Systemisches Karrierecoaching: Berufsbiografien neu gedacht 9783666403729, 9783647403724, 9783525403723


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German Pages [309] Year 2015

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Systemisches Karrierecoaching: Berufsbiografien neu gedacht
 9783666403729, 9783647403724, 9783525403723

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Hans-Jürgen Balz/Peter Plöger

Systemisches Karrierecoaching Berufsbiografien neu gedacht

Mit einem Beitrag von Kirsten Dierolf

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit 15 Abbildungen und 7 Tabellen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ­http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-647-40372-4 Umschlagabbildung: sippakorn/shutterstock.com © 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, 37073 Göttingen /  Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Produced in Germany. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Vorwort von Jürgen Hargens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Berufslaufbahn als Lifestyle-Thema (Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger) 9 Die W-Fragen des Karrierecoachings (Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger) 17 Wandel der Arbeitswelt (Peter Plöger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Neue Laufbahnorientierungen (Peter Plöger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Berufliche Selbstmanagementanforderungen (Peter Plöger) . . . . . . . . . . 38 Ziel und Inhalt des Karrierecoachings (Hans-Jürgen Balz) . . . . . . . . . . . . 42 Organisationsexterner und -interner Zugang des Coaches im Karrierecoaching (Hans-Jürgen Balz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Fazit (Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Gesellschaftliche und individuelle Antworten auf Berufswahlund Karrierefragen (Hans-Jürgen Balz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Wie alles beginnt – vom Traumberuf zur Berufsorientierung . . . . . . . . . 65 Risikominimierung oder Systeme laden zum Übergang ein . . . . . . . . . . . 67 Wissenschaftliche Zugänge zu Laufbahnfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Menschenbild und Haltung im systemischen Karrierecoaching (Peter Plöger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Wie ein Systemiker die Welt sieht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Die Praxis der systemischen Haltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Systemische Methoden im Karrierecoaching (Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Prozessstruktur im Karrierecoaching (Hans-Jürgen Balz) . . . . . . . . . . . . . 130

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Inhalt

Methodisches Vorgehen im Karrierecoaching (Peter Plöger) . . . . . . . . . . 137 Fazit (Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Führungskräftecoaching (Kirsten Dierolf) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Die Katze beißt sich in den Schwanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Klare Karriereplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Einbindung der Organisationsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Abstieg – Umstieg – Aufstieg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Abschluss: Sind Führungskräfte wirklich anders? Antwort: nicht wirklich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Anwendungsfragen im Karrierecoaching (Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Umgang mit Entscheidungsalternativen (Hans-Jürgen Balz) . . . . . . . . . . 188 Umgang mit Begrenzungen (Hans-Jürgen Balz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Exkurs: Diagnostische Methoden im Kontext von systemischem Karrierecoaching (Hans-Jürgen Balz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Reflexion von Sinnbezügen in der Berufstätigkeit (Hans-Jürgen Balz) 213 Begleiten von Realisierungsschritten und Übergängen (Hans-Jürgen Balz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Interviews mit Karrierecoaches (Peter Plöger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Fazit (Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Ein Ende ohne Schlussstrich (Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger) . . . . . . . . 239 Was wir leisten wollten und was offen bleiben musste . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Der Karrierecoach als Unterstützer in existenziellen Fragen . . . . . . . . . . 241 Ein Schritt zu einem systemischen Trainingsprogramm zur Karriereentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Anhang: Instrumente für das Karrierecoaching und Materialien zur Selbstanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Code für Download-Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

Vorwort

Es geht ums Positive, und das ist durchaus nicht ganz einfach. Wenn Sie diese Zeilen des Vorworts lesen, denken Sie vermutlich, dass Sie ein Buch in der Hand halten. Dem möchte ich gleich zu Beginn eine andere Möglichkeit hinzufügen: Ich glaube, Sie halten mehrere Bücher in der Hand. Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger haben sich nicht nur mit der Idee des Karrierecoachings auseinandergesetzt, sondern sie leisten viel mehr. Bereits mit der Unterscheidung von Laufbahn und Karriere vollziehen die Autoren eine grandiose Wende – sie machen deutlich, dass es in der Arbeitswelt eben nicht mehr einfach läuft »wie immer«, sondern dass Veränderungen, Brüche, Neu- und Umorientierungen ablaufen. Und sie nutzen in diesem Buch – gewissermaßen in Buch 1 – Platz und Raum, um diese Änderungen zu beschreiben. Der gesellschaftliche Rahmen, der ein traditionelles Verständnis von Beruf und Berufsrolle aushebelt, kann als Hintergrund für alles das dienen, was Balz und Plöger hinsichtlich des konkreten Vorgehens im systemischen Karrierecoaching vorstellen. Coaching ist – daraus machen beide kein Hehl – ein Erfolgsmodell und das macht es umso dringlicher, keine Schnellschüsse oder Kurzausbildungen zu machen, sondern sich fundiert professionell zu orientieren. Genau das wird hier bereits von Beginn an deutlich gemacht. In breitem Umfang legen Balz und Plöger dann – gewissermaßen in Buch 2 – ihre Auffassung einer systemischen Weltsicht offen. Das erscheint mir besonders erwähnenswert, da in der Darstellung systemischer Vorgehensweisen allzu oft vorausgesetzt wird, es gebe eine oder die systemische Sichtweise. Insofern laden Balz und Plöger dazu ein, sich selbst zu reflektieren, zuzustimmen, abzuwägen, zu anderen Beschreibungen zu kommen – und genau das spiegelt auch das Verständnis der Autoren wider. Dabei wird nicht übergangen, dass in der Literatur einmal die Rede von systemischer Methode und einmal von systemischer Haltung ist – ein

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Vorwort

scheinbares Paradoxon, dem man/frau sich kaum entziehen kann. Das hat vor Dekaden Gregory Bateson (1984) überaus anschaulich pointiert: »Aber Erkenntnistheorie ist immer und unausweichlich persönlich. Der Sondierungspunkt liegt immer im Herzen des Forschers: Welches ist meine Antwort auf die Frage nach der Natur der Erkenntnis?« (S. 112). Das ist nur einer von vielen Aspekten, die dieses Buch von anderen positiv unterscheiden. Ein weiterer bedeutsamer Punkt ist die Bevorzugung (oder sollte ich sagen Liebe?) von Balz und Plöger für lösungsorientierte Ideen als Teil einer systemischen Weltsicht. Darum geht es in Buch 3. Es geht ums Eingemachte, um die Praxis – um die so einfach klingende und schwer zu beantwortende Frage: Wie genau geht denn das nun? Das, was für Balz und Plöger am bedeutsamsten scheint, (so verstehe ich sie, wenn ich mir bestimmte Äußerungen vergegenwärtige), finde ich in einem Zitat des Beitrages von Kirsten Dierolf ausgedrückt: »Die besten Coachingvoraussetzungen sind gegeben, wenn sowohl Klient oder Klientin als auch die Organisation das Coaching als Anerkennung und Wertschätzung des Klienten oder der Klientin wahrnehmen können.« Und als Abrundung – gewissermaßen als Sahnehäubchen – kann der Beitrag von Kirsten Dierolf zur Praxis des Führungskräftecoachings und die Beschreibung der befragten Coaches zu ihrer Praxis und ihrem Selbstverständnis (zusammengefasste Interviews mit fünf Coaches) gesehen werden. Mir bleibt nichts anderes, als Ihnen zu wünschen, die hier vorgetragenen Beschreibungen, Anregungen und Impulse wirken zu lassen und zur Verfeinerung des eigenen Handelns zu nutzen. Denn es geht immer darum, Ressourcen zu erkennen, zu finden und zu nutzen. In Übereinstimmung mit der Weltsicht von Balz und Plöger kann ich daher nur sagen: Sie werden Ihre Ressourcen nutzen. Jürgen Hargens

Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger

Berufslaufbahn als Lifestyle-Thema »Behandle die Menschen so, als wären sie, was sie sein sollten, und du hilfst ihnen zu werden, was sie sein könnten.« Johann Wolfgang von Goethe

In den Regalen der Buchhandlungen finden sich zahlreiche Bücher, in de­nen ­berufliche Erfahrungen und Erlebnisse aufgearbeitet werden. Diese anek­ dotischen Schilderungen regen häufig zum Schmunzeln an, schildern dabei jedoch auch persönliche Grenzerfahrungen betrieblicher Bedingungen und Arbeitsanforderungen. Hier reflektiert der ehemalige Chefredakteur Matthias Onken seine Erfahrungen auf dem Hintergrund einer zum Erfolg verurteilten Berufskaste (Onken, 2013). Dort kolportiert die Stewardess die Erlebnisse mit den Fluggästen und dem Flugpersonal (Poole u. Brandl, 2012). An anderer Stelle beschreibt die Verkäuferin »Szenenbilder aus der Welt der Supermärkte« (Sam u. Liebl, 2009, Einbandtext). Eine besondere Aufmerksamkeit fand das Buch von Holm Friebe und Sascha Lobo (2006) mit dem Titel »Wir nennen es Arbeit«. Darin beschreiben die Autoren anschaulich die Vision vom selbstbestimmten Arbeiten und zeitgemäßen Lebensstil der Pioniere der Generation Internet. Die Beschreibungen neuer Berufswelten zwischen globalisierter Wissensgesellschaft, Lifestyle und Internet kontrastieren in zwei Extremen: Einerseits wird eine für den Einzelnen chancenreiche unternehmerische Selbständigkeit und Kreativität bei gleichzeitig maximaler persönlicher Autonomie beschrieben. Werbewirksam findet sich in den Medien und Internetforen das Bild junger Menschen, die in großen Loft-Wohnungen in EDV-Landschaften arbeiten und leben. Genauso gibt es aber andererseits das Bild von komischen, weil drastischen, von empörenden, weil unzumutbaren und von beängstigenden, weil unvorstellbaren Bedingungen, unter denen Menschen Menschen zur Erwerbsarbeit anhalten und dies als mögliches Arrangement zwischen ihnen bzw. ihrer Institution und den Arbeitnehmern1 ansehen. Günter Wallraff (2012) lieferte mit seinen Undercover-Studien hierfür beredte Beispiele. 1

Im Weiteren wird zum Zweck der leichteren Lesbarkeit zumeist die männliche Form (Coach, Berater, Klient usw.) gewählt. In jedem Fall sind dabei beide Geschlechter gemeint.

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Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger

Traditionelle Vorstellungen einer lebenslangen Bindung einer Person an einen Betrieb – wie sie die Wirtschaftswundergeneration hervorgebracht hat – sind längst Geschichte. Das aus den 1950er und 1960er Jahren stammende Verständnis einer Betriebstreue im Sinne von: einmal Krupp, immer Krupp, veränderte sich zu Gunsten einer freien Entscheidung in Abhängigkeit von lebensbiografischen Entwicklungen. Das Primat der meist männlichen Berufstätigkeit zur ökonomischen Existenzsicherung tritt zusehends zu Gunsten einer gemeinschaftlichen Verantwortung für das Familieneinkommen zurück. Wichtige Themen sind die Ausgestaltung von Arbeit und Privatheit (Work-LifeBalance), Fragen zur Gestaltung des psychologischen Vertrags zwischen Arbeitnehmer und Betrieb und die Weiterentwicklung der individuellen Qualifikation über die Berufsbiografie bei sich rasant wandelnden Arbeitsanforderungen. Auf der Seite der Unternehmen hat der Kampf um die klugen Köpfe längst begonnen. In Anbetracht des demografischen Wandels wird in den nächsten Jahrzehnten ein zunehmender Fachkräftemangel prognostiziert. In zahlreichen Branchen werden Strategien zur Rekrutierung und zum Halten von Fachund Führungskräften lebhaft diskutiert. In diesem Zusammenhang tauchen Familienfreundlichkeit, flache Hierarchien, Jahresarbeitskonten und nachhaltiges Wirtschaften als Werbebotschaften für junge Fach- und Führungskräfte auf. So wie sich für den Einzelnen neue Optionen, aber auch komplexere Entscheidungsfragen in seiner Berufslaufbahn stellen (und so neue Tätigkeitsfelder für beratende Berufe eröffnen), so ist auch die traditionelle Laufbahnberatung gefordert, sich auf neue Fragen und Anforderungen einzustellen. Diese sind insbesondere: ȤȤ Wie kann die Integration von betrieblichen Qualifikationsanforderungen mit persönlichen Berufswegfragen, anderen familienbezogenen und individualbiografischen Themen gelingen? ȤȤ Wie lässt sich im Karrierecoaching die soziale Perspektive beruflicher Entscheidungsfragen angemessen berücksichtigen, das heißt, der Kraft der unsichtbaren familiären Bindungen einen Raum im Coaching geben (zum Beispiel dem Wunsch, »alte familiäre Zöpfe abzuschneiden«, der Ressourcenhaltigkeit familiärer Beziehungen oder dem Verhinderungspotenzial in den familiären Vermächtnissen)? ȤȤ Wie trägt der Karrierecoach in einer zunehmend dynamischen und entstrukturierten Arbeitswelt dem verstärkt bestehenden Orientierungs- und Sicherheitsbedürfnis seiner Klienten Rechnung? ȤȤ Wie ist der Tendenz zur Individualisierung der Berufs- und Karriereentscheidungen zu widerstehen, das heißt weder Allmacht-Phantasien

Warum ein Buch zum systemischen Karrierecoaching?

Vorschub zu leisten (Tellerwäscher-Mythos) noch der gänzlichen Verantwortungslosigkeit (die Bedingungen sind so schlecht, dass ich keine Arbeitsstelle bekomme) im Sinne des Opfer-Mythos zu erliegen? ȤȤ Wie lässt sich die Wertschätzung gegenüber den Eigenbemühungen der Klienten in einem typischerweise informationsgeprägten und eher ratio­ nalen Dialog über Qualifikations- und Karrierewege transportieren?

Warum ein Buch zum systemischen Karrierecoaching? Die Wirksamkeit systemischer Methoden ist für die Psychotherapie von Erwachsenen wie auch für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie nachgewiesen (Sydow, Beher, Retzlaff u. Schweitzer, 2007). Ihre vielfältige Anwendbarkeit und Kreativität ließ den systemischen Ansatz in weitere Praxisfelder ausstrahlen (Kinder- und Jugendhilfe, Sozialarbeit, Suchthilfe und andere). Dies führte zu zahlreichen Weiterentwicklungen der systemischen Interventionsmethoden, beispielsweise in der Supervision, im Mentoring, in der Organisationsberatung und im Coaching. Für das Coaching sind inzwischen mehrere systemische Bücher erschienen (Backhausen u. Thommen, 2006; Hargens, 2010; König u. Volmer, 2012; Radatz, 2010; Theuretzbacher u. Nemetschek, 2009; Tomaschek, 2009). Das vorliegende Buch wählt den Schwerpunkt Berufslaufbahn und Karriere und trägt den Titel »Systemisches Karrierecoaching«: Karriere, weil die traditionelle Idee einer Laufbahn – sprachlich assoziiert mit der Beamtenlaufbahn – ein Zuviel an Planbarkeit, Kontinuität und Verlässlichkeit suggeriert. Auch wenn die Grenze zwischen Beratung und Coaching in der Literatur oft recht unscharf gezogen wird, entschieden wir uns für den Begriff Coaching, da es sich bei der unseren Ausführungen zugrunde liegenden methodischen Ausrichtung um eine zielorientierte und themenzentrierte Begleitung in einem berufsbiografischen Lern- und Selbstklärungsprozess handelt (zur Begriffsabgrenzung siehe »Ziele und Inhalte des Karrierecoachings«, S. 42 ff.). Die Autoren stehen für eine enge Verbindung von systemischen und lösungsfokussierten Methoden. In diesem Schnittfeld finden wir für unsere Coachingpraxis eine produktive Methodenkombination, um den Beratungsprozess zukunftsorientiert und kooperativ zu gestalten. Hier bringen wir unsere Erfahrung und Expertise im Coaching, Training und in der Weiterbildung ein. Wir haben unsere Beiträge bei der Entstehung des Buches jeweils im Inhaltsverzeichnis kenntlich gemacht.

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Warum ist systemisches Denken für das Karrierecoaching zeitgemäß und unverzichtbar? Bei Fragen zur eigenen Berufsentwicklung begegnen sich mehrere oft kon­ kurrierende soziale Systeme: Beruf und Familie, Berufsarbeit und Freizeitaktivitäten (zum Beispiel Hobbysport, Verein, politische Partei), Beruf und Öffentlichkeit (zum Beispiel Nachbarschaft, Freundeskreis) und Beruf, Volkswirtschaft und Arbeitsmarkt. Es stellt sich für den Einzelnen die Frage: Wie gehe ich mit den zwischen den verschiedenen Rollen und Systemen zum Teil widerstreitenden Zielen und Anforderungen um und wie integriere ich diese in einen kohärenten Lebensweg? Ähnliche Fragen mit strukturell vergleichbaren Widersprüchen und Dilemmata stehen im Mittelpunkt des systemischen Denkens bei der Arbeit mit Familiengenerationen, verschiedenen Helfersystemen und biografischen Übergängen. Fragen der Ressourcenanalyse und -aktivierung bilden für die Berufswegentscheidung eine zentrale Aufgabe. Nur im Bewusstsein der individuellen und sozialen Ressourcen lässt sich eine tragfähige Entscheidung treffen. Systemische Praktiker zollen ihren Klienten tiefen Respekt für ihre Lebensund (Problem-)Erfahrungswelt und interessieren sich intensiv für die in ihnen schlummernden Ziele, Ressourcen, Entwicklungen und Lösungsansätze. Eine methodische Basiskompetenz in systemisch-lösungsfokussierter Arbeit bietet Beratern die nötige Grundsicherheit effektiv und kompetent in einer Vielzahl von Beratungssituationen zu handeln. Klienten zu ihren Ressourcen zu führen ist meist leichter gesagt als getan. Insbesondere gilt dies für Klienten mit geringen Veränderungserwartungen (zum Beispiel langzeiterwerbslose Menschen). Wirksame Methodenelemente stellen hier wertschätzende Kommentare zu den Beiträgen der Beteiligten, die Suche nach einem Rahmen, in dem das Verhalten der Einzelnen verstehbar ist (Methode der Umdeutung), und die Anregung von Kommunikation über die Beziehungen im System (Methode der zirkulären Fragen) dar. Biografiearbeit: Ein weiterer Schwerpunkt im systemischen Ansatz liegt in der Beschäftigung mit dem biografischen Kontext und der Selbstbeschreibung der Klienten. Zur Analyse familiärer Wurzeln dient das Genogramm, eine Darstellungsform der Familienbeziehungen ähnlich einem Familienstammbaum. Dies ist besonders hilfreich zur Reflexion biografischer Fragen und lässt sich als berufliches Genogramm einsetzen, indem es mit Fragen der Verbindung zu bzw. Abgrenzung gegenüber familiären Berufsmustern verknüpft wird. Aufstellungsarbeit und Beziehungsbrett: Zur Analyse bestehender und zur Anregung der (Neu-)Gestaltung von Familien-, Team- und anderen sozialen

Warum ein Buch zum systemischen Karrierecoaching?

Strukturen tragen darstellende Verfahren bei. Sie geben oft einen klareren und erweiterten Blick auf Beziehungskonstellationen. Aufstellungs- und Skulpturarbeit sowie das Beziehungsbrett (abgewandelt von dem durch Kurt Ludewig entwickelten Familienbrett) erweisen sich bei der vertiefenden Analyse komplexer Beratungssituationen als hilfreich. Erlebnisaktivierende Methoden: Selbstverstehen ist häufig auf andere als rein sprachliche Ausdruckswege angewiesen. Die Arbeit mit Metaphern (Bildern, Analogien und Symbolen) und mit Materialien fördert das ganzheitliche Verstehen und die Integration verschiedener Sinnesmodalitäten. Dadurch lassen sich ein tieferes Verstehen und eine Nachhaltigkeit der Veränderung fördern. Es gilt auch im Berufscoaching Kopf, Bauch und Hände zu integrieren. Abschlussintervention: Am Ende einer Beratungsstunde gilt es, die Beiträge der Gesprächsteilnehmer zu würdigen, die Besprechungsergebnisse zu sichern und Anregungen für die Zeit bis zur nächsten Beratung mitzugeben. Dieser Abschlusskommentar – auf das Mailänder Team um Mara Selvini Palazzoli zurückgehend – kann im Karrierecoaching den Klienten zum Beobachten der eigenen Arbeitssituation, zum Nachdenken über eigene Anschauungen oder zum Ausprobieren neuer Verhaltensweisen anregen. Und dies frei nach dem Motto: Das Wesentliche findet zwischen den Coachingsitzungen statt. Zur Struktur des Buches Das Buch bietet zunächst einen grundlagen- und einen methodenorientierten Teil: In den nachfolgenden zwei Kapiteln »Die W-Fragen des Karrierecoach­ ings« und »Gesellschaftliche und individuelle Antworten auf Berufswahlund Karrierefragen« werden begriffliche und konzeptuelle Grundlagen von Coaching in Abgrenzung zu Supervision, Mentoring, Training und Psychotherapie behandelt. Auch umreißen wir die Zielsetzung und die methodische Ausrichtung des systemischen Karrierecoachings. Spezieller soll dann auf die beruflich-biografischen Übergangsprozesse, für die Karrierecoaching ein Unterstützungsangebot darstellt, eingegangen werden. Dies betrifft insbesondere den Übergang Schule-Beruf, das Outplacement (besser als Newplacement bezeichnet) und die Selbstorganisationsanforderungen im Karriereverlauf. Auch gilt es, sich mit traditionellen Berufswahltheorien auseinanderzusetzen und damit kontrastierend theoretische Grundsätze systemischer Arbeit abzuleiten. Das Kapitel »Menschenbild und Haltung im systemischen Karrierecoaching« schlägt die Brücke vom Konstruktivismus und von den system-

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theoretischen Grundannahmen zu Fragen der Haltung des Coaches und zu Fragen des methodischen Arbeitens im Karrierecoaching. Das Kapitel »Systemische Methoden im Karrierecoaching« führt kom­ primiert in systemische Methoden und deren Einbeziehung in die Gestaltung des Coachinggesprächs ein. Hier werden methodische Fragen der Ressourcenarbeit, des Einsatzes von Kommentaren, der Biografiearbeit und der Einbeziehung des sozialen Kontextes behandelt. Im Kapitel »Führungskräftecoaching« stellt Kirsten Dierolf ihre lösungsfokussierte Arbeit im Führungskräftecoaching dar. Wir freuen uns darüber, dass wir sie für diesen Gastbeitrag gewinnen konnten und begrüßen ihre an konkreten Fallstudien veranschaulichten Ausführungen. Mit dem Kapitel »Anwendungsfragen im Karrierecoaching« wollen wir im Anschluss in spezielle Teilfragen des Karrierecoaching eintauchen und unsere systemisch fundierten Antworten auf methodischer und konzeptioneller Ebene geben. Dabei handelt es sich insbesondere um folgende drei Grundfragen: Wie ist beim Karrierecoaching mit Entscheidungsalternativen umzugehen? Wie ist hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Begrenzungen, Sinnbezügen und dem Verhältnis von Beruf und Privatheit zu verfahren? Wie lässt sich die Begleitung in beruflichen Übergängen gestalten? Abschließend wollen wir noch systemische Coaches zu Wort kommen lassen. Sie werden zu ihren Erfahrungen mit systemischer Arbeit und zu ihren Lieblingsmethoden in der Coachingarbeit Stellung nehmen. Das letzte Kapitel mit dem Titel »Ein Ende ohne Schlussstrich« verbindet einige thematische Fäden, gibt ein Resümee unserer Reise durch das Thema und stellt weiterführende Fragen. Das im Anhang zusammengestellte Material »Coachinginstrumente und Materialien zur Selbstanalyse« steht zusätzlich als kostenloses Downloadmaterial zur Verfügung. Den dafür benötigten Link und Zugangscode finden Sie auf S. 309 am Ende dieses Buchs. Folgende Piktogramme am Rand erleichtern dem Leser die Orientierung. Sie ermöglichen es, die zugehörigen Textstellen, so zum Beispiel wichtige Definitionen, Fallbeispiele, Übungen oder Literaturhinweise, schnell aufzufinden: Achtung. Markiert wichtige Merksätze. Definition. Hier werden grundlegende Begriffe und theoretische Ansätze und Zugänge erläutert.

Abschließendes und Nicht-Abschließendes

Methodenbeschreibung. Markiert Beschreibungen von Methoden, Techniken und Anwendungsmodellen, die für das systemische Karrierecoaching wichtig sind. Ein Teil der Markierungen verweist auf Methodenbeschreibungen des Anhangs. Fallbeispiel. Macht die theoretischen Ausführungen veranschaulichende und unterstützende Fallbeispiele, die zum einen aus unserer eigenen Praxis, zum anderen aus der Praxis befreundeter Kollegen stammen, kenntlich. Die markierten Fallbeispiele enthalten zum Teil bereits Kommentierungen von uns im Hinblick auf das, was sie veranschaulichen. Übung. Markiert Vorschläge für Übungen, die zum einen der Schulung des Coaches dienen und zum anderen für den Einsatz im konkreten Karrierecoaching mit dem Klienten gedacht sind. Ein Teil der Markierungen verweist auf die im Anhang zusammengestellten Instrumente und Übungen. Literatur. Empfehlungen zu weiterführender Literatur zu den wesentlichen Themen der einzelnen Hauptkapitel, auf die jeweils am Ende jedes Kapitels hingewiesen wird.

An wen richtet sich das Buch? Das Buch ist für Kollegen in der Berufs- und Laufbahnberatung, in Personalverantwortung wie auch in der Arbeit mit Erwerbslosen und im Outplacement geschrieben. Zielgruppe sind insbesondere Berufs- und Karriereberater, Ausbilder, Berufsbegleiter, Outplacement-Berater und Personalentwickler. Daneben sprechen wir Studierende von betriebswirtschaftlichen, wirtschaftspädagogischen und arbeitspsychologischen Bachelor- und Master-Studiengängen an sowie Weiterbildungsteilnehmer in ihrem Interesse an systemischen Methoden für die Karriereberatung und Personalentwicklung.

Abschließendes und Nicht-Abschließendes Wir möchten nicht auf den Hinweis verzichten, dass dieses Buch von vielfältigen Anregungen und Inspirationen befruchtet ist. Wir versuchen im Sinne der wissenschaftlichen Redlichkeit alle Quellen zu nennen. Dennoch können wir nicht verhindern, dass einzelne Ideen sich nicht mehr bis zu ihren Wurzeln zurückverfolgen lassen und ihre Ursprünge von uns ungenannt bleiben. In diesem Sinne möchten wir uns bei den vielen Kollegen, Weiterbildungs-

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teilnehmern, Coachees, Supervisanden sowie Freunden herzlich bedanken, aber gleichzeitig um Nachsicht bitten, wenn sie sich hier wiederfinden, ohne genannt zu werden. Nur in einer großen Vielfalt der Ansichten, Arbeitsweisen und der langjährigen eigenen Praxis konnte dieses Buch entstehen. Für die Mitarbeit an der Entstehung des Buches möchten wir herzlich danken: Günter Presting, Bereichsleiter Psychologie, und Imke Heuer vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für ihre Geduld und fachliche Begleitung, Silke Strupat für die sorgfältige Korrektur des endgültigen Manuskripts, Frederic Linßen vom Institut für Lösungsfokussierte Kommunikation (ILK-Bielefeld) und Manfred Froböse (Arbeitsagentur Herford) für ihre Anregungen zum Manuskript, den Karrierecoaches, die sich für die Interviews bereit erklärten, Hanna Tuchowski und Tabea von Küngelen für die Unterstützung bei der Manuskripterstellung.

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Die W-Fragen des Karrierecoachings »Wenn du immer an die Hand genommen wirst, hast du nur noch eine Hand frei.« Volkmar Frank

Arbeit hat sich verändert. Arbeit verändert sich laufend, sie ist wie alles andere auch Teil des historischen Wandels. In den zurückliegenden Jahrzehnten hat sie sich aber auf eine Art und Weise gewandelt, die auffällig ist und zu öffentlichen Diskussionen herausfordert (Kaudelka u. Kilger, 2010). Der Arbeitsmarkt hat in den vergangenen zwanzig Jahren ein Auf und Ab erlebt. Die Hartz-Reformen fallen in diese Zeit, von denen einige sagen, sie stünden für einen Abbau des Sozialstaates (Lessenich, 2008). Das Stichwort der prekären Arbeit kam auf (siehe exemplarisch Götz u. Lemberger, 2009). Seither sind Leiharbeit oder Transfergesellschaft in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen. Arbeit ist unsicherer geworden, aber auch offener. Die klaren Perspektiven von einst (nach der Lehre der Job bis zur Rente) sind seltener geworden, die neuen Ideen, wie eine erfolgreiche Berufslaufbahn zu gestalten sei, haben sich vermehrt (Plöger, 2010a). Der aktuelle Wandel hat zu manchen Klagen geführt, zu sozialen Verschiebungen, hier und da sogar zu neuer Not, aber auch zu neuen Chancen und zu einem konstruktiven Hinterfragen dessen, was Arbeit eigentlich ist und für uns sein soll. Dieser Wandel kann demgemäß auch Berater nicht kalt lassen, die sich mit Arbeit, Berufslaufbahnen und Karrieren befassen. Heute muss, wer Karrierecoaching betreibt, hinterfragen: seinen Begriff von guter Arbeit, seine Vorstellungen einer Berufslaufbahn, letztlich sich selbst und sein Bild der Arbeitswelt. Unser Buch will dabei helfen, dies auf konstruktive Weise zu tun. Die Aufgabe des Beratens soll erleichtert und Orientierung für diejenigen geschaffen werden, die anderen Orientierung geben sollen – was nicht leichter geworden ist in der aktuellen Arbeitswelt. Aus unserer Sicht ist es für die Orientierung der Coaches (Orientierer) wichtig, vier W-Fragen des Karrierecoachings im Auge zu behalten: –– Worin bestehen die neuen Herausforderungen an das Karrierecoaching? Was ist ihr Hintergrund? Dazu ist es wichtig, sich den aktuellen Wandel der Arbeits-

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welt und seine Folgen für die berufliche und lebensgestalterische Orientierung der Arbeitenden differenziert anzusehen (siehe die Unterkapitel »Neue Laufbahnorientierungen« S. 35 ff. und »Berufliche Selbstmanagementanforderungen« S. 38 ff.). Hier geht es um den historischen und gesellschaftlichen Rahmen des Karrierecoachings. –– Was ist mit Karriere eigentlich gemeint, was mit Beratung und Coaching? Vor welchen Aufgaben stehen Berater und Coaches mit ihrer Ausrichtung auf die berufliche Beratung (siehe die Unterkapitel »Ziele und Inhalte des Karrierecoachings« S. 42 ff., »Organisationsexterner und -interner Zugang des Coaches im Karrierecoaching« S. 56 ff. sowie das diesem nachfolgende Kapitel »Gesellschaftliche und individuelle Antworten auf Berufswahl- und Karrierefragen« S. 64 ff.)? Hier geht es um das Setting des Karrierecoachings. –– Wozu machen Berater Karrierecoaching? Was kann Karrierecoaching bei seinen Klienten erreichen (wollen)? Diese Frage ist für uns eng verknüpft mit der grundsätzlichen Haltung der Berater zu ihren Klienten. Die systemische Beratung zeichnet eine sehr spezifische, menschenfreundliche Idee von Menschen aus, die sich in der Einstellung gegenüber den Klienten niederschlägt. Wir behandeln die Frage nach dem Wozu im Kapitel »Menschenbild und Haltung im systemischen Karrierecoaching« (S. 105 ff.), wo es um die Grundhaltung des systemischen Karrierecoachings geht. –– Wie sieht ein systemisches Karrierecoaching aus? Was tut ein systemischer Berater im Feld der beruflichen Beratung praktisch anderes als seine (nicht-systemisch beratenden) Kollegen? Dieser Frage wenden wir uns in den Kapiteln, »Systemische Methoden im Karrierecoaching« (S. 127 ff.), »Führungskräftecoach­ing« (S. 173 ff.) und »Anwendungsfragen im Karrierecoaching« (S. 188 ff.) zu, in denen es um die Methoden und Praxis des systemischen Karrierecoachings geht, und die einen wesentlichen Teil des Buches ausmachen.

Diese vier W-Fragen werden nicht nur durch das Buch leiten, sie sollen darüber hinaus Eckpfeiler auf dem Weg sein, das systemische Karrierecoaching von seinen Hintergründen über seine gedanklichen Grundlagen bis hin zu seiner Praxis kennenzulernen.

Wandel der Arbeitswelt

Peter Plöger Wandel der Arbeitswelt Um den Wandel der Arbeitswelt nachzuvollziehen, wollen wir den Blick auf die wichtigsten Akteure lenken, die diesen Wandel beeinflussen und von ihm beeinflusst werden. Sicher steht für den Berater das arbeitende Individuum im Vordergrund. Die Arbeitswelt lässt sich jedoch nicht ohne die Beteiligung der Unternehmen und des Staates verstehen. Deshalb gehen wir im Folgenden zuerst sehr knapp auf deren Rolle ein, bevor wir uns ausführlicher der Perspektive des Einzelnen zuwenden. Zusammengenommen bündeln alle drei Perspektiven ein erstes Bild der für das Karrierecoaching wichtigen Momente des Wandels der Arbeitswelt. Die Perspektive der Unternehmen Der globale Wandel hat auch die Unternehmen verändert. Die Vielfalt der Unternehmen, ihrer internen Organisation, ihrer Personalstrategien und ihres Verhältnisses zu den Arbeitnehmern ist nach wie vor viel zu groß für generalisierende Aussagen. Es lassen sich jedoch einige Hauptströmungen der Veränderungen ausmachen, die als Hintergrund des Karrierecoachings von Bedeutung sind. Galt früher die langfristige Bindung der Arbeitskräfte an ihre Unternehmen als Standard, sind die Modelle der Arbeitskräftebindung inzwischen durchlässiger geworden. Arbeitgeber, die an einem anpassungsfähigen Personalstamm interessiert sind, greifen nunmehr häufiger auf ein Zwiebelschalenmodell (Plöger, 2010a, S. 137 ff.) zurück: Ein harter Kern gelernter Arbeitskräfte bildet den langfristig gebundenen Personalgrundstock. Eine innere Hülle rundherum ergänzt diesen, sie besteht aus flexibler gebundenen Kräften (Arbeitnehmer mit Teilzeit- oder befristeten Verträgen). Eine nur noch locker aufgelegte, äußere Hülle aus beispielsweise Leiharbeitern, Teilzeit- oder Honorarkräften dient zur Abdeckung von Bedarfsspitzen oder speziellen, inhaltlich begrenzten Aufgaben. Dieses Zwiebelschalenmodell ist aus Unternehmenssicht höchst plausibel, da es einen merkbaren Flexibilitätszuwachs bedeutet (Gottschall u. Henninger, 2005, S. 164; Reichwald et al., 2004, S. 2 f.). Für die Arbeitnehmer zieht es jedoch die subjektiv wahrgenommene Gefahr nach sich, in die volatile Randzone abgedrängt zu werden – was zum Teil auch real passiert, wie die zeitweise Zunahme der Leiharbeit und anderer sogenannter untypischer Arbeitsverhältnisse zeigt. Die Bindung zum Arbeitgeber ist aus Sicht der Arbeitenden weniger zuverlässig geworden. Das ist im Vergleich zu der langen wirtschaft-

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lichen Aufschwung- und Wachstumsphase innerhalb des letzten Jahrhunderts, die noch den meisten im Gedächtnis verblieben ist, deutlich zu spüren. Damals verbanden die Mitarbeiter insbesondere großer Unternehmen ihre beruflichen (Laufbahn-)Planungen lebenslang mit ihrem Betrieb (Weinert, 1998, S. 24 ff.). Dieses Modell stellte einen beiderseitig vorteilhaften Tausch dar. Im Zwiebelschalenmodell werden diese Bindungen nun unverbindlicher, die berufliche Zukunft für die Werktätigen daher unberechenbarer. Es gilt ein anderer psychologischer Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Greenhaus, Callanan u. Godshalk, 2010, S. 6; Lang-von Wins u. Triebel, 2012, S. 18 f.). Der Arbeitnehmer wird damit immer mehr zu einem Vertragspartner, das Verhältnis zu einem kontraktuellen mit wenig gegenseitiger Loyalität im Sinne einer gemeinsamen Identität (Wir sind alle Opelaner). Für den Arbeitnehmer bedeutet das: Er muss sich mehr und mehr mit der Rolle des Organisators seiner eigenen Arbeit anfreunden. Er muss nicht nur eine vereinbarte Arbeitsleistung erbringen, sondern auch (von Zeit zu Zeit) neue Erwerbsmöglichkeiten akquirieren, für die Erhaltung seiner Arbeitskraft sorgen (sich weiterbilden zum Beispiel) und sich als potenzieller Vertragspartner attraktiv halten. Er rückt dem immer näher, was die beiden Soziologen Günter Voß und Hans Pongratz (1998) treffend »Arbeitskraftunternehmer« nennen. Das bedeutet: Er ist genötigt, Risiken und Chancen in der eigenen Berufsbiografie in einem fortlaufenden Prozess zu managen und muss wahrnehmungsfähig für sich bietende berufliche Perspektiven sein. »Als kennzeichnend für den neuen Arbeitskräftetypus gelten der Abbau der Fremdkontrolle zugunsten der Betonung der Selbstkontrolle, verbunden mit erweitertem Handlungsspielraum und größerer Eigenverantwortung« (Georg u. Sattler, 2006, S. 146). Als Karrierecoach ist diese neue, tendenziell unternehmerische Rolle der Berufstätigen besonders zu beachten. Eine weitere wichtige Veränderung des Arbeitskräfteangebots ergibt sich aus dem demografischen Wandel, das heißt, dass den in den Ruhestand übergehenden Personen nicht die gleiche Anzahl von Jugendlichen, die in das Arbeitsleben übergehen, gegenüberstehen. In den Jahren 2012 bis 2025 scheiden nach einer Prognose des Bundesinstituts für Berufliche Bildung und des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 10,5 Millionen Personen mit Berufsausbildung aus dem Erwerbsleben aus. Dem stehen nur 7,5 Millionen Zugänge gegenüber (Maier, Zika, Wolter, Kalinowski u. Helmrich, 2014). Hier schlussfolgern wir, dass die Einbeziehung weiterer Personengruppen in das duale Ausbildungssystem (zum Beispiel die Einbeziehung von benachteiligten Jugendlichen oder Studienabbrechern) dringend geboten ist, um dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen.

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In der öffentlichen Diskussion finden wir häufig die Schlagwörter »Flexi­ bilisierung der Marktstrategien«, »Internationalisierung der Geschäftsbe­ ziehungen«, »Innovationsdruck« und »Gewinnorientierung«. Diese unternehmerischen Erfordernisse sind jedoch in einigen Feldern besonders stark vertreten (zum Beispiel in der EDV der Elektronischen Industrie und den informationstechnologischen Unternehmen). Im traditionellen Handwerk sind in einigen Feldern (zum Beispiel bei der Haustechnik) starke Innovationsschübe zu finden, andere Felder sind jedoch weiterhin stark von tradierter Handwerkstechnik geprägt und auf regionale Märkte konzentriert. Im Sozialsektor wiederum zeichnet sich zum einen ein verschärfter Wettbewerb zwischen den Anbietern und zum anderen eine fortschreitende Ökonomisierung der Arbeitsprinzipien (zum Beispiel in Dienstleistungsverträgen) ab. All diese Dinge haben Einfluss auf die Arbeitsfelder und die Anliegen der Klientel von Karrierecoaches. Die Perspektive von Gesellschaft und Staat Der Gesetzgeber hat in der jüngsten Zeit zum Wandel der Arbeitswelt entscheidend beigetragen. Auf europäischer Ebene ist die Freizügigkeit des Arbeitsplatzes erweitert worden, sodass die Möglichkeit zur Jobmobilität erheblich größer ist. Die Berufsausbildung auf akademischem Niveau wurde durch die sogenannten Bologna-Reformen vereinheitlicht, beschleunigt und internationalen Standards angenähert (ob zum Vor- oder Nachteil für die Studierenden, sei dahingestellt). Die spürbarsten Veränderungen traten in Deutschland jedoch mit den Arbeitsmarkt- und Sozialreformen Anfang der 2000er Jahre mit den soge­ nannten Hartz-Reformen ein. Sie setzten nicht nur neue Instrumente der Arbeitsvermittlung ein (Jobcenter, private Vermittler, Umstrukturierung der Arbeits- und Sozialämter), sie brachten im Endergebnis auch einen neuen Geist und einen veränderten Auftrag in die staatliche Sozialfürsorge ein. Das neue Motto hieß nun »Fördern und Fordern« und wurde von vielen als das heimliche Zugeständnis kritisiert, der Staat wolle sich von seiner Rolle als Versorger zurückziehen. Stephan Lessenich (2008) etwa spricht von einer »aktivierenden Wende« in der Sozialpolitik, die beinhalte, dass jeder Einzelne nun verstärkt in die erweiterte Übernahme von Eigenverantwortung bewegt werden solle, während der Staat sich von bis dato noch bestehenden Verantwortungen der sozialen Sicherung frei mache (S. 77). Im englischen Sprachgebrauch hat sich für diese Wende zur Selbstverantwortung das Schlagwort des »turn from welfare to workfare« eingebürgert.

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Sie verändert die Lebenschancen der auf Lohneinkommen Angewiesenen nachhaltig. »Gesellschaftliche Teilhabe ist mithin nicht länger von außen, durch ›die umstandslose Sicherung von Einkommen‹ (Schulze-Böing, 2000, S. 55), zu gewährleisten, sondern hat vermittelt über die eigenverantwortliche, aktive Bemühung um Teilnahme am Erwerbsleben zu erfolgen« (S. 89). Es gibt folglich keine staatliche Sicherung des privaten Status quo mehr (wie sie faktisch für die meisten Erwerbstätigen einmal bestanden hat). Mit den Reformen wurde »vom Prinzip der Statussicherung auf das der totalen Mobilisierung umgestellt« (Bude, 2008, S. 27 f.). Der Staat reagiert damit auf eine schleichende Krise der kapitalistischen Ordnung. Ein ausreichendes Einkommen durch Lohnarbeit kann auf dem in Deutschland gewohnten Niveau offenbar nicht länger sichergestellt werden. Darauf weisen unter anderem die steigenden Zahlen in den Statistiken über untypische Arbeitsverhältnisse hin. Typisch ist ihnen gegenüber das sogenannte Normalarbeitsverhältnis: »Als Normalarbeitsverhältnis gilt ein Beschäftigungsverhältnis dann, wenn es auf einem auf Dauer angelegten Arbeitsvertrag, einem festen, an Vollzeitbeschäftigung orientierten Arbeitszeitmuster, einem tariflich normierten Lohn und Gehalt, der Sozialversicherungspflicht sowie der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber basiert« (Bellmann et al., 2006, S. 26). Das Normalarbeitsverhältnis ist allerdings immer weniger geeignet, die Realität der Erwerbstätigen zu beschreiben. Das zeigt sich bereits vor Eintritt in die Berufstätigkeit. Die Normalbiografie von Jugendlichen ließ sich ursprünglich in einem »Zwei-Schwellen-Modell« (Mertens u. Parmentier, 1982) abbilden. Dabei stellte die erste Schwelle den Übergang von der Schule in eine berufliche Qualifizierung (in Betrieb, Fach- oder Hochschule) und die zweite Schwelle den Übergang nach der Ausbildung oder dem Studium in ein Beschäftigungsverhältnis dar. Der langjährige Mangel an Lehrstellen hat zur Entstehung eines Übergangssystems an der ersten Schwelle geführt, das die zahlreichen und vielfältigen Lehrgänge und Maßnahmen umfasst, die zur Verbesserung der persönlichen Voraussetzungen und der Arbeitsmarktchancen beitragen sollen. Auch die zweite Schwelle des Übergangs in eine dauerhafte Beschäftigung stellt für junge Erwachsene branchenspezifisch und in Abhängigkeit vom Schul- bzw. Ausbildungsniveau ein zusätzliches Arbeitsmarktrisiko dar. Dies betrifft insbesondere den Bereich der kleinund mittelständigen Dienstleistungsbetrieben, in denen über die Hälfte der Ausbildungsabsolventen wegen fehlender Übernahme durch den Betrieb mit der Suche eines neuen Arbeitgebers konfrontiert werden (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2014, S. 114). Der Weg aus der Schule in ein dauer-

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haftes Beschäftigungsverhältnis hat sich für zahlreiche Jugendliche zeitlich verlängert und ist durch verschiedenartige Hürden und Zwischenstationen gekennzeichnet. Komplexer ist darüber hinaus die Situation auf dem Arbeitsmarkt geworden – dank der erwähnten untypischen Arbeitsverhältnisse. Dazu zählen in erster Linie alle Arten der befristeten Beschäftigung, so unter anderem Teilzeitbeschäftigung, Leiharbeit und Kleinselbständigkeit. Diese haben in den Jahren nach den Reformen eine bemerkenswerte Entwicklung genommen. »So nehmen Formen von freier Mitarbeit, Subunternehmertum, Tele- und Heimarbeit oder auch von Nebenerwerbsselbständigkeit zu« (Leicht u. Philipp, 2005, S. 135). Zwar bleibt das Normalarbeitsverhältnis die häufigste Form, die untypischen Arbeitsverhältnisse haben jedoch an Bedeutung gewonnen (Bellmann et al., 2006; Bude, 2000, S. 125 f.). Dass sie in vielerlei Hinsicht gegenüber dem Normalarbeitsverhältnis für Erwerbstätige Nachteile bereithalten, veranschaulicht Tabelle 1. Tabelle 1: Vergleich untypischer Arbeitsverhältnisse mit dem Normalarbeitsverhältnis (NAV) (aus: Plöger, 2010a, S. 126) Teilzeit

geringfügige Beschäftigung

befristete Beschäftigung

Leiharbeit

Einkommen

formal anteilig, faktisch niedriger

faktische Benachteiligung

–– abhängig von Anschlussbe­ schäftigung –– geringer als bei NAV

geringer als bei NAV

Integration in die soziale Sicherung

anteilig

minimal

abhängig von Anschlussbeschäftigung

ja

Beschäftigungs­ stabilität

ja

gering

gering, aber Anschlussbeschäftigung möglich

niedriger als bei NAV

Beschäftigungs­ fähigkeit

geringer als bei NAV

sehr gering

geringer als bei NAV

geringer als bei NAV

In Tabelle 1 nicht enthalten sind die Klein- bzw. Soloselbständigen, also alle Selbständigen, die keine weiteren Mitarbeiter haben. Ihre Zahl ist insbesondere zwischen 2000 und 2005 stark angewachsen und steigt weiter – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, was für einen allgemeinen Trend der Neuentwicklung und Verschiebung von Erwerbsmodellen von der abhängigen Beschäftigung hin zur Selbständigkeit spricht (Plöger, 2010a, S. 118 ff.; Schulze

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Buschoff, 2007). Inzwischen sind in Deutschland etwa 2,6 Millionen Personen soloselbständig, was einem Anteil an allen Selbständigen von 57,1 % entspricht (EU: 71,1 %). In Deutschland sind darunter auffällig viele Akademiker und andere Hochqualifizierte zu finden (Zahlen nach DIW-Studie: Brenke, 2013). Gerade die Soloselbständigen stehen exemplarisch für den Typus von Erwerbstätigen, der einesteils gemäß der staatlichen Reformprogramme nachgerade gewünscht ist, andererseits die von den Mahnern kritisierte Prekarität der Arbeit wie kein anderer widerspiegelt, drittens für den Einzelnen die meisten Chancen bereithält – sofern er oder sie die notwendigen persönlichen Voraussetzungen dafür bereithält. Es ist ein Typus, der absehbar auch die Karriereberater in Zukunft am meisten beschäftigt halten wird. Die Perspektive des Individuums Sind Berufe noch Berufe? ‒ Für den einzelnen Erwerbstätigen hat sich in der Arbeitswelt innerhalb einer recht kurzen Zeit vieles verändert. Der allgemeine gesellschaftliche Wandel, die veränderten Strategien der Unternehmen und die Reformen durch den Gesetzgeber haben spürbare Konsequenzen für die individuellen Berufsperspektiven. Für manch einen ist Arbeit unsicher geworden, es fehlt an Perspektiven und an Orientierung. Andere sehen zwar ebenfalls das Wegfallen alter Sicherheiten, begrüßen jedoch einen Zugewinn an Selbständigkeit und Offenheit in der Gestaltung ihrer eigenen Berufswege. Die Veränderungen sind vielfältig – ihre Deutungen sind es auch. Es ist aufgrund dieser Vielfalt nicht einfach, allgemeine Hinweise darauf zu geben, auf welche Neuerungen Berater besonders Acht geben sollten, wenn sie ein zeitgemäßes Karrierecoaching anbieten wollen. Ein bemerkenswerter Punkt ist zugleich der pauschalste: Es ist eben der, dass Berufsorientierungen sich vervielfältigt haben. Das klassische Normalarbeitsverhältnis, an dem sich einmal vieles ausgerichtet hat, ist nicht länger das Nonplusultra des Jobcoachings. Einen massentauglichen Standard, wie es der gelernte Arbeiter bzw. Angestellte mit unbefristetem Vertrag (wenn möglich in einem einzigen Unternehmen) und moderaten Aufstiegschancen war, kann man heute nur noch schwerlich in Anschlag bringen, um das Verhalten der Berufstätigen zu beschreiben. Der »Organization Man« – wie der Journalist William H. Whyte (1956) ihn nannte – wird allmählich durch einen anderen Typus von Erwerbstätigem abgelöst, einen mit mehr Eigenverantwortung und weniger Bindung an einen Ort oder Arbeitgeber. Kaum auf der Bühne der Sozialtypen angelangt, wird der selbstbestimmte Erwerbstätige auch schon als leuchtendes Vorbild gefeiert. Die USA sind bereits

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zur »Free agent nation« erhoben worden (Pink, 2001). Und in Deutschland sehen einzelne Autoren die »Meconomy« im Kommen (Albers, 2009). Demnach heißt das neue Motto nun: »Tu, was du liebst, […] dann wirst du keinen Tag deines Lebens arbeiten« und das Leben »wird zu einem Baukasten der Möglichkeiten«, in dem »wir uns genau jene Teile zusammensetzen, die zu uns passen« (S. 13). Die Wirtschaftskrise von 2008/2009 befeuerte die Hoffnungen darauf, dass sich dieses Wunschbild in Wirklichkeit verwandeln würde. Ob dies jemals eintritt – oder überhaupt wünschenswert ist – sei dahingestellt. Bemerkenswert ist allemal, dass die Visionen in einer Klarheit formuliert sind, die suggeriert, dass die Gestalt der neuen Arbeitswelt bereits feststünde und nur noch von den Erwerbstätigen mit Leben gefüllt werden müsste. Das ist irreführend. Die Arbeitswelt ist im Wandel, und niemand weiß genau, wohin sie sich schließlich bewegen wird. Richtungen kann man erkennen, gesicherte zukünftige Realitäten nicht. Sogar das grundlegende Vokabular ist in Bewegung geraten. Es ist inzwischen beispielsweise nicht mehr ganz klar, was überhaupt ein Beruf ist. Welche Kriterien soll man ansetzen, wenn man die Frage gestellt bekommt, welchen Beruf man hat? Eine einschlägige Ausbildung? Anerkennung per Zertifikat? Regelmäßige Entlohnung für die betreffende Tätigkeit? Langjährige Erfahrung? Oder alles zusammen? Was ist dann mit den Multijobbern, den Arbeitssammlern oder den Umgeschulten? Einer von uns, Peter Plöger, ist selbst auf mehreren Feldern beruflich tätig: Er ist Autor mehrerer Sachbücher in einem renommierten Verlag. Daneben ist er freiberuflich als Coach tätig und arbeitet – ebenfalls freiberuflich – für Organisationen, Bildungsträger und Unternehmen als Trainer. Alle drei Tätigkeiten sind anerkannte Berufe. Welcher aber ist Plögers Beruf? Um die Sache noch komplexer zu machen: Zweimal im Jahr arbeitet er für einen öffentlichen Träger in theaterpädagogischen Projekten mit Kindern. Ist das ein vierter Beruf? Plöger hat seit 15 Jahren Erfahrung mit theaterpädagogischen Projekten für Kinder, aber keine formale Ausbildung dafür. Er ist nur einen Bruchteil des Jahres in diesem Bereich tätig, in diesen Wochen aber Vollzeit mit der entsprechenden Bezahlung. Sein Auftraggeber ist ein großer deutscher Wohlfahrtsverband. Kurzum: Zu einem Beruf im traditionellen Sinne fehlen einige Merkmale, andere sind vorhanden. Es ist nicht einfach zu sagen, um was es sich bei der Tätigkeit handelt, wenn man einen strengen Kriterienkatalog anlegen wollte. Plöger behilft sich damit, eigene Kriterien anzusetzen, und spricht tatsächlich von einem Nebenberuf. Die (vorläufige) Offenheit selbst grundlegender Begriffe kennzeichnet die augenblickliche Situation der Arbeitswelt. Sie ist typisch für Zeiten

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des Übergangs. So sind auch die übergreifenden Schlagworte, mit denen der Übergang global beschrieben werden soll, eher bildlich zu verstehen. Whytes »Organization Man« muss man als eine Annäherung an die Realität der Vielen verstehen, als einen Archetypen, der etwas abstrahiert, was ansonsten zu unübersichtlich für eine Beschreibung wäre. Genauso ist es gemeint, wenn wir hier davon sprechen, der »Organization Man« träte allmählich zurück zu Gunsten des neuen Leitbildes des Selbstunternehmers. Dieses Leitbild entspricht sicher nicht der Lebenswirklichkeit aller Erwerbstätigen, es markiert jedoch ein zeitgemäßes Ideal, das von den Unternehmen zunehmend gewünscht wird, vom Staat teilweise gefördert wird und von einer steigenden Zahl von Erwerbstätigen (aus unterschiedlichen Gründen) faktisch verfolgt wird (Bröckling, 2007; Plöger, 2010a). »Das unternehmerische Selbst«, schreibt der Soziologe Ulrich Bröckling, »bezeichnet […] die Weise, in der Individuen als Personen adressiert werden, und zugleich die Richtung, in der sie verändert werden und sich verändern sollen« (2007, S. 46). Und die Richtung ist klar, sie geht hin zu »gesteigerter Selbstkontrolle, Selbstökonomisierung und Selbstrationalisierung« (S. 49). Was zeichnet nun einen Selbstunternehmer aus? Heute werden von einem Arbeitnehmer immer häufiger und immer intensiver Qualitäten erwartet, wie sie erfolgreiche Soloselbständige oder Kleinunternehmer mitbringen (bei den bereits selbständig Tätigen werden diese Qualitäten ohnehin vorausgesetzt). Wie deren berufliche Praxis aussieht, können wir am Fallbeispiel von Christine2 erläutern. Christine Christine arbeitet parallel auf drei verschiedenen Tätigkeitsfeldern: als Designerin für Webseiten, als Angestellte in einem öffentlichen Rundfunksender und als Reiseleiterin. Sie tut das in zwei Beschäftigungsarten: angestellt und als Freiberuflerin. Einen formalen Abschluss hat sie lediglich als Webdesignerin. Sie hat Mitte der 1990er Jahre nach einem Lehramtsstudium eine Maßnahme des Arbeitsamtes mitgemacht, in der sie sich zur Webdesignerin umschulen ließ. (Das Arbeitsamt hat seine Fortbildungen und Umschulungen damals häufig im Bereich »Web und neue Medien« angeboten.) Christine nutzte die Neuqualifikation optimal aus. Sie machte sich erfolgreich selbständig in ihrem neuen Arbeitsfeld. Zusätzlich ergatterte sie die Chance, als Grafikerin für einen großen Sender zu arbeiten. Dort wird 2 Die Namen in den Fallbeispielen wurden in diesem und anderen Fällen (Ausnahme: der Golfballtaucher Sascha Kruse) aus Gründen der Anonymisierung geändert. In den Beispielen aus unserer Praxis haben wir nicht näher benannt, wessen Praxis jeweils gemeint ist, das Coach-Ich bezieht sich in ihnen also immer auf einen von uns beiden.

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sie immer wieder in Teilzeit befristet angestellt. Manchmal bekommt sie sogar Verträge für ein ganzes Jahr. Ihre Arbeitswoche teilt sie dann auf zwischen dem Redaktionsbüro und dem eigenen Homeoffice, wo sie die Aufträge ihrer privaten Kunden erledigt. Im Sommer ist sie außerdem für einen ganzen Monat in Italien. Weil sie fließend Italienisch spricht, kann sie dort für deutsche Touristen geleitete Reisetouren anbieten und bringt den Interessierten das regionale Essen, die Weine und die italienische Renaissance nahe. Christine verfolgt also eine Strategie der Jobdispersion: Sie verteilt ihre Anstrengungen auf drei unterschiedliche Felder, statt sich auf einen fest umrissenen Beruf zu konzentrieren. Selbstredend stellt diese Art des Parallelarbeitens größere Herausforderungen an die Organisation der eigenen Arbeitszeit und an die Logistik der Tätigkeiten. Parallel arbeiten heißt, mehrere zum Teil miteinander konfligierende Anforderungen immer wieder aufs Neue in Balance zu bringen. Christine kann sich außerdem – außer in der Redaktion, wo sie angestellt arbeitet – nie zurücklehnen und darauf warten, dass ihr jemand Arbeit gibt. Sie muss ihre Kunden selbst akquirieren, darf darin auch nicht nachlassen, denn Stammkunden hat sie noch zu wenige. Wenn sie morgen auch noch Kunden haben will, muss sie heute neben ihrer Kerntätigkeit, dem Designen, immer auch Akquise betreiben. Die freiberufliche Auftragstätigkeit muss sie überdies mit den Zeiten vereinbaren, in denen sie Dienst in der Redaktion hat. Wenn der Sommer naht, muss sie sich auf die Reisetouren vorbereiten. Einen guten Teil ihrer Zeit verbringt sie also mit organisatorischen Aufgaben, die neben ihren Kerntätigkeiten herlaufen müssen.

Die Selbstorganisation der Arbeit ist charakteristisch für den Typus des Selbstunternehmers. Dieser Typus beschränkt sich nicht auf die Beschäftigungsform, von der man es am ehesten erwarten würde: die Selbständigkeit. Sie betrifft genau so die angestellten Arbeitnehmer und die wachsende Zahl derjenigen, die sich in einer Grauzone zwischen Anstellung und Selbständigkeit bewegen. Indem er sich dem Selbstunternehmer annähert, hört der Arbeitnehmer auf, Arbeitnehmer zu sein, und ist gleichzeitig Leistungsanbieter und Organisator. Selbständige Leistungen werden zunehmend auch vom Arbeitnehmer gefordert. Die Planung und Strukturierung von Arbeitsprozessen wird ihm überantwortet – zusätzlich zu seiner Kerntätigkeit. Das gilt vermehrt auch für Arbeitnehmer in Unternehmen oder im öffentlichen Dienst: Formal bleiben sie Weisungsempfänger, de facto leisten sie jedoch einen Teil des Managements ihrer Arbeit mit. Voß und Pongratz (1998) sprechen daher von »fremdorganisierter Selbstorganisation«. Damit ist der Selbstunternehmer permanent selbst verantwortlich für das Gelingen seiner Arbeit, und zwar im doppelten Sinne: Der Arbeitsauftrag

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muss erfüllt werden; gleichzeitig muss die Arbeit so eingerichtet sein, dass sie dem Erwerbstätigen die Existenzsicherung garantiert, mit der arbeitsfreien Zeit in Balance steht (Work-Life-Balance), ein Familienleben zulässt und so weiter. Mit der Sorge um das Gelingen ist der Selbstunternehmer zudem stetig beschäftigt, er kann sich nicht zurücklehnen und sich auf dem einmal Erreichten ausruhen (siehe das Fallbeispiel Christine: Die Akquise muss laufend fortgesetzt werden). Er ist damit zwar in eine (vermeintlich) größere Freiheit entlassen (Du kannst dir deine Arbeit selbst einrichten.), gleichzeitig steht er jedoch unter höherem Druck (Du musst dir deine Arbeit selbst einrichten!). Das Motto: »Mehr Druck durch mehr Freiheit«, steht über seinem ganzen Arbeitsleben (Glißmann u. Peters, 2001). Das Leitbild des Selbstunternehmers ist indessen nicht neu. Im Gegenteil: Es ist in manchen Branchen und Arbeitsfeldern ein alter Hut, weil dort beinahe jeder so tätig ist. Unter den Kleinselbständigen ist es ebenso wenig eine Überraschung wie in der Branche, die heute als die »Creative Industries« bezeichnet wird. An anderer Stelle wird sogar – wiederum in pointierender Zuspitzung – von einer tonangebenden »Creative Class« gesprochen (Florida, 2002). Klasse oder nicht: Die Kreativen, also die Künstler, Designerinnen, Werber, Architektinnen, Journalisten und so fort, sind ungewollt zu einem Modell für die Gestaltung von Erwerbsarbeit geworden (Mandel, 2007; Menger, 2006). Sie arbeiten gewohnheitsmäßig flexibel, in wechselnden, bislang als untypisch geltenden Anstellungsformen, mit teils fehlender oder schwacher sozialer Sicherung, unregelmäßigem Einkommen, inhaltlicher Gestaltungsfreiheit und starker intrinsischer Motivation (Haak u. Schmidt, 1999, S. 33). Genau dies wird auch vom unternehmerischen Selbst erwartet. Das Arrangement, das die Kreativen akzeptieren, passt hervorragend zur neuen Logik des Selbstunternehmertums. Zu sehen ist das zum Beispiel am Phänomen der friktionellen Arbeitslosigkeit. Der Begriff meint die stets auf einem hohen Stand gehaltene Arbeitslosigkeit, die typischerweise in Branchen entsteht, in denen Zeitverträge üblich sind und Aufgaben schnell wechseln (wie in vielen der kreativen Branchen). Große Teile der Erwerbstätigen werden dabei regelmäßig – nach Ablauf eines Vertrages – für eine gewisse Zeit freigesetzt, dann wieder angestellt, und so fort. Die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte »muss zu jedem Zeitpunkt deutlich über der Zahl der tatsächlich Beschäftigten in den laufenden Produktionen liegen« (Menger, 2006, S. 64). Jeder ist demnach tunlichst gehalten, sich ein zusätzliches Einkommen durch Nebenbeschäftigungen zu schaffen. Die Beweglichkeit zwischen Beschäftigungsformen sowie zwischen Anstellung und Erwerbslosigkeit gehört hier mithin zur Norm. Im Modell der Kreativen muss jeder selbst dafür sorgen, das alles unter einen Hut zu kriegen.

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Selbstunternehmertum kann demnach zum Teil auch dem Motto »Feiern und fasten« zugeordnet werden, denn die Existenzsicherung geht mit Risiken einher. Je näher man dem Modell Selbstunternehmer rückt, desto wahrscheinlicher wird es, dass auch sie nicht länger nach dem alten, mit Garantien und Absicherungen gepolsterten Muster funktioniert. Sie wird – um ein im Gefolge der Arbeitsmarktreformen in die Mode gekommenes Wort zu gebrauchen – prekärer. Das hängt zum einen damit zusammen, dass, wie wir oben gesehen haben, die Lebensdauer von Arbeitsverhältnissen sinkt und der Job (freiwillig oder unfreiwillig) häufiger gewechselt wird. Zum anderen hängt die Prekarität des Lebenserwerbs mit dem Einkommen zusammen, das auch bei fortschreitender Beschäftigung unter Umständen nicht so stetig ist, dass es für eine zuverlässige Existenzsicherung reicht. Das Einkommen von Selbstunternehmern schwankt unter Umständen und das teilweise stark. Es ist im Unterschied zur langfristigen Festanstellung oft nicht so leicht kalkulierbar, da es nicht wie dort vertraglich oder tariflich festgelegt ist. Bei Selbständigen hängt es vom Erfolg der Akquise und der Lukrativität der Aufträge ab, bei unbefristet Beschäftigten vom Zeitraum, der zwischen den Beschäftigungsphasen liegt, bei Multijobbern wie Christine aus dem Fallbeispiel von einer geschickten Mischung der einzelnen Jobs. Dies verdeutlicht ein Schaubild zu drei verschiedenen Einkommensmodellen von Selbstunternehmern (siehe Abbildung 1). Die untere, durchgehende Linie stellt ein angenommenes Ausgabenminimum von 1000 Euro dar, das hier zum Vergleich eingesetzt wurde. Das Normalarbeitsverhältnis (NAV) ist ebenfalls aus Gründen der Vergleichbarkeit dargestellt, hier exemplarisch repräsentiert durch einen Monatsverdienst von 2500 Euro plus der jährlichen Zulagen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld etc.) in Höhe eines Monatsgehaltes. Interessant sind nun die Einkommensverläufe der Selbstunternehmer: Das Modell »Guido«, steht für gut verdienende Selbstunternehmer mit einem Jahreseinkommen über dem Durchschnitt. Man sieht, dass das Einkommen zwar schwankt, aber dauerhaft deutlich über dem Ausgabenminimum liegt. Täler werden durch zeitnahe Verdienstspitzen wieder ausgeglichen. Das Modell »Emily« weist ähnlich starke Schwankungen auf, sie liegen allerdings um das Ausgabenminimum herum. Diese Selbstunternehmer leben von der Hand in den Mund. Längere Verdienstausfälle (zum Beispiel durch Krankheit) bringen das fragile Gleichgewicht schnell ins Wanken, da auch oft kaum Vermögensreserven gebildet werden können. Die Lage ist hier von allen Modellen am prekärsten. Sie ist typisch für Kleinselbständige kurz nach der Gründung oder in Berufsfeldern, in denen hohe Stundenverdienste selten sind. Modell »Adrian« steht für Multijobber, die sich durch einen Brotjob (siehe auch

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»Neue Erwerbsmodelle« S. 32 ff.) eine gerade ausreichende Existenzgrundlage schaffen können. Sie verdienen durch eine zweite Tätigkeit noch etwas dazu (hier im Februar und August) und füllen die Kasse damit immer wieder über das Minimum hinaus auf.

Abbildung 1: Schaubild zu drei verschiedenen Einkommensmodellen von Selbstunternehmern

Den drei Modellen der Abbildung 1 ließe sich eine Vielzahl weiterer hinzufügen. Als Beispiele dafür, wie vielgestaltig die Einkommensverhältnisse der Selbstunternehmer sind, können jedoch bereits diese drei dienen. Es sollte auch deutlich geworden sein, dass für einige Selbstunternehmer die existenziellen Risiken allein aufgrund ihrer Verdienstsituation groß sind. Dabei changieren die Risiken durchaus, sind mal überschaubar (wenn die Kassen gerade gefüllt sind oder die Auftragslage gut ist), mal bedrohlich (bis hin zur Privatinsolvenz). Das Modell »Emily« macht besonders anschaulich, was es bedeutet, in »feast and famine cycles« zu leben (Leadbeater u. Oakley, 1999): An manchen Tagen reicht es für ein Festmahl, danach muss wieder für eine Zeit gefastet werden. Die Möglichkeit der Existenzsicherung durch nur einen Beruf ist sicherlich für eine steigende Zahl von Menschen geringer geworden. In der Folge rücken sie vom Ein-Beruf-Modell ab und wählen ein alternatives Jobmodell (siehe »Neue Erwerbsmodelle« S. 32 ff.). Die Risiken werden damit allerdings unter Umständen nicht geringer. Das Gefühl der gesicherten Existenz, das sich viele nach wie vor wünschen, wird nicht erreicht und die Risiken rücken

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im Bewusstsein weiter in den Vordergrund (Bologna, 2006, S. 24 f.). Auch dies ist ein – psychologisches – Ergebnis des Wandels auf dem Arbeitsmarkt. Die Verschiebung von existenzieller Sicherung hin zum Befördern existenzieller Risiken wird vom Gesetzgeber mittels der Arbeitsmarktreformen noch mit einem zusätzlichen Momentum verstärkt. Sie betrifft im Übrigen nicht nur niedrig Qualifizierte. Gerade die Hochqualifizierten, die noch am ehesten erwarten können, mit einer unzuverlässigen Existenzgrundlage nichts zu tun zu haben, sind überrascht, wenn ihre Erwartungen nicht eintreffen und sie sich als Arbeitssammler wiederfinden (Plöger, 2010a; Rambach u. Rambach, 2001). Die folgenden zwei Fallbeispiele von Hans und Johanna mögen verdeutlichen, vor welchen Herausforderungen manche Arbeitssammler stehen. Hans Hans ist Anfang fünfzig und im öffentlichen Dienst in leitender Funktion angestellt. Er ist verantwortlich für eine kulturelle Einrichtung in einer Kleinstadt. Seine Arbeit bringt eine Menge Verantwortung für die Mitarbeiter und das Kulturangebot seiner Einrichtung mit sich. Sein Gehalt bekommt er nach Tarif, was, wie er es einschätzt, gemessen an seiner Aufgabe ziemlich bescheiden ist. Das gilt auch im Vergleich mit seinen Qualifikationen: Er hat zwei verschiedene Studienfächer mit Diplom abgeschlossen und zuvor noch eine Berufsausbildung gemacht. Seit zehn Jahren ist er in einer Leitungsposition. Wenn Leute von ihm hören, was er verdient, sind sie überrascht, wie wenig es ist angesichts seiner Position und Reputation. Durch eine Scheidung ist seine finanzielle Situation erst recht schwierig geworden. Er zahlt weiterhin Unterhalt für das gemeinsame Kind, das 250 Kilometer entfernt bei der Mutter wohnt. Das heißt für Hans, zweimal im Monat eine teure Fahrt zu seinem Kind zu unternehmen. Steuerlich ist er als Single zudem jetzt auch schlechter gestellt. Man kann sagen: Was das verfügbare Einkommen angeht, lebt er wieder wie als Student. In manchen Wochen hat er nichts anderes zu sich genommen als Nudeln vom Discounter und Wasser aus dem Hahn – mit Brausetabletten, damit es wenigstens nach etwas schmeckt. Johanna Johanna arbeitet freiberuflich als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache und wird recht regelmäßig von Bildungsträgern auf Honorarbasis beschäftigt. Sie kann ihr Einkommen zwar theoretisch selbst regulieren (indem sie mehr oder weniger Aufträge übernimmt). Von Gesetzes wegen sind ihr jedoch Grenzen gesetzt: Sie darf nicht mehr als zwanzig Stunden pro Woche als Deutschlehrerin arbeiten. Bei dem Honorar, das ihr gezahlt wird, rund 20 Euro pro Unterrichtsstunde (die Unterrichtsvorbereitung wird nicht bezahlt), reicht das hinten und vorne nicht.

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Johanna schätzt ihr Honorar als ungerecht ein, nicht nur wegen der im Vergleich zu anderen selbständigen Beschäftigungen geringen Höhe, sondern auch wegen ihrer Qualifikation: Sie verdient bei den Bildungsträgern das gleiche Gehalt wie ein Student mit wesentlich geringerer Erfahrung und formaler Qualifikation. Die Einkommenssituation ihrer Kollegen ist bereits zu einem kleinen Politikum geworden. Die »Aktion Butterbrot« (Freiberufliche Lehrerinnen und Lehrer, 2007; siehe deutscher Bildungsserver, 2015) organisiert seit mehreren Jahren Proteste und macht mit Schreiben an Politiker auf die Lage der Dozenten für Deutsch als Fremdsprache aufmerksam. Johanna hadert und bleibt pragmatisch. Einmal hat sie sich nicht anders zu helfen gewusst, als ihrer Krankenversicherung zu verschweigen, dass sie nicht länger einen Status hatte, der es ihr erlaubte, in der Versicherung ihres Mannes familienversichert zu bleiben. Es ging ihr zwar gegen den Strich, nicht ehrlich sein zu können, aber sie konnte die Beiträge, die sie als Selbständige hätte leisten müssen, schlicht nicht aufbringen. Monatelang bewegte sie sich so in der Illegalität. Die Mogelei rächte sich schließlich, am Ende forderte die Versicherung 3000 Euro Nachzahlung.

Neue Erwerbsmodelle Ihre Einkommenssituation setzt Selbstunternehmern also zum Teil einen engen Rahmen, in dem sie sich bewegen müssen. Er schafft damit allerdings auch eine beständige Motivation, die eigene berufliche Situation zu überdenken und eventuell ein anderes Erwerbsmodell zu suchen. Wer mit seinem Hauptberuf nicht zurechtkommt, sucht sich eine Nebenbeschäftigung oder geht – zuerst probehalber – in die Kleinselbständigkeit. Für die Steigerung des Variantenreichtums der Beschäftigungsarten und Erwerbsmodelle, die wir gegenwärtig erleben, gibt es also durchaus pragmatische Gründe. Es sind jedoch nicht die einzigen Gründe. Der intrinsische Antrieb, Varianten zu suchen, die die Arbeit interessanter machen, ist für einige Berufstätige auch einer. Andere folgen in neuen, unerschlossenen Tätigkeitsfeldern und Erwerbsmodellen ihrem Unternehmergeist. Schließlich wird es auch von einigen Beschäftigten als progressiv oder »hip« empfunden, einer ungewöhnlichen Beschäftigung nachzugehen. Die Gründe sind mithin sehr verschieden, reichen von äußerem Zwang über pragmatische Anpassung oder intrinsische Motivationen hin zu sozialer Positionierung. Dass der Variantenreichtum in der Arbeitswelt gestiegen ist, steht außer Zweifel. Es scheint die Menschen zunehmend von den althergebrachten Ideen von guter Arbeit, die mit einem jahrzehntelangen Vorherrschen des

Wandel der Arbeitswelt

Normalarbeitsverhältnisses einhergingen, wegzutreiben. Normale Arbeit ist heute für manche eher ein Fluch, weil sie nach Stillstand, Burnout oder Vernachlässigung des privaten Lebens klingt. Das gute Leben, das dämmert immer mehr Erwerbstätigen, dort zu suchen, könnte sie auch in die Irre führen. Deshalb halten sie nach neuen Formen des Broterwerbs Ausschau, nach Formen, in denen sie gleichzeitig andere ihnen wichtige Bestandteile des guten Lebens erfüllt finden: Gemeinschaft, Sorge für andere, Selbstverwirklichung, politische Teilhabe (Biesecker u. Baier, 2011). Die Möglichkeit der steigenden Selbstbestimmung gehört dabei zu einer der wichtigsten Motivationen und gleichsam zu einer der größten Chancen der sich wandelnden Arbeitswelt (Plöger, 2011b). Diese Suchbewegung nach Alternativen hat begonnen, öffentlich sichtbar zu werden. Sie führt in die Subsistenzwirtschaft oder Gemeinschaftsarbeit (Baier, Müller u. Werner, 2007), in Experimente mit neuen, an Informationsverarbeitungstechnik gebundenen Arbeitsformen (Friebe u. Lobo, 2006), in Versuche mit neuen Unternehmensmodellen (Pflüger, 2009) oder in gemischte Beschäftigungsmodelle, die bisher gar nicht als Arbeit ernst genommen wurden (Sooth, 2008). Dabei werden die Alternativen oft nicht gesucht und gefunden, sondern erfunden. Man kann sagen, dass manche Selbstunternehmer regelrechte Erfinder neuer Erwerbsformen sind (Plöger, 2010b). Für einen ersten Überblick über die Erwerbsmodelle von Selbstunternehmern schlagen wir folgende einfache Einteilung in fünf Typen vor: ȤȤ Der Parallelarbeiter verfolgt mehrere Tätigkeiten nebeneinander, die als in etwa gleichwertig betrachtet werden können. Christine aus dem obigen Fallbeispiel ist eine typische Parallelarbeiterin. ȤȤ Die Brotjobberin entspricht dem Modell »Adrian« aus dem Schaubild der Einkommensmodelle (siehe Abbildung 1). Wie beim Parallelarbeiter gibt es mehrere parallele Jobs, einer davon dient jedoch dem Schaffen einer Existenzgrundlage (der Brotjob), alle anderen werden aus intrinsischer Motivation verfolgt, weniger wegen des Einkommenszugewinns. ȤȤ Der Wechsler nimmt nacheinander verschiedene Erwerbstätigkeiten auf. Diese können eine formale Qualifikation voraussetzen, müssen es aber nicht. Sie bewegen sich jedoch in einem Bereich, sind sich also inhaltlich ähnlich bzw. bauen inhaltlich aufeinander auf. ȤȤ Die Rigorose bleibt konsequent bei einer Tätigkeit, auch wenn diese ein zu geringes Einkommen abwirft. Sie ist dann auf Nebentätigkeiten angewiesen und wird so zeitweise zur Brotjobberin. Der Beruf aus Leidenschaft wird dabei aber nie aufgegeben. ȤȤ Der Proteus ist der unberechenbarste Typus, da er immer wieder einmal den Job wechselt, teils sogar die Branche oder das Arbeitsfeld und etwas

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vollkommen Neues beginnt. Dann wieder bleibt er längere Zeit bei einer Arbeit, wechselt dann erneut und so fort. Inhaltlich können diese Erwerbstypen mit jeder Tätigkeit gefüllt werden, die vorstellbar ist. Manchmal dehnen die Beschäftigungsideen den Rahmen des Vorstellbaren auch weiter aus, wie das Fallbeispiel von Sascha Kruse, »Golfballtaucher«, zeigt. Golfballtaucher Sascha Kruse ist Taucher. Er geht seinem Beruf jedoch nicht im offenen Meer nach, sondern in kleinen Seen und Tümpeln. Kruse ist der deutschlandweit wohl einzige Rettungstaucher für verlorene Golfbälle. Auf Golfplätzen gehören kleine Teiche zu den beliebtesten Hindernissen. In den Teichen findet sich mithin regelmäßig eine Unzahl von Bällen wieder. Kruse holt diese in seinen Tauchgängen zurück an die Oberfläche und verkauft sie anschließend, unter anderem über seinen Onlineshop »Golfballcomeback« (siehe www.golfballcomeback.de). Damit hat er für sich ein Geschäftsmodell gefunden, das zunächst ein wenig abwegig klingt, offenbar aber sehr gut funktioniert: Kruse geht seinem selbsterfundenen Job bereits seit 2003 nach.

Die oben aufgelisteten Erwerbsmodelle weichen alle vom sogenannten Normalarbeitsverhältnis ab. Insofern sie heute nicht nur faktisch häufig unter den Erwerbstätigen zu finden sind, sondern auch ein Leitbild darstellen, kann man sagen, dass sich eine neue Art der Laufbahnorientierung durchsetzt. Diese wiederum ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die Arbeit in der Karriereberatung. Wir werden uns deshalb diese neue Laufbahnorientierung im Folgenden genauer ansehen. Für den Karriereberater heißt das zunächst einmal, dass er in keinem Fall nur ein Informationsvermittler sein kann, in dem Sinne, dass er professionelle Hinweise zur Gestaltung einer erfolgreichen Berufslaufbahn in einem bestimmten Arbeitsfeld gibt. Spezifische Ratschläge zu geben wird für ihn immer schwieriger, da die Erwerbsmodelle und Tätigkeitsfelder für eine direktive Beratung oft zu stark diversifiziert sind. Der Berater muss sich mithin auf individuell sehr unterschiedliche Laufbahnen einstellen. Welches Modell schließlich verfolgt wird, ist zunächst offen. Seine Aufgabe sollte es daher sein, Orientierungshilfen bereitzustellen, die es dem Klienten ermöglichen, eine Passung zwischen sich und seiner Arbeit zu schaffen (siehe weiter unten).

Neue Laufbahnorientierungen

Peter Plöger Neue Laufbahnorientierungen Unter den Bedingungen eines vorherrschenden Normalarbeitsverständnisses waren Laufbahnorientierungen üblich, die eine stabile Bindung zu einem Arbeitgeber, eine allmähliche Verbesserung des materiellen Status, moderate bis gute Aufstiegschancen, Bildungschancen für die Kinder und so fort beinhalteten. Diese Orientierungen, die für eine Zeitspanne von Jahrzehnten im Großen und Ganzen stabil geblieben und daher an die Folgegeneration überliefert worden sind, werden in der heutigen Arbeitswelt in Frage gestellt. Die berufsbezogenen Wünsche und Bedürfnisse haben sich bei den Erwerbstätigen (und den jungen, in Zukunft erwerbstätigen Menschen) verändert. Risiken werden stärker wahrgenommen (zum Teil allerdings auch überhöht). Chancen tun sich vor allem mit den diverser gewordenen Erwerbsmodellen auf. Die Wahrnehmung der Erwerbstätigen kehrt sich vermehrt von den überlieferten Modellen ab und hin zu den neuen. Wünsche und Bedürfnisse folgen dieser Umorientierung. Der Wandel ist auch allmählich in der Ratgeber- und Sachliteratur angekommen, wo inzwischen zum Beispiel stärker die Vereinigung von gesellschaftlichem sowie marktwirtschaftlichem Bedarf auf der einen Seite und den individuellen Neigungen und Dispositionen auf der anderen Seite als Ziel der persönlichen Erfüllung im Beruf begriffen wird (Förster u. Kreuz, 2013). Andere Autoren betonen die Offenheit des Findungsprozesses und wollen zu mehr Mut zum Experiment animieren (Krznaric, 2012; Plöger, in Vorbereitung; Williams, 2010). Am bündigsten lässt sich die neue Tendenz in den Wünschen und Bedürfnissen der Erwerbstätigen als Wandel hin zu anderen Laufbahnorientierungen beschreiben. Mit dem Wandel verschiebt sich als Erstes der Deutungsrahmen, in dem die Erwerbstätigen beurteilen, was für sie eine gute Arbeit ist. War er bis dato noch von dem Tausch Arbeitskraft gegen Geld (gleich Existenzsicherung) gekennzeichnet, ist heute nicht mehr so klar, welche Arbeit eine für den Erwerbstätigen gute ist und welche nicht. Zwar wurde auch schon früher neben die Frage: »Taugt meine Arbeit als Broterwerb?«, der Wunsch gestellt, die Arbeit möge auch zur Selbstverwirklichung beitragen und persönliche Befriedigung bringen. Der Unterschied ist, dass heute nicht nur Fragen wie diese beantwortet werden müssen, sondern jeder Einzelne überhaupt erst einmal die Parameter finden muss, nach denen er seine Arbeit beurteilen wird. Ist das Geld, die Selbstentfaltung oder der Beitrag zur Gesellschaft am wichtigsten oder auch etwas ganz anderes? Je weiter sich der Einzelne aus den bewährten Mustern der überlieferten Kriterien entfernt, desto offener wird das Feld, auf

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dem er sich bewegt, und desto mehr ist er darauf angewiesen, die für ihn passenden Kriterien selbst zu finden. Gewiss ist ihm nur die Herausforderung, eine Passung zwischen sich und der eigenen Arbeit zu schaffen (Muirhead, 2007). Jeder und jede ist heute gefragt: »Wie stelle ich es an, dass meine Arbeit zu mir passt?« Und das bedeutet auch: zu meinem Umfeld, meiner Familie, meinen Vorstellungen von Partnerschaft, sprich: zu meinen Systemen. Das klingt so, als wären nun zunächst alle Kriterien möglich und das Feld vollkommen offen. Ganz so ist es nicht. Es schälen sich einige Kriterien heraus, die eine grundsätzliche Orientierung liefern. Es sind Kriterien, die mit dem neuen Leitbild des Selbstunternehmers verknüpft sind. Hall hat sie unter dem Schlagwort einer proteischen Laufbahnorientierung (Hall, 2004; vgl. Gasteiger, 2007) zusammengefasst (siehe Tabelle 2). Tabelle 2: Traditionelle versus proteische Laufbahnorientierung (orientiert an Hall, 2004, S. 4) traditionelle Laufbahn

proteische Laufbahn

Wer ist in der Pflicht?

Organisation, Arbeitgeber

Person

Kernwerte

Aufstieg

Freiheit, Wachstum

Mobilitätsgrad

niedrig

hoch

Erfolgskriterien

Position, Gehalt

psychologischer Erfolg

maßgebliche Einstellung

organisationales Commitment

Arbeitszufriedenheit, professionelles Commitment

Gut zu sehen ist hier, dass in Halls Unterscheidung eine Entwicklung von eher materialistischen (Aufstieg, Position, Gehalt) und relationalen (Loyalität zum Arbeitgeber, gegenseitige Verpflichtung) zu individuell-psychologischen Kriterien vollzogen wird. Die Kriterien der proteischen Laufbahn betonen die Anforderung, das Individuum müsse ständig um eine Passung zwischen sich und der Arbeit bemüht sein. Ein differenzierteres Bild der laufbahnbezogenen Orientierungen ergibt sich bei einem Blick auf die Wünsche und Bedürfnisse der Generation, die erst noch ins Arbeitsleben eintritt. Die Shell-Jugendstudie von 2006 spricht bereits in ihrem Titel »Eine pragmatische Generation unter Druck« zwei Eckpunkte im beruflichen Suchverhalten vieler Jugendlicher an. Jugendliche haben ein Bewusstsein für die anhaltenden Probleme im Wettbewerb um Ausbildung und Beruf. Gleichzeitig wird von ihnen die Bedeutung und der Wert der Arbeit beibehalten, allerdings unter Inkaufnahme von pragmatischen Lösungen, das heißt Kompromissen und Umwegen auf dem Weg ins Arbeitsleben (Jugendwerk der Deutschen Shell, 2006; siehe auch Arnold, 2002, S. 228 ff.). Die ShellJugendstudie von 2010 beschreibt die Verstärkung der Bildungsorientierung

Neue Laufbahnorientierungen

und persönlichen Bereitschaft, für seine Berufsperspektive einen verlängerten Bildungsweg in Kauf zu nehmen (Shell Deutschland Holding, 2010, S. 38). Scheller, Spangenberg und Willich (2007) berichten die Ergebnisse einer repräsentativen Längsschnittstudie zur Veränderung der berufsbezogenen Motive von Abiturienten bzw. Schulabgängern mit Fachhochschulreife zwischen 1980 und 2002. In ihrer Befragung zu 25 Einzelmotiven stellen sie drei Motivgruppen heraus: ȤȤ situativ-externale Motive (zum Beispiel baldige finanzielle Unabhängigkeit, örtliche Bindung), ȤȤ statusorientierte Motive (zum Beispiel eine leitende Position erlangen, einen hohen sozialen Status erreichen), ȤȤ neigungsorientierte Motive (zum Beispiel Interesse am vermittelten Sachwissen, Wunsch, eigene Vorstellungen besser verwirklichen zu können). Die Studie stellt für alle drei Gruppen einen Bedeutungszuwachs fest, wobei die status- und neigungsorientierten Motive vergleichsweise stärker ausgeprägt sind und insgesamt ein größeres Gewicht als die situativ-externalen Motive haben. Die Autoren sprechen von einem Wertewandel. Hinsichtlich der Werte, die Menschen in der Berufsarbeit zu realisieren suchen, findet sich insgesamt eine Entwicklung, die sich von einer Wertorientierung löst, die Arbeit noch als Pflicht und als Lebensaufgabe sah. Als Ersatz wird zunehmend eine Vorstellung entwickelt, die Arbeit als Teil der Selbstverwirklichung in einer interessanten Tätigkeit begreift. Dabei sind es die Selbständigkeit in der Arbeitsausführung, Lernanreize und ein positives Sozialklima, die eine Tätigkeit vor allem interessant machen (von Rosenstiel, 2006, S. 28 ff.). In der Literatur wird dies als Entwicklung weg von materialistischen Werten (zum Beispiel Arbeit als wirtschaftliche Absicherung) hin zu postmaterialistischen Werten (zum Beispiel Arbeit als Selbstentfaltung) diskutiert (Arnold, 2002, S. 217 f.). Es finden sich bezüglich der Werteentwicklung jedoch in Abhängigkeit von den Sozialisationsbedingungen und den ökonomischen Bedingungen erhebliche Unterschiede. Das beschriebene Veränderungsszenario erweist sich jedoch nur als die eine Seite der beruflichen Orientierung junger Menschen. Es gibt noch eine andere Seite: Betrachtet man die von Jugendlichen gewählten Ausbildungsberufe, so kommt Seibert (2007) zu der Einschätzung, dass sich zwischen 1984 und 2004 in Westdeutschland das Ausbildungsspektrum kaum verändert hat. Bei deutlichen geschlechtsspezifischen Unterschieden ist bei Männern der Bankkaufmann zu den zehn wichtigsten Ausbildungsberufen (neben den sonst dominierenden handwerklichen Berufen) hinzugekommen. Bei Frauen lässt sich ein Trend

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hin zu Gesundheitsberufen (Zunahme der Ausbildungen von Sprechstundenhelferinnen, neu unter den Top Ten die Apothekenhelferin) konstatieren. Wir möchten in den Motivationen und Bedürfnissen der Erwerbstätigen oder werdenden Erwerbstätigen vorsichtig von einer Tendenz zu einer für Selbstunternehmer typischen Laufbahnorientierung sprechen. Aus dieser Tendenz ergeben sich neue Herausforderungen für den Karrierecoach. Es ist nun seine Aufgabe, in einem offenen und wertschätzenden Prozess gemeinsam mit dem Klienten dessen individuell angemessene Laufbahnorientierung zu finden. Ziel sollte dabei sein, Passungskriterien gemäß der individuellen Dispositionen des Klienten zu entwickeln, die auch dessen jeweiligen Systemen Rechnung tragen.

Einige Punkte gilt es im Hinblick auf die Entwicklung von klientenspezifischen Passungskriterien besonders zu beachten. Diese werden im Folgenden ausgeführt.

Peter Plöger Berufliche Selbstmanagementanforderungen Die Tendenz zu einer selbstunternehmertypischen Laufbahnorientierung hat Folgen für Erwerbstätige. Ihre Berufswahl ist nicht länger eine einmalige, auf Langfristigkeit ausgelegte Entscheidung. Das Passungsmodell (Holland, 1959, 1997), bei dem die Kompetenzen und Ambitionen eines Bewerbers mit den Parametern eines Jobangebotes abgeglichen werden, veraltet immer mehr. Wir haben oben bereits an mehreren Beobachtungen und Beispielen gesehen, dass der Selbstunternehmer immer aufs Neue mit Entscheidungen beschäftigt ist, die seinen Beruf betreffen. Das Revidieren, Überdenken, Weiterplanen, Umbauen, Innehalten, Energie sammeln, Neusortieren und so weiter gehört zum Berufsleben dazu – bereits dann, wenn es nicht von außen durch Erschütterungen aus dem Tritt gebracht wird. Die Positionsbestimmung wird immer mehr zur individuellen Daueraufgabe der aktiven Gestaltung einer Arbeitsbiografie. Mit anderen Worten: Erwerbstätige sind heute mehr denn je gefordert, ein berufliches Selbstmanagement zu betreiben. Die Schwierigkeit für den Einzelnen dabei: Es gibt kaum gesicherte Kriterien dafür, wann sein Selbstmanagement »richtig« und weiterführend ist. Das Arbeitsleben ist prinzipiell im Vorhinein nur in Teilen zu übersehen, es ist von Unwägbarkeiten gekennzeichnet. Ob es insgesamt ein gelingendes ist, sieht der Einzelne erst an seinem Ende.

Berufliche Selbstmanagementanforderungen

Eine Karriereberatung kann bei dem Problem ansetzen, dass inzwischen häufig eine aktive Gestaltung des Arbeitslebens nötig ist, diese aber mit vielen unberechenbaren Faktoren umzugehen hat. Das Coaching kann das Selbstmanagement unterstützen und helfen, persönliche Kriterien zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen.

Langfristige Voraussagen über den Berufsweg lassen sich für den Erwerbstätigen umso schwerer treffen, je näher er einer selbstunternehmertypischen Laufbahnorientierung kommt. Sowohl der Wechsel der Stelle als auch der Berufswechsel sind zu einer ständig verfügbaren Option geworden. Insbesondere vom Typus des Wechslers oder des Proteus wird diese Option systematisch in Anspruch genommen. Dabei ist natürlich zu unterscheiden, welcher Motivation der Erwerbstätige folgt: Ist es eine intrinsische oder nicht? Das heißt: Erfolgt der Wechsel aus eigenem Antrieb oder aufgrund einer persönlichen Krise bzw. eines Jobverlusts? Die Lebensdauer von Beschäftigungen sinkt im Selbstunternehmermodell. (Das tut im Übrigen auch die von Unternehmen, sodass diese unter Umständen gar nicht mehr als langfristige Arbeitgeber zur Verfügung stehen, siehe dazu Pink, 2002, S. 53 f.). Dadurch wird eine Fähigkeit immer bedeutsamer: die Fähigkeit, Übergänge zwischen verschiedenen Anstellungen so zu gestalten, dass die Berufslaufbahn unabhängig von den Gründen für die Wechsel als gelungen gelten kann. Es gibt verschiedene typische Stellen innerhalb der Berufslaufbahn, an denen Übergangskompetenzen gefragt sind: ȤȤ Berufseinstieg nach Ausbildung, Studium etc. (dieser Einstieg kann auch mehrfache Erstwahlen betreffen, wenn mehrere Versuche nacheinander nicht zum Ziel führen), ȤȤ Unzufriedenheit mit dem Job und eine nachfolgende Neuorientierung, ȤȤ Ausstieg oder Teilausstieg aus dem bisherigen Erwerbsmodell und Aufnahme einer anderen Beschäftigungsart (zum Beispiel der Selbständigkeit, wenn die Beschäftigungsart vorher die Festanstellung war), ȤȤ Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Pause (Elternzeit, Krankheitspause etc.), ȤȤ altersbedingtes Ausscheiden. Übergänge können auch durch bestimmte Krisen forciert werden, die im Arbeitsleben vorkommen, wie etwa: ȤȤ Arbeitsplatzverlust, ȤȤ dauerhafte, krankhafte Störungen, die durch die Tätigkeit bedingt sind, zum Beispiel Überlastung, Burnout etc.,

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ȤȤ Veränderung in den das Arbeitsleben umgebenden Systemen, die sich auf die Arbeit auswirken (zum Beispiel in der Familie: Trennung, Krankheit eines Partners etc.), ȤȤ Veränderungen im System »Arbeitsplatz«, die sich auf die eigene Arbeit auswirken (zum Beispiel die Krise eines Kollegen). Eine Krise kann einen Erwerbstätigen in eine Übergangssituation bringen, weil sie seine bisherigen Routinen unterbricht und ihn zu neuem Handeln zwingt. Das kann unter Umständen am Ende zu einem befriedigenderen Arbeitsleben führen, vorausgesetzt, der Betroffene kommt an den Punkt, die Situation als eine der Veränderung zu begreifen, und beginnt, den Übergang aktiv zu gestalten. Der Karrierecoach ist gefragt, in beruflichen Übergangssituationen, die zum Teil zudem mit einer Krise zusammenhängen, die Übergangsfähigkeit zu stärken und Hilfen zu geben, das Selbstmanagement aktiv zu halten. Der Klient braucht Mittel, die ihm helfen, Übergänge nicht bloß zu überstehen, sondern sich den Möglichkeiten zu öffnen, die sie beinhalten, und sie konstruktiv zu nutzen.

Das berufliche Selbstmanagement betrifft auch die Qualifikation. Im Falle der Selbstunternehmer sind die Qualifikationsanforderungen häufig nicht eindeutig. Angelernte, formale Qualifikationen sind unter Umständen völlig bedeutungslos, während On-the-Job-Expertise oder auch Erfahrungen aus einer früheren Freizeitbeschäftigung plötzlich in den Vordergrund rücken können. Selbstunternehmer sind häufig Autodidakten oder werden im Laufe ihrer Karriere dazu (Taube u. Woznicki, 2011). Sie lernen das, was sie benötigen, dann, wenn sie es benötigen. Das heißt: Qualifikation wird zeitlich unmittelbar an die praktische Verwendung des Gelernten gekoppelt. Selbstunternehmer stehen immer wieder vor der Frage: Was kann ich alles (und nicht: Wofür habe ich ein Zertifikat?). Die Antworten allein sind jedoch wertlos, wenn sie nicht mit einer Orientierung verknüpft werden: Was will ich mit dem, was ich kann, was kann ich mit dem anfangen, was ich kann? Zudem steigt die Bedeutung des lebenslangen Lernens (Cortina, 2006, S. 516 ff.). Berufliche Bildung kann nicht auf das Durchlaufen einer Erstausbildung bzw. eines Studiums beschränkt werden. Fort- und Weiterbildung stellen ein ständiges Erfordernis dar. Auch braucht es die Fähigkeit, sich abzeichnende Erfordernisse beruflicher Weiterbildung zu erkennen und sich darauf vorzubereiten.

Berufliche Selbstmanagementanforderungen

Für den Berater bedeutet die das Selbstmanagement begleitende Anforderung, sich beständig fort- und weiterzubilden, dass er hochindividualisierte und über das gesamte Berufsleben sich erstreckende Qualifizierungsprozesse unterstützen muss, die zudem nicht notwendigerweise aufeinander aufbauen müssen. Das Modell einer sukzessiven Bildung in ansteigenden Stufen ist hier durchbrochen.

Zum Problem des beruflichen Selbstmanagements wird schließlich bisweilen die Struktur in der Arbeitsorganisation. Wenn diese gar nicht mehr oder nur noch zum Teil (wie bei den meisten Brotjobbern beispielsweise) von außen vorgegeben wird, fehlt ein Rahmen, der regelt, wie die Arbeit eingeteilt werden soll. Das betrifft die Zeiteinteilung: Wie strukturiere ich den Tag? Wann mache ich was? Wann höre ich auf zu arbeiten, um noch freie Zeit zu haben? Das betrifft aber auch die Gewichtung der Arbeitsaufgaben: Was ist jetzt wichtig? Was später? Was muss erledigt sein, um die nächste Aufgabe angehen zu können? Eine Struktur zu schaffen, die trägt – und das immer wieder aufs Neue – ist eine zusätzliche organisatorische Herausforderung, mit der nicht alle Selbstunternehmer gleich gut umgehen können. Der erste Impuls kann dabei leicht sein, der Arbeit reflexhaft den Vorzug zu geben (»Das muss fertig werden!«) und darüber in einen Zustand der Selbstausbeutung zu rutschen und gleichzeitig den gesetzlichen Arbeitsschutz selbsttätig auszuhebeln (Glißmann u. Peters, 2001, S. 42, 46; Schrenk, 2007). Allgemeiner gesprochen: Das Thema der Work-Life-Balance ist ein ständiger Begleiter der Selbstunternehmer. Der Berater sollte ein besonderes Augenmerk auf den Bereich der Work-Life-Balance haben und ihn als ein wichtiges Themenfeld der Karriereberatung ansehen.

Insgesamt ist der Karrierecoach also auf vielfältige Weise herausgefordert, wenn er das Selbstmanagement von Klienten unterstützt, die einer selbst­ unternehmertypischen Laufbahnorientierung folgen. Die Anforderungen an den Berater gleichen dann parallel dem eines Übergangshelfers, Krisenbegleiters, Orientierungsberaters und Skill-Trainers. Statt einen Fahrplan zu schreiben, dem der Klient Schritt für Schritt folgen kann, muss sich der Coach gemeinsam mit dem Klienten auf einem offenen Feld bewegen, auf dem es einige Orientierungspunkte schon gibt, auf dem aber auch noch neue geschaffen werden müssen – bei einer längeren Begleitung wiederholt. Über die mögliche berufliche Entwicklung des Klienten weiß der Berater in der Regel nicht mehr als der Klient selbst. Er muss also aufgeschlossen sein und bereit, den Weg seines Klienten mitzugehen, ohne den Weg wesentlich vorherbestimmen zu können.

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Hans-Jürgen Balz

Hans-Jürgen Balz Ziel und Inhalt des Karrierecoachings Begibt man sich in den Bücherwald zum Thema Coaching, so droht ein Verlaufen in der Vielfalt und Unübersichtlichkeit. Vom Gesundheitscoaching über das Elterncoaching, Selbst-Coaching, Team-Coaching, Life-Coaching, Management-Coaching bis zum Konfliktcoaching findet sich sehr Verschiedenes, doch Qualität und Nützlichkeit sind zumeist schwer einzuschätzen. Zwischen Anleitungen zur Selbsthilfe, Ratgeberliteratur und Fachbüchern sind die Übergänge fließend. Vom Standpunkt professioneller Anbieter von Coaching gilt es jedoch, den potenziellen Kunden klare Aussagen darüber zu machen, was Coaching darstellt und welche Unterstützungs- und Veränderungserwartungen diese daran knüpfen können. Insbesondere sind Coaching und Beratung abzugrenzen, begriffliche Unschärfen bestehen auch zu den Konzepten der Supervision, des Mentoring und des Trainings. Lippmann (2013, S. 33 ff.) liefert eine ausführliche Diskussion der Gemein­ samkeiten und Unterschiede von Coaching (im engeren Sinne), Training, Mentoring, Supervision und Psychotherapie. Sein Ausgangspunkt ist dabei, dass Coaching eine Form professioneller Beratung ist. Engel, Nestmann und Sickendiek (2004) beschreiben Beratung sowohl als informelle alltägliche Beratung und Unterstützung beispielsweise von Freunden, Bekannten als auch als halbformalisierte Beratung als Anteil der Tätigkeit in sozialen Berufen und stark formalisierte Beratung von professionellen Beraterinnen mit ausgewiesener Beratungskompetenz in speziellen Institutionen (zum Beratungsbegriff siehe auch Rausch, Hinz u. Wagner, 2008, S. 19). Eine Episode: An einem Informationsabend für Interessenten der Weiterbildung »Systemisch-Lösungsfokussiertes Coaching« an unserem Institut (ILK Bielefeld) sagte eine Interessentin, dass sie in ihrer Einrichtung nicht sagen dürfe, dass sie sich für eine Coachingweiterbildung interessiere, da der Coachingbegriff bei ihrem Träger verbrannt sei und sich das früher bestehende positive Image von Coaching schon in das Anti-Image einer Art beraterischer Wundertüte verwandelt habe.

Coaching – Begriffsklärung und -abgrenzung Mit Anglizismen wird im deutschen Sprachraum oft etwas Höherwertiges, Innovatives bzw. Modernes (eventuell auch Modisches) verbunden. Der Begriff

Ziel und Inhalt des Karrierecoachings

Coaching geht auf Coach im Sinne des (Sport-)Trainers zurück, wird aber auch mit (Privat-/Nachhilfe-)Lehrer und Einpauker übersetzt. Als Tätigkeit bedeutet er darüber hinaus, Anweisungen zu geben, zu instruieren und einzuarbeiten. In seiner ursprünglichsten Bedeutung wird im Englischen mit ihm auch der Kutscher bezeichnet, der die Kutsche sicher zum Ziel führt (Lippmann, 2013, S. 14). Wie bereits der Supervisionsbegriff hat der Coachingbegriff in der deutschen Sprache einen eigenen Bedeutungsraum erschlossen. Ursprünglich bezeichnete Coaching in diesem Zusammenhang ein externes Beratungsangebot für Führungskräfte zur Reflexion der eigenen Arbeitssituation, zur persönlichen Entlastung, zur Gestaltung und Optimierung der eigenen Berufsrolle. Daneben wurde er im Sport und im Militär angewandt (Fatzer u. Schoefer, 2011, S. 389). Bereits in den 1990er Jahren wies Böning (1994) auf das fehlende Profil und die begriffliche Unschärfe des Coachingbegriffs hin. An dieser Problembeschreibung hat sich bis heute nur wenig geändert. Was sind mögliche Ursachen dafür? Einige Hypothesen: ȤȤ Coaching wird von sehr unterschiedlichen Professionen angeboten, die ihre jeweiligen gegenstandsspezifischen Verständnisse über das Wie des Unterstützungsprozesses, ihre jeweiligen fachlichen Zugänge und Begrifflichkeiten einfließen lassen. Sie sind in Deutschland in Coachingverbänden organisiert, die sich in einer potenziellen Konkurrenzsituation befinden. ȤȤ Coachinganbieter stehen miteinander im Wettbewerb. Ein aussagekräftiger Produktname unterstützt die Kundenwerbung, im Idealfall ergibt sich daraus sogar ein Alleinstellungsmerkmal. Der Produktname wird von der Nachfrage und entsprechenden Moden beeinflusst. Hier agieren Anbieter vornehmlich nachfrageorientiert pragmatisch und weniger konzept- oder theorieorientiert. ȤȤ Coaching hat keine eigene Theorie (von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen). Es bedient sich der aus der Psychotherapie entlehnten und für die Kundengruppe angepassten Methoden. In dem »Was wirksam ist bzw. vom Kunden als wirksam erlebt wird« sind sich verschiedene kommunikationsbasierte Interventionsformen (Coaching, Supervision, Mentoring und andere) ähnlicher als sie es nach ihrem jeweiligen Selbstverständnis sein sollten. ȤȤ Im Unterstützungsprozess gilt es den Nachfrager als Ko-Produzenten der Dienstleistung (Gartner u. Riessmann, 1978) zu gewinnen, das heißt, an seiner jeweiligen Sprache, seinen Kommunikationsgewohnheiten, seinem (Arbeits-)Setting und seinen Änderungsideen (Ziel und Methoden) anzuknüpfen und den Kunden zur aktiven Mitarbeit zu gewinnen. Entscheidend

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für das Gelingen ist unter Nutzengesichtspunkten nicht der methodische Ansatz, ausschlaggebend sind stattdessen das (Änderungs-)Anliegen des Kunden und die Herstellung einer tragfähigen Arbeitsbeziehung. Diese Hypothesen sind nicht im Sinne von richtig oder falsch zu beantworten. Hilfreich an dem mit ihnen verbundenen Gedankenspiel der Mutmaßungen erscheint aber etwas anderes: Die Hypothesen sprechen dafür, dass sich ein Einigungsprozess nicht in kürzerer Zeit ergeben wird und es unklar erscheint, von welchen Akteuren bzw. Gruppen von Akteuren der Klärungsprozess zielführend vorangetrieben werden kann. Um Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Coachingkonzepte zu bestimmen, erscheinen drei Dimensionen hilfreich: ȤȤ der Adressatenkreis des Coachings (zum Beispiel Eltern- oder Managementcoaching), ȤȤ der methodische Ansatz, mit dem im Coaching gearbeitet wird (zum Beispiel psychodynamisches oder systemisches Coaching) und ȤȤ der Gegenstand bzw. das Thema des Coachings (zum Beispiel Gesundheitsoder Team-Coaching). Rauen (2005) schlägt zur Systematisierung darüber hinaus vor, das formale Setting, die Art und die Herkunft des Coaches einzubeziehen. Wo lassen sich beim Gebrauch des Coachingbegriffs Gemeinsamkeiten und wo ausgeprägte Differenzen erkennen? Gemeinsamkeiten in der Literatur sind: ȤȤ Grundlage des Coachings ist eine unterstützende Beziehung, die sich im Interaktionsprozess zwischen Ratsuchendem und Coach realisiert. Ausgangspunkt der Zusammenarbeit sind die Anliegen, Ziele und Aufträge des Kunden bzw. des Kundensystems. ȤȤ Coaching zielt auf Selbstklärungs- und Lernprozesse beim Kunden. ȤȤ Den Coachingprozess gestaltet der Coach anliegen- und zielorientiert durch die Integration von verschiedenen methodischen Zugängen aus dem Bereich der Beratung, des Trainings, der Informationssuche und -auswertung und der Expertenberatung. Coaching ist damit multimethodisch angelegt. Differenzen in der Verwendung des Coachingbegriffs sind: ȤȤ In der Literatur werden verschiedene Adressatenkreise angesprochen. Die ursprünglich auf Führungskräfte in Organisationen zugeschnittene Methode hat eine Öffnung für weitere Berufspositionen, Sozialschichten und Altersgruppen erfahren.

Ziel und Inhalt des Karrierecoachings

ȤȤ Das Coaching hat sich auf andere Themenfelder erweitert. Neben den berufsbezogenen Fragen finden sich weitere Anwendungsfelder, so beispielsweise das Gesundheitscoaching, das Life-Coaching und das Elterncoaching. ȤȤ Der Coach als professionell ausgebildeter Fachmann gestaltet den Coachingprozess systematisch unter Einbezug verschiedener Methoden. Diese Methoden stammen aus verschiedenen Ansätzen, beispielsweise sind hier zu nennen: der personenzentrierte Ansatz, das Psychodrama, der Gestalt-Ansatz, der psychodynamische oder der systemische Ansatz. ȤȤ Es gibt keine verbindlichen Qualifikationsstandards und keine die Berufsbezeichnung des Coaches betreffenden Reglungen. Eine mögliche Auflösung der Unschärfe im Coachingbegriff: Bei der Litera­ tursichtung lassen sich engere und erweiterte Definitionen von Coaching unterscheiden. Die engeren Definitionen nehmen Bezug auf das ursprüngliche Verständnis der Unterstützung von Führungskräften bei der beruflichen Rollenklärung, der beruflichen Aufgabenbewältigung, der persönlichen Entlastung und anderes. Erweiterte Definitionen verzichten sowohl auf die adressaten- als auch auf die themenbezogene Eingrenzung und wenden Coachingmethoden als Unterstützung bei der Selbstklärung bzw. beim Befähigen für ein persönlich relevantes Ziel in verschiedenen Lebenskontexten an. Ein Beispiel für eine erweiterte Definition von Coaching liefert die Begriffsbestimmung des Deutschen Verbandes für Coaching und Training e. V. (dvct, 2003/2015, der größte Fachverband für Coaching in Deutschland): »Professionelles Coaching setzt ganz auf die Entwicklung individueller Lösungskompetenz beim Klienten. Der Klient bestimmt das Ziel des Coachings. Der Coach verantwortet den Prozess, bei dem der Klient neue Erkenntnisse gewinnt und Handlungsalternativen entwickelt. Dabei wird dem Klienten die Wechselwirkung seines Handelns in und mit seinem Umfeld deutlich. Coaching ist als strukturierter Dialog zeitlich begrenzt und auf die Ziele und Bedürfnisse des Klienten zugeschnitten.«

Aus den bisherigen Ausführungen leiten wir fürs Erste die nachfolgende Definition von Coaching ab. Vorläufige Arbeitsdefinition: Als Coaching ist ein Unterstützungsangebot in einem professionellen Setting zu bezeichnen. Die Prozessbegleitung eines ausgebildeten Coaches richtet sich auf die Ziele und Wünsche des Kunden bzw. Kundensystems

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zu persönlichen Selbstklärungs- und Lernprozessen. Der Coach setzt neben Beratungsmethoden weitere methodische Zugänge ein. Dazu zählen insbesondere das Training und die Informationsweitergabe.

Im Folgenden soll Coaching von anderen Unterstützungsangeboten abgegrenzt werden. Dazu definieren wir Training, Mentoring, Supervision und Therapie und gehen auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Coaching ein. Für das Training ist charakteristisch, dass es sich um einen Kompetenzerwerb unter Einsatz eines strukturierten Lernprogramms (standardisiert oder einzelfallspezifisch) handelt. Nach der Zielbestimmung im dialogischen Prozess erhält die Unterstützungsbeziehung den Charakter eines Schüler-Lehrer-Verhältnisses. Das Ergebnis des Trainingsprozesses wird zumeist anhand von externen Kriterien gemessen und durch Selbsteinschätzungen der relevanten Prozessvariablen (zum Beispiel Zufriedenheit, Stressreduktion, Kompetenzzuwachs) ergänzt. Trainingsprogramme lassen sich als Komponente in anderen Unterstützungsangeboten wie Coaching oder Therapie einsetzen.

Da sich weder für den Adressatenkreis, den Gegenstand noch das Setting zwischen Training und Coaching eine klare Abgrenzung vornehmen lässt (Trainingselemente finden sich in Coaching, Psychotherapie, Supervision und anderen), gehen wir beim Training nicht von einem eigenen methodischen Ansatz, sondern von einer generalisierten Interventionsstrategie aus (differenziert in verschiedene Ansätze wie Video-Training, Entspannungs- und Bewerbungstraining), die als Methodenelement in den anderen Unterstützungsformen angewandt wird (siehe Definition des Trainings). Unter Mentoring wird eine (kollegiale) Beziehung eines erfahrenen Organisationsmitglieds mit einem Novizen zum Ziel der Einarbeitung und sozialen Integration in die Organisation verstanden. Die Mentoraufgabe überträgt zumeist die Organisationsleitung. Der Mentor hat dann die Aufgabe, den Novizen nach dessen Wünschen und Erfordernissen durch Weitergabe seiner Erfahrungen, durch Feedback und Zurverfügungstellung von Wissen zu unterstützen. Dies setzt nicht zwingend eine beraterische Qualifikation und eine spezifische methodische Gesprächsgestaltung beim Mentor voraus (Schmid u. Haasen, 2011).

Was nun die Supervision betrifft, findet sich neben der engen thematischen Nähe zum Coaching eine weitere gemeinsame Schnittmenge in Aspekten, die die nachfolgende Definition betont.

Ziel und Inhalt des Karrierecoachings

Bei Supervision handelt es sich um einen methodenbasierten, systematischen Unterstützungsprozess, der von einem dafür qualifizierten Fachmann in einem klar umrissenen Setting angeboten wird. Eine wichtige Unterscheidung besteht in der Fall- und Teamsupervision. In der Fallsupervision werden Aspekte der BeraterKlienten-Beziehung reflektiert. Es geht dabei weniger um die Selbstreflexion der eigenen Berufsrolle. Dies findet sich zwar vermittelt auch in der Hilfebeziehung wieder, Hauptziel ist jedoch die Optimierung des Entwicklungs- bzw. Unterstützungsprozesses beim Klienten. Rappe-Giesecke (2003, S. 3) definiert wie folgt: »Supervison ist personenbezogene berufliche Beratung für Professionals. Ihre Aufgabe ist es, Einzelne, Gruppen oder Teams von Professionals zu individueller und sozialer Selbstreflexion zu befähigen. Ziel dieser Reflexion ist die Überprüfung und Optimierung des beruflichen und methodischen Handelns«.

Zahlreiche Autoren betonen die Gemeinsamkeiten, die die Supervision mit dem Coaching aufweist: Es handelt sich bei beidem um eine professionelle, methodisch fundierte, klienten- und prozessbezogene Unterstützung. Das hat sich auch in der Entscheidung der Deutschen Gesellschaft für Supervision, Supervision und Coaching gleichzusetzen, niedergeschlagen. So argumentieren auch Fatzer und Schoefer (2011), dass Coaching, Supervision und Organisationsentwicklung immer weniger unterschieden werden, sondern gemeinsam als »Begleitung von Veränderungs- und Lernprozessen bei Personen, Teams und Systemen« (S. 394) gesehen werden. Schreyögg (2013) diskutiert die Gleichsetzung von Supervision und Coaching kritisch und bezieht sich dabei auf die unterschiedlichen historischen Wurzeln, Zielgruppen und das jeweilige Verständnis der Formate in der Öffentlichkeit. Als methodischer Ausgangspunkt von Beratung, Supervision und Coaching sowie als Referenz in der methodischen Arbeitsweise dient die Psychotherapie. Insofern soll auch zu dieser eine Begriffsabgrenzung vorgenommen werden. Die psychologische Psychotherapie ist in Deutschland zumeist über das Krankenkassensystem finanziert und an eine Störung mit Krankheitswert (ausgeprägte Symptomatik nach der International Classification of Diseases and Related Health Problems, ICD-10) gebunden.

Psychotherapie richtet sich in seiner ursprünglichen Form auf die Persönlichkeitsentwicklung und stellt im Vergleich zum Coaching einen längeren Unterstützungsprozess dar (vgl. auch Lippmann, 2013, S. 36 ff.). Die beschriebenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede fasst Tabelle 3 zusammen.

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Methoden

Gegenstand

Setting

Qualifikation

Coach­ing

Erwerbstätige (Professionals) einer Organisation und freier Zugang zu externen Coaches

Beratung, Training, Informationsweitergabe

Aspekte der Berufsrolle des Klienten und deren Weiterentwicklung, Mit­arbeiter-, Kundenbeziehungen und Beziehungen zum weiteren sozialen Umfeld

organisationsintern und -extern; einzeln, aber auch Gruppen; bei externen Coaches meist vertragliche Regelung

offen; Vorgesetzte; Fachkräfte mit Weiterbildung (erwünscht)

Men­toring

Erwerbstätige (Professionals) einer Organisation

informelle Gespräche, Dokumente, Begleitung, Erfahrungsund Informationsweitergabe

Fragen des beruflichen Einarbeitungsprozesses

organisationsintern, vorwiegend im Einzelkontakt; bei formeller Beauftragung meist informelle Vereinbarungen

offen; meist langjährige und der Institution gegenüber loyale Mitarbeiter

Supervision

Erwerbstätige (Professionals)

Beratung, Training, weitere Methoden der Fallreflexion

eigene Berufsrolle und deren Weiterentwicklung, Problemlage der Klienten, Mitarbeiterund Kundenbeziehungen

organisationsintern und -extern, einzeln und in Gruppen; verbindlicher Auftrag

Vorgesetzte; Fachkräfte mit Weiterbildung

offen

von Trainern entwickelte Methoden

festgelegt entsprechend der Methode

einzeln und in Gruppen

Fachkräfte mit Weiterbildung (erwünscht)

Personen mit einer diagnostizierten psychischen Symptomatik

Methoden der Psychotherapie

offen

außerhalb der Arbeitsorganisation; einzeln und in Gruppen; verbindliche Regelungen

Psychologen oder Ärzte mit Zusatzausbildung

Psychologische Psychotherapie

Adressaten

Train­ing

Tabelle 3: Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Unterstützungsformen

Ziel und Inhalt des Karrierecoachings

Aus der bisherigen Reflexion und Gegenüberstellung der verschiedenen Unterstützungsformen ergibt sich für uns, dass die angestrebte Begriffsklärung eine gegenstandsbezogene Eingrenzung erfordert. Insofern gilt es die Arbeitsdefinition zu präzisieren. Wir gehen daher im Folgenden von einem engeren Begriffsverständnis des Coachings aus. Präzisierte Arbeitsdefinition: Coaching stellt ein Unterstützungsangebot zur Reflexion beruflicher Fragen der eigenen Berufsrolle in der Organisation, der Weiterentwicklung der eigenen Berufsrolle, der Kooperation mit Mitarbeitern unterschiedlicher Hierarchieebenen (Vorgesetzte, Kollegen und Untergebenen) sowie mit Kunden, Auftraggebern, dem eigenen familiären und weiteren sozialen Umfeld dar. Neben beraterischen Methoden integriert es Elemente des Trainings und die Informationsweitergabe, um Prozesse der Selbstreflexion, der Stärkung der Handlungsfähigkeit und des Kompetenzerwerbs zu fördern.

Begriffsabgrenzung Karriere und Laufbahn Ebenso wie der Begriff Coaching der Abgrenzung und engeren Definition bedurfte, um mit ihm weiterarbeiten zu können, ist es nötig, die Begriffe Karriere und Laufbahn näher zu bestimmen und voneinander zu unterscheiden. Wir definieren die beiden Begriffe daher zunächst und begründen daraufhin unser Verständnis des Begriffs Karriere im Hinblick auf die nachfolgenden Ausführungen zum Karrierecoaching. Der Begriff Karriere stammt vom lateinischen Wort »carrus«, das Wagen bedeutet, und vom französischen »carriere«, das die Rennbahn oder Laufbahn bezeichnet, ab. Er assoziiert schnelle Veränderung, Statuszuwachs und die Entwicklung in Richtung einer höherwertigen Aufgabe im Beruf oder anderen Lebensbereichen (zum Beispiel im Verein, in einer politischen Organisation). Mit Karriere geht immer auch ein persönlicher Optimierungsgedanke einher, der sich in spezifischen Fragen der beruflichen Weiterentwicklung innerhalb und außerhalb einer Organisation niederschlägt (Richthofen, Kugele u. Vitzthum, 2013, S. 14 f.). Es lässt sich zwischen der traditionellen Aufstiegskarriere (Kaminkarriere) und neueren Formen der Experten- und Projektkarriere unterscheiden. Laufbahn ist der ursprüngliche Begriff zur Beschreibung einer beruflichen Entwicklung in einer Organisation. In diesem Sinne richtet er sich auf die Beschreibung der dem Einzelnen in der Organisation (als Teil der Organisation) möglichen Wege (zum Beispiel Schullaufbahn, politische Laufbahn oder Beamtenlaufbahn).

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Schaut man sich die oben gegebene Definition des Begriffs Laufbahn an und berücksichtigt nun die in diesem Kapitel beschriebenen vielfältigen Veränderungen der Arbeitswelt und die neuen Ansprüche und Fragen an die eigene Beruflichkeit, so geht es beim Coaching um einen erweiterten Bezugsrahmen, das heißt um die Reflexion von Entwicklungsmöglichkeiten über den engen institutionellen Rahmen hinaus und unabhängig von institutionellen Möglichkeiten und Begrenzungen. Zwar werden alltagssprachlich Karriere und Laufbahn meist synonym gebraucht und so findet sich dies auch häufig in der Fachliteratur. Wir möchten uns hier jedoch für die Unterschiede starkmachen und verbinden mit dem Karrierebegriff in Absetzung zum Begriff der Laufbahn die individuelle Seite der Realisierung von Werten, Interessen, Kompetenzen und Lebensstilen in einer Berufsaufgabe jenseits der quasi objektiven Kriterien betrieblicher Hierarchien, dem Einkommensniveau, dem sozialen Status und anderem. Insbesondere auf dem Hintergrund der zunehmenden Eigenverantwortung der Person für seine berufliche Selbstvermarktung und der Entkopplung von persönlichen und betrieblichen Personalentwicklungsstrategien erscheint uns eine begriffliche Unterscheidung der persönlichen und betrieblichen Perspektiven wichtig. Hier schließen wir uns Rappe-Giesecke (2008) an, die in der Karriereberatung Fragen zur Profession der Fachkraft (mitsamt seinem professionsspezifischen Selbstverständnis, seinen Werten, ethischen Grundsätzen und anderem), zu seiner Funktion (in einer Organisation und im Verlauf seiner Entwicklung) und zur Person (mit ihrer psychischen Struktur, ihrer biografischen Prägung, ihren einzigartigen persönlichen Werteankern und anderem) integriert. »Karriere erscheint in der dynamischen Dimension als das emergente Produkt von Lebensgeschichte (als persönliche Biographie), Laufbahn in der Organisation und Werdegang in der Profession« (S. 45, Herv. i. O.). Der Gebrauch des Karrierebegriffs in diesem Buch ist auch dadurch motiviert, dass der Begriff des Laufbahncoachings einem berufsdominierten und institutionsorientierten Beratungsgeschehen verbunden ist, das die langfristige Bindung einer Person an einen Beruf bzw. eine Institution impliziert. Durch den Begriff des Karrierecoachings wollen wir eine doppelte Öffnung und Offenheit markieren: ȤȤ im Hinblick auf die Verläufe der Berufskarriere gegenüber Brüchen, Übergängen und Wechseln, ȤȤ im Hinblick auf berufsbezogene Fragestellungen gegenüber einer Betrachtungsweise, die die Gesamtheit der Person und ihrer Lebensbereiche umfasst.

Ziel und Inhalt des Karrierecoachings

Bei Schein (2004, S. 13) findet sich die Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Karriere. Damit soll die Selbsteinschätzung beruflicher Entwicklungsschritte und der eigenen Berufsrolle von einer äußeren, durch andere Personen vorgenommenen Bewertung unterschieden werden. Die Karriere kann sich neben dem statusbezogenen Aufstieg auf funktionale Veränderungen der Berufsinhalte im Sinne des Ausbaus von Fähigkeiten und Fertigkeiten (horizontale Bewegung) und die Veränderung der Berufsposition innerhalb der Organisation in Richtung des Organisationszentrums hin zu mehr Einfluss und Macht richten (Schein, 2010, S., 20 f.). Anlässe und Zielsetzung im Karrierecoaching Geht man davon aus, dass die Anliegen und Ziele im Karrierecoaching vom Klienten formuliert werden, so wäre jedes Anliegen, das in seinem Ursprung auf berufliche Entwicklungsfragen zurückgeht, ein mögliches Kundenanliegen (zum Verhältnis von Anliegen und Auftrag siehe das Kapitel »Systemische Methoden im Karrierecoaching« in diesem Buch). Lediglich die im engeren Sinne psychischen Symptomatiken, die in grundlegendem Ausmaß die berufsbezogenen Selbstklärungs- und Entwicklungsprozesse behindern (zum Beispiel eine Psychose, Depression) sind hier abzugrenzen. Beratungsanlässe ergeben sich häufig im Vorfeld von lebensbiografischen Übergängen (Berufswahl, Studienentscheidung, Berufseintritt, Rückkehr in die Erwerbsarbeit nach einer Familienphase, Pensionierung und Ähnliches). Die sich abzeichnenden Veränderungen können von der Person selbst antizipiert werden oder das soziale bzw. institutionelle Umfeld trägt Erwartungen an die Person heran. So ergeben sich beispielsweise Pflichttermine für den Schüler, wenn der Berufsberater in der achten Klasse im Unterricht über Schul- und Berufswege informiert. Diese Informationsveranstaltung wird dann durch das Angebot einer individuellen Beratung und weitere berufsorientierende Angebote (Schülerbetriebspraktika, Betriebsbesuche, Berufsmessen, Projekttage, Potenzialanalysen und Ähnliches) ergänzt. Diesbezügliche normative Übergänge sind vorhersehbar und planbar. Die Person kann sich darauf gezielt vorbereiten und erhält eine Vielzahl an Informations- und Beratungsangeboten (durch die Arbeitsagentur, das Jobcenter, Schulen, Universitäten und andere). Wichtiger Ausgangspunkt sind darüber hinaus persönliche und berufsbezogene Krisen. Diese können aufgrund von Über- und Unterforderung entstehen, Fragen der körperlichen und/oder psychischen Fehlbelastung betreffen, mit Problemen der mangelnden sozialen Einbindung, der Diskrepanz von organisationalen und persönlichen Zielen und der Werteorientierung

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zu­sam­menhängen (zum Krisenbegriff siehe Fillip u. Aymanns, 2009). Bei einer Zunahme der Bedeutung von Sinn- und Wertefragen im Kontext des Berufs und bei erhöhten Anforderungen an Flexibilität und Selbststeuerungskompetenz in beruflichen Kontexten ist mit einer Zunahme von derartigen nichtnormativen Übergängen zu rechnen. Eine spezielle Form von nichtnormativen Übergängen ist im Bereich von betrieblichen Restrukturierungsprozessen zu finden. Seit den 1970er Jahren hat Deutschland einige Restrukturierungswellen erlebt (Zechen- und Stahlwerkschließung, Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer, beispielsweise im Textilsektor, Krise der Möbelindustrie und anderes). Gelingt es der Mitarbeitervertretung einen Sozialplan auszuhandeln, kann damit die Einrichtung einer Beschäftigungs- und Transfergesellschaft zum Outplacement verbunden sein. Outplacement »umfasst die zeitlich befristete beratende und trainierende Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung. Ziel der Maßnahme ist die möglichst rasche Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit, die den Qualifikationen und Bedürfnissen des Mitarbeiters entspricht« (Lohaus, 2010, S. 5). Themenfelder und Inhalte von Karrierecoaching Ausgangspunkt für das Karrierecoaching (wie für andere psychosoziale Unterstützungsprozesse auch) bildet eine Ist-Soll-Differenz zwischen der aktuellen beruflichen Situation und den Ziel- bzw. Wunschvorstellungen des Kunden. Von Bedeutung ist dabei, welche Person diese Differenz feststellt. Ist dies das Anliegen der ratsuchenden Person selbst, ist dies eine Person aus dem näheren sozialen Umfeld (zum Beispiel ein Familienangehöriger, ein Freund) oder ein (definitions-)mächtiger und über Sanktionsmöglichkeiten verfügender Experte (zum Beispiel ein Lehrer, ein Mitarbeiter des Jobcenters)? Davon beeinflusst ist die Antwort auf drei Fragen (zu den in diesem Zusammenhang wichtigen kontextklärenden Fragen siehe das Kapitel »Methodisches Vorgehen im Karrierecoaching« S. 137 ff. in diesem Buch): ȤȤ Wie ist das Karrierecoaching motiviert (eigen- versus fremdmotiviert)? ȤȤ Wie ergebnisoffen ist das Coaching und mit welchen Konsequenzen bzw. Sanktionserwartungen bei Nichterfüllung eines fremdmotivierten Ziels ist dies verbunden? ȤȤ Sind Inhalte, Rollen und Handlungsmöglichkeiten vorgegeben bzw. begrenzt? Aufgrund der Vielfalt und jeweiligen Einzigartigkeit der individuellen Anliegen möchten wir uns den Themenfeldern über die im Karrierecoaching relevanten Teilhandlungen des Coaches nähern. Zentral für jede Form von Beratung ist

Ziel und Inhalt des Karrierecoachings

die Selbstklärung eigener Ziele, Werte, Interessen, Bedürfnisse etc. Ausgangspunkt hierfür ist das Beobachten. Die Wahrnehmung eigener körperlicher und psychischer Prozesse (Wahrnehmung nach innen), für die im Arbeitsalltag häufig die Zeit fehlt bzw. im Hinblick auf die es an Genauigkeit mangelt, und sozialer Gegebenheiten und struktureller Aspekte der Organisation (Wahrnehmung nach außen) dienen der Informationsgewinnung, -verarbeitung und -bewertung. Bei der Informationsgewinnung kann der Klient in seinem unmittelbaren Arbeits- und Lebenskontext zur Selbstbeobachtung angeleitet werden. Daneben bedeutsam ist die Fremdbeobachtung in unterschiedlichen Kontexten und mit verschiedenen Methoden. Die direkteste, in den Coachingprozess integrierte Fremdbeobachtung geschieht durch den Coach, der sie durch sein Feedback dem Kunden zukommen lässt. Das Feedback des Coaches kann aus einer ressourcenorientierten Perspektive erfolgen, aber auch anhand von Kriterien, die sich aus den zu erwartenden betrieblichen Bewertungsprozessen durch eine Bewerbungskommission, den Vorgesetzten, Auftraggeber oder Ähnliches ergeben. Daneben wird das Coachinganliegen häufig dadurch motiviert, ein besseres Verstehen der Ursachen des Problems und der eigenen Person zu erreichen. Die Grundsatzfrage: »Bin ich der Verursacher oder ist das Umfeld der Auslöser für mein Problem?«, ist dabei eine erste grobe, meist aber außerordentlich wichtige Unterscheidung. Hieraus leitet sich die emotionale Verarbeitung – »Bin ich schuldig, inkompetent, hartherzig etc. oder sind die anderen Mitarbeiter, die Kunden, die Organisation, die Konjunktur etc. schuld?« – ab. Mit dem besseren Verstehen ist die Frage der grundsätzlichen Änderbarkeit des Problems und der Vorhersage über den weiteren Verlauf (bei unverändertem Verhalten, Bedingungen etc.) verbunden. Mit der Vorhersage (mit all ihrer Vorläufigkeit und Unplanbarkeit) verbindet sich die Erwartung zur prinzipiellen Änderbarkeit der Situation. Das heißt, es geht um das Handeln des Klienten, die verschiedenen Möglichkeiten zur konkreten Ausgestaltung der Handlungsschritte (Handlungsplanung) und die Entscheidung darüber. An dieser Stelle sind die beiden von Steve de Shazer (1997) im Kontext des lösungsfokussierten Ansatzes hervorgehobenen Aspekte zur Einschätzung der Anliegen von Klienten sehr hilfreich (zu den verschiedenen Klientenhaltungen siehe das Kapitel »Prozessstruktur im Karrierecoaching« S. 130 ff. in diesem Buch). Es sind dies die Fragen: ȤȤ Sieht der Klient einen Änderungsbedarf? ȤȤ Sieht der Klient einen eigenen Beitrag zur Problemlösung (und damit letztlich auch zur Problementstehung)? ȤȤ Ist er motiviert einen Beitrag zur Problemlösung zu leisten?

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Im Handeln des Coaches finden sich als Teilprozesse integriert: ȤȤ diagnostische Tätigkeiten zur Selbst- und Fremdeinschätzung des Klienten (das Wie der Informationsgewinnung und -auswertung); ȤȤ die Informationssuche, -aufbereitung und -verwendung zu Arbeitsmarktaspekten, Berufsausbildung und Studium (zum Beispiel extern verfügbare Informationen über Branchenentwicklungen); ȤȤ Entscheidung und Handlungsplanung für die Zielerreichung bzw. -an­ näherung; ȤȤ das Training, das heißt das Entwickeln neuer Kompetenzen zur Zielerreichung. In diesem Kontext ist die Frage zu stellen, welchen Stellenwert der Beschaffung und Weitergabe von Informationen durch den Berater im Kontext des Coachings gegeben wird. So sieht Wehrle (2011) Karriereberatung zusammengesetzt aus Coaching, Training, Informationsweitergabe (zum Beispiel Brancheninformationen und Informationen zum Bewerbungsverhalten). Die Experten- bzw. Fachberatung bezeichnet Schein (2010) als »Telling-and-sellingModell« und grenzt diese von der Prozessberatung ab. Aus der Perspektive zahlreicher Nutzer von Karriereberatung sei die Erwartung an den Coach, »dass der Klient vom Berater Informationen und eine Expertendienstleistung erwirbt, die er selbst nicht erbringen kann« (S. 25). Schein sieht hierbei die Gefahr einer geringen Umsetzungschance, da der Berater möglicherweise alles weitergeben will, was er zu seinen Stärken zählt, ohne dabei die Passgenauigkeit mit der Klientensituation, dem Klientensystem und den bestehenden Kontextbedingungen zu suchen (zum Beispiel: Hat der Klient die Kompetenzen zur Umsetzung dieser Handlungsempfehlung? Ist in seinem sozialen Kontext die Berufsempfehlung akzeptiert und wird sie unterstützt?). Die Idee eines quasi objektiven und interessenneutralen Wissens da draußen, das nur eingeholt werden muss, gilt sowohl für Diagnoseaufträge wie auch für Konzeptvorschläge und Entscheidungsfragen im Modell der Expertenberatung. Darüber hinaus delegiert der Klient in diesem Modell die Verantwortung und zum Teil auch die Deutungsmacht an den Coach. Diese Abhängigkeit kann sich im weiteren Verlauf des Coachings als Hypothek bzw. Belastung auswirken für: ȤȤ die Prozessteuerung, beispielsweise im Sinne einer Konsumentenhaltung des Klienten; ȤȤ die emotionale Beziehungsgestaltung als Skepsis gegenüber der Neutralität des Beraters; ȤȤ die Handlungsbereitschaft des Kunden, den Empfehlungen des Coaches zu folgen.

Ziel und Inhalt des Karrierecoachings

Im Konzept der Prozessberatung wird Abschied von der Gewissheit genommen, schon vor Beginn der Beratung zu wissen, welche Informationen und welches Know-how für die Lösung des Problems erforderlich sind. Auch kann keine klare Problem- und Auftragsbestimmung vor Beginn des Coachings durch den Auftraggeber erwartet werden. Der gemeinsame Prozess des Austauschs und der wechselseitigen Annäherung an die Fragestellung steht im Mittelpunkt. »Die Prozessberatung zielt vor allem darauf ab, dem Manager bei […] der Entwicklung eines geeigneten […] Handlungsplanes zu helfen. Dazu gehört implizit, dass weder Klient noch Berater Macht abgeben. […] Aus Sicht der Prozessberatung darf der Berater dem Klienten nicht das Problem abnehmen, sondern er muss sich darüber klar sein, dass dieses Problem ausschließlich das des Klienten ist und niemand sonst dafür die Verantwortung übernehmen kann« (Schein, 2010, S. 27 f., siehe auch Kapitel »Systemische Methoden im Karrierecoaching«, S. 128 ff.). Arbeitszugang und Positionierung des Karrierecoaches Was ein Karrierecoach als Dienstleistung anbietet, ist unter anderem von seinem institutionellen Kontext abhängig. Hier lassen sich folgende Hauptarbeitsfelder unterscheiden: ȤȤ Berufsberatung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, ȤȤ Absolventenberatung (von Schulausbildungen, Universitäten), ȤȤ Weiterbildungsberatung (zum Beispiel zur Meister-, Technikerqualifikation), ȤȤ Berufsrückkehrerberatung, ȤȤ Beratung zur Selbständigkeit (zum Beispiel durch die IHK), ȤȤ Outplacementberatung (in Beschäftigungs- und Transfergesellschaften), ȤȤ Orientierungsberatung durch freie/nicht institutionell eingebundene Berater. Neben diesen etablierten Beratungsangeboten sind weitere entstanden, beispielsweise im Kontext der durch den demografischen Wandel verursachten Veränderung des Arbeitskräfteangebots (Beratung für über Fünfzigjährige, Werbung für Pflegeberufe etc.) bzw. durch konjunkturelle Entwicklungen verursachte neue Entwicklungen (zum Beispiel Studienangebote für NichtAbiturienten). Die meisten Beratungsangebote sind öffentlich finanziert und entstehen oft als Modellprojekte. Die von den Kunden privat zu finanzierenden Beratungsangebote folgen den Prinzipien des Marktgeschehens, das heißt, es gibt vielfältige Ausdifferenzierungen (zum Beispiel Gehaltscoaching, Auf-

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stiegscoaching), Überschneidungen und Vereinnahmungen in verschiedenen Feldern. So integriert beispielsweise die Outplacement-Beratung die Themenfelder Weiterbildungsberatung und Beratung zur Selbständigkeit neben den Trainingselementen im Kontext des Bewerbungstrainings. Karrierecoaching ist eine Prozessberatung durch einen professionellen Coach, der den Kunden entsprechend seiner Wünsche und Zielsetzungen bei berufsbezogenen Selbstklärungs- und Lernprozessen unterstützt. Dazu zieht der Coach Methodenelemente der Beratung, des Trainings und des Informationsmanagements heran und kombiniert diese auf dem Hintergrund einer zielgerichteten und systematischen Prozessgestaltung.

Das Coaching zielt in seiner ursprünglichen Form auf die Unterstützung einer Person mit Management- bzw. Führungsaufgaben durch einen externen Coach ab. Seine Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung finden wir heute sowohl als organisationsexternes wie -internes Coaching (siehe nächstes Kapitel).

Hans-Jürgen Balz Organisationsexterner und -interner Zugang des Coaches im Karrierecoaching Unterstützt das Karrierecoaching einen oder mehrere Kunden innerhalb einer Organisation, stellen sich unter anderem folgende Fragen: Was erweist sich in den verschiedenen Fällen als vorteilhafter in Bezug auf die Unterstützung, ein externer oder interner Zugang des Coaches zur Organisation und zum Kunden? Wann bevorzugt ein Kunde einen organisationsinternen, wann einen -externen Coach? Wann erleichtert der eigene interne Bezug und Zugang des Coaches zur Organisation das Coaching, wann erschwert er es? Wann bereichert der externe Zugang den Blick des Coaches auf Organisation und die Kunden, wann behindert er den nötigen Einblick des Coaches? Im Folgenden werden die Unterschiede von organisationsexternem und -internem Coaching nacheinander in ihren Konsequenzen für den Unterstützungsprozess erörtert. Vor-, Nachteile und Zusammenhänge interner und externer Zugänge von Coaches werden kurz herausgearbeitet, in Bezug zu den Interessen von Organisationen und in Bezug zueinander gesetzt und auf diese Weise miteinander verglichen.

Organisationsexterner und -interner Zugang des Coaches im Karrierecoaching

Organisationsexternes Karrierecoaching Bei der Abwägung von Vor- und Nachteilen externer Karrierecoachings sind zahlreiche Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Dazu zählen die Art des Auftrages, die Herstellung des notwendigen Vertrauensverhältnisses, die Veränderungswünsche der Person und der Organisation, die für die Auftragsbearbeitung notwendige Feld- bzw. Methodenkompetenz des Coaches, die Adressatengruppe und anderes. Bär, Böckelmann und Thommen (2006) systematisieren die Merkmale in die Dimensionen Vertrautheit, Beziehungsgestaltung und Zusammenarbeitsform. Betrachten wir zuerst die Fragen jugendlicher Berufswähler. Hier besteht an der ersten Schwelle ein öffentlicher Auftrag der Berufsinformation, der Berufsorientierung und Unterstützung bei der Zielrealisierung (weiterführende Schule, Studienfachentscheidung, Ausbildungs- und Arbeitsplatzwahl etc.) (siehe zum Beispiel Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2015: Kein Abschluss ohne Anschluss). Es findet sich eine Kooperation zwischen Schulvertretern, speziell den Klassenlehrern (für die Schüler organisationsinterne Berater), und den externen Beratern der Arbeitsagentur. Häufig sind hier weitere externe Anbieter im Kontext von Berufsorientierung, Potenzialfeststellung und Berufsvorbereitung engagiert. Auch greifen kommunale Angebote mit den in den jeweiligen Bundesländern durchgeführten Maßnahmen und Modellprojekten sowie bundesweite Informations- und Beratungsangebote durch die Arbeitsagentur ineinander. Die Adressaten sind Schüler ab der achten Klasse und in den weiterführenden Schulen. Der Unterschied von internen und externen Beratern findet sich beispielsweise in der Zusammenarbeit des Klassenlehrers mit den Beratern der Arbeitsagentur. Als Vorteile von externen Anbietern hebt Lippmann (2013, S. 98) hervor: ȤȤ »Unabhängigkeit und somit höhere Objektivität, Neutralität und Möglichkeit zu kritischem Feedback, ȤȤ Unbefangenheit hinsichtlich interner Informationen und ›Mikropolitik‹, ȤȤ keine Betriebsblindheit in Bezug auf die Organisation des Coachee, ȤȤ geringere Rollenvorbelastung des Coaches und damit kein Beziehungsgefälle zum Coachee, ȤȤ kann zu Lösungen und Ergebnissen führen, die organisationsintern neu sind oder aufgrund von Tabus nicht hätten angesprochen werden können, ȤȤ Spezialisierung des Coachs aufgrund bestimmter Themen kann auf dem Markt ausgewählt und sozusagen ›eingekauft‹ werden« (Herv. i. O.).

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In diesem Sinne kann der externe Coach unbelastet von vorherigen Erfahrungen und anderen Rollenwahrnehmungen durch die Schüler handeln (siehe zum Beispiel die Homepage des Projekts »Abitur – und was weiter«, 2014). Die Lehrerperson ist als Zensurengeber, Aufsichts- und Disziplinarperson möglicherweise nicht in der Lage, ein persönliches Vertrauensverhältnis herzustellen. Hier kann ein unvoreingenommener externer Berater einen leichteren Zugang finden. Neben der personenbezogenen Beratung (Exploration der individuellen Werte, Interessen, Fähigkeiten und Ziele) ist er jedoch gleichzeitig Fachexperte. Daneben werden im letzten Jahrzehnt zunehmend schulinterne Berater etabliert. Dies geschieht im Kontext von Schulsozialarbeit, Jugendhilfe und speziellen Projekten. Ein wichtiger Grund der Etablierung dieser Angebote ist, dass die allgemeine Schulpolitik den Übergang von der Schule in den Beruf höher gewichtet als noch vor einigen Jahren, ein anderer Grund liegt in der Erfahrung, dass die Erreichbarkeit aller Jugendlichen, die längerfristige Betreuung und zum Teil auch das in der Schule vorliegende Wissen über die Schüler (Leistungsstand, Förderbedarf etc.) sich als großer Vorteil im Berufsvorbereitungsprozess erwiesen haben. Auch lässt das Prinzip der kurzen Wege (zwischen Lehrern, Schülern und Eltern) eine größere Flexibilität in den Beratungs-, Betreuungs- und Trainingsangeboten zu. Im Zusammenhang mit der Beratung an der ersten Schwelle des Wechsels von der Schule in den Beruf lassen sich also bereits einige Argumente für organisationsinterne Berater im Vergleich zu den hier zunächst erörterten organisationsexternen aufzeigen. Beim Coaching für Organisationsmitglieder (nach der Erstausbildung bzw. dem Studium) sieht Schreyögg (2003) häufig einen Vertrauensvorschuss bei externen Beratern, da organisationsinterne Personen stärker den Organisationszielen verpflichtet sind und so für neue Problemlösungswege als weniger hilfreich erlebt werden. »Aus systemisch-konstruktivistischer Perspektive betrachtet, partizipiert ein externer Coach nicht an der Wirklichkeitskonstruktion des Unternehmens als soziales System, da er nicht in die innerhalb des Unternehmens stattfindenden Prozessen eingebunden ist. Er tritt dem Unternehmen gewissermaßen als ›Fremder‹ gegenüber, der die Situation mit einer ›systemfremden‹ Brille betrachtet […]« (Bär, Böckelmann u. Thommen, 2006, S. 46 f.). Zudem können organisationsinterne Coaches auf der Führungskräfteebene als Konkurrenten angesehen werden, denen gegenüber das Eingeständnis eigener Unzulänglichkeiten als nachteilig erlebt wird. Für die Abwägung zwischen externen und internen Beratern ist darüber hinaus die für die Auftragserledigung notwendige Kompetenz und deren Verfügbarkeit im Unternehmen relevant.

Organisationsexterner und -interner Zugang des Coaches im Karrierecoaching

Zur Hinzuziehung von externen Beratern tendieren Organisationsvertreter insbesondere auch bei zugespitzten krisenhaften Konstellationen, in denen externe Berater eine »neue und unbefangenere Sicht« (Schreyögg, 2003, S. 199) anbieten. In ähnlicher Weise ist auch die Verschwiegenheit externer Berater ein Vorteil für Führungskräfte, die sich typischerweise in der eigenen Organisation in einer potenziellen Konkurrenzsituation mit anderen Führungskräften befinden. Als Nachteil kann es sich in der Kommunikation jedoch erweisen, wenn der externe Berater die Sprache der Organisation bzw. Branche sowie relevante systeminterne Prozesse und Strukturen nicht kennt. Hier besteht die Gefahr einer übergroßen Fremdheit im Wahrnehmen und Beschreiben der betrieblichen Situation. Derartigen Phänomenen begegnet man beispielsweise bei der Gegenüberstellung der Denk- und Sprachsysteme von Profit- versus Nonprofit-Unternehmen. Auch muss zu Beginn des Coachings Zeit in den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses und die Informationssammlung investiert werden. Das Kennenlernen der relevanten Kontextbedingungen bindet Arbeitszeit des Mitarbeiters und verlangsamt möglicherweise den Veränderungsprozess. Organisationsinternes Karrierecoaching Bei der Erörterung der zahlreichen Vorteile externer Coachings hat sich bereits der ein oder andere Vorteil eines internen Zugangs des Coaches abgezeichnet. Es geht daher nun im Anschluss darum, die Frage zu erörtern, welche Vorteile organisationsinterne Berater für das Karrierecoaching haben und wie diese Vorteile im Vergleich zu den organisationsexternen Vorteilen zu beurteilen sind. Organisationsinterne Erfahrungen und Wissen sind insbesondere eine Ressource bei betrieblichen Personalentwicklungsmaßnahmen, die eng auf die Erfordernisse und Bedingungen der jeweiligen Organisation zugeschnitten sind (Bär, Brökelmann u. Thommen, 2006, S. 48). Vorgesetzte beraten und instruieren ihre Mitarbeiter bei der Aufgabenerledigung. Darüber hinaus gilt es, die berufliche Entwicklung der Mitarbeiter zu fördern. Im Kontext der Integration neuer Mitarbeiter bzw. neu positionierter Mitarbeiter hat sich das Mentoring als Methode etabliert. Hier wird ein Neuling von einem erfahrenen Kollegen begleitet, ihm wird organisationales Wissen weitergegeben, er erhält Unterstützung beim Netzwerkausbau und Feedback vom Mentor (Schmid u. Haasen, 2011, S. 16). Diese kollegiale Begleitung leitet sich aus dem Wandel des Rollenverständnisses von Führungskräften und dem verstärkten Blick auf den Mitarbeiter mit seinen Bedürfnissen, seiner Arbeitsmotivation, seinen Fähigkeiten und Potenzialen ab.

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Der Vorteil einer organisationsinternen Position liegt in der Kenntnis der Strukturen, Ziele, beteiligten Akteure und Geschichte der Institution. Auch ist durch die gemeinsame Organisationszugehörigkeit im Einzelfall Vertrauensvorschuss für den Coach vorhanden und ein schnelleres Einsteigen in die inhaltliche Arbeit möglich. Darüber hinaus gewährleistet die gemeinsame Organisationszugehörigkeit eine kontinuierliche Begleitung von Mitarbeitern und deren Entwicklungswegen (Sicherung der Nachhaltigkeit von Veränderung). Einem externen Zugang übergeordnet ist dieser Vorteil immer dann, wenn Anpassungslernen an bestehende Strukturen und Abläufe erforderlich ist. Argyris und Schön (2002) unterscheiden dieses vom Veränderungslernen (Double-loop-Lernen im Gegensatz zu Single-loop-Lernen), das sich auf innovative und neuartige Problemlösungen ausrichtet. Was die positive Einstellung, die der Kunde dem Coach entgegenbringt, betrifft, kann sich eine Organisationsverbundenheit des Coaches dann als Nachteil auswirken, wenn ihm möglicherweise Parteilichkeit anstelle einer Über- bzw. Allparteilichkeit unterstellt wird. Die Glaubwürdigkeit eines Coaches und das Vertrauen, das ihm entgegengebracht wird, hängen sehr von der Person, Situation und Stellung im System ab. In der gleichzeitigen Funktion von Vorgesetztem und Entwicklungsberater ist eine unauflösliche Ambivalenz angelegt. Bei Stenzel (2010) finden sich darüber hinaus betriebswirtschaftliche Überlegungen, die bei der Abwägung zwischen der Einrichtung eines firmeninternen Coachingpools und dem Engagement von firmenexternen Coaches eine Rolle spielen können. Die im Unternehmen vorzunehmenden Investitionen in den Aufbau eines Pools von Coaches beschreibt Stenzel als vergleichsweise hoch und er sieht zudem die Gefahr einer »gemeinschaftlichen Problemtrance« (S. 155), das heißt eines schnellen gemeinsamen Verstehens auf dem Hintergrund einer der Institutionskenntnis geschuldeten eingeengten Situationsbeschreibung und eines Ausbleibens von anregenden neuen Gesichtspunkten zum organisationalen Geschehen. Die Abwägung von Vor- und Nachteilen lässt sich jeweils nur unter den konkreten betrieblichen Bedingungen und im Hinblick auf die spezifischen Projekt- bzw. Coachingziele hin abschätzen. Bär, Bröckelmann und Thommen (2006, S. 52) beschreiben das Praxisbeispiel der Firma Julius Bär in Zürich, die mit einem festen externen Coachingpool eines Coaching Centers zusammenarbeitet und so Vor- und Nachteile von organistionsexternem und -internem Coaching zu verbinden sucht.

Fazit

Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger Fazit Der Coachingbegriff steht für eine Erfolgsgeschichte. Die Vielfalt seiner Anwendungsfelder und die Expansion des Coachingmarktes belegen dies. Die Vielgestaltigkeit der Angebote erfordert jedoch eine begriffsergänzende Präzisierung. Dies kann durch eine Beifügung zur Klientengruppe (zum Beispiel Elterncoaching) oder zum Gegenstand (zum Beispiel Gesundheitscoaching) geschehen. In diesem Sinne würde bei einem ausdifferenzierten Coachingmarkt auch die Angabe zur methodischen Ausrichtung des jeweiligen Coachingangebots zu mehr Transparenz beitragen (zum Beispiel systemisches Elterncoaching). Wir sehen den Begriff des Karrierecoachings als Sammelbegriff für verschiedene Unterstützungsangebote im Kontext von Fragen zur Berufswahl und Weiterbildung sowie zum Berufswechsel, beruflichen Aufstieg und beruflichen Wiedereinstieg. Er fungiert unseres Erachtens als Oberbegriff und integriert je nach konkretem Erfordernis die Einzelelemente. Hier eine weitere Differenzierung vorzunehmen, um sich Marktvorteile zu sichern (zum Beispiel durch den Begriff des Gehaltscoachings), sehen wir als kurzlebig an und wenig fundiert. Auch besteht unseres Erachtens langfristig die Gefahr einer Entwertung des Coachingbegriffs durch übergroße thematische Spezialisierung. Coaching und Supervision weisen eine große Schnittmenge an Themen, Zielsetzungen und Methoden auf. In diesem Zusammenhang könnte das Potenzial der Supervision in Gruppenprozessen noch stärker für das (zu meist im Einzelsetting praktizierte) Coaching genutzt werden. Die in diesem Kapitel erörterte Gegenüberstellung von organisationsexternen und -internen Beratern für den Coachingprozess erscheint in vielen Fragen als zu pauschal und wenig hilfreich. Weitere Faktoren wie eine Methoden- und Feldkompetenz, die dem Karrierecoaching des jeweiligen Auftrags gemäß ist, und die Beziehungsgestaltung erweisen sich unter Nutzenerwägungen als bedeutsam. Geht man vom Anspruch einer umfassenden Unterstützung bei Karriereprozessen aus, so gilt es, Karrierecoaching mit Trainingselementen und Aspekten der Fachberatung zu verbinden. Im Beratungshandeln ist es jedoch sehr wichtig, sich und dem Coachee immer Klarheit und Entscheidungssouveränität über die Rolle zu geben, die zur weiteren Zielerreichung jeweils notwendig ist. Da das Coaching stärker den Kompetenzerwerb in den Blick nimmt (anders als Beratung), ist es notwendig diese Dinge mit zu bedenken.

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Das Karrierecoaching befindet sich im Wandel von der Experten-/Fachberatung zur Prozessberatung. Wo früher noch die Expertenposition des wissenden, über die Systeme informierten Beraters dominierte, findet sich heute deutlich häufiger die neue Bescheidenheit eines den Klienten als Experten seiner Lebenssituation sehenden Beraters. Am Ende dieses Kapitels weisen wir nun noch abschließend auf weiterführende Literatur zum Thema Wandel der Arbeitswelt, zu den Begriffen Coaching, Supervision und Karriereberatung hin. Zum Thema Arbeitswelt: –– Gratton, L. (2012). Job Future Future Jobs. Wie wir von der neuen Arbeitswelt profitieren. München: Hanser. –– Hammerer, M., Kanelutti, E., Melter, I. (Hrsg.) (2010). Zukunftsfeld Bildungsund Berufsberatung. Neue Entwicklung aus Wissenschaft und Praxis. Bielefeld: Bertelsmann. –– Ibarra, H. (2003). Working Identity. Unconventional Strategies for Reinventing your Career. Boston: Harvard Business School Press. –– Plöger, P. (2010). Arbeitssammler, Jobnomaden und Berufsartisten. Viel gelernt und nichts gewonnen? Das Paradox der neuen Arbeitswelt. München: Hanser. Zum Thema Coaching: –– Lippmann, E. (Hrsg.) (2013). Coaching: angewandte Psychologie für die Beratungspraxis (3., überarb. Aufl.). Heidelberg: Springer. –– Rauen, Ch. (Hrsg.) (2005). Handbuch Coaching (3., überarb. Aufl.). Göttingen: Hogrefe. –– Schreyögg, A. (2012). Coaching: Eine Einführung für Praxis und Ausbildung (7., kompl. überarb. u. erw. Aufl.). Frankfurt a. M.: Campus. Zum Thema Supervision: –– Rappe-Giesecke, K. (2003). Supervision für Gruppen und Teams (3. Aufl.). Heidelberg: Springer. –– Schreyögg, A. (2010). Supervision. Ein integratives Modell (5., erw. Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag. Zum Thema Karriereberatung: –– Lang-von Wins, Th., Triebel, L. (2012). Karriereberatung: Coachingmethoden für eine kompetenzorientierte Laufbahnberatung (2., akual. u. erw. Aufl.). Berlin: Springer. –– Rappe-Giesecke, K. (2008). Triadische Karriereberatung. Begleitung von Pro-

Fazit

fessionals, Führungskräften und Selbstständigen. Bergisch Gladbach: Verlag Andreas Kohlhage. –– Richthofen, C. von, Kugele, J., Vitzthum, N. (2013). Handbuch Karriereberatung. Weinheim: Beltz. –– Wehrle, M. (2011). Karriereberatung. Menschen wirksam im Beruf unterstützen (2. Aufl.). Weinheim: Beltz.

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Gesellschaftliche und individuelle Antworten auf Berufswahl- und Karrierefragen »Diejenigen, die in der Welt vorankommen, gehen hin und suchen sich die Verhältnisse, die sie wollen. Und wenn sie sie nicht finden können, schaffen sie sie sich selbst.« George B. Shaw

Karrierecoaching erfordert die Analyse der berufsbezogenen Kontextbedingun­ gen (zum Beispiel Ausbildungsplatzangebote, Stellenausschreibungen, öffent­ liche Fördermöglichkeiten). So werden wir in diesem Kapitel unsere Aufmerksamkeit auf die Einflussfaktoren richten, die dem Klienten den Übergang in das Ausbildungs- und das Erwerbssystem erleichtern. Exemplarisch möchten wir uns einem Übergang im Jugendalter und einem im Erwachsenenalter zuwenden. Es wird auf den Übergang Schule – Beruf und die Arbeit im Outplacement fokussiert. Dabei beleuchten wir relevante Fragen zum Beraterhandeln näher. Dies in dem Bewusstsein, dass es zahlreiche weitere berufliche Übergänge gibt (zum Beispiel die Rückkehr in den Beruf nach einer Familienphase, den Übergang in den Ruhestand). Indem wir diese beiden Übergänge genauer betrachten, ist es uns möglich, die Verschiedenartigkeit der Anforderungen an Karrierecoaching exemplarisch zu verdeutlichen und die sich spezifisch ergebenden methodischen Fragen an den zwei ausgewählten Übergangssituationen beispielhaft zu diskutieren. Um die Handlungsperspektive der Person, die beruflich auf der Suche ist, und die sich ihr stellenden Anforderungen näher zu betrachten, gehen wir anschließend auf Fragen des Selbstmanagements und der Selbstführung ein. Zur Beraterkompetenz trägt darüber hinaus bei, sich mit wissenschaftlichen Zugängen zu Laufbahnfragen auseinanderzusetzen. Daher werden wir uns Konzepte zur Beschreibung und Erklärung des Berufswahlverhaltens anschauen und traditionelle Theorien in Abgrenzung zu systemischkonstruktivistischen Modellannahmen diskutieren.

Wie alles beginnt – vom Traumberuf zur Berufsorientierung

Wie alles beginnt – vom Traumberuf zur Berufsorientierung Den Beginn berufsbezogener Überlegungen bildet eine Phase der Traumberufe im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren (Meixner, 1996). In dieser Zeit werden von Jungen Berufe wie Polizist, Fußballstar, Pilot, Profisportler und LKW-Fahrer angegeben und Mädchen nennen häufig Ärztin, Krankenschwester, Erzieherin, Kindergärtnerin und Lehrerin (Walper u. Schröder, 2002). Es ist anzunehmen, dass Medieneinflüsse aktuell zu weiteren Traumberufen wie Model, Popstar und Tierpflegerin führen. In den folgenden Lebensjahren findet eine Hinwendung zu den Berufen des Arbeitsmarktes statt, die für die eigene Berufswahl relevant sind. Dabei richten sich die Überlegungen zumeist noch stärker an Idealen der Berufsbilder (zum Beispiel der Tierpflegerin, dem Computerfachmann) als an ihrer alltäglichen Berufsrealität aus. In diese Vorstellungen werden auch familiäre Vorbilder und erste Erfahrungen mit Tätigkeitsformen und Arbeitsfeldern (zum Beispiel im Werkunterricht, an Projekttagen) integriert. Im Alter von 14 bis 15 Jahren beginnt die eigentliche Berufsorientierung. Diese beschreibt den auf die Berufs- bzw. Bildungsentscheidung hinführenden Prozess, in dem eine intensivere Auseinandersetzung mit der Berufswelt im Allgemeinen, speziellen Berufsbildern, den betrieblichen Arbeitssituationen und den individuellen Voraussetzungen für das Erreichen einer Berufsposition (Interessen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, formale Zugangsvoraussetzungen und anderes) stattfindet (siehe dazu Kahlert u. Mansel, 2007). Die Berufsorientierung wird institutionell von den Schulen in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit begleitet. Vermehrt werden dabei auch andere Akteure wie Betriebe, Berufsvertreter und Beratungsunternehmen eingebunden. Die institutionelle Unterstützung der Berufsorientierung geschieht im Rahmen des Berufswahlunterrichts (mit dem Schwerpunkt Informationsvermittlung) durch Praxisphasen (insbesondere Schülerbetriebspraktika), durch Praxisbesuche (zum Beispiel in Betrieben, bei der Arbeitsagentur, auf Berufsmessen), durch Trainings (die zum Beispiel die Anfertigung von Bewerbungsunterlagen und die Simulation von Bewerbungsgesprächen beinhalten) und durch Tests oder testähnliche Erprobungen (zum Beispiel Berufseignungstests bei der Arbeitsagentur, Bewerbungstests, Potenzialanalysen; zu Berufsorientierungsprojekten siehe Famulla et al., 2008). Aufgrund der Realsituation kommt dabei den betrieblichen Praktika aus der Sicht der Jugendlichen eine besondere Bedeutung für die Berufsentscheidung zu (Ahrens, 2007).

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Die Berufsorientierung soll dazu beitragen, die Berufswahlkompetenz der Jugendlichen zu fördern. Berufswahlkompetenz fokussiert auf folgende für die Berufsentscheidung zentralen Fragen: »(1) Wer bin ich und wie sehe ich mich? (2) Wie werde ich gesehen? (3) Welche Alternativen und Ziele habe ich? (4) Wie kann ich meine Ziele erreichen?« (Moser u. Schmook, 2006, S. 251). In diesem Sinne kann sie als Teil der Persönlichkeitsentwicklung gesehen werden und erfordert von den Jugendlichen einen Ausschluss beruflicher Optionen. Wie andere entwicklungspsychologische Prozesse ist dies mit der Erprobung und Selbstanalyse eigener Erfahrungen, Werte, Interessen und Kompetenzen verbunden. In der Literatur und in der öffentlichen Diskussion finden sich darüber hinaus die Begriffe Berufswahlreife und Ausbildungsreife. Beide sollen die für eine tragfähige Berufswahl bzw. den Beginn einer Ausbildung notwendigen persönlichen Voraussetzungen erfassen (Rebmann u. Tredop, 2006). Der Begriff der Berufswahlreife wird heute zumeist durch den Kompetenzbegriff ersetzt, da der Begriff der Reife ein biologistisches Entwicklungsverständnis nahelegt (Mörth u. Söller, 2005, S. 140). Der direkte Übergang aus dem allgemeinbildenden Schulsystem gestaltet sich für einen Teil der Jugendlichen schwierig. Auf die sich im Zusammenhang mit dem Übergang Schule – Beruf ergebenden Anforderungen wird im Folgenden eingegangen. Der berufliche Entscheidungs- und Problemlöseprozess im Engeren lässt sich in eine Sequenz aufeinander aufbauender Schritte zergliedern. Peterson, Sampson und Reardon (1991, S. 231) benennen unter Bezug auf Studien aus der kognitiven Psychologie folgende Schritte: 1. Problemdefinition und Analyse der Ursachen, 2. Handlungsalternativen bestimmen, 3. Bilden einer Rangreihe von Handlungsalternativen, 4. Treffen einer Wahl, 5. Umsetzen der Lösung und Bewertung der Ergebnisse. Die Autoren verweisen bei komplexen beruflichen Entscheidungen auf die Relevanz von Metakognitionen (Ich-Bewusstsein und Selbstreflexion) sowie die Notwendigkeit der Überwachung und Kontrolle des Prozesses der Informationssuche und Entscheidung (siehe auch Peterson, Sampson, Lenz u. Reardon, 2002).

Risikominimierung oder Systeme laden zum Übergang ein

Risikominimierung oder Systeme laden zum Übergang ein Der Begriff des Übergangs (transition) findet sich erstmals bei Cottrell (1942). Ein Übergang beschreibt danach einen Rollenwechsel, den der Einzelne durch Anpassungsprozesse an die von der Umwelt gestellten Anforderungen bewältigt. Mortimer und Simons (1978) sehen den Berufsübergang durch das Lernen von Werten, Normen, Einstellungen und von interpersonalem und fachlichem Wissen geprägt, wobei sich dieser Lernprozess an kulturell geprägten Vorgaben für altersgemäßes Verhalten, Kompetenzen, Normen und Werten orientiert. Lang-von Wins und Triebel (2012, S. 7) charakterisieren das Gemeinsame der vielgestaltigen beruflichen Brüche in Erwerbsbiografien, indem sie feststellen, »dass zwar ein positiv bewertetes Ziel vorhanden ist, dessen Erreichen aber mit so großen Schwierigkeiten verbunden ist, dass in vielen Fällen eine Umorientierung notwendig ist.« Diese Begriffsbestimmung hebt die Bewältigungsanforderungen, die zur Zielerreichung notwendig sind, hervor. Die sich stellenden Anforderungen (neue Wege zur Zielerreichung, neue Zielbestimmung) prägen demgemäß die Situation der handelnden Person im Übergang. Eine funktionalistische Perspektive zielt auf eine prozess- und ergebnisorientierte Betrachtung des Übergangs. Danach stellt ein Berufsübergang eine Intensivierung und Beschleunigung von Lernprozessen in Abhängigkeit vom Ausmaß der Veränderungsanforderungen dar (Ist-Soll-Differenz). Für jugendliche Berufseinsteiger ist die Anpassung an bestehende betriebliche Strukturen beim Beginn einer betrieblichen Ausbildung vorrangig. Auf dem Hintergrund der gewachsenen Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung und interessenorientierter Berufswahl (von Rosenstiel, 2006, S. 28 ff.) ist die Frage nach den Gestaltungsmöglichkeiten der konkreten Ausbildungssituation jedoch auf beiden Seiten (bei Ausbildern und Auszubildenden) zu stellen. Betrachtet man den Übergang Schule – Beruf, so lassen sich in diesem Prozess folgende Teilanforderungen unterscheiden (siehe Balz, 2005): ȤȤ Orientierung hinsichtlich der Anforderungen und Rahmenbedingungen der Mitarbeiterrolle im spezifischen Betrieb, der Berufsschule bzw. in der schulischen Berufsausbildung, dem Lehrgang oder Studium; ȤȤ Selbstexploration eigener Fähigkeiten, Interessen, Kenntnisse, Fertigkeiten im Hinblick auf den konkreten Ausbildungsbetrieb bzw. Bildungsgang; ȤȤ Entscheidung über die Aufnahme der Ausbildung bzw. des Bildungsgangs, ȤȤ bei Umorientierung (bzw. Misserfolg): Alternativwegplanung im Bildungsweg und/oder hinsichtlich des Berufsziels;

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ȤȤ soziale Integration in den betrieblichen Kontext und Harmonisierung mit der persönlichen Alltagsplanung im familiären Kontext; ȤȤ Harmonisierung von Lebenswelten (familiärer und Freizeitbereich mit der Arbeitswelt) hinsichtlich bestehender Wertemuster, Regeln, Anforderungen und Zeitstrukturen; ȤȤ Bewältigung der theoretischen und berufspraktischen Anforderungen während der Berufsausbildung. Bei der Analyse des beruflichen Übergangs im Engeren überträgt Super (1994) die in seinem Lebensstufen-Modell entwickelten Phasen. Danach besteht ein Minizyklus ebenfalls aus einem Wachstums-, Explorations-, Etablierungs-, Erhaltens- und Rückzugsstadium. Die Wachstums- und Explorationsphase beschreiben den Einarbeitungsprozess, in dem zum einen das Erkunden der neuen Berufsrolle mit seinen inhaltlichen und sozialen Anforderungen stattfindet (Exploration) und zum anderen das Erlernen der neuen Arbeitsabläufe und sozialen Rollen erfolgt (Growth). In der Etablierungsphase steht nicht mehr das Lernen im Vordergrund, Super beschreibt hier insbesondere das SichBehaupten, Stabilisieren und Weiterentwickeln in der Berufsposition als kennzeichnend für diese Phase. Die Erhaltungsphase kennzeichnet das Sichern des erreichten beruflichen Status, eigeninitiative Neuerungen sind für diese Phase nicht kennzeichnend. Am Ende der Phase kann es zu Sinnkrisen und zur Neubestimmung von beruflichen Zielen kommen. Dies leitet dann auch die Rückzugsphase bzw. die Neuorientierung auf eine andere berufliche Tätigkeit bzw. einen höheren beruflichen Status ein. In jedem Berufsübergang kommt es zu einem derartigen Minizyklus und im Lebenslauf typischerweise zu mehreren derartigen Minizyklen. Das Einleiten eines neuen Minizyklus – von Super durch eine Destabilisierung des Individuums (Destabilization) ausgelöst – kann eigenmotiviert oder fremdverursacht erfolgen, eigenmotiviert durch eine Veränderung der Berufs- bzw. Lebensziele und der persönlichen Werteorientierungen und fremdverursacht durch konjunkturelle Schwankungen, Firmenschließung, Krankheit und anderes. Insbesondere bei fremdverursachten Berufsübergängen (zum Beispiel Erwerbslosigkeit) besteht die Gefahr erheblicher psychischer Belastungen. Auch ist der Übergang durch das Ausmaß der Destabilisierung zu charakterisieren. Neben dem problemlosen Übergang in eine neue Berufsaufgabe (zum Beispiel gleiche Aufgabe und hierarchische Position in einer anderen Abteilung des gleichen Betriebs) kann es zu einer grundlegenden Destabilisierung kommen. Dies hängt von der Vorhersagbarkeit des Übergangsverlaufs und der Vorbereitung darauf, von der individuellen und gesellschaft-

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lichen Bewertung des Ereignisses, dem Ausmaß der Änderungsanforderungen, den Fähigkeiten, Kompetenzen und dem (Vor-)Wissen der Person ab. Berufliche Übergangsprozesse beschreibt Nicholson (1987) in vier Phasen, die von einer Person in ihrem Berufsleben (beim Wechsel der Arbeitsinhalte, der Position oder des Betriebs, also je nach Berufsleben mehr oder weniger oft wiederholt) durchlaufen werden: 1. Antizipationsphase (Preparation): Diese Phase bezeichnet den Zeitraum vor dem Berufsübergang. Er ist durch die Entwicklung beruflicher Zielsetzungen, Erwartungen und Handlungen charakterisiert. Hinzuzurechnen sind die Bemühungen um die Realisierung der Zielvorstellungen (Ausbildungsplatzsuche, Bewerbungsverfahren und anderes). 2. Berufliche Einstiegsphase (Encounter): Hier findet die erste Konfrontation mit den neuen Arbeitsbedingungen, -anforderungen sowie den Ausbildern und Arbeitskollegen statt. So stellen beispielsweise die ersten Tage in einer Ausbildung bzw. Arbeitsstelle vielfältige neue soziale, kognitive und emotionale Anforderungen. 3. Anpassungsphase (Adjustment): Es finden die Abstimmungs- und Anpassungsprozesse der Person bzw. der Organisation statt. Diese Phase ist in besonderer Weise durch Aushandeln und Lernen geprägt. 4. Stabilisierungsphase (Stabilization): In diesem Abschluss des Übergangszyklus verlangsamt sich das Veränderungstempo und der Prozess der Umstellung ist auf einem neuen funktionalen Niveau angelangt. In der arbeitspsychologischen Literatur wird der Antizipationsphase für den Verlauf des Umstellungs- und Problemlöseprozesses ein besonderes Gewicht gegeben (Hacker, 1983, S. 319). Im Kontext der Berufswahl hat dabei die aktive und eigenständige Exploration eine besondere Bedeutung. Das Explorationsverhalten richtet sich dabei einerseits auf die eigene Person und andererseits auf berufliche Interessen, Fähigkeiten, Werte und Normen. In enger Beziehung zur Selbstexploration ist die Umfeldexploration zu sehen, das heißt das Aneignen berufskundlicher Informationen – also von Informationen zu Fragen wie: Welche Berufe und Berufsfelder gibt es? Welcher Beruf bzw. Berufspfad kommt in Betracht für mich und welche betrieblichen oder schulischen Maßnahmen bis hin zum Studium sind für den jeweiligen Berufspfad erforderlich? Den Übergang von Neulingen (College-Studenten) charakterisiert Wanous (1976) durch den Wandel naiver Erwartungen hin zu einer realistischen

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Situationseinschätzung. Die Bedeutung realistischer Berufserwartungen und -ziele betonen zahlreiche Autoren (siehe Louis, 1980a). Sind Ausgangserwartungen (zum Beispiel an die soziale Unterstützung in der Ausbildung) demgegenüber deutlich höher als in der dann tatsächlich vorgefundenen Berufsrealität, tritt ein Effekt der »nicht eingelösten Versprechungen« (broken promise effect, 1980b, S. 228) ein, ein Prädiktor für frühzeitiges (Wieder-)Ausscheiden von Neulingen. In diesem Sinne ist es auch zu interpretieren, dass in einer Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung das Nichteintreffen von Vorstellungen über den Ausbildungsberuf von circa 30 % als Ursache für das vorzeitige Beenden ihrer Berufsausbildung angegeben wurde. In Befragungen über die Abbruchgründe nennen Jugendlichen insbesondere betriebliche Konflikte mit Ausbildern und Arbeitskollegen (60 %) und die ungenügende Vermittlung der Lerninhalte (43 %; siehe Althoff, Brosi, Troltsch, Ulrich u. Werner, 2003). Bei der beruflichen Exploration sind die Eltern von großer Bedeutung. Sie wirken als Berufsmodelle und Vermittler von leistungsbezogenen Werten und Normen (Beinke, 2006). Auch ist der Elterneinfluss bei der Realisierung von Bewerbungsbemühungen als soziale Unterstützung wirksam. So nutzen circa die Hälfte der Betriebe soziale Netzwerke (Familie, Bekannte usw.) zur Gewinnung von Mitarbeitern und in 29 % der besetzten Arbeitsstellen war das soziale Netzwerk der Bewerber ausschlaggebend (Klinger u. Rebien, 2009). Im Analogieschluss ist anzunehmen, dass die Eltern und das nahe soziale Umfeld auch bei der Ausbildungsplatzgewinnung eine Art Türöffner-Effekt haben. Berufliche Übergänge unterscheiden sich: ȤȤ im Lern-/Veränderungstempo und dem Lern-/Veränderungsumfang, ȤȤ in den Anforderungsbereichen (soziale Kompetenzen, fachliches Wissen und Fertigkeiten, Werte und Normen und anderes), ȤȤ in der Veränderungsrichtung (Anpassung versus Innovation), ȤȤ in den Ursachen/Motiven (selbstmotiviert versus fremdverursacht), ȤȤ im zeitlichen Verlauf (altersgruppenentsprechend normativ versus nicht altersentsprechend) und ȤȤ in den Übergangspfaden (Grad der Vorhersagbarkeit, Mittel der Zielerreichung). Der erste Übergang aus dem schulischen in den Berufskontext kann sicher als besondere Herausforderung beschrieben werden, da die Jugendlichen einen Systemwechsel aus einem Lern- in ein Arbeitssystem vollziehen müssen.

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Übergang Schule – Beruf Der zahlenmäßige Zuwachs von Maßnahmen im Übergang Schule – Beruf fand in den 1990er Jahren statt. Dieser Auf- und Ausbau galt dem Ziel, den Mangel an betrieblicher Berufsausbildung zu kompensieren und Jugendliche besser in ihrer Berufsvorbereitung zu unterstützen. Im Jahr 2013 wurden über 250.000 Jugendliche und junge Erwachsene im Rahmen solcher Maßnahmen gefördert (Bundesinstitut für Berufsbildung, 2014, S. 10). Maßnahmen im Übergang Schule – Beruf habe neben der Funktion der Überbrückung beim Mangel an wählbaren und attraktiven Ausbildungsoptionen die Zielsetzung, Jugendlichen verbesserte Startchancen für eine Ausbildung zu vermitteln. Für die Notwendigkeit einer verbesserten Vorbereitung auf eine Berufsausbildung spricht auch die Quote der vorzeitigen Vertragslösungen von Ausbildungsverträgen von 24,4 %. In handwerklichen Berufen lag dieser Prozentsatz vergleichsweise hoch, eine deutlich geringere Abbruchquote findet sich demgegenüber im Öffentlichen Dienst (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2014, S. 162). »Studien […], die Auszubildende und Ausbildungsbetriebe (sowie teilweise auch Berufsschulen) direkt nach den Ursachen von vorzeitigen Vertragslösungen befragen, kommen zu dem Ergebnis, dass Auszubildende mit vorzeitig gelöstem Vertrag überwiegend Gründe wie Konflikte mit Ausbildern und Vorgesetzten, eine mangelnde Ausbildungsqualität und ungünstige Arbeitsbedingungen nennen. In geringerem Maße werden auch persönliche und gesundheitliche Gründe sowie falsche Berufsvorstellungen genannt. Betriebe nennen überwiegend mangelnde Ausbildungsleistungen der Auszubildenden und deren mangelnde Motivation oder Integration in das Betriebsgeschehen« (S. 163). Sieht man vom Hochschulbereich ab, lassen sich drei große Sektoren der Berufsbildung ausmachen, die sich in Zielsetzung, institutioneller Struktur und Teilnehmerkreis unterscheiden (Arbeitsgruppe Bildungsberichterstattung, 2014, S. 98 f.): ȤȤ das duale System der Berufsausbildung mit betrieblichen und schulischen Ausbildungselementen (2013 belief es sich auf 497.427 Personen, das heißt auf 51,4 %); ȤȤ das Schulberufssystem, in dem in vollzeitschulischer Form vor allem auf Berufe des Gesundheits- und Dienstleistungssektors hin ausgebildet wird (2013 belief es sich auf 212.241 Personen, das heißt auf 21,9 %); ȤȤ das Übergangssystem, das im Gegensatz zu den beiden anderen Sektoren keinen vollqualifizierenden Abschluss, sondern berufsvorbereitende Kompetenzen und schulisches Wissen zur Aufnahme einer Ausbildung vermitteln soll (2013 belief es sich auf 257.626 Personen, das heißt auf 26,6 %).

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Das Übergangssystem Schule – Beruf soll den Jugendlichen eine Kombination aus schulischem Lernen, einem vertiefenden Einblick in Berufsfelder und arbeitsbezogenes Training bieten. Angebote richten sich an Jugendliche ohne Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz, bei denen es darum geht, die formalen und/ oder persönlichen Voraussetzungen (zum Beispiel Schulabschluss, Berufskenntnisse, -interessen und Fähigkeiten) für die Aufnahme einer Berufsausbildung bzw. das Finden eines Arbeitsplatzes zu verbessern. Sehr bekannt sind in diesem Zusammenhang das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) und Berufsgrundschuljahr (BGJ), zahlenmäßig stellen die ein- und zweijährigen Berufsfachschulen in den verschiedenen Berufsfeldern jedoch den größten Anteil. Im Berufsspektrum gewinnen die Pflege- und Erziehungsberufe dabei erheblich an Gewicht (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2014, S. 99). Das Übergangssystem ist längst zu einer der Regelkomponenten an der ersten Schwelle geworden. Jugendliche ohne Schulabschluss, mit Hauptschulabschluss und mit Migrationshintergrund sind hier besonders stark vertreten. »Mündet bei den deutschen Neuzugängen jeder Vierte ins Übergangssystem, so ist es bei den Ausländern fast die Hälfte. Bei den unteren Schulabschlusskategorien steigen bei den ausländischen Jugendlichen die Einmündungsquoten im Übergangssystem auf annähernd 85 % bei Neuzugängen ohne Hauptschulabschluss und auf fast drei Fünftel mit Hauptschulabschluss« (S. 100). Inzwischen werden Zweifel an der Leistungsfähigkeit dieses Übergangssystems formuliert. Kritisch wird gefragt, inwiefern das Durchlaufen derartiger Maßnahmen zur Verbesserung der Chancen zum Erhalt eines Ausbildungsplatzes beiträgt und die weitere Berufslaufbahn befördert (Bojanowski, 2008; Heisler, 2010). Zur Frage des Berufsentscheidungsverhaltens liegen Ergebnisse aus dem Übergangspanel des Deutschen Jugendinstituts (DJI) vor (Gaupp, Lex, Reißig u. Braun, 2008). Die Befragung von Hauptschulabsolventen (2400 Schüler und Schülerinnen aus 126 Schulen im Zeitraum von 2004 bis 2007) startete in der Abschlussklasse 10 und begleitete die Jugendlichen mit halbjährlichen Folgebefragungen. Die zentralen Ergebnisse sind: ȤȤ Für die Jugendlichen bilden die Mitglieder der Herkunftsfamilie die wichtigsten Ansprechpartner, diese können, insbesondere bei Ausländern und Familien mit Migrationshintergrund, häufig jedoch kaum praktische Unterstützung bei der Ausbildungsplatzsuche geben. Die Jugendlichen nennen dann die Lehrer häufiger als wichtigste Ansprechpartner. ȤȤ Bildung und Ausbildung haben eine große Bedeutung. Eine Berufsausbildung planten zum Zeitpunkt der ersten Befragung 44 % der Jugendlichen, 27 % beabsichtigten den weiteren Schulbesuch und 14 % wollten an

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einer berufsvorbereitenden Maßnahme teilnehmen. Nur 2 % beabsichtigten gleich nach der Schule zu arbeiten und 6 % hatten noch keine Vorstellungen. Der Zwang zur Um- bzw. Neuorientierung traf insbesondere die nicht in Deutschland geborenen Jugendlichen. Zum Teil war es notwendig, sich binnen weniger Monate mehrfach umzuorientieren. Jungen mit guten Schulnoten und deutsche Jugendliche mit mittlerem Bildungsabschluss hatten deutlich bessere Aussichten, ihre ursprünglichen Pläne zu realisieren. Berufsvorbereitende Maßnahmen stellten dabei die Auffanglösung dar, wobei diese von Jugendlichen, die dazu keine Alternative hatten, hinsichtlich ihres Nutzens häufig skeptisch beurteilt wurden. Unter den von den Jugendlichen genannten Problemen und Sorgen stand die Sorge um die Bildungsperspektive bzw. die berufliche Zukunft an erster Stelle. Am stärksten belastet beschrieben sich Mädchen aus türkischen Familien und Aussiedlerfamilien. Dem Schülerbetriebspraktikum kommt eine wichtige Rolle im Berufsübergang zu. Von den Jugendlichen, die direkt nach dem Schulabschluss in eine Ausbildung übergingen, fand diese bei 61 % im früheren Praktikumsbetrieb statt, bei den Jugendlichen ohne Schulabschluss sogar zu 87 %. Von den Jugendlichen, die eine Ausbildung direkt nach dem Hauptschulabschluss planten, konnte knapp die Hälfte diese Absicht auch umsetzen. 60 % der Jungen und 47 % der Mädchen begannen zwischen 2004 und 2006 eine Ausbildung. Gegenüber der Gesamtgruppe (in der 54 % eine Ausbildung begannen) konnten  – beispielhaft für die Teilgruppe mit Migrationshintergrund – von den in der Türkei geborenen Jugendlichen 45 % eine Berufsausbildung beginnen.

Kritisch resümieren Gaupp, Lex, Reißig und Braun (2008), dass die berufsvorbereitenden Maßnahmen im Übergangssystem nur zum Teil ihre kompensatorische Funktion (Verbesserung der Chancen auf den anschließenden Erhalt eines Ausbildungsplatzes) erfüllen. Im Durchschnitt verlängere sich der Zeitraum bis zur beruflichen Integration. Gefordert wird von den Autoren insbesondere ein regionales Übergangsmanagement, um den verschiedenen Teilgruppen der Hauptschüler, die mit sehr heterogenen Voraussetzungen in die Berufsfindung starten, in Abhängigkeit von ihren individuellen Voraussetzungen und dem regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt passgenaue Angebote zu unterbreiten (zum Übergangsmanagement siehe Kammerer u. Gref, 2008). Aus den bisherigen Ausführungen zum Übergang von der Schule in den Beruf lassen sich abschließend zu erbringende Leistungen in Bezug auf das Karrierecoaching ableiten.

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Anforderungen für den Karrierecoach in der Arbeit mit Jugendlichen: –– Die berufliche Landkarte der Jugendlichen ist (noch) in der Entwicklung begriffen. Insofern sind Unklarheit und Offenheit normal. Auch gilt es immer in Alternativen zu denken und Eindeutigkeiten eher in Frage zu stellen. Die Arbeit mit dem Plan B als mögliche Option reduziert die Fixierung auf einen Berufsweg und hilft, mögliche Versagensängste bei den Jugendlichen zu verringern. –– Die Eltern der Jugendlichen sind als Ko-Berater in den Prozess zu integrieren. Dies kann durch gemeinsame Gespräche, aber auch durch die gedankliche Einbeziehung relevanter familiärer Akteure geschehen. In gleicher Weise sind bedeutsame andere Personen einzubeziehen, beispielsweise Lehrer oder Bezugspersonen aus der Gleichaltrigengruppe. –– Im Coaching gilt es, Praxiserfahrungen als reale Anker zu nutzen, aus ihnen Entscheidungskriterien abzuleiten und berufspraktisches Handeln zu initiieren und mit dem Jugendlichen zusammen auszuwerten. –– Bei der individuellen Situation ist nach weiteren lebensbiografischen Einflüssen (in Vergangenheit und Zukunft) außerhalb des Berufslebens zu fragen und gemeinsam zu überlegen, inwiefern diesen eine Relevanz im Hinblick auf berufliche Entscheidungen zukommt (zum Beispiel Familienentwurf, längere Krankheiten, Handicap). Es ist nötig, eine berufs- und arbeitszentrierte Verengung im Coaching zu vermeiden. –– Arbeitsökonomisch ist es oft sinnvoll, in der Negativabgrenzung nach Ausschlusskriterien zu suchen (zum Beispiel Berufe im Büro, technische Berufe). Erfahrungsgemäß ändern sich diese Ausschlusskriterien kaum. Auch kann das Einverständnis mit dem Jugendlichen, dass er nicht in diese Richtung gedrängt wird, das Vertrauensverhältnis stärken. –– Der Karrierecoach muss einen Zugang zu den regionalen Angeboten für die Berufsvorbereitung haben. Aber Achtung vor vorschneller stellvertretender Entscheidung. Das heißt für den Karrierecoach, möglichst nicht in dem Bewusstsein zu handeln, dass die Information als entscheidungsbegründend in die Beratung eingebracht werden und der Jugendliche der daraus abgeleiteten Empfehlung folgen müsse, sondern in dem Bewusstsein, eine für die Entscheidung nützliche, relevante und vom Jugendlichen mit zu bedenkende Information zur Verfügung zu stellen. –– Informationen und deren Beschaffung sind bedeutsam, jedoch sollte ein Unterschied zwischen Erwachsenen-Informationen und Jugendlichen-Informationen insbesondere bei Fragen nach Werten, Zielen, Lebensstilen und Zukunftsentwürfen gemacht werden. Also wäre vorsichtig zu fragen, wie diesbezüglich in der Jugend(-Szene) bzw. bei Gleichaltrigen gedacht wird. Der Coach sollte als Vermittler, Moderator und Unterstützer bei der Erprobung von Berufsoptionen aktiv werden.

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Outplacement Der Begriff Outplacement wurde erstmalig für die berufliche Reintegration von amerikanischen Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg verwendet. In Europa fand er seit den 1980er Jahren verstärkt Anwendung, um Unterstützungsmaßnahmen für Organisationsmitglieder beim Verlassen der Organisation zu beschreiben (Mayrhofer, 1989). »Outplacement ist eine freiwillige Personaldienstleistung für von Personalabbau betroffene Mitarbeiter, die in der Regel vom Arbeitgeber finanziert wird. Sie umfasst die zeitlich befristete beratende und trainierende Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung. Ziel der Maßnahme ist die möglichst rasche Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit, die den Qualifikationen und Bedürfnissen des Mitarbeiters entspricht« (Lohaus, 2010, S. 5).

Outplacement ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff des Outsourcings, der die Ausgliederung von Teilen des Planungs-, Produktions- und Verwaltungsprozesses eines Unternehmens an externe Auftragnehmer meint. Eine thematische Verbindung besteht zu den Begriffen Transfer- und Beschäftigungsgesellschaft, die Ziele verfolgen, die mit denen des Outplacements identisch sind. Transfer- und Beschäftigungsgesellschaften sind eigene betriebliche Einheiten oder Ausgründungen, die die Verbesserung der Beschäftigungsperspektiven ihrer Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellen. Diese werden dann durch die Arbeitsagentur finanziert (Transferkurzarbeitergeld und eventuell den europäischen Sozialfond), je nach Betrieb durch betriebliche Finanzierung als zusätzliche Lohnersatzleistung oder zur beruflichen Qualifizierung aufgestockt. Beiden Begriffen haftet die mit dem Begriff Outplacement verbundene, negative Konnotation deutlich weniger an. Als beraterische Themen im Outplacement finden sich insbesondere Fragen zur Gestaltung beruflicher Übergänge, zur Entwicklung neuer beruflicher Perspektiven, zur Aufarbeitung des Trennungserlebens und zum Umgang mit psychischen Belastungen beim einzelnen Mitarbeiter. Hierzu wurden theoretische Anleihen aus der Sterbe- und Trauerforschung, der Stress-Bewältigungsforschung und aus Theorien der Berufswahl gemacht, ohne dass von einer eigenen theoretischen Konzeption zum Outplacement und seinem Prozessverlauf gesprochen werden kann. Bereits längere Zeit vor der letztendlichen Entscheidung für einen Personalabbau im Kontext einer Insolvenz, einer Produktionsverlagerung bzw. einer Rationalisierung verändern sich die betriebliche Situation und das Arbeits-

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klima. Besonders langjährige Mitarbeiter besitzen ein ausgeprägtes Gespür für kleinere Veränderungen: Mangelt es an Aufträgen, Material oder neuer Technologie? Werden Erneuerungs- und Renovierungsarbeiten versprochen, aber dann immer wieder aufgeschoben? Gibt es Versetzungen von Mitarbeitern in andere Abteilungen? Finden auffällig viele Besprechungen auf der Leitungsebene statt? Reagiert der Vorgesetzte gereizter als sonst? Diese Vorboten von Veränderungsprozessen lösen bei den Mitarbeitern emotionale Belastungen, Zukunftsängste und Stress aus. Mitarbeiter verstehen es nicht, dass ihre Mitarbeit plötzlich nicht mehr gebraucht und die gefertigten Produkte plötzlich keinen Wert mehr haben. Diesbezügliche Prozesse wurden in empirischen Studien im Rahmen der Erwerbslosigkeitsforschung untersucht. Insbesondere der Vertrauensverlust, die persönliche Ungewissheit und die mit den Veränderungen verbundenen Existenzängste sind empirisch nachgewiesen (Zempel, Bacher u. Moser, 2001). In dieser Situation beginnt ein Teil der Mitarbeiter bereits die berufliche Umorientierung. Diese als proaktives Verhalten bezeichneten Problemlösestrategien finden sich besonders bei hoch qualifizierten, jungen und regional flexiblen Mitarbeitern, die dann häufig auch den Betrieb frühzeitig verlassen. Mit der Entscheidung, ein Outplacement zu finanzieren, verbindet das Unternehmen an die teilnehmenden Mitarbeiter die Bedingung, einen Auflösungsvertrag abzuschließen und damit auf juristische Schritte, die nach einer Kündigung möglich wären, zu verzichten. Eine vertragliche Vereinbarung mit den Mitarbeitern stellt somit Rechtssicherheit her. Als Nutzen lässt sich darüber hinaus die Chance beschreiben, dass zu den entlassenen Mitarbeitern eine positive Beziehung bewahrt wird und diese für den Fall einer späteren Arbeitskräftesuche leichter wieder gewonnen werden können. Auch wirkt sich dies positiv auf die Motivation und die Betriebsbindung der verbleibenden Mitarbeiter aus. Einen Imageverlust zu vermeiden, ist nicht nur in Bezug auf das unmittelbare soziale Umfeld der Mitarbeiter bedeutsam, sondern auch in Bezug auf die Kunden, Geschäftspartner und Öffentlichkeit (Berg-Peer, 2003). Für die Mitarbeiter besteht der Nutzen in einer Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung. Dies kann in Richtung einer direkten Arbeitsstellensuche, der Klärung von beruflichen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, der Sondierung von Perspektiven der Selbständigkeit gehen, aber bei älteren Mitarbeitern auch auf das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und der Klärung diesbezüglicher Belange gerichtet sein. Es wird in der Gruppe der freigesetzten Mitarbeiter ein gemeinsames Schicksal erfahren, das eine Chance für wechselseitige Solidarisierungs- und Unterstützungsprozesse bietet (Andrzejewski,

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2008). Insbesondere trägt es dazu bei, die Individualisierung von Schuld und Versagen bei der Erklärung der eigenen Entlassung zu vermeiden. Im Outplacement unterscheidet man zwischen Einzel- und Gruppen­ outplacement. Einzeloutplacement entspricht der ursprünglichen amerika­ nischen Form des Angebots an Fach- und Führungskräfte zur Unterstützung ihrer beruflichen Perspektivsuche. Gruppenoutplacement wird von der Unternehmensleitung größeren Gruppen von Mitarbeitern unterschiedlicher Hierarchiestufen angeboten (Bundesverband Deutscher Unternehmensberater, 2008). Auch unterscheidet der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater zeitlich befristetes vom unbefristeten Einzeloutplacement. Unbefristetes Einzeloutplacement für Fach- und Führungskräfte wird bis zum Erfolgsfall finanziert. Die zeitlich befristeten Einzelcoachings dauern überwiegend zwischen drei bis zwölf Monaten. In der Praxis der Gruppenoutplacements beträgt die Dauer in der Regel zwischen sechs bis zwölf Monaten. Hinsichtlich ihrer methodischen Arbeitsweise sind Einzel- und Gruppen­ outplacement grundsätzlich vergleichbar. In der Studie des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (2008) wird das Einzelcoaching als intensiver und spezifischer auf die Einzelperson zugeschnitten beschrieben. So beginnt es bereits mit einem Auffanggespräch, das – unmittelbar nach Bekanntgabe der Trennung durch den Outplacementberater geführt – zur Bearbeitung der emotionalen Reaktionen dient. Hierzu muss das Unternehmen jedoch bereits ein Outplacementunternehmen mit dieser Maßnahme beauftragt haben. Outplacement: Teilschließung der Automation Herr Müller betritt das provisorisch eingerichtete Beratungsbüro in der verlassenen Verwaltungsetage. Mit hängenden Schultern und leerem Blick wirkt er auf mich unbeteiligt, beinahe abwesend. Ich nehme mir in unserem Erstgespräch nach der Informationsveranstaltung der Unternehmensleitung über die Teilbetriebsschließung Zeit, meine Aufgabe und die möglichen Hilfsangebote im Outplacement ausführlich vorzustellen und ihn kennenzulernen. Im Gespräch erfahre ich, dass Herr Müller (36 Jahre alt) mit seiner Familie (Frau 32 Jahre, Tochter vier Jahre) vor sechs Jahren von Norddeutschland nach Mitteldeutschland gezogen ist, um hier eine finanziell attraktive Stelle als Mechatroniker anzutreten. Die Firma hatte als Autozulieferer damals volle Auftragsbücher, der Bereich Automation expandierte. Mit ihm fingen weitere Kollegen an, sodass er sich in seiner Entscheidung, sich mit seiner Familie hier niederzulassen, sicher fühlte. Zwischenzeitlich wurde die Firma verkauft und ein Teil der Produktion ins Ausland verlagert. Bereits vor einem Jahr gab es Gerüchte über eine Stilllegung, diese wurden aber von den Verantwortlichen entschieden dementiert. Er könne

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überhaupt nicht verstehen, warum es zur Produktionsverlagerung gekommen sei, erklärt mir Herr Müller. Am hiesigen Standort seien die richtigen Leute mit den richtigen Kompetenzen vor Ort. Ihn schmerze die Schließung, insbesondere, da die Familie nach Anlaufschwierigkeiten nun endlich Fuß gefasst habe. Seine Frau habe erst nach vielen Bewerbungen eine Anstellung im Einzelhandel gefunden. Ich bekomme heraus, dass die Müllers auf ihrer gemeinsamen Einkommensbasis ein Eigenheim in einer Neubausiedlung erwarben und heute hohe finanzielle Verpflichtungen haben. Nach der Teilschließung des Betriebes weiß Herr Müller nun nicht, ob es für ihn noch berufliche Möglichkeiten auf dem realisierten Einkommensniveau geben kann. Ich frage Herrn Müller nach seinen beruflichen Sternstunden. Mit deutlich aufgehellter Mine berichtet er davon, dass er eine komplexe Fertigungsstraße trotz Qualitätsmängel der Zulieferer zusammen mit seinem Team termingerecht aufgebaut habe und dadurch die Effektivität in diesem Bereich der Produktion nachhaltig habe steigern können. Ich habe den Eindruck, dass das Eis gebrochen ist.

Im geschilderten Fallbeispiel wird das Ineinandergreifen von emotionalen, kognitiven und Verhaltensaspekten (siehe auch Abbildung 2) deutlich. Einige Prozesse der Situationsverarbeitung sind: ȤȤ emotional: Umgang mit Enttäuschung, Wut, eventuell auch mit Rachegefühlen, persönlicher Entwertung, Hilflosigkeit, Zukunftsangst; ȤȤ kognitiv: Erklärung der betrieblichen Situation, Bewertung der eigenen beruflichen Leistung, Rückblick auf eigene berufliche Erfolge bzw. Misserfolge, Einschätzung der eigenen Berufschancen in einem vergleichbaren bzw. anderen Berufssektor; ȤȤ Verhaltensebene: sozialer Rückzug, Stellensuche, Kontaktaufnahme zur Arbeitsagentur.

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Verhalten Abbildung 2: Verhältnis von emotionalen, kognitiven und Verhaltensaspekten

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Daniela Lohaus (2010, S. 81) verweist darauf, dass in der Literatur die Teilschritte im Outplacement meist in Phasenmodellen beschrieben werden. Die Erkenntnisse der Literatur integrierend, formuliert sie die folgenden fünf Phasen des Unterstützungsprozesses für die ausscheidenden Mitarbeiter: 1. Affektbewältigung, 2. Potenzialanalyse und Zielfindung, 3. Konzeption Marketingstrategie, 4. Durchführung der Bewerbungskampagne, 5. neue Erwerbstätigkeit. Die Affektbewältigung richtet sich auf das emotionale Erleben nach der Übermittlung der Trennungsnachricht. »Die Ziele dieser Stufe bestehen darin, eine gute Arbeitsfähigkeit des Outplacementklienten sicherzustellen und durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen seine volle Konzentration auf die Aufgabe der beruflichen Neuorientierung zu richten. Die Ausrichtung auf die Zukunft ist zentral für diese Stufe der Beratung« (S. 82). Nur wenn es den Mitarbeitern gelingt, aus einer verklärenden Vergangenheitsorientierung bzw. anklagenden Vorwurfshaltung der Unternehmensführung gegenüber heraus und hin zu einer die Zukunft und die darin liegenden Optionen und Chancen sehenden Position zu gelangen, können die weiteren Prozessschritte mit Offenheit und persönlichem Engagement in Angriff genommen werden. Arbeitsprinzipien des Beraters müssen besonders in der Phase der Affektbewältigung kurz nach der Trennungsnachricht die Herstellung einer konstruktiven Arbeitsbeziehung, die Förderung der emotionalen Verarbeitung unter Einbeziehung familiärer Ressourcen, die Stärkung des Selbstvertrauens, die Herstellung von Transparenz über die Handlungsoptionen, die finanzielle Situation der Klienten und die im Outplacement anstehenden weiteren Arbeitsschritte sein. Hierfür sind systemische Methoden besonders geeignet.

Die Phase der Potenzialanalyse und Zielfindung basiert auf einer Beschreibung der Ist-Situation des Klienten: Was macht mich aus? Was kann ich? Wo liegen meine besonderen Kompetenzen? Was könnte ich beruflich alternativ anderes machen? Darüber hinaus dient diese Standortbestimmung im Sinne einer Ressourcenanalyse auch der Stärkung des Selbstvertrauens. Eine derartige Kompetenzbilanz hat nach Lang-von Wins und Triebel (2012, S. 48) die Funktion, »eine realistische, (selbst)wirksame, zielgerichtete und positive Veränderung zu ermöglichen.« Des Weiteren sind die Einschätzungen dieser Phase immer auch in Relation zu den Konkurrenzbedingungen des Arbeitsmarktes zu machen.

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In der Literatur finden sich für diese durch Selbstreflexion und Fremdeinschätzung geprägte Arbeitsphase verschiedene methodische Zugänge: biografische Selbstanalyseverfahren, die Auswertung von Fremdrückmeldungen (von – ehemaligen – Arbeitskollegen, Vorgesetzten, Kunden, Bekannten und Familienangehörigen) und psychologische Testverfahren. In der Selbstreflexion geht es um die Rückschau auf den bisherigen Be­rufs­ verlauf, in diesem Kontext erworbene Kompetenzen und Fertigkeiten, bereits gemeisterte kritische berufliche Übergänge und die dabei entwickelten Bewälti­ gungsstrategien und Ressourcen, die für die berufliche Weiterentwicklung zur Verfügung stehen. Wichtig sind auch die erreichten beruflichen Ziele (Positi­ onen in der Organisation, Verantwortlichkeiten und Zertifikate). An­fänglich geht es insbesondere um eine Selbstwertstärkung, erst im zweiten Schritt wird auch eine realistische Sicht auf die aktuellen Ausgangsbedingungen gesucht. Es gilt durchgängig, dazu anzuregen, die Beschreibungen, die zunächst meist auf einer allgemeinen Beschreibungsebene ablaufen, zu einer größeren Dif­ ferenzierung und Klarheit zu bringen. Die auf diese Weise erreichte Schärfe in den Beschreibungen wird sich dann auch für die Arbeitsstellensuche und das Auftreten in Vorstellungsgesprächen nutzen lassen. Die Fremdeinschätzung dient der Ergänzung und dem Korrektiv der Selbsteinschätzung. Auch sind Rückmeldungen, die von im Hinblick auf den Kunden bedeutsamen Personen emotional und verhaltensorientiert gegeben werden, von besonderer Relevanz. Diese Rückmeldungen können relativ unstrukturiert mündlich, aber auch in Form von Fragebögen bzw. in Briefform eingeholt werden. Wichtig sind die gemeinsame Auswertung mit dem Outplacementberater und die Bezugnahme auf eingeholte Fremdeinschätzungen bei der nachfolgenden Selbsteinschätzung. Lohaus (2010, S. 92) empfiehlt hier den Einsatz von systemischen Fragen, so zum Beispiel: »Würde Ihre Frau die Einschätzungen Ihres Vorgesetzten teilen oder wo würde sie Sie am ehesten einordnen?« Als besondere Form der Fremdeinschätzung finden häufig psychologische Tests Anwendung. Diese dienen dann der Einschätzung der Interessen, der beruflichen Motivationsstruktur, der Persönlichkeitseinschätzung und der intellektuellen Leistungsfähigkeit. Auch findet sich die Kombination von Verfahren im Assessment der Berufsberatung, eingesetzt insbesondere bei Fachund Führungskräften. Die Verwendung des auf diese Weise gewonnenen Expertenwissens – eine gängige Praxis – wird unter systemischen Gesichtspunkten an späterer Stelle noch kritisch zu diskutieren sein. Für die Entwicklung einer Marketingstrategie gilt es, die in der vorherigen Phase gesammelten Informationen und die erreichte Selbstklärung zu nutzen.

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Der Wechsel von der vergangenheitsorientierten Innenschau zur Außenorientierung ist besonders bei einer beruflichen Um- bzw. Neuorientierung (zum Beispiel in Richtung Selbständigkeit) anspruchsvoll, da es häufig an Informationen und der Sicherheit in der Selbst- und Markteinschätzung mangelt. Hier ist eine weitere Ausdifferenzierung der Handlungsplanung und der nächsten Aktivitätsschritte wichtig. Einer kritischen Prüfung und Ergänzung der Informationssuche (durch Internetrecherche und anderes) ist Netzwerkarbeit hinzuzufügen, das heißt, die Kontaktpersonen, zu denen auch die Familienangehörigen zu rechnen sind, sind über die beruflichen Veränderungsabsichten zu informieren und um relevante Informationen zu bitten und zu befragen. Mit den Familienangehörigen sowie weiteren wichtigen Personen des sozialen Netzwerks sind die möglichen beruflichen Konsequenzen verschiedener Perspektiven, mögliche Veränderungen im Familienleben und deren Akzeptanz bei den Partnern zu erörtern. Ergänzend zu den Marktstrategien ist es nötig, die finanziellen Fördermöglichkeiten für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie für eine unter Umständen erwogene berufliche Selbständigkeit zu klären. »Die Vermittlung von Experten-Knowhow ist kennzeichnend für die dritte Stufe, deren Ziel eine auf die einzelne Person zugeschnittene Marketingstrategie als Grundlage für die Stellensuche ist. Es geht darum, Kenntnis von offenen Stellen zu erlangen und sich selbst in angemessener Weise darzustellen« (Lohaus, 2010, S. 96). Ein wichtiger Teil des Beratungsprozesses regt den Klienten dazu an, die Perspektive der Adressaten einzunehmen: Worauf achtet der Personalverantwortliche beim Lesen der Bewerbung? Wie verschafft er sich einen Überblick über den Lebenslauf der Bewerber? Was erwartet ein Personalverantwortlicher im Vorstellungsgespräch? Woran wird er erkennen, dass ich für diese Tätigkeit geeignet und motiviert bin? Dieser Prozess kann durch die Gesprächssimulation von Telefonaten sowie die Videosimulation von Vorstellungsgesprächen und Kurz-Spots zur Selbstpräsentation produktiv initiiert und begleitet werden (Berg-Peer, 2003). Neben der Entwicklung eines Image geht es um das Training sozialer und kommunikativer Kompetenzen, das Feedback zur Außenwirkung (von Kleidung, Körperhaltung, sprachlichem und nichtsprachlichem Verhalten) und um die damit verbundene Erhöhung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Mit der Durchführung der Bewerbungskampagne  – sofern davon ausgegangen werden kann, dass die Arbeitsplatzsuche im Mittelpunkt steht – beginnt eine relativ pragmatische Phase des Outplacements, von vielen Klienten als Kern des Outplacements angesehen. Diese Phase betrifft die konkrete Stellensuche, das Schreiben von Initiativbewerbungen, die Feinabstimmung der

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Selbstpräsentation bei konkreten einzelnen Bewerbungen, das Vorbereiten von Vorstellungsgesprächen und Verhandlungen bei konkreten Arbeitgebern sowie die Auswertung der Suchstrategien und der Vorstellungsgespräche. In dieser Phase konkretisieren sich die beruflichen Überlegungen und werden hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit nochmals auf die Probe gestellt. Es ist auf Seiten des Beraters ein offener Umgang mit den gemachten Erfahrungen notwendig, insbesondere die Berücksichtigung von Erfahrungen, die der Klient als Misserfolg bewertet, ist von besonderer Relevanz. Daraus sind unter Umständen wichtige Hinweise auf Fehleinschätzungen der eigenen Person, der aktuellen Branchensituation bzw. des Arbeitsmarktes allgemein abzuleiten. Die abschließende Phase – von Lohaus (2010) mit »neue Erwerbstätigkeit« überschrieben – richtet sich auf die Analyse vorliegender Jobangebote. Hier geht es darum, einen Abgleich mit den ursprünglichen Berufszielen und -interessen vorzunehmen, neben den Arbeitsinhalten gilt dies für die Berufsposition, die Gehaltserwartungen, Arbeitszeiten und die Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort. Diese Auswertung integriert auch die in der Bewerbungsphase gemachten Erfahrungen hinsichtlich der ermittelten Stellenausschreibungen. Es kann sich eine Begleitung in der Probezeit anschließen. Neben den in der Einstiegsphase auftretenden Anpassungsanforderungen liefert die Einarbeitungsphase Hinweise auf die spezifischen Entwicklungsanforderungen und darauf, ob die betrieblicherseits gemachte Selbstdarstellung und die Zusagen an den neuen Mitarbeiter zutreffend waren. Das Angebot von Outplacement bzw. Beschäftigungs- und Transfergesellschaften hat das Potenzial, Übergangsprozesse systematisch zu begleiten. Die prozesshafte Gestaltung muss jedoch jeweils branchen- und betriebsspezifisch gestaltet werden, das heißt, es gilt, je nach Belegschaftsstruktur (Zusammensetzung der Qualifikationsniveaus, der Altersstruktur, der regionalen Arbeitsmarktstruktur etc.) passgenaue Lösungen zu finden, insbesondere sollte frühzeitig der Betriebsrat an der Gestaltung des Prozesses beteiligt werden. Unter systemischen Gesichtspunkten gibt es eine gewisse Skepsis gegenüber universell gültigen Phasenmodellen. So orientieren sich die vierte, fünfte und zum Teil auch bereits die dritte Phase im Modell von Lohaus an der Hauptgruppe der im Outplacement zu erwartenden Personengruppen, nämlich an denjenigen, die eine neue, mit Bewerbungen verbundene Anstellung anstreben. Neben der Arbeitsplatzsuche sind jedoch weitere Perspektiven nicht auszuschließen, neben bekannten Pfaden wie Fort- und Weiterbildung, Selbständigkeit und Vorruhestand bzw. Berentung beispielsweise Auswanderung und Rückzug in eine Nichterwerbsrolle.

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Berufliche Selbstmanagementanforderungen Wenn wir hier das Selbstmanagement als innovative Strategie der beruflichen Laufbahnplanung behandeln, so ist uns bewusst, dass Selbstmanagement schon immer ein Teil des beruflichen Handelns war. Hier braucht man nicht bei den polnischen Tagelöhnern, die nach Deutschland zum Ernteeinsatz kommen, beginnen. Schon immer war es notwendig, dass Menschen erfindungsreich für die eigene Existenzsicherung sorgten. Gewandelt haben sich die Rahmenbedingungen der Arbeitswelt und das Grundverständnis des arbeitenden Menschen. Wurden Mitarbeiter früher zunächst eher als unmotiviert und lediglich von der materiellen Existenzsicherung angetrieben angesehen, in der Folge dann als anschlussorientierte soziale und schließlich als durch ihre individuellen Bedürfnisse motivierte Wesen, so wurde am Beginn des 21. Jahrhunderts der Begriff »self-organizing (wo)man« (Müller, 1989, S. 67) geprägt. Das Menschenbild des arbeitenden Menschen, der sich selbst organisiert, reflektiert die Erwartung des Einzelnen (und von der Gemeinschaft an den Einzelnen), Verantwortung für die eigenen Handlungen zu übernehmen, flexibel in seinen Entscheidungen zu sein und sich ändernde Kontextbedingungen mit in diese Entscheidungen einzubeziehen, initiativ mit neuen Anforderungen umzugehen und berufliche Krisen und Übergänge eigenständig zu gestalten (siehe das Kapitel »Die W-Fragen des Karrierecoaching« S. 17 ff. in diesem Buch). Das in den 1980er Jahren von dem amerikanischen Führungsforscher Manz (1986) begründete und bis heute weiterentwickelte Konzept der Selbstführung nimmt Bezug auf das Menschenbild der humanistischen Psychologie, wonach der Mensch als Person mit vielfältigen Fähigkeiten und Bedürfnissen ausgestattet ist und danach strebt, sich umfassend weiterzuentwickeln und zu verwirklichen (zum Menschenbild der humanistischen Psychologie siehe zum Beispiel Kriz, 2007). Der Mensch wird als Person gesehen, dessen Bestreben es ist, sein Erwerbsleben im Rahmen seiner Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zunehmend selbstbestimmt zu gestalten (Müller, 2005, S. 326). »Selbstführung ist ein Prozess, der sich primär in Personen abspielt. Personen führen sich selbst, indem sie, von für sie bedeutsamen Visionen und Zielvorstellungen geleitet, eine befriedigende individuelle und soziale Identität entwickeln möchten« (Müller u. Braun, 2009, S. 13, Herv. i. O.).

Selbstführung setzt Selbstorganisationskompetenz voraus. Selbstorganisation beschreibt Greif (1998) als auf »die eigenständige und zielgerichtete Planung,

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Organisation, Durchführung und Kontrolle von Aufgaben« (S. 166) gerichtet. Im beruflichen Kontext geht es um das effektive, planvolle und eigenmotivierte Verfolgen von Zielen. Selbstmanagementkompetenzen sind aus betrieblicher Sicht insbesondere dann notwendig, wenn es sich um komplexere Spezialaufgaben handelt und eine Überwachung durch Vorgesetzte nicht möglich bzw. zu kostenintensiv ist. Selbstorganisation setzt Aspekte der Sozial- und der Problemlösekompetenz voraus. Seine Entwicklung und Ausdifferenzierung benötigt (S. 167): ȤȤ einen Handlungs- und Gestaltungsspielraum in der Planung und Durchführung beruflicher Aufgaben, ȤȤ die Motivation und Zielorientierung des Mitarbeiters, ȤȤ strategisches Wissen zur Planung, zur Organisation und zum Problemlösen, ȤȤ fachliches Methoden- und Handlungswissen, ȤȤ die Fähigkeit zur kritischen Selbstexploration und -beurteilung. Theoretische Basis des Selbstmanagements bildet die auf Bandura (1979) zurückgehende sozial-kognitive Lerntheorie und die Weiterentwicklung dieses Ansatzes durch Manz und seine Mitarbeiter (Manz, 1986; Manz u. Sims, 1980). Der sozial-kognitive Ansatz setzt bei den Methoden auf die Anwendung der klassischen Lerngesetze (Edelmann u. Wittmann, 2012), auf Strategien der Selbstverstärkung und der Stärkung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung, das heißt der Erwartung, durch eigenes Handeln seine Lebensbedingungen entsprechend eigener Ziele gestalten zu können (Weinert, 2004, S. 142). Um die Entwicklungspotenziale eines Arbeitskontextes für die Selbstführung zu bestimmen, ist zu fragen, ob die Person in einem eher harten oder eher weichen Umfeld arbeitet (Müller, 2004, S. 31). Ein hartes Umfeld ist stark strukturiert, hat viele Zwänge, Vorgaben und Erwartungen von Organisationsmitgliedern oder Bezugsgruppen. Demgegenüber bietet ein eher weiches Umfeld mehr Gestaltungsmöglichkeiten bzw. Freiräume und ist weniger reglementiert. Im weichen Umfeld erfolgt ein indirekter Druck über Gruppennormen und Verhaltensregeln. Die Person kann mehr persönliche Präferenzen in die Arbeit einbringen. Die jeweiligen harten oder weichen Kontexte ermöglichen bzw. begrenzen die Umsetzungsmöglichkeiten für die im Folgenden zu beschreibenden Strategien der Selbstführung. Die Strategien der Selbstführung umfassen verhaltensorientierte, motiva­ tionale und kognitive Elemente (Manz u. Neck, 1999). Im Einzelnen gehören dazu (Müller, 2005): 1. die Selbstbeobachtung, 2. die Willenssteuerung,

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3. die Gefühlsregulation, 4. die Selbstmotivierung, 5. die Entwicklung einer proaktiven Denkhaltung. Den Ausgangspunkt von Prozessen der Selbstführung bildet die Selbstbeobachtung. Dabei geht es um das Beobachten von Zusammenhängen äußerer Ereignisse (kritische Arbeitssituationen, Konflikte, Entscheidungen etc.) und eigener Reaktionen, Gedanken und Gefühle, um daraus Informationen für zieldienliche Verhaltensänderungen abzuleiten. Angestrebt wird eine möglichst vorurteilsfreie Betrachtung der tatsächlichen eigenen Leistungsmöglichkeiten, eigener Bedürfnisse, Verhaltensgewohnheiten (Müller, 2004, S. 32 f.). Eine systematische Beobachtung, Dokumentation und aufmerksame Analyse von Situations- und Reaktionssequenzen in ausgewählten beruflichen Anforderungssituationen dient auch in Beratungssettings (zum Beispiel in der Supervision, im Coaching) einer Reflexion der Berufsinhalte bzw. -anforderungen, des Selbstverständnisses, der eigenen Berufsrolle und ihrer Weiterentwicklung. Die Willenssteuerung richtet sich auf die Fokussierung und Verstärkung der Vorsatzbildung, das Setzen von Prioritäten, die systematische Handlungsplanung und den Abbau von Überkontrolle (Müller, 2004, S. 33 f.). Die Vorsatzbildung wird durch das genaue Festlegen der Umsetzung von Vorhaben verstärkt (Wie, wann, wo und gegebenenfalls mit wem bzw. mit wessen Unterstützung wird ein Vorhaben realisiert?). Zur systematischen Handlungsplanung tragen neben der Bündelung eigener Energien durch das Setzen von Prioritäten die Präzisierung der Ziele und ihrer zeitlichen Umsetzung (kurz-, mittelund/oder langfristig) sowie die möglichst lebendige Vergegenwärtigung der positiven Seite des Ziel-Zustandes bei. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Abbau von Überkontrolle, das heißt, dem Bestreben, allen Erwartungen zu entsprechen und im Sinne der Organisationsvorgaben optimal zu funktionieren, zu widerstehen. Dazu ist es nötig, realistische Leistungsziele zu setzen, Überforderungen gegebenenfalls zu erkennen und daran zu arbeiten, diese abzubauen. Zur emotionalen Selbstführung bzw. Gefühlsregulation sind Strategien der Umbewertung von als aversiv erlebten beruflichen Situationen und die rückwirkende Beeinflussung der Emotionen durch den Körperausdruck zu rechnen. Die Reinterpretation von als aversiv erlebten beruflichen Situationen kann dadurch geschehen, dass auf die ressourcenhaltigen Aspekte eines ursprünglich als störend empfundenen Mitarbeiterverhaltens und auf deren den Gruppenzielen zuträglichen Anteile fokussiert wird. So lässt sich bei-

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spielsweise ein häufig nachfragender und zur Überkontrolle (auch anderer Mitarbeiter) neigender Kollege in seinem Verhalten als ein in der Sache um eine präzise Aufgabenerfüllung und hohe Qualität seiner Arbeit bemühter Mitarbeiter beschreiben. Im systemischen Ansatz finden sich diese Reinterpretationsstrategien in den Methoden des wertschätzenden Konnotierens und des Reframings wieder. Basis der Selbstmotivierung stellt eine möglichst realistische, gleichzeitig anspruchsvolle (da motivierende) und präzise Zielformulierung dar, die durch systemische Fragetechniken gewährleistet werden kann. Die so erzeugten Zielvorgaben, die Teil- und Endziele betreffen, ermöglichen eine durch die Person eigenständige Erfolgsmessung. Bei der Selbstführung übernimmt die Person dann selbst die Leistungsbeurteilung durch Leistungsanreize und Selbstverstärkung. Bei komplexeren und längerfristigen Prozessen kann auch eine biografisch ausgerichtete Perspektive hilfreich sein. Bei den für die Selbstführung relevanten Kognitionen gilt es, eine proaktive Denkhaltung zu entwickeln. Es lassen sich zwei Denkstile unterscheiden, das Hindernis-Denken (obstacle-thinking) und das Chancen-Denken (oppor­ tunity-thinking, Neck u. Manz, 1996). »Kennzeichnend für Hindernis-Denken ist es, eine Alles-oder-nichts-Haltung einzunehmen, negative Erwartungen über- und positive Erfahrungen unterzubewerten […] und Veränderungen mit innerer Abwehr zu begegnen. Demgegenüber zeichnet sich das für Selbstführung günstige Chancen-Denken dadurch aus, dass Personen eine differenzierte Sichtweise möglicher Handlungsfolgen besitzen, Probleme als Herausforderung betrachten, über optimistischere Grundhaltungen verfügen, eigenen Fähigkeiten vertrauen, Veränderungen zu meistern, Hindernisse als überwindbar betrachten und überzeugt sind, aus Fehlern zu lernen« (Müller, 2004, S. 38). Das Chancen-Denken soll durch einen konstruktiven Selbstdialog, das (visuelle) Vergegenwärtigen der Handlungsziele und ihrer positiven Konsequenzen im mentalen Probehandeln verstärkt werden. Mentales Probehandeln ist das gedankliche Vorwegnehmen der Handlungsschritte und der Handlungsresultate, um von einer in der Zukunft angesiedelten Position aus Entwicklungsschritte zu betrachten und sich die positiven Konsequenzen des dann Erreichten ermutigend vor Augen zu führen. Selbstmanagement und Selbstführung sensibilisieren für eine differenziertere und realistischere Selbstwahrnehmung und -beurteilung und für das Wahrnehmen personaler und sozialer Ressourcen. Im Unterschied zum Selbstmanagement, das auf die Optimierung der vorgegebenen Arbeitsabläufe gerichtet ist, zielt Selbstführung stärker auf die der Persönlichkeit entsprechende Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Arbeitstätigkeit gemäß eigener Ziele und

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persönlicher Voraussetzungen. Selbstführung geht über das Selbstmanagement hinaus, indem es neben der Optimierung des Arbeitsverhaltens die zielgerichtete Steuerung mentaler und kognitiver Prozesse zum Zwecke einer vergrößerten Identifikation mit den Arbeitsinhalten einschließt (Müller u. Braun, 2009). In der Praxis der Aus- und Weiterbildung finden sich Aspekte des Selbstmanagements in speziellen Angeboten, beispielsweise zum Zeit-, Stress- und Projektmanagement. Dabei liegt dem Vermeiden von Fehlbelastung und Überforderung eine realistische Selbsteinschätzung von besonderer Bedeutung zugrunde. Strategien der Selbstverstärkung und der Willenssteuerung tragen zu einer Entlastung bei und fördern die berufliche Vitalität und Freude bei der Arbeit. Die Notwendigkeit einer realistischen Selbsteinschätzung durch intensive Selbst- und Fremdbeobachtung wird um eine gute Selbstpositionierung und klare Grundhaltung in der Kommunikation ergänzt.

Wissenschaftliche Zugänge zu Laufbahnfragen Traditionelle Theorien der Berufswahl beschreiben und erklären relevante Einflussfaktoren auf individuelle Berufsentscheidungen und die sich daran anschließende Berufslaufbahn. Grundsätzlich ist allen Theorien gemeinsam, dass sie nach Antworten für die Gestaltung der Person-Umwelt-Beziehung suchen und dabei Handlungswissen für einen erfolgreichen beruflichen Übergang, eine auf Dauer stabile Festlegung auf einen Beruf bzw. Berufsbereich und eine anhaltende Berufszufriedenheit suchen. Die Konzepte versuchen kulturübergreifende Verallgemeinerungen zu finden, wohlwissend, dass Arbeitswelt bzw. die Berufslandschaft ein von den jeweiligen sozialen, rechtlichen und politischen Bedingungen geprägter gesellschaftlicher Raum ist. Die meisten traditionellen Ansätze nehmen die Idee einer Passung (Matching) zwischen Personen- und Umweltfaktoren auf, wie sie bereits von Parson (1909) postuliert wurde. Sie unterscheiden sich in der Reichweite ihrer Fragestellung (Erklärung der Wahl zwischen Entscheidungsalternativen versus Beschreibung und Erklärung der lebenslangen Berufslaufbahn) und den als zentral angenommenen Variablen. Die Berufswahltheorien stützen sich auf grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse der Soziologie und Psychologie, insbesondere aus der Persönlichkeits-, der Entwicklungspsychologie, der kognitiven Psychologie und der Sozialpsychologie. Im Folgenden werden zunächst zentrale Ansätze traditioneller Modelle zum Verständnis der beruflichen Entscheidung bzw. Platzierung dargestellt (siehe auch Brown u. Lent, 2005). Dies sind:

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1. die Kongruenztheorie von Holland, 2. der entwicklungstheoretische Ansatz von Super und 3. sozial-kognitive Ansätze. Abschließend werden dann konstruktivistische Konzepte angesprochen, die systemische Grundgedanken aufgreifen. Dabei werden Fragen der Nutzung für die Beratungspraxis diskutiert. Die Unterscheidung zwischen traditionellen und konstruktivistischen Modellen geschieht zu einer klareren Abgrenzung, wohlwissend, dass Gedanken der Selbstorganisation und der Sinnkonstruktion in der Person und im sozialen Umfeld beispielsweise auch schon von entwicklungsorientierten Ansätzen vertreten wurden. Die Kongruenztheorie von Holland Holland publizierte seine Kongruenztheorie erstmals 1959 und entwickelte sie kontinuierlich weiter. Sie stellt heute die wohl einflussreichste Berufswahltheorie dar (Bergmann, 2004, S. 359). Es handelt sich um eine Trait-FactorTheorie, das heißt, es wird das Vorliegen zeitlich überdauernder Personenmerkmale angenommen. Weitere Grundannahmen Hollands (1997, S. 7 ff., siehe auch Holland, 1973) sind: ȤȤ Die Berufswahl ist ein Ausdruck der Persönlichkeit. ȤȤ Interessenstrukturen bilden einen prägenden Bestandteil der Persönlichkeit. ȤȤ Berufsstereotypen sind überdauernd und psychologisch wie soziologisch bedeutsam. ȤȤ Die Mitglieder einer Berufsgruppe haben ähnliche Persönlichkeiten und ähnliche berufliche Laufbahnentwicklungen. ȤȤ Aufgrund der ähnlichen Persönlichkeiten verhalten sich Personen einer Berufsgruppe in vielen Situationen in vergleichbarer Weise und schaffen so charakteristische interpersonale Strukturen im jeweiligen Berufsbereich. ȤȤ Berufliche Zufriedenheit, Stabilität und Arbeitsleistung hängen von der Kongruenz von Persönlichkeit und Arbeitsumfeld ab. In seiner Theorie klassifiziert Holland sechs Persönlichkeitstypen, angeordnet in einem hexagonalen Modell. Diesen Typen entsprechen berufliche Umwelten. Die Typologie leitet sich insbesondere aus beruflichen Interessen ab, bezieht darüber hinaus aber auch Einstellungen und Fähigkeiten mit ein. Die sechs Person-Berufsumwelt-Muster nach Holland (1997, S. 21 ff.) sind folgende (siehe auch Abbildung 3):

Wissenschaftliche Zugänge zu Laufbahnfragen

ȤȤ Realistic (praktisch-technische Orientierung – zum Beispiel zu finden im Beruf des Maurers), ȤȤ Investigative (intellektuell-forschende Orientierung  – zum Beispiel zu finden im Beruf des Chemikers), ȤȤ Artistic (künstlerisch-sprachliche Orientierung – zum Beispiel zu finden im Beruf des Bildhauers), ȤȤ Social (kooperativ-soziale Orientierung – zum Beispiel zu finden im Beruf des Sozialarbeiters), ȤȤ Enterprising (unternehmerisch-gestaltend – zum Beispiel zu finden im Beruf des Grundstücksmaklers), ȤȤ Conventional (verwaltend-bewahrend – zum Beispiel zu finden im Beruf des Buchhalters). I

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R

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Abbildung 3: Hexagonales Modell der Persönlichkeitstypen, der Berufsumwelten und deren Interaktion (vgl. Holland, 1997, S. 6)

Die Nähe bzw. Entfernung der Typen bilden den Ähnlichkeitsgrad der Per­ sonen- bzw. Berufsumwelten ab. Die Suche nach der Passung von Person und Beruf (für jede Person) erfolgt anhand eines Drei-Buchstaben-Codes. Der erste Buchstabe bezeichnet den Aspekt, der bei der Person am stärksten ausgeprägt ist, der zweite den zweit- und der dritte den drittwichtigsten Aspekt. In der Theorie und analog in den dazu entwickelten diagnostischen Verfahren differenziert Holland vier Konzepte: Kongruenz, Differenziertheit, Konsistenz und Identität. Eine optimale Passung (Kongruenz) zwischen Person und Berufsprofil führt nach Holland zu hoher beruflicher Zufriedenheit, längerer Verweildauer im gewählten Beruf und höheren beruflichen Leistungsergebnissen. Die Differenziertheit erfasst das Ausmaß der Ausprägungsunterschiede in den sechs Orientierungen einer Person. Ein als differenziert zu beschreibendes Profil weist hohe Werte in einzelnen Aspekten und deutlich niedrigere in anderen auf. Mit der Prägnanz der Typenausprägung eng verbunden ist die Klarheit in der Selbstbeschreibung einer Person (Holland, 1996).

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Mit der Konsistenz der Ausprägungsstruktur meint Holland die Nähe der bei dieser Person hoch ausgeprägten Orientierungen zueinander. Eine Person hat ein konsistenteres Profil, wenn sie beispielsweise eine stark ausgeprägte praktisch-technische Orientierung (R) und gleichzeitig eine intellektuellforschende Orientierung (I) besitzt. Während im Vergleich dazu eine Person mit einer künstlerisch-sprachlichen Orientierung (A) bei gleichzeitig stark ausgeprägter verwaltend-bewahrender Orientierung (C) ein weniger konsistentes Profil aufweist. Die Identität beschreibt das Ausmaß, in dem eine Person eine klare Vorstellung von den eigenen Zielen, den Interessen und Fähigkeiten hat. Die Identität leitet sich aus der Differenziertheit und Konsistenz ab und definiert den Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Umwelt (Holland, 1997, S. 5). Aus der inhaltlichen Nähe der drei am stärksten ausgeprägten Präferenzen lässt sich auf die Gesamtstabilität der beruflichen Entscheidung und Berufsperspektive schließen. So besteht eine größere Stabilität, wenn eine Person eine stark ausgeprägte unternehmerisch-gestaltende und zugleich eine verwaltend-bewahrende Orientierung hat, als wenn sie gleichzeitig eine künstlerisch-sprachliche und eine verwaltend-bewahrende Orientierung besitzt. Für die Zuordnung von Personen zu Berufen hat Holland eine große Zahl von Berufen in einer World-of-Work-Map zusammengestellt. Darauf bezieht sich auch das auf ihn zurückgehende Berufsverzeichnis (Dictionary of Holland Occupational Codes, DHOC, Gottfredson u. Holland, 1996). Auch entwickelten Holland und Mitarbeiter Instrumente zur Messung der Personentypen (SelfDirected Search, SDS) und der Berufsumwelt (Vocational Preference Inventory, VPI). In zahlreichen kulturellen Kontexten (unter anderem in China, Nigeria, Australien, USA, Österreich) durchgeführte Validierungsstudien bestätigten die Personen- und Berufstypologie Hollands (Brown u. Lent, 2005, S. 31 f.; Rolfs, 2001, S. 41 ff.). In gleicher Weise fanden sich empirische Belege für die Kongruenzhypothese. Spokane (1985, S. 335) verweist bei der Zusammenfassung der vorliegenden Studien darauf, dass die nachgewiesenen Zusammenhänge lediglich einen schwachen bis mittleren statistischen Zusammenhang belegen. Das Verdienst Hollands liegt insbesondere darin, dass seine Kongruenztheorie Strukturierung und Orientierung bietet. Strukturiert wird die Berufslandschaft anhand der Clusterbildung der oben vorgestellten Dimensionen. Orientierung und erhöhte Handlungssicherheit gibt das Modell dadurch, dass es auf eine Verbesserung der Selbsteinschätzungsprozesse bei den berufssuchenden Jugendlichen ausgerichtet ist und die Selbsteinschätzung mit der

Wissenschaftliche Zugänge zu Laufbahnfragen

Fremdbeurteilung (zum Beispiel von Berufsumfeldern) durch den Berater verbunden werden kann. Hierzu liegen verschiedene diagnostische Instrumente vor. Kritisch an der Theorie von Holland ist deren Fokusierung auf die Arbeitswelt. Das implizierte Primat der Beruflichkeit in der Lebensplanung berücksichtigt andere auf die Berufsentscheidung einflussnehmende Orientierungen (zum Beispiel die Freizeitorientierung) und den Einfluss von weiteren sozialen Kontexten (Familie, Gleichaltrige und andere) nur ungenügend (siehe Balz, 2005; Moser, Batinic u. Zempel, 1999). Daneben ist für eine zukunftsfähige Theorie der Laufbahnberatung neben der Integration weiterer Lebensbereiche in die sich stellenden beruflichen Entscheidungsfragen die Berücksichtigung des Leistungsvermögens im Beruf, der beruflichen Belastungen und der im jeweiligen Berufsbereich geforderten Anpassungsfähigkeit zu fordern. Holling, Lüken, Preckel und Stotz (2000) gehören zu denen, die vor allem die ausschließliche Bezugnahme auf berufliche Interessen kritisieren. Für den MatchingProzess zwischen Personen- und Berufsmerkmalen sehen die Autoren insgesamt elf Merkmale als relevant an (S. 235): 1. Intelligenz, 2. Kreativität, 3. Konzentration, 4. praktische Intelligenz, 5. Schulnoten, 6. Persönlichkeitsmerkmale, 7. Leistungsmotivation, 8. soziale Kompetenz, 9. Selbstwirksamkeit, 10. Interessen, 11. studien- und berufswahlspezifische Präferenzen. Diese teilweise in der Eignungsdiagnostik bewährten Kriterien für Ausbildungserfolg sollten Grundlage für Test- und Selbsteinschätzungsverfahren zur Berufswahlunterstützung sein. Insofern empfehlen Holling und Kollegen eine Erweiterung des berufsbezogenen Diagnoseinventars. Die Theorie von Holland macht außerdem keine differenzierten Aussagen über die Entstehung und Entwicklung beruflicher Orientierungen. Seine Ansicht ist die einer Reproduktion der elterlichen Orientierungen bei den Kindern auf dem Wege der Erziehungseinflüsse und der biologischen Vererbung (Holland, 1997, S. 17 ff.). Auch berücksichtigt die Theorie nur ungenügend die Dynamik der Biografie auf dem Hintergrund der Veränderungen der Berufs-

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umwelt (zum Beispiel den Strukturwandel oder technologische und politische Veränderungen). Die Dynamik sich ändernder Berufsinhalte und -anforderungen kann nicht ohne Konsequenzen für die Bewertung der früher getroffenen und zukünftiger Berufsentscheidungen bleiben. Biografische Einflüsse untersuchen entwicklungstheoretische Laufbahnkonzepte. Der entwicklungstheoretische Ansatz von Super Den Ausgangspunkt einer entwicklungspsychologischen Perspektive bilden die Arbeiten von Ginzberg (1951). Ginzberg beschreibt die Berufsfindung als fortschreitenden biografischen Lernprozess, in den kontinuierlich Erfahrungen und Informationen einfließen. Mit der intellektuellen und sozialen Entwicklung verändert sich die Fähigkeit des Einzelnen, berufliche Entscheidungen zu treffen und berufliche Zielvorstellungen differenzierter zu betrachten. Ginzberg unterscheidet drei Phasen der Berufswahl: 1. Im Alter von sieben bis elf Jahren sind die Berufsvorstellungen noch wenig realistisch und berücksichtigen noch nicht die berufsrelevanten Besonderheiten der eigenen Person. 2. Die zweite Phase bis zum Alter von circa 17 Jahren stellt die Phase der Probewahl dar, in der die berufliche Orientierung zunächst an den eigenen Interessen ausgerichtet ist und erst im Anschluss auch Fähigkeiten und schließlich Werte und Normen integriert. 3. In der dritten Phase dominieren realitätsangemessene Vorstellungen vom eigenen Platz im Berufsleben. An diesem Modell von Ginzberg formuliert Super seine Laufbahnentwick­ lungstheorie. Sie wird hier in den Mittelpunkt der entwicklungstheoretischen Betrachtungen gestellt, da sie als die am stärksten differenzierte entwicklungspsychologische Theorie anzusehen ist. Super versteht die Berufssuche und -entscheidung analog zu Ginzberg als einen langfristigen, erfahrungsbasierten Lernprozess. In Abhängigkeit von den sich stellenden biografischen Entwicklungsaufgaben (Havighurst, 1948) verändern sich Inhalt und Komplexität der berufsbezogenen Fragen und Anforderungen. Super (1980) sieht in der beruflichen Laufbahn eine weitestgehend irreversible Entwicklung, wobei die Berufsentscheidung eine Integrationsleistung von äußeren und inneren Einflussfaktoren darstellt. Äußere Faktoren sind dabei die Erwartungen und Anforderungen des sozialen Umfeldes, die Möglichkeiten zur Realisierung der Berufswünsche und kulturelle Begrenzungen. Innere

Wissenschaftliche Zugänge zu Laufbahnfragen

Faktoren sind berufliche Interessen, Fähigkeiten, Persönlichkeitseigenschaften, Einstellungen und Werte. Grundsätzlich sieht Super den einzelnen Menschen als für mehrere Berufe geeignet an. In Übereinstimmung mit der Kongruenztheorie Hollands geht Super davon aus, dass sowohl die berufliche Zufriedenheit als auch die Lebenszufriedenheit wesentlich vom Grad der erreichten Übereinstimmung der genannten inneren Faktoren mit den äußeren beruflichen Faktoren abhängen. Als zwei zentrale Dimensionen postuliert Super (1980) Raum und Zeit. Der Lebensraum gibt die soziale Struktur und konkrete Konstellation, die möglichen Positionen einer Person, die verfügbaren sozialen Ressourcen vor (zum Beispiel in der Herkunftsfamilie). Die Sphäre der Arbeit wird im Lebenslauf als zentral beschrieben, daneben gibt es familiäre Rollen (Sohn, Tochter, Ehepartner, Eltern, Großeltern und andere), Rollen in der Freizeit und im gesellschaftlichen Leben (als Bürger). Die Rollen stehen in wechselseitiger Abhängigkeit und beeinflussen sich gegenseitig. Die zeitliche Dimension verweist auf die biografischen Entwicklungsabschnitte und die Entwicklungsaufgaben, die sich spezifisch im jeweiligen Lebensabschnitt stellen. In der Laufbahnentwicklung unterscheidet Super folgende Hauptphasen (vgl. auch Bergmann, 2004, S. 364 f.): 1. Wachstums- und Explorationsstadium (Growth, Exploration): Diese von der Kindheit bis ins frühe Erwachsenenalter reichende Phase beginnt mit den noch wenig stabilen und spezifischen Berufsskripten. Hier werden erste berufliche Orientierungen und Ziele entwickelt (entspricht den weiter oben thematisierten Traumberufen). Im Jugendalter besteht die Entwicklungsaufgabe darin, das Berufskonzept auszudifferenzieren und eine möglichst konsistente Anzahl von beruflichen Interessen zu entwickeln, und zwar auf dem Hintergrund der Exploration eigener Fähigkeiten und Werte. Hier spielen Maßnahmen der Berufsorientierung und -vorbereitung eine wichtige Rolle. Endpunkt ist die Ausbildungs- bzw. Berufsentscheidung und deren Umsetzung. 2. Etablierungsstadium (Establishment): Dieses Stadium beginnt mit der Einmündung in einen Beruf und dauert bis zum fünften Lebensjahrzehnt. Es entwickelt sich eine Bindung an den gewählten Beruf (Commitment). Der Einzelne arbeitet an der Stabilisierung und Weiterentwicklung seiner Laufbahnentwicklung. Dies geschieht unter anderem durch berufliche Spezialisierung, Betriebswechsel, Fortund Weiterbildung. Diese Prozesse können dazu beitragen, die Übereinstimmung zwischen Interessen, Fähigkeiten und Wertehaltungen mit dem beruflichen Umfeld zu erhöhen und damit die Berufszufriedenheit zu

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steigern. Am Ende dieser Phase können Laufbahnkrisen auftreten, in denen der Einzelne seine bisherigen Ziele und die erreichte Laufbahnentwicklung in Frage stellt und in denen auf diese Weise eine Neubestimmung von Zielen und anderem erfolgt. 3. Erhaltungsstadium (Maintenance): Bis zur Pensionierung Mitte des sechsten Lebensjahrzehnts gewinnt die Sicherung des erreichten beruflichen Status und des Qualifikationsniveaus zunehmend an Bedeutung. Neuerungen werden zumeist im Zusammenhang mit dem bisherigen Berufsverlauf bzw. dem beruflichen Selbstkonzept beurteilt und in Abhängigkeit von diesen angegangen. Es finden gegen Ende dieser Phase Vorbereitungen zur Pensionierung statt. 4. Stadium des Rückzugs (Decline): In dieser eng mit der Pensionierung zusammenhängenden Phase liegt der formale Abschluss der Berufslaufbahn. Hier werden (im geglückten Fall) Aktivitäten aus dem Beruflichen in andere Lebensbereiche verlagert und Lebensziele neu überdacht, sodass eine Ablösung stattfindet. Häufig wird diese Phase aufgrund der Bedeutung von Erwerbsarbeit als starke Belastung erlebt. In Supers Theorie (1981) spielen außerdem die Begriffe berufliches Selbstkonzept und berufliche Identität eine zentrale Rolle. Das berufliche Selbstkonzept beschreibt die subjektive Sicht auf die eigenen Interessen und Fähigkeiten, die körperliche Ausstattung, die eigenen Einstellungen und Werte (das heißt, die persönliche Gewichtung, Wertschätzung und Bedeutung). Unter beruflicher Identität wird bei Super das Vorhandensein eines klaren und stabilen Bildes eigener Ziele, Interessen, Begabungen und Werte verstanden (das heißt, das objektivierte Selbstbild). Berufliches Selbstkonzept und berufliche Identität festigen sich durch soziale Lernprozesse und berufsbezogene Erfahrungen in Abhängigkeit von der Offenheit des Einzelnen, mit den sich stellenden beruflichen Anforderungen umzugehen und die Rückmeldungen (zum Beispiel über erbrachte berufliche Leistungen) in sein Selbstkonzept zu integrieren. Von großer Bedeutung ist für Super auch die Berufswahl- bzw. Laufbahnreife. Sie bestimmt sich aus der persönlichen Kompetenz im Berufswahlprozess in Beziehung zu den äußeren Anforderungen in der jeweiligen beruflichen Entwicklungsphase. Damit beschreibt Super die Bereitschaft und das Vermögen, die mit der Berufswahl verbundenen Aufgaben umzusetzen und erfolgreich zu bewältigen, sowie die berufliche Informiertheit und die Realitätsorientierung (Super, Savickas u. Super, 1996, S. 123 ff.). Berufswahlreife Jugendliche können sich früher entscheiden und haben stabilere berufliche Präferenzen, sind stärker

Wissenschaftliche Zugänge zu Laufbahnfragen

am Selbstkonzept als an äußeren Vorgaben orientiert, zeigen ein wirkungsvolleres Suchverhalten nach einer Ausbildung bzw. Arbeit und besitzen eine höhere Kongruenz (vgl. auch Seifert, 1988, S. 195). Super (1994) räumt ein, dass es erhebliche Abweichungen von diesem typischen Laufbahnmuster geben kann. Insbesondere finden sich solche bei der Betrachtung geschlechterspezifischer Berufsbiografien. Bergmann und Eder (1995) unterscheiden männliche Laufbahnmuster nach Stabilität (stabil versus instabil in Abhängigkeit davon, ob ein gewählter Berufsweg später wieder aufgegeben wird) und grenzen davon Muster mit multiplen Veränderungen (häufige, kurzfristige Wechsel) ab. Bei weiblichen Mustern sind ein häusliches Laufbahnmuster (keine Berufserfahrungen außerhalb des häuslichen Bereichs), eine durch die Geburt der Kinder länger unterbrochene Berufsausübung (unterbrochenes Muster), ein doppelgleisiges Muster (nur kurze Unterbrechung bei Geburt eines Kindes) und das konventionelle Laufbahnmuster (die Frau zieht sich nach der Heirat aus dem Berufsleben zurück) zu unterscheiden (siehe Bergmann, 2004, S. 366). Darüber hinaus sehen Geissler und Oechsle (1996) bei jüngeren Frauen eine berufszentrierte Orientierung, der Beruf soll dabei persönliche Selbstverwirklichung und finanzielle Unabhängigkeit gewährleisten. Auch stellten Geissler und Oechsle in ihrer Studie zur Lebensplanung junger Frauen eine (ebenfalls bei Männern anzutreffende) individuumszentrierte Lebensplanung fest. In diesem Muster wird die Vorrangigkeit des Berufs in Frage gestellt und stattdessen angestrebt, die Berufstätigkeit und nicht berufliche Lebensbereiche in gleicher Weise zu berücksichtigen. Der besondere Verdienst von Super besteht in der prozesshaften Betrachtung beruflicher Entwicklung und einer Berücksichtigung der in der Biografie bedeutsamen weiteren sozialen Rollen. Indem Super die Berufswahlreife als relationales Konstrukt zwischen Ressourcen des Einzelnen und Anforderungen beschreibt, gibt er eine wichtige Anregung für die aktuell kontrovers geführte Diskussion um das Konzept der Berufswahlreife. Seine Theorie hat die Praxis der Berufsberatung nachhaltig geprägt. Viele seiner Ansichten sind heute im Handlungswissen der praktischen Berufsberatung verankert. Auch liegen von ihm Instrumente zur Hilfe bei der Berufswahl vor (zum Beispiel das Career Development Inventory). Der Theorie Supers schreibt man heute eher den Charakter eines Rahmenkonzepts zu. Die konkrete zeitliche Abfolge der Phasen wird auch von Super selbst kritisch gesehen, so beispielsweise die ursprüngliche Annahme, dass die Explorationsphase in der Mitte der Adoleszenz abgeschlossen sei (Super et al., 1996). Bußhoff (2001, S. 64) resümiert, »dass Supers Lebens-Stufen-Konzept

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einer soziokulturell spezifisch geprägten Epoche angehört und nicht einfachhin auf die hochflexiblen Strukturen und variablen Abläufe der heutigen Gesellschaft übertragen werden kann.« Sozial-kognitive Ansätze Sozial-kognitive Modelle der Laufbahntheorie grenzen sich von statischen Passungskonzepten der Person-Umwelt-Kongruenz ab und betonen den eigenständigen Lern- und Entscheidungsprozess der Person in Interaktion mit der Umwelt. Sie basieren auf der sozial-kognitiven Lerntheorie von Bandura (1979) und entwickeln allgemeine Fragen des Lernens, der Bewertung von Leistungsergebnissen und der Verhaltenssteuerung im Hinblick auf berufliche Zusammenhänge weiter. Sozial-kognitive Konzepte in der Berufswahlforschung verstehen sich als Theorien, die frühere Ansätze (zum Beispiel von Holland und Super) integrieren und danach fragen (Lent, 2005, S. 101), ȤȤ wie sich berufliche Interessen entwickeln, ȤȤ wie berufliche Entscheidungen getroffen (und überprüft) werden und ȤȤ wie beruflicher Erfolg und Stabilität im Berufsverlauf erreicht werden. Beispielhaft sind hier die Studien von Lent und Mitarbeitern (siehe Lent, Brown u. Hackett, 1994; Lent, 2005) und von Abele (2002; Abele u. Stief, 2004) zu nennen. Als Grundannahmen sozial-kognitiver Ansätze lassen sich folgende sechs aufführen: ȤȤ Menschen werden als selbstreflexiv und erfahrungsbasiert lernend angesehen. ȤȤ Das Feedback über und die Bewertung eigener Handlungsresultate führt zu kognitiven Repräsentationen hinsichtlich der eigenen Leistungsfähigkeit. ȤȤ Die in Anforderungssituationen über Leistungsergebnisse (Feedback, Bewertungen) entstandenen kognitiven Repräsentationen prägen die Erwartung, in ähnlichen Anforderungssituationen erfolgreich handeln zu können. ȤȤ Die Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit beeinflusst die Ausprägung zukünftiger Leistungsziele. ȤȤ Langfristig entwickeln Menschen Interesse und Motivation für Tätigkeiten, bei denen sie erwarten, erfolgreich zu sein. ȤȤ Erfolgreiche Berufsausübung führt zur Zufriedenheit im Beruf. Zentrale Variablen stellen die Selbstwirksamkeitserwartung, die Ergebniserwartung und die persönlichen Ziele dar (Lent, 2005, S. 104 f.). Unter Selbst-

Wissenschaftliche Zugänge zu Laufbahnfragen

wirksamkeitserwartung wird die Einschätzung einer Person darüber verstanden, ob sie ein Ziel durch eigenes Handeln erreichen kann (und dafür die notwendigen Ressourcen besitzt). Es handelt sich dabei nicht um ein situationsunabhängiges Persönlichkeitsmerkmal, sondern um Erwartungen, die in Abhängigkeit von den erzielten Leistungsergebnissen und Rückmeldungen entstehen und sich hinsichtlich der jeweils spezifischen Anforderungskontexte verändern (Bandura, 1997). Sie stehen neben den gemachten Lernerfahrungen in Beziehung zu den für das Lernen relevanten Umfeldvariablen (zum Beispiel soziale Unterstützung, Kompetenz des Lehrers). Die Selbstwirksamkeitserwartung stellt im sozial-kognitiven Ansatz die wichtigste Variable zur Vermittlung zwischen Handlungszielen, Motivation, Interessenausbildung und Zufriedenheit dar. Die Ergebniserwartungen beziehen sich auf die Erwartungen hinsichtlich der Konsequenzen der Ausführung eines Verhaltens. Fragt der Einzelne bei der Selbstwirksamkeitserwartung: »Kann ich das?«, wird bei den Ergebniserwartungen gefragt: »Wenn ich dies tue, wozu führt das, was wird daraufhin passieren?« Mit der Ergebniserwartung verbindet sich lernpsychologisch der Belohnungswert einer Handlung. Persönliche Ziele sind definiert als die individuellen Intentionen, sich bei einer spezifischen Handlung zu engagieren bzw. ein spezifisches Ergebnis erreichen zu wollen (Bandura, 1979). Als Frage formuliert könnte die persönliche Zielintention lauten: »Wie lange und wie gut will ich dies tun?« In der sozial-kognitiven Berufswahltheorie wird zwischen inhaltlichen Zielen (choice-content goals), das heißt der Art der gewünschten beruflichen Aktivitäten, und den Ausführungszielen (performance goals) – damit ist das Niveau bzw. die Qualität der gewünschten beruflichen Ziele gemeint – unterschieden (Brown u. Lent, 2005, S. 105). Die Ausprägung der Selbstwirksamkeits- und der Ergebniserwartung ist in der Lage, eine Anzahl wichtiger Aspekte menschlichen Verhaltens zu erklären. Im beruflichen Kontext kann eine Person beispielsweise die Einschätzung teilen, nach einem Medizinstudium einen Beruf mit hohem Ansehen und hohem Einkommen zu erhalten (Ergebniserwartung), da sie sich jedoch die Anforderungen dieses Studiums (zum Beispiel in Biologie, Anatomie) nicht zutraut (Selbstwirksamkeitserwartungen), wird sie diesen Studien- und Berufsweg nicht einschlagen. Zur Beschreibung und Vorhersage beruflichen (Entscheidungs-)Verhaltens liegen von Lent (1994) unter anderem drei Teilmodelle vor: ein Modell zur Interessenentwicklung, ein berufliches Entscheidungsmodell und ein Leistungsmodell. In diesen werden die eingangs gestellten Fragen behandelt

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und Zusammenhänge zwischen den relevanten Variablen vorhergesagt. Für berufliche Entscheidungsfragen sind das Interessen- und das Entscheidungsmodell von besonderer Bedeutung. Sie werden im Folgenden vorgestellt (zum Leistungsmodell siehe Brown u. Lent, 2005, S. 111): 1. Das Modell der Interessenentwicklung: Interessen für einen Berufsbereich entwickeln sich entsprechend der sozialkognitiven Theorie dann, wenn eine Person sich als fähig einschätzt, die in diesem Kontext gestellten Anforderungen zu erfüllen und das erwartete Ergebnis von der Person gleichzeitig als erstrebenswert angesehen wird. Vorhandene Fähigkeiten wirken sich lediglich indirekt auf die Entstehung von Interessen aus, einen direkten Einfluss haben sie auf die Lernerfahrungen. Insofern sind Lernerfahrungen nicht direkt mit der Entwicklung von Interessen verbunden. Wichtig ist auch das Feedback von der gezeigten Leistung hin zur Lernerfahrung. Neue Leistungsergebnisse werden zu bisherigen hinzugefügt und beeinflussen dann die Selbstwirksamkeit- und Ergebniserwartung (siehe Abbildung 4). Umweltfaktoren

Ergebniserwartungen

Lernerfahrungen Faktoren der Personen (z. B. Geschlecht, Ethnie, Fähigkeiten)

Interessen

Aktivitäten

gezeigte Leistungen

Selbstwirksamkeitserwartungen

Abbildung 4: Modell der Interessenentwicklung (Lent et al., 1994; entnommen aus Hirschi, 2008, S. 11)

2. Das Modell der Berufswahl: In Übereinstimmung mit anderen Berufswahltheorien wird angenommen, dass eine Person einen Beruf wählt, der sie interessiert. Die sozialkognitive Theorie betont jedoch die Bedeutung verschiedener Subprozesse zur Erklärung einer Wahl. Eine besondere Stellung haben die Ziele zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen Interessen und Handlungen. Nur wenn eine Person Ziele entwickelt hat (Voraussetzungen dafür sind hohe Ausprägungen der Selbstwirksamkeitserwartung und eine wünschenswerte Ergebniserwartung im Sinne der Person), findet auch die Wahl eines Berufsbereichs statt (siehe Abbildung 5). Zudem beeinflussen Umweltfaktoren die Berufswahl, und zwar über zwei Wege:

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•• über die allgemeinen Bedingungen der Erziehung und Sozialisation, beispielsweise durch schulische und außerschulische Förderung der Eltern, durch eine Lerngelegenheit in spezifischen Bereichen und Ähnliches, •• über unmittelbare Einflüsse, die direkt auf die Wahl bzw. die Wahloptionen wirken, beispielsweise das Ausbildungsplatzangebot, notwendige formale Voraussetzungen, elterliche Unterstützung bei der Ausbildungsplatzsuche.  ie Einflussnahme kann direkt auf die Zielbestimmung und das WahlverD halten erfolgen (zum Beispiel elterliche Vorgaben für die Berufswahl im Sinne einer Restriktion). Sie kann sich auf die Umsetzung von Interessen in Ziele beziehen und eine solche Umsetzung vermitteln (zum Beispiel durch Beteiligung an der Berufssuche) und sie kann die konkrete Entscheidung betreffen, indem sie Ziele vermittelt (zum Beispiel eine Ausbildung im elterlichen Betrieb). Neben den restriktiven Wirkungen betont der sozialkognitive Ansatz die soziale Unterstützung als wesentliches Moment in der Berufsfindung (Lent, Brown u. Hackett, 1994).

ferne Hintergrund­ einflüsse

unmittelbare Umwelteinflüsse Ergebniserwartungen Lernerfahrungen

Interessen

Ziele

Wahl

Selbstwirksamkeitserwartungen Abbildung 5: Modell der Berufswahl (nach Lent et al., 1994; entnommen aus Hirschi, 2008, S. 13)

Aus dem sozial-kognitiven Ansatz lassen sich zahlreiche praxisorientierte Schlussfolgerungen und Anwendungsgebiete ableiten. Kernbereiche der Intervention sind nach Hirschi (2008, S. 15): »1. Erweiterung der beruflichen Interessen, 2. Hindernisse in der Berufswahl überwinden und 3. entwickeln von Selbstwirksamkeitserwartung.« Bereits Bandura hob die Bedeutung von Lernmodellen und von deren spezifischen Merkmalen hervor. Kritisch ist der in der Theorie formulierte Zusammenhang zwischen Lernerfahrungen und deren Transfer in Selbstwirksamkeitserwartungen zu sehen.

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Ziel ist hier die Erhöhung der Selbstwirksamkeitserwartungen, um weiteres Explorationsverhalten anzuregen. Auch wird impliziert, dass es aufgrund von Rückmeldungen zu einer realitätsangemesseneren Selbsteinschätzung kommt. Nun werden in spezifischen beruflichen Situationen (Bewerbungsgespräche, Tests, Arbeitsproben) bewusst Informationen zurückgehalten, sodass in diesen Fällen Lernerfahrungen ausbleiben. Auch kann es trotz Feedback dazu kommen, dass aus Gründen des Selbstwertschutzes unrealistisch hohe Selbstwirksamkeitserwartungen aufrechterhalten werden. Unter praktischen Beratungsgesichtspunkten wäre dann an der Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten zu arbeiten, um zu einer realitätsangemessenen Einschätzung beizutragen, und nicht an einer Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartungen, die ja offenbar bereits mit einer realitätsunangemessenen Einschätzung verbunden sind. Eine Weiterentwicklung der sich für die Lebensplanung ergebenden Fragen ist im Rahmenmodell der Lebensplanung in Beruf und Privatleben von Andrea Abele zu finden. Den Ausgangspunkt stellt auch für Abele die sozial-kognitive Theorie Banduras (1979, 1997) dar, die Handeln aus den personalen Voraussetzungen und aus für die Zielerreichung relevanten Umweltfaktoren ableitet. Bei den personalen Faktoren differenziert Abele (2002) zwischen soziodemografischen Variablen, Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten, dem Selbstkonzept, Interessen und Einstellungen. Im Zentrum steht die Annahme der handlungssteuernden Funktion von Erwartungen und Zielen. Erwartungen beziehen sich auf die Beurteilung der eigenen Ressourcen zur Zielerreichung (Selbstwirksamkeitserwartung) und die Antizipation der Konsequenzen dieser Handlungen (Ergebniserwartungen). Die Handlungsergebnisse wirken dann zum einen auf die personalen Bedingungen und zum anderen auf die Umweltbedingungen zurück und verändern insbesondere die Erwartungen und Zielsetzungen. Personenvariablen: soziodemografische, individuelle Unterschiede, Einstellungen, Selbtskonzept etc.

Erwartungen und Ziele

Handeln

berufliche u. private Entwicklung, Erfolg und Zufriedenheit

Umweltbedingungen förderlicher und hinderlicher Art Abbildung 6: Rahmenmodell der Lebensplanung in Beruf und Privatleben (Abele, 2002)

Wissenschaftliche Zugänge zu Laufbahnfragen

Konstruktivistische Grundsätze in der Karriereberatung Ausgehend von der Idee des Menschen als Forscher, wie sie bereits Jean Piaget vertrat, bildet der Einzelne auf seinen Erfahrungen aufbauend Hypothesen und ein inneres Modell über seine Lebenswelt. Dies können sehr allgemeine Glaubenssätze (zum Beispiel: »Wenn ich mir etwas vornehme, schaffe ich es auch«), aber auch recht differenzierte Wissensmodelle sein (zum Beispiel Entwürfe über die Weiterentwicklung im IT-Bereich). Im Alltag sind diese Hypothesen und Modelle nützlich, um die Vielzahl an Informationen und Anforderungen hinsichtlich ihrer Relevanz zu ordnen und handlungsleitende Annahmen für die Gestaltung der eigenen Karriere abzuleiten. Insofern lassen sich aus dem konstruktivistischen Denken Annahmen über das Menschenbild, die Zielsetzungen in der Beratung und die methodische Herangehensweise in der Beratung ableiten. Jochen Gerstenmaier (2003) sieht die konstruktivistische Perspektive durch folgende Aspekte charakterisiert (S. 7): »1. Ausgangspunkt ist die Fähigkeit des Individuums zu aktivem Handeln und Selbststeuerung als Basis für die Konstruktion von Wissen; 2. Wissen wird erfahrungsbasiert konstruiert, Kontexte werden also unterschiedlich wahrgenommen und genutzt; 3. Interventionen und Beratung dienen der Unterstützung selbstaktiven Handelns, zur Förderung von Selbstorganisation und zur Vertiefung gemeinsam geteilten Wissens in Gruppen.« Konstruktivistische Beratungsansätze thematisieren insbesondere Fragen der Identität, der Lebenserfahrungen, zu deren Verarbeitung und zur subjektiven Beschreibung der Weltsicht in seiner Konsequenz für Denken, Fühlen und Handeln im sozialen Kontext. Im Karrierecoaching stehen persönliche Ziele und Sinnfragen, die subjektive Bedeutung verschiedener Berufspfade und die vorhandenen Ressourcen und Bewältigungsstrategien für die jeweiligen Anforderungen im Mittelpunkt. In diesem Sinne wenden sie sich von normativen Konzepten der Berufswahl ab und stattdessen Selbstorganisationsansätzen zu. Normative Ansätze beschreiben den Berufswahlprozess aus einer Optimierungsperspektive (Soll-Zustand) heraus, das heißt, sie behandeln die Frage, wie die Berufswähler handeln und entscheiden sollen. Selbstorganisationsansätze beschreiben den Berufsfindungsprozess aus der IstPerspektive, das heißt, sie setzen beispielsweise bei dem empirisch vorfindbaren Verhalten der berufssuchenden Jugendlichen an (Nerdinger, Blickle u. Schraper, 2008, S. 196). Die Notwendigkeit und Entwicklungsperspektive einer Selbststeuerung und Eigenverantwortlichkeit legt bei Selbstorganisationsansätzen

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stärker qualitativ und biografisch angelegte Zugänge zur Erforschung von Laufbahnverhalten nahe. Diese Perspektive einer Neubestimmung der Berufswahlforschung findet sich unter anderem bei Richardson, Constantine und Washburn (2005). Konstruktivistische Ansätze richten sich dementsprechend auf eine Neubestimmung des Gegenstandsbereichs der Berufsberatung und auf eine Erweiterung des Methodeninventars für das Karrierecoaching. Im folgenden Kapitel »Menschenbild und Haltung im systemischen Karrierecoaching« (S. 105 ff.) sollen zentrale Thesen einer konstruktivistischen Sicht allgemein und speziell in Bezug auf Fragen von Karriereentscheidungen vorgestellt werden.

Fazit In diesem Kapitel wurden traditionelle Berufswahlmodelle vorgestellt. Die Fragen, die diese zu beantworten suchen, richten sich auf das Verhältnis zwischen im sozialen Raum zu findenden Berufskontexten bzw. -positionen und der Umsetzung einer dauerhaft stabilen und für den Einzelnen befriedigenden Berufsentscheidung. Den vorgestellten Theorien geht es darum, folgende Fragen zu beantworten: ȤȤ Wie lassen sich Berufe in Gruppen von relevanten Clustern einteilen? ȤȤ Welche individuellen Aspekte (Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen, Persönlichkeitsmerkmale etc.) sind Voraussetzung für eine kompetente Berufsentscheidung? ȤȤ Was trägt zu beruflicher Zufriedenheit und Stabilität in der Berufsentscheidung bei? ȤȤ Was kann getan werden, um Menschen in der Berufssuche zu unterstützen? ȤȤ Welche psychosozialen Voraussetzungen werden (in unserem Kulturkreis) erwartet, um sich stabil in die Berufswelt zu integrieren (Berufsfähigkeit)? ȤȤ Wie ist berufliches Handeln in der Biografie verankert? Diese Zielfragen machen deutlich, dass sich traditionelle Ansätze auf das Konzept von Berufen als Elemente des Arbeitsmarktes und die sich in diesem Zusammenhang stellenden Entscheidungsfragen für oder gegen eine Berufsposition bzw. einen Qualifikationsweg konzentrieren. Daher können sie der neuen Flexibilität, Vielgestaltigkeit und der Individualisierung von beruflichen Laufbahnen und Beschäftigungsformen nur ungenügend Rechnung tragen. Auch bestehen innerhalb des Denkens traditioneller Ansätze methodische Probleme bei der Bestimmung der Zielgrößen für eine gelungene Berufswahl.

Fazit

Darauf verweisen Moser und Schmook (2006, S. 240). Es existiert eine Vielfalt von Erfolgskriterien, die in der Evaluation von Berufsverläufen Anwendung finden. Kritisch resümiert Braun (2002, S. 771), dass strukturelle OutputVariablen zu wenig über den Prozessverlauf aussagen, notwendig sei eine differenziertere Wirksamkeitsanalyse. Eine stärkere Berücksichtigung der Handlungsperspektive bietet der sozial-kognitive Ansatz. Hier wird – ausgehend von der Selbstwirksamkeits­ überzeugung  – der Frage nach der Herausbildung von Handlungsmoti­ vation nachgegangen. Dies erscheint anschlussfähig an die Selbstmanage­ mentanforderungen und Selbstverwirklichungsansprüche im Kontext der modernen Arbeitswelt. Hier setzen auch die konstruktivistischen Grundsätze im Karrierecoaching an. Im folgenden Kapitel werden Fragen des konstruktivistischen Denkens und der systemischen Grundannahmen weiter entfaltet. Am Ende dieses Kapitels weisen wir nun noch abschließend auf weiterführende Literatur zum Übergang von der Schule in den Beruf, zum Out­ placement und zum beruflichen Selbstmanagement hin. Zum Thema Übergang Schule – Beruf: –– Köck, M., Stein, M. (Hrsg.) (2010). Übergänge von der Schule in Ausbildung, Studium und Beruf. Voraussetzungen und Hilfestellungen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. –– Läge, D., Hirschi, A. (Hrsg.) (2008). Berufliche Übergänge. Grundlagen für die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung. Wien: LIT. –– Müller, B., Zöller, U., Diezinger, A., Schmid, A. (2015). Lehrbuch Integration von Jugendlichen in die Arbeitswelt: Grundlagen für die soziale Arbeit. Weinheim: Beltz. –– Nohl, M. (2011). Berufliche Übergänge gut bewältigen und kompetent gestalten. Norderstedt: Books on Demand. Zum Thema Outplacement: –– Kieselbach, T.,Beelmann, G., Mader, S., Wagner, O. (2006). Berufliche Übergänge: sozialer Geleitschutz bei Personalentlassungen in Deutschland. München: Hampp. –– Lohaus, D. (2010). Outplacement. Göttingen: Hogrefe. –– Andrzejewski, L. (2008). Trennungs-Kultur und Mitarbeiterbindung. Kündigung fair und nachhaltig gestalten (3., aktual. Aufl.). Köln: Luchterhand.

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Zum Thema berufliches Selbstmanagement: –– Müller, G. F., Braun, W. (2009). Selbstführung. Wege zu einem erfolgreichen und erfüllten Berufs- und Arbeitsleben. Bern: Huber. –– Fischer-Epe, M., Epe, C. (2010). Stark im Beruf – erfolgreich im Leben. Persönliche Entwicklung und Selbstcoaching. Köln: Anaconda. –– Eichhorn, Ch. (2009). Souverän durch Self-Coaching. Ein Wegweiser nicht nur für Führungskräfte (4. Aufl). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Peter Plöger

Menschenbild und Haltung im systemischen Karrierecoaching »Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Erklärungen.« Coachingweisheit

Ein pädagogischer Mitarbeiter eines Wohnheimes für Menschen mit Behinderungen klagt in einem Coaching darüber, dass seine Kollegen wenig Initiative und Entscheidungsfreude zeigen würden und er sich fachlich in dieser Einrichtung völlig unterfordert fühle. Er arbeite seit einem halben Jahr dort und initiiere beispielsweise für einzelne Bewohner Freizeitaktivitäten und Unternehmungen. Auch stärke er die Selbstverantwortung, indem er den Bewohnern möglichst viele Aufgaben im Bereich der Hygiene und Körperpflege selbst überlasse. Diese Initiativen sehe er von seinen Teamkollegen jedoch nicht angemessen wertgeschätzt. Im Personalgespräch mit seiner Vorgesetzten im zurückliegenden Monat erhielt er für ihn unverständlicherweise eine kritische Rückmeldung. Seine Initiativen wurden auf Leitungsebene als Alleingänge und als (fachlich unbegründete) Bevorzugung einzelner Bewohner gesehen. Auch kritisierte die Vorgesetze seinen wenig teamorientierten Arbeitsstil. Im Coaching erkennt der Mitarbeiter, der früher in einer Einrichtung des Betreuten Wohnens in Einzelverantwortung für seine Klienten tätig war, dass seine Aufgabe in dieser Einrichtung sehr viel mehr Abstimmung und Kompromissbereitschaft braucht, um den Bewohnern gegenüber einen sicheren Rahmen zu gewährleisten und mit den Kollegen gut zu kooperieren. Die Kritik der Vorgesetzten wurde von ihm jedoch als Kränkung erlebt und war für mich, den Coach, Anlass, ein moderiertes Gespräch mit seinem Vorgesetzten vorzuschlagen.

Die Fallschilderung illustriert, wie unterschiedlich die Auffassungen von Wirklichkeit zwischen verschiedenen Personen sein können. Neben der Frage, wie hier methodisch gehandelt werden kann, berührt das Fallbeispiel Fragen der Grundhaltung des systemischen Coaches und des Menschenbildes im systemischen Ansatz. Mit Letzterem möchten wir beginnen.

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Wie ein Systemiker die Welt sieht Die dritte W-Frage (siehe das Kapitel »Die W-Fragen des Karrierecoachings« S. 17 ff. in diesem Buch) ist die Frage nach dem Wozu des Karrierecoachings. Was möchte ein Coach in einem systemischen Karrierecoaching erreichen? In welcher Rolle sieht er sich, welche Haltung nimmt er seinen Klienten gegenüber ein und auf welcher Grundlage ist es ihm möglich, Entwicklungsprozesse beim Klienten zu fördern? Bevor wir uns der systemischen Haltung und dem, was sie für die Coachingpraxis bedeutet, zuwenden, möchten wir kurz zentrale theoretische Grundlagen erläutern, die das systemische Menschenbild prägen: den Konstruktivismus und die fundamentalen Konzepte des systemischen Denkens. Grundannahmen des Konstruktivismus – eine erste Grundlage des systemischen Menschenbildes Ein Fundament des Menschenbildes des systemischen Ansatzes bildet der Konstruktivismus (Backhausen u. Thommen, 2006; Gergen u. Gergen, 2009; Simon, 2004). Dessen Ausgangspunkt ist die alte philosophische Frage nach der Wirklichkeit und wie wir etwas über sie erfahren können. Infolgedessen wird nach der Erkenntnisfähigkeit des Menschen und danach gefragt, wie wir das Verhältnis von äußerer Realität und innerer Wirklichkeit sehen. Dies hat unmittelbare Auswirkungen darauf, wie wir in einer Beratungssituation die Anliegen eines Klienten und deren Lösungen einschätzen. Im Alltagsdenken nehmen wir unhinterfragt an, es gäbe eine Wirklichkeit, die unabhängig von uns selbst existieren würde: Bäume, Häuser, Vogelzwitschern, Kaffeegeruch und so fort. Unabhängig heißt in diesem Zusammenhang: Wären wir nicht da, gäbe es diese Dinge trotzdem. Unsere Verbindung zu dieser Wirklichkeit sind unsere Sinne. Über die Sinne erfahren wir etwas über die Welt, erst dadurch können wir bewerten, was in der Welt passiert, und in ihr handeln. Unsere Gefühle und Stimmungen erfahren wir als mit der äußeren Realität verknüpft und beurteilen sie dementsprechend als real und wirksam: Was außerhalb meiner selbst passiert, beeinflusst mein Innenleben und damit meine Haltungen und Entscheidungen. Die äußere Realität existiert natürlich, sagen die Konstruktivisten, es ist jedoch zu bezweifeln, dass wir sie erkennen können, »so wie sie ist« (Mehlmann u. Röse, 2000, S. 114 f.). Der Konstruktivismus hat somit eine andere Perspektive auf unser Weltverhältnis als unser Alltagsdenken (und mit ihm der systemische Beratungs-

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ansatz; vgl. Schumacher, 2003, S. 68). Ob wir über unsere Sinne etwas über die wirkliche Wirklichkeit erfahren oder nicht, können wir nicht wissen. Und es ist auch nicht wichtig, ob wir das können. Für die Praxis der Beratung ist nur das relevant, was wir als wirklich annehmen (Watzlawick, 1992, S. 91). Unsere Annahmen werden aber vor allem von unseren Interpretationen der Wirklichkeit gelenkt.

Gerade in den psychosozialen Institutionen der Therapie und Beratung sind die Deutungen der Wirklichkeit von weitreichender Konsequenz – während man gleichzeitig annimmt, sich lediglich von objektiven Fakten leiten zu lassen. Ein eindrückliches Fallbeispiel, das diese Diskrepanz vor Augen führt, bietet die Studie des US-amerikanischen Psychologen David Rosenhan (1981). David Rosenhan und seine Mitarbeiter ließen sich als mutmaßliche Patienten in die psychiatrischen Stationen mehrerer Kliniken einweisen. Sobald dort die Behandlung aufgenommen wurde, gaben sie an, die Symptome, die sie bis dahin vorgegeben hatten, nicht mehr zu haben. Das Klinikpersonal folgte weiter seinen Routinen, behielt die »Kranken« in Behandlung – zum Teil über sieben Wochen – und entließ sie schließlich mit dem Befund »Schizophrenie in Remission«, ohne auch nur bei einem erkannt zu haben, dass er nur simulierte.

Das ernüchternde an der Studie: Obwohl sich alle Rosenhan-Mitarbeiter vollkommen normal benahmen, wurde ihr Verhalten als Zeichen einer Schizophrenie eingestuft. Die Mitarbeiter der Klinik glaubten, jeder der Eingewiesenen sei »nicht geistig gesund, und er war, nach Ansicht der Anstalt, auch niemals geistig gesund gewesen. Damit war eine offensichtliche menschliche ›Wirklichkeit‹ konstruiert« (S. 117). Allein die Einweisung und die einmalige Angabe von Symptomen reichten also aus, um die vermeintlich unbestechlichen Fakten – das Fehlen einer psychischen Auffälligkeit – in ihr Gegenteil umzudeuten, nämlich in die Gewissheit, dass die Eingewiesenen wirklich krank seien. Die Interpretationen der Wirklichkeit sind mithin gerade bei der Beurteilung menschlichen Verhaltens oft wirksamer als die Wirklichkeit selbst. Der Psychologe Paul Watzlawick, einer der Pioniere der systemischen Forschung, führt eine Unterscheidung in die Beschreibung unserer Wahrnehmung ein. Nach Watzlawick (2004) gibt es eine Wirklichkeit erster und eine Wirklichkeit zweiter Ordnung. Mit der Wirklichkeit erster Ordnung meint er jene Wirklichkeitsaspekte, die sich auf den Konsens mehrerer Personen über Wahrnehmungen oder auf verifizierbare Nachweise beziehen (S. 143) – die objektive Wirklichkeit. Demgegenüber sei die Wirklichkeit zweiter Ordnung (zum Beispiel der Wert eines Geldscheins, einer Schulnote etc.) diejenige, die

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wir konstruieren und als Deutungsraster über die Wirklichkeit erster Ordnung legen (S. 92). Entscheidend für unser Verhalten in Gemeinschaft ist die Wirklichkeit zweiter Ordnung. Sie konstruieren wir im ständigen Kontakt mit den realen Ereignissen und im Austausch mit anderen. Empirische Erfahrungen mit der Realität und Kommunikation mit anderen Menschen sind die Milieus, in denen die Wirklichkeit zweiter Ordnung sich entwickelt und sich bewähren muss. Die Wirklichkeit zweiter Ordnung muss ein kohärentes Ganzes ergeben, in dem Sinne, dass alles, was in ihr vorkommt, miteinander verbunden sein muss. Die Welt wird komprimiert auf eine handhabbare, im Prinzip überschaubare Struktur, die es uns erlaubt, zu handeln und in der Welt wirksam zu sein (Plöger, 2013). »Wissen wird vom lebenden Organismus aufgebaut, um den an und für sich formlosen Fluss des Erlebens so weit wie möglich in wiederholbare Erlebnisse und relativ verlässliche Beziehungen zwischen diesen zu ordnen«, schreibt von Glasersfeld (1981, S. 37). Unser Geist ist – für uns größtenteils unbewusst – ständig damit beschäftigt, dass keine der Annahmen über die Welt auf gravierende Weise aus der Passung des Ganzen ausbricht. Unsere Deutungen müssen untereinander im Großen und Ganzen stimmig sein. Konstruktivisten sprechen von der Viabilität – also von der Passung mit der Lebensumwelt – unserer Konstruktionen (Simon, 2004, S. 70 f., vgl. von Glasersfeld, 1981). Wir können nicht wissen, ob sie eins zu eins der Wirklichkeit (erster Ordnung) entsprechen. Wir können aber sehr wohl sagen, ob sie zur Wirklichkeit passen, weil wir sagen (und auch prüfen) können, ob sie darin funktionieren oder nicht. Ob sie das tun, können wir wiederum an den Folgen unseres Handelns erkennen. »Wahrnehmen und Erkennen ist demnach nicht das richtige Erfassen einer Außenwelt, sondern die mehr oder weniger passende bzw. brauchbare […] Konstruktion einer Wirklichkeit, die uns zielstrebiges Handeln im Bereich der Erlebenswelt erlaubt« (Rotthaus, 1989, S. 11 f.). Das konstruktivistische Denken rückt vom absoluten Wahrheitsanspruch unserer Wahrnehmung ab und ersetzt diesen durch das Konzept der Viabilität. Der Abgleich geschieht sowohl durch den permanenten Kontakt zur Wirklichkeit als auch durch die Kommunikation mit anderen Menschen. Mit diesen Fragen beschäftigt sich der soziale Konstruktionismus (Gergen, 2002), eine Richtung innerhalb des konstruktivistischen Ansatzes. Er argumentiert damit, dass wir das, was wir für wirklich nehmen, durch die Interaktion mit unseren Mitmenschen als Realität etablieren. Die Wirklichkeit zweiter Ordnung entsteht in einem fortdauernden ko-kreativen Prozess (Plöger, 2002): Sie wird von uns durch die spezifische Art und Weise geschaffen, wie wir miteinander in jeder

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unserer Interaktionen in Beziehung treten. »Nichts ist real, solange Menschen nicht darin übereinstimmen, dass es real ist«, schreiben Gergen und Gergen (2009). »Der wichtige Punkt ist folgender: Immer, wenn Menschen definieren, was ›Wirklichkeit‹ ist, sprechen sie aus einer kulturellen Tradition heraus. Auch wenn ihnen etwas zugestoßen ist oder sich ein Ereignis zugetragen hat – dieses Etwas kann nur von einem bestimmten kulturellen Standpunkt heraus beschrieben werden – in einer bestimmten Sprache oder durch bestimmte visuelle oder mündliche Medien« (S. 10). Der Hinweis auf die Kultur und die Sprache sind an dieser Stelle wichtig. Kultur bedeutet hier: Wir erfassen die Welt vor dem Hintergrund von Verständnisschablonen, die bereits in unserem Gedächtnis vorhanden sind: Schemata, Stereotypen, Erzählungen (Mehlmann u. Röse, 2000, S. 117 f.; Plöger, 2013). Sie gehen allerdings nicht auf individuelle Kognitionen zurück, sondern auf die Interaktionen mit Mitmenschen. Sprache ist wesentlich beteiligt an der Wirklichkeitskonstruktion, indem sie den Interaktionen zwischen Menschen eine bestimmte Form gibt. Sie ist selbst vorgeprägt durch den vorherigen Gebrauch, den wir von ihr gemacht haben, sie ist Teil der Kultur und prägt umgekehrt unseren Zugang zur Wirklichkeit. Damit ist »die Sprache ein Werkzeug menschlichen Handelns und nicht etwa ein adäquates Mittel, um Wirklichkeit per se abzubilden« (Mehlmann u. Röse, 2000, S. 117). Das konstruktivistische Denken stellt die direkte Abbildung von Wirklichkeit durch Sprache in Frage. Das Festhalten an der Abbildungsfunktion und damit am Wahrheitsanspruch wird im Gegenteil als Hindernis dafür angesehen, durch Kommunikation Wirklichkeiten zu verändern (Schumacher, 2003, S. 62). Auch ein Coach tritt in eine wirklichkeitskonstruierende Kommunikation mit dem Klienten ein. Er wird Teil eines sich bildenden Berater-KlientenSystems. Das bedeutet, dass auch er an der Konstruktion bzw. Aufrechterhaltung der Wirklichkeit zweiter Ordnung des Klienten teilhat. Ein systemischer Coach aber irritiert sie gezielt und trägt damit zum Selbsterkenntnisprozess des Klienten bei. Er strebt danach, dass der Klient zu einer Wirklichkeit zweiter Ordnung findet, in der seine Situation nach den Maßstäben, die er sich selbst gibt, verbessert wird. Aufgabe des Beraters ist es, dem Klienten zu ermöglichen, eine Wirklichkeitsfiktion durch eine andere zu ersetzen, die ihn in seiner Lebenspraxis umsetzt, das heißt, vom Pfad der Probleme auf einen Pfad der Lösungen versetzt (vgl. Watzlawick, 1992, S. 99 ff.). Systemische und spezifisch lösungsfokussierte Beratung nutzen die Tatsache, dass die Wirklichkeitskonstruktion des Klienten zumeist nicht auf ihre als problematisch erlebten Aspekte festgelegt ist. Andere Deutungen der Wirklichkeit als die aktuell vorherrschenden lassen sich gezielt zum Vorteil des Klienten

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einsetzen. So können beispielsweise Lösungsansätze reaktiviert werden, auf die der Klient früher bereits gestoßen ist. »Für das lösungsfokussierte Vorgehen ist es nicht relevant, ob eine in der Vergangenheit liegende gefundene Lösung konstruiert ist oder sich ›tatsächlich‹ ereignet hat. In beiden Fällen ermutigt die Lösung und gibt Hinweise für die Konstruktion weiterer Lösungen. In diesem Sinne kann sie konstruktiv verwertet werden, nur darauf kommt es an« (Sparrer, 2010, S. 14). Im systemischen Ansatz – anders als in anderen, auf die biografische oder situative Analyse konzentrierten Beratungsformen – tritt der Problemfokus zurück zu Gunsten eines Lösungsfokus. »Statt die problembelastete Vergangenheit zu erforschen, befassen sich lösungsorientierte und Kurzzeit-Therapien stärker mit der Frage nach der erfolgreichen Gestaltung gegenwärtiger Beziehungen« (Gergen u. Gergen, 2009, S. 53; siehe das nachfolgende Fallbeispiel aus unserer Praxis), nehmen also die Frage in den Blick, wie der Klient seine Beziehungen in Systemen so gestalten kann, dass sie ihm zuträglich sind und die Abläufe im System ihm keine Probleme verursachen. Eine seit drei Monaten examinierte Altenpflegerin meldet sich zu einem Coaching an, um bei ihrer Arbeitsstellensuche unterstützt zu werden. Als Hintergrund ihres Wunsches gibt sie im Erstgespräch an, dass sie in den praktischen Prüfungen zum Examen nur mit »ausreichend« bewertet worden sei und nun befürchte, im Vorstellungsgespräch deshalb durchzufallen. Wortreich erklärt die Klientin, was in ihren Praxisstellen schief gelaufen sei und warum sie deshalb in der praktischen Prüfung nicht besser habe abschneiden können. Ich spüre bei ihr Enttäuschung und Verärgerung über ihre Ausbildungsbedingungen und könnte die Einladung, ausführlich auf Ursachen, Hintergründe und darauf, was das mit ihr zu tun habe, annehmen. Nach einer Wertschätzung ihrer Offenheit und der Prüfungsanstrengungen »trotz der für sie misslichen Lage« lenke ich jedoch mit der Frage: »Was wünschen Sie sich für das Vorstellungsgespräch?«, auf die anstehenden Ziele über. Im Rollenspiel können wir nun die für sie kritischen Situationen durchspielen und an einer klaren und selbstbewussten Präsentation im Vorstellungsgespräch arbeiten.

Systemisches Denken – eine zweite Grundlage des systemischen Menschenbildes Der systemische Ansatz legt einen Schwerpunkt auf die Einbettung des Klienten in die Beziehungen zu anderen Menschen. Beziehungen schaffen Möglichkeiten und Grenzen des Austausches sowie gemeinsame Zielsetzungen, die beispielsweise in der Familie die Erziehung und Fürsorge für die Kinder

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oder in der Arbeitsorganisation den Austausch von Dienstleistungen gegen Geld betreffen. Der systemische Ansatz begreift den Einzelnen immer als Teil einer größeren sozialen Struktur, eines Systems. Das kann, um nur einige Beispiele zu nennen, die Familie sein, das Team von Kollegen oder die Beziehung von Käufer und Verkäufer. »Ein System besteht nicht nur aus Elementen, die in festen Verbindungen stehen, sondern ein System besteht auch aus Operationen und Prozessen« (Willke, 1996, S. 21). Diese Operationen und Prozesse sind die Kommunikations- und Austauschprozesse von Informationen, Dingen und Bedeutungen. Der systemische Ansatz ist »eine Weltsicht, welche die weitreichenden Verkettungen gegenseitiger Abhängigkeit (Interdependenz) unterstreicht« (Rapoport, 1983, S. 12).

Systeme haben bestimmte Merkmale, die für die Beratung relevant sind und die wir im Folgenden knapp besprechen wollen. Ein System befindet sich laufend in Veränderung – durchaus ohne dass die Beteiligten das bemerken – und ist dennoch in seiner allgemeinen Struktur stabil. »Nichts ist so stabil wie der Wechsel«, lautet ein Aphorismus, der dem antiken Philosophen Heraklit zugeschrieben wird. Systeme haben die auf den ersten Blick paradoxe Eigenschaft, ihre grundlegende Gestalt nur wenig zu wandeln, während sie im Inneren aber eine große Dynamik aufweisen. Biologische Systeme wie etwa lebende Individuen sind ein gutes Beispiel: Ein Tier tauscht permanent seine Körperzellen aus, verliert Haare und Hautschüppchen, erneuert die Bestandteile seines Körpers. Seine äußere Gestalt bleibt jedoch gleich, es bleibt immer das Tier, das es ist. Das System erhält sich selbst. Für die Überlebensfähigkeit eines Systems ist es entscheidend, von außen angestoßene Veränderungen, die es nicht unmittelbar in seiner Existenz bedrohen, integrieren zu können. Weder seine Umgebung noch seine einzelnen Bestandteile bleiben auf Dauer unverändert. Wenn das System als Ganzes stabil bleiben will, muss es sich dem anpassen und sich auf kleinere Variationen seiner Zustände und Prozesse einstellen. Die Selbstorganisation, die der Selbststabilisierung dient, nennen Maturana und Varela (2010) Autopoiesis (S. 50 ff.). »Autopoietische, operational geschlossene Systeme können sich in der Interaktion mit ihren sie irritierenden Umwelten verändern; sie entwickeln sich, strukturieren sich so um, dass ihr Überleben weiterhin – wenn auch verändert – gewährleistet ist« (Simon, 2004, S. 53). Stabilität durch Wandlungsfähigkeit ist ein Charakteristikum aller Systeme, mit denen Sie es als Coach zu tun bekommen. Erst eine erzwungene Starre bedroht die Stabilität des Systems und damit seine Überlebensfähigkeit (vgl. Meadows, 2010, S. 94 ff.).

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Hinsichtlich der Beziehung zwischen Coach und Klient gilt folgender Merksatz: Die Veränderung erhält das System, der Stillstand gefährdet es. Bleibe ich als Coach stur bei einer Problemformulierung, die mein Klient zu Anfang einmal gewählt hat, während er selbst im Laufe des Prozesses bereits zu einer anderen Perspektive gekommen ist, zwinge ich ihm die alte Problemperspektive auf. Durch die Nichtanerkennung seiner gewandelten Sicht auf die Welt gefährde ich unsere professionelle Beziehung und möglicherweise auch den Erfolg des Coachings.

Aus sich selbst heraus können Systeme die Selbststabilisierung in der Regel jedoch nicht bewältigen. Sie benötigen einen beständigen Zustrom von Energie. Ohne Energiezufluss würden sie ihre Ordnung verlieren, die Struktur würde sich auflösen und auf einen Zustand fallen, auf dem weniger bzw. keine Energie benötigt wird (Simon, 2004, S. 22 f.). Das System ist, salopp gesagt, faul und sucht den Zustand einer einfacheren, weniger dynamischen Ordnung auf (diese Regel wird in der Physik durch den Entropiesatz der Thermodynamik beschrieben). Erst der Zulauf von Energie holt das System sozusagen vom Sofa herunter und sorgt für die Dynamik, die letztlich zum Entstehen komplexerer Systemzustände führt. In der Natur gäbe es ohne den beständigen, Jahrmilliarden andauernden Zustrom an Sonnenenergie keine komplexen Organismen, letztlich auch nicht uns Menschen. In sozialen Systemen können wir analog dazu beobachten, dass ehedem lebendige Beziehungen dazu tendieren, zu stagnieren oder sich sogar aufzulösen, wenn sie nicht mit Aufmerksamkeit und Beziehungsarbeit vital gehalten werden. Soziale Systeme entwickeln sich durch den Energieaustausch, ganz wesentlich aber auch durch den Austausch von Informationen und Bedeutungen (zum Beispiel Aufmerksamkeit, Unterstützung und Wertschätzung). Ein System erhält seine eigene, typische Gestalt (Struktur), ohne zu wissen, wie diese Gestalt aussehen soll. Der Prozess hat keine zentrale Steuerung. Die Systemiker sprechen von der Selbstorganisation des Systems: Die Bestandteile des Systems treten in Interaktion miteinander, in deren Verlauf sich eine gemeinsame Struktur herausbildet. Die Struktur ist nicht vorherbestimmbar, selbst wenn alle Merkmale der Bestandteile bekannt sein sollten. Die Prozesse der Interaktion in Systemen sind chaotisch, das heißt: Es ist nicht möglich, von einem Ausgangspunkt und den Eigenschaften der Teile, die miteinander in Interaktion treten werden, auf spätere Zustände zu schließen. Im Gegenteil, aufgrund ihrer Selbstorganisation entwickeln Systeme auch bisweilen neue Zustände, sind also kreativ (Meadows, 2010, S. 98 ff.). Schließlich distanziert sich das systemische Denken von der Vorstellung, die Welt ausschließlich mittels kausaler Wenn-dann-Relationen

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erklären zu können. Gerade die Welt der Beziehungen zwischen Personen ist gekennzeichnet durch kreisförmig-zirkuläre Wenn-dann-Wirkungen, in denen die Handlungen der einen Person auf die Handlungen der anderen zurückwirken und umgekehrt. Wirkungen schaffen sich hier ihre eigenen Ursachen, Kausalbeziehungen sind auf sich selbst zurückwirkende Schleifen. Ein durch die Forschungsgruppe des Mental Research Institutes (MRI) in Palo Alto, Kalifornien, bekannt gewordenes Beispiel ist die Zirkulärität der Kommunikation des Ehepaares, bei der der Ehemann sich gewohnheitsgemäß zurückzieht und die Ehefrau ihn andauernd kritisiert. Er beschwert sich bei ihr darüber, dass er sich zurückziehen müsse, wenn sie dauernd nörgele, sie sich bei ihm, dass sie sich bei ihm beschweren müsse, weil er sich so oft zurückziehe (Watzlawick, Beavin u. Jackson, 1969, S. 58 f.). Systemiker stehen auf dem Standpunkt, dass in der Wirklichkeit nonlineare Prozesse vorherrschen, vor denen die auf die Ermittlung linearer Zusammenhänge ausgerichtete Wissenschaft versagen muss. »An die Stelle geradlinig-kausaler Modelle treten Konzepte von netzwerkartigen, rückgekoppelten Wechselwirkungen […]; nonlineare Beziehungen zwischen beobachteten Variablen treten an die Stelle der Vorstellung linearer Korrelationen, d. h. es wird damit gerechnet, dass auch kleine ›Ursachen‹ große ›Wirkungen‹ haben können (Stichwort: Chaos- und Komplexitätstheorie); die Annahme, die Welt sei berechenbar, d. h. die Idee von der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit der Zukunft muss aufgegeben werden« (Simon, 2004, S. 77). Unter der Voraussetzung, dass in allen lebenden Systemen nonlineare Prozesse stattfinden, die auf sich selbst zurückwirken, hat es keinen Sinn mehr, den Systembestandteilen charakteristische innere Eigenschaften zuzuschreiben, die ihr Verhalten bestimmen, so beispielsweise über einen Menschen zu sagen, er sei depressiv und diese Depressivität bestimme sein Handeln. Gregory Bateson (1984), einer der Vordenker der Palo-Alto-Gruppe, ruft dazu auf, sich stattdessen mit den aktuellen und konkreten Beziehungen zwischen Personen zu beschäftigen. »Eine Beziehung existiert nicht innerhalb einer einzelnen Person. Es ist Unsinn, von ›Abhängigkeit‹, ›Aggressivität‹ oder ›Stolz‹ und so weiter zu reden. All diese Worte haben ihre Wurzeln in dem, was zwischen Personen vor sich geht, und nicht irgendeinem Innerhalb einer Person« (S. 165). Bateson führt deshalb mit einer Analogie die doppelte Beschreibung ein: Wir sind es gewohnt, nur mit einem Auge auf Personen zu sehen. Unser Bild ist flach und zweidimensional. Würden wir gleichzeitig mit zwei Augen schauen, gewönne das Bild eine Dimension der Tiefe dazu. Diese Tiefe ist bei Bateson die Dimension der Beziehungen, eine Betrachtungsebene, die für den systemischen Coach von vorrangiger Bedeutung ist.

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Der systemische Coach muss die Beziehungsebene immer mit reflektieren: Was passiert zwischen mir und dem Klienten gerade? Welche Auswirkungen haben meine Interventionen und meine Rückmeldungen auf sein Verhalten? Wie wirke ich als Person auf den Klienten und hat diese Wirkung wahrnehmbare Auswirkungen auf sein Handeln? In welche Beziehungsnetzwerke ist der Klient integriert? In welche Netzwerke sollte er integriert sein, um sein Karriereziel wirksam verfolgen zu können?

Der Klient im systemischen Coaching Ausgehend von den konstruktivistischen und systemischen Grundannahmen möchten wir uns nun Fragen nach dem Menschenbild des systemischen Coachings zuwenden. Wie sieht ein systemischer Coach seinen Klienten? Welche Grundannahmen macht er über ihn? Welche Haltung hat er ihm gegenüber? Diese Fragen möchten wir in fünf einzelne Aspekte aufschlüsseln. Sie werden jeweils angereichert durch Übungen zur Selbstreflexion für Coaches, die noch keine Erfahrung mit dem systemischen Ansatz haben. Die Übungen sollen Sie für die systemische Haltung sensibilisieren und Ihnen eine konkretere Vorstellung systemischen Arbeitens geben. 1. Wahrheit und persönliche Verantwortung

Für jeden Menschen sind diejenigen Deutungen der Wirklichkeit relevant, die sein Handeln bestimmen. Die relevanten Deutungen konstruiert er, so die These des Konstruktivismus. Aus konstruktivistischer Sicht bestimmt jede Person die wahrgenommene Gestalt ihrer Systeme mit und wird gleichzeitig von den Systemen mitbestimmt. Das heißt, sie ist »weder passives Opfer der Umstände noch ein aktiver Täter, der sich die Welt ›untertan macht‹. […] Diese Sicht der Person beinhaltet Hoffnung und Realitätssinn, Freiheit und Verantwortung, Rechte und Pflichten, aktive Gestaltung und passive Betroffenheit zugleich« (Guntern, 1984, S. 324). Der Klient trägt dennoch mehr Verantwortung für sein Handeln als in direktiveren expertenorientierten Ansätzen des Coachings. Niemand kann nämlich eine objektive Wahrheit für sich in Anspruch nehmen, Handlungen müssen gut begründet sein (Rotthaus, 1989, S. 12; Schwing u. Fryszer, 2015, S. 327). Die nachfolgende Übung veranschaulicht dies. Schauen Sie sich die beiden Reihen der Abbildung 7 an:

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Abbildung 7: Zwei Zahlenreihen zu jeweils drei Figuren?

Denken Sie nun darüber nach, mit welcher Art Reihung Sie es in beiden Fällen zu tun haben, was also jeweils gereiht wird, und welche Rolle dabei jeweils der Kombination 13 zukommt.

Die beiden mittleren Figuren der Abbildung 7 in der Übung oben sind gleich. Dennoch werden Sie sie wahrscheinlich unterschiedlich gedeutet haben, je nachdem, in welcher Reihe sie jeweils in der Abbildung 7 stehen. Das liegt daran, dass Sie beim Betrachten sehr schnell eine Annahme darüber bilden, ob Sie es mit einer Buchstabenreihe oder einer Zahlenreihe (oder etwas völlig anderem) zu tun haben. Ihre Vorannahmen bestimmen also bereits auf der Ebene der Sinneswahrnehmungen mit, wie Sie Ihre Eindrücke deuten. 2. Soziale Kontexte

Menschen leben immer in sozialen Kontexten, die im Coaching stets mitgedacht werden müssen. Menschen haben eine Vielzahl von Identitäten, die sich in den unterschiedlichen Kontexten als unterschiedliche Rollen bzw. übernommene Funktionen ausdrücken. Man kann regelrecht von einer »PatchworkPersönlichkeit« reden (Mehlmann u. Röse, 2000, S. 123). Das heißt: Menschen verhalten sich unterschiedlich und nehmen unterschiedliche Identitäten an, je nachdem, in welchem System sie sich gerade bewegen. Für den Coach bedeutet der Umstand, dass Menschen in vielen sozialen Kontexten leben, Folgendes: »Wir müssen bei unseren Interventionen immer mit bedenken, welche Folgen sie für den Kontext von Klienten und damit rekursiv für unsere Klienten selbst haben« (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 325 f.). Denn ein Beratungsprozess wirkt nie nur auf den einzelnen Klienten, sondern auch auf die Systeme, die den Kunden und Beratungsprozess umgeben. Vergegenwärtigen Sie sich einmal, bevor Sie ein Coaching beginnen, die Systeme, denen Sie selbst zugehören: die Einrichtung oder Firma, für die Sie arbeiten (mit dem

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Kreis Ihrer unmittelbaren Kollegen); Ihr erweiterter Kollegenkreis und Ihre beruflichen Netzwerke; Ihre Familie, Ihren Freundeskreis usw. Inwiefern bestimmen diese jeweils mit, wie Sie in eine Coachingsituation hineingehen und während dessen handeln?

3. Eigendynamik

Menschen befinden sich in einem andauernden Prozess der Veränderung. Die Veränderungen werden von sehr vielen Faktoren beeinflusst, die weder der Klient noch der Coach in der Lage sind, vollständig im Blick zu behalten. Das, was wir als Coach von Klienten in der Coachingsituation wahrnehmen, ist immer ausschnitthaft, es ist nicht auf ihr gesamtes Leben zu verallgemeinern. Ein Karrierecoach sollte sich vor vorschnellen Generalisierungen und Prognosen hüten (Plöger, 2013). Was für die Einstellungen und Handlungen des Klienten langfristig Gültigkeit hat, kann im Coachingkontext nicht letztgültig beurteilt werden. Die Richtung der Veränderungen, die der Lebens- und Identitätsprozess eines Klienten nimmt, können wir als Coach weder so genau einschätzen noch so nachdrücklich beeinflussen, wie wir vielleicht meinen (oder wünschen).

Die nachfolgende Übung eignet sich dazu, sich die eigenen Vorstellungen und Beurteilungen einem Klienten gegenüber bewusst zu machen und sich etwas näher und vor allem möglichst konkret mit ihnen zu beschäftigen und auseinanderzusetzen. Stellen Sie sich vor einer Sitzung einmal Ihren Klienten vor. Schreiben Sie einfach auf, was Ihnen spontan zu ihm einfällt – ohne zu sortieren und zu bewerten. Wiederholen Sie dies vor den nachfolgenden Coachings und tragen Sie so über einige Zeit zusammen, was Sie nach mehreren Gesprächen über einen Klienten zu wissen glauben. Treten Sie dann innerlich einen Schritt zurück und machen Sie eine Liste mit allem, was Sie mit hundertprozentiger Sicherheit und in aller Ehrlichkeit über ihn wissen. Vergleichen Sie anschließend die beiden Listen.

Die zweite Liste, die Sie in der Übung oben angefertigt haben, enthält möglicherweise gar keine oder nur sehr offensichtliche und oberflächliche Einträge: Das heißt, es ist tatsächlich sehr wenig, was über einen Menschen sicher und zwingend zu wissen ist. 4. Lösungspotenziale wahrnehmen

Das prinzipielle Potenzial zur Lösung eines Anliegens ist immer schon da. Der Klient hat Mittel, eine für ihn günstigere Art und Weise zu finden, mit seiner

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Situation umzugehen. Das kann ihm eine zusätzliche Motivation sein, denn »je mehr wir überzeugt sind, dass Ressourcen vorhanden sind, desto leichter werden wir sie auch finden« (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 326). Mit Unterstützung des Coaches ist der Klient oft besser in der Lage, Deutungen zu finden, die es ihm erlauben, selbsttätig Lösungspotenziale in von ihm praktizierte Veränderungen zu überführen. Grundannahme ist die »Überzeugung, dass die meisten Menschen die Stärke, Klugheit und Erfahrung haben, um eine Veränderung zustande zu bringen« (de Shazer u. Dolan, 2008, S. 27). Deshalb ist die Aufgabe des Beraters unter anderem, die Aufmerksamkeit des Klienten von dem, was ihn am Handeln hindert oder für ihn problematisch ist, fort und hin zu dem zu lenken, was ihn zum Handeln bewegt und für ihn zu einer günstigen Veränderung führt (Mehlmann u. Röse, 2000, S. 11 ff.).

Die nachfolgende Übung ermöglicht es Ihnen, sich aktiv Ihre eigene Fähigkeit der Wahrnehmung von Lösungspotenzialen zu vergegenwärtigen und diese zu verbessern. Sensibilisieren Sie sich selbst für Lösungen. Wenn Sie das nächste Mal vor einem Problem stehen, das auf den ersten Blick schwer zu überwinden scheint, stellen Sie sich die Frage: Bei allen Hindernissen – wo liegt in dieser Situation mein Potenzial zur Verbesserung der Situation? Welchen (auch minimalen) Schritt kann ich noch machen, der zu einer für mich günstigen Veränderung führt? Bei welchen Gelegenheiten ist ein solcher Schritt leichter und das Problem weniger drängend? Wer kann mich dabei unterstützen?

5. Selbstexpertise

Menschen sind eigensinnig in ihren Deutungen und ihren Verhaltensweisen. Werden sie durch andere mit Sichtweisen konfrontiert, die nicht ihrer Selbstwahrnehmung entsprechen, zeigen sie mitunter starken Widerstand. Der systemische Ansatz respektiert den Klienten als den wichtigsten Experten für seine eigene Lebensgestaltung. Systemische Coaches »gehen von der Autonomie der Rat- und Hilfesuchenden aus und betrachten diese als ›Experten und Expertinnen ihrer selbst‹. Dabei wird das individuelle Erleben der Einzelnen als subjektive Verarbeitung ihrer lebensgeschichtlichen, affektiven und kognitiven Beziehungserfahrungen verstanden« (Systemische Gesellschaft, 2015). Bei der systemischen Beratung handelt es sich »nicht um eine Beratung im traditionellen Sinn […], wo ein Hilfesuchender ein Problem vorträgt, zu dem eine

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Expertin dann ihren Rat gibt« (Kaimer, 1999). Den Klienten wird stattdessen ein höchstmögliches Maß an Autonomie mit dem Ziel der Stärkung der Selbstwirksamkeit eingeräumt (und damit wird ihm seine Würde belassen bzw. versucht, sie ihm zurückzugeben).

Mit der nachfolgenden Übung können Sie Ihre Haltung gegenüber den Klienten schulen, indem Sie in einem konkreten Fall versuchen, die traditionell beratende, auf Vorgaben basierende Unterstützung in eine aktivierende, auf Anregungen basierende zu verwandeln. Überlegen Sie vor der nächsten Sitzung mit Ihrem Klienten, welche direktiven Aussagen (Ratschläge, Expertenurteile, Warnungen usw.) Ihnen auf der Zunge liegen und wie Sie diese durch Anregungen ersetzen können, die den Klienten auf sein eigenes Lösungspotenzial aufmerksam machen. Worin konkret könnte bei dem Klienten ein Potenzial liegen? In welchen Situationen könnte der Klient es besonders leicht ausschöpfen? Was kann er in der betreffenden Situation selbst tun, ohne Ihre Unterstützung?

Die Praxis der systemischen Haltung In dem Kapitel »Wie ein Systemiker die Welt sieht« (S. 106 ff.) haben Sie die grundlegenden Annahmen kennengelernt, die der systemische Ansatz über den Menschen im Allgemeinen, Menschen in der Rolle von Klienten sowie über den Coachingprozess macht. Was bedeuten diese Grundannahmen nun für die alltägliche Praxis des Coaches? Wir erläutern im Folgenden, welche anwendungsbezogenen Schlussfolgerungen sich aus der Haltung eines systemischen Coaches ableiten lassen. Die methodischen Werkzeuge (das Wie) der systemischen Beratung beschreiben wir anschließend im Kapitel »Systemische Methoden im Karrierecoaching« (S. 127 ff.). Die Einführung der Außenperspektive Systemische Coaches rücken ab von einer »Gucklochhaltung« gegenüber der Welt. Der Kybernetiker Heinz von Foerster beschrieb mit diesem Begriff diejenige Herangehensweise an die Wirklichkeit, nach der wir diese von außen, durch eine geschlossene Tür betrachten (vgl. Radatz, 2010, S. 18). Wir schauen auf die Welt durch den kleinen Ausschnitt eines Gucklochs und können uns dabei wie Unbeteiligte vorkommen, da wir ja draußen vor der Tür stehen. Die

Die Praxis der systemischen Haltung

systemische Haltung geht dagegen davon aus, dass wir stets an der sozialen Wirklichkeit teilhaben. Wir sind als Coach Teil der Situation, wirken in ihr und verändern damit bereits die Wirklichkeit des Klienten. Damit sind wir Teil eines neuen Systems, des Berater-Klienten-Systems. Das Berater-Klienten-System hat seine eigenen Regeln und seine eigene Dynamik. Dennoch: »In diesem neuen System kann [der Berater] seine Beziehungen als Interventionen nutzen« (Rotthaus, 1989, S. 15). Er bringt nämlich eine Perspektive des Außen in das neue System mit ein. »Die konsequente Einführung der Außenperspektive ist dementsprechend das wesentliche therapeutische Instrumentarium der systemischen Therapie. Wenn sich der Rahmen der wechselseitigen Selbstund Fremdinterpretationen verändert, wandeln sich auch die Interaktionsregeln« (Simon, 1985, S. 461). Die Veränderungen im Berater-Klienten-System beeinflussen damit das für das Anliegen des Klienten relevante System, das Klientensystem (zum Beispiel seine Arbeitsumgebung und seine Teambeziehungen). Ziel des Coaches ist es, das Berater-Klienten-System so zu gestalten, dass eine Veränderung innerhalb des Klientensystems – auf das er keinen direkten Einfluss hat – möglich wird (Backhausen u. Thommen, 2006, S. 39 ff.).

Die Achtung und Wertschätzung des Klienten Wichtigster Bestandteil der Haltung des systemischen Coaches gegenüber dem Klienten ist die grundsätzliche Achtung und Wertschätzung des Klienten. Im Beratungsprozess soll seine Würde und Autonomie (siehe weiter oben: der Klient als Experte seiner selbst) gewahrt bleiben. Dazu zählt auch die Akzeptanz der Wirklichkeitsdeutungen des Klienten. Die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Selbstwirksamkeit des Klienten steht somit im Vordergrund. Das Coaching ist im Grunde eine Hilfe zur Selbsthilfe. Die Klienten »werden zur Entdeckung und selbstbestimmten Nutzung eigener Ressourcen angeregt, dabei unterstützt und begleitet«, die Coaches »orientieren sich in ihrem Handeln daran, die Möglichkeitsräume der Klienten und Systeme zu erweitern und deren Selbstorganisation zu fördern« (DGSF, 2012). Diese Haltung ist weit entfernt von einer paternalistischen, nach der ein Klient bloßer Empfänger eines Ratschlags eines richtungweisenden Behandlers ist. Es ist wichtig, dass der Coach eine authentisch empfundene und verstandene Haltung herausbildet. Eine bloße Attitüde oder ein methodisch korrektes

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Nachvollziehen von Kommunikationsroutinen genügt nicht. Es entspräche zum einen nicht der Ethik der systemischen Methode. Zum anderen würde, was nicht mit eigener Überzeugung angeeignet worden ist, auch nicht wirken (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 326).

Die gleichwertige Behandlung aller Weltdeutungen Eigene Weltdeutungen des Coaches werden nicht per se als gültig vorausgesetzt, im Gegenteil: Alle (möglichen) Weltdeutungen werden gleichwertig behandelt. Das heißt, dass der Coach zunächst seine eigenen Ziele und Hypothesen loslassen muss (Radatz, 2010, S. 31). Er bleibt bescheiden und hält sein Urteil und seine Bewertungen zurück. Er schlüpft in die selbstdistanzierte »Haltung des wohlwollend-interessierten Forschers« (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 326). Sie trägt entscheidend dazu bei, dass der Berater in der Lage ist, den Fokus des Klienten auf Lösungswege zu richten. Der Coach stellt sich darauf ein, dass alles, was der Klient in den Prozess an Standpunkten, Haltungen und Erfahrungen einbringt, konstruktiv zur Erreichung des Beratungszieles verwendet werden kann (Weakland, 2001, S. 157). Seine Aufgabe ist es, achtsam zu sein gegenüber den Möglichkeiten dieser Übertragung und sie dem Klienten sichtbar zu machen. Dazu bedarf es des Vertrauens in die Kreativität und die Problemlösefähigkeit des Klienten und der Systeme, in die dieser eingebettet ist (Rotthaus, 1989, S. 14; Radatz, 2010, S. 31). Nachfolgend finden Sie eine Übung, die Ihnen hilft, die eigenen Weltdeutungen zurückzustellen und von der Erstellung eigener Befunde abzusehen. Wenn Sie Ihrem Klienten zuhören und bemerken, dass Sie gerade im Kopf eine Bewertung über ihn, seine Situation, seine Handlungsgründe etc. zu formulieren beginnen, sagen Sie sich im Stillen: »Stopp!« Enthalten Sie sich des Urteils. Nehmen Sie eigene Gedanken, die mit »Aha, …« beginnen, oder »Okay, dann verhält es sich so und so …«, gar nicht ernst. Hören Sie stattdessen noch genauer zu, was der Klient Ihnen gerade erzählt. Versuchen Sie nachzuvollziehen, welchen Sinn das Gesagte aus seiner Perspektive ergibt.

Der Klient ist kein Kranker Der systemische Coach erstellt keine Befunde. Damit gerät er auch nicht in Gefahr, einen Zustand des Klienten zu diagnostizieren, der letzteren unter Umständen vorschnell pathologisieren könnte.

Die Praxis der systemischen Haltung

Der Klient wird nicht als Kranker gesehen. »Im therapeutischen und beraterischen Bereich orientiert sich systemische Praxis am Anliegen der Klienten (Kunde/-innen) [sic!] und verzichtet auf normative Zielsetzungen und Pathologisierung. Im Rahmen von fürsorglichen und sozial-pädagogischen Maßnahmen knüpft systemische Praxis an die Ressourcen der Beteiligten an, um ethisch vertretbare Zustände herbeizuführen« (DGSF, 2012).

Sollte sich beim Coach im Laufe des Prozesses dennoch der Eindruck durchsetzen, dass der Klient an einer pathologischen psychischen Veränderung leidet, ist zu überlegen, ihn auf die Unterstützungsmöglichkeiten durch ein anderes, auf pathologische Veränderungen spezialisiertes Hilfesystem hinzuweisen, etwa Fachtherapeuten oder eine psychologische Ambulanz. Das Aufspüren und Verstärken von Lösungen Systemische Coaches versuchen nicht, »den Ursprung und das Wesen« der Situation des Klienten zu ergründen oder »dysfunktionale Interaktionen zu analysieren« (de Shazer u. Dolan, 2008, S. 24, Herv. i. O.). Sie sollten im Gegenteil »von der Annahme Abschied […] nehmen, ein Ergründen der Ursache sei Vorbedingung für gutes, verantwortungsvolles, wirksames [beraterisches] Handeln« (Rotthaus, 1989, S. 15). Stattdessen unterstützen systemische Coaches den Klienten dabei, Lösungen zu finden. Statt die Ursache der Situation des Klienten zu erkunden, sollte sich der Prozess des Karrierecoachings auf das Aufspüren und Verstärken von Lösungen konzentrieren, das heißt von Chancen auf Veränderungen, die die Situation des Klienten zu seinen Gunsten wandeln.

In der nächsten Übung geht es darum, eine verstärkte Aufmerksamkeit für die Lösungsmöglichkeiten des Klienten zu entwickeln. Achten Sie während der Beratung auf Stellen, an denen Sie den Klienten analysieren und zu Aussagen folgender Art kommen: »Er reagiert so, weil …«, »Er war durch seine Einstellung/vergangene Erfahrung zu einem solchen Verhalten gezwungen«, »Er ist grundsätzlich so und so, also hat er jetzt so und so gehandelt« usw. Ersetzen Sie diese Analysen durch eine verstärkte Aufmerksamkeit auf die Handlungen des Klienten und deren konkrete Folgen, die Sie bezeugen können oder über die er Ihnen berichtet. Überlegen Sie sich dabei Folgendes: »In welchen dieser Handlungen und deren Folgen sehe ich Möglichkeiten und Ressourcen für positive Veränderungen?«

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Die Äußerungen des Klienten haben den Vorrang Was der Klient sagt, führt durch den Prozess, nicht das, was der Coach über das Gesagte hinaus interpretativ erschließen könnte. Äußerungen des Klienten werden als valide Beschreibungen der Wirklichkeit des Klienten angenommen und wertgeschätzt. Der Coach übernimmt bewusst keine deutende Position (siehe oben). Er bleibt »an der Oberfläche des Gesagten. […] Die Bedeutung des Gesagten liegt in seinem Gebrauch in der Sprache« (Kaimer, 1999; vgl. de Shazer, 1998, S. 113 ff.). Dabei achtet er auch auf kleine Details und gibt zu verstehen, dass er sie bemerkt hat. Das ist keine oberflächliche Art, mit dem Klienten umzugehen, sondern im Gegenteil: Der Coach behandelt ihn gerade dadurch mit großem Respekt. Er signalisiert ihm damit, dass er ihn für ebenso an Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit interessiert hält, wie er selbst es ist. Es sind die Äußerungen des Klienten, die das Zentrum des Karrierecoachings bilden, den Prozess leiten. In Hinsicht auf die Äußerungen des Klienten gilt es daher, eine aufmerksam-wohlwollende Haltung einzunehmen, wie sie de Shazer (1989) bescheibt: Im systemischen Coaching »versuchen meine Kollegen und ich, darauf zu achten, was die Klienten sagen und wie sie es sagen, während wir uns gleichzeitig weigern, irgendetwas einfach so zu glauben. Dabei versuchen wir einem konversationalen ›Prinzip des Wohlwollens‹ zu folgen. Das heißt, wir sind bereit, anzunehmen, dass andere Menschen ihr Erleben in einer Weise verstehen, die sich nicht völlig von der unsrigen unterscheidet.« (de Shazer, 1998, S. 133 f.).

Die nachfolgende Übung ermöglicht es Ihnen, sich mit der Sprache des Klienten wohlbekannt zu machen. Zeichnen Sie die sprachlichen Elemente auf, die der Klient zur Beschreibung seiner Situation benutzt: Welche Eigenschaftswörter verwendet er? Tauchen bestimmte Substantive in seinen Beschreibungen wiederholt auf? Auf welche Weise nimmt er Wertungen vor? Welche Wörter verwendet er für Personen – benennt er sich selbst mit »ich«, »man« oder seinem Eigennamen? Usw. Deuten Sie die Elemente der Liste nicht. Schauen Sie sich lediglich die Besonderheiten der Redeweise des Klienten an. Machen Sie sich mit Ihnen vertraut und halten Sie Schlüsselworte des Klienten für die weitere Beratung fest.

Die Praxis der systemischen Haltung

Das In-Gang-Setzen einer hilfreichen Dynamik Herausforderungen und Probleme verursachen eine Verhärtung der Wirklichkeitskonstruktionen des Klienten (weshalb man auch von einer »Problemhypnose« spricht, siehe Schwing u. Fryszer, 2015, S. 326). Die Kommunikation innerhalb des Systems des Klienten erstarrt ebenso und dreht sich in sich stets aufs Neue wiederholenden Kreisen um die immer gleichen festgefahrenen Interaktionsmuster. Beispielsweise versucht ein Klient, seine starke Arbeitsbelastung durch noch mehr Anstrengung zu lösen, was allerdings noch mehr Arbeit und noch mehr psychische Belastungen hervorruft. Beratung hat zur Aufgabe, diese Interaktionsmuster zu lockern und damit eine hilfreiche Dynamik in Gang zu setzen (Rotthaus, 1989, S. 13 f.). »Um zu erklären, was systemisches Denken bedeutet, wird gern die Metapher des ›Mobiles‹ gewählt: Wenn man an einer Stelle eine Veränderung vornimmt, verändert sich gleichzeitig auch viel an den anderen Punkten des Mobiles – vielleicht nur schwach an der einen Stelle, dramatisch stark an der anderen. […] Probleme entstehen dann, wenn sich das Mobile ›festhakt‹, wenn das System an einer Stelle erstarrt. Aufgabe ist dann, das Ganze wieder in eine fließende Bewegung zu bringen, nicht einen Teil zu ›reparieren‹« (Systemische Gesellschaft, 2015). Es ist notwendig, das Denken des Klienten zunächst zu irritieren, damit dieser auf die verhärteten Strukturen seiner Wirklichkeitskonstruktionen aufmerksam wird. Der Coach bringt ihn zu diesem Zweck dazu, in seinem Verhalten Widersprüche und erstarrte Muster zu erkennen. Das Ziel ist, dass der Klient auf andere Handlungsweisen als die festgefahrenen, fokussiert, und zwar auf solche, die ihn aus der Problemhypnose heraus in eine Lösungshypnose bringen: Das eine (verhärtende) Muster muss durch ein anderes, und zwar eins, das eine positive Dynamik erzeugt, ersetzt werden (vgl. Watzlawick, 1992, S. 99).

»Die Klagen, mit denen Klienten zum Therapeuten kommen, sind wie Türschlösser, hinter denen ein befriedigenderes Leben wartet. Die Klienten haben alles versucht, was ihnen vernünftig, richtig und gut erschien, und was sie unternommen haben, basierte auf ihrer unbezweifelten Realität, aber die Tür ist noch immer verschlossen […] Häufig hat dieser Schluss immer weitergehende Bemühungen zur Folge: Nun versuchen sie herauszufinden, warum das Türschloss so und nicht anders beschaffen ist oder warum es sich nicht öffnen lässt. Dabei dürfte es doch klar sein, dass man zu Lösungen mit Hilfe eines Schlüssels und nicht mit Hilfe eines Schlosses gelangt« (de Shazer, 1989, S. 12 f.).

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Die Entwicklung heilsamer Sprachmuster Ein zentraler Faktor im systemischen Coaching ist die Sprache. Die Haltung des Coaches wird in verbalen Ausdruck übersetzt, das bedeutet, dass sie in der Sprache für den Klienten sichtbar wird und wirksam ist. Systemische Berater sind somit »professionelle Kontextbereitsteller mit einem gut trainierten Gespür für die gemeinsame Entwicklung heilsamer Sprachmuster« (Kaimer, 1999). Die Veränderung der Systeme des Klienten Wie wir im Abschnitt »Die Einführung der Außenperspektive« (S. 118 f.) bereits gesehen haben, führen die Veränderungen im Handeln des Klienten, die im Coaching angestoßen werden, auch zu Veränderungen der Systeme, in die der Klient eingebettet ist. Diese Tatsache macht die Folgen der Interventionen im Coaching auf der einen Seite unüberschaubar. Auf der anderen Seite eröffnen sich dem Coach gerade dadurch neue Möglichkeiten. Andere Personen im System können helfen, die notwendigen Veränderungen anzustoßen, wenn der Klient dazu nicht selbst in der Lage ist. Beispielsweise kann die Familie einen Jugendlichen bei der Berufswahl unterstützen. Diese Unterstützung kann sich der Coach zunutze machen, indem er die potenziellen Helfer in die Lösungshypnose einbezieht. Die nachfolgende Übung schlägt in Bezug auf die Lösungshypnose vor, den Klienten zur Veränderung in seinen Systemen zu befragen, um Rückschlüsse auf den Zusammenhang zwischen System- und Klientenveränderungen zu erhalten. Fragen Sie Ihren Klienten, nachdem das Karrierecoaching bereits etwas vorangeschritten ist, danach, welche Veränderungen sich im Laufe der Beratungszeit in einem (für den Beratungsprozess relevanten) System ergeben haben. Auf welche Veränderungen seitens des Klienten lassen sich diese Systemveränderungen zurückführen? Inwiefern haben sie zu einer positiven Entwicklung beim Klienten beigetragen?

Das Profil des systemischen Beraters In Stichworten zusammengefasst lässt sich mit Bamberger (2015, S. 25) das Profil des systemischen Beraters wie folgt darstellen: Er ist »1. Entwickler von Möglichkeitssinn 2. Aktivierer von Ressourcen 3. Ermutiger für den ersten Schritt

Fazit

4. 5. 6. 7.

Bewunderer von Autonomie Supervisor für die Interaktion mit der Außenwelt Förderer von Normalität Unterstützer von Selbstwirksamkeit.«

Das Vertrauen in die Dynamik und Komplexität Bei aller guten Vorbereitung, Ausbildung und dem Engagement des Coaches – was in einem Coachingprozess passiert, lässt sich nie vorhersehen. Dazu sind sowohl die psychische Dynamik des Klienten und des Coaches als auch die Komplexität der Systeme zu groß und unüberschaubar. Vertrauen in diese Dynamik und Komplexität gehören untrennbar zur Tätigkeit eines systemischen Coaches. Er muss von der Vorstellung der Kontrolle ablassen. »[D]ie wirklich entscheidenden Momente in der Psychotherapie [so auch in der Laufbahnberatung; PP] sind […] nicht vorhersagbar, einmalig, unvergeßlich, niemals wiederholbar und oft unbeschreibbar« (Capra, 1987, S. 126 f.). Die beständige Selbstreflexion Schließlich gehört zur professionellen Haltung des systemischen – wie aller – Coaches auch die Bereitschaft zur beständigen Selbstreflexion. »Bei jedem Coaching lernt (auch) der Coach« (Radatz, 2010, S. 33). Handle ich noch so, dass ich dem Interesse des Klienten, soweit es mir möglich ist, diene? Der Überprüfung der eigenen professionellen Rolle sollte immer wieder Aufmerksamkeit eingeräumt werden. Dazu gehört auch die Selbstfürsorge, sie beinhaltet mithin »einen sorgsamen Umgang mit den persönlichen und fachlichen Ressourcen und deren Pflege« (DGSF, 2012). Im folgenden Kapitel wird die Gestaltung des Coachingprozesses, das heißt die Prozessstruktur im Karrierecoaching in den Blick genommen. Der Leser wird zudem mit zentralen Methoden des systemischen Ansatzes vertraut gemacht, mit denen er ein effektives Karrierecoaching praktizieren kann.

Fazit In diesem Kapitel wurde die Frage nach dem Wozu des systemischen Karrierecoachings diskutiert. Wir wollten zeigen, dass der systemische Ansatz sich sowohl in seinen Methoden als auch – und das vor allem anderen – in seiner grundlegenden Perspektive auf den Menschen von anderen Ansätzen unter-

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scheidet. Diese Perspektive ist eine humanistische, die den Klienten in seiner Autonomie, Handlungsfähigkeit und Würde wahrnimmt und schätzt. Er wird als Gleicher, nicht als Patient (»Erleidender«) einer Behandlung angesehen. Das Kapitel hat zentrale Begrifflichkeiten und Haltungen angesprochen, daneben fanden Sie einige Übungen, die wir Ihnen besonders ans Herz legen möchten. Den Ansatz des systemischen Coachings lernen Sie – nach allem, was wir selbst erfahren haben – am gründlichsten in der Praxis, zu der auch die Selbsterfahrung gehört. Dazu wollten wir Sie in diesem Kapitel mittels der Übungen vor allem anregen. Sich für die Übungen Zeit zu nehmen, kann Ihre Coachingpraxis nachhaltig bereichern. Abschließend folgen die Hinweise zu weiterführender Literatur zu den zwei Hauptthemen des Kapitels: zur Weltsicht des Systemikers und zur Praxis der systemischen Haltung. Zum Thema Weltsicht des Systemikers: –– Gergen, K. J., Gergen, M. (2009). Einführung in den sozialen Konstruktionismus. Heidelberg: Carl-Auer. –– Meadows, D. H. (2010). Die Grenzen des Denkens. Wie wir sie mit System erkennen und überwinden können. München: oekom. –– Watzlawick, P., Beavin, H. B., Jackson, D. D. (1969). Menschliche Kommunikation. Formen Störungen Paradoxien. Bern: Huber. Zum Thema Praxis der systemischen Haltung –– Shazer, St. de (1998) »… Worte waren ursprünglich Zauber«. Lösungsorientierte Therapie in Theorie und Praxis (2. Aufl.). Dortmund: Verlag Modernes Lernen. –– Schwing, R., Fryszer, A. (2015). Systemisches Handwerk. Werkzeug für die Praxis (7. Aufl.). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. –– Schlippe, A. von, Schweitzer, J. (2013). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I. Das Grundlagenwissen (2. Aufl.). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger

Systemische Methoden im Karrierecoaching »Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.« Lucius Annaeus Seneca

Dieses Kapitel beschreibt die Voraussetzungen, die Struktur, den Ablauf und die Einzelmethoden im systemischen Karrierecoaching. Dabei bilden die Haltung, das Setting bzw. der Kontext und die kreative Einbindung von Einzelmethoden die Basis des Coachingprozesses. Sonja Radatz (2010, S. 14) verwendet in ihrer Einführung in das systemische Coaching für den kommunikativen Prozess von Coach und Klient die Metapher des Tanzes. In der Tat beinhaltet dieses Bild wesentliche Prozesselemente wie sie auch im Karrierecoaching zu finden sind (siehe Abbildung 8): 1. Zuerst braucht es einen Anlass. Dieser schließt an der Frage nach dem Warum an. Ist der Anlass des Tanzes – um im Bild zu bleiben – ein Familienfest, ein Wochenendvergnügen oder beispielsweise ein Tanzwettbewerb? Sucht man die Analogie zum Karrierecoaching, so lässt sich fragen, was am Ende gefeiert werden soll? Geht es um ein familiäres Thema (zum Beispiel darum, es den anderen in der Familie beweisen zu wollen)? Ist es eher der berufliche Alltag, den es zu gestalten gilt (zum Beispiel, indem ich meine Stellung und meine Aufgabe in der Organisation kläre)? Oder will sich der Klient einem Wettbewerb stellen? Und wenn ja, dann mit wem: mit sich selbst, seinen eigenen Ansprüchen oder einem anderen, zu dem er in Konkurrenz steht? 2. An den Anlass und das Warum des Tanzes schließt sich die Frage nach dem Wo an. Ist es eine Tanzschule, eine Disco oder gar das eigene Familienfest (Hochzeit, Jubiläum und Ähnliches)? Wer sind die Zuschauer der Tanzenden? Wie sieht die Bühne aus? Ist es ein Ballsaal oder ein dunkler Party-Keller? Im systemischen Karrierecoaching ist dies die Frage nach den Kontextbedingungen. 3. Und schließlich stellt sich die Frage nach dem Wie. Beim Wie denkt man sofort an die Tanzschritte. Diese wirken jedoch letztlich nur durch die Haltung der Tänzer. Im Karrierecoaching lässt sich das Wie unter der Überschrift »Prozessgestaltung« in mehrere Einzelfragen zergliedern,

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Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger

wobei drei Aspekte zu unterscheiden sind: das kommunikative Handeln der Beteiligten, die systemischen Methoden und die professionelle Haltung (berufliches Selbstverständnis, Menschenbild und die persönlichen Werte und Normen).

Anlass

Kontext

Prozess

Coaching Abbildung 8: Prozesselemente des Karrierecoachings

Eine Kontroverse in der Coachingliteratur geht auf die Unterscheidung von Experten- und Prozessberatung zurück. Diese Unterscheidung wurde bereits im Kapitel »Themenfelder und Inhalte von Karrierecoaching« (S. 52 ff.) an­ gesprochen und soll hier im Kontext des Karrierecoachings konkretisiert werden. In der traditionellen Laufbahnberatung dominiert die Position der Expertenberatung, neuere Ansätze betonen demgegenüber die Grundsätze der Prozessberatung (zum Beispiel Lang-von Wins u. Triebel, 2012; Rappe-Giesecke, 2008). Die Position der Expertenberatung geht davon aus, dass in einer ExpertenLaien-Beziehung Wissen über den Arbeitsmarkt, spezifische Ausbildungs-, Studien- und Weiterbildungswege, Ausbildungsinhalte und Berufsbilder, berufliche Übergangsschritte und anderes vermittelt und Empfehlungen für die anstehenden Entscheidungen bzw. weitergehenden Ziele gegeben werden. Die Prozessberatung will das Experten-Laien-Verhältnis zu Gunsten einer partnerschaftlichen Beziehung überwinden. Sie setzt deutlich stärker auf die Selbstexploration, sieht den Klienten als eigenverantwortlich, kompetent für seine Lebensgestaltung und -entscheidungen und betont die Prozesssteuerung in enger Abstimmung mit dem Klienten (siehe Tabelle 4).

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Systemische Methoden im Karrierecoaching

Tabelle 4: Vergleich von Experten- und Prozessberatung

besondere Effektivität (situative Bedingungen)

mögliche Nachteile für den Klienten/ verringerte Wirksamkeit

möglicher Vorteil für den Klienten

implizite Grundannahmen

Expertenberatung

Prozessberatung

–– Karrierefragen lassen sich auf Grundlage einer rationalen Problemanalyse beantworten. –– Es gibt einen (für den einzelnen Menschen) richtigen Weg/eine Lösung, die objektiv und weitestgehend situations- und personenunabhängig gültig und wirksam ist. –– Die Problemlösung hat den Vorrang vor der Beziehungs­gestaltung. –– Rationalität steht über der Emotionalität.

–– Menschen mit ihren Berufs- und Karrierefragen sind auf der individuellen Sinn- und Wertsuche. –– Es gibt nicht die richtige Lösung, sondern die jeweils individuelle Suche eines Weges. –– Menschen wollen als Personen angenommen werden, wodurch sich ihre Änderungsbereitschaft verbessert. –– Emotionen sind wichtiger als Rationalität.

–– Schaffung von Sicherheit über Ur­ sachen, Lösungswege und Ziele. –– Liefern von Informationen (Konsumentenerwartung). –– Klarheit der Rolle in der Beratung (edukativer Dialog). –– Wenn der Klient nach einer Vaterbzw. Expertenperson sucht, der er sich anvertrauen kann.

–– Stärkung der Verantwortung und Anregung zur Mitarbeit. –– Stärkung des Selbstvertrauens in eigene Wahrnehmung, eigenes Denken und Handeln. –– Sicherung der Anschlussfähigkeiten am Lebenskontext des Klienten (Transferfragen).

–– Einschränkung der Autonomie und –– Wenn der Klient kein Vertrauen in Entscheidungsfreiheit des Klienten. seine Selbststeuerungsfähigkeit –– Wenn der Klient skeptisch ist bzw. hat. Misstrauen gegenüber dem Bera–– Wenn der Klient keinen Nutzen ter bzw. der beratenden Institution in einem ergebnisoffenen Dialog hat. sieht. –– Bei starkem kulturellen Unter–– Wenn der Klient die Qualität der schied zwischen Experten- und Beratung daran misst, ob er eine Klientensystem. Empfehlung erhält. –– Wenn es schnell gehen soll (Krisenund Katastrophensituation). –– Wenn der Klient lediglich einzelne Informationen zur Entscheidungsfindung sucht (Kurzberatung). –– Wenn die Handlungsfähigkeit des Klienten stark eingeschränkt ist. –– Wenn die Lösungen nach »richtig« (funktioniert) und »nicht richtig« zu unterscheiden sind. –– Wenn die Konsequenzen weitreichend und ein Misserfolg bei der Selbstsuche/Erprobung nicht möglich ist.

–– Wenn der Klient stark in Richtung auf die eigene Autonomie orientiert ist. –– Wenn der Kompetenzerwerb und die Identitätssuche durch Erprobung erfolgen muss (Stellenwert des Experimentierens/Selbstexplorierens). –– Wenn der Klient umfangreiche Berufserfahrungen besitzt.

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Hans-Jürgen Balz

Im systemischen Karrierecoaching gehen wir von der Position der Prozessberatung aus und begründen dies insbesondere mit: ȤȤ der Einzigartigkeit der persönlichen Lebenssituation der Klienten, ȤȤ der Bedeutung der Eigenverantwortung des Klienten für den Berufserfolg, ȤȤ der Spezifik der konkreten beruflichen Kontextbedingungen und ȤȤ der Begrenztheit der Einflussmöglichkeiten des Coaches. Die praktischen Implikationen dieser Position für die Prozessgestaltung wollen wir im folgenden Kapitel diskutieren, das die die Phasen des Coachings vorstellt und die Spezifik der Prozessberatung im Karrierecoaching aufzeigt. Anschließend liefert das Kapitel »Methodisches Vorgehen im Karrierecoaching« (S. 137 ff.) die Grundlagen zum methodischen Vorgehen im systemischen Karrierecoaching.

Hans-Jürgen Balz

Prozessstruktur im Karrierecoaching Unter zeitlichen Gesichtspunkten lassen sich im Coaching eine Anfangs- oder Einstiegsphase, eine Arbeitsphase und eine Abschlussphase unterscheiden. Darin liegt eine universelle Struktur jedes zeitbegrenzten Beratungssettings. Die konkrete Ausgestaltung differiert zwischen den theoretischen Ausrichtungen der jeweiligen Berater, den Themenfeldern und den organisationalen Settings im Coaching. Die Anfangs- oder Einstiegsphase schafft die Inhalts- und Beziehungsgrundlagen. Im Zentrum steht die Klärung der Coachingziele und des Arbeitskontextes im neu entstandenen Helfer-Klienten-System. Als beziehungsstiftenden Aspekt strebt der Coach Rapport an. Dies bezeichnet eine positive Arbeitsbeziehung, die gestärkt werden kann durch Synchronisierung mit dem Klienten hinsichtlich Körperhaltung, Atmung, Sprache und emotionalem Mitschwingen. Die besondere Bedeutung der Eröffnungssequenz leitet sich aus ihrem Beitrag zur Rollenfindung, zur Erwartungsklärung, zur Vertrauensbildung und zur kommunikativen Einstimmung von Coach und Klient ab (zur methodischen Umsetzung siehe das Unterkapitel »Einstieg oder das Wichtigste zuerst« S. 137 ff.). Die Arbeitsphase hat diagnostische, zielexplorierende und veränderungsorientierte Funktionen. In ihrer Ausgestaltung ist sie vielfältig und weist vergleichsweise wenige universelle Merkmale auf. Je nach Anliegen und Arbeitskontext umfasst sie nur eine Sitzung, ist aber auch als längerfristiger

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Prozessstruktur im Karrierecoaching

Begleitungsprozess beispielsweise einer Führungskraft in der Weiterentwick­ lung ihres Führungsstils gestaltbar. Im lesenswerten Grundlagenbuch »Systemisches Handwerk« von Rainer Schwing und Andreas Fryszer (2015) finden sich als Analyseschritte für das Beraterhandeln: Sehen, Ordnen, Entscheiden und Handeln. Der idealtypische Ablauf von Sehen (Wahrnehmen, Explorieren und Informationen sammeln), Ordnen (Informationsauswertung und Strukturieren), Entscheiden (Ziele setzen, Methoden wählen und Maßnahmen planen) und Handeln (Intervenieren und Methoden anwenden) stellt sich bei der Themenbearbeitung als wiederkehrender kreisförmiger Prozess dar (siehe Abbildung 9). Beispielsweise entstehen im Handeln neue Informationen und Wahrnehmungen über das Klientensystem, was dann zu neuen Hypothesen und anderen Entscheidungen über den weiteren Verlauf des Coachingprozesses beitragen kann (vgl. Schwing u. Fryszer, 2015, S. 16 f.).

Sehen Ordnen

Handeln Entscheiden

Abbildung 9: Zirkulärer Prozess des Sehens, Ordnens, Entscheidens und Handelns

Die Exploration, die der Coach in der Arbeitsphase durchführt, zielt auf Informationen über den Klienten und die Systeme, in die er eingebettet ist. Information ist hier jedoch nicht in dem Sinne zu verstehen, dass der Coach nach der Exploration im Besitz letztgültiger Wahrheiten ist. Alle explorierenden Methoden sind hypothesengenerierende Methoden. Das heißt, sie liefern dem Coach vorläufige Annahmen, die im weiteren Verlauf des Coachings bestätigt oder in Zweifel gezogen werden (von Schlippe u. Schweitzer, 2013, S. 146 ff.). Hypothesen stehen in der Systemik an der Stelle, die in anderen Verfahren der Beratung die Diagnosen einnehmen. Betrachten Sie sie daher als Arbeitsannahmen: Sie fassen einzelne Informationen zusammen, ordnen sie und

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bringen sie in einen größeren (sinnhaften) Zusammenhang. Sie erlauben Ihnen, Ihre Interventionen auszurichten und auf eine heuristische Basis zu stellen. Sie tragen zur Beziehung zwischen Coach und Klient bei, indem sie ein kooperatives Handeln ermöglichen: »Nach allem, was Sie über sich bisher gesagt haben, könnten wir … (so und so) weiterverfahren«. Sie lenken den Blick auf neue Perspektiven und auf Möglichkeiten der versuchsweisen Änderung des Verhaltens des Klienten. Schwing und Fryszer (2015) vergleichen die hypothesengenerierenden Verfahren mit denjenigen Verfahren, die einem diagnosegenerierenden, objektivierenden Ansatz folgen (siehe Tabelle 5). Tabelle 5: Objektivierender und hypothesenbildender Ansatz (nach Schwing u. Fryszer, 2015, S. 135) objektivierender Ansatz

systemischer Ansatz

intrapersonell Diagnosen beziehen sich auf Eigenschaften, die innerhalb der Person angesiedelt sind.

interpersonell Hypothesen machen Aussagen über Beziehungen und Interaktionen der Beteiligten und des Kontextes.

Ursachen Diagnosen geben aufgrund der Annahme linearer Ursache-Wirkung-Beziehungen Erklärungen über Ursachen.

Funktionen Hypothesen beziehen sich auf den Sinn, die Funktion von Symptomen oder Handlungen für das jeweilige System.

Vergangenheit Diagnosen leuchten die Vergangenheit aus.

Gegenwart und Zukunft Hypothesen beziehen sich auf das aktuelle Wirkungsgeflecht in Systemen und beziehen die Zukunft mit ein.

über die Zeit stabil Diagnosen suchen nach stabilen, invarianten Eigenschaften und Erklärungen.

veränderlich Hypothesen »verflüssigen« Eigenschaften in zeit- und kontextbezogene und damit veränderliche Verhaltensmuster.

negative Konnotierung Diagnosen beziehen sich auf Defizite.

positive Konnotierung Hypothesen unterstellen positive Absichten, Funktionen, beziehen Ressourcen mit ein.

kontextentfremdet Eigenschaftshypothesen abstrahieren von den Kontexten (Zeit, Raum, Person), in denen die Person handelt.

kontextbezogen Hypothesen verknüpfen die Handlungen mit den Umfeldbedingungen, weisen ihnen neue Bedeutungen zu.

konventionell Diagnosen sind in üblichen psychologischen und soziologischen Denkmustern oder alltäglichen Konventionen verhaftet.

unkonventionell Hypothesen weichen von traditionellen Denkmustern ab, entfalten durch kreative, pfiffige oder freche Unterstellungen Überraschungsmomente, eröffnen neue Perspektiven.

Prozessstruktur im Karrierecoaching

In der Arbeitsphase des Karrierecoachings gilt es, zusammen mit dem Klienten die für ihn wichtigen Themenfelder zu explorieren, die Abfolge der Arbeitsschritte festzulegen und Verantwortlichkeiten zu verabreden. Als zentrale Strukturelemente sind zu unterscheiden: ȤȤ Welche Ziele bringt der Klient mit, welche Entscheidungen gilt es abzuwägen und welche Planungsschritte zu entwerfen bzw. unterstützend zu begleiten (Coachingprozess im Engeren)? ȤȤ Welche Informationen und/oder Eigenerfahrungen benötigt der Klient zur Situationseinschätzung und/oder Bewertung von Handlungsalternativen (Informationsmanagment)? ȤȤ Welche Kompetenzen werden als zur Zielerreichung notwendig angesehen und, falls noch unzureichend vorhanden, sollen erworben bzw. trainiert werden (Kompetenzmanagement)? Im Karrierecoaching geht es häufig um den Wunsch von Klienten, neue Erfahrungen zu machen. Dies kann beispielsweise die Erprobung in einem Berufsfeld, die Bewerbung auf eine Arbeitsstelle nach langer Zeit ohne Bewerbungserfahrung oder ein Vorstellungsgespräch auf eine neue Position sein. Hier spielt die konkrete Unterstützung durch den Coach eine wichtige Rolle. Praxiserfahrung öffnet soziale Räume und stellt im Erfolgsfall Kontakte her, die dann anschlussfähig für die Bewerbung um einen Ausbildungs- bzw. Ausbildungsplatz sind. In diesem Sinne gibt es beispielsweise bei Schülerbetriebspraktika einen unter Berufsberatern so genannten Klebeeffekt, d. h. die erfolgreichen Praktikanten beginnen (trotz vielleicht »schlechter« Schulnoten) mit höherer Wahrscheinlichkeit im Praktikumsbetrieb eine Ausbildung (zur Bedeutung sozialer Netzwerke für die Personalrekrutierung s. Klinger u. Rebien, 2009). Neben den stabilisierenden und beziehungsstärkenden Strategien im Handeln des Coaches (Wertschätzung, Komplimente und Ähnliches), die insbesondere in der Anfangsphase vorrangig sind, geht es in der Arbeitsphase um die Anregung zu neuen Sichtweisen und vertiefendem Selbstverstehen. Hierfür sind verstörende Interventionen zieldienlich. Es gilt dabei wiederkehrende Muster (beispielsweise des Vermeidens von Konflikten, des wenig planvollen Arbeitens) sichtbar zu machen, deren Vor- und Nachteile zu erörtern und alternative Sichtweisen oder Handlungen anzuregen (siehe von Schlippe, 2003, S. 38). Das nachfolgende Fallbeispiel veranschaulicht eine verstörende Intervention.

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Im Chaos versunken Im Einzelcoaching beschreibt mir Herr Schulz, der Teamleiter einer stationären Einrichtung in der Kinder- und Jugendhilfe, dass er in letzter Zeit die Systematik in seinem Arbeitstag (den roten Faden) häufig verliere und sprichwörtlich im Chaos versinke. Er wolle hierfür eine Lösung finden. Die Aufnahme zweier von ihm als herausfordernd beschriebener Jungen (elf und 14 Jahre alt) im letzten Monat habe in der Gruppe das Gleichgewicht durcheinandergebracht. Mit einer verstörenden Intervention möchte ich auf seine selbstabwertende Beschreibung der Arbeitssituation reagieren. In meinem Abschlusskommentar am Ende der Sitzung biete ich ihm folgende Umdeutung (Reframing) an: »Ich bewundere es, wie Sie sich trotz vielfältiger Probleme auf die aktuellen Anforderungen je nach Fallerfordernis einstellen und jederzeit für Ihre Mitarbeiter ansprechbar sind und sich um Ihre Anliegen kümmern. Demgegenüber stellen Sie das Einhalten Ihrer Vorplanungen für den Arbeitsalltag bewusst zurück.« Darüber hinaus biete ich ihm als Beobachtungsaufgabe an, bis zur nächsten Sitzung zu schauen, wo es ihm dennoch gelinge, den roten Faden in seiner Arbeit zu behalten. Nachdenklich und ein wenig aufrechter geht Herr Schulz aus der Coachingsitzung.

In der Arbeitsphase kommt der Prozesssteuerung ein besonderer Stellenwert zu. Dies betrifft insbesondere Rückmeldungen durch den Klienten über den Stand in der Anliegenbearbeitung, die Zufriedenheit des Klienten mit der Beratungsbeziehung und die Übereinkunft hinsichtlich weiterer Schritte im Coaching. Die Abschlussphase richtet sich auf die Auswertung des Coachingprozesses und die Ergebnissicherung. Hier gilt es, die Zielerreichung zu resümieren, die Fortschritte wahrzunehmen und zu würdigen sowie den Prozess in seinem Gesamtverlauf und hinsichtlich eines Ausblicks zu betrachten. Im Sinne der Rückfallvorbeugung ist mit dem Klienten auch über das Verhalten bei Rückfällen und Stolpersteinen (zum Beispiel erneute Konflikte in der neuen Arbeitsstelle, Kompetenzdefizite in der Einarbeitung) zu sprechen. Diesbezüglich ist wesentlich, mit ihm den Umgang mit derartigen Situationen zu erörtern und Bewältigungsstrategien zu erarbeiten. Für den Coach besteht in der Abschlussphase eine besondere Lernchance. Er kann etwas über die aus der Sicht des Klienten besonders wirksamen Aspekte im Coaching erfahren und Anregungen für seine professionelle Weiterentwicklung ableiten.

Prozessstruktur im Karrierecoaching

In der Literatur finden sich unterschiedliche Phasenmodelle für den Coachingprozess (König u. Volmer, 2012; Lippmann, 2013; Rauen, 2005; Richthofen et al., 2013; Wissemann, 2006). Unterschiede richten sich dabei insbesondere auf die Ausgestaltung der Arbeitsphase. So unterteilt Lippmann die Arbeitsphase in drei Abschnitte und differenziert dabei die Analyse- bzw. Diagnose von der Lösungserarbeitung und Lösungsumsetzung. In seiner Systematik bezieht sich Lippmann (2013) auf allgemeine Strukturen eines Problemlösezyklus (siehe S. 37 ff.), der sich auf die Bearbeitung der Ist-Soll-Differenz konzentriert. Diese Abfolge baut auf die analytischen Schritte einer handlungsorientiert-rationalen Vorgehensweise. In dieser Systematisierung des Phasenverlaufs lassen sich auch zentrale Aspekte des Karrierecoachings einordnen. Hierbei ist insbesondere die im Karrierecoaching wichtige Standort- und Zielbestimmung hervorzuheben. Die Diagnosephase steht in der traditionellen Laufbahnberatung im Mittelpunkt der Zielbestimmung und wird dort mit psychodiagnostischen Verfahren, beispielsweise Leistungstests- und Fragebogenverfahren ergänzt (siehe dazu Kanning u. Holling, 2002; Hossiep u. Mühlhaus, 2005; Schuler, 2014). Auch von einem systemischen Verständnis ausgehend, besitzen die Fragen der Informationsgewinnung und -bewertung im Karrierecoaching einen herausgehobenen Stellenwert. Im Gegensatz zur normorientierten Fremdbeurteilung durch standardisierte Leistungstests und Interessenfragebögen erhält im systemischen Ansatz die Selbsteinschätzung des Klienten und die Einschätzung des relevanten sozialen Kontextes (zum Beispiel Familienangehörige, Freunde, Arbeitskollegen) ein vergleichsweise größeres Gewicht (siehe dazu auch den Exkurs im Kapitel »Anwendungsfragen im Karrierecoaching« S. 188 ff.). Ein systemisch fundiertes Phasenmodell stellen Wilhelm Backhausen und Jean-Paul Thommen (2006, S. 159 ff.) vor. Es liefert insbesondere für die Einstiegsphase im Coaching eine differenzierte Beschreibung der Einzelfragen zwischen Beziehungsarbeit, Themensuche und Kontextklärung. Backhausen und Thommen (2006, S. 160) benennen folgende Teilschritte: »Aufbau einer positiven Arbeitsbeziehung (Rapport) ȤȤ Herausarbeitung des Anliegens (Problem bzw. Vorhaben) ȤȤ Festlegung des Ziels im Klientensystem ȤȤ Bestimmung des relevanten Lösungssystems ȤȤ Klärung des Auftrags ȤȤ Betrachtung der Kriterien und Implikationen bisheriger Wirklichkeitskonstruktionen und Markteinschätzungen ȤȤ Hypothesenbildung

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ȤȤ Analyse der Auswirkungen und Anschlussfähigkeit von Veränderungen ȤȤ Planung strategischer Interventionen und Zieldienlichkeitsprüfung ȤȤ Versuch der Umsetzung im Heimatsystem durch Kontextsteuerung« (Herv. i. O.). In Übereinstimmung mit anderen systemisch ausgerichteten Autoren betonen Backhausen und Thommen die Bedeutung der Wirklichkeitskonstruktion des Klienten (zum Beispiel Überzeugungen, Glaubenssätze), die Konsequenzen von Veränderungen für das soziale Umfeld des Klienten und die Notwendigkeit der präzisen Planung der Veränderungen im Leben des Klienten (Heimatsystem). Im Coaching lassen sich – jenseits der Schulenorientierung – die folgenden Strukturgesichtspunkte benennen, die je nach situativem Erfordernis in eine Balance gebracht werden müssen: ȤȤ Beziehungs- versus Inhalts- bzw. Problemorientierung (emotional fundierte Begleitung versus Problemlöseallianz): Wie emotional betroffen ist der Klient von seinem Problem im Coaching? Wie schwer fällt dem Klienten die Selbstöffnung im Coaching? ȤȤ Rational analytisch und kreativ-explorativ (Expertenberatung versus eigenlösungsorientierte Beratung): Welchen Stil bevorzugt der Klient auf dem Hintergrund seines beruflichen Kontextes, seiner Profession oder seiner bisherigen Erfahrungen mit Beratung/Supervision/Coaching? ȤȤ Programmorientierung versus Einzelfallorientierung (Standardisierung versus Individualisierung): Gib es in einem Gruppencoaching Klienten, die alle in einer ähnlichen beruflichen Situation sind (zum Beispiel in einer Beschäftigungsgesellschaft, in der Berufsvorbereitung) oder die alle das gleiche Anliegen haben (zum Beispiel Bewerbungstraining)? Nachdem wir auf die Phasen im systemischen Karrierecoaching eingegangen sind, stellt das nächste Kapitel Methoden und Instrumente vor, die sich in der systemischen Praxis bewährt haben und sich aus unserer Erfahrung für die Anwendung im Karrierecoaching besonders eignen.

Methodisches Vorgehen im Karrierecoaching

Peter Plöger Methodisches Vorgehen im Karrierecoaching In diesem Kapitel geben wir Ihnen einen Werkzeugkasten an die Hand, mit dessen Hilfe Sie Ihre Coachings effektiv (und auch kreativ) gestalten können. Gemeinsam mit den Anhängen, in denen Sie noch ausführlichere Methodenbeschreibungen finden, sollte Sie dieses Kapitel in die Lage versetzen, systemische Methoden in Ihren eigenen Coachings anzuwenden und mit diesen zu experimentieren. Die Methoden bieten ihnen zusammen mit den Darstellungen im vorletzten Kapitel, in dem es um typische »Anwendungsfragen im Karrierecoaching« (S. 188 ff.) geht, eine Anleitung, in welchem Kontext Sie systemische Methoden zum Vorteil Ihrer Klienten einsetzen können. Einstieg oder das Wichtigste zuerst Bevor wir zur Beschreibung des Weges vom (Erst-)Anliegen bis hin zum Kontrakt zwischen Coach und Klient kommen, möchten wir die (logischen) Voraussetzungen für das Aufsuchen eines Coachings (bzw. das Gelingen des Coachings) beschreiben. Voraussetzung für eine Kontaktaufnahme mit einem Coach ist die Vertrauenserwartung. Diese setzt sich aus drei Aspekten zusammen: die Änderbarkeits-, die Verstehbarkeits- und die Unterstützungserwartung. Eine Person sucht ein Karrierecoaching nur dann auf, wenn sie die Idee einer prinzipiellen Änderbarkeit der Situation hat (ausgenommen sind dabei unfreiwillige Klienten). Erwartungen können sich auf die Situationsänderung (zum Beispiel auf den Erhalt einer neue Arbeitsstelle) und auf den Wunsch nach einer Reflexion des eigenen Standortes bzw. der eigenen Sichtweisen richten (zum Beispiel auf die Frage: »Sehe bzw. beurteile ich meine Situation richtig?«). Darauf bezieht sich der erste Aspekt der Vertrauenserwartung. Der zweite Aspekt ist auf das Ein-anderer-wird-mich-verstehen gerichtet, das heißt, die eigene Situation und das Änderungsanliegen kann ein anderer Mensch prinzipiell verstehen und nachvollziehen (Verstehbarkeit). Der dritte Aspekt  – die Unterstützungserwartung  – richtet sich auf die Beziehung zwischen Coach und Klient. Der Klient muss prinzipiell erwarten, dass die Beziehung ihn stärkt und ihn in seinem Handeln unterstützt. Ob er eher sachbezogene oder mehr emotionale Unterstützung erwartet, hängt von der aktuellen Situation des Klienten, seinen Bedürfnissen, dem jeweiligen Kontext des Coachings und der dem Klienten vertrauten Kultur ab (Unterstützungserwartung).

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Der Aufbau einer tragfähigen Beziehung mit einem neuen Klienten – die Beziehungsgestaltung bzw. das Joining (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 33 f.) – beginnt, sobald der Klient durch die Tür tritt. Es gilt, auf eine vertrauensvolle, wertschätzende und faire Kommunikation zu achten, in der Sie signalisieren, dass sie sich ernsthaft und nach bestem Gewissen um die Anliegen des Klienten kümmern werden. Sie als professioneller Coach können das Joining durch einige Techniken unterstützen: 1. Lassen Sie den Klienten eine Sitzgelegenheit aussuchen (und ihn diese so hinstellen, wie er es möchte). Er übernimmt damit bereits einen gewissen Teil der Verantwortung. Sie bringen sich damit beide auf Augenhöhe. 2. Nutzen Sie Small-Talk-Fragen zum Gesprächseinstieg: »Wie war Ihre Fahrt hierher? Wie haben Sie von dem Coachingangebot erfahren? Wer hat Sie auf mich/uns verwiesen?« 3. Klären Sie den Rahmen: Erzählen Sie etwas über sich (über Ihren Beruf, Ihre Aufgabe in der Organisation), sprechen Sie den zeitlichen Rahmen für das Coaching ab und erläutern Sie die Art und Weise, wie Sie coachen. Streuen Sie ruhig auch persönliche Bemerkungen in das Gespräch ein. 4. Etablieren Sie ein Ja-Set: Die Kooperation wird kommunikativ gefördert, wenn der Klient zu Anfang einladende (und einfach zu beantwortende), persönliche Fragen gestellt bekommt. Damit sind (vergewissernde) Fragen zu Informationen, die dem Coach vorliegen und die der Klient mit Ja beantworten kann, gemeint (nach Beruf, Arbeitsaufgabe, Arbeitgeber und Ähnlichem). Der Coach beschreibt dadurch den ihm über den Klienten vorliegenden Wissensstand und gibt dem Klienten die Gelegenheit, die Angaben zu korrigieren bzw. zu ergänzen. 5. Achten Sie auf Schlüsselwörter, die der Klient häufiger benutzt, um seine Situation und seine Ziele zu beschreiben, oder die ihm besonders wichtig sind. Benutzen auch Sie diese Schlüsselwörter. Sie signalisieren dem Klienten damit, dass Sie seine Sicht der Dinge ernst nehmen und bauen eine Ebene des gegenseitigen Verständnisses auf. 6. Fragen Sie nach: »Was genau meinen Sie damit?«, »Das würde mich interessieren. Können Sie dazu noch mehr erzählen?« Nutzen Sie die Antworten, um möglichst viel über die Situation und das Anliegen des Klienten in Erfahrung zu bringen. 7. Lassen Sie zu, dass der Klient zunächst einmal viel über sich erzählt. Sie können sogar Methoden verwenden, die ihn dazu ermutigen, sich zu beklagen, etwa die »Jammern, aber richtig«-Technik (Stowasser u. Kraus, 1999).

Methodisches Vorgehen im Karrierecoaching

Die Einstimmung mit dem Klienten nimmt zumeist nur wenige Minuten in Anspruch und geht flüssig in die Phase der Anliegenklärung über, in der der Coach die Beweggründe des Klienten für das Aufsuchen des Coachings, seine Ziele und seine Motivation für die berufliche Veränderung erfragt. Der Begriff Anliegenklärung kann irreführend sein, da er nahelegt, dass jeder, der ein Coaching aufsucht, auch ein Anliegen zur Situations- oder Verhaltensänderung mitbringt, jedoch: Kein Anliegen ist auch ein Anliegen. Für das Ermitteln und die Klärung der Anliegen im Erstgespräch sind spezielle Frage-Modelle zu empfehlen. Im Anhang finden Sie sowohl ein Modell für freiwillig als auch für eingeschränkt freiwillig in die Beratung kommende Klienten (Anhang 1 und Anhang 3). Das PELZ-Modell wurde im Norddeutschen Institut für Kurzzeittherapie (NIK) für das Erstgespräch mit Paaren, Familien, Kindern und Jugendlichen entwickelt. Es lässt sich in der in Anhang 1 (S. 247 f.), dargestellten Form beim Erstgespräch im Karrierecoaching anwenden. Für die Anliegenklärung bei eingeschränkt freiwilligen Klienten, die von anderen geschickt wurden, ist es wichtig, den Auftrag der entsendenden Person oder Institution von der zum Coaching erschienenen Person zu trennen. Es sind somit die Anliegen verschiedener Personen zu klären. Hierfür bietet Anhang 3 (S. 252 f.) einen Vorschlag für die Erörterung der Situation des Klienten und die Anliegenklärung.

Zielformulierung und Klärung der Motivation Eine klare und verlässliche Vorstellung der Ziele zu haben, die der Klient in den Coachingprozess einbringt, ist für den Coach essenziell wichtig. Zielklärende Fragen werden jedoch oft auch im späteren Verlauf des Prozesses eingesetzt, um sich des Ziels zu vergewissern und seine mögliche Weiterentwicklung zu erfassen. Manche Coaches erfragen zu Beginn jeder Sitzung die Ziele des Klienten für den nächsten überschaubaren Zeitraum bzw. den Zeitraum der Sitzung, um die Bedingungen zu explorieren, unter denen das Coaching für den Klienten erfolgreich ist (de Shazer 1989/2002, S. 66 ff.; Furman u. Ahola, 2010, S. 33 ff.). Die Zielklärung hat im Allgemeinen den Sinn, den Kontrollbereich des Klienten abzustecken, sprich diejenigen Faktoren transparent zu machen, die er durch sein eigenes Verhalten beeinflussen kann. Daneben aktivieren Zielfragen aber auch die Selbstwirksamkeitsvorstellung des Klienten, helfen ihm, sich über seine eigenen Erwartungen klar zu werden und unterstützen den

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Aufbau einer vertrauensvollen Kooperationsbeziehung zwischen Klient und Coach. Die Zielklärung will zur Stärkung der Handlungsfähigkeit beitragen, indem realistische Schritte, die gemeinsam gegangen werden sollen, ermittelt werden. Für das Coaching sind Zielformulierungen dann besonders gut nutzbar, wenn sie bestimmte Eigenschaften haben (Radatz 2010, S. 46). Die auch außerhalb systemischer Anwendungen oft benutzte SMART-Formel (spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch, terminiert) bietet Kriterien für die Gestalt einer anschlussfähiger Zielformulierung. Arbeiten Sie mit Zielkonstruktionen in jedem Fall auf konkrete nächste Schritte hin, die der Klient praktisch ausführen kann. Je konkreter und realistischer diese sind, desto mehr werden sie ihn motivieren. Fragetechniken unterstützen die Zielklärung zu Beginn des Karrierecoachings (siehe auch Methodenbeschreibungen im Kapitel »Systemische Frageformen« S. 146 ff.): 1. Die folgende Frage hilft dem Klienten, sich über seine Erwartungen klar zu werden, und unterstützt die Beziehungsgestaltung: »Wenn Sie am Ende unseres Gespräches sagen können, dass Sie einen kleinen Schritt weitergekommen sind, was ist dann im Laufe der Sitzung passiert?« 2. Zur Konkretisierung der Ziele des Klienten trägt folgende Frage bei: »Angenommen, Sie würden bis zu dem Zeitpunkt, den Sie mir eben genannt haben, schon einen Erfolg verbuchen: Woran würden Sie den Erfolg bemerken?«, »Wer würde noch bemerken, dass Sie einen Erfolg hatten? Woran?« 3. Stellen Sie zwei Stühle für den Klienten bereit: einen, auf dem er sitzt, wenn er seine jetzige Situation beschreibt. Der andere repräsentiert eines seiner Ziele. Setzt der Klient sich dorthin, beschreibt er möglichst plastisch, wie dieses Ziel aussieht, welche Erfahrung er macht, wenn das Ziel erreicht ist, und wie er sich dann fühlt. Fragen Sie den Klienten im Anschluss: »Wie kommen Sie nun von dem einen Stuhl auf den anderen?« 4. Ergänzen und vertiefen Sie Ihre ersten Zielformulierungen durch weitere Exploration. Benutzen Sie dazu die systemischen Fragetechniken, zum Beispiel Konkretisierungsfragen oder Skalierungen. 5. Eine gute Zielfrage ist die Wunderfrage, eine aus der Hypnotherapie von Milton Erickson stammende Methode zur Visionsbildung. Der Coach lässt den Klienten dabei eine imaginäre, möglichst konkrete Situation schildern, in der sein Anliegen vollständig erfüllt ist – so als wäre ein Wunder geschehen, das alle Hindernisse auf einmal beseitigt hätte (siehe hierzu auch das Kapitel »Systemische Frageformen« S. 146 ff. und Anhang 10 »Wunderfrage mit Varianten« S. 266 f.).

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Achten Sie auf positiv formulierte Ziele: »Ich will, dass ich meine Aufgaben in kürzerer Zeit erledigen kann«, und nicht: »Ich will den Zeitdruck nicht mehr haben.« Ersetzen Sie Fragen und Zielformulierungen, die das »weg von etwas«, ausdrücken, durch konstruktive Fragen, die das »hin zu etwas gelangen« betreffen, indem Sie Formulierungen verwenden wie: »Was möchten Sie stattdessen?« Ergänzen Sie derartige Fragen durch explorative Fragen (wie zum Beispiel die Konkretisierungsfrage, siehe das Kapitel »Systemische Frageformen« S. 146 ff.). Greifen Sie auch nach der Einstiegsphase – also in der Arbeitsphase – häufig auf Zielfragen zurück. Stellen Sie sicher, dass Sie und Ihr Klient sich über sein Anliegen und seine Erwartungen verständigt haben. Je konkreter, desto besser! Zur Beschreibung häufiger Kooperationsmuster in Therapie/Beratung hat Steve de Shazer (1997) eine Unterscheidung zwischen Besuchern, Klagenden und Kunden eingeführt (S. 101 ff.), die wir hier vorstellen möchten. Zu diesen drei verschiedenen Klienten-Haltungen, die keinesfalls mit Persönlichkeitseigenschaften zu verwechseln sind, kommt man, wenn man folgende zwei Ausgangsannahmen des Klienten beantwortet: a) Soll etwas geändert werden? – Erste Ausgangsannahme des Klienten: Ja versus Nein. b) Sehe ich – unter der Voraussetzung, dass etwas geändert werden soll – einen persönlichen Beitrag an der Problemlösung und bin ich bereit, diesen einzubringen? – Zweite Ausgangsannahme des Klienten: Ja versus Nein. Es ergeben sich diesbezüglich folgende Beschreibungen: –– Besucher bringen keine eigenen Klagen oder Beschwerden vor und haben auch keine Änderungsmotivation. Sie sind zumeist von anderen aufgefordert worden, die Beratung/Therapie/das Coaching aufzusuchen (sinnvolle Einstiegsfragen: »Wer hatte die Idee zu diesem Coachingtermin? Welches Interesse hatte X dabei? Was davon wollen auch Sie erreichen?«) Zielklärende Fragen können von diesen Klienten oft nicht beantwortet werden. Manchmal ist die einzige Motivation, Sanktionen zu vermeiden (zum Beispiel Sperrzeit durch die Arbeitsagentur). Wie dies erreicht werden kann, ist dann ein mögliches gemeinsames Coachingthema. –– Klagende formulieren einen Änderungswunsch (hinsichtlich der eigenen Situation oder dem persönlichen Befinden) und können diesen zumeist recht differenziert beschreiben. Die Person sieht jedoch keine Möglichkeit, die gewünschte Veränderung selbst herbeizuführen bzw. für das eigene Wohlergehen zu sorgen. Die Ursache für die Beschwerde wird bei anderen Personen gesehen, sie zu ändern, davon ist der Klient überzeugt, liegt außerhalb seines

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Einflussbereichs. Die Person beschreibt sich selbst somit meist als Opfer (zum Beispiel: »Mein Chef verhindert mein berufliches Fortkommen«, »Meine Eltern lassen mich nicht im Ausland studieren«). –– Kunden äußern einen Änderungswunsch. Sie sind zudem motiviert, etwas zu ändern, und haben die (grundsätzliche) Einsicht, dass sie selbst etwas zur Veränderung beitragen können. Die drei von de Shazer unterschiedenen Kooperationsformen des Besuchers, Klagenden und Kunden sind Momentaufnahmen in einem dynamischen Prozess, in dessen Verlauf das Ziel darin besteht, mögliche Anliegen zu klären, gegebenenfalls einen Auftrag vom Klienten zu bekommen und mit ihm zusammen wohlgeformte Ziele zu formulieren. Bei Besuchern und Klagenden gestaltet sich (anders als bei Kunden) eine unmittelbare Ziel- und Auftragsklärung schwierig. Es empfehlen sich Konkretisierungs- und Ausnahmefragen (siehe hierzu das Kapitel »Systemische Frageformen« S. 146 ff.) sowie als Abschlussintervention Denk- und Beobachtungsaufgaben. Bei Kunden kann der Schwerpunkt (bereits) auf Veränderungen und deren Begleitung sowie auf die Reflexion damit verbundener Wirkungen im Umfeld gelegt werden.

Am Karrierecoaching sind häufig mehrere Personen, Personengruppen oder Institutionen beteiligt. So sind beispielsweise bei der beruflichen Orientierung in der allgemeinbildenden Schule der Klassenstufe 8 oder 9 sowohl die Eltern wie auch die Schullehrer bzw. die Schule daran interessiert, eine Klärung der beruflichen Zielvorstellungen der Jugendlichen zu erreichen. Finanziert und durchgeführt wird die Berufsorientierung durch Vertreter der Bundesagentur für Arbeit in Kooperation mit den jeweiligen Klassenlehrern (für spezielle Projekte unter Umständen auch in Kooperation mit Bildungsträgern). Welches Problembewusstsein die Jugendlichen mitbringen und wie sie sich in den Suchprozess einbringen, ist demgegenüber sehr unterschiedlich. Zu diesem Thema folgt ein Fallbeispiel aus unserer Coachingpraxis. Eltern bezahlen Coaching des Sohnes oder: Der ewige Student Herr F. meldet sich telefonisch bei mir. Er habe nicht für sich, sondern für seinen Sohn W. ein Anliegen. Sein Sohn studiere im 13. Semester Sozialwissenschaft im Bachelor-Studiengang einer renommierten Universität und habe auch schon alle Prüfungen und Leistungsnachweise absolviert. Bei der Suche nach einem Thema für seine Bachelor-Arbeit tue er sich nun jedoch sehr schwer, schon zweimal habe er das Thema zurückgegeben. Ihm und seiner Frau gegenüber gebe der Sohn bei ihren Nachfragen immer wieder vielfältige und kreative Ausflüchte an. Einmal habe er

Methodisches Vorgehen im Karrierecoaching

wegen Beziehungsstress nicht den Kopf frei, ein andermal fordere sein Arbeitgeber (nebenberuflich arbeitet W. als Auslieferungsfahrer in einer Spedition) viele Überstunden, ein nächstes Mal finde er für sein Thema keinen betreuenden Dozenten. Nun würden er und seine Frau sich vermehrt Sorgen machen, zumal sich ihr Sohn, anders als früher, nicht mehr so häufig bei ihnen melde. Auf meine Frage, ob er dieses Anliegen bereits mit seinem Sohn besprochen habe bejaht Herr F. Auch ihr Sohn sehe zunehmend ein, dass er Hilfe brauche, bei der Zentralen Studienberatung seiner Hochschule beständen aktuell jedoch sehr lange Wartezeiten. Auch wolle ihr Sohn gegenüber seinen Mitstudenten verheimlichen, dass er sich Hilfe suche. Insofern sei ihm eine in der benachbarten Stadt gelegene Praxis sehr recht. In einem ersten Gespräch stellt sich nach erheblichen Anlaufschwierigkeiten heraus, dass W. bereits drei Semester nicht mehr an Veranstaltungen teilgenommen habe. Auch kenne er aufgrund von Pensionierungen seiner bisherigen Dozenten viele neue Dozenten mit ihren Lehr- und Forschungsschwerpunkten nicht. Mitstudierende seien zumeist schon mit dem Studium fertig bzw. befänden sich bereits in einem aufbauenden Master-Studiengang. Insofern sei guter Rat teuer.

Das Fallbeispiel schildert einen Dreieckskontrakt, der zahlreiche Fragen aufwirft. Wer will hier unterstützt werden? Was möchten die Eltern jeweils einzeln? Woran knüpfen sie ihre Zusage zur Finanzierung des Coachings? Liegt in dem Studienabschluss für W. ein attraktives und realistisches Ziel? In derart komplexen und von zahlreichen widerstrebenden Interessen gekennzeichneten Situationen empfiehlt sich die Visualisierung durch die auf Arist von Schlippe zurückgehende Methode des Auftragskarussells (1996; 2003, siehe Abbildung 10). »Im Zentrum der Methode steht […] das von dem Betreffenden wahrgenommene und erlebte Auftragsgeflecht, unabhängig davon, wie dieses ›wirklich‹ beschaffen sein mag. Es liefert in kurzer Zeit einen Überblick über die offenen und verdeckten Aufträge im Problemsystem, wie sie jeweils aktuell wahrgenommen werden« (S. 138). Von Schlippe unterscheidet zwischen offenen und verdeckten Aufträgen, wobei die verdeckten Aufträge lediglich indirekt erschlossen und erst bei näherer Analyse (des Handelns der Beteiligten) deutlich werden. Es kennzeichnet sie, dass ihnen ein sozial weniger legitimes Interesse bzw. ein sozial diskriminierter Wunsch (zum Beispiel für die Kinder im Studium nicht mehr aufkommen zu wollen; einer Sucht weiter nachzugehen) zugrunde liegt. Wichtig für den Coach ist es, auch Ausschau danach zu halten, ob ein eigener innerer Auftrag besteht, das heißt, ein den eigenen professionellen Werten und Überzeugungen entsprechendes Anliegen (zum Beispiel Menschen zu helfen; Gerechtigkeit zu fördern). Dies veranschaulichen die Fragen, die sich

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dem Rehabilitationsberater des nachfolgenden Fallbeispiels aus der Berufsförderung stellen. Ein Mann (37 Jahre alt), gelernter Zimmerer, ist nach einem Betriebsunfall (Bandscheibenvorfall) während der Arbeit bereits ein Jahr krankgeschrieben; auch eine Bandscheiben-OP hat keine Schmerzfreiheit gebracht, sodass der Ärztliche Dienst der Berufsgenossenschaft nun eine Umschulung empfiehlt. Der Klient lebt mit Partnerin (34 Jahre alt, gelernte Verkäuferin, voll berufstätig) zusammen. Beide planten in absehbarer Zeit, Kinder zu bekommen. Wer bringt in den nun folgenden Beratungsprozess des Rehabilitationsberaters welche Aufträge ein?

Bei der Analyse des Auftragskarussells (siehe Übung und Abbildung 10 auf S. 145 f.) gilt es, die den Entwicklungsprozess unterstützenden und die möglicherweise hemmenden Momente ausfindig zu machen und im Entwicklungsbzw. Veränderungsprozess darauf zurückzukommen. Besonders nützlich kann dabei die Umkehrung der interessenbezogenen Fragen sein, beispielsweise: Wer will nichts? (Ist insofern gar kein Kunde?) Was möchte der Klient nicht? (Welche Angebote sind eventuell irrelevant?) Von wem nicht? (Welche Anbieter sind nicht gefragt, halten sich aber irrtümlicherweise für angesprochen?) Wann nicht mehr? (Ist der Bedarf bereits befriedigt?). Es entsteht mit dem Auftragskarussell ein erster Zugang zum sozialen System des Klienten und seinen relevanten Umwelten. Die Methode, die ursprünglich insbesondere in ihrem selbstklärenden Charakter für den Berater/ Therapeut/Coach gesehen wurde (siehe von Schlippe, 1996, S. 138; Anhang 2 »Das berufliche Auftragskarussel« S. 249 ff. bezieht sich als Übung auf die Selbstreflexion des Coaches), ist in diesem Sinne bereits eine erste Bestandsaufnahme über die Wahrnehmung des Anliegens und kann dem Klienten in diesem Sinne durchaus zur Verfügung gestellt werden. Die nachfolgende Übung veranschaulicht zum einen das Auftragskarussell (siehe Abbildung 10) und zeigt zum anderen, wie sich die Methode praktisch umsetzen lässt: In mehreren Arbeitsschritten ist es möglich, sich als Karrierecoach (und dem betroffenen Klienten) anhand einer konkreten Platzierung der relevanten Akteure um den Coach herum die offenen und verdeckten Aufträge zu vergegenwärtigen und eine erste Bestandsaufnahme zu erarbeiten. Erstellung eines Auftragskarussels Den Ausgangspunkt dieser Übung zeigt die Abbildung 10, das Auftragskarussell nach Arist von Schlippe, und damit die einzelnen Akteure der Übung sowie ihre jeweils zu ermittelnden offenen oder verdeckten Aufträge.

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Der Klient: Offener Auftrag (z. B. Hilf mir einen sinnvollen Beruf und eine körperlich leistbare Tätigkeit zu finden.) Partnerin des Klien­ ten: Offener Auftrag (z. B. Helfen Sie meinem Partner wieder zu mehr Lebensfreude zu finden.) Eltern des Klienten: Offener und verdeck­ ter Auftrag (z. B. Ge­ben Sie unserem Sohn eine Perspektive; helfen Sie ihm, eine existenzsichernde Tätigkeit zu finden; unterstützen Sie die entstehende Familie.)

Berufsgenossen­ schaft: Offener und verdeckter Auftrag (z. B. Finden Sie ein realisierbares Umschu­ lungsziel; sichern Sie die baldige R ­ ückkehr ins Arbeitsleben und überschaubare Kosten.)

Rehabilitationsberater (aufnehmender) Bil­ dungsträger: Offener und verdeckter Auftrag (z. B. Führen Sie uns einen motivierten, lernfähigen und belastbaren Umschüler zu.)

Innerer Auftrag des Rehabilitationsbera­ ters: Offener und verdeckter Auftrag (z. B. Sei hilfreich und unterstütze den Klienten; Kostenüberlegungen sind hier nicht das Wichtige.) Arbeitsagentur: Offener und verdeckter Auftrag (z. B. Sichere dauerhaft qualifizierte Erwerbstätigkeit; verhindere einen dauerhaft hilfebedürftigen Klienten.)

Abbildung 10: Auftragskarussell im Karrierecoaching

Folgen Sie bei der Erstellung des Auftragskarussells und der Erarbeitung der damit zusammenhängenden relevanten Anliegen und Auftragskonsequenzen den folgenden Arbeitsschritten: 1. Schaffen Sie Raum, finden Sie relevante Akteure und platzieren Sie sie im Außenkreis um sich als Coach herum. 2. Lernen Sie über die Platzierung das äußere und das innere Problemsystem kennen (Das heißt: Versuchen Sie, zwischen dem für das Karrierecoaching relevantem Kontext und den unmittelbaren Problembeteiligten zu unterscheiden). 3. Ermitteln Sie das Anliegen jedes Akteurs (ausgesprochene und unausgesprochene) und schreiben Sie es in wörtlicher Rede neben den jeweiligen Akteur. 4. Befragen Sie sich selbst (oder sich und auch den Klienten): Wie stehe ich zu den beschriebenen Anliegen? Welche Anliegen stehen in Widerspruch zueinander, welche ergänzen sich? Welche sind für mich als Coach annehmbar und umsetzbar? Welche für mich, den Klienten? 5. Planen Sie (gemeinsam mit dem Klienten) Handlungskonsequenzen und setzen Sie diese um.

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In der Einstiegsphase des Coachings ist es wesentlich, die Bedürfnisse, Wünsche und Anliegen der Klienten sichtbar zu machen, in Aufträge mit konkreten Handlungserwartungen an den Coach zu überführen und schlussendlich in einem Kontrakt zu formulieren. Als Kontrakt wird eine Vereinbarung zwischen Coach und Klient verstanden, die die Ziele, die in den Coachings erreicht werden sollen, und die Handlungsschritte dazu, beinhaltet. Die Verbindlichkeit wird durch eine schriftliche Vereinbarung erhöht. Im Kontrakt sind also neben dem formalen Rahmen (Bezahlung, Sitzungszahl, Haftung und Ähnliches) auch die Themenfelder, die vom Coach zu erbringende Leistung und die Ziele aufzunehmen. Als Handlungsschritte vom Anliegen hin zu einem Kontrakt empfehlen sich folgende (orientiert an Ludewig, 2005, S 78 ff.): 1. Ausgangspunkt in der Beratung ist das Anliegen der Klienten. Dabei ist zu klären, wie es zu dem Anliegen des Klienten gekommen ist (Entstehungskontext). 2. Im Austausch mit dem Coach gilt es dann, neben dem Anliegen der Anwesenden weitere Erwartungen und die Ziele anderer Akteure kennenzulernen. 3. Der Coach hat sich im Anschluss nach seinen eigenen Anliegen zu befragen und außerdem dazu, welche Anliegen bzw. Aufträge die Institution, für die er arbeitet, an ihn stellt. 4. Zusammenfassend ist nun ein Auftrag an das Helfersystem zu formulieren (ein operationalisierbares Ziel), der für die Helfer annehmbar und auch leistbar ist. Daraus leitet sich das Thema der Kommunikation und die Art der Hilfeleistung ab. »Unser gemeinsames Ziel ist …« 5. Abschließend sollte eine schriftliche Vereinbarung zwischen Klienten und Helfern erfolgen, das heißt ein Kontrakt. Systemische Frageformen Der systemische Ansatz kennt eine Fülle von Fragetechniken. Sie gehören zu den wichtigsten Werkzeugen im systemischen Coaching. Unsere Auswahl aus der sehr breiten Vielfalt der Fragemethoden erfolgt entsprechend ihrer Bedeutung für die Praxis des Karrierecoachings. So werden in diesem Kapitel nacheinander folgende Fragetechniken vorgestellt: ȤȤ zirkuläre Fragen, ȤȤ Fragen nach Verhaltensmustern, ȤȤ Fragen nach Veränderungen, ȤȤ die Wunderfrage, ȤȤ Skalierungsfragen,

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ȤȤ Konkretisierungsfragen, ȤȤ Ausnahmefragen, ȤȤ Bewältigungsfragen. Übersichten über systemische Frageformen finden sich unter anderem in »Mehr als ein Wunder. Lösungsfokussierte Kurztherapie heute« von Steve de Shazer und Yvonne Dolan (2008, S. 29 ff.), im Buch »Systemisches Handwerk« von Rainer Schwing und Andreas Fryszer (2015, S. 209 ff.), in der »Einführung in das systemische Coaching« von Sonja Radatz (2010, S. 35 ff.) und im »Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I« von Arist von Schlippe und Jochen Schweitzer (2013, S. 249 ff.). Eine der wichtigen Fragetechniken im Karrierecoaching sind die zirkulären Fragen: Der Begriff »Zirkularität« beschreibt weniger einen bestimmten Typus von Fragen als eine zentrale Eigenschaft vieler systemischer Frageformen (Simon u. Rech-Simon, 2013). Zirkuläre Fragen basieren auf der Annahme, dass in Systemen stets alle Bestandteile wechselweise aufeinander einwirken. Für Systeme menschlicher Beziehungen bedeutet das: Das Verhalten von Person A beeinflusst das Verhalten von Person B und umgekehrt. Sind mehr als zwei Personen beteiligt, wird das Netz der Wechselwirkungen entsprechend komplexer. Zirkuläre Fragen zielen darauf ab, diese Wechselwirkungen für den Coach und für die Beteiligten transparent zu machen. Damit wird für den Klienten erlebbar, in welchem Kontext sein Anliegen steht, welche (bisher) unausgesprochenen Erwartungen die Beteiligten an einander haben, welche sozialen Vernetzungen es verursachen und inwiefern der Klient selbst Verursacher von Veränderungen in seinem System ist. Ziel ist dabei, durch Einbeziehen der wechselweisen Beziehungen Verhaltensunterschiede herauszuarbeiten, die für positive Veränderungen im System nutzbar sind (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 209). Dies veranschaulicht das nachfolgende Fallbeispiel. Ein Jugendlicher, Marvin, bewirbt sich um einen Ausbildungsplatz. Nach vielen erfolglosen Versuchen beschließen die Eltern, ein Beratungsangebot zu nutzen. Beim Erstgespräch, bei dem auch die Eltern anwesend sind, beschreibt der Vater seinen Sohn als zu nachlässig und sagt: »Er klemmt sich nicht genug dahinter, lässt alles auf sich zukommen«. Statt die Behauptung des Vaters aufzunehmen – der dem Jungen die Eigenschaft zuschreibt, nachlässig und unmotiviert zu sein – fragt der Berater zirkulär: »Marvin, was denkst du, wem in deiner Familie ist es außer dir am wichtigsten, dass du einen Ausbildungsplatz bekommst?« Der Berater stellt damit Marvins Anliegen in den sozialen Kontext seiner Familie und der Anliegen

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der anderen Familienmitglieder. Er unterstellt damit implizit, dass das Verhalten seiner Eltern (zum Beispiel, Marvin zu verstehen zu geben, dass sie von ihm mehr Aktivität erwarten) eine Wirkung auf sein Verhalten habe und umgekehrt sein Verhalten die Eltern zu ihren Handlungen bewege. Der Berater beginnt an dieser Stelle, mit Hilfe zirkulärer Fragetechniken, diese wechselseitigen Wirkungen auszuforschen, sie immer detaillierter offenzulegen und sie damit sowohl für Marvin als auch für dessen Eltern sichtbar (und damit veränderbar) zu machen. Das Coaching könnte mit zirkulären Fragen fortgesetzt werden, zum Beispiel: »Was müsstest du tun, damit dein Vater zu der Einschätzung kommt, dass du wirklich etwas für einen Ausbildungsplatz tust?« oder »Wer in deiner Familie könnte dir am besten bei deiner Stellensuche helfen? Wie würde er das am ehesten tun können?« (Hierzu siehe Fortsetzung des Fallbeispiels, S. 154)

Zirkuläre Frageformen finden sich in vielen verschiedenen Anwendungsbereichen wieder. Wir haben nachfolgend zur konkreten Beschreibung der Methode eine kleine Auswahl an zirkulieren Fragetechniken zusammengestellt. Folgende spezielle Frageformen eignen sich gut, das Konzept der Zirkularität und seine Anwendung kennenzulernen: –– zirkuläre Ressourcenfragen, zum Beispiel: »Stellen Sie sich vor, Ihre Kollegen säßen hier neben Ihnen. Was würden diese sagen, sind Ihre besonderen Stärken in Ihrer Arbeit?«, –– Fragen, die Eigenschaften in Verhaltensunterschiede umdeuten, zum Beispiel: Ein Kollege wird als Chaot tituliert, die zirkuläre Frage des Coaches lautet: »Wie schafft es Ihr Kollege, die Dinge im Team durcheinander zu bringen?«, und lenkt die Aufmerksamkeit auf das tatsächliche Handeln des Kollegen (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 215 f.), –– Fragen, die das Tratschen über Anwesende ermöglichen: »Was denken Sie, wie Ihre Kollegin Frau M. die Beziehung zwischen Ihnen und dem Rest des Teams einschätzt?« Mit dieser zirkulären Frage holt der Coach Informationen über die Beziehung zwischen dem Angesprochenen und dem Team ein (von Schlippe u. Schweitzer, 2013, S. 255).

Eine weitere Fragetechnik lässt sich als Fragen nach Verhaltensunterschieden charakterisieren. Im systemischen Coaching dominieren diesbezüglich Fragen nach dem Verhalten des Klienten und der Personen in seinen sozialen Systemen, während Fragen nach den Eigenschaften von Personen als wenig hilfreich

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angesehen werden, da sie weder die Handlungsfähigkeit stärkten noch die Änderbarkeit der Situation klären. Vor allem werden Fragen nach den Unterschieden in den Verhaltensweisen gestellt, da sie es erlauben, zu explorieren, welches Verhalten die Situation des Klienten verschlechtert und welches sie verbessert. Verhaltensunterschiede können unter Umständen als Hinweise auf wiederkehrende Muster gedeutet werden, in denen ein bestimmtes Verhalten mit einer positiven Veränderung verknüpft ist (de Shazer, 1989/2002, S. 21). Mit anderen Worten: Coach und Klient sind gemeinsam auf der Suche nach Mustern der Art: »Wenn die Situation für mich (Klient) besser ist, tue ich gerade das und das«. Ziel des Coachings ist es, diese Verhaltensweisen zu bestärken und damit zu stabilisieren. Fragen nach Verhaltensunterschieden im sozialen System des Klienten ermöglichen dem Coach, bestimmte Verhaltensweisen zu unterstützen. Typische Fragen nach Verhaltensunterschieden sind: –– »Versetzen Sie sich bitte in eine Situation hinein, in der Sie diesen starken Wunsch nach Veränderung spüren. Was genau tun Sie in einer solchen Situation? Tun Sie gerade etwas, das Sie sonst nicht tun?« –– »Was tun Sie, wenn Sie Ihr Problem gerade nicht so sehr beschäftigt?« –– »Wenn Sie das Verhalten X unterlassen, was geschieht dann?«

Fragen nach Veränderungen werden ähnlich wie Fragen nach Verhaltensunterschieden benutzt, um Unterschiede im Verhalten des Klienten sowie Veränderungen im Verhalten von Personen in seinen Systemen zu explorieren. Veränderungen, die dem Klienten erlauben, sich weiter auf sein Ziel zuzubewegen, können durch wertschätzende Kommentare bestärkt und weiter exploriert werden (zum Beispiel durch Konkretisierungs- oder Skalierungsfragen, siehe S. 150 f.). Fragen nach Veränderungen sind eine zentrale Methode im Karrierecoaching. Sie können bereits sehr früh im Coachingprozess einsetzen. Oft ist es sogar hilfreich, mit der Frage nach Veränderungen vor Beginn des Prozesses einzusetzen. Hierfür eignet sich die erste Frage der folgenden Auswahl an Fragen zur Veränderung: 1. »Was hat sich denn bereits verändert, seit Sie mich vor zwei Wochen angerufen und um einen Termin gebeten haben?« 2. »Wenn Sie einmal an das erste Mal zurückdenken, als Sie den Wunsch nach einem beruflichen Wechsel gespürt haben: Was hat sich seitdem verändert?« 3. »Was müsste sich noch verändern, damit Sie in Ihrer Entscheidung sicherer werden?«

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Eine kreative Interventions-Technik, die auf die Veränderung des Verhaltens beim Klienten zielt, ist die der »Verschreibung der Noch-nicht-Veränderung« (Bamberger, 2015, S. 144). Es handelt sich um eine typisch systemisch-lösungsfokussierte Interventionstechnik. Sie spricht die Veränderung nicht explizit an, sondern empfiehlt dem Klienten ganz im Gegenteil ein Aufschieben der Verhaltensmodifikation. Diese Technik gehört deshalb zu den paradoxen Interventionen. Sie finden sie im Anhang (siehe Anhang 9, S. 264 f.) so beschrieben, wie Sie sie im Karrierecoaching konkret anwenden können.

Die Wunderfrage ist eine spezifische Fragetechnik aus dem Methodenrepertoire der lösungsfokussierten Beratung nach de Shazer und Kim Berg (de Shazer u. Dolan, 2008, S. 70 ff.). Der Coach lässt den Klienten dabei eine imaginäre, möglichst konkrete Situation schildern, in der sein Anliegen vollständig erfüllt ist – so als wäre ein Wunder geschehen, das alle Hindernisse auf einmal beseitigt hätte. In der Wunderfrage vereinen sich mehrere Zwecke: Zum einen dient sie dazu, die Ziele des Klienten zu erfassen und sie ihn konkret formulieren zu lassen. Sie enthält die Frage danach, was denn der Fall wäre, wenn alles gut wäre. Zum anderen erlaubt sie eine vertiefte und konkrete Ressourcenexploration (siehe den Abschnitt »Ressourcenarbeit« S. 153 ff.). Schließlich motiviert sie den Klienten im günstigen Fall zu Veränderungen, da er sich mit seiner Antwort selbst einen idealen Zustand plastisch vor Augen führt. Die Anleitung zur praktischen Anwendung der »Wunderfrage mit Vari­ anten« finden Sie im Anhang (siehe Anhang 10, S. 266 f.). Eine weitere Frageform stellen die Skalierungsfragen dar: Skalierungen nutzen anstelle verbaler Aussagen des Klienten einen Zahlenstrahl. Sie lassen sich in einer Vielzahl von Anwendungskontexten einsetzen. Der Coach kann Veränderungen genauso wie die Einschätzung der Zielerreichung durch den Klienten oder die Einschätzung, wie groß die Hoffnung des Klienten ist, sein Ziel in Zukunft zu erreichen, skalieren lassen. Ihr Vorteil liegt darin, vagen Vorgängen und Zuständen eine fassbare Größe in Form einer Zahl zuordnen zu können (de Shazer 1998, S. 113 ff.). Ziel von Skalierungsfragen, die sich auf eine Bewertung durch Zahlenstrahl beziehen, ist es, Unterschiede zwischen zwei Zuständen oder Verhaltensweisen sichtbarer zu machen, den Klienten zu motivieren, über diese Zusammenhänge nachzudenken und sie genauer zu beobachten, sowie ihn Selbstwirksamkeit erfahren zu lassen. Hier die Beschreibung verschiedener Varianten ihrer praktischen Anwendung:

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1. Klient: »Mein Problem ist ja, dass ich im Moment nicht daran glaube, dass ich noch einen Job finde.« Coach: »Wie groß ist denn ihr Glaube, noch einen Job zu finden? Wenn Sie ihn auf einer Skala von 0 bis 10 einordnen müssten, und 0 wäre gar kein Glaube mehr, 10 wäre absolute Sicherheit, einen Job zu finden: Wo stünden Sie dann jetzt?« Klient (überlegt): »Jetzt im Moment bei einer 3, würde ich sagen.« Coach: »Im Moment bei einer 3. Wo waren Sie denn, als sie schon einmal mehr Glauben hatten?« Klient: »Also nach der Weiterbildung letzten Monat, da war ich vielleicht bei einer 5 oder sogar 6.« Coach: »Eine 6 sogar! Das interessiert mich: Was war denn nach der Weiterbildung anders als jetzt?« Im Anschluss würde der Coach den Unterschied zwischen den beiden Situationen weiter explorieren. Hier bieten sich Konkretisierungsfragen (siehe Methodenbeschreibung zu den Konkretisierungsfragen weiter unten) an. Es ist wichtig, dem Klienten den Unterschied zwischen den Skalenwerten sowie deren Handlungszusammenhänge zurückzumelden, damit er sich bewusst wird, dass er durch sein Verhalten den Wert positiv beeinflussen kann (Selbstwirksamkeit). 2. Bei Klienten, die sich gerne während der Sitzung bewegen, ist es möglich, Skalen mit Aktionsformen zu kombinieren. Beispielsweise können Sie die Skala als Zahlenstrahl auf dem Boden auslegen (mit Karteikarten, Bechern, usw.) und den Klienten bitten, sich neben die Zahl zu stellen, der er sich zuordnet. 3. Eine zirkuläre Variante der Skalierungsfrage bezieht das soziale System des Klienten mit ein: »Was denken Sie: Wo auf einer Skala von 0 bis 10 würde Ihr Partner Sie einschätzen, wenn Sie ihn fragen würden, wie nah Sie ihrem Ziel schon gekommen sind?«

Konkretisierungsfragen dienen der Präzisierung, Verdeutlichung oder auch Vergegenständlichung von Beschreibungen. Im systemischen Coaching hängt viel davon ab, inwieweit es dem Klienten gelingt, positive Veränderungen und Unterschiede wahrzunehmen. Konkretisierungsfragen können ihn dabei unterstützen. Sie sollen den Klienten dahin führen, in seinen Beschreibungen und Einschätzungen immer konkreter zu werden und damit das Beschriebene für ihn eindringlich erfahrbar zu machen. In der systemisch-lösungsfokussierten Beratung werden Konkretisierungsfragen daher benutzt, um dem Klienten durch das Spezifizieren von Verhaltensweisen und Situationen eine Haltung nahezubringen, in der er Lösungen fokussiert und Verhaltensweisen imaginiert, die ihm diese Lösungen näherbringen.

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Konkretisierungsfragen bringen den Klienten zu einer genaueren und intensiveren Beschreibung, indem sie weiter nachhaken. Hier ein paar die Methode veranschaulichende Beispiele: –– »Wenn das Wunder passiert ist, woran würden Sie es bemerken?« – »Woran noch?« – »Und woran noch?« –– »Was hat es Ihnen ermöglicht, auf der Skala bei einer 4 statt bei einer 3 zu liegen?« – »Was noch?« – »Was noch?« –– Eine zirkuläre Variante der Konkretisierungsfragen bezieht das soziale System des Klienten mit ein: »Was sagt Ihr Vater dazu, wenn das passiert?« – »Was noch?« – »Was noch?« –– Eine gute Ergänzung der Konkretisierungen, zu denen Klienten über das Nachfragen gelangt, ist eine leichte Tranceinduktion (Hypnose), die die Imagination des Klienten anregt und im Laufe derer er Bilder erzeugen kann, die seine verbalen Antworten ergänzen (Erickson u. Rossi, 2008). Die Anwendung von Tranceinduktionstechniken erfordert jedoch eine spezielle Ausbildung. Insistieren Sie ruhig! Scheuen Sie sich nicht, viele Male hintereinander zu fragen: »Was noch?«, und den Klienten damit zu konkreten Aussagen zu bringen.

Mit Hilfe von Ausnahmefragen regt der Coach den Klienten dazu an, Situa­ tionen aus der Vergangenheit wieder präsent zu machen, in denen er seinem Anliegen bereits näher war (de Shazer u. Dolan 2008, S. 34 ff.). Zum einen werden ihm durch die Schilderungen solcher Ausnahmesituationen bereits vorhandene Möglichkeiten, sein Ziel zu erreichen, bewusst. Er erkennt mit Unterstützung des Coaches die darin vorhandenen Ressourcen. Zum anderen erlebt der Klient sich dabei als selbstwirksam (»Es hat ja schon einmal besser geklappt«) und schöpft Zuversicht (»Dann klappt es vielleicht auch ein zweites Mal«). Bei Ausnahmefragen geht es darum, den Klienten zu Erzählungen von vergangenen Ausnahmesituationen, in denen er seinem Ziel bereits näher war, anzuregen. Hier ein Beispiel und eine zirkuläre Variante zur Veranschaulichung: »Denken Sie bitte an die Zeit nach Ihrer Entlassung zurück. Wann gab es da Gelegenheiten, in denen Sie schon einmal mehr Hoffnung hatten, dass Ihnen die Weiterbildung etwas bringen würde?« Die zirkuläre Variante bezieht das soziale System des Klienten mit ein, lässt ihn aus der Sicht von Bezugspersonen über eine Ausnahmesituation nachdenken: »Was würde Ihre Kollegin sagen: Wann hatte sie das letzte Mal den Eindruck, dass Sie beide besser zusammengearbeitet haben?«

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Wie bei Konkretisierungsfragen ist es auch bei den Ausnahmefragen oft nützlich, die Frage mehrmals zu wiederholen: »Wann noch?« – »Wann noch?«

Bewältigungsfragen entfalten insbesondere für die Handlungsplanung ihre Wirkung. Diese (auch Copingfragen genannte) Technik bezieht sich auf Situ­ ationen, in denen der Klient auf die problematischen Aspekte seiner Situation fokussiert und das Belastende die Überhand gewinnt. Bewältigungsfragen zielen darauf ab, dem Klienten Ressourcen aufzuzeigen und ihm ein Minimum an Zuversicht zu ermöglichen. Sie werden häufig im Verein mit Methoden zur Wertschätzung seiner Stärken verwendet (siehe hierzu den Abschnitt »Wertschätzung, Komplimente und Reframing« S. 161 ff.). Bewältigungsfragen helfen dem Klienten, das ihn Belastende an einer Situation besser zu bewältigen, indem sie ihn seine Stärken bewusst machen. Hier zwei die Methode veranschaulichende Beispiele: –– »Sie leiden schon sehr lange unter der Erschöpfung, die Sie an Ihrem Arbeitsplatz spüren. Woher nehmen Sie die Kraft, dennoch Ihre Arbeit weiterzumachen?« –– »Auf der Skala zur Hoffnung, die wir eben besprochen haben, liegen sie bei einer 1. Das ist sicher sehr schwierig für Sie. Wie kommt es, dass Sie dennoch hier sind und sich so konstruktiv mit Ihrer Situation beschäftigen können?«

Ressourcenarbeit Das Auffinden und Stärken von Ressourcen, die der Klient mitbringt, ist eine besondere Qualität systemischer Methoden. Es ist gleichsam ein zentrales Kennzeichen der systemischen Haltung, ressourcenstärkend vorzugehen. Im Bereich der Ressourcenarbeit bringt die Systemik daher eine Vielzahl an Methoden zur Anwendung. Eine Grundannahme ist dabei, dass jeder Klient über eigene Potenziale verfügt und weitere in seinen Systemen finden kann (zu einer Systematik von Ressourcen siehe Herriger, 2012). Ziel des Coachings ist es, dem Klienten diese bewusst zu machen und ihm als Mittel aufzuschließen – oft genug weiß er nicht, dass er sie hat oder wie er sie nutzen soll. Der Coach sollte daher in der Lage sein, seine eigene Fähigkeit der Ressourcensensibilität im Coaching zu aktivieren. Sie sollten als Coach gerade dort nach Ressourcen fahnden, wo der Klient gar keine sieht. Prinzipiell könnte jedes Verhalten als Ressource genutzt werden, sogar dann wenn es vom Klienten und anderen, dem Klienten wichtigen Personen vor dem Coaching missachtet, geringgeschätzt oder sogar als schädlich eingestuft wird. Jedes Verhalten ist zunächst eine legitime Lösung für die Situation,

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in der der Klient sich befindet, auch wenn es den erklärten Zielen widerspricht (starker Alkoholkonsum ist langfristig zum Schaden des Klienten, zuerst aber ein legitimer Ausweg aus der Kränkung über die Entlassung, die er empfindet). Wenden wir uns noch einmal dem Fallbeispiel von Marvin aus dem Abschnitt über zirkuläre Fragen zu: Die nachfolgende Fortsetzung der Kommentierung seines Fallbeispiels verdeutlicht, wie Sie als Coach weg von einer negativen hin zu einer positiven Verhaltensbeurteilung in Richtung auf Stärken und Ressourcen wirken können. Die erfolglosen Versuche des Schülers Marvin, einen Ausbildungsplatz zu finden, kommentieren seine Eltern damit, dass er nachlässig und unmotiviert sei. Als Coach sollten Sie diese Einschätzung zwar zunächst wertschätzen (»Ich sehe, Sie beide machen sich Sorgen um die Zukunft ihres Sohnes«), sie dann aber in eine Richtung deuten, die es Marvin und seinen Eltern erlaubt, in dem so bezeichneten Verhalten Stärken und Quellen von positiven Veränderungen zu entdecken. Zunächst sollten Sie konkretisieren, was genau die Eltern denn meinen, das Marvin tut: »Woran genau merken Sie denn, dass er nachlässig ist?« Sie sollten, sobald eine Antwort erfolgt ist, noch einmal, zweimal nachhaken: »Woran noch?« oder »Wenn Marvin einmal besonders unmotiviert ist, was macht er dann?« »Und was noch?« Die Eltern könnten im Falle Marvins zum Beispiel antworten: »Er sitzt dann in aller Seelenruhe da und spielt mit seinem Smartphone.« Als Coach achten Sie in der Antwort auf Schlüsselworte, die Sie für eine Ressourcenexploration nutzen können und fragen anschließend nach ihnen: »Inwiefern könnte denn möglicherweise die Seelenruhe, die Marvin hat, zu seinem Ziel beitragen, sich mehr um einen Ausbildungsplatz zu kümmern?«, oder als zirkuläre Frage: »Marvin, hast du eine Idee, was an deiner Ruhe, nach Meinung deiner Eltern, dazu beiträgt, dass du dich mehr um einen Ausbildungsplatz bemühst?« Damit haben Sie das Gespräch auf die Möglichkeiten, die in Marvins Verhalten liegen, gebracht und können diese gemeinsam mit den Beteiligten weiter explorieren. Teilweise haben Sie das durch ein Umdeuten von Schlüsselwörtern bewerkstelligt.

Nicht immer liegen die Ressourcen des Klienten so verborgen wie oben im Fallbeispiel von Marvin, in dem die Umdeutung bzw. der Perspektivenwechsel eine Rolle spielten, auf die weiter unten beim Thema Reframing noch näher eingegangen wird. Oft können die Klienten bereits selbst aus einem Fundus schöpfen und diesen auch benennen. Die Wunderfrage (siehe weiter oben) ist ein guter Türöffner, um diesen Fundus zu erschließen, und tut daher besonders zu Beginn der Ressourcenarbeit gute Dienste. Andere der oben vorgestellten

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Frageformen können aber ebenso zur Exploration von Ressourcen verwendet werden: ȤȤ Fragen nach Verhaltensunterschieden, ȤȤ Konkretisierungsfragen, ȤȤ Ausnahmefragen, ȤȤ Bewältigungsfragen. Dazu kommen folgende weitere Techniken, die wir nun ebenfalls einzeln vorstellen wollen: ȤȤ hypothetische Lösungen, ȤȤ Zeugenarbeit und Inneres Team, ȤȤ kleine Aktionsformen, ȤȤ Ressourceninterview, ȤȤ Ressourceninventar, ȤȤ VIP-Karte, ȤȤ Hinzuziehung von Helfern. Eine der Techniken, die neben den Fragetechniken bei der Ressourcenerforschung weiterhilft, besteht in hypothetischen Lösungen, das heißt in einem: »so tun, als ob.« Insbesondere dann, wenn der Klient im Verlauf des Coachingprozesses nur zurückhaltend oder gar nicht auf eigene Potenziale und Stärken eingeht, können Sie ihn unterstützen, indem Sie ihn hypothetische Lösungen konstruieren lassen. Dabei gehen Sie von der Annahme aus, dass auch ein Sotun-als-ob eine lösungsorientierende Wirkung entfaltet. Zweck hypothetischer Lösungen ist es, die Aufmerksamkeit des Klienten überhaupt auf Lösungen zu richten und ihm damit die Chance zu geben, Ressourcen zu erkennen und Motivation für ein veränderndes Verhalten zu entwickeln. »Wenn man sieht, wie man handeln könnte, ist die Versuchung groß, es tatsächlich zu tun. Die einmal geweckten Zukunftsbilder, die gesäten Ideen und die induzierten Hoffnungen werden dem Klienten helfen, sein Denken und Verhalten so zu ändern, dass das Gedachte Realität wird« (Bamberger, 2015, S. 120). Die Technik der hypothetischen Lösungen besteht darin, den Klienten dazu aufzufordern, so zu tun, als ob seine Situation zu einer Lösung gefunden hätte: »Nehmen wir an, wir würden uns in genau sechs Monaten wiederbegegnen und Sie wären zufrieden mit Ihrer Situation: Was hätte sich inzwischen verändert? Woran würden Sie die Veränderung bemerken?« Hypothetische Lösungen lassen sich gut mit einer Skalierungsfrage kombinieren: »Sie sagen, Sie stehen im Moment auf einer 2. Gehen Sie bitte einen Schritt

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vor auf die 3. Versetzen Sie sich nun in die neue Situation. Was hat sich verändert gegenüber der 2? Was können Sie jetzt alles tun?« Da die Wunderfrage darauf abzielt, dass der Klient eine imaginäre, möglichst konkrete Situation schildert, in der sein Anliegen vollständig erfüllt ist, generiert sie grundsätzlich hypothetische Lösungen und ist somit sowohl den Fragetechniken als auch der Technik der hypothetischen Lösungen zuzuordnen. Wenn Sie die Technik der hypothetischen Lösungen im Karrierecoaching anwenden, dann achten Sie zum einen darauf, dass Sie die hypothetischen Lösungen möglichst konkret explorieren. Geben Sie zum anderen darauf Acht, dass der Klient die hypothetischen Lösungen, die er imaginiert, für sich mit Verhaltensunterschieden verknüpft. Er sollte die Lösungen an seine Lebensrealität anbinden können und nicht in Fantasien hängenbleiben, die ihn in seinem Anliegen nicht weiterbringen.

Zeugenarbeit ist eine weitere Technik, die zum Entdecken von Ressourcen beiträgt. Der systemische Ansatz postuliert nicht nur eine äußere Vielfalt von Faktoren, die auf uns einwirken, sondern ist auch vereinbar mit Ansätzen, die mit einer inneren Vielfalt von Persönlichkeitsanteilen arbeiten. Alle inneren Stimmen zusammengenommen legen Zeugnis über die unterschiedlichen Perspektiven ab, die der Klient einnehmen und im Coaching auf verschiedene Weisen für sich nutzen kann. Man spricht deshalb bei der Nutzung multipler Perspektiven auch von Zeugenarbeit (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 254 ff.). Zeugenarbeit dient unter anderem dem Herausarbeiten von Unterschieden und der kreativen Selbstexploration. Sie kann daher zum Beispiel bei schwierigen Entscheidungssituationen hilfreich sein (siehe das Kapitel »Umgang mit Entscheidungsfragen«, S. 188 ff.). Ein Mittel, die Zeugenarbeit auf die Persönlichkeitsanteile des Klienten zu richten, ist das sogenannte Innere Team (auch Innere Familie oder Innere Firma genannt). Schulz von Thun prägte diesen Begriff in den 1990er Jahren (Schulz von Thun u. Stegemann, 2010). Der Coach braucht bei der Arbeit mit dem Inneren Team Empathie, Wertschätzung und Neutralität (kurz gesagt: eine systemische Haltung gegenüber dem Klienten), um die Selbstexploration in alle Richtungen zu ermöglichen. In der Arbeit mit dem Inneren Team werden in einer ersten Phase wichtige Persönlichkeitsanteile identifiziert (das Team zusammengestellt). Beklagt ein Klient zum Beispiel, in seiner Arbeit vollkommen überlastet zu sein, fragt der Coach ihn, welcher Teil von ihm belastet sei und welcher andere Teil möglicherweise eine andere Sicht auf die Tätigkeit habe. Klient und Coach entwickeln dann gemein-

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sam mehrere unterschiedliche Perspektiven, die sie jeweils einem Mitglied des Inneren Teams zuordnen: einem Mitglied, das sehr belastet ist; einem, das von den Arbeitsaufgaben begeistert ist; einem, das sich dem Arbeitgeber verpflichtet fühlt, und so weiter. Wichtig ist, dem Klienten zu spiegeln: Alle Teammitglieder gemeinsam machen seine Persönlichkeit aus, nicht nur eines. Um dem Klienten die Teammitglieder präsenter zu machen, können Sie auch kleine Aktionsformen (siehe S. 158 f.) und Methoden der Aufstellung (siehe den Abschnitt »Veranschaulichung des sozialen Kontextes« S. 168 ff.) verwenden oder Gegenstände für die einzelnen Teammitglieder einsetzen. Viele Coaches setzen neben die Teammitglieder noch einen Chef, der die Gesamtpersönlichkeit des Klienten repräsentiert. Im Anschluss werden die Teammitglieder dann dazu angeregt, sich miteinander und mit dem Chef zu verständigen. Dabei achten Sie als Coach darauf, dass die Kommunikation fair und wertschätzend ist. In gewisser Weise gleicht das Innere Team einer Familienkonstellation und der Coachingprozess ähnelt dementsprechend einer Familien- oder Gruppenberatung. Der Coach steuert die Kommunikation mit Fragen wie: »Was würde das eine Teammitglied zu dem anderen sagen?«, »Was würde umgekehrt das andere Teammitglied zum ersteren sagen?«, »Was würde der Chef an dem einen Teammitglied schätzen, was an dem anderen?« Ziel ist, eine kooperative Beziehung zwischen den Teammitgliedern aufzubauen, die es ihnen erlaubt, im Team – also konstruktiv und gemeinsam – dem Chef zuzuarbeiten (Mücke, 1998, S. 292 ff.). Mögliche Leitfragen bei der Arbeit mit dem Inneren Team sind: –– »Was regt sich in Ihnen, wenn Sie an die Entscheidung denken?« –– »Wie drückt sich dies aus?« (Wenn es für den Klienten schwierig zu beschreiben ist, anregen: »Ist es eher ein Gefühl in Ihrem Körper, ein Gedanke, ein Handlungsimpuls oder Sinneseindruck?«) –– »Wenn dies eine Stimme wäre, was würde diese Stimme Ihnen sagen? Wozu würde sie Sie auffordern?« (Botschaft aufschreiben: z. B. Hilf mir! Sei nicht so streng!) –– »Wenn Sie dieser Stimme einen charakteristischen Namen geben würden, wie würde dieser lauten?« (Name zur Botschaft aufschreiben) Die ausführlichen Instruktionen zur Nutzung der Methode des Inneren Teams finden Sie im Anhang 12, S. 270 f.).

Bei Klienten, die sich nicht gerne oder in einer Art und Weise sprachlich äußern, die den Coachingprozess nicht voranbringt, ist es sinnvoll, auf nonverbale Methoden zurückzugreifen. Einige davon im Repertoire zu haben, ist in jedem Fall angeraten, allein um den Fundus an Methoden zu vergrößern. Es

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gibt eine Reihe kleiner Aktionsformen, die die Variationsfähigkeit des Handelns des Klienten erweitern oder seine Fähigkeit des Bewusstmachens von Unterschieden und Ressourcen vergrößern und damit seine Handlungsfähigkeit unterstützen (Liebel-Fryszer, 2010, S. 212; zu systemischen Aktionsformen siehe auch Bleckwedel, 2015) Als nonverbale Methoden im Karrierecoaching bieten sich folgende kleine Aktionsformen an: –– Klient und Coach sitzen beide. Der Coach übernimmt während des Gespräches die Körperhaltung des Klienten und fordert ihn auf, im Gegenzug seine Körperhaltung zu übernehmen. Damit wird eine Art Rollentausch inszeniert. Das Gespräch wird in den vertauschten Rollen fortgesetzt, bevor beide wieder ihre ursprünglichen Rollen einnehmen. Der Coach wiederholt den Rollentausch im Laufe der Sitzung noch mehrmals. Dem Klienten sollen damit verfestigte Interaktionsmuster und andere, ihm nicht präsente Perspektiven auf sich selbst transparent gemacht werden (Liebel-Fryszer, 2010, S. 215). –– Der Coach legt vor dem Klienten eine Reihe von Bildern, Bildpostkarten oder kleinen Gegenständen aus (siehe zum Beispiel Begriffskarten zu Ressourcen unter www.trustandgo.de; Bildimpulse unter www.heragon.com). Der Klient sucht sich eines davon aus, das ihn am besten widerspiegelt (Varianten: seine größten Stärken, seine augenblickliche Stimmung usw.). Er beschreibt kurz, was er in dem Bild oder Gegenstand sieht und warum er denkt, dass es ihn so gut widerspiegelt. Für den weiteren Verlauf der Sitzung behält er es. Kommen Sie, wann immer es Ihnen brauchbar erscheint, darauf zurück und nutzen Sie es zur weiteren Exploration. –– Skalen werden sehr anschaulich, wenn Sie sie mit Bauklötzen oder Legosteinen als Turm bauen lassen (ein Stein pro Skaleneinheit). Wenn Sie nach draußen gehen, können sie Naturmaterialien verwenden, um Skalen darzustellen: Bäume in einer Allee, Äste auf dem Boden. –– Aufstellungen (siehe den Abschnitt »Veranschaulichung des sozialen Kontextes« S. 168 ff.) oder Innere Teams können mit Gegenständen auf dem Tisch nachgestellt werden. Besonders eindrücklich ist es, wenn die Gegenstände in ihrer Gestalt eine herausragende Eigenschaft der gestellten Person bzw. des Teammitglieds bildlich wiedergeben (ein Stein könnte das belastete Teammitglied sein, eine Vogelfeder das Teammitglied, das die Dinge leicht nimmt). –– Danie Beaulieu (2005) hat mit ihren Impact-Techniken zahlreiche Anregungen gegeben, wie sich durch den Einsatz von Materialien abstraktere Zusammenhänge verdeutlichen lassen. Ein Beispiel: Videokassetten bzw. DVDs werden von ihr eingesetzt, um bei klagenden Klienten den Unterschied zwischen der

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Vergangenheit und der Zukunft zu markieren (S. 42 ff., Beispiele für verschiedene Anwendungen finden sich im Kapitel »Anwendungsfragen im Karrierecoaching« S. 188 ff.). Im Anhang finden Sie die Übung »Berufliche Visionen« (Anhang 5, S. 256 f.). Sie lässt den Klienten zentrale Aspekte bzw. Kriterien der beruflichen Vision, die er hat, anhand einer von ihm gezeichneten Sonne und deren Strahlen visualisieren.

In einigen psychosozialen Ansätzen wurden diagnostische Verfahren entwickelt, mit deren Hilfe Ressourcen systematisch erfasst werden sollen (siehe Herriger, 2012; Schemmer u. Schaller, 2003). Die Ressourcenexploration gehört zum Kernbereich systemischer Methoden und kann im Karrierecoaching nützlich sein, um ein differenziertes Bild der Potenziale des Klienten zu erhalten. Zwei ihrer Verfahren, das Ressourceninterview und das Ressourceninventar, gehören daher zu den Techniken, die wir hier vorstellen. Das offene Ressourceninterview ist ein diagnostisches Verfahren. Der Klient wird in einer ersten Phase gebeten, eine kurze autobiografische Erzählung der letzten Monate zu formulieren und darin die Ressourcen zu beschreiben, die er hat nutzen können. In einer anschließenden zweiten Phase werden die aufgeführten Ressourcen vom Coach in einem Bogen zusammengetragen. Der Klient bewertet sie daraufhin nach den fünf Dimensionen: 1. aktuelle Ausprägung (»vorhanden« – V), 2. Ausmaß, in dem die Ressource entwickelt werden sollte (»potenziell« – P), 3. Reichweite des Ziels, das in der Arbeit erreicht werden soll (»Ziel« – Z), 4. gewünschte, noch nicht verfügbare Ressourcen (»Wunsch« – W), 5. Relevanz (R). Er trägt diese Bewertungen in den Bogen ein. Die Dimensionen V und P bekommen Zahlenwerte zwischen 1 und 10 zugeordnet, sodass ein Vergleich zwischen dem schon erreichten Ausmaß und dem Ausmaß der potenziellen Entwicklung der Ressource möglich wird (Schiepek u. Cremers, 2003). Im Anhang finden Sie eine Beschreibung des zweiten, aufwendigeren ressourcendiagnostischen Verfahrens (Anhang 11, S. 268 f.). Es ist das sogenannte »Berner Ressourceninventar« (Trösken u. Grawe, 2003).

Zu einer grafischen Darstellungsform greift die Methode der VIP-Karte (Her­ wig-Lempp, 2004). Die VIP-Karte ist eine Weiterentwicklung der Netzwerkkarte (Früchtel u. Budde, 2012, S. 283). Sie kann verschiedenen Zwecken dienen.

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Erstens hilft sie dabei, das soziale Netzwerk des Klienten zu illustrieren. Damit ist sie ein Instrument der Veranschaulichung des sozialen Kontextes (siehe S. 168 ff.). Zweitens können die Beschreibungen zu den aufgeführten Personen eine orientierende Funktion übernehmen. Herwig-Lempp nennt als Beispiel die berufliche Erstorientierung: »Man kann mit der VIP-Karte schauen, welche Berufe in der Umgebung des Jugendlichen vorkommen – oder man kann die einzelnen Personen durchgehen: »Welchen Rat oder Hinweis würde dir wohl diese Person in Bezug auf diese Frage geben?« (S. 358). Drittens können in zirkulären Fragen in Bezug auf Personen in der VIP-Karte (siehe Abbildung 11 in der Methodenbeschreibung zur VIP-Karte) Ressourcen exploriert werden: »Was würden die Personen in diesem Feld sagen, wo Ihre größten Stärken liegen?« Das Vorgehen bei der Anfertigung einer VIP-Karte: Die VIP-Karte versammelt alle wichtigen Personen aus einem sozialen System (alle Very Important Persons) und gruppiert sie in einem einfachen Schaubild um den Klienten herum. Sie werden den vier Feldern »Familie«, »Freunde«, »Arbeit/Ausbildung« sowie »Profis« zugeordnet. Stehen in einem Feld mehrere Personen, werden sie nach ihrer Wichtigkeit für den Klienten bzw. nach ihrer Bedeutung für die Lösung der beruflichen Frage sortiert: Je wichtiger sie sind, desto näher stehen sie am Mittelpunkt der Grafik, der den Klienten repräsentiert (Abbildung 11). Die Nähe zum Klienten kann weiter durch konzentrische Kreise um den Mittelpunkt herum verdeutlicht werden. Familie

Freunde

Klientin

Profis

Arbeit/ Ausbildung

Abbildung 11: Struktur der VIP-Karte

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Zur Ressourcenarbeit gehören auch Helfer bzw. die Technik, weitere Helfer hinzuzuziehen. Anknüpfend an die VIP-Karte kann nach (weiteren) Unterstützern gefragt werden. Das können Kollegen sein, Familienangehörige, Freunde, Vereinsmitglieder, Vertreter von Organisationen und Einrichtungen oder andere Personen. Sie selbst sind als Coach ebenfalls ein Helfer. Diesen Menschen kommt eine wichtige Funktion im Coachingprozess zu, indem sie beispielsweise: ȤȤ »die Wichtigkeit Ihrer Ziele bestätigen, ȤȤ hilfreiche Vorschläge oder Ideen unterbreiten, ȤȤ Ihnen Mut zusprechen, ȤȤ Sie in schwierigen Zeiten unterstützen, ȤȤ Ihnen helfen, Ihren Fortschritt anzuerkennen, oder, ȤȤ sich über Ihre Erfolge freuen« (Furman u. Ahola, 2010, S. 40 f.). Motivieren Sie Ihre Klienten also dazu, sich Helfer zu suchen. Stellen Sie zum Beispiel gemeinsam eine Liste mit den Personen auf, die in Frage kommen, und vermerken Sie, wie der Klient gedenkt, diese anzusprechen und bis wann er das erledigt haben möchte. Wertschätzung, Komplimente und Reframing Sie sind als Coach während des Coachings in ständiger Interaktion mit Ihrem Klienten. Das bedeutet, dass Sie auch dann auf die Äußerungen und das Verhalten des Klienten reagieren, wenn sie gar nicht aktiv etwas tun (Paul Watzlawick hat dieses Phänomen in das Bonmot gefasst: »Man kann nicht nicht kommunizieren«). Wie Sie reagieren, beeinflusst mithin den Verlauf des Coachingprozesses. Der systemische Ansatz geht davon aus, dass bestimmte Arten von Kommentaren für den Erfolg des Coachings besonders förderlich sind: wertschätzende Kommentare, Komplimente und das sogenannte Reframing. Diese sind Ausdruck der systemischen Haltung, die wir im Kapitel »Menschenbild und Haltung im systemischen Karrierecoaching« (S. 105 ff.) besprochen haben. Kooperieren ist keine Selbstverständlichkeit. Die Zurückhaltung und der Respekt eines Besuchers in einem fremden Land sind hilfreiche Ideen für die professionelle Haltung zu Beginn des Coachings.

Wichtige Elemente der Beziehungsgestaltung finden sich bereits im Person­ zentrierten Ansatz von Carl Rogers (1972, 1983) begründet und heraus-

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gearbeitet. Rogers hebt als beziehungsstiftende Faktoren die Wertschätzung, Akzeptanz und Kongruenz (Übereinstimmung von Sprache, Körperausdruck, Mimik und Gestik) hervor. Die Wertschätzung des Klienten beginnt bereits damit, dass Sie seine Bemühung um ein Coaching erwähnen und ihn in diesem Schritt bestätigen. Für die meisten Menschen bedeutet es eine Überwindung, bei einem Coach um Hilfe anzufragen. (Bei innerhalb eines institutionellen Kontextes zu Ihnen geschickten Klienten haben Sie es natürlich mit einer anderen Situation zu tun.) Wertschätzung einem Klienten gegenüber besteht zunächst darin, dass Sie ihm beim ersten Treffen mitteilen: »Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie heute gekommen sind. Ihre Situation, soweit Sie sie mir bereits dargelegt haben, ist sicher nicht einfach.« Wertschätzung besteht weiter darin, die Aussagen, die der Klient über seine Situation macht, ernst zu nehmen und seine eigenen Deutungen zu akzeptieren, seien sie auch im Einzelfall auf dem Hintergrund Ihrer Coachingerfahrung abwegig (de Shazer, 1998, S. 132 ff.). Es ist wichtig, dass er seine Wahrnehmung der Dinge anerkannt sieht und Raum hat, sie darzulegen. Sie werden manchmal vermutlich dazu neigen, den Äußerungen des Klienten innerlich zu widersprechen oder sie als unvernünftig abzutun. Fragen Sie dann umso genauer nach, was der Klient meint: »Ich habe Sie noch nicht ganz verstanden. Aber der Punkt scheint mir wichtig zu sein. Was genau meinen Sie mit …?« Würdigen Sie ferner die Anliegen des Klienten und zeigen Sie, dass Sie sich seiner Belastungsgefühle und Sorgen bewusst sind: »Vielen Dank, dass Sie mir das alles so ausführlich erläutern. Ich glaube, ich habe jetzt einen Eindruck davon bekommen, wie es für Sie sein muss.« Oder: »Das hört sich wirklich sehr schwierig an. Ich glaube Ihnen aufs Wort, wenn Sie sagen, dass Sie total gestresst sind.« Lernen Sie bitte keine Wertschätzungs-Formeln auswendig. Phrasen sind alles andere als wertschätzend. Überlegen Sie, wie Sie selbst auch privat ehrliche Anteilnahme ausdrücken würden. Das könnte auch durch nonverbale Signale sein. Hören Sie dem Klienten zu. Finden Sie heraus, was ihn bewegt.

Ein Kompliment ist in der systemischen Praxis nicht als das zu verstehen, was es im Alltag bedeutet: das charmante, aber manchmal nur oberflächliche Wort, das oft eher von Höflichkeit kündet als von einer dauerhaften Beziehung. Das Kompliment ist in der systemischen Praxis ein wiederholt benutzter Bestandteil der Beziehungsgestaltung zwischen Coach und Klient. Es unterstreicht die Wertschätzung des Coaches gegenüber dem Klienten. Komplimente ent-

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halten, »was der Klient Nützliches, Wirksames, Gutes oder Lustiges gesagt hat« (de Shazer, 1989/2002, S. 113). Sie tragen »dazu bei, das Passen zwischen Klienten und [Coach] und damit die Kooperation bei der anstehenden Arbeit zu fördern« (S. 113 f.). Das Kompliment ist im Karrierecoaching eine wichtige Technik. Das heißt: Spiegeln Sie dem Klienten generell alles, was Ihnen Schätzenswertes an ihm auffällt – auch und gerade dort, wo er selbst nur wenig Schätzenswertes sieht. Ist er zum Beispiel überzeugt, zu keiner Entscheidung finden zu können, werfen Sie ein: »Bei unserem ersten Telefongespräch hatte ich den Eindruck, dass Sie sich sehr entschlossen um Hilfe bemühen. Sie sagten, Sie hätten bereits ein halbes Dutzend Coaches ausgewählt und sie angerufen, um den geeignetsten herauszufinden.« Fahnden Sie regelrecht in Ihren Gesprächen mit dem Klienten nach achtenswerten Dingen. Halten Sie vor allem nach Ressourcen Ausschau, die der Klient im Rahmen seines Anliegens benutzen kann: »Es hat mich eben sehr beeindruckt, was Sie erzählt haben. Sie haben da schon ein gutes Mittel gefunden, um mit Ihrem Problem umzugehen, nämlich …« Oder: »Dass Sie es unter diesen Umständen schaffen, so gelassen zu wirken, das ist schon stark!« Kleine Aktionsformen können ebenfalls zu Komplimenten werden. Wenn Sie meinen, dem Klienten spiegeln zu können, dass er etwas besonders gut gemacht hat, stehen Sie zum Beispiel einfach wortlos auf und geben ihm die Hand (LiebelFryszer, 2010, S. 212). Achten Sie wie beim Joining, das heißt bei der Beziehungsgestaltung, auf Schlüsselwörter und wiederholen Sie diese in Ihren eigenen Fragen und Komplimenten.

Ist der Klient besonders beständig mit dem Darstellen der problematischen Aspekte seiner Situation beschäftigt oder zeigt sich aus einem anderen Grund kaum ein Ansatz, dass er konstruktiv nach Lösungen sucht, kann es sinnvoll sein, ihm eine Umdeutung der problematischen Aspekte anzubieten. Die Technik der Umdeutung wird im systemischen Ansatz Reframing (»in einen anderen Rahmen setzen«) genannt. Der Name deutet bereits an, dass es sich um eine Änderung des Kontextes handelt (nicht etwa um eine oberflächliche Umetikettierung oder eine Aufforderung, die Dinge doch positiv zu sehen). Sie soll dem Klienten ermöglichen, Handlungsoptionen und Ressourcen zu erkennen, wo er zuvor keine gesehen hat. Statt seine Situation in Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen als Misserfolg oder Unfähigkeit zu interpretieren wird der Klient durch das Reframing auf einen möglichen anderen Bedeutungsrahmen aufmerksam gemacht. »Mit

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positiver Umdeutung wird in der systemischen Praxis versucht, bisherige Muster von negativen Beschreibungen, von Selbstanklagen und Kritik zu unterbrechen, indem etwa auf bislang unbemerkte ›gute Nebenwirkungen‹ dieser Störungen hingewiesen wird, manchmal sogar ein ›Problem‹ eventuell als (derzeit noch) bestmögliche ›Lösung‹ zu sehen, wie es etwa in einer Maurice Chevalier zugeschriebenen Aussage über das Altern zu finden ist: ›Altwerden ist gar nicht so schlecht, wenn man die Alternativen bedenkt‹« (von Schlippe u. Schweitzer, 2013, S. 312; Herv. i.O.). Reframing deutet den Kontext um, in dem der Klient sich bewegt. Die Techniken des Reframings lassen sich mit Fragetechniken verbinden: Klient: »Ich gebe leider schnell auf, wenn Schwierigkeiten kommen.« Coach: »Und wie zeigen Sie ihrer Umgebung noch, dass Sie mit den Hindernissen, auf die Sie stoßen, nicht einverstanden sind?« Der Coach sagt in diesem Beispiel nicht direkt, dass der Klient eine besondere Qualität zeigt, indem er aufgibt, er unterstellt es mit seiner Frage. Hier ein anderes Beispiel, das die Methode des Reframings verdeutlicht: »Zu einem Abteilungsleiter, der darunter leidet, dass er in seinem Umgang mit den ihm untergeordneten Mitarbeitern oft als ›autoritär‹ beurteilt wird: ›Ich bin sehr beeindruckt über die Fürsorge, die ich in Ihrem Umgang mit den Mitarbeitern spüre. […] Genau in dieser Fürsorge werden dann aber auch Entscheidungen notwendig, die der einzelne Mitarbeiter in der aktuellen Situation oft nicht als Fürsorge erkennt‹« (Bamberger, 2015, S. 131). Schon kleine Umformulierungen einzelner Begriffe können als Reframing wirken: statt »ängstlich« sagen Sie »vorsichtig«, statt »ungeduldig« sagen Sie »engagiert«, statt »unterkühlt« sagen Sie »sachlich«. Auch das verbale Reframing kann der Coach durch Aktionsformen ergänzen. Grenzen Sie einen Teil des Raumes, in dem das Coaching stattfindet, als Bühne ab. Bitten Sie den Klienten, sich die Situation, die er als problematisch empfindet, auf dieser Bühne vorzustellen. Alternativ kann er sie auch darstellen. Der Bühnenraum schafft Distanz zur realen Vergangenheit und Gegenwart und erlaubt Coach und Klienten somit, einen neuen Rahmen für das Geschehen zu finden und mit vorsichtigen Umdeutungen zu experimentieren (Liebel-Fryszer, 2010, S. 213 f.). Von Schlippe und Schweitzer (2013, S. 315 ff.) unterscheiden das Bedeutungsreframing (Suche nach einer alternativen Bedeutung der beklagten Situation), das Kontextreframing (Suche nach dem Kontext, in dem das Verhalten zweckdienlich sein kann) und das Inhaltsreframing (Erörtern der hinter dem beklagten Verhalten steckenden guten Absicht; eventuell anschließend Suche nach alternativen Handlungsmöglichkeiten für den Klienten).

Methodisches Vorgehen im Karrierecoaching

Reframen Sie indirekt, indem Sie eine Umdeutung unterstellen. Ein direktes Umdeuten ist meist nicht so wirksam und läuft Gefahr, als unglaubwürdiges Sehen-Sie-es-doch-einmal-anders aufgenommen zu werden.

Biografische Arbeit Die Frage nach der eigenen Vergangenheit (bei der Berufssuche) richtet sich auf die Beschäftigung mit den Systemen, die den Klienten mitgeprägt haben und an vergangenen Entscheidungen beteiligt waren. Die biografische Arbeit kann wichtige Hinweise auf die Ressourcen und das lösungsorientierte Verhaltensrepertoire des Klienten liefern. Methoden der biografischen Arbeit bereichern Ihren Werkzeugkasten und bieten insbesondere bei bereits langandauernden beruflichen Problemen eine hilfreiche Suchrichtung. Wir besprechen im Folgenden exemplarisch das Genogramm und den Zeitstrahl (zu weiteren biografischen Methoden siehe Lang-von Wins u. Triebel, 2012, S. 141 ff.; KindlBeilfuß, 2010, S. 38 ff.). Genogramme bilden Strukturmerkmale von Familien ab (Alltagsanalogie zum Familienstammbaum). Sie enthalten sachliche biografische Informationen (Geschlecht, Alter, Familienbeziehung, Stellung in der Geschwisterreihe), aber auch subjektiv bedeutsame Informationen über die Beziehungsstrukturen (aus der Sicht des Klienten). Je nach Anliegen des Klienten und Fragestellung werden darin auch weitere Ereignisse eingetragen, beispielsweise Krankheiten, Todesfälle, Berufe. Hildenbrand (2005) betont die Bedeutung der Genogrammarbeit als ein rekonstruktiver Prozess persönlicher Bedeutungen von objektivierten biografischen Ereignissen auf der Ebene Individuum, Paar und Familie. Zur Rekonstruktion biografischer Entwicklungen gehören insbesondere die Partnerwahl, die Entscheidung für oder gegen ein Kind, die Beziehung zu den Eltern, die Wohnortwahl und die Eingebundenheit in das Gemeinwesen. Mit Hilfe eines Genogrammes können Sie Informationen über die Familie des Klienten strukturieren und für die systemische Hypothesenbildung aufschließen (siehe auch das Kapitel »Reflexion von Sinnbezügen in der Berufstätigkeit, S. 213 ff.«). Die Symbole zur Darstellung der Verwandtschaftsbeziehungen der Abbildung 12 finden sich im »Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I« von Arist von Schlippe und Jochen Schweitzer (2013, S. 229; vgl. auch Hildenbrand, 2005, S. 108 f.; McGoldrick, Gerson u. Petry, 2009).

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= männlich

= verstorben

= weiblich

= ungeborenes Kind

= Abtreibung, Fehlgeburt, Totgeburt 1978

U

= Ehe = nichtformalisierte Lebensgemeinschaft

T S 1981 1982

= Ehe mit Trennung (T) bzw. Scheidung (S) = Familie mit einem Sohn, einer Tochter, einem eineiigen und einem zweieiigen Zwillingspaar sowie einem Pflege- bzw. Adoptivkind (PK oder AK)

Abbildung 12: Die wichtigsten Genogrammsymbole (entnommen aus von Schlippe u. Schweitzer, 2013, S. 229)

Daneben werden die aus der Sicht des Klienten vorherrschenden Interaktionsmuster in das Genogramm eingezeichnet. Die ursprünglich von Salvador Minuchin entwickelten Beziehungssymbole finden sich in Abbildung 13. Allianz: Übermäßiges Engagement: Koalition: Konflikt: Verdeckter Konflikt: Umleitung eines Konfliktes: Grenzen: diffus: flexibel: undurchlässig: Abbildung 13: Beziehungen im Familiensystem: Kurzschrift (aus von Schlippe u. Schweitzer, 2013, S. 231)

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Methodisches Vorgehen im Karrierecoaching

Aufschlussreich kann es je nach Fragestellung sein, das Genogramm für das Karrierecoaching zu nutzen und biografische Ereignisse im Leben des Klienten und der anderen Familienmitglieder darzustellen. Es könnten dabei wichtige berufliche Ereignisse einbezogen werden, beispielsweise Beginn einer Ausbildung, eines Studiums, der Jobverlust oder ein berufsbedingter Ortswechsel (zur Arbeit mit dem Berufegenogramm siehe Anhang 19, S. 285 f.).

Der Zeitstrahl (bzw. die Timeline) dient der Visualisierung wichtiger Ereignisse im Leben des Klienten. Er unterstützt die zeitliche Ordnung (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft), hilft relevante Ereignisse bezogen auf das berufliche Anliegen zu explorieren, Entscheidungsalternativen zu bewerten und eine systematische Zukunftsplanung vorzunehmen (siehe das Kapitel »Umgang mit Entscheidungsalternativen« S. 188 ff.). Ein Zeitstrahl enthält in der Regel Informationen über verschiedene markante Ereignisse: die Geschichte eines Bezugssystems des Klienten (zum Beispiel der Familie), die Geschichte von Problemen, die der Klient gelöst haben möchte sowie die Geschichte vergangener Lösungsversuche (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 88). Im Hinblick auf die Arbeit mit einer »Timeline zur beruflichen Entscheidung« findet sich eine Instruktion für das Karrierecoaching im Anhang: siehe Anhang 13 (S. 272 ff.). Alle Informationen werden im Zeitstrahl in eine Ordnung von der fernen Vergangenheit bis heute gebracht und parallel zueinander dargestellt. Abbildung 14 veranschaulicht dies durch ein Beispiel.

Familie Alter (Klient) Störungen Lösungsversuche

Vater erkrankt

Umzug d. Schwester

20  22  24  28  30  32  34  36 Studium abgebrochen

1. Berufswechsel

Weiterbildung

2. Berufswechsel Coaching

Abbildung 14: Ereignisse auf einem Zeitstrahl: ein Beispiel

Der Zeitstrahl kann auch zur Darstellung der Entwicklung innerhalb von Organisationen oder Arbeitsgruppen benutzt werden. Dann sollten Sie darauf achten, seinen Inhalt durch entsprechende Fragen herzuleiten: »Von wem und unter welchen Bedingungen wurden [die Organisationen] gegründet? […] Was waren gravierende Veränderungen im Umfeld? Wann kamen wichtige Konkurrenzorganisationen

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Peter Plöger

hinzu oder schieden aus? Welche Rahmenbedingungen haben sich wann in der Vergangenheit geändert?« (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 89). Anhang 4 (S. 254 f.) bietet eine Übung, die den Klienten dazu anregt, den zeitlichen Verlauf seiner beruflichen Entwicklung, zentrale Themen, Wünsche, Berufsfelder und wichtige Einflussfaktoren zu reflektieren. Mit Hilfe seiner gezeichneten, beruflichen Lebenslinie entdeckt er wichtige Phasen seiner beruflichen Biografie.

Veranschaulichung des sozialen Kontextes Die Personen, die für die Entscheidungen des Klienten relevant sind, von ihnen betroffen sind und als Ressource bzw. Unterstützer in Frage kommen, lassen sich durch Visualisierungsmethoden veranschaulichen. Derartige Techniken regen den Klienten zur vertieften Selbstexploration an und helfen Interventionen besser zu planen und gezielter zu platzieren. Im Folgenden stellen wir Maps bzw. Soziogramme sowie Methoden der Aufstellung dar. Weitere Methoden, die den sozialen Kontext veranschaulichen, finden Sie in: »Systemische Therapie in Aktion. Kreative Methoden in der Arbeit mit Familien und Paaren« von Jan Bleckwedel (2015, S. 157 ff.), »Einführung in Lösungsfokussierung und Systemische Strukturaufstellungen« von Insa Sparrer (2010), und »Ganz im Gegenteil. Tetralemmaarbeit und andere Grundformen Systemischer Strukturaufstellungen« von Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer (2011). Sogenannte Maps (Karten) sind – ähnlich wie das Genogramm – grafische Darstellungen der Beziehungsstrukturen in einer Gruppe und wurden ursprünglich für die Familientherapie entwickelt. Sie dienen mithin dazu, die vielfältigen Beziehungen innerhalb eines sozialen Systems zu visualisieren und damit für den weiteren Coachingprozess transparent zu machen. Es liegt in der Entscheidung des Coaches, die Map auf der Grundlage des Gesprächs mit dem Klienten zu erstellen oder sie mit dem Klienten zusammen zu zeichnen. Eine Map ist eine Hypothese über eine Gruppenstruktur, und sollte nicht als feststehende Ordnung der betreffenden Gruppe behandelt werden. In Maps wird jedem Mitglied des sozialen Netzwerkes einer Person ein veranschaulichendes Symbol zugeordnet, das seine Position in Beziehung zum Klienten wiedergibt. In der Familie wären das zum Beispiel unterschiedliche Symbole für Mutter, Vater und Kind. Weitere Symbole werden für die Beziehungen zwischen den relevanten Personen eingesetzt: Koalitionen, Nähebeziehungen, Konflikte, verdeckte Konflikte, Abgrenzungen (zu einer Liste der Symbole siehe Hecker, 2012, S. 114 ff.). Der Coach sollte dabei darauf achten, nur die relevanten Beziehungen aufzunehmen, um die Map nicht unübersichtlich werden zu lassen.

Methodisches Vorgehen im Karrierecoaching

M K

V K

K

M: Mutter, V: Vater; K: Kinder : Konflikte : starke Nähe

Abbildung 15: Symbole in einer Map

Die Symbolsprache der Maps kann auch benutzt werden, um größere soziale Systeme abzubilden, zum Beispiel ganze Teams oder Abteilungen. Die Struktur und Dynamik solcher größeren Systeme wir damit erfassbar und verstehbar. Im Coachingprozess werden dazu die Strukturen der Gruppe um die relevanten Interessen, Werte und Verhaltensweisen der Gruppenmitglieder oder der Untergruppen ergänzt. Diese werden zur Veranschaulichung auch in das Soziogramm eingetragen. Der Coach bildet ähnlich wie beim Anfertigen einer Map auch hier Hypothesen in Gestalt der Soziogramme. Auf ihrer Grundlage kann er anschließend Interventionen planen (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 95).

Unter Aufstellungen versteht man in der systemischen Arbeit generell Aktionsformen, in denen soziale Systeme modellhaft mit Hilfe von Gegenständen oder auch Personen aufgestellt werden. Diese Gegenstände oder Personen vertreten jeweils einzelne Bestandteile des Systems. Bekannt geworden sind Aufstellungen vor allem in der Familientherapie. Eine der Varianten, die genutzt werden kann, wenn die Familienangehörigen nicht anwesend sind, ist die Stuhlaufstellung, bei der jedes Familienmitglied durch einen Stuhl repräsentiert wird (Mücke, 1998, S. 302 ff.). Diese Aktionsform eignet sich sowohl für die Arbeit mit einzelnen Klienten als auch für das Coaching bzw. die Supervision von Gruppen. Mit Aufstellungen lassen sich Informationen über die Beziehungen innerhalb des Systems, die Kommunikationsgewohnheiten sowie erste Interventionsmöglichkeiten eruieren. Ein typisches Vorgehen ist (vgl. Weber, 2012, S. 32 ff.): 1. Das System, das aufgestellt werden soll, wird eingegrenzt und die relevanten Akteure werden identifiziert. In einem Berufsorientierungssetting bei Erwachsenen könnten die relevanten, aufzustellenden Akteure zum Beispiel folgende sein: der Klient selbst, sein Lebenspartner, eventuell die gemeinsamen Kinder, der jetzige Arbeitgeber, ein guter Freund, der in der Orientierungssituation die

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Rolle des Ratgebers und Vorbilds innehat. Jedem Akteur wird ein Objekt (zum Beispiel ein Stuhl) zugeordnet. 2. Der Klient stellt nun die gewählten Objekte, zum Beispiel Stühle, so im Raum auf, dass sie das System wiedergeben, das heißt: in passendem Abstand und passender Position zueinander. Er achtet dabei auf aufkommende Gefühle und Stimmungen und beschreibt, was er wahrnimmt. Der Coach sollte durch Nachfragen die Konstellationen im System möglichst aussagekräftig zu explorieren versuchen. Die Aussagen des Klienten dienen Coach und Klienten zur Hypothesengenerierung (die im Weiteren selbstredend fortgeführt werden muss). 3. Nachdem Coach und Klient einige Hypothesen zu dem System entwickeln konnten, kann die Aufstellung weiter benutzt werden, um versuchsweise mit Interventionen zu arbeiten. So kann beispielsweise die Position der Stühle zueinander verändert werden. Was passiert in diesem Fall? Welche Reaktionen zeigt der Klient auf diese Veränderung und welche Beobachtungen äußert er über seine Eindrücke? Auch kann der Klient aufgefordert werden, seine eigene Position im System zu verändern oder mit den Stühlen spontan etwas zu tun. Welche Handlungen vollführt er und wie kommentiert er sie?

Einige Aufstellungsformen, die im Karrierecoaching eingesetzt werden können, möchten wir, bevor wir das Fazit der insgesamt in diesem Kapitel dargestellten systemischen Methoden ziehen, noch kurz vorstellen: ȤȤ In Systemischen Strukturaufstellungen (Sparrer, 2010) sind Personen die Repräsentanten der Systemelemente. Letztere können auch abstrakte Konzepte wie Kreativität, Ziele oder aktives Handeln sein. Systemische Strukturaufstellungen verdanken ihre Grundkonzeption einer Nähe zum lösungsfokussierten Ansatz innerhalb der systemischen Methoden. ȤȤ Skulpturen stellen das System direkt mit den Beteiligten dar. Ein Mitglied einer Arbeitsgruppe wird zum Beispiel gebeten, alle anderen so im Raum aufzustellen (einschließlich der Körperpositionen, Arm- und Beinhaltung, Blickrichtung, Kopfhaltung u. a.), wie es seiner Sicht der Konstellationen und Rollen innerhalb der Gruppe entspricht. Dabei können verschiedene Aspekte hervorhoben werden: die Hierarchien, die Kommunikation, der Abstand der Gruppenmitglieder zueinander. Anschließend werden alle wiederum nach ihren Eindrücken und Gefühlen gefragt. Die Unterschiede in der Wahrnehmung des Aufstellers und der anderen Gruppenmitglieder können dabei besonders aufschlussreich sein (von Schlippe u. Schweitzer, 2013, S. 280 ff.). ȤȤ Das Familienbrett ersetzt Personen und große Objekte wie Stühle durch Figuren, die auf einem quadratischen spielbrettähnlichen Feld aufgestellt

Fazit

werden. In der Originalfassung des Familienbretts (vgl. Ludewig u. Wilken, 2000) sind die Figuren zum einen nach eckigen (von den Klienten meist als Vertreter für männliche Personen gewählten) und runden (meist für weibliche Personen gewählten) Figuren und zum anderen gemäß ihrer Größe (große für Erwachsene, kleine Figuren für Kinder) unterschieden. Das Familienbrett eignet sich für die Arbeit mit Einzelnen und Gruppen verschiedener Art, etwa auch für Teams und Arbeitsgruppen. Der Reiz liegt im spielerischen Element, das durch die Figuren in das Coaching hineingetragen wird (zur Arbeit mit dem Beziehungsbrett siehe Anhang 15, S. 277 f.). ȤȤ Das Soziale Atom benutzt das Bild des Atoms aus den Naturwissenschaften, um die Beziehungen in einem System von Personen darzustellen: Den Kern bildet der Klient, während alle relevanten Personen wie Elektronen um ihn herum kreisen. Die Nähe der Elektronen zum Kern ist aufschlussreich für die Nähe der vertretenen Person zum Klienten. Zur Aufstellung lassen sich verschiedenste Gegenstände benutzen: Spielfiguren, Spielzeugtiere, Steine, Hölzer und so fort, je nach Geschmack des Klienten und des Coaches. ȤȤ Das Tetralemma ist eine Technik der Entscheidungsfindung, die Elemente der Aufstellungsmethodik benutzt (Varga von Kibéd u. Sparrer, 2011). Gestellt werden hier keine Systemvertreter, sondern die Entscheidungsalternativen, die an der fraglichen Situation beteiligt sind: das Eine (die favorisierte oder gewohnte Lösung des Klienten), das Andere (eine Alternative zum einen), Beides (ein Kompromiss, eine Position über den beiden ersten, die eine distanzierte Betrachtung beider ermöglicht), Keins von beidem (eine Position, die den Kontext der ersten Entscheidungsalternativen aus der Distanz betrachtet und somit neue Deutungen ermöglicht). Das Tetralemma leitet den Klienten zu einer durchdachteren und besser begründeten Entscheidungsfindung an (siehe auch das Kapitel »Umgang mit Entscheidungsalternativen«, S. 188 ff.).

Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger Fazit Die hier vorgestellten Methoden werden für Sie – so hoffen wir – ein guter Einstieg in das systemische Karrierecoaching sein. Erstens sollte Ihnen das Kapitel einen Eindruck davon gegeben haben, wie sich die systemische Haltung in der praktischen Umsetzung auswirkt und wie die Unterschiede zu anderen

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Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger

Ansätzen des Coachings sich konkret in der Praxis widerspiegeln. Zweitens hat Ihnen das Kapitel einen Einblick in verschiedenste Techniken gegeben, der es Ihnen ermöglichen soll, einige davon sofort anzuwenden und mit ihnen zu experimentieren. Drittens hoffen wir schließlich, Sie dazu motiviert zu haben, sich noch eingehender mit systemischen Methoden zu beschäftigen (siehe auch die unten zusammengestellte, weiterführende Literatur zu diesem Kapitel). Das folgende Kapitel stellt einen spezifischen Anwendungsbereich des systemischen Karrierecoachings ausführlich vor: das »Führungskräftecoach­ ing«. Im Kapitel darauf finden Sie weitere wichtige Anwendungsfragen des Karrierecoachings erläutert. Dort werden wir darlegen, wie Sie die systemischen Methoden, die Sie hier in diesem Kapitel kennengelernt haben, in der Praxis einsetzen können. Wir werden in diesem Zusammenhang auch einen Blick darauf werfen, unter welchen Bedingungen welche Methoden geeignet sind und mit welchen für das Karrierecoaching spezifischen Zielsetzungen ihr Einsatz geschieht und sinnvoll ist. Den Abschluss bilden nun also die Literaturhinweise zum Thema »Syste­ mische Methoden im Coaching«. –– Backhausen, W., Thommen, J.-P. (2006). Coaching. Durch systemisches Denken zu innovativer Personalentwicklung (3. Aufl.). Wiesbaden: Gabler. –– Hargens, J. (Hrsg.) (2010). Werkstattbuch Systemisches Coaching. Aus der Praxis für die Praxis (2. Aufl.). Dortmund: Borgmann Media. –– Kannicht, A., Schmid, B. (2015). Einführung in systemische Konzepte der Selbststeuerung. Heidelberg: Carl-Auer. –– König, E., Volmer, G. (2012). Systemisches Coaching: Handbuch für Führungskräfte, Berater und Trainer (2. Aufl.). Weinheim: Beltz. –– Meier, D., Szabo, P. (2008). Coaching – erfrischend einfach. Einführung ins lösungsorientierte Kurzzeitcoaching. Luzern: solutionsurfers. –– Radatz, S. (2010). Einführung in das systemische Coaching (4. Aufl.). Heidelberg: Carl-Auer. –– Schlippe, A. von, Schweitzer, J. (2013). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I (2. Aufl.). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. –– Schwing, R., Fryszer, A. (2015). Systemisches Handwerk. Werkzeug für die Praxis (7. Aufl.). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. –– Theuretzbacher, K., Nemetschek, P. (2009). Coaching und systemische Supervision mit Herz, Hand und Verstand. Stuttgart: Klett-Cotta.

Kirsten Dierolf

Führungskräftecoaching

Sind Führungskräfte anders? Diese Frage stellte sich mir als Erstes, als ich mit Peter Plöger über einen Gastbeitrag in diesem Buch sprach. Ich coache seit 1996 Führungskräfte aus der mittleren und obersten Führungsebene zu den verschiedensten beruflichen Fragestellungen, unter anderem auch im Rahmen von Karrierecoachings zur beruflichen Neuorientierung oder beruflichen Weiterentwicklung. Meiner eigenen Erfahrung nach handelt es sich hier um »ganz normale Menschen«, die im Karrierecoaching ähnliche Lösungen wie alle anderen suchen, die in den Fallbeispielen in diesem Buch beschrieben werden. Aber natürlich ist dies auch mein Blick auf meine Kunden, mit denen ich vertraut bin, und so bin ich mir nicht sicher, inwieweit die Normalität auf meine Wahrnehmung zurückzuführen ist und inwieweit darauf, dass Führungskräfte in der Karriereberatung wirklich nicht so anders sind. Um Ihnen einen eigenen Eindruck zu ermöglichen, stelle ich nach einigen allgemeinen Überlegungen im Folgenden hauptsächlich Fallstudien vor.

Die Katze beißt sich in den Schwanz Die Lösungen und die Unterstützung, die sich Führungskräfte von einem Karrierecoaching erwarten, sind denen von Nicht-Führungskräften ähnlich. Die Unterschiede scheinen mir, wenn überhaupt, in den Herausforderungen zu liegen, vor denen Führungskräfte stehen. So ist zum Beispiel das Netzwerken mit dem Ziel der beruflichen Neuorientierung für eine Führungskraft, die sich noch in ungekündigter Position befindet, schwieriger als für einen Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung. Gerade, wenn die Führungskraft eine Aufgabe bekleidet, für die es ein ganz spezifisches Anforderungsprofil gibt, birgt dies einige Schwierigkeiten: Die Mitglieder der Führungsebenen in diesem Bereich kennen sich durch die verschiedensten Gremien, Konferenzen etc. und die Buschtrommel kann schnell dazu führen, dass ein Wunsch nach

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Veränderung der Position schneller bekannt wird, als der Führungskraft lieb ist. Zudem ist die Auswahl an geeigneten neuen Positionen für Führungskräfte geringer als für Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung. Umso wesentlicher wäre wahrscheinlich das Netzwerken, was wieder durch die oben genannten Umstände erschwert wird. Ich habe schon häufig Führungskräfte gecoacht, die schon recht lange dieser Katze zusahen, wie sie sich in den Schwanz biss.

Klare Karriereplanung Große Unternehmen werben meist schon im Vorstellungsgespräch Bewerbern gegenüber mit den Entwicklungsmöglichkeiten, die sich engagierten Mitarbeitern in diesem Unternehmen bieten. Inzwischen gibt es auch in vielen Unternehmen vorgezeichnete Laufbahnen, die entweder in die Richtung der Übernahme von immer größerer Führungsverantwortung oder auf eine Spezialistenlaufbahn zielen. Fachkräften in der Spezialistenlaufbahn wird die Teilnahme an Fortbildungen und Konferenzen zur fachlichen Weiterentwicklung ermöglicht. Im Führungskräftebereich werden eher Coaching und auch Führungskräfteentwicklungsprogramme dazu eingesetzt, diesen strukturierten Entwicklungsprozess zu begleiten und den Führungskräften auf jeder Ebene die besten Möglichkeiten zu geben, sich zu entwickeln. Wenn eine Führungskraft von derlei Entwicklungsprogrammen profitiert, kann sie eine hohe Erwartung an die Berechenbarkeit und Struktur ihrer beruflichen Laufbahn entwickeln und fällt vielleicht in ein tiefes Loch, wenn die Karriereplanung nicht so funktioniert wie erhofft. Neben der Enttäuschung, nicht den erwünschten nächsten Karriereschritt gegangen zu sein, empfanden einige meiner Klienten zusätzlich eine Kränkung durch die Organisation, quasi als habe diese ein Versprechen gebrochen. Auch hier kann sich die Katze wieder in den Schwanz beißen. Die gefühlte Kränkung kann zu Resignation und im schlimmsten Fall zu Zynismus führen: »Hier erkennen sie noch nicht mal Qualität, wenn sie ihnen auf die Nase gebunden wird, jetzt mache ich mal gar nichts mehr!« Diese Haltung führt dann vielleicht dazu, dass die Entscheider in der Organisation das Potenzial dieser Führungskraft nicht mehr wahrnehmen können, was wiederum dazu führt, dass die Führungskraft auch bei der nächsten Beförderungsrunde unberücksichtigt bleibt. Natürlich ist jeder, Führungskraft oder nicht, erst einmal enttäuscht, wenn er oder sie nicht berücksichtigt wurde. Der Unterschied, den ich wahrnehme, beruht eher auf der Enttäuschung der (gerechtfertigten oder

Einbindung der Organisationsentwicklung

un­gerechtfertigten) Erwartung einer durch die Organisation garantierten stringenten Karriere.

Einbindung der Organisationsentwicklung Wenn Führungskräfte ein Karrierecoaching erhalten, so ist meist auch die Organisation, für die sie arbeiten, in diesen Prozess mit eingebunden. Entweder ist das Coaching Teil des strukturierten Führungskräfteentwicklungsprogramms oder es wird von der Personalabteilung im Bedarfsfall eingesetzt. Für den Coach bedeutet das, dass er (oder sie) in der Auftragsklärungsphase nicht nur mit dem Klienten, sondern auch mit anderen Beteiligten in Kontakt tritt. Nach meiner Erfahrung ist es entweder die Personalabteilung oder der direkte Vorgesetzte des Klienten, der mit mir einen ersten Termin wahrnimmt. In diesem Termin wird geklärt, was sich die Organisation an Unterstützung für den Klienten wünscht, und es werden Vertraulichkeitsregelungen (dass selbstverständlich nichts, was im Coaching besprochen wird, ohne Erlaubnis des Klienten an irgendjemand weitergetragen wird) und Grenzen des Coachingauftrages (zum Beispiel, ob es Teil des Coachings sein darf, dass sich der Klient außerhalb der Organisation umsieht) besprochen. Ich versuche auch immer zu erfahren, was die Organisation an dem Klienten schätzt und wo sie die Stärken des Klienten sieht. Die besten Coachingvoraussetzungen sind gegeben, wenn sowohl der Klient als auch die Organisation das Coaching als Anerkennung und Wertschätzung des Klienten wahrnehmen können. Gerade in Fällen, wo es nicht zu einer erwarteten Beförderung kam, besteht die Gefahr, dass der Klient das Coaching als Maßnahme zur Behebung von Defiziten sieht, die die Organisation an ihm wahrnimmt. Selbst wenn diese Defizite durch die Organisation tatsächlich wahrgenommen werden (zum Beispiel, dass die Führungskraft alles selbst übernimmt und Schwierigkeiten hat, zu delegieren), ist es immer besser, wenn alle Seiten die Grundwertschätzung, die darin liegt, dass einem Menschen eine Chance gegeben wird, sehen können. Also nicht: »Du bist falsch, du kannst nicht delegieren, deswegen befördern wir dich nicht. Repariert das, sonst wird nichts daraus!« Sondern: »Du bist hier richtig, wir schätzen deine Arbeit und möchten dich in deinem nächsten Entwicklungsschritt gerne unterstützen und auch Geld dafür ausgeben, damit du dich entwickeln kannst.«

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Abstieg – Umstieg – Aufstieg? Abstieg, Umstieg oder Aufstieg einer Führungskraft sind die häufigsten Anlässe für Karriereentwicklungscoachings bei Führungskräften. Im Folgenden möchte ich anhand von Fallbeispielen3 einen Einblick in meine Arbeit als lösungsfokussierter Coach geben. Es handelt sich hier um meine Beobachtungen und Beschreibungen dessen, was in meiner Erfahrung gut funktioniert hat. Ich erhebe keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und alle Fehler sind selbstverständlich nur meine. Das Fallbeispiel wird jeweils kurz vorgestellt4. Dann folgt die Darstellung meiner Arbeit am jeweils konkreten Fallbeispiel. Aufstieg »Wo ist das Problem?«, könnten Sie sich fragen, wenn es darum geht, dass eine Führungskraft in der Organisation aufsteigt. Und Sie hätten recht! Ein Problem ist es tatsächlich oftmals nicht. Es geht in diesen Coachings meistens nicht darum, dass irgendwo ein Problem entstanden ist, sondern darum, dass die Führungskraft einen möglichst guten Start vorlegt und ihre Stärken und Ressourcen zielgerichtet einsetzt. Manchmal werden Karrierecoachings auch vor dem nächsten Karriereschritt eingesetzt. Die Organisation hat eine Führungskraft mit großem Potenzial identifiziert und möchte sie dabei unterstützen, in absehbarer Zeit den nächsten Karriereschritt in Angriff zu nehmen. Die Zeit vor diesem Karriereschritt soll dafür genutzt werden, sich optimal auf ihn vorzubereiten. In beiden Fällen liegt der Fokus des Coachings darauf, dass der Klient Zeit bekommt, sich gemeinsam mit dem Coach Gedanken über die Kriterien des Gelingens und über die eigenen Ressourcen zu machen. Die meisten Klienten schätzen es sehr, wenn sie in dieser Phase von einem externen Coach, der in die Politik der Organisation nicht involviert ist, unterstützt werden. Führungskräfte müssen in diesen Phasen häufig mit Geheimnissen und Gerüchten leben. Vielleicht wissen sie schon, dass sie für die nächsthöhere Position vorgesehen sind, es wurde aber den Mitarbeitern noch nicht kommuniziert. Vielleicht wissen die Personalabteilung und die Vorgesetzten schon, dass die nächsthöhere Position frei wird, dies ist aber, um keine Unruhe zu verursachen, noch nicht unternehmensweit kommuniziert worden. Allein die Tatsache, dass ein 3

Alle Fallbeispiele sind auch in meinem Beitrag anonymisiert, die Namen und Industrien so verändert, dass die Klienten nicht mehr erkennbar sind. 4 Da die konkrete Arbeit am Fallbeispiel den Hauptteil des Textes ausmacht, ist jeweils nur diese kurze Falleinführung als Fallbeispiel markiert.

Abstieg – Umstieg – Aufstieg?

Coach diese Sachverhalte vertraulich behandelt und der Klient hier einen Rahmen hat, geschützt über die nächsten Schritte nachdenken zu können, ohne sich darüber Sorgen machen zu müssen, wer schon wie viel weiß, ist für den Klienten viel wert. So ähnlich ist es auch im nachfolgenden Fallbeispiel von Frau Martinson. Frau Martinson ist im Gespräch, eine große Business-Unit zu übernehmen Frau Martinson leitet eine kleine Geschäftseinheit, eine Business-Unit, im Vertrieb einer Marke eines internationalen Konzerns im Bereich der Lebensmittelherstellung. Sie ist zuständig für das Land Österreich und berichtet an den BusinessUnit-Leiter DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz). Im Moment unterstehen ihr drei Teamleiterinnen, die jeweils kleine Teams von drei bis vier Personen führen. Frau Martinson wird als dynamische, lebendige und einfühlsame Führungskraft geschätzt. Sie hat die ihr gesteckten Ziele gemeinsam mit ihrem Team immer erreicht, an vielen internationalen Projekten mitgewirkt und sich ein gutes Netzwerk innerhalb der Organisation aufgebaut. Sie ist als Quereinsteigerin in den Vertrieb des Unternehmens gelangt und hat sich dort in den letzten acht Jahren stetig weiterentwickelt. Ursprünglich kommt sie aus einer anderen Branche. Frau Martinson ist Mitte dreißig, hat zwei Kinder. Ihr Mann ist gerade für das zweite Kind in Elternzeit. Durch die Elternzeit konnte Frau Martinsons Mann immer mit ihr an ihren jeweiligen Einsatzort umziehen. Das ältere der beiden Kinder kommt im Sommer in die Schule, sodass sich die Familie nun nach einem permanenteren Wohnsitz umschauen möchte. Als sie hört, dass der Business-Unit-Leiter ihrer Heimatregion, Großbritannien und Irland, eine Position auf der übergeordneten Ebene übernehmen wird, zögert sie nicht länger und geht ins Gespräch mit der zuständigen Personalabteilung. Frau Martinson gilt ohnehin aufgrund ihrer guten Führungsqualitäten und hohen Zielerreichung als »High-Potential«, sodass ihre Gesprächspartnerin in der Personalabteilung ihr gute Chancen ausrechnet. Für den Auswahlprozess und die ersten hundert Tage im potenziell neuen Job wird ihr von der Personalabteilung ein Coach zur Verfügung gestellt und so hatte ich das Glück, diese Klientin kennenzulernen. Wie man sicher gut verstehen kann, war sie hoch motiviert, alles zu tun, das Unternehmen davon zu überzeugen, dass sie die Richtige ist.

Zunächst erfolgte im Fall von Frau Martinson die Auftragsklärung: In der Auftragsklärung mit der Personalabteilung erfuhr ich die Aufgabenstellung und die Basisdaten von Frau Martinson. Ich erfragte und erfuhr, was die Organisation an Frau Martinson schätzt und fand einiges über den internen Bewerbungsprozess heraus. Die Personalabteilung war hauptsächlich daran

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interessiert, dass Frau Martinson und ich gut zusammenarbeiten und dass ich als Coach ihr in dem Maße zur Verfügung stehe, wie es für sie nützlich ist. Dann ging es als Erstes ums Kennenlernen: Frau Martinson und ich verbrachten die erste Sitzung unserer Zusammenarbeit damit, uns gegenseitig kennenzulernen. Als strukturierte Führungskraft hatte Frau Martinson mir vorab ihren Lebenslauf geschickt. Ich stellte mich kurz vor und wir besprachen dann sehr ausführlich ihren Werdegang und ihre Erfolge in den einzelnen Positionen, die sie innehatte. Meine Lehrerin Insoo Kim Berg, eine der Begründerinnen des lösungsfokussierten Ansatzes, sagte immer: »Nimm einen Menschen immer zuerst in seinen Ressourcen wahr.« Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das gemeinsame Erforschen der Erfolge und Stärken eines Klienten gleich am Anfang sehr nützlich sein kann, wenn es sich um einen längeren Coachingprozess handelt. Im Verlauf unserer Sitzungen wusste ich so etwas Bescheid über das, was Frau Martinson schon alles bewältigt hatte. In Phasen, in denen ihre Zuversicht nachließ, konnte ich dann zum Beispiel gut fragen: »Sie hatten mir doch von … erzählt und davon, wie sie es damals geschafft haben, in einem schwierigen Markt ein Produkt nach vorne zu bringen ‒ wie könnten Sie auf diese Erfahrung hier zurückgreifen?« An zweiter Stelle folgte die Zielklärung: Für den lösungsfokussierten Ansatz vielleicht etwas untypisch widmeten wir uns erst dann einer genauen Zielklärung. Woran würde Frau Martinson merken, dass sich der Coachingprozess für sie gelohnt haben würde? Natürlich war ihre erste Antwort: »Ich bin in London, leite zufrieden die Business-Unit und meine Kinder gehen dort zur Schule.« Wir schmunzelten beide. Auf die Frage: »Woran merken Sie, dass der Auswahlprozess für Sie optimal läuft?«, konnte sie weitere hilfreiche Ziele für unseren Coachingprozess entwickeln: Sie wollte gelassen, strukturiert und zuversichtlich sein und das gute Gefühl haben, alles getan zu haben, um diese Stelle auch zu bekommen. Sie würde während des ganzen Prozesses ruhig schlafen, würde weiterhin ihr jetziges Team mit gleichem Engagement führen und für ihre Familie, ihren Mann und ihre Kinder da sein können, ohne ständig über die neuesten Entwicklungen nachdenken zu müssen. In vielen Karrierecoachings, wo das Ziel am Anfang sehr eng scheint: »Ich will diese Stelle bekommen!«, finde ich es hilfreich, auch zu erforschen, wie der Weg hin zu diesem Ziel gut gegangen werden kann. Wenn sich das damit verbundene Ziel nur auf die nächste Position verengt, besteht die Gefahr, dass bei Misserfolg die Bewerbungszeit und -mühe als verloren erlebt wird. Wenn aber von Anfang an in Betracht gezogen wird, dass auch der Prozess an sich einen Wert hat, führt das im Anschluss unabhängig vom Ausgang zu mehr Zufriedenheit.

Abstieg – Umstieg – Aufstieg?

In der Zielsetzungsphase fragte ich dann auch, was Frau Martinson als Gewinn aus dem Coachingprozess unabhängig vom Ausgang für sich erwarte. Für sie war das, Klarheit über die eigenen Stärken und Entwicklungspotenziale zu gewinnen, ihr eigenes Profil weiter zu schärfen und so noch besser als »Verkäuferin in eigener Sache« agieren zu können. Als Drittes widmeten wir uns der Ressourcenklärung: Nach der Zielklärung ging es hauptsächlich um zwei Fragen: »Welche Fähigkeiten brauchen Sie für die neue Position?« und »Wie können Sie diese Fähigkeiten im Bewerbungsprozess zeigen?« Das lösungsfokussierte Werkzeug der Skalierung eignet sich sehr gut in dieser Phase. Ich male mit meinen Klienten meist eine Art Skalenrad, wo außen die wesentlichen Auswahlkriterien für die gewünschte Position stehen. In der Mitte steht eine 0 für »Darüber weiß ich noch nichts« und außen eine 10 für »Hier steht meine Qualifikation außer Frage«. Die Klienten schätzen sich selbst ein, irgendwo zwischen 0 und 10, und wir überlegen, was schon alles da ist, und woran die Organisation im Bewerbungsprozess oder auch sonst merken könnte, dass die Klienten oder der Klient einen Schritt in Richtung 10 gegangen ist. Dieses Skalenrad kann dann auch ein guter Wegweiser für die nächsten Coach­ ingsitzungen sein. Jede Sitzung kann sich mit einem oder mehr dieser Punkte befassen.

Zudem beschäftigten wir uns mit dem Vorbereiten und Üben des Bewerbungsprozesses: Natürlich befasste sich das Coaching von Frau Martinson auch mit den ganz konkreten Anforderungen des Bewerbungsprozesses. Wir bereiteten die Bewerbungsgespräche genau vor. Von der Personalabteilung wusste ich, dass die Bewerbungsgespräche sehr konkret abliefen. Den Kandidaten werden Herausforderungen aus dem Bereich der neuen Position geschildert und sie werden dann gebeten, einen Erfolg aus ihrem Leben zu erzählen, bei dem sie eine ähnliche Situation schon einmal bewältigt haben. Frau Martinson und ich sammelten alle relevanten Geschichten. Sie erzählte sie mir, ich gab Feedback zu meinem Eindruck, sie erzählte sie noch einmal usw. Diese Sitzungen waren nachhaltig bestärkend, da sich herausstellte, dass tatsächlich viele der Herausforderungen der neuen Position von Frau Martinson schon einmal bewältigt worden waren. Ein Punkt blieb noch etwas fraglich ‒ das Unternehmen setzte zur Personalauswahl auch einen Intelligenztest ein. Vielleicht aufgrund ihres Quereinstiegs und weil sie in der Schule nie besonders gut gewesen war, hatte Frau Martinson

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hier die größten Bedenken, nicht gut abzuschneiden. »Das kann ich nicht gut!« – »Noch nicht«, sagte ich etwas verschmitzt. Frau Martinson hatte nicht den Eindruck, dass man so etwas üben könne. Ich lud sie ein, es auszuprobieren. Und tatsächlich fanden wir einige Aufgaben zum räumlichen Vorstellungsvermögen, die sie besonders fürchtete, im Internet und sie merkte, dass es durchaus auch eine Übungskomponente in der Intelligenzleistung gibt, und wurde zuversichtlicher. Ob nun aufgrund der Zuversicht oder aufgrund der Übung – sie schloss im tatsächlichen Test als eine der besten auf dieser Stufe in ihrem Unternehmen ab. Vielleicht erscheint dem einen oder anderen Coach diese Phase des Führungskräftekarrierecoachings eher wie ein Training als ein Coaching. Meiner Erfahrung nach haben Führungskräfte wenig Gelegenheit, einfach frei etwas auszuprobieren, nochmal zu probieren und aus den Versuchen zu lernen. Das Feedback an mich war stets, dass diese konkrete Vorbereitung als äußerst nützlich empfunden wurde. Ich als Coach bekam dann sogar noch die Chance zu einer Begleitung der ersten hundert Tage: Frau Martinson bekam tatsächlich die Position in London. Die Personalabteilung hatte die Weisheit, Frau Martinson auch in den ersten hundert Tagen als Business-Unit-Leiterin für Großbritannien und Irland einen Coach zur Seite zu stellen, und ich hatte das Glück, dass sie mich auswählte. Wir arbeiteten in jeder Sitzung an Lösungen für anfallende Probleme. Nach den hundert Tagen saß Frau Martinson fest im Sattel und wir verabschiedeten uns voneinander und dem Coachingprozess. Eine Begleitung von Führungskräften nicht nur in der Auswahlphase, sondern auch danach macht sehr viel Sinn. So kann die Organisation sicherstellen, dass sie alles getan hat, damit ihre Investition in den Auswahlprozess und die Entwicklung der neuen Führungskraft fruchtet. Sie schafft damit die Bedingungen für den Erfolg. Als Coach ist man hier eine Mischung aus Coach, Begleiter und »Soundingboard« oder Sparringspartner. Umstieg In Zeiten von sich schnell verändernden Märkte ist es für Unternehmen wichtig, direkt zu reagieren und sich mit ihrer Strategie und ihren Strukturen an die neuen Gegebenheiten optimal anzupassen. Das zieht nach sich, dass auch Führungskräfte und Mitarbeiter flexibel eingesetzt werden. Die Arbeit ist zunehmend wie Projektarbeit organisiert, und wenn ein Projekt zu Ende geht, müssen sich Mitarbeiter sowie Führungskräfte flexibel neuen Themen im Unternehmen zuwenden.

Abstieg – Umstieg – Aufstieg?

Die Personalabteilung befindet sich in einer Zwickmühle: Einerseits möchte sie die besten Talente an das Unternehmen binden, andererseits muss auch die Flexibilität gewährleistet bleiben. So kommt es immer wieder zu Situationen, in denen das Unternehmen wichtige, kompetente Führungskräfte erhalten möchte, aber konkret noch keine Aufgabe für sie hat. Ich durfte in den letzten Jahren einige Führungskräfte in solch einer Situation coachen. Das nächste Fallbeispiel (von Frau Meier) zeigt ein, wie ich finde, gelungenes Beispiel. Frau Meiers Projekt geht zu Ende: Ihr steht das ganze Unternehmen offen Frau Meier war kurzfristig als Projektleiterin in der Softwareentwicklung eines großen IT-Unternehmens eingesprungen, als der vorherige Projektleiter an einem Burn-Out erkrankt war. Eigentlich soll ihr Vertrag mit dem erfolgreichen Projektabschluss beendet werden. Frau Meier hat sich aber als Projektleiterin in einer Art bewährt, dass die Unternehmensleitung und auch die Personalabteilung sie unbedingt im Unternehmen halten wollen. Leider ist das Projekt, das Frau Meier geleitet hat, eines der letzten seiner Art. Man kann sie also nicht einfach mit der Leitung eines anderen Projektes der gleichen Art betrauen und darauf hoffen, dass sie diesen Erfolg wiederholt. Die Personalabteilung und auch die Unternehmensleitung wollen Frau Meier die Gelegenheit geben, durch ein Coaching herauszufinden, wo sie dem Unternehmen mit ihren Fähigkeiten und Erfahrungen am nützlichsten sein könnte, und auch zu überlegen, auf welche Art von Position sie am meisten Lust hat. Für Frau Meier und mich als Coach war das natürlich eine sehr luxuriöse Situation. Aber wie man so schön sagt: »Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein.« Die Schwierigkeit dieser luxuriösen Situation bestand darin, dass eben viel möglich war und die Einzigartigkeit dieser Chance es quasi gebot, sie bestmöglich zu nutzen.

Als Erstes ging es um die Standortanalyse und Profilerstellung: Im Fall von Frau Meier war der erste Schritt ein Blick auf die Ressourcen. Was in der klassischen Karriereberatung »Standortanalyse« oder »Profilerstellung« heißt, wird lösungsfokussiert zu einer Betrachtung der Erfolge des bisherigen beruflichen Werdegangs. Wenn es sich um eine klassische Karriereberatung handelt, ist das Ziel dieses Schritts sowohl, dass sich der Klient oder die Klientin bewusst wird, über welche Stärken er oder sie verfügt, als auch, dass der Klient oder die Klientin in die Lage versetzt wird, über ihre Erfolge späteren interessierten Unternehmen zu berichten. Der zweite Aspekt war bei Frau Meier nicht unbedingt zentral. In unserer Sitzung zum Thema Standortanalyse ging es dann auch hauptsächlich darum, welche Erfolge Frau Meier

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in den bisherigen Stationen ihrer Karriere erzielt hatte und was ihr an den einzelnen Stationen besonders Spaß gemacht hatte. Das lässt sich am besten ganz konkret am Fallbeispiel verdeutlichen. Coach: »Sie schreiben hier in Ihrem Lebenslauf, dass Sie von 2005 bis 2006 ein Outsourcing-Projekt nach Indien geleitet haben. Welches war denn der herausragende Erfolg dieses Projekts für das Unternehmen?« Frau Meier: »Das ist schwer zu sagen. Es war eine ziemlich schwierige Situation und ob es wirklich so erfolgreich war, weiß ich gar nicht. Zum Ende des Projekts hatten wir die Aufgaben, die wir an die Inder übergeben sollten, übergeben und wir hatten auch die meisten Kommunikationsschwierigkeiten bewältigt. Natürlich war das nicht einfach, denn in Indien gab es eine hohe Fluktuation der Mitarbeiter und wir mussten immer wieder dafür sorgen, dass die neuen Leute ebenfalls eingearbeitet wurden.« Coach: »Wenn ich die Mitarbeiter der indischen Firma fragen würde, was Sie persönlich dazu beigetragen haben, dass es letztendlich funktioniert hat, was würden diese dazu sagen?« Frau Meier: »Ich glaube, ich hatte zu den Indern am Ende einen ziemlich guten Draht und wir hatten auch gute professionelle Beziehungen aufgebaut. Es ist ja tatsächlich eine andere Kultur. Ich war häufig in Bangalore – ich glaube, die Vorgesetzten dort hatten das Gefühl, dass ich wirklich versuche, ihre Situation zu verstehen. Man kann ja nicht einfach als Europäerin da hinüberwalzen und Befehle erteilen. Ich glaube, meine Kontakte dort würden sagen, dass ich es geschafft habe, ein gemeinsames Team mit ihnen zu bilden und gemeinsam Probleme zu lösen.« Coach: »Und wie haben sie das geschafft?«

In der Standortanalyse ging es also, wie die Vergegenwärtigung des Fallbeispiels oben zeigt, ganz detailliert und konkret um die Erfolgsgeschichten von Frau Meier. Bei einigen dieser Geschichten leuchteten ihre Augen und es war sehr sichtbar, dass sie so etwas noch einmal erleben möchte. Bei anderen Geschichten war es klar, dass letzten Endes etwas Gutes herausgekommen war, dass der Prozess für Frau Meier aber so nervig gewesen war, dass sie so etwas Ähnliches nicht noch einmal in ihrem Leben bewältigen wollte. Wir sammelten aus jeder Geschichte die Faktoren heraus, die eine Aussage über das, was Frau Meier besonders gut konnte, und das, was Frau Meier beson­ ders viel Spaß machte und Zufriedenheit für sie mit sich brachte, ermöglichten. Im Anschluss erstellten wir so etwas wie eine Marktanalyse: Wenn man weiß, was man gut kann und worauf man Lust hat, weiß man immer noch nicht, wo so etwas im Unternehmen gebraucht wird. Dadurch,

Abstieg – Umstieg – Aufstieg?

dass Frau Meier noch nicht lange in dem Unternehmen tätig war, kannte sie auch noch nicht alle Abteilungen und alle Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten im Unternehmen einzusetzen. Gemeinsam mit der Personalabteilung erstellten wir einen Plan der Erfolg versprechenden Abteilungen. Frau Meier und ich entwickelten einen Interviewplan mit Fragen für die Vorgesetzten dieser Abteilungen, der ein möglichst offenes Gespräch herstellen sollte, in dem beide Seiten ein gutes Gefühl für Frau Meier auf der einen Seite und für die Aufgaben in der Abteilung auf der anderen Seite bekommen konnten. In den beiden Abteilungen, für die sich Frau Meier daraufhin besonders interessierte und die auch an Frau Meier Interesse hatten, konnte sie dann jeweils eine Woche zur Probe arbeiten. In unserem Coaching hatten wir vor dem Probearbeiten Kriterien herausgefiltert und überlegt, woran Frau Meier merken würde, dass diese Abteilung für Sie die richtige sei. Schließlich fand sich die neue, geeignete Stelle: Bei einer der beiden Abteilungen wurde durch das Probearbeiten klar, dass die zur Verfügung stehenden Positionen wesentlich fachlich geprägter waren, als sich Frau Meier das vorgestellt hatte. In der anderen Abteilung passte alles und Frau Meier fing dort an. Der gesamte Coachingprozess erstreckte sich über circa zehn Stunden. Wenn ich mir überlege, wie viel es kostet, eine so gute Mitarbeiterin wie Frau Meier zu identifizieren und einzuarbeiten, und wie viel es kostet, wenn man eine so wertvolle Mitarbeiterin aufgrund von mangelnder Passung auf die Position verliert, dann ist für ein Unternehmen solch eine Unterstützung durch ein Coaching wirklich gut investiertes Geld. Abstieg Die Flexibilität, die von Mitarbeitern sowie Führungskräften in Reorganisationssituationen gefordert wird, hat nicht nur positive Seiten. Jeder, der in der heutigen Unternehmenswirklichkeit coacht, hat auch schon Teile der dunklen Seite solcher Prozesse erlebt. Zum Beispiel werden Unternehmen gekauft, zusammengelegt, im schlimmsten Falle quasi ausgeschlachtet. Auf dem Altar des Shareholdervalues wird die Sinnhaftigkeit der Arbeit und das menschliche Miteinander geopfert. Glücksritter auf Vorstandsebene schmücken die Braut, richten das Unternehmen an von externen Beratern definierten Kennzahlen aus, unabhängig davon, ob das im jeweiligen Fall auch Sinn macht. Sie merken, ich könnte hier einige Geschichten erzählen. Leider wird in solchen Situationen Coaching nicht mehr unbedingt dazu eingesetzt, eine gute Führungskraft besser zu machen, sondern als das

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letzte Mittel gesehen, bevor man jemanden nahelegt, sich eine neue Stelle zu suchen. Die Herangehensweise ist oft defizitorientiert – und das bringt für das Coachingverhältnis natürlich Schwierigkeiten mit sich. Im Folgenden beschreibe ich einen derartigen Fall. Sie könnten sich vielleicht fragen, warum ich solche Klienten annehme, wo ich doch offensichtlich eine ganz andere, ressourcen- und lösungsfokussierte Sicht der Welt habe. Vielleicht bin ich hier etwas zu optimistisch, aber ich glaube, dass in jeder Krise auch eine Chance liegt. Meine Erfahrung ist, dass nach der Überwindung der anfänglichen Schwierigkeiten, Coaching gerade auch in solch schwierigen Situationen Sinn machen kann. Als Coach bekomme ich in solchen Fällen den Auftrag häufig von der Personalabteilung. Die Stelle des potenziellen Coachees ist durch eine Restrukturierung weggefallen oder sie hat sich so verändert, dass Zweifel bestehen, ob die Fähigkeiten des potenziellen Coachees ausreichen. Das Coaching soll entweder dazu dienen, die Fähigkeiten aufzubauen oder eine andere Position zu finden. Die potenziellen Coachees haben häufig das Gefühl, dass sie das Coaching annehmen müssen, weil es nicht anzunehmen ein völlig falsches Signal senden würde. Im ersten Coaching sitzt einem dann kein begeisterter und enthusiastischer Klient gegenüber, sondern ein abwartender, vielleicht den Coach kritisch beäugender. »Das mache ich halt jetzt auch noch!«, scheint häufig die Haltung zu sein. Der Knackpunkt solcher Prozesse ist aus meiner Erfahrung, dafür zu sorgen, dass es zu einer guten Kooperation zwischen allen Beteiligten kommen kann: zwischen mir und dem Klienten, zwischen dem Klienten und der Personalabteilung, zwischen dem Klienten und seinem Vorgesetzten und zwischen der Personalabteilung, dem Vorgesetzten und mir. Sie sehen, als Coach sitze ich hier zwischen allen Stühlen, aber klar auf der Seite des Klienten. Ihm soll schließlich der Wiederaufbau dieser Kooperation helfen. Herr Grünwald passt aufgrund einer Restrukturierung nicht mehr auf seine Stelle Herr Grünwald ist Produktionsleiter in einem Werk eines pharmazeutischen Unternehmens. Das Unternehmen ist von einem anderen Unternehmen gekauft worden und im Rahmen der Zusammenlegung beider Unternehmen hat es viele strukturelle Änderungen gegeben. Berater haben neue Kennzahlen und Ziele für das Werk von Herrn Grünwald bekannt gegeben. Er ist angehalten, schlanker zu produzieren. Er soll sich Lösungen für eine neue Struktur seines Werks überlegen, vor allem darauf achten, die besten Leute zu halten, und für die »Low-Performer« Lösungen finden. Grundsätzlich ist Herr Grünwald dazu bereit, Prozesse zu ver-

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schlanken und die Abläufe auf Ähnlichkeiten und Verschwendung zu überprüfen. Er hat aber Zweifel daran, ob seine Mitarbeiter in der Lage sind, mitzuhalten. Zudem glaubt er nicht, dass es auf dem Markt für die Gehälter, die das Unternehmen in der Lage ist, zu bezahlen, bessere Leute gibt. Herr Grünwald versucht, die neuen Vorgaben umzusetzen, seinem Vorgesetzten, Herrn Bauer, geht das aber alles viel zu langsam. Herr Grünwald ist aus seiner Sicht negativ und ein »Reichsbedenkenträger«. Herr Bauer spricht mit der Personalabteilung, um für Herrn Grünwald – quasi als letzte Chance – ein Coaching zu organisieren, das ihn entweder dazu befähigen soll, die Vorgaben schneller umzusetzen, oder ihm dabei helfen soll, im Konzern eine angemessene Position »mit weniger ChangeVerantwortung« zu finden.

Im Fall von Herrn Grünwald lag also der Fall eines geschickten Klienten vor und so ging es erst einmal darum, Trauer und Ärger zu bewältigen: In der ersten Sitzung mit Herrn Grünwald stand er dem Coachingprozess sehr skeptisch gegenüber. Ich hatte das Gefühl, dass er mich quasi als verlängerten Arm von Herrn Bauer oder der Personalabteilung wahrnahm. Wie häufig in Fällen, wo der Klient nicht aus eigenem Antrieb ein Coaching sucht, also stattdessen geschickt worden ist, ging es erst einmal darum, zwischen Herrn Grünwald und mir eine Arbeitsbeziehung zu schaffen, die die Zuversicht fördert, dass es Sinn macht, sich auf einen Coachingprozess einzulassen. Bei einem ohne eigene Motivation von anderen zum Coaching geschickten Klienten macht es meiner Erfahrung nach Sinn, sehr offen zu sein. Ich spreche die Situation so an, wie ich sie wahrnehme, zum Beispiel: »Dieses Coaching war ja nicht Ihre Idee – wie sollten wir Ihrer Meinung nach zusammenarbeiten, damit hier wider Erwarten etwas für Sie sehr Nützliches herauskommen kann?« Das führt dann zu einem Gespräch über die Bedingungen, die der Klient hier braucht, um sich einlassen zu können, zum Beispiel die Zusicherung der Vertraulichkeit; die Sicherheit, dass es wirklich um seine Themen gehen wird; das Gefühl, dass Coach und Klient gemeinsam auf einer Seite stehen.

Als empathischer Coach konnte ich die Gefühle von Enttäuschung und Ärger meines Klienten, Herrn Grünwald, über die Situation, wie sie in der Organisation entstanden ist, gut verstehen. Nachdem Herr Grünwald Vertrauen zu mir gefasst hatte, gab es immer wieder Sequenzen in unseren Coachinggesprächen, in denen er sich über Herrn Bauer, die Reorganisation und überhaupt über das Unternehmen beschwerte. Lösungsfokussierte Fragen erwiesen sich hier als sehr hilfreich: »Was möchten Sie denn stattdessen? Woran

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würden Sie merken, dass es besser wird? Wer würde es noch merken? Woran? Was würden Sie dann anders machen?« usw. Ich versuchte auch zu vermeiden, in die Falle zu tappen, mich gleichsam mit dem Klienten gegen die Organisation zu solidarisieren. Ich widerspreche dem Klienten grundsätzlich nicht in seinen Wahrnehmungen ‒ er nimmt die Welt so wahr, wie er sie wahrnimmt, und das aus gutem Grund. Ich behalte aber auch meine Sicht, nämlich dass es für alle Beteiligten wahrscheinlich am sinnvollsten ist, wenn eine gute Kooperation wiederhergestellt werden kann. Als Nächstes ging es um die Standortanalyse: Herr Grünwald entschied sich für eine doppelte Strategie im Coaching. Auf der einen Seite wollte er sich auf einen möglichen Wechsel vorbereiten, und auf der anderen Seite wollte er alles versuchen, um Herrn Bauer davon zu überzeugen, dass er doch der richtige Mann für die Stelle sei. Beides konnten wir gut miteinander verbinden, indem Herr Grünwald es nicht als einander ausschließende Alternative sah. Wenn er in seinem jetzigen Job das Beste geben würde, wäre es auch für einen möglichen Stellenwechsel von Vorteil. Er würde so nicht als Verlierer aus der Situation herausgehen, sondern quasi erhobenen Hauptes und im Bewusstsein seiner Stärken. In Situationen der Zielklärung macht es Sinn, zu reflektieren, wie sich vordergründig ausschließende Ziele miteinander verbinden lassen. Das macht den Coach­ ingprozess viel einfacher und stiftet mehr Sinn und Struktur für den Klienten.

Die sich an seine Entscheidung anschließende Standortanalyse war für Herrn Grünwald hinsichtlich beider Strategien nützlich. Durch die Reflexion seiner Erfolge in seiner bisherigen Laufbahn merkte er einerseits, was er seinem jetzigen Job zu bieten hatte, und andererseits, auf welche Stärken er bauen konnte, wenn es um einen neuen Bewerbungsprozess ging. Es galt, Strategienberatung zu leisten und die Entwicklung von Taktiken zum Selbstmarketing zu fördern: Die Reflexion seiner Erfolge war für Herrn Grünwald auch in anderer Hinsicht sehr nützlich. Ich hatte häufig gefragt: »Wer hat diesen Erfolg gemerkt, und woran?«, mit dem Ziel, nicht nur über abstrakte Stärken zu sprechen, sondern genaue Beschreibungen dessen zu erhalten, was Herr Grünwald zu seinen Erfolgen beigetragen hatte. Gerade in Bezug auf seine jetzige Stelle führte diese Frage bei Herrn Grünwald aber auch zu der Erkenntnis, dass er sehr viele Erfolge im stillen Kämmerlein gefeiert hatte. Niemand hatte mitbekommen, was er tatsächlich geleistet hatte. Sie können sich vorstellen, dass die Frage: »Woran würde Herr Bauer merken, dass sie in diesem Projekt

Abschluss: Sind Führungskräfte wirklich anders?

wirklich erfolgreich etwas beigetragen haben?«, sehr fruchtbar war. Trotz seiner zurückhaltenden Art entwickelte Herr Grünwald im Coaching zu ihm passende, sinnvolle Aktionen zur Stärkung seines »Selbstmarketings«.

Abschluss: Sind Führungskräfte wirklich anders? Antwort: nicht wirklich. Sie haben es vielleicht durch die kurzen Fallbeschreibungen gemerkt: Führungskräfte sind nicht anders. Wenn etwas anders ist, dann ist es die Komplexität der Situation, in der sie stecken. Meines Erachtens sollte ein Coach versuchen, zuallererst dem Klienten, aber immer auch der Situation in der Organisation und den Besonderheiten der Rolle einer Führungskraft gerecht zu werden. Hierbei können ein lösungsfokussierter Blick bzw. lösungsfokussierte Fragen, die zum Perspektivwechsel einladen, sehr hilfreich sein. Und selbstverständlich ist auch die in diesem Buch beschriebene systemische Beratung gerade aus diesem Grund besonders geeignet für das Karrierecoaching von Führungskräften.

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Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger

Anwendungsfragen im Karrierecoaching »In der Art und Weise, wie jemand ein ›Problem‹ beschreibt, ist immer schon eine Idee darüber enthalten, wie es gelöst werden könnte oder sollte.« Fritz B. Simon

Die folgenden Ausführungen könnten auch mit der Überschrift »Bericht aus der Werkstatt« versehen werden. Sie behandeln in unserer Praxis häufig anzutreffende Themen, besondere Herausforderungen und Stolpersteine. Für uns sind als Themenfelder im Karrierecoaching besonders wichtig: berufliche Entscheidungsfragen, der Umgang mit Begrenzungen, Fragen der Beziehung von Beruf und Privatsphäre sowie die Begleitung im Berufseinstieg und -übergang. Wir wollen hierzu Anregungen und Gestaltungsideen geben. Darüber hinaus sind wir aber auch an Ihren Erfahrungen und Vorschlägen interessiert (Bitte senden Sie gegebenenfalls E-Mails an uns Autoren). Das Kapitel schließt mit Interviews, in denen wir systemische Karrierecoaches nach ihren Erfahrungen mit systemischen Methoden fragen, sie mit ihren Ideen und Empfehlungen zu Wort kommen lassen, aber uns auch nach Grenzen für das systemische Arbeiten erkundigen.

Hans-Jürgen Balz Umgang mit Entscheidungsalternativen Zur richtigen Zeit am richtigen Ort  – ein Slogan, mit dem rückblickend berufliche Erfolgsgeschichten beschrieben werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine präzise Zielbestimmung und Klarheit in der Bewertung von Entscheidungsalternativen durch den Klienten. In der heutigen Arbeitswelt sind diese beiden Voraussetzungen von den Arbeitenden allein jedoch immer schwieriger zu leisten. Wie lässt sich dieser Selbstklärungsprozess im Umgang mit Entscheidungsalternativen fördern? Wie damit umgehen, wenn verunsicherte Klienten um Empfehlungen und Ratschläge bitten? Die traditionelle Laufbahnberatung orientiert sich am Ideal einer Expertenberatung durch den in Fragen des Arbeitsmarktes und im Hinblick auf das

Umgang mit Entscheidungsalternativen

diesbezügliche Entscheidungsverhalten kompetenten Berufs- oder Arbeitsberater. Hier fließen Annahmen über Entscheidungsprinzipien in beruflichen Kontexten ein, wonach es eine rational abgewogene und objektiv richtige Festlegung auf eine oder eine Gruppe von Handlungsalternativen gibt. Im Karrierecoaching besteht die Gefahr, dass der Coach vom Klienten zu einer stellvertretenden Entscheidung gedrängt wird und dieser Erwartung entspricht, beispielsweise einen Ratschlag gibt, wofür sich der Klient (aufgrund der vorliegenden Informationen) am besten eigne und wofür oder wogegen er sich dementsprechend entscheiden solle. Wann kann dies geschehen und weshalb ist dies in der Regel als methodischer Kunstfehler zu bewerten? Zu einer stellvertretenden Entscheidung kann es beispielsweise bei einer vordergründig unvernünftig wirkenden Zielsetzung des Klienten kommen. Ein Klient will sich beispielsweise auf eine Stellenausschreibung bewerben und bringt diese stolz in das Coaching mit. Bei meiner Durchsicht und dem Vergleich von gestellten Anforderungen und mitgebrachten Kompetenzen komme ich (für mich) aber zu der Einschätzung, dass der Klient die vom Arbeitgeber gestellten Voraussetzungen nur unzureichend erfüllt. Oder: In einem Coaching arbeite ich intensiv an den Entscheidungskriterien und ernte zumeist einen Kommentar der Art: »Ja, aber …« Ich denke, dass ich mit dem Klienten reichlich Zeit mit dem Explorieren und Abwägen von Entscheidungsalternativen verbracht habe, höre dennoch immer wieder Einwände und Bedenken. Ich fühle meine Geduld herausgefordert. Auch nach mehreren Sitzungen geht der Klient nicht in den Handlungsmodus über. Oder: Für einen sehr hilflos wirkenden Klienten, der im Gespräch for­ muliert, dass er aufgrund multipler Einschränkungen und bereits langzeitiger Erwerbslosigkeit nicht mehr weiter wisse und auch keine Ideen mehr habe, habe ich viel Verständnis (und es aktiviert meine väterlich-fürsorgliche Seite). Diese Sorgen und Nöte des Klienten kann ich gut verstehen und meine daher, ihm eine Empfehlung geben zu müssen. Was sind die Argumente dafür, dass es sich bei einem Ratschlag aus systemischer Sicht um einen Kunstfehler handelt? Von einem konstruk­ tivistischen Standpunkt aus argumentiert, ist der Klient der Experte für seine Lebenssituation und seine Ziele. Insofern geht es um seine individuelle Perspektive und die Nützlichkeit (Viabilität) seiner Wahrnehmung, seiner Erklärungsmodelle und Handlungsabsichten in seinem sozialen Kontext. ­Insbesondere gilt es für den Coachingprozess zu berücksichtigen: ȤȤ Eine stellvertretende Entscheidung birgt die Gefahr, die Autonomie des Klienten, seine Eigeninitiative und möglicherweise auch seine Selbst-

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wirksamkeitsüberzeugung zu schwächen. Auch bleibt es ungewiss, ob der Klient motiviert ist, die aus der Entscheidung schlussfolgernden Handlungsschritte umzusetzen (Selbstbestimmungs- und Motivationsproblem). Der Coach bezieht sich bei einer Empfehlung meist auf seinen Erfahrungs-, Kompetenz- und Wertehintergrund. Das beinhaltet die Gefahr, die individuelle Perspektive des Klienten zu vernachlässigen und seine Kompetenzen und Ressourcen nicht angemessen zu berücksichtigen (Übereinstimmungsillusion). Der Coach geht mit seinem Ratschlag (für das Berufsleben des Klienten) über seinen Kontrollbereich (in dem er Ziele durch eigenes Handeln erreichen kann) hinaus und könnte bei einem Misserfolg dafür verantwortlich gemacht werden (Verantwortungsübertragung). Dem Coach ist im systemischen Ansatz Neutralität bzw. Allparteilichkeit gegenüber den beteiligten Personen und ihren Lösungs- bzw. Entscheidungsideen auferlegt. Dies gilt auch bei Fragen von Veränderung und Nichtveränderung (Veränderungsneutralität). Auch das Nichtentscheiden kann nützliche Konsequenzen bzw. Effekte haben. Bei einer stellvertretenden Entscheidung würde dies für den Klienten nicht erfahrbar bzw. ausgeblendet sein (Ambivalenzproblem).

Handelt es sich bei einem Ratschlag aus systemischer Sicht grundsätzlich immer um einen Kunstfehler? Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, folgende Einschränkung der Maxime der ratgeberischen Abstinenz zu beachten: Im Karrierecoaching findet sich häufig ein fließender Übergang zwischen Informationsfragen des Klienten (zum Beispiel: »Wie wird sich der Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte entwickeln?«) und Entscheidungsfragen des Klienten (zum Beispiel: »Soll ich mich für ein Studium Wirtschaftsinformatik bewerben?«). Eigentlich lassen sich Informationsfragen, die auf Sachinformationen gerichtet sind, von persönlichen Entscheidungen abkoppeln (zum Beispiel die Information über verschiedene Spezialisierungsmöglichkeiten im Baubereich von der Entscheidung für oder gegen einen dieser Ausbildungsberufe). Komplizierter wird es, wenn es um Prognosen, beispielsweise in Bezug auf Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, geht und aus diesen dann auch persönliche Entscheidungen gespeist werden. In einer persönlichen Entscheidungssituation kann es nun dazu kommen, dass aus der positiven Erwartung für einen Arbeitsstellenzuwachs in einer Branche auf eine persönliche Festlegung geschlossen wird. Hier sind Mainstream-Positionen (Positionen einer allgemeinen Tendenz) keinesfalls dafür geeignet, eine personenspezifische Empfehlung abzuleiten bzw. auszusprechen.

Umgang mit Entscheidungsalternativen

Sucht ein Klient nach einer Orientierung für seine Entscheidung, so kann es hilfreich sein, ihm Informationen darüber zu geben, wie andere Klienten in vergleichbarer Situation gehandelt haben. Erfahrungswissen aus anderen Coachings zur Verfügung zu stellen, kann die psychische, mit der Entscheidungssituation zusammenhängende Belastung des Klienten lindern. Wenn der Klient hört, dass auch andere Personen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, Schwierigkeiten haben, zu einer sicheren Entscheidung zu kommen (Normalisierung der eigenen Situation), entlastet ihn das. An die Schilderung der Erfahrungen anderer Klienten sollte jedoch immer die Frage danach angeschlossen werden, was der Klient mit dieser Information anfängt: –– Wenn Sie von den Erfahrungen anderer Klienten hören, was löst das bei Ihnen aus? Wie geht es Ihnen damit? –– Wie wollen Sie dies für Ihre Überlegungen nutzen? Was davon insbesondere? –– Wie möchten Sie in Ihrer Entscheidungsfindung weiter vorgehen? Was wäre Ihr nächster kleiner Schritt? Was sind weitere Etappen?

Der systemische Ansatz geht von einem Verantwortungssplitting aus. Für die Inhalte und Ziele des Coachings ist der Klient und für die Prozessgestaltung der Coach verantwortlich (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 107 ff.). In der Prozessbegleitung gilt es unter anderem, auf die Ziele des Klienten zu achten, relevante Entwicklungen zu visualisieren, Motive und Interessen kennenzulernen sowie Bedürfnisse und Werte, die in die Entscheidung einfließen, zu explorieren. Als Karrierecoach interessiere ich mich bei beruflichen Entscheidungen: ȤȤ für den zeitlichen Verlauf, ȤȤ die Entscheidungsmotive, ȤȤ die Entscheidungskriterien und deren Präzisierung, ȤȤ die im Kontrollbereich des Klienten befindlichen Handlungsschritte. Diese vier Aspekte sollen die Selbstklärung des Klienten und das planvolle Handeln fördern und damit die Erfolgschancen des Klienten bei seiner Berufsbzw. Jobsuche erhöhen. Sie werden im Folgenden näher ins Auge gefasst. Der zeitliche Verlauf Es sind hinsichtlich der Klientenentscheidung drei Phasen zu unterscheiden: 1. vor der Entscheidung (frühere ähnliche Entscheidungen, Vorbereitung, Abwägen von Alternativen/Konsequenzen, Hinzuziehung relevanter Ratgeber und anderes),

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2. während der Entscheidung (Gefühl der Handlungssicherheit und notwendiger Kompetenzen, Umgang mit sozialem Druck und anderes), 3. nach der Entscheidung (Nachentscheidungskonflikt, Handlungsplanung, Wahrnehmung von Veränderung, weitere Zielverfolgung und anderes). Die für einen Klienten bedeutsamen Einzelschritte lassen sich anschaulich als eine Timeline (Zeitstrahl) darstellen (Theuretzbacher u. Nemetschek, 2009, S. 58 ff.; siehe auch den Abschnitt »Biografische Arbeit« S. 165 ff.), sodass die Fragen der Entstehung der Entscheidungssituation, die relevanten äußeren und inneren Anstöße dazu und die Abfolge von Handlungsschritten durch Materialien verdeutlicht und die Planung für das weitere Handeln abgewogen werden können. Auch lässt sich die Entscheidung von einem Zukunftsstandpunkt aus betrachten und diese Perspektive zur motivationalen Klärung und differenzierten Betrachtung der Zielkriterien nutzen. Nach unserer Erfahrung bietet es den Klienten eine anregende Perspektive, aus einer Position in einigen Jahren, wenn der Berufsweg erfolgreich beschritten wurde, auf die Situation von heute zu schauen. Es stärkt den Optimismus und die Idee der Gestaltbarkeit der heutigen beruflichen Probleme. Dazu, wie sich mit dem Zeitstrahl bzw. der Timeline konkret im Karrierecoaching arbeiten lässt, instruiert Sie der Anhang 13 (S. 272 ff.). Die dort vorgestellte Übung »Timeline zur beruflichen Entscheidung« lässt den Klienten aufgrund von Fragen zur Vergangenheit, zur bisherigen Bewältigung/zu den bisherigen Lösungsversuchen, zur Gegenwart und zur Zukunft einen Zeitstrahl erstellen und auf diesem wichtige Ereignisse und die relevanten Ressourcen visualisieren.

Auch können Stühle als Mittel zur Zeitreise (in einer So-tun-als-ob-Haltung) eingesetzt werden. Danie Beaulieu (2005) hat dies anschaulich für Entschei­ dungssituationen beschrieben (S. 91 ff.). So können beispielsweise drei Stühle hintereinander gestellt einen Zeitverlauf symbolisieren, das heißt, der erste steht für die Situation vor der Entscheidung, der zweite für die Situation der unmittelbaren Entscheidungsfindung bzw. -umsetzung und der dritte für die Zeit nach der Entscheidung. Der Klient wird mit seinen Gedanken, Gefühlen und Handlungsimpulsen im Karrierecoaching durch die Phasen der Entscheidung geführt und kann jeweils auf einzelnen Stühlen sitzend sich auf das jeweilige Erleben fokussieren. Zur Arbeit mit Stühlen bei Entscheidungsalternativen findet sich im Anhang eine Übung (Anhang 14, S. 275 f.), die biografische Positionen sowie verschiedene

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Umgang mit Entscheidungsalternativen

Haltungen verdeutlicht, gedankliches Probehandeln und die Auseinandersetzung mit eigenen Gefühlen erzeugt.

Die Entscheidungsmotive Zeichnet sich bereits bei der Zielklärung zu Beginn des Coachings oder später eine innere Ambivalenz gegenüber der Entscheidung ab oder trägt sich der Klient bereits lange Zeit mit der Entscheidung, so kann es sinnvoll sein, die Vorteile und möglichen Nachteile einer Entscheidung und der folgenden Handlungsschritte genauer zu betrachten. Hierfür empfiehlt es sich, das Vier-FelderSchema (siehe Tabelle 6) zusammen mit dem Klienten zu erarbeiten. Sehr motivierten und reflektierten Klienten kann das Tabellen-Schema auch als eine Selbstanalyseaufgabe mitgegeben werden, um es dann in der nächsten Sitzung aufzugreifen. Tabelle 6: Das Vier-Felder-Schema Vorteil

Nachteil

So bleiben wie bisher Für Neues entscheiden

Der Vorteil der Arbeit an dieser Matrix ist, dass noch keine Bewertung der Entscheidungsalternativen vorgenommen wird. In recht offener Form lassen sich hier die mögliche Nützlichkeit eines Nichtentscheidens und deren Kosten thematisieren. Wichtig erscheint dabei, auch die von einer Entscheidung betroffenen Personen im sozialen Nahraum (Familie, Arbeitskollegen, Vorgesetzte und andere), die Konsequenzen für diese Personen und deren Ansichten einzubeziehen. Hier zeichnen sich dann bereits die potenziellen Unterstützer und Verhinderer ab. Im Anhang 16 (S. 279 f.) finden Sie die Übung zum oben bereits erläuterten VierFelder-Schema. Die Übung führt zum Abwägen von Vor- und Nachteilen des Sich(nicht)-Entscheidens. Sie erweist sich vor allem bei langandauernder Ambivalenz gegenüber einer Entscheidung als hilfreich. Denn sie schafft eine Distanz zu den erwogenen Entscheidungsalternativen und öffnet den Klienten für den Gedanken der eventuellen Nützlichkeit einer Nichtentscheidung.

Das nachfolgende Fallbeispiel beschreibt die motivationale Klärung einer Entscheidung durch den Einbezug der Informationen von Fachpersonen, das heißt,

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eine andere arbeitsfeldnahe Person hinzuziehen, sodass die Unabhängigkeit des Coaches in der Entscheidungsfindung gewährleistet bleibt. Die Bedeutung von Systemkreisen – wie wirklich sind Informationen In meine Beratung kommt eine Mutter mit ihrer Tochter (15 Jahre alt, 9. Klasse Realschule). Der Berufswunsch der Tochter, Balletttänzerin zu werden, löste bei den Eltern heftigen Widerspruch aus. Die Eltern unterstützen ihre Tochter beim Ballettunterricht. Seit sieben Jahren nimmt Nina in einer privaten Tanzschule an Kursen teil und hatte in der Kleinstadt bereits vielbeachtete Auftritte mit ihren Kursen. Nun könne Sie sich nichts anderes als Berufswunsch vorstellen. Nachdem die Mutter offen über ihre Bedenken hinsichtlich der Berufsmöglichkeiten gesprochen und die Tochter etwas schmollend ihrem Berufswunsch Ausdruck gegeben hat, schlage ich Folgendes vor: Die Eltern sollen mit ihrer Tochter einen Monat lang nicht über Berufswünsche sprechen. Auch bitte ich die Tochter, sich mit ihrer Tanzlehrerin zu verabreden, um mehr über deren Ausbildung und Berufsweg in Erfahrung zu bringen. Daneben biete ich ihr an, eine Bekannte, die in einem städtischen Tanzensemble mitwirkt, zu besuchen. Nach vier Wochen treffen wir uns erneut zu einem Gespräch, im ersten Teil des Gesprächs nur Nina und ich, ohne ihre Mutter. Die Tochter hat sich mit den beiden Tanzprofis getroffen. Über den von beiden betriebenen Aufwand für die Tanzkarriere ist sie verwundert und über die Berufsperspektiven sichtlich ernüchtert. Insbesondere die Notwendigkeit, das gesamte Privatleben dem Tanzen unterzuordnen, sehe sie für sich als Problem, da sie unbedingt eigene Kinder und Familie haben wolle. Sie zeigt sich nun offener, auch über andere berufliche Perspektiven zu sprechen, Ausgangspunkte solle dabei Bewegung und Sport als Themengebiete sein.

Bei der motivationalen Klärung ist es wichtig, differenziert nachzufragen, was äußere und innere Beweggründe, Auslöser bzw. Anlässe waren, dass sich etwas ändern soll. Es ist diesbezüglich zwischen äußeren Faktoren (zum Beispiel Umstrukturierung der Abteilung, Erwartung der Umwelt) und inneren Beweggründen (zum Beispiel persönliche Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation, Wunsch der Weiterentwicklung) zu unterscheiden. Eine wichtige Unterscheidung in der Motivstruktur ist auch diejenige zwischen dem Weg-von (zum Beispiel nicht mehr so viel Wochenendarbeit; nicht mehr so viel Zeitdruck) und dem Hin-zu (zum Beispiel die Suche nach mehr Verantwortung; der Wunsch nach intensiverer Teamarbeit). Ziel ist dabei eine Positiv-Formulierung der Motive und Ziele. Hilfreiche Fragen können in diesem Kontext sein:

Umgang mit Entscheidungsalternativen

ȤȤ Was waren Auslöser für die anstehende Entscheidung? ȤȤ Seit wann tragen Sie sich mit dem Gedanken, dass sich etwas ändern soll bzw. muss? ȤȤ Was hat sich seitdem für Sie verändert? ȤȤ Was haben Sie bereits unternommen, um etwas zu ändern? ȤȤ Woran werden Sie erkennen, dass die Zeit reif für eine Entscheidung ist? ȤȤ Was wird dann für Sie anders sein? Was noch? ȤȤ Einmal angenommen, die Entscheidung hätte für Sie außerordentlich positive Konsequenzen, was wäre für Sie dann anders? Was noch? Die Arbeit mit dem Inneren Team ist eine Möglichkeit zur intensiven Selbstreflexion komplexer Entscheidungssituationen (genauere Übungsinstruktionen, siehe Anhang 12, S. 270 f.). Ausgangspunkt der Übung sind die vielfältigen Rollen, Anforderungen und deren innere Verarbeitung durch den Einzelnen. Die Methode sucht nach einem kreativen Umgang mit inneren Widersprüchen, Konflikten und auseinanderstrebenden Handlungstendenzen. Bei komplexen Entscheidungssituationen hilft die Visualisierung der Entscheidungsanteile zu klären, welche persönlichen Anteile (Rollen, Wertemuster, Emotionen und anderes) an der Situation beteiligt sind bzw. auf sie Einfluss nehmen. Ziel ist es, eine bewusstere Entscheidung zu treffen. Nach Schulz von Thun (2010, S. 16) wird auf diese Weise eine größere Übereinstimmung mit sich selbst erreicht und die Fähigkeit gestärkt, im Sinne dieser Übereinstimmung zu kommunizieren.

Die Entscheidungskriterien und deren Präzisierung Grundlage einer handlungsorientierten Ausrichtung des Entscheidungsprozesses sind die Kriterien, an denen eine passende Entscheidung durch den Klienten festgemacht wird (Nützlichkeitserwägungen, Verhaltensoptionen, Konsequenzen u. a.). Analog können hier die Fragen zur Formulierung von wohlgeformten Zielen (siehe den Abschnitt »Zielformulierung und Klärung der Motivation« S. 139 ff.) herangezogen werden. In diesem Zusammenhang soll eine hilfreiche Unterscheidung eingebracht werden, die zwischen Ambivalenz und Unsicherheit. Ambivalenz liegt in einer Person. Es bestehen zwei gegenläufige Tendenzen (in den Handlungsimpulsen, Zielsetzungen, Interessen und Werten). Bei Unsicherheit, die in der Regel mit einem Mangel an Entscheidungskriterien, Informationen in Zusammenhang steht, sind interne und externe Ursachen zu unterscheiden. Externe Faktoren richten sich auf die Wahrscheinlichkeiten für

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entsprechende Handlungsresultate bzw. die Tendenz in der Veränderung (zum Beispiel Veränderung der Nachfrage des Arbeitsmarktes, Entwicklung des Einkommensniveaus in einem Berufsbereich). Interne Faktoren richten sich auf den Glauben und die Gründe für die Entscheidung (zum Beispiel geringes Selbstbewusstsein, Erfahrungen mit früheren Entscheidungen, siehe Jungermann, Pfister u. Fischer, 2010, S. 141 ff.).

Bei Ambivalenz gilt es, die Abwägung zwischen den Entscheidungsalternativen zu fördern (und gegebenenfalls die Konsequenzen von Entscheidung bzw. Nichtentscheidung zu betrachten). Hier kann mit dem Bild der Waage oder mit Skalierungen (zum Beispiel Prozentsätze, Kuchendiagramme) gearbeitet werden, um aus dem Gegeneinander von Entscheidungsalternativen im Sinne von Entweder-Oder hin zu einem Abwägen zwischen beiden Alternativen, eventuell auch zu einem Sowohl-als-auch in der Entscheidung zu gelangen. Für eine Situation, in der Unsicherheit über die gewünschten Konsequenzen einer Entscheidung vorliegt, lässt sich einerseits versuchen, durch weitere Informationssuche und/oder das Einholen von Expertise (zum Beispiel Befragung von Fachpersonen) zu einer differenzierteren Situationseinschätzung zu gelangen. Andererseits gilt es – im Sinne einer Normalisierung – das Bestehen von Unsicherheit als einen Bestandteil des Berufslebens zu akzeptieren und auszuhalten. Ressourcenorientiert kann dies über Bewältigungs- und Ausnahmefragen angeregt werden: ȤȤ Wie gehen Sie in anderen Lebenssituationen mit Fragen von Unsicherheit um? ȤȤ Was hilft Ihnen in diesen Situationen im Einzelnen? Was genau tun Sie? ȤȤ Wie schaffen Sie es dort, Unsicherheit auszuhalten? ȤȤ Wer unterstützt Sie dabei? ȤȤ Wie könnten Sie dies für die aktuelle Entscheidung nutzen? ȤȤ Was nehmen Sie sich im Einzelnen vor? Wie kann ich Sie dabei unterstützen? Eine interessante Erweiterung in der Analyse von Entscheidungsalternativen bietet darüber hinaus die Arbeit mit dem Tetralemma (Varga von Kibéd u. Sparrer, 2011). Diese Methode öffnet bei der Arbeit an Entscheidungsalternativen vier Perspektiven und leitet zu deren Abwägung an: 1. das eine (zum Beispiel die Arbeitsstelle mit langer Anfahrt, aber inhaltlich interessanten Aufgaben), 2. das andere (zum Beispiel die Arbeitsstelle vor Ort, aber weniger inhaltlich anspruchsvoll und kreativ),

Umgang mit Entscheidungsalternativen

3. beides (Vereinbarung von a und b; zum Beispiel die bisher noch nicht gesehene Verbindung aus inhaltlich anspruchsvoller und gleichzeitig ortsnaher Tätigkeit) und 4. keines von beiden (ganz andere Entscheidungsaspekte und potenzielle Arbeitsstellen, die bisher noch nicht in der Überlegung waren). Durch das Angebot, in diesem Entscheidungsraum zu denken und sich zu bewegen, wird die Verengung auf ein Entweder-Oder aufgebrochen, werden relevante andere Kontexte einbezogen und bei den Handlungsstrategien neue Wege denkbar und verhandelbar. Insbesondere sind die Problemlösungsversuche, die häufig im Sinne von: mehr von dem Gleichen, verfolgt werden (zum Beispiel noch mehr Bewerbungen schreiben, sich noch mehr im Job anstrengen, um dem Vorgesetzten zu gefallen) um alternative Lösungswege – Paul Watzlawick spricht hier von Lösungen zweiter Ordnung – zu erweitern (Watzlawick, Weakland u. Fisch, 1974/1992, S. 99 ff.). Diese Lösungen zweiter Ordnung gilt es anzuwenden, wenn der Lösungsversuch selbst zum Problem geworden ist. Darauf wird im Kapitel »Umgang mit Begrenzungen« (S. 198 ff.) näher eingegangen. Die Frage nach dem Kontrollbereich des Klienten Häufig erleben Klienten eine persönliche Frustration, weil sie selbst nicht über den Erhalt einer Stelle entscheiden können. Der Arbeitsmarkt ist in diesem Sinne eine harte Realität, das heißt, der Zugang zu den betrieblichen Systemen ist vergleichsweise formalisiert und über Qualifikation, Zertifikate, körperliche Eignung und vertragliche Regelungen reglementiert. Bereits die Wahrnehmung dieser Zugangskriterien kann den eigenen Elan und Optimismus schmälern. Analytisch ist die Unterscheidung des Kontrollbereichs anderer Personen im Unterschied zum eigenen Kontrollbereich (in dem durch eigenes Handeln Ziele erreichbar sind) ein wichtiger Ausgangspunkt. Zur Stärkung der Handlungsfähigkeit gilt es im Coaching, auf den von der Person selbst gestaltbaren Rahmen zu fokussieren, die Grenze des eigenen Handlungsbereichs genauer zu erkunden, das Bewusstsein für diesen zu stärken und die Motivation darauf zu lenken, diesen Handlungsbereich zu gestalten, zu erweitern und Handlungsoptionen in diesem Rahmen auszuschöpfen. Typische Fragen sind darauf gerichtet: ȤȤ Wie können Sie sich selbst optimal auf die anstehenden beruflichen Herausforderungen einstellen?

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ȤȤ Was können Sie selbst tun, um gut ausgestattet auf dem Berufspfad zu wandern? ȤȤ Oder konkreter: Was können Sie selbst tun, um sich über die Stellenausschreibung, das Firmenprofil (der angestrebten Firma), die Gestaltung des Auswahlverfahrens u. a. zu informieren? ȤȤ Welche Ihrer Fähigkeiten und Erfahrungen können sie dafür nutzen? ȤȤ Welche Personen können Ihnen auf diesem Weg behilflich sein? ȤȤ Was sonst noch kann Ihnen hilfreich sein?

Hans-Jürgen Balz Umgang mit Begrenzungen Auf Heinz von Foerster geht folgende Maxime systemischen Arbeitens zurück: »Handle stets so, dass die Zahl der Möglichkeiten wächst« (1993, S. 49). Vielleicht ist diese Maxime auch schon ein Teil der Antwort auf die in der Überschrift mitgedachte Frage nach den Handlungsstrategien des Coaches. Aber wie konkret ist dies zu erreichen? Häufig erleben Klienten eine persönliche Frustration dadurch, dass sie in ihren Bewerbungsbemühungen über längere Zeit erfolglos geblieben sind. Sie beschreiben sich oft als hoffnungslos und niedergeschlagen. Die Erwerbslosigkeit hat darüber hinaus vielfältige Einflüsse auf das Kompetenzerleben, den empfundenen Lebenssinn, die Identität, den sozialen Status, die soziale Einbindung, die Gesundheit und die Partnerschaft (Freitag, 2012, S. 30; Kieselbach et al., 2006; Lohaus, 2010). Unfreiwillig erwerbslose Klienten sind in ihrer Grundhaltung häufig Klagende, die beispielsweise den Betrieb, in dem sie früher langjährig gearbeitet hatten, der sie nun aber entlassen hat, anklagen und von diesem eine Änderung ihrer Situation einfordern. Klagen können sich auch an die Arbeitsagentur, andere Unternehmen oder gesellschaftliche Organisationen richten. Für diese schwierige Lebenssituation brauchen Klienten Anteilnahme, Zuspruch und Wertschätzung. Diese können durch Bewältigungsfragen, Ausnahmefragen und Normalisierung geschehen (siehe den Abschnitt »Systemische Frageformen« S. 146 ff.). Zur Stärkung der Handlungsfähigkeit sind Strategien der Selbstfürsorge und der biografischen Selbstreflexion hilfreich (Müller, 2003; Müller u. Braun, 2009; siehe auch die Übungen im Anhang: Anhang 4 (S. 254 f.), Anhang 12 (S. 270 f.), Anhang 13 (S. 272 ff.), Anhang 15 (S. 277 f.), Anhang 17 (S. 281 f.). Im Karrierecoaching wäre darüber hinaus eine Erweiterung möglicher Zielperspektiven anzuregen. Diese können gerichtet sein auf:

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ȤȤ Alternative Suchstrategien, Neubestimmung beruflicher Ziele, die berufliche Selbständigkeit, Unterstützung bei Bewerbungs- und Qualifikationsbemühungen; ȤȤ den Umgang mit der Situation der Arbeitslosigkeit als einer Übergangs­ situation, das heißt darauf, die Situation zu gestalten und insbesondere die den Klienten und seine Familie besonders belastenden Aspekte zu verändern (Bewältigungsstrategien) und ȤȤ eine Neubestimmung des Denkens bzw. der Wahrnehmung der Situation (Reframing, siehe den Abschnit »Wertschätzung, Komplimente und Reframing« S. 161 ff.). Hier kann beispielsweise danach gesucht werden, welche alternativen Handlungsstrategien außerhalb der Erwerbsarbeit für den Klienten bestehen und welche davon seine persönlichen Bedürfnisse befriedigen. Dies können beispielsweise alternative Tätigkeitsformen im Stadtteil, im kommunalpolitischen Bereich oder im Vereinswesen sein. Die gesellschaftlich legitimen Rollen außerhalb der Erwerbsarbeit sind begrenzt, mit den neuen Familienkonzepten erfolgte jedoch eine Aufwertung von Tätigkeiten der Kinderbetreuung, auch expandiert der Teilzeitarbeitsmarkt und in einigen Bereichen nehmen die Möglichkeiten zu freiberuflichen Tätigkeiten zu. Hier liegt auch ein Potenzial zur Harmonisierung von Erwerbs- und Familienarbeit. Aus einer ressourcenorientierten Perspektive empfehlen sich Bewältigungsfragen. Der Klient kann gefragt werden: ȤȤ Wie schaffen Sie es, diese schwierige Situation zu ertragen? Was tun Sie dazu? Was noch? Was hilft Ihnen dabei? ȤȤ Wie gestalten Sie Ihre Tage? Wann sind für Sie bessere/zufriedenere/ausgefülltere Stunden? Was tun Sie dann genau? Was noch? ȤȤ Welche Menschen unterstützen Sie dabei, diese Situation zu ertragen und Ihre Tage zufriedener/besser/ausgefüllter zu gestalten, bzw. könnten Sie dabei unterstützen? Eine ressourcenorientierte Perspektive lässt sich im Einzelfall auch durch den Dialog über die frühere Tätigkeit stärken. Diesbezügliche Fragen geben Hinweise auf die Bedürfnisse und Werte, die mit der Berufsarbeit verbunden waren: ȤȤ Was haben Sie in Ihrer früheren Berufstätigkeit besonders geschätzt? ȤȤ Was hat Sie in Ihrer Rolle besonders ausgemacht? Worin lag Ihr Beitrag in Ihrem Betrieb/Ihrer Organisation? Wenn frühere Kollegen und Kolleginnen hier wären und ich sie fragen würde, was sie an Ihnen geschätzt haben? Was würden diese antworten? ȤȤ Woran würden Sie gern heute wieder anknüpfen?

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In der Suche nach neuen Zielhorizonten lassen sich sehr effektiv hypothetische Fragen (zum Beispiel die Wunderfrage, siehe Anhang 10, S. 266 f.; siehe auch Anhang 7 »Zeitreise zum 80. Geburtstag«, S. 260 f.), Ressourcenund Bewältigungsfragen einsetzen. Wichtig sind auch die Unterschiede im Denken, Fühlen und Handeln in der Zeit, zwischen verschiedenen beteiligten Personen und hinsichtlich möglicher Handlungsoptionen deutlich zu machen. Um mit ihrem Schicksal hadernde und klagende Klienten für Zukunftsziele zu öffnen, kann auch eine Übung hilfreich sein, die Danie Beaulieu (2005, S. 42) im Rahmen ihrer Impact-Techniken beschreibt. Die Differenz zwischen Vergangenheit und Zukunft kann durch den Einsatz von Videokassetten (für jüngere Klienten analog durch den Einsatz von DVDs) verdeutlicht werden. Der Berater braucht dafür insgesamt sechs Videokassetten/DVDs. Er legt drei Videokassetten/DVDs links neben den Stuhl des Klienten (erweckt damit Aufmerksamkeit) und kommentiert: »Auf diesen drei Videokassetten/DVDs ist Ihre Vergangenheit. Die Kassetten sind voll mit Ihren Erlebnissen und Erfahrungen. Sie schildern mir, wie schwierig Ihre persönliche und berufliche Entwicklung war, welche Hindernisse sich Ihnen in den Weg gestellt haben.« Der Coach nimmt weiter Bezug auf die Klagen über Hindernisse u. a. des Klienten. Dann legt er die drei anderen Videokassetten/DVDs rechts neben den Klienten: »Diese drei Kassetten/DVDs sind noch leer. Sie stehen für Ihre Zukunft, für das, was sie beruflich und privat machen werden. Was möchten Sie, was hierauf später zu sehen sein wird?« Das Thema der Zukunft wird nun ausführlich exploriert. Es folgt die Frage: »Wie zufrieden möchten Sie später einmal mit Ihrem Leben sein?« Der Coach lässt die Antwort skalieren und bietet dem Klienten zum Abschluss an: »Sie können auf die drei Kassetten/DVDs Ihrer Zukunft die Inhalte aus der Vergangenheit kopieren. Aber es liegt in Ihrer Hand.« Häufig wird hier beim Klienten Nachdenklichkeit ausgelöst. Der Coach lässt diese wirken und und exploriert Perspektiven sowie Zukunftsziele und -visionen.

Wenn sich dennoch über einen längeren Zeitraum beim Klienten wenig verändert, kann die Suche nach einem neuen Rahmen, nach einer Metapher für die aktuelle Situation und die eigene Rolle und nach dem potenziellen Nutzen der Situation (Utilisation) hilfreich sein (Freitag, 2012, S. 31 f.). Will man auf die von Paul Watzlawick, John Weakland und Richard Fisch (1974/1992) in ihrem sehr lesenswerten Buch »Lösungen« formulierte Unter-

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scheidung zwischen Lösungen erster und zweiter Ordnung aufnehmen, so wäre die Lösung erster Ordnung das Festhalten an den bisher verfolgten Strategien zur Arbeitsplatz- bzw. Berufssuche im Sinne von: Mehr von dem Gleichen, beispielsweise trotz vielen Absagen noch mehr Bewerbungen schreiben oder am einmal gewählten Berufsbereich oder Arbeitsort festhalten. Die Lösungen zweiter Ordnung würden den bisher gesteckten Rahmen verlassen und erscheinen vermeintlich »absurd, unerwartet und vernunftwidrig; sie sind ihrem Wesen nach überraschend und paradox« (S. 105). Bei der Suche nach der Lösung wäre nicht rückblickend nach dem Warum (von Ursachen in der Vergangenheit) zu fragen, sondern hilfreich sind hier auf die Zukunft gerichtete Fragen nach dem Was und dem Wie der alternativen Ziele und neuen Wege. Neben einem erweiterten Denk- und Handlungsraum sind bei langandauernden Problemlagen Motivationsprobleme zu berücksichtigen. Insofern ist in die Veränderungsarbeit eine gleichzeitig den Optimismus stärkende, ressourcenaktivierende und die Phantasie anregende Herangehensweise zu integrieren. Mögliche Bestandteile in diesem Prozess sind Ausnahmefragen (Wann war es mal anders? Was genau haben Sie dann gemacht?), die Wunderfrage (siehe Anhang 10, S. 266 f.), ein Feedback aus dem sozialen Umfeld über die Kompetenzen und Ressourcen (siehe Anhang 8, S. 262 f.) und Übungen zur Phantasiereise (zum Beispiel das Entwicklungs-Geschichten-Erzählen; Schmid, 2009, S. 238 ff.). Es können auch ermutigende Geschichten genutzt werden (zum Beispiel die Löwengeschichte von Bernhard Trenkle, 1997, S. 13, einem orientalischem Märchen, das sich gut als Analogie zum Umgang mit Herausforderungen eignet). Mit Hilfe von Metaphern werden Aspekte des Erlebens und der Umgestaltung der Situation bzw. des Denkens über die Situation angestoßen. Das nachfolgende Fallbeispiel von Herrn Santos verdeutlicht dies: Hier ist es die Metapher vom Wanderer zwischen zwei Welten, die dazu anregt, eine ressourcenaktivierende und die Phantasie anregende Herangehensweise zu entwickeln. Wohin die Welt mich treibt In einem Einzelcoaching von Mitarbeitern einer Transfergesellschaft (Unternehmen der Keramikbranche in einer Kleinstadt) sitze ich mit einem älteren Mann zusammen. Herr Santos berichtet mir in gebrochenem Deutsch, dass er im Betrieb seit 35 Jahren in verschiedenen Abteilungen der Fertigung von Keramikfliesen – zuletzt in der Qualitätskontrolle – gearbeitet habe. Nun sehe er für sich (und seine Frau, die im gleichen Betrieb beschäftigt war) als ungelernte Arbeitskräfte keine Beschäftigungsperspektiven mehr. Auch auf mich macht seine berufliche Situation einen wenig hoffnungsvollen Eindruck.

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Um die Gesprächssituation etwas aufzulockern, frage ich ihn, was er im Leben bisher erreicht habe und worauf er stolz sei? Daraufhin ändert sich sein Gesichtsausdruck und er erzählt mir stolz von seinen Kinder. Zwei seiner vier Kinder hatten studiert und danach eine gut bezahlte Anstellung in ihrem Beruf gefunden. Auch sei er auf seine Enkel sehr stolz. In der Familie würden alle zusammenhalten, sich gegenseitig unterstützen und sich trotz einiger Entfernung regelmäßig besuchen. Seine Schilderungen – eine große Einladung an mich, Herrn Santos Komplimente zu machen – sind von Zufriedenheit mit dem Erreichten und persönlicher Würde geprägt. Auf die Frage, was er machen würde, wenn er einen Wunsch frei hätte, erzählt er mir von seinem Heimatland, der schönen Gegend, in der er aufgewachsen ist und heute ein schönes Haus besitze. Er sei auch nur wegen seiner Kinder noch in Deutschland, um sie zu unterstützen und das Aufwachsen der Enkelkinder mitzubekommen. Ich spiegele ihm zurück, dass ich ihn als Wanderer zwischen zwei Welten wahrnehme. Dieses Bild gefällt Herrn Santos und wir überlegten gemeinsam, welche Ziele er sich für die Zeit der Transfergesellschaft (auf zwölf Monate begrenzt) vornehmen will. Neben der Sicherung seines Lebensunterhalts könnte er sich vorstellen, wieder mit dem Töpfern zu beginnen, einer langen familiären Tradition seiner aus Portugal stammenden Familie. Im Verlauf der weiteren Gespräche geht es nun um die Gestaltung seiner Lebenszeit bis zum Rentenalter. Für eine berufliche Qualifizierung findet sich letztlich jedoch keine tragfähige Basis, da Herr Santos zwar grundsätzlich an einer Lagerhaltungstätigkeit und an dem Erwerb des Gabelstaplerführerschein interessiert ist, sich bis zum Auslaufen der Transfergesellschaft jedoch weder ein Arbeitsplatz noch eine entsprechende Bildungsmaßnahme im Wohnortbereich findet. Dennoch weiß Herr Santos sich in gutem Kontakt zu seiner Familie, dort verstanden und unterstützt.

Betrachtet man im Coaching den Umgang mit Begrenzungen, so stellt sich die Frage: Ist diese Begrenzung in erster Linie eine Kopfsache (zum Beispiel mangelndes Selbstvertrauen, geringe Selbstwirksamkeitsüberzeugung, fatalistische Glaubenssätze) oder handelt es sich um eine unüberwindliche Grenze (zum Beispiel Nichterfüllung von Einstellungskriterien, körperliche Handicaps). Eine vertiefende Selbsterkundung fördert die Analyse des eigenen beruflichen Profils (siehe dazu Übung zur »Analyse der beruflichen Exzellenz« im Anhang 6, S. 258 f.). Diese anzuregen, zu fördern und den Klienten mit der Frage zu seinen Ansichten und Glaubenssätzen zu konfrontieren ist ein wichtiger Beitrag im Coaching. Dies verdeutlicht das folgende Fallbeispiel.

Umgang mit Begrenzungen

Einen älteren erwerbslosen Mann frage ich in einem Coaching: »Wie optimistisch sind Sie, wieder eine Arbeitsstelle zu erhalten?« Ich bitte ihn, dies auf einer Skala (während des Redens zeichne ich eine Skala auf ein vor uns liegendes Blatt Papier) von 0 bis 10 einzuschätzen, wobei 0 keine Chance zu sehen bedeutet und 10 dafür steht, dass er sehr gute Chancen sieht. Er antwortet, dass dies zwischen 1 und 5 schwanke, je nach Situation und Stimmung. Ich schließe an: »Wann haben Sie das letzte Mal die 5 empfunden? In welcher Situation war dies? Was haben Sie dann anders gemacht?« Er sei kurz vor einem Bewerbungsgespräch auf der 5 gewesen und immer wieder, wenn er sich sage, dass er noch nicht zum alten Eisen gehöre. Was er dann genau tue, wenn er bei der 5 sei? Wie er dies nutzen könne für die aktuelle Bewerbungssituation? Sind meine Anschlussfragen. Wir explorieren weiter anhand meiner Frage: »Wo stehen Sie heute und woran würden Sie erkennen, dass Sie bereits auf einer 6 oder 7 ständen?«

Unterschiede im Denken und Erleben lassen sich oft nachhaltiger durch neue Handlungserfahrungen erreichen. Insofern sind es zwar unverzichtbare Prozesse, wenn im Coaching Selbstreflexion angeregt und an der Zielpräzisierung gearbeitet wird, eine dauerhafte Veränderung eigener Ansichten ist besonders bei langzeitig erwerbslosen Personen jedoch insbesondere durch neue betriebliche Praxiserfahrungen zu bewirken. Neben dem beraterischen Handeln ist insofern eine Begleitung in Verbindung mit Trainingselementen unumgänglich. Darauf wies bereits Kirsten Dierolf im Kapitel »Führungskräftecoaching« mit ihren Fallbeispielen hin. Zur Vorbereitung auf betriebliche Praxiserfahrungen (Bewerbungsge­ spräche, Praktika und Hospitationen) können Bewerbungstrainings, Rollenspiele und Gesprächssimulationen als Elemente im Coachingprozess zieldienlich sein. Hierzu gehören auch Fragen der Selbstpräsentation und der Stärkung der Sozialkompetenzen. Trainingsprogramme sind in diesem Kontext eine wichtige Ergänzung zum Coaching. In diesem Zusammenhang erscheint uns insbesondere das Kompetenzorientierte Programm von Thomas Lang-von Wins und Claas Triebel (2012) anschlussfähig an das systemische Karrierecoaching, da sie von einem sozialkognitiven Ansatz ausgehend ein proaktives und auf Selbstmanagement ausgerichtetes Menschenbild vertreten und in ihrem Programm durch aktivierende und biografieorientierte Übungen eine ressourcenorientierte Selbstanalyse anstreben (siehe dazu auch das Kapitel »Gesellschaftliche und individuelle Antworten auf Berufswahl- und Karrierefragen« S. 64 ff.). Zu dem Programm liegen bereits erste Wirksamkeitsuntersuchungen vor, die bei den Programm-

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teilnehmern eine Stärkung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Erhöhung der Zielklarheit im beruflichen Suchprozess belegen (Apel, 2015; Triebel, 2010). Zur Förderung der Selbstmanagementkompetenz liegt ein von Maja Storch und Frank Krause (2007) auf Basis des Zürcher Ressourcen-Modells entwickeltes Trainingsmanual für Gruppen vor. Seine besondere Stärke stellt die neurowissenschaftliche und motivationspsychologische Fundierung des Programms dar, in der die Gruppe als Ressource für die persönliche Entwicklung des Einzelnen genutzt wird. Auch verweisen die Autoren auf das Vorliegen von Wirksamkeitsstudien. Unter dem Gesichtspunkt der Begleitung in beruflichen Übergangsprozessen wird im Kapitel »Begleitung von Realisierungsschritten und Übergängen« auf dieses Trainingsmanual zurückgekommen. Sowohl zur Erweiterung des Denkraums als auch zur Professionalität des Coachings kann auch diagnostisches Handeln beitragen (Möller u. Kotte, 2013). Der systemische Ansatz steht in einer kritischen Distanz zur traditionellen Diagnostik. Im folgenden Exkurs sollen diese Argumente diskutiert, Kriterien für systemische Grundsätze von Diagnostik aufgezeigt und anhand einiger Diagnoseverfahren bzw. diagnostischer systemischer Methoden dargestellt werden.

Hans-Jürgen Balz Exkurs: Diagnostische Methoden im Kontext von systemischem Karrierecoaching Jede Therapie, Beratung, Supervision und jedes Coaching basiert auf der Gewinnung von vielfältigen Informationen. In diesem Sinne ist die Wortbedeutung von Diagnostik – griechisch vom Verb »diagignoskein«, das kennenlernen, entscheiden, beschließen bedeutet – in jeder dieser Unterstützungsformen enthalten. Die Vorstellungen darüber, wie die Informationsgewinnung geschieht (Setting, Ablauf und Methoden), in welcher Form das Entscheiden und Beschließen in das Selbstverständnis des jeweiligen Professionellen eingeschlossen ist, gehen zwischen den Fachdisziplinen und Therapieschulen weit auseinander. Diagnostik in der traditionellen Psychologie will beispielsweise mit ihren Methoden und Verfahren den Ist-Zustand der Intelligenz oder der Konzentrationsfähigkeit bestimmen, Hinweise auf die Frage geben, welche Sachverhalte in der Vergangenheit für ein Verhalten in der Gegenwart verantwortlich sind (Ursachenbestimmung), oder zu Empfehlungen im Hinblick auf die Problemlösung und zu prognostischen Aussagen gelangen (vgl. Fisseni, 2004).

Exkurs: Diagnostische Methoden im Kontext von systemischem Karrierecoaching

In der Berufseignungsdiagnostik geht es um die Ermittlung von Berufsinteressen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Merkmalen des Arbeitsverhaltens, des Gedächtnisses und berufsrelevanter Persönlichkeitsmerkmale (Schuler, 2014). Im Sinne eines Matching zwischen Personenmerkmalen und Berufs- bzw. Arbeitsplatzanforderungen wird ein Abgleich vorgenommen (zu Berufswahltheorien siehe das Kapitel »Gesellschaftliche und individuelle Antworten auf Berufswahl- und Karrierefragen« S. 64 ff.). Die Informationssammlung mündet in Aussagen zur Berufseignung, zu beruflichen Einsatzmöglichkeiten, Entwicklungspotenzialen und gegebenenfalls notwendigen Interventionen (zum Beispiel Training, Fort- und Weiterbildung). Sie erfolgt auf der Basis statistischer Bezugsgruppenvergleiche (zum Beispiel mit der Alters-, Bildungsoder Berufsgruppennorm) oder erfahrungsbasierter Urteile der Diagnostiker. Dabei kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz: Tests, Persönlichkeitsfragebögen, Interviewleitfäden, Beobachtungssysteme, Gruppenübungen und Arbeitsproben (Schuler, 2014). Bei der Unterscheidung der Methoden und Verfahren sind insbesondere folgende Dimensionen zu berücksichtigen: ȤȤ standardisierte Verfahren (dafür stehen insbesondere Leistungstests und Persönlichkeitsfragebögen) versus nicht standardisiert-explorative Verfahren (hierfür stehen Beobachtung und Selbstexploration); ȤȤ die Messung durch Fremdeinschätzung, beispielsweise durch Leistungsoder Persönlichkeitstests, versus Selbsteinschätzung durch den Klienten; ȤȤ die Häufigkeit der Messung: Statusdiagnostik (einmalig) beurteilend versus Prozessdiagnostik (mehrmals) prozessbegleitend; ȤȤ die Messbereiche: vollständig, beispielsweise durch ein Persönlichkeitsinventar (Inventarisierung), versus selektive Verfahrensauswahl (ziel- und nutzenorientiert, beispielsweise durch einen gezielten Arbeitsversuch). Betrachtet man die Verfahren der traditionellen Diagnostik zur berufsbezogenen Kompetenzbeschreibung, so ist zu fragen, ob, und wenn ja, auf welchem Weg sie sich für das systemische Arbeiten adaptieren lassen. Berufsbezogene Ressourcen, diese spielen auch für das systemische Karrierecoaching ein wichtige Rolle, liegen im Bereich der Interessen und Werteorientierungen von Kompetenzen, Fertigkeiten und Fachwissen sowie in den körperlichen Voraussetzungen des Klienten. Konzeptionelle Schwierigkeiten bei der Nutzung im systemischen Coaching ergeben sich weniger mit den Selbstbeschreibungsverfahren, sondern vielmehr mit den normorientierten Leistungsmessungsverfahren. Diese bieten nur wenige handlungsleitende Informationen (zum Beispiel für gezielte Förderung), da sie zumeist auf Theorien situationsunabhängiger, relativ zeitstabiler kognitiver Funktionen aufbauen.

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Insbesondere mit der Zuweisung der Expertenrolle an den Diagnostiker, dessen Aufgabe es ist, den zu diagnostizierenden Sachverhalt bei einer Person zu definieren, durch ein diagnostisches Verfahren zu messen, zu beurteilen und gegebenenfalls Interventionen abzuleiten, steht das systemische Denken in fundamentalem Widerspruch. So wurde von den Pionieren des systemischen Ansatzes (zum Beispiel Kurt Ludewig, Kenneth Gergen) die traditionelle Diagnostik grundsätzlich abgelehnt. Angestoßen von der Reformbewegung der 1970er Jahre, einer kritischen Debatte über Psychodiagnostik (zum Beispiel Kurt Pawliks Buch mit dem Titel »Diagnose der Diagnostik«, 1976) fand eine Neubestimmung diagnostischer Ziele und der Prozess- und Verfahrensgestaltung statt. Eine klientenzentrierte und entwicklungsorientierte Ausrichtung vertritt beispielsweise die heilpädagogische Lern- und Förderdiagnostik. Förderdiagnostik »meint zusammenfassend ein Erkennen und damit Aufzeigen von Ressourcen eines Menschen in Bezug auf ausgewählte Entwicklungsaspekte. Die erhaltenen Erkenntnisse dienen dann im weiteren Verlauf und unter Einbezug theoriegeleiteter Überlegungen einer Interventionsplanung« (Reichenbach u. Thiemann, 2013, S. 34). Diese Neubestimmung des diagnostischen Handelns erleichtert auch die Integration diagnostischer Verfahren in den systemischen Ansatz. Welche Grundsätze kennzeichnen eine systemisch ausgerichtete Diagnostik? Wolf Ritscher (2011) sieht als Ziel systemischer Diagnostik »vor allem [die] multiperspektivische und komplexe Beschreibung von Mustern, Strukturen, Situationen, Ereignissen und Beziehungsverhältnissen […], die informationsgenerierende Unterscheidung zwischen Inhalt und Kontext eines Ereignisses« (S. 5). Systemische Diagnostik betont die Vorläufigkeit und Kontextabhängigkeit der Informationsgewinnung. Insofern haben Aussagen den Charakter von Hypothesen über zieldienliche Aspekte sozialer Systeme, die in einer zirkulären Beziehung den Klienten in die Diagnosestellung mit einbeziehen (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 130 ff.). Im diagnostischen Prozess bilden Beobachter und beobachtete Person eine dialogische Einheit. Bereits die Durchführung diagnostischer Verfahren (zum Beispiel die Erstellung eines Genogramms) stellt eine Intervention dar, die zur vertiefenden Selbstreflexion (von Werten, Glaubenssätzen und anderem), der Analyse relevanter Rollenund Beziehungsmuster sowie von Regeln und Kommunikationsstrukturen im sozialen System des Klienten beiträgt. Für die Stärkung der Handlungsfähigkeit kommt es daneben auf die individuellen und sozialen Ressourcen sowie auf die Bewältigungskompetenzen des Klienten an (Baumann u. Epple, 2013). Im systemischen Ansatz wird der Selbstbeschreibung des Klienten das entscheidende Gewicht gegeben, da bei Klienten nur durch die Beschreibung,

Exkurs: Diagnostische Methoden im Kontext von systemischem Karrierecoaching

Erklärung und Formulierung von Änderungswünschen zur aktuellen Situation ein nachhaltiger Entwicklungsprozess angestoßen wird. Eine Fremdbeurteilung hat häufig eine die Autonomie des Klienten begrenzende Wirkung. Insofern wird in der Auseinandersetzung mit Fremdurteilen insbesondere deren Wirkung auf die Selbstbeschreibung des Klienten betrachtet (zum Beispiel: »Wie wirkt es auf Sie, wenn Ihr Kollege  … sagt?«), die emotionale Rückwirkung auf den Klienten (»Was löst es bei Ihnen aus, wenn …?«), und sein kommunikatives Verhalten betrachtet (»Was sagen Sie dann/Wie reagieren Sie dann …?«). Die hier sichtbare Zirkularität in den Denk- und Kommunikationsmustern erfährt im systemischen Ansatz eine besondere Aufmerksamkeit. Von Diagnostik als einem eigenständigen Handlungsfeld ist dann zu sprechen, wenn Verfahrensabläufe und Methoden das Fundament für eine systematisierte Informationsgewinnung bilden. Als Grundlage für eine systemische Diagnostik sieht Ritscher (2011, S. 16 ff.): ȤȤ eine fundierte Kontextabklärung (zu kontextklärenden Fragen siehe Anhang 1 »Das PELZ-Modell im Karrierecoaching«, S. 247 f.), ȤȤ die Gestaltung eines Arbeitsbündnisses (Motivationsklärung, Förderung von Offenheit und Vertrauen, Beibehaltung von Allparteilichkeit), ȤȤ die Ressourcenabklärung (im sozialen Netzwerk, Eigenressourcen der Klienten und anderes), ȤȤ kommunikative Muster und Strukturen (symmetrisch, komplementär, reziprok), ȤȤ Entwicklungsprozesse: biografische Standortreflexion und Perspektiven der Lebenszyklen, ȤȤ die Exploration der kognitiv-affektiven Landkarte des Systems (Identität, Geschichte, Mythen, Aufträge und anderes), ȤȤ eine innere Systemorganisation (Beziehungsmuster, Rollen, Positionen, Belastungen und anderes), ȤȤ die Selbstreflexion des professionellen Helfers als Teil des Unterstützungssystems (Position, Umgang mit Macht, Interesse, Allparteilichkeit und anderes). Bei den ersten beiden aufgezählten Grundlagen fragen Sie sich möglicherweise, ob diese bereits Bestandteile des diagnostischen Prozesses sind. Ihre Bedeutung leitet sich daraus ab, dass eine systemische Arbeit auf ein Höchstmaß an Zielorientierung, Kooperation, Transparenz und Beteiligung des Klienten orientiert. Insofern ist in jedem diagnostischen Schritt zu fragen, welche Bedeutung er für die Erreichung der vom Klienten formulierten Ziele hat, wie der Klient (vom Betroffenen) zum Beteiligten wird und wie

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ein individueller Zuschnitt der diagnostischen Strategien in Verbindung mit dem beraterischen Handeln zu erreichen ist. Unter diesem Gesichtspunkt verbietet sich eine sogenannte Gießkannendiagnostik, das heißt die Anwendung standardisierter Verfahrensabläufe für Großgruppen, wie sie beispielsweise bei Bewerbungstests von Unternehmen durchgeführt werden. Als eine Antwort auf die Frage: »Welche diagnostischen Methoden und Verfahren liefern einen Beitrag für das systemische Karrierecoaching?«, werden im Folgenden einige Themenfelder und Methoden der Coachingpraxis dargestellt, die in einem Bezug zur Diagnostik stehen. Die Ressourcenanalyse Bei diesem schulenübergreifenden Coachingthema liegt der besondere Schwerpunkt im systemischen Arbeiten auf der differenzierten Analyse der Eigenlösungen des Klienten und der darin enthaltenen Bewältigungsressourcen, Kompetenzen und Zukunftsideen (de Shazer, 1989; de Shazer u. Dolan, 2008). Schaut man auf die verfahrensbasierten Ressourcenanalyseinstrumente, so konzentriert sich der systemische Ansatz auf soziale Ressourcen (zum Beispiel Netzwerkkarte, VIP-Karte, Aufstellungen und Skulpturen; siehe das Kapitel »Systemische Methoden im Karrierecoaching« S. 127 ff.). Daneben gibt es vereinzelte Methoden zur Selbstbeschreibung eigener Kompetenzen, zum Beispiel Ressourcensterne, die die die einzelnen Kompetenzen mit ihren Unterkompetenzen in Form eines Sternes angeben und vor allem bei Kindern verwendet werden (siehe dazu Vogt-Hillmann, 2002), oder Kompetenzraster. Die Schwerpunkte im systemischen Arbeiten liegen auf der Selbstbeschreibung der Klientenressourcen unter Einbezug des sozialen Nahbereichs. Ein gleichzeitig kompetenzorientiertes wie auch biografisch-narrativ ausgerichtetes Konzept der Diagnostik in der Laufbahnberatung legen Thomas Lang-von Wins und Lars Triebel (2012) vor. Sie gehen von einer Kritik an statischen Konzepten der Berufsberatung aus und betonen die Bedeutung der biografischen Selbstreflexion und Integration von Berufskompetenzen und anderen im Privatbereich entwickelten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kooperationsstilen zur Lösungssuche. In diesem Sinne bieten sie Instrumente zur biografischen Selbstanalyse, Kompetenzbeschreibung, Zielexploration und zur beruflichen Handlungsplanung an (zur biografischen Selbstanalyse siehe das Kapitel »Reflexion von Sinnbezügen in der Berufstätigkeit« S. 213 ff.). Kritisch ist zu diesem Konzept aus systemischer Sicht anzumerken, dass den sozialen Bezügen in ihrer vielfältigen Bedeutung als Ressource, Begrenzung,

Exkurs: Diagnostische Methoden im Kontext von systemischem Karrierecoaching

Korrektiv zur Selbsteinschätzung, als Motivationsgeber und biografische Wurzel zu wenig Bedeutung beigemessen wird. Ein Selbstbeschreibungsinstrument zu Erfassung von Interessen und Werten stellt das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP; Hossiep u. Paschen, 2003) dar. Es umfasst 14 berufsrelevante Persönlichkeitsskalen aus den Bereichen: berufliche Orientierung, Arbeitsverhalten, soziale Kompetenz und psychische Konstitution. Die 210 Einzelfragen sind vom Coachee auf einer sechsstufigen Skala zu beantworten, es empfiehlt sich ein Einsatz zu Beginn der Arbeitsphase im Coaching. Auf der Basis eines berufsgruppenspezifischen Vergleichs lassen sich die Daten im Coaching zur Hypothesenbildung, persönlichen Reflexion und Anregung zur Ziel(neu)bestimmung nutzen. Darüber hinaus bietet das Verfahren einen Fremdbeurteilungsbogen, der ein ergänzendes Feedback von Arbeitskollegen, Freunden etc. ermöglicht (Hossiep u. Collatz, 2009; mit dem BIP-6F liegt auch eine Kurzform vor). Das Konzept der Karriereanker (Schein, 2004) erscheint ein geeignetes Instrument, um das berufsbezogene Selbstkonzept systematisch zu erfassen. Edgar H. Schein entwickelte dazu ein leitfadengestütztes Interview und einen Selbsttest. Das Interview thematisiert zurückliegende berufliche Entscheidungssituationen, Auslöser dafür, Entscheidungskriterien, den Berufsübergang und begleitende Empfindungen. Es zielt so auf die Erschließung der Muster und Werte, die der bisherigen Berufslaufbahn zugrunde liegen (Beispielfragen nach Schein, S. 61: »Was haben Sie von Ihrer ersten beruflichen Tätigkeit bzw. vom ersten bedeutenden Ereignisses nach Abschluss Ihrer Ausbildung erwartet? Warum haben Sie diese Wahl getroffen?« […] »Wie entwickelte sich Ihre erste Tätigkeit im Hinblick auf Ihre Ziele?«). Bei jedem Menschen finden sich diese Karriereanker jeweils verschieden stark ausgeprägt, handlungsleitend ist dabei nach Ansicht von Edgar H. Schein der am stärksten ausgeprägte Anker. In seinen Untersuchungen identifizierte Schein insgesamt acht Karriereanker (S. 28), die ausgerichtet sind auf die: –– »technische/funktionale Kompetenz –– Befähigung zum General Management –– Selbständigkeit/Unabhängigkeit –– Sicherheit/Beständigkeit –– Unternehmerische Kreativität –– Dienst oder Hingabe für eine Idee oder Sache –– Totale Herausforderung und –– Lebensstilintegration«.

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Die Veränderung der Arbeitswelt beeinflusst die Ausprägung und die Gestalt der Karriereanker. So nehmen die Berufsbereiche, die durch Sicherheit und Beständigkeit geprägt sind, tendenziell ab, wohingegen die Chancen für eine Tätigkeit mit unternehmerischer Kreativität eher zunehmen (S. 53 ff.). In diesem Zuge können sich auch weitere Karriereanker entwickeln. Kritisch ist anzumerken, dass die ersten empirischen Studien aus den 1960er und 1970er Jahren stammen und Absolventen des Management-Studiengangs am M.I.T. in Cambridge in ihrem beruflichen Karriereverlauf begleiteten. Schein konnte jedoch auch in Folgestudien bei Männern und Frauen sein Set an Karriereorientierungen bestätigen. Das leitfadengestützte Interview zur Ermittlung der Karriereanker soll nicht mit dem Coach, sondern mit einer Person aus dem persönlichen Umfeld durchgeführt werden. Dies unterstreicht nach Ansicht von Cornelia Rappe-Giesecke (2008) die Eigenständigkeit des Klienten. In der Arbeit mit den Karriereankern sieht die Autorin eine hilfreiche Strategie zu Beginn einer Karriereberatung. In der Arbeit mit diesem Instrument schlägt sie eine Weiterentwicklung vor. Sie vertritt die Ansicht, dass die innere Dynamik der Karriereanker für das Karriereverhalten wesentlich ist, das heißt, dass die ersten drei Karriereanker handlungsleitend sind und insofern in die Auswertung einbezogen werden sollten (S. 182 ff.).

Berufliche Entwicklungsprozesse Neben der Timeline als Instrument zur anschaulichen Beschreibung von beruflichen Entwicklungsverläufen (siehe Anhang 13 »Timeline zur beruflichen Entscheidung« S. 272 ff.) ist das berufliche Genogramm geeignet, die familiäre Berufslandschaft kennenzulernen und daraus Hypothesen über mögliche generative Aufträge, die vorgelebten Rollenmodelle und die Verortung des Klienten zu erfahren. Diese Arbeit stützt sich auf die Grundsätze der Genogrammarbeit in Therapie und Beratung (Hildenbrand, 2005) und fokussiert bei der Erstellung des Genogramms auf die Berufsrollen und -verläufe der für den Klienten wichtigen Familienangehörigen. Hier lassen sich durch zirkuläre Fragen Erwartungen der Eltern und Großeltern, Fragen zur Stellung in der Geschwisterreihe, zu Vorbildern und Modellen sowie zu familiären Ressourcen erarbeiten. Insbesondere unterstützt diese Suche das Verstehen eigener Ziele und Werte im aktuellen Karriereverlauf. Als häufige Formen sind die Übernahme von beruflichen Mustern (Transformation zum Identischen; sogenannte Berufsvererbung) oder die Transformation zum Äquivalenten (Verbesserung des beruflichen Status) zu nennen (S. 71; siehe auch Beinke, 2006). Bei Klienten in prekären Beschäftigungsverhältnissen ist es häufig die Nichterfüllung der generativen Aufträge, die zum persönlichen

Exkurs: Diagnostische Methoden im Kontext von systemischem Karrierecoaching

Leiden, zur Selbstabwertung und zum Festhalten an nicht realisierbaren Zielen beitragen. Die Genogrammarbeit braucht eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Coach und Klient und ein Interesse an familiären Strukturen der Ursprungsfamilie. Häufig ist ein derartiges Interesse im Jugendalter im Zuge der Ablösung vom Elternhaus weniger anzutreffen. Die Analyse eines beruflichen Genogramms benötigt erfahrungsgemäß mindestens eine Sitzung zur Erstellung, eine weitere zur vertiefenden Reflexion und zur Integration in die eigene Berufssuche. Die Vergewisserung eigener Wurzeln und Ressourcen, aber auch der notwendigen Weiterentwicklung, manchmal auch der Überwindung von Normen und der Lösung von Erwartungen ist ein wichtiger Beitrag zur Klärung und Erweiterung beruflicher Perspektiven (siehe das Fallbeispiel des ehemaligen Polizisten im Kapitel »Reflexion von Sinnbezügen in der Berufstätigkeit« S. 213 ff.). Insbesondere bei langzeitig stagnierenden beruflichen Situationen hat sich in unserer Praxis die Analyse familiärer Bezüge als hilfreich erwiesen. Kommunikative Muster und institutionelle Strukturen Im systemischen Ansatz findet sich ein breites Feld verschiedener Fragetechniken und Instrumente zur Analyse kommunikativer Muster (siehe das Kapitel »Systemische Frageformen« S. 146 ff.). Für die Musteranalyse sind zirkuläre Fragen und die differenzierte Betrachtung von Interaktionsabläufen hilfreich. Um komplexere Strukturen zu erfassen und zu analysieren bietet der systemische Ansatz darstellende Methoden wie die Organisationsaufstellung, die Skulptur und das Beziehungsbrett (Schwing u. Fryszer, 2015, S. 197 ff.; siehe auch das Kapitel »Veranschaulichung des sozialen Kontextes« in diesem Buch S. 168 ff.). Kreative Zugänge ermöglichen beispielsweise das Rollogramm (siehe Beumer, 2013), eine kreative Visualisierung des Erlebens der eigenen Rolle in der Institution und die Metaphernarbeit (von Schlippe u. Schweitzer, 2013, S. 318 ff.). Im Anhang finden Sie eine Übung zur Arbeit mit dem Beziehungsbrett (Anhang 15, S. 277 f.), die dem Klienten seine Beziehungen im Kontext der beruflichen Frage (Ist-Situation) anhand von Stellvertreterfiguren konkret vorführt. Zugleich konfrontieren die Figurenkonstellationen ihn mit möglichen Entwicklungen, die eintreten können, wenn sich sein berufliches Leben seinen Zielvorstellungen annähert (Soll-Zustand). Auf diese Weise reflektiert der Klient aktiv und handlungsorientiert seine Beziehungen im sozialen Nahbereich.

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Selbstreflexion des professionellen Helfers als Teil des Unterstützungssystems Zwei Methoden bieten sich an, um den Coach die Erfahrung einer Perspektivbreite in der Selbstreflexion zu ermöglichen: Das Auftragskarussell und die Arbeit mit dem Reflektierenden Team. Im Folgenden stellen wir beide Methoden kurz vor, ausführlich wird die Arbeitsweise im Anhang 2 (S. 249 ff.) und Anhang 21 (S. 289 f.) ausgeführt. Um die Vielfalt der Perspektiven im Coaching sichtbar zu machen, ist das Auftragskarussell hilfreich. Es dient der Beschreibung der verschiedenen Anliegen zu Beginn eines Coachings und macht die verschiedenen Akteure (auch die nicht anwesenden) mit ihren Interessen sichtbar. Dieses Selbstanalyseinstrument verhilft dem Coach zu einer ganzheitlichen Problembetrachtung und erleichtert Zugänge zu möglichen Unterstützern des Klienten und zu Personen bzw. Institutionen, die im Widerspruch dazu stehen (Hinweise zur Anwendung siehe Anhang 2, S. 249 ff.). Eine Perspektivenerweiterung und Einbeziehung vielfältiger Hypothesen in den Coachingprozess ermöglicht die Arbeit mit dem Reflektierenden Team bzw. der Reflektierenden Position. Dieses auf Tom Andersen (1990) zurückgehende Instrument, ursprünglich im therapeutischen Kontext entwickelt, hat sich mit seinen vielfältigen Einsatzmöglichkeiten in Supervision, Therapie, Beratung und Coaching bewährt (von Schlippe u. Schweitzer, 2013, S. 335 ff.). Durch eine Reflexions- und Feedbackphase durch Kollegen als Außenbeobachter kann im Coaching eine Erweiterung der Denk- und Handlungsperspektiven beim Klienten und beim Coach angeregt werden (Hinweise zur Anwendung siehe Anhang 21, S. 289 f.)

In der Nutzbarmachung traditioneller diagnostischer Instrumente für das systemische Coaching sind erste Schritte erfolgt, eine Systematisierung steht jedoch noch aus. In diesem Zusammenhang schließen wir uns Heidi Möller und Silja Kotte (2013) an und sehen einen Gewinn in der systematischen Beachtung von diagnostischen Fallen und Fehlern für die Weiterentwicklung des systemischen Coachings (S. 322). Insbesondere ein genaues Kennenlernen der Denk- und Lebenswelt ist allein über die Intuition des persönlichen Gesprächs vergleichsweise fehleranfällig und nur ungenügend für ein systematisches Feedback zu berufsrelevanten Aspekten. Eine besondere Bedeutung erhalten die eine systematisierte Fremdbeschreibung erschwerenden Aspekte für Klienten, die sich relativ lange vom Arbeitsleben entfernt haben

Reflexion von Sinnbezügen in der Berufstätigkeit

oder eine Neubestimmung jenseits bisheriger beruflicher Pfade benötigen. In der Perspektive der Diagnostiker-Brille (als differenziertes und zielrelevantes Fremdfeedback) ist daher eine hilfreiche Perspektive neben der Selbstbeschreibung des Klienten und der intuitiven Wahrnehmung des Coaches zu sehen.

Hans-Jürgen Balz Reflexion von Sinnbezügen in der Berufstätigkeit Sich täglich am Arbeitsplatz zu Höchstleistungen anzuspornen braucht den ganzen Menschen. Wenn sich im Laufe der Zeit Zweifel einschleichen, ob der eigene Beitrag von Vorgesetzten und Kollegen gesehen und geschätzt wird oder im Vergleich zu anderen viel zu groß (oder zu klein) ist, dann gefährdet dies die Motivation und das Engagement (Balz u. Spieß, 2009, S. 111 ff.). Beim Einzelnen kann dies Fragen nach dem Sinn des eigenen Tuns und der Zusammenarbeit mit Kollegen hervorrufen. Nach einer Zeit der ergebnislosen Änderungsbemühungen mündet dies möglicherweise in der Frage, ob dies für mich noch der passende Arbeitsplatz ist. Die Frage nach dem Sinn des eigenen Tuns stellt sich auch, wenn der Arbeitgeber in einem unter ethischen Gesichtspunkten kontrovers diskutierten Arbeitsfeld tätig ist (zum Beispiel in einem Atomkraftwerk oder in der Rüstungsindustrie). Dies führt bei der Berufsentscheidung zu der Frage: »Will ich in einer Branche mit diesem Image langfristig tätig werden?« Die ethisch negative Einschätzung durch den Bewerber bleibt zumeist relativ allgemein und kann sich nur bei entsprechenden Praxiserfahrungen bzw. Kontakten zu Berufsvertretern vertiefen. Ein möglicher Widerspruch wird sich deutlich stärker herausbilden und im Erleben niederschlagen, wenn die Person sich im Arbeitsprozess befindet und mit Tätigkeitsanforderungen konfrontiert ist. Hierzu das nachfolgende Fallbeispiel. Beim Coaching mit einem ehemaligen Polizisten, dem nach Einsätzen auf Umweltdemonstrationen (er nennt dies »Demonstrantenbekämpfung«) sein berufliches Handeln fragwürdig erscheint, geht es darum, für ihn ein neues Tätigkeitsfeld zu finden. Ursprünglich empfand er sich mit seinen Werten, wie beispielsweise Menschen zu schützen und zu unterstützen oder gesellschaftliche Regeln zu überwachen, in einer großen Übereinstimmung zu seinem Arbeitgeber. Nach seinen Erfahrungen bei den Demonstrationen im Wendland – er war häufig dorthin

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abkommandiert worden – geriet er jedoch zusehends ins Zweifeln über den Sinn seiner Berufsaufgabe und sah nach einer längeren Zeit mit mehreren Sondereinsätzen gegen demonstrierende Bauern und AKW-Gegner im Wendland für sich keine Basis mehr, um bei der Polizei zu bleiben.

Wie lässt sich ein so abstrakter Begriff wie Sinn besprechen und konstruktiv bearbeiten? Ausgangs- und Zielpunkt ist das Verhalten des Klienten, die Selbstreflexion darüber und die damit verbunden erlebten Gefühle: »Wann sind Sie in ihrer Arbeit richtig engagiert? Beschreiben Sie diese Situation. Was tun Sie dann? Wie würden Sie die Arbeitssituation charakterisieren? Was zeichnet die Arbeitssituation besonders aus? Wie geht es Ihnen in den besonderen Situationen Ihrer Arbeitssituation? Was denken und fühlen Sie in ihnen?« Mit diesen und ähnlichen Fragen suchen Berater zu ergründen, welche Inhalte, Kontextbedingungen und sozialen Bezüge der Klient als besonders bedeutsam erlebt. Dies können Umgebungsbedingungen (zum Beispiel in der Natur arbeiten), die Arbeitstätigkeiten selbst (zum Beispiel Maschinen zu reparieren), die bei dieser geforderten Fähigkeiten (zum Beispiel genaues Analysieren und Fehlersuchen) und anderes sein. Robert Dilts hat zur Systematisierung von Sinnfragen eine Typisierung von Informationen, die ursprünglich von Gregory Bateson (1984, S. 246 ff.) stammt, weiterentwickelt. Sein System der neurologischen Ebenen (siehe auch O’Connor, 2011) kann die Wahrnehmung schärfen, auf welcher Ebene eine Person für sich bedeutsame Arbeitserfahrungen macht, was ihr wirklich wichtig ist und womit sie sich auseinandersetzt. Neurologisch nennt Dilts die Systematik deshalb, weil er davon ausgeht, dass Menschen in dieser Form Informationen verarbeiten und abspeichern. Mit Hilfe der neurologischen Ebenen ist es möglich, berufliche Ziele zu präzisieren, Bedeutungen genauer kennenzulernen und die Selbstreflexion anzuregen. Tabelle 7 beschreibt die Ebenen anhand relevanter Fragen. Anschließend folgt ein illustrierendes Fallbeispiel.

Reflexion von Sinnbezügen in der Berufstätigkeit

Tabelle 7: Die Neurologischen Ebenen nach Robert Dilts (vgl. O’Connor, 2011, S. 39 ff.) Ebene

Fragen zu den Ebenen

Spiritualität

Woher komme ich? Was ist meine Mission? Was treibt mich an? Was will ich durch mein Dasein erreichen?

Identität

Wer bin ich? Was bin ich für eine Person?

Wertvorstellungen/ Glaubenssätze

Warum tue ich etwas? Welche Glaubenssätze und Werte sind mir wichtig? Wofür ist mir das Warum wichtig, wenn ich arbeite?

Fähigkeiten

Wie tue ich etwas? Welche Fähigkeiten setze ich ein?

Verhalten

Was tue ich? Welches Verhalten zeige ich? Wie wirke ich auf meine Umgebung ein? Was kann man von meinem Tun sehen, hören etc.?

Umgebung

Wo bin ich (gern)? Was geschieht hier (in meinem Sinne)? Was tue ich wann (am liebsten)?

Die eigene Erfüllung? Herr Meier (34 Jahre) hatte eine Ausbildung im Finanzamt einer Großstadt absolviert und war als Sachbearbeiter in der Einkommenssteuerberechnung langjährig beschäftigt. Nach seiner Verbeamtung und der Heirat folgte das Kinderglück. Die Regelungen des Elternzeitgesetzes nutzte Herr Meier für eine Freistellung. Neben der Kinderbetreuung ermöglicht ihm dies nun, dass er in seiner Freizeit ein Studium beginnt. Die lange schulische Abstinenz lässt ihn jedoch zweifeln, ob er den Lernanforderungen gewachsen sein, ihm die Studieninhalte liegen (BA Studium Soziale Arbeit) und er sich in der Studentengruppe der zumeist deutlich jüngeren Studierenden wohl fühlen würde. Im Coaching zu Beginn seines ersten Studiensemesters will er nochmals der Frage nachgehen, was ihn zu dem Studium antreibt, und sich vergewissern, dass dieses Studium das ist, was er wirklich wolle. Für die Zielexploration nutze ich die neurologischen Ebenen. Hinsichtlich der Umgebungsbedingungen beschreibt sich Herr Meier als Büromensch und betont, dass das auch so bleiben solle. Ihm fehle allerdings der Kontakt und Austausch mit Kollegen. Bei fachlichen Themen wolle er insbesondere individuelle Lösungen für seine Klienten suchen und seine analytischen Fähigkeiten dabei nutzen. Intensiver wolle er auch seine kommunikativen Kompetenzen einbringen, der Kontakt zu Menschen mit ihren Sorgen und Nöten sei ihm schon immer leicht gefallen. Bei seinen Wertvorstellungen findet sich ein ausgeprägter Wunsch, sich für andere einzusetzen und Jugendliche auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben zu unterstützen. Hinsichtlich seiner Identität und Spiritualität ergeben sich keine klaren Orientierungspunkte, hier wolle er sich selbst noch finden. Dazu solle ihm auch das Studium dienen. Zur Begleitung in der Studieneingangsphase finden monatliche Coachingtermine statt. Am Ende des ersten Semesters resümiert Herr Meier, dass es sich für ihn sehr gelohnt habe, sich nochmals »auf den Weg zu machen«,

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er habe interessante Herausforderungen und viele Anregungen zur Selbstfindung erhalten, die ihm durchaus auch in der Erziehung seines Kindes hilfreich seien.

Nach dem persönlichen Sinn in der Berufsarbeit lässt sich auch aus einer biografischen Perspektive in Auseinandersetzung mit elterlichen Vorbildern, mit deren Einflussnahme auf Berufsentscheidungen und mit familiären Vermächtnissen suchen. Einen vertiefenden Zugang zu familiären Berufsmustern und -pfaden liefert das Berufegenogramm. Bei der Methode des Berufegenogramms wird das klassische Genogramm (siehe den Abschnitt »Biografische Arbeit« S. 165 ff.) unter beruflichen Gesichtspunkten analysiert, das heißt, es wird nach Berufsbranchen, beruflichen Tätigkeiten und ihrer Bewertung im familiären Rahmen, Statusunterschieden, Vorbildern und familiären Aufträgen gefragt. Die Auseinandersetzung damit findet in einem Spannungsfeld zwischen der Übernahme vorgelebter Rollen (übernommene Berufsidentität) und neuen, unbekannten Berufswegen (autonomer Berufsweg) statt (McGoldrick, Gerson u. Petry, 2009, S. 31 ff.; siehe auch Hildenbrand, 2005, S. 106 ff.). Zur praktischen Anwendung des Berufegenogramms im Karrierecoaching siehe Instruktionen im Anhang 19, S. 285 ff. Bedeutung der familiären Wurzeln Eine Frau (47 Jahre) – ich nenne sie hier Frau Schulz – kommt mit dem dringenden Wunsch zu mir, etwas in ihrem Berufsleben verändern zu wollen. Sie gehe ohne Freude zur Arbeit und empfinde sich gleichzeitig überlastet und gestresst. In der biografischen Exploration gibt Frau Schulz an, dass sie den Beruf der Verwaltungsfachangestellten nach dem Abitur auf Anraten ihrer Eltern ergriffen habe. Die Eltern – selbst im kaufmännischen Bereich tätig – hätten ihr die Ausbildungsstelle mit der dortigen Arbeitsplatzsicherheit und Familienfreundlichkeit schmackhaft gemacht. Sie selber habe in ihrer Jugend für sich noch kein Berufsziel gehabt und so »als liebe Tochter« gehandelt. Trotz ihrer guten Schulnoten hätten ihre Eltern nur ihrem drei Jahre älteren Bruder ein Studium ermöglicht. Er führe heute erfolgreich eine Rechtsanwaltskanzlei. Frau Schulz schloss damals ihre Ausbildung mit sehr gutem Erfolg ab und absolvierte den Laufbahnaufstieg in der Stadtverwaltung. Heute, nach 21 Berufsjahren, drei wohlgeratenen Kindern (20, 18 und 15 Jahre alt) und einer Scheidung, fühle sie sich jedoch noch nicht zu alt, um einen Neustart zu wagen. Ihre Eltern seien über ihre Pläne erstaunt und würden ihr dringend davon abraten. Ihr Kommentar: »Als Beamtin bekommst du nie wieder einen solchen Job.« Und in der Tat. Der Berufswechsel müsste von Frau Schulz selbst finanziert werden, für sie ein hohes Risiko.

Reflexion von Sinnbezügen in der Berufstätigkeit

Ich schlage der Klientin vor, ein Berufegenogramm anzufertigen, um die in ihrer Familie bestehenden Berufspfade genauer kennenzulernen. Gern lässt sich Frau Schulz darauf ein. Auf dem Hintergrund der in der Familie vertretenen Berufe wird deutlich, dass der mütterliche Zweig der Familie in gastronomischen Berufen tätig ist (Köchin, Restaurantfachmann, Hauswirtschafterin und Fleischer) und nun schon in der dritten Generation als Familienbetrieb einen Landgasthof mit Fremden­zimmern und angeschlossenem Lebensmittelgeschäft betreibt. Hier besteht schon seit langem eine Selbständigkeit, die allerdings immer wieder mit Geldsorgen verbunden ist. Im väterlichen Zweig der Familie sind verschiedene Berufe vertreten, es finden sich kaufmännisch-verwaltende Berufe, Berufe im Einzelhandel, aber in der letzten Generation auch akademische Berufe (Lehrerin und Ingenieur). In dieser Analyse kommt Frau Schulz einerseits mit dem Thema berufliche Sicherheit nochmals direkter in Kontakt und kann ihre Eltern in ihrem gut gemeinten Bestreben, ihre Tochter in einem sicheren Beruf untergebracht zu wissen, besser verstehen. Andererseits regt das Genogramm sie in Bezug auf Fragen der beruflichen Vielfalt in ihrer Familie und im Hinblick auf die Berechtigung, einen eigenen Weg zu gehen, an. Auf dieser Grundlage schlage ich der Klientin eine ausführliche Interessenanalyse vor. Im Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP) zeigen sich starke Ausprägungen für die in sozialen Berufen relevanten Persönlichkeitsaspekte (Sensitivität, Kontaktfähigkeit, Handlungsorientierung und emotionale Stabilität). Anknüpfend an dieses Ergebnis entschließt sich Frau Schulz zu einem Fernstudium Psychologie und gewinnt letztlich auch ihre Eltern für die Idee einer Neuorientierung. Parallel hospitiert sie in einer Frühförderstelle und in einem Altenheim. Eine konkrete weitere Planung steht bei ihr noch aus: Aktuell mache ihr das Studium sehr viel Spaß und der Büro-Job lasse sich auf diesem Hintergrund auch besser ertragen.

In der traditionellen Berufsberatung findet sich in der Auseinandersetzung mit beruflichen Entwicklungsfragen oft implizit die Annahme, dass sich alle Energie auf das Berufsleben konzentriert. Bei dieser Art von professionell bedingtem Tunnelblick erhalten Verpflichtungen der Klienten als Eltern, die Verantwortung für die Pflege der eigenen Eltern, die Partnerschaft und mögliche Freizeitinteressen zu wenig Beachtung. Wünschen nach Selbstverwirklichung in der Berufsarbeit und der Privatsphäre bilden insbesondere für jüngere Klienten oft wichtige Lebensmotive (Collatz u. Gudat, 2011; Parment, 2013). Annelen Collatz und Karin Gudat (2011, S. 25 ff.) stellen verschiedene Systematisierungen von Lebensbereichen vor und gehen ausführlicher auf das Zeit-Balance-Modell von Seiwert (2006) ein. Seiwert empfiehlt eine bewusste

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Planung und Entscheidung hinsichtlich der täglichen Zeitverwendung für die folgenden Lebensthemen: ȤȤ Leistung und Arbeit (Beruf, Geldverdienen, Karriere und Wohlstand), ȤȤ Kontakt (Familie, Freunde, Zuwendung und Anerkennung geben und erhalten), ȤȤ Körper (Entspannung, Erholung, Fitness, Ernährung und Gesundheit), ȤȤ Sinn (Selbstverwirklichung, Zukunftsfragen, Religion und Spiritualität). Diese Systematik lässt sich als Modell im Coaching nutzen und dem Klienten als Systematisierung zur Verfügung stellen. Eine an Collatz und Gudat orientierte Übung, mit der Sie Ihre Work-Life-Balance bilanzieren und auf diese Weise feststellen können, wo Ihre Zeit bleibt, finden Sie im Anhang 17, S. 281 f. Über eine durchschnittliche Woche hinweg können Sie herausfinden, welchen relativen Anteil an der Verwendung der Zeit die verschiedenen Lebensbereiche aktuell in Ihrem Alltag einnehmen.

Die Übung zur Work-Life-Balance von Anhang 17 nutzt eine gezeichnete Zielscheibe zur Vergegenwärtigung der Lebensbereich-Bilanz. Um die eher abstrakten Fragen des Zeitmanagements erfahrbar und handhabbar zu machen, kann aber auch eine andere praxisorientierte Methode genutzt werden. So ist es möglich, die aktuelle Zeitverteilung des Klienten zum Beispiel durch Wassergläser zu verdeutlichen (vgl. Beaulieu, 2005). Dazu benötigen Sie eine Karaffe Wasser (besser sichtbar ist farbiges Wasser), vier Wassergläser und vier Moderationskarten für die oben genannten Lebensthemen. Der Coach regt an, bei entsprechendem Anliegen des Klienten zum Thema Zeitverteilung eine kleine Übung zu machen. Vier Gläser stehen dabei jeweils für vier wichtige Lebensbereiche (Zeit, die für Arbeit und Beruf, Karriere und Geldverdienen investiert wird; Zeit für Familie und Freunde; Zeit für Körperpflege, Fitness und Ernährung und Zeit für Themen wie Lebenssinn, Religion und Selbstverwirklichung). Der Coach legt die vorbereiteten Moderationskarten zu den jeweiligen Gläsern und vergewissert sich, dass die Unterteilung verstanden wurde. Coach: »Das Wasser in der Karaffe stellt 100 % Ihrer Zeit dar. Bitte verteilen Sie das Wasser so auf, wie Sie aktuell Ihre Zeit verwenden. Wie viel Zeit verwenden Sie für den jeweiligen Bereich?« Der Klient verteilt nun das Wasser auf die vier Gläser. Der Coach stellt nun Fragen zur Wasserverteilung des Klienten und zu einer erwünschten Veränderung dieser Verteilung (Instruktion siehe Anhang 18, S. 283 f.).

Reflexion von Sinnbezügen in der Berufstätigkeit

Die pragmatische Form der Zeitverwendung erscheint für das Coaching hilfreich, da diese sich relativ leicht auch auf Handlungsimplikationen (Wovon soll mehr gemacht werden?) umsetzen lässt. Eine wichtige ergänzende Frage richtet sich darauf, wie der Klient es schaffen kann, Zeit zu gewinnen und die ineffektive Zeitverwendung zu reduzieren. Um das Spannungsfeld zwischen Beruf und Familie unter Gesichtspunkten des Ressourcenmanagements abzubilden, ließe sich auch das Bild einer Wippe nutzen (Collatz u. Gudat, 2011, S. 32). Dabei stehen auf der einen Seite der Wippe die von der Person erlebten Anforderungen und Belastungen (in Beruf und Familie) und auf der anderen Seite die Ressourcen (persönliche Fähigkeiten, materielle Ausstattung und anderes). Mit diesem Bild ließe sich eine Analyse der aktuellen Situation starten. Die Visualisierung der Anforderungen im Kontrast zu den Ressourcen als zwei Gewichte auf einer Wippe verdeutlicht die Relation beider Aspekte und kann zur Zielbestimmung in der Veränderungsarbeit anregen. Im Verhältnis zwischen Karriere und Familie gilt es auch, die wechselseitigen Abhängigkeiten und Verpflichtungen zu betrachten. Dazu folgt ein Fallbeispiel. Bedeutung des Herkunftssystems – wie fest sind die Anker Ausgangspunkt der Beratung des 34-jährigen Herrn H. ist dessen Wunsch an einer Umschulungsmaßnahme teilzunehmen. Er hatte 17 Semester an einer nahen Universität studiert, die letzten Semester jedoch nicht mehr an Seminaren teilgenommen und auch keine Prüfungen abgelegt. Eigentlich war dieses Studium auch nur eine Verlegenheitslösung. Wichtiger war ihm die Mithilfe im elterlichen Dekorateurbetrieb gewesen. Nachdem aber nun seine Eltern das Gewerbe aus Altersgründen und wegen mangelnder Rentabilität aufgegeben haben, stellt sich auch für ihn die Frage nach einer beruflichen Neuorientierung. Herr H. klagt über die verschenkte Lebenszeit und ist sehr niedergeschlagen wegen fehlender Perspektiven. Diese Niedergeschlagenheit, so erscheint es mir, steht ihm im Weg, um sich neuen Wegen gegenüber zu öffnen und mit Selbstvertrauen an neue Ziele heranzugehen. In meinem Kommentar zu seinem bisherigen Lebenslauf sage ich ihm: »Ich bewundere Ihr Engagement und Ihre Treue zu Ihren Eltern. Sie haben Ihre Eltern unterstützt und viel Zeit mit ihnen zusammen verbracht und gearbeitet. Wenn Ihre Eltern hier wären und ich sie fragen würde, was sie sich für ihren Sohn nun wünschen würden, was würden sie sagen?« Nach einem Moment der Nachdenklichkeit sagte der Klient, dass seine Eltern sich einen eigenen beruflichen Weg für ihren Sohn, seine Familie und seine Enkel wünschen würden. Mit dieser geöffneten Perspektive kann die Suche nach einem Neustart beginnen.

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Hans-Jürgen Balz Begleiten von Realisierungsschritten und Übergängen Die Begleitung in beruflichen Übergangsprozessen als Kernbestandteil des Karrierecoachings markiert mit seinen trainingsorientierten Methodenelementen einen zentralen Unterschied zur Beratung. Im Zentrum steht dabei die Stärkung der Selbstmanagementkompetenz. Daraus ergeben sich methodische Gemeinsamkeiten und Übergänge zum Selbstcoaching bzw. Training. Von besonderer Bedeutung sind für uns in der Praxis des Karrierecoachings folgende Aspekte, die hier erst genannt und zu deren Förderung im Folgenden dann methodische Empfehlungen gegeben werden: ȤȤ das gestärkte Bewusstsein für die eigenen Entwicklungsziele, ȤȤ das Stabilisieren von Entwicklungsfortschritten, ȤȤ soziale Ressourcen in die Veränderungsarbeit einbinden, ȤȤ das Überprüfen von Zielen und deren Neuanpassung, ȤȤ Prozesse zusammen mit dem Klienten evaluieren. Jeder kennt die Erzählungen von persönlichen Vorsätzen zum Jahreswechsel, die dann schon Ende Januar wieder vergessen sind. Diese Alltagserfahrung weist darauf hin, dass es wichtig ist, das Bewusstsein für die Entwicklungsziele zu stärken und die Ziele des Klienten im Coaching sichtbar zu halten. Hierfür empfiehlt es sich, schon bei der Zielerarbeitung mit verschiedenen Wahrnehmungsmodalitäten und -perspektiven zu arbeiten. Wichtig erscheint uns, dass der Klient sich sehr genau die auch kleinen Etappen auf dem Weg zum Ziel deutlich macht. Die Timeline-Arbeit (Theuretzbacher u. Nemetschek, 2009, S. 58 ff.; siehe auch die Abschnitte »Biografische Arbeit« S. 165 ff. und »Der zeitliche Verlauf« S. 191 ff.) kann einen Beitrag dazu leisten, dass dem Klienten der Weg zum Ziel und die einzelnen Schritte, die er gemacht hat, macht und machen wird, um dorthin zu gelangen, bewusst werden. Mit Hilfe eines Seils und weiterer Materialien lässt sich dieser Weg visualisieren und konkretisieren. Die Timeline bildet die Zeitabschnitte (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft), vorhandene Ressourcen und notwendige Vorbereitungsund Lernschritte ab (genauere Instruktionen finden Sie im Anhang 13, S. 272 ff.). In einem Als-ob-Modus geht der Coach zusammen mit dem Klienten die Schritte, damit sich der Klient die Entwicklung konkret vorstellen kann und einprägt. Hilfreich ist auch ein Betrachten der Entwicklung aus der Zukunft. Dazu stellen Sie einen Stuhl an das Ziel (hinter das Ende des Seils), auf den sich der Klient setzt, auf den zurückgelegten Weg zurückblickt und diesen Weg, seine aktuelle berufliche Situation,

Begleiten von Realisierungsschritten und Übergängen

sein Empfinden und sein Denken beschreibt. Von einer derartigen Beschreibung einer gelungenen Zukunft gehen häufig starke motivationsfördernde Impulse aus.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dem Klienten einen Blick aus der Zukunft zu ermöglichen, beispielsweise mit Hilfe eines Briefes aus der Zukunft. Diese Idee fanden wir bei Rolf Reinlassöder und Ben Furman (2011), die in ihrem Buch zum Selbstcoaching lösungsfokussierte Prinzipien für das Selbstcoaching beschreiben und in kreativen Übungen umsetzen. In ähnlicher Weise lässt sich auch die »Zeitreise zum 80sten Geburtstag« (siehe Anhang 7, S. 260 f.) nutzen, bei der der Klient angeregt wird, über die für ihn wichtigen Lebensthemen und -ziele in einer Phantasiereise nachzudenken. Beim Brief aus der Zukunft (Reinlassöder u. Furman, 2011, S. 40) wird der Klient zunächst zur Einstimmung auf seine Zukunft gebeten, sich diese in zwei, vier oder fünf Jahren (je nach Veränderungsziel) vorzustellen. Er bekommt nun die Aufgabe, aus dieser Zukunft an einen guten Freund bzw. eine gute Freundin einen Brief über die eigene Lebenssituation zu schreiben. Diese soll möglichst konkret und anschaulich beschrieben werden. Dabei geht es um die Vorstellung eines attraktiven Bildes der beruflichen und privaten Lebenssituation. Nachdem der Klient den Brief geschrieben hat, wird der Brief in einen Umschlag gesteckt, aufbewahrt und nach einiger Zeit wieder hervorgeholt, um zu sehen, worin das Zukunftsbild bestand und wie viel von der Vision schon Realität geworden ist. Das Selbstmanagement-Training von Maja Storch und Frank Krause (2007) arbeitet auf Basis des Zürcher Ressourcen-Modells und verwendet für die Stärkung des Bewusstseins für die eigenen Ziele Erinnerungshilfen. Dies sind mobile (die man mit sich trägt) und stationäre (die an einem Ort verbleiben) Hinweisreize, beispielsweise Post-its am PC-Bildschirm oder am Badezimmerspiegel, Kleidungsstücke, Schmeichelsteine oder Anhänger in der Tasche. Am wirksamsten sind die Erinnerungshilfen, wenn sie eine möglichst enge Beziehung zum Ziel haben (S. 183). Den Klienten in seiner Kreativität anzusprechen, ihn die Orte der Erinnerungshilfen selbst erarbeiten und Symbole finden und persönliche Dinge (als Hinweisreize) anfertigen zu lassen, stärkt die Beschäftigung mit den Zielen und erhöht dadurch ihre gedankliche Repräsentanz. Beispielsweise können bunte Murmeln in der Tasche dazu dienen, sich der alltäglichen Glücksmomente bewusst zu werden. Das heißt: Wenn das vom Klienten zu erreichende Ziel zunächst einmal darin besteht, sich der schönen Erfahrungen im Alltag bewusst zu werden, kann seine Aufgabe darin bestehen, morgens alle Murmeln in die linke Hosentasche zu stecken und bei jedem Glücksmoment, den er erlebt,

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eine Murmel aus der linken Hosentasche herauszunehmen und in die rechte zu legen. Am Abend erinnert sich der Klient dann anhand der Murmeln in der rechten Hosentasche der schönen Momente des Tages (oder der eigenen Erfolge, der eingelegten Arbeitspausen, der geführten konstruktiven Gespräche, je nach individuellem Ziel).

Die Verbindlichkeit eines beruflichen Zieles erhöht sich auch mit der Konkretheit des Selbstversprechens, das ich mir selbst und wichtigen Personen in meinem Umfeld gebe. Dieses Selbstversprechen lässt sich in einer Art Selbstvertrag (Wehrle, 2011, S. 244) verschriftlichen. Um frühzeitig die wichtigen Personen als Unterstützer, aber auch als Beteiligte zu gewinnen, ist es wichtig, sich über das Unterstützer-Netzwerk Gedanken zu machen und es gezielt über die eigenen beruflichen Absichten zu informieren. Zur Stabilisierung der Entwicklungsfortschritte trägt es bei, sich die erreichten Teilziele bewusst zu machen. Hierfür lassen sich Fragen zu den bisherigen Schritten in Richtung des Zieles, zu dem veränderten Denken und Fühlen, zu den beteiligten Personen und deren Wahrnehmung sowie Fragen zu den Kriterien des Klienten, dazu, woran er den weiteren Fortschritt erkennen wird, nutzen. Das folgende Fallbeispiel, das ein Kollege im Rahmen der Fallreflexion in unser Weiterbildungsinstitut einbrachte, zeigt, wie ein Klient dazu angeregt wird, frühere Strategien zu nutzen. Coach: »Was hat Ihnen bei der zurückliegenden Promotion geholfen, um kontinuierlich am Ball zu bleiben und ihre Ziele erfolgreich zu verfolgen?« Klient (ein promovierter Chemiker, der sich – bisher erfolglos – beruflich verändern möchte): »Mit meinem Doktorvater hatte ich regelmäßige Termine, bei denen ich ihm berichten musste, was ich zwischenzeitlich erreicht hatte.« Coach: »Das heißt, die regelmäßigen Treffen mit Ihrem Doktorvater waren hilfreich?« Klient: »Ja.« Coach: »Was genau daran war so hilfreich für Sie?« Klient: »Dass ich mir kleine Arbeitsziele gesetzt habe, die dann in regelmäßigen Abständen besprochen wurden.« Coach: »Würde das Ihnen bei Ihrem Ziel, sich raus aus der Uni in die Wirtschaft zu bewerben, auch helfen? Kleine Ziele, die Sie sich stecken und dann berichten?« Klient: »Ja.« Coach: »Gut. Wenn Sie möchten, können wir das hier vereinbaren, ich meine, dass Sie mir immer wieder Ihre kleinen Ziele nennen und berichten. Wäre das sinnvoll?« Klient: »Ja.«

Begleiten von Realisierungsschritten und Übergängen

Coach: »In welcher Form würden Sie das gern tun? Wie wäre das am hilfreichsten?« Klient: »Am besten wäre es, wenn ich Ihnen morgens eine E-Mail schicke, was ich mir bezüglich meiner Bewerbungen vornehme und Ihnen abends maile, was ich geschafft habe.« Coach: »Jeden Tag?« Klient: »Vier Tage die Woche würde reichen.« Mit dieser in der ersten (und einzigen) Sitzung erarbeiteten Strategie, die auf vergangenen Lösungslogiken aufbaut, schafft es der Klient, binnen weniger Tage ausreichend Bewerbungen auf den Weg zu bringen, sodass er für die darauf folgende Woche zwei Vorstellungsgespräche in seiner bevorzugten Stadt erhält und eine Stelle dort antritt.

Das Besondere an der Schilderung im Fallbeispiel oben besteht darin, dass hier die lösungsfokussierten Prinzipien: »Suche nach Ausnahmen« und (wenn etwas funktioniert) »Mach mehr davon«, in einer sehr einfachen, alltagsnahen Form der Begleitung umgesetzt wurden. Zur Förderung der Selbstaufmerksamkeit und Stärkung der Motivation empfiehlt sich auch ein Fortschrittstagebuch (Reinlassöder u. Furman, 2011, S. 95 f.). In dieses fließen in der Tagesauswertung die alltäglichen Erfahrungen, die kleinen Erfolgserlebnisse, aber auch die inneren Stimmungen ein. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgt auch die im Anhang 22 zu findende Instruktion für das »Tagebuch des gelungenen Lebens« S. 291 f. Durch eine kontinuierliche Selbstreflexion wird das Wissen um die eigenen beruflichen Werte, um Dinge, die einen wirklich interessieren und nachhaltig stören, aber auch um die eigene Leistungsfähigkeit und die persönlichen Talente vergrößert. Da berufliche Entwicklungen von vielen Faktoren abhängen, gilt es im Coaching relativ früh, auch über mögliche Stolpersteine und den Umgang mit Misserfolgen zu sprechen. Diese Gespräche verdeutlichen unter anderem die Grenzen der eigenen Einflussnahme. Sie machen dem Klienten aber letztlich auch die begrenzte Verantwortung für das Erreichen eines Karriereziels bewusst. Die Sammlung von möglichen Stolpersteinen kann grundsätzlich relativ direkt im Gespräch erfolgen, wichtig ist es dann jedoch, dies zu visualisieren und einen engen Bezug zu Bewältigungsstrategien herzustellen (Lieser, 2014). Nur so lässt sich eine Demotivierung im Angesicht der möglicherweise zahlreichen Hindernisse vermeiden. Wichtig ist bei dieser Reflexion auch, den Klienten zur Differenzierung zwischen dem Bereich, in dem er selbst handeln und zu Lösungen kommen kann, und dem Bereich, in dem es nötig ist, dass er auf sein soziales Umfeld zurückgreift, anzuregen. Unter-

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stützer in der Karriereplanung sollten frühzeitig einbezogen werden, sodass sie den Klienten tatsächlich unterstützen können und der Klient mit ihnen zusammen auch den Gewinn betrachten kann, den diese Personen (Eltern, Partner, weitere Familienangehörige) aus seinem beruflichen Fortkommen ziehen können. Wenn dies gelingt, verliert die Unterstützung durch andere auch den Beigeschmack der Mildtätigkeit (die manche Klienten nur schwer annehmen können). Auch wird ein späterer Karriereerfolg eine gemeinsame Sache, die alle miteinander feiern können. Im Anhang finden Sie eine Übung zur Erarbeitung von beruflichen Stolpersteinen (Anhang 20, S. 287 f.) mit Instruktionen, wie Sie den Lebensweg des Klienten zusammen mit den Hindernissen, das heißt den Stolpersteinen, am Flipchart visualisieren und den Klienten dadurch zur Reflexion von Handlungsmöglichkeiten aktivieren können.

In der Einbeziehung sozialer und weiterer Ressourcen stimmen auch die verschiedenen Programme zum Karrierecoaching überein. Die Systematisierung der verschiedenen Ressourcenquellen bei Storch und Krause (2007, S. 181) umfasst als Ressourcen: ȤȤ die handlungswirksam formulierten Ziele (als Annäherungsziele, im eige­ nen Kontrollbereich liegend und mit somatischen Markern ausgestattet), ȤȤ die Erinnerungshilfen der Person (siehe oben), ȤȤ die körperlichen Ressourcen des Klienten (motorisches Geschick, Fitness und anderes), ȤȤ die sozialen Ressourcen, ȤȤ die Warnsignale (für mögliche Hindernisse). Im Kontext der sozialen Ressourcen heben die Autoren hervor, dass die Offenlegung von Karriereplanungen im sozialen Nahbereich die Verbindlichkeit und den Verpflichtungsgrad auf diese Ziele erhöht. Auch geht das Training von Storch und Krause (2007) nach dem Zürcher Ressourcen-Modell explizit auf die Bedeutung körperlicher Prozesse und von Gedächtnisprozessen zur Motivationssteigerung und zum kontinuierlichen Verfolgen der Ziele ein. Entwicklungsfortschritte zu verdeutlichen, Veränderungen in der Identität, der sozialen Rolle bzw. der Zugehörigkeit zu einer Institution erlebbar zu machen, dazu tragen Übergangsrituale (»gemeinschaftlich sinnstiftende Handlungen«, von Schlippe u. Schweitzer, 2013, S. 196; vgl. auch Wender-Enderlin u. Hildenbrand, 2011) bei. Bekannte Rituale sind die öffentliche Übergabe von Ausbildungszertifikaten oder die Abschieds- und Begrüßungsfeier von Mitarbeitern.

Begleiten von Realisierungsschritten und Übergängen

Um ein Übergangsritual in das Coaching einzubinden, ist es nötig, zusammen mit dem Klienten auf die für ihn wichtigen Teilschritte zu schauen und gemeinsam kreative Rituale zu entwerfen, die das Verlassen eines alten Zustandes bzw. einer alten Rolle und die Übernahme einer neuen Rolle bzw. Aufgabe unterstützen. Derartige Markierungen können mit dem symbolischen Verlassen einer früheren Position (zum Beispiel mit dem Ablegen der Auszubildendenkleidung), der Übergabe eines Statussymbols für die neue Rolle und einer öffentlichen Feier verbunden sein. Die Bedeutungen, die für die alte bzw. neue Rolle stehen (zum Beispiel ein symbolischer Schlüssel, ein Doktorhut, ein Statussymbol), sollten möglichst individuell angepasst oder erfunden werden. Nur so und in einem feierlichen Rahmen lässt sich der persönliche Wandel intensiv erleben und auf diesem Weg auch den Unterstützern danken. Das Überprüfen von Zielen und deren Neuanpassung gehört zur Zwischenevaluation im Coaching. Hierdurch werden bereits erreichte Veränderungen sichtbar. Notwendig ist es jedoch auch nach einer Zeit, in der der Coach bzw. der Klient einen Stillstand wahrgenommen hat, bei atmosphärischen Störungen und bei Konflikten im Coaching. Ressourcenorientiert und klientenzentriert ist ein Überprüfen der Ziele und der aktuellen Situation in Bezug auf die Ziele als Skala auf dem Weg zur Zielerreichung visualisierbar: Der Coach beginnt die Überprüfung mit folgender Frage: »Damit ich es mir vorstellen kann, würde ich gern den Weg zur Erreichung Ihrer Ziele als eine Skala zeichnen. Stellen Sie sich diese Skala von 0 bis 10 vor, wobei 0 für den Beginn unseres Coachings steht. Bei 10 ist das von Ihnen genannte Ziel vollkommen erreicht. Wo stehen Sie auf dieser Skala heute, welcher Wert entspricht Ihrer Einschätzung?« Klient nennt nun eine Zahl, sagen wir zum Beispiel Sechs. Der Coach fährt mit folgenden Fragen fort, den bisherigen Weg der Zielerreichung und den momentanen Stand zu evaluieren: –– »Was war Ihnen hilfreich, um den Weg von 0 bis zum heutigen Wert 6 zu gehen? Was war an unseren Coachingsitzungen hilfreich?« –– »Was haben Sie dazu beigetragen?« –– »Durch wen wurden Sie unterstützt? Was war daran hilfreich?« –– »Was war sonst noch wichtig?« Der Klient beschreibt die Aspekte und der Coach regt zur differenzierten Exploration an, indem er den Klienten anhand der Skalierung die nächsten kleinen Schritte erkunden lässt:

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–– »Was müssten wir im Coaching tun, damit Sie von dem aktuellen Wert 6 zu 6,1 oder 6,2 kommen?« –– »Was könnten Sie tun, um die nächsten kleinen Schritte zu gehen?« –– »Was noch?« Je nach Verlauf der Zwischenauswertung gelingt es, nächste (Teil-)Ziele festzulegen, die der Klient zusammen mit dem Coach gehen möchte, oder die Rahmenbedingungen des Coachings (zum Beispiel Abstände zwischen den Sitzungen, Ort des Coachings) den Wünschen des Klienten anzupassen. Wichtig ist, bezogen auf die Erreichbarkeit des Zieles bzw. auf eine prinzipielle Änderbarkeit der Situation, bei der Zwischenevaluation auch die Frage nach dem Optimismus des Klienten. Sollte bei der sehr anschaulich als Skalierung darstellbaren Bewertung ein sehr geringer Wert genannt werden, wäre dies ein eigenes Thema für das Coaching. Neben der Frage an den Klienten, wodurch der Optimismus gesteigert werden könne (und wann sein Optimismus mal größer gewesen sei), könnte dann auch die Frage nach der Wertigkeit des Ziels für den Klienten und nach Alternativzielen (Suche nach Plan B) eine wichtige Rolle spielen. Um eine aus Sicht des Klienten schwierige oder pessimistisch wahrgenommene Situation im Karrierecoaching aus einer etwas veränderten Perspektive betrachten zu können und einen Zugang zum Erleben des Klienten zu finden, kann die Metaphernarbeit hilfreich sein (von Schlippe u. Schweitzer, 2013, S. 318 ff.). Dabei wird vom Klienten ein Bild oder Symbol (Landschaft, Tier, Naturereignis und anderes) für den beklagten (weil aktuell durch ihn nicht änderbaren Zustand) gesucht. Wenn er dies gefunden hat, schließen sich Fragen nach den Merkmalen der Metapher an. Die genaue Beschreibung kann in die Frage münden, wie es möglich ist, in dieser (meist als schwierig, feindlich, bedrohlich oder so ähnlich beschriebenen) Situation dennoch zu existieren und welche Verhaltensweisen ein Auskommen für den Klienten ermöglichen. Veränderungsorientiert müsste im Anschluss an die Beschreibung des Ist-Zustandes eine Metapher für den Soll- oder Wunschzustand gefunden und nach ihren Merkmalen befragt werden.

Das abschließende Evaluieren von Prozessen hat methodisch viele Ähnlichkeiten mit der Zwischenauswertung. Von besonderer Bedeutung können hier Fragen zur Stabilisierung und Beibehaltung erreichter Ziele sein, zu den dafür notwendigen Ressourcen, zu möglichen Stolpersteinen und deren Bewältigung (siehe oben). Darüber hinaus kann das Übergeben einer Urkunde (oder eines Zertifikats) zur Symbolisierung der erreichten Ziele durch den Coach oder im

Interviews mit Karrierecoaches

Rahmen einer Feier mit den Unterstützern als hilfreiches und unterstützendes Abschlussritual eingesetzt werden. Für den Lerngewinn des Coaches ist die Frage relevant, was er selbst durch die Arbeit mit dem Klienten gelernt hat. Aus dieser Selbstreflexion lassen sich unter Umständen auch wertschätzende Abschlusskommentare an den Klienten ableiten, die verdeutlichen, dass das Coaching ein gemeinsamer Lernprozess ist, zu dem der Klient wesentlich beigetragen hat.

Peter Plöger Interviews mit Karrierecoaches In diesem Kapitel bieten wir Ihnen einen kurzen Blick in die Arbeitswirklichkeit von Karriereberatern. Zu diesem Zweck sprachen wir fünf Praktiker an, die in verschiedenen Arbeitsfeldern des Karrierecoachings mit systemischen Methoden arbeiten oder gearbeitet haben, und führten mit ihnen Interviews durch. Die Interviews sind auf zentrale Aussagen komprimiert und als durchgehender Text zusammengestellt. Dieser soll zeigen, welche facettenreichen Ausprägungen der Begriff »systemisches Karrierecoaching« im Alltag derer hat, die damit arbeiten, und gibt einen Einblick in praktische Herausforderungen, Erfolge, Probleme und Anforderungen. Die fünf Interviewpartner waren5: ȤȤ Matthias: vierzig Jahre alt, Professor für Wirtschaftspsychologie, Gesell­ schafter eines Beratungsunternehmens, Autor von Sach- und Fachbüchern sowie Romanen. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist unter anderem die Kompetenzbilanz. Er arbeitet mit Klienten in verschiedenen Kontexten der Berufsorientierung, unter anderem in Coachings. ȤȤ Svantje: Mitte vierzig, angestellt im Career Service einer Universität, Studium der Kulturwissenschaften und Literaturwissenschaften, Weiterbildungen in verschiedenen Coachingverfahren. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Berufsorientierung für Studierende und Absolventen sowie das Coaching für Lehrende. ȤȤ Karl: 43 Jahre alt, angestellt in einem Beratungsunternehmen, Studium der Pädagogik, Weiterbildungen in verschiedenen Coachingverfahren, lang5

Zum Zwecke der Anonymisierung werden die Interviewpartner hier nicht mit den Originalnamen, sondern mit von uns eingesetzten Namen benannt.

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jährig tätig als freiberuflicher Trainer und Coach, unter anderem in der Outplacementberatung. Er hat verschiedene Arbeitsschwerpunkte, unter anderem in der Berufsorientierung Auszubildender und im Führungskräftecoaching. ȤȤ Walter: Mitte fünfzig, Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens, Diplompsychologe, Weiterbildungen in systemischer Beratung, Gestalttherapie, NLP. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Business- und Führungskräftecoaching. ȤȤ Robert: Anfang dreißig, ehemals angestellt als Berater, Studium der Pä­da­ gogik, Weiterbildungen in lösungsfokussierter Beratung und in systemischer Beratung. Sein Arbeitsschwerpunkt betrifft die berufliche Laufbahnbe­ ratung Jugendlicher und junger Erwachsener. Unsere ursprünglichen Fragen waren: 1. »Bei welchen Anlässen und in welchem Kontext verwenden Sie in Ihrer beruflichen Praxis systemische Methoden? Welche sind das insbesondere?« 2. »Welchen Wert messen Sie systemischen Methoden für Ihre Arbeit bei? Mit welchem Ziel setzen Sie sie ein?« 3. »Erzählen Sie bitte eine Episode aus Ihrer Arbeit, in der die Anwendung systemischer Methoden besonders erfolgreich war. Welche Geschichte erzählen Sie besonders gerne?« 4. »Wo schätzen Ihre Klienten/Kunden systemische Methoden im Coaching besonders?« 5. »Wo erleben Sie im Coaching Grenzen systemischer Methoden?« 6. »Was würden Sie anderen Coaches, die im Feld des Karrierecoachings tätig sind oder eine solche Tätigkeit für die Zukunft planen (Einsteiger), raten, wenn diese systemische Methoden anwenden?« »Sie geben einem immer das Gefühl, dass man selber auf die Idee gekommen ist« In unseren Interviews fragten wir die Interviewten nach dem Stellenwert und der Bedeutung systemischer Methoden im Karrierecoaching. Svantje stellte sofort einen Bezug zur heutigen, sich stark wandelnden Arbeitswelt her: »Ich habe als Erwerbstätiger keine lebenslangen Orientierungsmuster mehr«, sagte sie. Für sie als Coach für Studierende und junge Akademiker steht daher die Frage im Vordergrund: »Was brauche ich für Kompetenzen, um als selbstverantwortlicher Mensch mit einem positiven Menschenbild mir selbst und anderen gegenüber durch die Welt zu gehen? Und danach

Interviews mit Karrierecoaches

würde man Methoden suchen. […] Das grundsätzlich Humanistische und Konstruktivistische des Systemischen passt einfach zu der Maßgabe, dass der Mensch eine selbstorganisierte Stellensuche anstreben muss.« Der systemische Ansatz kommt laut Svantje den Anforderungen eines zeitgemäßen Karrierecoachings (mindestens in einigen Arbeitsgebieten) also sehr entgegen. Früher ging es der Karriereberatung um ein »matching men to jobs«. Dagegen stellte Svantje zum Beispiel fest, dass es heute in ihrem Bereich (dem Career Service einer Hochschule) darum gehe, den Klienten Mittel an die Hand zu geben, mit deren Hilfe sie in ihrem Leben häufige, stets neue Entscheidungsprozesse angehen sowie positiv und angstfrei mit einer zieloffenen Situation umgehen können. Sie gebe ihnen lieber einen Werkzeugkoffer für die Gestaltung ihres Berufsweges an die Hand, mit dem sie »sich in nebulösen Situationen selbst helfen können«. Woran machten die Interviewten den systemischen Anteil ihrer Coachingpraxis fest? Zunächst erwies sich dieser Anteil nicht immer als fest umrissen. »Die Ressourcenorientierung, die wertschätzende Haltung, das Einbeziehen des Kontextes der Teilnehmer, das Individuenbezogene, das Prozess- statt Kriterienorientierte: Das steht für mich bei jedem Beratungshandeln im Vordergrund«, sagte Matthias. Insofern könne man nicht genau sagen, wo der systemische Ansatz aufhöre und etwas anderes anfange. Auch Walter sah den systemischen Ansatz als eine »Metapraxis«, vor deren Hintergrund er bestimme, welche speziellen Methoden er jeweils anwende. Eine Intervention aus dem Kontext der Gestaltarbeit setze er zum Beispiel stets aus einer systemischen Perspektive heraus ein. »Das Systemische ist meine Identität«, sagte er. Karl stellte irgendwann fest, dass er schon immer mit einer systemischen Haltung gecoacht habe, auch als er noch keine systemische Weiterbildung absolviert gehabt habe: Der Beziehungsaufbau mit Wertschätzung, die Aktivierung des Klienten, den Klienten zu befähigen, seine Lösung zu finden, Ressourcen zu suchen – all das sei ihm schon vorher eingängig gewesen. Mittlerweile – und das sei der Unterschied zu früher – tue er es allerdings »bewusst und geführt«. Das typisch Systemische sahen alle Interviewten in der spezifischen Haltung des Coaches, weniger in einem Methodenkanon. Die systemische Haltung sei in erster Linie charakterisiert durch die Ressourcenorientierung und -aktivierung, die Wertschätzung, das Einbeziehen des Kontextes der Teilnehmer, den Fokus auf das Individuum, die Prozessorientierung, das Ziel, die Perspektiven der Klienten zu erweitern, sowie die Sensibilität für die Haltungen und Ressourcen anderer. Die Interviewpartner hoben unterschiedliche Aspekte der systemischen Haltung besonders hervor. Für mehrere von ihnen stand im Vordergrund, »den Klienten ernst zu nehmen«, das heißt, den Werten, Zielen, Wünschen und

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Motivationen des Klienten Achtung zu schenken. Das mündige Individuum stehe im Mittelpunkt, so Svantje, oder, in einem Slogan formuliert: »Der Klient ist Experte für sein Leben – der Coach ist Experte für Methoden und Rahmen.« Robert ergänzte, dass die Beratungssituation ein gemeinsamer Prozess sei, »in dem die Lösung beim Klienten liegt und ich lediglich ein Unterstützer auf dem Weg zur Lösungsfindung bin«. Wichtig fand er, auch in dem Fall, dass Wünsche oder Ziele für den Klienten noch nicht realisierbar seien, diese dennoch aufzunehmen und Fragen zu stellen, die die Selbsteinschätzung anregen könnten (»Wie stellt der Klient sich vor, das Ziel zu erreichen? Erscheint ein Plan B denkbar und wie kann dieser aussehen, falls Plan A nicht zustande kommt?« usw.). Was den systemischen Ansatz außerdem besonders auszeichne, sei seine Handlungsorientierung. Systemische Interventionen helfen den Klienten dabei, auf der Basis des Erkennens von eigenen Stärken und Zusammenhängen in ihrem Leben bald ins Handeln zu kommen. »Ganz konkret sagen zu können: Was kann ich und was mache ich jetzt – das ist bestärkend und angenehm für die Leute«, sagte Matthias. Systemische Interventionen ermöglichten es dem Klienten, überschaubare, konkrete nächste Schritte zu tun, ohne weit in die Zukunft reichende Lebensentwürfe machen zu müssen. Systemische Methoden seien im Kontext des Karrierecoachings mithin als Teil einer Hilfe zur Selbsthilfe zu sehen. Matthias: »Die meisten Klienten machen eigentlich gar keine Radikalschritte, sondern schauen eher: Wie kann ich einen nächsten Schritt, der auch in die Berufsbiografie integrierbar ist, gehen? Und viele nächste Schritte hintereinander sind dann unter Umständen eine größere Veränderung.« Karl richtete seine Coachings darauf aus, dass er nicht in die Rolle des Ratgebers kommt, sondern dass der Klient sich Dinge erarbeiten muss. »Ein Coachee sagte einmal: ›Sie geben einem immer das Gefühl, dass man selber auf die Idee gekommen ist.‹« Mit dieser Haltung kommt Karl zu Interventionen, die seinen Klienten das Gefühl geben, im Coaching etwas zu bekommen, das »anschlussfähig ist und das aus ihrem Lebensbereich kommt«. Für Svantje war es bereits »ein grundsätzlich systemisches Vorgehen, zu sagen: Eine Antwort auf die Frage nach der Berufsorientierung zu finden, ist ein Prozess. Da kann ich mich nicht nur als Individuum sehen und auf der anderen Seite den Arbeitsmarkt, der mir etwas vorgibt. Das muss man schon in einem systemischen Gesamtkontext sehen.« Der Gesamtkontext bestand in ihrem Fall sowohl aus den individuellen Perspektiven des Klienten und der Situation auf dem Arbeitsmarkt als auch aus dem (Studien-)Fach. Im Karrierecoaching würden diese Kontexte beleuchtet und es würde versucht, eine umfassende Perspektive mit dem Ziel zu finden, konkrete Handlungsschritte von ihr abzuleiten.

Interviews mit Karrierecoaches

»Was muss jetzt getan werden?« Die Arbeitskontexte der Interviewten sind sehr verschieden. Wir wollten dennoch wissen, wo sie typische Anwendungsfelder des systemischen Ansatzes sehen. Die folgenden Einblicke und kurzen Berichte illustrieren die heterogene Praxis des Karrierecoachings. Sie lassen einen Blick auf die Arbeitswirklichkeit von systemischen Karrierecoaches zu und sollen exemplarisch zeigen, unter welchen Bedingungen systemische Methoden erfolgreich sind. Systemische Methoden lassen sich besonders gut einsetzen – das bestätigten mehrere der Interviewten –, wo das Anliegen des Klienten mit Orientierung oder Entscheidungsfindung verknüpft ist. Das seien für Svantje alle Anliegen, »die sich nicht mit einem Informationsangebot realisieren lassen«. Als besonders hilfreich erlebten die jugendlichen Klienten in den Coachings mit Robert systemische Methoden beispielsweise dann, »wenn sie noch wenig auf einen bestimmten Berufswunsch festgelegt waren«, sich also in einer Orientierungsphase befanden. »Die offenen Fragen der systemischen Beratung bieten hier vermutlich eine gute Möglichkeit, kreativ, vielfältig und auch mal ›querbeet‹ zu denken, was beim Entdecken eigener Stärken und Interessen ein wichtiger Schritt ist«, vermutete Robert. Ebenso gut eigneten sie sich für die Begleitung von Entscheidungsprozessen, wenn es zum Beispiel darum gehe, die Schule fortzusetzen oder stattdessen einen Ausbildungsplatz zu suchen. »Hier habe ich häufig Skalierungsfragen oder auch visualisierte Skalierungen eingesetzt«, sagte Robert. »Ebenfalls bieten sich aus meiner Sicht zum Beispiel Stuhlaufstellungen an, um die verschiedenen Entscheidungsstandpunkte und jeweiligen Konsequenzen zu analysieren und ›erlebbarer‹ zu machen«. Orientierungs- und Entscheidungsprozesse sind verknüpft mit der Selbsteinschätzung der Klienten, die durch systemische Interventionen unterstützt werden kann: Das galt jedenfalls für alle Anwendungskontexte, von denen die Interviewten berichten konnten. Die Selbsteinschätzung kann sich gemäß der Interviews auf eigene Interessen, Stärken, berufliche Neigungen, Bedürfnisse und so fort beziehen. Wo ein Klient »zu negativen Selbstdeutungen oder zu defizitorientierten Äußerungen neigt« (Robert), bieten die systemischen Methoden Möglichkeiten des Reframings. Ein Feld, in dem systemische Methoden auch von den Interviewten als effektiv geschätzt wurden, war das der Ziel- und Anliegenklärung. »Die Art und Weise, wie wir das machen, ist von der Systemik geprägt«, sagte Svantje. »Wie stark ich sie einsetze, mache ich vom Anliegen, von der Person und wie wir in Kontakt kommen, abhängig«. Bei der Ziel- und Anliegenklärung wendete Svantje zum Beispiel zirkuläre Fragen oder Perspektivenwechsel an.

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Weil Zielklärungen von Beginn an eine Rolle spielen würden, verwende sie systemische Methoden in der Regel bereits im Erstgespräch. Für Walter, der als Geschäftsführer in einem Beratungsunternehmen tätig ist und dort vor allem Führungskräfte coacht, eigneten sich systemische Methoden gut für Coachings im Allgemeinen. »Im Coaching, besonders im Business-Coaching haben wir es mit einer Kultur zu tun, die sehr handlungsund zielorientiert ist – weniger auf die Reflexion, auf die Frage ›Wie ist es dazu gekommen?‹. Das ist sehr kompatibel zum Systemischen. Das Systemische ist handlungsorientierter als andere Methoden, es geht um die Frage ›Was muss jetzt getan werden?‹«. Gerade Führungskräfte«, sagte auch Karl, würden im Coaching häufig dahin gebracht, andere Perspektiven einzunehmen und sich und andere genauer wahrzunehmen. »Die Leute sind oft in ihrem eigenen Kosmos unterwegs. Da fehlt oft das Gefühl dafür, wie ich eigentlich wahrgenommen werde«. Am Ende stehe dann als Ergebnis: »Wir haben gelernt, dass andere anders sind.« Ziel eines guten Coachings sei dann, so Karl, »zu verstehen, was das für die eigene Arbeit bedeutet: dass nicht mein Weg immer der richtige ist«. Im Career Service ihrer Universität arbeitet Svantje mit Studierenden und mit Absolventen, die sich in ihrer weiteren akademischen oder außerakademischen Berufslaufbahn orientieren wollen. Der Career Service bietet eine längere Begleitung an, die jedoch nicht alle Klienten in Anspruch nehmen – zumeist wegen der ohnehin schon großen Auslastung im Studium oder der Tätigkeit an der Universität. Svantje setzt viel auf die Veränderungen, die zwischen den Sitzungen geschehen: »Ich arbeite viel mit Arbeitsaufgaben. Die Leute müssen sich immer informieren, nur reine Kommunikation reicht nicht.« Eine Methode, die sie häufig anwende, bestehe zum Beispiel darin, die Klienten einfache Leitsätze formulieren zu lassen, »die beschreiben, was er machen möchte, mit wem und in welchen Kontexten«. Die Ergebnisse ordne sie dann gemeinsam mit dem Klienten Berufsfeldern zu. »Dann ist der Klient wieder dran, er muss suchen, zum Beispiel in Berufe.net«, beschrieb sie das weitere Vorgehen. Mit den Ergebnissen dieses Schrittes der Informationsbeschaffung komme der Klient in die nächste Sitzung und so fort. Nicht immer sei eine Kombination aus Informationssuche und systemischen, reflektierenden Prozessen jedoch angemessen. Manchmal seien die Anliegen der Klienten grundlegender, wie im Fall einer Promovendin. Ihre Frage war: Sollte sie promovieren oder nicht? »Da würde ich fragen«, sagte Svantje, »Was sind die Motive hinter dem Promotionswunsch? Vielleicht gibt es da ein Gefühl, das die Entscheidung für die Promotion nicht die richtige ist. Oder die Leute brauchen nur das Bewusstsein: Ja, gute Entscheidung, ich gehöre zu den Privilegierten, denen eine Promotionsmöglichkeit angetragen wurde. Ich

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nehme sie jetzt einfach an.« Es sei in solchen Fällen wichtig, hinter die Gründe zu schauen, damit der Klient zu einer klaren, eindeutigen Haltung kommen könne. Um einen solchen reflektierenden Zugang zu eröffnen, benutzt Svantje unter anderem systemische Methoden. Karl ist in einem ganz anderen Bereich tätig. Er war einige Jahre lang freiberuflicher Coach und Trainer, arbeitet jetzt für ein Beratungsunternehmen unter anderem mit Auszubildenden und mit Führungskräften. Seine Haltung im Coaching ist eine grundsätzlich systemische, seine Methoden folgen jedoch nicht streng einem bestimmten Ansatz. Er habe beobachtet, welche nachdrückliche Wirkung systemische Interventionen im Einzelfall haben könnten. Eine seiner Coachees sei eine Teamleiterin gewesen, die in Teamsitzungen auf einen Mitarbeiter gestoßen sei, der sie in jeder Sitzung kritisiert habe. Das ganze Team habe bereits verstimmt reagiert, die Leiterin habe sich nicht mehr zu helfen gewusst. Karls Rat an seine Coachee: »Schätzen Sie wert, was die Person kritisiert. Fragen Sie konkret nach, ob sie Lösungsvorschläge hat.« Im Grunde schlug Karl ihr also vor, Prinzipien systemischer Kommunikation in ihrer Teamsitzung anzuwenden. Beim nächsten Coachingtermin war die Teamleiterin begeistert: Das habe eine durchschlagende Wirkung gehabt. Der Kritiker habe sich völlig verändert. Auch das Team funktioniere auf einmal. Und sie bekomme die Rückmeldung, als Teamleitung souverän aufgetreten zu sein. »Systemische Methoden wirken über Dritte«, so Karls Fazit, »indem sich die Haltung der Teamleitung geändert hat«. Ein weiteres Beispiel aus der Praxis des systemischen Karrierecoachings kam von Matthias. Er ist einer von drei Partnern in einem Beratungsunternehmen und gleichzeitig Dozent an mehreren Universitäten. Seine Klienten kommen mit unterschiedlichen berufsbezogenen Anliegen zu ihm. Eine Klientin sei eine Kindergärtnerin gewesen, die sich beruflich habe verändern wollen, da sie sehr unglücklich mit ihrer Situation gewesen sei. »Wir haben miteinander gearbeitet«, erzählte Matthias, »ihre Stärken und Kompetenzen festgestellt, herausgearbeitet, wie es dazu kam, dass sie da ist, wo sie jetzt ist. Am Anfang von einem Coachingprozess generalisiert man die Unzufriedenheit: Wenn ich jetzt unzufrieden bin, dann war mein bisheriger Weg offenbar eine Gerade, die zielgenau auf die heutige schlechte Situation zusteuerte. Ich habe eine Kette von Fehlentscheidungen getroffen. Das ist häufig so. Sie hatte sich sozusagen einverstanden erklärt mit der Situation, wie sie heute ist. Sie ist dann aber nach unserer gemeinsamen Arbeit dahin gekommen, dass sie sagte: Nein, ich mache jetzt genau das, was ich gerade mache. Ich ändere meinen Weg nicht, sondern intensiviere das, was ich tue.« Nach Abschluss des Coachingprozesses habe sie weiter in ihrem Beruf gearbeitet, habe ihre Ein-

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richtung mit Hilfe von Sponsoren sogar noch zu einem Waldkindergarten ausgebaut. Matthias: »Sie hat sich besonnen und gesehen: Ich muss mich gar nicht umorientieren, ich mache schon, was ich gerne mache.« Ohne das Coaching hätte sie vermutlich gekündigt und einen anderen Berufsweg eingeschlagen. Eine Erfahrung, die alle Interviewten teilten, war, dass systemische Methoden in ihren Arbeitskontexten wirken würden. Zum Teil konnte die Wirksamkeit auf systematische Weise (durch Evaluationen) bestätigt werden. Matthias, in dessen Unternehmen Coachings evaluiert werden, fand bestätigt, dass die Klienten »besser mit Stress umgehen können, proaktiver sind, höhere internalisierte Kontrollüberzeugungen haben, höhere Selbstwirksamkeitsüberzeugungen haben. Auf dieser Grundlage suchen sie mehr nach Beschäftigung und erreichen mehr Beschäftigung«. »So geht das gar nicht« Systemische Methoden haben jedoch auch Grenzen. Die Interviewten gaben an, wo sie Erfahrungen mit den Grenzen der Systemik gemacht hatten. Das war vor allem: ȤȤ dort, wo Klienten nicht disponiert waren, auf die Spezifika der Methode bzw. der systemischen Haltung einzugehen, sie zum Beispiel informationshaltige Aussagen des Coaches brauchten und keine Einladung zur Selbstreflexion haben wollten. Manche Klienten wollten sich nicht mühsam Dinge erarbeiten. »Es gibt Klienten, die gar nicht so viel reflektieren wollen, die hören wollen, was sie tun können«, sagte Matthias. In manchen Bereichen war der Einsatz systemischer Methoden nur bedingt möglich. Die Klienten in einer Outplacementberatung etwa erwarteten von ihrem Berater: »Unterstützen Sie mich, geben Sie mir Tipps, rufen Sie irgendwo für mich an.« »Hilfe zur Selbsthilfe funktioniert da nur bedingt«, sagte Karl. Klienten mit geringer Selbstwirksamkeitserfahrung oder einer geringen Wahrnehmung für die Notwendigkeit proaktiven Handelns täten sich schwer mit Reflexion fordernden Coachingszenarien. Das habe auch mit ihrer Qualifikation zu tun, bestätigte Robert. Er hielte es gelegentlich für hilfreich, »berufsbezogene Informationen zu geben, wenn zum Beispiel Klienten sehr eingeschränkte Medienkompetenz haben oder nur bedingt kognitive Ressourcen und Reflexionsfähigkeit mitbringen«. ȤȤ im Setting: Die Arbeitsagentur zum Beispiel braucht keine individualisierten Daten, wie sie als Resultat in systemischen Coachings entstehen. Damit »könnte die Arbeitsagentur nicht arbeiten, sie braucht eher Daten, die zu Algorithmen passen«, sagte Matthias.

Interviews mit Karrierecoaches

ȤȤ dort, wo Zeitersparnis im Vordergrund steht. In der Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen beispielsweise war es für Robert »hilfreich und/oder zeitsparend, Informationen im Rahmen des beruflichen Rechercheprozesses, zum Beispiel in Form von Broschüren, Flyern auszuhändigen«. Institutionelle Rahmenbedingungen ließen einen zeitaufwändigeren Prozess oft nicht zu. »Berufsorientierungs- und persönliche Zielklärungsprozesse haben in den heutigen Studienkonzepten wenig Platz«, erklärte Svantje aus der Sicht des Coachings im akademischen Career Service. Die Zeit, die dem eingeräumt werde, reiche daher leider manchmal nicht aus. ȤȤ in der Methode selbst: »Lösungsfokussierte Fragen können auch einen Lösungsdruck auslösen«, sagte Karl. »Wenn ich noch komplett eingenebelt bin, ohne eine Lösungsmöglichkeit zu sehen, habe ich ein Problem mit lösungsfokussierten Fragen.« Das spezifische Methodenrepertoire der Systemik überfordere Klienten in solchen Fällen schnell. ȤȤ in zu großer methodischer Selbstbeschränkung. »Die konstruktivistische Idee, es gäbe keine Wirklichkeit außerhalb des Dialogsystems, verführt manchmal dazu, dass ich etwas wahrnehme bei meinem Kunden, von dem ich denke ›So geht das gar nicht‹, und es ihm aber nicht zurückspiegele«, stellte Walter fest. Andere Ansätze wie die von ihm ebenfalls eingesetzte Gestaltarbeit würden an dieser Stelle ein Feedback geben. »Systemik«, so Walter weiter, »stellt manchmal die Wirklichkeitskonstruktion des Klienten zu wenig in Frage.« ȤȤ schließlich in den Persönlichkeiten des Coaches und des Klienten. »Mit manchen Klienten kommt man auch nicht zusammen«, sagte Svantje. Diesen empfehle sie dann, andere Hilfssysteme aufzusuchen, beispielsweise die Agentur für Arbeit. »Rein in die Teilnehmerrolle!« Nicht jeder ist gleichermaßen geeignet und geneigt dazu, als systemischer Karrierecoach zu arbeiten. Worin sahen unsere Interviewpartner die besonderen Anforderungen an die Person des Coaches im systemischen Karrierecoaching? Hatten sie Hinweise für Menschen, die erst noch systemischer Karrierecoach werden wollen? Der systemische Ansatz fordere die ganze Persönlichkeit des Coaches. Daher habe die Selbstreflexion einen hohen Stellenwert. Der Coach müsse zuerst selbst verstanden haben: »Was macht meine Persönlichkeit aus, was motiviert mich, was stresst mich«, betonte Karl. »Da muss ich viel Zeit inves­

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tieren. Ich muss mir bewusst werden, dass die Fragen, die ich stelle, bei dem anderen etwas auslösen.« Grundlage für die Beratung ist für Karl daher, »sich selbst zu kennen und zu verstehen, um andere besser zu verstehen«. Svantje bestätigte diese Einschätzung und riet: »Rein in die Teilnehmerrolle! Ich würde raten, eigene Beratungsprozesse zu organisieren und dort bewusst zu reflektieren: Wie geht es mir, wie werde ich begleitet, was gefällt mir?« Das Erlernen systemischer Methoden sei deshalb sehr oft verknüpft mit persönlicher Weiterentwicklung. Karl: »Ich habe oft von anderen gehört, dass ich mich persönlich weiterentwickelt hätte und es auch selbst gemerkt.« Eine gewisse persönliche Reife sei deshalb nach Einschätzung von Walter von Vorteil. »Wenn wenig Selbsterfahrung gekoppelt ist mit wenig Selbstsicherheit, ist das für mich ein Ausschlusskriterium für eine Coachingausbildung«, sagte er. Jung waren für ihn im Coachingbereich Personen unter dreißig Jahren. In jüngerem Alter sei es umso wichtiger für einen Coach, ein hohes Selbstbewusstsein oder ein »Gesettelt-Sein« mitzubringen, um überhaupt im Coaching arbeiten zu können. Es gebe oft Klienten (vor allem im Führungskräftecoaching), so Walter weiter, die sein »Standing«, also sein souveränes Auftreten, zu schätzen wüssten. In seinem Unternehmen sei er es sogar meist, der eben jene Klienten übernehmen müsse, die ein »Standing« ausdrücklich verlangen würden. Die Bedeutung des Auftretens weist auf einen weiteren Aspekt der Persönlichkeit des Coaches hin, die Fähigkeit, eine vertrauensvolle Beziehung zu seinem Gegenüber aufzubauen. Das Vertrauensverhältnis kann ein Coach durch sein Verhalten unterstützen. Karl zum Beispiel sorge dafür, dass er seinen Klienten gegenüber transparent bleibe, sage, was er in einer Sitzung mache. Zudem stelle er Fragen, höre gut zu, denke sich in den anderen hinein. Die Klienten schätzten das. Eine weitere wichtige persönliche Eigenschaft war für Walter die Fähigkeit, sich zu fokussieren, das heißt, sich auf das zu konzentrieren, was für das Coachinggespräch relevant sei. »Manche Kollegen hören in Gesprächen das Gras wachsen«, deuteten zu viel in die Aussagen des Klienten hinein. »Manchmal wächst das Gras auch, nur geht es dann gerade nicht darum.« Es sei mithin wesentlich, das Wichtige vom Unwichtigen trennen zu können und nur das Erste aktiv im Gespräch zu halten. Methodische Offenheit und Bereitschaft zu Variabilität in den Techniken kommen systemischen Karrierecoaches sehr zu gute. Walter zum Beispiel verwende auch Methoden aus der Gestaltarbeit. Robert arbeite viel mit kreativen Methoden oder Aufstellungen, »da hier vor allem in der Zusammenarbeit mit Jugendlichen deutlich mehr Erlebnisqualität und damit Interesse und Kreativi-

Fazit

tät geweckt werden kann als durch reine Gesprächstechniken«. Für Svantje ist die Methodenvielfalt ein integraler Bestandteil ihrer Arbeit: »Ich würde nie sagen, systemisches Coaching ist das Heilmittel für Karriereberatung. Deshalb haben wir so ein buntes Methodenportfolio.« Der Weg zum systemischen Karrierecoach erfordert rein formal keine spezifische Ausbildung. Systemische Coaches haben sehr unterschiedliche berufliche Vorbildungen und Berufsbiografien. Dennoch gaben die Interviewten den Rat, eine systemische Weiterbildung sei sehr hilfreich oder sogar notwendig, um im Karrierecoaching systemisch arbeiten zu können. Die praktische Erfahrung und die erfahrungsgeleitete Selbstreflexion seien jedoch wesentlich. »Erfahrungen machen, viel ausprobieren, eine Ausbildung in dem Bereich machen«, riet Karl, der zuerst Pädagogik studiert, dann freiberuflich und schließlich angestellt in sehr verschiedenen Coachingfeldern gearbeitet hat. Auch Svantje empfahl: »Auf jeden Fall eine Weiterbildung suchen und mit Learning-by-doing ergänzen. Am besten, man hat Gelegenheit, dabei mit einem Lehrcoach zusammenzuarbeiten. Bis man einen professionellen Handwerkskoffer zusammen hat, braucht es Zeit, Mut zum Ausprobieren und einen professionellen, kollegialen Kontext.« Matthias ergänzte aus der eigenen Erfahrung heraus, wie wichtig es für Karrierecoaches sein könne, die Arbeitswelt von innen kennengelernt zu haben. »Mir selbst hat es geholfen, alles Mögliche an Ferienjobs zu machen, dass ich alle möglichen Branchen kennengelernt habe, sodass ich viele Betriebe kennengelernt habe. Wie arbeiten eigentlich Leute, was machen Leute? Das kann man erkunden. Das sollte man selber auch mal machen.« Zu einer Erkundung haben Sie hoffentlich auch diese kurzen Eindrücke aus dem Arbeitsalltag von systemischen Karrierecoaches angeregt. Fühlen Sie sich dazu aufgefordert, Ihnen zu folgen und den systemischen Ansatz in Ihre eigene Beratungspraxis zu integrieren!

Hans-Jürgen Balz und Peter Plöger Fazit In diesem Kapitel ging es um Fragen der Praxis im systemischen Karrierecoaching. Besonders herausfordernde Situationen wurden thematisiert und dafür methodische Hinweise gegeben, immer mit der Einschränkung: Methoden sind nicht alles. Vor dieser Überbetonung der Methoden warnt auch Christoph Rauen (2009) im Vorwort zu seinem Buch »Coaching-Tools II«.

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Auch die Aussagen in den Interviews systemischer Coaches weisen auf den besonderen Stellenwert der eigenen Grundhaltung und des Selbstverständnisses hin. Nur in diesem Dreiklang aus Grundhaltung/professionellem Selbstverständnis, Setting/institutionellem Rahmen und methodischer Ausgestaltung realisiert sich ein professionelles Karrierecoaching. Die in der Einleitung formulierten Schlüsselwörter (Zielklärung, Kontextanalyse, Ressourcenaktivierung, Biografie und Netzwerkanalyse) wurden in ihrer methodischen Umsetzung kommentiert und durch Fallbeispiele verdeutlicht. Im Karrierecoaching begegnen sich beraterisches Handeln, die Persön­ lichkeits-/Kompetenzanalyse (Diagnostik), der Kompetenzerwerb (Training) und das Informationsmanagement. In einer partizipativen Grundorientierung (der Klient ist der Kundige; Jürgen Hargens, 2010) ging es um die Praxis von Prozessberatung in klarer Abgrenzung zur Expertenberatung. Dies ist sicher oft leicht gesagt und schwer getan, da die Entfernung zur Arbeitswelt bei einigen Klientengruppen relativ stark ausgeprägt ist und sich die Anschlussfähigkeit an die bestehende Arbeitsmarktsituation schwierig gestaltet. Damit sind Fragen der Chancen der Zielerreichung genauso verbunden wie die nach den Lernanforderungen und nach dem persönlichen Auftreten in Bewerbungssituationen und weiteren betrieblichen Kontexten. Abschließend folgen nun Hinweise auf weiterführende Literatur zum Thema »Anwendungsfragen im systemischen Karrierecoaching« (Literaturempfehlungen zur Karriereberatung siehe Literaturempfehlungen S. 62 f.). –– Beaulieu, D. (2005). Impact-Techniken für die Psychotherapie. Heidelberg: Carl-Auer. –– Collatz, A., Gudat, K. (2011). Work-Life-Balance. Göttingen: Hogrefe. –– Hildenbrand, B. (2005). Einführung in die Genogrammarbeit. Heidelberg: CarlAuer. –– Möller, H., Kotte, S. (2013). Diagnostik im Coaching: Grundlagen, Analyseebenen, Praxisbeispiele. Berlin: Springer. –– Theuretzbacher, K., Nemetschek, P. (2009). Coaching und systemische Supervision mit Herz, Hand und Verstand. Stuttgart: Klett-Cotta.

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Ein Ende ohne Schlussstrich

Das Buch beschreibt einen beinahe zweijährigen Weg des Reflektierens unserer Erfahrungen in Coaching, Supervision und Weiterbildung. Es ist auch Produkt des Sammelns und Sichtens der zwar zahlreichen, aber auch sehr verstreuten und heterogenen Coachingliteratur. Insbesondere suchten wir eine TheoriePraxis-Integration, das heißt, das reine Zusammentragen von Methoden und Praxiserfahrungen genügte uns nicht. So entstanden die Theoriekapitel im ersten Teil des Buches. Wir hoffen, als Leser haben Sie sich davon genommen, was Ihnen bedeutsam war, und konnten von den methodisch geprägten Kapiteln im zweiten Teil Anregungen und Gestaltungsideen für Ihre Praxis erhalten. Wir möchten Sie hier noch einmal ausdrücklich auffordern: Benutzen Sie das Buch ruhig wie eine Art Werkzeugkoffer, nehmen Sie sich heraus, was Sie in Ihrem Beratungsalltag am besten gebrauchen können. Der systemische Ansatz hat den großen Charme, dass er zahlreiche theoretische Strömungen und methodische Ausrichtungen integriert. Der Haltung kommt im systemischen Karrierecoaching eine Schlüsselfunktion zu, im Sinne eines erfahrungsbasierten professionellen und durch Selbstreflexion gekennzeichneten Arbeitsstils. Eine systemische Grundhaltung fördert Bescheidenheit gegenüber dem, Anschlusssuche mit dem und Ressourcenstärkung des Klienten. Diese Erkenntnis relativiert auch die Optimierungsidee einiger Coachingbücher, in denen Kompendien der besten Tools bzw. Fragen zum Coaching angepriesen werden. Methoden müssen jeweils zu der Grundhaltung des Coaches passen, das heißt, er sollte sie jederzeit im Hinblick auf das damit verbundene Weltbild vertreten und unter Nützlichkeitsgesichtspunkten kritisch bewerten können. Wichtiger als bunte Einzelmethoden ist der rote Faden durch den Prozess und die Haltung in der unterstützenden Beziehung mit dem Klienten. Insbesondere das Verantwortungssplitting in Prozessbegleitung durch den Coach und Entscheidungshoheit bezüglich der Ziele beim Klienten ist eine wichtige Richtschnur im Coaching.

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Was wir leisten wollten und was offen bleiben musste Wir hoffen gezeigt zu haben, dass systemisch-lösungsfokussiertes Karrierecoaching einen eigenen methodischen Zugang im Karrierecoaching darstellt – einen Zugang, der bei den sich neu und erweitert stellenden Fragen des Verhältnisses von privater und beruflicher Lebenslinie, von persönlichen Selbstverwirklichungswünschen und komplexer werdenden Berufsanforderungen nachhaltig zu unterstützen in der Lage ist. Die neue Unübersichtlichkeit braucht eine tragfähige und von Modetrends unabhängige Methodik. Hier gilt es, ein klares Beziehungsangebot zu machen (stabilisierender Faktor), und dies neben die Gestaltungsaufgabe der beruflichen (Neu-)Orientierung bzw. der beruflichen Einmündung in eine neue berufliche Tätigkeit zu stellen. Ein allgemeingültiges Modell für das systemisch-lösungsfokussierte Kar­ riere­coaching findet sich hier letztlich nicht. Wichtiger war uns, für den Leser ein praxisorientiertes Buch über die sich im Karrierecoaching stellenden Fragen und deren Antworten aus systemisch-lösungsfokussierter Sicht bereitzustellen. Deutlich wird beim Lesen der breit gefächerten Coachingliteratur, dass einzelne systemische Grundsätze (zum Beispiel präzise Ziel- und Auftragsklärung, Einbeziehung des sozialen Kontextes) vielfältig aufgegriffen wurden und beinahe eine Selbstverständlichkeit im Coachingverständnis geworden sind. Uns erscheint es wichtig, dass die Kenntnis der sich wandelnden Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse, der vorliegenden Berufswahltheorien und der für die systemisch-lösungsfokussierte Grundhaltung wichtigen konstruktivistischen Annahmen ein breiteres Fundament für ein professionelles Karrierecoaching bieten. Eine sehr interessante Perspektive erscheint uns die helfende Kraft der Gruppe im Karrierecoaching zu sein. Dies gilt sowohl für die soziale Unterstützung, die Schaffung eines konstruktiven Lernraums, die Gruppenrückmeldung (über die wahrgenommenen Kompetenzen) und die soziale Entlastung (durch gemeinsame Erfahrungen). Im Sinne der Peer-Education sind Lernschritte von Betroffenen für Betroffene oft viel effektiver und stärken (auch in der Gruppe) das Bewusstsein der Eigenverantwortlichkeit für die persönliche Entwicklung (Storch u. Krause, 2007, S. 151 ff.). Auch wenn wir hier insbesondere Fallbeispiele aus unserer Praxis des Einzelcoachings vorgestellt haben, sollte die Gruppenperspektive im Karrierecoaching stärker mitgedacht werden. Der Exkurs zur Bedeutung der Diagnostik im Karrierecoaching (S. 204 ff.) ging auf einen Disput des systemischen Ansatzes mit der traditionellen Psychodiagnostik ein. Es galt aufzuzeigen, dass die Gewinnung und Bewertung

Der Karrierecoach als Unterstützer in existenziellen Fragen

von Informationen im Karrierecoaching ein integraler Bestandteil für eine Weiterentwicklung des persönlichen und beruflichen Selbstverständnisses der Klienten darstellt. In diesem Zusammenhang wird es noch weiter notwendig sein, über die Integration folgender drei Informationsquellen zu diskutieren: ȤȤ Selbstwahrnehmung und -bewertung, ȤȤ Wahrnehmung durch den sozialen Kontext (Unterstützer und Organisati­ onsvertreter) und ȤȤ standardisierte Fremdbeschreibung und -beurteilung durch diagnostische Methoden (Leistungs- und Persönlichkeitstests, Arbeitsproben und anderes). Der Mehrperspektivenzugang zählt zu den besonderen Stärken des systemischen Paradigmas. Insofern darf es hier auch keine Denkverbote hinsichtlich der Nützlichkeitsüberlegungen von traditionellen diagnostischen Instrumenten geben. Insbesondere im Kontext von systematischer Prozessdiagnostik (Vorher-Während-Nachher) könnten Entwicklungs- und Trainingseffekte während des Karrierecoachings durch standardisierte Instrumente erfasst und belegt werden und so zur persönlichen Weiterentwicklung des Klienten beitragen. Arbeit ist der intensivste Austausch zwischen Menschen und der für die Menschheit wichtigste Motor. Insofern ist auch die Berufssuche nur als ein gemeinsamer und auf wechselseitige Unterstützung angewiesener Lern- und Entwicklungsprozess zu verstehen. Es ist wichtig im Karrierecoaching der Kraft der unsichtbaren familiären Bindungen einen Raum zu geben (zum Beispiel dem Wunsch, »alte familiäre Zöpfe abzuschneiden«, der Ressourcenhaltigkeit familiärer Beziehungen oder dem Verhinderungspotenzial in den familiären Vermächtnissen), aber im Angesicht dieser Bindungen auch die persönliche Weiterentwicklung und Autonomie der Klienten zu fördern.

Der Karrierecoach als Unterstützer in existenziellen Fragen Fragen der beruflichen Selbstverwirklichung haben heute mehr Chancen darauf, gestellt und positiv beantwortet zu werden. Insofern rücken allgemeine Lebensberatung und Karrierecoaching thematisch enger zusammen. Diese Entwicklung gewinnt an Dynamik in einer Zeit, die in der wirtschaftsnahen Presse als »der Kampf um die schlauen Köpfe« bezeichnet wird. Ein Karrierecoaching, das sich methodisch gegenüber allgemeinen Fragen der Lebensgestaltung öffnet, ist eher in der Lage die Lebenswelt der Klienten zu integrieren und nachhaltige berufliche Perspektiven bzw. Problemlösungen zu finden.

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Arbeit ist längst kein Thema mehr, das überwiegend mit Existenzsicherung verbunden wird. Sie wird im Gegenteil zu einem Thema, das mehr und mehr im Zusammenhang mit den Bedingungen einer gelingenden Existenz des Individuums gesehen wird. Menschen stellen vermehrt Sinnfragen, so auch die Frage nach dem Sinn, den Arbeit in ihrem Leben spielt bzw. spielen soll. Arbeit wird damit zu einem Bestandteil des guten Lebens. Das gute Leben und wie es zu erreichen wäre, ist wiederum eine alte Frage der Philosophie. Nicht ohne Grund wenden sich Menschen heute den wachsenden Angeboten philosophischer Kontemplation zu und schließen darin auch ihre Arbeit ein. Für Karrierecoaches bedeutet das, dass ihr Gegenstand einer ist, der nicht bloß im materiellen, sondern auch im ideellen Sinne an existenziellen Fundamenten rührt. Wer sich mit den Bedingungen des Gelingens von Erwerbsbiografien unter den Gegebenheiten einer immer komplexer werdenden Arbeitswelt beschäftigt, beschäftigt sich im Grunde mit dem Problem des gelingenden Lebens. Klienten könnten das auch allein tun. Dazu finden sie Angebote in der Ratgeberliteratur, in Zeitschriften, in Seminaren oder in Onlineportalen, so zum Beispiel zu den Themen »Traumjob«, »Selbstcoaching« oder »Karriereberatung«. In der Regel genügt das aber nicht, und das hat seine Ursache. Existenzielle Fragen von grundlegender Bedeutung für den Einzelnen sind per se Fragen, die ein ganzes Spektrum an verschiedensten Anliegen generieren. Das Karrierecoaching durch einen ausgebildeten Coach bietet die Chance, diese Anliegen an einem Punkt zu versammeln, zu strukturieren und einer integrierten Lösung zuzuführen. Damit öffnen sich Möglichkeiten, der existenziellen Tragweite des Themas Arbeit gerecht zu werden. Einen systemischen Karrierecoach kann man in diesem Sinne als einen Begleiter verstehen, der seinen Klienten den Weg zu einem gelingenden Leben ein Stück weit ebnet. Dabei nimmt er sich deren disparater Bedürfnisse und Anliegen nach Unterstützung an, zum Beispiel den Bedürfnissen nach Informationen, Struktur, Orientierung, realistischen Zielen, Beruhigung, Zuversicht sowie Motivation und Initiative zum Handeln. All diese Bedürfnisse können in der Coachingsituation konzentriert aufeinandertreffen. Dieser Umstand macht jedes Coaching zu einer potenziell komplexen Situation. Auch für systemisch arbeitende Karrierecoaches besteht also die Herausforderung darin, bedürfnisund methodenintegrierend zu arbeiten. Einem Informationsbedarf (»Wo finde ich Möglichkeiten, mich über ein bestimmtes Berufsfeld zu informieren?«) müssen sie anders begegnen als dem Bedarf nach motivationaler Unterstützung. Es gilt für den Coach, diese unterschiedlichen Bedürfnisse über die ganze Strecke des Prozesses im Auge zu behalten und zu prüfen, ob und wie sie sich im Laufe der Zeit wandeln.

Ein Schritt zu einem systemischen Trainingsprogramm zur Karriereentwicklung

Das hat auch Folgen für die disziplinäre Zuordnung von Coaching. Im Karrierecoaching gilt es mit den drei konzeptionellen Elementen Beratung, Training und Informationsmanagement zu arbeiten. Nur in der Kombination von Beratung und Erweiterung der Handlungskompetenz durch Training und Informationsmanagement ist Coaching von Beratung qualitativ abzugrenzen. Diese Elemente gilt es zu verbinden und auf ein gemeinsames theoretisches Fundament zu stellen. Die Entwicklung eines systemisch fundierten Trainingsprogramms zur Karriereentwicklung wäre hierzu ein wichtiger Beitrag. So könnten auch die Übergänge zwischen den beiden methodischen Zugängen (Beratung und Training) leichter hergestellt werden.

Ein Schritt zu einem systemischen Trainingsprogramm zur Karriereentwicklung Es ist für uns von großem Reiz, über dieses Buch hinaus zu gehen und ein Trainingsformat zu entwickeln, das die hier diskutierten Elemente in einem stringenten Programm vereint. In einem solchen systemisch-lösungsfokus­ sierten Trainingsprogramm wären zu integrieren: ȤȤ zielklärende Übungen (Visionsbildung, Zielpräzisierung und Nutzenabwägung), ȤȤ Selbstreflexion des (berufs-)biografischen Lebensweges; Analyse von Daseinsthemen, Sinnfragen und Berufsideen, ȤȤ eine Netzwerkanalyse in drei Richtungen: a) Was und wer hat zur Entstehung des Berufsproblems beigetragen, b) wer kann Unterstützer bei der beruflichen Veränderung bzw. beim Berufsstart sein und c) wer ist von einer beruflichen Veränderung betroffen, das heißt, wer wäre ein natürlicher Unterstützer bzw. Widerpart/Gegner? ȤȤ ein Berufegenogramm zur Analyse des familiären Berufshintergrunds, ȤȤ eine Planung und Ausgestaltung wichtiger Entwicklungsschritte in der Berufssuche, ȤȤ die Aneignung von situationsübergreifenden Fähigkeiten zur Gestaltung von Übergängen innerhalb der eigenen Berufsbiografie, ȤȤ eine motivationale Förderung, ȤȤ und eine Analyse potenzieller Stolpersteine. Im Sinne eines gemeinsamen Lernprozesses mit Ihnen als Leser freuen wir uns auf Ihre Rückmeldung und Ihre Anregungen sowie auf die Diskussion der von uns angesprochenen offenen und anderer auf dem thematischen Weg

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des Buches liegender Fragen. In diesem Sinne: Lassen Sie uns gedanklich ein gemeinsames Stück des Weges gehen – ganz wie Sigmund Freud es (sinngemäß) formuliert hat: Die Arbeit ist das stärkste Band des Menschen an die Realität.

Anhang: Instrumente für das Karrierecoaching und Materialien zur Selbstanalyse

Übersicht Anhang 1: Das PELZ-Modell im Karrierecoaching . . . . . . . . . . . . . 247 Anhang 2: Das berufliche Auftragskarussell (Selbstreflexion für Coaches) 249 Anhang 3: Anliegenklärung bei eingeschränkt freiwilligen Klienten . . . . 252 Anhang 4: Meine berufliche Lebenslinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Anhang 5: Berufliche Visionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Anhang 6: Analyse der beruflichen Exzellenz . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Anhang 7: Zeitreise zum 80. Geburtstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Anhang 8: Feedback zu Kompetenzen und Ressourcen . . . . . . . . . . 262 Anhang 9: Die Verschreibung der Noch-nicht-Veränderung . . . . . . . . 264 Anhang 10: Wunderfrage mit Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Anhang 11: Das Berner Ressourceninventar . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Anhang 12: Übung zum Inneren Team . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Anhang 13: Timeline zur beruflichen Entwicklung und aktuellen Entscheidungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Anhang 14: Arbeit mit Stühlen bei Entscheidungssituationen . . . . . . . 275 Anhang 15: Arbeit mit dem Beziehungsbrett . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Anhang 16: Übung zu Vor- und Nachteilen vom Sich-(nicht)-Entscheiden 279 Anhang 17: Bilanz meiner Work-Life-Balance oder: Wo bleibt nur die Zeit? 281 Anhang 18: Lebensthemen anschaulich besprochen oder: Der Blick ins Wasserglas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Anhang 19: Arbeit mit dem Berufegenogramm . . . . . . . . . . . . . . . 285 Anhang 20: Berufliche Stolpersteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Anhang 21: Arbeit mit dem Reflektierenden Team . . . . . . . . . . . . . 289 Anhang 22: Tagebuch des gelungenen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . 291

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Anhang

Die Vorstellung der Instrumente und Übungen erfolgt anhand der folgenden Punkte. Dabei kommen als Piktogramme zum Einsatz: Beschreibung der Ziele des Instruments/der Übung. Es folgen Angaben zum Nutzen und zu möglichen Arbeitsformen. Zeit, die zur Durchführung der Methode bzw. Übung benötigt wird. Materialien, die zur Durchführung benötigt werden. Es folgen die Quellenangabe und der Verweis auf das Kapitel im Buch, zu dem der Anhang gehört und in dem auf das Instrument/die Übung hingewiesen wird. Beschreibung des Ablaufs und der Instruktionen bei der Anwendung bzw. Durchführung. Punkte, die besondere Beachtung erfordern. Das gesamte Material des Anhangs steht kostenlos zum Download zur Verfügung. Den dafür benötigten Link und Zugangscode finden Sie auf S. 309 in diesem Buch.

Anhang 1

Anhang 1 Das PELZ-Modell im Karrierecoaching Das PELZ-Modell wurde im Norddeutschen Institut für Kurzzeittherapie (NIK) für das Erstgespräch mit Paaren, Familien, Kindern und Jugendlichen entwickelt. Es bietet in der hier vorgestellten Form einen Leitfaden für zentrale Themen des Erstgesprächs im Karrierecoaching. Nutzen: Integration von Anliegen-, Ziel- und Ressourcenklärung. Mögliche Arbeitsform(en): Einzel- und Mehrpersonengespräche. 50–60 Minuten. keine; evtl. Visualisierung zentraler Aussagen an der Flipchart. Quelle: Vogt-Hillmann, M. (2002). Klinische Interviews mit Kindern und Jugendlichen systemisch-lösungsorientiert gestalten. In M. Vogt-Hillmann, W. Burr (Hrsg.), Lösungen im Jugendstil: systemisch-lösungsorientierte kreative Kinder- und Jugendlichentherapie (S. 15–43). Dortmund: Borgmann. S. 27. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Einstieg oder das Wichtigste zuerst«, S. 137 ff. Orientieren Sie sich hinsichtlich der Fragen, die Sie im Erstgespräch stellen, an folgenden vier, aufeinander aufbauenden Fragekomplexen: 1. Fragen zur Problemwahrnehmung und -beschreibung: •• »Wer hatte die Idee für unser Gespräch?« •• »Wie sehen andere Personen es, dass Sie mich aufsuchen?« •• »Wer ist dafür und aus welchen Gründen? Wer ist dagegen?« •• »Was ist der aktuelle Anlass, das Karrierecoaching zu beginnen?« •• »Worin besteht für Sie das Problem?« •• »Worin besteht für andere Personen in Ihrem Umfeld das Problem bzw. die Schwierigkeit?« •• »Wer ist am stärksten davon betroffen, wer am wenigsten?« •• »Wer hat das Problem zuerst formuliert?« •• »Mit wem wurde darüber gesprochen?« •• »Wer weiß davon?«

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2. Fragen zu Erklärungsmodellen: •• »Wie erklären Sie sich, dass es zu dem Problem gekommen ist?« •• »Wie erklären es sich die anderen Personen?« Wenn die Erklärungen verschieden sind: •• »Welche Erklärungen sind sonst noch für das Problem vorhanden? Wie wird damit umgegangen, welche Konsequenzen hat dies?« •• »Welche anderen möglichen Erklärungen gibt es, die noch nicht besprochen wurden?« 3. Fragen zu Lösungsversuchen: •• »Was haben Sie bisher versucht, um eine Lösung zu finden?« •• »Wie genau haben Sie dies versucht?« •• »Was und wie haben andere Personen versucht, Lösungen zu finden?« •• »Wie waren die Ergebnisse?« •• »Was war besonders hilfreich?« •• »Welche Lösungsideen gab es, die noch nicht versucht wurden?« •• »Welche Ergebnisse wären davon zu erwarten?« •• »Gibt es weitere Ideen?« 4. Fragen zu Zielen: •• »Welche Ziele haben Sie für unser Gespräch?« •• »Welches Ziel haben andere Personen?« •• »Woran werden Sie und werden andere erkennen, wenn das Ziel erreicht ist?« •• »Wann war es bisher schon ein bisschen so wie der Zielzustand?« •• »Was haben Sie da gemacht? Was haben andere getan?« •• »Was werden die nächsten Hinweise sein, dass Sie näher an Ihr Ziel herangekommen sind?« •• »Wer wird dies zuerst bemerken?« •• »Was müssten wir hier im Coaching tun, um dem Ziel etwas näher zu kommen?«

Anhang 2

Anhang 2 Das berufliche Auftragskarussell (Selbstreflexion für Coaches) Das Auftragskarussell dient dem Kennenlernen der verschiedenen Anliegen und Aufträge relevanter Personen und Vertreter von Institutionen. Als Teil der Kontextklärung schafft es zu Beginn eines Coachings eine wichtige Grundlage, um einen Kontrakt mit dem Klienten zu schließen, mögliche Interessenlagen und -konflikte zu analysieren und dies im Coaching zu berücksichtigen. Die Auftragsklärung ist zu Beginn eines Coachings notwendig und empfiehlt sich erneut bei festgefahrenen Beratungssituationen. Das Wahrnehmen der im Coaching bestehenden Anliegen ist eine Voraussetzung für systematische und zielgerichtete Arbeit. Erläuterung: Anliegen können klar formuliert sein (zum Beispiel: »Hilf mir, meine Angst zu überwinden«) oder/und unausgesprochene Wünsche, Intentionen, moralische Wertvorstellungen und Ähnliches sein. Die ersteren Anliegen werden von einer äußeren Person benannt und sind so verhandelbar. Die letzteren können von äußeren, aber auch von inneren Personen kommen. Mit inneren Personen werden eigene Anteile des Coaches bezeichnet (zum Beispiel aus der Familiengeschichte – die strenge Großmutter, der leistungsorientierte Vater). Es ist zu fragen, ob und in welcher Form diese inneren Personen Einfluss auf die Handlungen, Gedanken und Emotionen während der Beratung nehmen. Nutzen: Bewirkt beim Coach eine ganzheitliche Problembetrachtung und erleichtert es ihm, sich Zugänge zu möglichen Unterstützern des Klienten und zu Personen bzw. Institutionen, die im Widerspruch zu den Zielen des Klienten stehen, zu verschaffen. Es werden auch nicht anwesende Personen/Institutionen einbezogen. Auf diese Weise unterstützt das Auftragskarussel die Klärung von Dreieckskontrakten und komplexere Systemkonstellationen. Mögliche Arbeitsform(en): Selbstreflexion des Coaches; zur Verdeutlichung und Einbeziehung nicht ausgesprochener Aufträge kann dieses Instrument auch gemeinsam mit dem Klienten genutzt werden. 45–60 Minuten.

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Papier, Stifte. Quelle: Schlippe, A. von (1996). Das Auftragskarussell. In H. Schindler (Hrsg.), Unheimliches Heim. Von der Familie ins Heim und zurück!?! Familientherapeutische und systemische Ideen für die Heimerziehung (S. 135–143). Dortmund: Verlag Modernes Lernen; Schlippe, A. von (2003). Grundlagen systemischer Beratung. In B. Zander, M.  Knorr (Hrsg.), Systemische Praxis der Erziehungs- und Familienberatung (S. 30–54). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Selbstreflexion des professionellen Helfers als Teil des Unterstützungssystems« S. 212 f. Stellen Sie sich die Coaching-Situation vor, die Sie analysieren wollen. Schreiben Sie Ihren Namen in die Mitte Ihres quergelegten Arbeitsbogens und rahmen Sie ihn ein. Denken Sie nun über folgende Fragen nach: Welche Personen sind in dieser Situation unmittelbar beteiligt? Welche weiteren Personen bzw. Vertreter von Institutionen haben ein Anliegen bzw. ein Ziel für den Verlauf des Coachings und seine Ergebnisse? Listen Sie die Personen bzw. Vertreter von Institutionen zunächst bitte auf einem anderen Blatt auf. Geben Sie den auf dem zweiten Blatt aufgelisteten Personen/Institutionen nun einen Platz auf Ihrem ersten Blatt, das heißt: Gruppieren Sie sie um Ihren Namen herum. Welche inneren Personen, das heißt, welche Ihrer eigenen inneren Anteile, sind relevant für die Situation? Überlegen Sie sich dazu, welche Menschen aus Ihrer eigenen Geschichte in dieser Situation eine Botschaft für Sie in Ihrer Arbeitssituation hätten, zum Beispiel Ihr früherer Lehrer, Ihre Eltern usw. Geben Sie diesen inneren Personen einen Namen oder ordnen Sie ihnen ein Symbol zu und geben Sie dem Namen oder dem Symbol ebenfalls einen Platz auf dem ersten Papier. Gehen Sie nun die Personen/Institutionen durch und schreiben Sie das Anliegen bzw. den Auftrag auf, den diese a) ausgesprochen haben oder b) den Sie als ein unausgesprochenes Anliegen vermuten bzw. wahrnehmen. Wie würden die Anliegen als eine Botschaft formuliert lauten? Schreiben Sie sie zu den Personen und geben Sie hierbei den ausgesprochenen und unausgesprochenen Anliegen verschiedene Farben.

Anhang 2

Wenn dies abgeschlossen ist, alle Personen/Institutionen mit einem Anliegen benannt und ihr Anliegen daneben formuliert ist, dann betrachten Sie Ihr Auftragskarussell und stellen sich folgende Fragen: –– An welchen Anliegen orientiere ich mich (hauptsächlich)? –– Welche Aufträge sind für mich schwierig? Warum? –– Welche Aufträge wiedersprechen sich? –– Welche Aufträge wünsche ich noch genauer kennenzulernen? –– Welchen Aufträgen wünsche ich mehr zu berücksichtigen bzw. zu entsprechen? Wie? –– Welche Handlungsperspektiven sehe ich aus den vorliegenden Anliegen? Was würde ich nun planen und umsetzen wollen?

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Anhang 3 Anliegenklärung bei eingeschränkt freiwilligen Klienten In der Arbeit mit unfreiwilligen Klienten (zum Beispiel bei vom Jobcenter oder der Arbeitsagentur zum Coaching verpflichteten Klienten) braucht die Auftragsklärung besondere Aufmerksamkeit. Hier gilt es ein Splitting zwischen dem Auftrag der entsendenden Person oder Institution und der zum Coaching erschienenen Person vorzunehmen. Nutzen: Klärung der Anliegen verschiedener Personen; Suche nach differenten und übereinstimmenden Anliegen/Zielen; Klärung der Voraussetzungen für einen Kontrakt mit den Klienten. Mögliche Arbeitsform(en): Einzelgespräch. 10–20 Minuten. Stifte; evtl. Visualisierung an der Flipchart. Quelle: Walter, J. L., Peller, J. E. (2015). Lösungs-orientierte Kurztherapie: Ein Lehrund Lernbuch (7. Aufl.). Dortmund: Verlag Modernes Lernen. S. 289 f. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Einstieg oder das Wichtigste zuerst«. S. 137 ff. Für die Klärung der jeweiligen Anliegen der verschiedenen beteiligten Personen und der Voraussetzungen für einen Kontrakt mit der anwesenden Person hat sich die folgende Fragenstruktur als hilfreich erwiesen: –– »Wessen Idee war es, dass Sie hierher kommen?« –– »Was veranlasste X, (die Person oder Vertreter einer Institution, die das Coaching veranlasst hat) dazu, zu denken, dass unser Gespräch hilfreich sein könnte? Was genau? Was noch?« –– »Was möchte X, das sich verändert? Was noch?« –– »Was davon wollen Sie erreichen?« Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, wie der Klient auf die Fragen oben antwortet/reagiert, und je nachdem, wie er reagiert, sind andere weiterführende Fragen zu stellen:

Anhang 3

Antwortart 1: Klient nennt ein präzises Anliegen –– »Wie könnte unser Gespräch dazu beitragen? Was wünschen Sie sich an Unterstützung?« –– »Was noch?« Antwortart 2: Klient sagt: »Nichts davon.« –– »Was sonst möchten Sie hier erreichen?« Antwortart 3: Klient nennt Änderungswunsch, bleibt in seiner Antwort allerdings eher allgemein (z. B. Zufriedenheit in der Arbeit). –– »Was genau möchten Sie verändern?« Dem schließen sich weitere Fragen zur Zielpräzisierung an: –– »Haben Sie bereits etwas unternommen, um Ihrem Ziel näher zu kommen?« –– »Welche Wege kann es noch geben?« –– »Woran werden Sie erkennen, dass …« –– »Wie kann ich Sie dabei unterstützen?« Antwortart 4: Klient sagt: »Nichts davon und auch nichts anderes.« Das heißt: Er hat keinen Änderungswunsch. –– »Gibt es Konsequenzen für Sie oder andere, wenn sich nichts ändert?« –– »Was davon möchten Sie vermeiden? Was könnten Sie dafür tun, dass die Konsequenzen nicht eintreten?« –– »Was könnte unser Coaching dazu beitragen? Was müsste hier geschehen?«

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Anhang 4 Meine berufliche Lebenslinie In dieser Übung geht es um die Selbstreflexion bisheriger beruflicher Entwicklungsetappen. Der Klient wird dazu angeregt, den zeitlichen Verlauf der Entwicklung, zentrale Themen, Wünsche, Berufsfelder und wichtige Einflussfaktoren zu betrachten. Nutzen: Vertiefung der biografischen Selbstexploration. Mögliche Arbeitsform(en): Nach der Eigenarbeit des Klienten (Hausaufgabe) ist die gemeinsame Auswertung im Coaching zu empfehlen. ca. 45– Minuten. Buntstifte, ein leeres Blatt (DIN A4, besser noch DIN A3). Quelle: von den Autoren Plöger und Balz selbst entwickelt. Eine Hausaufgabe zur biografischen Selbstreflexion findet sich auch bei Richthofen, C. von, Kugele, J., Vitzthum, N. (2013). Handbuch Karriereberatung. Weinheim: Beltz. S. 81; siehe auch Lang-von Wins, T., Triebel, C. (2012). Karriereberatung: Coachingmethoden für eine kompetenzorientierte Laufbahnberatung (2., aktual. u. erw. Aufl.). Heidelberg: Springer. S. 69 ff. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Biografische Arbeit«, S. 165 ff. Instruktion zur Vorbereitung auf die Eigenarbeit des Klienten, die dieser dann für sich als Hausaufgabe ausführen soll: »Nehmen Sie sich für die folgende Aufgabe mindestens 45 Minuten Zeit. Es ist eine gedankliche Zeitreise, insofern sorgen Sie bitte für eine ungestörte Atmosphäre. Legen Sie ein leeres Blatt (gern auch DIN A3, wenn zur Hand) quer vor sich hin. Zeichnen Sie eine Zeitlinie in den unteren Teil des Blattes. Diese soll Ihre Lebenslinie von der Geburt an bis heute darstellen. Unterteilen Sie die Linie in Fünf-Jahres-Einheiten. Auf dieser Lebenslinie sollen wichtige Phasen Ihrer beruflichen Ideensuche, Ihrer ersten Wunschberufe, Ihrer Entscheidungen, Phasen des Ausprobierens, (falls Sie diese bereits durchlaufen haben, der Ausbildung oder des Studiums) und die Etappen Ihrer bisherigen Berufsstationen eingetragen werden.

Anhang 4

Begeben Sie sich dazu gedanklich in Ihre Vergangenheit. Erinnern Sie sich an Ihre Kindheit: –– Welche Berufe waren für Sie damals interessant? –– Wann erinnern Sie erste eigene berufliche Ideen Berufsideen/-träume für sich? –– Welche waren dies? Welche persönlichen Erfahrungen bzw. welche Personen haben diese beeinflusst? Zeichnen Sie die Berufsideen und die wichtigen Personen in Ihre berufliche Lebenslinie ein. –– Welche weiteren Berufsüberlegungen gab es in der Kindheit und Jugendzeit? –– Wodurch wurden diese beeinflusst? –– Welche persönlichen Erfahrungen bzw. Personen waren dafür bedeutsam? Welchen Einfluss hatten diese? Bitte tragen Sie dies alles auf Ihrer Lebenslinie an der passenden Stelle ein. –– Wie ging es weiter? Welche Etappen schlossen sich an? Markieren Sie alle Ihnen wichtigen Etappen auf Ihrer Lebenslinie mit jeweils verschiedenen Farben und geben Sie ihnen eine (Kurz-)Bezeichnung. Erarbeiten Sie auf diese Weise Ihre berufliche Entwicklung bis zum heutigen Zeitpunkt. Nehmen Sie sich nach dem Aufzeichnen Zeit, um in Ruhe auf Ihre Zeichnung zu schauen. –– Wie geht es Ihnen mit Ihrer beruflichen Lebenslinie? Welche Gefühle löst die Zeichnung bei Ihnen aus? –– Gibt es eine Überschrift, die Sie über Ihre berufliche Lebenslinie schreiben würden? –– Wie soll Ihre berufliche Lebenslinie weiter gezeichnet werden? –– Was wären Ihre Ziele? Zeichnen Sie auch diese auf Ihrer Lebenslinie an der rechten Seite ein. Diese Zeichnung Ihrer beruflichen Lebenslinie kann als Ausgangspunkt für unser nächstes Coachinggespräch dienen.«

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Anhang 5 Berufliche Visionen Diese Übung ermöglicht das Visualisieren von zentralen Aspekten bzw. Kriterien, an denen sich die beruflichen Ziele und Visionen des Klienten orientieren. Sie leitet zur Analyse der Bedeutung dieser Aspekte an und geht der Frage nach, wie stark diese in der aktuellen Arbeitstätigkeit berücksichtigt bzw. umgesetzt werden. Nutzen: Sammlung wichtiger Zielaspekte und zwar unabhängig von ihrer Realisierbarkeit; Brainstorming für neue Ideen und im Bezug zu beruflichen Ressourcen. Mögliche Arbeitsform(en): Selbstanalyse; nach der Eigenarbeit des Klienten gemeinsame Auswertung im Coaching. Eigenarbeit ca. 60 Minuten; Auswertungsgespräch 50–60 Minuten. Buntstifte; DIN-A4- oder DIN-A3-Bogen. Quelle: von den Autoren Balz und Plöger selbst entwickelt. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Ressourcenarbeit«, S. 153 ff. Instruktion zur Eigenarbeit: »In der folgenden Übung werden Sie sich mit Ihren beruflichen Visionen beschäftigen. Suchen Sie sich dazu einen ruhigen Ort und planen Sie eine Stunde Zeit ein. Zeichnen Sie in die Mitte des Papierbogens eine Sonne als Zeichen für Ihre berufliche Zukunfts-Vision. Die Sonne besitzt viele Strahlen. Jeder Strahl steht für einen beruflichen Aspekt, der in der zukünftigen Tätigkeit enthalten sein soll. Dies können inhaltliche Aspekte der gewünschten Tätigkeit, Merkmale des Arbeitsortes (zum Beispiel im Freien, im Büro), der Organisation der Arbeit (zum Beispiel Einzelarbeit, Probleme lösen, etwas reparieren), der Position, der Kommunikation, des Arbeitsklimas und anderes sein. Alles was Ihnen persönlich wichtig ist, erhält jeweils einen Sonnenstrahl und wird mit einem Schlüsselwort in Ihrem Bild bezeichnet. Die Strahlen, die kurz sind, stehen für die Aspekte, die Sie bereits jetzt in Ihrer aktuellen Tätigkeit haben, aber auch weiter behalten möchten (der Weg dorthin ist bildlich gesprochen eher kurz). Strahlen, die sehr lang sind (und noch recht weit

Anhang 5

weg liegen), sind in ihrer jetzigen Arbeitsstelle (noch) nicht bzw. nur sehr wenig anzutreffen (der Weg dorthin ist noch vergleichsweise weit). Nehmen Sie sich für die Sammlung Zeit. Skalieren Sie die einzelnen Aspekte nach ihrer persönlichen Wichtigkeit für Sie zwischen 10, dies steht für sehr wichtig, und 1, dies steht für wenig bedeutsam. Schauen Sie sich nun Ihr berufliches Visionsbild an: –– Wie wirkt es auf Sie? Welche Gefühle und Gedanken löst es bei Ihnen aus? –– Was ist daran neu für Sie? –– Welche Schlüsse lassen sich daraus für Ihre aktuellen beruflichen Fragen ableiten? –– Welche kleinen (ersten) Schritte können Sie unternehmen, um etwas von dieser Vision zu realisieren? –– Wer könnte Sie dabei unterstützen? –– Was können wir in unserem Coaching dazu beitragen? Was müsste dazu hier besprochen werden?«

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Anhang 6 Analyse der beruflichen Exzellenz Das Tool dient Personen, die bereits langjährig berufstätig sind, zur Positions­ bestimmung in ihrer Berufsgruppe. Bei der Analyse der eigenen beruflichen Situation und beruflichen Ziele (z. B. Wiedereinstieg im erlernten Beruf) ist der Vergleich mit der eigenen Berufsgruppe hilfreich, um die Spezifik der eigenen Kompetenzen klarer zu sehen. Nutzen: Stärkung der Selbstreflexion und der Ressourcenanalyse des Klienten; besonders beim beruflichen Wiedereinstieg im erlernten Beruf hilfreich. Mögliche Arbeitsform(en): Einzelcoaching; Hausaufgabe zur Selbstanalyse; kann auch im Gruppenkontext zur Selbstanalyse verwandt werden. im Einzelcoaching ca. 30 Minuten. evtl. Flipchart und Stifte; als Hausaufgabe Fragenkatalog ausdrucken (Vorlage siehe unten) Quelle: orientiert an Richthofen, C. von, Kugele, J., Vitzthum, N. (2013). Handbuch Karriereberatung. Weinheim: Beltz. S. 27 f. Zugehöriges Kapitel im Buch: »Umgang mit Begrenzungen«, S. 198 ff. Stimmen Sie den Klienten zuerst auf die Übung ein: »Bei der Einschätzung der eigenen Kompetenzen, Fähigkeiten und Ressourcen ist der Vergleich mit der eigenen Berufsgruppe sehr wichtig. Hier gibt es Aspekte, die Sie vielleicht stärker ausgeprägt haben als andere Ihrer Berufsgruppe, und andere Aspekte in denen Sie weniger Ihre Stärken sehen. Zu dieser Analyse beruflicher Exzellenz will ich Sie mit den folgenden Fragen einladen: –– Was sind die typischen Kompetenzen eines (Berufsbezeichnung des Klienten oder Bezeichnung der von ihm angestrebten Berufsposition)? –– Wodurch zeichnet er sich darüber hinaus in besonderem Maße aus? Was kann er besonders gut? –– Worauf würde eine Firma, die einen

Anhang 6

(Berufsbezeichnung oder angestrebte Berufsposition) sucht, besonders achten? Was würde diese Firma fordern? –– Was wäre ein Konkurrenzvorteil bei einer Bewerbung als   (Berufsbezeichnung oder angestrebte Berufsposition)?« Lassen Sie die genannten Punkte evtl. an der Flipchart aufschreiben und fragen Sie weiter: –– »Welche der von Ihnen genannten Aspekte erfüllen Sie? Welche noch? –– Bitte beschreiben Sie genau woran Sie dies festmachen. –– Was unterscheidet Sie von Ihren Berufskollegen? Wo haben Sie Ihre besonderen Schwerpunkte? Was unterscheidet Sie in Ihren Erfahrungen, Ihren Kompetenzen, Ihrem Verhalten und Denken? –– Welche Ihrer besonderen Stärken als (Berufsbezeichnung oder angestrebte Berufsposition) könnte für einen zukünftigen Arbeitgeber besonders wichtig sein? Welche noch? –– Was im Einzelnen wird ein zukünftiger Arbeitgeber von Ihnen als (Berufsbezeichnung oder angestrebte Berufsposition) erwarten? Was noch? –– Wodurch werden Sie sich als zukünftiger Mitarbeiter im Bewerbungsgespräch beschreiben?«

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Anhang 7 Zeitreise zum 80. Geburtstag Zur kreativen Arbeit an Zielformulierungen tragen verschiedene Formen der Zukunftsreisen bei (Wunderfrage, Phantasiereisen, hypothetische Fragen etc.). Die Zeitreise zum 80. Geburtstag lädt den Klienten dazu ein, sich über die für ihn wichtigen Dinge im Privatleben und in der Berufsarbeit Gedanken zu machen. Nutzen: Ermitteln zentraler Lebensthemen und Ziele. Mögliche Arbeitsform(en): Selbstreflexion ca. 10 Minuten. Es werden keine Materialien benötigt. Quelle: von den Autoren Balz und Plöger selbst entwickelt Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Einstieg oder das Wichtigste zuerst«, S. 137 ff. Der Coach führt die Zeitreise ein: »Ich möchte Sie zu einer kleinen Zeitreise einladen. Sie kann Ihnen dabei helfen, die für Sie in Ihrem Leben wichtigen Dinge noch etwas genauer zu sehen und dies für die von Ihnen genannten beruflichen Fragen zu nutzen. Ich würde Sie bitten sich für diese Zeitreise in Ihrem Stuhl zurückzulehnen. Wenn Sie möchten, können Sie auch die Augen schließen. Setzen Sie sich recht bequem hin und atmen Sie tief durch. Entspannen Sie sich … (Pause) Stellen Sie sich nun vor Ihrem inneren Auge vor, dass wir heute bereits Ihren 80. Geburtstag begehen. Es ist ein schöner Tag, ganz so wie Sie sich ihn wünschen … (Pause). Zu diesem Tag sind alle Menschen gekommen, die Ihnen nahestehen. Alle Menschen, die Ihnen privat nahestehen und in Ihrem Berufsleben nahestanden. Sie sitzen im Kreis dieser Menschen zusammen und unterhalten sich angeregt. Wie es so Sitte ist, wird zu einem solchen Festtag eine Festrede gehalten. Es ist soweit … (Pause). –– Was möchten Sie, soll in dieser Festrede über Sie gesagt werden? –– Auf welche privaten und beruflichen Ziele, die Sie in Ihrem Leben erfolgreich umgesetzt haben, wird Bezug genommen werden?

Anhang 7

–– Was soll in diesem Zusammenhang besonders hervorgehoben werden? –– Was möchten Sie, dass über Sie als Mitarbeiter, Kollege (oder Vorgesetzter) gesagt wird? –– Welche Ihrer besonderen Merkmale, Stärken und Talente werden in der Festrede zu Ihrem Geburtstag hervorgehoben? Nehmen Sie sich Zeit und lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf. Überlegen Sie welche Dinge, Erlebnisse, Erfahrungen und Lebensziele Ihnen in den Sinn kommen. Sprechen Sie darüber, was Sie vor Ihrem inneren Auge sehen, welche Gedanken und Gefühle gehen Ihnen durch den Kopf? Was sehen, denken und fühlen Sie?« Nach einer Zeit der Exploration: »Verabschieden Sie sich nun von der Geburtstagsgesellschaft. Kommen Sie nun in das Heute zurück. Nehmen Sie sich dafür Zeit.« Abschlussfragen: –– »Wie ließen sich die Erfahrungen aus Ihrer Zeitreise für unsere Fragen im Coaching nutzen? –– Was schließen Sie aus der Zeitreise? –– Welchen Handlungsimpuls haben Sie? –– Was sagt Ihnen die Zeitreise über Ihre im Coaching genannten Fragen? Wie ließen sich diese weiter konkretisieren?«

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Anhang 8 Feedback zu Kompetenzen und Ressourcen Das Feedback durch Personen des sozialen Umfeldes ergänzt die Selbsteinschätzung der Klienten, hilft Kompetenzen und Ressourcen zu erkennen, wertzuschätzen und damit das Selbstbild des Klienten anzureichern. Nutzen: Selbstvergewisserung zur Frage »Was kann ich, was macht mich aus?«, Nutzung für die Klärung beruflicher Ziele; Einbezug des sozialen Umfeldes in die beruflichen Überlegungen. Mögliche Arbeitsform(en): der Klient spricht Personen in seinem nahen sozialen Umfeld (Arbeitskollegen, Freunde, Familienangehörige etc.) an. Die Personen beantworten den Fragebogen und geben diesen an den Klienten zurück. Auswertung im Einzelcoaching. für die Auswertung im Coaching ca. 45 Minuten. Fragebogen (Vorlage siehe unten) Quelle: orientiert an Richthofen, C. von, Kugele, J., Vitzthum, N. (2013). Handbuch Karriereberatung. Weinheim: Beltz. S. 100 Zugehöriges Kapitel im Buch: »Umgang mit Begrenzungen«, S. 198 ff. Stimmen Sie den Klienten zuerst auf die Übung ein: »Bei der Einschätzung der eigenen Kompetenzen, Fähigkeiten und Ressourcen ist neben der Selbst- die Fremdeinschätzung wichtig. Die Fremdeinschätzung gibt Hinweise auf Aspekte, die Sie bisher vielleicht weniger stark bei sich sehen oder auf neue, bisher noch kaum beachtete Stärken. Ich würde Ihnen vorschlagen, dass Sie sich eine solche Rückmeldung von Personen in Ihrem Umfeld geben lassen. Dazu habe ich einige Fragen vorbereitet, anhand derer es möglich ist, eine Rückmeldung einzuholen. Wählen Sie Personen aus Ihrem Umfeld aus, die Sie gut kennen. Es empfiehlt sich, diese aus verschiedenen Lebensbereichen auszuwählen (zum Beispiel Arbeitskollegen, nahe Familienangehörige, Freunde, evtl. auch Mitschüler, Studienkollegen). Aus der Erfahrung weiß ich, dass vier bis sechs Rückmeldungen von Personen aus verschiedenen Lebensbereichen, bereits ein recht differenziertes Bild über eine Person abgeben.«

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Vorlage für das Fremdfeedback: Liebe/r                                  , ich möchte Dich heute um einen Gefallen bitten. Wie Du vielleicht weißt, beschäftige ich mich aktuell mit beruflichen Fragen. Für berufliche Überlegungen und Entscheidungen ist es sehr wichtig, sich selbst in seinen Stärken und Ressourcen einzuschätzen. Dies möglichst differenziert tun zu können, setzt auch die Rückmeldung von anderen, vertrauten Personen (Arbeitskollegen, Familienangehörigen, Freunden etc.) voraus. Dadurch rundet sich mein Bild von mir ab und es werden möglicherweise auch Aspekte deutlich, die ich bisher noch wenig gesehen habe. Ich möchte Dich bitten, mir eine schriftliche Rückmeldung zu geben. Deine Rückmeldung sollte offen und ehrlich sein. Nur so ist sie mir bei meinen beruflichen Fragen hilfreich. Bitte nimm die folgenden Fragen als Grundlage für Deine Rückmeldung an mich: 1. Worin siehst Du meine Stärken? Was kann ich aus Deiner Sicht besonders gut? 2. Welches ist dabei meine besondere/herausragende Stärke? 3. Bei welchen Fragen würdest Du mich als erstes um Hilfe bitten? 4. Wobei war ich Dir in der zurückliegenden Zeit hilfreich? 5. Was schätzt Du an mir? 6. Wozu würdest Du mich ermuntern, es noch mehr zu tun bzw. anderen gegenüber mehr zu zeigen? 7. Was sollte ich noch stärker entwickeln? Womit sollte ich mich noch stärker beschäftigen (um meine Kompetenzen und Fähigkeiten darin weiterzuentwickeln)? 8. Wovon würdest Du mir abraten es zu tun? Was sind weniger meine Stärken? Ich würde Dich bitten mir zu diesen Fragen, wenn Du möchtest auch zu weiteren Punkten, Deine Rückmeldung zu geben. Besonders hilfreich ist mir Deine Rückmeldung, wenn Du sie konkret auf Situationen und mein Verhalten in den Situationen beziehst. Für Deine Unterstützung schon mal herzlichen Dank im Voraus. Dein/e/Ihr/e                             

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Anhang 9 Die Verschreibung der Noch-nicht-Veränderung Eine typisch lösungsfokussierte Interventionstechnik ist die sogenannte »Verschreibung der Noch-nicht-Veränderung«. Sie zielt auf eine Verhaltensänderung beim Klienten hin, spricht diese jedoch nicht explizit an, sondern empfiehlt dem Klienten im Gegenteil ein Aufschieben der Verhaltensmodifikation. Diese Technik gehört deshalb auch zu den paradoxen Interventionen. Nutzen: Mit einer Noch-nicht-Verschreibung ist die Aufmerksamkeit erstens auf das Thema Veränderung gelenkt, ohne dass sich der Klient dem Druck ausgesetzt fühlen müsste, jetzt tatsächlich etwas verändern zu müssen. Zweitens beinhaltet das Noch-nicht ein Später-doch, das heißt, die Änderungsmöglichkeit in der Zukunft ist in der Instruktion mit enthalten. Und drittens reizt gerade das Verbotene (vgl. Bamberger, 2015, S. 144). Arbeitsform(en): Einzelgespräch; der Coach instruiert den Klienten (verschreibt ihm etwas); evtl. Teil der Abschlussintervention am Ende des Coachinggesprächs. ca. 5 Minuten. Es werden keine Materialien benötigt. Quelle: Bamberger, G. G. (2015). Lösungsorientierte Beratung (5., überarb. Aufl.). Weinheim: Beltz. S. 144. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Systemische Frageformen«, S. 146 ff. Instruieren Sie den Klienten dahingehend, dass er im Moment erst einmal noch nichts verändern sollte. Hier drei Varianten für eine derartige Instruktion bzw. Verschreibung: –– »Ich habe Sie jetzt eine Weile beobachtet und halte es im Augenblick für besser, wenn Sie erst einmal alles beim Alten belassen, bevor Sie in einen neuen Job wechseln.« –– »Nehmen Sie sich eine Auszeit und denken Sie währenddessen nicht an Ihr Problem. Tun Sie einfach alles andere, aber ignorieren Sie den möglichen Weg der Veränderung über den wir heute gesprochen haben.« –– »Wir haben zwei Alternativen dafür besprochen, wie Sie in dieser Situation

Anhang 9

handeln könnten, eine schloss Veränderungen in Ihrem Alltag ein, die andere hieß, noch weiter nachzudenken. Noch würde ich nichts verändern, das Nachdenken scheint Ihnen wichtiger zu sein.« Achten Sie sorgfältig auf Ihre Formulierung in Ihrer Verschreibung, falls Sie die Veränderung konkret benennen (und sie so dem Klienten suggerieren), aber gleichzeitig ihren Aufschub empfehlen.

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Anhang 10 Wunderfrage mit Varianten Die Wunderfrage ist eine spezifische Fragetechnik aus dem Methodenrepertoire der lösungsfokussierten Beratung nach Steve de Shazer und Kim Berg (siehe de Shazer u. Dolan 2008, S. 70 ff.). Sie führt zu einer konkreten Zielerfassung und vertieften Ressourcenerkundung. Zudem motiviert sie den Klienten zu Veränderungen. Das funktioniert, indem der Coach den Klienten eine imaginäre, möglichst konkrete Situation schildern lässt, in der sein Anliegen vollständig erfüllt ist – so als wäre ein Wunder geschehen, das alle Hindernisse auf einmal beseitigt hätte. Nutzen: Anregung zu kreativem Denken über den Lösungsweg. Mögliche Arbeitsform(en): Einzel- und Mehrpersonengespräch. 15–30 Minuten. evtl. zur Visualisierung Flipchart und dicke Filzschreiber. Quellen: Shazer, St. de, Dolan, Y. (2008). Mehr als ein Wunder. Lösungsfokussierte Kurztherapie heute. Heidelberg: Carl Auer. S. 70 ff.; Ben Furman (o. J.). Varieties of the Miracle Question. Zugriff am 20. 06. 2015 unter www.benfurman.com/ en/2013/12/09/varieties-of-the-miracle-question Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Systemische Frageformen«, S. 146 ff. Führen Sie die Wunderfrage mit folgenden Worten ein: »Ich werde Ihnen nun eine etwas ungewöhnliche Frage stellen.« Der Klient soll durch diese Einleitung aufmerksam werden und auf die herausgehobene Bedeutung des Folgenden hingewiesen werden. Seine Aufmerksamkeit richtet sich damit verstärkt auf die Lösungen, die seine Antwort auf die Wunderfrage enthält. Formulieren Sie die Wunderfrage etwa wie folgt: »Sie gehen nach unserem Gespräch nach Hause. Dort tun Sie, was Sie an jedem normalen Tag tun würden, bis Sie irgendwann müde ins Bett gehen. Sie schlafen schnell ein und haben eine ruhige Nacht. Nur eins ist ungewöhnlich: In der Nacht passiert etwas – eine Art Wunder. Es ist so plötzlich und still gekommen, dass Sie es nicht einmal bemerkt haben. Am Morgen ist das Anliegen, mit dem Sie zu mir gekommen sind, vollständig

Anhang 10

erfüllt und alle Hindernisse, die auf dem Weg dorthin lagen, sind beseitigt. Woran bemerken Sie jetzt, an diesem Morgen danach, dass das Wunder geschehen ist?« Manche Klienten werden etwas zögerlich sein und dem Unrealistischen an der Vorstellung einer Veränderung durch ein Wunder zuerst mit Widerständen begegnen (Hier gilt es für den Coach Sprechpausen auszuhalten). In der Regel antworten sie jedoch mit einer Beschreibung des Morgens, die zum Teil in erstaunliche Details geht. Diese Beschreibungen können Sie im weiteren Verlauf benutzen, um Unterschiede und Ressourcen zu explorieren. Es bietet sich oft an, hier mit Konkretisierungsfragen zu arbeiten. Daneben gibt es folgende reizvolle Variationen von Ben Furman, die Sie im gleichen Kontext einsetzen können. Sie eröffnen Ihnen die Möglichkeit, etwas Abwechslung in die Ausgestaltung der Wunderfrage zu bringen: –– »Stellen Sie sich vor, ich (der Coach) hätte die Kraft, mit einem Fingerschnippen (einem Klatschen, einer magischen Geste, einem Zauberreim usw.) Ihr Anliegen zu lösen. Ich würde also einfach einmal mit den Finger schnippen – etwa so – und alles wäre gut für Sie. Sagen Sie mir bitte Beispiele für Situationen, in denen Sie überprüfen könnten, dass Ihr Anliegen erfüllt ist. Woran würden Sie das bemerken?« –– »Nehmen wir an, wir träfen uns nächsten Sommer zufällig in der Stadt wieder. Sie sitzen in einem Straßencafé und genießen eine freie Stunde. Mir fällt auf, dass Sie sehr entspannt und zufrieden aussehen und ich frage Sie, wie es Ihnen geht. Sie antworten mir, dass es Ihnen tatsächlich sehr gut geht und Sie sehr zufrieden sind mit Ihrem Leben. Darauf werde ich natürlich neugierig und frage nach, warum das so ist. Was würden Sie mir antworten?« –– »Wenn Sie Ihre Familie damit überraschen wollten, Ihnen zu zeigen, dass eine gute Veränderung mit Ihnen vor sich geht und Sie echte Fortschritte machen, die sich in Zukunft noch fortsetzen werden, was müssten Sie dann tun?« –– »Stellen Sie sich vor, ich wäre ein Hellseher mit einer Kristallkugel, der in Ihre Zukunft sehen kann. Selbstverständlich bin ich nicht wirklich ein Hellseher. Wenn ich aber einer wäre, was würden Sie hoffen, dass ich in meiner Kugel über Ihre Zukunft sähe? Sie wären zufrieden, aber warum? Wer wäre bei Ihnen? Wo wären Sie? Was würden Sie tun?« –– Bitten Sie den Klienten, statt Ihnen die Antworten auf die Wunderfrage zu erzählen, sie zu malen bzw. zu zeichnen oder sie darzustellen wie ein Schauspieler auf einer imaginären Bühne. Klienten, die sich nicht gerne verbal ausdrücken (wie etwa viele Jugendliche), sind oft dankbar für alternative Ausdrucksmöglichkeiten. Benutzen Sie die Wunderfrage nicht zu häufig, da sie sonst ihre Wirksamkeit verliert.

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Anhang 11 Das Berner Ressourceninventar Das Berner Ressourceninventar wurde im Rahmen von empirischen Forschungen an der Psychotherapeutischen Praxisstelle der Universität Bern entwickelt. Es dient als Instrument der Fremdbeurteilung von Ressourcenpotenzialen innerhalb psychotherapeutischer Settings. Es handelt sich also um ein diagnostisches Instrument, das im klinischen Kontext durch Psychologen bzw. Psychotherapeuten angewendet wird. Dabei wird in statistischen Verfahren der Grad des Vorhandenseins von 16 verschiedenen Ressourcen bei den betreffenden Klienten ermittelt. In diesem Kontext werden Ressourcen als Faktoren gedeutet, die eine psychische Erkrankung unwahrscheinlicher machen bzw. deren Verlauf positiv beeinflussen (Trösken u. Grawe, 2003). Nutzen: Für die Coachingpraxis eignet sich das Verfahren aufgrund des methodischen Aufwandes nicht zur Erfassung von Klientenressourcen. Interessant ist jedoch die Systematik der 16 Ressourcen. Sie kann zur Kategorisierung von erfassten Ressourcen bei Klienten benutzt oder eingesetzt werden, um die Exploration von Ressourcen anzuleiten. Arbeitsform(en): Ressourcenkategorisierung oder Exploration durch den Coach. Quelle: Trösken, A., Grawe, K. (2003). Das Berner Ressourceninventar. Instrumente zur Erfassung von Patientenressourcen aus der Selbst- und Fremdbeurteilungsperspektive. In H. Schemmel, J. Schaller (Hrsg.), Ressourcen: ein Hand- und Lesebuch zur therapeutischen Arbeit (S. 195–215). Tübingen: dgvt-Verlag. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Ressourcenarbeit«, S. 153 ff. Verzeichnis der 16 Dimensionen des Berner Ressourceninventars: 1. soziale Kompetenz (»Klient hat eine freundliche Art im Umgang mit anderen«), 2. soziale Einbettung (»Klient hat einige gute Freunde«), 3. familiäre Einbindung (»Klient findet Rückhalt in der Familie«), 4. emotionale Offenheit (»Klient kann Wünsche und Gefühlsregungen offen ausdrücken«), 5. Optimismus, Glück, Sinnerleben (»Klient kann leicht Freude empfinden und ausdrücken«), 6. Handlungskompetenz (»Klient kann sich in Leistungssituationen bewähren«),

Anhang 11

7. Fähigkeit zur Bewältigung alltäglicher Belastungen (»Klient kann auch bei hohen Anforderungen Ruhe bewahren«), 8. Fähigkeit zu autonomem Denken und Handeln (»Klient trifft selbständig Entscheidungen«), 9. Selbstwerterleben (»Klient hat viel Selbstvertrauen«). 10. Motivation zur Selbstreflektion (»Klient setzt sich mit seiner Lebensgeschichte auseinander«), 11. Motivation zu lernen (»Klient ist begierig, etwas Neues zu lernen«), 12. Offenheit in der Kommunikation (»Klient ist offen für alternative Sichtweisen«), 13. Phantasie und Kreativität (»Klient betätigt sich gerne kreativ«), 14. intellektuelle Begabung (»Klient besitzt eine schnelle Auffassungsgabe«), 15. Hobbies und Interessen (»Klient hat ausgesprochen vielseitige Fähigkeiten und Begabungen«), 16. Akzeptanz eigener Bedürfnisse (»Klient verschafft sich Freiräume«). Für das Karrierecoaching gilt es die Fragen – entsprechend den Dimensionen des Berner Ressourceninventars – an die konkreten Anliegen des Klienten und seine berufliche bzw. allgemeine Lebenssituation anzupassen.

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Anhang 12 Übung zum Inneren Team Das Tool dient der Klärung individueller Anteile, die für eine berufliche Entscheidungs-, Konflikt- oder Planungssituation bedeutsam sind. Die verschiedene Aspekte/Anteile eines Klienten werden im Coachinggespräch ermittelt und zum Inneren Team zusammengestellt. Dies fördert die Analyse relevanter persönlicher Aspekte (Wünsche, Bedürfnisse, Werte etc.) und damit ein vertieftes Selbstverstehen. Es werden im Verlauf der Übung dominante und weniger dominante Aspekte der eigenen Persönlichkeit betrachtet. Dies alles geschieht zunächst unabhängig von der Frage nach einer Umsetzbarkeit bzw. von erwünschten und unerwünschten Effekten, die in der beruflichen (Entscheidungs-)Situation von einzelnen Aspekten/Anteilen des Klienten ausgehen. Abschließend findet eine Einbindung in berufliche Zukunftsüberlegungen statt. Nutzen: vertiefte Selbstanalyse (Ist-Situation); Trennung von Selbstanalyse und Handlungsplanung. Mögliche Arbeitsform(en): Einzelarbeit. 60–70 Minuten. Moderationskarten, Filzstifte. Quelle: Schulz von Thun, F., Stegemann, W. (Hrsg.) (2010). Das innere Team in Aktion: praktische Arbeit mit dem Modell (5. Aufl.). Reinbek: Rowohlt. S. 15 ff. Zugehörige Abschnitte im Buch: »Ressourcenarbeit«, S. 153 ff., »Umgang mit Entscheidungsalternativen«, S. 188 ff. Die Übung verläuft in vier Phasen, einer Einstimmungsphase, der sich zunächst die Phase anschließt, in der die inneren Teammitglieder identifiziert und zusammengestellt werden. Dann folgt die Phase, in der das Team in Beziehung zueinander tritt. Die Abschlussphase bildet dann die Auswertung im Hinblick auf die berufliche Entscheidungssituation und eine entsprechende Handlungsplanung: 1. Einstimmungsphase: Dem Klient werden die Ziele der Arbeit mit dem Inneren Team vorgestellt und es wird sein Einverständnis eingeholt. 2. Phase der Zusammenstellung der inneren Anteile:

Anhang 12

Kurze Situationsschilderung durch den Klienten. Leitfragen zur Identifizierung der Teammitglieder (Strukturbild erster Ordnung): •• »Was regt sich in Ihnen, wenn Sie an die Entscheidung denken?« •• »Wie drückt sich dies aus?« (Wenn es für den Klienten schwierig ist, das zu beschreiben, konkreter fragen: »Ist dies eher ein Gefühl in Ihrem Körper, ein Gedanke, ein Handlungsimpuls oder ein Sinneseindruck?«) •• »Wenn dies eine Stimme wäre, was würde diese Stimme Ihnen sagen? Wozu würde sie Sie auffordern?« (Schreiben Sie die Botschaft auf, zum Beispiel: »Setz dich endlich durch«, »Sei nicht so streng«). •• »Wenn Sie dieser Stimme einen charakteristischen Namen geben wollen, wie würde dieser lauten?« (Schreiben Sie den Name zur Botschaft auf.) •• »Gibt es einen weiteren inneren Anteil in Ihnen, der bei der Entscheidung mitredet?« •• »Wenn ja, wie drückt sich dieser aus?« •• »Wenn dies eine Stimme wäre, was würde diese Stimme Ihnen sagen? Wozu würde sie Sie auffordern?« (Schreiben Sie die Botschaft auf.) •• »Wenn Sie dieser Stimme einen Namen geben würden, wie würde dieser lauten?« (Schreiben Sie den Name zur Botschaft auf.) •• usw., bis der Klient keine weiteren inneren Teammitglieder mehr nennt. 3. Phase der Erstellung eines Struktur- und Beziehungsbildes (Strukturbild zweiter Ordnung): Um die Beziehung der Mitglieder bzw. Einzelaspekte des Inneren Teams zueinander näher zu betrachten, sind folgende Fragen hilfreich (die Antworten sollten ebenfalls aufgeschrieben und auf diese Weise visualisiert werden): •• »Welche von den Stimmen ist laut, welche leise? Wer nimmt am meisten Raum ein?« •• »Wer ist eher Außenseiter? Wer ist der Anführer? Wer hat am meisten Einfluss?« •• »Wer ist gegen wen (Konflikt)? Welche Stimmen sind miteinander verwandt? Wer koaliert möglicherweise mit wem?«  achdem die Beziehungen des Inneren Teams sichtbar gemacht worden sind, N erfolgt eine gemeinsame Auswertung: •• »Wie geht es Ihnen mit dem gerade gezeichneten Strukturbild?« •• »Welche Gefühle und Gedanken löst es bei Ihnen aus?« •• »Was sehen Sie in diesem Inneren Team?« 4. Abschlussphase: Schlussfolgerungen für das berufliche Anliegen/Ziel bzw. die zu treffende Entscheidung und weitere Handlungsplanung: •• »Was nehmen Sie für Ihre Entscheidung aus der Übung mit?« •• »Was tun Sie damit? Was wäre für Sie ein nächster kleiner Schritt?«

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Anhang 13 Timeline zur beruflichen Entwicklung und aktuellen Entscheidungsfragen Der Zeitstrahl/die Timeline dient der Visualisierung des Entwicklungsverlaufs und der damit verbundenen Entscheidungen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sowie der bisherigen Lösungsversuche. Als handlungsorientierte Imaginationsübung hilft die Timeline, die Ereignisse in ihrem Kontext einzuordnen, Empfindungen und Erklärungen zu erinnern und Wechselwirkungen sichtbar zu machen. Nutzen: Die Arbeit mit der Zeitlinie erleichtert oft den Zugang zur emotionalen Seite der Ereignisse. Die Timeline fördert eine Gesamtbetrachtung von Entwicklungsverläufen und ein »als-ob-Handeln« (Probehandeln). Mögliche Arbeitsform(en): Einzel- und Mehrpersonenarbeit. sehr unterschiedlich je nach Länge des bisherigen Berufsweges, der Anliegen und Themen, mindestens 30 Minuten. Seil, Moderationskarten, verschieden farbige Filzstifte. Wenn der Raum oder die Materialien fehlen, kann die Timeline auch auf einem Arbeitsbogen aufgezeichnet werden (der Gewinn erscheint uns dann aber deutlich geringer). Quellen: Theuretzbacher, K., Nemetschek, P. (2009). Coaching und systemische Supervision mit Herz, Hand und Verstand. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 58 ff.; Schindler, H. (2014). Die Arbeit mit der Zeitlinie (Timeline). In T. Levold, M. Wirsching (Hrsg.). Systemische Therapie und Beratung – das große Lehrbuch (S. 246–250). Heidelberg: Carl Auer. Zugehörige Abschnitte im Buch: »Umgang mit Entscheidungsalternativen«, S. 188 ff., »Berufliche Entwicklungsprozesse«, S. 210 f. Zur Einstimmung: Dem Klient wird die Arbeit mit der Timeline zur Analyse der beruflichen Situation bzw. anstehenden Entscheidungsfragen vorgestellt und sein Einverständnis eingeholt. Es geht nun darum, im Raum das Seil auszulegen und daran die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (jeweils mit Moderationskarten) zu markieren. Auch ist das Festlegen eines neutralen Punktes als sicherer Ort, an den der Klient sich bei starken Gefühlen zurückziehen kann, sinnvoll.

Anhang 13

Zur Erstellung und Auslegung der Karteikarten entlang des Seiles empfiehlt sich der folgende Ablauf: 1. Fragen zur Vergangenheit: Bitten Sie den Klienten zunächst, in den Bereich der Vergangenheit zu gehen und folgen Sie ihm dorthin, stellen Sie dann folgende Fragen und schreiben Sie die Ergebnisse auf Moderationskarten auf und legen diese an die passenden Stellen am Seil: •• »Welche Etappen gab es in Ihrem bisherigen Berufsverlauf? Welches war die erste? Welche folgte dann?« •• Je eine Moderationskarte für jede Etappe schreiben (Schlüsselwort mit Klienten suchen) •• »Wie haben Sie die dazugehörigen beruflichen Entscheidungen getroffen? Wie sind Sie vorgegangen?« •• »Was hat zu den weiteren Etappen auf Ihrem Berufsweg beigetragen? Wie sind Sie hier zu Entscheidungen gekommen?« •• »Gab es für Sie bereits ähnliche Entscheidungssituationen wie die jetzige? Wie sind Sie dort vorgegangen?« •• »Gab es besondere Umstände, die zur Entscheidungssituation beigetragen haben, die diese charakterisieren? Gab es Teilschritte im Vorfeld der Entscheidung?« •• »Wie ging es Ihnen bisher im Vorfeld einer Entscheidung? Was waren Ihre Gefühle?« 2. Fragen zur Bewältigung/bisherigen Lösungsversuchen: Fahren Sie nun von den ersten Berufsetappen in der Vergangenheit ausgehend mit folgenden Fragen fort: •• »Welche Hürden haben Sie bisher schon genommen? In welcher Weise?« •• »Was hat Ihnen geholfen, diesen Weg zu gehen?« •• »Welche Lösungen haben Sie probiert? Im Zusammenhang mit welchen Ereignissen?« •• »Was haben Ihnen andere wichtige Personen geraten?« 3. Fragen zur Gegenwart: Bitten Sie den Klienten nun, zum Punkt der Gegenwart zu gehen, folgen Sie ihm dorthin und stellen Sie ihm folgende Fragen: •• »Was sind heute Ihre Handlungsimpulse? Was würden Sie machen, wenn Sie die Erlaubnis dazu bekämen, diesen Handlungsimpulsen zu folgen? Wer müsste Ihnen eine Erlaubnis geben?« •• »Wie geht es Ihnen heute mit der Entscheidung? Wie lange denken Sie braucht die Entscheidung, um zu reifen?« •• »Könnte es auch einen Nutzen geben, dass Sie sich (noch) nicht entscheiden?« 4. Fragen zur Zukunft: Bitten Sie den Klienten schließlich, in den Bereich der Zukunft zu gehen und folgen Sie ihm auch dorthin. Stellen Sie ihm nun folgende Fragen:

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Anhang

•• »In welcher Zeit erwarten Sie eine Entscheidung? Was kann Ihnen dabei helfen? Welche Personen können Ihnen dabei helfen? Welche Personen können bzw. werden Ihnen bei der Entscheidung auf keinen Fall helfen?« •• »Stellen Sie sich vor, sie hätten sich bereits entschieden und wären damit richtig zufrieden: Was würden Sie dann anderes tun? Woran würden dies andere Personen merken? Was würden die anderen Personen dann tun?«

Anhang 14

Anhang 14 Arbeit mit Stühlen bei Entscheidungssituationen Die Arbeit mit Stühlen zielt darauf ab, Positionen in der Berufsbiografie (zum Beispiel Kind versus Erwachsener), verschiedene Haltungen (zum Beispiel der freundliche und der wütende Teil in mir) und Entscheidungsalternativen (zum Beispiel Beruf A versus Beruf B) zu verdeutlichen. Die Übung initiiert gedankliches Probehandeln und führt zur Auseinandersetzung mit eigenen Wünschen, Bedürfnissen und Zielen. Nutzen: Eingrenzung von zu betrachtenden Alternativen; Fokussierung auf das jeweilige Empfinden, Denken und Handeln; gedankliche Zukunftsreise. Mögliche Arbeitsform(en): Einzelarbeit. 45–60 Minuten. Raum und Stühle; Moderationskarten. Quelle: Beaulieu, D. (2005). Impact-Techniken für die Psychotherapie. Heidelberg: Carl-Auer. S. 87 ff. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Umgang mit Entscheidungsalternativen«, S. 188 ff. Lassen Sie den Klienten zunächst seine Ausgangsfrage und sein Ziel für die berufliche Entscheidungssituation schildern. Stimmen Sie ihn dann folgendermaßen auf die Übung ein: »Ich möchte Ihnen eine etwas außergewöhnliche Übung vorschlagen, bei der uns Stühle dazu dienen, die Entscheidungsalternativen zu vertreten. Gleich werde ich Sie bitten, sich auf unterschiedliche Stühle zu setzen und sich in die jeweilige Situation zu versetzen. Ich werde Ihnen dazu jeweils Fragen stellen, damit Sie sich dies genauer vorstellen können. Abschließend leite ich Sie dazu an, die Entscheidungsalternativen aus einer Distanz zu betrachten und neu abzuwägen.« Die allgemeine, sich anschließende Vorgehensweise lässt sich in folgende Handlungsschritte unterteilen: 1. Identifizieren der verschiedenen Entscheidungsalternativen (Klienten Alternativen bezeichnen lassen).

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2. Zuweisen und Positionieren der Stühle zu den unterschiedlichen Entscheidungsalternativen und deren Kenntlichmachung (zum Beispiel durch Moderationskarten unter den jeweiligen Stühlen). 3. Der Klient nimmt die Position auf Stuhl A ein. Coach regt zum genauen Explorieren der Position an. Fragen hierzu können sein: »Wie fühlen Sie sich? Was geht Ihnen durch den Kopf? Was genau macht diesen ›Zustand‹ aus? Wie vertraut ist er Ihnen?« 4. Auf Stuhl A sitzend: a) Skalierungsfrage: Coach regt zur Skalierung der Befindlichkeit, Zufriedenheit, Zielerreichung von der Position aus an (dient der Verdeutlichung des Beitrags der jeweiligen Position). b) Zukunftsfragen: »Stellen Sie sich eine Zukunftsreise vor. Wie wird es für den Fall, Sie haben diese Entscheidung getroffen, in fünf Jahren sein? Was wird sich dann verändert haben, was noch so sein wie heute? Wie wirkt sich dies auf Sie, Ihre Lebensgestaltung und Ihr soziales Umfeld aus? Welche Gefühle, Gedanken löst es bei Ihnen aus? Welche Handlungsimpulse haben Sie?« 5. Positionswechsel: Der Klient nimmt die Position auf Stuhl B ein. Coach regt zum genauen Explorieren der Position an. 6. Auf Stuhl B sitzend: a) Skalierungsfrage und b) Zukunftsfrage wie unter Punkt 4. 7. Bitten Sie nun den Klienten, eine neutrale Betrachterposition einzunehmen, aus der er beide Stühle gut sehen kann. Coach regt Klienten nun zu Vergleichen hinsichtlich der beiden Positionen auf Stuhl A und Stuhl B an, d. h. Unterschiede in den Gefühlen, Gedanken, den Handlungsimpulsen und der jeweiligen Bedeutung für die Ziele im Coaching und weitere Handlungsziele des Klienten zu betrachten. Nachfrage, ob der Wunsch besteht, weitere Handlungsabsichten, -ziele und -strategien – neben den durch die beiden Stühle vertretenen – zu erörtern. Gegebenenfalls Fragen wie unter Punkt 3 und 4 stellen. 8. Abschlussreflexion über die Übung.

Anhang 15

Anhang 15 Arbeit mit dem Beziehungsbrett In dieser Übung ist die Nutzung des ursprünglichen Familienbrettes, entwickelt von Kurt Ludewig und Mitarbeitern, auf das Karrierecoaching übertragen worden. Die Übung dient dem Visualisieren der Beziehungskonstellationen im Kontext der beruflichen Frage des Klienten (Ist-Situation) und konfrontiert den Klienten zugleich mit möglichen Entwicklungen, wenn sich sein berufliches Leben entsprechend seiner Zielvorstellungen verändert (Soll-Zustand). Nutzen: handlungsorientierte und aktivierende Form der Reflexion von Beziehungen im sozialen Nahbereich. Mögliche Arbeitsform(en): Einzel- und Mehrpersonenarbeit. 40–60 Minuten. Familienbrett (auch möglich mit Alltagsgegenständen zur Repräsentation relevanter Personen). Quelle: Ludewig, K., Wilken, U. (Hrsg.) (2000). Das Familienbrett: ein Verfahren für die Forschung und Praxis mit Familien und anderen sozialen Systemen. Göttingen: Hogrefe. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Kommunikative Muster und institutionelle Strukturen«, S. 211. Instruieren Sie den Klienten nach einer kurzen Einführung in die Arbeit mit dem Beziehungsbrett folgendermaßen: »Bitten wählen Sie für jede Person, die wichtig für Ihre berufliche Frage ist, eine Figur aus. Dies kann eine große, kleine, runde und eckige Figur sein. Nachdem Sie für alle Personen eine Figur gewählt haben, stellen Sie diese auf das Brett – beginnen Sie bitte mit sich. Wie nah oder fern stehen die anderen Personen zu Ihnen aktuell?« Lassen Sie den Klienten nun die Figuren auswählen und aufstellen. Die Figuren können weit auseinander oder eng zusammenstehen, sie haben Augen, können also einander anschauen (vgl. Instruktion Ludewig u. Wilken 2000, S. 21).

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Lassen Sie sich nach Abschluss der Aufstellung zur Ist-Situation die Aufstellung der Figuren vom Klienten erläutern. Fragen, die Sie hierzu stellen, können sein: –– »Wen repräsentieren die einzelnen Figuren?« –– »Was wollten Sie darstellen?« –– »Was bedeuten die einzelnen Merkmale (Größe, Form der Figuren, Position, Blickrichtung)?« –– »Gibt es im Klientensystem Teilsysteme?« –– »Welche Gefühle löst diese Aufstellung bei Ihnen aus?« –– »Welche Gestalt hat die Anordnung? Was sehen Sie darin? Was bedeutet Ihnen diese Anordnung/Konstellation?« Sie können im Anschluss zusätzlich Fragen, die zur Verwendung von Zusatzfiguren anregen, stellen: –– »Gibt es relevante kritische Ereignisse, Dinge, Personen, die in nächster Zukunft Einfluss auf Ihre berufliche Entwicklung haben werden bzw. in der Vergangenheit hatten?« –– »Falls ja, nehmen Sie dafür einen farbigen Klotz und stellen Sie ihn entsprechend der von Ihnen angenommenen Position auf das Brett. Wie wird sich nun die Stellung Einzelner im System verändern?« –– »Was erwarten Sie? Stellen Sie die Personen neu und erläutern Sie Ihre Sicht.« Schließen Sie Fragen zur Zukunftsaufstellung (Soll-Zustand) an: –– »Stellen Sie sich vor, Sie haben Ihre beruflichen Ziele erreicht. Wie würden sich dann die Positionen der Personen zueinander verändern? Stellen Sie Ihr System entsprechend neu.« –– »Wie geht es Ihnen mit dieser Aufstellung? Welche Gefühle verbinden Sie mit ihr?« –– »Was könnte zu dieser Wunschaufstellung positiv beitragen?« –– »Was könnte noch getan werden?« Es ist wichtig, die Übung mit dem Beobachterfeedback des Coachees abzuschließen! Stellen Sie dem Klienten zum Schluss folgende Fragen: –– »Wie haben Sie die Arbeit am Beziehungsbrett erlebt?« –– »Was erscheint Ihnen hilfreich? Was wurde deutlich?« Um sich im weiteren Coaching darauf zu beziehen, empfiehlt es sich, die Ist-Aufstellung und die Soll-Aufstellung zu fotografieren und die Aufnahmen dem Coachee zur Verfügung zu stellen.

Anhang 16

Anhang 16 Übung zu Vor- und Nachteilen vom Sich-(nicht)-Entscheiden Setzen Sie diese Übung bei einer bereits langandauernder Ambivalenz des Klienten gegenüber einer Entscheidung ein. Wenn der Klient sich bereits lange Zeit mit der Entscheidung trägt – häufig im Gespräch als Ja-aber-Haltung zu finden, das heißt: Zu einer Idee äußert der Klient sogleich ein Gegenargument. Die Übung dient dem Abwägen von Vorteilen und möglichen Nachteilen einer Entscheidung. Nutzen: Schaffung einer Distanz zu den erwogenen Entscheidungsalternativen im Sinne einer Musterunterbrechung; Öffnung gegenüber dem Gedanken der Nützlichkeit von einer Nichtentscheidung. Mögliche Arbeitsform(en): im Coaching oder als Selbstanalyseaufgabe mit anschließender Auswertung im Coaching. 30–40 Minuten. Arbeitsbogen, Stifte. Quelle: Schlippe, A. von, Schweitzer, J. (2013). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I. Das Grundlagenwissen (2. Aufl.). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Umgang mit Entscheidungsalternativen«, S. 188 ff. Instruktion durch den Coach: »Lebenssituationen geben uns verschiedene Aufgaben auf. Manche davon gehen wir bereitwillig an und stellen uns den Herausforderungen. Andere stehen uns im Weg und bereiten Kopf- und Bauchschmerzen. Mit der folgenden Abwägung von Vor- und Nachteilen möchte ich Sie dazu anregen, darüber nachzudenken, wie Sie Ihre aktuelle Entscheidungssituation einschätzen. Zu vergleichen sind dabei die beiden Möglichkeiten, dass alles so weiterläuft und Sie keine Entscheidung treffen, und die Möglichkeit dass Sie sich entscheiden, einmal abgesehen davon, wofür Ihre Entscheidung fällt. Ihre Ideen können sich auch auf Gefühle (zum Beispiel Stolz, mich entschieden zu haben) oder Befürchtungen richten. Überlegen Sie auch, wie sich in dem jeweiligen Fall andere für Sie wichtige Personen verhalten werden bzw. könnten.

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Wer könnte für Sie im sozialen Umfeld (Familie, Arbeitskollegen, Vorgesetzte etc.) ein potenzieller Unterstützer und wer ein möglicher Verhinderer sein. Bitte tragen Sie Ihre Überlegungen in die Tabelle ein. Wir werten sie dann gemeinsam aus.« Sie können die Erstellung der Vier-Felder-Tabelle auch als Hausaufgabe aufgeben: »Bitte tragen Sie Ihre Überlegungen zu Hause in die Tabelle ein. Diese Selbstanalyseaufgabe möchte ich mit Ihnen dann in der nächsten Sitzung gemeinsam auswerten.« Tabelle: Das Vier-Felder Schema (im Buch Tabelle 6) Vorteil So bleiben wie bisher Für Neues entscheiden

Nachteil

Anhang 17

Anhang 17 Bilanz meiner Work-Life-Balance oder: Wo bleibt nur die Zeit? Die Bilanz bietet eine Unterstützung bei der Selbstanalyse der Ist-Situation und der Soll- oder Wunsch-Situation hinsichtlich persönlicher und beruflicher Ziele. Über eine durchschnittliche Woche hinweg wird herausgefunden, welchen relativen Anteil an der Verwendung der Zeit die verschiedenen Lebensbereiche aktuell einnehmen. Nutzen: ermöglicht es, die Zeitaufwendungen für die relevanten Lebensbereiche zu (be)messen. Mögliche Arbeitsform(en): auch in Gruppenform durchführbar; kann zudem als Selbstreflexion in Einzelarbeit erfolgen. 30–45 Minuten. Arbeitsbogen mit »Zielscheibe« (siehe weiter unten). Quelle: Collatz, A., Gudat, K. (2011). Work-Life-Balance (Anhang). Göttingen: Hogrefe. Zugehöriges Kapitel im Buch: »Reflexion von Sinnbezügen in der Berufstätigkeit«, S. 213 ff. Instruktion durch den Coach: »Stellen Sie sich eine durchschnittliche Woche in Ihrem derzeitigen Leben vor. Welchen Anteil Ihrer Zeit verwenden Sie für die verschiedenen Bereiche Ihres Lebens: die Erwerbsarbeit, die Familie/Partnerschaft, Ihre Hobbies, Ihre Körperund Gesundheitspflege? Für welche weiteren Bereiche wenden Sie Zeit auf? Welche prozentuale Verteilung der verschiedenen Bereiche ergibt sich? Zeichnen Sie in einem ersten Schritt gemäß der Abbildung 1 des Anhangs weiter unten eine Zielschreibe von Ihren soeben ermittelten Lebensbereich-Sektoren: Die jeweiligen Sektoren der Grafik stehen für die einzelnen Lebensbereiche: Familie/Partnerschaft, Erwerbsarbeit, Hobbies, Freunde, Gesundheit, Bildung und einen weiteren. In diese Sektoren tragen Sie für sich die Ist- und die Soll- bzw. -Wunschsituation der Verteilung Ihrer Zeit (Prozentanteile) Ihrer durchschnittlichen Woche ein. Das heißt also:

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Tragen Sie als ersten Schritt Ihre Prozentwerte der ermittelten Ist-Situation in die jeweiligen von Ihnen durch Wort oder Symbol benannten Sektoren Ihrer gezeichneten Zielscheibe ein, fügen Sie dann Prozentwerte hinzu (alternativ kann auch mit absoluten Beträgen der Stunden gearbeitet werden). Betrachten Sie Ihre Zielscheiben-Grafik: Wie zufrieden sind Sie mit der Verteilung Ihrer Zeit? Gab es bei der Analyse für Sie Überraschungen? Was denken Sie zu Ihrer Ist-Situation? Als zweiten Schritt tragen Sie in Ihre Zielscheibe ein, wie Sie sich die Zeitaufteilung idealtypisch wünschen würden. Überlegen Sie sich dies für jeden einzelnen Sektor Ihrer Grafik und tragen Sie die Werte nun mit einer anderen Farbe (oder einem Symbol) als die zuvor benutzte ein. Nutzen Sie als Grundlage für Ihre Überlegungen folgende Fragen: Für welche Sektoren wünschen Sie sich insbesondere mehr oder auch weniger Zeit? Welche Wünsche verbinden sich für Sie damit? Gab es schon mal eine Zeit, in der Sie etwas mehr in dem Sinne gelebt haben, wie Ihr Wunschzustand ist? Falls das der Fall war: Was war damals anders? Was haben Sie da anders gemacht? Was genau tun Sie jetzt nicht, was Sie in Ihrem Soll- oder Wunschzustand machen würden? Wie könnten Sie einen kleinen Schritt vom Ist- zum Wunsch-Zustand gehen? Was könnten Sie sich für die nächste Woche vornehmen zu tun? Was noch?«

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Abbildung: Zielscheibe der Lebensbereich-Sektoren

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Anhang 18

Anhang 18 Lebensthemen anschaulich besprochen oder: Der Blick ins Wasserglas Die Arbeit mit Materialen fördert einen kreativen Zugang zur Auseinandersetzung mit den Lebensthemen der Klienten. In diesem Tool wird der Klient zu einer Reflexion über zentrale Lebensthemen angeregt. Dazu werden vier Lebensbereiche zur Grundlage genommen (siehe Instruktion), der Klient kann weitere für ihn wichtige Lebensthemen ergänzen. Über eine durchschnittliche Woche hinweg soll der Klient für sich einschätzen, welchen relativen Anteil die verschiedenen Lebensbereiche aktuell einnehmen. Nutzen: Der Klient vergleicht den Ist-Zustand seiner Zeitverwendung mit dem Solloder Ziel-Zustand. Davon ausgehend lässt sich eine Reflexion über individuelle Lebensziele und Fragen der Lebensführung beim Klienten anregen. Mögliche Arbeitsform(en): Selbstreflexion in Einzelarbeit. ca. 45 Minuten. eine Karaffe Wasser, vier gleiche Gläser, Moderationskarten. Quelle: Beaulieu, D. (2005). Impact-Techniken für die Psychotherapie. Heidelberg: Carl-Auer. S. 87 ff. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Veranschaulichung des sozialen Kontextes«, S. 168 ff. Instruktion des Coaches: »Ich bin bei dem Thema … (zum Beispiel Lebensziele) neugierig, wie Sie aktuell Ihre Zeit auf verschiedene Lebensbereiche aufteilen. Um dies zu betrachten, schlage ich Ihnen ein kleines Experiment vor. Diese vier Gläser stehen jeweils für wichtige Lebensbereiche. Als Unterscheidung schlage ich Ihnen vor, zwischen der Zeit, die Sie erstens für Arbeit und Beruf, Karriere und Geldverdienen investieren, der Zeit, die sie zweitens für Familie und Freunde, drittens für Körperpflege, Fitness und Ernährung investieren und viertens für Themen wie Lebenssinn, Religion und Selbstverwirklichung aufwenden, zu unterscheiden.

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Gibt es für Sie noch weitere wichtige Lebensbereiche für die Sie sich aktuell engagieren und dafür vergleichsweise viel Zeit aufwenden?« Je nach Antwort gilt es, neben den vier Gläsern für die genannten Bereiche, weitere Gläser hinzustellen und die Moderationskarten für die Lebensbereiche entsprechend der Klientenangaben zu verändern. Der Coach legt die Moderationskarten zu den jeweiligen Gläsern und vergewissert sich, dass die Unterteilung der Lebensbereiche verstanden wurde. Coach: »Das Wasser in der Karaffe stellt 100 % Ihrer Zeit dar. Bitte verteilen Sie das Wasser so auf, wie Sie aktuell Ihre Zeit verwenden. Wie viel Zeit verwenden Sie für den jeweiligen Bereich?« Der Klient verteilt nun das Wasser auf die vier Gläser. Fragen des Coaches zur Wasserverteilung des Klienten für die verschiedenen Lebensbereiche: –– »Wie füllen sich für Sie die Lebensbereiche konkret? Wie ist dies bzw. für den Bereich, dessen Wasserglas den höchsten Pegel hat?« –– »Wie geht es Ihnen mit dieser Verteilung? Welche Gefühle löst diese bei Ihnen aus?« –– »Gibt es ein Spannungsverhältnis bzw. Konflikte zwischen den Bereichen?« –– »Welcher Bereich fordert Sie aktuell besonders?« –– »Wie wünschen Sie sich die Verteilung? Was sollte anders sein?« –– »Was genau würde diese Veränderung bedeuten?« –– »Wofür wünschen Sie sich mehr Zeit?« –– »Was könnte ein kleiner Schritt in diese Richtung sein?«

Anhang 19

Anhang 19 Arbeit mit dem Berufegenogramm Durch das Genogramm mit dem Schwerpunkt »Arbeit und Beruf« werden familiäre Muster beruflicher Entwicklungen in der Geschwister-, Eltern- und Großelterngeneration verdeutlicht. Das gemeinsame Erarbeiten des Berufegenogramms soll den Klienten unterstützen, den eigenen bisherigen und noch vor ihm liegenden Berufsweg damit in Beziehung zu setzen. Nutzen: Vergewisserung der familiären Wurzeln in ihrer Bedeutung für die Berufsentwicklung des Klienten; Ermittlung von »unausgesprochenen Vermächtnissen« in der Familie; Analyse von berufsrelevanten Ressourcen in der Familiengeschichte. Mögliche Arbeitsform(en): Einzelarbeit. mindestens 60 Minuten. Flipchart oder großer Papierbogen und verschiedenfarbige Stifte. Quellen: McGoldrick, M., Gerson, R., Petry, S. (2009). Genogramme in der Familienberatung (3., überarb. Aufl.). Bern: Huber. S. 31 ff.; Hildenbrand, B. (2005). Einführung in die Genogrammarbeit. Heidelberg: CarlAuer. S. 106 ff. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Selbstreflexion des professionellen Helfers als Teil des Unterstützungssystems«, S. 212 f. Bei der Methode des Berufegenogramms wird das klassische Genogramm (siehe den Abschnitt »Biografische Arbeit«, S. 165 ff. in diesem Buch) unter beruflichen Gesichtspunkten analysiert, das heißt, es wird nach Berufsbranchen, beruflichen Tätigkeiten und ihrer Bewertung im familiären Rahmen, Statusunterschieden, Vorbildern und familiären Aufträgen gefragt. Die Auseinandersetzung damit findet in einem Spannungsfeld zwischen der Übernahme vorgelebter Rollen (übernommene Berufsidentität) und neuen, unbekannten Berufswegen (autonome Berufsidentität) statt. Im ersten Schritt wird das Familiennetzwerk mit Hilfe der Genogrammsymbole (siehe Abbildung 12; S. 166 in diesem Buch) gezeichnet, mit den Altersangaben werden dann die Berufstätigkeiten der Familienmitglieder, beginnend mit der Kernfamilie, neben den Personensymbolen eingetragen.

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Begleitende Fragen hierzu sind: –– »Welche Berufe haben Ihre Eltern? Was lebten Ihnen Ihre Eltern beruflich vor?« –– »Welche Berufe haben Ihre Geschwister erlernt? Welche Tätigkeiten üben sie heute aus?« –– »Welche Berufe haben die weiteren Familienangehörigen? Welche Tätigkeiten üben sie heute aus?« –– »Über welche Personen wird viel gesprochen? Was wird besonders hervorgehoben? Was besonders geschätzt?« –– »Wie wird über frühere Generationen gesprochen?« –– »Gibt es etwas, das Sie als berufliches Vermächtnis in Ihrer Familie bezeichnen würden? Wie wirkt dies auf Sie? Welchen Einfluss hat dies auf Ihre bisherigen Entscheidungen? Welche könnte es auf zukünftige haben?« –– »Welche Berufe finden sich in der männlichen Linie, welche in der weiblichen Linie?« –– »Welche besonderen Ressourcen sehen Sie, wenn Sie auf das Berufegenogramm Ihrer Familie schauen?« –– »Was wünschen Sie sich für Ihren weiteren Berufsweg?« Hier angeschlossen kann eine Skalierungsfrage gestellt werden: »Wenn Sie sich zwischen den beiden Polen ›Übernahme von Berufsideen aus der Familie‹ und ›Unabhängigkeit und Eigenständigkeit‹ positionieren sollten, (die Pole können auf dem Boden beispielsweise durch Moderationskarten und ein Seil markiert werden), –– wo würden Sie sich heute sehen? Bitte stellen Sie sich an diese Stelle. –– was würden Sie sich wünschen? Wo würden Sie dementsprechend stehen? –– was müssten Sie tun, um Ihrem Ziel näher zu kommen?«

Anhang 20

Anhang 20 Berufliche Stolpersteine Dieses Tool dient der Analyse von Herausforderungen und Erschwernissen beim Verfolgen beruflicher Ziele. Sie können in äußeren Umständen, aber auch in inneren Prozessen (zum Beispiel Ängste, geringes Selbstvertrauen) liegen. Der Klient wird angeregt, eine realistische Betrachtung möglicher Hindernisse vorzunehmen und für ihn mögliche Handlungsstrategien bei ihrem Auftreten vorzuüberlegen. Nutzen: Der Coach normalisiert das Auftreten von Erschwernissen und regt eine vorausschauende Handlungsplanung an. Mögliche Arbeitsform(en): Einzelarbeit. 30–40 Minuten. Flipchartbogen; verschiedenfarbige Filzstifte. Quelle: Lieser, C. (2014). Systemisches Coaching und Selbstwert. Stärkung von Selbstwert anhand systemischer Methoden. In C. Lieser (Hrsg.), Praxisfelder der systemischen Beratung (S. 13–32). Wiesbaden: Springer VS. S. 26 f. Zugehöriges Kapitel im Buch: »Begleiten von Realisierungsschritten und Übergängen«, S. 220 ff. Stimmen Sie den Klienten zuerst einmal auf die Übung ein: »Auf jedem Weg zu einem Ziel kann es Hindernisse und Stolpersteine geben. Diese können in Ihrem Umfeld liegen, aber auch bei der Person selbst. Es ist im Coaching sehr wichtig, realistisch zu schauen, worin bei den jeweiligen beruflichen Zielen mögliche Hindernisse und Stolpersteine bestehen können, und zu überlegen, wie man sich darauf vorbereiten kann. Dies möchte ich im Folgenden mit Ihnen zusammen für Ihre beruflichen Ziele überlegen. Den Ausgangspunkt Ihrer beruflichen Entwicklung heute zeichne ich an die Flipchart links unten ein und rechts oben Ihr berufliches Ziel.« Tragen Sie unten links einen Punkt auf das Flipchartblatt ein und rechts oben ein Schlüsselwort für das Ziel. Verbinden Sie Ausgangspunkt und Ziel mit einer geschlängelten Linie und zwar möglichst mit einer anderen Farbe.

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Stellen Sie dem Klienten nun folgende zwei Fragen: –– »Wenn Sie den Weg von heute bis zu Ihrem beruflichen Ziel betrachten, welches Hindernis könnte auf diesem Weg (in nächster Zeit) liegen?« –– »Wie groß wäre dies Hindernis, wenn sie es auf einer Skala zwischen 1 (gleich ganz klein) und 10 (gleich sehr groß) einschätzen sollten?« Tragen Sie das Hindernis, das der Klient nennt, und den Skalenwert auf der Linie ein; der Skalenwert kann auch als kleiner oder großer Kreis neben dem Hindernis auf den geschlängelten, beruflichen Weg eingezeichnet werden. Erfragen Sie nun weitere Stolpersteine, die Sie ebenfalls skalieren lassen und einzeichnen. Beim Einzeichnen der genannten Hindernisse auf der Flipchart sollte – wenn absehbar – die zeitliche Reihenfolge berücksichtigt werden (evtl. beim Klienten erfragen): –– »Welche Stolpersteine kann es noch geben?« Sind alle Stolpersteine eingetragen, erfragen Sie vom Klienten die Handlungsmöglichkeiten, die er hat: –– »Welche Handlungsmöglichkeiten haben Sie, um sich auf die möglichen Hindernisse bzw. Stolpersteine vorzubereiten? Welche Lösungen kann es für jeden einzelnes Hindernis geben?« –– »Was genau könnten Sie tun? Wer kann Sie dabei unterstützen?« –– »Woran werden Sie erkennen, dass der Stolperstein auf Ihrem Weg liegt?«

Anhang 21

Anhang 21 Arbeit mit dem Reflektierenden Team Das Tool geht in seiner Zielsetzung und seinem Ablauf auf Tom Andersen (1990) zurück und nutzt die Methode für das Karrierecoaching. Es zielt auf eine Erweiterung der Beobachtungsperspektiven, eine Vergrößerung des Lösungsraums und ein Feedback zum Prozess der Fallreflexion. Neben dem Coach und dem Klient wird von weiteren Coaches ein Außenkreis gebildet, der nach einer Beratungsphase dann eine Reflexionsphase über den bisherige Coachingverlauf durchführt (siehe Ablauf). Nutzen: Der Einsatz des Außenkreises unterstützt das Karrierecoaching durch die Meta-Kommunikation über den Coachingprozess und gibt Coach und Klient ein wertschätzendes Feedback. Mögliche Arbeitsform(en): hier erläutert für das Coaching; daneben im supervisorischen Kontext. mindestens 60 Minuten. Es sind neben dem Coach weitere Personen notwendig (mindestens zwei). Quelle: Andersen, T. (Hrsg.) (1990). Das reflektierende Team. Dialoge und Dialoge über Dialoge. Dortmund: Verlag Modernes Lernen. Zugehöriger Abschnitt im Buch: »Selbstreflexion des professionellen Helfers als Teil des Unterstützungssystems«, S. 212 f. Das Tool unterscheidet Phasen des Coachinggesprächs zwischen Coach und Klient und eine Phase der Reflexion durch das reflektierende Team. Dafür haben die Beobachter des reflektierenden Teams einen speziellen Arbeitsauftrag. Phase 1 bildet den Einstieg in das Coachinggespräch zwischen Coach und Klient (ca. 20 Minuten). Das reflektierende Team hört zu und beobachtet. Phase 2 stellt die Reflexion des bisherigen Coachinggesprächs durch das reflektierende Team dar (maximal 20 Minuten). Dazu unterbricht der Coach nach Rücksprache mit dem Klienten das Gespräch. Die Kollegen des reflektierenden Teams begeben sich dann in einen Dialog über das Beobachtete. Coach und Klient dürfen sich daran nicht beteiligen, sie haben jetzt eine Beobachterposition.

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In Phase 3 wird das Coachinggespräch zwischen Coach und Klient fortgeführt (ca. 20–30 Minuten). Ausgangspunkt sind dafür die Anregungen, Ideen und Hypothesen des reflektierenden Teams, die der Klient für das weitere Coaching nutzen möchte. Am Ende des Coachings erfolgt dann zwischen Coach und Klienten eine Abschlussreflexion über die neuen Ideen, Einsichten und zukünftige Schritte aus diesem Coaching. Durchführung: Der Coach erläutert dem Klienten den Nutzen der Arbeitsweise und holt seine Einwilligung für dieses Experiment ein. Instruktion des Coachs an den Klienten: »Für das Karrierecoaching hat es sich als nützlich erwiesen, einzelne weitere Kollegen hinzuzuziehen, sie aus einer Beobachterposition das Gespräch verfolgen zu lassen und in einer zweiten Phase von ihnen ein konstruktives Feedback über das Coachinggespräch zu erhalten. Aus der Beobachterperspektive können die Kollegen zusätzliche Anregungen für die erweiterte Reflexion Ihrer beruflichen Situation beisteuern. In einer dritten Phase wird dann unter Nutzung der Ideen und Anregungen das Coaching fortgeführt. Sind sie zu diesem Experiment bereit?« Nach der Einwilligung des Klienten werden die Kollegen für das reflektierende Team hinzugeholt. Instruktionen des Coachs über das reflektierende Team an den Klienten: »In der ersten Phase unseres Coachinggesprächs werden die Kollegen des reflektierenden Teams zuhören und beobachten. Nach ca. 20 Minuten, möglicherweise bei einem Themenwechsel, werden die beobachtenden Kollegen eine Rückmeldung darüber geben, was ihnen zu unserem Gespräch durch den Kopf gegangen ist, d. h. beispielsweise welche Ressourcen und Stärken ihnen aufgefallen sind, welche Lösungsversuche sie gesehen haben und welche Ideen ihnen dazu zusätzlich gekommen sind.« Nach Phase 1 und 2 kann der Coach mit den folgenden Fragen das Coachinggespräch in die Phase 3 überleiten: »Welche Ideen des reflektierenden Teams waren für sie neu, ungewöhnlich, nützlich und/oder anregend? Welche möchten sie für unser weiteres Coachinggespräch nutzen?« Am Ende des Coachings bittet der Coach den Klienten um eine Abschlussreflexion über die neuen Ideen, Einsichten und zukünftige Schritte aus dieser Coachingsitzung.

Anhang 22

Anhang 22 Tagebuch des gelungenen Lebens Zur Förderung der Selbstaufmerksamkeit und zur Selbstvergewisserung über erreichte persönliche Veränderungen dient das Tagebuch als alltagsnahe Dokumentation. Es gilt hier positive Erlebnisse und Erfolge am Ende des Tages zu erinnern und festzuhalten. Nutzen: Regelmäßige Reflexion über die »kleinen und großen Schritte in die richtige Richtung«. Mögliche Arbeitsform(en): Selbstreflexion. (täglich) zehn Minuten. ein kleines Heft als Tagebuch. Quelle: von den Autoren Balz und Plöger selbst entwickelt; eine Methode der tagebuchgestützten Dokumentation findet sich beispielsweise bei: Furman, B., Ahola, T. (2010). Es ist nie zu spät, erfolgreich zu sein. Ein lösungsfokussiertes Programm für Coaching von Organisationen, Teams und Einzelpersonen. Heidelberg: Carl-Auer. S. 70 ff.; Schlieper-Damrich, R. (2014). Cahier. In Ch. Rauen (Hrsg.). Coaching-Tools. Bonn: managerSeminare. S. 258–263. Zugehöriges Kapitel im Buch: »Begleitung von Realisierungsschritten und Übergängen«, S. 220 ff. Am Ende einer Coachingsitzung schlägt der Coach dem Klienten ein Experiment vor, das Tagebuch des gelungenen Lebens: »Unser Alltag ist von vielen Anforderungen, Verpflichtungen, Erlebnissen und Erfahrungen geprägt. Oft vergehen die Tage so schnell, dass wenig Zeit bleibt an die schönen Erfahrungen im beruflichen und privaten Bereich zu denken. Auch erinnern wir uns oft nur an die Dinge, die uns nicht gelingen und machen uns darüber Gedanken. Das Tagebuch des gelungenen Lebens soll dazu dienen, die schönen, vielleicht überraschenden, vielleicht neuen Erfahrungen festzuhalten. Es können dabei kleine Begebenheiten notiert werden wie eine kleine Aufmerksamkeit von Kollegen oder die nette E-Mail, aber auch die Sternstunden im beruflichen oder

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privaten Bereich wie beispielsweise der erfolgreiche Abschluss einer längeren Arbeitsphase oder die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Diese kleinen und großen Sternstunden einzufangen und sich ihrer zu erinnern, dazu soll das Tagebuch des gelingenden Lebens dienen. Suchen Sie sich dafür ein kleines Heft oder Büchlein und legen es neben Ihr Bett. Eine Idee kann es sein, das Heft oder Büchlein mit einem Umschlag schön zu gestalten (ähnlich einem Geschenk oder einer Schatztruhe). Nehmen Sie sich in den folgenden Tagen jeweils zehn Minuten am Abend vor dem Schlafengehen Zeit, um über den zurückliegenden Tag nachzudenken. Die folgenden Fragen, sollen Sie beim Nachdenken anregen, nehmen Sie sich die Fragen heraus, die für Sie an diesem Tag passen, und schreiben zu ihnen etwas in Ihr Tagebuch des gelungenen Lebens: –– Welche kleine Besonderheit hat Ihnen dieser Tag geschenkt? –– Was haben Sie Positives erlebt? –– Mit welchen Menschen hatten Sie einen guten Kontakt? –– Was haben Sie an diesem Tag getan, worauf Sie ein klein wenig stolz sind? –– Was haben Sie an diesem Tag über sich gelernt? –– Was von den Dingen, die Sie sich wünschen, war ein klein wenig so, wie Sie sich es wünschen? –– Was von Ihren Anliegen und Zielen im Karrierecoaching hat sich heute in die Richtung entwickelt, in die Sie sich dies wünschen? –– Was nehmen Sie sich für den nächsten bzw. die nächsten Tage vor, noch mehr zu tun? Nachdem Sie in Ihr Tagebuch des gelungenen Lebens geschrieben haben, legen Sie es zur Seite, legen sich schlafen und lassen den Tag hinter sich.«

Literatur

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Index

A Abschluss 187, 200 Abschlussphase 134 Aktionsform 151, 155, 157 f., 163 f., 169 Allparteilichkeit 60, 190, 207 Ambivalenz 60, 193, 195 f., 279 Anliegen 44, 51 ff., 106, 116, 119, 121, 130, 134 ff., 146 f., 150, 152, 156, 162, 167, 212, 218, 231 ff., 242, 247, 249 ff., 266 f., 269, 271 f., 292 Ansatz, entwicklungstheoretischer 88, 92 Ansatz, sozial-kognitiver 84, 88, 97, 99, 103, 203 Arbeit, biografische 165 Arbeitsagentur 51, 57, 65, 75, 78, 141, 198, 234 Arbeitsmarkt 17, 22, 29, 31, 65, 73, 79, 82, 102, 128, 188, 190, 196 f., 230, 238 Arbeitsphase 80, 130 f., 133, 141, 209, 292 Arbeitsplatzverlust 39 Arbeitssammler 25, 31 Arbeitsvermittlung 21 Arbeitswelt 24 f., 32 f., 35, 50, 62, 83, 87, 91, 103, 210, 228, 238, 242 Atom, soziales 171 Aufstellung 12, 157 f., 168 ff., 236, 277 f. Auftrag 51, 55, 57, 61, 135, 139, 142 f., 146, 175, 177, 184, 240, 249 f., 252 Auftragskarussell 143 ff., 212, 249, 251 Ausbildung 22, 25, 36 f., 39, 66 f., 69 ff., 91, 93, 95, 133, 147, 154, 216, 231, 254 Ausnahmefrage 142, 147, 152, 155, 196, 198, 201 Autonomie 9, 117, 119, 125, 129, 189, 207, 241 Autopoiesis 111 B Berater-Klienten-System 109, 119

Beratung 11, 18, 42, 47, 52, 55 f., 58, 249, 266 Berufsbiografie 95, 230, 237, 243, 275 Berufsorientierung 24, 57, 65 f., 93, 142, 169, 227, 230 Berufswechsel 39, 61 Beschäftigung, untypische 19, 23 Bewältigungsfrage 147, 153, 155, 198 f. Beziehung 112 f., 128, 132, 137, 168, 211, 236, 239, 270 f., 277 Beziehungsbrett 12 f., 211, 277 Burnout 33, 39 C Coaching 11, 13, 39, 42 ff., 49 f., 53 ff., 249 f., 252, 254, 264, 270, 290 Copingfrage 153 D Diagnostik 204 ff. Differenz 52, 135 Dreieckskontrakt 143 Dynamik 91 f., 123, 125, 169, 210 E Einstieg 39, 69, 82, 130, 135, 137, 141, 146, 258 Eröffnung 130 Erwartung 51, 53, 69, 83 f., 92, 96 f., 137, 189 f. Erwerbsmodell 23, 30, 32 ff., 39 Ethik 120 Exploration 58, 68 f., 93, 131, 140, 155, 207 F Fachberatung 54, 61 Familie 111, 124, 165, 168, 219, 247, 249, 285 Familienbrett 170

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Frageformen, systemische 146 f. Fragen, hypothetische 200, 260 Fragen nach Ausnahmen 223 Fragen nach Veränderungen 146 f., 149 Fragen nach Verhaltensunterschieden 148 f., 155 Führungskraft 131, 173 ff., 178, 180, 183 G Genogramm 165 ff., 210 f., 216, 285 Glaubenssätze 101, 202, 214 Grenzen 188, 223, 234 H Haltung, systemische 105 f., 114, 118 f., 153, 156, 161, 171, 229 Hartz-Reformen 17, 21 Helfer 124, 161 Hierarchie 50, 77, 170 Hypothese 168, 290 I Identität 90, 94, 101 Individualisierung 102 Inneres Team 156 f., 195, 270 f. Intervention 99, 264 J Joining 138 K Karriere 49 ff. Kompetenz 58, 94, 208 f., 258, 262 Komplexität 125, 187 Kompliment 161 ff. Konflikt 195, 225 Kongruenztheorie 88, 90, 93 Konkretisierungsfrage 147, 151 f., 155, 267 Konstruktionismus 108 Konstruktivismus 106, 114 Kontrakt 146, 249 L Laufbahn 49 f., 92, 174 Laufbahnorientierung, proteische 36 Lebenslinie 168, 240, 254 f. Lebensthemen 217, 221, 260, 283 Lösungen, hypothetische 155 f. lösungsfokussiert 109, 150 f., 170, 176, 178 f., 181, 184, 187, 221, 235, 264, 266 Lösungshypnose 123 f. Lösungspotenzial 116 ff.

M Macht 51, 55, 207 Maps 168 f. Matching 87, 91, 205 Mentoring 42 f., 46, 48, 59 Metapher 13, 201, 211, 226 Motivation 28, 32 f., 38 f., 76, 80, 84, 96, 117, 139, 141, 201, 207, 223, 230, 269 Muster 88, 95, 123, 149, 164, 207, 209, 211, 279, 285 N Netzwerk 59, 81, 114, 160, 168, 222, 243, 285 Normalarbeitsverhältnis 22 ff., 29, 33 f. O Ordnung 107 ff., 197, 201, 271 Organisation 46, 49 f., 56 f., 59, 69, 75, 174 f., 186, 241 Outplacement 52, 55, 64, 75 ff., 79 ff., 103, 234 P Passung 34, 36, 38, 87, 89 Pause 39 Position 60, 122, 128, 258, 275 f. Prozessberatung 54 ff., 62, 128 ff. Prozess, nonlinear 113 Q Qualifikation 33, 40, 48 R Rapport 130, 135 Realität 94, 106, 108 Reflektierendes Team 212, 289 f. Reframing 86, 161, 163 f., 231 Ressource 152 ff., 159, 163, 165, 168, 204, 247, 256, 258, 262 f., 266 ff., 285 Ressourcenarbeit 153 ff., 161 Ressourceninventar 155, 159, 268 f. Ritual 224 f. Rückfall 134 S Selbständigkeit 23 f., 27, 55, 81, 199, 209 Selbsterfahrung 126 Selbstführung 83 ff. Selbstmanagement 38 ff., 83 f., 86 f., 103 f., 204, 220 f. Selbstorganisation 27, 83 f., 88, 101, 111 f.

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Selbstreflexion 47, 49, 66, 80, 114, 125, 195, 198, 206 ff., 212, 214, 223, 227, 234 f., 237, 239, 243, 249, 254, 258, 260, 281, 283, 291 Selbstunternehmer 26 ff., 32 f., 36, 38 Selbstwirksamkeit 81, 84, 91, 96 ff., 118 f., 125, 139, 150 f., 190, 202, 204, 234 Setting 45, 47, 234, 238, 268 Sinn 186, 213 ff., 218, 283 Skalierungsfrage 146, 150 f., 155, 231, 276, 286 Skulptur 170, 211 Soziogramm 168 f. Sprache 109, 122, 124 Staat 21 f., 26 Stabilität 88, 90, 95 f., 102, 111 Stärken 153 ff., 175 f., 178 f., 181, 186, 230 f., 259, 261 ff., 290 Strukturaufstellung 170 Supervision 13, 42, 46 ff., 61 f., 212 System 111 ff. T Tetralemma 171, 196 Therapie 46, 107, 110 Timeline 167, 192, 220, 272 Training 13, 42, 44, 46, 48 f., 54, 65, 180, 203 U Übergang 22, 39 ff., 58, 64, 66 ff., 87, 103, 199, 220, 224 f. Umdeutung 12, 154 f., 163 f.

Unternehmen 19 ff., 24, 33, 58, 60, 75, 174, 180 f., 183, 185 Unterstützer 74, 161, 168, 193, 212, 222, 224, 241, 243, 249, 280 V Verschreibung der Noch-nicht-Veränderung 150, 264 Verständnis 109, 138, 189 Vertrag, psychologischer 20 Vertrauen 57 f., 60, 76, 120, 125, 129 f., 137, 207, 236 Viabilität 108, 189 VIP-Karte 155, 159 ff. Vision 83, 140, 159, 243, 256 f. W Wahrheit 108 f., 114 Wertschätzung 119, 153, 156, 161 f., 175, 229 Wirklichkeit 105 ff., 113 f., 118 f., 122 f., 135 f., 235 Wissen 46, 59, 67, 84, 101, 108 Work-Life-Balance 28, 41, 218, 281 f. Wunderfrage 140, 146, 150, 154, 156, 200 f., 266 f. Z Zeitstrahl 165, 167, 192, 272 Zeugenarbeit 155 f. Zielklärung 139 f., 178 f., 186, 193 zirkuläre Fragen 146 f., 210 f., 231 Zirkularität 147 f., 207

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