Systemdenken und Globalisierung: Folgerungen für die lernende Organisation im internationalen Umfeld. Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik am 27. und 28. Oktober 1995 in Reutlingen [1 ed.] 9783428491162, 9783428091164

Die meisten Märkte in den Industrieländern haben sich von Verkäufer- in Käufermärkte gewandelt. Dadurch entstanden Absat

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German Pages 451 Year 1997

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Systemdenken und Globalisierung: Folgerungen für die lernende Organisation im internationalen Umfeld. Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik am 27. und 28. Oktober 1995 in Reutlingen [1 ed.]
 9783428491162, 9783428091164

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Systemdenken und Globalisierung Folgerungen für die lernende Organisation im internationalen Umfeld

Wirtschaftskybernetik und Systemanalyse Herausgegeben von

Prof. Dr. Jörg Baetge, Münster/Westfalen Prof. Dr. Heribert MetTert, Münster/Westfalen Prof. Dr. Karl-Ernst Schenk, Harnburg Prof. Dr. Bernd Schiemenz, Marburg Band 18

Systemdenken und Globalisierung Folgerungen für die lernende Organisation im internationalen Umfeld Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik am 27. und 28. Oktober 1995 in Reutlingen

llerausgegeben von

Rolf Pfeiffer

Duncker & Humblot · Berlin

Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik e. V. Frankfurt/Main Sekretariat: Am Plan 2, D-35032 Marburg Tel. 0 64 21/28 17 18

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybemetik: Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschaftsund Sozialkybernektik. - Berlin : Duncker und Humblot Früher Schriftenreihe Systemdenken und Globalisierung : Folgerungen für die lernende Organisation im internationalen Umfeld ; am 27. und 28. Oktober 1995 in Reutlingen I hrsg. von Rolf Pfeiffer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Wissenschaftliche Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschaftsund Sozialkybernetik ; 1995) (Wirtschaftskybernetik und Systemanalyse; Bd. 18) ISBN 3-428-09116-7

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gerrnany ISSN 0720-6992 ISBN 3-428-09116-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8

Vorwort Die Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik (GWS) veranstaltete ihre internationale Jahrestagung 1995 am 27. und 28. Oktober an der ExportAkademie Baden-Württemberg in Reutlingen. Die Jahrestagung sollte wiederum dazu beitragen, den Erfahrungsaustausch zwischen Praktikern und Wissenschaftlern zu fordern und die vielen Bereiche aufzuzeigen, in denen die Mitglieder der GWS das kybernetische Gedankengut einsetzen. Dazu war der Ort der Tagung, in der regelmäßig Aufbaustudenten und Seminarteilnehmer aus über 30 Nationen zusammenarbeiten, Verpflichtung für das Programmkomitee, ein aktuelles "internationales" Thema zu wählen. So haben die Herren Dr. Jürgen Burggraf, Karl Heinz Danzer, Priv.-Doz. Dr. Thomas Fischer, Dr. Hermann Klinger, Prof. Dr. Helmut Lindner, Prof. Dr. Rolf Pfeiffer, Prof. Dr. H.Rühle von Lilienstern und Prof. Dr. Bernd Schiemenz das Thema" Systemdenken und Globalisierung - Folgerungen für die lernende Organisation im internationalen Umfeld" gewählt und dabei eine glückliche Hand bewiesen, denn das Interesse an der Tagung war ungewöhnlich groß. Die Dynamisierung und Globalisierung unserer Wirtschaft stellt hohe Anforderungen an Unternehmen und Institutionen, die mit kybernetischem und systemischem Denken besser gemeistert werden können. Diese Erkenntnisse der Tagungsteilnehmer kommen auch in den Vorträgen, Präsentationen und Diskussionsbeiträgen der Tagung zum Ausdruck. Der vorliegende Sammelband "Systemdenken und Globalisierung" enthält daher in der Reihenfolge des Tagungsprogramms die scluiftlichen Fassungen der beiden Plenarvorträge und nahezu sämtliche Referate der drei Sektionen und Präsentationen. Die abschließende Podiumsdiskussion ist nicht erfaßt, da sie zur Aufarbeitung und Zusammenfassung der Inhalte der Tagung dienten. Den Teilnehmern auf dem Podium an dieser Podiumsdiskussion, den Herren Priv.-Doz. Dr. T. Fischer als Leiter und Dr. H. Klinger, Prof. Dr. B. Schiemenz und Prof. Dr. M. Schwaninger, sowie den aktiven Diskutanten sei an dieser Stelle herzlich gedankt für die interessanten Beiträge. Die Sektionen "Organisation und Wandel" und "Lernen von internationalen Organisationen" wurden nach den beiden Plenarvorträgen durchgehend am Freitagnaclunittag und Samstagvormittag abgehalten, während die Sektion drei

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Vorwort

in die Themengruppen "Entscheidungsunterstützende Informationssysteme" und "Wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen" unterteilt war. Die zusätzlichen flinf Präsentationen mit EDV-Unterstützung fanden alle am Freitagnachmittag statt. Gemäß diesen Angaben ist der Tagungsband in sechs Teile gegliedert. Im ersten Teil "Plenum" war der erste Vortrag von Prof. Dr. R. Pfeiffer gleichzeitig eine Einfiihrung und Orientierung zum Thema und in die Tagung. Dieser Charakter wurde in diesem Sammelband beibehalten, so daß dieser Beitrag als Einfiihrung und Überblick konzipiert ist.

Bei insgesamt 28 Beiträgen im Verlauf der Tagung hatten die Sektionsleiter eine wichtige und schwierige Aufgabe. Mein besonderer Dank gilt daher den Herren Dipl.-Ing. N: Brachthäuser, Prof. Dr. M. Leserer, Prof. Dr. B. Kulla, Prof. Dr. H. Czap, Prof. Dr. B. Schiemenz, Prof. Dr. W. Schuhmann, Prof. Dr. R. Tietz, Prof. Dr. R. Fahrion und Prof. Dr. H. Lindner. Bedanken möchte ich mich bei allen, die zum Gelingen der GWS-Tagung 1995 in ReutliDgen beigetragen haben. Insbesondere danke ich allen Referenten für ihre Mitwirkung und die Überlassung der Manuskripte in Diskettenform zur Veröffentlichung. In meinen Dank schließe ich alle Institutionen ein, die die Durchfiihrung der Tagung ermöglicht und organisatorisch unterstützt haben, insbesondere die Stadt ReutliDgen und die Fachhochschule Reutlingen, Hochschule für Technik und Wirtschaft. In angenehmer Erinnerung- auch wegen der fachlichen Diskussionen - blieb der Empfang durch den Oberbürgermeister der Stadt Reutlingen, Herrn Dr. Schultes im Rathaus der Stadt Reutlingen. Die Unterstützung der Tagung durch die Fachhochschule kam in der Begriißungsrede ihres Rektors, Herrn Prof. Dr. G. Obieglo, die der Export-Akademie in der Begriißung des Vorsitzenden des Kuratoriums, Herrn Dr. W. Sannwald, zum Ausdruck. An dieser Stelle besten Dank an beide Herren für die freundliche Unterstützung. Einen entscheidenden Anteil am Gelingen der Tagung hatte das Organisationsteam mit Herrn Dipl.-Vw. P. Miez-Mangold als verantwortlichem Koordinator, Herrn Dipl.-Kfm. A. Krafft, Dipl.-Verw.wiss. M. Clausnitzer und Frau Dipl.-Ing. (FH) B. Caliskan. Daneben hatte Frau Wochner einen wichtigen Part bei der Betreuung des Tagungsbüros. Dmen und all den hilfreichen Händen von Studenten und Mitarbeitern der EA gilt mein besonderer Dank. Ein Wort des Dankes gebührt auch Herrn Karl Heinz Danzer für die finanzielle Unterstützung der Tagung. Schließlich möchte ich Dank sagen an den Vorsitzenden der GWS, Herrn Prof. Dr. B. Schiemenz, und sein Mitarbeiterteam für die vieWiltige Unterstützung vor und während der Tagung.

Vorwort

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Dem Verlag DWlcker & Hwnblot, in dem bereits zahlreiche Tagoogsbände WlSerer Gesellschaft erscheinen konnten, danke ich filr die VeröffentlichWlg auch dieses Bandes Wld Herrn Dipl.-Verw.wiss. M. Clausnitzer filr die SammlWlg Wld Aufbereitung der Manuskripte. Reutlingen, im März 1996 Prof. Dr. RolfPfeiffer

(Mitglied im Vorstand der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik e.V.)

Inhalt

Plenum RolfPfeijfer Globalisierung und lernende Organisation .................................................................... 13 Hermann Klinger Die Lernende Organisation am Beispiel der Festo KG .................................................. 27

Organisation und Wandel Franz Lieb/ Strategische Frühaufklärung als Lemprozeß: Ein Modell zur Unterstützung der Umfeldanalyse ............................................................................................................... 39 Bernhard Ku/la Organisationswandel durch Business Process Reengineering (BPR) ............................ 61 Klaus Bellmann Konfiguration von Produktionsnetzwerken ................................................................... 79 Stefan Berndes Die Team Organisation- Zwischen Selbstorganisation und Fremdorganisation ......... 101 Eberhard Feuchtmeyer Organisationsentwicklungsprozesse in mehrdivisionalen internationalen Unternehmungen ......................................................................................................... 127 Christian Scholz Die virtuelle Organisation als Herausforderung für die Systemtheorie........................ 135

Lernen von internationalen Organisationen Werner Schuhmann Zur Komplementarität von Struktur und Strategie im Prozeß organisatorischen Lemens ........................................................................................................................ 151 Günter Altrogge Zur Anwendbarkeit der Lernkurventheorie in der quantitativen Beschreibung von Lernerfolgen in Organisationen ................................................................................... 173

Inhalt

10 Michael Kopp

Lernprozesse in multinationalen Unternehmen- Das Beispiel ffiM ............................ 187 Bemd Schiemenz und OlafSchönert

Informationale Voraussetzungen für Lernprozesse multinationaler Unternehmungen ......................................................................................................... 203 Markus Schwaninger und Michael Flaschka

Organisationale Intelligenz im Kontext globalen Wettbewerbs: Der Beitrag von Managementsystemen zu den Kernkompetenzen von Dienstleistungsunternehmungen .................................................................................. 225 Peter Schwibinger

Kommunikation als Erfolgsfaktor in internationalen Organisationen.......................... 251 Jerome B. Brightman

Creating Competitive Advantage through Organizational Leaming: Examples from U.S. - China Trade .............................................................................. 285 Entscheidungsunterstützende Informationssysteme

Peter Miez-Mangold und Sven Obertopp

INES - Ein wissensbasiertes Entscheidungsunterstützungssystem für die lernende Organisation ................................................................................................................ 295 Günter Schmidt und Jörg Meyer

Lernen durch Analogie in der Fertigungsplanung und -steuerung............................... 311 Edgar P. Hibbert

Using Information Technology to Develop Trade Intelligence Services in the Private Sector ...

ooooooooooooo . . . oo . . . . . . . . . . oo.oooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo•oooooooo•

325

Kuno Rechkemmer

"Two Views ofExecutive Information Systems: The U.S. and Germany" (Ergebnisse eines Forschungsprojektes mit Dr. John F. Rockart, Massachusetts Institute ofTechnology, Cambridge, USA)

oooooooooooooooooooooo oo oooooooooooooooooooooo oo oooooooooooooooo•

333

Wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen

Kar/ Steinbuch

Kybernetik und Politik

oooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo oo oo • • oo • • ooooooooooooooooooooooooooo . . . . . ooooooooooo•

341

Norbert Brachthäuser

Vom Systemdenken zur Systemtheorie der Wirtschaftsorganismen- ein Überblick... 357 Matjaz Mulej

Different International Environments- Different Initiatives for Systems Thinking

0000

377

Inhalt

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Präsentation

BannsHub GAMMA- Methode und Werkzeug zur Bearbeitung komplexer Problemstellungen. 395 Thomas Leopoldseder IMPEX - Ein betriebswirtschaftliches Planspiel zur Simulation international tätiger Unternehmungen ......................................................................................................... 405 Manfred Bundschuh und Dietmar Gausseimann Programmsystem zur Simulation kybernetischer Regelkreise ..................................... 425 Johannes Wagner und Michael Clausnitzer Das ungenutzte Potential wirtschaftswissenschaftlicher Informationen aus dem Internet ........................................................................................................................ 441

Globalisierung und lernende Organisation Von RolfPfeiffer1 Vorab möchte der Autor hervorheben, welche Faszination die Beschäftigung mit dem Thema bei ihm ausgelöst hat und er jedem Leser empfehlen möchte, sich auch intensiv mit dem Thema zu beschäftigen, um die Herausforderungen unserer Zeit besser meistern zu können.

1.

Was bedeutet "Globalisierung"?

Das Thema Globalisierung ist in den Räumen der Export-Akademie, also in den Räumen der diesjährigen GWS-Jahrestagung, höchst vertraut, steht es doch im Studienplan des Aufbaustudiums Internationales Marketing und wird täglich von Studenten aus über 30 verschiedenen Nationen in Gruppenarbeit praktiziert. In unsere Gedankenwelt der Kybernetiker und des systemischen Denkens bringt die Globalisierung jedoch eine neue Dimension, so daß wir hier auf dieses Phänomen noch näher eingehen sollten. Durch die Entwicklung in den Industrieländern, daß die meisten Märkte sich von Verkäufer- zu Käufermärkten gewandelt haben, entstanden Absatzprobleme und Überkapazitäten. Der Wettbewerb verschärfte sich enorm. Um weiter Wachstum und Profit zu erreichen, wurden weltweit neue Märkte angegangen. Dies gilt für den Einkauf und den Absatz. So kamen viele Unternehmen vom Global-Sourcing zum globalen Denken und lokalen Agieren. Im global denkenden und lokal agierenden Unternehmen suchen sich die Manager in den Ländern rund um den Erdball die Angebote aus, die Ihnen am meisten Gewinn versprechen. So produzieren sie, wo die Löhne niedrig sind, forschen wo die Gesetze großzügig und weisen die Gewinne aus, wo wenig Steuern anfallen. Dies alles ist vielleicht etwas zu pauschal und negativ dargestellt, doch soll hier zum Ausdruck kommen, daß man heute nicht mehr wie vor 20 - 30 Jahren von Multis, sondern von supranationalen (transnationalen) Unternehmen spricht. Diese bleiben nicht nur auf die größten 100 Unternehmen beschränkt, sondern auch mittelständischen Unternehmen ist eine solche Strategie möglich. Die Unternehmen beschränken sich nicht mehr auf den Export, sondern tätigen Direktinvestitionen zur Produktion, Forschung, 1 Prof. Dr. Rolf Pfeiffer, Professor für internationale Untemehmensfiihrung I Planspiele und Mitbegründer der Export-Akademie Baden-Württemberg, Reutlingen

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Eigenvertrieb, ... vor Ort, wn Transportkosten zu sparen, staatlichen Regulierungen aus dem Weg zu gehen oder Wechselkursschwankungen auszugleichen u.a.m.. Diese Dezentralisierung wurde durch folgende Entwicklungen in den letzten Jahren gefördert: 1. Einfache weltweite Kommunikation. 2. Viele Länder fördern die Investitionen von Ausländern, wn Arbeitsplätze zu schaffen. Die Angst des Ausverkaufs existiert nicht mehr. 3. Das Kapitalläßt sich leicht über die Grenzen transferieren, da die Finanzmärkte liberalisiert sind. 4. Die Märkte sind wegen der weltweiten Wirtschaftsvereinigungen (EU, NAFTA, ASEAN, ... ) offener geworden. 5. Es gilt die Maxime, daß mehr Freihandel und Wettbewerb das Wachstwn fördert und neue Arbeitsplätze bringt. Die dafür bereitgestellten AnreizSubventionen nehmen in manchen Ländern gigantische Ausmaße an (USA), bei anderen sind Eintrittsgelder erforderlich (China). Diese Entwicklung der Globalisierung findet aber auf der Basis einer beschleunigten Wissensvermehrung in allen Ländern und eines raschen Wandels der Märkte (Produktlebenszyklen usw.) und des Verhaltens statt. Die Statistiken weisen aus, daß der Welthandel in den letzten 10 Jahren doppelt so schnell gewachsen ist wie das Brutto-Inlandsprodukt. J:?ie letzten neuen Entwicklungen und Experimente in USA sprechen von der Entstehung von virtuellen Unternehmen (Conrad/Eicker, Handelsblatt vom 13./14.10.95, S. Kl und K2). Dabei ist entscheidend die informationstechnische weltweite Vernetzung aller Mitarbeiter, wn flache Hierarchien, dezentrale Prozesse und Entscheidungskompetenz zu erreichen. Dazu müssen sich Firmenkulturen verändern, insbesondere die hierarchischen Systeme, Personalentwicklungssysteme und die Rolle der Manager. Dieses sehr junge Konzept der virtuellen Organisation ist aber noch weitgehend unklar und unerforscht und daher will Herr Scholz dazu einen Beitrag aus systemtheoretischer Sicht leisten. Die so eingeleitete Globalisierung der Unternehmen bringt fiir diese Unternehmen selbst, aber auch fiir die jeweiligen Regierungen und das Umfeld große Probleme mit sich. Dadurch gibt es immer mehr Stimmen, die einen weltweiten Unternehmenskodex fordern bzw. weltweite neue Ordnungsstrukturen. Oder gibt es immanente Regeln und ein Ethos, an das sich bereits alle halten? Dies bringt uns jedoch zu den Überlegungen des 2. Abschnitts.

Globalisierung Wld lernende Organisation

2.

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Die Herausforderungen der "Internationalen U nternehmensf"ührung"

Aus den aufgezeigten Entwickhmgen der Globalisierung entstehen neue Herausforderungen fiir die Unternehmen als Organisation und fiir die darin aktiven Mitarbeiter: 1. Ansteigende Komplexität Dieser Punkt ist unmittelbar einsichtig, da eigene neue Aktivitäten im Ausland neue Aktionen und Reaktionen auslösen, und dies in einem Umfeld mit neuen, unbekannten Zusammenhängen. An dem Beispiel der Errichtung eines JointVentures in China kann man sich dies leicht vcrstellen. 2. Zunahme von Wissen Durch Einstellung neuer Mitarbeiter fiir das Auslandsgeschäft, insbesondere auch aus dem Ausland, erhält das Unternehmen neues Wissen. Zudem wird neue Erfahrung erarbeitet und dazu Wissen angesammelt. Dies erhöht aber wiederum die Komplexität (siehe 1.). 3. Zeit als Wettbewerbsfaktor Schneller sein als die Konkurrenz mit neuen Produkten auf neuen Märkten, mit neuen Ideen in der Unternehmensfiihrung, in der Produktion, im Einkauf, ... wird häufig der wichtigste Erfolgsfaktor. Ja innerhalb kürzester Zeit muß ein weltweit tätiges Unternehmen total umstrukturiert werden (vgl. das Beispiel ABB bei Probst/Büchel, S. 11 und 12). Die zunehmende Hektik in vielen Prozessen und die dadurch ansteigende Zahl von sog. Stresserkrankungen zeigen dies auf. Besonders deutlich wird die Zeit auf den internationalen Börsen rund um den Erdball. Der Infonnationsverbund, gekoppelt mit den Zeitverschiebungen der Zeitzonen bewirkt spezielle Gesetzmäßigkeiten, die offenbar von niemand steuerbar sind; und das über 24 Stunden. Dies veranlaßte Herrn Prof. K.-J. Kuschel in einem Vortrag an der Export-Akademie am 10.10.1995 von einer Aufhebung von Zeit und Raum zu sprechen. 4. Wertewandel Dieser Begriffwird hier am häufigsten zitiert, ist aber meist ziemlich unklar. Gemeint ist meist die Änderung der Prioritäten in den Zielsetzungen der Unter-

Rolf Pfeiffer

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nehmen lllld der Menschen. Dies zeigt sich in der Berücksichtigung von sozialen Zielen, Umweltzielen, Betonllllg von Fragen des menschlichen Seins, religiöse Ziele (Flilldamentalisten), Diskussion wn Regeln, an die sich alle halten (Ethos) u.a.. 5. Qualitatives Wachstum Durch die aufgezeigte Begrenzung der Märkte und die ständig steigenden Ansprüche der Klillden hat sich der Wettbewerb auf das qualitative Wachstum verlagert. Bei gleichem Umsatzvolwnen werden somit höherwertige Problemlösllllgen mit Zlillehmend mehr Service angeboten. Dies erfordert eine Erhöhllllg der internen Handlllllgskompetenz. Diese kann sicher erreicht werden durch ein sinnvoll eingesetztes Business Process Reengineering, wenn Geschäftsprozesse funktionsübergreifend mit dem Ziel hoher Klilldenzufriedenheit wngestaltet werden (vgl. dazu den Beitrag von Herrn Kulla). 6. Umgang mit neuen fremden Kulturen Die Internationalisierung bringt in enge geschäftliche und private Beziehl.Ulgen Menschen, deren Menschenbild total voneinander verschieden ist. Die Religionen - Judentum, Christentum, Islam, Buddismus, Hinduismus - prägen die Kultur lllld die Menschen der Länder lllld somit muß ein erfolgreicher Geschäftsmann mit den verschiedenen Werten, Grundhaltllllgen, Normen lilld Idealen der Menschen rund wn den Erdball wngehen können. Hier wird heute noch zu wenig getan, wn mit dieser Vieldimensionalität der Welt und des Menschen zurechtzukommen. 7. Zllllehmende VernetZlillg auf globaler Ebene Die weltweiten Netzwerke der BeziehliDgen rechtlicher, ökonomischer lilld persönlicher Art werden durch die weltweiten Aktivitäten immer intensiver, dadurch wichtiger, ja oft entscheidend. Die großen Unternehmen nutzen dies durch Einrichtlillg von organisationalen Netzwerken, aber auch durch Kooperationen lllld sog. strategische Allianzen. Allerdings können auch die nationalen Netzwerke eine wesentliche Einschränkung der Internationalisierung bewirken, wie das Keiretsu in Japan beweist. An diesen Aspekten knüpft Herr Bellmann an, wenn er eine Netzwerkstruktur auf der Basis von Kooperation und Wettbewerb entwickelt, wn Evolution zu sichern. Durch die ansteigende Komplexität (vgl.l.) lilld die Zlillehmende VernetZlillg wird es auch sehr schwierig, Trends vorherzusagen lllld sich darauf einzustellen.

Globalisierung und lernende Organisation

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Hier will Herr Lieb! einen Beitrag leisten zur strategischen Frühaufklärung als Lernprozeß.

3.

Der Nutzen von Systemdenken und Kybernetik

Die Systemtheoretiker und Kybernetiker betrachten die Unternehmen als Ganzes, in ihrer Einbettung in das internationale Umfeld. Die dynamische Entwicklung des Systems Umwelt und des Systems Unternehmen und deren Interaktion bezeichnet weitere Charakteristika der Systemtheorie. Greift man in diese Systeme ein, entstehen Rückkopplungen, Nebeneffekte, Schwellenwerte, die beabsichtigt oder unbeabsichtigt sind. Zudem verändern sich die Grenzen eines Systems je nach Betrachtungsstandpunkt Der Betrachter ist ein Teil des Systems und daher nicht neutral. Das System Unternehmung ist gleichzeitig Subsystem des höheren Systems Internationales Umfeld. Daher verneint das systemische Denken Objektivität, eindeutige Feststellungen können nur aus der Wahrnehmung von Unterschieden getroffen werden (o.V., Manager Seminare 1995, S. 59). Für das Management ergibt sich aus all dem die Konsequenz, daß diese hohe Komplexität mit linearem, isolierendem Ursache-Wirkungsdenken nicht mehr beherrscht werden kann. Daher ist ein sog. systemisches Managen sinnvoll, das als Hauptaufgabe hat, ... "die Anpassungsflihigkeit und Flexibilität einer Organisation ihrer Umwelt entsprechend zu erhalten und gegebenenfalls zu erhöhen." (o. V., Manager Seminare 1995, S. 60) . Dies bedeutet, daß ein systemischer Manager genau das richtige Maß an Flexibilität finden muß, um genauso flexibel oder flexibler als der Wettbewerb reagieren zu können . Die Systemtheorie spricht hier von Varietät, um die verschiedenen unterscheidbaren Zustände eines Systems in Anpassung an die Umwelt zu bezeichnen. Diese hier geforderte Anpassungsfähigkeit der hochkomplexen Netzwerke ist nur dezentral und selbstregulierend zu erreichen, d.h. die Mitarbeiter müssen Prozesse unmittelbar selbst gestalten können. Sie müssen in der realen Problemsituation lernen, mit Unterstützung im Team und etablierten Lernroutinen. Die Maxime lautet also: Betroffene zu Beteiligten machen (o.V., Manager Seminare 1995, S. 63). Daß eine solche Teamorganisation einer hierarchisch strukturierten Organisation überlegen ist, zeigt Herr Berndes in seinem Beitrag. Das große Problem bei der neuen Teamorganisation ist, daß das traditionelle Lernen und Führen bei uns nicht auf diese Denkweise ausgerichtet ist und daher das Umlernen bzw. die Änderung der Einstellungen zentral werden. Diese Überlegungen lassen auch den Ruf nach einem neuen Typ von Manager laut werden, der hohe Team- und Motivationsflihigkeiten hat, bei schneller Anpassungsflihigkeit (Einfallsreichtum, Tatendrang, gesunder Menschenver2 GWS-Tagung 1995

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stand). (Bierach,B., U.Groothuis, Wirtschaftswoche, Nr.39, 21.9.1995, S.122132). Die erwähnten hohen Anforderungen an das Lernen der global tätigen Unterneinnen bedingen nun, daß wir uns mit zwei Aspekten beschäftigen: -

Das Lernen in Gruppen und die Wechselwirkungen auf das gesamte Unternelunen.

Wichtig ist hier, daß ein langfristiges, geschlossenes Weiterbildungskonzept

im Unternelunen erstellt wird, das die Personalentwicklung der Mitarbeiter im

Rahmen der Unternelunensgrundsätze und der langfristigen Ziele berücksichtigt. Dies bedeutet, daß eine erfolgreiche Weiterbildungsmaßnalune die Voraussetzungen von der Organisation, vom Finnengeist, von den Mitarbeitern und der wirtschaftlichen Umsetzung her erfiillen muß unter Einbeziehung der Referenten, der Teilneluner, des Weiterbildungsverantwortlichen und des Vorgesetzten (vgl. Nagel, Band II, VII, 8., S.50 - 56). Erst danach können Überlegungen zu den optimalen Methoden fiir das Lernen in Gruppen angestellt werden (vgl. Nagel, S. 39 - 49). Den speziellen Aspekt des Lernens durch Analogie (fallbasiertes Schließen) im Bereich der Fertigungsplanung und -Steuerung präsentieren uns die Herren Sclunidt!Meyer. -

Der Lernflihigkeit und Lernbereitschaft des Individuums.

Lernen ist ein Prozeß, in den der ganze Mensch einbezogen ist, mit geistigen, körperlichen und psychischen Vorgängen. Unter Lernen versteht man Verhaltensänderungen eines Individuums aufgrund von Umwelteinflüssen. Diese Umwelteinflüsse kann man gezielt steuern, um zum rationellen Lernen (unter Einbeziehung des Erlebnislernens) zu kommen. Dazu können 10 Thesen angegeben werden (vgl. Nagel, S. 12- 27): (1) Lernen durch Erkennen des Zusammenhangs (2) Lernstoff sinnvoll strukturieren (3) Mehrere Sinne gleichzeitig am Lernprozeß beteiligen (4) Eine Steigerung des Lesetempos erreichen (5) Differenzierung der Lernleistungen (abwechslungsreiches Lernen) (6) Neuen Stoff zu bereits Gelerntem in Beziehung setzen (7) Lernen durch Konzentration (Zuhören lernen, Dialog fiihren lernen, .. ) (8) Zweckmäßig verteilte Wiederholung des Lernstoffes (9) Lernen durch sinnvolle Zeiteinteilung (10)Lernen durch aktive Mitarbeit

Globalisierung und lernende Organisation

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Kybernetisches Denken ist bei allen Punkten gefordert, insbesondere aber bei den Punkten (l), (6) und (10). Eine spezielle, selbstbestimmte Art des Lernens mit verschiedenen Medien wird Ihnen Herr Lindner mit seinem Team vorstellen. Es ist das Fernlehrangebot Internationales Marketing der Export-Akademie. Ganz andere Aspekte des kybernetischen Denkens bzw. Systemdenkens zeigen Herr Steinbuch (Politk) und Herr Brachthäuser (Volkswirtschaftslehre) auf. Herr Mulej geht dagegen der Frage nach, ob Globalisierung von selbst mehr Systemdenken verursacht. Um nun diese Überlegungen in den Kontext einer lernenden Organisation einzubringen, ist deren nähere Charakterisierung erforderlich.

4.

Die Charakteristika einer lernenden Organisation 4.1. Definition von organisationalem Lernen

Die einzelnen Definitionen liegen weit auseinander (siehe die Tabelle bei Probst/ Büchel, S. 178). Wichtig ist, daß die Definition die Ergebnisse des Lernens einschließt. Daher schließen wir uns der Defmition von Probst/Büchel, S. I 77, an: Bei organisationalem Lernen handelt es sich ."um die Fähigkeit einer Institution ... , als Ganzes Fehler zu entdecken, diese zu korrigieren sowie die organisationale Wert- und Wissensbasis zu verändern, so daß neue Problemlösungs- und Handlungsflihigkeiten erzeugt werden." Voraussetzung und wichtige Basis fiir organisationales Lernen ist individuelles Lernen, jedoch kann man nicht einfach die Summe der individuellen Lernprozesse gleich dem organisationalen Lernen setzen. Die Entscheidungen der Individuen in einem Unternehmen fallen unter der Sicht der Interessen des Gesamtunternehmens in einem Entscheidungsgremium anders aus als die Summe der Einzelentscheidungen. Dafiir müssen aber einige Transformationsbedingungen fiir Organisationales Lernen vorliegen. Diese sind (Probst/Büchel, S. 21 ): -

Kommunikation

-

Transparenz

-

Integration

Gespannt können wir sein auf den Beitrag von Herrn Altrogge, der die quantitative Beschreibung von Lernprozessen angeht. 4.2. Was löst Lernen in Organisationen aus?

(Probst/BUchel, S. 49 ff.) Die Auslösung von Lernprozessen kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten erfolgen: 2•

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-

Turbulenzen und Krisen

Leider ist dies heute der Hauptauslöser für Lernen, wie die letzten "Krisenjahre" gezeigt haben. Erst massiver Druck von außen und innen lösen totales Umdenken und damit Lernen aus. -

Resourcenreichtum

Haben Unternehmen freie Kapazitäten zur VerfUgung - aufgebaut in guten Zeiten - dann liegen die Voraussetzungen für Flexibilität, lnnovationskraft, Veränderung und organisationalem Lernen vor. Allerdings werden diese Voraussetzungen von vielen Unternehmen oft nicht genutzt, obwohl sicher Probst/Büchel zuzustimmen ist, wenn sie sagen" Der vordergründige ökonomische Gewinn einer schlanken, abgespeckten Organisation steht in keiner Relation zu den nur schwer quantifizierbaren Verlusten an Flexibilität, Kreativität, Fähigkeit zur Chancenwahrnehmung sowie der verminderten Fähigkeit zur Abwehr von Krisen (Staehle, 1991)". Eher ist festzustellen, daß Routinen gefördert werden und vergessen wird, mit Weiterbildung, Job-Rotation, Umformung von Arbeitsprozessen oder gar Entlassungen und Neueinstellungen den Prozeß des Lemens und VerJemens zu fördern. Hier ist wichtig zu erwähnen, daß die Förderung des Freiraums für kreative und innovative Führungspersönlichkeiten ein wichtiger Auslöser für lernen ist. 4.3. Lernhindernisse

Durch Lernen wird dem Bestand an Wissen neues Wissen hinzugefiigt. In der Regel fiigt sich neues Wissen nicht nahtlos in das alte Wissen und dessen Struktur ein, sondern altes Wissen muß in seiner Struktur verändert werden, ja altes Wissen muß "verlernt" werden, um Neuern Platz zu machen und zum Erfolg zu verhelfen. Diesem Verlernen widersetzen sich aber Organisationen, da sie Altes bewahren wollen, insbesondere dann, wenn sie noch ( einigermaßen ) erfolgreich sind. Die Faktoren der Lernverhinderung sind (Probst/Büchel, S.74 - 79): Organisationale defensive Muster, die zum Ziel haben, bei Fehlern diese zu leugnen und abzudecken, das Gesicht zu wahren und bedrohliche oder peinliche Situationen abzuwenden. -

Normen, Privilegien und Tabus. Hier sind insbesondere die sog. Killerphrasen zu nennen.

-

Informationspathologien, die das Informationsverhalten und die Informationsverarbeitungskapazität verändern und behindern ( Parolen, Blockaden, ... ).

Globalisierung und lernende Organisation

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4.4. Förderung von organisationalem Lernen

Nach Probst/Büchel, S.87 - 91, muß im Unternehmen erst eine Standortbestinunung erfolgen, die Informationen zum Lernbedarf, Wissensreservoir, existierenden Lernformen, mögliche Träger des Lernens, Auslösefaktoren des Lernens und hemmende und fordernde Faktoren liefern soll. Nur auf der Basis dieses "Lernprofils" können Ansätze und Strategien zur Förderung von Lernprozessen entwickelt werden. Als "Schlüsselwege" zur Förderung des organisationalen Lernens (Probst/Büchel, S. 93) werden üblicherweise am magischen Viereck orientierte Prozesse des Lernens gesehen. Diese sind: -

Strategieentwicklungsprozesse

-

Kulturentwicklungsprozesse

-

Strukturentwicklungsprozesse

-

Personalentwicklungsprozesse

In diesen Prozeßfeldern sind Instrumente festzulegen, die das Lernen besonders fordern. Ein entsprechendes Projekt bearbeitet die Export-Akademie gerade zusammen mit der Firma FESTO in Eßlingen. Die Konkretisierung des magischen Vierecks hat dort zu den folgenden 5 Prozessfeldern des Lernens geführt, die als generelle Ziele fiir alle Mitarbeiter und das Management weltweit formuliert sind: -

Denken in Systemen

-

Bereitschaft zu kontinuierlichem Lernen

-

Gemeinsame strategische Planung bzw. Entwicklung der .mkunft

-

Gemeinsame Entwicklung der Unternehmenskultur

-

Professionelle Teamarbeit (mit passenden Entlohnungssystemen)

Diese Ziele wiederum gehen zurück auf die Einteilung von P.M.Senge, The Fifth Discipline, p. 6 - 13, wobei als Fünfte Disziplin der nachfolgende Punkt 1 von 5 Punkten bezeichnet ist (p. 12): 1. Systems Thinking

2. Personal Mastery

3. Mental Models

4. Building Shared Vision 5. Team Leaming Im Rahmen dieser Ziele sind nun detaillierte und effiziente Instrumente und Maßnahmen zu entwickeln, um das ständige Lernen des Unternehmens fiir die Zukunft sicherzustellen und eine bessere Abstimmung und Steuerung der inter-

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nationalen Aktivitäten zu erreichen. Details dazu aus praktischer Sicht wird Herr Dr. Klinger im nächsten Beitrag aufzeigen. Einen besonderen Aspekt des organisationalen Lernens zeigt Herr Schuhmann auf, nämlich daß organisatorische Veränderungen im Unternehmen nur zusammen mit der Strategie entschieden werden können, d.h. die Fragen "Wie lernen Organisationen?" und "Was sollen sie lernen?" können nach seiner Meinung nur simultan beantwortet und realisiert werden. Ebenfalls mit dem Lernprozeß beim Übergang auf neue Organisationsstrukturen und eine neue Unternehmenskultur beschäftigt sich Herr Kopp. Schließlich können passende Managementsysteme einen wichtigen Beitrag zum Lernen der globalen Unternehmen bzw. zur organisationalen Intelligenz leisten, wie die Herren Schwaninger/Flaschka zeigen werden. Ein besonders wichtiger Aspekt des Lernens im Rahmen der Strategieentwicklungsprozesse ist das Lernen von Kunden und der Konkurrenz (Simon!facke, S. 167- 182). Was sollte man von den Kunden lernen? (Simon!facke, S. 171-174) -

Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden

-

Wahrnehmung der Kunden

-

Der Kunde als Innovator

Wie kann man von den Kunden lernen? (Simon!facke, S. 174,175) -

Kundenbefragung

-

Regelmäßige Kundenkontakte

-

Dezentralisierung und Regionalisierung

-

Effiziente Handhabung von Beschwerden

Was sollte man von der Konkurrenz lernen? -

Ziele der Konkurrenten

-

Strategien der Konkurrenten und mögliche Reaktionen

-

Fähigkeiten der Konkurrenten

Wie lernt man von der Konkurrenz? -

Verkaufspersonal

-

F&E-Abteilung

-

Einkäufer

Globalisierung und lernende Organisation

-

Personalabteilung

-

Produktanalyse,Testkäufe, Reverse Engineering

-

Veröffentlichungen jeder Art

-

Informationen von Dritten

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Wichtig ist, daß nicht nur einzelne Personen im Unternehmen lernen, sondern daß in Lernstrategien alle Informationsteile integriert und über z.B. Workshops in Gruppen-Arbeit umgesetzt werden, um das Verhalten des "Unternehmens" zu verändern (Simon!racke, S. 181 ). Ein besonderer Aspekt zur Förderung des organisationalen Lernens soll hier noch besonders betont werden, da er im Rahmen der Systemtheorie und Kybernetik eine wichtige Rolle spielt. Gemeint ist die Abbildung der Realität in Modellen, mit denen man dann spielerisch lernen kann. Spiel und Spaß werden z.B. von Müller-Stewens/ Pautzke, S. 201 - 203 als besonders effiziente Form des Lernens, insbesondere für die Führungskräfteentwicklung, angegeben. Diese Überlegung ist für einige Beiträge auf unserer jetzigen Tagung zentral, wie von den Herren Miez-Mangold/Obertopp und Hub, sowie Herrn Leopoldseder und den Herren Bundschuh/GauBelmann (unter Präsentationen bzw. Entscheidungsunterstützende Informationssysteme).

5.

Anforderungen der Praxis an ein lernendes Unternehmen im internationalen Umfeld

Bei allen Überlegungen und Erkenntnissen bleibt doch immer die Frage offen: Wie ist Organisationales Lernen zu erzielen? Wie wir gesehen haben, ist diese Frage gerade für den Erfolg im internationalen (globalen) Umfeld entscheidend. Dabei kommt es nicht allein auf die eingesetzten Lerninstrumente (MBO, TQM, Business Process Reengineering, Kaizen, Job-Rotation, Training mit Planspielen u.a.) an, sondern auch auf die Lernfähigkeit einer Organisation, die nur über Lernprozesse mit Kommunikation, Interaktion und Transparenz angestoßen, kanalisiert und unterstützt werden kann. Ein Beispiel bringt hier Herr Feuchtmeyer mit mehreren Beispielen, wie einfache Abstimmungs- und Koordinationsmechanismen notwendig sind, um mehrdivisionale internationale Unternehmen effizient zu halten. Die wichtige Voraussetzung eines guten Informations- und Kommunikationssystems für alle Lernprozesse betonen die Beiträge der Herren Schiemenz/Schönert, Schwiebinger (System Growtth bei Freudenberg), Hibbert (BCNet), Rechkemmer (Vergleich USA-BRD) und Wagner/Clausnitzer (Internet).

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Rolf Pfeiffer

Doch selbst wenn Leminstnunente und Lernfähigkeit sowie Lernbereitschaft vorliegen, muß die Organisation und ihre Mitglieder bereit und fähig sein, all ihre Werte, Erfahrungen, Handlungen, Werte ... in Frage zu stellen, wn neue unbekannte Wege zu beschreiten. Dies bedeutet, daß eine Entscheidung zur InGang-Setzung der Veränderungen notwendig ist. Fm hier aber die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist das Niveau der drei Voraussetzungen im Unternehmen zu ermitteln (Probst/Büchel, S. 180, sprechen vom Reifegrad der Organisation) und daran angepaßt Veränderungen gleichzeitig an verschiedenen Orten vorzunehmen. Wichtig ist, das Organisationale Lernen selbst als Grundziel vorzugeben.

6.

Zusammenfassung

Folgende drei Themenbereiche erscheinen zentral und sollen hier nochmals zusammenfassend hervorgehoben werden: (1) Die dramatischen Änderungen der Umwelt und des Wissens zusammen mit der Globalisierung sind mit traditionellen Steuerungs- und Motivationsinstrwnenten nicht mehr beherrschbar. (2) Neue Ideen und Konzepte sind erforderlich, wn im internationalen Wettbewerb das Überleben zu sichern und selbst aktiv gestaltend eingreifen zu können. (3) Eine Lösung könnte die Theorie der Lernenden Organisation sein, die gleichzeitig ein Dach filr all die neuen Konzepte und Schlagworte der letzten Jahre, von Kaizen über TQM bis Benchmarking, bilden kann. Diese neuen Konzepte sind meist als Teillösungen konzipiert, nicht integriert in eine "systemische" Unternehmensfiihrung. Das Beispiel "Benchmarking" zeigt, daß zwar die Methode von einem reinen Kennzahlenvergleich zu einem System der Orientierung am "Besten" der Industrie (nicht nur der Branche) weltweit entwickelt wurde (vgl. Camp, S.13), die Unternehmen aber den direkten Vergleich mit der Konkurrenz scheuen, Probleme mit der Geheimhaltung sehen und ihre eigenen Leistungen als einmalig einschätzen (vgl.Caliskan, S.46). Solche Hemmnisse können nur durch eine klare und selbstbewußte Orientierung des gesamten Unternehmens an der Philosophie des organisationalen Lernens beseitigt werden.

Globalisierung und lernende Organisation

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Literatur Bierach, B., U. Groothuis: Schnell oder tot, in:Wirtschaftswoche, Nr. 39, 21.9.1995, S.122-132 Caliskan, 8.: Benchmarking im Versandhandel, Diplom-Arbeit an der ExportAkademie, 9.10.1995 bei Prof. Dr. Rolf Pfeiffer Camp, R.C.: Benchmarking, München 1994 Conrad, G., A. Eicker: Was bringt uns das virtuelle Unternehmen?, in: Handelsblatt vom 13./14.10.1995, S.Kl und K2 Müller-Stewens, G., G. Pautzke: Führungskräfteentwicklung und organisatorisches Lernen, in: Sattelberger, T., Die lernende Organisation, Wiesbaden 1991, S. 183 205 Nagel, K.: Praktische Unternehmensfiihrung, Band II, Landsberg/Lech 1993

O.V.: Sehen Sie Zusammenhänge?, in: Manager-Seminare, Nr.21, Oktober 1995, S. 5663 Probst, G., B.Büchel: Organisationales Lernen, Wiesbaden 1994 Senge, P.: The Fifth Discipline, New York 1994 Simon, H., G.Tacke: Lernen von Kunden und Konkurrenz, in: Sattelberger,T., Die lernende Organisation, Wiesbaden 1991, S. 167- 182

Die Lernende Organisation am Beispiel der Festo KG Von Hermann Klinger1 Die Welt verändert sich ständig. In den letzten Jahren hat sich dieser Wandlungsprozeß m.E. dramatisch beschleunigt. Die modernen Informationssysteme unterstützen den Austausch und die Verdichtung von Information. Durch Verarbeiten, Strukturieren und Vernetzen von Information entsteht neues Wissen; das verfügbare Wissen verdoppelt sich alle 5 Jahre. Die Weltgesellschaft wird sich daher zu einer Wissensgesellschaft entwickeln. Mit der Wissensexplosion umgehen zu können, bedeutet auch, mit der ebenfalls ständig wachsenden Komplexität umgehen zu können. Für ein Unternehmen, das seinen Bestand auch für die Zukunft sichern will, bedeutet dies, diesem Umfeld zu entsprechen, indem es -

Wissen aufnehmen, Wissen verarbeiten, sich an neues Wissen anpassen, neues Wissen und originelle Lösungen selbst und schneller, kostengünstiger und mit besserer Qualität als andere hervorbringen kann.

Ein Unternehmen dieser Qualität nennen wir ein "lernendes Unternehmen". Das Ziel dieser Organisationsform "Lernorganisation" ist es, die in der ganzen Welt in den letzten Jahren rapide gestiegene Komplexität als strategische Herausforderung im ganzen Unternehmen begreifbar zu machen. Mit dieser innovativen und zukunftsgerichteten Organisationsform soll die Komplexität für das Unternehmen erfolgreich bewältigt werden. Am Beispiel des Unternehmens Festowerdeich im folgenden berichten über -

die Grundüberlegungen, die zu dieser Organisationsform geführt mben, praktische Erfahrungen und die erreichten Ergebnisse.

Das Unternehmen Festo wurde 1925 in Esslingen gegründet. Festo befaßte sich zunächst ausschließlich mit der Produktion von Elektrowerkzeugen. Festo wurde von Anfang an als unabhängiges Familienunternehmen konzipiert, dieser 1

dorf

Dr. Hermann Klinger, Leiter Seminare International, Festo Didactic KG, Denken-

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Hermann Klinger

Status wurde bis heute erhalten. Der Erhalt der damit verbundenen Unabhängigkeit und Flexibilität der Entscheidungen ist ein strategisches Unternehmensziel. Fast 70 Jahre nach seiner Gründung steht das Unternehmen heute mit 50 Festo Gesellschaften in weltweiter Präsenz. Festo bedient mehr als 300000 Kunden rund um den Erdball mit seinen Produkten und Dienstleistungen. Der Wandlungsprozeß von einem Maschinenbauunternehmen zwn heutigen Unternehmen der Automatisierungstechnik begann in den 50er Jahren. Das Hauptangebot umfaßt jetzt die Pneumatik mit allen Komponenten, allem Zubehör und einer Vielzahl von anwendungsorientierten Systemen. Das Angebot Pneumatik wird ergänzt durch das Angebot an elektronischen und optischen Sensoren und elektronischen Steuerungen. Mit Festo Cybernetic lösen wir weltweit komplexe Automatisierungsprobleme für unsere Kunden in einem breiten Anwendungsfeld durch das Angebot von Beratungsleistungen und durch konkrete Vmsetzung.Festo Didactic bietet in mehr als 50 Ländern Produkte und Dienstleistungen für die Aus- und Weiterbildung in Automatisierungstechnik und Kommunikation an. Dieses Angebot unterstützt die berufliche Qualifizierung genauso wie die universitäre Ausbildung und die Weiterbildung. Über den ganzen bisherigen Lebensweg des Unternehmens standen folgende Werte als unternehmerische Ausrichtung unvenückbar fest: -

Im Mittelpunkt aller untemehmerischen Aktivitäten steht der Mensch mit der Achtung und dem Respekt seiner Persönlichkeit. Bei allen Entscheidungen steht das Ganze vor dem Teil. Ein hoher Maßstab wird an die Integrität, Lernbereitschaft und die Qualität von Führung und Zusammenarbeit gelegt. Wir legen besonderen Wert auf die Qualität unserer Leistungen. Wir tordem und fordern die Lernbereitschaft aller. Bei allen Entscheidungen hat die Wahrung der Unabhängigkeit der Entscheidungen auch in Zukunft den höchsten Stellenwert.

Das Umfeld, in dem sich heute Unternehmen behaupten müssen, ist von höchster struktureller Komplexität gekennzeichnet. Es gilt, -

der technologischen Entwicklung zu folgen, sich politischen Zwängen und Chancen zu stellen, sich im globalen Wettbewerb zu behaupten, Ressourcen und Umwelt zu schonen und stets an die Optimierung des Nutzens des Kunden mit den Produkten und Dienstleistungen zu denken und dies zu realisieren.

Im Verlauf vor allem der letzten Jahre sind hier gravierende Veränderungen auf allen Gebieten festzustellen. Erfolgreiche Unternehmen müssen diese Veränderungen in ihre strategischen Überlegungen einbeziehen und Mittel und Wege zur Nutzung der damit verbundenen Chancen und Abwehr der ebenso

Die Lernende Organisation

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damit verbundenen Risiken finden. Wie dargestellt, sind Chancen und Risiken aufhöchst komplexe Weise miteinander vernetzt. Betrachten wir dazu das Beispiel der wachsenden Anforderungen der Märkte an die Automatisierungstechnik genauer. Ging es am Anfang nur um -

Rationalisierung der Produktion, so kamen als Anforderung bald die Einsparung von Energie hinzu, die optimale Nutzung von materiellen Ressourcen, die Humanisierung der Arbeitswelt, die Steigerung der Produktivität, die Verstärkung des Umweltschutzes, die Qualitätssicherung und die Flexibilisierung der Produktion bei unterschiedlichen Losgrößen.

Letzteres ist insbesondere im Zusammenhang mit der zunelunenden Individualisierung von Kundenanforderungen zu sehen. Die Liste der Anforderungen ist nach oben offen, es werden sich Anforderungen ergeben, denen sich das Angebot an Automatisierungstechnik jeden Tag neu stellen muß. Auch hier erkennen wir eine zunehmende Vemetzung und gegenseitige Abhängigkeit der Anforderungen. Allgemein kann man sagen, daß in den 90er Jahren das monotone Wachsturn der 80er Jahre als charakteristisches Merkmal der zeitlichen Änderung in allen Bereichen der Wirtschaft, der Technik bis hin zu Umwelt und Politik einem sprunghaften und eher nicht vorhersagbaren Wandel gewichen ist. Gleichgewichtsphasen wechseln plötzlich mit sprunghaften Anderungen ab. Dieser Wandel hat dramatische betriebliche Auswirkungen, so haben sich beispielsweise -

die Produktlebenszyklen in den letzten Jahren deutlich verkürzt, Belieferung "just in time" wird immer selbstverständlicher gefordert, die Produktentwicklungs- und Markt-Einfiihrungsphase fiir Neuprodukte hat sich in vielen Bereichen nahezu halbiert, die Nachfragesituation kann sich fast über Nacht dramatisch nach unten oder oben verändern, in einigen Branchen mußten und müssen die Produktionskosten innerhalb von 2 Jahren um 30% und mehr gesenkt werden, um weiterhin am Markt bestehen zu können.

Diese wachsende strukturelle und dynamische Komplexität hat in einigen Regionen und Branchen zu krisenhaften Situationen geführt. Unzweifelhaft ist es die strategische Herausforderung dieser Tage, Mittel und Wege zur Bewältigung der heutigen und in Zukunft sicher noch wachsenden umfassenden Komplexität zu finden.

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Hermann Klinger

*

Wir gehen davon aus, daß den beschriebenen Herausforderungen nur durch ein neues, ganzheitliches Organisations- und Managementkonzept begegnet werden kann.

*

Wir gehen weiter davon aus, daß grundsätzlich neue Methoden des Problemlösens gefimden werden müssen. Diese Methoden hängen eng mit der Art des Denkens zusammen:Die Erfolge der westlichen Wissenschaften des 19. Jahrhunderts bis heute sind durch die Anwendung analytischen und eher zentralistischen Denkens zu begründen. Charakteristikum für diese Vorgehensweise ist, daß Abläufe in der Natur und in der Technik gedanklich und experimentell in überschaubare und meßbare Teilabläufe zerlegt werden. Die Grundannahme dabei ist, daß das Gesamtverhalten eines Prozesses in der Natur und der Technik aus dem Verständnis seiner Grundprozesse abzuleiten ist. Diese erfolgreiche Idee wurde zu Beginn der Massenproduktion von Frederic Taylor auf die Organisation von Unternehmen und Arbeitsabläufen übertragen. Der Gesamtarbeitsumfang, z.B. die Montage eines Autos, wird dazu konsequent in genau vorgeplante Einzelschritte zerlegt. Zusätzlich zu logistischen Vereinfachungen, z.B. der Austauschbarkeil der Einzelteile über eine ganze Serie hinweg, ist es so möglich, fiir viele Mitarbeiter die Qualifizierungsanforderung zu senken, da nur kleine, leicht erlernbare Arbeitsschritte beherrscht werden müssen. Diese tayloristische Arbeitsorganisation läßt die Kreativitätspotentiale vieler Mitarbeiter ungenutzt. Die ganzheitliche Verantwortung der einzelnen Mitarbeiter wird hierbei als Störung bewertet. Auf die kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsprozesse durch die beteiligten Mitarbeiter selbst wird verzichtet. Die ProduktivitätsnachteHe dieser Form der Arbeitsorganisation gegenüber der ganzheitlichen Ausrichtung der Organisation liegen z.B. in der Automobil-Branche bei 20 bis 30%. Diese Unterschiede treten gerade heute zutage, weil die Komplexität der Produkte und der tangierten Prozesse erheblich gestiegen ist.

Die Basis for die Weiterentwicklung der tayloristischen Organisation in eine Organisation, die erhöhte Komplexität bewältigen kann, ist das systemische und vernetzte Denken. Hierbei werden neue Methoden benutzt, die in der Systemtheorie entwickelt wurden und z.B. im Systemsengineering praktisch angewendet werden. Mit diesen Methoden können reale, komplexe Erscheinungen beschrieben werden, ohne sie unzulässig vereinfachen zu müssen, wie dies bei rein analytischem Vorgehen häufig der Fall ist.

Diesystemische und auf Vernetzung ausgerichtete Denkweise wirkt sich unmittelbar auf die Konzeption der Organisation aus. Im Mittelpunkt des neuen Konzeptes steht nicht mehr die funktionale Differenzierung durch den weiteren Ausbau von Abteilungen, sondern die prozessorientierte Zusammenfassung von Einheiten. Diese Einheiten erfassen ein Problem insgesamt und setzten die

Die Lernende Organisation

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erarbeitete LösWlg Wlter Berücksichtigoog von Zeit, Kosten Wld Qualität erfolgreich um. Die traditionelle Organisationsform ist, wie oben ausgefilhrt, durch zentralistisches und lineares Denken gekennzeichnet. Die Konsequenzen der tayloristischen ArbeitsteilWlg sind die sequentiellen Arbeitsabläufe Wld in der Folge daraus, die OrientiefWlg des Informationsflusses im Unternelunen am geplanten Arbeitsablauf. Der Starrheit der Arbeitsabläufe entspricht die FixiefWlg der Informationssteuerung in Form der hierarchischen EntscheidWlgsstruktur. Die Auswirkungen dieser Organisation liegen auf der Hand Wld führen in der jetzigen globalen Marktsituation zu den bekannten Wettbewerbsnachtei/en: -

lange Reaktionszeiten, geringe Flexibilität, mangelnde HandhabWlg komplexer AnfordefWlgen, überproportionaler Anstieg des Managementaufwands.

Der traditionelle Lös\Ulgsansatz, wachsende Komplexität durch weitere funktionale Differenzierung zu beherrschen, ist nicht mehr anwendbar: der Aufwand für die notwendige Kommunikation zwischen Spezialisten oder AbteilWlgen steigt überproportional mit der Zahl der Beteiligten an.Der gestiegene Aufwand bedeutet hier gleichzeitig Zeitverlust, überhöhte Kosten Wld mangelnde Qualität. Offensichtlich ist in vielen Branchen aufgfWld der gestiegenen Komplexität die Schwelle für die Effizienz der jeweiligen Organisationsform bereits weit überschritten. Welche LösWlgsansätze gibt es dann für das Management eines Unternehmens zur SenkWlg der Kosten, Verbessef\Ulg der Terminsituation Wld ErhöhWlg der Qualität von Produkten Wld Dienstleit\Ulgen? Betrachten wir die EntwicklWlg des Qualitätsmanagements näher: -

-

Noch vor wenigen Jahren war es z.B. üblich, Qualität durch Ausgangsprüfung Wld Korrektur am Endprodukt sicher211stellen. Neuere Konzepte haben FehlervermeidWlg anstelle von Fehlerkorrektur als eine Aufgabe für jeden Einzelnen zum Ziel. Voraussetzungen dafür sind höhere QualifiziefWlg Wld veränderte EinstellWlg der Mitarbeiter zum Unternehmen Wld zu ihrer Arbeit. Der logische nächste Schritt ist, die Gesamtqualität des Produktes durch Vernetzung aller beteiligten Mitarbeiter in Teams sicherzustellen. Zusätzliche Bedingoog dafür ist die Kompetenz des Einzelnen zur Teamarbeit.

Am Beispiel Qualität wird deutlich, daß das Leist\Ulgsoptimum für Kosten, Termine Wld Qualität nur durch ganzheitliche Betrachtung der Abhängigkeiten der drei Größen Mensch, Technik Wld Organisation erreichbar ist. Konkrete Erfahf\Ulgen zeigen, daß so auch scheinbar widersprüchliche Ziele wie Erhöhung der Qualität Wld SenkWlg der Kosten machbar sind.

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Hermann Klinger

Die mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen der drei Einflußgrößen Mensch, Technik und Organisation auf Qualität, Produktivität und alle anderen Kenngrößen des Unternehmens und die Vernetzung der Größen untereinander legen es nahe, das Unternehmen als System mit den Systembestandteilen Mensch, Technik und Organisation zu betrachten. Die Beschreibung des Unternehmens als System Mensch - Technik - Organisation läßt sich noch weiter differenzieren: -

So ist die Technik z.B. in einem Produktionsprozeß durch die vernetzten Größen Energiefluß, Materialfluß, Informationsfluß zu kennzeichnen. - Der Einfluß des Verstandes eines Menschen z.B. über der Qualifizierung auf die Arbeitsleistung ist unumstritten, doch Emotionen wie Motivation und Demotivation oder Wertvorstellungen beeinflussen die Arbeitsleistung häufig mehr als angenommen. - Die Organisation eines Unternehmens läßt sich einerseits durch die Organisationsstruktur beschreiben; die Wirksamkeit der Abläufe wird jedoch stark beeinflußt durch die Unternehmenskultur, durch die Art der Zusammenarbeit von Mitarbeitern untereinander, von Abteilungen und Gruppen. Im Sinne der tayloristischen Organisation wird die Organisationsstruktur als starr angenommen. Für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit wird es immer wichtiger, Gesamtstrukturen oder Teile daraus leicht an die Marktbedürfnisse anpassen zu können. Nicht Starrheit ist in Zukunft gefragt, sondern die Bewältigung der Dynamik durch Dynamik der Organisation.

Systemisches, ganzheitliches Management eines Unternehmens ist demnach die Optimierung der 3 x 3 Einflußgrößen des Systems Mensch- Technik- Organisation. Derart mehrdimensional vernetzte Systeme sind nur durch Einbau von Adaptionsmechanismen zu fUhren. Adaptive Systeme in der Technik können, wie zu Beginn in der Übersicht aufgezeigt, in einem gewissen Rahmen das Verhalten eines Gerätes oder Vorgangs trotz Veränderung der Einflußgrößen stabilisieren. Lernende Systeme in der Natur haben die Fähigkeit, dieses adaptive Verhalten unter Einwirkung einer weit komplexeren Umwelt zu zeigen. Darüber hinaus kann das Verhalten durch Lernprozesse auch grundsätzlich verändert werden, wenn das Umfeld sich ändert.

Eine Organisation von Menschen in einem Unternehmen ist einer ähnlich komplexen Umwelt ausgesetzt wie ein einzelner Mensch. Ist es dann nicht sinnvoll, die Fähigkeit zum Lernen, zur raschen Anpassung an die Umwelt als wichtigste Befähigung organisatorisch einzubauen? Nach welchen Regeln entwirft man eine lernende Organisation? Das menschliche Gehirn ist das adaptivsie System, das die Natur in seiner Geschichte hervorgebracht hat. Menschen sind unter extremen Bedingungen

Die Lernende Organisation

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erstaunlich leistungsfähig, sie passen sich nicht nur an, sie gestalten sich in ihrer Umwelt selbst, sie lernen. Kennzeichnend fiir den Aufbau des Gehirns ist die Steuerung des lnformationsflusses. Je nach Inhalt der Information durchläuft diese grob gesprochen -

entweder einen starren, hierarchischen Entscheidungsprozeß oder sehr dynamisch Zonen, in denen Erfahrungswissen abgespeichert ist.

Auf diese Weise ist es möglich, auf altes Wissen schnell zurückzugreifen und Erfahrungen zu kombinieren. Gleichzeitig können neue Informationselemente in vorhandene Strukturen eingebaut oder neue Strukturen (Vemetzungen) entwickelt werden. Diese neuen Strukturen ermöglichen neue Information aufzunehmen, neu zu verknüpfen ... kurz, es fmdet Lernen statt. Basis des Lernprozesses sind die permanent ablaufenden Vorgänge des Erkennens, Kommunizierens und Verknüpfens, Strukturierens, Frkennens ... Das Gehirn produziert neues Wissen, um das bestmögliche Verhalten des Menschen in seiner Umwelt sicherzustellen. Im Unterschied etwa zur hierarchischen Organisation des Militärs ist die Verfiigbarkeit von Information und Wissen nicht mit Einschränkungen, wie z.B. Rangstufen, verknüpft. Außerdem fließt Information im Gehirn frei zwischen Bereichen mit unterschiedlichen Erfahrungen. Auf diese Weise wird die Hauptaufgabe, Wissen zu kreieren, nicht durch zusätzliche Belastungen, wie z.B. die Ausübung von Macht und Einfluß, erschwert. Das menschliche Gehirn zeichnet sich gegenüber dem der bestentwickeltsten Tiere etwa der Delphine dadurch aus, daß sich der Mensch selbst zum Thema machen kann. Menschen können über sich selbst nachdenken und mit diesem Werkzeug der Reflexion- unabhängig von unmittelbaren Zwang der Umweltüber Strategien, Problemlösungen, Positionen .. nachdenken und entsprechend handeln.

Eine lernende Organisation bildet diese Prozesse des Gehirns im Aufbau und den Abläufen seiner Organisation nach. Aus dem Bauplan des Gehirns werden folgende Strukturelemente auf die lernende Organisation übertragen: -

Die Lernfähigkeit des Gehirns äußert sich zum einen in der Betonung und Wertigkeit der Lernfähigkeit des Einzelnen, zum anderen in der Lernfähigkeit der Organisation. Diese zeigt sich in der Fähigkeit, durch die Bildung von geeigneten Gruppen, komplexe Problemstellungen bestmöglich aufzubereiten und Entscheidungen zu realisieren. Nach Durchführung der Aufgabenstellung lösen sich diese temporären Gruppen wieder auf, die Gruppenmitglieder nehmen die Erfahrungen mit in ihre permanenten Abteilungen und verbreitem so durch diese dynamische Vemetzung die Wissensbasis fiir die gesamte Organisation. Der

3 GWS-Tagung 1995

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-

Prozeß des "Organisatorischen Lernens" wird durch Reflexion z.B. der erreichten Projektziele oder EntscheidWlgsabläufe ständig neu angestoßen. Wie im Gehirn kommt der lnfonnation Wld dem ständigen Neuerwerb von Wissen zentrale BedeutWlg zu. Die duale Entscheidungsstruktur der lernenden Organisation setzt sich aus einer pennanenten, vertikalen Organisationsstruktur zusammen, die aus der bestehenden Hierarchie heraus entwickelt werden kann und einer dynamischen, horizontalen Struktur aus Teams, Koordinatorengruppen, Projektteams. Zur EntwicklWlg der besten ProblemlösWlgen Wld EntscheidWlgen wird intensive Kommunikation zwischen den ansonsten gleichwertigen Strukturen betrieben.

Die Selbstorganisation von Bereichen hilft, die strukturelle Komplexität zu beherrschen, ebenso dient die Selbststeuerung der Einheiten, wie oben ausgefiihrt, zur effizienten BeherrschWlg der Dynamik. LernWlternehmen sind offene Systeme, sie sind stets zur Selbsterneuerung bereit. Die aufgefiihrten Ableitungen fiir das Lermmternehmen müssen sich in Managementverhalten, Managementdenken, in Verhalten, Denken Wld der QualifizierWlg aller Mitarbeiter niederschlagen: -

Management des Lernunternehmens bezieht laufend neue lnfonnationen in die Kontrolle der Abläufe mit ein. Technisch gesehen ist dies eher ein Regelungsverhalten als bloße SteuerWlg. - Konsequenterweise werden organisatorische Abläufe so entwickelt, daß sie in sich stabiles Verhalten zeigen können, anstatt durch vorgegebene Regeln in Grenzen gezwungen zu werden. - Obgleich das Erreichen eines bestimmten Ergebnisses das Ziel aller Aktivitäten im Unternehmen ist, kommt der Frage, wie das Ergebnis erreicht wurde, zunehmende BedeutWlg zu. - Im Sinne von mehr regeln als steuern ist das Mangementverhalten darauf ausgerichtet, Abweichungen und Risiken bewußt zu machen und in stabilisierende Regelkreise einzubauen. - Entsprechend der dualen Entscheidungsstruktur wächst der Stellenwert der Kompetenz des Mitarbeiters gegenüber demformalen Rang. Auch für die Strategieentwicklung des Lernunternehmens ist ein Paradigmenwechsel notwendig: -

Ging man bisher von einer Bearbeitung bestehender Märkte aus, so steht im Lernunternehen die Suche nach neuen Märkten im Vordergrund.

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Wurde bisher der Unternehmenserfolg in der Absicherung der aktuellen Geschäftsbasis gesehen, so wird dieses Denken im Lernunternehmen durch das Schaffen neuer Wettbewerbsfelder abgelöst.

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Traditionell versteht man das Unternehmen als Portfolio von Geschäftsfeldern, Lernwtternehmen versteht das Unternehmen als Portfolio von Kompetenzen.

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Traditionelle Unternehmen sind auf Produktmärkte ausgerichtet, Lernwttemehmen auf Kundennutzen.

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Der Maximierung der Trefferrate steht im Lernwtternehmen die Maximierung der Lernanstrengungen gegenüber.

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Wird im traditionellen Unternehmen Engagement wtd zeitlicher Einsatz gleichgestellt, so betreibt ein Manager im Lernwtternehmen Engagement im Sinne eines hartnäckigen Verbesserungsbestrebens.

Wesentliche Voraussetzungen fiir die Umsetzung des Lernwtternehmens in die Praxis werden durch Qualifizierung der Mitarbeiter geschaffen:Im Zentrum stehen der Aufbau von technischer, personaler und sozialer Kompetenz. Im Unterschied zur Beschränkung auf den Erwerb von Kenntnissen wtd Fertigkeiten schafft die Ausbildwtg von Kompetenzen in den genannten drei Bereichen die Voraussetzungen fiir den einzelnen Mitarbeiter, auch in Zukunft den Anforderungen folgen wtd Löswtgen aktiv mitgestaten zu können. Im Verständnis des permanenten Lernens wird ein Unternehmen nie am Ziel, lernende Organisation zu sein, ankommen. Es befindet sich immer auf dem Weg dorthin. Dieser Re-Organisationsprozeß ist durch den ständigen Kreislauf -

von Vermittlwtg der Idee des Lernwtternehmens, Veränderung der Praxis, Reflexion des Erreichten und Modifikation der Ideen...

gekennzeichnet. Die Aufrechterhaltung dieses ständigen Veränderungs- und Anpassungsprozesses ist.fiir das Lernunternehmen von zentraler Bedeutung.

Eine lernendes Unternehmen setzt daher auf die immer bessere Beherrschwtg von fiinf Beflihigungen wtd Prozessen, die wir die .fiinf Hauptdisziplinen der lernenden Organisation nennen: -

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Anwendung von Systemdenken bei der Gestaltwtg von Produkten I Dienstleistwtgen wtd Prozessen. Das Gestalten von Prozessen bezieht dabei Kwtden (Kwtdennutzenoptimierung) genauso mit ein wie Zulieferer (Partnerschaften). Kontinuierliches Lernen des Einzelnen und der Organisation. Kontinuierliches Lernen bedeutet hier auch die Gestaltwtg kontinuierlicher Ver-

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besserungsprozesse statt der Herbeifiihrung sprunghafter V eränderungen. Beteiligung aller an der Gestaltung der UnternehmenszukunftZur Erhöhung der Produktivität und Flexibilität des Unternehmens trägt wesentlich bei, wenn möglichst viele Mitarbeiter permanent an der Gestaltung der Unternehmenszukunft mitarbeiten. Dies betrifft dabei die Arbeitsorganisation ebenso wie die Einfiihrung und Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen. Durch die aktive Beteiligung der gesamten Organisation überlappen sich Planung und Durchführung, die positive Folge sind Reduzierung der Durchlaufzeiten, höhere Flexibilität, Erhöhung der Prozeßqualität durch Vermeidung von Kommunikationsfehlern und kostengerechtere Umsetzung der gemeinsamen Entscheidmgen. Gemeinsame Entwicklung der Unternehmenskultur. Bei härter werdendem Wettbewerb wird die Gestaltung der Unternehmenskultur zwn Wettbewerbsfaktor. Wie oben ausgefilhrt, ist gute Kommunikation zwischen Personen, Gruppen und Abteilungen eine notwendige Voraussetzung fiir Lernprozesse. Die Realisierung dieser lernenden Organisation macht eine bewußte Steuerung von Verhaltensänderungen, z.B. die Reduzierung von Abteilungsegoismen, Vorherrschaftsstreben Einzelner auf Kosten Anderer, Gewinner- Verliererverhalten, Taktieren und Intrigieren notwendig. Professionelle Teamarbeit ist in einer lernenden Organisation das wesentliche praktische Element zur Reduzierung der strukturellen und dynamischen Komplexität. Viele sogenannte Teams können diese Aufgabe nicht erfiillen, da ihnen das nötige Handwerkszeug zur Teamarbeit fehlt. Dies betrifft die Zusammensetzung der Teams, die Formulierung von Aufgaben, Verantwortung und Kompetenz, die Aufbereitung und Präsentation von Informationen, Kreativitätstechniken fiir die Arbeit im Team und Möglichkeiten der Konfliktlösung, Projektplanung und Umsetzung. Die Arbeitsweise von Teams in einem lernenden Unternehmen ist gekennzeichnet durch Selbstkontrolle vor Fremdkontrolle und Selbstorganisation vor Fremdorganisation.

Der Übergang vom traditionellen Unternehmen zwn Lernunternehmen ist wie in jedem Projekt durch einzelne Meilensteine gekennzeichnet. -

-

Bei Festo begannen wir bereits im Jahre 1985 mit Vorüberlegungen zur Gestaltung der Unternehmenszukunft in Richtung eines lernenden Unternehmens: Entsprechend dem Einführungsplan wurde die Idee ausfi.ihrlich in den Führungsgremien und mit den Mitarbeitern diskutiert und in zwei Phasen in die Organisation eingefilhrt. Seit Anfang 1993 wirkt die Idee des Lernunternehmens gestaltend auf die Unternehmenspraxis ein.

Die Lernende Organisation

-

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Zur Absicherung Wld WeiterentwicklWlg des LernWlternehmens fUhren wir 1994 ein Curriculum fiir alle Mitarbeiter bei Festo ein. Hiennit werden alle Erkenntnisse Wld Erfahrungen festgehalten Wld im Sinne eines stetigen Lernens weiter fortgeschrieben.

Zusammenfassung Die Festo Lernorganisation hat sich als flexible Wld offene, Wlternehmerisch gestaltbare, Synergien optimierende Wld im Denken Wld Handeln vernetzte Organisation bewiesen. Mit der Festo Lernorganisation sind wir dem eigentlichen Ziel, dem KWlden, auf den sich alle Kräfte konzentrieren müssen, einen wesentlichen Schritt näher gekommen. Das Konzept der "Lernenden Organisation" wird in zunehmender Zahl von international erfolgreichen Unternehmen eingefiihrt Wld umgesetzt. Der Erfahrungsaustausch mit diesen Unternehmen zeigt, daß die gesteckten Ziele voll erreicht werden. Für die zukunftsweisende EntwicklWlg von Unternehmen gehen wir von der Notwendigkeit der Integration von Mensch, Technik Wld Organisation in einem Lernenden Unternehmen aus. Lernende Unternehmen sind selbstorganisierend, selbststeuernd Wld selbsterneuernd. Sie sind in der Lage, sich einer sich immer rascher ändernden Umwelt zu stellen. Sie bieten einem Weltmarkt immer höherwertige Produkte und Leistungen zur LösWlg der immer komplexer werdenden Probleme an. Wie zu Anfang ausgeführt steht der Mensch Wld nicht die Technik im Zentrum der unternehmerischen Aktivitäten: Lernende Unternehmen sind Hochleistungsorganisationen, die fiir lernbereite Menschen die kreative Atmosphäre bieten, die notwendig ist, um ihr Wissen Wld Können voll zur Entfaltung zu bringen.

Strategische Frühaufklärung als Lernprozeß: Ein Modell zur Unterstützung der Umfeldanalyse Von Franz Lieb/1

1.

Einführung

.. Since the world drives to a delirious state ofthings, we must drive to a delirious point ofview. "Jean Baudrillard Obwohl es ist mittlerweile schon fast zur Binsenweisheit geworden ist, daß das soziopolitische Umfeld von Unternehmen ZWlehmend komplexer Wld dynamischer, mithin turbulenter, geworden ist, wird die gestiegene BedeutWlg von weichen Umfeldfaktoren nur unzureichend in Managementinstrumenten beriicksichtigt. Schlagworte aus dem angelsächsischen Sprachraum - wie z. B. "today's issues are tomorrow's regulation" oder ,Jfyou don't manage issues, issues will manage you" - drucken dagegen aus, daß dort das Bewußtsein fiir die Wichtigkeit dieser "soft factors" schon wesentlich weiter entwickelt ist. "Strategie issue management" gehört dort zum Tagesgeschäft von UntemehmensplanWlg Wld Untemehmenskommunikation; im deutschsprachigen Raum befindet sich das Pendant, die Strategische Friihau.tklärung, seit jeher in einem Zustand des Propagierens Wld Missionierens (Müller-Stewens 1990). Gleichzeitig ist in diesem Bereich seit geraumer Zeit die ForschWlgsarbeit merklich zum Stillstand gekommen. Das Grundproblem des Issue-Management läßt sich anband der folgenden Graphik veranschaulichen (Bild 1). Die durchgezogene Linie illustriert den idealtypischen zeitlichen Verlauf der Aufmerksamkeit, die das Publikwn einem bestimmten lssue, also Thema, zuwendet. In der Friihphase eines Issue, wo nur vereinzelte MeldWlgen in den Medien erscheinen, ist das Interesse naturgemäß gering. Gleichzeitig ist der Inhalt des lssue noch vergleichsweise Wlbestimmt Wld offen. Erst im Lauf der Zeit steigt die Aufmerksamkeit an, bis sie letzten Endes einen Höhepunkt erreicht. In diesem Höhepunkt werden meist irgendwelche Maßnahmen von RegierWlg, Behörden oder Gesetzgeber ergriffen,

1 Prof.

Dr. Franz Liebl, Lehrstuhl BWL III, Universität Witten!Herdecke

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FranzLiebl

danach fällt das Interesse der Öffentlichkeit meist jäh ab. Das Thema ist dann buchstäblich "gestorben" (Liebl 1994). Diesem Verlauf steht die zweite Kurve gegenüber, die den Handlungsspielraum eines betroffenen Unternehmens idealtypisch markiert. In der Frühphase eines Issue ist er noch vergleichsweise hoch. Das Dilemma besteht nun darin, daß zu diesem Zeitpunkt die Implikationen dieses Issue meist noch sehr unklar sind. Erst im Lauf der Zeit erfolgt eine Konkretion, die jedoch mit einer stetigen Verringerung der Reaktionsmöglichkeiten einhergeht, da Themen und Positionen im Lauf der Zeit besetzt werden und die Konfrontation tendenziell zunimmt. Mit diesem Dilemma hat das Management strategischer Issues umzugehen: zu einem möglichst frühen Zeitpunkt muß erkannt werden, in welchen inhaltlichen Manifestationen sich die verschiedenen Umfeldentwicklungen materialisieren können und welche davon tatsächlich strategische Relevanz besitzen. Dieser Fokus der Frühaufklärung kann als Schnittmenge zwischen sämtlichen Issues auf der einen Seite und allen strategisch relevanten Sachverhalten auf der anderen Seite abgebildet werden (Bild 2).

Handlungsspielraum

Aufmerksamkeit Zeit Abb. 1: Lebenszyklus eines Issue (Liebll994)

Strategische Frühaufklärung als Lemprozeß

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lssues Strategisch irrelevante issues

Strategisch relevante Umfeldentwicklung

Strateg ic lssues

intern bedingte strategische Fragen

Abb. 2: Fokus der strategischen Frühaufklärung (Lieb! 1996)

Aus der Aufgabenstellung der strategischen Frühaufklärung folgen eine Reihe wichtiger Aspekte dafür, wie mit Informationen umgegangen wird. Etwas überspitzt formuliert könnte man das Ziel der Frühaufklärung wie folgt beschreiben: Man sucht letzten Endes nach etwas, ohne zu wissen, was es ist und wo man es finden könnte (Liebl1994). Diese Aufgabe wird meist mit dem Wort des Scanning umschrieben, das ein ungerichtetes Abtasten des Umfelds meint. Dabei wird das Ziel verfolgt, zuerst allgemein vom Umfeld ein Verständnis zu gewinnen, um erst in einem zweiten Schritt die Frage nach den geschäftsfeldspezifischen Implikationen zu stellen (Hofer/Schendel 1978). Mit anderen Worten, es existiert kein definierter Informationsbedarf, wie er etwa von den Erfordernissen der strategischen Unternehmensplanung in Art und Umfang vorgegeben wird. Vielmehr wird danach gefragt, welche Schlußfolgerungen sich aus den vorhandenen Informationen ziehen lassen- und welche Antwortstrategien adäquat sind. Ansoff (1976) hat diese Logik wie folgt formuliert: Bei großer Unklarheit werden nur unspezifische Reaktionen angemessen sein, wohingegen bei inhaltlich voll spezifizierten Implikationen durchaus ebenso spezifische strategische Reaktionen in Frage kommen. Information hat in diesem Fall sozusagen eine Trigger-Funktion; man spricht in diesem Zusammenhang, insbesondere im Hinblick auf das Scanning, auch von einer Outside-In-Sicht.

42

2.

Franz Liebl

Zur Eignung konventioneller Instrumente der Frühaußdärung

Mit welchen Verfahren wird nun versucht, eine solche Outside-In-Sicht zu realisieren? Über die Jahre hinweg haben sich eine Reihe von Verfahren in der strategischen Frühaufklärung als gängig etabliert, allen voran das Konzept des "vemetzten Denkens". Ein bekanntes Beispiel ist das folgende Beeinflussungsdiagramm von Probst/Gomez (Bild 3).

Wunsch nach

Produkt· Innovation - - - : " . Konkurrenz ~ Verkäufe Konku«enz { + / -r~)

7

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Verlügbare Markt· volumen + Verkaufs. Freizelt ~ + lmeresse, Zeit. MiUel v. kl. 1 für Zeitschritten • /z:rtsc~~tte~ ' Druckkosten Verkaulskosten

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Abb. 3: Beeinflussungsdiagramm zur Darstellung Vernetzten Denkens (Probst/Gomez 1991)

Hier wird versucht, verschiedene Faktoren in ihrem komplexen Zusammenspiel abzubilden. Auf diese Weise soll Frühaufklärungsinformation erzeugt werden. Die Modellkonstruktion läßt jedoch begründete Zweifel aufkommen, ob dies gelingen kann. Hier nur einige Beispiele: Es wird nicht getrennt zwischen disponierbaren Faktoren und Faktoren, über die nicht entschieden werden kann. So werden Entscheidungsvariablen mechanistisch von Umfeldentwicklungen abhängig gemacht, wie etwa der Umfang des Redaktionsteams vom Angebot an Medienleuten oder der Verkaufspreis von der Attraktivität.

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-

Es entstehen Rückkopplungen, die in dieser Form nicht zutreffen; so senken Verkaufssteigerungen der Konkurrenz den eigenen Absatz, was wiederum den Konkurrenzabsatz in die Höhe treibt, usw. . ..

-

Die abgebildeten Zusammenhänge sind nicht in jedem Fall so monoton wie dargestellt. Eine verschlechterte Wirtschaftslage verringert im Modell ausnahmslos die verfiigbare Freizeit, obwohl wegen zunehmender Arbeitslosigkeit die erzwungene Freizeit zunehmen müßte.

-

Ein erhöhtes Marktvolumen wirkt sich nur auf den Konkurrenzabsatz aus; ein zusätzlich eingefiihrter Pfeil auf den eigenen Absatz hätte daher in einer Reihe von Fällen eine entgegengesetzte Modellreaktion zur Folge.

Diese Liste kann nur einen groben Eindruck von der Angreifbarkeit solcher Umfeldbeschreibungen geben. Und natürlich lassen sich Fehlspezifikationen in theorielos formulierten, rückgekoppelten Beeinflussungsmodellen zum Teil auch heilen. Indes, die fiir die Frühaufklärung brennenden Probleme sind noch tiefer verankert: -

Wie kann ein Einflußdiagramm sinnvoll abgegrenzt werden , wenn gerade im Fall der Frühaufklärung damit gerechnet werden muß, daß Entwicklungen relevant werden, die fernab vom Geschehen des angestammten Geschäftes passieren? Offensichtlich fokussiert sich das vorliegende Beeinflussungsdiagramm gerade auf diesen wohl-definierten Bereich, so daß strenggenommen keine Outside-In Sicht zugrunde liegt.

-

Es stellt sich zudem die Frage, ob nicht der Versuch, die Welt auf diese Art erklären zu wollen, die Meßlatte zu hoch ansetzt; denn wenn noch überhaupt keine Wirkrelation zwischen Faktoren bekannt sind, weil sie zum ersten Mal überhaupt gemeinsam auftreten, können Kausalitäten kaum formuliert werden.

Soweit zur Kritik an der rein formalen Vorgehensweise. Ebenso interessant erscheint die Frage nach der inhaltlichen Vorstrukturierung. Besitzen die Grundgedanken der Frühautklärungsinstrurnente, die vorwiegend in den 60er und 70er Jahren entwickelt worden waren, noch ihre Gültigkeit? Haben wir es in den 90er Jahren überhaupt noch mit Issues zu tun, die Verwandtschaft mit den ,,lssues ofthe Sixties" (Funkhouser 1973) aufweisen? Als die zentralen inhaltlichen Grundpfeiler der Frühaufklärung gelten gemeinhin: -

Die gängigen Kategorienschemata fiir Trends, um Trendmeldungen einem Datenbank-Retrieval zugänglich zu machen.

-

Ergebnisse der Wertwandelforschung, die beansprucht, als ,,Integrator der Sozialwissenschaften" und "Wissenschaft vom Menschen" grundlegende Hinweise auf fundamentale Änderungserscheinungen zu geben (Kmieciak 1976; Klages 1992).

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-

Klassische Konfliktlinien, anband derer gesellschaftliche Gegensätze immer wieder aufbrechen.

Es wird daher zu zeigen sein, ob im Zuge der ,,Postmodernisierung" ("postmodernization") diese althergebrachten Säulen ihre Tragfähigkeit eingebüßt haben. Was ist damit gemeint? Seit einer Reihe von Jahren ist in vermehrtem Maße das aufgetreten, was Adorno einst das ,,Ausfransen" der Kategorien bzw. Disziplinen genannt hat (Eichel 1993). Damit geht einher das Aufbrechen althergebrachter Polaritäten, so z. B. links-rechts, männlich-weiblich, KunstWissenschaft, Mensch-Maschine usw., was insgesamt als eine Art von Hyperdifferenzierung interpretiert werden kann. Garber (1992) spricht sehr plastisch von "category crisis", und zwar eher als Regelfall denn als Ausnahme, und beschreibt damit, was den zentralen Effekt der ,,Postmodernisierung" hochindustrialisierter Gesellschaften ausmacht (F eatherstone 1991 ). Dieser Effekt wird auch im sozialen Bereich, hier vor allem als lndividualisierungsschub, deutlich, wie Beck (1986) ausführlich erläutert hat. Hyperdifferenzierung hat zweifelsohne Folgen fiir die Gültigkeit von Kategorisierungen, insbesondere im Rahmen des Scanning. Als gängige Praxis wird angesehen, Informationen über Trends in Kategorien wie sozial, technologisch, politisch, etc. einzusortieren, um dann im Rahmen eines Datenbank-Retrievals zusammengehörige Enwicklungen festmachen zu können. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß praktisch alle wichtigen Entwicklungen als Querschnittsentwicklungen angesehen werden müssen, die sich durch eine Vielzahl von Bereichen ziehen. Damit müßten sie auch allen diesen Bereichen zugeordnet werden - was eine Einsortierung nahezu bedeutungslos werden läßt. Beschränkt man sich jedoch auf eine eindeutige Zuordnung, verschlechtert sich bei einem Retrieval das Gütekriterium Recall drastisch. Als zweite zentrale Erklärungsformel im Rahmen der Frühaufklärung werden in der Regel Werte und Wertwandel genannt. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch, daß mittlerweile kaum noch ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Verhalten und Werten festgestellt werden kann. Lau charakterisiert die umfangreichen Forschungsanstrengungen zusammenfassend durch eine ,,mangelnde Eindeutigkeit der Befunde" und "Unübersichtlichkeit" (Lau 1988). Dies äußert sich nicht zuletzt darin, daß allenthalben von zunehmender "Wertepluralisierung", d. h. dem Nebeneinanderexistieren mehrerer Wertsysteme (Hillmann 1989), einem "Werteverfall" oder gar "Wertverlust" (Klages 1981) die Rede ist. In zunehmendem Maße wird also deutlich, daß Wertsysteme nicht ehern festgefügt und universell, sondern situativ bedingt sirid (Nunner-Winkler 1988). Im Umkehrschluß läßt sich postmoderne Pluralität damit als ein System auffassen, in dem beliebiger "Wertwandel" auftreten kann, ohne gesellschaftlichen Wandel zu bewirken (cf. Eder 1988). An die Stelle von Wertsystemen ist, so stellen Sozialforscher jeglicher Couleur übereinstimmend fest, vermehrt eine kurzfristige und mitunter modelastige lssue-Orientierung getreten. Konflikte sowie die bezogenen Positionen und Koalitionen weisen dabei eine wachsende Eigenwil-

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ligkeit auf und laufen häufig den bisher gängigen Schematisierungen zuwider (cf. Beck 1986; Laumann!Knoke 1987; Fuchs 1991) Empirische Evidenz für eine grundlegende Verschiebung läßt sich auch am Verlaufvon Konfliktlinien festmachen. Waren einst die zentralen gesellschaftlichen Konfliktlinien Ausdruck des Gegensatzes von Kapital und Arbeit, also "class issues", hat sich das Heft mittlerweile gewendet. Durch die ,,Kolonialisierung der Lebenswelt" sind neue Konfliktlinien an den "Nahtstellen zwischen System und Lebenswelt" (Habermas 1981) entstanden, welche die Lebensformen tangieren und nicht mehr ausschließlich auf eine Klasse bzw. soziale Schicht begrenzt sind. Wie empirische Untersuchungen zeigen, können die Betroffenen bzw. deren Fürsprecher vielmehr als generationeile und soziokulturelle Ausschnitte einer Population definiert werden oder sie zeichnen sich durch spezielle Beschäftigungslagen, Lebensstile sowie geographische und soziale Mobilität aus (Crook!Pakulski/Waters 1992; Zwick 1990). So verlaufen gesellschaftliche Konfliktlinien mittlerweile entlang von universellen ,,non-class issues" (Umwelt, Geschlechterverhältnis, ... ), die der gängigen Links-RechtsDichotomie nicht länger gehorchen und deren Ausdruck die vielzitierten ,,neuen sozialen Bewegungen" sind (Gerhards 1993). Welche Konsequenzen lassen sich aus diesen inhaltlichen Verschiebungen

für das Forschungsdesign ableiten? Zunächst müssen die erwähnten Effekte der

Postmodernisierung adäquate Berücksichtigung finden. Zweitens, und das hängt eng damit zusammen, wird Frühaufklärung zwar häufig als Informationsakquisition und Informationsverarbeitung gesehen; die Entwicklung von Instrumenten zur Frühaufklärung aus einer dezidiert kognitionstheoretischen Perspektive, welche das Lernen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, hat jedoch bislang nicht stattgeftmden. Im weiteren Verlauf soll daher ein Konzept vorstellt werden, was diese beiden Zielvorstellungen erfilllt.

3.

Das Neue als Erkenntnisobjekt der Frühaufklärung

Zuvor muß jedoch das eigentliche Erkenntnisobjekt der Frühaufklärung fokussiert werden. Zum einen ist die Aussage, nach etwas zu suchen, ohne zu wissen, was es sein könnte und wo man es findet, zwar generell richtig, doch wenig hilfreich. Zum anderen wurde oben deutlich, daß es nicht das Ziel sein kann, die Welt erklären zu wollen. Vielmehr lassen sich Ansoffs (1976) Ausfiihrungen so deuten, daß es "das Neue" ist, aus dem schließlich strategische Diskontinuitäten resultieren. Ist mit dieser Feststellung schon etwas gewonnen? Denn es gibt in der ökonomischen Literatur zwar eine Reihe von Arbeiten, die

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sich mit der Frage nach dem Neuen beschäftigen (z. B. Hayek 1972; Schumpeter 1987; Shackle 1969; Röpke 1977), jedoch fehlt dort überall eine Operationalisierung, wie man "das Neue" identifizieren kann. Fündig wird man dagegen in der Kunsttheorie, für die Boris Groys (1992) eine zentrale und für die Frühaufklärung zweckmäßige und schlüssige Definition gegeben hat. Nach Groys manifestiert sich das Neue darm, wenn ein Gegenstand oder Konzept von seinem bisherigen Kontext entkleidet wird und in einen neuen Kontext gestellt wird. Diese kontextübergreifende Assoziation fiihrt letzten Endes dazu, daß der Gegenstand bzw. das Konzept hierdurch eine Umwertung erfahrt. Die Produktion von Kognitionen geht damit der Valorisierung voraus. Die Beispiele von Groys - vornehmlich Malewitsch und Duchamp - lassen sich beliebig bis in die Gegenwart weiterfUhren, so etwa durch Andy Warhol, Fischli & Weiß oder Jeff Koons. Ihnen allen ist die künstlerische Innovationsstrategie gemein, daß sie Objekte und Konzepte aus dem profanen Raum in den Kunst-Kontext verpflanzen und ihnen damit zu erhöhter Wertschätzung verhelfen. Bei Duchamp waren dies noch Alltagsgegenstände wie etwa der vielzitierte Flaschentrockner, Koons verwendet dagegen dezidierte Nicht-Kunst wie Kitsch und Pornographie. Der vorläufige Endpunkt wird nun im Zeitalter von ,,Political Correctness" von Kontext-Kunst (Weibel 1994) bzw. lssue-Kunst (Geene 1993) gesetzt, wo politische Aktion, Theorie und wissenschaftlicher Diskurs in einen Kunst-Kontext transferiert werden (Liebl1995).

Im Gegensatz zum herkömmlichen Kreativitätsbegriff, z. B. dem von Pierce (Pape 1994), stellt dieser Ansatz also nicht auf eine beliebige Verknüpfung ab, sondern auf eine ganz spezifische Form der Assoziation, die kontextübergreifend operiert - und diese läßt sich auch identifizieren. Gleichzeitig drückt die Operationalisierung aus, daß wir es hier in der Regel mit komplexen Konfigurationen zu tun haben. Neuartige Konfigurationen über Kontextgrenzen hinweg ersetzen also die Suche innerhalb einer einzigen Kategorie und damit innerhalb ein und desselben Kontextes. Als weitere Einsicht wird gleichzeitig offenbar, daß die Assoziation eine zweckmäßigere Relationierung für die strategische Frühaufklärung darstellt als die Kausalität. Letztere ist für Zwecke der Frühaufklärung bereits zu wohldefiniert und voraussetzungsvolL

4.

Zentrale Thesen eines Modellkonzepts

Nun stellt sich natürlich die Frage, wie wir die Bildung von Assoziationen und Konfigurationen vor dem Hintergrund der Effekte einer Postmodernisierung zweckmäßig unterstützen können. Die beiden folgenden Kernthesen bilden die Grundlage eines Modellkonzepts, das vor dem Hintergrund der oben aufgezeigten Wandelerscheinungen eine neue Entwicklungsrichtung für die Umfeldanalyse markieren soll:

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These 1: Es gibt deutliche Indizien dafiir, daß sich die aus der Hyperdifferenzierung resultierenden Fragmente wie ein Mosaik zu neuen Komplexen - und neuen Kategorien- rekonfigurieren lassen.

Wie wir gesehen haben, besteht der Effekt der Postmodernisierung in einer zunehmenden Fragmentierung und Grenzüberschreitung. Die zentrale These, die sich an Crook!Pakulski/Waters anlehnt, lautet wie folgt. Hyperdifferenzierung kann prinzipiell nur bis zur Atornisierung fortschreiten. Danach kann eine Weiterentwicklung bzw. weitergehende Ausdifferezierung nur noch als Gegenbewegung in Fonn einer ,,Ent-Differenzierung" festgemacht werden (Lash 1988; Crook!Pakulski/Waters 1992). Mit anderen Worten, da die kognitive Last im Zustand der Hyperdifferenzierung enonn groß ist, liegt es nahe, wenn sich die Atome rekonfigurieren und um bestimmte Kristallisationskeime scharen. Diese These der Bot-Differenzierung fmdet sich nicht nur in der PostmoderneDiskussion; der Gedanke wurde beispielsweise auch im sozialen Bereich von Beck (1986) fonnuliert. Er stellt fest, daß in der ,,Risikogesellschaft" zwar einerseits eine Individualisierung der Biographien stattfinde, andererseits mit dieser Tendenz eine Sekundärvergesellschaftung einhergehe, die sich an askriptiven Merkmalen wie Hautfarbe, Geschlecht, Ethnie, Arbeitsbesitz etc. festmachen läßt. Zum anderen wird diese Botdifferenzierung auch anhand soziokultureller Segmente wie etwa Szenen (Schulze 1992; Berth 1993) oder Netzwerke (Scheuch 1993) offenbar, welche jeweils eine charakteristische kulturelle Überfonnung in bezug auf Konsumverhalten, Kleidung, Freizeitverhalten, Sprachgebrauch, Lebensstil usw. aufweisen. -

These 2: Ein entsprechendes Verständnis von Lernvorgängen schafft die Voraussetzungen fiir die Entwicklung und hnplementierung geeigneter Instrumente.

Die von Ansoff (1980) fonnulierte Grundidee des Management strategischer lssues stellt ein klares Plädoyer fiir eine lerntheoretisch orientierte bzw. fimdierte Frühaufklärung dar. Umfeldbeobachtung läßt sich als Lernvorgang auffassen, denn sie kulminiert letzten Endes immer wieder in der Frage: "Was können wir aus vorhandenen Infonnationen lernen?" Wenn sowohl "das Neue" als auch die Ausdifferenzierung neuer Konfliktlinien in Fonn von Issues in eine kognitionstheoretische Perspektive gestellt werden, kann beides in ein und demselben Rahmen bzw. Modell abgebildet werden. Dies ennöglicht eine integrierte Urnfeldanalyse. Hierbei spielen Fragen der Wissensorganisation und -konfigurierung eine wesentliche Rolle. Sollen kreative Verknüpfimgen im Zentrum einer kognitionstheoretisch fimdierten Frühaufklärung stehen, muß der Nutzer hierbei durch ein Instrument zur Infonnationsverarbeitung unterstützt werden, das eines adäquaten Designs bedarf.

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5.

Bezugsobjekte statt Kategorisierung

Objekte bzw. Konzepte, welche die kognitiven Kristallisationskeime einer Ent-Differenzierung darstellen, sollen ,,Bezugsobjekte" genannt werden. Kennzeichen solcher Bezugsobjekte ist, daß sie zahlreiche Facetten besitzen und damit eine Reihe verschiedener Kontexte auf sich vereinen.

Bisherige Scanning-Kategorien Bezugsobjekt X Bezugsobjekt Y

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Abb. 4: Bezugsobjekte

Man erkennt in Bild 4, daß Bezugsobjekte (X und Y) quer zu den herkömmlichen Scanning-Kategorien verlaufen, also eine soziale, technologische, politische etc. Facette besitzen. Sie haben daher eine gewisse Scharnierfunktion, die kontextübergreifende Assoziationen herzustellen vermag. Konkrete und abstrakte Bezugsobjekte sind gleichermaßen denkbar. Ein konkretes Bezugsobjekt mit vielen Facetten ist beispielsweise ,,Körper", an welchem gerade in letzter Zeit viele Issues festgemacht werden (Ross 1991; Feher/Heller 1994; Foster 1995; Gray/Mentor 1995). Als abstraktes Bezugsobjekt könnte man "Identität" nennen. Identität ist ein Motiv, das von neuen sozialen Bewegungen fast durchgängig dazu verwendet worden ist, ihre Themen und Probleme zu formulieren (Cohen 1985; Raschke 1985; Johnston!Larafia/Gusfield 1994).

6.

Frühaußdärung als Lernprozeß

Das vorhandene Frühaufklärungswissen läßt sich durch eine vernetzte Struktur von Bezugsobjekten beschreiben. Ein neuer Trend kann dann entsprechend als eine noch nicht dagewesene Assoziation von Bezugsobjekten verstanden werden, die gelernt werden soll. Beim Lernen können wir insgesamt zwei Effekte feststellen (Piaget 1971 ):

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-

Wird ein solcher Trend in ein vorhandenes Gerüst bzw. Netzwerk an Bezugsobjekten eingebaut, findet einerseits eine Assimilation statt, d. h. die Einbettung in bzw. Anpassung an einen bereits vorhandenen Kontext (Bild 5).

-

Darüber hinaus gehen damit auch Effekte der Akkomodation einher, d. h. es gibt eine Rückwirkung auf den Kontext selbst. Hier im Beispiel könnte dies eine zusätzliche Assoziation zwischen bereits vorhandenen Knoten sein (Bild 6).

Abb. 5: Assimilation als Teil eines Lernprozesses

Abb. 6: Akkomodation als Teil eines Lernprozesses

Dieser aktive und dynamische Verdoppelungsprozeß beim Wissensetwerb ist vor allem deshalb so zentral, weil er ermöglicht, daß "Veränderungen geringster Art ganz große Wirkungen zeitigen" (Schissler!fuschhoff 1988). Dies gilt insbesondere dann, wenn durch eine stark kontextübergreifende Assoziation mit einem mal ursprünglich weit entfernte Bezugsobjekte in unmittelbare Nachbarschaft zueinander gerückt werden. Gehen wir nun von der individuellen auf die gesellschaftliche Ebene der Kognition. Letzten Endes werden Trends generell von Menschen gemacht, indem 4 GWS-Tagung 1995

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sie kommunizieren und indem soziale Interaktion stattfindet (Battelle 1978). Trendlandschaften könnte man in diesem Sinne also als komplexe Assoziationen verstehen, die eine Konfiguration über mehrere Kontexte hinweg darstellen und von Personengruppen als "fallig" empfunden werden. Tatsächlich zeigt die Erfahrung, daß sich genau dann eine Trendlandschaft als besonders schlagkräftig erweist, wenn mindestens drei oder vier Trends aus unterschiedlichen Kontexten zusammenwirken (Popcorn 1991; Gerken 1993; Cova/Svanfeldt 1993). Aufgabe der Frühaufklärung darf es jedoch nicht nur sein, bereits vorhandene Assoziationen zu bestätigen, sondern ganz gezielt nach weiteren plausiblen Assoziationen zu suchen. Das Entdecken ist nämlich meist nur dann möglich, wenn eine gewisse Sensibilisierung eingesetzt hat (Thomas/McDaniel 1990). Insofern setzt Entdecken im Grunde ein Erfinden voraus. Welche kognitiven Figuren sind für diese Aufgabe besonders relevant? Aus den Bemerkungen über die Eignung von Klassifikationen für die Frühaufklärung folgt, daß Älmlichkeit keine produktive Denkfigur sein kann. Statt dessen ist nach Komplementarität zwischen Trends zu suchen und die Relevanz kontextfremder Entwicklungen füreinander zu ermitteln. Bild 7 zeigt den Paradigmenwandel in bezug auf die relevanten Denkfiguren in der Frühaufklärung. Ähnlichkeit

Komplementarität

Kausalität

Assoziation

Kategorien

Bezugsobjekte

Abb. 7: Wandel der relevanten Denkfiguren in der Frühaufklärung

Die Strategie zur Verarbeitung von Frühaufklärungsinformationen muß also lauten, zunächst eine Dekontextualisierung durchzufiihren, um schließlich den Möglichkeitenraum für Rekontextualisierungen abgreifen zu können. Der Versuch einer gezielten Rekontextualisierung kann erstens geschehen durch ein ,,frame bridging", d. h. durch die Übertragung eines Interpretationsschemas auf einen anderen Sachverhalt (Snow/Rochford!Worden!Benford 1986). Dieses frame bridging gehört zu den typischen kognitiven Mobilisierungsstrategien, insbesondere von sozialen Bewegungen. Per Analogieschluß wird eine solche Assoziation auf andere Sachverhalte übertragen, wie z. B. das Argument der Arbeitsplatzvernichtung in den 70er Jahren typischerweise auf jede neue Technologie angewendet wurde. Heutzutage wird dagegen eher ein ökologischer Nexus hergestellt. Solches Lernen durch Analogieschlüsse läßt sich in Wissensbasen beispielsweise mit Hilfe der aus der Forschung zur Künstlichen Intelligenz stammenden "dynamic type hierarchies" bewerkstelligen (Way 1991 ). Eine zweite Möglichkeit zur Rekontextualisierung stammt dem Grundgedanken nach aus der Kommunikations- und lnnovationsforschung. Granovetter

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(1973) hatte einst festgestellt, daß Arbeitslose schneller zu einer neuen Arbeit gekommen waren, wenn sie Tips von weiter entfernten Bekannte erhalten hatten. Hinweise aus dem engeren sozialen Kontext waren dagegen nicht so erfolgreich. Granovetter kam zu dem Schluß, daß Assoziationen, die weiter auseinanderliegen, tendenziell produktiver sind. Er nannte dies sehr plastisch "strength of weak ties". Auf unser Problem übertragen heißt dies, daß man nicht nach Assoziationen in der unmittelbaren Nachbarschaft eines Bezugsobjekts suchen darf, da diese Assoziationen auf der Hand liegen, ja gar trivial erscheinen mögen. Auf der anderen Seite gilt: Liegen die Kontexte zu weit auseinander, werden die kognitiven Widerstände gegen eine Assoziation möglicherweise zu groß werden. Aussichtsreich wird daher vor allem ein Bereich mittlerer Entfernung sein, der durch eine Metrik entsprechend bestimmt werden muß. Zur Ermittlung der Entfernungen lassen sich Ansätze aus dem Bereich der "spreading activation networks" heranziehen, die eine prinzipielle Verwandtschaft mit Neuronalen Netzen besitzen (Collins/Loftus 1975; Schade 1992). Als Konsequenz aus solchen Assoziationen über größere Distanzen hinweg ergibt sich, daß sich danach die Topologie der Netzstruktur u. U. völlig verändert hat. Es können also aufgeund einer einzigen hinzukommenden Assoziation tatsächlich ganz neue Trendlandschaften resultieren.

7.

Implementierung des Modellkonzepts

Die Frage nach der informationstechnischen Implementierung eines solchen Konzepts läßt sich relativ einfach beantworten. Die bevorzugte Umgebung zur Speicherung und Assoziation von Trends ist ein Hypertext, der als "begehbare Wissensbasis" (Bolz 1993) konzipiert werden kann. Der Grundgedanke des Scanning findet sich dort wieder im "browsing" von Hypertexten (Marchionini/Shneiderman 1988), was ein "lernendes Retrieval" erlaubt (Meder 1994). Im Gegensatz zu einem Expertensystem, das prinzipiell eine "black box" darstellt, ist der Text jedoch eine vertraute Metapher fiir die Benutzerschnittstelle (Prätor 1990). Was das Datenmodell dieses Hypertexts betrifft, so stellen die Bezugsobjekte die Knoten dar, die Hyper-Links zwischen den Knoten entsprechen den Assoziationen. Legen wir dieses Datenmodell als Weltsicht zugrunde, erhalten wir eine Theorie strategischer lssues, in der

4*

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Trends von Hyper-Links zwischen Bezugsobjekten verkörpert werden;

-

Issues als eine Menge relationierter Bezugsobjekte angesehen werden können, was auch die Assoziation mit Strategien zur Lösung dieses lssues beinhaltet;

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-

Trendlandschaften als Verkettung von Hyper-Links aufgefaßt werden können. Insofern kann man auch von einem neuen Kontext sprechen, der sich herauskristallisiert bzw. von einer komplexen Kategorie.

Genutzt wird dieser Hypertext letzten Endes wie eine Assoziationsmaschine, die dem Benutzer aufgrund der geschilderten lnferenzkomponenten bestimmte Assoziationen nahelegt Jener kann dann darüber entscheiden, ob er diesen Assoziationen zustimmen will oder ob er sie als abwegig ansieht. Es geht also nicht darum, ein - expertenersetzendes - Expertensystem zu konzipieren, sondern Ziel ist, dem Experten neuartige Informationen bereitzustellen, die auf anderem Wege in dieser Form und Qualität nicht verfügbar gemacht werden können (Goul 1987; O'Leary 1988). Diese Form der Arbeitsteilung zwischen Benutzer und Informationstechnologie stellt den Kommunikationsaspekt des Hypertextes stark in den Vordergrund; Wissensverarbeitung und Kommunikation gehen damit Hand in Hand (Herfurth 1988; Kommers 1990).

8.

Thesauri als Quellen von Bezugsobjekten

Die konkrete Implementierung des Hypertext-Konzepts soll dieser Stelle nicht weiter erläutert werden und ist bei Liebl ( 1996) ausführlich dargestellt. Von größerem kozeptionellen Interesse ist hingegen die Herkunft der Bezugsobjekte. Denn der hinter dem Hypertext stehende Gedanke ist ja, das gesamte Terrain, das wir Welt nennen, a priori mit Bezugsobjekten abzudecken und nach deren Assoziationen zu fahnden. Denn nur wenn eine entsprechend breite inhaltliche Vorstrukturierung erfolgt ist, kann das System die notwendige Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen aufweisen. In diesem Zusammenhang kommt uns die Tatsache entgegen, daß sich neue Themen aus Gründen der kommunikativen Anschlußfahigkeit als Kombinationen von bekannten Themen darstellen lassen (Schönbach 1984). Analog gilt dies für neue Begriffe, die gerade deswegen oftmals metaphorischen Charakter besitzen (cf. Carrollfrhomas 1982). Man denke beispielsweise nur an den vielzitierten Begriff ,,Datenautobahn". In der Literatur wird an vereinzelten Stellen auf die strukturelle Korrespondenz zwischen Thesauri und Wissensbasen der Künstlichen Intelligenz hingewisen (Defude 1984; Panyr 1988). Thesauri werden jedoch vorwiegend als Instrumente zur terminologischen Standardardisierung im Dokumentationsbereich genutzt, nicht jedoch als Grundlage einer Wissensrepräsentation. Auch wenn die Verweisstruktur konventioneller Thesauri typischerweise den aller-engsten Definitionsumkreis nicht überschreitet, so kann deren Vokabular uns doch als Fundus von Bezugsobjekten dienen. Da sozio-politisches, sozio-ökonomisches und sozio-kulturelles Umfeld den primären Untersuchungsgegenstand darstel-

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len, wurden die folgenden gängigen Thesauri aus diesem Bereich einer eingehenden Untersuchung unterzogen: -

,,Macrothesaurus for Information Processing in the Field of Economic and Social Development" der OECD (199I).

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"Thesaurus Wirtschaft" des HWWA (1992).

-

"Schlagwortliste fiir die Sozialwissenschaften" des Informationszentrum Sozialwissenschaften (Schott I 993).

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"The Contemporary Thesaurus of Social Science Termsand Synonyms; A Guide for Natural Language Computer Searching" von Knapp (I 993).

-

,,Encyclopedia of World Problems and Human Potential" der Union of International Associations ( 1994).

Die Tests betreffen zum einen die praktische Eignung der Thesauri; zum anderen wurde eine Prüfung mit umfangreichem empirischem Material aus der Literatur zur Trendforschung durchgeführt, und zwar im Hinblick auf die Verortbarkeit von Trends im jeweiligen Thesaurus. In der Logik des DatenbankRetrieval entspricht dies im wesentlichen einem Test auf Recall. Das Ergebnis fällt sehr deutlich aus. Mit Abstand den besten Recall, nämlich über 95%, weist der "Contemporary Thesaurus of Social Science Terms and Synonyms" auf, der darüber hinaus auch einige entscheidende implementierungstechnische Vorteile aufweist. Zum Vergleich: Im "Thesaurus Wirtschaft" lassen sich nur rund 55% aller Trends verorten. Daher wurde der "Contemporary Thesaurus" mit gewissen Modifikationen bzw. Ergänzungen als Fundus fiir die Bezugsobjekte des Hypertexts zugrunde gelegt.

9.

Zusammenfassung

Die wesentlichen Imp1ikationen einer Betrachtung von strategischer Frühaufklärung als Lernprozeß lassen sich wie folgt in Kernsätzen zusammenfassen: -

Zentrales Anliegen der strategischen Frühaufklärung ist das Entdecken und Erfinden des Neuen.

-

Das Neue kann gedacht werden als eine Assoziation über Kontextgrenzen hinweg.

-

Eine kognitionstheoretische Sichtweise von Frühaufklärung zeigt: Komplementarität, Konfiguration und Assoziation sind im Zeitalter der Postmoderne adäquatere Denkfiguren als Ähnlichkeit, Kategorisierung und Kausalität. Die konzeptionelle Grundlage dieser Denkfiguren bilden

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nunmehr Bezugsobjekte statt wie bisher Kategorien, welche sich auf funktionale Teilsysteme beziehen. -

Um geeignete kontextübergreifende Assoziationen herzustellen, lassen sich Strategien des "frame bridging" anwenden und das Phänomen der "strength ofweak ties" ausbeuten.

-

Die Umsetzung des Modell-Konzepts erfolgt in Form eines Hypertexts, der sich als "begehbare Wissensbasis" verstehen läßt und aus vernetzten Bezugsobjekten besteht. Um zu den erforderlichen Bezugsobjekten zu gelangen, wird auf die Verwandtschaft von Wissensbasen und Thesauri rekurriert.

-

Das Datenmodell des Hypertexts verweist zurück auf die Modellstruktur und führt zu einer Theorie, wie Trends, lssues und Trendlandschaften auf Basis von Bezugsobjekten und deren Verknüpfungen formuliert werden können.

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FranzLiebl

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59

Organisationswandel durch Business Process Reengineering (BPR) Von Bernhard Kulla1

1.

Ausgangssituation

Zumindest als Indikatoren für die aktuelle Situation von Unterndummgen in ihrem Umfeld können die am häufigsten genannten Schlagworte der Managementbeiträge dienen: Lean Management, Total Quality Management, Learning Organization und Business Process Reenginierung (BPR). Gemeinsamer Hintergrund dieser Ansätze sind die zahlreichen, teilweise neuartigen Herausforderungen, um sich in einem immer schneller und nachhaltiger werdenden globalen Wettbewerb zu behaupten. Altbekannte Forderungen nach neuen Produkten und produktiveren Prozessen treten in der Mitte dieses von dramatischen Veränderungen gekennzeichneten Jahrzehnts, neben moderne Ansprüche wie Verkürzung der Time to Market, Individualisierung von Produkten und Diensten im Massengeschäft oder Unterstützung der Abläufe durch Informations- und Kommunikationstechnik. Die weltweite Resonanz beweist, daß Michael Hammer und James Champy mit dem Buch2 "Reengineering The Corporation" (1993) das latente Empfinden zahlreicher Unternehmensleiter im Kern getroffen hat. Die nachfolgenden Ausfiihrungen wollen auch einen Einblick in ein konkretes Business Reengineering-Projekt in einer Investmentgesellschaft geben.

2.

Prinzipien des Business Process Reengineering

Qualität und Kundennutzen stehen heute mehr denn je im Mittelpunkt des Credos erfolgreicher Unternehmungen. Die strategische Position muß sich am 1 Prof. 2

Dr. Bemhard Kulla, Dipl.-Math., Dr. rer. pol., Regensburg Hammer, M. I Champy, Y.: Reengineering The Corporation, London 1993

62

Bemhard Kulla

Wettbewerb Wld KWldenbedürfnis orientieren; KWldenpflege durch totale Qualitätskontrolle Wld KWldenzufriedenheit sind Vorgaben fiir Vertrieb, Marketing Wld Produktion. So einleuchtend diese ZielvorstellWlgen sind, so beschwerlich Wld zäh gestalten sind die konkreten Umsetzungen im Unternelunen hierfiir. Gewachsene Strukturen Wld eingefahrene Abläufe können aus verschiedenen Gründen nicht so ohne weiteres verändert werden. 2.1. Praktische Sicht

Nach Hammer/Champy können nur fundamentale top-down-Ansätze Wld radikale organisatorische Neuausrichtungen von Geschäftsprozessen eine dramatische Verbesserung bei den Erfolgsfaktoren Kosten, Qualität, Service Wld Geschwindigkeit herbeifiihren. Reengineering benutzt vorrangig moderne Informations- Wld Kommunikationstechnik zur Effizienzsteigerung. Als Geschäftsprozeß wird in der Praxis eine Abfolge von Vorgängen I Tätigkeiten verstanden, die nach folgenden Merkmalen identifiziert wird: a) Durchgängigkeit Beginnend auf der strategischen Ebene werden Leistungstransaktionen quer über die aufbauorganisatorisch abgegrenzten AbteilWlgen so definiert, daß ein logischer Wld sachlicher Gesamtzusammenhang resultiert. b) Bewertbarkeit Die Transaktionsfolge (Aktivitätenfolge, Wertschöpfungskette) wird hinsichtlich Nutzen Wld Kosten bewertet. Beim Nutzen Wlterscheidet man den Firmennutzen Wld den KWldennutzen. Zur KostenfeststellWlg trennt man zunächst zwischen nicht-werterhöhenenden Wld wertschöpfenden Aktivitäten. Darauf baut dann eine ProzeßkostenrechWlg3 auf, die den Endprodukten einen Anteil der Prozeßkosten, basierend auf den relevanten Kostentreibern (z. B. Produktvariante, Auftrag, BuchWlg, Telefonat) zuordnet. Durch VermeidWlg von Leerkosten Wld Verbesserung der Kosten von Kernprozessen (zielfiihrende, kostenstellenübergreifende Leistungsketten) kann die Effizienz des Unternehmens u. U. erheblich gesteigert werden. In der exemplarisch Wltersuchten Investmentgesellschaft haben sich schließlichfonfKernprozesse als Ausgangspunkt fiir das BPR herausgeschält: Informieren

1.

Zweckorientierte Informationen aufnehmen Wld die notwendigen Schlüsse fUr das Geschäft ableiten.

3

Ewert, R. und Wagenhofer, A.: Interne Untemehmensrechnung, Berlin 1993

Organisationswandel durch Business Process Reengineering (BPR)

63

Kommunizieren

2.

Mit einschlägigen Partnern zwn vereinbarten Zeitpunkt ood Ort die erforderliche Kommwrikation durchfiihren. Produzieren

3.

Erarbeitete Orders gemäß Vorgaben korrekt abwickeln. Dokumentieren

4.

Komplette Berichte rechtzeitig zwn definierten Ziel leiten. Organisieren

5.

Daten verarbeiten zur Information des jeweiligen Empfängers; Datenfluß des Unternehmens automatisieren.

Bemerkenswert ist in diesem Kontext das Zusammenspiel von Struktur ood Prozeß im Unternehmen. Für Prozeßkostenrechnoog benötigt man den klassischen Betriebsabrechoogsbogen (BAB), der nach Kostenarten ood Kostenstellen gegliedert ist. Ausgehend von der kostenrelevanten Organisationsstruktur gelangt man durch die Zuordnoog von darin ablaufenden Leistl.Ulgsprozessen zu Prozeßkosten einmaliger oder wiederkehrender Vorgänge. Je nach Blickwinkel kann der Verbesserungsvorschlag ausgehend von bestehenden, nicht hinterfragten Prozessen durch Anpassoog der Struktur (Aufbauorganisation) oder ausgehend von einem vorhandenen, festen Abteiloogsaufbau durch veränderte Abläufe (Ablauforganisation) bewirkt werden. Business Process Reengineering beschreitet als tätigkeitsorientierter top-down-Ansalz vorrangig den zweitgenannten Weg ood daraufhin ggf. den ersten Weg. c) Optimierung Definitionsgemäß betrachtet man bei einem Geschäftsprozeß eine UrsacheWirkl.Ulgsbeziehoog, die ooter Zeitverbrauch abläuft. Damit rückt die Dynamik des als System gesehenen Unternehmens in den Vordergrund. In erster Linie kommt es dem Analytiker also auf das System-Verhalten, auf Anpassoogsverhalten ood stabilisierende Maßnahmen an. Die Struktur wird vorausgesetzt ood der Prozeß als die zu optimierende Kategorie angesehen (zumindest im ersten Schritt), gemessen letztendlich am Koodennutzen. Am Beispiel der Investmentgesellschaft sollen zwei konkrete Geschäftsprozesse im Kontext von drei beteiligten Abteilungen dargestellt werden.

64

Bemhard Kulla

Frontoffice

Middleoffice

Backoffice

®

• Stornominimierung • Automatisierung • Kundenzufriedenheit

laufende Fondsarbeit

innov1tive Unterstützung

vorgeschriebenes

Berichtswesen

Abb.: Exemplarische Geschäftsprozesse in einer Investmentgesellschaft

2.2. Formale Sicht

Ein Geschäftsprozeß ist formal eine Transaktion oder Folge von Transaktionen zwischen betrieblichen Einheiten. 4 Der Zweck dieser Transaktionen besteht in einem materiellen oder informationeilen Austausch zwischen den Beteiligten. Eine attributive Bewertung des Geschäftsprozesses gelingt aufgrund der traditionellen Unterscheidung von Kostenträgern, Kostenstellen und Kostenarten nur über die Objekte (Elemente, Entities) und deren Ziele/Aufgaben-Zuordnung, nichtjedoch anband der originären Vorgänge. Die Art und Weise der Durchfiihrung einer Aufgabe wird durch einen Geschäftsvorgang beschrieben. Ein Geschäftsvorgang wird durch einen Geschäftsvorfall (Ereignis) ausgelöst. Mindestens zwei Geschäftsvorgänge konstituieren einen Geschäftsprozeß. Zusammenfassend kann die Formaldefinition eines Geschäftsprozesses anband eines Beispiels demonstriert werden: a) Geschäftsprozeß: Rechnungsversand, d. h. Rechnung erstellt und dem Kunden übermittelt b) Objekte: bl) Faktura-Abteilung b2) Kunde I Rechnungseingangsabteilung c) Ziel des Unternehmens: Korrekte Rechnung zeitgerecht erstellen 4 Ferstl, 0. I Sinz, E: Geschäftsprozeßmodellierung; in: Wirtschaftinformatik 35 Jg., H. 6 (1993), S. 590

Organisationswandel durch Business Process Reengineering (BPR)

65

d) Aufgaben: dl) Versand Rechnung d2) Empfang Rechnung e) Geschäftsvorfall im Unternehmen: Rechnungsfreigabe durch Sachbearbeiter

f) Geschäftsvorgänge: fl) Faktura-Abteilung hat Rechnung versandfertig gemacht f2) Kunde I Rechnungseingangsabteilung hat Rechnung in Empfang genommen. Praktizierende Berater in BPR-Projekten betonen, daß sie einen ganzheitlichen Ansatz wählen, d. h. sie betrachten nicht etwa monokausal und eindimensional die tayloristisch fragmentierte Fließfertigung mit Materialinput, Mitarbeiter- bzw. Maschinentransformation und Erzeugnisoutput, sondern ein komplettes, komplexes Netzwerk. 5 Dies besteht z. B. aus: a) Ziele des Unternehmens b) abgeleitete Strategie c) interagierende Elemente wie Mitarbeiter, Management, Organisation, EDVund Kommunikationstechnik und Firmenkultur in Geschäftprozessen d) Bewertung der Veranstaltung mittels Erfolg. Kritiker von BPR zielen vor allem auf die Praxisrelevanz und die Projektdurchführung der Methode. Diese Aspekte werden weiter unten besprochen. Im Zusammenhang mit den rudimentären Aussagen zur formalen Sicht in der einschlägigen Literatur halte ich es jedoch für unabdingbar, die Fundamente von BPR zumindest ansatzweise zu hinterfragen. Die Systemwissenschaft6 , historisch aus der Allgemeinen und der Mathematischen Systemtheorie sowie der Kybernetik kommend, leistet m. E. gute Dienste bei der methodischen Einordnung von BPR. Die folgenden Ausfiihrungen zeigen, welch hoher Anspruch bei BPR bzw. "Geschäftsprozeßoptimierung" zu erfiillen wäre und im Gegensatz dazu die heuristische Vorgehensweise in der Praxis von BPR. 2.3. Relevanz des Business Process Reengineering

Theoretiker und Praktiker beklagen heute aus unterschiedlichen Motiven tatsächliche oder vermeintliche Unzulänglichkeiten. Bringt die propagierte Revolution dem Unternehmen den versprochenen Nutzen oder wäre eine Evolution

5 Kauffmann, M.: Prozeßoptimierung heißt mehr, als nur Zeit und Kosten zu reduzieren- in: Computer Zeitung, Nr. 46/16.11.1995, S. 24 6 Kulla, B.: Angewandte Systemwissenschaft, Würzburg-Wien 1979

5 GWS-Tagung 1995

66

Bernhard Kulla

mittels bekannter Konzepte erfolgversprechender? Ist BPR nur eine weitere Modeerscheinung, frisch importiert von amerikanischen (Hochschul-) Beratern, oder wird BPR Theorie und Praxis der Betriebswirtschaftslehre nachhaltig beeinflussen? 2.4. Vorgehensweise im BPR-Projekt

Üblicherweise startet ein Unternehmen ein BPR-Projekt, weil die wirtschaftliche Situation verbessert werden soll und/oder weil organisatorische Schwachstellen identifiziert und ggf. beseitigt werden sollen. Nahezu alle Projekte werden vom Vorstand bzw. von der Geschäftsleitung initiiert. Fast alle Firmen bedienen sich externer Unterstützung und beziehen ausgewählte Mitarbeiter in die Projektarbeit mit ein. a) Vor dem Projektstart ist eine möglichst konkrete Zielvorstellung ("Vision") über die gewünschte Effizienzsteigerung im Unternehmen zu entwerfen: Verkürzung der Durchlaufzeit wn x Tage, Steigerung der Arbeitsproduktivität wn y % oder Erhöhung der Kundenbeziehungen wn z % des Arbeitsvolwnens. b) Die entworfene Zielvorstellung ist im nächsten Schritt am Kundennutzen auszurichten. "Kunden" heißen im BPR-Kontext nicht nur Abnehmer/Käufer, sondern auch Partner im weitesten Sinne (z. B. Depotbank einer Investmentgesellschaft). c) Im dritten Schritt folgt die Identifikation der Geschäftsprozesse. Ohne Ansehen von Personen und Abteilungen soll in einem radikalen Schritt firmenübergreifend die Prozeßorganisation analysiert werden, d. h. nach Möglichkeit sollen nicht wertschöpfende Abläufe entfallen. d) Um eine möglichst hohe Effizienzsteigerung zu erhalten benötigt man die Mitwirkung der betroffenen Mitarbeiter. Zielkonflikte, beispielsweise das Festhalten von Mitarbeitern an bestimmten Arbeitsplätzen bzw. Tätigkeiten versus Produktivitätssteigerung, lassen sich noch am ehesten durch offene Kommunikation und einvernehmliche Aussprachen bewältigen. Vorteilhafte Teamlösungen gewinnen dann, wenn die Verantwortlichkeilen eindeutig geregelt sind. e) Verständlicherweise können auch größere Umgestaltungen bei der Aufbauorganisation zielfiihrend sein. Gemäß den Motto "Structure follows Processes follow Strateg)!'' erweisen sich die neuen Abläufe und die daraus folgenden neuen Strukturen dann als praktisch erfolgreich, wenn damit eine Vertrauensorganisation geschaffen wurde. Entsprechendes Führungsverhalten und ein sinnvolles Anerkennungssystem (Lob, Incentives, kleine Freuden) zählen hierzu. f) Nach Möglichkeit sollen auch innovative EDV-Anwendungen (z. B. Groupware, Workflow, lokale und weite Vernetzung, Imaging) die Geschäftsprozesse unterstützen. Die Praxis zeigt jedoch, daß diese Neuerungen nicht

Organisationswandel durch Business Process Reengineering (BPR)

67

schlagartig und ohne allseitiges Zutun erfolgreich eingefiihrt werden können. Andererseits führen Firmen ein BPR-Projekt gezielt vor dem Einsatz von neuer Standardsoftware aus. g) Schließlich sind laufende und später wiederholte (Prozeß-) Kostenkontrollen notwendig, um die neuen Prozesse dauerhaft im Unternehmen zu verankern. Aus dem kurz beschriebenen Vorgehen bei BPR-Projekten können zehn Merkmale von Business Process Reengineering extrahiert werden (zum Vergleich daneben Organizationa/ Learning): Kriterium fiir den Ausprägung bei Business Management-Ansatz Process Reengineering

Zum Vergleich: Organizational Learning

I. ErkenntnisObjekt

Geschäftsprozeß

Organisation

2. Ziel

Profilabilität

Innovation

3. Ansatz

Top down

Bottom up

4. Ausgangspunkt

Vision

Mitarbeiter

5. Methode

Ablaufuntersuchung

Fragebogen

6. Veränderung

weglassen

schrittweise

7. Schritte

radikal

klein

8. Arbeitsmodell

Engineering

Team

9. Verträglichkeit

Infragestellen

Motivation

10. Praxis

dauerhaft verkettete W ertschöpfi.mgsProzesse

multidisziplinäre

11 one best way for each given situation"

nichthierachische heiten 11

Ein-

Selbstorganisation"

2.5. Methodische Unzulänglichkeiten

Gegner von BPR wenden ein, daß die Methode nicht Neues bringe7 und ohnehin nur auf Common Sense beruhe. Eine ausführliche Studie8 vergleicht be-

Wirtschaftswoche Nr. 47 vom 16.11.1995, S. 126 fi Osterloh, M. und Frost, J.: Business Reengineering: Modeerscheinung oder "Business Revolution"?; in: zfo, 63. Jg., 6 I 1994, S. 356-363 7

8

68

Bemhard Kulla

karmte Konzepte wie Ablauforganisation, Projektorganisation, Netzplantechnik, Unternelunenssegrnentierung, Wertkette und Kernkompetenzen mit BPR. Zusammengefaßt wird dort festgestellt, daß BPR zwar auf Bekarmtes zurückgreift, ohne damit identisch zu sein und daß die Prozeßorganisation als Gestaltungselement neben der EDV als key enabler neue Chancen kreieren karm. Die betriebswirtschaftliche Organisationslehre, insbesondere die evolutionsorientierte Linie, kennt seit langem die Möglichkeit des Wandels durch Veränderungen von Struktur und Situation. Systemtheoretische Ansätze haben ebenso eine längere verdienstvolle Tradition. Allerdings sind diese Wurzeln nicht jedennarm bewußt und vielen unkritischen Anwendern wohl auch sehr fern. Wollte wirklich "ingenieurmäßig", d. h. mathematisch fimdiert, vorgegangen werden, so sind bezüglich Methodik (System, Modell, Dynamik, Prozeß usw.) und Methoden (z. B. Zustandsraumdarstellung, Steuerbarkeit, Beobachtbarkeit, Optimierung) noch viele unüberwindlich scheinende Hürden zu bewältigen (s. systemwissenschaftlichen Anhang). 2.6. Kritische Bewertung

Arbeitsplatzabbau oder simple Kostensenkung zählen sicher nicht zu den expliziten Zielen von BPR. In dem schon mehrfach angeführten BPR-Projekt in einer Investmentgesellschaft waren u. a. folgende konkreten Ergebnisse erzielt worden: a) Effizienzsteigerung im Fondsmanagement um 21% b) Verrichtungszentralisierung im Administrationsbereich c) Fehlervenneidung Fondsbuchhaltung

durch

fallabschließende

Verantwortung

in

der

d) zwei neuen EDV-Anwendungen installiert e) schlanke, neue Aufbauorganisation Nach zwei aktuellen Studien (Maisberger & Partner, München und Gartner Group GmbH) waren die bisherigen BPR-Projekte nur zwischen 20 und 30% erfolgreich, ebenso viele sind jedoch völlig gescheitert. Sichtbar wird der Erfolg am ehesten bei den verbesserten Kundenbeziehungen, bei kürzeren Durchlaufzeiten und verringerten Prozeßkosten. Als wesentliche Erfolgsfaktoren wurden die Unterstützung durch die Unternelunensleitung, das frühzeitige Einbeziehen der Mitarbeiter und eine solide Planung genarmt. Von 100 befragten Unternehmungen haben Ende 1995 erst 5 BPR-Erfahrungen und 45 planen konkret 9•

9

Business Computing 12/95, S. 19-44

Organisationswandel durch Business Process Reengineering (BPR)

69

Falls das methodisch-fachliche Fundament von BPR systematisch aufgearbeitet wird, falls der Zusammenhang zwischen Geschäftsprozeßoptimierung und Reorganisation mittels Informationstechnologie (insbesondere Standardsoftware in angepaßter Architektur) Auslöser von BPR ist und falls organisatorisch und technisch die für alle Managementmethoden unabdingbaren Voraussetzungen beachtet werden, kann Business Process Reengineering mehr als eine Eintagsfliege im Reigen der Mitstreiter wie "Lean Management", "Total Quality Management", "Organizationa/ Learning" oder "Time-based Competition" sein.

3.

Anhang: Systemwissenschaftliche Grundlagen10 3.1. Dynamisches System

Geschäftsprozesse setzten formal business units (Einheiten) und aktive Beziehungen zwischen diesen voraus. Systeme bestehen aus einer Ansammlung von nicht weiter aufgespaltenen mit gewissen Eigenschaften behafteten Elementen, die miteinander in Beziehungen stehen. Die konkreten Gegenstände der Erfahrungswelt werden zu Systemelementen, indem der Mensch durch bewußte Abstraktion und Selektion die realen Phänomene (Dinge und Sachverhalte) unterschiedlicher Wirklichkeitsbereiche ganzheitlich-systemhaft erfaßt. Dabei negiert er die speziellen, materiell-energetischen Eigenschaften und hebt allein auf informationeH-strukturelle Gesichtspunkte ab. Diese Leistung des Analytikers zur Bewältigung der ihn umgebenden Komplexität ist ein subjektiver Beitrag, der auf seinen bisherigen Kenntnissen und Erfahrungen beruht. Ein System stellt also eine zeitabhängige und zweckbezogene geistige Approximation an die Wirklichkeit dar. Die Zusammenfassung zu einer Objektmenge sowie die Zuweisung von nachprüfbaren Eigenschaften und die Identifizierung relationaler Zuordnungen nimmtjedoch allein der betrachtende Mensch vor. Von seiner subjektiven Zielvorstellung, von seinem theoretischen Vorverständnis und von seinem Gestaltungswillen hängt es ab, ob eine bloße Ansammlung von Gegenständen in einem bestimmten Sinne als System gesehen wird, oder ob die Gegenstände das bleiben, was sie ohne die geistige Wahrnehmung und Verarbeitung durch den Menschen sind. Bei einem System handelt es sich also stets um ein theoretisches, begriffiich-zeichenmäßig ausdriickbares Konstrukt, die der Mensch durch sein erkennendes Zusammenfassen und Ordnen schafft.

10

siehe Kulla, B.: a. a. 0.

70

Bemhard Kulla

Bezeichnet man die Objektmenge mit E Wld faßt man die Relationen in der Relationenmenge R ("Struktur") zusammen, so kann fiir ein System S mengentheoretisch geschrieben werden:

S = {E,R} Jede Menge wird durch die ElementbeziehWlg "E" eindeutig abgegrenzt. So besagt etwa aEA, daß das Element a zur Menge A gehört, m.a.W., a ist ein Mitglied von A. andererseits bedeutet b~A, daß b kein Mitglied von A ist. Kennt man eine logische Aussage p(x), ein sogenanntes einstelliges Prädikat, so kann nach dem AussondefWlgsaxiom folgende Kurzschreibweise fiir die Menge A verwendet werden: A

= {x e xlp(x)}

Zujeder GrundmengeXWldjeder Bedingoog

p(x)

ge A, deren Elemente gerade jene x aus X sind, fiir die

gibt es g~nau eine Men-

p(x)

wahr ist.

Um ein sinnvoll definiertes System zu erhalten, muß die Objektmenge mindestens zwei verschiedene Elemente (Wlteilbare Komponenten) aufweisen. Als Komponenten kommen ein- oder mehrelementige Mengen in Betracht, die durch ein gemeinsames Merkmal ausgezeichnet sind. Diese begrifflich festgelegte Dingeigenschaft muß vom Menschen analytisch oder mittels MessWlgen an den realen Phänomenen identifiziert werden können. Mit den Elementen korrespondieren also eindeutig erfaßbare Attribute, die quantitativ Wld qualitativ veränderlich sind. Nennt man eine Attributklasse mit gemeinsamem Merkmal eine Zustandsvariable, so sind die Attribute die wertmäßigen Ausprägoogen der Zustandsvariablen eines Systems. Der Gesamtzustand soll in jedem Zeitpunkt durch alle Attribute erfaßt werden können. Dynamische Systeme, deren veränderlicher Zustand sich im Zeitablauf verfolgen läßt, liefern fiir die Attribute einer Klasse jeweils eine Zeitreihe, auch Zeitfunktion oder Prozeß genannt. Aus der Zusammenschau aller Zeitfimktionen ergibt sich das Systemverhalten. Zu zweistelligen Relationen gelangt man über den Begriff des geordneten Paares. Das geordnete Paar (a, b) ist durch seine erste Komponente aEA Wld seine zweite Komponente beB eindeutig bestimmt. Das kartesische Produkt A x B ist als die Menge aller geordneten Paare (a, b) mit aEA Wld beB definiert. Eine Relation ist eine Menge geordneter Paare, m.a.W., jede Teilmenge einer Produktmenge heißt Relation.

Dynamische Systeme beziehen die Zeit als explizite Variable in die DarstellWlg mit ein. Ergänzend zum Zeitbezug wird bei einer dynamischen Betrach-

Organisationswandel durch Business Process Reengineering (BPR)

71

twlgsweise mindestens ein Element auf zwei verschiedene Zeitptmkte bzw. Perioden bezogen. Dies kann durch Verzögenmgen, Erwartwlgen oder Realtime- und Anpassungsgeschwindigkeiten begründet werden. Formal lassen sich zeitrawnbezogene Verlaufsanalysen durch Differentialgleichungen im stetigen Fall (kontinuierliche Analyse oder Ratenanalyse) und durch Differenzengleichungen im diskreten Fall (diskontinuierliche Analyse oder Ratenanalyse) darstellen. Während statische Analysen auf simultane Ftmktionalvorstellungen abheben, weisen dynamische Analysen auf intertemporale Kausalzusammenhänge hin. Das folgende Pfeildiagramm zeigt beispielhaft, wie sich kausale Wirkungsbeziehungen aus einem durch eingebaute Verzögenmgen dynamisierten, funktionalen System ergeben. Der Ftmktionszusammenhang wird in Differenzengleichungsschreibweise gegeben: B1 = a · A1 + b · B1_ 1 ; Anfangswert B10 , a und b konstant.

Das Pfeildiagramm veranschaulicht die Berechnung des aktuellen Wertes B1 aus dem exogen vorgegebenen Wert A1 und dem wn eine Zeiteinheit zurückliegenden Wert B1_ 1 .

t1

to



At

Bt



t2

b

t3





·! ·!. ·!.

.,...

b

.,...

b

.,..

Aus der funktionalen Beziehung kann man lediglich die Lag-Struktur und die additive Verknüpfung der Größen A und B ablesen. Die anschließende Interpretation in Form einer kausalen Ursache-Wirkungs-Relation geht in methodischer Hinsicht über den ursprünglichen Gehalt hinaus. Kausalbeziehungen sind also eine spezielle Deutwlg dynamischer Zusammenhänge. 3.2. Zustandsraumdarstellung

Wenn man allgemein vom Zustand eines dynamischen Systems spricht, so ist damit diejenige minimale Datenmenge gemeint, die die Systemvergangenheit im Anfangszeitptmkt komprimiert enthält und zusammen mit den aktuellen

72

Bemhard Kulla

Inputwerten eine eindeutige Kennzeichnung des Systemverhaltens erlaubt. Der Anfangszustand, als Vektor

x(t0)

geschrieben, ermöglicht zusammen mit den

Inputwerten u(t), t e [t 0 ,oo), die eindeutige Festlegung der Systemabläufe, abzulesen an den Outputwerten y(t) für alle t

Input

~

t0 .

Zustand

Output

u

X

y

Mathematisch kann der Zustandsbegriff axiomatisch mittels des Konzepts dynamischer Systeme eingefiihrt werden, das deterministische kausale System mit Gedächtnis umschließt. Das Achttupel

S = (r,u,~,x,y,;,g,h) ist definiert durch die Zeitmenge T, die Inputfunktionsmenge u, Inputwerte u, Zustandsmenge x, Outputftmktionsmenge y und Outputwerte y; ferner durch die Zustandsüberfiihrungsftmktion g und die Ausgabefunktion h; schließlich benötigt man das Halbgruppenaxiom und das Zustandsüberfiihrungsaxiom. Für unäre, zeitinvariante Differentialsysteme gibt es zahlreiche Sätze und Interpretationsmöglichkeiten. In vektorieller Schreibweise lauten die Systemgleichungen:

x(t) = Ax(t) + Bu(t)

(2.1)

y(t) = Cx(t) + Du(t)

(2.2)

Hierin bedeutet A eine (n, n)-Matrix mit konstanten, reellen Elementen ( aij ).

A wird Systemmatrix genannt und bestimmt das Eigenverhalten sowie die Stabilität des Systems.

Organisationswandel durch Business Process Reengineering (BPR)

73

Die (n, m)-Matrix B heißt Eingangsmatrix, da sie den Eingangsvektor

u(t) e Rm

auf die Veränderung x(t) des Zustandsvektors x(t) wirken läßt.

Da die (r, n)-Matrix C die Auswirkungen des Zustandsvektors auf den AllSgangsvektor tungsmatrix.

y{t) e Rr

erfaßt, nennt man C die Ausgangs- oder Beobach-

Direkte Wirkungen der Eingangsgrößen auf die Ausgangsgrößen werden in der Ausgangsgleichung (2.2) durch die (r, m)-Matrix D, die Durchgangs- oder Durchschaltmatrix, bewirkt.

In (2.3) wird der Anfangszustand x(t0 ) im Anfangszeitpunkt t 0 definiert. Die vektorielle Differentialgleichung (2.1) heißt Bewegungsgleichung des offenen linearen und zeitinvarianten Differentialsystems n-ter Ordnung, das wir kurz als Linearsystem bezeichnen wollen. Häufig wird Durchgangsmatrix D gleich der Nullmatrix gesetzt, d.h., daß es sich dann um ein nicht sprungfahiges Linearsystem handelt. Der Verlauf der Lösungsfi.mktion x(t) des inhomogenen Differentialsystems (2.1) wird bei bekannter, vektorieller Eingangsfi.mktion u(t) "# 0 und fixem Anfangszustand x(t)

x(r0 ) = x0 durch folgenden Ausdruck gegeben:

= /(t-to) x0 +

IeA(t-r) Bu( r )dr.

to

Der Exponentialausdruck eA·t wird durch die für alle endlichen t-Werte gleichmäßig und absolut konvergierende Neumann-Reihe definiert. e

A·t

2

3

t 2 1 3 = I+ tA + - A + - A +... (2.4) 2! 3!

Die der Gleichung (2.2) entsprechende Ausgangsfunktiony(t) lautet: y (t)

= C · e A(t-to) x 0 + C · tJe A(t-r) Bu( r ) dr + Du( t )

x(t)

= ~t,to)xo

to

Wenn für teinfester Wert gesetzt wird (z.B. Gleichung des Zustands

x(r1):

1

= t 1 ), dann folgt daraus die

74

Bemhard Kulla

Anschaulich besagt diese Gleichung, daß die Matrix f/J den Anfangszustand

x(t0 ) = x0 in den neuen Zustand xh) überfUhrt. Deshalb bezeichnet man die Matrix

~.(t,t0 )

als

Übergangsmatrix. Setzt man ohne Beschränkung der All-

gemeinheit den Anfangszeitpunkt t0 = 0, so vereinfacht sich

~.(t,t0 ) = t(t,o)

zur Übergangsmatrix A·t

() f/Jt:=e,

die durch die Neumann-Reihe (2.4) definiert ist. 3.3. Optimalität

Neben der Steuerbarkeit, Beobachtbarkeit und verschiedenen Stabilitätsaussagen, auf die hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden kann, ist die Optimalität von Dynamischen Systemen von Interesse. Bei der dynamischen Globaloptimierung soll ein vorgegebenes Gütefunktional durch eine optimale Steuerungsfunktion und/oder durch parameteroptimale Regler minimiert werden. In der Variationsrechnung lautet diese Aufgabe so: Gegeben sei die dynamische Prozeßgleichung

x = J(t;x,u) eines vollständig steuerbaren Systems, wobei der Wertebereich der Funktionen x und u unbeschränkt ist. Ferner sei ein Gütekriterium mit zweimal stetig differenzierbaren Funktionen Z und L gegeben,

wobei der Anfangswert

x{t0 ) fest ist 1md der Endzeitpunkt tI

fest oder frei

sein kann. Falls eine Lösung der Prozeßgleichungen existiert, lassen sich notwendige Bedingungen angeben, die eine optimale Steuerungsfunktion u • liefern, so daß das Güteintegral J minimiert wird. Nur im linearen Fall sind die Optimalitätsbedingungen auch hinreichend.

Organisationswandel durch Business Process Reengineering (BPR)

75

Wir beschränken uns auf das vollständig steuerbare Linearsystem

x(t) = Ax(t) + Bu(t) ,(n, n)-Matrix A; (n, m)-Matrix B

(3.1)

y(t) = cx(t),

(3.2)

(r, n)-Matrix C

x(to) = xo,

(3.3)

und das quadratische Gütekriterium

Jq(x,u) = 00f [ xT(t)Qx(t) + uT(t)Ru(t) ]dt to

(3.4)

mit den symmetrischen, positiv definiten Matrizen Q und R. Für die Matrix

Q erreicht man die Erfilllung der gestellten Forderung stets durch Setzen von Q: = C · CT . Der Anfangszustand x 0 weiche von der normierten Ruhelage

= 0 ab.

,oo)

in die Ruhelage xr

optimaler

Steuerungsvektor

Der Zustandsvektor x soll im Zeitraum [r0 gesteuert werden. xr

Gesucht

wird

u • (t ),[t0 ;5; t < oo),

ein

eindeutiger,

der grundsätzlich unbeschränkt ist und das Güteintegral

(3.4) minimiert. In diesem Gütekriterium werden große Werte der Steuerungsfunktion u ebenso "bestraft" wie Zustandsvektoren x(t), für die die Euklidische Norm große Werte annimmt. Wegen der positiven Deflnitheit von Q und R gilt stets

lq ~ 0. Nur für u(t) = 0

und

x(t) = 0 für alle t ~ t0

gilt auch

lq

= 0.

Die Lösung des eben umrissenen Zustands-Steuerungs-Problems ist gleichbedeutend mit der Bestimmung einer optimalen Zustandsrückführungsmatrix, für die lim x(t) = 0 gilt, wobei Jq minimal ist. (~00

Folgender Optimalitätssatz weist die Existenz und Eindeutigkeit einer optimalen Steuerung u• unter der Voraussetzung der Zustandssteuerbarkeit nach, die insbesondere einen endlichen Wert von J q garantiert. Optimalitätssatz: Mit dem Gütefunktional

lq

aus (3.4) und bei vollständiger Zustandssteuer-

barkeit des Linearsystems (3.1) mit (3.3) gibt es genau eine optimale Steuerungsfunktion u•, die J q minimiert. u • (t) läßt sich als Linearkombination des Zustandsvektors x(t) schreiben ("Zustandsrückführung"), d.h.

Bemhard Kulla

76

Die konstante, positiv definite (n, n)-Matrix K ist die eindeutige LösWlg der folgenden, algebraischen MatrixgleichWlg ("Riccati-GleichWlg"):

T

KA + A K- KBR

-1

Das Minimum von

T

B K = -Q. (3.5)

J q hat den Wert

x'6Kx0 . Die BewegoogsgleichWlg des

optimalen, freien (u(t)=O) Linearsystems lautet

Alle Eigenwerte der neuen Systemmatrix [ A- BR- 1BT K] haben negative Realteile, d.h., das optimal gesteuerte System ist überdies asymptotisch stabil. Die numerische BerechnWlg der konstanten Rückfiihnmgsmatrix K ist selbst bei Einsatz eines Digitalcomputers mit erheblichem Aufwand verbWlden, da es sich bei der Riccati-GleichWlg (3.5) um ein nichtlineares GleichWlgssystem, 1 · · hWlgen, hande1t. Als LösWlgsverf:ahbesteh end aus -n(n+ G1e1c 2- ) a1gebratschen ren sind vor allem die im Zeitablauf rückwärts gerichtete, direkte Integrationsmethode, die Kalman-Englar-Methode Wld die Newton-Raphson-Methode (letztere bis zur OrdnWlg n=15) bekannt geworden.

Literatur Business Computing 12195 Ewert, R. und Wagenhofer, A.: Interne Untemehmensrechnung, Berlin 1993 Ferstl, 0. I Sinz, E: Geschäftsprozeßmodellierung; in: Wirtschaftinformatik 35 Jg., H. 6 (1993)

Hammer, M. I Champy, Y.: Reengineering The Corporation, London 1993

Organisationswandel durch Business Process Reengineering (BPR)

77

Kau.ffmann, M.: Prozeßoptimierung heißt mehr, als nur Zeit und Kosten zu reduzieren -in: Computer Zeitung, Nr. 46 I 16.11.1995 Ku/la, B.: Angewandte Systemwissenschaft, Würzburg-Wien 1979 Osterloh, M. und Frost, J.: Business Reengineering: Modeerscheinung oder "Business Revolution"?; in: zfo, 63. Jg., 6 I 1994 Wirtschaftswoche Nr. 47 vom 16.11.1995

Konfiguration von Produktionsnetzwerken Von Klaus Bellmann1

1.

Netzwerke als reale Phänomene

1.1. Erscheinungsformen von Vernetzungen

Das marktwirtschaftliche System westlicher Prägtmg hat zu einer weitgehenden Ausdifferenzienmg in Form vielfliltiger, unterschiedlicher Marktelemente geführt. Die Elemente sind über Beschaffungs- und Absatzmärkte für Leistungen sowie weitere koordinierende Strukturen interdependent und bilden somit ein Aktivitäten-Netzwerk, in dem sich die Wertschöpfung vollzieht (s. Abb. 1). Dieses Netzwerk wäre noch wn Verflechtungen, die aufgrund von Entsorgtmgsaktivitäten bestehen, zu erweitern. Weit weniger augenfallig als diese leistungsflußorientierten Beziehungen sind kapitalmäßige und insbesondere personelle Vernetzungen. Bspw. nehmen Vorstände mehrfach Aufsichtsratsaufgaben in Unternehmen auf gleicher oder unterschiedlicher Wertschöpfungsstufe wahr, Industrieunternehmen verfUgen über Beteiligtmgen an anderen Unternehmen, Banken, Versichenmgen sowie Kapitalsammelstellen halten wnfangreiche Aktienpakete von Unternehmen. Über eine steuernde und koordinierende Einflußnahme, welche aufgrund mehrfacher Zugehörigkeit zu formellen und informellen Gruppen prinzipiell denkbar ist, können nur Vermutungen angestellt werden. Wird von Produktionsnetzwerken gesprochen, dann werden mit diesem Begriff gewöhnlich nicht multipel vernetzte Beziehungssysteme der skizzierten Art assoziiert, sondern sehr unterschiedliche Formen der Kooperation von rechtlich selbständigen Unternehmen zum Zweck der Koordination der Leistungserstel-

1

Prof. Dr. Klaus Bellmann, Lehrstuhl für ABWL und Produktionswirtschaft, Uni

Mainz.

80

Klaus Bellmann

lWlg. Der Begriff 'Produktionsnetzwerk' ist dementsprechend ebenso WlScharf wie die Begriffe 'Kooperation' Wld 'Strategische Allianz': 2 Konzerne Wld GroßWlternehmen segmentieren umfassende Organisationseinheiten in selbständige Einheiten nach Geschäfts- oder Produktbereichen zwn Zweck verbesserter Steuerbarkeit. Sofern die dezentralisierten Einheiten nicht auf einen ProduktionsverbWld ausgerichtet sind, ist die BezeichnWlg Unternehmensnetzwerk fiir diese ErscheinWlgsform treffender. Zum anderen ist zu beobachten, daß kleinere Wld mittelständische Unternehmen, aber auch GroßWlternehmen oder Teileinheiten von Konzernen zunehmend Kooperationen mit externen Partnern suchen. Konsortium, JointVenture, Lizenzvergabe, Wertschöpfi.mgskette Wld Franchising sind typische Kooperationsformen, die Wlter dem Begriff(strategische) Allianz subsumiert werden. 3

Abb. 1: Aktivitätennetz des gesamtwirtschaftlichen Systems4

Die abnehmende Wertschöpfi.mgstiefe, besonders augenfällig bspw. in der Automobil-, Maschinenbau- oder Elektroindustrie, bedingt die ZWlahme vertikaler Verflechtungen. Abnehmer Wld Zulieferer treten in enge AustauschbeziehWlgen, bei denen gewöhnlich der Abnehmer das dominierende Wld deshalb das

2 "Aus den der Allianz zugrundeliegenden unterschiedlichen theoretischen Ansätzen und willkürlichen Interpretationen resultiert eine Definitionsvielfalt, die im Grund jede irgendwie geartete Zusammenarbeit als Strategische Allianz beschreibt." Blancke, W.: Evolution und Strategische Allianzen - Der Einfluß von Strategischen Allianzen auf den Wettbewerb, Bayreuth 1994, S. 14 f. 3 Vgl. ebendaS. 34. 4 Prinzip nach Pfeiffer, W., Weiss, E.: LeanManagement: Grundlagen der Führung und Organisation lernender Unternehmen, Berlin 1994, S. 86.

Konfiguration von Produktionsnetzwerken

81

führende Unternehmen ist. Zur Internalisierung von Einzelleistungen in der Wertschöpfungskette werden Verfügungsrechte gewöhnlich über Verträge formal gesichert. Solange sich die Transaktionen auf viele Lieferunternehmen verteilen, bleiben deren einzelne Intensität und meist auch deren Dauer gering, so daß Zulieferunternehmen tendenziellleicht austauschbar sind. Kapitalmäßige und personelle Verflechtungen sind selten vorzufinden. Trotz meist schwacher Kooperationspartner ist die Entscheidungsfmdung eher dezentral als zentral zu charakterisieren.

hn Unterschied zu asiatischen Kooperationen (z.B. Keiretsu) sind Kontinuitätsgrad, Transaktionsintensität und Ressourcenverflechtung vergleichsweise gering bei Wahrung eines gewissen Grades an Autonomie5 aller Beteiligter. Während asiatische Produktionsgruppen kurzfristigen Ertragssteigerungen keine wesentliche Bedeutung beimessen, ist das Ziel von europäischer kooperativer Arbeitsteilung mit hoher Spezialisierung primär in den "economies of scale" und somit in einer Steigerung der Effizienz wertschöpfender Prozesse zu sehen. Unbedeutender erscheinen hingegen langfristige Wachstums- und Sicherungsstrategien, wie sie bspw. Asiaten verfolgen, um das Unternehmensrisiko strategisch zu kontrollieren. 1.2. Vernetzung in der Produktion

Einzelunternehmen, Konzerne, Allianzen, Netzwerke und ähnliche Ausprägungen sind Organisationsformen, die sich entwickelt haben, um Produktionsaufgaben unter sich verändernden Umweltbedingungen erfolgswirksam durchzuführen. Trotz aller Versuche, die wissenschaftliche und ökonomische Rationalität in diesem Handlungsfeld zu perfektionieren, um die Grundlagen für Planung und Entscheidung zu sichern, ist festzustellen, daß das sozio-technoökonomische Entscheidungsfeld im Laufe der Zeit erheblich unsicherer geworden ist. Die Ursache für diese mißliche Situation wird gewöhnlich in der hohen ,,Komplexität"6 des Umweltsystems gesehen, weil es nicht mehr gelingt, die Vielfalt und Vielgestaltigkeit der Umweltbeziehungen in Ursachen und zugehörigen Wirkungen durchzumustern. Angewendet auf systemtheoretische Implikationen wird im Rahmen des Begriffs Autonomie auf die Unabhängigkeit eines Systems von einem Umsystem abgestellt. Der Grad der Autonomie eines Teilsystems kann mit der Wahrscheinlichkeit festgelegt werden, mit der es eine Trennung von einem übergeordneten bzw. umfassenderen Gesamtsystem überleben könnte. Vgl. hierzu Gouldner, A.W.: Redprocity and Autonomy in Functional Theory, New York 1959, S. 254. 6 Der Begriff der Komplexität wird in umgangssprachlicher Kommunikation verwendet, um Sachverhalte mit tendenziell hoher Unübersichtlichkeit und Unsicherheit zu charakterisieren. Vgl. hierzu La Porte, T.: Organized social complexity: Explication of a Concept, in: La Porte, T.: Organized Social Complex.ity. Challenge to Politics and Policy, Princeton, N.J. 1975, S. 3 f. 5

6 GWS-Tagung 1995

82

Klaus Bellmann

Die Komplexität der Umwelt muß hierbei als selbstgeschaffen, als Resultante anthropogenen Begreifens und Gestaltens gesehen werden, sei es infolge zufallsbedingter oder kontingenter Entwicklungsprozesse. Zugleich wirkt die Umwelt konfigurierend und selektierend auf die wirkaktiven Organisationssysteme zurück, so daß Umwelt und Organisation in evolutionärer Wechselwirkung stehen. Die Umwelt sucht sich sozusagen überlebensfah.ige Organisationsformen aus, die durch ihr Handeln die Umwelt verändern und damit - unter Zeitverzug - ihre Entwicklungsform wiederum zur Disposition stellen. Die gegenwärtige Phase wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung mit schwindenden komparativen Wettbewerbsvorteilen und lnstabilitäten, induziert durch Sättigungserscheinungen, Individualisierung und Globalisierung von Leistungsnachfrage und Leistungserstellung, verunsichert Entscheidungsträger. Bewährte kognitive Erklärungsmuster verlieren ihre Gültigkeit, da Wahrnehmungen mit ihrer Hilfe nicht mehr interpretiert werden können. Es wird deshalb nach neuen Erklärungsmodellen, Paradigmen und Strategien gesucht, die geeignet sind, der wachsenden Komplexität einer sich verändernden Umwelt zu begegnen und diese zu bewältigen. Ein Paradigma in gegenwärtiger Sicht ist die Vernetzung von aktiven, zu Entscheidungen flihigen Elementen. 7 Mit dem Terminus "Produktionsnetzwerk" findet dieses Denkmodell sowohl in die betriebswirtschaftliche Theorie als auch in die unternehmensehe Praxis in zunehmenden Maße Eingang, wobei die Begrifflichkeit keineswegs auf die Sachgüterproduktion beschränkt ist. Ursächlich hierfiir dürften die fernöstlichen Erfolge, netzartig verflochtener Industrieunternehmen sein wie bspw. Keiretsu, Chaebol oder Clan, die unter den gegebenen Umweltbedingungen als strategischer Vorteil fUr das Bestehen im globalen Verdrängungswettbewerb perzipiert werden. Angesichts der vollzogenen JapanRezeption sowie einer beginnenden China-Rezeption verwundert es deshalb nicht, wenn versucht wird, vorteilhaft erachtete Prinzipien fernöstlicher industrieller Organisationsformen unter den Bedingungen nationaler Besonderheiten sowie kultureller Eigenheiten wettbewerbswirksam in der Praxis nutzbar zu machen und theoretisch zu fundieren. Vor diesem Hintergrund sind Produktionsnetzwerke auf ihre Eignung zur Bewältigung der Herausforderungen in einer turbulenten und komplexen Umwelt zu untersuchen. Hierzu werden zunächst die Wege verfolgt, auf denen Umweltkomplexität allein oder in Kooperation zu bewältigen ist. Aus offenzulegenden Mängeln verbreiteter Kooperationsstrukturen werden Implikationen

7 In dieser Aussage wird die VerbindWlg zwischen Netzwerkansatz Wld Systemansatz transparent. Beim Netzwerkansatz werden Elemente mit eigener Aktivität Wld EntscheidWlgsfähigkeit miteinander vernetzt Im VordergTWld der BetrachtWlgen steht die kanalisierende Konnektivität zwischen den Elementen, die folglich einen Mindestgrad an Autonomie aufweisen.

Konfiguration von Produktionsnetzwerken

83

hinsichtlich der Koordination vemetzter Wertschöpfungsprozesse abgeleitet, wn die Konfiguration von Produktionsnetzwerken zu diskutieren.

2.

Koordinationssysteme zur Bewältigung der Umweltkomplexität

2.1. System-Umwelt-Beziehung und Komplexität

Komplexität, verstanden als fehlendes gesichertes Wissen über die Interaktionen eines Systems, verunsichert und steht dem menschlichen Grundbedürfnis nach Sicherheit entgegen. Aufgrund iterativer RückkoppelWlgen Wld nichtlinearer Kausalitäten lassen sich die indirekten Konsequenzen von Entscheidungen nicht mehr mittels isolierter Ursache-Wirkungsketten antizipieren. Angesichts seiner begrenzten kognitiven Fähigkeiten bedient sich der Mensch in dieser Situation der Methode des reduktionistischen Strukturierens. Die gewachsenen Formen der Produktionsorganisation mit vermeintlicher Sicherheit durch hierarchische StrukturierWlg, weitgehende AutomatisierWlg Wld InformatisierWlg mit dem Ziel, menschliches Fehlverhalten Wld Unsicherheiten auszuschalten, lassen sich vor diesem Hintergrund erklären. Die ErfahrWlg lehrt, das die klassische Methode des Strukturierens Wld des nachfolgenden Analysierens einzelner Subsysteme wenig hilfreich bei der Bewältigung komplexer Umweltbeziehungen ist. Der daraus ableitbaren ForderWlg, Umwelt Wld Agenzien in holistischer Sicht zu erfassen, wirkt bei dem Versuch der UmsetZWlg jedoch WlSer abendländisch geschultes Denken entgegen. Aus der Vielzahl der Umweltbeziehungen werden nur diejenigen, die individuell als leistWlgs- und erfolgsrelevant wahrgenommen werden, in Denkmodellen selektiv abstrahiert und verarbeitet. 8 Die subjektiv wahrgenommene Teilmenge, das reduzierte System der Umweltbeziehungen, soll mit 'Umweltkomplexität einer Organisation bezeichnet werden (s. Abb. 2.).

8 Hierbei ist dem Autor bewußt, daß es sich um eine starke Vereinfachung handelt. Eine differenzierte Betrachtung liefert bspw. Steinbruner, J.D.: The cybemetic theory of decision, Princeton 1974, S. 88 ff., der zwischen sechs Grundprinzipien im Rahmen kognitiver Prozesse unterscheidet: Inferential-, Konsistenz-, Realitäts-, Simplizitäts-, Stabilitäts- und Abstraktionsprinzip.

84

Klaus Bellmann

UMWELT.

Aktion Abb 2: Aktionen zur Reduktion des Komplexitätsgefälles

Um aktuelle Beziehungsprobleme zur Umwelt zu lösen, muß eine Organisationseinheit ein angemessenes eigenes Komplexitätspotential entwickeln. Dieses kreative Problemlösungspotential einer Organisationseinheit soll 'Eigenkomplexitäf genannt werden.9 Komplexität ist folglich exogen als Phänomen und endogen als Erfolgsvariable zur Lösung von Problemen zu begreifen. Das Ausmaß des Potentialgefälles 10 zwischen Umwelt- und Eigenkomplexität determiniert hierbei das Erfolgspotential einer Organisation. Die Erfolgschancen steigen, wenn es gelingt, mittels geeigneter Aktionen dieses Komplexitätsgefälle zu reduzieren. 11

9 Diese Betrachtung resultiert aus dem Ansatz der "requisite variety", woraus folgt, daß ein System die Komplexität der Umwelt nur verarbeiten kann, wenn es selbst hinreichend komplex ist. Vgl. Ashby, W.R.: An introduction into cybemetics, London 1956, s. 202 ff. 10 Die Systemtheorie geht grundsätzlich von einem Komplexitätsgefälle zwischen Umwelt und System aus. Vgl. hierzu Luhmann, N.: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main 1984, S. 249. Luhmann, N.: Ökologische Kommunikation. Kann sich die moderne Gesellschaft auf ökologische Gefährdungen einstellen?, Opladen 1986, S. 32 f. 11 Interessant sind in diesem Zusammenhang die Diskussionen zu Bedingungen eines Gesetzes zur ,,requisite variety", wobei sich lediglich konstatieren läßt, daß ein Komplexitätsgefälle niemals aufgehoben werden kann. Vgl. Kirsch, W.: Die Handhabung von Entscheidungsproblemen. Einfiihrung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, München 1988, S. 215 ff.

Konfiguration von Produktionsnetzwerken

85

Zur Verringenmg des Komplexitätsgefälles hat eine Organisation zwei Handlungsoptionen: zum einen kann sie mittels Integration und Koordination von Schnittstellen ihren äußeren Handlungsraum restrukturieren und somit die Umweltkomplexität subjektiv reduzieren. Dies geschieht mit Hilfe der Standardisienmg und Zusammenführung von Informations- und Transformationsprozessen, was als klassische Vorgehensweise im Rahmen des Managements anzusehen ist. 12 Unter Umständen wird hierdurch Komplexität auch nur zu Dritten verlagert. Weil die Eignung subjektiv innovativer oder imitierter Lösungen erst anhand ihres Beitrages zur Bewältigung der kritischen Umweltsituation beurteilbar wird, ist dieser Abgrenzungsprozeß iterativ zu durchlaufen (s. Abb. 3, rechter Loop). Im Falle der Imitation erfolgsversprechender Konzeptionen durch Dritte, erfährt die Umwelt in zunehmendem Maße eine Restrukturienmg, so daß Risiken und Unsicherheiten allgemein abnehmen. Aufgrund ihrer Umweltwirkungen dürften derartig vorgenommene Systemabgrenzungen mittel- bis langfristig die Umweltkomplexität auch indirekt reduzieren (vgl. Abb. 3). Dabei wächst jedoch die Gefahr allmählich schwindender Eigenkomplexität, weil Strukturieren und Reduzieren des Handlungsraums vorhandene Problemlösungspotentiale entbehrlich werden lassen, Defizite jedoch erst angesichts zukünftiger Herausfordenmgen offenbar und virulent werden. Die gleiche Gefahr entsteht, wenn intraorganisationale Restrukturienmgsansätze ausschließlich auf Reduktion der Eigenkomplexität abstellen. Zum anderen kann eine Organisation ihren Handlungsraum erweitern, so daß die Eigenkomplexität aufgrund kreativ entwickelter Fähigkeiten zu Reagibilität und Flexibilität steigt. Bspw. kann durch Segmentienmg und Autonomisienmg von Teileinheiten eines Unternehmens die Eigenkomplexität im Sinne gewachsener Problemlösungsfähigkeit zunehmen, wodurch das Komplexitätsgefälle abnimmt. Hierzu ist die Gewinnung neuen Methodenwissens erforderlich, das nur durch explorative und innovative Suche gewonnen werden kann. Da nicht antizipierbar ist, welches Wissen nach Umsetzung in Technologien zur Lösung anstehender Probleme beiträgt, fillrrt erst mehrmaliges Durchlaufen dieses Evolutionsprozesses zur Selektion13 geeigneter Problemlösungen (s. Abb. 3, linker Loop). Neues Problemlösungswissen wird mittel- bis langfristig diffundieren, so daß Dritte ähnliche Lösungen implementieren werden. Damit dürfte die Varietät der Umweltbeziehungen ansteigen und demzufolge indirekt

12 Bspw. steht fiir die Harvard-Schule die Strategie der Reduktion der (Umwelt-) Komplexität im Vordergrund, ausgehend von der These, daß zuviel Komplexität die Handlungsfähigkeit des Managements gefährdet. Vgl. stellvertretend fiir viele andere Andrews, K.: The concept ofcorporate strategy, 2. Auflage, Homewood 1977, S. 182. 13 Der Vorgang der Selektion stellt keinen Widerspruch zur Evolution von Wissen dar, weil grundsätzlich von der Existenz eines Komplexitätsgefälles in bezug auf die Umwelt ausgegangen wird. Insoweit bedeutet Selektion, daß aus einer Anhäufung von Wissenspotential situativ relevantes Wissen angewendet wird.

86

Klaus Bellmann

auch die Umweltkomplexität im Zeitablauf zunehmen, wodurch der Evolutionsprozeß vorangetrieben wird.

+

~ UMWELT-...

-

_ ~ ORGANISA T/0 n~--~~~~•1

Anpassung an Umwelt

~==~~~

Abgrenzung zur Umwelt

Abb. 3: Koevolution durch Anpassung, strukturelle Autonomie durch Abgrenzung

Beide Wege zur Verringerung des Komplexitätsdefizits repräsentieren Formen des Lemens. Hierbei kennzeichnet das Abbauen der Umweltkomplexität einen Pfad, der auf der S-Kurve einer Technologieentwicklung14 im Bereich degressiv zunehmender Effizienz verläuft und deshalb eher als defensivabgrenzend zu bezeichnen ist. Die Steigerung des Eigenkomplexitätspotentials hingegen ist als innovativ-evolutionär zu charakterisieren, weil diese Strategie auf Effektivität durch den Sprung auf die Entwicklungskurve einer neuen (Organisations-) Technologie mit höherem Nutzenpotential ausgerichtet ist (s. Abb. 4).

14 Unter den Begriff Technologie sind neben technischen Technologien auch nichttechnische Technologien zu subsumieren.

Konfiguration von Produktionsnetzwerken

87

Technologiepotential

Technologie B

Zeit Abb. 4: Effizienz und Effektivität teclmologischer Entwicklung15

2.2. Komple:litlitsbewiltigung in Kooperation

In einer komplexen Umwelt kann Kooperation zwecks Steigerung von Potentialen durch Zusammenftihrung bestehenden Wissens oder zwecks besserer Chancen zur Gewinnwtg neuen Wissens von Vorteil sein: mittels Internalisierung wtd Koordination von Schnittstellen läßt sich der Handlwtgsrawn restrukturieren wtd die Handlwtgsunsicherheit subjektiv reduzieren. Damit verringern sich die wahrgenommene wtd vor allem als entscheidwtgsrelevant erachtete Komplexität, so daß die Effizienz der Prozesse steigt. Es kann wtterstellt werden, daß bei derartigen Abstirnmwtgsprozessen Probleme angegangen werden, welche als gut strukturierbar zu bezeichnen sind, so daß das Ziel des Abbaus von Umweltkomplexität durchaus einsichtig ist. Bewirkt doch gerade die gute Strukturierbarkeit, daß sich die subjektiven Problemsichten wenig wtterscheiden wtd die relevanten Problemelemente und Beziehungen ohne größere Schwierigkeiten festgelegt werden können. 16 Die Aktivitäten der gemeinsam handelnden Organisationen mOssen, wenn sie jeweils akzeptiert werden sollen, eine Reihe von vorgegebenen Einschränkungen wtd Anforderungen erfilllen. Vielfach werden gerade diese Anforderungen als Ziele des Handeins definiert, 17 15 Vgl. Foster, R.N.: Innovation - Die teclmologische Offensive, Wiesbaden 1986, S. 27 ff., wobei hier als unabhängige Variable die Zeit gewählt wird. 16 "Bei gut strukturierten Problemen jedweden Komplexitätsgrades dürften sich die subjektiven Problernsichten relativ wenig unterscheiden." Fisch, R., Wolf, M.F.: Die Handhabung von Komplexität beim Problernlösen und Entscheiden, in: Fisch, R., Boos, M. (Hrsg.): Vom Umgang mit Komplexität in Organisationen, Konstanz 1990, S. 16. 17 Vgl. Simon, H.A.: On the concept of organizational goal, in: Administrative Science Quarterly, 9 (1964), S. 7.

88

Klaus Bellmann

weil auf diese Weise der Handlungsraum wie auch der zu erreichende Sollzustand bestimmbar werden. Anders stellt sich die Situation im Rahmen gemeinsam beabsichtigter und effektiver Evolution dar. Hier kann davon ausgegangen werden, daß bestehende Probleme, soweit sie überhaupt erkannt werden, als schwach strukturiert charakterisiert werden müssen. 18 Daraus resultiert eine unterschiedliche Beurteilung bezüglich der im Problemlösungsprozeß zu erreichenden Ziele, aber auch im Hinblick auf die Handlungsmöglichkeiten, die zur Auswahl stehen. Jede nicht bestimmte Problemdimension fiihrt zum Einbringen von subjektiven Sichtweisen im Sinne von Annahmen, welche transparent, aber auch durchaus unbewußt sein können. Unterschiedliche Kontexte haben somit unter Umständen partielle, nicht unbedingt vergleichbare Problem- und Situationsdefinitionen zur Folge, so daß erhebliche Hindernisse zu überwinden sind, wenn eine einheitliche und widerspruchsfreie Gesamtproblemdefinition angestrebt wird. 19 Diese Kausalkette darf jedoch nicht zu dem Schluß führen, daß interorganisationale Zusammenarbeit im Hinblick auf Verbesserungen der Effektivität nicht sinnvoll ist. Dagegen sprechen die vielfliltigen Kooperationen, welche strategischen Charakter besitzen. Vielmehr sind Kontextprobleme als gewichtiger Grund und treibende Kraft anzusehen, gemeinsam eine höheres Eigenkomplexitätspotential anzustreben. Kooperationen zielen durch Harmonisieren ihrer Aktivitäten auf die Verbesserung ihrer strukturellen Autonomie zu Lasten ihrer individuellen Autonomie, substituieren damit die marktliehe Koordination durch kooperative. Verkrusten von Strukturen, mangelndes Kosten- und Ertragsbewußtsein sowie Fixierung auf die Stabilität der Austauschbeziehung sind als Gefahren von dauerhafter Zusammenarbeit zu nennen. Sie sind um so höher einzuschätzen, je stärker die Interdependenz der Kooperierenden wird. Die gegenwärtig diskutierten Ansätze des Lean Managemenr0 mögen als Beispiele für eine Sicht des Produktionsmanagements dienen, die oftmals ein18 Nach Sirnon kann eine Situation nicht mehr als gut strukturiert charakterisiert werden, wenn der Problemlöser nicht in der Lage ist, die relevanten Informationen in einer angemessenen Zeit zu verarbeiten. Vgl. Simon, H.A.: The structure of ill structured problerns, in: Artificial Intelligence, 4 (1973), S. 183. 19 Hierin dürfte der übergreifende Hauptgrund für das recht häufige Scheitern strategischer Allianzen zu sehen sein. Die besonders stark ausgeprägte Inkongruenz der Kontexte führt zu Unvereinbarkeiten, die sich letztlich in der mangelnden Fähigkeit der gemeinsamen Zielbildung manifestiert. Auffällig ist hierbei die häufige Betonung eines unzureichenden ,,kulturellen fit", was in diese Argumentationsrichtung weist. Vgl. Hätscher, A.M.: Unternehmensentwicklung durch strategische Partnerschaften, München 1992, zugl. Augsburg, Univ., Diss., 1991, S. 206 ff. 20 Lean Production und Lean Management werden hierbei als Vorgänge der Komplexitätsreduktion im Sinne von Rationalisierung begriffen. " .. half the human effort in

Konfiguration von Produktionsnetzwerken

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seitig und operativ auf die Reduktion von Eigen- und auch Umweltkomplexität zielen. Produktionsstrukturen werden durch Optimierung im Hinblick auf gegenwärtige Anforderungen auf höchste Organisationale Effizienz getrimmt. Hoch angepaßten Strukturen mangelt es jedoch an Flexibilitätspotential zur Bewältigung veränderter Herausforderungen. Extreme Spezialisierung birgt deshalb die Gefahr der Konservierung von Strukturen und des Verlustes der strategischen Perspektive. Finden die vorgenannten Kooperationsprozesse bspw. in Form Strategischer Allianzen weitere Verbreitung, so ist allgemein die Konzentration von Verfiigungsrechten über Ressourcen mit Einschränkung des Wettbewerbs und des Leistungspotentials die Folge.21 Zudem besteht die Gefahr, daß primär allgemeine und gleichartige Lösungen gesucht werden, von denen die Gefahr der Schwächung der Multistabilität und der Evolutionsfähigkeit eines Wirtschaftssystems ausgeht. 2.3. Komplexitätsbewältigung in Vernetzung

Die Fokussierung auf spezielle, individuelle Fähigkeiten, wie bspw. Produktionsverflechtung im Kontext mit Fertigungssegmentierung, Kernkompetenzentwicklung und Selbstorganisation statt auf Integration allgemeinen oder komplementären Wissens, ist ein Anzeichen fiir einen sich vollziehenden ParadigmawechseL Hierin zeigt sich, daß dem Management von Unternehmen zunehmend bewußt wird, daß die vorrangige Verfolgung des Effizienzpfads Probleme nur temporär zu lösen vermag und in strategischer Perspektive Effektivitätsdefizite anwachsen läßt. Produktionsnetzwerke werden in diesem Zusammenhang als innovative Koordinationsstrukturen begriffen, die das Komplexitätsgefiille zwischen Umwelt und Organisationseinheit durch Austarieren von interner und externer Komplexität geeignet gestalten können. Sie eröffuen neue Möglichkeiten über kooperatives Verhalten hinaus, so daß die bipolare Analyse kooperativer Zusammenarbeit nicht ausreichend ist. Produktionsnetzwerke sind einerseits ein praxeologisches Betrachtungsobjekt, bei welchem das reale Phänomen im Mittelpunkt wissenschaftlicher Anathe factory, half the manufacturing space, half the investment in tools, half the engerieering hours to develop a new product in halfthe time." Womack, J., Jones, D., Roos, D.: The machine that changed the world. The story of lean production, New York 1990, s. 13. 21 "Je stärker Strategische Allianzen sich der Selektion durch den Markt entziehen können, desto mehr Raum entsteht fiir die Produktion von Normen, welche die ökonomischen Selektionskriterien substituieren. Eine erfolgreiche Expansion des Phänomens Strategische Allianz im Marktsystem und die Abschottung derselben gegenüber exogenen Einflüssen mittels politisch-rechtlicher lnstitutionalisierung stabilisieren die Strategische Allianz und destabilisieren das Gesamtsystem." Blancke, W.: Evolution und Strategische Allianzen, a.a.O., S. 217.

Klaus Bellmann

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lyse steht. Andererseits sind sie ein theoretisches Konstrukt, welches den Blick systematisch auf Beziehmtgen mtd Aktivitäten zwischen agierenden, in Transformationsprozessen involvierte Akteure lenkt. Diese Netzwerkperspektive löst die traditionelle Umwelt-System-Beziehmtg auf mtd fiihrt sie einer weiteren Differenzienmg zu. Die Darstellmtg von Systemebenen mtd Relationen des Netzwerks22 erlaubt es, Koordinationsprozesse zur Reduktion des Komplexitätsgefälles aufzuzeigen mtd aus der Sicht theoretischer Ansätze zu mttersuchen.

Mikroebene des Akteurs Auf der Mikroebene stehen die Akteure, die eine Sachaufgabe mit hoher Flexibilität mtd Schnelligkeit mtter Einbringoog ihrer Fachkompetenz erfiillen können (s. Abb. 5, Mikroebene). Die AusrichtWlg auf die Erstellmtg von Sachgütern bedingt die projektbezogene Konzeption des Netzwerks?3 Infolge der Individualisienmg der Güternachfrage ist die Massenproduktion von Gütern weitgehend obsolet geworden. Infolge der Verkürzung von Produktlebenszyklen gewinnt die Serienfertigoog von Gütern eine hohe BedeutWlg. Diese werden als Standardprodukte mit Varianten nur über einen begrenzten, vom Produktlebenszyklus determinierten Zeitraum produziert. Neue wie auch Substitutionsprodukte bedingen i.d.R. aufgrood veränderter Produktkonstitution anders geartete VerflechtWlgen. Die Produktionsaufgabe nimmt somit den Charakter eines zeitlich limitierten Projekts an. Zugleich erfordert die ProjektausrichtWlg auch die Zusammenarbeit der Wertschöpftmgspartner in den mit der produktiven Aufgabe verbmtdenen vor- oder auch nachgelagerten Prozessen, wie bspw. F&E, Logistik oder Distribution über die Dauer des Projekts. Ein Netzwerkmitglied muß deshalb die Eigenschaften eines Holon24 entwikkeln, eines kooperativen mtd autonomen Partners, der seinen Wertschöpftmgs-

22 Zur Segmentierung von Betrachtungsebenen eines Netzwerks vgl. Hippe, A: Betrachtungsebenen und Erkenntnisziele in strategischen Unternehmensnetzwerken. Arbeitspapier 95/1, LS Produktionswirtschaft, Universität Mainz, Mainz 1995. 23 "Ein Netzwerk entsteht durch den gemeinsamen Willen sozialer Akteure, durch zielbezogenes, zeitlich begrenztes kooperatives Zusammenwirken eine Potentialität (im Sinne einer Ungleichgewichtssituation) auszunutzen, um damit eine bestimmte Problemlösung in Angriff zu nehmen." Weber, B.: Unternehmungsnetzwerke aus systemtheoretischer Sicht - Zum Verhältnis von Autonomie und Abhängigkeit in Interorganisationsbeziehungen, in: Sydow, J., Windeier, A. (Hrsg.): Management interorganisationaler Beziehungen- Vertrauen, Kontrolle und lnformationstechnik, Opladen 1994,

s. 288.

24 Die Bezeichnung eines Netzwerkpartners als "Holon" geschieht in Anlehnung an Koestler. Dieses Kunstwort stellt eine Kombination aus dem griechischen "holos"(Ganzes) und der Endsilbe "on", die ein Partikel anzeigt, wie beispielsweise in Proton oder Neutron. Die Wortschöpfung soll charakterisieren, daß Holonen zugleich ein autonomes (Sub-)Ganzes und ein kooperatives Element eines Systems repräsentieren. Auch in die Konzeption fertigungstechnischer Systeme hat der holanisehe Ansatz

Konfiguration von Produktionsnetzwerken

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beitrag mit den anderen Mitgliedern abstimmt und seinen partiellen W ertschöpfungsprozeß in allen Phasen und in allen Funktionen weitgehend selbständig steuert und kontrolliert. Mitglied in einem Netzwerk können deshalb nur weitgehend wettbewerbsstarke, Ieistungs- und strukturautonome Wertschöpfungsbereiche von Unternehmen werden, was die entsprechende Segmentierung von Fertigungsbereichen in partizipierenden Unternehmen voraussetzt.

GLOBALEBENE

Abb. 5: Segmentierungsebenen der Netzwerkbetrachtung

Jedes einzelne Netzwerkmitglied befindet sich im Wettbewerb mit potentiellen Elementen seiner Branche, die seine holonische Funktion im Produktionsnetzwerk substituieren könnten. Auch innerhalb des Netzwerks entsteht Innovationsdruck auf die Partner. Infolge enger Kooperation ist die Diffusion von Know-How zwischen den Partnern unvermeidbar, so daß das Risiko latent ist, daß Netzwerkmitglieder neue Kernkompetenzen2 s in der Domäne von Partnern Eingang gefunden. Vgl. hierzu Valkenaers, P., Brussels, H. van: IMS TC5: Holonic Manufacturing Systems, Leuven, o.J. 25 Der Begriff der Kernkompetenz geht auf Prahalad und Hamel zurück. Die Kernkompetenzperspektive stützt sich auf Schlüsselfertigkeiten in einer Unternehmung, die als Plattform fi1r bestehende als auch künftige Produkte und Dienstleistungen genutzt werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß Kernkompetenzen die Zusammenfilhrung von Technologjen mit dazugehörigen Know-How sowie die Organisierung von Arbeit und die mit diesen Fähigkeiten verbundene, konkrete Wertschöpfungsaktivität bezeichnen, sofern sie zu einem echten Kundennutzen fiihrt. Vgl. Prahalad, C.K., Hamel, G.: The core competence ofthe corporation, in: Harvard Business Review, 68 (1990) 3, s. 79- 93.

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entwickeln. Im Hinblick auf die eingegangene Vernetzwlg sowie auf potentielle zukünftige Vernetztmgen kann ein Netzwerkmitglied seinen Kompetenzvorsprung - und somit sein Vernetzwlgspotential - nur dann halten, wenn es permanent zu innovativen Leistungen befähigt ist. Tendenziell sind die Netzwerkbeziehungen des Holon im Gegensatz zu reinen Marktbeziehungen jedoch durch eine größere Stabilität und Erfaßbarkeit geprägt. Das Netzwerkmitglied reduziert somit seine Umweltkomplexität in bezug auf das Netzwerk, bleibt jedoch außerhalb des Netzwerks weiterhin der Volatilität der reinen Marktkonstellationen und -beziehungen ausgesetzt.

Makroebene des Netzwerks Auf zweiter Segmentierungsebene ist jedes Netzwerkmitglied in das Gesamtnetzwerk einzubinden. Die übergreifende Aufgabe besteht in der optimierten Kombination von "economies of skill" einzelner Partner, der erfolgsträchtigen Zusammenführung von Kernkompetenzen wie bspw. spezifische F&EKompetenzen, Produktions- und Qualitätskompetenzen (vgl. Abb. 5, Makroebene). Hierzu müssen bei den einzelnen Mitgliedern weitere Kompetenzen vorhanden sein, so bspw. spezifische Logistikkompetenzen, Koordinations- und Kommunikationskompetenzen, welche im folgenden als Komplementaritätskompetenzen26 bezeichnet werden. Durch projektbezogene Koordination von Strategie und Struktur kann das Netzwerk sich generisch entwickeln. In diesem dynamischen Prozeß erfolgen Ein- und Austritt sowie Positionierung und Repositionierung von Akteuren infolge von Veränderungen der Kern- und Komplementaritätskompetenzen innerhalb und außerhalb des Netzwerks. Aus dem Kreis kompetenter Netzwerkmitglieder wird sich schließlich ein Netzwerkmitglied - im Einzelfall könnten es auch mehrere sein - aufgrund ausgeprägter Komplementaritätskompetenzen als fokales emanzipieren und die Führerschaft übernehmen. Wie die anderen Partner partizipiert i.d.R. auch der fokale Partner mit einer Teilaufgabe an der Transformationsleistung des Netzwerks. Infolge der Aufgabenteilung werden auf Makroebene Wertschöpfungsverflechtungen entstehen, wodurch die Holonen sich positionieren (vgl. Abb. 6). Der Verflechtung nach zu urteilen, vermitteln diese Beziehungen den Eindruck einer hierarchischen Struktur. Unter der Prämisse gleichwertiger und gleichberechtigter Partnerschaft dürften sich in einem Produktionsnetzwerk jedoch nur wenige wettbewerbsstarke Partner mit Kern- und Komplementaritätskompetenzen auf hoher Wertschöpfungsstufe zusammenfinden. Eine hierarchische Konstellation, die zugleich auch Macht und Abhängigkeit in Form von Über- und

26 Zur Konzeption der Vemetzung von Kernkompetenzen durch Komplementaritätskompetenzen vgl. Bellmann, K: Produktionsnetzwerke - ein theoretischer Bezugsrahmen. Manuskript zum Vortrag gehalten am 28.10.1995, zugleich Arbeitspapier 95/2, LS Produktionswirtschaft, Universität Mainz, Mainz 1995.

Konfiguration von Produktionsnetzwerken

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Unterstellungen widerspiegelt, kann sich deshalb nicht deutlich ausprägen. Transformationselemente auf niederer Wertschöpfungsstufe, wie bspw. Teilefertiger, dürften demzufolge keine Aufnahme in ein Produktionsnetzwerk finden.

INDIVIDUATION

RETIKULATION

Abb. 6: Strategie, Struktur und Kultur als Zielobjekte und als Metainstrumente

Im gemeinsame Koordinieren von Zielen, Strategie und Struktur wachsen reziproke Tauschbeziehungen. Verstehen, Anerkennung, Verläßlichkeit, Berechenbarkeit bilden in diesem Harmonisierungsprozeß die Basis filr Motivation, Vertrauen, Verpflichtung und Bindung. Aus Vertrauen27 und Reziprozität ernergieren kooperative Verhaltensweisen, welche die gemeinsam getragene Kultur des Netzwerks prägen und Identität generieren. Mit Abschluß der Koordinationsprozesse verklammern die Metaelemente Strategie, Struktur und Kultur das Netzwerk und lassen sich als Ordnungsparameter instrumental einsetzen, um das Netzwerk erfolgswirksam zu steuern (vgl. Abb. 6). 28 Die Bildung dieses

27 Zur Bedeutung von Vertrauen in Unternehmensnetzwerken vgl. Loose, A., Sydow, J.: Vertrauen und Ökonomie in Netzwerkbeziehungen - Strukturationstheoretische Betrachtungen, in: Sydow, J., Windeier, A. (Hrsg.): Beziehungen, a.a.O., S. 160- 193 sowie Wurche, S.: Vertrauen und ökonomische Rationalität in kooperativen Interorganisationsbeziehungen, in: Sydow, J., Windeier, A. (Hrsg.): Beziehungen, a.a.O., S. 142159. 28 Vgl. Rühli, E.: Koordination, in: Frese, E. (Hrsg.): Handwörterbuch der Organisation, 3., völlig neu bearbeitete Aufl., Stuttgart 1992, Sp. 1164 - 1175, hier Sp. 1168. Scholz/ Hofbauer sprechen unter ausschließlicher Bezugnahme auf Kultur vom 'Dualitätsprinzip'; vgl. Scholz, Ch.; Hofbauer, W.: Organisationskultur, Wiesbaden 1990, S.

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Sozialkapitals des Netzwerks ist gnmdlegend für Qualität und Erfolg der ins Auge gefaßten Projektaufgabe. Zugleich ist die im Koordinationsprozeß entwickelte Soziabilität des einzelnen Netzwerkmitglieds äußerst bedeutsam für Netzwerkbildungen über das Projekt hinaus. Globalebene der Umwelt

Aus globaler Perspektive der Umwelt repräsentiert ein Netzwerk ein mehr oder weniger virtuelles, aber offenes Produktionssystem wie jedes Unternehmen, so daß kein Unterschied zur traditionellen System-Umwelt-Interdependenz gesehen werden kann. In dieser globalen Netzwerkumwelt steht das Netzwerk als ganzes im Wettbewerb mit Konkurrenznetzwerken und anderen Konglomeraten. Insofern unterliegt jedes Netzwerkmitglied neben dem direkten Wettbewerb mittelbar auch Einflüssen, welche aus der globalen Umwelt des Netzwerks resultieren. In der Regel verfUgt ein Unternehmen über Fachkompetenzen unterschiedlicher Art, von denen nur der als Kern- und Komplementaritätskompetenz nachgefragte Teil in ein Netzwerk eingebracht wird. Zugleich kann das Unternehmen mit derselben oder aber auch anderen Kompetenzen weitere partnerschaftliehe Netzwerke aufbauen. Unternehmen können in dieser multiplen Vernetzung zugleich Partner und Konkurrenten sein (vgl. Abb. 5). Die Kompetenzen des einzelnen Mitglieds vermögen sich dynamisch zu entwickeln, indem durch Kooperation und Wettbewerb vorhandene aus- oder abgebaut und neue aufgebaut werden. Es findet eine flexible Spezialisierung29 statt, die eine Konzentration auf Kernkompetenzen und resultierende Kerngeschäfte sowie Make-orBuy-Überlegungen einschließt. Der Wettbewerb vollzieht sich folglich auf verschiedenen Ebenen, jedoch mit interdependenten Wirkungen. 30 Die beiden segmentierten Umwelten der Netzwerkakteure- Makroebene des Netzwerks und Globalebene der Umwelt-

55- 57. In diesem Gedanken kommt das Prinzip zirkulärer Kausalität zum Ausdruck, in der Synergetik als Versklavungsprinzip bekannt: "Auf der einen Seite werden die Ordnwtgsparameter erst durch die koordinierte Aktivität der Untersysteme erzeugt. Auf der anderen Seite sind es die Ordnwtgsparameter, die das Verhalten der Untersysteme bestimmen und koordinieren". Haken, H.; Lorenz, W.; Schanz, M.; Wunderlin, A.: Fragestellungen und Resultate der modernen Chaosforschwtg, in: Mannheimer Berichte, Nr. 44 Juli 1995, s. 28. 29 Der Begriff der flexiblen Spezialisierwtg geht auf Piore und Sabel zurück, welche sich mit Differenzierwtg wtd Integration in regionalen Unternehmensnetzwerken auseinandergesetzt haben. Vgl. Piore, M.J., Sabel, C.F.: Das Ende der Massenproduktion, Berlin 1985. 30 Siehe zu diesem Thema auch die Ausfiihrwtgen bei Gomes-Casseres, der diesen Wettbewerb auf Mikro- und besonders Makroebene pragmatisch aufgreift. Vgl. GomesCasseres, B.: Group versus group: How alliance networks compete, in: Harvard Business Review, July-August 1994, S. 62- 74.

Konfiguration von Produktionsnetzwerken

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können sehr Wlterschiedlich, im Hinblick auf AnforderWlgen eventuell sogar konfliktär sein. Dies resultiert aus den vielfaltigen Möglichkeiten Autonomiepotentiale auszugestalten. 31 Hierbei kann die Aussage getroffen werden, daß bei hohen Autonomiepotentialen die wahrgenommenen sowie als relevant Wld verarbeitbar erachteten UmweltbeziehWlgen tendenziell stärker differieren. Die erfolgreiche BewältigWlg der hohen Umweltkomplexität kann in dieser Situation nur gelingen, wenn der Akteur über die entsprechende Eigenkomplexität verfiigt.

3.

Thesen zur Konfiguration von Produktionsnetzwerken

Aus den voranstehenden AusfiihrWlgen lassen sich fiinf Thesen formulieren, die einen theoretischen Bezugsrahmen fiir Produktionsnetzwerke markieren. In diesen Rahmen können wissenschaftliche Theorien gestellt werden, um sie auf ihren Beitrag zur ErklärWlg von Netzwerkprozessen zu überprüfen Wld neue theoretische Ansätze zu formulieren, falls Erkenntnisdefizite offenbar werden: Heterarchische Vernetzung

Die dargestellten Gedanken zu den Koordinationsformen Kooperation Wld VernetZWlg implizieren, Produktionsnetzwerke als virtuelle, beterarebische Koordinationssysteme zu konzipieren. 32 In der sich polyzentrisch entwickelnden Wertschöpfungsstruktur eines Produktionsnetzwerks nimmt jeder Akteur eine bestimmte Position ein. Wird in mehreren Netzwerken ein Wertschöpfimgsbeitrag geleistet, so kann die PositionierWlg in jeweils anderer Konstellation erfolgen. AufgrW1d der multiplen VernetZWlg der einzelnen Akteure, die netzwerkübergreifend sowohl kooperieren als auch konkurrieren können Wld sollen, entstehen beterarebische Produktionsnetzwerke als Gebilde zwischen den Koordinationsformen Markt Wld Hierarchie.

In diesem Rahmen sei an ein Muster von Autonomie-Potentialen gedacht, das Minder vorschlägt. Sie unterscheidet Autonomie bezüglich sozio-kultureller Bestandserhaltung, strukturell-funktionaler Ausprägung und Variation, Bildung und Umsetzung von Strategien, Selbstorganisation, Evolution und Dynamik sowie (Fremd-) Beobachtung. Vgl. hierzu Minder, K.I.: Die Autonomie der Unternehmung- ein neuer Denkansatz für das Management der Umweltkomplexität, in: Schüller, A., Lutz, E. (Hrsg.): Komplexität und Managementpraxis: reale Visionen zum Komplexitätsmanagement, Stuttgart 1994, S. 50 ff. 32 Mit dem Begriff der Heterarchie wird ein Terminus von McCulloch aufgegriffen. Vgl. McCulloch, W.S: A heterarchy of values detemined by the topology of nervous nets, in: McCulloch, W.S.: Embodiments ofmind, Cambridge, Mass. 1965, S. 40-45. 31

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Kooperation und Wettbewerb

Kooperation und Wettbewerb sind in den AnpassWlgs- Wld Abgrenzungsprozessen bezüglich Umwelt die evolvierenden Wld strukturierenden Elemente Wld stehen deshalb nicht alternativ zur Wahl. Produktionsnetzwerke dürfen deshalb nicht ausschließlich auf kooperativen VerbindliDgen zwischen Unternehmen basieren, sollen langfristig Wettbewerbsvorteile in kompetitiven Märkten erlangt Wld erhalten werden. Gleichsam marktwirtschaftliehen Mikrosystemen benötigen Produktionsnetzwerke internen Wld externen Wettbewerb als innovierende Komponenten, um operative Effizienz Wld strategische Effektivität zu sichern. Projektbezogene Koordination

AufgrWld fortschreitender SpezialisiefWlg kann ein einzelnes Unternehmen immer weniger Kompetenzen in dem Ausmaß bereitstellen, das zur LösWlg umweltinduzierter Probleme erforderlich ist. Die Dynamik der Umwelt Wld Problemumfang bedingen deshalb die AusrichtWlg an der Sachaufgabe sowie Flexibilität Wld Schnelligkeit in der AufgabenerfiillWlg. Diesen AnforderWlgen kann nur mittels einer projektbezogenen, interorganisationalen Konzeption entsprochen werden, die auch die Kooperation der Partner in den mit der direkten LeistWlgserstellWlg verbliDdenen vor- oder auch nachgelagerten Prozessen über die Dauer des Projekts einbezieht. Teilautonome Leistungseinheiten

Ein Unternehmen wird nur den Teil seiner Fachkompetenzen in ein Netzwerk einbringen, der als Kern- Wld Komplementaritätskompetenz nachgefragt wird. Nur im Ausnahmefall dürften deshalb Unternehmen in ihrer Gesamtheit Partner in einem Produktionsnetzwerk sein. In der Regel vernetzen sich leistWlgsbezogen strukturell Wld wirtschaftlich weitgehend autonome, wettbewerbsstarke Wertschöpfi.mgsbereiche von Unternehmen, was die LeistWlgssegmentiefWlg in den partizipierenden Unternehmen voraussetzt. Die internalisierten LeistWlgseinheiten virtualisieren ein Produktionssystems, das partnerschaftlieh verteilte TransformationsleistWlgen zu einer kollektiven LeistWlg zusammenfilhrt. Die direkten Wld indirekten Prozesse der LeistWlgserstellWlg Wlterstehen dabei weitgehend der individuellen Kontrolle der Akteure. Kern- und Komplementäritätskompetenzen

Für die Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtnetzwerks ist die Qualität der KompetenzvernetZWlg maßgeblich. Die übergreifende Aufgabe besteht deshalb in der Zusammenführung heterogener individueller Kernkompetenzen mit Hilfe kollektiver Komplementaritätskompetenzen. Die EntwicklWlg von Komplementaritätskompetenzen ist aber auch fiir das Netzwerkmitglied auf der Mikroebene entscheidend, da es ihm nur auf diese Weise gelingt, eigene Kernkompetenzen im Rahmen Wld mit Hilfe des Netzwerks zu entfalten Wld dynamisch

Konfiguration von Produktionsnetzwerken

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weiterzuentwickeln, wn ein wertvoller Netzwerkpartner zu bleiben oder in weiterer Vemetzung zu werden. 33 Hierzu sind interdependente Prozeßelemente in aufgabenerfiillender Weise fiir die Dauer eines Projekts zu einer Ganzheit zu integrieren und auf übergeordnete Projektziele auszurichten. Neben der autonomiebeschränkenden, aber effizienzsteigemden Koordination von Einzelprozessen muß genügend Rawn fiir die Prozeßelemente bleiben, wn in Differenzierungsprozessen sich evolutionär fortzuentwickeln. Die Kunst der Steuerung von Netzwerken besteht somit in der Ausrichtung des Verhaltens holonischer Elemente auf ein einheitliches, übergeordnetes Ganzes sowie im Austarieren des Ausmaßes von Fremd- und Selbstbestimmung. Am Beispiel von Entwicklungen in der Automobilzulieferindustrie soll dieser Ansatz kurz illustriert werden: Im Zuge der Reduzierung der Fertigungstiefe mit Neugestaltung der Lieferantenbeziehungen richtet die Automobilindustrie ihre Struktur zunehmend auf den Bezug von Systemen aus. Als Reaktion darauf zeichnet sich auf Zuliefersehe die Entstehung von Konsortien ab, in denen systemfähige Unternehmen projektbezogen ihre Kompetenzen einbringen und partnerschaftlieh kooperieren, bspw. bei Entwicklung und Bau von kompletten Fahrzeugtüren, Front- oder Heckmodulen. Aufgrund größerer Kompetenz übernimmt ein Partner die Systemfiihrerschaft.

Die Vemetzung ist multipel, weil die Systemhersteller aufgrund mehrerer Projekte in unterschiedlichen Netzwerken kooperieren. Je nach Schwierigkeit, Umfang und Zeitdauer eines Projekts entstehen Konsortien mit wechselnden Netzwerkpartnern und wechselnder Fokalität in wechselnder Netzwerkposition. Damit ist auch die dynamische Entwicklung des Netzwerks gesichert, weil durch den Wettbewerb der Innovationsdruck erhalten bleibt. Die Kompetenz der Netzwerkpartner steigt, weil in Fokussierung auf Kernkompetenzen Randkompetenzen gegen kompetenzerweiternde Potentiale ausgetauscht und neue Kompetenzpotentiale aufgebaut werden können. Das gemeinsame Vorgehen führt zu einer Anpassung von Kompetenzen und schließlich der Wertschöpfungsketten, so daß Unternehmensgrenzen im wirtschaftlichen Sinne aufgelöst werden. Heterarchische Produktionsnetzwerke imitieren keine fernöstlichen Produktionsstukturen. Sie sichern als lernende Systeme durch Mobilisieren hwnanen und sozialen Kapitals die Wettbewerbsfähigkeit des Netzwerks und der Netzwerkmitglieder. Die eingespielten Netzwerkprozesse fundamentieren kompetitive Vorteile in Organisation, Kosten, Zeit und Flexibilität, weil sie - sofern von außen überhaupt erkennbar - aufgrund ihrer Individualität und Kollektivität nicht zu duplizieren sind. Sie ge-

33 Vgl. Sydow, J., Windeier, A., Krebs, M., Loose, A., Weil, B. van: Organisation von Netzwerken. Strukturations-theoretische Analysen der Vermittlungspraxis in Versicherungsnetzwerken, Opladen 1995, S. 44.

7 GWS-Tagung 1995

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währleisten einerseits die Möglichkeit der Spezialisierung, gestatten andererseits aber die ganzheitliche Gestaltwlg des Wertschöpfungsprozesses vorn Auftrag bis zur Serviceleistwlg. Die multiple Vemetzung in Heterarchie fördert durch hmovationswettbewerb die Effektivität sowie durch Kompetenzwettbewerb die Effizienz der Leistwlgsträger und eröffuet damit zugleich die Chance, ein Wirtschaftssystem auf evolutionärern Pfad zu stabilisieren.

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Konfiguration von Produktionsnetzwerken

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Weber, B.: Unternehmungsnetzwerke aus systemtheoretischer Sicht - Zum Verhältnis von Autonomie und Abhängigkeit in Interorganisationsbeziehungen, in: Sydow, J./ Windeier, A. (Hrsg.): Management interorganisationaler Beziehungen - Vertrauen, Kontrolle und Informationstechnik, Opladen 1994, S. 275-297. Womack, J., Jones!D., Roos, D.: The machine that changed the world. The story oflean production, New York 1990.

Die Team Organisation Zwischen Selbstorganisation und Fremdorganisation Von Stefan Berndes1

1.

Abstract

Viele Unternehmungen sehen sich vor die Aufgabe gestellt, ihren bisherigen Pfad fortschreitender Arbeitsteilung zu verlassen. Defizite hierarchischer Abstimmungen machen sich bemerkbar. Die vielen in den vergangenen Jahren diskutierten Konzepte zeigen, daß die Analyse der Probleme klar ist, aber deren Lösung noch auf sich warten läßt. Es ist möglich, mit etwas systemtheoretischem Abstand die Dinge zu betrachten und nach einer Lösung zu suchen, die die Vorteile hocharbeitsteiliger Strukturen beibehält und gleichzeitig den Nachteilen wie: Stratifizierung der Organisation, zu langen Entscheidungsprozessen etc. begegnet. Hierbei kann ein Ansatz helfen, mit dem ausgehend von der Darstellungweise von Organisation zu einem neuen Handeln in der Organisation gefunden werden kann. Die These entstand im Rahmen eines von der EU geförderten Projekts zur umfassenden Behandlung der Thematik zur Verkürzung von Produktentwicklungszeiten (ESPRIT III-Projekt CONSENS). Die sog. Teamorganisation, die aus einzelnen untereinander in im wesentlichen nicht-hierarchischen, sondern in vielfach vernetzten Beziehungen stehenden Teams aufgebaut ist, lädt zu einer dynamischen Sicht auf die Organisation ein. Selbstorganisation der Mitarbeiter, die in Teams Verantwortung tragen, ist fiir die meisten Aufgaben ausreichend und findet im Rahmen von Regeln statt, die das Management vorgegebenen hat. Es kann plausibel gemacht werden, daß eine Teamorganisation im Hinblick auf ihre Entscheidungs-, Anpassungs- und normale Arbeitsfähigkeit betrachtet, einer klassischen hierarchisch strukturierten Organisation überlegen ist. Das Denken in einer vernetzten Teamstruktur macht zusätzlich die Tatsache attraktiv, daß es dort zu einer echten Entkopplung zwischen Status und Position in einer Führungs- und Leitungshierarchie

1 Dipl.-lng. Stefan Bemdes, Lehrstuhl fiir Technikphilosphie, Brandenburgische Technische Universität Cottbus

Stefan Bemdes

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kommen kann. Gelingt dies, können sich die Mitarbeiter in einem Betrieb ihren persönlichen Stärken gemäß besser entfalten, was zu einer echten Entlastung der im Rahmen der Verflachung der Hierarchien verstopften Karrierewege fiihren kann.

2.

Einleitung

Der Gedanke zu diesem Referat entstand im Rahmen der Beschäftigung mit der Frage, wie die "optimale" Organisation fiir einen Forschungs- und Entwicklungs-Bereich (HE-Bereich) aussehen müßte. Dies geschah im ESPRIT III-Projekt CONSENS, das zwischen 1992 und 1995 bearbeitet wurde. Unter Führung von Siemens Nixdorf arbeiteten DASA, Olivetti und TEMIC, das Fraunhofer-lnstitut fiir Arbeitswirtschaft und Organisation, WTCM (Leuven) und das lnstituto Superior Technico (Lissabon) gerneinsam mit dem Ziel, ein Software-System zu entwickeln, in welchem Entwicklungsdaten kontrolliert zwischen verschiedenen Ingenieuranwendungen in unterschiedlichen Entwicklungs- und Fertigungsbereichen ausgetauscht und gespeichert werden können. Eine Kernkomponente des Systems ist EPM (Engineering Process Manager/, der Projektrnanagernent, besser ausgedrückt, die Planung, Koordination und Kontrolle des Datenaustauschs zwischen Ingenieurgruppen übernimmt. Es sind gerade die in F+E-Bereichen stark spürbaren Veränderungen derbetrieblichen Randbedingungen, wie beispielsweise sich schnell wandelnde Marktbedürfuisse und hohes lnnovationsternpo, die zur Forderung der Beschäftigung mit neuen Formen des Management in F+E-Bereichen fiihren. Das Konzept des Concurrent/Simultaneous Engineering ist hier an Vorderster Stelle zu nennen3• Ein wichtiger Aspekt des Managements von F+E-Aufgaben ist die Entwicklung und Unterstützung eines geeigneten Projektrnanagernents. Hier wurde in CONSENS eine Methode entwickelt, in der die Projektkoordinationsaufgabe als Aushandlungsprozeß zwischen den beteiligten Teams angesehen wird. D.h. es werden Informationsbeziehungen zwischen einer Reihe von Teams, die im allgerneinen in mehreren Projekten involviert sind, definiert und typische "Dialoge" zur Planung, Abstimmung und Problernlösung via Definition einer entsprechenden Datenstruktur und zugehöriger Auswertungsprogramme implementiert. Es handelt sich bei EPM um ein Werkzeug, das ein Verhandlungsnetzwerk unterstützt, indem es eine Methode zur Aufdeckung und dezentralen Lösung von Ressourcen-, Zeit- und inhaltlichen Konflikten bereitstellt. Die Aufgaben, die EPM übernimmt, finden aber nicht im "luftleeren" Raum, sondern immer in einer bestehenden Organisation statt. So war es naheliegend, 2 3

Vgl. Bemdes, Stanke 1996 Vgl. Bullinger, Warschat 1995

Die Team Organisation

103

zu tmtersuchen, wie ntm wn das Verhandltmgsnetzwerk herwn die Organisation gestaltet werden könnte, zwnal die Idee des Netzwerks, auf dem bereits die EPM-Methode aufbaut, reizvoll war. Daraus ergeben sich ntm die folgenden Fragen, denen in diesem Paper nachgegangen werden soll: 1. Wie ist ein solches Netzwerk von Arbeitsgruppen, die durch ein Kernteam koordiniert werden, in einer Unternehmtmg durch die Aufbauorganisation zu tmterstützen, wobei zu beachten ist, daß die Arbeitsgruppen meist in mehreren solcher Netze involviert sind? 2. Wie läßt sich so etwas mit wenigen Eingriffen realisieren? Einen zweiten Anlaß zur Beschäftigtmg mit der Frage nach der Teamorganisation bietet die Literatur. Auf der einen Seite werden vor allem aus systemresp. organisationstheoretischer Hinsicht die bestehenden hierarchischen Strukturen kritisiert tmd der Aufbau von Netzwerken, Teamstrukturen etc. eingefordert4, andererseits fehlt es unserer Ansicht nach doch an praktikablen Konzepten zur UmsetZtmg dieser Erkenntnisse. Ziel dieses Artikels ist es, einen Beitrag bei der Suche nach praktikablen Konzepten zur Realisiertmg der Gedanken zur Teamorganisation zu leisten. In diesem Sinne ist der Artikel als Diskussionsbeitrag zu verstehen. Ausgehend von einem Abriß der system- resp. organisationstheoretischen Diskussion werden Anfordertmgen an die UmsetZtmgs-"Werkzeuge" der Teamorganisation abgeleitet. Anschließend wird die Teamorganisation definiert tmd anband der "Werkzeuge" gezeigt, welche Regeln in einer Teamorganisation gelten könnten. Das Durchgehen einer Liste kritischer Fragen wird genutzt, wn zu zeigen, ob die Teamorganisation funktionieren kann, ehe die Vorteile tmd Einsatzgrenzen der Teamorganisation dargestellt werden.

3. Abriß der system-respektive organisationstheoretischen Diskussion "Systemtheoretische Ansätze im Rahmen der Organisations- tmd Managementforschtmg beschreiben ein heterogenes Spektrum von Denkrichttmgen tmd Systemauffasstmgen, das von orhtodoxen Anwendtmgen der Kybernetik bis zu phänomenologischen Betrachttmgen von Sinn- tmd Kontextgemeinschaften reicht."s Es gibt eine Vielzahl möglicher Strukturiertmgen der system- resp.

4

5

Vgl. Ochsenbauer 1989, S. 1 ff., Schmidt 1993. S. Weber 1994, S. 278.

Stefan Berndes

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organisationstheoretischen Diskussion in der Betriebswirtschaft. Für die hier vorliegende Untersuchung soll die folgende Einteilung zugrundegelegt werden: 6 1. klassische Systemansätze 2. neuere Systemansätze 3. Selbstorganisationsansätze 3.1. Klassische Systemansätze:

In klassischen Systemansätzen werden Unternehmungen als komplizierte, produktive sozio-technische Systeme betrachtet. Diese Sichtweise ist geprägt von den Vorstellungen der Kybernetik der 60er Jahre. Überspitzt fomuliert, bestehen Unternehmungen hierin aus Mitarbeitern, Abteilungen etc. sowie den technischen Anlagen, die sich in ihren Verhaltensweisen vollständig beschreiben lassen und dem Willen eines Top-Management entsprechend zusammensetzbar sind. Die Unternehmung ist eine vom Management gestaltbare Struktur, die wie eine Maschine vom Management designed, gebaut und anschließend nur noch gewartet wird. Das "Lastenheft" für diese Maschine ergibt sich aus den Unternehmungszielen sowie den charakteristischen Umgebungsbedingungen, in denen die Unternehmung arbeiten soll. 7 Das Ziel für das Management ist der Aufbau einer optimalen Maschine. Organisation in dieser Hinsicht ist statisch. Organisationen, die diesem Bild entsprechend gestaltet sind, sind im allgemeinen hierarchische Strukturen, mit zentralisierten Entscheidungsprozessen. Empirische Untersuchungen zeigten auf Grundlage dieses Modells, daß die Gestaltbarkeit der Organisation durch das Management deutlich geringer war als erwartet, und die Organisation eine gewisse "Lernfähigkeit" besitzt.8 Diese Erkenntnisse fiihrten nicht zuletzt zur Entwicklung der hier als "neuere Systemansätze" bezeichneten Modelle. 3.2. Neuere Systemansätze:

Zunächst wird konstatiert, daß Unternehmungen in komplexen und dynamischen Umwelten agieren und selbst komplex sind. Komplex heißt ein RealSystem, wenn es nicht mehr in seinen wesentlichen Eigenschaften durch den Reschreiber dieses Systems beschrieben werden kann. Ist die Komplexität eine Eigenschaft von Unternehmungen, verliert das Management die Möglichkeit, diese allein nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und muß nun den Umgang mit Komplexität in den Vordergrund stellen. Die Verringerung des Komplexi-

6

Vgl. ebd. S. 278

7

Vgl. ebd. S. 279 Vgl. ebd. S. 280

8

Die Team Organisation

105

tätsgefälles und der Aufbau einer ausreichenden Verhaltensvariabilität sind das Ziel des Management.9 Denneueren Systemansätzen zu Folge 10 ist die Sicherung der Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung Kernaufgabe des Management. Die Organisation ist eine vom Management nur in Teilen zu gestaltende Struktur. Gestalten selbst ist als dauerndes Erschaffen und Umschaffen der Unternehmungsarchitektur zur Erzielung einer ausreichenden Verhaltensvariabilität zu verstehen. Es geht um kontinuierliche Anpassung nicht diskontinuierliche Umgestaltung der Organisation. "Anpassung geschieht dann nicht mehr durch den 'einmaligen Entwurf eines rationalen Systemgestalters', sondern durch das permanente Anpassungshandeln aller Systemmitglieder." 11 Hierbei sind insbesondere die durchaus verschiedenen Ziele der einzelnen Akteure mit zu berücksichtigen. In diesem Sinne sind Unternehmungen dynamische, komplexe, produktive, soziotechnische Systeme zur Erfüllung bestimmter Ziele der in ihnen arbeitenden sozialen Akteure.12 Die neueren Systemansätze lassen eine Vielzahl von Organisationsformen zu. Je nach Umgebungssituation, vorhandener Struktur und Managementzielen können hierarchische Strukturen mit zentralen Entscheidungsprozessen optimal sein, in anderen Umfeldern können dies netzwerkartige Strukturen mit dezentralen Aushandlungsprozessen sein. 3.3. Selbstorganisatioosaosätze:

Selbstorganisierende Systeme bringen Ordnung aus sich selbst heraus hervor. Sie schaffen sich selbst, erhalten ihre Identität, sind operationeil geschlossen. 13 Aus dem Blickwinkel der Selbstorganisationsansätze ist das Management Teil des von einem Beschreiber beschriebenen Systems, das sich in seinen Grenzen selbst definiert. Das Management handelt nicht, sondern ist Teil der Selbstorganisation. Diese Perspektive macht es schwierig, sie fiir die Entwicklung praktischer Werkzeuge fiir das Management von Unternehmungen zu nutzen. Aus diesem Grunde sollen diese Ansätze im folgenden nicht weiter betrachtet werden. Für den weiteren Verlauf der Argumentation wollen wir die .neueren Systemansätze zur Grundlage machen, da sie eine adäquate Beschreibung der

Vgl. ebd. S. 281 Vgl. ebd. S. 281 f. 11 S. ebd. S. 281 12 Vgl. ebd. S. 282 13 Vgl. ebd. S. 283

9

10

106

Stefan Bemdes

Wirklichkeit von Organisationen aus der Sicht von Handelnden zu liefern scheinen. Wollen wir uns mm der Gestaltung von Organisationen und deren Optimierung zuwenden, so geht es wn die "Mechanismen", die aus einer Ansammlung von Menschen und Artefakten eine arbeitende Organisation, in unserem Fall eine Unternehmung machen. Organisationen funktionieren im wesentlichen dadurch, daß Individuen in ihnen sich den Normen der Organisation entsprechend verhalten. Sie tun dies durch gegenseitige Stabilisierung von Verhaltenserwartungen. Daneben stabilisieren auch Artefakte (Maschinen, Gebäude etc.) die Organisation. Kurz: die Menschen haben ein Bild in den Köpfen, das durch Organigramme, Stellenbeschreibungen, Ausstattung und Anlage von Arbeitsplätzen, Vorhandensein von Maschinen und vielem anderen mehr geprägt wird und sie dazu veranlaßt sich so zu verhalten, wie es in der Organisation von ihnen erwartet wird. In den vergangenen Jarhzehnten sind den jeweiligen Erkenntnissen der Organisationstheorie gemäß Hilfsmittel gestaltet worden, die dieses Bild in den Köpfen der Organisationsangehörigen festlegen: Für die klassischen Systemansätze mit ihrer Bevorzugung hierarchischer lnformationsverabeitungsstrukturen14 sind dies: hierarchische Autbaustruktur, Prozeßschaubilder der Ablauforganisation, eine der hierarchischen Stellung entsprechende Gestaltung und Größe von Arbeitsplätzen u.v.m. Diese Bilder generieren Status innerhalb und außerhalb der Organisation: "hier bin ich", definieren den formalen Teil der Informationsbeziehungen, verteilen Macht und Einfluß, legen Karrierewege fest: Mit dem Finger kann man seinen Platz zeigen und sagen: da will ich hin. Kurz: diese Mittel bringen Ordnung. Die Erkenntnisse der neueren Systemansätze deuten darauf hin, daß diese eigentlich klassischen Systemansätzen folgende Darstellung wesentliche Teile der organisationeilen Wirklichkeit konsequent ausblendet. Die Untersuchungen zur optimalen Organisationsgestaltung in Unternehmungen, die in einer durch kurze lnnovationszyklen, turbulente Märkte, hohe technische Fähigkeiten zur dezentralen Informationsbeschaffung und hohes Ausbildungsniveau vieler Mitarbeiter geprägten Umwelt agieren, legen nahe, daß diese Organisationen als dynamische Netzwerke mit hoher Prozeß- und Teamorientierung zu gestalten sind. 15 Die Frage aber ist, wie lassen sich diese abstrakt forderbaren Organisationen in eine den Menschen erklärbare Form bringen? Denn unseres Erachtens fehlen bislang die Hilfsmittel, die wie bei klassischen Organisationen diese Aufgabe filr den Fall neuer Organisationsformen übernehmen.

Das Problem im Projekt CONSENS war es, eine Organisation vorzuschlagen, in der eine Vielzahl unterschiedlicher F+E-Prozesse erfolgreich parallel zu 14 Vgl. Frese 1988, S. 211 f. mit entscheidungstheoretischer Begründung 1~

Vgl. Bullinger, Warschat 1995, Schmidt 1993

Die Team Organisation

107

steuern sind. Jeder F+E-Prozeß involviert in unterschiedlichem Maße und zu unterschiedlicher Zeit entwicklungsfremde Bereiche, wie Marketing, Arbeitsvorbereitung, Vertrieb etc. Wie sind die Arbeiten zu koordinieren, wie karm verhindert werden, daß das Tagesgeschäft nicht zu kurz kommt? Für diesen Fall haben wir die Teamorganisation konzipiert und uns Hilfsmittel zu deren Einführung, besser Erklärung für die betroffenen Mitarbeiter überlegt, die im folgenden am Beispiel einer F+E-Organisation dargestellt werden sollen.

4.

Was ist eine Teamorganisation?

Eine Teamorganisation besteht aus Teams. Ein Team ist eine Gruppe von Mitarbeitern, die verantwortlich für einen gesamten Arbeitsprozeß ist und das Ergebnis ihrer Arbeit oder Dienstleistung an einen externen bzw. internen Kunden weitergibt. Die Teammitglieder arbeiten je nach ihrer Rolle ferner an der Verbesserung der Teamleistung, lösen Tagesprobleme, planen die Arbeit und kontrollieren die Ergebnisse. 16 Der Begriff eines Teams könnte im Prinzip auch durch den einer autonomen oder teilautonomen Arbeitsgruppe oder in speziellen Fällen mit dem einer Abteilung identifiziert werden. Teams müssen sich beschreiben bzw. definieren lassen, denn in gewisser Weise ersetzt die Beschreibung der Teams die heute übliche Stellenbeschreibung. In Anlehnung an die Beschreibung von Stellen sowie Erkenntnissen der Definition von Projekten läßt sich die Definition eines Teams anband der folgenden Daten bewerkstelligen (vgl. Abb. 1): Der Teamname sollte ein möglichst sprechender, die Hauptaufgabe des Teams charakterisierender Ausdruck sein, wenn er auch ansprechend und motivierend ist, um so besser. In Betrieben gibt es zwei Arten von Aufgaben. Aufgaben, die immer wieder in gleicher Weise vorkommen - wir wollen sie Prozesse nennen und Aufgaben oder besser Aufgabenkomplexe, die mehr oder minder einzigartig sind; das sind Projekte. Projekte sollten, um sie rationell zu bearbeiten, wieder aus Prozessen zusammengesetzt werden, die in ähnlicher Weise in vielen Projekten Verwendung fmden können. Zur Bearbeitung beider Arten von Aufgaben können Teams eingesetzt werden. Für Prozesse ist es sinnvoll permanente Teams zu gründen, während Projekte durch temporäre Teams bearbeitet werden. Sinnvoll karm für die Projektbearbeitung auch sein, einer Reihe permanenter Teams, die sich mit den im Projekt durchzuführenden Einzelprozessen befassen, ein temporäres Projektkoordinationsteam gegenüberzustellen. Dies ist mit einer Matrixorganisation vergleichbar. Damit die Teams wissen, was ihre Aufgabe ist, müssen Ziel und Aufgabe des Teams, dessen Kompetenzen, Ressourcen, Budget sowie Incentives bestimmt werden. Eine Liste von Prozessen, bzw. Prozeßbeschreibun-

16 Vgl.

Byham, Wellins, Wilson 1992, S. 23

Stefan Bemdes

108

gen (nach ISO 9000), nach denen das Team arbeiten soll, rundet das Bild ab. Schließlich fehlt nur noch die Liste der Teanunitglieder. Jedes Team wird durch eine Person geleitet, deren Kompetenz auf der Skala zwischen Moderator, primus inter pares, bis hin zum starken Projektleiter je nach Bedeutung und Qualität der Aufgabenstellung, Zusammensetzung der Gruppe, Gründungsprozeß des Teams, etc. festgelegt werden kann. Dieser Teamleiter kann einerseits von den Teamgrundern ernannt oder vom Team selbst gewählt werden. Der Teamleiter leitet die Arbeit der einfachen Teanunitglieder, deren Stellung durch Teamkompetenzen und die Machtstellung des Teamleiters formal bestimmt ist. Zusätzlich können zum Team Berater hinzugenommen werden und weitere Gäste. Team-Name

permanent temporlr

0

Liste der Teammitglieder Name

Rollen

• ZleUAufgabe des Teams • Kompetenzen • Ressourcen • Budget

0 0 0 0

Teamleiter (gawlhlttemiMt) Mitglied Berater

Gast

• lncentlvea • Liste elnachlllglger Prozeese

Abb. 1: Teamdefinition

Eine Teamorganisation ist zunächst eine Menge solcher Teams. Am Beispiel einer F+E-Organisation sei sie verdeutlicht (vgl. Abb.: 2). Das ManagementTeam hat die Aufgabe die strategischen Entscheidungen über Projektprioritäten zu treffen; es lenkt die Ressourcen, griindet, verhandelt über neue Teams, schlichtet Streitfälle zwischen Teams, überwacht die gesamte Teamstruktur, schlägt neue Projekte vor etc. Die Modulteams haben die Aufgabe - hier ist eine produktstrukturbezogene Entwicklung angenommen - ihre Entwicklungsprozesse als Zuarbeit zu verschiedenen Core-Teams durchzuführen. Große und wichtige Entwicklungsprojekte werden von eigenen Core-Teams koordiniert. CSEVorstellungen folgend 17 sollten hier alle wichtigen an der Produktentwicklung beteiligten Teams (auch aus Fertigung, Marketirig etc.) vertreten sein. Daneben bearbeiten die Modulteams eigene Technologieprojekte, führen kleinere Änderungs- und Anpassungsentwicklungen durch und optimieren ihre Prozesse. Besonders wichtige Prozesse, die die Kernkompetenz dieser F+E-Organisation ausmachen, werden durch eigene Teams (hier beispielhaft: F+E-excellence17

Vgl. Eversheim 1989, S. 13

Die Team Organisation

109

Team und FEM (finite elemente methods)-Team), beobachtet und verbessert. Auch ein Projektmanagementunterstützungsteam wäre denkbar. Neben den bereits eingefiihrten temporären Core-Teams kann es je nach Situation weitere Teams geben, die bestimmte im Verlaufe des Arbeitsprozesses auftretende, abgrenzbare Fragestellungen bearbeiten. Das sind Task-Forces. All das gibt es bereits in den meisten Unternehmungen. Der Unterschied zwischen dieser Darstellung und der in den meisten Unternehmungen ist, daß die Teammenge und die im weiteren besprochenen Diagramme, das klassische Organigramm und die Telefonliste ersetzen!

I I. Management-Team permanern_ Foff! txetlltnct•Team

FEM·Team

permanen

I

permanent

ModUl-Team A

I

permanent

Task Force IT temporar

Modul·Team B

I

permanent

Core-Team P~t

temporal

Modul-Team c ~ permane

Task Force BC tempora

Abb. 2: Menge der Teams

Wie bereits oben angedeutet, existieren zwischen den einzelnen Teams vielfältige Beziehungen. Diese Beziehungen konstituieren ein Netzwerk aus Teams. Beziehungen bestehen: -

in Informationsbeziehungen, die vielfältig zwischen Konsultation, allgemeiner Information und Abhängigkeiten in Arbeitsprozessen variieren können,

-

im Austausch materieller und informationeHer Ergebnisse, in Gründungsbeziehungen, die Kompetenzen, Entscheidungswege definieren,

-

in monetären oder Ressourcenabhängigkeiten,

-

in personellen Überschneidungen.

Den Aufbau einer Teamorganisation verdeutlichen die Gründungsbeziehungen zwischen Teams. Existierende Teams können weitere Teams gründen. Am

110

Stefan Bemdes

Beispiel WlSerer F+E-Organisation (vgl. Abb.: 3) hat das Management-Team die Prozeßteams sowie die permanenten Modulteams gegründet. In diesen Fällen hat das Management die Aufgabe der Teams wohl im wesentlichen vorstrukturiert bzw. designierte Teammitglieder mit dieser Aufgabe beauftragt. Auch die wichtigen Core-Teams zur Koordination der Produktentwicklungen werden vom Management-Team ins Leben gerufen. Die anderen Teams werden situationsabhängig von denjeweils betroffenen Teams definiert.

Abb. 3: Gründungsbeziehungen zwischen den Teams

Eine weitere wichtige Darstellung des Netzwerks erhält man, wenn man die Stärke der Informationsbeziehungen zwischen den Teams analysiert (vgl. Abb. 4). Sie sagen etwas über die Orte der Entscheidungstindung in unterschiedlichen Zusammenhängen aus. Bei der Beantwortung der Frage, nach welchen Kriterien man die Informationen klassifizieren soll, muß auf die Vielfalt möglicher Fragestellungen hingewiesen werden, auf die Antwort durch ein solches Diagramm zu geben ist. Kurz: die fiir einen Betrieb richtige Darstellung zu finden, ist Sache des jeweiligen Betriebs selbst. Für Hinweise, wie so etwas zu gestalten wäre, ist an die Darstellung von Informationsflußanalysen von Unternehmensberatungen sowie die Sammlungen und Darstellungen von Prozeßdaten, die im Rahmen der ISO 9000-Zertifizierung gesammelt werden, zu denken.18

18 Vgl.

Mc Grath, Anthony, Shapiro 1992

Die Team Organisation

111

--- ---.------.:::==-...,...,.,----, FEM·Team

l

perm1111e~

Abb. 4.: Hauptinformationsbeziehungen zwischen den Teams

Wenn man den Blick auf die Informationsbeziehungen heftet und solche Darstellungen als offizielle Darstellungen der Organisation autorisiert, hat man dann nicht die Entscheidungswege, die ja auch hier existieren einfach unter den Tisch gekehrt? Ist die Behauptung, das ist eine Teamorganisation nicht eine geschickte Verschleierung der eigentlichen Strukturen? Nein, weil wir diese Darstellungsarten fiir wesentlicher erachten. Die meisten Entscheidungen fallen in Unternehmungen nicht unter Benutzung hierarchischer Wege, sondern entlang der durch die Informationsbeziehungen aufgezeigten Kanäle, die Überbetonung hierarchischer, zentraler Entscheidungstindung wird zurückgenommen. Es geht uns bei der Art der Darstellung um die Herauszeichnung des Netzwerkcharakters der Organisation. Eine weitere wesentliche, die Mitarbeiter und Außenstehende orientierende Darstellung der Teamorganisation ist die Personalstruktur. Sie kann auch als Telefonbuch, Adressenverzeichnis etc. angelegt werden. Hier sind alphabetisch oder nach anderen Kriterien geordnet die Personen mit ihren Mitgliedschaften, Status etc. aufgefiihrt (vgl. Abb. 5).

Stefan Bemdes

112

Name

Mitglied ln Team:

mit Rolle:

Ales Ian

Modul-Team C Core-Team Produkt

Mitglied Mltgled

Jarson

ModuiTeamA Task Force IT Core-Team Produkt

Mitglied Mitglied Mitglied

Lang

F+E excellence-Team Modul-Team A FEM-Team Task Force IT

Leiter Mitglied Mitglied Mitglied

Mlller

Management-Team

Leiter (CEO)

Norton

Modul-Team B F+E excellence-Team

Mitglied Mitglied

O'Ryan

Management-Team F+E excellence-Team

Mitglied Mitglied

Rogers

Modul-Team B

Leiter

...

( ) Abb. 5: Personalstruktur fiir eine F+E-Teamorganisation

Die Realisierung aller gezeigten Darstellungsarten sollte, da die Organisation per se dynamisch, d.h. sich stets verändernd ist, auf dem Rechner erfolgen. Da heute nahezu jede Unternehmung ein internes Rechnernetz besitzt, ist die Zurverfiigungstellung dieser Informationen kein Problem.

5.

Kann eine Teamorganisation funktionieren?

Anband einer Reihe wichtiger Fragen soll zwnindest vorläufig geklärt werden, ob eine Teamorganisation funktionieren kann. Da unseres Erachtens eine Teamorganisation im von uns beschriebenen Sinne noch nicht realisiert wurde, steht die Bestimmung einer empirisch untermauerten Liste hinreichender Bedingungen, Voraussetzungen und Gestaltungregeln noch aus. Anband der folgenden daher keine Vollständigkeit beanspruchenden Liste von Fragen werden einzelne Aspekte des Arbeitens in einer Teamorganisation dargestellt: -

Wie gründet man Teams? Wie kommt man in ein Team? Wer fUhrt ein Team? Wie gestaltet man das Management der Ressourcen?

Die Team Organisation

-

113

Wie bewertet man Teams, Wld wie die Mitglieder der Teams? Wie gestaltet man die KarriereentwickiWlg der Mitarbeiter? Wie geht das, daß Mitarbeiter in mehreren Teams arbeiten? Wie bewahrt man das Wissen temporärer Teams? Was sind die Aufgaben des Management? Wie fiihrt man eine Teamorganisation ein?

Wie gründet man Teams?

Teams werden durch andere Teams gegründet. Immer wenn es einer oder mehreren anderen Teams geeignet erscheint, eine Aufgabe durch ein Team bearbeiten zu lassen, wird ein Team gegründet. Dies geschieht durch sukzessives Bestimmen der Dinge, die zur Teamdefinition gehören. Dies ist als ein AushandlWlgsprozeß zu verstehen. Meist wird dieser, wenn etwa das zu gründende Team auf Ressourcen anderer Teams zurückgreifen soll unter Einbeziehung anderer Teams geschehen. Kommt es zu Konflikten, liegt die EntscheidWlg beim Management-Team. Dieses sollte wohl auch bei der Definition permanenter Teams VerhandlWlgspartner sein. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, daß die Initiative zur VeränderW1g der Organisation weitgehend von den normalen Teams ausgehen kann Wld es einen weiten Bereich von OrganisationsfragestellWlgen gibt, in denen diese Teams selbständig agieren können. Neben der AushandiWlg mit Vertretern anderer Teams wird es einen weiteren wichtigen AushandiWlgsprozeß zwischen den designierten Leitern Wld Mitarbeitern des zu gründenden Teams Wld den "Gründern" geben. Denn das Team muß sich entscheiden, die "angebotene" Aufgabe mit den mit-"angebotenen" Ressourcen zu erledigen. In diesem Zusammenhang gilt es die BelohnWlgsmodalitäten (überprüfbare Zieldefinition Wld Incentives) zu verhandeln. Damit leiten wir über zur nächsten Frage: Wie kommt man in ein Team?

Man wird in ein Team, je nach Art der ZuordnWlg der Mitarbeiter zu Teams, gebeten, versetzt, "verkauft". Oder aber, was wohl noch wichtiger ist, die Mitarbeiter selbst streben danach, in die Teams hineinzukommen, die sie interessieren. Die Vielzahl verschiedener Aufgaben in der UnternehmWlg, die durch die Teams bearbeitet werden, ermöglichen es den Mitarbeitern einen je spezifischen Arbeitszuschnitt zu finden Wld diesen im Verlaufe der Zeit zu verändern. Jeder Mitarbeiter kann, wie sich bereits aus der DarstellWlg der Mitarbeiterstruktur ergibt, in mehreren Teams gleichzeitig involviert sein. Dies bringt die Tatsache zwn Ausdruck, daß Mitarbeitern an mehreren von einander trennbaren Aufgaben gleichzeitig arbeiten. Dies geht natürlich nur, wenn die Mitarbeiter über ein hohes Maß an Selbstdisziplin verfügen. Sie sind, wenn sie sich für die Mitarbeit in einem Team entscheiden dafür verantwortlich, daß sie den von 8 GWS-Tagung 1995

114

Stefan Bemdes

ihnen geforderten Aufgabenteil in der ihnen noch zur Verfügtmg stehenden Zeit auch bearbeiten können. D.h. sie müssen ihre Ressource selbständig managen. Eine wichtige Bemerkung sei an dieser Stelle gemacht, die Teams können unterschiedlich auch hinsichtlich der Bindung von Mitarbeitern definiert werden. Die Skala reicht von der "freien" Mitarbeiterschaft bis hin zu festem Zugeordnetsein, wie dies heute üblich ist. Damit ist es möglich, einerseits eine aktuell existierende Organisation als Teamorganisation darzustellen und andererseits, mit Einführung neuer Teamformen, die Unternehmung langsam als echtes nicht-hierarchisches Netzwerk zu organisieren, was ja gerade das Ziel war.

Wer fUhrt ein Team? Jedes Team wird durch eine Person geleitet. Dessen Rolle variiert in Abhängigkeit von der Aufgabe des Teams, Gründungsmodus und Qualifikationsniveau der Mitarbeiter im Charakter zwischen Moderator und klassischem Abteilungsleiter. Ein Team, in dem es um die kreative Zuarbeit zur Bewertung möglicher Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte geht, sollte eher moderiert werden, während eine Aufgabe wie die Durchführung eines wichtigen Entwicklungsprojekts eine klare Leitungsperson benötigt.

Wie gestaltet man das Management der Ressourcen? Wie weiter oben bereits angemerkt, werden Ressourcen dem Team in Form von Mitarbeitern bzw. "Zeitscheiben" von Mitarbeitern zur Verfügtmg gestelltähnliches gilt mutatis mutandis selbstvertändlich auch für die anderen Ressourcen. Die ersten Probleme treten bei der Gründung von Teams auf, wenn etwa Ressourcen anderer Teams genutzt werden sollen bzw. "wollen", wie dies etwa für zur Mitarbeit sich bereit fmdende Mitarbeiter durchaus sein kann. Dann sind Absprachen zwischen den Teams, der Teamleitung des zu gründenden Teams und den "Gründern" notwendig. Finden diese keinen gangbaren Weg, entscheidet das Management. Permanente Konflikte wird es im Verlaufe der regulären Arbeit von Teams geben, wenn Termine zu setzen und einzuhalten sind. Die erste Ebene des Konflikts findet sozusagen in jedem Mitarbeiter statt, dessen Aufgabe es ist, alle seine Commitments einzuhalten. Konunen also unvorhergesehene Schwierigkeiten, neue Aufgaben oder schlicht neue Prioritäten hinzu, versucht er zunächst alles evt. doch zu schaffen, wo das nicht gelingt, ist es seine Aufgabe, die Schwierigkeit in den Teams anzusprechen, wo die Lösung des Konflikts in seinen Augen am einfachsten zu machen ist. Wo das nicht gelingt, werden die Teams wiederum untereinander verhandeln und im Zweifelsfall eine Prioritätenentscheidung durch das Management einholen. In jedem Fall aber sollte der Konflikt im Verlaufe dieses Diskussionsprozesses in seiner Art sehr deutlich geworden sein.

Die Team Organisation

115

Zur UnterstütZWlg der Aushandhmgsprozesse, die sich im weiteren Sinne nicht nur auf die Ressourcenzuteilung und Termindefinition beziehen, sondern auch qualitative Merkmale der Arbeit, Arbeitsweisen etc. betreffen können, sollte ein modernes dezentrales "Aushandlungssystem" zwn Einsatz kommen. Ein solches wurde im Rahmen des Projekts CONSENS konzipiert und prototypisch realisiert. 19 Es kann übrigens überhaupt kein Zweifel daran bestehen, daß solche Kommunikationsprozeße nicht schon heute einen großen Teil des Arbeitsalltags von Mitarbeitern in Unternehmungen darstellen. 20 Der Sinn dieses Gedankengangs ist zu zeigen, wie eine "formale" Organisation gestaltet und dargestellt sein müßte, um diese Prozesse offenbar zu machen. Wie bewertet man Teams, undwie die Mitglieder der Teams?

Eine moderne Organisation sollte, wo immer möglich, leistungsbezogen zahlen. Zu jeder Teamdefinition gehört daher die Bestimmung der Ziele des Teams. Diese sollten wo immer möglich prüfbar sein. Diese Prüfung wird von Auftraggeber oder Teamgründer und Vertretern des Teams durchgefiihrt. Je nach Definition der Aufgabe kann dies zu bestimmten Zeitpunkten, bei Erreichen bestimmter Meilensteine oder am Abschluß der Arbeiten stattfinden. Die lncentives richten sich selbstverständlich nach den Zielen bzw. dem Zielerreichungsgrad. Die Bewertung der Teammitglieder findet allein im Team statt. Besser, in den Fällen, wo das Team die lncentives selbständig verteilen kann - sie muß den Verteilungsschlüssel übrigens vorher festgelegt haben- wird das Team dies tun. Anderenfalls wird keine unmittelbare Bewertung über die Leistung einzelner Mitarbeiter abgegeben. Dies ist auch nicht notwendig, da sich die Leistungen einzelner Mitarbeiter in einer Unternehmung sehr schnell herumsprechen. Kurz- wer aufKosten anderer in einem Team mitarbeitet und glaubt von Team zu Team wechseln zu können, wird sehr schnell kein Team mehr finden, das bereit wäre ihn aufZWlehmen. Wie gestaltet man die Ka"iereentwicklung der Mitarbeiter?

Man gestaltet keine Karriereentwicklung von Mitarbeitern in der Unternehmung, es gibt keine Karriereentwicklung. Dem Ansatz, die Initiative bei der Zuordnung der Arbeitszeit zu verschiedenen Aufgaben resp. Teams den Mitarbeitern zu überlassen, folgend, ergibt sich, daß die Mitarbeiter selbst durch die Wahl entsprechender Teams dies übernehmen. Sie können wählen zwischen Teams, die ihre Basisfahigkeiten ansprechen, in denen sie selbst schwerpunktmäßig mitgestalten wollen, in welchen sie vorhaben, zu lernen. Sie können die Teams nach Erfolgsrisiko und "Rendite" oder Incentives auswählen. 19

20

Vgl. Bemdes, Stanke 1996 Vgl. o.V. 1994, S. 171 ff.

116

Stefan Bemdes

Auf der anderen Seite haben diejenigen, die die Mitarbeiter fiir die Teams aussuchen, die Aufgabe, sich aus den sich "Anbietenden" die passendsten und "billigsten" auszuwählen. Teamleiter, die Gefahr laufen ihre besten Leute zu verlieren, werden sich bemühen, sie zu halten und bei der lncentivverteilung entsprechend zu berücksichtigen. Oder aber sie werden keine "Verträge" mehr machen, in denen sich die Mitarbeiter nicht dazu verpflichten, bis zur vollständigen Lösung der Aufgabe dabei zu bleiben, oder fiir gleichwertigen Ersatz zu sorgen. Karriere macht also, wer seine Vorstellungen von Arbeit in der Unternehmung umsetzen kann. Strebt er bestimmte Arbeitsinhalte an, wird seine Strategie anders aussehen, als bei einer Person, die in der Unternehmung durch bestimmte Projekte Profil gewinnen will. Die Offenheit der Organisation, der relativ häufige - besser vielleicht: der normal werdende- Wechsel der Mitarbeiter in Teams, die verschiedene Unternehmenshereiche intergrieren, macht es leicht, sich zusammen mit den Informationen aus Personalstruktur und Teamnetzwerken ein Bild zu einem bestimmten Mitarbeiter zu machen. Eine ketzerische Frage, die an dieser Stelle aber unbeantwortet bleiben soll, lautet: öffnet dieses Vorgehen der Bildung von Seilschaften in einer Unternehmung nicht Tür und Tor? An dieser Stelle nur so viel: geht es denn ohne Seilschaften, d.h. Gruppen von Menschen, die sich aufeinander verlassen können? Kann es in dieser Art der Organisation gelingen, daß Seilschaften zum Nachteil der Organisation als Ganzes agieren können? Zum Abschluß noch zwei Gedanken zum Personalmanagement: Die Aufgaben des Personalmanagements werden sich bei Einführung der Teamorganisation grundlegend ändern. Von der fiir die Ressource "Mensch" zuständigen Abteilung zum Coach fiir die Mitarbeiter. Personalmanagement wird zur Dienstleistung fiir die Mitarbeiter, die dort kompetente Ansprechpartner bei der Diskussion ihrer Karrierevorstellungen finden. Der zukünftige Personalmanager ist über die aktuell vorhandenen Einsatzmöglichkeiten informiert. Ferner dürfte er eine wichtige Aufgabe bei der Lösung von Konflikten fmden. Daneben beteiligt sich das Personalmanagement auch bei der Suche nach neuen Mitarbeitern, die vom Arbeitsmarkt eingeworben werden sollen. Sie helfen; entscheiden werden wohl die Teams. Da wohl nicht die gesamte Unternehmung aus Teams der extrem freien Form gebildet sein wird, vielmehr in Produktions- und Verwaltungsbereichen eher klassische Abteilungsstrukturen bestehen bleiben werden, in denen die Mitarbeiter fest einem Team zugeordnet bleiben, werden sich hier die Aufgaben des Personalmanagements nicht wandeln.

Die Team Organisation

117

Wie geht das, daß Mitarbeiter in mehreren Teams arbeiten?

Mitarbeiter arbeiten bereits heute in vielen Bereichen de facto in mehreren Teams und an verschiedenen Aufgaben. In den meisten Entwicklungsabteilungen ist heute bereits üblich, daß die Ingenieure an der Aufgabendefinition, der Terminsetzung, der Koordination verschiedener Entwicklungsaufgaben aktiv beteiligt sind. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Ingenieure mit ihrem spezifischen Qualifikationsprofil häufig nicht substituierbare Ressourcen darstellen. Kurz: die Erfahrung zeigt, daß Mitarbeiter durchaus in mehreren Teams arbeiten können. Allerdings sind zwei Einschränkungen am Platz. Erstens, es werden bei weitem nicht alle Mitarbeiter sein, denen man diese Freiheiten gewähren kann, bzw. die Gebrauch von dieser Freiheit machen wollen. Denn die Voraussetzung fiir das Arbeiten an mehreren Projekten in mehreren Teams mit hoher Eigenverantwortung sind: Selbstdisziplin und ein hohes Maß an Motivation. Motivation und Engagement sind, und das macht die zweite Einschränkung aus, von jedem einzelnen nicht beliebig auf viele Teams zu verteilen. Das Management muß sich bewußt sein, daß Mitarbeiter Schwerpunkte in ihrer Arbeit setzen. Man kann eben nur ein Lieblingsprojekt oder ein Projekt haben, dem man seinen ganzen Einsatz widmet. Wie bewahrt man das Wissen temporärer Teams?

Die Problematik kennen heute nahezu alle Unternehmungen, die in ihrer Entwicklung mit wechselnd zusammengesetzten Teams arbeiten oder bei denen ein hohes Innovationstempo vorliegt. Immer wieder kommt es dazu, daß im Verlaufe einer Produktentwicklung vom Team erworbenes Wissen in der nächsten ähnlichen Entwicklung nicht mehr zur Verfügung steht. Diesem Problem steht die Teamorganisation in gleichem Maße gegenüber. Lösungsvorschläge hierzu reichen von der Anlage einer klar strukturierten, in allen Teams gleichartig durchgeführten Dokumentation, über die Einführung von Projekt- oder Team-Audits, die vor Auflösung des Teams stattfmden und in denen wichtige Informationen fiir die Veränderung von Prozeßbeschreibungen (ISO 9000) gesammelt werden, bis zur einfachen Aufforderung an jeden einzelnen sich seine eigenen Aufzeichnungen zu machen und diese auszuwerten. Die ersten Vorschläge deuten auf den Aufbau von Werkzeugen zum institutionellen Lernen hin; dies sollte eine Teamorganisation als eine ihrer Kernkompetenzen begreifen und in diesem Sinne ist hierfiir auch ausreichend Zeit anzusetzen. Der letzte Vorschlag verweist auf individuelles Lernen. Je mehr in temporären Teams gearbeitet wird, desto einfacher wird es den Mitarbeitern fallen, diese Arbeitsform als Routine zu erkennen. Das wichtigste zur Arbeit in temporären Teams ist, sich eine klare Aufgabestellung zu verschaffen und diese in den Teamsitzungen schnell und effektiv unter den Beteiligten aufzuteilen und die Bearbeitung zu koordinieren. Dieses Kernwissen wird wohl nicht vergessen werden.

118

Stefan Berndes

Was sind die Aufgaben des Management?

In den vorhergehenden Punkten ist vom Management und dessen Aufgaben bereits mehrmals die Rede gewesen, immer wieder im Zusammenhang mit der Lösung strittiger Punkte, der Prioriätensetzung sowie der Definition von Teams. Daneben hat das Management selbstverständlich die Hauptfunktion, die Unternehmung nach außen nach Art der gewählten Rechtsform zu vertreten. Daher ist es eben auch unumgänglich, daß in strittigen Fragen das Management entscheidet, es einen Überblick über die organisatorischen Veränderungen behält, die ohne sein unmittelbares Zutun ablaufen, und- das ist noch wichtiger -, daß es die Spielregeln festlegt, nach denen in der Unternehmung organisatorische Änderungen ablaufen dürfen, Mitarbeiter ihre Arbeit verändern können und vieles mehr. Weiter obliegt dem Management die Aufgabe, Leitbilder zu formulieren, denen alle Teams gemeinsam folgen sollen. Diese Kommunikationsaufgabe besteht aus einem sammelnden Teil - Ideen aus allen Teilen der Unternehmung sind zu verdichten, einem kreativen Teil - die gesammelten Ergebnisse sind zu verständlichen, vermittelbaren, in Teamziele umsetzbare Leitbilder zu gießen, die die zukünftige Entwicklungsfahigkeit der Unternehmung sichern - und schließlich einem vermittelnden Teil, der sowohl allgemeine Informationsvermittlung wie auch Festlegen von Zielen ftlr Teams umfaßt. Auch die Einrichtung neuer Teams, das Neusetzen von Prioritäten von Teams und zwischen Teams, die Neuregelung der Spielregeln und vieles mehr gehört dazu. Auch in der Teamorganisation entscheidet das Management. Aber es läßt dem Rest der Unternehmung seinen Möglichkeiten und den vorliegenden Informationsverarbeitungsbegrenzungen des Managements folgend viel mehr Raum. Wie führt man eine Teamorganisation ein?

Eine Teamorganisation läßt sich in einer Unternehmung von heute auf morgen einfuhren. Die Möglichkeit besteht, weil wohl jede andere Organisation sich in den Darstellungsformen und aus den Elementen der Teamorganisation nachbilden läßt. Das einzige was man ändert, sind die Namen. Statt Gruppe, Abteilung, Hauptabteilung spricht man von Arbeitsteam, Führungsteam 1. Ebene usf. Die vorhandenen Führungskräfte werden Teamleiter von Teams, denen die alten Mitarbeiter zugeteilt sind, die Führungskräfte ihrerseits finden sich in einem "Leitungskreis" geftlhrt durch ihren alten Vorgesetzten wieder. Die erste Aufgabe, die das Mangement dann den Teams stellen sollte, ist die Definition der eigenen Aufgaben, Ziele usf. Diese werden mit den noch "vorgesetzten" Teams ausgehandelt. Durch sukzessive Erweiterung der Spielräume der Teams und der einzelnen Mitarbeiter, besitzt das Management das Mittel, langsam die eigentliche Dynamik freizusetzen. Dies aber so dosierend, das sich auch die Informationswerkzeuge anpassen, die Verhandlungsfllhigkeiten der Mitarbeiter

Die Team Organisation

119

mitentwickeln können und die eigentliche Aufgabe der Unternehmung, Kunden zufriedenzustellen, nicht aus den Augen verlieren zu müssen.

6.

Vorteile der Teamorganisation

Es sind insgesamt drei Hauptvorteile, die eine Teamorganisation ausmachen: -

Sie unterstützt den Gedanken der Organisation als dynamischer Struktur. Sie erhöht die Fähigkeit der Organisation zur Verarbeitung von Informationen. Sie entkoppelt den Status der Person von der Stellung in der Organisation. Sie verbessert die Fähigkeit zu interorganisationalen Kooperationen.

Sie unterstützt den Gedanken der Organisation als dynamischer Struktur.

Die Teams bilden eine dynamische Organisation. Zum einen ist es die Darstellungsweise der Organisation, die dies unterstützt. In herkömmlichen Organisationen werden zumeist nur die permanenten Organisationseinheiten aufgefilhrt; die temporären Strukturen, die ebenfalls in den meisten Unternehmungen vorhanden sind, fallen unter den Tisch. Auf diese Weise wird fiir jeden Mitarbeiter die Organisation als etwas in beständigem Fluß befindliches erfahrbar. Umorganisationen, die hierdurch ihren Endgültigkeitscharakter verlieren, werden zur Normalität. Eine weitere Unterstützung erhält der Gedanke der dynamischen Organisation durch die Aufteilung der "Organisationstätigkeit" auf Management und Teams. Durch die Festlegung von Spielregeln derart, daß auch eingerichtete Teams weitere Teams einrichten können, gewinnt die Organisation an Dynamik. Vereinfacht wird der Wechsel der Organisation zusätzlich durch die Tatsache, daß die meisten Mitarbeiter in den "dynamischen" Bereichen es gewohnt sein werden, daß sich die Organisation ändert. Heimat ist nicht mehr unbedingt die vertraute Arbeitsgruppe, sondern ein größeres Netz von Mitarbeitern. Damit wird es durch einfache Darstellungen und Spielregeln möglich, die systemtheoretisch als optimal ftlr viele heutige Unternehmungen apostrophierten dezentralen, nicht-hierarchischen Organisationsformen zu realisieren. Sie erhöht die Fähigkeit der Organisation zur Verarbeitung von Informationen.

Im Gegensatz zu klassischen hierarchischen Organisationen, in denen Informationen entlang der Hierarchie nach oben gegeben werden und Entscheidungen oben gefallt und unten zu implementieren sind2 \ steht in Teamorganisationen, die ja ein Netzwerk darstellen, eine Vielzahl möglicher Informationsverarbeitungskanäle und Entscheidungswege offen. Informationen, die in Unterneh21

Vgl. Schmidt 1993, S. 67

120

Stefan Bemdes

mungen hineinkommen oder in ihm selbst produziert werden, müssen in aller Regel bei ihrem Weg in der Hierarchie verdichtet werden, was im allgemeinen zu einer Reduktion des Informationsgehalts fiihrt - Informationsgehalt für den Fachmann selbstverständlich. Gerade die fachlich richtige Einschätzung eines Sachverhalts durch die unmittelbar kompetenten Mitarbeiter, soll die Teamorganisation erleichtern. Damit verbesserte Informationsverarbeitungskapazität und erhöhte Entscheidungsgeschwindigkeit tatsächlich zum Vorteil für die Unternehmung werden, müssen die "kleinen" Entscheider auch Entscheidungen im Sinne der Unternehmungsleitung treffen. Voraussetzung zur Realisierung dieser Potentiale ist also eine klare Leitbild- und Unternehmungszielsetzung durch das Management und dessen ständige und in die konkreten Arbeitssituationen übersetzbare Formulierung. Und ein Zielbildungs- und Leitbildentwicklungsprozeß, der die Kompetenz der Mitarbeiter ausreichend berücksichtigt. So kann es durchaus sein, daß in der Unternehmung für die ManagementEntscheidungen mehr Zeit für Diskussionen verwendet wird, während die vielen kleinen Alltags-Entscheidungen sehr viel schneller fallen können. Das Netzwerk adaptiert sich sozusagen selbst an sich permanent ändernde Randbedingungen. Sie entkoppelt den Status der Person von der Stellung in der Organisation.

In vielen Unternehmungen steht man heute vor der Situation, jungen, karriereorientierten Mitarbeitern keine ausreichenden Aufstiegsmöglichkeiten in der Hierarchie mehr bieten zu können, zumal wenn man sie gerade verflacht hat. Leistungsträger können sich gezwungen sehen, abzuwandern. Status in Organisationen wird heute in und außerhalb der Organisation mit der Stellung innerhalb der Hierarchie in Verbindung gebracht. Das mag auch ein Grund dafür sein, daß die Fachkarrieren als Mittel des Personalmanagement keine großartige Wirkung ausgelöst haben. Das hat zur Folge, daß viele Mitarbeiter in Unternehmungen sich gezwungen sehen, um ihren Status, resp. ihr Einkommen zu erhöhen, eine Führungskarriere anzustreben, die ihrem Naturell nicht unbedingt entsprechen muß. Fehlleitung von Ressourcen ist eine mögliche Folge. 22 Unseres Erachtens bietet die Teamorganisation hier eine interessante Alternative. Status einer Person in der Teamorganisation, was ist das? Die Anzahl gleichartiger Rollen, die ein Mitarbeiter einnimmt? Die Art der Rollen, die ein Mitarbeiter in verschiedenen Teams einnimmt? Welches Team ist das wichtigste? Das permanente Buchfiihrungsteam oder ein temporäres Core-Team zur Entwicklung der neuen Produktbasis? Man erkennt, die Karrierewege des einzelnen sind vielfiHtiger geworden, man kann sich auf wenige immer wieder neue Aufgaben konzentrieren oder auf viele vielleicht einander ähnliche, kann sich

22

Vgl. Domsch 1993, S. 160 f.

Die Team Organisation

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eine Heimat in einem permanenten Team suchen oder eine Art Rotationskarriere machen. Die Wege sind verschieden wie die Menschen in der die Unternehmung umgebenden pluralistischen Gesellschaft. An dieser Stelle sollte aber noch einmal darauf hingewiesen werden, daß die Mitarbeiter durch den Erfolg ihrer Teams einen erheblichen Teil ihres Gehalts selbst bestimmen können. Die prinzipielle Wahlfreiheit in der Karriere sollte daher nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Vergabe besonders wichtiger und tur die Mitarbeiter aus Profilbildungs- und Geldinteresse wichtiger Aufgaben in der Unternehmung heiß umkämpft sein werden.

Selbstverständlich muß auch noch deutlich gesagt werden, daß die Möglichkeiten, die den Mitarbeitern in einer Unternehmung offenstehen auch in bezug auf ihre Qualifikation zu sehen sind. Nicht alle Mitarbeiter werden ad hoc oder je in der Lage sein, die Selbstdisziplin aufzubringen, die notwendig ist, alle Freiheiten, die eine Teamorganisation bietet, zu nutzen. Vielleicht wird dies immer eine Minderheit bleiben - aber zum Überleben einer Organisation gehört es nicht zuletzt, dieser innovativen und leistungsbereiten Minderheit ihnen angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen. Sie verbessert die Fähigkeit zu interorganisationalen Kooperationen.

Einen weiteren wesentlichen Vorteil hat die Teamorganisation in bezug auf die Fähigkeit zu interorganisationalen Kooperationen23 aufzuweisen: Mitarbeiter, die vertraut sind mit ständigem Wandel, zu deren Kernkompetenz das Aufsuchen neuer Teams, Anknüpfen neuer Verbindungen und das konzentrierte teamorientierte Arbeiten gehören, werden sich den Herausforderungen interorganisationaler Kooperationen leichter stellen. Sie intergrieren andere besser, lassen sich besser intergrieren und sind in der Lage fiir die Unternehmung auch im Außenraum zu denken. Diese Fähigkeiten ermöglichen mit erheblich geringerem Aufwand die Aufnahme, Entwicklung und Beendigung interorganisationaler Beziehungen.

7.

Abgrenzung des Einsatzes der Teamorganisation

Die Teamorganisation kann unseres Erachtens fUr Unternehmungen mit den folgenden charakteristischen Merkmalen eine interessante Alternative tur die bestehenden Strukturen darstellen:

23

Zu interorganisationalen Beziehungen vgl. Sydow 1994.

122

Stefan Berndes

-

filr mittlere und große Unternehmungen,

-

wenn beträchtliche Anzahl von Mitarbeitern mit hohem Qualifikationsund Flexibilitätsniveau,

-

in turbulenter Geschäftsumgebung,

-

wenn Einbindung in interorganisationale Netzwerke notwendig.

Es sind insbesondere mittlere und große Unternehmungen, die die beschriebenen Probleme bei Informationsverarbeitung und Entscheidungsflndung haben. Ferner ist eine Einfilhrung der Teamorganisation nur anzuraten, wenn eine ausreichend große Anzahl an Mitarbeitern über das erforderliche Qualifikations- und Flexibilitätsniveau verfilgt. Ist die Anzahl zu gering oder aber nicht abzusehen, daß man im Laufe eines überschaubaren Zeitraums über eine genügende Menge verfilgen kann, ist der Aufwand und die Unruhe, die in die Unternehmung hineingetragen werden, durch den Nutzen nicht zu rechtfertigen. Es ist sehr schwer im Einzelfall zu sagen, welches Qualifikationsprofil von Mitarbeitern mitzubringen ist, um eine Teamorganisation erfolgreich einfilhren zu können. Einige generelle Aussagen sind aber möglich. So sollten die Mitarbeiter mit den Techniken des persönlichen Zeitmanagement vertraut sein - Pünktlichkeit ist Voraussetzung filr das Arbeiten in mehreren Teams. Wichtiger noch als die Beherrschung der Technik sind Selbständigkeit und Motivation. Die Mitarbeiter müssen mehr als bisher ihre eigene Arbeit gestalten, selbständig Arbeitsinhalte auswählen und bearbeiten. Damit die Zusammenarbeit in verschiedenen Teams, die sich zum Teil aus Vertretern verschiedener Disziplinen zusammensetzen, reibungsarm ablaufen kann, müssen gerade auch die Spezialisten über ein hohes Maß an Kommunikationskompetenz verfilgen. In toto werden die Eigenschaft nur wenige Mitarbeiter mitbringen. Dennoch kann man im Zuge der Akademisierung der Gesellschaft und der Veränderung der familiären und schulischen Sozialisation, die durch einen Wechsel von positionsbezogenen zu sachbezogenen Führungsansprüchen gekennzeichnet wird, davon sprechen, daß in der Unternehmung mit der Einfilhrung von mehr Entscheidungsfreiheit filr die Mitarbeiter, Flexibilisierung, mehr Diskussion etc. nur das nachgeholt wird, was in der Gesellschaft im Ganzen in den vergangeneo Jahrzehnten vorbereitet wurde. Damit eine Teamorganisation Vorteile in der Informationsverarbeitung gegenüber klassischen Organisationen hat, muß die Geschäftsumgebung sich durch eine gewisse Komplexität auszeichnen. Man könnte sie als turbulent, wenig vorhersagbar, sich schnell ändernd etc. beschreiben. Ist sie es nicht, sind die Entscheidungen in klassischen Organisationen schneller und nicht deutlich schlechter als in der Teamorganisation. Deren Vorteile liegen in den Fällen, wo aufgrund der sich ständig unvorhersehbar wandelnden Randbedingungen die

Die Team Organisation

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Infonnationsverarbeitungskapazität der "Zentrale" pennanent überbeansprucht wird. Ferner sollte man "ufTeamorganisationen setzen, wenn man die Einbindung in interorganisationale Netzwerke plant. Denn, wie oben bereits beschrieben, kann man in dieser Organisationsfonn die Kompetenzen aufbauen, die zur Zusammenarbeit notwendig sind.

8.

Zusammenfassung

Ausgehend von der Begründung der Beschäftigung mit der Teamorganisation wurde unter Hinweis auf die einschlägige Literatur in einem kurzen Überblick über die systemtheoretische Diskussion in der Betriebswirtschaftslehre gezeigt, daß klare Hinweise dafilr zu finden sind, daß aus Sicht des handelnden Management Organisationen als komplexe, produktive, soziotechnische Systeme zur Erfilllung bestimmter Ziele der in ihnen arbeitenden sozialen Akteure zu sehen sind. Man weiß, daß es Sozialisationsprozesse, Artefakte, Symbole etc. sind, die die verschiedenen in einer Organisation zusammengefaßten Individuen untereinander koordinieren und die Verhaltenserwartungen aufbauen, die zuerst das Funktionieren der Organisation erlauben. Für Organisationen, deren Aufbau ein klassisch-systemtheoretischer Ansatz zugrundeliegt, gibt es einen einfachen Satz solcher Symbole und Artefakte: Organigramme, Büroausstattungen, etc. Für Organisationen, die sich ftlr die Unternehmungssituationen eignen müßten, wie sie heute filr viele Unternehmungen gegeben sind, fehlen solche Strukturen. Team- und Mitarbeiterorientierung, Netzwerke, u.v.m. wird diskutiert. Unbeantwortet blieb unseres Erachtens die Frage nach einfachen Regeln filr solche Organisationsfonneo und handhabbaren Hilfsmitteln zu deren Darstellung. Hierzu dient die Vorstellung der "Teamorganisation". Ausgehend von einer der zahlreichen Definitionen von Teams wurde ein Satz von Darstellungsfonneo (Teamdefinition, Netzwerk aus Teams, Telefonliste) vorgestellt. Durch diskutieren einiger Kernfragen zum Funktionieren der Teamorganisation wurden mögliche Spielregeln eingefilhrt. Die Verbindung zur systemtheoretischen Ausgangsfragestellung konnte durch die Vorstellung der Vorteile gefunden werden. Die Veränderung der Organisation ist der Teamorganisation inhärent, da in der Darstellung temporäre und pennanente Aufgaben gezeigt werden; durch die Ennöglichung von Organisation durch die Mitarbeiter, kann der Gedanke an Statik gar nicht erst aufkommen. Die Hierarchie als wesentliches Instrument der Entscheidungsfmdung ist bei der Teamorganisation zugunsten einer netzwerkartigen Strukturierung verschiedener objektbezogener

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EntscheidWlgssysteme aufgegeben worden, was zu einer erheblichen SteigeTWlg der InformationsverarbeitWlgskapazität führt. Dies setzt die Erkenntnis der neueren Systemtheorie um, wonach hierarchische Systeme in turbulenten GeschäftsumgebWlgen nicht optimal sind. Zum Abschluß wurden noch eher intuitiv die Einsatzgrenzen der Teamorganisation diskutiert. Die Teamorganisation ist ein Bild der Organisation, das anders als die hierarchische Struktur eine Vielzahl weiterer Kombinationsmöglichkeiten erlaubt. Die Elemente der Teamorganisation können als ein Alphabet verstanden werden, in dem leichter als mit den herkönunlichen Buchstaben, Organisationen (Texte) formuliert werden können. Beispielsweise sind MehrfachWlterstellWlgen erlaubt, kurz: das Bild gibt die Wirklichkeit in der Organisation besser wieder. Die VoraussetZWlgen zur Einfiihrung einer Teamorganisation möchten wir hier noch einmal zusammenfassen: Vertrauen in die Fähigkeiten Wld den guten Willen der Mitarbeiter ist Wlumgänglich. Es sind vom Management klare Wld erfolgsorientierte Spielregeln einzufiihren Wld eine offene Informationspolitik zu pflegen. F emer Wld darauf legen wir besonderen Wert, muß das Management die Aufgabe der Einfiihrung einer Teamorganisation als einen langen Lemprozeß begreifen. So schnell man die formalen VoraussetZWlgen durch Umbenennen der bestehenden Strukturen in Teams schaffen kann, so lange dauert es, bis die neuen Freiheiten angenommen Wld produktiv genutzt werden. Insbesondere ist davor zu warnen, die UntemehmWlg durch eine sehr schnelle Wld radikale VerändeTWlg der bestehenden Spielregeln zu schockieren. In den meisten Fällen wird es wohl am besten sein, neue Elemente sukzessive einzufiihren, insbesondere um die WirkWlg der Regeln in der UntemehmWlg testen zu können. Denn einen festen Satz an Spielregeln angeben zu können, halten wir fiir nicht seriös.

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Die Team Organisation

125

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Organisationsentwicklungsprozesse in mehrdivisionalen internationalen Unternehmungen1 Von Eberhard Feuchtmeyel Nach einer Verbeugung vor der gastgebenden Export-Akademie in Reuttingen - an der ich seit ca. 10 Jahren eimnal im Semester vortragen darf, und die wir in Bayern und Franken beneiden und bewundern, will ich in einem allgemeinen Vorspann mich mit Thnen kurz abstimmen, was wir unter mehrdivisionalen, unter internationalen und der Kombination beider Unternehmenstypen verstehen, und wie wir traditionell den organisatorischen Herausforderungen derselben antworten (das Problem der Führung ausländischer Tochtergesellschaften darin eingeschlossen). Danach will ich mit Thnen durch den OD- und Lernprozeß in den Unternehmen Diehl Nürnberg, SEL (ex ITT, jetzt Alcatel) Stuttgart, Daimler-Benz, Siemens, PKI Nürnberg, ABB, adidas Deutschland, der Hypobank als Beispiel für Banken und abschließend kurz der Großchemie gehen.

1.

Mehr- und multidivisionale Unternehmungen

1. Ich verwende als typisches Beispiel gerne Diehl GmbH & Co. KG, ein Familienunternehmen in Nürnberg mit knapp 3 Mrd. DM Umsatz und ca. 12.000 Beschäftigten (mit abnehmender Tendenz), unter den 100 größten deutschen Industrieunternehmen und - wie unser Bild zeigt, ein Gemischtwarenladen in positiver Bedeutung. Von der Junghans-Armbanduhr bis zur Panzerkette, vom Messinghalbzeug für die Automobil- und Sanitärindustrie bis zur hightech-Elektronik bedient man mehrere Segmente; die einzelnen Geschäftsbereiche in der Größenordnung vonjeweils rund Y2 Mrd. DM Jahresumsatz sind z.T. in sich wieder mehrspartig tätig (s. z. B. Controls, s. Geräte). Diehl ist auch deshalb interessant, weil die Fa. nicht Siemens oder Daimler, aber auch keine KMU ist. Diehl ist ein besonders gutes Beispiel für Branchen im Umbruch mit 1 Vermerk der Herausgeber: Der Vortrag wurde von 41 Folien unterstützt, auf deren Wiedergabe man hier aus Platzgründen verzichtete. 2 Prof. Dr. Dr. Eberhard Feuchtmayer, 91207 Lauf

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der seit Jahren anhaltenden Krise in der wehrtechnischen Industrie und dem Einbruch im Maschinenbau3, was zur Desinvestition der badenwürttembergischen Nobelmarke Mauser Oberndorf fiihrte, ein Beispiel für die sog. ,,Konversion", besser Inversion der Rüstungsindustrie, für Sesinnungsversuche auf Kerngeschäftsfelder wie die kürzliche Akquisition von AKO in Wangen auf dem Controlsektor für elektrische große Hausgeräte, wo Diehl jetzt zu den europäischen MarktfUhrern gehört. All dies sollte auch in seiner internationalen Dimension natürlich im organisatorischen Wandel bewältigt werden. 2. Die Vor- und Nachteilediskussion über die Profit-Center-Organisation ist ausgepauckt; wir haben eingesehen, daß die Sparte gegenüber der Funktion dominiert. Nun leben wir in Pendelbewegungen zwischen Dezentralisierung und Zentralisierungsmomenten, wir reden von Bundesstaat und Staatenbund (s. EUDiskussion); wir lernen von der vergleichenden Verhaltensforschung, daß z. B. Schimpansen die besten Führer dezentraler Organisationen seien; wir versuchen Dinge, die der Zentrale zu entgleiten drohen, "einzubinden" usf.. Je nachdem sprechen wir von einer Finanzholding, von einer strategischen Managementholding oder von einer operativen Holding. Wir lieben unsere tüchtigen und Autonomie fordernden Managementteams in den Divisionen, die das Rad immer wieder neu erfinden, weil wir wissen, daß nur Erfahrungen, die man selber macht, Erfahrungen sind. Wir wollen Schnellboote, die die trägen Großtanker ablösen sollen; am besten ist das "Troika"-System der Bundesmarine, wo ein Mutterschiff selbständig operierende Minensuchboote fernsteuert. 3, Wissenschaft, Publikationen, Seminare bescheren uns alle 2- 3 Jahre neue Begriffe zur richtigen Sicht des Phänomens. Nachdem wir die Controllerische Erfolgsorientierung (mit Atomisierungstendenz) gelernt hatten, fiel uns ein, daß wir die innerbetriebliche Prozeßsteuerung verbessern müssen. Business Reengineering, Kontinuierlicher Verbesserungsprozeß, Customer Satisfaction, Verbundorganisation folgten. Wir sagen, daß Dezentralisierung und Realisierung von notwendigen Synergien kein Widerspruch sein sollten (sind?), daß wir zentral steuern und dezentral fiihren wollen. Die Tochtergesellschaften beklagen, daß sie vom Konzern keine eindeutigen Vorgaben erhalten usf. 4. Die momentane Lösung scheint das Unternehmen als lernende Denkfabrik, als Lerngemeinschaft (in und mit Szenarien) zu sein. Es bleibt indes zu fragen, was oder wer die Lehrerfunktion ist bzw. sie darstellt, ob und inwieweit diese nötig sei, was von oben bzw. außen an Umorganisationsimpulsen verordnet/empfohlen werden kann, ohne die Identifikation und Motivation der direkt Betroffenen als Erfolgsgeheimnis zu tangieren.

3 Branchen im Umbruch, E. Feuchtmeyer u. a. Hrsg. P. Oberender, Berlin 1995, Schriften des Vereins fiir Socialpolitik, Ges. fiir Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, N. F. Band 238 S. 55 ff.

OrganisationsentwicklWlgsprozesse

129

5. Diese Probleme sind WlS übrigen im faktischen KonzernNertragskonzern der Juristen auch nicht fremd. Man kann z. B. Machtpositionen im Unternehmensverbund auch ohne Legitimation durch Organschaft oder Eingliederung durchsetzen.

2.

Internationale Unternehmung

1. Mein verehrter Doktorvater E. H. Sieher hat sie in den 60er Jahren für Deutschland "entdeckt". Wenn wir an damalige charismatische Unternehmer in tmSerem fränkischen Raum wir Max Grundig oder Karl Diehl und andere denken, die in damals entlegenen Ländern unter widrigen Umständen und größter Unsicherheit, den Kopf voller Sorgen der Nachkriegszeit, Investitionen tätigten, muß man sich fragen, ob sehr viele der heutigen Bekenntnisse zu Internationalem Denken, zur Globalisierung wirklich Substanz besitzen. Deutsche "Unternehmer" von heute lieben es zum Teil, sich in internationalen Risiken mehr zu ergehen, als die Chancen des internationalen Geschäfts zu erkennen und zu nutzen. 2. Nach dem Schock der Europäisierung, der durch die EGIEU-Entwicklung (Thema Euro-Management) erfolgte, und zu einem ständigen Überdenken der internen und externen Organisationsstruktur der Unternehmung zwingt, fragt es sich, ob die "emerging markets" im Osten und Südosten Europas, ob der von den Deutschen wohl z. T. verschlafene Aufbruch nach Asien, ob die weitgehende Abstinenz bezüglich Amerikas, ob die Gesamtvernachlässigung des Pazifischen Beckens nicht einen neuen Organisationsschock bringen müßte. 3. Die Internationalisierung der Organisation der Unternehmung muß auf sich ständig verändernde Umfelder eingehen, d. h. die internationale Umwelt der Unternehmung i. w. S. muß zu einem internationalen Netzwerk führen. 4. Die Kontakte der Unternehmung im Internationalen Geschäft müssen erkannt und geordnet werden. 5. Ebenso müssen die internationalen Funktionen verstanden werden.

3.

Multidivisionale Internationale Unternehmungen

Die Organisationsprobleme der vorher beschriebenen beiden Unternehmenstypen eskalieren, wenn ein Mehrspartenunternehmen wirklich international tätig ist, was meistens, aber nicht immer, Hand in Hand geht. 9 GWS-Tagung 1995

Eberhard Feuchtmeyer

130

So sprechen z. B. die Wlterschiedlichen Sparten im Ausland die gleichen KWldengruppen an; dies kann natürlich im Inland auch passieren, dürfte aber da besser handelbar sein; man fiigt mit dem Key-AccoWlt-Management eine zusätzliche Organisationskomponente (Wld KompliziefWlg) ein. Oder das insbesondere im Internationalen Investitionsgüter- Wld Anlagengeschäft virulente Problem der Mittel- Wld Langfristigkeit Wld seine Folgen macht Unzulänglichkeiten der Spartenorganisation deutlich; Chancen Wld Risiken des Auslands werden durch das klassische, technisch dominierte Produktmanagement nicht oder WlZUfeichend fiiih erkannt. Die selbstinduzierten Risiken des Auslandsgeschäfts nehmen zu. So ist z. B. das International Financial Engineering Wld Risikomanagement WlZllfeichend organisiert; grausame Unternehmensschicksale wie Klöckner & Co. oder Metallgesellschaft etc. mit ihren fiirchterlichen Arbeitsplatzeffekten sind die Folgen.

4.

Wie sieht nun unsere traditionelle organisatorische Antwort auf die Problematik aus?

I. Die Internationale Marketing- Wld Organisationsliteratur versorgt WlS mit Wlendlich vielen Modellen funktionsorientierter, z. B. marketingorientierter oder gebietsorienterter/geographischer, oder sparten- oder kWldenorientierter Organisationsformen Wld Mischformen derselben. Die Matrixorganisation als logische Konsequenz hat sich nicht durchgesetzt, weil sie Menschenbilder erfordert, die in unseren UnternehmWlgen meistens nicht existieren (Wld die wir auch WlZUfeichend ausbilden!). Als vorweggenommenes Ergebnis der Praxis läßt sich festhalten, daß die Sparte dominiert, daß sogar ein Internationalitätsverlust in Kauf genommen wird, der durch Stabsstellenkonzepte/Koordinationsfunktionen abgefedert wird. 2. Ich habe dieses Thema aufgrood vieler Fallstudien besonders in BadenWürttemberg Wld Bayern Wld mit meinen mehr als 25jährigen beruflichen ErfahfWlgen bei Dairnler-Benz Wld SEL in Stuttgart Wld Diehl in Nürnberg zu einem meiner ForschWlgsschwerpunkte gemacht, wobei ich immer versuche, das Gesamtinteresse der UnternehmWlg Wld der einzelnen Geschäftseinheiten zu würdigen, so wie ich beruflich immer zwischen Zentrale Wld Linie gependelt bin. In ,,Internationale UnternehmensfiihfWlg (Managementprobleme international tätiger Unternehmen)", Festschrift filr E. H. Sieher zum 80. Geburtstag, Berlin 1981, haben wir- seine Schüler- uns dazu gesamthaft geäußert. Ich habe das Thema in VeröffentlichWlgen Wld Vorträgen weiter verfolgt, grundsätzlich 1988 mit dem Titel ,,Die Führungsorganisation des Auslandsgeschäfts" in ,,Pra-

Organisationsentwicklungsprozesse

131

xis des Außenhandels", Sonderreihe der Bundesstelle fiir Außenhandelsinformation. 3. Ansatz waren die sog. Außenbeziehungen/lnternational Relations oder Affairs aus der Politik oder z. B. dem Versicherungswesen. Ich habe diese Funktion selbst 10 Jahre in einem großen Internationalen Industrieunternehmen bekleidet. Aus einer Bestandsaufnahme und Typologisierung der Internationalen Aktivitäten der Sparte Geschäftseinheiten/Divisionen etc. folgt das Herausarbeiten von Koordinationsbedürfuissen und Organisationsvorschlägen zur Bewältigung des Problems. Wir reden dann vom gemeinsamen Nenner oder vom Vor-die-Klammer-ziehen. Leider wird in der Praxis oft das Thema unter Niveau festgemacht, z. b. bei den Kosten fiir Mehrfachreisen aus verschiedenen Sparten. Nicht frühzeitig erkannte Chancen und Risiken sind eigentlich viel wesentlicher. Koordination ist die letzte Waffe zwischen globalem und multidomestic Marketing.

5.

Bei der Akquisition, Desinvestition und insbesondere Führung ausländischer Tochtergesellschaften begegnet uns das Thema sehr präzise

Wir haben uns auf dem 40. Deutschen Betriebswirtschafter-Tag der SG/DGfB 1986 in Berlin damit beschäftigt, wobei mein Part ,,Die MarketingKoordination von Auslandsgesellschaften" war. Von der früheren zentralen Führung von Tochtergesellschaften ist man weitgehend weggekommen und versucht, diese den Sparten unter dem Gesichtspunkt Produktoptimierung zuzuordnen. Ich denke, daß dies mit einer Schrumpfung von Internationalität verbunden ist, es sei denn, man würde - unwirtschaftlich - internationale Ressourcen in den Sparten duplizieren bzw. multiplizieren. Bei der Besetzung ausländischer Geschäftsfiihrerpositionen und der Formation fiir Global Marketing zeigt sich das Problem wieder sehr schön. Auch innerhalb der Sparte bleibt natürlich das Problem der Entscheidungsautonomie ausländischer Töchter überhaupt (Pausenberger), wobei auf regionale Besonderheiten, z. B. bei OS-Tochtergesellschaften einzugehen wäre (Kumar).

9•

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6. Wollen wir nun sehen, wie der Lernprozeß der Organisationsentwicklung an praktischen Beispielen ablief und wo wir heute stehen Ich hatte schon eingangs auf die Problematik, daß dies eine Führungsaufgabe und/oder ein Selbstlernprozeß ist, hingewiesen. Auch ist zu sehen, daß Organisationsänderungen von Managern fiir ihre eigenen Zwecke angeschoben oder gemacht werden, nicht nur aus objektiven Griinden. Vor die Klammer läßt sich ziehen, daß Verlust an Internationalität, Professionalität auf diesem Gebiet, Horizontverengung, Halbbildung durch die zunehmende "Verspartung" der Unternehmensorganisationen eintritt, wenn man aus Rationalisierungsgriinden auf Multiplizierung dieses internationalen KnowHows in den einzelnen Geschäftseinheiten verzichten muß. Wenn nicht, besteht bei mangelnder Koordination die Gefahr von Konflikten fiir das Unternehmen. Die Zeit der gesamthaft denkenden und handelnden großen Internationalen Macher/Exportchefs in Deutschland ist weitgehend vorbei. Selbsterfahrenes, nicht immer Richtiges mag internationale Professionalität nur durch Motivation ersetzen. 1. Ich beginne wieder mit dem Unternehmen Diehl, mit dem wir starteten. Nachdem wir festgestellt hatten, welche Unternehmenseinheiten zu größeren Ordnungsgruppen gehörten, z. B. Automobilzulieferindustrie und wie das respektive Umfeld aussah, versuchten wir, das externe Netzwerk zu ordnen. In der Leitungsebene wurde ein zentrales Geschäftsführungsressort Außenbeziehungen geschaffen, die ausländischen Tochterfirmen wurden zentral gefiihrt. Mit fortschreitender Autonomisierung der Geschäftsbereiche wurden die Außenbeziehungen erst abgewertet, d. h. sie wurden dem Vorsitzenden Ressort Geschäftspolitik und Koordination zugeordnet, dann abgeschafft. Heute fiihrt sich der Konzern zentral nur durch Technik, Finanzen/Controlling, Personal- und Sozialwesen und eben die Spartenleiter. Die Internationalität ist in diese Geschäftsbereiche verlagert. Organigramme zeigen z. B. die drei Subsparten der Controls Division (ca. Y2 Mrd. DM Jahresumsatz) und ihre bescheidenen internationalen Funktionen, die untereinander allenfalls in der gemeinsamen Bereichsleitung der Sparte Controls abgeglichen werden. Der Erfolg auf internationaler Ebene bleibt abzuwarten. 2. SEL in Stuttgart, früher zu ITT (USA) gehörig, ging diesen Weg noch deutlicher. Hier ist der Mißerfolg bereits sichtbar, wenn auch nicht nur durch Rückorganisation der Internationalität erklärbar.

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Einem charismatischen Exportdirektor in den 60er Jahren folgte die Divisionalisienmg der Exportaktivitäten nach Einfiihnmg einer Profit/LossSpartenorganisation in den 70er Jahren. Durch die damit verbundene Dynamik verschlechterte sich der Export nicht, wuchs sogar in einigen Sparten erheblich, aber es kam zu den bekannten Dissynergien, z. B. der Unfähigkeit, Mehrspartengeschäft oder System-/anlagenprojekte anzugehen. In einem "Überschwinger" und aus persönlichen Motiven wurde ein zentraler Exportvertrieb als eigene Geschäftseinheit mit Pseudo-GN-Verantwortung geschaffen. Der Export des Unternehmens wuchs zwar weiter, die Reibungen mit den Sparten auch. 1982 wurde dieser GB Export wieder abgeschafft, aber ein starker Zentralbereich Export sollte an seine Stelle treten. Dieser mutierte dann zu "Internationalen Beziehungen" als Zentralbereich und "Internationales Geschäft" in der größten Unternehmensgruppe. Letzteres wurde wieder abgeschafft, d. h. der Export richtig dezentralisiert, aber Internationale Beziehungen als Zentralbereich blieben. Zwischenzeitlich war ja der franz. Telecom-Konzern Alcatel neuer Bigentiliner der SEL geworden. Nach weiteren Personalwechseln an der Spitze besteht die SEL-Geschäftsfiihrung in der Transition neben einem Personalvorstand (!) nur noch aus den kollegialen Leitern der vier Unternehmensbereiche öffentliche Vermittlung, Bürosysteme, Verteidigung und Bahnen, zwischen denen ein größerer Zusammenhang besteht als bei dem Unternehmen Diehl und seinen Sparten. Dem sich wohl in nächster Zukunft entscheidenden Schicksal dieses einst führenden nachrichtentechnischen Traditionsuntrnehmens mit seinen rasanten OD-Entwicklungen und Personalfluktationen wird man Aufinerksarnkeit schenken müssen. 3. Bei Daimler-Benz hätte die Management-Aufgabe darin bestanden, ein sinnvolles Übereinanderlegen und Ordnen der Einheiten: Mercedes-Benz Pkw und Lkw, AEG, MBB/MTU/Dornier ... = DASA, was ihre internationale interne und externe Organisation betrifft, durchzuführen. Es ist nicht erkennbar, daß dies geglückt wäre. Neuerdings hört man von Delegation von Länderverantwortung auf Spartenvorstandsmitglieder der DB AG. 4. Siemens ist einen konsequenten Weg der Dezentralisienmg gegangen, scheint nach wie vor große Internationale Professionalität und Systemfähigkeit zu besitzen, ohne große organisatorische Vorkehrungen getroffen zu haben (beispielsweise Chinaaktivitäten von Siemens), geht in den einzelnen Sparten indes den Weg zu kleinen Teams weiter (s. Medizintechnik Erlangen/Forchheim). Aus sieben großen, unbeweglich erscheinenden Unternehmensbereichen und Zentralbereichen wie Vertrieb wurden 1988 acht Bereiche und der Bereich Regionen (Inland) und Ausland. Nach dem Werkstattprinzip wurden 1991 ca. 15 Geschäftseinheiten geschaffen und die Zentralstellen Außenbeziehungen und Regionen Ausland. Unter Verbreitung der Produktbereichsbasis wurden diese beiden letzten abgeschafft.

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5. Philips Kommunikations Industrie PKI in Nümberg als Teil bislang der weltweiten Philips Organisation und jetzt in Transition zu ATT (USA) war schon die letzten Jahre ,,nur" noch Teil von Philips Transmission Networks, also einer Sparte von Philips. 6. ABB praktiziert zumindest auf oberster Führungsebene eine Matrixorganisation zwischen Segmenten (Sparten) und Regionen. 7. adidas Deutschland in Herzogenaurach bei Nümberg ist eine Besonderheit, weil adidas außer Prototyping in Deutschland ,,nur noch" eine weltweit operierende Marketing-, Finanz- und Logistikorganisation ist. Marketing!V ertrieb sind das A & 0 dieses Unternehmens, das die Strukturkrise der Branche und andere Probleme offensichtlich auf eine Art gemeistert hat; von dem Arbeitsplatzabbau in Deutschland soll hier nicht geredet werden. Die einzelnen Sparten/Business Units BU's unterstehen neben einigen Querschnittsfunktionen dem nationalen und internationalen Marketing. 8. Bei der Hypobank (als Beispiel für einige andere Banken auch) gibt man z. Zt. die bisherige Matrixorganisation im Inland (zwischen Region und Sparte) zugunsten einer Spartenorganisation auf. Die Auslandsstruktur der deutschen Großbanken folgt dem nach meinen Erkenntnissen tendenziell und graduell, weiteres bleibt abzuwarten. 9. Die dt. Großchemie hat sich die letzten Jahre stets durch "Verspartung" der Unternehmen ausgezeichnet, mit der Besonderheit, daß den Spartenvorständen Koordinationsverantwortung für Wirtschaftsregionen bzw. Länder zukam. Ich breche aus Zeitgründen ab. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß bei den betrachteten Großunternehmen und überhaupt der Zug Richtung Sparte weiterfahrt, und daß eine Rückbesinnung zur Internationalität des Gesamtunternehmens als Organisationskomponente nicht erkennbar ist. Global Product geht vor International ldentity. Ein Zitat aus dem Jahre 200 v. Chr. zum Thema lernende Organisation scheint etwas skeptisch, entspricht aber wohl dem Internationalitätsdefizit einer Reihe deutscher Unternehmungen. An success stories gibt es nicht sehr viele.

Die virtuelle Organisation als Herausforderung flir die Systemtheorie Von Christion Schof/

1.

Abstract

Das Konzept der virtuellen Organisation ist noch relativ jung, jedoch verstärkt Thema sowohl praxisorientierter als auch akademischer Diskussionen. Unabhängig davon, ob man "interorganisationale" oder ,Jntraorganisationale Virtualität" betrachtet, bleiben die wissenschaftlich-methodischen Fundamente dieser neuen Organisationsform größtenteils im Dunkeln. Hier könnte möglicherweise die Systemtheorie helfen: Allerdings genügt es nicht, Konzepte wie Selbstorganisation, Autopoiese, Heterarchie oder spontane Ordnung einfach im Hinblick aufvirtuelle Organisationen umzuetikettieren. Vielmehr muß im Detail geprüft werden, welche Konzepte Erklärungsansätze für das Entstehen und für das erfolgreiche Funktionieren von virtuellen Organisationen liefern. Der nachfolgende Beitrag will dementsprechend Anregungen zur intensiven Diskussion geben.

2.

Der Begriff der Virtualität

Der erste Ausgangspunkt für eine zielgerichtete Auseinandersetzung mit der Virtualität ist die Definition. Virtuell steht dabei fachsprachlich für ,,nicht wirklich", "scheinbar", "der Anlage nach als Möglichkeit vorhanden". Faßt man diese und weitere Begriffsinterpretationen (z.B. Davidow/Malone 1992, 13; Stahlknecht 1993, 98) zusammen, so führt dies zu folgender Definition: Als virtuell wird die Eigenschaft einer Sache bezeichnet, die zwar nicht real ist, aber doch in der Möglichkeit existiert; Virtualität spezifiziert also ein konkretes Objekt über Eigenschaften, die nicht physisch, aber doch der Möglichkeit nach vorhanden sind.

1 Prof.

Dr. Christian Scholz, Universität des Saarlandes, Saarbrücken

136

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Diese Ausgangsdefinition von Virtualität impliziert Bezug zu einem konkreten Objekt: Es gibt demnach keine Virtualität per se, sondern ausschließlich virtuelle Unternehmen, virtuelle Produkte oder beispielsweise virtuelle Urlaubsreisen. "Virtuell" bedeutet dabei immer auch das Fehlen von bestimmten physikalischen Attributen des ursprünglichen Objektes, also beispielsweise "Verlagern des physikalischen Standortes" bei einer Urlaubsreise. Trotzdem werden diese ursprünglich vorhandenen und jetzt zu virtualisierenden Verhaltensmerkmale realisiert: Im Falle der Urlaubsreise also das Erleben fremder Regionen. Dies läßt sich allerdings nur durch entsprechende - oft technische Zusatzspezifikationen erreichen, was einen entsprechenden Nutzen (hier Wegfall der Transportkosten) mit sich bringt. Ein virtuelles Objekt definiert sich damit über (vgl. Scholz 1994): konstituierende Charakteristika, die sowohl das ursprüngliche (reale) Objekt als auch seine virtuelle Realisierung aufweist und die letztlich konstitutives Definitionsobjekt des ursprünglichen und jetzt zu virtualisierenden Objektes sind, physikalische Attribute, die üblicherweise mit dem zu virtualisierenden Objekt assoziiert sind, die aber beim virtualisierten Objekt nicht mehr vorhanden sind, spezielle Zusatzspezifikationen im Sinne von Lösungswegen, die für die virtuelle Realisierung notwendig sind, und Nutzeneffekte als Vorteile, die sich durch den Wegfall der physikalischen Attribute ergeben.

Eine solche Definition kann den inflationären Gebrauch des Wortes "virtuell" zumindest ansatzweise abschwächen. Eine mögliche Konkretisierung eines virtuellen Objektes stellt das virtuelle Unternehmen dar: Virtuelle Unternehmen sind künstliche Gebilde, die im Hinblick auf einen maximalen Kundennutzen und basierend auf individuellen Kernkompetenzen eine Integration unabhängiger Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette realisieren, ohne daß ein entsprechender zusätzlicher Koordinationsaufwand notwendig wird und ohne daß den Kunden diese Virtualität beeinträchtigt. Bei der Betrachtung virtueller Unternehmen gibt es zwei Ansatzpunkte: Zum einen kann man einer strikten Linie folgen und im Sinne einer scharfen Zuordnung Unternehmen nur dann als virtuell bezeichnen, wenn Grundmerkmale wie das konstituierende Attribut "einheitliches Auftreten nach außen" oder das physikalische Attribut "Verzicht auf Koordinationsstelle und auf juristisches Dach" vollkommen gegeben sind. Zum anderen kann man von gradueller Virtualität als einer unscharfen Zugehörigkeit sprechen: Danach würden bereits strategische Allianzen und Netzwerkorganisationen wichtige Merkmale von

Die virtuelle Organisation als Herausfordenmg fiir die Systemtheorie

137

virtuellen Unternehmen aufweisen. Für die Praxis ist diese Trennm1g nebensächlich, da sich dort je nach situativer Erfordernis zwangsläufig Wlterschiedliche Grade der Virtualität ausbilden. Ein Beispiel fiir scharfe Virtualität ist die "Virtuelle Bibliothek" im World Wide Web (einem weltumspannenden VerbWld von Computernetzen): Diese Bibliothek ergibt sich durch Zusammenschluß der teilnehmenden Institutionen, wobei es aber keine gemeinsame Lenkm1gs- Wld SteuerWlgseinheit gibt. Das World Wide Web hat demnach auch keinen Start- oder Oberknoten: Jeder kann sich anschließen Wld mitwirken. Die konstituierenden Eigenschaften einer Bibliothek sind demnach auch in der virtuellen Bibliothek vorhanden, bestimmte physikalische Attribute (wie ,,zentrale Bibliotheksverwaltung") fehlen aber Wld werden durch zumeist technische Zusatzspezifikationen ersetzt, wodurch sich ein entsprechender Zusatznutzen ergibt. Der Aufbau einer virtuellen Organisation läßt sich sowohl interorganisational als auch intraorganisational gestalten (vgl. Scholz 1994, 14-34): Interorganisational konkretisiert sich die virtuelle Organisation als virtuelles Unternehmen durch ZusammenfassWlg von Firmen, die Wlter Zuhilfenahme informations- Wld kommunikationstechnischer Mittel nicht nur ihre Stärken Wld Kosten teilen, sondern auch den Zugriff auf die Märkte der jeweiligen Partner ermöglichen. Die Zusammenarbeit basiert auf elektronisch erstellten Verträgen, die ohne langwierige Verhandlm1gen Wld ohne Rechtsanwälte über Datennetze abgeschlossen werden. Konstituierende Merkmale sind das hier auch Wlabhängig von der VirtualisierWlg realisierte einheitliche Auftreten gegenüber dem Km1den Wld die GesamtoptimierWlg der Wertschöpfungskette. Durch das im Extremfall nicht vorhandene juristische Dach Wld das Fehlen einer gemeinsamen Verwaltung wird die ForderWlg nach wegfallenden physikalischen Attribute realisiert. Möglich wird dies durch entsprechende Informations- Wld Kommunikationstechnologien Wld durch eine ausgeprägte Vertrauenskultur zwischen den Akteuren - mithin den speziellen Zusatzspezifikationen. Die Nutzeneffekte ergeben sich aus der synergetischen Kombinierbarkeit der Kernkompetenzen sowie einer ErhöhWlg der Flexibilität Wld AnpassWlgsfähigkeit, die die Möglichkeiten einer Adaption an die Komplexität Wld Dynamik der heutigen Umwelt immens erhöhen. lntraorganisational bedeutet der Aufbau einer virtuellen Organisation den Wegfall jeglicher statischer Strukturen. Ein solches Unternehmen hat keine Hierarchie, kein Organigramm Wld keine StellenbeschreibWlgen. Statt dessen gibt es virtuelle Büros Wld virtuelle Abteilungen. Für diesen VirtualisierWlgsprozeß ist ein erneuter Rückgriff auf die konstituierenden Merkmale sinnvoll: So konstituiert sich ein Büro über die sequentielle, aber teilweise auch gleichzeitige Bearbeitung von Dokumenten durch mehrere Personen in einem arbeitsteiligen Prozeß. Eine AbteilWlg wird durch die langfristige Konstanz ihrer Existenz Wld personellen BesetZWlg begründet. In beiden Fällen lassen sich zur VirtualisiefWlg Wlter anderem der Wegfall der räumlichen VerbWldenheit als

Christian Scholz

138

fehlendes physikalisches Attribut, die Notwendigkeit einer ausgereiften, multimedialen Informationstechnologie als Zusatzspezifikation sowie die größere Flexibilität und Anpassungsfähigkeit als Nutzeneffekt nennen.

3.

Problemstellung

Im Rahmen dieses Beitrages geht es nicht darum, die virtuelle Organisation mit allen ihren Vor- und Nachteilen sowie mit ihren diversen lmplikationen zu diskutieren (vgl. dazu u.a. Scholz 1994; 1995a; 1995b; 1996). Vielmehr soll ausschließlich ein erster Schritt in Richtung auf Beantwortung der Frage vorgenommen werden, inwieweit systemtheoretische Überlegungen Hilfestellung bei der theoretischen Durchdringung des Themenkomplexes "Virtuelle Organisation" liefern konnten. Denn eines ist unbestritten: Das Konzept steckt noch in den ersten Anflingen und die offenen Fragen übertreffen bei weitem die fertigen Antworten. Spannend sind daher vor allem die systemimmanenten Widersprüchlichkeiten: So ist es gerade ein Charakteristikum der virtuellen Organisation, ohne spezifische aufbau- und ablauforganisatorische Mechanismen auszukommen. Aus diesem Grund lassen sich auch keine Erklänmgsmuster über derartige Mechanismen herauskristallisieren. Es bleibt aber dann unbeantwortet, wie solche Organismen überhaupt entstehen können und was letztlich ihre spezifischen Eigenschaften sind. Insgesamt herrscht damit aktuell eine sehr geringe Spezifikation der konkreten Eigenschaften der virtuellen Organisation vor. Aus dem Bereich der kybernetischen Systemtheorie - wie er sich beispielsweise in den diversen Tagungsbüchern der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik manifestiert - bieten sich in diesem Zusammenhang eine Vielzahl von Theorieansätzen an. Davon sollen nachfolgend drei Ansätze näher betrachtet werden, das Konzept der Autopoiese, das Konzept der Selbstorganisation und das Konzept der Heterarchie.

Die virtuelle Organisation als Herausforderung fiir die Systemtheorie

4.

139

Systemtheorie als Erklärungsbasis?

4.1. Virtuelle Organisation als autopoietisches System?

Ein autopoietisches System definiert Maturana (1980, 52-53) als "a dynamic system, that is defined as a composite unity as a network of production of components that, (a) through their interactions recursively regenerate the network of production that produced them, and (b) realize this network as a unity by constituting and specifying its boundaries in the space in which they exist." Autopoiese als Selbstherstellung ist nicht gleichzusetzen mit Selbsterhaltung, Selbstreferenz oder Selbstorganisation, sondern ist vielmehr durch diese Komponenten determiniert: Systeme sind selbsterhaltend, wenn sie sich selbst in operational geschlossener Weise erzeugen und deren Bestandteile sich gegenseitig und damit den ganzen Zyklus erhalten (vgl. Hejl 1992). Selbstreferentielle Systeme verändern die Zustände ihrer Komponenten in operational geschlossener Weise. Anders ausgedrückt: "Jeder Zustand des Systems ist an der Hervorbringung des jeweils nächsten Zustandes konstitutiv beteiligt" (Roth 1986, 157). Als selbstorganisierend hingegen lassen sich solche Systeme beschreiben, in denen Ordnung ohne planmäßiges Eingreifen entsteht und erhalten bleibt (vgl. Ulrich!Probst 1991 ). "Ordnung" wird demnach als etwas Entstehendes und nicht als das Produkt absichtsvoller, steuernder Tätigkeit aufgefaßt (Schattenhofer 1992). Eine besondere Problematik stellt dabei die häufige Vermischung dieser Begriffe in der Literatur dar, die zum Teil aus den Schwierigkeiten einer Übertragung der ursprünglich biologischen Konnotation der Autopoiese in die Sozialwissenschaften resultiert. An dieser Stelle soll die Diskussion darüber, inwieweit Organisationen selber überhaupt autopoietische Systeme sind (vgl. Kirsch/zu Knyphausen 1991), trotz ihrer systemtheoretischen Brisanz nicht weiter vertieft werden. Auch sind nicht alle definitorischen Aspekte der Autopoiese in dem hier zu diskutierenden Zusammenhang relevant. Entscheidend ist vielmehr, daß sich ein autopoietisches System aus sich selbst heraus generiert: Eine virtuelle Organisation müßte sich demnach aus dem eigenen Ur-System und innerhalb der eigenen Systemgrenzen selbst schaffen. Dieser dominierend geschlossene Systemcharakter ist aber gerade bei einer virtuellen Organisation nicht der Fall. Im Gegenteil: Das System "virtuelle Organisation" hat sein besonderes Charakteristikum in seiner auf die Umwelt (Markt) ausgerichteten Gestaltung. Nur dies erlaubt die erforderliche {multista-

140

Christian Scholz

bile) Adaptivität. Obwohl auch das Konzept der Autopoiese von einer energetischen Offenheit gegenüber der Umwelt ausgeht, besteht der entscheidene Unterschied zu virtuellen Organisationen darin, daß letztere als (soziale Systeme) reaktiv bzw. umweltdeterminiert sind. Unabhängig davon, ob Organisationen überhaupt autopoietische Systeme sein können, bleibt damit festzuhalten, daß virtuelle Organisationen keine autopoietischen Systeme sein dürfen. Aus diesem Grund sind virtuelle Organisationen auch keine vollständig selbstreferentiellen Systeme. 4.2. VirtueUe Organisation als selbstorganisierendes System?

Eine vollkommen andere Argumentationslinie ergibt sich bei der Auseinandersetzung mit der Idee der Selbstorganisation, zu verstehen als "die Gesamtheit aller Prozesse, die aus einem System heraus von selbst entstehen Wld in diesem 'Selbst' OrdnWlg entstehen lassen, verbessern oder erhalten" (Probst 1992, 2255). Eine solche Selbstorganisationsfahigkeit ist vor allem deshalb fiir virtuelle Organisationen von zentraler BedeutWlg, da gemäß der Definition gerade auf eine Zentralinstanz zur LenkWlg verzichtet wird: Bei dem virtuellen Unternehmen gibt es keine gerneinsame Dachinstanz, bei der virtuellen AbteilWlg kein übergeordnetes Steuergrernium. 4.2.1. Der Ansatz von Probst In der Literatur gibt es eine Fülle von GesichtspWlkte zur Selbstorganisation von Systemen (vgl. z.B. Kirsch 1992, 269-279/Luhmann 1988, 24-29). Nach Probst werden selbstorganisierende soziale Systeme durch Autonomie, Komplexität, Redtu1danz Wld Selbstreferenz charakterisiert. Bei diesem Konzept geht es weniger um unsichtbar spontane Ordntu1gssysterne als um innovativevolutionäre Selbstorganisation: Durch Autonomie schafft das System dabei Grenzen, indem es sich selbst definiert, ohne andere Systeme zu involvieren. Damit ist keineswegs Isolation oder Autarkie gemeint, sondern die Fähigkeit zur SelbstgestaltWlg, -reguliefWlg Wld -steuefWlg. Komplexität äußert sich in der Tatsache, daß sich das Ergebnis "OrdnWlg" nicht einfach durch eine monokausale Input-Output-FWlktion beschreiben läßt. Vielmehr ist OrdnWlg ein Resultat interagierender Teile des Systems, deren Beziehtu1gen ständig veränderlich sind. Soziale Systeme sind demzufolge nichttrivial Wld damit analytisch nicht deterrninierbar (vgl. von Foerster 1992). Redundanz schafft Potential im sozialen System: "Jeder Beteiligte ist ... potentieller Gestalter" Wld "mehrere ... können dasselbe tWl" (Probst 1986, 95).

Die virtuelle Organisation als Herausforderung für die Systemtheorie

141

Die Orientierung am Hierarchieprinzip entfällt, EntscheidWlgen können dezentral getroffen werden, natürliche Komponente des Organisierens wird der Aufbau von Mehrfachqualifikationen Wld die VerteilWlg von Managementkompetenzen (vgl. Probst 1992). Selbstreforenz kennzeichnet die Operationale Geschlossenheit des sozialen Systems. Jedes Verhalten wirkt auf sich selbst zurück, ist auf den vorherigen Zustands des Systems zurückzuführen Wld wird gleichzeitig zum Ausgangspunkt fiir eine neue Operation. Selbstreferentielles Verhalten dient der Schaffung Wld Erhaltung einer eigenen Identität Wld kreiert damit die Grundlage fiir Sinn- Wld HandlWlgsräume. Probst überträgt diese vier Merkmale der Selbstorganisation auf das soziale System, wobei diese AusfiihrWlgen lediglich als Tendenzaussagen eingestuft werden. Trotzdem werden diese im Rahmen dieses Beitrages als Prüfkriterien fiir virtuelle Organisationen zum Einsatz kommen. Um die Trennschärfe zu erhöhen, wird sich im folgenden nur auf das virtuelle Unternehmen als Spezialfall der virtuellen Organisation bezogen. Die Aussagen gelten aber in analoger Form fiir alle virtuellen Organisationseinheiten (vgl. Scholz 1995a).

Im Hinblick auf Autonomie identifiziert Probst mehrere Merkmale. ZWlächst trifft die Grundidee der Autonomie - die Selbststeuerung - auch auf soziale Systeme zu. Die daraus resultierende IdentitätsfmdWlg erlaubt, KopplW1gsbeziehW1gen aufzulösen oder zu lockern. Autonomie erlaubt Wld eröffnet bei minimalen Spezifikationen neue, managementbezogene HandlWlgsspielräume. Ebenso bestehen keine Wlveränderlichen Abhängigkeiten zwischen Aufgaben, Arbeitsbedingoogen, LösWlgswegen Wld den Formen der AufgabenerfiillWlg. All dies trifft auch fiir das virtuelle Unternehmen zu. Aus der fiir die Komplexität charakteristische hohe Interaktivität der Systemkomponenten folgt, daß das soziale System zur Bearbeitung "geschlossener" Aufgabenkomplexe tendiert; ebenso wird neben der Erhaltung von Managementanteilen auch die Erhaltung Wld Pflege von BeziehWlgen Wld Interaktionen gepflegt. Im virtuellen Unternehmen werden diese Kriterien sogar noch übererfiillt, indem innovative Aufgabenkomplexe bearbeitet werden Wld eine bewußte Suche nach neuen (externen) Interaktionen stattfindet. Hinsichtlich der Redundanz gelten die dargelegten Kriterien fiir das virtuelle Unternehmen nur eingeschränkt. Während die Aufrechterhaltung der HandlWlgsfiihigkeit sowie der Aufbau von dezentraler Managementkompetenz auch fiir das virtuelle Unternehmen zutreffen, ist die Versorgoog mit systemnotwendigen Organen genau wie die Qualifikationsvielfalt nur erforderlich, soweit es die AufgabenstellWlg verlangt. Ebenso ist der Aufbau von Mehrfachqualifikationen nur begrenzt wichtig. Für das virtuelle Unternehmen spielt vielmehr die ZusammenfiihrWlg von "core competencies" eine Rolle. Das fiir die Selbstreferenz typische Eigenverhalten verlangt automatisch nach sinnvollen AufgabenstellWlgen Wld synergetischer AufgabenerfiillWlg. Dies

142

Christian Scholz

trifit ebenso auf das virtuelle Unternehmen zu wie teamorientierte Führung Wld Formen der Kooperation im selbstorganisierenden sozialen System

Übersicht I: VirtueUe Unternehmen gemessen an den Charakteristika selbstorganisierender Systeme

VIRTUELLE UNTERNEHMEN

SELBSTORGANISIERENDE SYSTEME

nach dem Viermerkmalsschema von

nach Probst (1992)

Scholz (1994)

Autonomie:

-

Selbststeuer\lllg

-

Managementbezogene HandlWlgsspielräume

-

-

-

-

ja

Minimale Spezifikation

-

ja

Keine WlVeränderlichen Abhängigkeiten zwischen Aufgaben, Arbeitsbedingoogen, LöSWlgswegen, Formen der AufgabenerfiillWlg

-

ja

-

ja

Lose gekoppelte Systeme

ja

Redundanz: -

Aufbau von Mehrfachqualifikation

-

nur begrenzt; wichtig vielmehr Zusammenführung von "core competencies"

-

AufrechterhaltWlg der HandlWlgsfähigkeit

-

ja

-

Aufbau von dezentraler Managementkompetenz

-

ja

-

Versorgoog mit systenmotwendigen Organen

-

ja

Qualifikationsvielfalt

-

nur soweit fiir die AufgabenstellWlg Wlbedingt nötig

-

-Fortsetzung-

Die virtuelle Organisation als Herausforderung für die Systemtheorie

143

-Fortsetzung Tabelle Komplexität: -

Bearbeitung "geschlossener" Aufgabenkomplexe

-

ja, und noch weitergehend: Bearbeitung ,,innovativer" Aufgabenkomplexe

-

Managementanteile bleiben weitestgehend erhalten

-

ja, und noch weitergehend: Managementanteil von aktueUer Anforderung abhängig

-

Gleichzeitige Berücksichtigung mehrerer Dimensionen (wirtschaftliehe Notwendigkeiten und soziale Ansprüche)

-

ja

-

Erhaltung und Pflege von Beziehungen und Interaktionen

-

ja, und noch weitergehend: bewußte Suche nach neuen (externen) Interaktionen

-

ja

Selbstreferenz:

-

-

Sinnvolle Aufgabenstellungen Synergetische Aufgabenerfüllung

-

ja

-

Teamorientierte Führung und Formen der Kooperation

-

ja

-

Lernen und Lernen zu lernen durch Aktivitäten am Arbeitsplatz

-

sogar noch weitergehend: da Interaktion mit der Umwelt

-

Selbstgestaltung, -Ienkung und entwicklung

-

aber nicht als geschlossenes System von innen heraus

nach Probst. Darüber hinaus wird im virtuellen Unternehmen die Forderung des Lernensund des Lernens zu lernen durch Aktivitäten am Arbeitplatz noch weitergehend erfüllt, da eine starke Interaktion mit der Umwelt stattfindet. Streng systemtheoretisch gesehen ist Probsts Charakteristikum der Selbstgestaltung, Ienkung und -entwicklung im virtuellen Unternehmen nur begrenzt gegeben: Dessen eigentliche Pointe liegt in seiner Ausrichtung auf die externe Umwelt, aus der heraus es sich genau genommen definiert. Betrachtet man die vorhergehenden Ausführungen, erkennt man, daß Autonomie vollständig gewährleistet ist, Komplexität in hohem Maße vorliegt, Red-

144

Christian Scholz

undanz nur teilweise vorhanden ist und Selbstreferenz nur begrenzt ein Merkmal virtueller Unternehmen darstellt. Übersicht l faßt die Ausprägungen des virtuellen Unternehmens gemessen an den von Probst dargestellten Charakteristika selbstorganisierender sozialer Systeme zusammen. 4.2.2. Der Ansatz von Weick Einen etwas anderen Ansatz zur Selbstorganisation präsentiert Weick (1977), der nicht-selbstorganisierende Systeme durch folgende Merkmale beschreibt: -

Sie schätzen Prognosen höher ein als Improvisation.

-

Sie denken länger über die sie beschränkenden Zwänge nach als über die sich bietenden Chancen.

-

Sie übernehmen Lösungen, statt diese selbst zu entwickeln.

-

Sie hängen früheren Erfolgsmustern an, statt sich neue auszudenken.

-

Sie pflegen die Kontinuität statt der Unbeständigkeit.

-

Sie bewerten Harmonie und Eintracht höher als Widerspruch und Kritik.

-

Sie vertrauen auf Abrechnungssysteme als das einzige Mittel, um Effizienz zu erreichen, statt sich mehrerer verschiedener Hilfsmittel zu bedienen.

-

Sie räumen Zweifel aus, statt diese zu fördern.

-

Sie suchen nach der optimalen, endgültigen Lösung statt sich kontinuierlich durch einen Versuch-Irrtums-Prozeß zu verbessern.

-

Sie verhindern das Aufkommen von Widersprüchen, statt diese zu suchen.

Angesichts sehr rascher Umweltveränderungen tun diese Organisationen zu wenig und dieses oft zu spät, so daß sie scheitern müssen. Im Prozeß der Selbstorganisation müssen Organisationsmitglieder sowohl die Rolle des Lehrenden als auch die des Lernenden einnehmen können, um auf diese Weise ständig neue Alternativen zu entwickeln und diese im Hinblick auf die Anforderungen und Zwänge, wie sie von den Organisationsmitgliedern wahrgenommen werden, zu testen. Ausgehend von dieser Zustandsbeschreibung ergeben sich dann bei Weick sechs charakteristische Merkmale von selbstorganisierenden Systemen (vgl. Weick 1977, 38-39): •

Selbstorganisation beinhaltet die Anordnung und Strukturierung genauso wie das Verhindern und Entkoppeln von Organisationsteilen, um so Änderungen in Verhalten, Struktur und Ablauf herbeizuführen.

Die virtuelle Organisation als Herausforderung für die Systemtheorie

145

*

Ein auf Selbstorganisation basierendes System kann sich selbst kontrollieren und bewerten.

*

Selbstorganisation befaßt sich vor allem mit dem Prozeß des Organisierensund stellt primär solche Vorgänge in den Vordergrund, die alternative Anordnungen von Mitarbeitern und Aktivitäten erzwingen.

*

Sich selbst organisierende Syteme haben das logische Problem, sich nicht losgelöst von einem gegebenen Ursprung entwickeln zu können, wodurch immer der Lösungsrawn für nachfolgende Allpassungen mitbestimmt wird.

*

Organisationsmodelle müssen häufig ohne Kenntnis der zugehörigen Effektivitätskriterien entworfen werden, erfahren also die Schwierigkeit, unbekannte Effektivitätskriterien maximieren zu müssen.

*

Der Prozeß der Selbstorganisation ist oft kawn vom sich anschließenden Prozeß der Durchfiihrung des Betriebes zu trennen. Selbstorganisation ist daher nicht als strikter, linear-sequentiell ablaufender Prozeß verschiedener Schritte anzusehen. Vielmehr stehen (Selbst-)Organisation und Sytemdurchfiihrung in einem wechselseitigen Prozeß.

Durch ein Forcieren von "try barder the same" entstehen keine neuen Erfolgsmuster, sondern lediglich durch die Hinterfragung der existierenden Muster im Sinne von "invent something new". Überträgt man jetzt die Aussagen von Weick auf die virtuelle Organisation, so zeigt sich deutlich, daß gerade diese Fähigkeit zur Selbstorganisation eine zentrale Voraussetzung von virtuellen Organisationen ist: Vergleicht man nämlich diese sechs Punkte mit den Zielen und Mitteln virtueller Organisationen, so basieren sie letztlich auf genau diesen Voraussetzungen, die Weick für selbstorganisierend postuliert. Dies bedeutet aber, daß virtuelle Organisationen nicht einfach durch räwnliches Auseinanderziehen und durch die Einführung von faszinierend-schillernder EDV-Technologie entstehen. Sie setzen vielmehr einen vollkommen anderen Organisationsansatz voraus, bei dem sich die Mitglieder in den Organisationen ohne Vorgaben selbst organisieren, bewußt dabei auch in die Rollen anderer schlüpfen, bewußt mit Paradoxien und Unsicherheit wngehen, bewußt sich selbst in Frage stellen und vor allem bewußt das permanente Wechselspiel zwischen Leistungserstellung und Selbstorganisation (als MetaOrganisationsproblem) zu optimieren suchen. Betrachtet man diese Aussagen von Weick in ihrer Übertragung aufvirtuelle Organisationen so zeigt sich deutlich, daß virtuelle Organisationen auf keinen Fall auf ein rein informationstechnisches Problem reduzieren lassen. Vielmehr stellt sich die Frage nach einer mentalen Neuausrichtung: Eine Organisation ist nicht durch ihre Grenzen und ihre Struktur definiert, vielmehr durch ihre - geI0 GWS-Tagung 1995

146

Christian Scholz

gebeneofalls auch in synergetischem Verbund - Leistungsfähigkeit und durch ihre Prozesse, beides vor dem Hintergrund der bewußten Selbstreflexion. 4.3. VirtueUe Organisation als Hettrarchie?

,,Heterarchien sind aus mehreren, voneinander relativ unabhängigen 'Akteuren', 'Entscheidungsträgern' oder 'Potentialen' zusammengesetzte Handlungsoder Verhaltenssysteme, in denen es keine zentrale Kontrolle gibt, sondern die Führung des Systems in Konkurrenz und Konflikt, in Kooperation und Dominanz, in Sukzession und Substitution sozusagen immer wieder neu ausgehandelt wird oder von Subsystem zu Subsystem bzw. von Potential zu Potential wandert" (Bühl 1987, 242). Eine Heterarchie (vgl. auch z.B. McCu//och 1988) ist darauf ausgerichtet, unvorhergesehene Entwicklungen des Systemverhaltens auf den unteren Ebenen als Reaktion auf unvorhergesehene Umweltänderungen zuzulassen. In heterarchischen Organisationen löst jede Einheit ein Teilproblem auf ihrer eigenen Ebene, wobei sich die Teillösungen zu einer optimalen Lösung fiir die Organisation addieren (sollen). Hierzu werden möglichst viele Funktionen und Fähigkeiten des Gestaltens, Lenkensund Entwickelns in den einzelnen Teilbereichen organisiert und die Informationen über das System verteilt aufgenommen und verarbeitet (vgl. Probst 1992, 2260). Die jeweils übergeordnete Ebene erhält dabei lediglich die Verantwortungsbereiche zugeteilt, die auf der unteren Ebene nicht zufriedenstellend gelöst werden können (vgl. Bühl 1987, 247-248). Die oberen Ebenen kontrollieren nicht mehr starr, sondern integrieren die auf den unteren Ebenen erarbeiteten Lösungen und führen sie zusammen. In letzter Konsequenz geht die beterarebische Struktur bis zu einer Organisation mit lediglich noch zwei Ebenen, dem Arbeitsraum und der Koordination (vgl. Klimecki/Probst!Eberl 1991, 139). Die Koordinationsebene stimmt dabei die Ziele der Arbeitsgruppen im Hinblick auf das Gesamtziel des Systems ab und koordiniert die fiir die Arbeitsgruppen unüberschaubaren Interaktions- und Austauschprozesse. Erweitert man das Konzept der Heterarchie zusätzlich um den Aspekt der Dynamik, so müssen sich dann Heterarchien funktional zu den jeweiligen Problemstellungen verändern lassen (vgl. Bühl 1987, 242; Klimecki/Probst!Eberl 1991, 138). In der Konsequenz führt dies dazu, daß sich die Führung stetig ändert, neu ausgehandelt und von Fall zu Fall von anderen übernommen wird. Verantwortungsbereiche, Kompetenzbereiche sowie Kontrollinstanzen sind dann lediglich noch virtuell gegeben und lassen sich je nach Erfordernissen verschieben. Im Extremfall wird es dann nur noch zwei Hierarchieebenen geben, die sich kombiniert mit einer fluktuierenden Systemführung immer in Abhängigkeit von der jeweiligen Problemlage neu konstituieren.

Die virtuelle Organisation als Herausforderung für die Systemtheorie

147

Diese Form einer solchen Fluktuation macht aber zugleich eine Problematik deutlich, deren Berücksichtigung für ,,heterarchisch-virtuelle" Organisationen von Bedeutung sein dürfte: Dies ist die Gefahr einer fortlaufenden Neuorientierung und die übertriebene Tendenz, in der Vergangenheit Erlerntes fast schon "aus Prinzip" außer Acht zu lassen. Letztlich wird hierbei auf jedes Umweltsignal reagiert, und die Organisation befindet sich in einem pausenlosen Umbruch.

5.

Ergebnis

Bislang herrscht noch ein wissenschaftstheoretisches Vakuum in bezug auf eine mögliche Fundierung des Konzepts virtueller Organisationen. Insbesondere erscheint die Praktikabilität in der Nutzung dieses weitgehend noch theoretischen Konzepts noch nicht hinlänglich gesichert. Spannend sind vor allem die systemimmanenten Widersprüchlichkeiten: So ist es gerade ein Charakteristikum der virtuellen Organisation, ohne spezifische aufbau- und ablauforganisatorische Mechanismen auszukommen. Obwohl speziell die mögliche Abkehr von autopoietischer Konzeption hin zu Konzepten der Selbstorganisation und Heterarchie innerhalb der Systemtheorie ein großes Potential zu bieten scheint, kann mit deren Vokabular das neuartige Konzept der virtuellen Organisation bislang noch nicht eindeutig und hinreichend untersucht werden. Dies gilt insbesondere filr die praktische Umsetzbarkeil der virtuellen Organisation: Gerade weil aber ihre Anwendung speziell in innovativen-dynamischen Branchen so vielversprechend erscheint und die neueren Entwicklungen innerhalb der Systemtheorie bereits Ansätze zur Bewältigung unserer hochkomplexen Umwelt aufzeigen, liegt hier eine theoretisch fundierte Verknüpfung nahe.

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Zur Komplementarität von Struktur und Strategie im Prozeß organisatorischen Lernens Von Werner Schuhmann 1

1.

Einleitung

Über dreißigjährige Tätigkeit in einem multinationalen Konzern, davon mehr als zwanzig Jahre als Leiter eines global operierenden Geschäftsbereichs, sowie intensive Beschäftigung mit Systemtheorie (Kybernetik) in ForschWlg Wld Lehre, erlauben wechselseitige BeobachtWlg und VerarbeitWlg von Wissen und Wirkung, zirkuläre Reflexionen zum Thema "Organisatorisches Lernen": Nur durch Handeln in komplexer Umgebung entwickelt der Mensch ein Gespür fiir die ,,messes" des organisatorischen Alltages, ein Verhaltensmuster, das sich mit der Zeit zu Instinkt und Intuition verdichten kann. (Intuition verhindert freilich nicht, in Sekundenschnelle gewaltig zu irren). Für den praktischen Umgang mit Komplexität ist ein angemessenes Modell effektiver Organisation als cognitives Filter, als Landkarte, Kompaß, Machete von großem Nutzen. Ein solches Modell (zur Fokussierung der Problemsicht im Sinne eines Paradigmas und nicht zur algorithmischen, reduktionistischen Verengung) kann eine gewisse Ordnung in das Chaos kontingenter DeutWlg von individueller Erfahrung bringen. Es stellt zudem eine Sprache bereit für den Versuch, sich mit anderen Mitgliedern der Organisation zu verständigen. Organisationen lernen nur durch ihre Mitglieder; deshalb schafft allein gelingende Kommunikation über komplexe, zunächst nur subjektiv beurteilbare Probleme Wld Lösungswege, die Chance für kollektives Lernen. Die erprobten Interaktionsmuster des "Status quo" einer Organisation lassen sich in der Regel nur durch leadership verändern. Hierarchische "Spitzen"LeistWlg allein erzeugt keine ausreichende kinetische Energie für Wandel; leadership muß eine verteilte Eigenschaft im Unternehmen sein.

1 Prof.

Dr. Wemer Schuhmann, 65207 Wiesbaden

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Werner Schuhmann

Führungsfahigkeit erfordert antizipierende Gestaltung des Soll - Modells (Vision des künftigen Unternehmens, angesiedelt zwischen Utopie und Illusion) und Durchsetzungskraft fiir den steinigen Weg vom Ist zum Soll (Transformation). Leadership hat sich vor allem dann zu bewähren, wenn die Übereinstimmung in Sachfragen endet: Prozeduraler Konsens regelt den Umgang mit Dissens auf der Objektebene. Kybernetik als Strukturwissenschaft liefert wertvolle Orientierung beim schwierigen Abwägungsprozeß, zwischen der Wirkung dialogischer Überzeugung (z.B. der Aufklärung über eine vernetzte Interessenlage) und machtvoller An- oder Zurechtweisung. Gehobene Semantik ohne Tiefgang, ein Jargon mit Vokabeln wie "ganzheitlich, vernetzt, holistisch, wir wollen offene Kommunikation, wir sitzen alle in einem Boot, wir sind eine Familie", ist kontraproduktiv, weil Täuschung fast immer Enttäuschung provoziert. Das Thema "Organisatorisches Lernen" trifft den Kern des Problems sozialer Organisationen: Stabilität durch Wandel, Lenkung und Entwicklung komplexer Systeme durch Kommunikation über die Bedingungen von Lebensfahigkeit. Die Welt ist übervoll von Regulationsproblemen, weil Kommunikation unwahrscheinlich, da außerordentlich voraussetzungsvoll (Luhmann, Soziologische Aufklärung 3, 1981,S. 25 ff.), und Konfusion, also ihr Gegenteil, die Regel ist. Wenn organisatorisches Lernen erklärt werden soll, dann müssen die Bedingungen fiir gelingende Kommunikation und Interaktion (Koordination von Aktionen) in Organisationen herausgefunden werden. Ferner sind Wege zu suchen, wie die Erfolgschancen erhöht werden können. Bei der Konzentration auf Wirtschaftsorganisationen ist zu beachten, daß erfolgreiche Unternehmen schon immer über die notwendigen und hinreichenden Bedingungen verfügten, sich dem externen Wandel anzupassen und ihn zu beeinflussen. So wie die Schwerkraft präsent war, bevor ihre Wirkung von Newton quantifiziert wurde, sorgt der organisationsgenetische Code auch vor seiner Entschlüsselung fiir die Lebensfähigkeit von Unternehmen. Wir müssen also zunächst etwas entdecken, was es bereits gibt, und manches vergessen, was wir zu wissen glauben. Die bisherigen Erklärungsversuche fiir das dynamische Wirkungsgefüge von Erfolg oder Mißerfolg von Unternehmen scheinen mehr Spreu als Weizen produziert zu haben. Wie sollte man sonst die fast epidemische Aktivität vieler Wissenschaftler zum Thema - mit Variationen - "Organisatorisches Lernen" erklären oder die Erfolge von Unternehmensberatern, die natürlich auch diese Hilfsofferte erfolgreich vermarkten? Wo sollten sonst die Gründe (Wissen, Kapazität, Risikobereitschaft) liegen fiir das Paradox, daß ein häufig akade-

Zur Komplementarität von Struktur und Strategie

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misch gebildetes Management einen Dauer-Repetitor beschäftigt zur Nachhilfe für eine Aufgabe, den Umgang mit organisatorischer Komplexität, für die es bezahlt wird, weil es sie eigentlich am besten beherrschen müßte? Der langjährige Erfolg sehr vieler Unternehmen ist freilich kein Zufall, Unkenntnis führt nicht zum selbsterhaltenden Geschäft. Eine Theorie des Organisatorischen Lemens muß also dazu beitragen, diesen Prozeß besser zu verstehen, um ihn zu beeinflussen. Eine solche Theorie muß dem Management helfen, durch bewußte Gestaltung und Lenkung seines Unternehmens -

das Risiko von "trial and error" evolutorischer Selbstorganisation zu verringern,

-

die nachteiligen Wirkungen ungeeigneter Formen von Intervention zu reduzieren,

-

die Selbstzufriedenheit eines erfolgreichen "Status quo" zu überwinden sowie

-

die Abhängigkeit von - leider seltenen - überragenden Persönlichkeiten zu mildem.

Mein Beitrag befaßt sich mit einem wichtigen Kapitel einer solchen Theorie: Der Komplementarität von Struktur und Strategie, dem notwendigen Prozeß eines gleichgerichteten Zusammenwirkens von organisatorischen Bedingungen und inhaltlichen Zielen des Unternehmens.

2.

Zur Komplementarität von Struktur und Strategie: Wie, was, für wen, von wem lernen Organisationen?

In einem Umfeld mit steigender Komplexität bedeutet organisatorisches Lernen, daß die interne Varietät (als Maß für Komplexität) des Unternehmens erhöht wird, durch zunehmende Differenzierung (z.B. funktionale Spezialisierung, individuelle oder organisierte Arbeitsteilung) und Integration. Intelligente Organisationen - um eine häufig benutzte menschliche Kategorie zu übernehmen - vollziehen dazu einen zirkulären Prozeß: sie entwickeln eine rekursive, gleichgerichtete Verbindung begabter Strukturen, die ihrerseits effektive Strategien erzeugen. Nur auf dies Weise können sich Unternehmen dynamisch fit halten, sich verändern, um identisch zu bleiben, Wandel auf stabiler Grundlage realisieren (vgl.Maturana, Varela: Baum, S.84, Baecker: Form, S. 35). Strategien werden generiert und implementiert durch Interaktionen, also durch Koordination von Aktionen innerhalb des Unternehmens und zwischen dem Unternehmen und seinem Umfeld, den Stakeholdem seiner Nische.

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Die Muster, nach denen die internen Interaktionen ablaufen, nennen wir die Struktur des Unternehmens (von der der formale Organisationsplan nur ein Aspekt ist). Die Verbindung zwischen der Organisation und ihrer Nische wird als strukturelle Kopplung bezeichnet (Maturana, Varela: Bawn, S. 85 ff.). Das von den Vertretern der Kybernetik zweiter Ordnung sowie der systemtheoretisch orientierten Soziologie überwiegend vertretene Organisationsverständnis geht davon aus, daß externe Signale (Perturbationen) intern zu Informationen verwandelt werden, deren Inhalt durch die aktuelle Form der Struktur bestimmt werden. Das Unternehmen muß externe Veränderungen wahrnehmen, sie verstehen, bewerten und Konsequenzen aus seinen Einsichten ziehen. Organisatorisches Lernen hat nur dann stattgefunden, wenn dieser Prozeß einen Zuwachs an kollektivem Wissen fiir effektives Handel hervorbringt. Eine Vielzahl von Hindernissen können Organisatorisches Lernen blockieren oder verzögern (vgl. Espejo, Schuhrnann, Schwaninger: Transformation). Nicht nur die Fähigkeit i.u lernen bestimmt nämlich seine Qualität, sondern auch das Tempo (Stichworte: Verkürzung der Halbwertszeit des Wissen, die Innovation frißt ihre Kinder, Export von Wissen zur Entwicklung neuer industrieller Regionen und Globalisierung, Informationstechnologie und Netzwerke, Gegenwartsschrwnpfung bei gleichzeitig wachsender Schwierigkeit, Künftiges als Muster zu erkennen und zu prognostizieren). Wenn das Management die Qualität von individuellen und kollektiven Erkenntnissen, Entscheidungen, Handlungen und deren Wirkungen verbessern will dann muß es sich simultan mit zwei Problemkomplexen beschäftigen:

(I) Wie lernen Organisationen (struktureller Kontext)? (2) Was sollen sie für wen und von wem lernen (strategischer Kontext)? 2.1. Der struktureHe Kontext des Lernens: Wie lernen Organisationen?

Der strukturelle Kontext befaßt sich mit begabten Strukturen, also mit konkurrierenden stabilen Mustern von Interaktionen, etwa Hierarchie oder Heterarchie. (Intelligente Organisationen entstehen erst dann, wenn zusätzlich noch das "was" und "von wem" geklärt, also auch das ,,Richtige" gelernt ist). Der strukturelle "IQ" solcher Formen wird definiert als die Fähigkeit, strategisch relevante Eigenschaften zu erwerben, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Solche Eigenschaften sind z.B.:

Responsiv und adaptiv: Sensibilität fiir Chancen und Risiken sowie der erforderlichen Redundanz der Anpassungskapazität Innovativ: Prozeß des Findens, Bewertens und Implementierens neuer Ideen; Fähigkeit zur Produktion und Anwendung neuen Wissens.

Zur Komplementarität von Struktur und Strategie

155

Flexibel: Schnelle Reaktion bei kurzfristigen Stönmgen durch Selbstregulation (Bürokratien sind nicht flexibel, weil der Raum fiir Selbstregulation begrenzt ist, meistens "oben" nachgefragt werden muß). Kommunikativ: Verständnis fiir gelingende Kommunikation in operativ geschlossenen (autopoietischen) Systemen, Tiefgang, Vermittlungsintensität und Konsensfindungsregeln bei wichtigen, vor allem kontroversen, Themen. Ein wichtiger Satz der Systemtheorie ist das Conant-Ashby-Theorem. Es besagt, daß die Effektivität jedes Regulators, also auch des Managements, bestimmt wird von der Qualität des Modells, daß er/es von seiner Aufgabe hat. In komplexen Situationen sind Modelle weder Repräsentationen der Realität noch sind sie algorithmisch auf Ziele zu programmieren. Modelle komplexer Probleme entstehen durch Interaktion der Beteiligten, sind Shared Mental Models (S:MM). Nun kann ein Modell geringer Varietät natürlich nicht diejenigen Zustände unterscheiden, die fiir die Lösung eines Problems mit hoher Varietät erkannt werden müßten.

Solche Varietäts - Lücken entstehen häufig: Als Resultat von handlungsleitenden dogmatischen Ideologien, faulen Kompromissen, Konsens um jeden Preis (Harmonieterror), individueller Ignoranz, kollektiven Vorurteilen, selbst wenn sie von ihren Anhängern mit der Bezeichnung "Theorie" geschmückt werden, des proton pseudos'eines mechanistischen Weltbildes, der Beharnmgskraft liebgewordener paradigmatischer Irrtümer. Lücken entstehen aber auch bei Menschen, die glauben, hervorragende Leistungen als Schriftsteller, Pfarrer, als Jurist oder Ingenieur qualifiziere sie automatisch als ebenso herausragenden Manager. (Lichtenberg:" Wer nichts als Chemie versteht, versteht auch die nicht recht". Das bekannte ,,Peter's Principle" ist ebenfalls ein Beleg dafiir, daß fachliche Kompetenz allein schnell zur Inkompetenz führt, wenn Experten Führungsverantwortung übernehmen. Auch die Desinformationskultur des Fernsehens arbeitet nach dem Schema: Prominenz vor Kompetenz). Um den organisationsgenetischen Code auch nur partiell zu entschlüsseln, um zu verstehen, wie organisatorisches Lernen entsteht, ist ein ,,high variety model" erforderlich. Genau diese Bedingungjedoch erschwert wieder das Verständnis, ermöglicht es, Konzeptlosigkeit als Pragmatismus zu tarnen, zwingt uns unter die Knute der Trivialisienmg von Problemen, macht die Kur oft schlimmer als die Krankheit.(" When you get rid of what you don't want, you do not necessarily get what you do want and moreover you often get something, you want even less". Ackoff: Some notes, S.231 ). Wir befinden uns in einem hermeneutischen Zirkel: Was wir verstehen, hängt von dem ab, was wir bereits wissen; und was wir bereits wissen, wissen wir, weil wir es verstehen. (Vgl. Winograd und Flores: S.308).

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Die Frage einer beabsichtigten Varietätssteigenmg der Struktur kann - bei verkürzter Betrachtung - auf eine Transformation von Hierarchie in Richtung Heterarchie erörtert werden (vgl. Schwaninger: Intelligente Organisationen, S. 3 ff.). Evident ist zunächst, daß in beterarebischen Strukturen die Infonnationsverarbeitungskapazität, und deshalb auch das Selbst-Lenkungspotential, größer ist, als in Hierarchien.

Hierarchien, Lenkung durch Wenige, (hieros = heilig, arche = herrschen; heilige Ordnung, Herrschaft Ein-Geweihter) verlagern die Entscheidungskapazität nach oben, auf wenige, auf ,,Besserwisser" und verkennen, daß auf diese Weise die Lenkungsmacht i.d.R. das erforderliche Lenkungswissen übersteigt. Neben nur unzureichend entwickelbaren strategisch relevanten Eigenschaften, werden Machtspiele, Gleichgültigkeit, innere Emigration, Risikovermeidung (am besten durch Unterlassen unternehmenscher Aktivitäten) gefördert. Heterarchie, Lenkung durch Viele, (heteros = verschieden) verteilt die Entscheidungskompetenz auf eine große Zahl von Gruppen, schafft ,,redundancy of potential command" (McCulloch, Embodiments of Mind), also Reserven an Lenkungskapazität, frei schwebende Intelligenz. Heterarchische Interaktionsmuster sind fiir Adaption, Innovation und Flexibilität unverzichtbar. Im spontanen Netz der besser Informierten und nicht der ,,Besserwisser" kraft Status, Amtes oder Anmaßung, werden die spezifischen Entscheidungen herbeigefiihrt, Kommunikation ersetzt die Anweisung. (Auch die Over-Heads, die "Großkopfeten", verfUgen mit ihrem Gehirn nur über einen 3,5 Pfund schweren elektro-chemischen Computer mit einer 25 Watt Batterie. Beer, Platfonn, S.59. Der Satz, "wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand", ist irrefiihrend: Gott vergibt keine Ämter!) Die Kybernetik II lehrt, daß wir unsere Wirklichkeiten (im Gegensatz zur Realität) konstruieren, indem wir unseren Beobachtungen Bedeutung (Sinn, Wert) zuschreiben. Genau auf diese Weise schaffen wir uns aber auch unsere Fallen: "What theory you use, determines what you look for, and what you look for, ist what you find" (Hanna, S. 68). Die - trotz vielerlei camouflierenden Beiwerks - immer noch dominierende Falle ist die reduktionistische Betrachtung von Organisation als "Triviale Maschine" (v. Foerster: Kausalität, S. 80). Für Wissenschaftler ist die Verfiihrung groß, in der Falle modelltheoretischer Verkürzung zu Lasten der Erkenntnis zu verharren. Ich möchte nur zwei Gründe nennen, die v. Foerster in den Rang von Theoremen erhoben hat.(KybernEthik, s. 161).

Zur Komplementarität von Struktur und Strategie

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"Je tiefer das Problem, das ignoriert wird, desto größer die Chance fiir Ruhm und Erfolg". Ein Problem wird solange verkleinert, in Stücke zerlegt, wegtrivialisiert, bis ein Partikellösbar ist. "Die hard seiencessind erfolgreich, weil sie sich mit den soft problems beschäftigen; die soft seiences haben zu kämpfen, denn sie haben es mit den hard problems zu tun". Auch fiir das verantwortliche Management ist die Strategie schwierig, an Münchhausens Zopf die Falle der Hierarchie zu verlassen. Heterarchie anzustreben bedeutet nämlich, sich auf ein hochriskantes Experiment einzulassen. Zusätzliche Varietät, und damit Unsicherheit, muß gezielt generiert und gestattet werden, wo doch bisher die Qualität von Organisationen vor allem an ihrer Fähigkeit, Unsicherheit zu absorbieren, berechenbar zu sein (eben wie eine triviale Maschine!) gemessen wurde (vgl. Baecker: Form, S.l4 ff.). Wer entscheidet im Laufe des Transformationsprozesses darüber, was Heterarchie oder was Anarchie ist, was als neue Ordnung oder als Chaos zu gelten hat, wer Quer-Denker ist und wer Quer-rulant? Kann Heterarchie bewußt herbeigefUhrt werden? Ein Laisser-faire von Selbstorganisation hätte mit chaotischen Intervallen zu rechnen, mit der Gefahr des reaktionären Rückzuges von der interaktiv ausgehandelten Arbeitsteilung des Netzwerkes, auf die hierarchisch festgelegte; der Re-Substitution von Regelung durch Reglementierung, der Flucht vor der riskanten Autonomie zurück in die Sicherheit bürokratischer Befehlsketten, die vorher als Fesseln empfunden wurden. (Die jüngste deutsche Geschichte liefert eine Vielzahl von Beispielen). Im Unternehmen besteht gleichzeitig Furcht, die Kontrolle zu verlieren und Angst, Verantwortung zu übernehmen. Das Management der lernenden Organisation steht also permanent vor einem sehr schwierigen Abwägungsprozeß: In komplexer Umgebung sind Wirklichkeiten stets subjektive Konstruktionen, also kontingent (auch anders möglich), so daß ein Zuwachs an Autonomie (Freiheit) die Ordnung zerstören kann und der Wunsch nach mehr Ordnung, die Autonomie zu erdrücken vermag. Die Schlußfolgerung kann also nur lauten: Organisatorischer Wandel braucht Design:. Die subjektiven Sichtweisen des Managements müssen sich argwnentativ bewähren an einem logischen Modell von notwendigen und hinreichenden Bedingungen effektiver Organisation (nicht an einem optimalen Organisationsmodell oder Organisationsplan!), das auch eine semantische Ordnung anbietet fiir Diskussionen mit organisatorischer Kompetenz. Ein solches Modell ist eine

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Heuristik, ist Agenda, Sprache lllld Grammatik fiir die Gestaltllllgsaufgabe des Managements in einem Shared-Mental-Model-Prozeß (SSM). Als Resultat dieses SMM-Prozesses ist das Soll-Modell der künftigen Organisation (Vision, Fernbild) zu erwarten sowie ein Modell des Transformatiosprozesses, "wie kommt das Unternehmen möglichst störllllgsfrei vom Ist zum Soll". Die systemische Reife der Organisation (die Auffass\lllgsgabe der Struktur lllld ihre Begabllllg) wird beschleunigt, wenn eine Vielzahl ihrer Mitglieder einbezogen werden, mit ihnen über die Funktionsweise effektiver Organisationen diskutiert wird, weil solche Kenntnisse lllld das Verständnis erfolgreicher Varietätsbilanzierllllg die Chance konformer Interpretation erhöht. Andernfalls ist das Risiko groß, daß die llllterschiedlichen fachlichen, kulturellen lllld interessenbedingten Sichtweisen der Beteiligten zu einem pseudodemokratischen Palaver ohne ausreichende Orientierllllg führen, mit autokratischem Abschluß. Dies wäre ein völlig llllgeeigneter lllld llllglaubwürdiger Startschuß fiir einen Strukturwandel zu mehr Autonomie. Auf Einzelheiten eine solchen Modells kann ich an dieser Stelle nicht eingehen. Ich bin allerdings überzeugt, daß das "Viable System Model" (VSM) von Stafford Beer das am gründlichsten erforschte lllld erprobte Modell ist, geeignet, als ,,Platform for Change" lllld fiir das Design von Autonomie.(vgl. Beer: Brain; Heart; Diagnosing). Viable ist eine Organisation dann, wenn sie dauerhaft ihre Identität (Existenz) erhalten kann, indem sie sich ändert.

Die wesentlichen Konstruktionsmerkmale des VSM sind: Die Prinzipien der Rekursivität und der Autonomie, das heißt der logischen Schichtllllg von Subsystemen, mit Eigenschaften, die ihre Autonomie sichern. Bedingllllg fiir Autonomie ist das Vorhandensein von Managementfunktionen ausreichender Varietät fiir normative, strategische, operative lllld koordinative Handlllllgsaspekte, lllld zwar auf jeder Unternehmensebene. Die Beachtllllg der vier Prinzipien der Organisation (vgl.Espejo lllld Harnden: VSM, S. 33). Normative, strategische lllld operative Entscheidllllgs - Aspekte stehen in einem logischen Vorsteuerllllgsverblllld. So impliziert z.B. das normative Postulat "Sollen" ein strategisch entwickeltes lllld operativ durchführbares ,,Können" (vgl. Schuhrnann, Informationsmanagement, S. 29 ff.). Dieses ,,Brückenprinzip" (vgl. Albert: Traktat, S. 91 ff.) entlarvt so manchen gutgemeinten Reorganisations- oder Reformplan (nicht nur in Wirtschaftsllllternehmen) als dilettantisch oder die Gesinnungsethik eines aufgeregten Betroffenheitswahns, im Falle des Scheiterns, als Effekthascherei.

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Mängel im Gefiige der Organisation im Vergleich zu den logischen Notwendigkeiten des VSM signalisieren die Entwicklungsrichtung oder das GefährdungspotentiaL Hier hat der Sl'v1M-Prozeß fiir die Strukturverändenmg anzusetzen. 2.2. Der inhaltliche Kontext des Lernens: Rekursive Formulierung und Implementierung von Strategien

Manager sind Spezialisten fiir Integration, vor allem von Interessen, müssen Thre Aufgaben ganzheitlich betrachten und dürfen nicht bei der Frage verharren: "wie lernen Organisationen". Strategien werden in Strukturen generiert und realisiert. " All organizations are perfectly designed to get the results they get!"(Hanna,S.l88). Bürokratische Strukturen erzeugen bürokratische Lösungen; TQM ist ein gutes Beispiel fiir die Gültigkeit dieses Satzes. Strategien müssen Konzepte entwickeln, die sich mit dem "was", "fiir wen" und "von wem" des Lernens befassen.

Was ist zu lernen: Welche individuellen fachlichen Kenntnisse (z.B. als Chemiker, Betriebswirt, Schlosser, Schichtarbeiter, Manager) und welche kollektiven Fähigkeiten (z.B. Kompetenz in bestimmten Technologien, Marketing oder Logistik) sind erforderlich, um im dynamischen Umfeld des Unternehmens Effektivität und Effizienz mit Präferenz gegenüber dem Wettbewerb zu erzielen. Die Leeformel, ,,Das Richtige richtig tun, um aus weniger mehr zu machen, Werte zu schaffen", muß mit Inhalt gefiillt werden. Für wen ist zu lernen: Der archimedische Punkt ist zwar das aktuelle und künftige Kundenproblem; denn die Kunden sind die Arbeitgeber des Unternehmens! Aber auch die strukturelle Kopplung mit den anderen Stakeholdern, wie Kapitalmärkten, den Mitarbeitern, den durch Medien verstärkten oder erst erzeugten Zeitgeist-Fordenmgen der Öffentlichkeit, muß beachtet werden. Von wem ist zu lernen: Hier sind z. B. die externen Netzwerke der Wissensproduktion und Wissensvermittlung zu prüfen, etwa Schulen und Hochschulen. Sind Universitäten lernende Organisationen, genügt die Qualität der Ausgebildeten, sind Hochschulen nur deshalb viabei oder gar "unsterblich", wie die FAZ meint, weil sie auch nach tödlicher Kritik an ihrer Effektivität weiterleben, als sei nichts geschehen? (FAZ, Leitartikel vom 11.10.1995). Was leistet die Wissenschaft der Gesellschaft und was "leistet" sich die Gesellschaft mit der Wissenschaft? Hochschulpolitik, Technikfeindlicheit, öffentliche Blockaden der Gentechnologie, zuweilen an Hysterie grenzende Ökochondrie sind einige Stichworte fiir die innovativen Charakteristika im Umfeld deutscher Unternehmen. Weitere wichtige Wissensquellen können durch BenchmarkingAktivitäten oder durch Auswertung der Patentliteratur erschlossen werden.

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In vielen strategischen Konzepten wird die notwendige rekursive Arbeitsteilung und simultane Kopplung der verschiedenen Strategieebenen im Unternehmen nur unpräzise beschrieben, Strategien werden vom strukturellen Kontext isoliert (oder noch naiver, als Aufgabe der obersten Unternehmensebene proklamiert).

Ich möchte auf zwei noch relativ neue strategische Handlungsempfehlungen eingehen, das Konzept der Kernkompetenzen (KK) und den Shareholder Value Ansatz (SV). Herausarbeiten möchte ich vor allem, daß in der Praxis diese Überlegungen nur unter zwei Bedingungen Nutzen stiften können: In Verbindung mit einer geeigneten Struktur sowie einem mit Struktur und Strategie homologen Informationssystem. (Beer hat ein solches Informationssystem mit Namen "Cyber-Syn" entwickelt. Vgl. Beer: Heart, S. 499 ff.; Schuhmann: Informationsmanagement, S. 100 ff.; Espejo, Schuhmann, Schwaninger: Transformation). Konzentrieren möchte ich mich auf die Aufgaben der Unternehmensleitung. Die Zentrale hat diejenigen strategischen Aufgaben zu erfiillen, die für das Unternehmen notwendig sind, aber von den Geschäftsbereichen (GB) oder Business Units (BU) nicht wahrgenommen werden können, etwa -

Schaffen von Synergien zwischen bestehenden Geschäftsfeldern sowie Strukturierung des Unternehmensportfolios,

-

Aufbau, Pflegen und Entwickeln von Kernkompetenzen,

-

Lenkung der nachgelagerten Ebene (z.B. GB) auf anspruchsvolle Ziele. 2.2.1. Das Management von Kernkompetenzen

Die Diskussion über das strategische Management wurde lange beherrscht vom structure-conduct-performance-Paradigma: Die Analyse der Marktdynamik eines bestimmten Geschäftes und der relativen Wettbewerbsposition der BU eines Unternehmens (structure) bestimmt die Auswahl der Strategien (z.B. Kostenfiihrerschaft, Differenzierung) sowie das strategische Verhalten (conduct), durch das der gewünschte Erfolg (performance) erreichbar erscheint. Produkt-Markt-Strategie im Wettbewerb von Produkt zu Produkt mit Vorteilsgewinn aus der relativen Position (gemessen z.B. am Marktanteil) sollte aber in großen Unternehmen Aufgabe von autonomen BUs oder GBs. sein, und nicht ein Arbeitsschwerpunkt der zentralen Leitung. Wenn jedoch die Entwicklungszeiten immer länger und die Produktzyklen immer kürzer werden, dann gewinnt die Frage an Bedeutung:

Zur Komplementarität von Struktur und Strategie

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Welche Wissensbestände und Fähigkeiten sind in den verschiedenen Einheiten vorhanden, die zu einem strategischen Vorteil des Gesamtunternehmens fusioniert werden können? Die Qualität solcher Potentiale erhöht sich, sofern -

sie auf der Ebene des Unternehmens zu spezifischen Kompetenzen vernetzt werden,

-

aus diesen Kompetenzen in den Einheiten neue Produkte abgeleitet oder alte mit verbesserter Qualität und Effizienz produziert werden,

-

neue Kompetenzen entwickelt,

-

neue Wettbewerbsarenen (Wettbewerb zwischen Unternehmen) betreten werden können.

Anders ausgedrückt: Eine Strategie der Kernkompetenzen der Zentrale muß zunächst klären, welche Fähigkeiten und Erfolgspotentiale in den verschiedenen GBs oder BUs existieren, die durch die Autonomiegarantie oder durch isolierendes Verhalten dieser Einheiten getreMt, durch Rationalisierung oder Restrukturierung evtl. sogar gefährdet sind, obwohl sie durch entsprechende Bündelung (das Problem ist wie?) positive Wirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Ertragskraft des Unternehmens haben könnten. Das KK - im wesentlichen entwickelt von Harnet und Prahalad - (Hamel, Ga-

ry und Prahalad,C.K.: Competing for the future, Harvard Business School

Press, Boston/Massachusetts 1994) versucht Antworten auf diese Fragen zu geben. KK haben folgende charakteristische Merkmale: -

Sie sind kumulativ aus organisatorischen Lernprozessen entstanden,

-

sie können nicht einfach imitiert oder auf andere Firmen übertragen werden,

-

sie generieren Kundennutzen und fiihren aus Kundensicht zu Wettbewerbsvorteilen,

Als Beispiele fiir KK nennen die beiden Autoren: -

KK der Firma Canon auf den Gebieten Optik, Bildverarbeitung und Steuerung mit Mikroprozessoren haben es ermöglicht, scheinbar so heterogene Märkte wie Kopierer, Laserdrucker, Kameras und Bildscanner zu erschließen.

-

Sony's Fähigkeiten zur Miniaturisierung fiihrten zum Walkman, zum portable CD-Player und zum Pocket-TV.

-

KK haben eine weit längere Entwicklungs- und Nutzungszeit als Produkte. Toyota's Kompetenz zu "lean production", nämlich Autos simultan von hoher Qualität und trotzdem preiswert zu produzieren, hat sich in einem Zeitraum von ca. 40 Jahren entwickelt. JVC benötigte 20 Jahre,

II GWS-Tagung 1995

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um breite Kompetenz fiir verschiedene Anwendungen der VideoTechnologie zu entwickeln (vgl. Harnet und Prahalad: Competing, S. 12 und S.200). Ähnlich wie die handlungsleitenden Vorsteuerungssequenzen von normativem, strategischen und operativen Management sind KK das inhaltliche Vorsteuerungspotential von Produkten. Weitgehend unbeachtet bleibt in der Literatur über KK der komplementäre Zusammenhang von Struktur und Strategie als Erfolgsbedingung. Das Management des Kompetenz-Portfolios ist eine notwendige Ergänzung der strategischen Aufgaben der Unternehmensleitung zwn bisherigen überwiegenden Fokus auf Produkt-Markt-Kombinationen. KK konzentrieren Managementkapazität auf das latente (abwesend anwesende) Netzwerk strategisch relevanten Wissens, dessen Nutzung und Weiterentwicklung. Wissen, Fähigkeiten und entsprechende Ressourcen sind im Unternehmen in seinen bestehenden Einheiten verteilt und i.d.R. nach den Kriterien ,,MarktProdukt-Technologie" oder sogar nur funktional organisatorisch fixiert. Die Kombination dieser deshalb oft isolierten Wissenselemente zur wirkungsvollen Kompetenzen (Menschen, Ressourcen) benötigt effektives Design: Die logische Architektur des VSM und die daraus entwickelte "Cybernetic Methodology" (vgl. Espejo, Schuhmann, Schwaninger: Transformation) liefern ein strukturelles Konzept fiir diese Aufgabe. KK sind weit mehr als Wissensbibliotheken oder Expertensysteme. Sie sind Resultate des ,,Brain of the Firm" (Beer), immaterieller Output einer erfolgreichen Strategie der zentralen Unternehmensleitung und ihres Zusammenwirkens mit den nachgelagerten Unternehmenseinheiten. Das KK-Konzept unterstreicht die Notwendigkeit von Redundanz, von frei schwebender Intelligenz, wenn viabilty gesichert werden soll: So können zwn Beispiel Experten filr die Prozeßsteuerung von Maschinen auf der Grundlage der fuzzy logic aus einer BU, in Zusammenarbeit mit Fachleuten filr Produktionslogi-

stik aus anderen BUs des Unternehmens und Computerexperten aus seiner zentralen Abteilung nicht zu einem Netzwerk "verbesserter Kundenservice" als Nukleus fiir eine künftige KK des Unternehmens zusammengeschaltet werden, wenn sie in ihren jeweiligen Abteilungen voll ausgelastet sind oder in entsprechenden Projekten keine Karrierechancen sehen. In starren hierarchischen Ordnungsgefogen lassen sich unternehmenspezifische KK mit Wettbewerbsvorteil kaum aufbauen und weiterentwickeln, weil -

Fähigkeiten und die entsprechenden Ressourcen als "lokales Eigentum" betrachtet werden,

Zur Komplementarität von Struktur und Strategie

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-

Synergietransfer vorhandener Fähigkeiten als Zeitverschwendtmg tmd Kostenbelastung empfunden wird (Synergievermeidtmg),

-

dominierende Effizienzorientiertmg jede Expertenkapazität, die über den Eigenbedarf der betreffenden Einheit hinaus dimensioniert ist, als überflüssig abbaut (lean =Magersucht+ Effizienzparanoia).

Heterarchien mit fluktuierenden, konzeptfixierten Koppltmgen (z.B. Projekte mit VSM-Struktur) sind Voraussetztmgen fiir KK. Kapazitätsanteile der fachlichen Expertise von Menschen, die in den verschiedenen BUs eines Unternehmens Produkte entwickeln, produzieren oder vertreiben oder in internen Dienstleistungsabteiltmgen (Logistik, Analytik) mit speziellem Know-How tmd Einrichtungen tätig sind, müssen zu einem kommunikativen Netzwerk gekoppelt werden, mit eigener, Identität stiftender Aufgabe (Task): ,,Produktion tmd Nutztmg bestimmten Wissens". Dieses Netzwerk ist aber nur viabe/, wenn es (1) eine rekursive Struktur hat, (2) die logischen Vorsteuertmgssequenzen beachtet, sowie (3) über Redtmdanz verfUgt, sofern andere wichtige Aufgaben der beteiligten Wissensträger (z.B. die Entwickltmg neuer Produkttypen fiir eine bestimmte BU) nicht vernachlässigt werden sollen. Die verantwortliche Ebene fiir die rekursive Entwickltmg tmd Entfaltung von KK ist die zentrale Unternehmensleitung. Sie schafft das Potential, das inhaltlich umfassender tmd zeitlich längerfristiger ist als das der P+M-Kombinationen Sie muß die Frage beantworteten: Welche Faktoren steuern die Erfolgsfaktoren auf der Produkt-Markt-Ebene vor, tmd wie muß dieses Einflußnetz im Unternehmen organisiert werden. Damit sind wir der Erkenntnis ein wichtiges Stück nähergekommen, daß hinter dem Portfolio von KK wieder andere Ursachen wirken müssen, nämlich die rekursiven, begabten Strukturen der lernenden Organisation.

))•

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Ökonomische Lebensfihigkrit: Gleichgerichtete Gestaltung, Lenkung und Entwicklung begabter Strukturen mit effektivem strategischem Wissen zu intelligent agierenden Organisationen Ziel: Wertesteigerung durch dynamische Reproduktion durch Zahlune:sfihie:krit Aufaabeneb«nen Unkmehmen (Ztatrale)

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Vemdz~!~r:.~:::~s::~ ~~~n:hie mll AEa+LKa

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Autonome Einheiten (AE) mit erforderilcher Lellkunc,.. Kapuldt (LK) für aonnatJw, ltratfCischt, operative und koordinat.lw Ha•dluacaupekte Vonce.truap~equenz

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Vernetzte Stratecien (Inhalte):

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Indirekt: Manaatment der CBs Direkt: Rntrukwrleruna det

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Abb. 1: Ökonomische Lebensfähigkeit

Somit läßt sich die Logik der Lebensfähigkeit von Unternehmen, als Gestaltungs- und Entwicklungsaufgabe des Managements, zusammenfassen: Rekursive Strukturen verbessern individuelles Lernen und individuelle Fähigkeiten (Motivation, Spielraum fiir Handeln), sie fördern organisatorisches Lernen und den Aufbau von KK, die Wettbewerbsvorteile langfristig stabilisieren können und die über wettbewerbsfähige Produkte transformierbar sind in Werte, die "viability beyond survival"(Schwaninger) wahrscheinlicher machen. Bei integrierter Betrachtung des vernetzten Zusammenwirkens von Struktur und Strategie wird auch deutlich, daß die Strategie des Unternehmens aus verschiedenen Komponenten besteht: Aus der Strategie der Zentralen, z. B. KK, Portfolio - Restrukturierung, organisatorische Transformation, aus dem intendierten, rekursiv struktuierten, strategischen ManagementProzeß (als Kommunikations - Prozeß mit anderen autonomen Einheiten), der die Rahmenbedingungen aus der Sicht der nächst höheren Rekursionsebene formuliert und einen Ziel - Mittel - Verantwortungs - Anreiz - Kreislauf, ein shared stability model (oder shared regulatory model) schafft, sowie

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-

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aus den Teilstrategien der autonomen Einheiten, die sich - aus der Sicht der zentrale Leitung (bzw. der nächsthöheren Ebene) - selbstorganisatorisch, emergent entfalten (dafür haben diese Einheiten ja die erforderliche Varietät, da sie autonom und so weit wie möglich autark sind). 2.2.2. Der Shareholder Value Ansatz (SV)

Der SV erweckt zunächst den Eindruck, ein recht simples Konzept zu sein: ,,Erfülle die Erwartungen der Aktionäre auf höhere Dividenden und/oder Kurssteigerungen besser als andere Unternehmen, dadurch, daß diese Erwartungen zum generellen Ziel organisatorischen Handeins kultiviert werden". Zwei Problemschwerpunkte des SV werden mit unterschiedlicher Intensität und meist getrennt bearbeitet: -

Finanzwirtschaftliche (meist fmanztechnische) Fragen,

-

Fragen der Gestaltung und Lenkung von Unternehmen mit dem Ziel, fiir die Aktionäre attraktiver zu sein als andere Unternehmen.

Bisher galt das überwiegende Interesse den finanzwirtschaftliehen Problemen des SV, z. B: Sind Börsenkurse, die wie alle Preise häufig kurzfristig oszillieren und nur schwer zu prognostizieren sind, geeignete Orientierungsgrößen fiir das Unternehmen? Wie kann der Börsenkurswert in einen kompatiblen Unternehmenswert transformiert werden, der sich dann weiter differenziert etwa in den Wert von GBs, BUs, SGEs, Projekte? Wie werden cash-flows ermittelt, nach welchen Kriterien der Kalkulationszinsatz bestimmt? Diese Thematik möchte ich nicht behandeln. Natürlich mag es interessant sein, die verschiedenen Einflüsse und deren vernetzte Wirkungen zu entschlüsseln, die schließlich zu einem bestimmten Kurs fiihren (Ich glaube allerdings nicht, daß das jemals zufriedenstellend gelingen kann, weil auch der Börsenkurs nicht deroutputeiner trivialen Maschine ist). Als Kybernetiker wissen wir aber, daß es nicht notwendig ist in die "black box" zu schlüpfen, um ihre interne Funktionsweise zu verstehen. Für die Lenkung von Unternehmen wichtiger ist nämlich die Eigenschaft des Börsenkurses als beobachterabhängiges dynamische Signal der ökonomischen Lebensfiihigkeit des Unternehmens, und zwar mit globaler Reichweite: Von New York bis London und von Tokyo bis Frankfurt. Auf einige Aspekte des strategischen Managements komplexer Organisationen auf der Grundlage des SV möchte ich eingehen. Ein wichtiges Lernhindernis in Organisationen ist "ambigious learning": Die Organisation verfiigt zwar über ein SMM fiir die Problemlösung, aber der control-loop ist nicht geschlossen, Erfolg oder Mißerfolg werden nicht gemes-

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Wemer Schuhmann

sen. (Vgl. die ausfUhrliehe Darstellung von organisatorischen Lernhindernissen und ihrer Überwindung in: Espejo, Schuhmann, Schwaninger: Transformation). Es ist zwar eine Alltagserfahrung, daß kollektiv meist nur dann zielgerichtet gehandelt wird, wenn die Resultate gemessen werden (,.Only what gets measured gets done!"). Nur: Welche Organisation mißt ihre Effektivitätsfaktoren (z.B. Kundenzufriedenheit, Innovationsrate) schon direkt und in ausreichenden zeitlichen Intervallen, ordnet sie intern rekursiv den autonomen Einheiten zu und verbindet sie vertikal zu einem inhaltlichen Wirkungsgefiige (Auflösungskegel oder Auflösungsteleskop; vgl. Schuhmann: Informationsmanagement, S. 76 ff., und Rekursives Lernen, S. 250 ff.)? Um "ambigious (non)learning" zu verhindern, muß das Management jeder Unternehmensebene unterscheiden zwischen

Handlungsleitenden Orientierungsgrößen, jeweils wieder unterschiedlich fiir normative, strategische und operative Entscheidungsaspekte, sowie einem Meßsystem (lnformationssystem) fiir die Resultate der Entscheidungen, die aufgrundder gewählten Orientierungengetroffen wurden. Zu differenzieren ist in einem solchen IS nach den externen Signalen der Stakeholder (etwa der Kunden oder Aktionäre) und der internen Interpretation durch die aktuellen "Innenmodelle der Außenwelt", über die die Mitglieder der Organisation verfUgen. Das SV -Konzept ist ein systemisch geeignetes Meßverfahren, weil es -

die Unternehmen mit wichtigen (algedonischen) Umfeld-Signalen versorgt, und zwar sowohl fiir die

-

direkten Aufgaben der Unternehmungsleitung (Bilanzierung der Interessen der Stakeholder), als auch fiir die

-

Lenkungsaufgabe der nachgeordneten Ebene. Der Unternehmenswert kann in entsprechende Unterkomponenten (Barwert eines GB, einer BU oder SGE, eines Investitionsprojektes) gegliedert und auf diese Weise Bestandteil der shared regulatory models und homologer IS (zur Kontrolle von Zielvereinbarungen und zur Bewertung von Alternativen) werden.

Zu (1) Algedonische externe Signale Die Auffassung von sozialen Organisationen als strukturdeterminierten Systemen mit rekursivem Aufbau, zwingt uns die Frage zu klären: Welche Art von externen Signalen haben am ehesten die Chance, intern erkannt (gehört und

Zur Komplementarität von Struktur und Strategie

167

interpretiert) und zu handlungsleitenden Informationen (organisatorischem Lernen!) transformiert zu werden? Operativ geschlossene (strukturdetenninierte) Systeme sind von spezifischer Blindheit, eigen-sinnig, erscheinen manchmal bösartig, gehorchen am liebsten ihrer inneren, selbstsüchtigen Stimme und Stimmung. In Bewegung geraten sie häufig erst, wenn sie die Rückwirkungen auf die Auswirkungen ihres Verhaltens in einer Form signalisiert bekommen, die algedonisch wirkt (algos =Schmerz und hedos = Wohlbefmden; vgl. Beer: Beyond Dispute, S.36 ff.). Die Mitglieder der Organisation (die internen Beobachter, als potentiell Betroffene) bequemen sich dann manchmal, ihr durch die bestehende Struktur definiertes Innen -Modell der Außenwelt zu überprüfen oder zu ändern und dadurch auch ihre innere Struktur anzupassen.(Das ist der Grund für die häufig beschworene Energie, die durch Krisen oder die Motivation, die durch große, gemeinsame Ziele freigesetzt wird).

Algedonische Resonanz auf externe Signale, die durch die jeweils dafür systemisch ausgestatteten autonomen Einheiten, gehört, verstanden, durch Aktionen verarbeitet und - wenn erforderlich - in shared regulatory models verankert wird, liefert die wesentliche Zielinformation und kinetische Energie für organisatorisches Lernen. Zu (2) Bilanzierung der Stakeholder- Interessen Der Börsenkurs ist ein solches algedonisches Signal. Freilich genügt es nicht, strategischen Handeln ausschließlich am Interesse der Aktionäre zu orientieren. Strategien sollen Wege zeigen, wie ein Unternehmen Werte generiert, die es für alle Stakeholder attraktiver machen, als es die Konkurrenten sind oder erwarten lassen. Nutzen und Nutzenerwartungen der Anspruchsgruppen sind allerdings unterschiedlich, interessenbedingt subjektiv und aus der Sicht des Unternehmens fast immer widersprüchlich. Stakeholder haben zudem meist die Möglichkeit, sich bei ihren Entscheidungen auch an anderen Optionen zu orientieren: Aktionäre an den Dividenden- oder Kurserwartungen von anderen Unternehmen, Kunden und Personal an den Angeboten anderer Finnen. Sofern es dazu die Freiheit hat, muß das Management also zunächst entscheiden, wie der Cash-ÜberschuB zu verwenden (verteilen) ist: Etwa als Dividende für die Aktionäre, als zusätzlicher Bonus für die Belegschaft oder als Investition in die Zukunftsfiihigkeit des Unternehmens in Form besonders innovativer (und deshalb auch besonders riskanter) Projekte. Innerhalb des Unternehmens muß also das Management Entscheidungen über Verteilungen treffen, für die in der Volkswirtschaft (extern) Marktmechanismen tätig werden (Vgl. Baecker: Form, S.166). Erst ex post, erhält es Signa-

168

Wemer Schuhmann

le, die solche Entscheidungen qualifizieren (wiederwn: extern erfiillen Preissignale diese Aufgabe). Das Unternehmen kann zunächst nur einen Vektor der Effektivität (Produkte, Dividenden, Gehälter, vom Zeitgeist gefordertes Wohlverhalten) anbieten! Die Antworten auf dieses Angebot werden aber letztlich gegeben durch die Stakeholder auf der Basis von Unterscheidungen, die zur ihren Entscheidungen führen: Die Anworten der Kunden sind Aufträge, die Reaktion der Kapitalmärkte sind Börsenkurse oder das Rating bei den Banken, die Antwort der Arbeitsmärkte sind Streiks, Bewerbung qualifizierter Mitarbeiter, das Verhalten der im Unternehmen Beschäftigten schwankt zwischen Kündigung, innerer Emigration oder hoher Motivation. Es ist also fiir jede Organisation lebensnotwendig, die Resultate der Beobachtungen der externen Beobachter (um in der Terminologie der Kybernetik II zu sprechen) zu beobachten und zu beachten. Unternehmen müssen - im Gegensatz zu vielen anderen Organisationen - ihre Lebensfiihigkeit letztlich mit einem ökonomischen Maßstab messen. Sie müssen permanent cashflows in einer Höhe und mit einem extern (von Anlegern) zugewiesenen Risiko erwirtschaften und erwarten lassen, die es fiir Investoren attraktiv machen und durch Kreditwürdigkeit honoriert werden. Viele Zeitgenossen wollen das zwar nicht wahrhaben: Aber diese externe Bewertung der ökonomischen Lebensfähigkeit bestätigt (oder nicht) die intern praktizierte strategische Logik fiir viability, also die absichtsvollen Lenkung von Struktur und Strategie auf der Grundlage bestimmter normativer, strategischer und operativer Orientierungsgrößen. Viability bedeutet ökonomisch dynamische Reproduktion von Zahlungsfähigkeit (ökonomische Autopoiese). Der Verlust dieser Fähigkeit verweist indes auf das Gegenteil, das Ende, den Tod des Unternehmens. Zu (3) Rekursive Lenkung der ökonomischen Lebensfähigkeit

Die verschiedenen strategischen Ebenen im Unternehmen müssen permanent nach externen algedonischen Signalen suchen. Für BUs können das die Beobachtung der Marktanteilsentwicklungen oder die Ergebnisse von Renelunarking - Aktvitäten sein. Für die strategische Orientierung der Unternehmensleitung ist der Börsenkurs, auch in seiner Relation zur Entwicklung bei anderen Unternehmen ein solches Signal von vitaler Bedeutung. Aus diesem Signal muß die Zentrale Schlußfolgerungen ziehen, (1) fiir ihre direkten Aufgaben: Verteilung von Cash-Überschüssen auf die Stakeholder, die Gestaltung des Unternelunensportfolios, des Schaffens und der Pflege von KK.

Zur Komplementarität von Struktur und Strategie

169

(2) für ihre Lenkungsaufgaben : Aufnahme der Value-Driver in die shared regulatory models im Rahmen der Ziel-Mittel-Verantwortungs-lncentiveVereinbarungen (Cyberlogik:ein IS auf der Grundlage des VSM) mit der nächsten Untemehmensebene. Die Glaubwürdigkeit der Unternehmensleitung bei der Praktizierung des SV hängt davon ab, ob ihr bei den Stakeholdem der Nachweis gelingt, effektive Strukturen zur Generierung effektiver Strategien im Unternehmen entwickelt zu haben und zu pflegen sowie leadership in Richtung auf eine dynamische Vision zu praktizieren. Kurzfristige Schwankungen des Börsenkurses dürften dann kaum zu langfristigen Irritationen an den Kapitalmärkten des Unternehmens fiihren.

3. Zusammenfassung Effektive und effiziente Lenkung und Entwicklung von Unternehmen basiert also auf folgender integraler Logik: Ökonomische Lebensfähigkeit bedeutet die Kombination von begabten Strukturen mit effektivem strategischen Wissen zu intelligenten Organisationen mit dem Ziel, dynamischer Reproduktion von Zahlungsfähigkeit sowie der Steigerung des Untermenswertes als Resultat. Ökonomische Lebensfähigkeit wird wahrscheinlicher, -

wenn Struktur und Strategie (Inhalte) organisatorischer Aufgaben rekursiv gekoppelt sind,

-

wenn alle Ebenen des Unternehmens über die autonotnie - relevanten Managementfunktionen (normativ, strategisch, operativ und koordinativ) in erforderlichen Varietät verfugen,

-

wenn das Meta-Verhältnis (die Vorsteuerungslogik) ebenso beachtet wird wie die Autonomie (mit korrespondierender Autarkie) und

-

wenn die Resultate von Struktur und Strategie von den Stakeholdem als effektive Resonanz auf ihre Interessen bewertet werden.

Wemer Schuhmann

170

Literatur Ackoff, Russel, L.: Some Notes on a Working Visit to South Africa, in: Systems Practice, Vol.5, 1992, S.231 ff. Albert, Hans: Traktat über kritische Vernunft, J. C. B. Mohr, Tübingen, 1991. Baecker, Dirk: Die Form des Unternehmens, Suhrkamp, Frankfurt, 1993. Beer, Stafford: Platform for Change, John Wiley, Chichester, 1972. (Auch die folgenden Publikationen von Stafford Beer erschienen bei Wiley). -

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Hamel, Gary u. Prahalad, C.K.: Competing for the Future, Harvard Business School Press, Boston, Mass., 1994. Hanna, David, P.: Designing Organizations for High Performance, Addison-Wesley, Reading, Mass., 1988. Luhmann, Niklas: Soziologische Aufklärung 3, Westdeutscher Verlag, Opladen, 1981. Maturana, Umberto, R. u. Varela, Francisco, J.: Der Baum der Erkenntnis, Scherz, Bem, 2. Aufl. 1987. McCul/och, Warren: Embodiments ofMind, Cambridge, Mass., Reprint 1989. Schuhmann, Wemer: Informations- Management. Unternehmensführung und Informationssysteme aus systemtheoretischer Sicht, Campus, Frankfurt, 1991.

Zur Komplementarität von Struktur und Strategie -

171

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Schwaninger, Markus: Die intelligente Organisation als lebensfähige Heterarchie. Institut ftir Betriebswirtschaft, Hochschule St. Gallen, 1995. Winograd, Terry, Flores, Femando: Erkenntnis Maschinen Verstehen, Rotbuch Verlag, Berlin, 1989.

Zur Anwendbarkeit der Lernkurventheorie in der quantitativen Beschreibung von Lernerfolgen in Organisationen Von Günter Altrogge1

"Lernende Organisationen wurden zu einem zentralen Thema der amerikanischen Managementliteratur, Wld die Frage, wie die Lernfähigkeit erhöht werden kann, wurde mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht" .2 Zweifelsohne stehen lernende Organisationen im Blickpunkt vielfältiger Überlegungen, die Frage nach den Zielsetzungen liegt auf der Hand. Ob die genannte Lernfähigkeit oder das Lernen als solche (Formal-) Ziel einer UntemehmWlg oder generell einer Organisation sein können, muß wohl bezweifelt werden. Überlegungen zur MessWlg einer ZielerreichWlg sind überlagert durch die Frage, welches denn die Ziele sind Wld noch schwieriger, ob überhaupt Ziele konkret genug formuliert oder verfolgt werden. Es ist vielleicht Wlgewöhnlich, liegt aber auf der Hand, die altbekannte Lernkurventheorie darauf abzuklopfen, ob sie zur MessWlg von Lernerfolgen in Organisationen geeignet ist. Da die Theorie der Lernkurven relativ heterogen ist, muß ZWlächst umfassend hinterfragt werden, was eine solche Theorie eigentlich im Kern ist, was sie wirklich leisten kann in der MessWlg. Anschließend ist das Lernen in Organisationen genauer zu beleuchten insbesondere im Hinblick auf verfolgte Ziele Wld die MessWlg einer ZielerreichWlg. Schließlich ist nach Kongruenzen zwischen Lernkurven Wld lernenden Organisationen zu fragen.

Dr. Gilnter Altrogge, Universität Harnburg Mandl, Chr.: PPS und die lernende Organisation. In: io Management Zeitschrift 64 (1995) Nr. 7/8, S. 86. 1 Prof.

2

174

Günter Alttogge

1. Die klassische Lernkurventheorie 1.1. Zur Entstehung zwischen Praxis und nachlaufender Theorie

An hochtrabender UmschreibWlg Wld aggressiver Vermarktung mangelt es in der mehr als wnfangreichen Literatur wirklich nicht: "Das Lerngesetz der industriellen Produktion"3 beschreibe Gesetzmäßigkeiten generell der industriellen Produktion, wobei man vielerorts dem wichtigen Lernparameter entweder speziell für die Flugzeugindustrie oder für die Industrie insgesamt einen "gesetzmäßigen" Wert beimißt mit einer Lernrate von 80%. Bei einer solchen 80%Lemkurve sinkt der sogenannte Arbeitsaufwand auf 80% bei VerdoppelWlg des Gesamtoutputs. Das Lerngesetz sei ein statistisches Gesetz, es gelte sowohl für individuelle wie auch für kollektive Lernprozesse. Schon hier sei angemerkt, daß es sich sowohl bei Abfolgen individueller Arbeit als auch bei Zusammenfassungen von individuellen Tätigkeiten zu kollektiven Ergebnissen sowie auch bei Abfolgen von Gruppenarbeiten zu Organisationsergebnissen immer irgendwie um Additionen von Exponentialfimktionen handelt, und das geht im Normalfall nWl einmal nicht analytisch, auch nicht in NäherWlgen.

Als Gegenstand des Lernens werden in der Literatur Lerneffekte in fast allen denkbaren Bereichen angeführt von der Arbeitszeit eines einfachen manuellen Arbeitsganges über die Montagezeit eines Flugzeuges, Reduktionen in Faktoreinsatzmengen, Ausschuß, Reparatur etc. bis hin zu globalen Maßen wie Stückfertigungszeiten und Stückkosten sowie Maßen aus aktuellen Managementsystemen wie QualitätssteigerWlg (etwa TQM) oder Umweltentlastung (etwa die aktuelle EG-Verordnung). Es liegt auf der Hand, daß nur ein Teil dieser Lerneffekte präzis beschrieben werden kann und brauchbar zu messen ist. Auch fiillt deutlich auf, daß wnfassende Überschneidungen in obigem sicher nicht vollständigen Katalog bereits eine vernünftige PräzisierWlg unmöglich machen. Das "Lemgesetz der Produktion" Wlterstellt üblicherweise die Lernkurve (1)

y =

Q •X

-b

Mit x ist eine kumulierte Gesamtproduktionsmenge gemeint, mit y ein noch zu betrachtender und zu präzisierender "Arbeitsaufwand", a und b sind Parameter, wie üblich positiv definiert. Betrachtungen zu Grenztallen Wld da insbesondere zu b = 0 sind müßig. Offenbar ist es sehr wichtig und reizvoll, diese Beziehung zu logarithmieren:

3 Baur, W.: Lerngesetz der industriellen Produktion. In: W. Kern (Hrsg.), Handwörterbuch der Produktion, Stuttgart 1979, Sp. 1116.

Zur Anwendbarkeit der Lernkurventheorie (2)

en y = en a -

175

b . en x

So wird aus dem "Lerngesetz" die "Linearhypothese der Lernkurventheorie", in der Basis der Logarithmen kann man noch variieren. Derartige Linearisienmgen sind sehr bequem, insbesondere wird die Bestimmung der Parameter a und b aus Meßreihen etwa über kleinste-Quadrate-Methoden recht einfach. Einfach substantielle Behandlung von Fehlern (absoluten oder "logarithmierten") ist offensichtlich weniger gefragt, einfache Rechenbarkeil bestimmt primär das Vorgehen. Es sind wohl auch recht weiche Daten, auf denen man in der Weise viel herumrechnen kann. Schon der erste Blick wirft die Frage auf, was denn nun passiert bei großen Produktionsmengen x und beim theoretischen Extrem x ~ co . Zumindest in dieser Form kann es kein ewiges Lernen geben, irgendwo muß es offensichtlich eine Grenze geben. Es kann nicht sein: "Das letzte Flugzeug macht sich selbst". Eine Grenze im so definierten Lernen ist unerläßlich. Ein in der praktischen Anwendung von Lernkurven bewanderter Planer hat mir einmal sinngemäß gesagt: An einer bestimmten Stelle, die wir aus der Erfahrung kennen, machen wir einen Punkt, da ist Schluß mit dem Lernen, da legen wir fiir die weiteren Einheiten einfach das Lineal (waagerecht) an. Ein solches Vorgehen zur zeitlichen Begrenzung der Lerphase mag pragmatisch und praktisch sinnvoll sein, theoretisch kann es nicht befriedigen. All dieses beschreibt eine Problematik zwischen Management-Praxis und Theorie oder vermeintlicher Theorie, daß nämlich vermeintliche ManagementUntersuchungen oder (pseudo-) wissenschaftliche Management- "Gesetze" vorgegeben sind, die dann in jeder Richtung mathematisch untersucht unc\ analysiert werden. Es riecht sehr stark nach dem alten Spruch und der tradierten Anzeige quantitativer Analysen: "Habe Algorithmus, suche Problem drauf." 1.2. Abgeleitete klassische Kennzahlen

Probleme von Lernkurven werden meist an der Ganzzahligkeit von x festgemacht, wenn auch selten deutlich ausgesprochen. Solche Probleme kennt die klassische Theorie nicht, sie sind auch bei Lernkurven marginal. Klassisch werden bei kontinuierlicher Betrachtung 1. Ableitung und Elastizität herangezogen: (3) (4)

y'(x) = -a·b·x

-(l+b)

,., y ,x = -b

Die bisherige Lernkurve ist mathematisch "schön" und deshalb auch spezifischen und einfachen Größen zugänglich. In dieser mathematisch einfachen Welt lassen sich - wie in der Literatur weniger einhellig - Reduktionsrate

176

Günter Altrogge

r = (y(x)- y(2x)) I y(x) und Lernrate

ben: (5)

e= y(2x) I y(x) = 1- r

r=1-2

einfach beschrei-

-b

e= 2-b

(6)

Der übliche Ansatz zur Beschreibung exponentiell verlaufender Reduktionsprozesse geht von Halbierungsgrößen wie etwa einer Halbwertzeit aus. Hier könnte man von einem Halbwertmengenreduktionsfaktor h sprechen. Nach der Produktion von h·x gegenüber x hat sich die stückbezogene Aufwandsgröße y halbiert. Für h ergibt sich: (7)

Dieser fiir Exponentialfunktionen typische Reduktionskoeffizient wird erstaunlicherweise nie betrachtet. Schlußendlich kann man bei diesen Analysen einen Gesamtaufwand Y betrachten mit Y = y · x . Die 1. Ableitung ergibt sich mit: (8)

Y'=a·(1-b)·x

-b =(1-b)·y

Die entsprechende Elastizität ist: (9)

'lY,x = (1-b) = 1 + 'ly,x

1.3. Die Crux von Exponentialfunktionen in Theorie und Praxis der Ökonomie

Die Ökonomie ist schlecht beraten, wenn sie ihre Theorie an exponentiellen Funktionen festmacht, denn diese gibt es in der Praxis nicht. Man kann darüber streiten, ob in Wechselkursrelationen exponentielle Prozesse derart stattfmden, daß man aus anflinglichem "natürlichen" Wachstum wirklich in den gefährlichen steilen Bereich dieser Funktionen gelangt, im Bereich der Produktion von Produkten und Dienstleistungen wird man mit Sicherheit nicht hierher gelangen. So sehr Exponentialfunktionen anfänglich geeignet sind, Wachstumsprozesse zu erklären, so sehr sind sie ungeeignet zur Erklärung der weiteren und insbesondere sehr späten EntwicklWlg, denn das (Wlterstellte) bestandsproportionale Wachstum gibt es in der Realität nicht. Neben dem Bestand als Wachstumsmotor erscheinen immer begrenzende Faktoren als Wachstumshemmer man sollte es deutlich sagen- mit massiven Wachstumsbremsen.

Zur Anwendbarkeit der Lernkurventheorie

2.

177

Praktikabilität von Lerngesetz und Linearhypothese

Die BeziehWlg (1) mag einfach Wld statistisch gesichert sein, Versuche zur praktikablen VerwendWlg erbringen immer wieder Probleme. Diese beginnen bei vermeintlichen Ungereimtheiten der Ganzzahligkeit, sie fahren fort beim Grenzwert 0 fiir große Produktionsmengen, den sich schließlich selbst bauenden Flugzeugen, Wld enden in den dann anfanglieh doch nicht konstanten Lernraten. Nach empirischen MessWlgen Wld nachfolgenden theoretischen ErörterWlgen sind diese dann doch kleiner. Die Euphorie einfacher Funktionen weicht einer Einsicht in reale Sachverhalte. 2.1. Die Ganzzabligkeit in x (oder Durchschnitt-Betrachtung versus Einheit-Betrachtung)

Offenbar ist es ein Problem, von stetigen (Wld differenzierbaren) Funktionen wie (1) auf ganzzahlige Produktionsbedingmgen etwa der x Flugzeuge zu rekurrieren. Die Literatur befaßt sich wenig deutlich, aber intensiv mit diesem Problem. Es verliert wohl an Schärfe, wenn man mit Hilfe der klassischen Kosten Wld Stückkosten argumentiert mit Bezug auf die Gesamtausbringmgsmenge. Meint y klassische Stückkosten oder präziser Durchschnittskosten k, so gilt auch bei Ganzzahligkeit in x die BeziehWlg (1) mit der speziellen Symbolik kg: (10)

Die Gesamtkosten Kg ergeben sich auch bei Ganzzahligkeit zu: (11)

Kg=kg·x=a·x

(1-b)

Weiterhin sind Grenzkosten K' interessant. ZWlächst folgt rein formal Wld kontinuierlich aus (11): (12)

K'=a-(1-b)·x

-b =(1-b)·kg

Differenzierbarkeit Wld Ganzzahligkeit widersprechen sich zumindest in bestimmten Bereichen, hier insbesondere fiir kleine x-Werte Wld insbesondere fiir dasganzzahligeExtrem x=l.Kg(x=1) = kg(x=l) Wld K'(x=l) sollten gleich sein, sie sind es natürlich nicht. Der Faktor (1- b) ist im Wege, er wird es auch bei allen weiteren Analysen sein. Ganzzahlige GrenzbetrachtWlgen sind im Prinzip einfach darzustellen, denn die (Grenz-) Kosten der x-ten Einheit lassen sich wegen der Exponentialfunktion nur darstellen als: 12 GWS-Tagung 1995

Günter Altrogge

178 (13)

(10), (11) wtd (13) beschreiben ganzzahlig exakt die gewünschten Sachverhalte, rechnerische Probleme ergeben sich nicht. (10) wtd (11) sind linear in Logarithmen, (13) ist es nicht. (12) ist wiederum linear in Logarithmen wtd eine Asymptote fiir (13). Diese Nähnmg K' ist fiir x = 1 wn a · b kleiner als der genaueWert Kg, die Fehler werden mit anwachsenden x-Werten immer kleiner. Dieser von ganzzahligen k-Werten ausgehende Ansatz wurde 1936 von Wright beschrieben, wohl die erste Erwähnwtg derartiger Zusammenhänge. Dies Vorgehen wird in der Literatur als Durchschnitt-Betrachtwtg oder noch schlimmer als Durchschnittsbetrachtwtg bezeichnet. Nwt kann man die ganze Sache wndrehen wtd quasi (12) zur richtigen pWlktuell definierten Funktion erklären, also in den Grenzkosten genaue logarithmische Linearität wtterstellen. So wird es Crawford zeitlich wohl später als Wright zugeschrieben. Die übliche Bezeichnwtg hierfiir ist Einheit-Betrachtwtg wtd noch schlimmer Einheitsbetrachtwtg, soll das Einheitlichkeit suggerieren? Abgesehen davon, daß der exakte exponentielle Verlauf in ganzzahligen xWerten nwt in Grenzkosten wtd nicht mehr in den Stückkosten besteht, gibt es wieder Schwierigkeiten im Anfangswert. Offensichtlich besteht fiir x = 1 Identität zwischen den ganzzahligen Werten kg(x = 1) wtd K'g (x = 1) wtd natürlich auch Kg(x

=

1), die alle durch a beschrieben wtd bewertet werden. So

kann man in der "Einheit-Betrachtwtg" durchdeklinieren mit der ganzzahlig exakten Beziehwtg (14)

Kg = a·x - b ,

der durch Integration abgeleiteten kontinuierlichen Beziehwtg (15)

a (1-b) K=--·x

1-b

wtd der ebenfalls kontinuierlichen Relation (16)

a -b k =--·x

1-b

Die Beziehwtgen (16), (15) wtd (14) entsprechen genau den Beziehwtgen (10), (11) wtd (12), eben bis auf den Faktor (1- b). Ein Ersetzen oder Vernachlässigen kommt deswegen nicht in Frage, weil genau spiegelbildlich Ganzzahligkeit wtterstellt wird.

Zur Anwendbarkeit der Lernkurventheorie

179

Da nwt (14) ganzzahlig genau ist, gilt für die ganzzahligen Gesamtkosten offenbar: (17) X

Die DW"chschnittskosten k sind klassisch definiert als K I x , also: (18)

Es liegt auf der Hand, daß die nichtganzzahligen Beziehwtgen ( 16}, ( 15) wtd (12) jeweils als asymptotische Näherwtgen für die korrespondierenden exakten Beziehwtgen (18), (17) wtd (13) dienen können. Der Faktor (1-b) erklärt wtd bemißt die Fehler, welche offensichtlich bei kleinen x-Werten beträchtlich sind. Insbesondere interessieren jetzt die Stückkosten kg exakt nach ( 18), welche asymptotisch dW'ch k nach (16) begrenzt werden. Für x = 1 werden diese Stückkosten dW"ch die logarithmisch lineare Näherwtg um a ·b I ( 1 - b) zu hoch angegeben, der Fehler nimmt mit wachsenden Mengen x ab. 2.2. Abbiegen der Enden der doppeltlogarithmisch linearen Lernkurve

Die doppeltlogarithmische Linearität ist sicher frappierend. Sie kann zumindest aus zwei Gründen nicht befriedigen wtd der Praxis nicht entsprechen, einem theoretischen Grwtd wtd einem eher praktischen. Der theoretische Grwtd liegt darin, daß es wohl nicht sein kann, daß Fertigwtgszeiten, Fertigwtgskosten etc. mit großen Produktionsmengen gegen Null gehen, wtd das sowohl in den DW"chschnitts- als auch den Grenzwerten. So ist es aber dW"ch (1) allgemein angegeben. Es ist ein leichtes, diesen Fehler zu beheben: y wird nicht gegen 0 konvergieren, sondern gegen einen Grenzwert y0 • So wird, soll a weiterhin der Aufwand für die I. Einheit bleiben, (19)

Eine einfache Umformwtg fiihrt zu (19a)

-b) Yo --:;-+(1---:-)·x

Yo y=a · (

Der Term y 0 I a wird insbesondere von de Jong wtd nachfolgend anderen als "Unreduzierbarkeitsmaß" oder "lncompressibility-Faktor" ganz besonders hervorgehoben wtd interpretiert. 12*

Günter Altrogge

180

Eine zweite Abflachung wird fiir kleine x konstatiert. Anfänglich seien keine Lerneffekte relevant, sei es, daß in der ersten Einarbeitung bei 0-Serien wirklich noch kein Lerneffekt auftritt, sei es, daß anflinglich ein Lerneffekt aus den verschiedensten Gründen nicht gemessen werden kann. Eine solche Lernkurve wird in Erweiterung von (1) beschrieben mit: (20)

y=a·(x+c)

-b

Der Parameter c wird in der Literatur als anflingliche Erfahrung interpretiert. Formal sticht zunächst in's Auge, daß auch fiir x = 0 und ebenso fiir bestimmte negative x-Werte Aufwendungen y definiert sind. Da müßte es sich dann um den Aufwand zur Erlangung der genannten Erfahrungen handeln. Einfache Größen entsprechend (2) bis (7) lassen sich jetzt wieder herleiten, so ergibt sich analog: (21) (22) (23)

(24)

(25)

(26)

en y = en a-b . en (x + c) y'(x) = -a·b·(x+c)

1]

y,x

-(1+b)

b =---

1+clx

r= 1 _ ( 2 + cI x) -b 1+ c I

X

e= ( 2 + cI x) -b 1+ c I

X

h=2 11b · ( 1+clx) -clx

Die Werte I und h haben auchjetzt wenig miteinander zu tun, sie beschreiben weiterhin Relationen entgegengesetzter Richtung. Sie hängen insbesondere von der jeweiligen Gesamtmenge x ab. Sie sind so kaum sinnvoll berechenbar und auch nicht sinnvoll interpretierbar.

2.3. Weitere Variationen in logarithmischer Betrachtungsweise Die (in logarithmischer Darstellung) S-förmige Lernkurve ist Gegenstand vielfältiger Darstellungen und Auseinandersetzungen in empirischen Messungen

Zur Anwendbarkeit der Lernkurventheorie

181

wie ebenso in theoretischen Analysen. Einen besonderen Weg geht Baur4, der sich auf zahlreiche wnfassende eigene Untersuchungen der betrieblichen Praxis stützt und wohl auf vorhergehenden Arbeiten von Carr, Cochran und Guibert aufsetzt. Bei all diesen S-Kurven flillt auf, daß sie aus der Flugzeugindustrie stammen und dort wnfassendst verifiziert worden sind, daß weitere Erfahrungen in anderen Produktionsbereichen kawn vorliegen und noch weniger in Dienstleistungen oder gar Organisationen. Baur geht aus von einer Hauptlerngeraden, deren Ende in x und y bekannt ist, und ebenso von einem Endpunkt des Lernprozesses in x und y, ab dem dann der Aufwand y konstant ist. Für den Bereich zwischen diesen beiden Geraden geht es bei Baur terminologisch etwas durcheinander, da ist von abnehmenden Lernraten und mehreren Neigungen die Rede wie auch von mehreren Lernkurven und mehreren Neben-Lerngeraden. Tatsächlich konstruiert Baur eine Hyperbel, die zunächst tangential die Hauptlerngerade berührt. Mit Bezug auf das sogenannte Ende des Lernprozesses ergibt sich bei einer ersten Konstruktion ein asymptotisches Heranlaufen an die "Grenz"- Waagerechte, beim zuweiten Verfahren ein "eckiges" Schneiden in dem vorgegebenen Punkt. Baur berichtet auch von Versuchen mit e-Funktionen für diesen Bereich kontinuierlich abnehmender Lemraten, diese seien aber den hyperbolichen Kurven unterlegen. Um endgültig zum S-formigen Verlauf zu kommen, setzt Baur zusammen, und zwar die sogenannte Stanford-Kurve (20) vor seine Hauptlerngerade und die anschließende logarithmisch konvexe Kurve mit dem Bereich konstanten Aufwands nach dem Ende des Lernprozesses. Auch dieses Zusammensetzen ist theoretisch unsauber, denn (20) läuft offenbar "nur" asymptotisch an die "Hauptlergerade" (1) heran. Vielleicht sollte auch da ein Knick gelassen werden oder gar ein Bogen hereinkonstruiert werden. Die mathematische Konstruktion ist nun nicht das ökonomische Problem, bisweilen das der Rechner. Über Relationen zur einfachen S-Kurve ist nichts ausgesagt und läßt sich bei den Konstruktionen wohl auch wenig aussagen, denn es kommt wesentlich auf die Fixpunkte des Endes der Hauptlerngeraden und des Endes des Lernvorganges an.

3.

Lernen in Organisationen und Lernkurven 3.1. Organisationen und lernende Organisationen

"Organisatorische Strukturen sind geprägt durch die Erfahrungen und Vorstellungen der Personen, welche die Organisationen mitgestalten. Vor allem bei der Frage, was filr eine Organisation wichtig ist, weiterentwickelt oder auch 4 Baur, W. : Neue Wege der betrieblichen Planung, Berlin/Heidelberg/New York 1976, s. 107 ff.

182

Günter Altrogge

reduziert werden muß, ist ... "s . Die fortfolgende Frage drängt sich formlieh auf, was denn Lernen in Organisationen oder gar speziell internationalen Organisationen nun genau ist, was dann unter Lernprozessen genau zu verstehen ist. Reegineering ist sicher zu Recht ein sehr aktuelles Thema und Problem, aber wie bringt man es in Beziehung zu (aktuellen problembehafteten) Begriffen wie Organisationswandel oder Organisationsänderung? Fraglich bleibt weiter, ob Wandel oder Änderung in Organisationen Selbstzwecke sein können. Es kann bei der Beurteilung von Organisationen nicht ausreichen, wie genannt nur nach Weiterentwicklung oder Reduzierung zu fragen. Eine Bewertung solcher Entwicklungen ist sicher unumgänglich, und das unabhängig von der hier verfolgten Zielsetzung einer Messung. Wenn schon die Richtung der Entwicklung indifferent ist, kann eine Bewertung offensichtlich nicht erfolgen. Zur Vermeidung von Mißverständnissen und auch zur Abgrenzung des Diskussionsgegenstandes sei hier eine höchst bekannte Erkenntnis nicht nur von Unternehmensberatern angefilhrt, die offenbar fiir alle Organisationen und alle Organisationsstrukturen Geltung hat: Organisationen jedweder Art haben die unerwünschte Eigenschaft, in der Weise zu verkrusten, daß fortlaufend einmal fiir notwendig erachtete Aufgaben und Aufgabenfelder wahrgenommen werden, die bei objektiver und sachlicher Betrachtung nicht nur nicht mehr notwendig sind, sondern in höchstem Maße stören. Die beriilunte ewig zirkulierende Statistik läßt grüßen, welche gnädigst irgendwann von irgendwem in den Papierkorb befordert wird. Es ist altbekannt, daß man Erfolge in Organisationsverbesserungen eigentlich immer erzielen kann, sei es bei Gelegenheit des Gewinnsuchens bzw. der Kostenverringerung oder bei Gelegenheit des Ausrichtens der Unternehmung auf Umweltschutz. Es kommt nur darauf an, daß die Organisation durchleuchtet wird, ganz egal aus welchem Anlaß. Solche Organisationsverbesserungen sind hier nicht gemeint, sie sollten auch nicht Gegenstand der aktuellen Diskussion um Lernen in Organisationen sein. Mandl stellt zur Beschreibung lernender Organisationen das jeweilige Bild der Organisationen heraus. Die tayloristische Vorstellung der Organisation als Abfolge stark arbeitsteiliger Maschinen lehnt sich sehr stark an die Produktion und an Produktionsabläufe an, die heute als überkommen gelten. "Typische 'Konstruktionsmerkmale' der Organisation eines solchen Produktionsbetriebes sind eine hohe Arbeitsteilung, die Austauschbarkeil der Arbeitskräfte, die Trennung von Konstruktion und Produktion sowie die Trennung der Qualitätsaufgaben von den Tätigkeiten der Arbeitskräfte." 6 Dieses Bild ist zweifelsohne extrem und wohl nie der Realität nahe gekommen. Lernkurven sind auf diese

'Mandl, Chr.: PPS und die lernende Organisation. In: io Management Zeitschrift 64 (1995) Nr. 7/8, S.86. 6 Mandl, Chr.: PPS und die lernende Organisation. In: io Management Zeitschrift 64 (1995) Nr. 7/8, S. 86.

Zur Anwendbarkeit der Lernkurventheorie

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produktionsorientierte Organisation eher übertragbar, denn daher kommen sie ja. Es ist wohl das andere Extrem und neuestes Bild, wenn "bei der Vorstellung von Organisationen als Gehirnen die aktive Gestaltung des eigenen Handlungsspielraumes durch Lernen im Vordergrund" 7 steht. Bei solch neuronalen und vernetzenden Ansätzen wird Lernen in Organisationen einfach definiert in Analogie zum individuellen Lernen, und dann könnte man alle psychologischen Lerntheorien und auch alle individuellen Lernkurven einfach übertragen. Die Vorstellung einer Organisation als black box kann aber nicht überzeugen, folglich muß man sich der Komplexität neuronaler Modelle doch stellen. Ziele eines Lernens in Organisationen bleiben schwierig, oder sollte jede Änderung als solche ein Lernerfolg sein? Es kann auch keine Lösung sein, wenn man etwa die Notenproblematik von Schulen und Hochschulen einfach auf Unternehmungen überträgt. 3.2. Inwieweit hilft ein Systemansatz?

Systemansätze und Systembetrachtungen helfen immer, zumindest erklären sie die Komplexität des betrachteten Phänomens. Ein als Betrachtungsgegenstand ausgemachtes System besteht aus der Menge der - auch ausgemachten Elemente, deren verbindende Relationen es zumindest aus organisatorischer Sicht zu betrachten gilt. Sicherlich kann man diese Menge der Relationen als Organisation im Sinne der Systemtheorie begreifen. Wie kann man aber konkreter werden gerade im Hinblick auf lernende Organisationen? Die Organisation insgesamt ist das lernende System, bestehend aus lernenden Subsystemen und umgeben von exogenen Umsystemen (Lieferanten, Märkte, Gesellschaft, Staat, Umwelt etc.), über deren Systembeziehungen Lernanreize kommen können. Wenn man das Lernen bei Organisationen in solchen Relationen stattfindet, so muß es an diesen Organisationsregeln ansetzen. Ist dann das Lernen in Systemen und entsprechend Organisationen so, daß es bedingte oder gar provozierte Möglichkeiten gibt, solche Regeln zu überschreiten oder gar zielgerichtet zu verändern? Ist dann dieses der Ausgangspunkt zur Verbesserung in Prozessen und Strukturen? Begreift man die Unternehmung als System, so stellt sich die Frage, wo denn ein zielgerichtetes Lernen im Sinne von wirklichen Verbesserungen stattfindet. Wie wirken Lernprozesse in den Umsystemen (Lieferanten, Kunden) mit ihrem Niederschlag in den Lernprozessen der Unternehmung? Es fragt sich weiter, ob das Unternehmen als "eigenständiges" System lernt oder ob das Lernen "nur" in

7 Mandl, Chr.: PPS und die lernende Organisation. In: io Management Zeitschrift 64 (1995) Nr. 7/8, S. 86.

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Günter Altrogge

den Subsystemen der Unternehmung stattfindet? Etwa bei Reber ist über "den Zusammenhang zwischen individualem und organisationalem Lernen"S nachzulesen, daß einer Organisation im Extrem weder Ziele noch Lernfähigkeit zugeschrieben werden, alles läge bei den Mitgliedern der Organisation. In der Mitte liege das weniger greifbare Analogie-Konzept, dort werde "der Informationsverarbeitungsansatz .. häufig zum Ausgangspunkt fiir entsprechende Analogien gemacht."9 Im "Multi- bzw. Mehrebenen Ansatz" 10 werde auf die verschiedenen Systemebenen Bezug genommen. Systembetrachtungen sich sicherlich hilfreich zur Installation von Managementsystemen, Qualitätsmanagementsystemen und Umweltmanagementsystemen. Das wesentliche Element von "Qualitätsmanagement in seiner Form als Kaizen. Total Quality Management und ISO 9000"11 ist "die institutionelle Verankerung von Lernprozessen in Organisationen" 12. "Qualitätsmanagement basiert auf der Vorstellung von Organisationen als Gehirnen bzw. als lernenden Organisationen." l3 Gleiche Philosophien liegen den Umweltmanagementsystemen zugrunde, ebenso in Aufgabenerfüllung und organisatorischer Einbindung. Die Rahmenbedingungen dieser Managementsysteme differieren. TQM und ISO 9000, EG-Verordnungen und ISO 14000 weisen durchaus Unterschiede auf, zumindest soweit einigermaßen konkrete Aussagen gemacht werden. Qualitätsmanagement und Umweltmanagement werden als Querschnittsfunktionen bezeichnet, was heißen soll, daß diese Aufgaben überall wahrzunehmen sind, daß es insbesondere keine end-of-pipe-Technologien sein sollen. Damit sind alle Elemente des Systems Unternehmung angesprochen. Die Einbindung in Aufbau- und Ablauforganisation sollte systemtheoretisch fundiert sein. 3.3. Zur Messung von Lernerfolgen in Organisationen

Ohne auf die verschiedensten Theorien des Messens oder gar auf Maßtheorien eingehen zu wollen, gilt sicherlich trivial, daß es neben der zu messenden Größe auch ein zugehöriges Maß geben muß. Wenn nun Lernen oder Lernerfolge gemessen werden sollen, fragt man sich sofort, wie kann man sie quantitativ beschreiben? Grobe Maße fiir Erfolge von Organisationen werden allenthalben benutzt und heftigst diskutiert, etwa Kosten/Studienplatz bei einer Hoch-

8 Reber, G. : Lernen und Planung. ln: N. Szyperski (Hrsg.), Handwörterbuch der Planung, Stuttgart 1988, Sp. 962.

Reber, G.: Lernen und Planung. ebda.,Sp. 963. Reber, G.: Lernen und Planung. ebda.,Sp. 964 f. 11 Mandl, Chr.: PPS und die lernende Organisation. ln: io Management Zeitschrift 64 (1995) Nr.7/8, S.89. 12 Mandl, Chr.: PPS und die lernende Organisation. ebda.,S.89. 13 Mandl, Chr.: PPS und die lernende Organisation. ebda.,S.89. 9

10

Zur Anwendbarkeit der Lernkurventheorie

185

schule, Umsatz/Mitarbeiter oder Gewinn/Mitarbeiter in einer Unternehmung oder Steuereinnahmen!Sachbearbeiter in der Finanzverwaltung. Schon gesamtgesellschaftliche bzw. volkswirtschaftliche Diskussionen um solche Maße zeigen ihre Fragwürdigkeit und mangelnde Akzeptanz, wie kann man sie dann noch ernsthaft mit Bezug auf einzelne Unternehmen diskutieren? Zudem bewegen sich Diskussionen und Postulate zu lernenden Unternehmungen in heren Höhen etwa der Struktur und nicht in den Niederungen "platter" Kennzahlen.

In der Literatur werden Lernkurven fiir (fast) alles gefordert und als geeignet angesehen. Auch wenn "Lerngesetze" maximal in der Produktion und da weitgehend nur in der Flugzeugindustrie verifiziert werden konnten, scheut sich die Literatur kaum, ihre Anwendung auch auf Verbesserungen von Produktionsverfahren, Verbesserungen von Produkten, Verbesserungen im dispositiven Bereich etwa von Planung und Entscheidung, auf Verbesserungen von Organisationsstrukturen etc. zu postulieren. Solches ist zweifelsohne nicht möglich. Lassen sich aber Lernerfolge von Organisationen in Kennzahlen angeben, so ist es sicherlich zumindest nachträglich auch möglich, daraus Trends zu isolieren oder gar quantitativ auf Kausalitäten zu suchen. Zumindest theoretisch ist fiir mathematische Verfahren die Qualität dieser Kennzahlen unerheblich, aber "garbage in, garbage out" gilt natürlich auch hier. Unabhängige Variable wird bei solchen Rechnungen meist die Zeit sein, aber das ist in bezug auf Lernkurven und deren Flexibilität unproblematisch. Diese lassen sich zumindest in einer ex-post-Analyse auf Folgen von Kennzahlen berechnen. Dabei gilt zumindest im Prinzip, daß eine Annäherung an die tatsächlichen Zahlen um so enger ist, je mehr freie, d.h. zu bestimmende Parameter zur Verfiigung stehen. Dies begründet- arg mathematisch- eine Prävalenz von S-förmigen Lernkurven gegenüber den "einfachen" linearen. Dabei bleibt die Frage völlig außen vor, ob denn diese Lernkurven überhaupt zur Erklärung geeignet sind, dann mag auch die Frage nach den zu minimierenden Abweichungen - absolut oder "logarithmisiert" sekundär sein. Es hat wenig Sinn, eigentlich ohne Theorie nur nach Alliterationen zu handeln. Dann spricht nichts fiir Lernkurven, dann ist jede denkbare Funktion von gleichem Wert.

In die Kategorie der Messung von Lernerfolgen sind auch die sehr aktuellen Auditierungen einzuordnen, sei es die Qualitätszertifizierung nach ISO 9000 ff oder die Umweltzertifizierung nach EG-Verordnung oder nach ISO 14000 ff oder eine immer mehr geforderte Kombination dieser beiden. Ganz grob - etwa abstrahiert von Standorten - wird hier einmal Lernerfolg gleichgesetzt mit der Existenz eines entsprechenden Managementsystems, eines Qualitätsmanagementssystems oder eines Umweltmanagementsystems. Ein zweiter Aspekt dieser Zertifizierungen betrift wirklich Lernerfolge in Richtung auf bessere Qualität und besseren Umweltschutz, also durchaus unterlegt mit Zielen. Die Vorgehensweisen haben allerdings zwei gravierende Schwachpunkte, Gründe mögen politische Kompromisse oder Marktstrategien potentieller oder tatsächlicher Zertifizierer sein, oder ganz andere. Zum einen setzen die zertifizierten Unter-

186

Günter Alttogge

nehmungen den "Nullpunkt" zur Verbesserung weitgehend selbst, das ist der augenblickliche Qualitäts- bzw. Umweltstandard. Natürlich gilt auch hier, daß bei genügend niedrigen Ausgangswerten die Verbesserungen insbesondere relativ am besten aussehen. Zum zweiten konstatieren diese Zertifizierungssysteme lediglich die Tatsache einer Verbesserung. Über absolute oder relative Maße dafiir schweigen sie sich weitgehend aus, so ist zwnindest nach jetzigem Kenntnisstand um die Umsetzung der Regelungen zu vermuten.

Literatur Baur, W.: Neue Wege der betrieblichen Planung, Berlin!Heidelberg/New York 1976. Lerngesetz der industriellen Produktion. In: W. Kern (Hrsg.), Handwörterbuch der Produktion, Stuttgart 1979, Sp. 1115- 1126.

Henfling, M.: Lernkurventheorie, Gerbrunn bei Würzburg 1978. Hieber, W. L.: Lern- und Erfahrungskurveneffekte und ihre Bestimmung in der flexiblen Produktion. München 1991.

Mandl, Chr.: PPS und die lernende Organisation. In: io Management Zeitschrift 64 (1995) Nr. 7/8, S. 86- 90. Reber, G.: Lernen und Planung. In: N. Szyperski (Hrsg.), Handwörterbuch der Planung, Stuttgart 1989, Sp. 960- 972.

Schneider, D.: "Lernkurven" und ihre Bedeutung fiir Produktionsplanung und Kostentheorie. zfbf 17 (1965), S. 501 - 515.

Lernprozesse in multinationalen UnternehmenDas Beispiel IBM Von Michael Kopp 1

1. Lernblockaden in den achtziger Jahren 1.1. Innenschau statt Marktorientierung

Die Infonnationsteclmologie ist in den letzten zehn Jahren schlechthin zum Inbegriff des Wandels durch den technischen Fortschritt geworden. Die Entwicklung in der Speicher- und Prozessorentechnologie, in der Datenübertragung oder im Software-Engineering haben dezentrale, vernetzte Systemarchitekturen entstehen lassen. Der PC hat seinen Siegeszug angetreten. Völlig neue Teilmärkte sind in kürzester Zeit entstanden. Das Angebot wurde immer komplexer, der Wettbewerb nahm ständig an Härte zu; die Lebenszyklen haben sich drastisch verkürzt. Es ist bekannt, daß IBM, die den Infonnations-Technologie-Markt bis Mitte der achtziger Jahre beherrscht hat, nicht in der Lage war, diesen Wandel frühzeitig richtig einzuschätzen und aus den frühen Signalen die richtigen Lehren zu ziehen.

In den Jahren von 1975 bis 1985 stand bei IBM die Optimierung der Rechenzentren im Vordergrund und nicht die Verbesserung der Anwendungen in Richtung Flexibilität, Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit. Auch im angestammten Hauptmarkt der Rechenzentren wurden langjährigen IBM-Kunden durch den Zwang zur Abnahme neuer Systeme und Programme, durch Unbeweglichkeit oder durch lange Reaktionszeiten bei der Entwicklung benutzerfreundlicher Lösungen frustriert. Das Wachstum des Infonnations-Technologie-Marktes in den neunziger Jahren ging an IBM vorbei. Man sah viel zu lange den PC-Markt als unproduktives

1 Dr. Michael Kopp ist Partner im Stuttgarter Büro von Spencer Stuart Management Consultants.

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Michael Kopp

Nischensegment an, in dem die Produktionstechnologie und das Know-how auf dem Gebiet der Großrechner nicht gewinnbringend eingesetzt werden konnten. Die Größe von IBM und das Denken in großen Quantitäten erwies sich als gewichtige Blockade gegenüber der ernsthaften Beschäftigung mit neuen Trends im Markt.

1.2. Strukturbedingte Blockaden

Hinzu kam, daß die Informations- und Entscheidungswege in der IBMOrganisation der achtziger Jahre von den regionalen Märkten zu der Zentrale in Armonk und zurück relativ lange und mit vielen "politischen Filtern" versehen waren. Kamen Anregungen und Initiativen aus den Ländergesellschaften, die den Markttrends und den technologischen Trends entsprachen, so wurden sie vielfach von der Zentrale in den USA nicht aufgegriffen auch weil das Gewicht der IBM-Gesellschaften außerhalb der USA relativ gering war. Als Beispiel hierfiir kann das bis 1992 dauernde Desinteresse im IBMHauptquartier an dem 1988 von IBM in Deutschland entwickelten preisgünstigen CMOS-Chip fiir Anwendungen in Mainframes genannt werden. Die Ländergesellschaften und die regionalen Organisationen versuchten, sich ihrerseits abzugrenzen und wurden teilweise als eigenständige Fürstentümer geführt. Die monopolartige Stellung der IBM bis in die achtziger Jahren gaben zu einer intensiven, marktorientierten vertikalen Kommunikation innerhalb der globalen IBM-Organisation keinen dringenden Anlaß. Unaufhaltsam kam die Tumschuhgeneration, die bereits während ihres Studiums mit Unix-Betriebssystemen und mit dem PC groß geworden war an die entscheidenden Positionen und stellten die zentralistischen DV-Strukturen mit IBM-proprietären Betriebssystemen in Frage. Der Computermulti IBM, der bis Mitte der achtziger Jahre die gesamte DV Industrie beherrschte, steckte Ende 1992 in der schwersten Krise der Firmengeschichte. Umsatz und Gewinn stürzten ab. Innerhalb von drei Jahren summierten sich die Verluste auf über 15 Mrd. US$ per Ende 1993.

Lernprozesse in multinationalen Unternehmen

2.

189

Übergang von dezentraler zu zentraler Anpassung

Auf die erkeMbar kritischer werdende Situation reagiert IBM Ende der achtziger/Anfang der neunziger Jahre im wesentlichen mit einem sich beschleunigenden Personalabbau und mit relativ unkoordinierten und immer neuen Reorganisationen, hinter denen aber keine einheitliche und klare Strategie stand. Einzelne Länder, so auch z. B. IBM in Deutschland, gingen dabei ihre eigenen Wege. Nach mehreren Restrukturierungen in den Jahren 1991 und 1992 entstand 1993 in Deutschland die Holdingstruktur mit der Bildung einer Reihe rechtlich selbständiger Tochterfirmen. Ziel dieser Restrukturierung war es einmal, IBM als ganzes dem Einfluß der IG-Metall zu entziehen und zum anderen, flexible, überschaubare Einheiten mit unternehmenscher Eigenverantwortung zu schaffen. Im April 1993 übernahm Louis Gerstner als neuer Chief Executive Officer die Führung von IBM. Sein Vorgänger Akers hatte bereits eine Reihe von Restrukturierungsmaßnahmen eingeleitet, als Protagonist der "alten IBM" fehlte ihm jedoch die Glaubwürdigkeit, um der gewaltigen Organisation eine neue Richtung zu geben und bei den Mitarbeitern dafür die notwendige Offenheit zu erzeugen.

Gerstner kam unbelastet aus einer völlig anderen Industrie zu IBM, machte sich rasch kundig und beging nicht den Fehler vorschnell eine Strategie zu verkünden. Gleichzeitig demonstrierte er jedoch bei der Durchsetzung kurzfristiger Maßnahmen, so beim weiteren Abbau von Kosten und bei der Erschließung kurzfristig aktivierbarer Erfolgspotentiale Konsequenz, Schnelligkeit und die Fähigkeit, Druck zu erzeugen. Gerstner ließ von Anfang an keinen Zweifel daran, daß in der kritischen Situation, in der sich IBM befand, die notwendigen Anpassungsprozesse in der erforderlichen Schnelligkeit nur auf dem Wege einer zumindest temporären Zentralisierung zu bewerkstelligen waren. Die Entwicklung und Realisierung einer zentral gesteuerten, weltweit vernetzten Matrixstruktur ilUlerhalb von knapp eindreiviertel Jahren ist Basis und zugleich Treibsatz fiir die von Gerstner verkündete Revolution. Mit dieser Restrukturierung als Instrument zur Förderung von Lernprozessen ilUlerhalb der IBM-Organisation werden wir uns im folgenden auseinandersetzen. Und auch daran ließ Gerstner keinen Zweifel, daß die Zentralisierung nur in Kombination mit einer gehörigen Portion Druck die notwendigen Lernprozesse in Gang setzten konnte. Auch die obersten Etagen im Corporate Management wurden unter Druck gesetzt. Daß unter Gerstner auch die oberste Führungsetage keine Tabuzone

190

Michael Kopp

mehr war, trug wesentlich zur Bereitschaft in der Organisation bei, die von ihm verkündeten Lektionen zu lernen. Im November 1993 mußte sich der IBM-Chefstratege verabschieden, im April 94 der Vice President Hwnan Resources, im Januar 95 die weltweite Verantwortliche fiir Software und Netze sowie der US Vertriebschef.

3.

Instrumente zur Förderung von Lernprozessen 3.1. Kurzfristige Stabilisierung

Gerstner konnte durch harte Sanierungsmaßnahmen, allerdings unterstützt von einem unerwarteten Boom bei Mainframes und verwandten Produkten den Konzern innerhalb eines Jahres aus den roten Zahlen holen. Hilfreich waren dabei natürlich auch die bereits vor Gerstner eingeleiteten und von ihm forcierten Personalreduktionsprogramme. Mitte der achtziger Jahre beschäftigte IBM weltweit 406.000 Mitarbeiter. Heute sind es etwas mehr als 200.000. Rund 85.000 Angestellte haben seit Gerstners Amtsantritt das Unternehmen verlassen, meist freiwillig und mit anselmlichen Abfmdungen. Im vergangeneo Jahr ist der Wert des Unternehmens, gemessen am Aktienkurs, wn rund I 0 Mrd. US$ gestiegen. Damit wurde eine gewisse Stabilität geschaffen, die fiir die strategischen Restrukturierungsmaßnahmen nötig war. 3.2. Vertrauensbildung durch Kommunikation

Gezielt und bewußt hat Gerstner hat von Anfang an bei IBM die hervorragende interne Kommunikationsstruktur zur weltweiten und direkten Information aller IBM-Mitarbeiter eingesetzt. In regelmäßigen Abständen fanden alle IBMMitarbeiter in ihren E-Mail Briefkästen Botschaften vor, mit denen Gerstner über wichtige strategische und strukturorganisatorische Entscheidungen sehr persönlich informierte. Mit Hilfe einer direkten und durchgängigen, nicht mehr durch Hierarchieebenen blockierten Information wurde der Anpassungsprozeß in der gesamten internationalen IBM-Organisation wirkungsvoll unterstützt und beschleunigt. Die Wirkung der direkten Kommunikation mit Hilfe des IBM-Netzes wurde durch den persönlichen Kommunikationsstil von Gerstner verstärkt.

Lernprozesse in multinationalen Unternehmen

191

Gerstner gilt nicht nur als Sanierer Wld als Stratege sondern gleichzeitig auch als eine begnadete MischWlg aus Coach Wld Prediger. Ein wesentliches Element war Wld ist bei der internen Kommunikation die VertrauensbildWlg. Gerstner hat immer gesagt, was er macht Wld in welchem Stadium eines EntscheidWlgsprozesses er sich befmdet. Das Versprechen, Feedback zu geben, wurde eingelöst, Termine wurden eingehalten. Über wichtige Ereignisse, wie z. B. den Kauf von Lotus, erfuhren die IBMMitarbeiter nicht durch die Presse, sondern einen Tag vorher durch interne EMails. 3.3. IBM - Principles

Der Lernerfolg hängt bekanntlich von der Attraktivität Wld von der Verständlichkeit der Lernziele ab. Dieser lernpsychologischen GrWlderkenntnis hat Gerstner mit der FormulierWlg Wld ErläuterWlg seiner acht IBM-Principles RechnWlg getragen. In einer Sonderausgabe der internationalen IBM-Mitarbeiterzeitschritt "ThinkTwice" vom Dezember 1993 wurde über diese Principals informiert:

IBM Principles 1

The marketplace is the driving force behind everything we do.

2

At our core, we are a technology company with an overriding commitment to guality.

3

Our primary measures of success are customer satisfaction and shareholder value.

4

We operate as an entrepreneurial organization with a minimum of bureaucracy and a never-ending focus on productivity.

5

We never lose sight of our strategic vision.

6

We think and act with a sense of urgency.

7

Outstanding. dedicated people make it all happen, particularly when they work tagether as a team.

8

We are sensitive to the needs of all employees and to the communities in which we operate. "ThlnkTwlce" December 1993

192

Michael Kopp

IBM Principles: Zitat Gerstner:

'We don't need rule books to tell people what to do. We only have to tell them: 'Manage whatever you do against this set of principles, and we will trust your judgment'." Abb. 1: Gerstners ffiM - Prinzipien

3.4. Marktorientierte Restrukturierung

Bei der weltweiten Restrukturienmg der IBM-Organisation ab Mitte 1993 sind folgende Prinzipien zugnmde gelegt worden: 1) Reduzienmg der Hierarchieebenen in allen Bereichen und Tochtergesellschaften mit dem Ziel, die vertikalen Kommunikations- und Entscheidungslinien zu verkürzen. 2) In der Organisation der IBM Deutschland Informationssysteme GmbH wurden im Vertriebsbereich die fiiiher bestehenden 6-7 Ebenen auf vier Ebenen reduziert. 3) Einfühnmg von direkten Berichtslinien aus den Ländergesellschaften in die internationale Organisation. Am Beispiel der Industry Solution Units soll dies eingehender erläutert werden. 4) Aufbau komplexer Matrixstrukturen mit einer Konzentration der strategischen Entscheidungskompetenz in der internationalen Organisation. 5) So wurde z. B. die Verantwortung für die Entwicklung der wichtigsten Hard-, Software- und Serviceprodukte jeweils bei einem Vice President konzentriert, um Doppelentwicklungen zu vermeiden und Synergieeffekte zu erzielen. Natürlich bedeuteten besonders die letzten beiden Prinzipien auch, daß die Autonomie der einzelnen Ländergesellschaften in wesentlichen Teilbereichen eingeschränkt werden würde.

Lernprozesse in multinationalen Unternehmen

193

3.5. lndustry Solution Units

Seit Beginn des Jahres 1995 ist der Vertrieb länderübergreifend nach 13 "lndustry Solution Units" organisiert. lndustry Solution Units

Banking, Finance

Utility & Energy Services

Manufacturing

Travel & Transportalion

Government Salutions

Petroleum

Distribution

Education

lnsurance

Healthcare

Telecom & Media

Cross lndustries

Process Abb. 2: lndustry Solution Units

Durch die weltweite Einfiihrung der Branchenorganisation mit ihren "Industry Solution Units" möchte IBM folgendes erreichen: -

Konzentration auf strategisch wichtige Marktsegmente

-

Ausrichten der IBM-Ressourcen weltweit auf die Prioritäten von Kunden in strategischen Branchensegmenten.

-

Schnellerer Zugriff auf eine breite Palette branchenspezifischen Fachwissens fiir die Kunden, weltweiter Know-how-Transfer

-

Bessere Einstellung auf das Investitions- und Kaufverhalten bestimmter Kundengruppen

-

Bessere Koordination des internationalen Support

-

Verbesserung der Zusammenarbeit von IBM mit international operierenden Kunden

-

Bessere Ausnutzung der weltweiten Kundenbasis, Förderung des CrossSelling.

Branchenorganisationen werden landesweit, länderübergreifend und weltweit gegründet oder ausgebaut. Es werden Branchenteams gebildet, zu deren Aufgaben Akquisition, Beratung, Projektmanagement Systemintegration, Anwendungsdesign und Entwicklung gehören. 13 GWS·Tagung 1995

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Michael Kopp

In einem Branchen-Geschäftsbereich sind jeweils die folgenden Funktionen zusammengefaßt:

ModeRorganisation Geschäftsbereiche

IFBULeiter

r---~'--~ J

I

~~~

r---~'--~

~~cesl

I~ I

IKurden VB/ SE's I Abb. 3: Modellorganisation Geschäftsbereiche

Die Industry Solution Units sind international fiir die Betreuung von Großkunden zuständig. Jede SolutionUnitin einem Land ist integriert in die entsprechende Solution Unit in einer der vier Regionen Europa I Mittlerer-Osten I Afrika, Nordamerika, Lateinamerika und Asien. In jeder dieser Regionen gibt es wiederum fiir jede der 13 Units einen Manager, der seine Unitin Linienverantwortung regionenweit fiihrt. Die weltweite Zuständigkeit fiir eine bestimmte Branche wird jeweils einem der vier regionalen ISU Manager übertragen. IBM hat mit dieser Struktur der Notwendigkeit Rechnung getragen, daß Großkunden, an denen man nach wie vor besonders interessiert war und die selbst in Form zunehmend vernetzter, internationaler Organisationen arbeiten, nicht mehr optimal mit regional oder national unabhängig voneinander operierenden Einheiten betreut werden konnten. 3.6. Transition - Management

Kein Zweifel, die Einführung der neuen Organisation wurde natürlich dadurch erleichtert, daß ein Großteil der älteren Führungskräfte, im Zuge der drastischen Personalreduktion der letzten drei Jahre aus der Organisation aus-

Lernprozesse in multinationalen Unternehmen

195

schieden. Prominentes Beispiel ist Olaf Henkel, der 1993 Buropachef von IBM wurde und im Herbst 1994 IBM verließ, da er Gerstners Zentralisierungskonzept nicht mittragen wollte. In Deutschland wie in anderen Bereichen der IBM kam hinzu, daß alle zwei bis drei Jahre mehr oder minder einschneidende Umorganisationen erfolgten, so daß bei den verbleibenden Mitgliedern der Organisation eine gewisse Gewöhnung und damit auch eine Offenheit gegenüber Restrukturierunsprozessen bestand.

Der seit bald vier Jahren andauernde drastische Spar- und Anpassungskurs bei der IBM in Deutschland hat die in der Organisation verbleibenden Mitglieder natürlich auch verunsichert und zu angepaßtem Verhalten geführt. Von 1989 bis Ende 1995 hat sich die Zahl der Mitarbeiter innerhalb der IBM Deutschland und ihren Beteiligungen von ca. 31.000 auf ca. 22.000 verringert. Die Bereitschaft in der Organisation, den Umstrukturierungsprozeß mitzutragen, wurde nach der offiziellen Ankündigung des Konzepts wesentlich durch eine intensive Kommunikation über die zeitlichen und organisatorischen Details gefördert. Die Bekanntgabe der neuen Organisation erfolgte in verschiedenen Stufen im Mai und Juni 1994. Als eines von vielen Beispiel für die sorgfaltig vorbereitete und durchgeführte Information über die neue Struktur mag ein Frage- und Antwortkatalog dienen, der den Führungskräften zur VerfUgung gestellt wurde, um auf denkbare Fragen ihrer Mitarbeiter entsprechend antworten zu können. Einige exemplarische Fragen und Antworten aus diesem Katalog, der über die Länderchefs an die Führungskräfte ging, waren z. B.:

lndustry Vertical Announcement Q.

What's the timing for implementing the new structure?

A.

lmplementation will start immediately. Related business procsses will be phased in over time. The goal is to implement most of the processes by the end of this year, so that industry units will be fully oparational for the 1995 business cycle.

Q.

What is the reason for doing this, customer added value IBM financial return or another way of cutting HC and resources?

A.

The prime objective of this announcement is to add more value to our customers. By moving to an international industry organization we will be able to:

13*

196

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better focus an specific market segments better respond to customer needs and buying patterns enlarge IBM's application portfolio better coordinate our international support better share industry expertise across the world better align IBM resources and skills to client's ww priorities better leverage our large worldwide customer base. Q.

Why should this now be successful when it failed before?

A.

Looking at applications from a customer point of view, until now IBM was missing a "Mr. lndustry", operating from a large international customer base, leveraging it in terms of investment, application know how and skills as weil as customer applications and financial returns. With this approach, application development will be based on concrete customer projects instead of being done in a developmentlab.

Q.

After this announcement, who exactly is responsible for what?

A.

The industry executive is responsible for a/1 areas contributing directly to the success or failure of his industry unit an a global, regional or country Ievel. This includes marketing, application, solution strategy, solution development and delivery, alliances, pricing, industry plan, as weil as compensation and hiring according to local personnel policies. The country general manager remains IBM's primary representative in the country and is responsible for geographic customer satisfaction, country IBM market share and profitability. He is responsible for those business areas not served by an industry unit.

Q.

Who will be responsible for managing local emp/oyees working within an industry vertical, the country management or the international industry executive?

A.

Country industry executives will receive management direction, including profit and lass targets, market share and customer satisfaction objectives, from a worldwide or regional industry executive.

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They will be fully responsible for their local business including management of human resources where necessary in coordination with country general management. Q.

Who will decide on my quota/incentives the CGM or the industry executive?

A.

The industry executive. Abb. 4: Industty Vertical Announcement

Bis Oktober 1994 erfolgte die ZuordnWlg aller Mitarbeiter zu den neu gebildeten Bereichen. Dabei wurden die Organe der MitbestimmWlg intensiv Wld frühzeitig mit einbezogen. Es wurde eine eigene Datenbank eingerichtet, in der eine vollständige ErfasSWlg Wld Dokwnentation aller Versetzungen von Mitarbeitern in allen Unternehmenshereichen Wld Tochterfirmen der komplexen IBM-Organisation in Deutschland erfolgte. Anhand dieser Datenbank konnten sich auch die Mitarbeiter aus dem Personalbereich vor Ort, also z. B. in den NiederlassWlgen über die konkreten AuswirkWlgen in ihrem Bereich informieren, Wld damit auch den örtlichen Betriebsrat jederzeit aktuell informieren. Im November 1994 wußte jeder, welche FührWlgskraft fur ihn in der neuen Struktur zuständig sein würde. In der deutschen Organisation wurden so innerhalb eines halben Jahres ca. 1100 Mitarbeiter bewegt. Die WanderW1gsbewegWlgen der Mitarbeiter Wld der KWlden von den bisherigen zu den neuen Segmenten bei IBM in Deutschland zeigt die folgende Graphik:

Michael Kopp

198

Zuordnungsströme Vertrieb und Services Geschäftsbereiche

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GB KlldiU,.Utlllt GBTtloKom GB Mtdltn GB l.tflrl & Fqradlung

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Sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene wurde der Restrukturierungsprozeß von Task-forces unterstützt und überwacht. Um der Task-force auch die entsprechende Wirksamkeit zu verleihen, wurde sie mit Vollmachten ausgestattet und hatte die Möglichkeit von sich aus Entscheidungen über Details der Organisationsstruktur und über die Zuordnung von Mitarbeitern zu neuen Organisationseinheiten zu treffen. Die deutsche Task-force berichtete an den Country Manager Deutschland, der damit selbst aktiv in den zentral verordneten Umstrukturierungsprozeß eingebunden ist. 3.7. Client Relation Management

In der deutschen Task-force zur Realisierung der neuen Struktur wurden zehn verschiedene Prozesse als wesentliche Bestandteile des Customer Relation Management definiert. Anband dieser Prozesse konnten die Beteiligten ihre Rolle in der neuen Struktur konkret definieren und konnten Ideen entwickeln, wie diese Prozesse im einzelnen ausgestaltet werden sollten.

Lernprozesse in multinationalen Unternehmen

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Client Relation Management Process:

Opportunity Management

Key element:

Go/No Go Decisions

Purpose:

Managing each customer request as an opportunity of IBM.

Client Relation Management Process:

Solution Design and Delivery

Key element:

Following through for Design and Delivery

Purpose:

Delivery as promised the solution we designed for the customer.

Client Relation Management Process:

Skills Management

Key element:

Resource Fluidity

Purpose:

Right kind of people to right kind of project.

Client Relation Management Process:

Business Partner Management

Key element:

Relationship with Partners

Purpose:

Right partner, for right business, at right time. Abb. 6: Client Relation Management

200

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4. Resultate der Anpassungsprozesse 4.1. Akzeptanzmessung

Nach der Einfiihrung der neuen Organisation wurde bei IBM in Deutschland großer Wert darauf gelegt, die Akzeptanz der neuen Strukturen bei den Mitarbeitern zu erkennen und den Prozeß der Eingewöhnung zu begleiten und zu fördern.

Im März 1995 wurde eine Mitarbeiterbefragung auf allen Ebenen bei IBM in Deutschland, Großbritannien und der Schweiz durchgeführt, um festzustellen, ob und inwieweit die neuen Strukturen verstanden und angenommen wurden. In Deutschland wurden 400 Mitarbeiter aus allen Bereichen und Ebenen nach einem Zufallsgenerator ausgewählt und anonym befragt. Ergänzend kamen Gruppeninterviews hinzu. Die Ergebnisse dieser Befragung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Akzeptanzbefragung bei Mitarbeitern Zielsetzung und Struktur bestätigt .Bewährte" Beziehungen bleiben erhalten .Wir-Gefühl" der alten funktionalen und produktspezifischen Bereiche behält Bedeutung Probleme mit der Ergebniszuordnung (Doppelverrechnung) Große Erwartungen an die Schnelligkeit in der positiven Ausrichtung Abb. 7: Akzeptanzbefragung bei Mitarbeitern

Zielsetzung und Struktur der neuen Organisation wurden im wesentlichen von alle Mitarbeitern verstanden und die Notwendigkeit dieser Maßnahmen bestätigt. Die tatsächliche Zusammenarbeit innerhalb der neuen Organisation und insbesondere die tatsächlichen Wege der Zusammenarbeit und der Kommunikation blieben häufig verschlungen und orientierten sich an den alten Strukturen. Der Widerstand aus den ehemaligen Erbhöfen wurde erkennbar. Obwohl z. B. der ,,Mode of Operation" zwischen den Industry Solution Units einerseits und den Produkt- und Servicebereichen andererseits fiiihzeitig klar

Lernprozesse in multinationalen Unternehmen

201

definiert war, wurden alte und im Tagesgeschäft bewährte Beziehungen beibehalten. Vor allen in den alten, funktional oder produktspezifisch ausgerichteten Bereichen, behielt immer noch das alte "Wir-Gefiihl" eine große Bedeutung. Hinzu kam, daß die Ergebnisplanung und die Ergebniszuordnung mit den notwendigen Doppelverrechnungen nach Produkteinheiten und Branchensegmenten noch nicht transparent war. Die Produktbereiche forcierten nach wie vor ihre Produkte. So konkurrierten z. B. die AS/400 mit RS 6000-Systemen oder rein PC-basierten Netzwerken um ein und dieselbe Kundenlösung. Die befragten Mitarbeiter äußerten große Erwartungen an die Geschwindigkeit, mit der die neuen Strukturen konkret meßbare und vorzeigbare Ergebnisse erbringen sollten. 4.2. Gelingt der mentale und strategische Turn-around?

Man ist sich bei IBM darüber im klaren, daß ein über Jahre stabiles System von informellen Beziehungen nicht innerhalb eines halben Jahres reibungslos in eine neue Struktur übergeht und dann auch sofort faktische Realität wird. Trotz des klaren Aufwärtstrends hat Gerstner noch ein hartes Stück Arbeit vor sich. Die strategische Krise ist noch nicht überwunden. Immer noch ist das Hardware-Geschäft die wichtigste Sparte bei IBM. Gut zwei Drittel des Gewinns von 1994 stammen immer noch aus dem traditfonellen, aber seit Jahren schrumpfenden Geschäft mit den Groß- und Mittelklasserechnern, mit Speichersystemen sowie der dazugehörigen BetriebssystemSoftware. Die Experten sind sich jedoch einig, daß in nächster Zeit das traditionelle Mainframe-Geschäft drastisch schrumpfen wird. 1994 hatte IBM seine Führungsrolle im PC-Markt an Compaq abtreten müssen. und wurde in Amerika sogar von dem Branchen-Neuling Packard Bell überholt und auf den vierten Platz verdrängt.

In Europa schrumpfte der Anteil am PC-Markt von IBM im ersten Quartal 95 von 11 auf 8,5 Prozent. Mit ein Grund waren nach wie vor die hausgemachten Lieferprobleme. Allerdings konnte IBM gerade auch in Deutschland in den letzten beiden Jahren große Erfolge im Dienstleistungsgeschäft verbuchen. Die Übernahme von Lotus durch IBM im Juni 95, mit einem Kaufpreis von 3,5 Mrd. US$ die teuerste Übernahme der Software Branche, von Louis Gerstner forciert und persönlich in einer Blitzaktion ausgehandelt, überraschte die Branche. Die Übernahme eröffnet IBM die Chance, mit dem Groupware Produkt Notes von Lotus auf breiter Front ein hochinteressantes Segment im Bereich vernetzter

202

Michael Kopp

PCs zu besetzen. Der Erfolg bei Lotus verschaffie Gerstner bei den selbstbewußten IBM-Leuten neuen Respekt, die ihre Skepsis gegenüber dem Mann nie ganz abgelegt hatten, der frllher Zigaretten und Kekse verkauft hatte. Die erste Etappe, der mühsamen Sanierung hat der branchenfremde Neuling erreicht und IBM wieder auf feste Beine gestellt. Die Bilanz 94 wies einen Gewinn von 3 Milliarden US$ aus. Die Entwicklungszyklen bei Mainframes haben sich von drei Jahren auf 18 Monate verkürzt. Bei Workstations verkürzte sich die Entwicklung bis zur Auslieferung um die Hälfte auf neun Monate. IBM ist nicht nur schneller, sondern auch aggressiver geworden. Und bietet mit einer aggressiven Preispolitik dem Wettbewerb, wenn es strategisch einen Sinn macht, Paroli.

Informationale Voraussetzungen für Lernprozesse multinationaler Unternehmungen Von Bernd Schiemenz und 0/afSchönerl

1.

Multinationale Unternehmungen und ihr Umfeld

Wesentliche personale Elemente einer UnternehmWlg sind die internen Interaktionspartner Management, Kapitalgeber einschließlich eventueller Kooperationspartner Wld Mitarbeiter. Sie verfolgen das UnternehmWlgsziel durch Interaktion mit externen Interaktionspartnern wie KWlden, Lieferanten, Banken, Wettbewerbern Wld Behörden als Elemente der Aufgabenumwelt Das Verhalten dieser internen Wld externen Interaktionspartner wird durch zahlreiche Faktoren - von natürlichen Gegebenheiten bis zu den rechtlichpolitischen Nonnen- beeinflußt, die Dülfer in seinem bekannten Schichtenmodell als Bestandteil der globalen Umwelt herausarbeitet. (siehe AbbildWlg 1) Die BeeinflussWlg der UnternehmWlg durch natürliche Wld kulturelle BedingWlgen der globalen Umwelt erfolgt in einem mehrstufigen rückgekoppelten Prozeß. (Dülfer 1995, S. 216ff.)

1 Prof. Dr. Bemd Schiemenz, Diplom-Kaufmann Olaf Schönert, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Phitipps-Universität Marburg

204

Bemd Schiemenz und Olaf Schönert

M I I

Aufgaben-Umwett

t

I ~>

Sple>Lpe>riode>

Abb. 12: Grafische Darstellung des durchschnittlichen Lagerstandes

Menüpunkt 'Ende'

Dieser Menüpunkt beendet das Teilnehmerprogramm und speichert die Entscheidungen des Unternehmens auf die Untemehmensdiskette.

424

Thomas Leopoldseder

4.

Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird ein betriebswirtschaftliches Unternehmensplanspiel vorgestellt, das sich besonders den Aufgaben von international tätigen UnternehmWlgen widmet. Nach der Definition des Begriffs Planspiels Wld der Abgrenzung zu ähnlichen Lernverfahren wird das betriebswirtschaftliche Unternehmensplanspiel IMPEX beschrieben, das bis jetzt mehnnals an der WirtschaftslUliversität Wien mit großem Erfolg eingesetzt wurde. Zwn einem zur AusbildWlg von Studierenden im fortgeschrittenen Studiwn der Betriebswirtschaft zum anderen im Rahmen des Universitätslehrganges zur AusbildWlg von Exportkaufleuten, an dem ausschließlich Personen aus der Praxis teilnehmen.

Literatur Bleicher, K. (1965): Entscheidungsprozesse in Unternehmensspielen, Baden-Baden Duden (1995): Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Marmheim Europäische Planspielübersicht (1992): Hrsg. Deutsche Planspielzentrale, 5. Auflage

Faria, A.J.!Dickinson, J. R. (1994): Simulation Gaming for Sales Management Training, Journal ofManagement Development, Vol. 13, No. 1, S. 47- 59 Friedrich, H.!Tschersig, R. (1980): Planspiel: Gesamtwirtschaftliche Stabilität und Gruppeninteressen - Konzertierte Aktion, 2. Auflage, Köln Geber, Beverly (1994): Let the Games Begin, in: Teams, S. 10- 15 Heidack, Clemens (1993): Planspiel- Nutzen, in: Lernen der Zukunft, Clemens Heidack (Hrsg. ), 2. Auflage, München Karczewski, Stephan (1991): Die Entwicklung einer modularen Gesamtarchitektur für die Softwarekomponenten von Planspielen, Wiesbaden Keim, Helmut (1992): Strukturelemente lernaktiver Methoden: Probleme der Konstruktion, Organisation und Evaluation, in: Planspiel, Rollenspiel, Fallstudie; Hrsg.: Helmut Keim, Köln Löj]ler, Reiner (1986): Strategos - Ein dynamisches und computergestütztes Planspiel des Wettbewerbs zwischen Unternehmen zur Unterstützung des strategischen Managements, Mannheim Merz, Wolfgang (1993): Volkswirtschaftliche Planspiele im Hochschulunterricht, Berlin Popp, W. (1970): Die Funktion von Modellen in der didaktischen Theorie, in: Unterrichtsforschung in Theorie und Praxis, München Rohn, Walter (1964): Führungsentscheidungen im Untemehmensplanspiel, Essen Werneck, T.!Grasse, R. (1976): Planspiele, München

Programmsystem zur Simulation kybernetischer Regelkreise Von Manfred Bundschuh und Dietmar Gausselmann 1

1.

Einleitung

Das gesamtheitliehe Denken ist zwar kein Fremdwort mehr in vielen Unternehmungen, doch tun sich viele Unternehmen schwer, dieses Denken bis in die untersten Ebenen durchdringen zu lassen. Es bleibt oft im Mittel-Management stecken und man vergißt, daß jeder Mitarbeiter seinen Beitrag dazu leisten muß. Viel wird getan, um es den Unternehmungen zu erleichtern, in dieses Denken hineinzukommen. Simulationen und Visualisierungen bieten hier eine hilfreiche Möglichkeit, dem nicht kybernetisch denkenden Mitmenschen auf einfache Art und Weise die Notwendigkeit zu erläutern und zu demonstrieren. An dieser Stelle knüpft das hier beschriebene Programm an. Es soll visualisiernd und simulierend dem aufgeschlossenen Mitmenschen das kybernetische Denken und die Notwendigkeit dieses Denkens aufschlüsseln und unterbreiten. Das Programm dient der Veranschaulichung von kybernetischen Regelkreissystemen. Es verwaltet bis zu 20 kybernetische Regelkreise, denen man einzeln, über Parameter, ein bestimmtes Verhalten zuweisen kann. Mit dem kybernetischen Regelkreissystem können Simulationen durchgerechnet werden und damit optimale Parametereinstellungen ermittelt werden, um das jeweilige Regelkreissystem zu verbessern. Mit dem Programm können Lösungen von Problemen visualisiert werden, die als kybernetische Zusammenhänge dargestellt werden können. Durch die optische Unterstützung am Bildschirm, die Simulation und die statistischen Daten eignet sich das Programm fiir den Einsatz in der Lehre und bei Vorträgen. Kybernetische Regelkreissysteme können veranschaulicht dargestellt und Personen zugänglich gemacht werden, die mit der Kybernetik nicht so vertraut sind.Die optische Gestalltung der kybernetischen Regelkreise richtet 1 Dipl.-Math. Manfred Bundschuh, Betriebs-Berater, Bergisch Gladbach; Dipl.-Inf. Dietmar Gaußelmann, Köln

426

Manfred Bundschuh und Dietmar Gausseimann

sich nach der von Dipl. Math. Manfred BWldschuh entwickelten DarstellWlg, die auf folgenden Jahrestagmgen der Gesellschaft für Wirtschaft- Wld Sozialkybernetik vorgestellt wurden: -

Problemlösen durch kybernetisches Projektmanagement, Jahrestagmg 1991 der GWS

-

Interdependenz zwischen Motivation Wld Akzeptanz, Jahrestagmg 1989 derGWS

Ein kybernetischer Regelkreis wird als Kreislauf dargestellt Wld besteht aus den vier Teilen:2

Meßglied: Das Meßglied stellt den aktuellen Zustand des Regelkreises dar. Hier ist der EintrittspWlkt zum Regelkreis. Regler: Der Regler wählt Maßnahmen aus um den Sollwert zu erreichen, bzw. zu halten. Stellglied: Das Stellglied wählt die Stellgröße aus, für die vom Regler ausgewählte Maßnahme, Wld liefert diese an die Regelstrecke. Rege/strecke: Die Regelstrecke fiihrt mit der Stellgröße das Stellglieds die Maßnahmen aus. Hier ist der Austrittspunkt fiir den Regelkreis. An der Regelstrecke können StörWtgen auftreten. Die AbbildWlg I zeigt die Oberfläche des Programms ohne geladenes kybernetisches Regelkreissystem.

2 s.a. Problemlösen durch kybernetisches Projektmanagement, Jahrestagung 1991 der GWS, S. 125 ff.

Programmsystem zur Simulation kybernetischer Regelkreise

427

Abb. I: Oberfläche des Programms ohne geladenes kybernetisches Regelkreissystem

In der Abbildung 1 sind das Menü und die Symbolleiste zu sehen. Neben der von Dipl. Math. Manfred Bundschuh entwickelten Darstellung

führt das Programm noch eine zusätzliche Darstellung ein: das Infonnationsfen-

ster.3 In diesem werden die aktuellen Werte und Parameter fiir jeden kybernetischen Regelkreis dargestellt Wld durch Fortschrittsanzeigen veranschaulicht.

Durch Eintragen von Regelkreisen wird ein kybernetischer Regelkreis mit Ein- und Ausgang und unter dem Sollwert das Infofenster in die Oberfläche eingetragen.

3

Siehe Abbildung 2 und Abbildung 3.

428

Manfred Bundschuh und Dietmar Gausseimann

Abb. 2: Ein Regelkreis ohne Beschriftung

Weitere kybernetische Regelkreise können eingetragen werden. Diese werden auf der Oberfläche angezeigt und miteinander verbunden. Der Ausgang wird entsprechend verschoben. 4 Die Abbildung 3 zeigt zwei kybernetische Regelkreise mit Ein- und Ausgang.

4

Siehe Abbildung 3.

Programmsystem zur Simulation kybernetischer Regelkreise

429

Abb. 3: Zwei Regelkreise ohne Beschriftung

Das Programm läuft unter der grafischen Oberfläche MS-Windows ab Version 3.1 und dem Betriebssystem MS-DOS. Es entspricht dem SAA-Standard, verfiigt über Pulldown-Menüs, Ikons, eine Statuszeile und eine Online-Hilfe. Die rechte Maustaste ist zur schnellen Anzeige von Eingabe- und Dialogfenstern vorgesehen. Verwaltung

Mit Programmen wird versucht die Realität im Computer nachzubilden. Mit diesem Regelkreisprogramm können auf dem PC Modelle von Wirkungszusammenhängen zur Beschreibung kybernetischer Regelkreise abgebildet werden,. Dazu muß ein kybernetisches Regelkreissystem beschrieben werden. Das Programm bietet folgende Eingabefelder: Eine Kurzbeschreibung fiir jedes Feld eines Regelkreises sowie eine Phasenbeschreibung fiir jeden Regelkreis. Ein Editor steht zur VerfUgung um ein Regelkreissystems zu beschreiben, sowie Literaturangaben, Entwicklungsgeschichte oder Besonderheiten. Für jeden Regelkreis werden Parameter eingestellt, die im Kapitel über Simulation genauer beschrieben werden.

430

Manfred Bundschuh und Dietmar Gausseimann

Vorhandene Eingaben können geändert oder gelöscht werden. Zu einem bestehenden Regelkreissystem können weitere Regelkreise hinzugefügt werden. Ein Regelkreissystem kann unter den für MS-DOS geltenden Beschränkungen gespeichert werden. Die optische Darstellung kann verändert werden. Hierzu besteht die Möglichkeit, die Informationsfenster teilweise oder gesamt auszublenden. Die Schriftart, Schriftgröße und Schriftfarbe der Beschreibungstexte ist frei wählbar. Die Darstellungsgröße der Regelkreise kann frei gewählt werden. Eingaben erfolgen über Dialogfenster, die mit einer Online-Hilfe ausgerüstet sind.

Simulation Das Verhalten der erfaßten kybernetischen Regelkreissysteme kann simuliert werden. Hier wird zwischen der Aufbau- und der Störlaufphase unterschieden. Letzteres dient zur Prüfung und Simulation der Stabilität des Regelkreissystems. Für die Simulation werden die Parameter (in Einheiten= EH) für jeden Regelkreis eingestellt, um so das Verhalten für jeden Regelkreis zu bestimmen. Die Parameter sind: -

der aktuelle Wert, nachjedem Zyklus.

-

der Sollwert, der am Ende der Aufbauphase erreicht werden soll.

-

der maximale Deltawert, dieser kann maximal pro Zyklus zum aktuellen Wert kumuliert werden.

-

die Störwahrscheinlichkeit gibt an, mit wieviel Prozent Wahrscheinlichkeit eine Störung auftreten kann.

-

der maximale Störwert, der maximale Wert, der im Störfall vom Sollwert subtrahiert werden kann.

Das Meßglied prüft den aktuellen Wert und gibt die Differenz zwischen diesem und dem Sollwert an den Regler weiter. Der Regler wählt eine Maßnahme aus, um den Sollwert zu erreichen, bzw. diesen zu halten. Die Maßnahme wird an das Stellglied weitergegeben. Dieses legt einen Deltawert fest, der im Bereich von 0 bis zum max. Deltawert liegt. Dieser Deltawert wird an die Regelstrecke weitergegeben. Die Regelstrecke kumuliert diesen zum aktuellen Wert. Tritt eine Störung auf, die mit der Störwahrscheinlichkeit festgestellt wird, wird ein Störwert, der im Bereich von 0 bis zum max. Störwert liegt, vom aktuellen Wert abgezogen.

Programmsystem zur Simulation kybernetischer Regelkreise

431

Rahmenwerte Aktueller Wert

lo

Sollwert

1100

Max. Delta

120

lit lit lit

Störwahrsch.

110

lil

~

Max. Störung

110

ltl

EH

1fi('; m

,'

I

EH EH EH

Abbruch

Abb. 4: Dialogfenster für die Rahmenwerte

Die Abbildung 4 zeigt das Dialogfenster mit den Standard-Vorbesetzungen.

Aufbauphase Die Bedingung, bzw. Definition der Aufbauphase ist: Es existiert mindestens ein Regelkreis für den gilt: der aktuelle Wert ist kleiner als der Sollwert. Somit sind alle folgenden Regelkreise auch nicht aufgebaut. Durch unterschiedliche Farbgebung der Verbindungsglieder wird optisch angezeigt, ob ein Regelkreis aufgebaut oder noch nicht aufgebaut ist. Die Aufbauphase beginnt mit dem ersten Regelkreis. Dieser wird so lange durchlaufen, bis der Sollwert erreicht ist Dann wird der nächste Regelkreis durchlaufen bis der Sollwert erreicht ist. Die Aufbauphase ist beendet, wenn für jeden Regelkreis gilt: der aktuelle Wert ist gleich dem Sollwert.

432

Manfred Bundschuh und Dietmar Gausseimann

Im Anschluß an die Aufbauphase besteht die Möglichkeit, die angefallenen statistischen Daten zu speichern. Das wird im Abschnitt zu den statistischen Daten ausfilhrlich beschrieben. Hier folgt ein Beispiel mit Hilfe des kybernetischen Regelkreissystems zum Akzeptanzproblem. Es kann z.B. benutzt werden um Fühnmgskräften aufzuzeigen, was es fiir die Akzeptanz bedeutet, wenn der Informationsfluß nicht richtig läuft. Im Anschluß daran wird das Beispiel mit einem guten Informationsfluß aufgezeigt. Hier werden auch die Möglichkeiten, die die Parametereinstellungen geben, erläutert. Im Kapitel zu den statistischen Daten werden dann die anfallenden Daten diskutiert. Die Abbildung 5 zeigt den kybernetischen Regelkreis.

Abb. 5: Kybernetisches Regelkreissystem zum Akzeptanzproblem

Für die erste Phase, den Aufbau des lnformationsflusses, werden die Einstellungen gewählt, die aufzeigen, daß der Informationsfluß nicht richtig läuft und durch einen oder mehrere Störfaktoren beeinflußt wird.

Progranunsystem zur Simulation kybernetischer Regelkreise

433

Rahmenwerte Aktueller 'Wert

lo

Sollwert

1300

1=:1 EH 1=:1 EH

Max. Delta

110

1=:1 EH

S törwahrsch.

190

lil %

Max. Störung

!so

1=:1 EH

OK

I

Abbruch

Abb. 6: Rahmenwerte für das erste Beispiel

Der Sollwert von 300 EH liegt hoch im Verhältnis zwn maximalen Delta. Bei jedem Durchlaufkann eine Störung mit 90% Wahrscheinlichkeit auftreten, die dann einen Schaden von max. 60 EH anrichten kann. Ein Grund kann sein, daß Mitarbeiter innerhalb der Gruppe die Wichtigkeit des Informationsflusses nicht einsehen oder eine informelle Gruppe sich zwn Zwecke der Vorteilsbildung gebildet hat, und sich so vom Gruppenleiter abgrenzt, der vielleicht selber Informationen zurückhält oder unvollständig weitergibt. 5 Die hier benötigten Durchläufe in Zeiteinheiten liegen in Relation zu den beiden nachfolgenden Phasen sehr hoch, wie die Simulation zeigt (bei 53 Durchläufen). Es ist einzusehen, daß die Akzeptanz sehr schlecht zu erreichen ist, auch wenn in den beiden folgenden Phasen, der Partizipation der Mitarbeiter und der Schulung der Mitarbeiter, ein Optimum geschaffen wird. Erst die Schaffi.mg des Informationsflusses durch Ausschalten der informellen Gruppe oder durch vollständige Informationsweiterleitung durch den Gruppenleiter bringt hier eine erhebliche Verbesserung.

5

Siehe auch Abbildung 2.

28 GWS-Tagung 1995

434

Manfred BWldschuh Wld Dietmar Gausseimann

Rahmenwerte

lo

Max. Delta

1300 110

l=lf l=lf l=lf

S törwahrsch.

13

lil

%

Max. Störung

,,0

1=1

EH

Aktueller \rlert Sollwert

EH EH EH

Abbruch

Abb. 7: Rahmenwerte für das zweite Beispiel

Die Reduzierung der Störwahrscheinlichkeit auf 3% und die Reduzierung der maximalen Störung auf 10 EH, bringt hier eine erhebliche Verbesserung auf 19 Durchläufe zur Erreichung des Sollwertes von 300 EH. 6 Dieses kann z.B. noch verbessert werden durch Schaffung von verbesserten Informationswegen, durch elektronische Briefkästen und regelmäßige Meetings. Wird hier der maximale Deltawert auf 60 EH erhöht, wird der Sollwert von 300 EH in 19 Durchläufen erreicht. Eine Verbesserung um 78 Durchläufe ist erreicht worden. 7

6

Siehe auch AbbildWlg L

7

Sieh auch AbbildWlg 10.

Programmsystem zur Simulation kybernetischer Regelkreise

435

Rahmenwerte

lo

Sollwert

1300

Max. Delta

130

lil lil lil

Störwahrsch.

13

lil %

t.tax. Störung

110

lil

Aktueller Wert

I

Abbruch

EH EH EH

EH

J

Abb. 8: Rahmenwerte für das dritte Beispiel

Hier werden nun nur noch 19 Durchläufe gebraucht Durch die Visualisierung am Bitdschinn kann der Problembereich sichtbar und Skeptikern zugänglich gemacht werden. Die gewonnenen Daten können gespeichert werden, wn spätere Vergleiche zu ennöglichen. Die Simulation der Aufbauphase kann im Anschluß beendet werden, oder das Regelkreissystem geht in die Störlaufphase über. Es ist auch möglich, per Dialogfenster alle aktuellen Werte aufNull zu setzen, um eine erneute Aufbauphase zu durchlaufen, mit identischen oder neuen Rahmenwerten. Störlaufphase

Die Bedingung, bzw. Definition der Störlaufphase ist: Für alle Regelkreise gilt: der aktuelle Wert ist gleich dem Sollwert. Die Stabilität des kybernetischen Regelkreissystems kann geprüft und simuliert werden. Ein Regelkreis ist solange aufgebaut, bis in der Regelstrecke eine 28*

436

Manfred Bundschuh und Dietmar Gausseimann

Stönmg auftritt, die den aktuellen Wert wn einen bestimmten Wert vermindert. Dieser liegt im Bereich von Null bis zum maximalen Störwert. Tritt eine Stönmg auf, so sind auch alle folgenden Regelkreise nicht mehr stabil. Eine Stönmg zieht sich vom Regelkreis mit der Stönmg bis zum letzten Regelkreis des Regelkreissystems durch. Bei Auftreten einer Stönmg geht das Programm in die Aufbauphase über, bis zum vollständigen Aufbau des Systems, wn dann wieder zur StörlaufPhase überzugehen. Durch Farbwechsel in den Verbindungsgliedern innerhalb der kybernetischen Regelkreise und den Verbindungsgliedern zwischen den einzelnen kybernetischen Regelkreisen wird die Phase optisch dargestellt. Die StörlaufPhase verdeutlicht sehr die Wichtigkeit der Eliminienmg der Störmängel und Störfaktoren. Diese beeinträchtigen immer wieder die Stabilität eines kybernetischen Regelkreissystems. Statistik Die in der Aufbauphase anfallenden Daten sind Grundlage fiir die Statistik. Hier werden die Durchläufe für jeden Regelkreis und die eingestellten Parameter festgehalten. Die Daten werden in separaten Dateien gespeichert und ermöglichen so den Vergleich zwischen anderen Regelkreissystemen, gleichen Regelkreissystemen mit identischen Parametern und gleichen Regelkreisssystemen mit unterschiedlichen Parametern. Liste der Statistikdateien az_gut.rka 04.11.1995 12:48:15.171 0 :\SOURCE\REGELK.RE\AKZEPT.RK. az_n_sto.rka 04.11 .1995 12:37:06.451 0 :\SOURCE\REGELK.RE\AKZEPT. az_schle.rks 04.11 .1995 12:23:07.361 0 :\SOURCE\REGELK.RE\AKZEPT .I ollo.rb 02.11.1995 20:26:30.211 0 :\SOURCE\REGELK.RE\TEST.RK.O rk_l.rka 27.10.1995 13:21 :37.861 O:\SOURCE\REGELK.RE\AKZEPT2.RK.[ stat.rb 02.11.1995 20:24:50.851 0:\SOURCE\REGELK.RE\TEST.RK.O

liilfe

Abb. 9: Dialogfenster zur Auswahl der Statistikdateien

Programmsystem zur Simulation kybernetischer Regelkreise

437

Die erste Spalte zeigt den Namen der Statistikdatei. Es folgen Datmn und Uhrzeit der Simulation. Dann folgt der Dateiname inkl. Pfad des kybernetischen Regelkreissystems. Durch die Trennung der statistischen Daten von denen des kybernetischen Regelkreissystems können filr ein System beliebig viele Statistikdateien angelegt werden. Durchanklicken in der Liste werden die Werte in einem Dialogfenster angezeigt, um auch eine spätere Auswertung zu ermöglichen.

-

Statistische Daten zum Regelkreissystem Datei: D:\SOURCE\REGELKRE\AKZEPT .RKD Datum: 04.11.1995

RK Läufe 1

10

3

7

2

22

~:~~ GO

15 30

Uhrzeit: 12:48:15.17

Sollwert Wahrsch. 300 150 100

10

3

15

max. Störung

GO

10 20

Abb. 10: Statistische Daten fiir das zweite Beispiel

Die Abbildung 10 zeigt die statistischen Daten des Akzeptanzproblems mit einem guten Informationsfluß und geringer Störwahrscheinlichkeit Das Fenster zeigt die Daten filr den gesamten kybernetischen Regelkreis. Der erste Eintrag weist den Wert filr die erste Phase aufO (mit 19 Durchläufen).&

8

Vergleiche auch Abschnitt: Aufbauphase

438

Manfred Bundschuh und Dietmar Gausseimann

-

Statistische Daten zum Regelkreissystem Datei: D:\S OURCE \REG ELKRE\AICZEPT .R KD Datum: 26.11.1995

Al( Läufe 1

2 3

19 21

7

~=~~ 30

15 30

Uhrzeit: 16:09:19.12

Sollwert \a/ahrsch. 300 150 100

3 3

15

max. Störung 10 10 20

Abb. 11: Statistische Daten für das erste Beispiel

Die Abbildung 11 gibt Auskunft über die statistischen Daten bei einem mittleren Informationsfluß. Die statistischen Daten können zu jedem Zeitpunkt aufgerufen werden und sind nicht davon abhängig, ob ein kybernetischer Regelkreis geladen ist oder nicht.

Programmsystem zur Simulation kybernetischer Regelkreise

-

439

Statistische Daten zum Regelkreissystem Datei: D:\SOURCE\REGElKRE\AKZEPT.RKD Datum: 26.11.1995

max. R... .... l-au fe Delta

1

2 3

53 19

9

10 15 30

Uhrzeit: 16:01:57.08

SoIIwert ''' wahrsch. 300 150 100

3 3

15

max. Störung 10 10 20

Abb. 12: Statistische Daten für das erste Beispiel

Die Abbildung 12 zeigt die statistischen Daten für das erste Beispiel, als die Störwahrscheinlichkeit und die maximale Störhöhe relativ hoch waren. 1.1. Weiterentwicklungsvorhaben

*

Die Einflußfaktoren der Störungen werden mit unterschiedlichen Berechnungsfaktoren unterlegt, z.B. einer Normalverteilung, der Studentverteilung oder der Chi-Quadrat-Verteilung.

*

Es werden neben den linearen kybernetischen Regelkreisen vernetzte und rekursive kybernetische Regelkreise eingeftihrt.

*

Mehrere dieser kybernetischen Regelkreissysteme werden verbunden und können an den Eintrittspunkten korrelieren, in Warteschleifen eintreten oder terminieren.

*

Grafische Aufbereitung der statistischen Daten per Schnittstelle zu anderen Programmen.

*

Unterstützung bei der Modellierung eines Problems als kybernetisches Regelkreissystem am Computer.

440

Manfred Bundschuh und Dietmar Gausseimann

*

Entwickhmg der kybernetischen Regelkreise am Computer.

*

Schnittstellen zu anderen Programmen, um Daten zu importieren oder zu exportieren.

* *

Netzwerkfähigkeit

*

Die Parameter werden unterteilt, so daß die Eingabe nicht als Summe vorgenommen, sondern in Teilwerte aufgegliedert wird, um so die EiDflußgrößen bestimmen zu können.

Portierung des Programms auf andere Plattformen, wie z.B. auf Windows 95.

Literatur Bundschuh, Manfred: Problemlösen durch kybernetisches Projektmanagement, Jahrestagung 1991 der GWS -

Interdependenz zwischen Motivation und Akzeptanz, Jahrestagung 1989 der GWS

Gaußelmann, Dietmar: Entwicklung eines Programmsystems zur Simulation kybernetischer Regelkreise

Das ungenutzte Potential wirtschaftswissenschaftlicher Informationen aus dem Internet Von Johannes Wagner und Michael Clausnitzer1

Viele der renommiertesten internationalen Wirtschaftsinstitute und Hochschulen sind heute im weltumspannenden Internet präsent. Häufig werden die Ergebnisse praxisorientierter Forschungen aus dem Wirtschaftsbereich von diesen Instituten elektronisch veröffentlicht. Die Resultate stehen damit allen interessierten Forschern und Praktikern direkt zur Verfiigung. International tätige Unternehmen haben zu großen Teilen das Potential dieser auf einfache Weise zugänglichen Information noch kaum erkannt oder genutzt. Zukünftig wird das global orientierte Unternehmen gefordert sein, neben den klassischen Marktinformationen auch Informationen aus der Wissenschaft zu nutzen, die bisher nur den Großkonzernen vorbehalten waren. Anhand einzelner Forschungsberichte, beispielsweise internationale CaseStudies, Untersuchungen über virtuelle Märkte und weiteren aktuellen Marktbeobachtungen, wird vermittelt, wie die Datenautobahnen unser wirtschaftliches Handeln schon heute unterstützen können. Das international ausgerichtete Unternehmen wird nur von den neuen Kommunikationstechnologien profitieren, wenn es seine Mitarbeiter mit den Werkzeugen und Inhalten der Informationsdienste vertraut macht. Der Verzicht auf elektronische Informationsdienste bedeutet fiir die Zukunft gravierende Wettbewerbsnachteile. Praktische Beispiele aus mehreren Online-Diensten sollen diese noch recht neuen Möglichkeiten transparent und anschaulich vorstellen.

1 Johannes Wagner, Dipl.-Ing. (FH), Dipl.-Exportwirt (EA), Ingenieur- und Marketingbüro in Reutlingen, Michael Clausnitzer, Dipl.-Verwaltungswissenschaftler, Wissenschaftl. Projektmitarbeiter an der Export-Akademie Baden-Württemberg, Reutlingen

442

Johannes Wagner und Michael Clausnitzer

Institut für Wirtschaftsinformatik Institute for Information Management Universil.y oj St. OalJen, Switzerland

---------------·-----·---- ---- ···--·--···--·---·---

NEW NZW in F~bnuuy itÄ N ew Project: EPICA (Eiect:ronic Product and Integration Catalogs)

A Cooperation Project with business partners, supported by the Swiss Federal Office for Economic Policy.

jfj Highlights from our official Annual Report 1996: The Projects. Comina Event: The 3rd International Conference on Business Informatics WI '97 26-28 F eb. in Berlin

·&1 Call for Papers!

Open positions!

Abb. 1: Universität St. Gallen, Institut fiir Wirtschaftsinformaitk, Schweiz, InternetAdresse: http://www-iwi.unisg.ch/

Wirtschaftswissenschaftliche Informationen aus dem Internet

443

Edwin L Cox School of Business Case Distribution Outlet The MIS D e p - llllbe Edwin L. Coz School ofBIIIiDm at Soulbern Methodist UoiYerlity" pleued 10 provide tbe foUowing cases relaled to mformal>on systems manaaemeot. For tbe time b01111 the cues appeamg on Ibis paae are anilable &.e of char&•· Cases tlw are auianed for claJS should eilherbe dis!ributed in paperform or do1II'Dioaded to your OWD web. Cu01 will be removed &om tbs rerver wilb.out notice.

ISWorld Net coatüu .., IDda o,.1Uiaoso cue nadlos.

Di&ital EqaipiUilt Cnrplll'ldiaa: TM rm.n..t CompiiiiJ, by SV.I:ta Jav.lfiHIIJ md Blak. Iv.•

Diajtol-Oill in lbe IUIIZIIel' of'94 f&ces ., opporllmily 10 plrlially reU., their bllline" IO,...ds opOD COIDIIUIICIIioDI on:hitoclure md tbe Imemet The cue desaibes how lnsemet champi001 wilhin Diajto1 i&niled lllllll&tmeDI's r:nlbuswm for Ibis ttchnoloo17 .,d how Diaital is usin& lhe lmm>et md Worldw!de web, for clce1rooit COIDIIIOfce, u a pot=llial new bllline" and u 1r1 inlemol ~ 10ol. Tho web Yenion ofthe cue pro>ides hlnds on eaperience wilh elee1roinc pubkshina.