ für die Entwicklung weiblicher Figuren wurde Mitte der 1990er Jahre mit gleich drei neuen Formaten entgegengearbeitet: „Die Kommissarin“ (Hessischer Rundfunk), „Rosa Roth“ (ZDF) und „Bella Block“ (ZDF).105Alle drei Ermittlerinnen entsprechen dem postfeministischen Prototyp der Neuen Frau „of a certain age“106 – ihre Vorlagen sind die weiblichen Protagonistinnen der literarischen Frauen-Krimis vom Ende der 1980er Jahre.107 Dies erinnert stark an die Ausgestaltung des väterlichen Kommissars (vgl. Kapitel 3). Auch er musste ein gewisses Alter aufweisen, um vom Zuschauer als Retter und Bewahrer der Ordnung wahr- und vor allem ernstgenommen zu werden. Es scheint so, dass sich die Produzenten und Drehbuchautoren der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender an seinem Vorbild zu orientieren versuchten, um die neuen Kommissarinnen entwerfen zu können. Denn

104 Schulte zitiert nach Holtgreve 2000, S. 75f. 105 Vgl.: Dietze 2004, S. 127. 106 Ebd. 107 Vgl. ebd., S. 32.

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einer Frau eines gewissen Alters nimmt man ebenso wie einem Mann eines gewissen Alters ihre Lebenserfahrung ab. Hierdurch fühlen sich die RezipientInnen stärker mit dem auf dem Bildschirm zu Sehenden verbunden. Insbesondere für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten schien dies ein wichtiges Kriterium zu sein, liegt das Alter des Publikums doch durchschnittlich bei 59 Jahren.108 Rosa Roth (Abbildung 51) ist unter diesen drei neuen Kommissarinnen die größte Moralistin und kann sich auch äußerst weiblich zeigen, wenn sie tränenreich und besonders gefühlsbetont mit den unschuldigen Opfern interagiert.109 Hierbei erinnert sie mehr an eine Mutter als an eine Kriminalkommissarin. Doch es gibt auch die nie lächelnde Rosa Roth, die wie alle Westkolleginnen, so Dietze, einen „guten Vater“ als Vorgesetzten hat. Diese TV-Kriminalkommissarin ist der Erotik nur bedingt aufgeschlossen, nachdem ihr Liebhaber in der ersten Folge vor ihren Augen erschossen wurde. Abbildung 51: Kriminalkommissarin Rosa Roth

Quelle: http://www.tvspielfilm.de/kino/filmarchiv/film/rosaroth-bin-ich-tot,4707032,ApplicationMovie.html. Letzter Zugriff 4.04.2012.

Hannelore Hoger als Bella Block (Abbildung 52) wird als diejenige Kommissarin mit dem deutlichsten „linken Gewissen“110 inszeniert: „Ich glaube an die Demokratie, bin schlecht bezahlt und unbestechlich.“111 Sie isst gerne, trinkt zu viel, und pflegt das ausgiebigste Liebesleben aller TV-Kriminalkommissarinnen, wobei sie

108 http://www.digitalfernsehen.de/Hohes-Zuschaueralter-Ade-ZDF-will-aus-Rentner ecke-raus.news_164595.0.html. Letzter Zugriff: 06.04.2012. 109 Vgl.: Dietze 2004, S.127. 110 Vgl.: Berner 2005, S. 32. 111 Dietze 2004, S. 128.

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männlich-rational bleibt.112 Das Verhältnis zu ihrem Lebensgefährten gestaltet sich schwierig, denn zum einen hat sie die beruflich bessere Position inne, zum anderen geht sie gerne ihren eigenen Weg und lässt sich weder von Vorgesetzen noch von ihrem Lebensgefährten etwas sagen. Ihre einerseits aggressive, direkte, andererseits kühle Art sowie die wechselnden Liebschaften, die sie im Laufe der Zeit eingeht, aber auch die Distanziertheit, mit der sie ihren Lebenspartnern begegnet, ist nicht stereotypkonform. Vielmehr zeigen sich typisch männliche Eigenschaften wie Rationalität, Aggressivität und Egoismus. Andererseits ist da aber ihre eindeutig weibliche Kleidung und die beinahe „mütterliche Art“113, wie Dietze es beschreibt, mit der sie ihrem jugendlichen Liebhaber zu Beginn der TVSerie begegnet, die ihr dann doch den gewissen Touch Weiblichkeit geben, um sie nicht unrealistisch wirken zu lassen. Abbildung 52: Hannelore Hoger als Kriminalkommissarin Bella Block.

Quelle: http://www.kino.de/star/hannelore-hoger/# Letzter Zugriff: 28.04.2017.

Kommissarin Lea Sommer (Abbildung 53), gespielt von Hannelore Elsner, wird dagegen von Beginn an als „erotische Mutter“114 dargestellt. Sie lebt in einer Art Gegenwelt: Der Sohn führt den gemeinsamen Zwei-Personen-Haushalt, während sie ein erotisiertes Verhältnis zu einem jüngeren Arbeitskollegen und zu Verdächtigen pflegt.115 Lea Sommer spult das ganze Repertoire sexualisierter Femininität ab: Verhängter Blick, sie gurrt und seufzt, bewegt sich lasziv und gewährt ab und

112 Dietze 2004, S. 128. 113 Ebd. 114 Ebd. 115 Vgl. ebd.

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an Einblick mit Bein und Ausschnitt.116 Doch, so Dietze weiter, „produziert dieser erotisierte Führungsstil [kurioserweise] keine Autoritätsprobleme. Die guten wie die bösen Jungs folgen ihr aufs Wort“.117 Denn ihr erotisch verhangener Blick lässt die Sicht der „guten“ und der „bösen Jungs“ auf die Welt intakt, stellt nichts übermäßig infrage und hindert sie nicht daran, auf Gerechtigkeit zu bestehen – wie es ja Aufgabe der Frauen ist.118 Ähnlich erotisierend wirkt auch ihr Kleidungsstil. Minirock und Stöckelschuhe gehören ebenso in ihren Kleiderschrank wie die Lederjacke. Abbildung 53: Die „erotisch Mutter“ Lea Sommer.

Quelle: http://www.tonline.de/unterhaltung/tv/id_44348538/sid _40814446/si_13/beliebte-deutsche-schauspielerinnen.html. Letzter Zugriff: 28.04.2017.

Während Kanzler Gerhard Schröder das Gleichstellungsgesetz stoppt und die deutsche Frauenbewegung für tot erklärt wird,119 kommt es 2002 zu einem weiteren Boom der Kriminalkommissarinnen. Diese haben gegenüber ihren Kolleginnen aus den 1990er Jahren den Vorteil, dass sie nicht mehr für ihre berufliche Anerkennung kämpfen müssen. Stattdessen wollen sie einen Beruf mit Verantwortung ausüben und bestechen mit guten Ausbildungen.120 Dennoch ist von Emanzipation keine Spur und die neuen Kommissarinnen werden bereits bei ihrer

116 Dietze 2004, S. 128. 117 Ebd. 118 Vgl.: Berner 2005, S. 32. 119 Vgl.: Dietze 2004, S. 132. 120 Vgl. ebd.

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Einführung in ihrer Kompetenz und Autorität beschnitten.121 Insgesamt betreten in dieser Zeit gleich vier neue Kommissarinnen die „TATORT“-Bühne: Sabine Postel als Inga Lürsen (Abbildung 54), Maria Furtwängler als Charlotte Lindholm (Abbildung 55), Andrea Sawatzki als Charlotte Sänger (Abbildung 56) und Eva Mattes als Klara Blum (Abbildung 57). Berner bezeichnet das Auftreten dieser neuen Kriminalkommissarinnen als „feminin“122. Abbildung 54: Inga Lürsen.

Abbildung 55: Charlotte Lindholm.

Quelle: http://www.merkur-online.de/ ak- Quelle: http://www.welt.de/fernsehen /artuelles/ boulevard/fernsehen-tv/tatort-bre- ticle7204 92/Kommissarin-Lindholmmen-sabine-postel-inga-luersen-

wird-schwanger.html. Letzter Zugriff:

2741418.html. Letzter Zugriff: 6.05.2013 10.03.2013

121 Dietze spielt hier u.a. auf den ersten Auftritt der TV-Kriminalkommissarin Charlotte Sänger an. Ihr erster Arbeitstag wurde von der neuen Dienststelle völlig vergessen, weshalb Sänger nicht nur verloren auf dem Gang des Kommissariats herumsteht, sondern auch noch kein Platz in ihrem zukünftigen Büro, welches mit Rockstar- und Motorradpostern dekoriert ist, für sie freigeräumt wurde. Der bei Sänger durch die Poster zur Schau gestellte Sexismus wird in Clara Blums Einführung noch übertroffen, da die Kamera in ihrer ersten Einstellung zeigt, wie ein jüngerer Kollege Blum am Hinterteil abstützt, während sie eine Girlande aufhängt und die um sie versammelten Kollegen ihr genüsslich unter den Rock schauen. Vgl.: Dietze 2004, S. 132. 122 Berner 2005, S. 32.

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Abbildung 56: Charlotte Sänger.

Abbildung 57: Klara Blum.

Quelle:http://www.filmstarts.de/

Quelle:http://www.daserste.de/unterhal-

nachrichten/18459 135.html. Letzter

tung/krimi/tatort/sendung/2011/bluthoch-

Zugriff: 10.03.2013

zeit-100.html. Letzter Zugriff: 10.03.2013

Bei eingehender Betrachtung dieser Kommissarinnen stellt sich jedoch die Frage, was Berner unter der Bezeichnung feminin versteht. Geht es ihr um die visuelle Darstellung der Frauen oder bezieht sie sich auf ihre Charaktereigenschaften? Äußerlich wirken die vier Kriminalkommissarinnen bestenfalls blass und unattraktiv. Sie bestreiten ihre Fälle mit wenig Elan und ausdruckslosen Minen und erinnern dabei an Marianne Buchmüller und Hanne Wiegand. Selbst die ursprünglich heiter konzipierte Inga Lürsen erliegt im Verlauf ihrer Karriere der Tristesse.123 „[S]ie war 1997 als flotter Feger gestartet […]. Nach der Jahrtausendwende allerdings wird aus der sexy „roten Inga“ eine von Selbstzweifeln zermürbte Figur.“124 Ihre Verwandlung wird u. a. durch die Veränderung ihrer Kleidung sichtbar, aus der nach und nach alle Farbe weicht.125 Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob Berner hier Femininität mit Zurückhaltung und Nicht-Auffallen-Wollen assoziiert. Diese Auffassung entspricht unserer auf Geschlechterstereotypen basierenden Kultur der Zweigeschlechtlichkeit, in der die Frau als der schwache und unterwürfige Teil angesehen wird. Dementsprechend bieten die sozial geteilten Verhaltenserwartungen sowie die Geschlechterstereotype keinen Platz für „rebellische“ Frauenzimmer. Und in diese Richtung tendieren die äußerlichen wie innerlichen Veränderungen der Kriminalkommissarinnen. Wenn Berner also mit ihrer Aussage, dass sich die neue Kriminalkommissarinnen „wieder feminin“126 geben, 123 Vgl.: Dietze 2004, S. 133. 124 Ebd. 125 Vgl. ebd. 126 Berner 2005, S. 33.

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den Rückzug der Frauen in althergebrachte geschlechtstypische Verhaltensweisen meint, so ist ihr Recht zu geben. Auch im ZDF besinnt man sich wieder auf die Grundmotive Familie und Femininität: Sowohl Kommissarin Lucas (Ulrike Kriener) als auch Dr. Eva Maria Prohacek (Senta Berger) müssen erst familiäre Traumata verarbeiten,127 bevor ihre Autorität und Durchsetzungskraft ganz zum Tragen kommen. Dabei nutzt Prohacek die Tatsache, nicht ernst genommen zu werden, um den Amtsmissbrauch unter ihren rein männlichen Kollegen aufzudecken. Sie ermittelt somit allein gegen alle und verkörpert als Revisorin das bessere Ich der Demokratie.128 Sie ist die Erste, die wirklich an der patriarchalen Hierarchie kratzen und Übeltäter im Macht-System auffinden und stellen darf.129 Dennoch kann auch sie wie auch Kommissarin Lucas lediglich der postfeministischen Phase zugeordnet werden. Dies gilt auch für TV-Kommissarin Eva Blond (Corinna Harfouch) aus der Sat.1Serie „BLOND: EVA BLOND“130, denn viel zu häufig fällt Eva Blond zurück in die antiquierten Geschlechterrollen,131 wodurch die Festigung geschlechtstypischer Verhaltensschemata unterstützt wird. Hierdurch widerlegt Eva Blond Aussagen, dass die Kommissarin eine starke und berufstätige Frau verkörpert, vielmehr muss sie der Kategorie der „damsel in distress“, also des hilfsbedürftigen unbedarften Fräuleins zugeordnet werden, das nicht selbstständig für sich sorgen kann und daher auf die Hilfe eines starken Mannes an ihrer Seite angewiesen ist. Damit stellt sie sich in gewisser Weise als „Opfer“ der Emanzipation dar, der die Frau nicht gewachsen zu sein scheint, da sie sich offensichtlich im männlichen Territorium nicht allein behaupten kann. Dies führt dazu, dass den ZuschauerInnen das Gefühl vermittelt wird, dass die klassische Rollenverteilung, in der dem

127 Der Mann von Kommissarin Lukas liegt im Koma und Kommissarin Prohacek hat ihr Kind bei einem Verkehrsunfall verloren. Vgl.: Dietze 2004, S. 134. 128 Vgl. ebd. 129 Vgl.: Berner 2005, S. 31. 130 Vgl. ebd., S. 34. 131 Vgl.: Dietze 2004, S. 136. Dietze belegt ihre Aussage mit der grundsätzlichen Darstellung Eva Blonds, die bereits in ihrer Einführungsszene als weiblicher Lockvogel genutzt wird, hochhackige Schuhe sowie ein tief ausgeschnittenes Kleid trägt. Ferner rutscht der Kommissarin das Magazin aus der Dienstwaffe und ihr Partner muss sie häufig aus brenzligen Situationen retten. Vgl.: Dietze 2004, S. 136. Barbara Sichtermann und Andra Kaiser gehen in „Frauen sehen besser aus. Frauen und Fernsehen“ sogar soweit und bezeichnen „Eva Blond“ als eine Art Persiflage der starken Frauen. Vgl.: Sichtermann/Kaiser 2005, S. 91.

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Mann eine exponierte Stellung zugewiesen wird, zumindest medial, weiterhin Bestand hat. Denn „[d]ie Inszenierung der Frau als passives Opfer bestärkt diese Vorstellung einer männlichen Übermacht“.132 Dabei ist es unerheblich, ob die Frau durch das Handeln einer dritten Person zum Opfer gemacht wird oder sich durch ihr eigenes Handeln zum Opfer macht. Somit lässt die Betrachtung der oben beschriebenen TV-Kommissarinnen die Schlussfolgerung zu, dass ihr Dasein nur dadurch eine Berechtigung erfährt, dass sie stellvertretend für die Frau in der Gesellschaft nach der Neuen Frau suchen, diese aber nie finden, da sie immer wieder in das traditionelle Rollenverhalten zurückfallen. Dietze argumentiert diesbezüglich, dass sie nach Konstruktionsplänen selbstbestimmter Weiblichkeit forschen. Ihre Kontrahenten sind der Chef, als Vertreter der legitimen männlichen Herrschaft, und die Verbrecher, das sexistische Umfeld.133 Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zeichnet sich ein Schattenriss staatlicher Gleichstellungspolitik ab: Frauenquote ja, aber keine Sexismuskritik.134 Im privatwirtschaftlichen Fernsehen dagegen geht es weniger um die Rechte als vielmehr ums „Durchschlagen“135, entweder mit Aktion oder mit einer auf einem erotisch aufgeladenen Frauenbild basierender Durchsetzungsfähigkeit der Frauen, also um „commodified feminism“136, der den sexuell expressiven Körper als Machtinstrument einsetzt.137 Der väterlich-männliche Normwächter scheint ausgedient zu haben und für die Lösung der Probleme im Land immer weniger geeignet. Recht und Gerechtigkeit sind machtlos gegenüber der Arbeitslosigkeit, dem Abbau des Sozialstaats und dem Fortschreiten des Neoliberalismus. Wenn Ungerechtigkeit aber nicht aufgelöst werden kann, muss durch Frauen getröstet, versöhnt und auch geliebt werden. Fast alle Ermittlerinnen starten daher ihre Karriere mit einem toten, vernachlässigten oder missbrauchten Kind. Der Staat ist nicht mehr der gute Vater, sondern ein kalter Apparat. Da macht eine Mutter Sinn, so Dietze weiter.138 „Es geht nicht um die Kommissarin als Frau oder die Frau als Kommissarin, sondern um die Gegendarstellung zur sozialen Kälte aus dem Munde von Müttergestalten, wie sie im

132 Hertling 2008, S. 47. 133 Vgl.: Dietze 2004, S. 137. 134 Vgl. ebd. 135 Ebd. 136 Dietze 2004, S. 137. 137 Vgl. ebd. 138 Vgl. ebd., S. 138.

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öffentlichen Raum etwa von Regine Hildebrandt, Rita Süssmuth, Gesine Schwan oder Claudia Roth zu hören waren oder sind. […] Die Amazonen sind seltener geworden, die Weibchen häufiger und die Familien haben sie wieder im Griff.“139

Dabei übersehen aber sowohl Dietze als auch Berner, dass es laut Hollstein gerade die Männer sind, die unter Arbeitslosigkeit leiden. Dies resultiert, so Hollstein, aus dem Umstand, dass Frauen Führungspositionen übernommen haben und Männer aus der Arbeitswelt verdrängen. Somit sind es die Frauen, die für diese Arbeitslosigkeit wie auch für alle nachfolgenden Probleme verantwortlich sind. Aus männlicher Sicht wären demnach Kommissarinnen keine Wunschprodukte, sondern die Verursacher der Misere. Aus dieser Sichtweise wird der „gute Vater“ also zwangsweise zum „kalten Apparat“140, da ihm die richtige und vor allem durchgreifende Führungskraft entzogen und durch eine orientierungslose, nämlich durch eine weibliche, ersetzt wird.

4.3 „D OPPELTER E INSATZ “ – F RAUENPOWER ?

DOPPELTE

Wenn sich der SWR „Vater“ der deutschen TV-Kriminalkommissarin nennen darf, so gebührt dem privaten Fernsehsender RTL die Ehre, sich als „Mutter“ des weiblichen TV-Kriminalduos zu bezeichnen. Denn im selben Jahr, in dem Lea Sommer ihre Ermittlungen als neue „TATORT“-Kommissarin aufnahm, entschied sich RTL dafür, erstmals in der deutschen Fernsehgeschichte ein rein weibliches Ermittlerduo gegen das Verbrechen einzusetzen. Doch dem nicht genug, Sabrina Nikolaidou und ihre jeweilige Partnerin traten nicht als mütterliche „Schreibtischtäterinnen“ auf, wie einst Marianne Buchmüller oder Hanne Wiegand. Ganz im Gegenteil: das Konzept der Serie hieß Action. Doch nicht nur hierdurch unterschied sich die TV-Serie von ihren öffentlich-rechtlichen Vorgängern und Konkurrenten. Das Ermittlerinnenteam von RTL setzte sich nicht nur durch das Milieu, die Geschlechterordnung oder die Handlungsräume von den Ermittlerinnen der öffentlich-rechtlichen Sender ab, sondern auch in der Besetzung der durchgängigen Protagonistin in Gestalt der Deutsch-Griechin Sabrina Nikolaidou. Noch nie zuvor war eine tragende Rolle in einer Krimiserie mit einer Migrantin besetzt worden.141 Dies eröffnete die Möglichkeit, diese Ermittlerin den bereits

139 Dietze 2004, S. 138. 140 Ebd. 141 Vgl. ebd., S. 129.

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erwähnten Anfeindungen mit rassistischem Hintergrund auszusetzen, wobei die Auseinandersetzungen nicht innerhalb der Institution Polizei, sondern außerhalb derselben stattfinden. Sabrinas Migrationshintergrund ist fester Bestandteil der Serie. Ebenso wie bei „Alarm für Cobra 11“ wird Migration aber nicht primär als Opfergeschichte erzählt, sondern als Aufstiegsgeschichte. Sabrina als durchgängige Protagonistin wird von wechselnden Partnerinnen ergänzt. Sie alle sind Mütter. Dietze sieht in dieser Art der Konstellation mehrere kulturelle Muster miteinander verknüpft. Zum einen erscheint die Serie als ein Nachklang der Frauenbewegung, die das Motiv „sisterhood is powerful“142 propagierte, zum anderen werden aber auch der Konkurrenzkampf sowie die weiblichen Selbstverwirklichungsmöglichkeiten als Kombination aus Berufstätigkeit und Familienleben in Szene gesetzt.143 Die von Dietze angesprochene Emanzipierung von Frauen ist im Gegensatz zu der männlichen vor allem in den letzten drei Jahrzehnten weit fortgeschritten.144 Doch während Frauen ihre Selbstwahrnehmung und ihre eigene Instrumentalität erweiterten, haben sich die tradierten Vorstellungen über Frauen nicht verändert. Ähnliches gilt jedoch auch für die Selbstwahrnehmung der Männer: Auch diese hat in den letzten 30 Jahren einen Wandel durchlaufen, insofern als Männer eine negative Selbstwahrnehmung145 von sich haben, die dazu führt, dass sich ein Großteil von ihnen per se als die Verlierer der Gesellschaft sieht. Doch wie schon bei den Frauen wird diese Entwicklung von der Gesellschaft kaum wahrgenommen, wodurch das tradierte Bild von Mann und Männlichkeit nach wie vor das Denken bestimmt. Inwieweit sich die soziale Konstruktion der TV-Kriminalkommissarinnen von „Doppelter Einsatz“ tatsächlich an den typisch weiblichen Geschlechtscharakteristika orientiert und inwieweit sie sich männlicher Verhaltensweisen bedient, soll nachfolgend analysiert werden. 4.3.1 Weiblichkeitskonzepte in „Doppelter Einsatz“ Bei der bisherigen Betrachtung von TV-Kriminalkommissarinnen wurde festgestellt, dass sich die auffindbaren Geschlechtscharakteristika trotz emanzipatorischer Ansätze nahe am gesellschaftlichen Verständnis und dem Bild einer Frau, wie es das Stereotypinhaltsmodell darstellt, orientieren. Darüber hinaus zeigte sich, dass die TV-Ermittlerinnen immer wieder in die traditionellen weiblichen

142 Dietze 2004, S. 129 143 Vgl. ebd. 144 Vgl.: Hertling 2008, S. 6. 145 Vgl.: Twenge 1997, S. 305.

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Rollenmuster zurückfallen. Dieser „Rückschritt“ ist bei keiner der Kommissarinnen zu leugnen, fällt jedoch unterschiedlich stark aus. Besonders auffällig ist dies bei Lena Odenthal, die zu Beginn ihrer Rolle noch als „androgyne Kriegerin“146 beschrieben wurde. Im Verlauf ihrer „Karriere“ als TV-Kriminalkommissarin verliert sie das Androgyne, wird weicher und weiblicher und fällt somit zumindest äußerlich in das weibliche Rollenmuster zurück. Weniger stark ausgeprägt scheint dies hingegen bei Bella Block der Fall zu sein. Doch auch sie weist, wie dargestellt, deutliche Züge der gesellschaftlichen Vorstellung von Weiblichkeit auf. Das neue Konzept der RTL-Krimiserie befeuerte die Diskussionen, welche im Zuge der modernen Debatten um die gesellschaftliche Ungleichheit und ihre Folgen für das weibliche Geschlecht auftraten. Diese sprachen von der Dekonstruktion des Geschlechts und der Suche nach der „ungendered person“147, von „lesbischen Mannweibern“148 sowie einer Überschreitung der Geschlechterdifferenz. Befürchtungen wurden laut, dass die Frau durch dieses „doing gender“ eine Zuordnung zu einem isomorphen Konstrukt erfahren würde. Hierdurch wurde der Anschein erweckt, dass es keine Lösung für das Problem der Geschlechterdifferenz gibt, da eine völlige Unterordnung unter den Mann nicht infrage kommt, eine Emanzipierung der Frau aber scheinbar Gefahr läuft, das weibliche Geschlecht zu vernichten. Angesichts dieser Diskussionen erweist es sich als interessant, der Frage nach der sozialen Konstruktion der TV-Ermittlerinnen von „Doppelter Einsatz“ nachzugehen. Dabei soll analysiert werden, inwieweit diese dem gängigen Stereotypinhaltsmodell entspricht. Besonderes Interesse gilt dabei der ersten gemeinsamen149 Folge, „Die Todfreundin“150 (Staffel 5, Folge 3, 19.01.1999, 20:15 Uhr,

146 Vgl.: Dietze 2004, S. 148. 147 Vgl.: Pasero 1995. S. 51. 148 Vgl. grundsätzlich: Hopfner 2005. Hopfner beschäftigt sich mit der Darstellung von Actionheldinnen. Dabei stellt sie fest, dass sich in den letzten zwei Jahrzehnten das Bild der Actionheldin gewandelt hat. Gewalt und weibliche Sexualität sind kein Widerspruch mehr, was an Beispielen wie Lara Croft und drei Engeln für Charlie aufgezeigt wird. 149 Ellen Ludwig tritt bereits in der Folge „Evas Tod“ (Staffel 5, Folge 2, 12.01.1999, 20:15 Uhr, RTL) auf, nachdem Sabrinas Partnerin Eva Lorenz und Ellens Vorgängerin im Dienst erschossen wurde. Da Ellen in dieser Folge aber nur in wenigen Szenen zu sehen ist, fiel die Entscheidung für die Analyse auf die erste gemeinsame Gesamtfolge der beiden Ermittlerinnen. 150 „Sabrina und ihre neue Partnerin Ellen Ludwig untersuchen einen Mordfall […]. Während der Ermittlungen trifft Sabrina auf ihre alte Freundin Karen Lambeck […].

172 | TAFFE KOMMISSARINNEN UND EMANZIPIERTE K OMMISSARE?

RTL), der beiden Protagonistinnen Sabrina Nikolaidou und Ellen Ludwig von „Doppelter Einsatz“, denn die jeweiligen Einführungssequenzen der TV-Kriminalkommissarinnen vermitteln einen ersten Eindruck über die soziale Konstruktion der Frauen. Betrachten wir zuerst die Einführungsszene von Sabrina Nikolaidou. Diese gestaltet sich wie folgt: Es ist Tag. Wir befinden uns in einem Hinterhof, den Blick auf eine Tür gerichtet, aus der eine Person heraustritt. Die kurzen Haare bewegen sich ein wenig unter dem festen Schritt. In der Hand trägt die Person, die erst jetzt eindeutig als eine Frau zu erkennen ist, einen Motorradhelm. Eilig schaut sie auf ihre Armbanduhr, dann geht sie über den Hof zu einem Motorrad. Die Kamera folgt ihr, während sie sich auf das Motorrad setzt. Dabei werden Handschellen sichtbar, die an ihrem Gürtel festgemacht sind. Die Kameraperspektive wechselt und zeigt die Frau nun seitlich von vorne. Sie setzt Helm sowie Motorradbrille auf und fährt dann vom Hof (Abbildung 58–60). Abbildung 58: TV-Kriminalkommissarin S.Nikolaidou.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Die Todfreundin, 0:00:53.

Sabrina hatte die Freundschaft vor längerem abgebrochen, nachdem sie mit Karens Ehemann Robert eine flüchtige Affäre gehabt hatte. Doch Karen zeigt sich beim Wiedersehen nicht nachtragend. Dann [wird] Karens Mann, Sabrinas Ex-Geliebter, im Haus der Lambecks ermordet. Die Auswertung der Bänder der Videoüberwachungskamera ergibt Erstaunliches: Eine Person, die Sabrina aufs Haar gleicht, ist in der Mordnacht vor der Tür gewesen. Sabrina hat kein Alibi, und ihr Anrufbeantworter hat eine Nachricht von Robert Lambeck aufgezeichnet. […] Vom Gericht wird sie zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Doch auf dem KK15 glauben nicht alle an Sabrinas Schuld Die Kollegen um Ellen Ludwig beginnen mit den Ermittlungen noch einmal ganz von vorn.“ http://rtl-now.rtl.de/doppelter-einsatz/die-todfreundin.php? film_id=27541&productdetail=1. Letzter Zugriff: 12.02.2012.

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Abbildung 59: Nikolaidou steigt auf ihr Motorrad.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Die Todfreundin, 0:01:12.

Abbildung 60: In Motorradkleidung ähnelt Kommissarin Nikolaidou ihren männlichen Kollegen.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Die Todfreundin, 0:00:53.

Ähnlich wie Lena Odenthal wird Sabrina Nikolaidou in der Rolle der androgynen Kriegerin eingeführt. Mit dieser Charakterisierung gehen Zuschreibungen von „tatkräftig“, „entschlossen“, „stark“, und „aggressiv“ einher, wodurch die soziale Konstruktion der TV-Kriminalermittlerin an die männliche Rollenerwartung herangerückt wird. Verstärkt wird dieser erste Eindruck durch die offensichtliche Nähe der Darstellung zu Ben Jäger aus „Alarm für Cobra 11“, der ebenfalls in seiner Einführungsszene als Motorradfahrer dargestellt wird und damit ein sehr maskulines Bild präsentiert. Für Frauen hingegen gilt: “Women are not raised to ride motorcycles. Riding is […] contradictory to the traditional form of femininity […].”151 Mit der Inszenierung der TV-Kriminalkommissarin Nikolaidou als Motorradfahrerin werden die Grenzen der stereotypen Weiblichkeit durchbrochen, in 151 Joans 2003, S. 159.

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der die Frau lediglich als Sozius oder als Frau an der Seite eines Motorradfahrers ihren Platz hat.152 Dieses Bild der Frau auf dem Sozius hat seinen Ursprung in den 1940er Jahren, als die Männer aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrten und ihren Platz in der Gesellschaft als deren Oberhaupt wieder einnahmen. Frauen, die zuvor selbst Motorrad gefahren waren, wurden auf den Rücksitz verdrängt. „The biking woman became the biker’s woman. Known in less polite circles as the ‘bitch on the back’, she rode only with her man. The biker was male, and the woman’s place was behind him in the bitch seat.”153 In der Welt der Motorradfahrer hatten Frauen keine Stimme. Sie waren austauschbar. Falls es ihnen doch gelang, sich einen dauerhaften Platz an der Seite eines Motorradfahrers zu erkämpfen, wurde von ihnen die Einordung in die Frauenrolle und damit die totale Unterordnung unter den Mann erwartet. „The biker’s woman was often interchangeable with other women, and frequently nameless. […] If she loved bikes or bikers and survived the biker’s bitch stage, she could settle down with her biker, who invariably expected her to fulfill her female role […]. She would be soft and submissive, sexual and subservient. Her weakness made him look strong […].”154

Sabrina widersetzt sich diesem gesellschaftlich erwarteten Rollenbild, welches auch heute noch Gültigkeit hat insofern, als sie selbst die Position des Motorradfahrers einnimmt. Damit durchbricht sie die tradierten Zuweisungen, die der Genus-Gruppe Frau zugeschrieben bzw. zugestanden werden, und bewegt sich in einer „dangerous and predominantly male world“155, in der „the language, the rituals, and rites-of-passage are male-defined“156. In dieser Welt agiert Sabrina, wie bereits Lena Odenthal vor ihr, als androgyne Kriegerin mit einer deutlich männlichen Konnotation. Dieses Bild wird zusätzlich durch die Inszenierung ihres Kleidungsstils bestärkt. Denn Sabrina trägt eine schwarze Lederjacke, die zwar als funktionale Motorradbekleidung angesehen werden kann, denn nichts schützt die Haut besser gegen den Kontakt mit der Fahrbahn als Lederkleidung, gleichzeitig kreiert dieser Kleidungsstil aber das spezifische Motorradfahrerbild – und dieses ist nach wie vor ein männliches.157

152 Vgl.: Joans 2003, S. 160. 153 Ebd. 154 Ebd. 155 Ebd., S. 161. 156 Ebd. 157 Joans 2003, S. 163.

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Einen deutlichen Kontrapunkt zu diesem männlichen Erscheinungsbild der TV-Kriminalkommissarin Sabrina Nikolaidou setzt Ellen Ludwig in ihrer Einführungsszene.

Ellen schläft tief und fest auf dem Beifahrersitz eines Dienstwagens. Sabrina, die am Steuer sitzt, versucht Ellen mit den Worten „Tut mir leid, aber ich muss dich jetzt wecken.“ aus dem Schlaf zu holen. Doch Ellen reagiert nicht. Noch einmal versucht Sabrina, ihre Kollegin zu wecken, indem sie an ihrem Arm rüttelt, doch auch dieses Mal schafft sie es nicht. Dann fasst sie Ellen an die Schulter und ruft „Mama!“. Sofort erwacht Ellen. Sie wirkt im ersten Moment verwirrt, so als wüsste sie nicht, wo sie sich befindet. Dann blickt sie ihre Kollegin an und entschuldigt sich mit den Worten „Tut mir leid, ich muss wohl einen Moment eingedöst sein.“ Während die beiden Frauen aus dem Auto steigen, erklärt Sabrina, dass Ellen länger als nur für einen Moment eingeschlafen war. Dies ist Ellen sichtlich unangenehm. Sie entschuldigt sich nochmals bei ihrer Partnerin und versucht dieser ihre Situation als frischgebackene Mutter deutlich zu machen. Die Kamera schwenkt dabei auf Sabrina, die milde lächelnd über das Autodach hinweg ihre Kollegin anschaut. Dann wendet sie sich ab und geht (Abbildung 61–63).

Abbildung 61: Kriminalkommissarin Ellen Ludwig schläft während der Fahrt zum Einsatzort.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Die Todfreundin, 0:02:04.

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Abbildung 62: Kommissarin Ellen Ludwig wacht auf.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Die Todfreundin, 0:02:16.

Abbildung 63: Ellen entschuldigt sich mehrfach bei ihrer Kollegin Sabrina Nikolaidou.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Die Todfreundin, 0:02:30

Ellen Ludwig wird den ZuschauerInnen in diesen Sequenzen zwar in ihrer Eigenschaft als Kriminalkommissarin vorgestellt, deutlich zu erkennen am Setting, dem Dienstwagen mit Blaulicht (Abbildung 61 und 63) sowie Sabrinas Aussage „Wir sind jetzt dran.“, durch die im Gesamtkontext der Szene deutlich wird, dass die beiden am Tatort erwartet werden. Der Fokus der Einführung liegt aber auf der Tatsache, dass die Figur Ellen Ludwig Mutter ist. Mit dieser Darstellung wird ein Kontrapunkt zu Sabrina Nikolaidou gesetzt, der kaum hätte stärker sein können: auf der einen Seite, die taff und androgyn wirkende Sabrina, die in ihrer Eigenschaft als Motorradfahrerin eingeführt wird, wobei die Wahl des Fortbewegungsmittels die Schlussfolgerung zulässt, dass sie keine Familie besitzt; auf der anderen Seite, die sehr weiblich erscheinende, blonde und langhaarige Ellen Ludwig, die sich als Mutter zu erkennen gibt und damit eindeutig geschlechtlich codiert wird. In Opposition zu Sabrina konstruiert RTL in diesen Anfangssequenzen mit

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Ellen eindeutig ein anderes Weiblichkeitsbild, eines, das eindeutiger den tradierten Vorstellungen von Weiblichkeit entspricht. Zur Konkretisierung dieser Differenz beziehungsweise zur Untermauerung der These um die Differenz, die aus der oben gemachten Analyse hervorgeht, dient die Betrachtung weiterer Folgen der Serie „Doppelter Einsatz“. Mit ihrer Hilfe soll aufgezeigt werden, ob und inwieweit auch in weiteren Folgen das weibliche Geschlechterbild der tradierten Vorstellung entspricht und sich somit am Stereotypinhaltsmodell orientiert oder von diesem abweicht beziehungsweise inwieweit das in den jeweiligen Einführungsszenen vermittelte Bild fortgeführt wird. Die bereits exemplarisch anhand einzelner Sequenzen dargelegte männliche Rollenzuweisung der Kriminalkommissarin Sabrina setzt sich auch in der Folge „Die Wahrheit stirbt zuletzt“158 (Staffel 10, Folge 2, 13.01.2004, 22:15 Uhr, RTL) fort, in der die TV-Kriminalkommissarin nicht nur einen gefährlichen Verbrecher entwaffnet, sondern auch einen mutmaßlichen Vergewaltiger mit ihrer Waffe niederschlägt. Im Verlauf dieser Folge wird deutlich, dass Sabrina nicht zögert, von ihrer Waffe Gebrauch zu machen, um Gerechtigkeit walten zu lassen. Und diesen

158 „Sabrina und Ellen gelingt es bei einer Fahndung, den mutmaßlichen Polizeimörder Mirko Kettner zu fassen. […] Hauptbelastungszeuge bei den Ermittlungen ist der Kollege des getöteten Beamten, der junge Polizist Hannes Jessen. Während die Ermittlungen in diesem Fall bereits kurz vor ihrem Abschluss zu stehen scheinen, wird Sabrina und Ellen bereits eine neue Aufgabe gestellt. Es geht um eine gut organisierte Bande, die Raubüberfälle auf Banken und Geldtransporter verübt. […] Im Rahmen eines Undercover-Einsatzes […] macht [Ellen] Bekanntschaft mit der jungen und zerbrechlichen Melanie Sass und deren achtjähriger Tochter Jessica. Sabrina, die sich um Ellen Sorgen macht, nimmt Urlaub und hat als Barfrau ‚Kiki‘ in der Ghetto-Kneipe ‚Treffer‘ ein Auge auf Ellen. In der Kneipe lernt Sabrina bald den vom Dienst suspendierten Hannes Jessen kennen, zu dem sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann. Er gesteht ihr, dass er bis zum Hals in Schulden steckt. Ellen geht unterdessen dem seltsamen Verhältnis zwischen Melanie und ihrem Nachbarn nach, denn sie will der jungen Frau helfen. Dabei freundet sie sich immer mehr mit der kleinen Jessica an, die Ellen Bilder mit rätselhaften Zeichnungen schenkt. Als der Augenzeuge Jessen schließlich seine Aussage wiederruft, muss die Polizei Kettner wieder auf freien Fuß setzen. Einer der Bankräuber wird kurz darauf regelrecht hingerichtet. Die Ermittlungen zum Polizistenmord und zu den Raubüberfällen beginnen sich zu kreuzen. Der junge Polizist trägt offenbar ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit mit sich herum …“ http://rtlnow.rtl.de/doppelter-einsatz/die-wahrheit-stirbt-zuletzt.php?film_id=28 973&productdetail=1. Letzter Zugriff: 27.11.2012.

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Gerechtigkeitssinn äußert sie durchaus auch laut.159 Sie zögert aber auch nicht, wenn es darum geht, die eigene Haut zu retten, so wie in der Folge „Kidnapping“160 (Staffel 10, Folge 1, 6.01.2004, 22:15 Uhr, RTL). Während eines Einsatzes auf dem Hamburger Flughafen gelingt es ihr trotz Schussverletzung die Täterin k. o. zu schlagen161 Es kann festgehalten werden, dass die Kriminalkommissarin Sabrina Nikolaidou in ihrem Arbeitsumfeld mit Zuschreibungen von „aggressiv“, „stur“, „gewalttätig“ und „laut“ bedacht wird, die allesamt der sozial geteilten Vorstellung von Mann und Männlichkeit entsprechen. Diese Zuschreibungen setzen sich in ihrem Privatleben fort. Nicht nur, dass Sabrina in „Blutroter Mond“162 (Staffel 6, Folge 3, 18.01.2000, 22:15 Uhr, RTL) derart alkoholisiert ist, dass sie nicht mehr alleine nach Hause gehen kann,163 auch Sabrinas Tendenz zur Bisexualität164 entspricht, ähnlich wie bei Lena Odenthal, nicht der tradierten Vorstellung einer Frau. Dietze wertet diese „nicht-normative Sexualität“165 Sabrinas sowie die Tatsache, dass diese in der TV-Krimiserie nicht über einen langwierigen Toleranzdiskurs

159 Vgl. u. a.: Doppelter Einsatz. Die Wahrheit stirbt zuletzt. 160 „Sabrina und Ellen haben eine Praktikantin zugeteilt bekommen. Es handelt sich dabei um niemand geringeres als die Tochter der Politeipräsidentin, Sylvia Mergentheim. Die junge Frau ist sehr eifrig und bemüht, keinen Fehler zu machen. Aber gerade durch ihr Bemühen verpfuscht sie beinahe die Festnahme der Drogenkurierin Maja und auch das anschließende Verhör. Sabrina macht sie zur Schnecke, und Sylvia läuft heulend davon.“ http://rtl-now.rtl.de/doppelter-einsatz/kidnapping.php?film_id=28 975 &productdetail=1&season=10. Letzter Zugriff: 21.03.2013. 161 Vgl.: Doppelter Einsatz. Kidnapping, 1:03:14. 162 „Bei der Verfolgung eines flüchtigen Bankräubers macht Sabrina einen schwerwiegenden Fehler, der einer jungen Kollegin aus dem Streifendienst das Leben kostet. Sabrina und Ellen werden von dem Fall abgezogen. Doch durch die erzwungene Tatenlosigkeit werden Sabrinas Schuldgefühle noch größer. Eines Tages begegnet sie Paula, einer jungen Frau, die Zeugin des Mordes geworden ist. Sabrina kümmert sich ab sofort um Paulas Schutz. Dabei fühlt sie sich mehr und mehr zu ihr hingezogen. Sabrina spürt, dass sie sich allmählich in die geheimnisvolle, attraktive Frau verliebt.“ http://www.fernsehserien.de/doppelter-einsatz/episodenguide/staffel-6/2563#episode-86236. Letzter Zugriff: 27.11.2012. 163 Vgl.: Doppelter Einsatz. Blutroter Mond, 0:33:21. 164 Siehe u.a. die Folgen „Blutroter Mond“ und „Die Todfreundin“. 165 Dietze 2004, S. 131.

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erfolgte, als positiv.166 Denn statt die „verfehlte Weiblichkeit“ Sabrinas an lesbische oder bisexuelle Rollenklischees zu binden, wird ihre sexuelle Neigung nicht weiter in den Vordergrund gestellt. Insbesondere in der Gegenüberstellung mit ihren Partnerinnen verstärkt sich der Eindruck, dass Sabrina nicht dem traditionellen Frauenbild entspricht. Denn sie alle sind – zumindest auf den ersten Blick – offenherzige und einfühlsame, aber willensstarke Mütter, die das Modell des „to-have-it-all“167 verkörpern. Vor allem Ellen scheint in zahlreichen Folgen die perfekte Kombination aus Karrierefrau und Mutter zu verkörpern, so beispielsweise, wenn Sabrina in Schwierigkeiten gerät, wie in „Blutroter Mond“. Nach ihrem übermäßigen Alkoholkonsum ist es Ellen, die sie von der Kneipe abholt und nach Hause bringt. Dort hilft sie ihr mit mütterlicher Fürsorge ins Bett und wartet, bis sie eingeschlafen ist.168 In diesem Sinne lässt sich für den Moment festhalten, dass bei der Inszenierung der Protagonistin Sabrina auch in den weiteren Folgen der Serie „Doppelter Einsatz“ auf jene Eigenschaften und Handlungsweisen zurückgegriffen wird, durch die sie bereits in der Einführung charakterisiert wurde. In Opposition dazu steht Ellen. Nicht nur in der bereits erwähnten Einführungsszene in „Die Todfreundin“ und der Szene aus „Blutroter Mond“ fällt auf, dass in Bezug auf Ellen die Konstruktion von Weiblichkeit anhand tradierter Vorstellungen beziehungsweise stereotyp weiblicher Charakteristika primär über mütterliche Zuschreibungen wie „umsorgend“ und „warmherzig“ oder „einfühlsam“ erfolgt. Besonders deutlich wird dies in der Folge „Lebendig begraben“169 (Staffel 6, Folge 4, 21.01.2000, 22:15 Uhr, RTL).

166 Vgl.: Dietze 2004, S. 131. 167 Vgl. ebd., S. 129. 168 Vgl.: Doppelter Einsatz: Blutroter Mond, 0:33:30-0:35:00. 169 „Sabrina und Ellen werden an den Tatort eines blutigen Briefbomben-Anschlags gerufen. Opfer ist der Hamburger Strafrichter Kuhnwald, der beim Öffnen des brisanten Pakets getötet wurde. Bizarrerweise wird kurz nach der Tat im Haus von Kuhnwald ein Strauß außergewöhnlich schöner Rosen abgegeben, die angeblich von einer gewissen Charlotte stammen. Doch niemand von der Familie Kuhnwald kennt eine Charlotte. Als in Kuhnwalds Unterlagen ein Erpresserbrief mit einem kompromittierenden Foto, auf dem der Richter mit einem Callboy zu sehen ist, gefunden wird, ist für Sabrina der Fall klar: Der Kiezkönig Jeschek, der von Richter Kuhnwald verurteilt wurde, hat sich an dem Juristen gerächt […].“ http://rtl-now.rtl.de/doppelter-einsatz/lebendig-begraben.php?film_id=27547&productdetail=1&season=6. Letzter Zugriff: 10.12.2012.

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Sabrina und Ellen befinden sich am Tatort – einem Wohnzimmer einer Hamburger Vorstadtvilla. Während sich Sabrina um die Aufnahme der Beweisstücke sowie die Sicherung des Tatorts kümmert, ist Ellen im Hintergrund zu sehen. Sie befindet sich in einem Nebenraum, der vom Wohnzimmer aus einzusehen ist. Sie sitzt auf einem Sofa. Neben ihr die Frau des Opfers. Behutsam und liebevoll hat Ellen ihren Arm um Frau Kuhnwald gelegt, die bitterlich weint und mit tränenerstickter Stimme immer wieder den Satz „Er ist tot. Er ist tot.“ wiederholt. Währenddessen streicht ihr Ellen beruhigend über den Rücken und versucht sie mit den Worten „Er lebt, Frau Kuhnwald. Bitte beruhigen Sie sich.“ zu beruhigen.170 In dieser Folge kommt es zu einer weiteren Szene, in der die oben bereits erwähnten Charakterzüge der Protagonistin manifestiert werden.

Sabrina und Ellen brechen in die Wohnung des Tatverdächtigen Martin Wund ein. Während sie im hell erleuchteten Flur stehen, sind Geräusche aus dem Wohnzimmer zu hören. Vorsichtig begeben sie sich auf den Weg dorthin. Auf der Couch sitzt Christa Wund, die gebannt auf den Fernseher schaut. Sie reagiert nicht auf die beiden Kriminalkommissarinnen. Dann bemerkt Ellen einen unangenehm beißenden Geruch. Frau Wund hat sich eingenässt. Sabrina wendet sich mit den Worten „Kümmerst du dich um sie?“ an ihre Kollegin, die zustimmend nickt. Behutsam geht Ellen auf Frau Wund zu. „Ich tu Ihnen nichts, Frau Wund. Ich will Ihnen nur helfen.“ Sie beugt sich zu ihr hinunter. „Kommen Sie?“. Da Frau Wund nicht reagiert, fasst Ellen die Frau vorsichtig an den Schultern und hilft ihr aufzustehen. Ellen fragt nach der Toilette, doch Christa Wund antwortet nicht. Ellen zeigt sich verständnisvoll. Sie nimmt Frau Wund erneut an den Schultern und führt sie um den Couchtisch herum. Schnitt: Die Kamera zeigt Sabrina, die beobachtet, wie Ellen und Frau Wund an ihr vorbei in Richtung Wohnungsflur gehen. Dann beginnt sie damit, die Schubladen einer Kommode zu durchsuchen. Schnitt: Die Kamera zeigt Ellen und Frau Wund von hinten. Immer noch hat Ellen eine Hand auf Frau Wunds Schulter, mit der anderen öffnet sie eine Zimmertür, hinter der sich das Badezimmer befindet. Ellen führt Christa Wund hinein und beginnt damit, sie auszukleiden.171

170 Vgl.: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:05:06 – 0:05:20. 171 Vgl.: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:47:15 – 0:48:47.

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In den oben dargelegten Szenen wird Ellen einerseits durch die Interaktion mit ihrer Partnerin als weiblich markiert, andererseits ergibt sich aus dieser Interaktion auch eine Hierarchisierung zwischen den beiden Kooperationspartnerinnen, in der Ellen eindeutig die untergeordnete Rolle einnimmt, denn sie führt Sabrinas Befehle aus, während Sabrina sich ihr Aufgabenfeld selbst aussucht. Hierdurch entsteht eine Rollenverteilung, die der des binären Systems ähnlich ist, in welcher der Mann nicht nur bestimmt, sondern auch für die Arbeitswelt zuständig ist, und die Frau gehorcht und sich um Haushalt und Kindererziehung kümmert. Diese unterschwellige Rollenverteilung, die sich aus der Konstruktion beider Ermittlerinnen zwangsweise ergibt, verursacht bereits zu Beginn der Folge „Lebendig begraben“ eine Auseinandersetzung zwischen Ellen und Sabrina, in der sich Ellen darüber beklagt, dass sie nicht dazu da ist, nur Sabrinas Befehle auszuführen. Stattdessen findet sie, „wir sollten zusammenarbeiten!“172 Mit der Einordnung Ellens in die weibliche Rolle werden unumstößlich auch Zuschreibungen wie „schwach“, „passiv“, „unentschlossen“ oder auch „zurückhaltend“ assoziiert, die alsdann in der Folge „Heiße Fracht“173 (Staffel 9, Folge 1, 08.01.2003, 22:15 Uhr, RTL) durch Ellens Verhalten bestärkt werden. Denn wieder ist es Sabrina, die aktiv auf der Handlungsebene agiert und dabei einen flüchtigen LKW-Fahrer stellt, eine Verfolgungsjagd per Motorrad tätigt und den Tatort begutachtet, während Ellen sich in allen genannten Situationen mit mütterlicher Fürsorge um die Opfer kümmert. So orientiert sich Ellens soziale Konstruktion an den geschlechtlich konnotierten Normen, Erwartungen und Repräsentationsweisen von Weiblichkeit.

172 Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:12:28. 173 „Eine tote Frau, die Spuren von Misshandlungen trägt, wird im Hamburger Freihafen gefunden. Bei der Überprüfung des Tatorts machen Sabrina und Ellen einen grausigen Fund. In einem Container werden die Leichen von drei jungen schwarzafrikanischen Frauen gefunden, die auf dem Seeweg nach Deutschland geschmuggelt wurden und in dem Container qualvoll erstickt sind. Nur eine Frau, die junge Mayé (Joana AduGyamfi), hat den Transport überlebt. Doch ein falscher Rettungswagen nimmt die junge Frau mit. Ihr gelingt die Flucht und Sabrina, die den Krankenwagen verfolgt hat, nimmt die traumatisierte Frau vorübergehend bei sich auf. Die angeblichen Rettungssanitäter können fliehen. […]“ http://rtl-now.rtl.de/doppelter-einsatz/heissefracht.php?film_ id=27666&productdetail=1&season=9. Letzter Zugriff: 10.12.2012.

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4.3.2 Kleidung als Ausdruck von Geschlechtlichkeit Kleidung erweist sich in der Untersuchung der sozialen Konstruktion von TVKriminalkommissarinnen als ein bedeutender Faktor. Denn obwohl Mode heutzutage nicht mehr Zweigeschlechtlichkeit im traditionellen Sinne codiert (vgl. Kapitel 2), liefert das Kleidungsverhalten dennoch wichtige Aussagen über die gesellschaftliche Vorstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit. Nach wie vor wird männliches Kleidungsverhalten mit Sachlichkeit und Funktionalität verbunden, während weibliches Kleidungsverhalten mit Dekorativität einhergeht. Die männliche Kleidung wird dabei in unserer leistungsorientierten Gesellschaft mit weitaus positiveren Konnotationen in Verbindung gebracht als weibliche.174 Dies bedeutet, dass ein gut gekleideter Mann das Bild eines strategisch und gut organisierten Menschen suggeriert, der klar und rational denkt und handelt und somit Eigenschaften aufweist, die mit den traditionellen Vorstellungen, d. h. den männlichen Geschlechterstereotypen, übereinstimmen. Dies bedeutet, dass die soziale Prägung von Geschlechtscharakteren auch auf die visuelle Darstellung und somit auf das Erscheinungsbild einer Person übertragen wird. Dementsprechend lässt auch das Kleidungsverhalten der TV-Kriminalkommissarinnen von „Doppelter Einsatz“ Rückschlüsse auf die soziale Konstruktion der Frauen zu.

174 Kessemeier, Gesa: Geschlechtsspezifische Körper- und Modeideale im 19. und 20. Jahrhundert In: Wischermann, Clemens/Stefan Haas (Hg.): Körper mit Geschichte: Der menschliche Körper als Ort der Selbst- und Weltdeutung. Stuttgart 2000 (Studien zur Geschichte des Alltags, Bd. 17), S. 173-190; hier: S. 174f. Kessemeier argumentiert, dass der „natürliche“ Körper des Menschen durch Kleidung zu einem „sozialen“ Körper umgewandelt wird. Zentral wirkt dabei das binäre Gliederungskriterium von Männlichkeit und Weiblichkeit. In Anlehnung an Hagemann-White und Butler unterzieht sie die Genderproblematik einer Analyse, die auf die Performativität, also das „Doing Gender“ abzielt. Die Formensprache der Mode habe sich durch zwei Jahrhunderte hindurch als höchst wandelbar erwiesen, sie kannte auch die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen und mit Anne Hollander darf unterstellt werden, dass sie teilweise auch kontingenten ästhetischen Maßstäben folgte. Vgl.: http://www.hnet.org/reviews/showrev.php?id= 18406. Letzter Zugriff: 10.12.2012. Auch Moritz und Rimbach argumentieren, dass bestimmte Kleidung immer noch für Seriosität und Vertrauenswürdigkeit steht. Dabei verweisen Sie darauf, dass gerade gepflegte Kleidung als ein Instrument zur Selbstdarstellung und Ausstrahlung, sondern auch immer noch eine Pflicht in der Arbeitswelt ist. Vgl.: Moritz, André; Rimbach, Felix: Soft Skills für Young Professionals: Alles, was Sie für Ihre Karriere brauchen. Offenbach 2013, S. 204.

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Wie schon Lena Odenthal vor ihr, betritt auch Sabrina die Szene mit feschem Kurzhaarschnitt, Lederjacke und Jeans. Und ebenso wie ihre Kollegin aus dem ZDF lächelt auch Sabrina selten. Sie ist oftmals übermotiviert und scheint alles Weibliche von sich abzustreifen. Dafür spricht in erster Linie ihr Kleidungsstil, der sich erst im Verlauf der Jahre einer Veränderung unterzieht. Es sind aber vor allem die Accessoires, mit denen sie von den Produzenten ausgestattet wird, so wie der Chopper mit Chrombeschlägen (Abbildung 64), die große Herrenarmbanduhr, der schwarze Helm und die Sonnenrille (Abbildung 65) oder die schweren schwarzen Motorradstiefel (Abbildung 66), die ihren gesamten Schuhschrank füllen,175 die das Bild eines „Mannweibs“ konstruieren. Abbildung 64: Die Kommissarin auf ihrem Motorrad.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben 0:29:55

Abbildung 65: Nikolaidou als Mannsweib.

Quelle: http://server4.medienkomm.uni-halle. de/krimi/serien/doppelei.shtml. Letzter Zugriff: 28.04.2017.

175 Vgl. diesbezüglich: Doppelter Einsatz. Die Todfreundin, 0:24:51.

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Abbildung 66: Nikolaidous schwere Motorradstiefel.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Herz der Finsternis, 0:40:29.

Das Bild des furchtlosen weiblichen Bikers wird alsdann auch auf der Ebene der geschlechtscharakteristischen Konstruktion weitergeführt. Feminin anmutende Details, wie sie beispielsweise bei Marianne Buchmüller zum Tragen kamen, erinnert sei hier an das Negligé, welches sie in ihrer ersten „TATORT“-Folge trug, oder an die zarte Stehkragenbluse Hanna Wiegands, fehlen im alltäglichen Kleidungsverhalten der Kriminalkommissarin gänzlich. Hierdurch wirkt Sabrina nicht nur äußerst maskulin, sondern die Assoziation mit einem ‚Mannsweib‘, welches häufig mit einer Lesbe gleichgesetzt wird und dementsprechend in die Kategorie der Tomboys176 fällt, liegt nahe. Nur in wenigen Szenen sehen die ZuschauerInnen Sabrina in eindeutig weiblicher Kleidung. Diese dient zumeist dem besonderen Zweck der Verkleidung, um die wahre Identität der Kriminalkommissarin zu verschleiern. So schlüpft sie beispielsweise in „Die Wahrheit stirbt zuletzt“177 im

176 „The tomboy offers an articulation of gender and sexuality that foregrounds a combination of conventionally masculine and feminine elements. The tomboy is a type who is frequently situated within an Oedipal narrative of cross-dressing, one in which she will ultimately discard her male clothing.” Tasker, Yvonne: Working Girls. Gender and Sexuality in Popular Cinema. London 1988, S. 68. 177 „Sabrina und Ellen gelingt es bei einer Fahndung, den mutmaßlichen Polizeimörder Mirko Kettner zu fassen. [...] Hauptbelastungszeuge bei den Ermittlungen ist der Kollege des getöteten Beamten, der junge Polizist Hannes Jessen. Während die Ermittlungen in diesem Fall bereits kurz vor ihrem Abschluss zu stehen scheinen, wird Sabrina und Ellen bereits eine neue Aufgabe gestellt. Es geht um eine gut organisierte Bande, die Raubüberfälle auf Banken und Geldtransporter verübt. Ihr Rückzugsgebiet scheint das 70-er-Jahre-Ghetto Moorfleet zu sein. Im Rahmen eines Undercover-Einsatzes erklärt sich Ellen bereit, für einige Zeit in einen der dortigen Wohnsilos zu ziehen, um hier die Spur eines der gesuchten Täter aufzunehmen. […] Sabrina, die

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Rahmen einer verdeckten Ermittlung in die Rolle der Bardame Kiki. Als Kiki (Abbildung 67) trägt sie nicht nur eine Langhaarfrisur und Make-up, sondern auch ein Minikleid, High Heels und Schmuck.178 Auch in der Folge „Die Todfreundin“ verändert Sabrina ihr Kleidungsverhalten. In der Hoffnung, einer Gefängnisstrafe zu entgehen, erscheint sie vor Gericht in ein Kostüm gekleidet.179 Während des anschließenden Gefängnisaufenthaltes wechselt ihr Kleidungsstil erneut. Hier allerdings bedingt durch die Kleiderordnung des Gefängnisses, der sie sich zu beugen hat. Sabrina trägt daher eine pastellfarbene Strickjacke sowie eine farblich passende Hose aus fließendem Stoff.180 Aus der taffen Polizistin, die sich sowohl im Arbeitsalltag als auch im privaten Bereich von der Masse abhebt, wird nun ein Anonymus, der in der Einheitlichkeit des Gefängnisalltags untergeht (Abbildung 68). Abbildung 67: Sabrina Nikolaidou als Bardame Kiki.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Die Wahrheit stirbt zuletzt, 0:20:34.

sich um Ellen Sorgen macht, nimmt Urlaub und hat als Barfrau ‚Kiki‘ in der GhettoKneipe ‚Treffer‘ ein Auge auf Ellen. In der Kneipe lernt Sabrina bald den vom Dienst suspendierten Hannes Jessen kennen, zu dem sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann. Er gesteht ihr, dass er bis zum Hals in Schulden steckt. […] Als […] Jessen schließlich seine Aussage wiederruft, muss die Polizei Kettner wieder auf freien Fuß setzen. Einer der Bankräuber wird kurz darauf regelrecht hingerichtet.[…]“ http://rtlnow.rtl.de/doppelter-einsatz/die-wahrheit-stirbt-zuletzt.php?film_id=28973&product detail=1. Letzter Zugriff: 27.11.2012. 178 Vgl.: Doppelter Einsatz. Die Wahrheit stirbt zuletzt, 0:20:30-0:20:53. 179 Vgl.: Doppelter Einsatz. Die Todfreundin, 01:02:52-01:03:35. 180 Vgl.: Doppelter Einsatz. Die Todfreundin, 0:55:20 und 0:58:56.

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Abbildung 68: Im Gefängnis: Sabrina Nikolaidou als Anonymus.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Die Todfreundin, 55:20.

Abgesehen von diesen wenigen Szenen erweist sich Sabrinas Kleidungsstil als wenig feminin, wodurch die männlichen Charakteristika in ihrer sozialen Konstruktion unterstrichen werden. Ganz im Gegenteil dazu stehen Sabrinas Partnerinnen. Abbildung 69: Vicky Siebert.

Abbildung 70: Eva Lorenz.

Quelle: http://www.tvspielfilm.de/

Quelle: http://www.tvnow.de/rtlplus/

kino/filmarchiv/film/ doppelter-ein

doppelter-einsatz/jahr/ 2017. Letzter

satz-der-moerder-mit-der-maske,130

Zugriff: 26.03.2013.

4610,ApplicationMovie.html. Letzter Zugriff: 26.03.2013

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Abbildung 71: Ellen Ludwig.

Abbildung 72: Caroline Behrens.

Quelle: https://bilder.wunschliste.de/

Quelle: https://itunes.apple.com/de/tv-

epg/448/448d7816a67c7bbffe25f64

season/doppelter-einsatz-staffel-13/id

5c436688b1aa5f809_b.jpg. Letz-

309315667. Letzter Zugriff: 26.03.2013.

ter Zugriff: 26.03.2013.

Wie aus den Abbildungen 69–72 zu entnehmen ist, verkörpert bereits ihre Physiognomie mehr Weiblichkeit als die Sabrinas. Insbesondere Ellens Äußeres wirkt feminin. Dies liegt nicht zuletzt an ihren halblangen blonden Haaren, die sie vornehmlich offen trägt, sondern auch an ihren weiblichen Rundungen. Damit verkörpert Ellen aber nicht das Bild des gängigen Schönheitsideals der 1990er Jahre, so wie es in den Medien und primär durch den Werbesektor postuliert wurde und das seine Manifestation in blassen und abgemagerten Mädchen fand, die dem Schlankheitswahn verfallen waren.181 Diese sogenannten Kindfrauen wirken auf den Betrachter hilfsbedürftig und weltfremd und stellen für die Männerwelt keine Bedrohung dar, weil jede Konkurrenz im Keim kindlicher Anspruchslosigkeit erstickt wird.182 Ellens Körper korrespondiert vielmehr mit dem Schönheitsideal der 1940er bis 1960er Jahre. In den 1940er Jahren zeichneten sich Darstellungen und idealisierte Typen des weiblichen Körpers durch üppige Formen wie ausladende Becken und pralle Brüste aus. Auch in der Nachkriegszeit war der vollschlanke Körper ein gesellschaftliches Idealbild, wenn auch aus anderen Gründen. Der wohlgenährte, aber nicht fette Körper der Nachkriegsjahre symbolisierte Wohlstand und Gesundheit. Frauen, die Kleidergröße 40/42 trugen, entsprachen diesem bevorzugten Typus.183 Dieser Trend setzte sich auch in den 1960er Jahren fort.

181 Vgl.: Wilk, Nicole M.: Körpercodes. Die vielen Gesichter der Weiblichkeit in der Werbung. Frankfurt a.M. 2002, S. 51. 182 Vgl.: Wilk 2002, S. 51 183 Vgl. ebd., S. 45.

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Wohlproportionierte Leiber provozierten im Gegensatz zu schlanken oder gar dünnen Körpern neidvolle Blicke.184 Es ist genau dieses Bild, dem Ellens Körper entspricht. Und somit ergibt sich eine Diskrepanz zwischen der Darstellung ihres Körpers und dem kindlichen Schönheitsideal der ausgehenden 1990er Jahre, die auf die Orientierung am tradierten Bild von Weiblichkeit, nach welchem die Figur der TV-Kriminalkommissarin Ellen Ludwig scheinbar erschaffen wurde, zurückgeführt werden muss. Ellen unterstreicht den femininen Aspekt ihrer Körperlichkeit zusätzlich dadurch, dass sie überwiegend Stoffhosen trägt, die sie mit Blusen oder femininen Oberteilen (Abbildung 73), die ihre Weiblichkeit betonen, sowie mit Pumps kombiniert. Ab und zu ermittelt sie auch im „kleinen Schwarzen“ (Abbildung 74). Weibliche Accessoires wie Ohrringe oder Ketten, aber auch dezentes Make-up (Abbildung 73 und 75) und gelackte Fingernägel komplettieren das Bild. Abbildung 73: Kriminalkommissarin Ludwig trägt ein sehr feminines Oberteil.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:42:10.

Abbildung 74: Ludwig ermittelt im „kleinen Schwarzen“.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:45:02.

184 Vgl.: Wilk 2002, S. 47.

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Abbildung 75: Accessoires, wie Ohrringe runden das feminine Erscheinungsbild ab.

Quelle: Screenshot: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:05:50.

Damit deckt sich Ellens Kleidungsverhalten mit geschlechtsspezifischen Eigenschaften wie „feminin“, „attraktiv“ und „sexy“. Gleichzeitig ist ihre Gesamterscheinung verglichen mit ihrer Kollegin Sabrina weicher. Dies betont weitere weibliche Attribuierungen wie „einfühlsam“, „gefühlvoll“, „liebevoll“, aber auch „sanft“ und „weichherzig“. Ähnlich verhält es sich mit vorherigen beziehungsweise nachfolgenden Partnerinnen Sabrinas. Auch Eva Lorenz oder Caroline Behrens können visuell als Sabrinas weibliches Pendant angesehen werden. Dies korrespondiert auch mit ihrer gesellschaftlichen Rolle. Sie alle sind Mütter. Wobei Caroline Behrens als Einzige nicht mit dem Vater des Kindes zusammenlebt. Ab dem Jahre 2004 ändert sich dieses Bild jedoch. Durch weiblich konnotierte Gender-Marker, wie Frisur, Kleidung und Make-up, wird nun auch der Figur Sabrina mehr Weiblichkeit verliehen. Aus Sabrinas Kleidung weicht nach und nach die Traurigkeit und Farbe hält Einzug. Ihre schwarze Lederjacke ist nur noch selten zu sehen und auch die schweren Cowboystiefel werden in zahlreichen Folgen durch schwarze Lederstiefelletten mit mittelhohem Absatz ersetzt. Sabrinas Geschlechtlichkeit erfährt damit durch geschlechtliche Identität markierende Inszenierungspraktiken eine deutliche Veränderung. Wie in Abbildung 76 zu sehen, wirkt sie nun viel weicher und weiblicher. Ähnlich wie bei Lena Odenthal verliert auch diese TV-Kriminalkommissarin das Androgyne, das über ein Jahrzehnt ihren Charakter ausmachte. Und auch hier hat es den Anschein, als würde Sabrina ihre rebellische Rolle verlassen, um ihre Femininität (neu) zu entdecken. Damit kann, wie auch schon bei den zuvor betrachteten TV-Kriminalkommissarinnen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, rein vom visuellen Aspekt von einem „Rückschritt“ in weibliche Rollenmuster gesprochen werden. Dabei muss dieser „Rückschritt“ jedoch nicht unbedingt negativ konnotiert sein. Es ist durchaus möglich,

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dass die Suche nach Konstruktionsplänen selbstbestimmter Weiblichkeit für Sabrina nun abgeschlossen ist, wodurch eine Auflösung der Geschlechterdichotomie und der Verlust der Geschlechtsidentität nicht eintreten. Abbildung 76: Die Wiederentdeckte Weiblichkeit des 21. Jahrhunderts?

Quelle: Screenshot: RTLnow. http://rtl-now.rtl.de/doppeltereinsatz.php, 19.03.2013

4.3.3 Weiblichkeitskonzepte zwischen Selbstverwirklichung und traditioneller Rollenverteilung In dieses Bild des „Rückschritts“ fügt sich die Beobachtung, dass im Verlauf der Serie weder das Konzept des taffen ‚Mannweibs‘, welches eine „kinderlose Unabhängigkeit“185 verkörpern soll, noch das Konzept der erfolgreichen Karrierefrau und Mutter in den Figuren bruchlos aufrechterhalten werden konnte. Insbesondere das Motiv Familie und Beruf sorgt innerhalb der Serie immer wieder für Konflikte sowohl zwischen den Kooperationspartnerinnen als auch in Ellens Ehe, denn es wird von Frauen, so Eckes, trotz Berufstätigkeit immer noch die primäre Verantwortung für Haushalt und Kindererziehung übertragen. Hieraus ergibt sich sowohl für die Betroffenen als auch für ihr Umfeld eine Konfliktsituation. Diese Problematik manifestiert sich in der Folge „Lebendig begraben“. Die Folge beginnt mit einer Reihe von Sequenzen, in denen die Belastung des Arbeitsverhältnisses zwischen Sabrina und ihrer Partnerin infolge von Ellens doppelter Verpflichtung gezeigt wird.

185 Dietze 2004, S. 129.

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Sabrina sitzt allein im Büro und arbeitet sich durch einige Akten. Im Closeup ist zu erkennen, dass sie genervt und gestresst ist. Dann greift sie zum Telefonhörer. Schnitt: Die Kamera zeigt eine Autoschlange. Baustellenlärm ist zu hören, dazwischen das Hupen diverser Fahrzeuge, Menschen reden aufgeregt durcheinander. Kindergeschrei. Mitten in dieser Schlange steht der grüne Audi A4 Kombi von Ellen. Auch sie sieht gestresst aus. Auf der Rückbank sitzt ihr kleiner Sohn Julian und weint. Auf dem Beifahrersitz ist ihr Mann Thomas zu erkennen, der vertieft in eine Zeitschrift scheinbar ungerührt von dem Chaos um ihn herum bleibt. Ellen versucht Sabrina die Situation zu erklären. Schnitt: Sabrina legt wortlos den Hörer auf. Dann spricht sie einfach in den Raum „Langsam hab‘ ich die Schnauze voll. Warum muss ich immer ihre Probleme ausbaden?“ Aus dem Büro hinter ihr erscheint Dilba. „Weil sie nun mal ein Kind hat.“, ist seine betont entspannte Antwort auf Sabrinas aggressiven Tonfall, die sich weiter echauffiert. „Wenn sie es nicht auf die Reihe kriegt, dann muss sie halt zu Hause bleiben.“186 Es folgen weitere Situationen wie die oben dargestellte, die darlegen, dass Sabrina die Doppelbelastung von Ellen als problematisch für den Beruf als Kriminalkommissarin empfindet. Besonders deutlich geht dies aus der folgenden Auseinandersetzung hervor. Die beiden Kommissarinnen verlassen nach einer Lagebesprechung das Büro ihres Vorgesetzten Bertil Jensen. Sabrina stürmt ungeachtet ihrer Partnerin über den Flur des Kommissariats. Ellen versucht sie einzuholen. Ellen: „Warum hast du mir nichts von Jeschek erzählt?“ Sabrina kurz angebunden, beinahe schon schnippisch: „Jetzt weißt du’s ja.“187

Schnellen Schrittes geht sie davon, ohne auf Ellen zu achten, die ihr immer noch folgt, sie aber nicht einholen kann. Ellen verwirrt: „Wo gehst du hin?“ Sabrina: „Ich schau mich auf dem Kiez um.“188

186 Vgl.: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:02:30-0:03:00. 187 Gesamtdialog: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:12:07-0:12:09. 188 Gesamtdialog: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:12:11-0:12:14.

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Sabrina betritt nun ihr Büro und geht zum Schreibtisch. Dabei hat sie sich immer noch nicht zu Ellen umgedreht, die ihr nach wie vor folgt. Sabrina greift ihren Rucksack und will das Büro wieder verlassen, als Ellen neben ihr steht. Ellen entschlossen: „Gut, ich komm mit.“ Sabrina abwehrend: „Geh‘ du zu Frau Kuhnwald, vielleicht ist ihr ja noch was eingefallen.“189

Daraufhin verlässt Sabrina das Büro und lässt Ellen zurück. Während die Schritte von Sabrinas schweren Schuhen auf dem Gang zu hören sind, bleibt die Kamera bei Ellen, die für einen Moment sprachlos ist. Dann sammelt sie sich wieder und salutiert. Ellen sehr laut und wütend: „Aye aye, Sir!“

Dann stürmt auch sie aus dem Büro hinaus auf den Flur und folgt Sabrina. Schnitt: Die Kamera fängt Sabrina von hinten ein. Ungerührt geht sie den Gang hinunter. Schnitt: Die Kamera zeigt nun wieder auf Ellen. Ellen wütend: „Ich bin nicht dazu da, deine Befehle auszuführen.“

Die Kamera zeigt erneut Sabrinas Rücken, dann schwenkt sie um zu Ellen. Im Close-up ist Ellens Gesicht zu sehen. Ellen: „Ich finde, wir sollten zusammenarbeiten.“

Sabrina dreht sich immer noch nicht um. Die Kamera geht zurück zu Ellen, die jetzt stehen geblieben ist. Ellen verzweifelt: „Bleib bitte stehen!“

Sabrina dreht sich abrupt um. Erneut schwenkt die Kamera zurück auf Ellen. Ellen: „Was hast du eigentlich gegen mich?“

Sabrina geht festen Schrittes auf ihre Kollegin zu.

189 Gesamtdialog: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:12:16-0:12:19.

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Sabrina aggressiv: „Ich hab‘ was gegen Beamte, die um 17 Uhr den Bleistift fallen lassen…“ Ellen erschrocken über Sabrinas Aussage: „Wie bitte?“

Sabrina tritt näher an Ellen heran. Sie baut sich regelrecht vor ihr auf, um dann auf sie hinabzusehen. Sabrina: „…weil sie zu ihren Lieben nach Hause wollen. Ich habe da eine etwas andere Berufsauffassung, wie du vielleicht schon bemerkt haben wirst.“ Ellen: „Ah ja.“ Sabrina geht ab: „Warum lässt du dich nicht in ’ne Schreibstube versetzen? Mit geregelten Arbeitszeiten. Damit wär doch uns beiden geholfen.“190

Die Kamera schwenkt zurück auf Ellen, die kopfschüttelnd auf dem Flur des Kommissariats steht. Doch nicht nur Auseinandersetzungen mit ihrer Arbeitskollegin bezüglich der Vereinbarung von Familie und Beruf werden im Verlauf der Serie aufgegriffen, sondern auch die innerhalb der Familie. In „Lebendig begraben“ wird diese Problematik unter anderem dadurch aufgezeigt, dass beispielsweise Ellens Mann ihr die Antwort schuldig bleibt, warum sie sich immer um alles kümmern muss.191 Auch, dass er sie mit einem „na endlich“ begrüßt, als sie von einer anstrengenden Schicht nach Hause kommt,192 zeigt den Rollenkonflikt, in dem sich Ellen als berufstätige Frau und Ehefrau bzw. Mutter befindet. Auch die Folge „Die Todfreundin“ enthält einige Anspielungen auf die Problematik der arbeitenden Ehefrau und Mutter. Während Ellen spät abends noch auf dem Revier ihre Arbeit erledigt, erhält sie einen Anruf ihres Mannes, der um das gemeinsame Kind besorgt ist. Etwas genervt, da sie in ihrer Arbeit unterbrochen wird, antwortet sie: „Nein Schatz, vielleicht braucht er ja nur eine neue Windel. […] Hat er Fieber? Fühl doch mal. […]

190 Gesamtdialog: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:12:21-0:12:45. 191 Vgl.: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:03:15-0:03:24. 192 Vgl.: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 0:39:19.

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Ja dann muss er eben schreien, das wirst du ja wohl noch ein paar Minuten aushalten. Tschüss!“193 Kurz darauf klingelt das Telefon abermals. Ellen sitzt gerade mit ihren Kollegen zusammen und trinkt eine Flasche Bier. „Hm, mein Mann. Ich muss los. Es ist spät!“194 Ferner greift die Folge „Die Wahrheit stirbt zuletzt“ explizit den inneren Konflikt auf, dem sich Ellen als berufstätige Mutter ausgesetzt fühlt. In ihrer Rolle als verdeckte Ermittlerin muss Ellen einige Tage alleine in einer Polizeiwohnung verbringen. Jeglicher Kontakt zu ihrer Familie ist ihr untersagt worden, um die Mission nicht zu gefährden. Bereits am ersten Abend überkommt Ellen plötzlich die Sehnsucht nach ihrem Sohn. Um sich abzulenken, beschäftigt sie sich wehmütig mit einem Spielzug ihres Sohnes Julians, welches sie als Andenken mitgenommen hat.195 Darüber hinaus spricht sie ihrer Familie sehnsuchtsvolle Nachrichten auf den Anrufbeantworter.196 Nach zwei Tagen ohne Kontakt zu ihrer Familie beschließt sie gegen die Dienstregeln zu verstoßen, indem sie Julian und ihren Mann Thomas von der anderen Straßenseite aus beobachtet.197 Dabei entdeckt Julian seine Mutter und folgt ihr unbemerkt bis in die Hochhaussiedlung, in der Ellen als verdeckte Ermittlerin wohnt.198 Nachdem Ellen ihren Sohn bemerkt hat und sie in der sicheren Wohnung sind, fallen sich beide um den Hals und Julian fragt sie: „Mama, wann kommst du nach Hause?“199

Ellen versucht ihren Sohn zu beruhigen: „Bald Spätzchen. Ich habe so Heimweh!“200

193 Doppelter Einsatz. Die Todfreundin, 01:04:54-01:05:03. 194 Doppelter Einsatz. Die Todfreundin, 01:06:51. 195 Vgl.: Doppelter Einsatz. Die Wahrheit stirbt zuletzt, 0:13:31. 196 Vgl. u. a.: Doppelter Einsatz. Die Wahrheit stirbt zuletzt, 0:15:32-0:15:54 sowie 0:24:30. 197 Vgl.: Doppelter Einsatz. Die Wahrheit stirbt zuletzt, 1:12:30-1:13:01. 198 Vgl.: Doppelter Einsatz. Die Wahrheit stirbt zuletzt, 1:13:07. 199 Doppelter Einsatz. Die Wahrheit stirbt zuletzt, 1:20:29-1:20:30. 200 Vgl.: Doppelter Einsatz. Die Wahrheit stirbt zuletzt, 1:20:32-1:20:33.

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Die oben erwähnten Sequenzen zeigen in aller Eindrücklichkeit, wie schwer sich der Arbeitsalltag der TV-Kriminalkommissarin Sabrina Ludwig mit einem „normalen“ und von der Gesellschaft immer noch geforderten Familienleben beziehungsweise der weiblichen Rollenzuweisung vereinbaren lässt. Gleichzeitig wird die innere Zerrissenheit einer Frau dargestellt, die eben diese Situation meistern muss. Im Sinne der patriarchalisch geprägten Gesellschaft und dem durch sie aufrechtgehaltenen Bild der Rollenverteilung von Mann und Frau kann diese Szene als ein Appell nicht nur an die kulturell konditionierten Gefühle einer Frau, sondern auch an ihr Pflichtgefühl gegenüber ihrer Familie gesehen werden. Denn statt einen Lösungsvorschlag für eine Situation zu bieten, die Tausende von Frauen betrifft, orientiert sich RTL auch in der Darstellung des Familienlebens an der gesellschaftlich tradierten Vorstellung von Familie, in der immer noch die Mutter für die Versorgung der Kinder zuständig ist. Das Konzept der erfolgreichen Karrierefrau und Mutter geht in „Doppelter Einsatz“ ebenso wie im realen Leben nicht auf. Vor diesem Hintergrund muss dann auch Dietze widersprochen werden, die behauptet, dass Sabrinas Partnerinnen alle das Modell des „to-have-it-all“201 verkörpern. Weder Ellen noch Eva Lorenz oder Caroline Behrens sind frei von Konflikten, die sich aus der Problematik der Vereinbarung von Beruf und ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter ergeben. Vielmehr sind diese Konflikte ein die Serie allzeit beherrschendes Thema.202

201 Dietze 2004, S. 129. 202 Vgl. u.a.: Doppelter Einsatz. Evas Tod. Hier kommt es, nicht das erste Mal, zwischen Eva und ihrem Ehemann Helmut zu einer lautstarken Auseinandersetzung, nachdem Eva angeschossen wurde. Helmut versucht seiner Frau zu verdeutlichen, dass der Job zu gefährlich ist. Er appelliert daran, dass sie auch ein gemeinsames Kind haben, das seine Mutter braucht. Kurz darauf stirbt Eva im Einsatz. Vgl.: 0:28:32-0:28:45. Auch Ellens Nachfolgerin Caroline Behrens verkörpert nicht das „to-have-it-all“ Modell. In erster Linie nicht, da sie als alleinerziehende Mutter auftritt, zum anderen, weil auch sie sich zahlreichen Konflikten ausgesetzt sieht, die sich aus dem Motiv Familie und Beruf ergeben. In der Folge „Mord auf dem Stundenplan“ (Staffel 11, Folge 2, 11.01.2005, 22:15 Uhr, RTL) muss sich ihre Mutter, um ihre Tochter kümmern, da sie keine geregelten Arbeitszeiten hat. Darüber hinaus scheint sie beruflich ein sehr unsteter Mensch zu sein, was aus einem Gespräch mit ihrer Mutter hervor geht, in welchem Caros Mutter sagt: „Gott, hat das mit dir im KK 15 auch wieder nicht geklappt?“. Doppelter Einsatz: Mord auf dem Stundenplan: 0:16:54. Diese Aspekte sprechen allesamt gegen das von Dietze erwähnte Modell des „to-have-it-all“. Vielmehr verdeutlichen sie die Problematik, der berufstätige Frauen, ob verheiratet oder alleinerziehend, ausgesetzt sind. Die stete Forderung, dass die Mutter bei ihrem Kind

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Der Blick soll nun auf Sabrina gerichtet werden. Über weite Teile der Serie wird sie als die taffe Motorradfahrerin inszeniert, die sich gern in Bars aufhält und Pool-Billard spielt203, sich vor keiner Verfolgungsjagd scheut und stets aktiv ist. Doch es gibt auch Situationen, in denen Sabrina diese männlich konnotierte Rollenzuweisung durchbricht und den tradierten Erwartungen und Repräsentationen von Weiblichkeit entspricht. Einen besonders schwerwiegenden Bruch mit den in der Einführung etablierten Handlungsmustern und damit mit der Repräsentation der Kriminalkommissarin Sabrina Nikolaidou stellen Situationen dar, in denen Sabrinas Handlungen von Emotionen und nicht durch Rationalität bestimmt werden. Hierzu gehört ihr Weinkrampf in der Folge „Lebendig begraben“, der auf eine Panikattacke folgt, nachdem sie sich der Tatsache bewusst wird, dass sie und Ellen in einem Kellerraum eingeschlossen sind, aus dem sie sich nicht mehr selbst befreien können.204 In der nachfolgenden Sequenz erfahren die ZuschauerInnen dann, dass Sabrina, die die laut Dietze „kinderlose Unabhängigkeit“ verkörpert, einmal schwanger gewesen ist und das Kind bei einem Einsatz verloren hat. Damit erklärt sich nicht nur Sabrinas Auseinandersetzung mit Ellen zu Beginn der Folge „Lebendig begraben“, sondern auch ihre gespielte Abneigung gegen Kinder. Gleichzeitig rückt dieses „Geständnis“ Sabrina wieder näher an die tradierte Vorstellung einer Frau heran, da auch sie einmal den Wunsch hatte, Mutter zu werden, und ihr damit typisch weibliche Merkmale, die den Konzepten der Wärme und Expressivität entsprechen, inhärent sind. Dass sich bei Sabrina tatsächlich „caring and nurturant qualities“205 finden lassen, zeigt sich besonders darin, dass sie sich aufopferungsvoll der jungen Mayé in „Heiße Fracht“ annimmt, sich rührend, wie eine Mutter, um die pubertierende Tochter einer Freundin kümmert, in „Kinderspiel“206 (Staffel 7, Folge 7,

sein soll, macht es beinahe unmöglich den Beruf der Kriminalkommissarin mit all seinen Anforderungen zu erfüllen. Wenn dies geschieht, so kann die Rolle der Mutter nicht gemäß der tradierten Vorstellung erfüllt werden. 203 Vgl. grundsätzlich: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben. 204 Vgl.: Doppelter Einsatz. Lebendig begraben, 1:12:20. 205 Vgl.: Eagly 1987, S.16. 206 „Lucky ist zehn Jahre alt und heißt eigentlich Lukas Steinmann. Er lebt alleinbei [sic] seinem Vater Gregor, der sich auf St. Pauli mit mehr oder weniger legalen Jobs durchschlägt. Lucky geht nur zur Schule, wenn das Jugendamt mal wieder Alarm schlägt. Ansonsten versucht er, auf dem Kiez gewieft zu sein: Ein richtiger Gangster. In Wahrheit ist Gregor Steinmann aber nur eine ganz kleine Nummer, ein Laufbursche für den Kiez-König Charles Semper, der allerlei schmutzige Geschäfte auf St. Pauli betreibt.

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13.02.2001, 22:15 Uhr, RTL) einen kleinen Jungen bei sich aufnimmt oder sich in „Tödliche Wahrheit“207 (Staffel 10, Folge 4, 27.01.2004, 22:15 Uhr, RTL) mit Herzlichkeit und Güte um die junge Cosima kümmert, die ihre Eltern durch einen Autounfall verloren hat, um nur einige Beispiele zu nennen. In Opposition zu den in Kapitel 4.3.1 vorgestellten Charakterzügen der Protagonistin, welche den Eindruck vermittelten, dass sich die sozial eingestellte Kriminalkommissarin Sabrina Nikolaidou stärker an den typisch männlichen Geschlechtscharakteristika als an den weiblichen Merkmalen orientiert, markieren

Als der ewige Verlierer Gregor jedoch Sempers ermordeten Buchhalter entdeckt, wittert er seine große Chance. In dem Büro liegt eine Menge Bargeld. Das allein zu klauen, wäre Selbstmord. Aber auf dem Schreibtisch befinden sich auch Disketten mit den Namen von Richtern, Staatsanwälten, Bauräten und ranghohen Polizeibeamten, die auf der Lohnliste von Charles Semper stehen. Gregor weiß: Das ist seine Lebensversicherung. […]“ http://rtl-now.rtl.de/doppelter-einsatz/kinderspiel.php?film_id=2 7607&pro ductdetail=1&season=7. Letzter Zugriff: 20.11.2013. 207 „Sabrina und Ellen müssen den Mord an der schwangeren Tänzerin Janina aufklären. Deren völlig verängstigte Mitbewohnerin Marisa läuft zunächst vor den Kommissarinnen weg und bleibt dann schweigsam. Janina hatte ihre Sachen für einen Auszug gepackt. Die beiden jungen Frauen arbeiteten in der Bar des Zuhälters Christopher. Der reagiert auf die Nachricht entsetzt: Janina war seine Freundin, doch von der Schwangerschaft hatte er angeblich keine Ahnung. Wurde er zum Mörder aus Eifersucht? Sein Vorstrafenregister macht ihn zum Hauptverdächtigen. Doch Janina wurde kurz vor ihrem gewaltsamen Tod auch mit zwei Polizeibeamten gesehen, die sich bisher nicht gemeldet haben. Sabrina ist zufällig dabei, als Cosima, eine flüchtige Bekannte, die Todesnachricht ihrer Eltern erhält. Sabrina kümmert sich um das junge Mädchen, das wenig später Sabrina um Hilfe bittet. Cosima hat herausgefunden, dass sie adoptiert wurde. Mit einer illegalen Recherche im Polizeicomputer hilft Sabrina Cosima bei der Suche nach ihrer leiblichen Mutter. Cosima findet dank der Daten von Sabrina ihre Mutter Christina Wagner. Doch sie erlebt eine herbe Enttäuschung: Christina will nicht mit ihr zu tun haben. Als Sabrina Cosima besuchen will, findet sie das Mädchen mit aufgeschnittenen Pulsadern. Cosima wollte mit der Ablehnung durch ihre leibliche Mutter nicht weiterleben. Von Sabrina erfährt Christina Wagner, was passiert ist. Die Nachricht von dem Selbstmordversuch schockiert sie. Ihr Mann, der Polizist Robert, wusste nichts von Christinas Schwangerschaft vor der Ehe. […]” http://rtl-now.rtl.de/doppelter-einsatz/toedliche-wahrheit.php?film_id=28971& product detail=1&season=10. Letzter Zugriff: 10.11.2013, 21:23Uhr.

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die oben dargelegten Beispiele einen Bruch in diesem Bild, vor dessen Hintergrund auch Sabrinas soziale Konstruktion als lediglich postfeministisch bezeichnet werden muss.

4.4 W EIBLICHE R HETORIK Bereits das vorherige Kapitel hat sich mit der Thematik des geschlechtsspezifischen Sprachverhaltens befasst. Dabei richtete sich die Analyse primär auf die männliche Rhetorik. Die Genese der Diskussion geht einher mit Lakoffs 1973 veröffentlichten Aufsatz „Language and Woman’s Place“. Lakoff stellt darin die These auf, dass sich männliche und weibliche Rhetorik differenzieren. Nach Lakoff zeichnet sich das weibliche Sprachverhalten durch folgende Merkmale aus: • Frauen besitzen im Gegensatz zu Männern einen differenzierteren Wortschatz

im trivialen Bereich der Farbbezeichnungen. • Frauen verwenden schwächere Ausrufe oder Kraftausdrücke als Männer. • Frauen verwenden Adjektive, die Assoziationen von Frivolität und Trivialität

erwecken. • Frauen stellen häufig Fragen und verwenden angehängte Frageformen. • Frauen neigen zur Verwendung von Unschärfemarkierungen. • Frauen drücken sich höflicher aus als Männer.208

Während Männersprache zur Normsprache erhoben wird209, stellt das weibliche Sprachverhalten die gesellschaftliche Machtlosigkeit von Frauen dar, da Frauen einer verbalen Diskrimination ausgesetzt sind.210 Diese, so Lakoff, zeigt sich auf zweierlei Weise: „in the way they are taught to use language, and in the way general language use treats them. Both tend, as we shall see, to relegate women to certain subservient functions: that of sexobject, or servant; and that therefore certain lexical items mean one thing applied to man, another to women, a difference that cannot be predicted expect with reference to the different roles the sexes play in society”.211

208 Lakoff in der Übersetzung von Braun 2004, S. 13f. 209 Vgl.: Oppermann/Weber 2008, S. 14. 210 Vgl.: Lakoff 1973, S. 46. 211 Ebd.

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Auch Trömel-Plötz stimmt dieser Beobachtung zu und bezeichnet die weibliche Sprache gar als Handicap.212 Sowohl Lakoffs als auch Trömel-Plötzes Thesen werden mittlerweile durch empirische Studien gestützt, die folgende Tendenzen ergeben haben: • Frauen orientieren sich in Aussprache und Grammatik an der hochsprachlichen • • • • • •

Norm. Frauen sind höflicher und indirekter als Männer. Frauen sprechen andere häufig mit Namen an. Frauen stellen mehr Fragen. Mithilfe abschwächender Formulierungen geben Frauen ihren Aussagen eine zurückhaltende Form. Als Zuhörerinnen bekunden Frauen durch Minimalreaktionen wie hm, ja oder genau ihr Interesse an den Äußerungen anderer. Frauen nutzen einen kooperativen Gesprächsstil.213

Mulac fasst die weibliche Sprechweise folgendermaßen zusammen: • • • • • • • • • •

intensivierende Adverbien Bezugnahme auf Gefühle Nebensätze durchschnittliche Satzlänge satzeinleitende Adverbialangaben Unsicherheitsverben Oppositionen Negationen abschwächende Formulierungen Fragen214

Die weibliche Rhetorik ist somit durch Verstärkungspartikel, Rückversicherungsfragen, längere Sprechanteile sowie emotionsbezogene Aussagen und unvollständige Sätze gekennzeichnet. Diese typisch femininen Formen bestimmen gleichzeitig das Bild und die charakteristischen Vorstellungen der Genus-Gruppe Frau.

212 Vgl.: Oppermann/Weber 2008, S.14. 213 Braun 2004, S.15. 214 Mulac zitiert nach Braun 2004, S.15.

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Mit Rückversicherungen, so Newcombe und Arnkoff wird ein wärmerer und höflicherer Charakter assoziiert215, gleichzeitig wird der Person eine niedrige Intelligenz zugeschrieben.216 Nach Gottburgsen stellt sich das weibliche Stereotyp wie folgt dar: Tabelle 5: Das weibliche Sprachstereotyp Diagnostizität hoch

mittel

215 Vgl.: Gottburgsen 2004, S.31 216 Vgl. ebd.

weibliches Sprachstereotyp Thema Kochen/Haushalt Thema Mode/Kleidung melodisch sprechen Verkleinerungsformen tratschen Thema Kinder gefühlsorientiert sprechen sich entschuldigen Aussagen fragend formulieren Zuhören persönliche Themen andere im Gespräch berühren emphatische Adjektive danken/bitten verschränkte Körperhaltung verschönernd/gefällig sprechen abschwächend formulieren sich für andere interessieren Mimik einsetzen kooperativ/kompromissbereit Sprechen harmonisierend sprechen Lächeln in Gesprächen Kontakt suchen Blickkontakt suchen sich an unterschiedliche Kommunikationssituationen anpassen Fragen

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breite Themenvielfalt kleine Gruppen bevorzugen andere anblicken in großen Gruppen zurückhaltend sein indirekt sprechen grammatikalisch korrekt sprechen Abschwächungsmechanismen Unschärfemarkierer Gestik variationsreich sprechen unterschiedliche Kommunikationsstile beherrschen deutlich sprechen

Quelle: Gottburgsen 2002, S. 103ff.

Bereits in Kapitel 3 wurde anhand der beiden Dialogszenen zwischen Ben und Frau Krüger sowie Semir und Frau Dr. Schrankmann aufgezeigt, dass die oben dargelegten Aussagen nicht verallgemeinert betrachtet werden können. Oppermann und Weber stimmen dieser Feststellung zu. Sie argumentieren, dass Frauen in Führungspositionen sehr wohl eine männlich konnotierte Sprache beherrschen. Mit der Aneignung dieses Sprachaktes geht, so Oppermann und Weber, eine veränderte Sichtweise auf den Geschlechtscharakter einher. Frauen werden dementsprechend als unfreundlich und streng beschrieben.217 Dies wird auch als Margaret-Thatcher-Effekt bezeichnet.218 Anhand ausgewählter Szenen der TV-Krimiserie „Doppelter Einsatz“ soll nachfolgend untersucht werden, inwieweit sich Sabrina und Ellen des stereotyp weiblichen Sprachaktes bedienen und inwieweit Elemente des männlichen darin einfließen. Der Feststellung folgend, dass Frauen ihre Instrumentalität im Verlauf der letzten Jahrzehnte erweitert haben, gilt es festzustellen, ob sich dementsprechend auch ihr Sprachakt instrumentalisiert hat. Dass es den TV-Kriminalkommissarinnen durchaus möglich ist, ebenso aggressiv und dadurch effektiv durch und mit Sprache zu handeln, wie den Männern,

217 Vgl.: Oppermann/Weber 2008, S. 14. 218 Vgl. ebd., S. 20.

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wird in der Folge „Mord auf dem Stundenplan“219 (Staffel 11, Folge 2, 11.01.2005, 22:15 Uhr, RTL) deutlich. Sabrina wird in einer verdeckten Ermittlung als Vertretungslehrerin für die getötete Lehrerin Frau Gehrke in der Sport-AG eingesetzt. Aufgrund einer Rauferei zwischen den Schülern kommt es gleich zu Beginn der Stunde zu einer kurzen Auseinandersetzung zwischen Sabrina und zwei Schülern. Die sich wie folgt darstellt: Junge I: „Hey, was wollen Sie hier?“ Sabrina reagiert nicht auf den Jungen: „Meine Name ist Nikolaidou. Ich übernehme die Sport-AG von Frau Gehrke.“ Junge II: Nikouuulaiduuu!

Alle Lachen verächtlich über Sabrinas Nachnamen. Junge II: „Was ist denn das für ‘n Name?“ Sabrina: „Griechisch.“ Junge II: „Da, wo ich herkomme, fressen wir Griechen zum Frühstück.“220 Sabrina hält kurz inne: „Ich weiß ja nicht, wo du herkommst. Ich komme aus St. Pauli. Mein Vater hat zwar auch immer zu mir gesagt, ich soll den Türken eins in die Fresse

219 „In einer Gesamtschule in Sankt Georg ist Lehrerin Gehrke ermordet worden. Da ein Grossteil [sic] der infrage kommenden Täter gleich maskiert war – die Schule probte ein japanisches Theaterstück, indem [sic] die Figuren gleiche Masken und Umhänge tragen – gestaltet sich die Aufklärungsarbeit für Sabrina schwierig Auserdem [sic] hat Sabrina Schwierigkeiten mit ihrer Kollegin Karoline – die sollte eigentlich nur Ellen, Partnerin im Dienst und Freundin von Sabrina vertreten – doch Ellen und ihre Familie kommen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben und so muss Sabrina sich mit Karoline anfreunden. Karoline und Sabrina steigen undercover als Lehrerinnen in die Ermittlungen

ein.“

http://rtl-now.rtl.de/doppelter-einsatz/mord-auf-dem-stunden-

plan.php?film_ id=29032&productdetail=1&season =11. Letzter Zugriff: 12.02.2012. 220 Doppelter Einsatz. Mord auf dem Stundenplan, 0:22:58.

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hauen. Das hat aber nie geklappt. Die sind immer zu schnell abgehauen, wenn se mich gesehen haben.“

Allgemeines Gelächter unter den Schülern. Junge II: „Also, wenn ich Sie sehen würde, würd ich auch weglaufen.“

Gelächter. Sabrina leise, bedrohlich: „Weißt du, das ist manchmal nicht das Schlechteste. Frau Gehrke hätte das vielleicht gerettet.“

Stille. Junge II: „Was soll das?“ Sabrina schaut die Schüler eindringlich an, geht dann an allen vorbei: „Eigentlich wollte ich Ihnen vorschlagen, das Training heute zu streichen, aber Sie machen mir nicht den Eindruck, dass Sie vom Tod meiner Vorgängerin besonders betroffen sind.“ Junge I hochmütig: „Die Schlampe hat gekriegt, was sie verdient. Schlägt die Fäuste zusammen. So einfach ist das.“ Allgemeine Bejahung der Aussage.221

Deutlich zeigt sich, dass Sabrina sehr wohl in der Lage ist, auf die gleiche raue Art und Weise zu sprechen, wie die männlichen Jugendlichen, mit denen sie sich in dieser Szene auseinandersetzen muss. Ihre Syntax ist kurz. Ihre Antworten sind scharf und auf den Punkt gebracht formuliert. Ihre Aussagen lassen keine Zweifel über ihren Gefühlszustand aufkommen, wodurch sie auf ihr Gegenüber bedrohlich wirkt. Dies ist daran zu erkennen, dass beide Gesprächspartner sehr verunsichert wirken. Eine ähnliche Situation ergibt sich nur wenig später. Innerhalb der Sportstunde kommt es abermals zu einer Auseinandersetzung zwischen den Schülern, die Sabrina erneut unterbricht. Sabrina: „Hey Leute, das ist Basketball und kein Rugby!“ Junge I: „Ich spiel das so, wie ich das will.“

221 Doppelter Einsatz. Mord auf dem Stundenplan, 0:22:46-0:23:41

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Sabrina: „Falsch. In meiner Stunde spielst du das so, wie ich das will, Dicker.“

Allgemeine Buhrufe. Junge I geht auf Sabrina zu. Junge I: „Hast du gerad‘ Dicker zu mir gesagt, Schlampe?“ Sabrina: „Hast du gerad‘ Schlampe zu mir gesagt Dicker?“ Junge I schupst Sabrina und droht ihr: „Pass auf! Pass bloß auf, was du sagst.“

Sabrina packt ihn am Arm und dreht diesen auf den Rücken. Der Junge geht vor Schmerzen in die Knie. Sabrina: „Eigentlich wollte ich dir empfehlen, besser dein Gehirn einzusetzen, als deine Kraft. Aber ich befürchte, da gibt es nicht viel einzusetzen. Sie schmeißt ihn platt auf den Boden. Ab jetzt wirst du immer höflich und respektvoll mit mir umgehen. Sonst brech‘ ich dir erst die eine und dann die andere Hand. Und dann muss immer einer von deinen Kumpels mit, wenn du zum Pinkeln gehst. Und dann sehen alle, dass dein Gehirn nicht das Kleinste an dir ist.“

Sabrina lässt den Jungen los. Er springt auf und geht erneut auf Sabrina los, um sie zu schlagen. Sabrina: „Na los. Versuch’s ruhig, wenn du rausgetragen werden willst.“ Junge I: „Hey, was bist denn du für’n scheiß Lehrer? Du darfst mich gar nicht schlagen. Das ist gegen die Vorschriften, ey!“ Sabrina: „Ich halt mich nicht an Vorschriften. Oder was glaubst du, warum die mich an diese scheiß Schule hier versetzt haben? – Und ab jetzt heißt es „Sie“! So, ich glaub‘, für heute habt ihr genug gelernt.“222

Erneut muss Sabrina den „Rough Talk“ anwenden, um sich mit ihrem Gesprächspartner auf dieselbe Stufe zu begeben. Und gerade in dieser Begebenheit liegt der Unterschied zur rein männlichen Sprechweise. Männer unter sich verwenden, so Lakoff, grundsätzlich diese grobe Kommunikationsvariante, während Frauen dies vermeiden. Um jedoch dieselbe Kommunikationsebene zu erreichen, müssen sich

222 Gesamtdialog: Doppelter Einsatz. Mord auf dem Stundenplan, 0:26:01-0:27:06.

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Frauen in manchen Situationen auf die Ebene des „Rough Talk“ hinablassen, so wie es Sabrina in den beiden oben aufgeführten Szenen getan hat. Hierdurch erreicht sie eine direkte Kommunikation mit ihrem männlichen Gesprächspartner. Gepaart mit einem non-verbalen „Rough Talk“ in Form von körperlicher Gewaltanwendung kommuniziert sie direkt und unmissverständlich mit ihrem männlichen Gesprächspartner. Weitere Beispiele für ein maskulines Sprachverhalten lassen sich auch in den Folgen „Tödliche Wahrheit“, „Herz der Finsternis“223 (Staffel 9, Folge 4, 29.01.2003, 22:15 Uhr, RTL) und „Die Wahrheit stirbt zuletzt“ finden. In „Tödliche Wahrheit“ verliert Sabrina während der ersten Befragung des Zuhälters Christopher ihre Beherrschung und schreit den mutmaßlichen Täter an: „Jetzt hören Sie mal auf mit dem Scheiß! Ihre Freundin ist brutal umgebracht worden. (immer lauter werdend) Also helfen Sie uns gefälligst!“224 Aber auch Ellen nutzt eine äußerst aggressive und laute Sprechweise, nachdem sie erfahren hat, dass ein Kollege gegen die Dienstvorschriften verstoßen hat. Ellen: „Sag mal, spinnt ihr jetzt neuerdings alle? lauter werdend Das sind interne Daten, die dürfen nicht mal wir uns ansehen.“ Kollege: „Na, wie sollen wir die Polizisten sonst finden? Ich kann ja schlecht mit der Zeugin von Revier zu Revier fah…“ Ellen sehr wütend und aggressiv: „Dilba, das fällt unter Datenschutz! Schon mal was davon gehört? Man, ich begreif‘ so was einfach nicht.“ Ellen verlässt wütend den Raum.225

Dieser kurze Dialog zwischen Ellen und ihrem Kollegen Dilba zeigt nicht nur, dass Ellen äußerst aggressiv auf den Dienstverstoß reagiert, der eigentlich nur dem

223 „Ein rätselhafter Mord beschäftigt die Kommissarinnen vom KK15. Die Staatsanwältin Ines Blum wurde von einem unbekannten Täter in ihrer Wohnung erstochen. Die Polizei wird noch vom Tatort aus von einer Frau benachrichtigt, die die Tat gesteht und dann verschwindet. Erste Tatverdächtige ist die Gerichtszeichnerin und Malerin Kirsten. Ines Blum hatte kurz vor ihrem Tod mit Kirsten Schluss gemacht. Kirsten rastete vor Zeugen aus.“ http://rtl-now.rtl.de/doppelter-einsatz/herz-der-finsternis.php ?film_id=27660&productdetail=1&season=9. Letzter Zugriff: 17.02.2013. 224 Doppelter Einsatz. Tödliche Wahrheit, 0:26:56. 225 Doppelter Einsatz. Tödliche Wahrheit, 0:48:08-0:48:17.

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Zwecke der Aufklärung eines Mordes gedient haben sollte, sondern dieser Dialog enthält noch ein Detail, welches mehr dem männlichen Sprachverhalten entspricht als dem weiblichen: das Unterbrechen.226 Das Unterbrechen von Gesprächen wird hauptsächlich von männlichen Gesprächsteilnehmern durchgeführt, während Frauen diejenigen sind, die unterbrochen werden. Insgesamt kann Ellens Sprachakt in der oben dargelegten Szene als aggressiv, dominant und autoritär bezeichnet werden und entspricht somit dem männlichen Sprachverhalten wie es Gottburgsen typologisiert227. In „Herz der Finsternis“ lässt sich eben dieser Sprachakt des Unterbrechens auch bei Sabrina wiederfinden. Während eines Gesprächs mit dem Anwalt eines mutmaßlichen Mörders lässt sich Sabrina abermals dazu verleiten, ihre Beherrschung zu verlieren, was sich im weiteren Verlauf der Folge zu ihrem Nachteil entwickelt. Obwohl sie den Anwalt Dr. Droemer weder anschreit noch sonderlich ausfallend ihm gegenüber wird, wird ihr Sprachakt sowohl durch einen dominanten Unterton als auch durch Unterbrechungen bestimmt.228 Auch zahlreiche Kraftausdrücke wie „Scheiß“, „scheiße“ oder „Arschloch“ treten immer wieder im Sprachgebrauch der beiden TV-Kriminalkommissarinnen auf. Als ein Beispiel für die vulgäre Ausdrucksweise kann die Folge „Familienbande“ angesehen werden. Hier kommt es am Tatort zu folgendem Dialog229 zwischen Sabrina und ihrer Kollegin. Sabrina wütend: „Arschloch, von dir lass ich mir nicht sagen, wie ich arbeiten soll. Ellen sehr aufgeregt: „Wir geben nicht auf.“ Sabrina wütend, aggressiv: „Ne, da kannst du Gift drauf nehmen. Das check ich noch. Der Sack interessiert sich ja nicht dafür.“230

Zudem ist festzustellen, dass das maskuline Sprachverhalten verstärkt dann zum Tragen kommt, wenn sich die Ermittlerinnen in Verhörsituationen befinden. Dabei ist es primär Sabrina, die die Verhöre leitet und dabei sowohl physisch als auch

226 Vgl.: Braun 2004, S. 15. 227 Vgl.: Gottburgsen 2002, S. 103ff. 228 Vgl.: Doppelter Einsatz. Herz der Finsternis, 0:24:40-0:24:54. 229 Diesem Dialog ging eine Diskussion mit dem LKA voraus, welches die Kriminalkommissare vom KK15 von dem Fall abziehen möchte. 230 Doppelter Einsatz. Familienbande, 0:34:00-0:34:24.

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verbal ihre Aggressionspotential entfaltet.231 Gleichzeitig muss aber auch von einer gewissen Rationalität und Kühle gesprochen werden, mit der die Kriminalkommissarinnen und hier erneut in erster Linie Sabrina an die besagten Verhöre herangeht und diese leitet. Es lassen sich aber auch Situationen ausfindig machen, in denen sich sowohl Sabrina als auch Ellen der weiblichen Sprechweise bedienen. Hauptsächlich finden diese Dialoge dann statt, wenn es um emotionale Momente geht, wie zum Beispiel die Familie oder das Wohlergehen der Partnerin. Beispielhaft dafür steht das bereits unter Punkt 4.3.3 dargelegte Gespräch zwischen Ellen und ihrem Sohn Julian.232 Hier sind bei Ellen eindeutig weibliche Sprachmerkmale festzustellen, wie das Einbringen von Kosenamen und Diminutiva wie Spätzchen.233 Ferner lässt sich feststellen, dass Ellen sich häufig für die aggressive und ruppige Art ihrer Kollegin entschuldigt und sich zumeist nach Befragungen für die Geduld des Befragten bedankt.234 Bei Sabrina ist der weibliche Sprachakt hingegen nicht so deutlich ausgeprägt und festzumachen wie bei Ellen, jedoch lassen sich auch bei ihr unterschiedliche Sprachweisen bemerken, die sich primär in der Verwendung eines sanften Tonfalls und einer ruhigen Sprechweise sowie dem Auslassen von vulgären Ausdrücken niederschlagen.235 Somit wird auch anhand des Sprachverhaltens deutlich, dass Sabrina diejenige der beiden Ermittlerinnen ist, die sich durch ihre Sprech- und Ausdrucksweise stärker an den männlichen Sprachakt anlehnt. Zu Abweichungen von diesem Verhalten kommt es nur in Situationen, in denen starke Emotionen, wie mütterliche Gefühle und Besorgtheit involviert sind. Gegensätzlich verhält sich das Sprechverhalten bei Sabrinas Kollegin Ellen. Ihr Sprechakt weist eine viel stärker ausge-

231 Vergleiche diesbezüglich Folgen wie „Familienbande“, „Die Wahrheit stirbt zuletzt“, „Herz der Finsternis“ oder „Mord auf dem Stundenplan“. 232 Vgl.: Kapitel 4.3.3. 233 Vgl.: Doppelter Einsatz. Die Wahrheit stirbt zuletzt, 1:20:29-1:05:03. 234 Besonders deutlich wird dies beispielsweise in der Folge „Herz der Finsternis“. Nachdem Sabrina den Anwalt Dr. Droemer im Gerichtsgebäude verbal angegriffen hatte, entschuldigt sich Ellen für das Benehmen ihrer Kollegen und bedankt sich zugleich für seine Kooperationsbereitschaft. 235 Deutlich wird dies beispielsweise in mehreren Konversationen zwischen Sabrina und Ellen in der Folge „Tödliche Wahrheit“. Auch hier ergibt sich der weibliche Sprachakt aus der Situation heraus. Sabrina glaubt nämlich, dass ihre Kollegin Ellen erneut schwanger ist und macht sich daher Sorgen um ihr Wohlergehen. Dies drückt sich unter anderem durch eine ruhige und sanfte Sprechweise aus.

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prägte Expressivität auf, wobei auch bei Ellen Anleihen des männlichen Sprachverhaltens vorzufinden sind, die sich durchaus mit der beruflichen Sozialisierung erklären lassen.

5. Gemischtes Doppel – Eine plurale Geschlechtskonstruktion?

Kennen seine Mannheit, wahren seine Weibheit, wird man zum Strombett der Zeit.1

Nach Schätzungen der Veranstalter der Berliner Ausstellung „Die Kommissarinnen“ haben mittlerweile mehr als 100 Schauspielerinnen die Rolle einer Ermittlerin gespielt. Die meisten von ihnen betraten ab den 1990er Jahren den Bildschirm. Aber auch im neuen Jahrtausend sind sie in dieser Rolle vertreten, was nicht zuletzt durch den Ausbau der „TATORT“-Reihe, aber auch durch Serienformate wie „Doppelter Einsatz“ (RTL) oder „Das Duo“ (ZDF) unterstützt wurde. Dabei treten sie sowohl als Einzelkämpferinnen als auch im Team mit einem gleichgeschlechtlichen oder männlichen Partner auf.2 Assistentinnen sind heute die wenigsten von ihnen, und wenn doch, dann sind sie „nur noch selten vom augenblinkernden, aufopferungsvollen Schlag, sondern – genau wie viele ihrer männlichen Kollegen – frustriert, wenn sie immer nur den Routinekram machen dürfen.“3 Es scheint, dass im deutschen TV-Krimi die Gleichberechtigung Einzug gehalten hat. So ermittelt im Spin-Off4 „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ im Gegensatz zur Mutterserie „Alarm für Cobra 11“ mit den Kriminalkommissaren Frank Traber und 1

Lau-Dse: Führung und Kraft aus der Ewigkeit (Dao dö ging). Berlin 2001, S. 21.

2

Vgl.: Sichtermann/Kaiser 2005, S. 90

3

Ebd., S. 91

4

Sogenannte Spin-Off-Serien sind in den letzten Jahren von den deutschen Fernsehsendern vermehrt eingesetzt worden, um den bisherigen Marktanteil zu sichern. Bei diesen Serien geht es um die Weiterentwicklung bereits vorhandener oder den Aufbau neuer

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Susanna von Landitz ein gemischtgeschlechtliches Paar. Dabei verzichtet die Produktionsfirma Action Concept nicht darauf, auf diesen Umstand werbewirksam aufmerksam zu machen. Auf der Internetseite heißt es dazu: „Susanna und Frank sind wie Katz und Maus. Und so zelebriert das gegensätzliche Actionteam bei ihren Ermittlungen den ewigen Kampf der Geschlechter.“5 In der nachfolgenden Analyse der TV-Serie „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ wird abweichend von der bisherigen Betrachtungsweise gleichgeschlechtlicher Kooperationspartner die soziale Konstruktion des gemischtgeschlechtlichen Ermittlerpaares Frank und Susanna in den Vordergrund gestellt. Dabei finden folgende Aspekte besondere Beachtung: 1. 2.

orientiert sich die Darstellung der beiden Ermittler am traditionellen Stereotypinhaltsmodell? oder kommt es durch die Zusammenarbeit der nicht geschlechtshomogenen Partner zur Herausbildung einer pluralen Geschlechtsidentität?

5.1 G EMISCHTGESCHLECHTLICHE E RMITTLERDUOS DEUTSCHEN TV

IM

Die geschlechtliche Gleichstellung hielt mit Beginn der 1970er Jahre auch Einzug in die Krimiwelt des deutschen Fernsehens, zumindest insofern, als dass vermehrt Frauen als TV-Kommissarinnen zu sehen waren, auch wenn ihnen anfänglich hauptsächlich die Rolle der Kommissarsassistentin zukam, so wie Helga Lauer

Formate. Dabei werden Elemente oder Figuren aus der sogenannten Mutterserie übernommen, wodurch auf bereits existierende Formate aufgebaut werden kann. Meistens fungiert dabei die Popularität einer bereits existierenden Figur aus der Mutterserie als Starthilfe für die neue Serie. Vgl.: Petersen, Rüdiger; Hans J. Wulff: Spin-Off: von der Bedeutung des „Fortspinnens“ für die Programmentwicklung des Fernsehens. In: Fischer, Ludwig (Hg.): Programm und Programmatik. Kultur- und medienwissenschaftliche Analysen. Konstanz 2005, S. 339-356; hier: S. 340. Im Fall von „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ wurde aus der sogenannten Mutterserie das Kommissariat der Autobahnpolizei mitsamt seiner Mitarbeiter übernommen. Lediglich Semir und sein Partner erscheinen nur in der Pilotfolge zur Spin-Off-Serie. 5

http://www.actionconcept.com/site/de-produktionen-serien-cobra11-team2.html, 12.09.2013, 17:53 Uhr.

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aus der TV-Krimiserie „Der Kommissar“. Sie besorgte Bleistifte, vermittelte Telefonate, überprüfte Passagierlisten und führte die Mode der ausgehenden 1960er Jahre und beginnenden 1970er Jahre vor.6 Im Grunde war sie nicht mehr als das Mädchen für alles oder, wie ein Tatverdächtiger einst sagte, „Sie ist doch nur die Tippse.“7 Insgesamt half Lauer in 18 Fällen der Serie bei den laufenden Ermittlungen. Doch ihre Auftritte waren „wenig erinnernswert“8, denn Lauers soziale Geschlechtsidentität stand dabei ebenso in der Tradition der 1960er/70er Jahre wie die ihrer männlichen Kollegen. Dies bedeutet, dass beide sich an den jeweils zeitgemäßen Geschlechterrollenentwürfen und den ihnen anhängigen Geschlechtscharakteren orientierten, in deren jeweiligem Mittelpunkt stets der rational denkende männliche Kommissar stand, während seine Gehilfin zurückhaltend im Hintergrund oder vom Schreibtisch aus agierte. Für einen weiblichen Kommissar bot die sozial geteilte Verhaltenserwartung dieser Zeit noch keinen Platz, denn insbesondere die 1950er und 1960er Jahre trugen massiv dazu bei, dass die Rollenverteilung und mit ihr die Erwerbstätigkeit stark auf das jeweilige Geschlecht ausgerichtet wurden. Dies hatte zur Folge, dass Frauen, die während des Zweiten Weltkrieges Männerberufe ausgeübt hatten, nun wieder in ihre traditionellen weiblichen Arbeitsfelder wie Haushalt und Kindererziehung zurückkehrten, während Männer die Erwerbsarbeit als ihr Monopol beanspruchten.9 Helga Lauer wird den wenigsten ZuschauerInnen in Erinnerung geblieben sein. In Folge 26 der westdeutschen Erfolgskrimiserie „Der Kommissar“ stieg sie enttäuscht aus.10 Dabei war ihr Ausstieg nicht ganz freiwillig. Produzenten und Drehbuchautor hatten beschlossen, den männlichen Assistenten von Kommissar Keller mehr Spielraum für die Entfaltung zu geben.11 Diese Umstrukturierung führte mit sich, dass es für eine Assistentin, die „ohnehin meist nur dekorativ in der Ecke stand“12, keinen eigenen Schreibtisch besaß und primär die Ermittlungsergebnisse abtippte,13 keinen Platz mehr gab. Der Serie blieb zwar mit Fräulein Rehbein eine andere weibliche Person erhalten, doch auch sie war in erster Linie nicht mehr als die ewige Sekretärin. 6

Vgl.: Kubitz 2004, S. 166.

7

Ebd.

8

Vgl. ebd.

9

Vgl.: Lück, Detlev: Der zögernde Abschied vom Patriarchat – der Wandel von Geschlechterrollen im internationalen Vergleich. Berlin 2009, S. 46f.

10 Vgl.: Grote 2003, S. 34f. 11 Vgl. ebd., S. 35. 12 Kubitz 2004, S. 166. 13 Vgl. ebd.

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Erst Mitte der 1970er Jahre erschienen mit den Figuren Vera Arndt von „Polizeiruf 110“ und Marianne Buchmüller die ersten beiden TV-Kommissarinnen auf den Fernsehbildschirmen, die eigenständig ihre Ermittlungen durchführten.14 Beide Charaktere wurden als Einzelkämpferinnen15 angelegt, denen zwar ein Team unterstellt war, welches jedoch nicht als gleichberechtigt angesehen werden sollte. Erst 1991 trat das erste gemischtgeschlechtliche Team seinen Dienst an. Bis dahin bestanden die arbeitsorganisatorischen Kooperationsgemeinschaften primär aus Männern. Als das wohl berühmteste Ermittlerpaar des deutschen Fernsehens gelten in diesem Zusammenhang Derrick und sein Partner Inspektor Harry Klein. Doch es fällt schwer, die beiden tatsächlich dieser Kategorie zu zuordnen, wenn mit den Begriffen „Ermittlerpaar“ oder „Kooperationspartner“ ein gleichberechtigtes Verhältnis hinsichtlich Position und Arbeitsaufwand innerhalb dieses Gefüges impliziert werden soll. Denn von Anfang an herrschte ein Ungleichgewicht zwischen den beiden Ermittlern, welches mehr den Eindruck eines Dominanz-AutoritätsVerhältnisses16 hinterließ als den einer arbeitsorganisatorischen Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Partner in einer ausgewogenen Kooperationsgemeinschaft. Ausschlaggebend für diese Feststellung ist Derricks stete Forderung gegenüber Harry, den Wagen zu holen, was auf die Rolle eines Untergebenen hindeutet und den Eindruck einer Herr-Knecht-Beziehung vermittelt.17 Erst im Verlauf der 1990er Jahre veränderten sich diese Hierarchieverhältnisse.18 Im „TATORT“ drückte sich dies durch die verstärkte Präsenz von gleichberechtigten19 und damit auch gleichwertigen Ermittlerteams aus. Das erste offizielle Kooperationspaar des „TATORT“ waren Ivo Batic und Franz Leitmayr.20 Ein Jahr später nahm das Trio Flemming, Koch und Ballauf seinen Dienst auf. Neu dabei war, dass mit Miriam Koch eine Kommissarin ihren Dienst antrat, die gleichberechtigt neben

14 Vgl. hierzu auch Kapitel 4 dieser Untersuchung. 15 Der Begriff „Einzelkämpferin“ steht in diesem Zusammenhang für eine Kommissarin, die nicht Teil eines größeren Teams ist und in diesem auf Anweisung Dritter agiert. Als ‚Einzelkämpferin‘ ist hier eine Kommissarin, die die Rolle der Vorgesetzten ausfüllt, der ein Team unterstellt ist, das ihre Weisungen zu befolgen hat. Über ihre Fähigkeiten, ihre Darstellung oder die Intensität ihrer eigenen Ermittlungen macht der Begriff keine Andeutungen. 16 Vgl.: Zwaenepoel 2004, S. 266. 17 Vgl. ebd. 18 Vgl. ebd., S. 14. 19 Hier im Sinne von gleichwertig in Aufgaben und Ansehen zu verstehen. 20 Vgl.: Wenzel 2001, S. 14.

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ihren beiden männlichen Kollegen ermittelte21 und nicht wie ihre weiblichen Vorgänger nur schmückendes Beiwerk war. Lediglich ihre Schuhe erinnerten an die der kommissarischen Chefsekretärinnen vergangener Zeiten. „Aber unter dem entschlossenen Klang ihrer Pumps auf den Polizeifluren wurde einem alsbald klar, dass das zickige Töchterchen aus besserem Hause mit Beziehungen nach oben eine gute Wahl war.“22 Denn ebenso wie ihre männlichen Kollegen nahm sie ihren Beruf ernst und zeichnete sich als gute Ermittlerin aus.23 Ihre Stöckelschuhe fungierten als Zeichen von Stärke und Durchsetzungskraft.24 Ab 1994 ermittelte dann auch im ZDF mit Verena Berthold und Otto Graber von „Ein starkes Team“25 zum ersten Mal offiziell ein gemischtgeschlechtliches Ermittlerduo. Im selben Jahr erschien beim Privatsender Sat.1 die erste gemischtgeschlechtliche Kooperationspartnerschaft. An der Seite von Polizeihund Rex gingen von nun an Niki Herzog und Marc Hoffmann auf Verbrecherjagd.26 Nur zwei Jahre später bekam auch die taffe Lena Odenthal, bis dato Einzelkämpferin in einer männerdominierten Welt, mit Mario Kopper einen Kollegen und Kooperationspartner zur Seite gestellt. Hiermit wollte man erreichen, dass die Kommissarin von den ZuschauerInnen nicht mehr nur als bloße Actionfigur wahrgenommen werden sollte, sondern als reife, erwachsene Frau und Polizistin.27 21 Vgl.: Wenzel 2001., S. 15. 22 Ebd. 23 Vgl.: Kubitz 2004, S. 171. 24 Vgl.: Wenzel 2001, S. 15. 25 „Seit 1994 ein unzertrennliches Team: Otto ist das sensible und kauzige Raubein, der gerne ein bisschen den Proll raushängen lässt. Verena ist seine wache, eigensinnige und attraktive Partnerin. Beide sind Kinder der Metropole Berlin. Wenn es eng wird, oder einer von beiden den Boden unter den Füßen verliert, kann er sich bei allen Reibereien auf den anderen verlassen. Ohne die Freunde, die Gefährten in der Polizeieinheit, wären Verena und Otto nichts. Man arbeitet zusammen, man lebt zusammen. Jeder würde für die anderen ohne zu zögern sein Leben riskieren.“ http://www.zdf.de/Ein-starkesTeam/Rollenprofile-der-Kommissare-8084082.html. Letzter Zugriff: 22.010.2013. 26 Kommissar Rex wurde erstmals 1994 ausgestrahlt. Rex ist ein cleverer Polizeihund, der in den ersten Folgen an der Seite von Hauptkommissar Richard Moser für die Wiener Mordkommission

arbeitet.

Vgl.:

www.fernsehserien.de/kommissar-rex-1994,

29.12.2013, 18:35 Uhr. Nach Richie Moser und Alexander Brandtner trat mit Niki Herzog und Marc Hoffmann das erste Ermittlerduo an die Seite von Rex. Mit dem neuen Team sollte verstärkt auf die erotische Spannung sowohl zwischen den Partnern als auch zwischen der Ermittlerin und den Verdächtigen gesetzt werden. Vgl.: Kubitz 2004, S. 175. 27 Vgl.: Wenzel 2001, S. 16.

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In den nachfolgenden Jahren bilden sich weitere gemischtgeschlechtliche Ermittlerpaare. Hierzu zählen unter anderem Eva Glaser und Dominik Born, die von 1998 bis 2003 in „Die Cleveren“ 28 (RTL) ermittelten, sowie Nina Metz und Leo Kraft aus „Mit Herz und Handschellen“ (Sat.1) aus dem Jahre 2002.29 Eine Ausnahme stellt die Serie „Der Bulle von Tölz“30 (Sat.1) dar. Hier ermittelt ab 1996 Sabrina Lorenz als Assistentin und nicht als gleichberechtigte Partnerin an der Seite von Benno Berghammer. Dennoch ist sie es, die die meisten Fälle löst.31 Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass es innerhalb dieser gemischtgeschlechtlichen Teams zu einer Veränderung der sozialen Konstruktion gekommen ist, die möglicherweise auf eine androgyne beziehungsweise plurale Geschlechtskonstruktion hindeutet. Plurale Geschlechtskonstruktionen, zu denen potentiell auch 28 „Im Unterschied zu bekannten Krimiformaten steht bei „Die Cleveren“ eine völlig andere Ermittlungsarbeit, das so genannte „Profiling“ im Mittelpunkt: Die schrittweise Offenlegung der Psyche des Täters sowie die Ermittlung des Täterprofils, die schließlich zur Ergreifung führen. Kriminal-Kommissarin Eva Glaser und ihr Kollege, der Polizei-Psychologe Dr. Dominik Born sind „Die Cleveren“. Im Auftrag des BKA sind sie bundesweit als Sonderermittler unterwegs und werden immer dann hinzugezogen, wenn konventionelle Ermittlungsmethoden nicht mehr ausreichen.“ http://www.fernsehserien.de/die-cleveren. Letzter Zugriff: 12.12.2013. 29 Neben den Kriminalkommissarinnen gibt es im deutschsprachigen Fernsehen auch zahlreiche Frauen, die in polizeinahen Berufen zur Aufklärung von Verbrechen beitragen. Hierzu gehören unter anderem Staatsanwältin Wilhelmine Klemm aus dem WDR„TATORT“ Münster. Vgl.: Sichtermann/Kaiser 2004, S. 90. Oder die Gerichtsmedizinerin Renata Lang, die an der Seite von Moritz Eisner seit 1999 im Wiener „TATORT“ für weibliche Verstärkung sorgt. Vgl.: Wenzel 2001, S. 16. In dieser Kooperationsgemeinschaft zeigt sich nochmals deutlich der Wandel von Geschlecht und Erwerbsarbeit, denn auch die Medizin war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine ausschließliche Männerdomäne. 30 „Eigentlich ist Bad Tölz ein friedliches, beschauliches Dörfchen. Doch das Verbrechen macht ja bekanntlich auch nicht vor der Provinz halt. Chefermittler Kommissar Berghammer (Ottfried Fischer) und seine charmante Kollegin Sabrina (Katerina Jacob) haben alle Hände voll zu tun, den Verbrechern das Handwerk zu legen. Mit einer guten Portion Humor und der Hilfe von Mama Resi Berghammer (Ruth Drexel) gelingt dem Bullen diese Aufgabe jede Woche wieder mit Bravour. Benno Berghammer ist kein gewöhnlicher Gesetzeshüter. In Tölz löst der unbestechliche „Bulle“ mit viel Intuition und Witz seine Fälle. Zusammen mit seiner Kollegin Sabrina, lehrt er die Verbrecher das Fürchten – auch wenn er dabei gelegentlich den Pfad der Legalität verlassen muss.“ http://www.sat1.de/bulle/serie/index.html. Letzter Zugriff: 22.12.2013. 31 Kubitz 2004, S. 156.

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die Androgynie gehört, basieren darauf, dass die psychologische Geschlechterorientierung sowohl auf der Maskulinitäts- als auch der Femininitätsdimension anzusiedeln ist. Hierdurch ist es jedem Individuum möglich, unabhängig vom biologischen Geschlecht, einen beliebigen Punkt auf diesen beiden Dimensionen einzunehmen.32 „Waren nach früheren Vorstellungen entweder nur maskuline Männer oder nur feminine Frauen denkbar (alles andere galt als abweichend von der vorgegebenen Geschlechterrolle), so lassen sich anhand der zweidimensionalen Betrachtung jetzt mindestens vier Typen von Personen vorstellen.“33

Diese von Alfermann als „vier Typen“ bezeichneten Geschlechtsidentitäten verteilen sich auf die sogenannten Maskulinen, die überwiegend männlich konnotierte Merkmale und nur wenige weibliche aufweisen, die Femininen, die primär weiblich konnotierte Eigenschaften und weniger männliche haben, sowie die Unbestimmten, die sich auf beiden Dimensionen niedrig einschätzen, und schließlich die Androgynen, die sowohl in hohem Maße mit maskulinen wie auch femininen Merkmalen beschrieben werden. Inwieweit diese neue Betrachtungsweise die Darstellung der AkteurInnen beeinflusste, lässt sich anhand der Abbildung 77 und 78 erkennen. Abbildung 77: Die Partner Lorenz und Berghammer in der „Bulle von Tölz“

Quelle: http://www.wunschliste.de/serie/der-bulle-von-toelz/ galerie. Letzter Zugriff: 25.12.2013.

32 Vgl.: Alfermann 1996, S. 59f. 33 Ebd.

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Abbildung 78: Vertauschte Rollen bei „Die Cleveren“?

Quelle: http://rtl-now.rtl.de/die-cleveren/du-stirbst-wie-ich-eswill.php?film_id=116975&productdetail=1. Letzter Zugriff: 25.12.2014

Abbildung 77 kann auf den ersten Blick mit einem gesteigerten weiblichen Aktivitätspotential assoziiert werden, denn während der männliche Kooperationspartner im Hintergrund zu sehen ist und scheinbar der Befragung nur als stiller Mithörer beiwohnt, ist deutlich ersichtlich, dass die Frau (Sabrina Lorenz) die Befragung durchführt. Anhand dieser Beobachtung ließe sich die Protagonistin dem maskulinen als auch dem androgynen Typ zuordnen. Auf den zweiten Blick kann der im Hintergrund stehende Kommissar aber auch als eine Art Vaterfigur betrachtet werden, welche über die weibliche Person wacht. Durch das hieraus entstehende Hierarchieverhältnis, in welchem die Frau dem Mann untergeordnet wird, muss die Protagonisten wiederum dem femininen Typ zugeordnet werden. Deutlicher wird das Spiel mit pluralen Geschlechterkonstruktionen in Abbildung 78. Während TV-Kriminalkommissarin Eva Glaser demonstrativ ihre Waffe in die Kamera hält, wird ihr männlicher Partner, Dr. Dominik Born, mit Füllfederhalter in der Hand abgebildet, wodurch er dem Bereich der Büroarbeit zugeordnet werden kann, also einem Terrain, das nicht nur allgemein der Frau zugesprochen wird, sondern in dem darüber hinaus sich in der Anfangszeit des deutschen Krimis vorwiegend die Kommissarsassistentinnen aufzuhalten hatte. Sollte sich mit dieser Beobachtung die These stützen lassen, dass es im deutschen TV-Krimi gegen Ende der 1990er Jahre – zumindest in der Arbeitsgemeinschaft gemischtgeschlechtlicher Ermittlerpaare – zu einem Rollentausch oder wenigstens zu einer Angleichung der Geschlechterrollen gekommen ist, durch den beiden Geschlechtern die Möglichkeit eingeräumt wird, gleichberechtigt und damit gleichwertig – ungeachtet aller gesellschaftlichen Erwartungshaltungen und Ressentiments gegenüber Geschlecht und Geschlechtlichkeit – alle anfallenden

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Aufgaben zu erledigen und ohne dabei in die traditionelle Rollenverteilung zu verfallen beziehungsweise gedrückt zu werden? Dies würde bedeuten, dass es im deutschen TV-Krimi zu einer Ansiedlung beider Geschlechter sowohl auf der Maskulinitäts- als auch auf der Femininitätsdimension gekommen wäre. Dieser These lässt sich jedoch folgende Feststellung von Sichtermann und Kaisers entgegenstellen: „Wie stark die TV-Polizistinnen im Einzelfall wirklich sind, muss man Fall für Fall, Folge für Folge analysieren. Oft genug stellt sich dann ziemlich schnell heraus, dass ihre Stärke reine Behauptung ist oder eine einst so provozierend kantige Figur wie Bella Block im Lauf der Zeit immer weiter feminisiert und konventionalisiert wurde und sich immer mehr für ihr Privatleben […] zu interessieren scheint.“34

Inwieweit die Aussage von Sichtermann und Kaiser tatsächlich zutrifft, inwieweit sich also die Gestaltung der Figuren der traditionellen Geschlechterstereotypen bedient oder die gemischtgeschlechtlichen Paare tatsächlich eine Pluralität von geschlechtlichen Identitäten aufweisen, soll nachfolgend untersucht werden.

5.2 P LURALE G ESCHLECHTSIDENTITÄT ? D IE TVE RMITTLER VON „ALARM FÜR C OBRA 11 – E INSATZ FÜR T EAM 2“ In medialen Konzepten tauchen seit einigen Jahren immer wieder plurale Identitätskonstruktionen auf. Zu den bekanntesten zählen wohl die Erscheinungen von Nintendos „Pokémon“ sowie der Piratenkapitän Jack Sparrow aus der Walt Disney-Verfilmung „Fluch der Karibik“, welcher nicht nur visuell Geschlechtspluralität verkörpert,35 sondern auch durch seine soziale Konstruktion, denn „sein Charakter ist durchaus kampflustig, konzipiert, in sehr gefährlichen Situationen jedoch scheut er sich nicht davor, das Weglaufen als die effizientere Konfliktlösung

34 Sichtermann/Kaiser 2004, S. 92. 35 Hertling bezeichnet Sparrows äußeres Erscheinungsbild als geschlechtsuntypisch, da sich der Pirat schminkt und Schmuck trägt. Ferner kann mit Sparrows Körper nicht die typisch männliche Eigenschaft der Kraft und Stärke assoziiert werden. Sparrows verkörpert somit auch visuell nicht das propagierte Bild eines männlichen Superhelden, wie die ZuschauerInnen es von Batman oder Spider Man gewohnt sind. Vgl.: Hertling 2008, S. 58.

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dem Kampf vorzuziehen“.36 Mit anderen Worten: Sparrows soziales Geschlecht entspricht einer pluralen Identität, welche eine ungetrennte Zweiheit männlicher und weiblicher Geschlechtsmerkmale aufweist. Auch in den männlichen und weiblichen Ermittlerteams konnten Ansätze einer pluralen Geschlechtskonstruktion gefunden werden. Inwieweit diese auch Bestandteil der sozialen Konstruktion gemischtgeschlechtlicher Ermittlerteams sind, gilt es nachfolgend anhand des Kooperationspaares Frank Traber und Susanna von Landitz aus der TV-Krimiserie „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“37 zu prüfen. Die Wahl eines gemischtgeschlechtlichen Ermittlerpaares ergibt sich aus dem Umstand, dass männliche und weibliche Charaktermerkmale sowie ihre geschlechtsspezifischen Eigenschaften im direkten Vergleich der geschlechtstypischen Verhaltensweisen von Männern und Frauen als auch in der Interaktion zwischen den Geschlechtern betrachtet werden können. Hierdurch ist es möglich, ein detailliertes Bild der Geschlechtscharakteristika und der Rollenverteilung zu entwerfen, um festzustellen, ob es zu einer Überschreitung der Geschlechtergrenzen kommt, die entweder in der Auflösung der Geschlechterdichotomie oder in einer Vermischung der Geschlechtscharakteristika endet, die im Konzept pluraler Identitätskonstruktion kulminiert, oder aber ob die traditionelle Geschlechterordnung bestehen bleibt. Inwieweit eine Orientierung an tradierten Geschlechterstereotypen in der Konstruktion der beiden Protagonisten von „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ stattfindet, zeigt bereits das erste Zusammentreffen von Susanna von Landitz und Frank Traber in der Folge „Countdown auf der Todesbrücke“38 (Staffel 1, Folge 1, 17.04.2003, 20:15h, RTL). 36 Hertling 2008, S. 59. 37 Die Grundlage der Analyse bilden die in der online-Mediathek des Fernsehsenders RTL zur Verfügung stehenden Episoden der Serie „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“. 38 „Schickt, was ihr da habt! Mit diesem Notruf alarmieren die Straßen-Cops Kranich und Gerkhan ihre Kollegen. Auf der A 540 ist die Hölle los. Mitten in der Massenkarambolage sitzen Susanna von Landitz und Frank Traber (Hendrik Duryn) fest. Er hat mit seinem Motorrad ihr Auto gestreift. Schon ist der dickste Streit im Gange. Dabei sind sie eigentlich Kollegen. Beide waren nämlich auf dem Weg zum neuen Job bei der Autobahnpolizei. Plötzlich steht alles in Flammen: Einer der Unfallwagen ist explodiert. In ihm war ein Sprengsatz versteckt. Kurz darauf meldet sich der Bombenleger bei der Polizei: Er droht, die Autobahntalbrücke in die Luft zu jagen… Mit einem echten Knaller beginnt der Dienst der beiden neuen "Cobra 11"-Cops Landitz und Traber.“ http://www.tvspielfilm.de/kino/filmarchiv/film/alarm-fuer-cobra-11-einsatz-fuerteam-2-countdown-auf-der-todesbruecke,90180,Application Movie.html. Letzter Zugriff: 22.12.2012.

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Die Kamera zeigt eine Frau in einem hellblauen Mercedes Pagode, die auf der Überholspur fährt. Dann schwenkt die Kamera über den Wagen hinweg und nimmt einen Motorradfahrer in den Fokus, der zwischen den fahrenden Autos hindurch von einer Spur auf die andere wechselt. Dabei hupt er die anderen Verkehrsteilnehmer an. Kurz darauf schließt er auf den hellblauen Mercedes auf. Er beginnt zu drängeln und versucht durch erneutes Hupen die Autofahrerin von der Spur zu drängen. Dabei beschimpft er sie als „Grace Kelly für Arme“39. Die Kamera zeigt nun durch den Rückspiegel des Fahrzeuges wie der Motorradfahrer immer näher auffährt. Der Frau entfährt ein „Arschloch“ (Abbildung 79–81). Abbildung 79: Von Landitz in einem Merceds Pagode.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2, 0:01:07.

Abbildung 80: Kommissar Traber als Motorradfahrer.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2, 0:01:24.

39 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:01:31.

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Abbildung 81: Traber versucht von Landitz von der Überholspur zu drängen.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2, 0:01:29.

In dieser Einführungssequenz der beiden TV-Kriminalkommissare zur Folge „Countdown auf der Todesbrücke“ wird Frank nicht nur als Motorradfahrer gezeigt, wodurch automatisch eine Assoziation mit Männlichkeit hergestellt wird, sondern sein Verhalten gegenüber Susanna ist sowohl als hegemonial als auch sexistisch einzuordnen. Dieses abwertende und negative Verhalten gegenüber Susanna wird von dieser zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der Folge „Countdown auf der Todesbrücke“ aufgegriffen. Die beiden Kriminalkommissare befinden sich in Susannas Wohnung. Die Ermittlerin hat Tee gekocht und schenkt Frank diesen gerade ein. Dann setzt sie sich an einen großen Esstisch, während Frank ein wenig unschlüssig im Esszimmer stehen bleibt. Susanna: „Sag mal, hast du eigentlich was gegen Frauen im Allgemeinen, oder nur was gegen mich? Oder was gegen Frauen bei der Polizei?“40

Die Kamera schwenkt zu Frank, der gerade einen Schluck aus seiner Tasse nehmen möchte. Im Close-up ist zu sehen, wie sich sein Gesichtsausdruck verdunkelt. Dann lacht er leicht verlegen. Frank: „Hab’ ich geahnt, dass so was kommt. Ich hatte vor ein paar Jahren auch mal so eine. Kaum ein Jahr später schickt man die auf ‘nen Arztlehrgang und kommt zurück 40 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:49:57.

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und übernimmt die ganze Abteilung. So viel zum Thema Frauen bei der Polizei. ’Ne Frau als Partnerin. Frisch von der Schule, ’ne große Klappe und von nichts Ahnung, ansonsten aber …“ Frank richtet seinen Daumen nach oben.41

Mit dieser Sequenz bestätigt sich zum einen Franks feindselige und vorurteilsbesetzte Einstellung gegenüber Frauen, mehr noch, diese Sequenz demonstriert die bereits in Kapitel 4 angesprochene Problematik des hostilen Sexismus innerhalb der Institution Polizei42 durch Franks Ablehnung und Betrachtung von Frauen bei der Polizei als Konkurrenz. Hierdurch wird die Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Rollen nicht nur begünstigt, sondern vielmehr noch, Frauen werden in diesem Sinne von Männern in eine untergeordnete Position und in eine Stellung mit weniger Macht gedrängt.43 Ein weiteres Beispiel, welches einerseits Franks feindselige Haltung gegenüber Susanna zeigt, andererseits aber auch sein Aggressionspotential und damit eine Gegenüberstellung typisch männlicher und typisch weiblicher Stereotypen generiert, halten die nachfolgenden Sequenzen bereit. Während Frank versucht Susanna mit den Worten „Komm fahr‘ deine Karre rüber, komm!“ zu überholen, löst sich die Plane eines Hängers, der vor Susanna fährt, wodurch die gesamte Ladung auf die Autobahn fällt. Die nachfolgenden Sequenzen zeigen Montagen von bremsenden Fahrzeugen, Auffahrunfällen und zwischendrin Frank, der versucht sein Motorrad zum Stehen zu bringen, dann aber stürzt und, vorbei an Susannas Auto, über die Fahrbahn rutscht. Weitere Autos fahren ineinander, drehen sich und kommen Frank, der schutzlos über die Fahrbahn rollt, gefährlich nahe. Das Horn eines Lkw ist zu vernehmen, das Splittern von Glas, dann ein dumpfer Aufprall. Wir sehen, wie ein Lkw ein stehendes Auto auf einen anderen Lastkraftwagen aufschiebt. Dann schwenkt die Kamera zurück zu Frank, der gerade aufsteht und sich den Dreck von seiner Lederjacke klopft. Auch Susanna ist zum Stehen gekommen und hat ihren Wagen schützend vor Frank gestellt. Sie steigt aus ihrem Auto und läuft zu ihm. Während die Kamera noch einmal zu dem Wagen schwenkt, der zuvor von einem herannahenden Lkw aufgeschoben wurde, und einfängt, wie der Fahrer unbeschadet aus seinem Fahrzeug steigt, ist Susannas Stimme aus dem Off zu hören. Besorgt fragt sie Frank,

41 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:50:05. 42 Vgl.: Kapitel 4, S. 84 dieser Untersuchung. 43 Vgl.: Glick, Peter; Susan Fiske: Hostile and Benevolent Sexism Measuring Ambivalent Sexist Attitudes Toward Women. Psychology of Women Quarterly 21, No.1 (1997), S. 119-135; hier: S. 123.

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ob etwas passiert sei. Schnitt: Wir sehen wie Frank auf Susanna zugeht. Er sieht zornig aus. Dann baut er sich vor Susanna auf und attackiert sie verbal. „Du bist ja wohl weich in der Birne, he? Erst nur rumschleichen und dann noch voll auf die Klötze gehen. Du bist ja wohl völlig bescheuert.“44 In Franks Handlungsweise spiegeln sich deutlich stereotyp männliche Eigenschaften der Aggression, Wut und auch Ungeduld wider. Auch seine Geschlechtsidentität wird, wie bereits die der Kommissare von „Alarm für Cobra 11“, in diesen ersten Sequenzen der Serie durch die Darstellung des typisch männlichen Aggressionspotentials konstruiert, welches sowohl in seiner Körperhaltung wie auch in seinem verbalen Angriff gegenüber Susanna ersichtlich ist. Hervorgerufen wird sein aggressives Verhalten dadurch, dass sich der TV-Kriminalkommissar von Susanna provoziert fühlt, da sie nach seinem Ermessen zu langsam fährt. Diese Aggressionen steigern sich weiter, als die TV-Kriminalkommissarin dazu gezwungen wird, eine Vollbremsung einzuleiten, um nicht mit der verlorengegangenen Fracht, die auf der Autobahn verteilt liegt, zu kollidieren. Da Frank den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat, muss er dem abbremsenden Wagen ausweichen und gerät dadurch ins Schleudern. Beim Versuch, sein Motorrad wieder unter Kontrolle zu bringen sowie den zahlreichen Konservendosen auszuweichen, stürzt er und rutscht über die Fahrbahn. Dieser Sturz, der Franks Aussage zufolge durch eine Frau ausgelöst wurde, kann als Bild der Kastration angesehen werden, durch welche sich Frank erneut provoziert fühlt und diese verspürte Provokation durch stereotyp männliche Handlungen äußert. In Opposition zu Franks männlich konnotiertem Verhalten steht Susannas weibliches. Besorgt um den gestürzten Motorradfahrer stellt sie nicht nur ihren Wagen schützend vor ihn, sondern steigt auch sofort aus, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen, und bestätigt damit die gesellschaftliche Erwartungshaltung über Frauen. Um dies zu präzisieren: Susannas Weiblichkeit wird in dieser Anfangssequenz durch weibliche Zuschreibungen der Expressivität wie „umsorgend“ und „hilfsbereit“ etabliert. Neben dieser verbalen Auseinandersetzung wurde auch die visuelle Darstellung der beiden Kommissare stark auf das Spiel mit Geschlechterstereotypen und Rollenklischees zwischen Mann und Frau ausgerichtet. Franks Figur lässt sich auf

44 Alarm für Cobra 11 – Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:03:11-0:03:18.

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den ersten Blick mit der Symbolik des Machos45 und Rowdies46 verbinden. Hierauf verweisen nicht nur das Motorrad und der riskante Fahrstil, sondern auch Franks Kleidungsstil. Die alte schwarze Lederjacke, ausgewaschene Jeans und die Sonnenbrille unterstreichen Franks Eigenschaft als Motorradfahrer und lassen gleichzeitig deutliche Parallelen zu seinen Charaktereigenschaften wie Aggressivität und Rüpelhaftigkeit zu. Bestätigung findet der erste visuelle Eindruck auch in seiner Wortwahl sowie in der Art der Gesprächsführung, welche dem „Rough Talk“ zugehörig ist. Susanna wird hingegen durch ihr Erscheinen in einem Mercedes-Cabrio Pagode der gehobenen Gesellschaftsschicht zugeordnet. In dem hellblauen Wagen wirkt ihre Erscheinung elegant. Der feminin geschnittene, dunkelrote Hosenanzug mit einem passenden Kopftuch zum Schutz der Haare unterstreicht zusätzlich das weibliche Rollenbild. Von ihrer Umgebung wird sie gar als attraktiv und sexy wahrgenommen.47 Susannas Gesamterscheinungsbild wirkt nicht nur harmonischer und ruhiger als Franks, sondern deutet auch auf einen höheren sozialen Status und die ihm zugehörigen Umgangsformen hin. Folglich können beide TV-Kriminalkommissare in den oben dargelegten Sequenzen durch den Einsatz spezifischer Gender-Marker wie Kleidung, Handlungsweise und Sprachverhalten eindeutig als männlich beziehungsweise weiblich wahrgenommen werden. Dieser Ausschnitt illustriert, wie Weiblichkeit und Männlichkeit durch die Nutzung geschlechtlich markierter Merkmale konstruiert werden. Dabei lässt das Verhalten beider Personen keine Rückschlüsse auf den Verlust ihrer Geschlechtsidentitäten zu. Auf den ersten Blick scheint es sich daher um eine klassische Rol-

45 Macho (sprich: [ˈmatʃo]) wird laut Duden als ein sich übertrieben männlich gebender Mann bezeichnet. Synonyme für Macho sind der Sexist, der Chauvi sowie der Chauvinist und Pascha. Vgl.: http://www.duden.de/rechtschreibung/Macho, 04.12.2013, 11:21 Uhr. Ursprünglich stammt das Wort „Macho“ aus dem Spanischen und ist traditionell mit positiven Eigenschaften belegt. Ein Macho genoss Respekt, er zeigte Courage, Mut und Verantwortungsbewusstsein. Erst durch die Entlehnung des Begriffs, primär im englischsprachigen Raum, wurde es negativ konnotiert. Heutzutage bezeichnet dieser Begriff einen durchaus auch zu Gewalt neigenden Mann. Vgl.: Katz, Jackson: The Macho Paradox: Why Some Men Hurt Women and how All Men Can Help. Naperville 2006, S .4. 46 Als Rowdy (engl. „rowdy” (Subst.) „Rabauke, Schläger“, „rowdy“ (Adj.) „rüpelhaft, gewalttätig“, vgl. „row“ „Krawall, Schlägerei“) wird im Deutschen ein (junger) Mann bezeichnet, der sich in der Öffentlichkeit flegelhaft und gewalttätig aufführt. Vgl.: http://www.duden.de/rechtschreibung/Rowdy. Letzter Zugriff: 04.12.2013. 47 Vgl.: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:01:07.

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lenverteilung im traditionellen Sinne zu handeln, welche sich an den geschlechtstypischen Merkmalen der jeweiligen Genus-Gruppe orientiert. Inwieweit diese Feststellungen auch für den weiteren Verlauf der Serie zutreffen, wird nachfolgend behandelt. 5.2.1 Frank Traber – ein Vertreter traditioneller Männlichkeit? Ebenso wie Ben Jäger aus „Alarm für Cobra 11“ wird auch Frank Traber, Kriminalhauptkommissar beim KK12, in seiner Einführungsszene den ZuschauerInnen in der Eigenschaft als Motorradfahrer vorgestellt und entspricht damit dem Stereotyp eines „bad boys“. Gleichzeitig ist der „bad boy“ ein sehr maskulines Bild, denn „[m]asculinity, in all its traditional forms, has been upheld. In fact, it has been enhanced, reinforced, and pushed to its limits. While it appears as an exaggeration, it reflects quality of strength, ruggedness, and toughness”.48 Mit einem Motorradfahrer werden Aspekte wie Freiheit, Stärke, Kraft, Mut und Ungebundenheit assoziiert. Diese Eigenschaften entsprechen den sozial geteilten Verhaltenserwartungen über Männer. Die Produzenten haben durch dieses Spiel mit den geschlechtstypischen Charakteristiken die Figur eines Kriminalkommissars erschaffen, der dem traditionellen Männerstereotyp entspricht. Damit erfüllt Frank ein wichtiges Kriterium im „Kampf“ um den Erhalt des männlichen Geschlechts, da seine Erscheinung als auch sein Auftreten der Behauptung widersprechen, dass der Mann seine Geschlechtsidentität durch die Verweiblichung der Gesellschaft allmählich verliert.49 Ganz im Gegenteil bekommen die RezipientInnen in diesen ersten Minuten der Folge das Gefühl vermittelt, dass Frank Traber ganz der Vorstellung von Mann und Männlichkeit entspricht und daher als Vertreter der männlichen Genus-Gruppe angesehen werden kann. Ferner werden Motorradfahrer häufig als „bad boys“ dargestellt,50 wodurch sich in Bezug auf Frank Traber ein weiterer und durchaus nicht weniger interessanter Aspekt ergibt. Während der erste deutsche Kriminalkommissar nicht nur die staatliche Ordnung repräsentierte, sondern diese ebenso gewissenhaft wiederherstellte51 und somit als „guter Vater“ für das Wohlergehen der Bevölkerung sorgte, änderte sich mit Schimanski das Bild des TV-Kriminalkommissars. Wie bereits in Kapitel 3 dargestellt, ist Schi-

48 Joans 2003, S. 163. 49 Vgl.: Hollstein, Walter: Was vom Manne übrig blieb. Unter: http://www.streitbar.eu/aufsatz_hollstein.html. Letzter Zugriff: 09.11.2011. 50 Vgl.: Joans 2003, S. 162. 51 Vgl.: Kapitel 3, S. 73 dieser Untersuchung.

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manski der Kategorie des Individualisten zuzuordnen, dessen Handeln als rüpelhaft, ungehobelt und durchaus proletenhaft bezeichnet werden kann.52 Dennoch sind auch diese Eigenschaften Merkmale, die die westlich geprägte Gesellschaft der Kategorie Mann zuschreibt.53 Das Auftreten Frank Trabers in der Einführungssequenz der ersten Folge von „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ greift genau diese geschlechtsspezifischen Eigenschaften wieder auf. Denn Frank Traber repräsentiert in seiner Eigenschaft als Motorradfahrer „both the unkown and the unallowed.“54 Gleichzeitig ist er ein Mann, der Manns genug ist, sich zu nehmen, was er möchte. Präzisiert meint dies, dass Frank sich nicht davor scheut, die Straße als sein Territorium anzusehen und dieses auch zu verteidigen. Frank Traber verkörpert somit Stärke und Durchsetzungsvermögen, aber gerade in der Darstellung seiner Figur und ihrer Einführung als Motorradfahrer wird er gleichzeitig als jemand gekennzeichnet, der durchaus unkonventionell handeln kann. Daher lässt er sich in die Kategorie des Individualisten einordnen und tritt in Schimanskis Fußstapfen, der zwar für Recht und Ordnung einstand, diese aber nicht immer auf legalem Wege wiederherstellte.55 Somit reiht sich auch Franks Geschlechtsidentität in die mediale Tradition ein, in der sich Männlichkeit unter anderem durch Aggressivität und potenzielle Stärke als zentrale Eigenschaften auszeichnet.56 Denn, so Hertling, „[a]uch im 21. Jahrhundert charakterisieren Emotionsarmut, Durchsetzungskraft, Übermachtstellung und nicht zuletzt Gewaltbereitschaft das in den Medien überwiegend präsente Prinzip von Männlichkeit.“57 Dies bedeutet, dass auf medialer Ebene nach wie vor stark am traditionellen Männerbild festgehalten wird, welches dem Mann eine exponierte Stellung zuweist. Dementsprechend bestätigt Frank die typisch männlichen Charaktereigenschaften bereits durch sein Auftreten. Des Weiteren bestätigt sich diese Feststellung auch anhand seiner Einstellung zum weiblichen Geschlecht. Bereits in Kapitel 5.2 wurde kurz Susannas Fahrstil angesprochen, der von Frank kritisiert wird.58 Gleichzeitig lässt er aber keine Kritik an seiner eigenen Fahrweise zu, was aus der folgenden Sequenz aus „Countdown auf der Todesbrücke“ hervorgeht. Nachdem ein Bombenleger noch während der Unfallaufnahme auf der Autobahn per Telefon Kontakt mit der leitenden Kommissarin aufgenommen hat, nehmen 52 Vgl.: Kapitel 3, S. 79 dieser Untersuchung. 53 Vgl.: Williams/Best 1990, S. 77. 54 Joans 2003, S. 162. 55 Vgl.: Kapitel 3, S. 79 dieser Untersuchung. 56 Vgl.: Hertling 2008, S. 47. 57 Ebd., S. 48. 58 Vgl. Countdown auf der Todesbrücke, 0:03:11-0:03:18.

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Susanna und Frank, die nun offiziell als gemeinsames Ermittlerpaar vorgestellt wurden, die Verfolgung auf. Dabei kommt es bereits bei der Entscheidung, wer den Dienstwagen fahren soll, zu einem kleinen Duell zwischen den beiden Kooperationspartnern, denn beide laufen zeitgleich los, um auf dem Fahrersitz Platz zu nehmen. Auf der Höhe des Kofferraums drängt Frank Susanna ab, die daraufhin nachgibt. Im Close-up ist zu sehen, dass sie mit dieser Entscheidung nicht zufrieden ist. Kaum im Dienstwagen, beginnt die Auseinandersetzung, denn Susanna schnallt sich vorschriftsgemäß an, blickt dann hinüber zu Frank, der den Sicherheitsgurt nicht angelegt hat. Sie macht ihn mit den Worten „Können Sie sich nicht anschnallen?“59 auf diesen Umstand aufmerksam. Die Kamera schwenkt zu Frank. Frank selbstsicher: „Wir sind ja noch nicht mal auf der Startbahn.“60

Es beginnt eine dynamisch gefilmte Fahrt über die Autobahn. In einer schnellen Bildfolge wird gezeigt wie Frank zahlreiche Wagen überholt, Lichthupe gibt und schließlich rücksichtslos und mit überhöhter Geschwindigkeit sowie zum Unmut seiner Kollegin mit der Begründung, die Autobahn sei zu voll und er kenne eine Abkürzung, durch einen riskanten Fahrbahnwechsel von der äußeren linken Spur auf die rechte wechselt, um die Ausfahrt auf eine Landstraße zu nehmen. Diese ist jedoch nicht weniger voll, was Susanna folgendermaßen kommentiert. Susanna sarkastisch: „Na, hier ist es ja nicht so voll, hm?“61 Frank selbstsicher: „Lassen Sie mich mal machen, okay?“

Frank setzt zu einem waghalsigen Überholmanöver an. Als er gerade im Begriff ist, den vor ihm fahrenden Wagen zu überholen, nähert sich ihnen ein Lkw, was dazu führt, dass Frank das Überholmanöver abbrechen muss. Susanna verängstigt: „Sie wollen jetzt nicht wirklich überholen, oder?“ Frank ein wenig verunsichert: „Ich, ich hab‘ mich noch nicht entschieden.“62

59 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:11:05. 60 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:11:06. 61 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:11:53-0:11:56. 62 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:12:05.

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Erst nach mehreren Ansätzen ist es Frank möglich, die vor ihm fahrenden Wagen zu überholen. Begleitet werden diese Bilder vom Geräusch eines beschleunigenden Motors. Susanna: „Wie man den Wagen zum Stehen bringt, wissen Sie schon?“ Frank: „Schon.“ Susanna: „Machen Sie eigentlich immer das Gegenteil von dem, was man Ihnen sagt?“ Frank (nach einem riskantem Abbiegemanöver): „Immer!“63

Ferner kommt es bei ihrer ersten gemeinsamen Fahrt in „Countdown auf der Todesbrücke“ zu einer eindeutigen Szene, die das traditionelle Rollenbild der Geschlechter reflektiert und somit die Orientierung bei der Konstruktion der Geschlechteridentität der hier dargestellten Kriminalkommissare an den geschlechtstypischen Eigenschaften der jeweiligen Genus-Gruppen bestätigt. Während Frank, dem tradierten Rollenbild entsprechend, die Funktion des Fahrers einnimmt, setzt sich Susanna auf den mit Brötchenkrümeln verschmutzten Beifahrersitz.64 Es ergibt sich eine kurze Konversation zwischen den beiden Ermittlern, die deutlich macht, dass Frank in traditionellen Geschlechtskategorien denkt. Frank: „Was machen Sie da?“ Susanna: „Es ist alles voller Krümel.“ Frank: „Wollen Sie einen Staubsauger?“65

Durch die Zuordnung seiner Partnerin zum häuslichen Bereich, grenzt er Susanna in ihrer Eigenschaft als Frau nicht nur deutlich von ihm als Mann ab, sondern ordnet sich selbst durch diese Abgrenzung dem öffentlichen Bereich zu, der traditionell für den Mann reserviert ist, wodurch eine deutliche Kennzeichnung der unterschiedlichen Geschlechterrollen widergespiegelt wird.

63 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:12:18-0:13:02. 64 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:10:56. 65 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:11:19.

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Weitere Aspekte seines Handelns und seiner Verhaltensweise legen dar, dass Frank der sozial geteilten Erwartungshaltung der männlichen Genus-Gruppe entspricht. Hierzu zählt unter anderem seine Verhaltensweise zu Beginn der Folge „Tödliche Träume“66 (Staffel 1, Folge 2, 24.04.2003, 20:15 Uhr, RTL), in der Frank mit den weiblichen Charaktereigenschaften seiner Kollegin konfrontiert wird, welche ihm während einer gemeinsamen Pause das Tageshoroskop vorliest. Susanna: „In ihrer Beziehung wollen Sie mit dem Kopf durch die Wand. Zeigen Sie mehr Einfühlungsvermögen, sonst holen Sie sich nur blaue Flecken.“ Frank (ungläubig): „Das steht da doch nicht drin.“67

Da Aberglaube gemäß dem Stereotypinhaltsmodell eine typisch weibliche Eigenschaft darstellt68 und Susannas Interesse an Horoskopen damit der allgemein geteilten Verhaltenserwartung über Frauen entspricht, erklärt sich Franks abwehrende Körperhaltung und sein skeptischer Gesichtsausdruck69 daraus, dass sich die männliche Identitätskonstruktion aus Abgrenzung und Abwertung gegenüber allem Weiblichen konstituiert.70 Denn die Beeinflussung des männlichen Verhaltens „fand seit jeher zumeist nicht in Form einer aktiven Übernahme typisch weiblicher [Hervorh. d. Verf.] Verhaltensweisen durch den Mann, sondern durch unbewusste und bewusste Abgrenzung zu diesen statt.“71 Verbunden mit dem Konzept der Männlichkeit ist des Weiteren auch eine negative soziale Orientierung, welche mit Aggressivität und Dominanz sowie Selbstbehauptung verknüpft ist.72 Wie schon Ben und Semir von „Alarm für Cobra 11“ richtet auch Frank seine Aggressivität nach außen. Damit ist er nicht nur aktiv, 66 „Die 18-järige Betty und ihr 23-jähriger Freund Jo überfallen mit einer geschickten Masche Männer auf Rastplätzen und rauben sie aus. Doch bei einem Überfall kommen ihnen Susanna und Frank in die Quere. Die beiden Autobahnpolizisten greifen ein und versuchen, Betty und Jo festzunehmen. Damit setzen sie eine blutige Kettenreaktion in Gang …“ http://www.cobra11-fanabteilung.de/die-serie/einsatz-f%C3%BCr-team-2/ episoden guide-team-2/#toedliche-traume. Letzter Zugriff: 22.12.2012. 67 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Tödliche Träume, 0:01:370:01:45. 68 Vgl.: Alfermann 1996, S. 16. 69 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Tödliche Träume, 0:01:46. 70 Vgl.: Hertling 2008, S. 4. 71 Ebd., S. 71. 72 Schmidt, Claudia: „Typisch weiblich – typisch männlich“. Geschlechtstypische Kommunikationsverhalten in studentischen Kleingruppen. Tübingen 1988, S. 32.

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sondern er blickt – im Gegensatz zur Frau – in die Welt.73 Auf der Ebene der physischen und psychischen Handlungsmöglichkeiten bedeutet dies für das männliche Geschlecht, dass es nicht nur erlaubt ist, Wut und Aggressionen expressiv zu zeigen, sondern dass diese Emotionen auch unmittelbare Handlungsimpulse sein dürfen. Dabei rückt die emotionale Sensibilität in den Hintergrund.74 Dies ist in der Folge „Der Augenzeuge“75 (Staffel 1, Folge 5, 22.05.2003, 20:15 Uhr, RTL.) zu beobachten, in der es zu einer Verhörsituation kommt, in der Franks Aggressionspotential sowie sein unsensibles Verhalten deutlich hervortreten. Frank ist in seinem Büro. Er sitzt auf der Kante seines Schreibtischs, ihm gegenüber hat sich der 12-jährige Jonas niedergelassen. Frank hat die Arme vor seinem Körper verschränkt; sein Gesicht wirkt angespannt. Frank drohend: „Ich frag dich jetzt zum letzten Mal, Junge. Wie heißt du? Woher kommt das Blut auf deinem Anorak?“

73 Johannsen, Melanie: Gleichberechtigung und Gleichstellung. Was die deutsche Gesellschaft tut, um die Ideale (nicht) umzusetzen. Hamburg 2013, S. 14. 74 Johannsen 2013, S. 13. 75 „Der zwölfjährige Jonas Klein und sein Onkel Hartmut rennen in einem Wald um ihr Leben. Sie werden von den bewaffneten Kriminellen Ronny Ottenburg und Harry Beil verfolgt. Diese sind im Auftrag ihres Bosses Otto Sattler auf der Suche nach einem Geldkoffer, den Hartmut Klein dem Geldwäscher gestohlen hat. Kurz bevor die Gangster sie erreichen, steckt Klein seinem Neffen eine Chipkarte zu und beschwört ihn, mit niemandem darüber zu reden. Im nächsten Moment wird er erschossen. Jonas rennt um sein Leben. Doch im Eifer des Gefechts verliert der Junge die Chipkarte im Wald. Auf seiner Flucht aus dem Wald läuft Jonas direkt auf den Parkplatz einer Raststätte. Ausgerechnet vor den Augen von Frank und Susanna springt der Junge in das nächstbeste Auto und gibt Gas. Susanna und Frank nehmen sofort die Verfolgung auf. Nach einer nervenaufreibenden Jagd stellen die Autobahnkommissare Jonas. Doch auf dem Weg zum Jugendamt gelingt Jonas erneut die Flucht. […]Jonas sucht inzwischen auf einer Raststätte eine Mitfahrgelegenheit zurück zum Wald, wo er die Chipkarte suchen will. Dabei wird er von Ottenburg und Klein entdeckt und gekidnappt. Es kommt zu einem Unfall und die herbei geeilten Autobahnpolizisten können den Jungen in letzter Sekunde aus dem brennenden Wrack der Entführter retten. […].“ http://rtlnow.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11-einsatz-fuer-team-2/der-augenzeuge.php?film_id=756 51&productdetail=1.0Letzter Zugriff: 7.02.2013.

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Seine aggressiv und bedrohlich wirkende Art der Befragung bewirkt jedoch nur, dass der Junge, der bis dato beharrlich geschwiegen hat, ebenfalls aggressiv reagiert. Jonas trotzig: „Leck mich, Bulle, ich will meinen Anwalt sprechen!“

Frank verliert die Beherrschung. Er springt auf und greift sich Jonas am Kragen.76 Frank außer sich vor Wut: „Gut, kein Problem. Jetzt werden hier andere Seiten aufgezogen!“77

In dieser Verhaltensweise ist abermals deutlich das typisch männliche Aggressionspotential wie auch die mangelnde Bereitschaft, gefühlvoll und sensibel auf das Gegenüber einzugehen, zu erkennen. Dieses unsensible Verhalten kann zum einen auf die männliche Verpflichtung, „die Umwelt und sich unter Kontrolle zu haben und Probleme autonom zu lösen“78, zurückgeführt werden, zum anderen ist hier aber noch ein weiterer Aspekt typisch männlichen Verhaltens vorzufinden, nämlich die Rationalität, „also die typisch männliche Überbetonung von Verstand und Logik in sämtlichen Lebensbereichen, die begründet liegt in der männlichen Abwertung von Gefühlen“.79 Diese Unterdrückung von Gefühlen hat zur Folge, dass Männer häufig ein gewalttätiges Verhalten zeigen.80 Neben den oben dargelegten Sequenzen aus „Der Augenzeuge“ ermöglichen aber vor allem die zahlreichen Actionszenen eine eindeutige Zuordnung des Kriminalkommissars zur männlichen Genus-Gruppe. Franks stereotypkonformes Verhalten zeigt sich nicht zuletzt im weiteren Verlauf der Folge „Countdown auf der Todesbrücke“. Die Spur des Bombenlegers hat Frank und Susanna zu einer Sargtischlerei geführt. Bei der nächtlichen Durchsuchung der Tischlerei finden die beiden die Leiche des Besitzers an einen der Särge genagelt. Um seinen Hals hängt ein Schild mit der Aufschrift „TICK, TICK, TICK“. Susanna kann sich darauf keinen Reim machen. Sie tritt näher an die Leiche heran, während Frank sich langsam von ihr entfernt. Die Kamera schwenkt zurück auf Susanna und zoomt dann auf ihre Hand, die

76 Vgl.: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Der Augenzeuge, 0:07:08. 77 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Der Augenzeuge, 0:06:49-0:07:06. 78 Hertling 2008, S. 11. 79 Ebd. 80 Vgl. ebd.

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gerade im Begriff ist, das Schild vom Hals des Opfers zu entfernen. In diesem Moment ist ein lautes ‚Klick‘ zu vernehmen. Schnitt: Wir sehen Franks Gesicht in einem Close-up. Er sieht panisch aus. Dann schreit er „Finger weg! Finger weg!“ und läuft auf Susanna zu. Mit den Worten „Raus! Raus!“ ergreift er sie von hinten, zieht sie von der Leiche weg und schupst sie in Richtung Fenster, durch welches beide springen (Abbildung 82). Draußen legt sich Frank schützend über seine Kollegin und verharrt in dieser Position bis die Explosion vorüber ist (Abbildung 83). Abbildung 82: Die Kommissare springen ins Freie.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:47:18.

Abbildung 83: Frank Traber legt sich schützend über seine Susanna.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:47:37.

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Diese durch Mut motivierten Aktionen stehen beispielhaft für das typisch männliche Verhalten. Dabei findet eine Heroisierung Franks statt, die im engen Zusammenhang mit den in den Medien vielfach präsentierten männlichen Heldenfiguren steht, die weder Gefühle noch Ängste zeigen. Die Stärke und Autonomie, welche die idealisierten Helden durch dieses Verhalten verkörpern, vermitteln den RezipientInnen ein Gefühl von Sicherheit.81 Hierdurch trägt Frank sowohl zur Festigung bereits vorhandener geschlechtstypischer Verhaltensweisen, wie Mut, Stärke und Furchtlosigkeit, als auch zur Bestätigung typisch männlicher Geschlechtscharakteristika bei, wie sie im Stereotypinhaltsmodell vorzufinden sind. Doch auch in der zwischenmenschlichen Interaktion verweisen gleich mehrere Situationen darauf, dass Frank weniger ein stereotypkonträres als ein stereotypkonformes Verhalten zeigt. Sein „Balzverhalten“, welches in der Eingangssequenz der Folge „Eiskalte Gier“82 (Staffel 2, Folge 2, 03.11.2005, 20:15h, RTL) besonders deutlich zum Vorschein kommt, ist dafür ein guter Indikator. Frank und Susanna sind auf dem Weg zu einem Einsatz. Während Susanna den Dienstwagen fährt, liest Frank in einem Magazin Anmachsprüche, die ihn sehr zu belustigen scheinen. Frank: „Immer wenn ich dich seh‘, wird meine Software zur Hardware.“

81 Vgl.: Hertling 2008, S. 48. 82 „Frank Traber und Susanna von Landitz ermitteln in einem spektakulären Kunstraub. Unterstützt werden sie dabei von dem Versicherungsdetektiv Mathieu Gordon. Mathieu gibt sich als Weltbürger mit Charme und kann mit seinem Humor und Esprit Susanna binnen kurzem für sich gewinnen – sehr zum Missfallen von Frank. Die Ermittlungen führen in die Kunstszene, ein Parkett, auf dem Frank sich alles andere als zu Hause fühlt. Es stellt sich heraus, dass der Galerist Lorenz den Kunstraub bei dem Schwerverbrecher Veit in Auftrag gegeben hat. Veit jedoch, der noch eine alte Rechnung mit Lorenz offen hatte, ist zwischenzeitlich selbst in den lukrativen Verkauf der Gemälde eingestiegen. Dann werden plötzlich zwei Kunstsammler ermordet aufgefunden, die gestohlene Bilder gekauft hatten. Von den Gemälden fehlt jedoch jede Spur. Im Laufe der Ereignisse erkennt Frank, dass nicht nur Veit, sondern noch eine dritte Person bei der Jagd auf die Gemälde mitmischt. Ihm kommt ein unglaublicher Verdacht: Sollte Mathieu Gordon in Wirklichkeit der Kunstdieb sein?“ http://www.cobra11-fanabteilung.de/die-serie/einsatz-f%C3%BCr-team-2/episodenguide-team-2/#toedliche-trau me. Letzter Zugriff: 22.12.2012.

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Während sich Frank über diesen Spruch amüsiert, schwenkt die Kamera zu Susanna. Im Close-up ihres Gesichts ist deutlich ihr Missfallen zu erkennen, was sie kurz darauf auch verbal zum Ausdruck bringt. Susanna: „War mir klar, dass du den gut findest.“ Frank: „Gut, dann den: Es war heute so ein furchtbarer Tag, dass nur das Lächeln eines bezaubernden Menschen ihn noch retten könnte.“

Susanna blickt Frank, der sich zu ihr herüberlehnt, ungläubig an. Frank: „Würden Sie mal für mich lächeln?“

Die Kamera schwenkt auf Susannas Gesicht. Sie versucht ein Lächeln, wird dann ernst und fragt, „Tag gerettet?“83. Susannas Äußerung spornt Frank an, in Erfahrung zu bringen, welche Eigenschaften ein Mann besitzen muss, um sich der Aufmerksamkeit seiner Kollegin gewiss zu sein. Er legt das Magazin beiseite, setzt sich aufrecht hin und schaut Susanna interessiert und neugierig an. Frank: „Was muss der Typ haben, der dich anmacht?“ Susanna: „Ehrlichkeit.“ Frank bestätigend: „Mhm.“ Susanna: „Charme, Humor…“ Frank sehr von sich überzeugt: „Hab ich.“ Susanna: „Und eine gewisse Portion Esprit.“ Frank zweifelnd, fragend: „Esprit?“ Susanna amüsiert: „Ja, Esprit!“ Frank verwirrt: „Ja, gut, an dem Esprit-Ding da arbeite ich dann noch dran.“

83 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:00:27.

234 | TAFFE KOMMISSARINNEN UND EMANZIPIERTE K OMMISSARE? Susanna lachend: „Wahrscheinlich bis an dein Lebens-ende.“84

Dieser Dialog macht ersichtlich, dass Frank Gefallen an seiner Kollegin gefunden hat. Allerdings muss er feststellen, dass er keinen positiven Eindruck bei Susanna hervorruft, wodurch er in einen Zustand temporärer Aktivation versetzt wird. Denn um den negativen Eindruck, den seine Kollegin von ihm erhalten hat, in einen positiven umzukehren, versucht er Susanna durch gezielte Fragestellungen in ein weiteres Gespräch zu verwickeln, welches ihm einen Einblick in Susannas Gefühlswelt geben und gleichzeitig sein Interesse an ihrer Person widerspiegeln soll. Dieses Frage-Antwort-Spiel setzt sich auch noch auf dem Kommissariat fort. Die Kamera zeigt, wie die beiden Ermittler im Kommissariat ankommen und sich zu ihrem Büro begeben. Dabei ist Frank in eine Unterhaltung mit Susanna vertieft. Frank eifrig: „Wann kommt der Esprit? Vor oder nach Humor?“ Susanna genervt: „Danach.“ Frank: „Und die Ehrlichkeit?“ Susanna: „Dazwischen.“ Frank erfreut: „Jetzt hab ich’s begriffen.“ Susanna: „Na Gott sei Dank.“85

Sein albernes Verhalten verstärkt sich zusehends, als er mit dem Kunsthändler Mathieu Gordon, der bei den Ermittlungen beratend zur Seite stehen soll, einen vermeintlichen Konkurrenten bekommt. Susanna und Frank werden ins Büro der Chefin gerufen, aus dem ein aufgeregtes Lachen zu hören ist. Als Susanna die Tür öffnet, fällt ihr Blick sofort auf den dunkelhaarigen, gutgebauten Mann, mit dem Frau Engelhardt spricht. Frau Engelhardt erhebt sich und stellt den Mann, der mit dem Rücken den beiden zugewandt steht, als Matthieu Gordon vor. Die Kamera ist in einem Close-up auf Matthieus 84 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:00:020:01:46. 85 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:08:200:08:24.

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Gesicht gerichtet, als dieser sich umdreht. Filmästhetisch wird dieser Moment durch das Abspielen der Anfangsklänge von Paul Ankas Song „You Are My Destiny“ untermalt. Schnitt: Susannas Gesicht erscheint ebenfalls in einem Close-up. Ihre Augen weiten sich; ihr Mund öffnet sich leicht, während sie den Kunsthändler mustert. Schnitt auf Frau Engelhardts Gesicht, die Susanna und Frank, begleitet von den Klängen des Lieds, vorstellt. Schnitt: Frank tritt hinter Susanna hervor, die immer noch mit leicht geöffnetem Mund fasziniert auf Matthieu Gordon blickt. Schnitt auf Matthieu Gordon, der ebenfalls von Susanna angetan zu sein scheint. Dann geht er auf sie zu und stellt sich ihr persönlich vor. Schnitt auf seine ausgestreckte Hand, an deren Handgelenk eine teuer aussehende Armbanduhr zu sehen ist. Die Kamera zoomt zurück und zeigt nun, wie auch Susanna einen Schritt auf den Kunsthändler zugeht, während Frank im Hintergrund bleibt. Dabei lässt Susanna eine Akte, die sie beim Betreten des Büros in der Hand hielt, fallen. Sofort bücken sich Susanna und Matthieu, um die Akte aufzuheben. Als beide nach der Akte greifen, geht die Kameraperspektive wieder in ein Close-up über, in dem die Gesichter der beiden zu erkennen sind. Deutlich ist die gegenseitige Anziehungskraft der beiden zu spüren. Schnitt auf Franks Gesicht, der ungläubig dem Schauspiel beiwohnt (Abbildungen 84-86).86 Abbildung 84: Susanna von Landitz erblickt zum ersten Mal Matthieu Gordon.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:08:59.

86 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:08:50-0:09:17.

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Abbildung 85: Matthieu Gordon und Susanna von Landitz blicken sich tief in die Augen.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:09:14.

Abbildung 86: Kommissar Traber schmollt beim Anblick seiner Kollegin.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:09:18.

Obwohl Männer emotional weniger expressiv reagieren als Frauen, gehört das typisch männliche Konkurrenzverhalten zu den emotionalen Aspekten von Männlichkeit und somit zu einem typischen Charakteristikum der Genus-Gruppe Mann. Denn nicht nur durch die Unterscheidung und Abgrenzung zur Frau entwickelt sich die männliche Identität, sondern auch „durch die Beziehung, die Männer zu anderen Männern haben“87. Connell bezeichnet dieses kompetitive Verhalten un-

87 Fiedler, Peter A.: Die Zukunft der Psychotherapie. Wann ist endlich Schluss mit der Konkurrenz?. Heidelberg 2012, S. 67.

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ter Männern als hegemoniale Männlichkeit. In ihr streben Männer dazu, über andere Männer und in der weiteren Folge auch über Frauen Dominanz auszuüben.88 Mathieus Erscheinen sowie Susannas Reaktion auf diesen weckt Franks typisch männliches Konkurrenzdenken, welches sich unter anderem dadurch äußert, dass sich sein Tonfall nach der oben erwähnten Besprechung drastisch verändert. Herrisch weist er Andrea, die Sekretärin, an, Arbeiten für ihn zu erledigen. Die dazugehörigen Unterlagen wirft er ihr auf den Schreibtisch,89 worauf sie wütend reagiert. Frank erklärt sich ihr mit den Worten, er habe schlechte Laune.90 Diese resultiert aus Susannas Interesse am Kunsthändler. Je größer dieses wird, desto schlechter wird seine Stimmung. Beispielhaft dafür steht eine Sequenz, die später in dieser Folge vorkommt. Susanna, Frank und Matthieu befinden sich auf dem Parkplatz der Dienststelle. Matthieu hält Susanna die Wagentür auf. Von dieser Geste beeindruckt, bedankt sich die Kriminalkommissarin bei Matthieu und nimmt auf dem Rücksitz Platz. Frank beobachtet dies distanziert. Nachdem der Kunsthändler die Tür geschlossen hat, tritt Frank an ihn heran. Frank aggressiv: „Nur um diversen Missverständnissen vorzubeugen. Wir sind die mit dem Dienstausweis und der Knarre. Sie sind der Fußgänger und halten sich zurück. Gibt‘s da ein Problem?“91

Diese Sequenz macht deutlich, dass sich Frank zum einen von Matthieu provoziert und zum anderen von ihm in seiner Vormachtstellung bedroht sieht. Die Lösung, um aus dieser misslichen Lage herauszukommen, sieht er nun einerseits in einem „Kräftemessen“ mit dem potentiellen Feind, andererseits in einer Verhaltensänderung, die er schon wenig später an den Tag legt. Nach der Befragung eines vermeintlichen Kunstdiebes gehen Susanna, Frank und Matthieu zurück zum Wagen. Frank beeilt sich, als Erster am Fahrzeug zu sein, um Susanna die Beifahrertür zu öffnen. Susanna reagiert darauf erfreut und gleichzeitig erstaunt. Sie bedankt sich höflich und gibt zu verstehen, dass sie dieses Verhalten von ihrem Kollegen nicht gewohnt ist. Matthieu, der nun im Fond des Autos

88 Vgl.: Connell, R. W./Messerschmidt, James W.: Hegemonic Masculinity: Rethinking the Concept. Gender and Society 19 (2005), S.829-859; hier: S. 850. 89 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:12:17-0:12:20. 90 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:12:26-0:12:27. 91 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:12:47-0:12:50.

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einsteigen muss, lächelt Frank wissend an, der, ebenfalls mit einem Lächeln im Gesicht, leicht beschwingten Schrittes und pfeifend zur Fahrerseite geht.92 Franks Verhalten spiegelt damit das Bemühen um die Ausbildung einer Rangstruktur zwischen ihm und dem Kunsthändler wider und zeichnet sich durch Merkmale wie Imponiergehabe oder Einschüchterungsversuche aus.93 Indem er versucht seinen Konkurrenten einzuschüchtern, zeigt er ihm, dass er in der „Dominanzhierarchie“ über ihm steht. Susannas positive Resonanz auf sein Handeln hat großen Einfluss auf seine Stimmung. Er beginnt zu pfeifen und verhält sich auch Andrea gegenüber wieder freundlicher. Als dieser ein Bleistift abbricht, greift er sofort zu einem Spitzer, um den Stift für sie anzuspitzen.94 Als er jedoch bemerkt, dass Susanna ihm dabei keine Aufmerksamkeit schenkt, sondern sich erneut intensiv mit Mathieu unterhält, unterbricht er seine Tätigkeit und verfällt sofort wieder in sein altes, aggressiv-herrisches Verhaltensschema.95 Die vorausgegangene Analyse hat gezeigt, dass die soziale Konstruktion des TV-Kriminalkommissars Frank Traber zahlreiche Charaktereigenschaften aufweist, die das Stereotypinhaltsmodell als typisch oder traditionell männlich bezeichnet. Hierzu zählen unter anderem Stärke, Mut, Aggressivität, Emotionslosigkeit und Sturheit. Bis dato sind keine Anzeichen dafür zu finden, dass es bei Frank zu einem Verlust der männlichen Geschlechtsidentität kommt. Des Weiteren lassen sich bis hierher auch keine Anhaltspunkte dafür finden, dass es zur Ausbildung einer pluralen Geschlechtsidentität kommt. Inwieweit diese Aussage auch für seine Partnerin Susanna zutrifft, soll nachfolgend analysiert werden. 5.2.2 Susanna von Landitz – eine typische Frau? Wenn sich laut Hertling Männlichkeit durch das bewusste und massive Abgrenzen von Weiblichkeit generiert und auszeichnet,96 dann muss zwangsläufig auch Weiblichkeit durch eben diesen Vorgang, nämlich das Abgrenzen von Männlichkeit, entstehen. Die zu Beginn dargestellte Szene aus der Folge „Countdown auf der Todesbrücke“ hat gemäß dieser Feststellung gezeigt, dass sich die soziale Konstruktion der TV-Kriminalkommissarin Susanna von Landitz deutlich von der

92 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:16:35-0:16:48. 93 Schmelzer, Petra: Frauen in Führungspositionen: Hemmnisse und Perspektiven. Hamburg 2001, S. 36. 94 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:17:15 – 0:17:23. 95 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Eiskalte Gier, 0:17:27. 96 Vgl.: Hertling 2008, S. 71.

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ihres männlichen Kollegen unterscheidet. Sie verhält sich wesentlich kooperativer und rücksichtsvoller als Frank und verweist damit auf geschlechtstypisch weibliche Charakteristika, die sich vor allem auf der Handlungsebene der Teamfähigkeit und Kooperationsbereitschaft finden lassen und damit nicht den Clustern männlichen Verhaltens entsprechen. Dieser entgegengesetzten, abgrenzenden Zuordnung der Geschlechtscharakteristika entspricht auch die Darstellung von Susannas Fahrstils. Klischeehaft setzt RTL dies bereits zu Beginn der Serie in Szene und nutzt diese als typisch weiblich bezeichnete Eigenschaft als Aufhänger für die erste Begegnung der beiden Kooperationspartner.97 Gleichzeitig wird hierdurch der geschlechtliche Unterschied par excellence dargestellt, denn RTL lässt keine Zweifel daran aufkommen, welcher Genus-Gruppe die beiden Kommissare angehören. Im weiteren Verlauf der Folge „Countdown auf der Todesbrücke“ wird abermals auf Susannas typisch weibliche Fahrweise aufmerksam gemacht. Frank hat soeben eine Lösegeldübergabe durchgeführt, währenddessen Susanna sich mit einem getarnten Dienstwagen im Hintergrund gehalten hat. Nun fährt sie ganz langsam an die Bushaltestelle, an der Frank auf sie wartet. Frank versucht ihr durch entsprechende Gesten sowie den Ausspruch „Nun mach, mach, mach! Komm, komm, komm!“98 anzudeuten, dass sie zu langsam ist. Daraufhin beschleunigt Susanna kurz, worauf Frank erneut wild gestikulierend reagiert und mehrfach „Stopp! Stopp! Stopp!“99 ruft. Susanna führt eine Vollbremsung durch. Frank steigt ein und gibt ihr herrisch die Anweisung loszufahren. Mit einem großen Sicherheitsabstand folgt Susanna dem Motorradfahrer, der das Lösegeld von Frank bekommen hat. Doch Frank ist Susannas Fahrweise sowohl zu langsam als auch zu vorsichtig. Frank: „Komm, jetzt fahr! Fahr!“ Susanna: „Er darf nicht merken, dass er verfolgt wird.“ Frank: „Ach, Sie verfolgen ihn! Ich dachte, wir suchen einen Parkplatz.“100

97

Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:01:29 0:01:35.

98

Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:30:05.

99

Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:30:08.

100 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:30:200:30:24.

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Auf diese Aussage zuckt Susanna mit den Schultern, erhöht das Tempo aber nicht.101 Aus dem vorhergegangenen Dialog wird ersichtlich, dass Frank nicht mit der vorsichtigen Fahrweise seiner Kollegin einverstanden ist. Gleichzeitig spielt dieses Verhalten darauf an, dass Frauen in der Gesellschaft immer noch als die schlechteren, da langsameren und nicht risikobereiten Fahrer angesehen werden. Denn auf der Straße, die den sozialen Stadtraum bildet, zeigen sich deutlich die gesellschaftlichen Machtverhältnisse. „Die Nutzung des Autos als Verkehrsmittel war ein vorwiegend männliches Privileg und Straßenverkehr insofern ein männlich dominierter Ort.“102 Bis heute stellt der Straßenverkehr ein eindeutig männlich geprägtes Territorium dar, in welches die Frau im Laufe der Zeit eingedrungen ist. Untersuchungen wie „Dornröschen und König Bergbau. Kulturelle Urbanisierung und bürgerliche Repräsentation am Beispiel der Stadt Recklinghausen (1930– 1960)“ von Sandra Schürmann haben ergeben, dass bis in die 1990er Jahre die Anzahl männlicher Verkehrsteilnehmer deutlich über der von Frauen lag.103 1992 legten Männer zwei Drittel ihrer Wege mit dem Auto zurück, während sich Frauen auf mehr als der Hälfte ihrer Wege zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegten.104 Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass zu diesem Zeitpunkt Männer nur 3 % ihrer Wege als Mitfahrer zurücklegten, während es bei Frauen 12 % waren.105 Obwohl in ihrem Beruf als Kriminalkommissarin in der Abteilung Autobahnpolizei Schnelligkeit und ein sicherer Fahrstil unbedingt erforderlich sind, wird der Figur die von der Gesellschaft als typisch weiblich angesehene Eigenschaft der schlechten Autofahrerin zugeschrieben. Dieses Geschlechterstereotyp durchzieht sämtliche Folgen der TV-Serie und wird auf der Handlungsebene weitergeführt, auf welcher es sich Susanna durch besonders mütterliche und fürsorgliche Akte sowie ihre Sensibilität für die Gefühle anderer ausdrückt. Um dies zu verdeutlichen soll an dieser Stelle noch einmal die Folge „Der Augenzeuge“ betrachtet werden, da sie beispielhaft dafür steht, dass sich Susannas 101 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:29:460:30:32. 102 Schürmann, Sandra: Dornröschen und König Bergbau. Kulturelle Urbanisierung und bürgerliche Repräsentation am Beispiel der Stadt Recklinghausen (1930-1960). Paderborn 2005 (Forschungen zur Regionalgeschichte), S. 187. 103 Vgl. ebd. 104 Vgl. ebd. 105 Vgl.: Dörhöfer, Kerstin / Ulla Terlinden: Verortungen: Geschlechterverhältnisse und Raumstrukturen. Basel/Bosten/Berlin/Birkhäuser 1998 (Stadtforschung aktuell, Bd. 66), S. 175.

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Handeln und Verhalten eindeutig an typisch weiblichen Charaktereigenschaften, wie sie im Stereotypinhaltsmodell vorzufinden sind, orientiert. Hierzu soll auf die bereits erwähnte Szene eingegangen werden, in der Susanna mit Einfühlsamkeit und mütterlicher Wärme einen Jungen betreut, der sich in Lebensgefahr befindet.106 Diese Szene zeigt durch das gegensätzliche Handeln der beiden TV-Kommissare in aller Deutlichkeit den sozial-geschlechtlichen Unterschied zwischen Mann und Frau auf. Denn während Frank mit Ungeduld und Grobheit den Jungen zum Reden bringen will, ist es Susanna, die behutsam und mit viel Verständnis Jonas dazu bewegt, doch noch zur Aufklärung des Falls beizutragen.107 Susanna nimmt sich dabei des Jungen an und lässt ihn im weiteren Verlauf der Folge sogar bei sich übernachten, da er sonst in die Obhut des Jugendamtes kommen würde. In diesem Verhalten schlägt sich zum einen eindeutig das Konzept des „nurturing“108 nieder, welches bedeutet, dass die Versorgung und das Wohlergehen Dritter priorisiert wird. Zum anderen demonstriert es typisch weibliche Geschlechtscharakteristika wie Fürsorge, Milde und Einfühlsamkeit. Damit spiegelt sich das weibliche Wärmekonzept, welches die Genus-Gruppe Frau charakterisiert, in vollem Umfang wider.109 Ähnlich aufopferungsvoll und fürsorglich kümmert sie sich in der Folge „Zeugenschutz“110 (Staffel 2, Folge 6, 08.12.2005, RTL, 20:15 Uhr) um Andrea, die Sekretärin der Autobahnpolizei und Verlobte von Semir Gerkhan, als diese in einen Schusswechsel gerät.111 Auch als Andrea im weiteren Verlauf der Folge zur Hauptverdächtigen wird, steht Susanna ihr treu und fürsorglich zur Seite. Um sie 106 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Der Augenzeuge, 0:07:20. 107 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Der Augenzeuge, 0:07:14. 108 Vgl.: Eagly 1987, S. 15. 109 Vgl. ebd. 110 „Andrea Schäfer wird in ihrem Wagen von einem LKW von der Straße gedrängt. In letzter Sekunde kann sich die Sekretärin der Autobahnpolizei durch einen Sprung aus ihrem Wagen in Sicherheit bringen. […] [D]er Unfall [war] ein gezielter Mordanschlag. […] [Und] Erhan Ükül ist der Auftraggeber. Andrea hat vor einiger Zeit beobachtet, wie Erhan einen Mann niedergeschossen hat. Nun ist sie Kronzeugin im Prozess gegen Ükül. Die Ermittlungen der Polizei führen zu Taifur Ükül, dem Vater und Anwalt von Erhan Ükül […]. Kaum haben Frank und Susanna jedoch seine Kanzlei verlassen, macht sich Taifur auf ins Gefängnis und besucht seinen Sohn. Hier erfährt er, dass Erhan den Mord an Andrea tatsächlich in Auftrag gegeben hat. Taifur […] will nun seinerseits einen echten Profi mit der Erledigung der begonnenen Aufgabe betrauen. […].“ http://rtl-now.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11-einsatz-fuer-team-2/zeugen schutz.php?film _id=75659&productdetail=1. Letzter Zugriff: 12.12.2013 111 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Zeugenschutz, 0:02:48 und 0:03:39.

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vor dem Zugriff ihrer Kollegen zu schützen, versteckt sie Andrea sogar in ihrer Wohnung.112 Entsprechend dieser Feststellungen orientieren sich Susannas soziale Konstruktion und somit ihr soziales Geschlecht überwiegend am weiblichen Stereotypinhaltsmodell. 5.2.3 Kleidungsverhalten als Ausdruck von Geschlechtlichkeit Von den geschlechtskonformen Merkmalen auf der emotionalen und handlungsbedingten Ebene abgesehen, sind bei Susanna noch weitere Anhaltspunkte, wie ihr Aussehen beziehungsweise ihr Kleidungsstil, für die Einordnung in die weibliche Genus-Gruppe ausschlaggebend. Die ZuschauerInnen werden auf die TVKriminalkommissarin aufmerksam, weil Semir113 seine Augen nicht von ihr abwenden kann. Hiermit werden Attribute wie attraktiv, sexy und feminin aufgegriffen und umgesetzt. Wie in Abbildung 87 zu erkennen, erscheint Susanna bei ihrem ersten Auftritt in einem enganliegenden Hosenanzug mit farblich passendem Kopftuch, welches ihre Haare vor dem Fahrtwind schützen soll. Abbildung 87: Von Landitz in femininer Kleidung am Tatort.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11 – Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:03:11.

112 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Zeugenschutz, 0:33:35-0:35:46. 113 Wie bereits eingangs erläutert, handelt es sich bei der TV-Serie „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ um eine Spin-Off-Serie, dessen Konzept darauf basiert, dass Elemente der sogenannten Mutterserie, hier „Alarm für Cobra 11“, in den Handlungsverlauf eingebunden werden. Der kurze Auftritt Semirs und seines Partners entspricht diesem Konzept, wodurch es in der Eingangsszene der hier zu analysierenden Folge zu einem Zusammentreffen der Ermittlerpaare aus „Alarm für Cobra 11“ und „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ kommt.

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Mittels Bekleidung wird der Trägerin also „eine spezifische Darstellung der Geschlechteridentität und damit verbunden der Geschlechterrolle aufgezwungen“114, dies bedeutet wiederum, dass sie das System der Geschlechterdifferenz durch Kleidung repräsentiert. Ein weiteres Beispiel hierfür aus der Serie „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ ist zu Beginn der Folge „Tödliche Träume“ vorzufinden. Während Susanna ihrem Partner in einer Kaffeepause Horoskope vorliest, nutzt Frank die Gelegenheit, den weiblichen und für den Einsatz im Dienst eigentlich ungeeigneten Kleidungsstil seiner Kollegin anzusprechen. Frank: „Zeigen sie ihrem Partner mehr von ihrer weichen Seite. Verlassen sie sich auf ihre Gefühle und vor allem besorgen sie sich endlich ordentliches Schuhwerk.“115

Susanna reagiert verunsichert auf diese Aussage und blickt auf ihre Schuhe, elegante Stiefeletten mit hohem Absatz, welche den ZuschauerInnen in einem Closeup gezeigt werden (Abbildung 88)116 und Susannas feminines Kleidungsverhalten unterstreichen wie auch komplettieren. Abbildung 88: Von Landitz‘ Arbeitsschuhe mit hohem Absatz.

Quelle: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Tödliche Träume, 0:02:01.

114 Gaugele, Elke: Schurz und Schürze. Kleidung als Medium der Geschlechterkonstruktion. Köln 2002, S. 11. 115 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Tödliche Träume, 0:02:01. 116 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Tödliche Träume, 0:02:08.

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Durch die Close-up-Einstellung wird dieses typisch weibliche Kleidungselement zudem in den Vordergrund gerückt und unterstützt damit die Darstellung der Geschlechterdifferenz anhand des Rückgriffs auf die allgemein geteilte Erwartungshaltung gegenüber Frauen in der Gesellschaft. Zu dieser Erwartungshaltung gehört auch das Klischee der „Liebesbeziehung“ zwischen Frauen und Schuhen. Dabei soll angemerkt werden, dass diese Verbindung zwischen Frauen und Schuhen zwar nicht konkret wissenschaftlich geklärt ist, aber angenommen wird, dass Schuhe für Frauen einen besonderen Stellenwert im Kleidungsverhalten einnehmen, da sie im Gegensatz zum jeweiligen Modetrend „figurunabhängig sind“117. Denn Schuhe verzeihen nicht nur jedes Pfund zu viel, sondern sie lassen Frauen auch weiblicher wirken, weshalb sie eine besondere Anziehungskraft für Frauen haben. Wissenschaftlich diskutiert ist aber hingegen, dass die Kleiderordnung einen wichtigen Aspekt in der Zuordnung und Bewertung der Geschlechter darstellt. So ist beispielsweise das Kriterium, an dem weibliche Kleidung gemessen wird, mit dem Attribut der „Attraktivität“ gekennzeichnet, welche mit den optischen Reizen einhergeht. Vor allem hochhackige Schuhe sind ein Zeichen von Attraktivität. „The high-heeled, narrow-toed shoes that for most of this century have been an essential part of woman’s costume are considered sexually attractive, partly because they make the legs look longer – an extended leg is the biological sign of sexual availability in several animal species – and because they produce what anthropologists call a „courtship strut“.”118

Mit dem Tragen von hochhackigen Stiefeletten komplettiert sich Susannas femininer Kleidungsstil nicht nur, sondern er wird gleichzeitig sexualisiert, wodurch die TV-Kriminalkommissarin in das typisch weibliche Rollenbild gedrängt wird. Dabei ist die attraktive Kleidung der Frauen oft disfunktional, unbequem und schränkt ein. Hierzu zählt vor allem das Tragen hochhackiger Schuhe119, denn hochhackige Schuhe „make standing for any length of time painful, walking exhausting, and running impossible.“120 Um Susannas Kleidung dem männlich dominierten Territorium, in dem sie arbeitet, etwas anzupassen beziehungsweise für dieses funktionaler zu machen,

117 Walsleben, Susanne: Warum Frauen immer auf der Suche und Männer immer auf der Flucht sind. München 2006, S. 60. 118 Lurie, Alison: The Language of Clothes. New York 1981, S. 227. 119 Mühlen-Achs, Gitta: Wie Katz und Hund. Die Körpersprache der Geschlechter. München 1993, S. 21f. 120 Lurie 1981, S. 227.

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kauft Frank ihr Tennisschuhe, welche sie zu einem späteren Zeitpunkt in der oben erwähnten Folge (Abbildung 89) auch kurz trägt.121

Abbildung 89: Das neue Schuhwerk von Kommissarin von Landitz.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Tödliche Träume, 0:13:02.

Das neue Schuhwerk wirkt im Gegensatz zur restlichen Kleidung wie eine Maskerade, denn durchweg in allen Folgen der Serie wird Susanna mit figurbetonten oder bauchnabelfreien sowie tief dekolletierten Oberteilen gezeigt (Abbildung 90), über welchen sie entweder einen taillierten Blazer oder eine Lederjacke trägt, sowie Hosen aus fließendem Stoff und feminine Schuhe.122 Entsprechende Accessoires wie Ringe (Abbildung 91) oder Ohrschmuck gehören ebenfalls zu ihrem Kleidungsverhalten.

121 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Tödliche Träume, 0:12:56. 122 Wie zum Beispiel in „Explosive Mischung“. Besonders deutlich in Szene gesetzt wird Susannas bauchfreie Kleidung in Minute 0:04:39 und 0:13:35. Aber ebenso in „Tödliche Träume“. Hier wird in Minute 0:10:51 Susannas bauchfreies Oberteil deutlich gezeigt.

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Abbildung 90: Die weiblich gekleidete Susanna von Landitz.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Zeugenschutz, 0:30:53.

Abbildung 91: Accessoires an Kommissarin Landitz‘ Hand.

Quelle: Screenshot: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:18:38.

Damit lehnt sich Susannas Kleidungsstil stark an Ellens aus der Serie „Doppelter Einsatz“ an und verweist in aller Deutlichkeit auf das Konzept von Weiblichkeit. Kleidung erweist sich damit als ein wichtiges Werkzeug in der Konstruktion von Geschlecht und Geschlechtsidentität. Das trifft auch auf Frank zu. Insbesondere im Hinblick darauf, dass es für Männer immer schwieriger wird, sich von Frauen zu unterscheiden, kommt der Kleidung neben dem männlichen Körper eine besondere Rolle in der Geschlechterdifferenz zu. Frank trägt Jeans, welche das wohl universellste und in der westlichen Kultur mittlerweile das meist verbreitete und akzeptierte Kleidungsstück ist. Betrachtet man den historischen Hintergrund der Jeans, dann wird schnell klar, dass das Tragen dieses Kleidungsstückes deutlich mit den typisch männlichen Geschlechtermerkmalen korreliert. War die Jeans im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ein Kleidungsstück der Arbeiter, so wurde

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sie spätestens in den 1960er Jahren zu einem Markenzeichen für verschiedene soziale Gruppen wie die Motorradfahrer und signalisierte damit Konzepte der Individualität und Revolte123, welche primär als stereotype Merkmale des Mannes angesehen werden. So erscheint auch in der TV-Krimiserie „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ Frank Traber bei seinem ersten Auftritt in der Figur eines Motorradfahrers, welcher in seiner Eigenschaft als „bad boy“ das Konzept der Revolte, aber auch des Individualismus verkörpert. Beide Konzepte lassen sich in den kognitiven Handlungsmöglichkeiten typisch männlicher Geschlechtsstereotypen wie Aggressivität, Gewaltbereitschaft, Dominanz, aber auch der Entschlossenheit, Tatkräftigkeit und vor allem der Unabhängigkeit wiederfinden. Die schwarze Lederjacke verstärkt das Bild von Männlichkeit zudem, denn „riding down the road in shades and leathers creates that distinctive biker image. And it is a male image“.124 Damit verweist Franks Kleidungsstil in aller Deutlichkeit auf das Konzept von Männlichkeit. 5.2.4 Plurale Identität oder traditionelles Geschlechterverhältnis? Ausgehend von den oben durchgeführten Analysen konnte festgestellt werden, dass sich die soziale Konstruktion der beiden TV-Kriminalkommissare von „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ stark an den geschlechtsspezifischen Charaktermerkmalen, wie sie für die jeweilige Genus-Gruppe im Stereotypinhaltsmodell wiederzufinden sind, orientiert. Bedeutet dies nun, dass Aspekte pluraler Identitätskonstruktionen und der Auflösung der Geschlechterdichotomie vernachlässigt werden können? Dies ist zu verneinen, denn insbesondere an Susannas Verhalten wird deutlich, dass sie sich zwar häufig stereotypkonform verhält, im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen der 1970er und 80er Jahre aber eine erweiterte Instrumentalität aufweist. Um zu prüfen, ob diese Erweiterung in einer pluralen Identität kulminiert oder ob es sich hier eher um eine Strategie des Performativen („acting male“) handelt, sollen die bereits analysierten Folgen noch einmal im Hinblick auf eine mögliche Auflösung der Geschlechterdichotomie betrachtet werden. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass es zahlreiche Szenen gibt, die zeigen, dass beide Ermittler sowohl eine positive Instrumentalität als auch eine positive Expressivität aufweisen, so wie in „Countdown auf der Todesbrücke“. Während

123 Crane 2000, S. 175. 124 Joans 2003, S. 163.

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die beiden TV-Ermittler zu Beginn der Folge, wie bereits in Kapitel 5.2 angesprochen, in Bezug auf ihren Kleidungsstil und ihre Fahrweise äußerst klischeehaft dargestellt werden, verändert sich dieses Bild im weiteren Verlauf der Handlung. Am Ende der ersten Folge ist es dann Susanna, die ihren Kollegen durch einen riskanten Einsatz (Abbildung 92 und 93) von einer einstürzenden Brücke rettet,125 nachdem sie eine Schulklasse aus einem verunglückten Reisebus befreien konnte.126 Abbildung 92: Sprung über die gesprengte Brücke.

Quelle: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 1:23:07.

Abbildung 93: Der Wagen hängt nur noch an einem Stahlseil.

Quelle: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 1:25:43.

125 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 1:23:071:25:43. 126 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:58:190:59:10.

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Doch nicht nur diese Szene spricht für eine atypisch gelagerte Geschlechteridentität. Das zu Beginn der Folge geführte Streitgespräch zwischen den beiden Kriminalkommissaren verdeutlicht ebenfalls, dass die oben geäußerte Annahme, dass es sich um ein traditionelles Rollenverhältnis handelt, nicht in allen Punkten zutreffend ist. Susanna hat in der ersten verbalen Auseinandersetzung ein verändertes Rollenbewusstsein bewiesen, indem sie sich nicht als das schwächere Geschlecht dargestellt hat, sondern als ebenbürtige Partnerin, die ihrem neuen Kollegen in der Gesprächsführung nicht unterlegen ist. Sie bietet Frank gleich zu Beginn ihres Aufeinandertreffens Widerstand und lässt es sich nicht gefallen, dass er sie aufgrund ihrer Fahrweise angreift.127 Damit stellt sich Susanna gegen die Unterdrückung, die sie durch tradierte Rollenklischees und Verhaltensweisen erfährt. Hieraus lässt sich schließen, dass die beiden Kooperationspartner nicht vollständig dem klassischen Rollenverständnis, das durch das Patriarchat jahrhundertelang vorgelebt wurde, und somit auch nicht der sozial geteilten Verhaltenserwartung entsprechen, wie sie sich im Stereotypinhaltsmodell niederschlägt. Hieraus kann gefolgert werden, dass sich Susannas Instrumentalität gegenüber der des traditionellen Frauenbildes erweitert hat. Um diese Feststellung zu untermauern, soll ein weiteres Mal der Anfang der ersten Folge „Countdown auf der Todesbrücke“ herangezogen werden. Nach dem folgenschweren Unfall auf der Autobahn und der bereits erwähnten Auseinandersetzung zwischen Frank und Susanna, greifen nun auch Tom und Semir in das Geschehen ein.128

Die Kamera zeigt in Montagetechnik, wie sich Tom, Frank und Susanna um die Unfallopfer kümmern, während Semir versucht einen Brand zu löschen. Schnitt: Begleitet von einem tickenden Geräusch ist im Close-up eine herunterlaufende Uhr zu sehen. Schnitt: Plötzlich explodiert ein Wagen. Durch die Druckwelle werden Tom und Semir durch die Luft geschleudert. Schnitt: Vereinzelt fallen Autoteile auf die andere Seite der Autobahn. Schnitt: Semirs Körper durchbricht die Seitenscheibe eines Fahrzeugs. Schnitt: Auf der Gegenfahrbahn kommt es durch umherfliegende Autoteile zu einem schweren Auffahrunfall. Schnitt: Die Kamera fängt Tom ein, der durch die Luft geschleudert wird und dann auf einem Autodach liegen bleibt. Sofort laufen Susanna und Frank den Verletzten zur Hilfe. Während Frank sich um Semir kümmert, bemerkt Susanna, dass einer der Tanklaster, der direkt neben einem brennenden Fahrzeug steht, leckt. Sie ergreift die Initiative und versucht Tom zu retten. In diesem Moment fängt das auslaufende Benzin Feuer. Während Frank und Semir hinter einem der anderen Autos in Deckung gehen, ruft Frank 127 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:04:20. 128 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:04:25.

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seiner neuen Kollegin zu: „Hey, mach’, dass du da wegkommst!“129 Doch Susanna ergreift mit den Worten „Ich weiß schon, was ich tue!“130 eine Decke, die sie in einem Lkw gefunden hat, macht sie nass und läuft so geschützt durch die Flammen zu Tom, der immer noch regungslos auf dem Autodach liegt. Frank schaut ihr aus sicherer Entfernung nach. Die Kamera schwenkt zurück zu Susanna, die soeben bei Tom angekommen ist und ihm hilft, vom Autodach zu kommen.131 Während Susanna in dieser Sequenz entgegen der sozial geteilten Erwartungshaltung zu einer aktiv handelnden Figur wird und sich damit auf eine andere, nämlich die männliche Handlungsebene begibt, indem sie atypische Geschlechtereigenschaften wie Mut und Entschlossenheit zeigt, reagiert Frank ängstlich und besorgt. Im Hinblick auf das Rollenverständnis der Geschlechter erweisen sich in dieser Szene zwei Aspekte als interessant. Einerseits zeigt sich in Franks Äußerung „Mach’, dass du da wegkommst“ deutlich die Besorgnis darum, dass Susanna etwas zustoßen könnte. Andererseits aber unternimmt er nichts, um sie von ihrem Vorhaben abzuhalten. Anstatt die Initiative zu ergreifen und gemäß der männlichen Rollenzuweisung in seiner Eigenschaft als Beschützer der Gesellschaft Tom vom Autodach zu retten, bringt sich Frank selbst aus der Gefahrenzone. Wurde Frank bis zu diesem Punkt als aktiv handelnde Person dargestellt, so steht er dem Handlungsgeschehen in dieser Sequenz erstmals passiv gegenüber. Dieses Verhalten deutet auf eine mögliche Veränderung hinsichtlich Franks Instrumentalität, denn zum einen wird er als aggressiver und großspuriger Macho dargestellt, der gerne Widerworte gibt und sich von Frauen scheinbar nichts gefallen lässt, zum anderen ist es aber gerade dieser Macho, der zusieht, wie sich seine Kollegin in eine lebensgefährliche Situation begibt, und zwar bei gleichzeitiger Äußerung von Besorgnis. Dies entspricht einem Wechselverhältnis der Geschlechter und kann als Ansatz einer pluralen Geschlechtsidentität gedeutet werden. Denn Frank nimmt in diesem Moment auf der emotionalen und handlungsbezogenen Ebene eine ursprünglich typisch weibliche Haltung ein, indem er im Gegensatz zu seiner Kollegin eher passiv wirkt und zudem eine höhere Angstbereitschaft aufweist, während Susanna den aktiven und somit männlichen Part übernimmt. Dies bedeutet, Franks Instrumentalität nimmt ab, während sich Susannas Instrumentalität erweitert.

129 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:06:27. 130 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:06:28. 131 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:05:160:07:03.

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Weitere Veränderungen in Susannas Verhalten, die auf eine Erweiterung ihrer Instrumentalität schließen lassen und möglicherweise als Ansätze einer pluralen Geschlechtsidentität angesehen werden können, sind in ihrer Fahrweise finden. War sie zu Beginn der Serie noch die rücksichtsvolle Fahrerin, die sich an die Regeln der Straßenverkehrsordnung hielt, so präsentiert sich Susanna den ZuschauerInnen in der zweiten Staffel, beispielsweise in der Folge „Explosive Mischung“132 (Staffel 2, Folge 5, 01.12.2005, 20:15h, RTL), als eine Person, die durchaus bereit ist, ein Risiko im Straßenverkehr einzugehen. Nach einem riskanten Einsatz von Frank, bei dem er auf einen fahrenden Lkw springt, um dessen Fahrer, einen flüchtigen Verbrecher, vor dem Tod zu retten, erweist sich Susanna als starke Partnerin.133 Sie fährt während der gesamten Zeit neben dem Lkw her, damit sie beide aufnehmen kann,134 bevor der Lkw, der auf eine Betonwand zurast, in Flammen aufgeht.135 Man sieht Frank an, dass er vom Einsatz seiner Kollegin sichtlich begeistert ist, was er auch verbal mit dem Lob „Du bist gut Auto gefahren!“136 zum Ausdruck bringt. Doch nicht nur ihr Fahrstil durchläuft im Verlauf der zwei Staffeln eine Veränderung, sondern auch ihr körperlicher Einsatz. Er entspricht oftmals dem eines Mannes. In „Tödliche Träume“ zum Beispiel springt sie gemeinsam mit Frank 132 „Ein schwarzer Tag für Frank Traber: Mitten auf der Autobahn bleibt er mit leerem Tank liegen. Zum Glück ist die nächste Tankstelle nicht weit. Frank bleibt nichts anderes übrig, als den Wagen mit Susanna am Steuer bis dorthin zu schieben. Während Susanna auftankt, besorgt sich Frank erst mal einen Kaffee. Als er den Verkaufsraum betritt, erlebt er eine weitete böse Überraschung: Ein mit einem Motorradhelm maskierter Mann bedroht die Pächterin Ruth Siebert und erschießt unvermittelt deren Mann. Dann eröffnet der Maskierte das Feuer auf Frank, schnappt sich die Tageseinnahmen und flieht auf einem Motorrad. Die Autobahn-Cops nehmen die Verfolgung auf, doch ihr Wagen bleibt mit einem Motorschaden liegen. Bei den weiteren Ermittlungen fallen den Cops Ungereimtheiten auf: So hatte beispielsweise der maskierte Täter den Tankstellenbesitzer scheinbar völlig grundlos erschossen. Es wächst der Verdacht, dass es sich bei der Tat um vorsätzlichen Mord gehandelt hat. Aber was sind die Hintergründe? Frank und Susanna ermitteln weiter und kommen schließlich einem groß angelegten illegalen Benzinhandel auf die Spur. Der Fall entwickelt sich für die Autobahnpolizei zu einer hoch explosiven Angelegenheit.“ http://rtlnow.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11-einsatz-fuer-team-2/explosive-mischung.php?film_i d =75661&productdetail=1&season =2. Letzter Zugriff: 27.12.2012. 133 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Explosive Mischung, 0:41:16. 134 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Explosive Mischung, 0:41:19-0:41:48. 135 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Explosive Mischung, 0:41:53. 136 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Explosive Mischung, 0:42:22.

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durch ein Fenster.137 In derselben Folge nimmt sie den Weg durch eine Bauschuttrutsche, um ihrem Partner zur Hilfe zu kommen.138 Sie ergreift zudem oft die Initiative und lässt sich in brenzligen Situationen nicht nur von ihrer weiblichen Intuition leiten, sondern beweist einen klaren und kühlen Kopf. Dadurch erscheint sie den ZuschauerInnen nicht als typisch weiblich, obwohl sie, wie bereits dargestellt, zahlreiche weibliche Charakterstereotypen innehat, sondern überrascht mit ihren männlichen Eigenschaften. Ähnlich zeigt sich auch bei ihrem Partner Frank ein verändertes Rollenverhalten. In der Folge „Explosive Mischung“ weist er vor der Vernehmung von Frau Siebert, deren Mann vor seinen Augen erschossen wurde, plötzlich ein stereotypkonträres Verhalten auf, das gemäß dem sozial geteilten Rollenerwartungen auf der weiblich-emotionalen Ebene einzuordnen ist. Susanna kommt zügigen Schrittes aus dem Kommissariat heraus und geht in Richtung Parkplatz. Erst jetzt bemerkt sie, dass Frank nicht bei ihr ist. Sie dreht sich nach ihm um. In diesem Moment verlässt auch Frank die Dienststelle. Sein Gang ist schleppend und langsam, beinahe unmotiviert. Susanna bemerkt dies und schaut ihn fragend an. Sie wartet, bis er bei ihr ist. Susanna: „Ich freu’ mich auch nicht gerade darauf, ausgerechnet jetzt mit Frau Siebert zu sprechen, aber wir dürfen keine Zeit verlieren.“

Die beiden gehen über den Parkplatz der Wache zu ihrem Dienstwagen. Die Kamera bleibt bei Frank, während Susanna weitergeht. Sein Gesichtsausdruck spiegelt Niedergeschlagenheit wider. Frank: „Ne, das ist es nicht.“

Nun wechselt die Kamera zu Susanna, die stehen bleibt. Fragend dreht sie sich zu Frank um. Susanna: „Wie, das ist es nicht?“139

137 Alarm für Cobra 11 – Team 2. Tödliche Träume, 0:15:15. 138 Alarm für Cobra 11 – Team 2. Tödliche Träume, 0:15:57. 139 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Explosive Mischung, 0:07:04.

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Frank geht an ihr vorbei. Nun ist zu erkennen, dass Susanna an der Fahrerseite ihres Dienstwagens steht, während Frank zur Beifahrerseite geht und dabei nochmals „Ne, das ist es nicht.“140 sagt. Dann lehnt er sich gegen das Fahrzeug, die Hände auf das Dach gelegt. Frank verzweifelt: „Was, wenn ich früher und woanders getankt hätte?“ Susanna: „Was dann?“ Frank: „Dann wäre alles anders gekommen. Dann wäre ich nicht in diesen Überfall gestolpert. Dann wäre der Siebert noch am Leben, oder? So ist es doch nun mal.“ Susanna eindringlich: „Frank, du kannst doch nichts dafür, dass du zur falschen Zeit am falschen Ort warst.“141

In dieser Unterhaltung zeigt sich deutlich Franks emotionale Seite, die gemäß dem Stereotypinhaltsmodell als stereotypkonträr zu bezeichnen ist. Denn aus der Perspektive der gesellschaftlichen Auffassung über das männliche Geschlecht und seine emotionale Ausprägung verhält sich Frank unmännlich und – insofern aus dieser Perspektive biologisches und soziales Geschlecht als naturgegebene Einheit betrachtet werden – „unnatürlich“, da er an seinem Handeln zweifelt. Hier nimmt stattdessen Susanna die maskuline Haltung ein und versucht ihn durch eine rationale Argumentation davon zu überzeugen, dass er keine Schuld am Tod Sieberts trägt. Doch anstatt die Situation gemäß der sozial geteilten Rollenerwartungen logisch und klar denkend anzugehen, überkommen Frank im weiteren Verlauf der Folge erneut Zweifel und Schuldgefühle. Die er wie folgt verbal äußert: Frank: „Ja, sie hat gestern meinetwegen ihren Mann verloren.“142

Ein ähnliches Bild zeichnet die Serie in der Folge „Zahltag“143 (Staffel 2, Folge 1, 27.10.2005, 20:15 Uhr, RTL), in der Susanna zuerst das Opfer von Gewalt und 140 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Explosive Mischung, 0:07:08. 141 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Explosive Mischung, 0:06:56-0:07:22. 142 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Explosive Mischung, 0:14:43. 143 „Über der Autobahn stürzt ein Sportflugzeug ab. Nahe der Absturzstelle treffen Frank und Susanna auf den verletzten Darius Novak. Er bittet die Cops, den Piloten zu retten, der noch im Wrack eingeklemmt sei. Während Susanna Novak verarztet, eilt Frank zum Wrack. Doch der Pilot ist bereits tot: Er wurde erschossen! Als Frank alarmiert zu Susanna zurückkehrt, wird er von Novak hinterhältig niedergeschossen. Doch

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später einer Entführung wird. Franks Reaktionen innerhalb dieser Folgen müssen in Hinblick auf das Stereotypinhaltsmodell als vom Stereotyp abweichend bezeichnet werden, da sich Frank zum einen ungewöhnlich besorgt zeigt, zum anderen nicht mehr rational agierend in den Handlungsmustern der Genus-Gruppe Mann handelt. In seinen Aktionen ist deutlich zu erkennen, dass er emotional involviert ist. Dies gilt sowohl für die Sequenz, in der er Susanna bewusstlos am Boden neben ihrem Dienstwagen liegend findet,144 als auch für den gesamten Verlauf der Suchaktion. Übermannt von Emotionen kommt es immer öfter zu nicht rationalen Handlungen, wie einer eigenmächtig durchgeführten Verfolgung,145 welche die Befreiung Susannas gefährden. Trotz der zahlreichen geschlechtsuntypischen Merkmale, die beide TV-Kriminalkommissare aufweisen, lässt sich feststellen, dass weder Frank noch Susanna ihre geschlechtstypischen Rollenerwartungen ablegen. Es ist zwar primär bei Susanna eine Umkehr der tradierten Zuordnung zu beobachten, da sie, insbesondere in der zweiten Staffel der Serie, vermehrt männlich konnotierte Verhaltensweisen zeigt, dennoch aber eine hegemoniale Männlichkeit nicht konstant und auch nicht überzeugend genug inszeniert. Vielmehr verweisen die von ihr dargestellten Männlichkeitsentwürfe, die immer wieder gebrochen werden, auf eine Strategie des Performativen hin, wie sie sich beispielsweise in der Maskerade finden lassen. Selbiges lässt sich über Frank sagen. Die wenigen Situationen, in denen er das weibliche Konzept zitiert, reichen nicht aus, um das Konzept der Männlichkeit zu brechen. Daher kann das Verharren in einer Dauertravestie, welches, so Hollstein, in einer Auflösung der Geschlechterdichotomie kulminieren würde, trotz diverser geschlechtsuntypischer Verhaltensweisen nicht bestätigt werden. Auch der Aspekt einer androgynen

Frank hat Glück: Die Kugel bleibt in seinem Handy stecken. Als er wieder zu sich kommt, ist Susanna verschwunden. Und auch von Darius fehlt jede Spur. Als kurz darauf Dorfpolizist Max Stolz an der Absturzstelle erscheint, macht Frank sich gemeinsam mit ihm auf die Suche nach Susanna. Eine gnadenlose Verfolgungsjagd beginnt, während der sich auch herausstellt, dass Novak ein geflohener Sträfling ist, der versteckte Diamanten aus einem früheren Raubüberfall bergen will. Novak wurde jedoch schwer am Arm verletzt und braucht Susanna als Fahrerin. Über Susannas Handy kontaktiert er seinen alten Komplizen Rudi Roth und verabredet ein Treffen. Doch das Gespräch wird abgehört und Frank gelingt es in einer spektakulären Aktion, Susanna aus der Gewalt von Novak zu befreien. Doch dabei gerät er selbst in die Fänge des Gangsters.“ http://rtl-now.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11-einsatz-fuer-team2/zahltag.php?film_id=75669&pro ductdetail=1. Letzter Zugriff: 07.02.2013. 144 Vgl.: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Zahltag. 145 Vgl.: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Zahltag.

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Geschlechtsbildung konnte nicht bestätigt werden, denn bei keiner der beiden Figuren kommt es schlussendlich zu einer vollkommenen Nivellierung der geschlechtsspezifischen Polaritäten, durch die es den Figuren möglich wäre jeden beliebigen Punkt auf der Maskulinitäts- bzw. Femininitätsdimension einzunehmen.146 Vielmehr findet nur eine begrenzte doppelgeschlechtliche Konditionierung statt, wodurch bloß ein „partieller Zugang zur Gleichrangigkeit ermöglicht [wird]“.147 Hierdurch kommt es zeitweise zu einem Bruch mit den in der Einführung etablierten Handlungsmustern der beiden TV-Ermittler. Insbesondere bei Susanna wird ersichtlich, dass sie Männlichkeit durch den strategischen Einsatz geschlechtlich konnotierter Handlungsweisen aktiv herstellt, somit also ihre Instrumentalität erweitert, wenn es der Situation nützt. Anders gesagt: Männlichkeit wird immer dann konstruiert, wenn Frausein nicht mehr ausreicht.

5.3 R HETORIK BEI GEMISCHTGESCHLECHTLICHEN E RMITTLERPAAREN Dass das Geschlecht und die ihm anhängigen Geschlechtscharaktere in einem engen Zusammenhang mit Kommunikation und Sprache stehen, wurde bereits in den vorhergehenden Kapiteln ausführlich dargelegt und analysiert. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich die männliche Sprechweise durch einen sachlich-dominanten Sprachgebrauch auszeichnet.148 Diese Feststellung geht mit den sozial geteilten Verhaltenserwartungen, die bezüglich der männlichen Genus-Gruppe bestehen, sowie den ihr anhängigen traditionellen Charaktereigenschaften, wie beispielsweise Dominanz, Macht, Rationalität und Sachlichkeit, einher. Dementsprechend beinhaltet der stereotyp männliche Sprachstil Merkmale wie Obszönität, Slangausdrücke, aber auch eine kürzere Syntax, aggressives und autoritäres Sprechen.149 Doch bedingt durch den höheren sozialen Status, der Männern in unserer westlich geprägten Gesellschaft zu gesprochen wird,150 ergibt sich die Erhebung der männlichen Sprache zur Normsprache.151 Hierdurch erfährt das weibliche 146 Vgl.: Alfermann 1996, S. 59. 147 Ebert, Teresa L.: Ermittlungen des Phallus. Autorität, Ideologie und die Produktion patriarchaler Agenten im Kriminalroman. In: Vogt, Jochen (Hg.): Der Kriminalroman. Poetik. Theorie. Geschichte. München 1998, S. 468. 148 Vgl. hierzu Kapitel 3.4 dieser Untersuchung. 149 Vgl.: Gottburgsen 2004, S.29. 150 Vgl.: Alfermann 1996, S.11. 151 Vgl.: Braun 2004, S.15.

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Sprechverhalten eine Degradierung. Dies entspricht wiederum dem niedrigen sozialen Status, der Frauen zugesprochen wird. Gleichzeitig bedeutet dies, dass das weibliche Sprechverhalten grundsätzlich eine negative Konnotation erfährt, wodurch sich weitreichende Konsequenzen für Frauen ergeben. Die Verwendung einer minderwertigen Sprache bedeutet darüber hinaus aber nicht nur, das Innehaben eines minderwertigen Status in der Gesellschaft, sondern auch, dass Frauen dazu gezwungen sind, sich die männliche Normsprache anzueignen, sofern sie beispielsweise in der Arbeitswelt Führungspositionen besetzen möchten.152 Denn in diese kommen sie nur, wenn sie genau diese Sprache sprechen: „Ein Kommunikationsstil, bei dem mehr behauptet als begründet wird, ein Kommunikationsstil, bei dem es um Gewinnen oder Verlieren geht, wo menschliche Wertschätzung geradezu entzogen wird“.153 Frauen, die sich diesen Kommunikationsstil aneignen, gelten in unserer Gesellschaft als unfreundlich, streng und distanziert154, denn ihnen fehlen die stereotyp femininen Merkmale wie eine sanfte oder auch emotionale Sprache, auf Gefühle referierende Phrasen oder das Nutzen von Verstärkungspartikeln.155 Ihnen werden somit Eigenschaften zugeteilt, die im Stereotypinhaltsmodell normalerweise als typisch männliche Charaktereigenschaften ausgewiesen werden. Lakoff argumentiert diesbezüglich: „So a girl is damned if she does, damned if she doesn’t. If she refuses to talk like a lady, she is ridiculed and subjected to criticism as unfeminine; if she dies learn, she is ridiculed as unable to think clearly, unable to take part in a serious discussion: in some sense, as less than fully human: These two choices which a woman has – to be less than a woman or less than a person – are highly painful.”156

Sprache wird in diesem Sinne nicht nur als ein Akt von Gewalt und Machtausübung angesehen, sondern auch als ein Akt der Unterordnung, des Identitätsverlustes und der sexuellen Diskriminierung. Sprache ist sexistisch, wenn sie Frauen und ihre Leistung ignoriert, wenn Frauen nur in Abhängigkeit von und Unterordnung zu Männern beschreibt, wenn sie Frauen nur in stereotypen Rollen zeigt und ihnen so über das Stereotyp hinausgehende Interessen und Fähigkeiten abspricht, und wenn sie Frauen durch herablassende Sprache demütigt und lächerlich

152 Vgl.: Oppermann/Weber 2008, S.14 153 Ebd. 154 Vgl. ebd. 155 Vgl.: Gottburgsen 2004, S.29. 156 Vgl.: Ayaß 2008, S.23.

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macht.157 Doch die Feststellung, dass Frauen in der Lage sind, sich das männliche Sprechverhalten anzueignen, gleicht auch dem Konzept der Maskerade, welches besagt, dass der Akteur eine Maske aufsetzt, durch die eine andere Genderposition eingenommen werden kann.158 Gleichzeitig bedeutet dies, dass Sprache zu einem Akt selbstgewählter Illusion wird. Es bleibt der jeweiligen Person selbst überlassen, ob und wann sie sich der Maskerade hingibt, sprich das männliche Sprechverhalten annimmt. Der von Lakoff beklagte Identitätsverlust wäre demnach selbstgewählt und nicht auferlegt. Zum anderen bleibt es der jeweiligen Person auch selbst überlassen, die Maskerade wieder fallen zu lassen, sprich aus dem männlichen Sprechverhalten in das weibliche zurückzukehren. In diesem Umstand kann ebenfalls ein Moment der Machtausübung gesehen werden, denn die Person, die fähig ist, den Zustand der Maskerade zu erreichen und ihn auch wieder zu verlassen, hat die Möglichkeit in beiden Sprachwelten zu agieren, da sie beide Arten des Sprechverhaltens beherrscht. Dies bedeutet, dass Frauen, denen es möglich ist, auch den männlichen Kommunikationsstil anzuwenden, mehr Möglichkeiten der Machtausübung haben, als Frauen oder Männer, die nur in einer der beiden Sprachwelten fähig sind zu agieren. In diesem Sinne ist Sprache ein Akt der Machtausübung, doch ein selbstgewählter, der beiden Genus-Gruppen offen steht. Lakoff spricht weiter davon, dass Frauen nicht nur vom Sprachstil des männlichen Geschlechts abweichen, sondern auch über einen anderen Wortschatz verfügen, was wiederum im engen Zusammenhang mit ihrer Rolle als Mutter, Ehefrau und Hausfrau steht. Substantive und Adjektive wie „Schätzchen“, „goldig“, „süß“ oder „reizend“ lassen sich in einem weiblichen Wortschatz viel häufiger finden, als in einem männlichen.159 Selbiges gilt für Vagheitsmarkierungen wie „ziemlich“, „irgendwie“, „möglicherweise“ und „vielleicht“.160 Diese so genannten „hedges“ gehen mit einer weiblichen Syntax einher, wie „Es scheint, dass…“, „Ich vermute, …“, „Ich würde sagen…“, „Meiner Meinung nach…“, „Ich frage mich, ob…“.161 Ähnliches findet sich in der weiblichen Fragestellung wieder: „Meinst du nicht auch,…?“, „Findest du nicht auch, …?“, „Ist es nicht so, dass…?“162. Der weibliche Sprechakt wirkt hierdurch höflicher und indirekter als

157 Trömel-Plötz, Senta/Luise Pusch: Sprache, Geschlecht und Macht. Wiesbaden 1980, S.15. 158 Vgl.: Weihe 2004. 159 Lakoff 160 Vgl.: Ayaß 2008, S.23. 161 Vgl. ebd. 162 Vgl. ebd.

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der männliche.163 Frauen verfügen zudem über einen flüssigeren Sprachstil als Männer, was auf die Andersartigkeit der Hirnstruktur zurückzuführen ist, da Frauen einen schnelleren Zugriff auf das Sprach- und Gefühlszentrum der rechten Hirnhälfte haben.164 Der Bereich, der die verbale Initiative und das Kurzzeitgedächtnis steuert, weist bei Frauen eine um 23 Prozent höhere Konzentration auf.165 Männer sind hingegen einfallsreicher, so Pöhm.166 Sie legen auch mehr Wert auf den Inhalt eines Satzes. Dies stimmt mit den bereits getätigten Aussagen über den „Rough Talk“ überein. Der Umgang unter Männern ist im Allgemeinen rauer, dementsprechend formt sich die Satzmelodie. Dennoch sind Männer im Stande innerhalb einer rauen Satzmelodie Inhalte zu formulieren, die von ihrem männlichen Gegenüber weder als verletzend noch beleidigend verstanden werden. Die Kommunikation unter ihresgleichen kann daher als emotionsloser und klarer bezeichnet werden. In der unterschiedlichen emotionalen Kommunikationsform wird ein Grund gesehen, warum es zwischen Männern und Frauen oftmals zu Spannungen kommt. Während Frauen durch emotionsreiche und ausgeschmückte Satzgefüge kommunizieren, bestreiten Männer die Konversationen kurz und bündig. Schnell wird der Mann hierdurch zu einem emotionslosen Wesen verdammt, während die Frau eine emotionale Quasselstrippe ist. Hierdurch leisten Frauen in der Regel mehr Gesprächsarbeit als Männer. Gleichzeitig erweisen sie sich als kooperativer, so Helmut Martinetz, da sie mehr auf die Themen ihres gegenüber eingehen und ein größeres Interesse daran vortäuschen. Ebenso ist festzustellen, dass der weibliche Gesprächspartner mehr Hörerrückmeldungen gibt und den größeren Anteil an Fragen stellt, um ein Gespräch aufrechtzuerhalten.167 „Weil Frauen sprachliche Dominanz vermeiden und ihr Gegenüber kommunikativ unterstützen, hat weibliche Sprache […] eine >therapeutischeheilende< Qualität.“168Therapeutische Floskeln wie „mhm“ oder „ich verstehe“ und „aha“ reichen dabei völlig aus, um eine höhere Aufmerksamkeit und Bereitschaft zum Gespräch zu repräsentieren.169 Trömel-Plötz argumentiert diesbezüglich:

163 Braun 2004, S.15. 164 Vgl.: Pöhm, Matthias: Frauen kontern besser: So werden sie richtig schlagfertig. Heidelberg 2006, S. 13. 165 Ebd. 166 Vgl. ebd. 167 Vgl.: Martinetz 2006, S.14. 168 Braun 2004, S.17. 169 Vgl.: Martinetz 2006, S.14.

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„Frauen reagieren, stellen interessierte Fragen, machen bewundernde Einwürfe, hören aufmerksam zu, lächeln, ermuntern, vor allem unterbrechen sie nicht […] Männer kontrollieren den Gesprächsablauf, Frauen leisten die Arbeit, um das Gespräch aufrecht zu erhalten.“170

Dass Frauen in Gesprächen auf diese Weise reagieren, hat mit der weiblichen Erziehung und den zugehörigen Rollenbildern zu tun. Frauen sind dazu angehalten, den Mann zu unterstützen, ihn zu schätzen und gleichzeitig zu inspirieren. Eine Frau, die das oben dargestellte Verhaltensmuster nach Trömel-Plötz aufweist, zeigt sich im Gespräch mit einem Mann als unterlegener Partner, da sie dem Mann vermitteln möchte, dass er das starke Geschlecht ist, welches es zu bewundern gilt. Unterstützt wird diese Unterlegenheit durch die Art und Weise des männlichen Sprachaktes, der im gewaltsamen oder im raueren und gefühlslosen Ton mit der Frau kommuniziert, welche wiederum weibliche Emotionalität durch die oben aufgezeigten Verhaltensmuster dem männlichen Gesprächsteilnehmer entgegenbringt. Frauen, die sich auf das Niveau des „Rough Talks“ begeben, werden als kalt und gefühllos bezeichnet und nicht als „richtige“ Frauen im traditionellen Sinne wahrgenommen. Ein Beispiel dafür ist die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher, die als eiserne Lady bezeichnet wurde. Dieser Titel bezog sich nicht nur auf die Art mit der sie politisch agierte, sondern auch auf die Art wie sie politischen Gegnern innerhalb von Sprechakten begegnete. Thatcher ist gleichzeitig ein sehr gutes Beispiel dafür, dass Frauen durchaus in der Lage sind, die Sprache der Männer zu sprechen.171 Anhand der oben gemachten Aussagen erweist es sich als interessant, das Sprechverhalten der beiden Kooperationspartner Frank Traber und Susanna von Landitz in Bezug auf die Fragestellung dieses Kapitels näher zu betrachten. Dabei soll anhand der Rhetorik untersucht werden, inwiefern sich Anzeichen für eine Auflösung der Geschlechterdichotomie und somit Anzeichen für die Angleichung der Geschlechtsidentitäten der beiden TV-Kriminalkommissare vorzufinden sind. Hinsichtlich der bereits erfolgten Analyse der sozialen Konstruktion des Ermittlerpaares und der Feststellung, dass es hierbei nicht zu einer Auflösung der Geschlechterdichotomie kommt, wohl aber zu einer Erweiterung der positiven Instrumentalität bei Susanna sowie der positiven Expressivität bei Frank, ist davon auszugehen, dass auch die Analyse des Sprechverhaltens keinen Beweis für einen Verlust der Geschlechteridentitäten liefern wird, sondern das sich auch dieses mehrheitlich stereotypkonform verhält.

170 Trömel-Plötz zitiert nach Martinetz 2006, S.14. 171 Vgl.: Oppermann/Weber 2008, S.20.

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Gleich zu Beginn der ersten Folge „Countdown auf der Todesbrücke“ zeigt sich, dass ein deutlicher Unterschied im Sprechverhalten der beiden Kooperationspartner vorhanden ist. Gemäß der sozial geteilten Verhaltenserwartung die an die Genus-Gruppe Mann gestellt wird, verhält sich Frank stereotypkonform. Denn anstelle auf die besorgte Frage seiner Kollegin einzugehen, wird er laut und verliert sich in einem aggressiven Tonfall und Kraftausdrücken, die im männlichen Sprachstereotyp eine hohe Diagnostizität aufweisen.172 Dies liest sich folgendermaßen: Frank: „Du bist ja wohl weich in der Birne, he? Erst rumschleichen und dann noch voll auf die Klötze gehen. Du bist ja wohl völlig bescheuert.“173

In dieser Aussage benutzt der TV-Kriminalkommissar gleich mehrere Wörter, die nicht nur als ein Angriff gegen Susanna als Person angesehen werden können, sondern sie auch als Person herabsetzen. Hierbei handelt es sich zum einen um das Adjektiv „bescheuert“ und zum anderen die Aussage „weich in der Birne“. Die Anwendung der Umgangssprache entspricht zugleich Franks sozialer Konstruktion. Sein Sprechverhalten in dieser Szene entspricht sowohl dem männlichen Sprachstereotyp als auch dem männlichen Geschlechtsstereotyp. Ein weiteres Beispiel für sein typisch männliches Sprechverhalten zeigt sich in der Begegnung zwischen Frank Traber und Frau Klein in der Folge „Tödliche Träume“.

Frank und Susanna befinden sich im Wohnzimmer von Familie Klein. Während Susanna und Frau Klein jeweils auf einer Couch sitzen, steht Frank erst hinter seiner Kollegin. Dann geht er langsam um das Sofaensemble herum, bleibt hinter Frau Klein stehen und bückt sich zu ihr herunter. Dabei stützt er sich mit seinen Händen rechts und links von Frau Klein auf der Sofalehne ab. Frank aggressiv: „Sagen Sie mal, der Freund von ihrer Tochter. […] Wussten Sie von der Beziehung?“ Frau Klein weinend: „Nein.“

Frank greift nach der Akte über Jo und hält Frau Klein das Bild des jungen Mannes hin.

172 Vgl.: Gottburgsen 2004, S.37. 173 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:03:110:03:18.

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Frank unwirsch: „Nein? Der hier, kommt der ihnen bekannt vor?“ Frau Klein verunsichert: „Nein.“ Frank drohend: „Warum nicht?“ Frau Klein verstört: „Ich bin in letzter Zeit einfach nicht mehr an Betty herangekommen. Sie ging ihren eigenen Weg. Ich bin wohl keine besonders gute Mutter gewesen.“174

Der TV-Kriminalkommissar zeigt in dieser Szene weder auf emotionaler noch auf verbaler Ebene Verständnis für die Mutter der Tatverdächtigen. Seine von einem aggressiven Tonfall dominierte Befragung vermittelt den ZuschauerInnen nicht nur das Gefühl, dass es sich bei Frank um einen emotionslosen Menschen handelt, sondern auch, dass Sprache als Mittel von Machtausübung dient. Frank nutzt hier Sprache als ein Druckmittel, denn seine unhöfliche und sehr direkte Ausdrucksweise gepaart mit einem drohend-aggressiven Unterton versetzen Frau Klein in eine untergeordnete Rolle.175 Sie sieht sich schlussendlich dazu gezwungen, zuzugeben, dass sie eine schlechte Mutter ist. Sie hat als Frau und Mutter versagt. Den Eindruck, den Franks Befragungsmethode bei den ZuschauerInnen hinterlässt, entspricht der Feststellung, die im Rahmen einer vom FINO Institut aufgegebenen Studie, gemacht wurde, nach der das männliche Sprechverhalten sowohl als dominant, aggressiv und emotionslos empfunden wird.176 Auch die Anwendung kurzer und prägnanter Sätze, wie sie auch in Franks Sprachgebrauch Verwendung finden, entspricht dem typisch männlichen Sprechverhalten.177 Im weiteren Verlauf der Folge „Tödliche Träume“ kommt es noch einmal zu einer Begegnung zwischen Frau Klein, Frank Traber und Susanna von Landitz.

Unser Blick ist auf eine massive Eichentür gerichtet. Die Tür öffnet sich und Frau Kleins Kopf erscheint. Sie schaut ein wenig verunsichert aus, dann verändert sich ihr Gesichtsausdruck. Frau Klein überrascht: „Sie?“

174 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Tödliche Träume, 0:19:170:19:22. 175 Vgl.: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Tödliche Träume, 0:19:21. 176 Vgl.: Oppermann/Weber 2008, S.15f. 177 Vgl. ebd., S.93.

262 | TAFFE KOMMISSARINNEN UND EMANZIPIERTE K OMMISSARE? Frank dominant-aggressiv: „Wo ist ihre Tochter?“ Susanna bestimmt, aber dennoch freundlich: „Es ist jetzt wirklich ernst, Frau Klein. Es geht um Mord.“ Frank: „Ihre Tochter hat einen Polizisten erschossen.“ Frau Klein erschrocken: „Was? Oh mein Gott.“

Frank drängt sich mit den Worten „Darf ich bitte mal.“ an Frau Klein vorbei ins Innere des Hauses. Er geht einige Schritte durch die Eingangshalle bis er das Wohnzimmer einsehen kann, dann dreht er um und bleibt hinter Frau Klein stehen. Die Hände hat er in die Hüften gestemmt. Frau Klein: „Es ist niemand zu Hause. Hier ist niemand.“ Susanna: „Wo ist sie dann?“ Frank dominant-aggressiv, mit drohendem Unterton: „Frau Klein, wir wissen, dass sie Jo kennen und das nicht erst seit gestern.“ 178

Auch dieses Mal ist es wieder Frank, der die Gesprächsführung in gewohnt rauem Ton und ohne Anzeichen von Empathie übernimmt. Auffallend ist zudem, dass sich Franks Stimme in Situationen wie diesen verändert. Seine Stimmlage wird deutlich tiefer und rauer als in Gesprächen, die er beispielsweise mit Susanna während einer Kaffeepause führt. Doch auch diese Veränderung, so Gottburgsen, entspricht dem männlichen Sprachstereotyp und tritt häufig auf.179 Diese Art der Gesprächsführung und des Sprechverhaltens kann auch als „Rough Talk“ bezeichnet werden. Deutlich wird dies beispielsweise in der Folge „Der Augenzeuge“. Während der Befragung des mutmaßlichen Opfers verfällt Frank immer wieder in den „Rough Talk“.180 Und auch hier zeigt sich erneut, dass diese unbeherrschte Art und Weise des Sprechens bei der zu befragenden Person nicht zum gewünschten Ziel führt. Interessant ist, dass das Opfer, welches ebenfalls der männlichen Genus-Gruppe angehört, auf ähnliche Weise antwortet, wie Frank seine Fragen stellt.

178 Gesamtdialog: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Tödliche Träume, , 0:30:570:31:17. 179 Vgl.: Gottburgsen 2004, S.37. 180 Vgl.: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Der Augenzeuge, 0:06:49-0:07:08.

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Anstelle die Aussage ganz zu verweigern oder aber einen sanfteren Weg der Kommunikation einzuschlagen, wählt das männliche Opfer ebenfalls den „Rough Talk“ und Kraftausdrücke, um zu antworten. Die Aussage „Leck mich Bulle!“181, ist damit eindeutig dem männlichen Sprachfeld zu zuordnen. Wie bereits erwähnt, hemmt diese Gesprächsführung die Kommunikation. Des Weiteren lässt sich feststellen, dass Frank eine Vorliebe für Kraftausdrücke hat. In „Tödliche Träume“ nutzt er beispielsweise Wörter wie „scheiß Drecksdinger“182 oder „angepisst“183. In der Folge „Countdown auf der Todesbrücke“ gehören Ausdrücke wie „bescheuert“184 und „blöd“185 zu seinem sprachlichen Repertoire. Und in „Strafversetzt“186 (Staffel 1, Folge 3, 08.05.2003, 20:15 Uhr, RTL) häufen sich Kraftausdrücke wie „fuck“187, „Arschloch“188, „scheiße“189, „Scheißjob“190, oder „verpiss dich“191. 181 Alarm für Cobra 11 – Team 2. Der Augenzeugen, 0:06:58. 182 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Tödliche Träume, 0:32:16. 183 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Tödliche Träume, 0:27:56. 184 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, beispielsweise: 0:03:18. 185 Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Countdown auf der Todesbrücke, 0:14:34. 186 „Als Susanna und Frank einen Gefangenenbus eskortieren gelingt es dem Häftling Manfred Kosinski, seine Handschellen aufzubrechen und den Wärter anzugreifen. Im Handgemenge wird der Fahrer erschossen, der Bus gerät außer Kontrolle, und Kosinski kann fliehen. Die Fahndung […] übernimmt LKA-Hauptkommissar Rainer Berger. Als Frank und Susanna dessen Befehl missachten, werden sie zu einem Strafeinsatz beordert: Eine 24-Stunden-Überwachung von Kosinskis Ex-Freundin Rosanna. Rosanna arbeitet in einer Tabledance-Bar und wird auf einem dunklen Parkplatz von einem Mann penetrant angemacht. Doch zum Glück ist Frank als Retter zur Stelle. Die schöne Tänzerin ist Frank sehr dankbar und lädt ihn zu einem Drink nach Hause ein. […] An einer Autobahnraststätte finden Frank und Susanna eine Spur. Dort trifft sich Rosanna mit Kosinski. Die beiden kapern einen LKW mit explosiver Fracht und drängen den herbeigeeilten Berger in einen Straßengraben. Frank und Susanna sind nun die einzigen Verfolger, und es kommt zu einem tödlichen Kampf.“ http://rtlnow.rtl.de/alarm-fuer-cobra-11-einsatz-fuer-team-2/strafversetzt-scheissjob.php?fil m_id=75645&productdetail=1&season =1. Letzter Zugriff: 07.02.2013. 187 Vgl.: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2, 0:02:58. 188 Vgl.: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2, 0:04:55, 0:40:23. 189 Vgl.: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2, 0:03:39, 0:19:23. 190 Vgl.: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2, 0:09:41, 0:17:20, 0:20:45 oder 0:45:03. 191 Vgl.: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2, 0:24:58.

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Anders gestalten sich Verhöre und Befragungen, wenn diese von Susanna durchgeführt werden. Durch beziehungsfördernde Strategien, die sie anwendet, welche sich unter anderem an ihrer verständnisvollen und höflichen Art des Sprechens zu erkennen sind, ist es ihr möglich eine Bindung zu ihrem Gegenüber aufzubauen. Oppermann und Kaiser ordnen diese Technik, die sie als Aufmerksamkeitsreaktion bezeichnen, primär der weiblichen Genus-Gruppe zu, denn: „Frauen sind seit ihrer Kindheit darauf geprägt, über das Gespräch Nähe und Bindung herzustellen. Dies geschieht, indem sie beziehungsfördernde Strategien einsetzen. Durch Berichte, beispielsweise von persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen, versuchen sie Nähe und Vertrauen herzustellen.“192

Dies geschieht beispielsweise in der Folge „Der Augenzeuge“. Hier vertraut sich das Opfer der TV-Kriminalkommissarin an, nachdem diese nicht nur durch ihre Gestik, sondern auch durch ihre verbale Ausdrucksweise einen verständnisvollen und zudem ruhigen Eindruck hinterlassen hat.193 Damit entspricht Susannas Sprechverhalten eindeutig dem weiblichen Sprachstereotyp. Insbesondere dem gefühlsbetonten Sprechen kommt hier eine hohe Diagnostizität zu. Susanna wendet aber noch weitere stereotypkonforme Sprachmerkmale an. Hierzu zählen unter anderem das Berühren des Gesprächspartners während der Unterhaltung sowie der Blickkontakt194. Ähnlich verhält sie sich auch in „Tödliche Träume“. Während ihr Kollege bei der Befragung von Frau Klein, wie oben bereits dargelegt, grob und aggressiv vorgeht, zeichnet sich Susannas Verhalten durch verständnisvolles und einfühlsames Interagieren aus. Wie auch Frau Klein, so sitzt auch Susanna während der Befragung auf einer Couch. Sie sitzt Frau Klein gegenüber, die Hände ruhen auf der Seitenlehne. Susanna blickt Frau Klein während des gesamten Gesprächs ruhig an. Sie wendet nur kurzfristig ihren Blick ab, als sie Frank zu verstehen gibt, dass sie mit seinem Verhalten nicht einverstanden ist. Sowohl Susannas Körperhaltung als auch ihre Sprechweise vermitteln Empathie. Susanna ruhig und bedacht: „Wir wollen verhindern, dass Ihrer Tochter etwas passiert, Frau Klein. Aber dafür brauchen wir natürlich ihre Hilfe. Wo könnte Betty denn stecken?“

Anhand dieser Aussage wird aber auch Susannas Taktik deutlich, durch die sie versucht, Bettys Aufenthaltsort zu erfahren. Dies geschieht zum einen durch die 192 Oppermann/Weber 2008, S.88. 193 Vgl.: Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2. Der Augenzeuge, 0:07:08. 194 Vgl.: Oppermann/Weber 2008, S.88.

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geäußerte Besorgnis sowie durch das bewusste Einbeziehen der Mutter in die Ermittlungen. Eine Taktik, die schlussendlich zum Erfolg führt, denn Frau Klein fasst Vertrauen zu Susanna. Deutlich wird hier aber auch die eklatante Differenz in der männlichen und weiblichen Sprechweise. Dem weiblichen Sprachstereotyp, wie es Gottburgsen darstellt195, entsprechend zeigen sich bei Susanna typisch weibliche Merkmale, wie das Zuhören, das Vermitteln von Interesse an der anderen Person, das Suchen von Blickkontakt beziehungsweise das direkte Anblicken des Gesprächspartners sowie eine sehr harmonische Sprechweise. In Opposition dazu steht Frank, dessen Sprechverhalten als dominant, emotionslos und aggressiv zu beschreiben ist. Ferner lassen sich in seinem Sprechverhalten keine Abschwächungen ausmachen. Die beispielhaften Analysen des Sprechverhaltens der Kooperationspartner bestätigen die eingangs gemachte These, dass in der Rhetorik der beiden TV-Kriminalkommissare deutliche Unterschiede festzustellen sind, die sich aus der Zugehörigkeit der Personen zu unterschiedlichen Genus-Gruppen ergeben. Es konnte dabei gezeigt werden, dass sich Susannas Sprechverhalten an den Merkmalen des weiblichen Geschlechtsstereotypen orientiert, während Frank deutliche Anzeichen des männlichen Sprachstereotyps aufzeigt. Dies führt, wie auch die Analyse der Verhaltensweise, zu dem Schluss, dass keine Auflösung der Geschlechterdichotomie vorliegt und sich beide Kooperationspartner überwiegend stereotypkonform verhalten.

195 Vgl.: Gottburgsen 2004, S.37.

6. Fazit und Ausblick

Die vorliegende Arbeit befasste sich mit der sozialen Konstruktion von TV-Ermittlerteams in deutschen Krimiserien. Dabei wurden primär zeitgenössische Produktionen wie „Alarm für Cobra 11“ (RTL), „Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2“ (RTL) und „Doppelter Einsatz“ (RTL) untersucht. Geleitet wurde die medienimmanente Werkanalyse von der Fragestellung, inwieweit sich die soziale Konstruktion der deutschen TV-Kriminalkommissare und Kommissarinnen von traditionellen Männer- und Frauenbildern unterscheidet beziehungsweise in welchem Umfang sich die Macher zeitgenössischer TV-Krimiserien der traditionellen Geschlechterstereotypen bedienen und ob sie gegebenenfalls ein neues Rollenverständnis erschaffen. Die Untersuchung hat zu folgenden Resultaten geführt: a) Auf den verschiedenen Ebenen der Geschlechts- und Identitätskonstruktion, wie der Interaktion innerhalb und außerhalb der Kooperationsgemeinschaft, ihres Handelns innerhalb des sozialen Gefüges, der körperlichen Darstellung sowie des Kleidungsverhaltens und der Sprechweise orientiert sich die soziale Konstruktion der TV-KriminalkommissarInnen an der tradierten Auffassung von Geschlecht und damit an der Darstellung von Geschlechtlichkeit im Stereotypinhaltsmodell. b) Bei allen ErmittlerInnen konnten geschlechtsuntypische Verhaltensweisen und Eigenschaften nachgewiesen werden, durch welche die tradierten Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit in Frage gestellt zu werden drohten, da sie eine Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung und tatsächlichem Handeln hervorrufen. c) Vor allem bei den TV-Kriminalkommissarinnen fällt auf, dass vormals androgyn gezeichnete Figuren sich im Laufe der Zeit wieder stärker an den typisch weiblichen Geschlechtsmerkmalen orientieren.

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d) Das Bild der erfolgreichen Karrierefrau und Mutter, die problemlos Familie und Beruf vereinbart und dafür gesellschaftliche Anerkennung erhält, ist nach wie vor eine Wunschvorstellung, während aber der ‚moderne Vater‘ ein anscheinend anerkanntes gesellschaftliches Konzept darstellt, welches nicht in Frage gestellt wird. Es könnte nun angenommen werden, dass sich aufgrund der Ergebnisse ein zerrissenes und konfuses Bild der Geschlechter ergeben hat, welches mehr einer pluralen Geschlechtsidentität ähnelt als der tradierten. Bei der genaueren Betrachtung der Untersuchungsergebnisse zeigt sich aber, dass trotz zahlreicher untypischer Verhaltensweisen die tradierte und gesellschaftlich anerkannte Vorstellung von Mann und Männlichkeit sowie Frau und Weiblichkeit vorherrschend ist. Eine eindeutige Durchbrechung der geschlechtlichen Dichotomie ist an keiner Stelle der Untersuchung vorzufinden. Besonders deutlich wird diese Orientierung bei den männlichen Ermittlern Semir Gerkhan, Ben Jäger und Frank Traber. Das soziale Geschlecht der drei TVKriminalkommissare wird überwiegend durch die Nutzung stereotyp männlicher Geschlechtsmerkmale hergestellt. Die Inszenierung von Männlichkeit wird primär über männlich konnotierte Attribute wie Körperkraft, Mut, Entschlossenheit, Eigeninitiative, Furchtlosigkeit, Aggressivität und Gewaltbereitschaft charakterisiert. Als wichtig erweist sich dabei die Darstellung des Männerkörpers und damit verbunden verschiedene körperbezogene Werte und Ideologien, die das Idealbild des männlichen Körpers definieren. In den analysierten Serien entsprechen die Körper der Kriminalkommissare diesem Idealbild. Denn sie werden mit Zuschreibungen wie „stark“ und „sportlich“ belegt und damit gleichzeitig als überlegen präsentiert. Der männliche Körper wird hier zur Repräsentationsfläche von Männlichkeit,1 über die nicht nur maskuline Qualitäten sichtbar werden, sondern auch eine Abgrenzung zum weiblichen Körper erfolgt. Darüber hinaus orientiert sich auch das Sprechverhalten der TV-Ermittler an typisch männlichen Eigenschaften, wie einem sachlichen Stil, aber auch an unverblümter, aggressiver und autoritär wirkender Sprache, dem sogenannten „Rough Talk“2. Das Sprechverhalten zeigt damit deutliche Parallelen zu typisch maskulinen Charaktereigenschaften wie Dominanz, Aggression, aber auch Rationalität, die, wie im Verlauf dieser Untersuchung dargelegt, eindeutig bei Semir, Ben und Frank vorzufinden sind. Vor diesem Hintergrund lassen sich Hollsteins Befürch-

1

Vgl.: Hertling 2008, S. 178.

2

Vgl.: Lakoff 1973, S. 22.

F AZIT

UND

A USBLICK

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tungen über einen Verlust von Männlichkeit oder das Verharren in einer Dauertravestie3 schwer nachvollziehen. Vielmehr erweisen sich die hier vorliegenden Resultate als eine Bestätigung dafür, dass die Medien nach wie vor ein traditionelles Männerbild vermitteln.4 In Hinblick auf die weiblichen Ermittler ist Sichtermann und Kaiser zu folgen, die festhalten: „Wie stark die TV-Polizistinnen im Einzelfall wirklich sind, muss man Fall für Fall, Folge für Folge analysieren. Oft genug stellt sich dann ziemlich schnell heraus, dass ihre Stärke reine Behauptung ist oder eine einst so provozierend kantige Figur wie Bella Block im Lauf der Zeit immer weiter feminisiert und konventionalisiert wurde und sich immer mehr für ihr Privatleben […] zu interessieren scheint.“5

In der Analyse der TV-Kriminalkommissarinnen hat sich gezeigt, dass im Vergleich der weiblichen Ermittler vor allem Ellen Ludwig und Susanna von Landitz ein stark traditionelles Bild von Weiblichkeit verkörpern. Ihre Geschlechtskonstruktion orientiert sich über weite Teile der Serien unverkennbar an stereotypen Zuschreibungen wie „fürsorglich“, „mütterlich“, „emotional“, aber auch an heterogenen Körperbildern. Dabei wird der weibliche Körper primär – wenn auch auf unterschiedliche Weise – als feminin, sexy und attraktiv dargestellt. Auch das Sprechverhalten der Kommissarinnen orientiert sich an den Gender-Markern der weiblichen Sprache, wie sie Lakoff in ihrer Studie aufgezeigt hat.6 Im Gegensatz dazu steht Sabrina Nikolaidou. Ihr werden primär zu Beginn der Kooperationsgemeinschaft mit Ellen männlich konnotierte Attribute wie Aggressivität, Entschlossenheit, Mut und Sturheit zugeschrieben, die durch ihr maskulines Sprechverhalten und den vestimentären Code der Kleidung unterstützt werden. Ihre Maskulinität lässt ihre Geschlechtlichkeit zunächst verschwimmen. Im Verlauf der Serie zeigt sich aber, dass der androgyn angelegten Figur zunehmend weibliche Identitätsmerkmale verliehen werden, wodurch auch sie näher an die tradierte Vorstellung von Weiblichkeit heranrückt. Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass Hertling7 Recht gegeben werden muss, denn das männliche Rollenbild entspricht trotz diverser Annäherungen an die feminine Wärmekonzeption nach wie vor der tradierten Vorstellung. Auch

3

Vgl.: Hollstein, Walter: Was vom Manne übrig blieb - Das Problem der männlichen Identität. Unter: http://www.streitbar.eu/aufsatz_hollstein.html, 09.11.2011, 13:55 Uhr.

4

Vgl.: Hertling 2008, S. 47.

5

Sichtermann/Kaiser 2004, S. 92.

6

Vgl.: Lakoff 1973, S. 46.

7

Vgl.: Hertling 2008, S. 47.

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Wengers These, dass die mediale Emanzipation nur oberflächlich stattfindet,8 spiegelt sich in den hier erzielten Ergebnissen wider. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass Diskrepanzen zum tradierten Geschlechterbild vorhanden sind, durch die das starre Konzept der Stereotypen geschwächt wird. Diskrepanzen deuten vor allem, wie bereits angemerkt, auf Ansätze einer emanzipierten Männlichkeit hin, die sich durch eine plurale oder auch androgyne Identitätsbildung auszeichnet, in der sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtscharakteristika vorhanden sind, was aus psychologischer Sicht auf eine Abnahme sozial konstruierter Geschlechterunterschiede hindeutet.9 Andererseits können die Beobachtungen auch als eine Bestätigung dafür angesehen werden, dass die „teils widersprüchlichen modernen Anforderungen, denen Männer zunehmend im Berufs- und Privatleben ausgesetzt sind“10, auch medial wiederzufinden sind. Die hier gewonnenen Ergebnisse können natürlich nur bedingt verallgemeinert werden, da die Studie primär auf die Offenlegung geschlechtstypischer Eigenschaften von TV-KriminalkommissarInnen angelegt war und somit nur ein konkretes Genre untersuchte. Die Analyse der Ermittlerteams zeigte dabei beispielhaft die Konstruktion von medialer Geschlechtlichkeit. Die geschlechtsbezogene Erziehung von Männern zielt auf die Herausbildung typisch männlicher Merkmale ab, doch diese entsprechen oftmals weder den zahlreichen Anforderungen, die eine multinationale und diverse Gesellschaft, so wie es Hertling ausdrückt, an den Mann stellt, noch den Ansprüchen gleichberechtigter und emanzipierter PartnerInnen.11 In Bezug auf die Darstellung der TV-Kommissarinnen bestätigt sich die Feststellung, dass sich die weibliche Instrumentalität in einem gewissen Umfang erweitert hat. In diesem Zusammenhang muss noch einmal die Frage aufgeworfen werden, inwieweit die Zuweisung von Geschlechterstereotypen überhaupt noch sinnvoll ist. Im Verlauf dieser Untersuchung wurden diesbezüglich die Konzepte der Androgynie und der Substereotypen angesprochen. Insbesondere Eckes räumt der soziokulturellen Hypothese der Substereotypen besondere Bedeutung ein, da sie davon ausgeht, dass es verschiedenartige Frauen- und Männertypen gibt, deren geschlechtsspezifische Charakteristika von den Globalstereotypen deutlich abweichen und somit im Widerspruch zum traditionellen Stereotypinhaltsmodell stehen. Eine eindeutige Zuweisung der TV-ErmittlerInnen zu einem der beiden Konzepte – Androgynie und Substereotypen – konnte jedoch nicht erfolgen: zum Androgy-

8

Wenger 2000, S. 50.

9

Vgl.: Alfermann 1996, S. 169.

10 Hertling 2008, S. 1. 11 Vgl. ebd.

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UND

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niekonzept nicht, da sich die Geschlechtsidentität aller hier analysierter Kommissare und Kommissarinnen trotz der zeitweisen Kombination von typisch weiblichen und typisch männlichen Eigenschaften zu stark an den traditionellen Stereotypen orientiert. Das Konzept der Substereotypen erwies sich ebenfalls als nicht anwendbar, da dieses durch seine Einteilung in jeweils nur vier Untergruppen zu starr erscheint, als dass hier die TV-KriminalkommissarInnen eine Zuordnung erfahren könnten. Die Schwierigkeit einer Zuordnung zu Androgynität oder dem System der Substereotype resultiert – so kann angenommen werden – aus einer sehr dynamischen Konfliktsituation, in der sich die geschlechtliche Konstruktion der KommissarInnen befindet. Die traditionellen Rollenbilder haben ihre ideologische Rechtfertigung verloren, setzen aber ihre Wirkung im Denken und Handeln fort. Somit kann sich Androgynität als Gegenentwurf zur rigiden Geschlechterdichotomie in der Figurenkonstruktion nicht durchsetzen. Aufgrund dieser Spannungssituation verfügen die Konstruktionen der Figuren andererseits aber auch nicht über die Stabilität, die notwendig wäre, um die KommissarInnen in ein Substereotypenmodell einzuordnen. Die Eigenschaften der Figuren fluktuieren dafür zu stark. Somit zeichnet sich als eine mögliche Aufgabe zukünftiger Forschung ab, ein Modell der sozialen Konstruktion geschlechtlicher Identität zu entwickeln, das den dynamischen Umbruchkräften, die am Werk sind, Rechnung trägt. Sowohl das Konzept der Androgynität, das die Beharrungskräfte der traditionellen Geschlechterrollen unterschätzt, wie auch das Substereotypenmodell, das zwar geschlechterübergreifende Neukombinationen von Geschlechtereigenschaften zulässt, deren Spannungen aber unberücksichtigt lässt, greifen hier zu kurz. Weitere mögliche Ansatzpunkte für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung lassen sich auch im Bereich der soziologischen Filmanalyse sehen. Denn mittels dieser kann untersucht werden, inwieweit die filmisch inszenierte Geschlechtlichkeit Eingang in gesellschaftliche Bedeutungs- und Sinnsysteme findet und inwieweit sie schließlich zur Konstruktion der sozialen Wirklichkeit beiträgt. Sie kann also zur Beantwortung der Frage beitragen, inwieweit die medial verkörperten Werte, Weltbilder und Ideologien Einfluss auf Alltagsdiskurse und das Alltagshandeln der ZuschauerInnen nehmen. Auf der anderen Seite lässt sich natürlich auch fragen, inwieweit die hier vorgefundene Konstruktion von Geschlecht überhaupt mit der realen Wirklichkeit übereinstimmt. Stellen die TV-KriminalkommissarInnen ein veraltetes und der Realität des 21. Jahrhunderts nicht entsprechendes Geschlechterbild dar? Oder entspricht die hier vorzufindende mediale Repräsentation von Geschlecht der Realität und inwieweit hat die soziale Wirklichkeit Einfluss auf die mediale Inszenierung? Dies schließt eine Überarbeitung des Stereotypinhaltssystems ein.

7. Quellenverzeichnis

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7.3 F ERNSEHSENDUNGEN UND - SERIEN Alarm für Cobra 11: Alleingang. Staffel 22, Folge 5, 20:15 Uhr, RTL. Auf eigene Faust. Staffel 13, Folge 1, 04.09.2008, 20:15 Uhr, RTL. Auf Leben und Tod. Staffel 11, Folge1, 22.03.2007, 20:15 Uhr, RTL. Babyalarm. Staffel 19, Folge 7, 27.10.2011, 20:15 Uhr, RTL. Begraben. Staffel 13, Folge 7, 8.11.2012, 20:15 Uhr, RTL. Die Braut. Staffel 14, Folge 4, 12.03.2009, 20:15 Uhr, RTL. Einsame Entscheidung. Staffel 23, Folge 7, 12.12.2013, 20:15 Uhr, RTL. Engel des Todes. Staffel 21, Folge 1, 06.09.2012, 20:15 Uhr, RTL. En Vogue. Staffel 19, Folge 5, 13.10.2011, 20:15 Uhr, RTL. Familienangelegenheiten. Staffel 19, Folge 6, 20.10.2011, 20:15 Uhr, RTL. Freunde für’s Leben. Staffel 22, Folge 7, 28.03.2013, 20:15 Uhr, RTL Mitten ins Herz. Staffel 19, Folge 3, 29.09.2011, 20:15 Uhr, RTL. Toter Bruder. Staffel 18, Folge 6, 23.08.2012, 20:15 Uhr, RTL. Tödliche Wahl, Staffel 22, Folge 3, 18.04.2013, 20:15h, RTL. Unter Druck. Staffel 13, Folge 3, 11.10.2012, 20:15 Uhr, RTL. 72 Stunden Angst. Staffel 19, Folge 1, 15.09.2011, 20:15 Uhr, RTL.

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Alarm für Cobra 11 – Einsatz für Team 2: Countdown auf der Todesbrücke. Staffel 1, Folge 1, 17.04.2003, RTL. Der Augenzeuge. Staffel 1, Folge 5, 22.05.2003, 20:15 Uhr, RTL. Eiskalte Gier. Staffel 2, Folge 2, 03.11.2005, 20:15 Uhr, RTL. Explosive Mischung. Staffel 2, Folge 5, 01.12.2005, 20:15 Uhr, RTL. Strafversetzt (Scheißjob). Staffel 1, Folge 3, 08.05.2003, 20:15 Uhr, RTL. Tödliche Träume. Staffel 1, Folge 2, 24.04.2003, 20:15 Uhr, RTL. Zahltag. Staffel 2, Folge 1, 27.10.2005, 20:15 Uhr, RTL. Zeugenschutz. Staffel 2, Folge 6, 08.12.2005, 20:15 Uhr, RTL. Doppelter Einsatz: Blutroter Mond. Staffel 6, Folge 3, 18.01.2000, 20:15 Uhr, RTL. Die Todfreundin. Staffel 5, Folge 3, 19.01.1999, 20:15 Uhr, RTL. Die Wahrheit stirbt zuletzt. Staffel 9, Folge 2, 13.01.2004, 22:15 Uhr, RTL Evas Tod. Staffel 5, Folge 2, 12.01.1999, 20:15 Uhr, RTL. Heiße Fracht. Staffel 9, Folge 1, 08.01.2003, 22:15 Uhr, RTL. Herz der Finsternis. Staffel 9, Folge 4, 29.01.2003, 22:15 Uhr, RTL. Kidnapping. Staffel 10, Folge 1, 6.01.2004, 22:15 Uhr, RTL. Kinderspiel. Staffel 7, Folge 7, 13.02.2001, 22:15 Uhr, RTL. Lebendig begraben. Staffel 6, Folge 4, 21.01.2000, 22:15 Uhr, RTL. Mord auf dem Stundenplan. Staffel 11, Folge 2, 11.01.2005, 22:15 Uhr, RTL. Tödliche Wahrheit. Staffel 10, Folge 4, 27.01.2004, 22:15 Uhr, RTL.

Kulturwissenschaft Eva Horn, Peter Schnyder (Hg.) Romantische Klimatologie Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 1/2016 Mai 2016, 152 S., kart., 14,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3434-1 E-Book: 14,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3434-5

Fatima El-Tayeb Undeutsch Die Konstruktion des Anderen in der postmigrantischen Gesellschaft September 2016, 256 S., kart., 19,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3074-9 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3074-3

Arianna Ferrari, Klaus Petrus (Hg.) Lexikon der Mensch-Tier-Beziehungen 2015, 482 S., kart., 29,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-2232-4 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2232-8

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