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German Pages 271 [148] Year 1924
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VORWORT
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ie Ziele, die sich die axiomatische Forschung der Geometrie in den letzten zwei Jahrzehnten gesteckt hat, hat Hilbert zusammenfassend folgendermaßen charakterisiert: Die Axiomatik habe es sich zur Aufgabe gemacht, "für die Geometrie ein vollständiges und möglichst einfaches System von Axiomen aufzustellen und aus denselben die wichtigsten geometrischen Sätze in der Weise abzuleiten, daß dabei die Bedeutung der verschiedenen Axiomgruppen und die Tragweite der aus den einzelnen Axiomgruppen zu ziehenden Folgerungen möglichst klar zu Tage tritt". Es unterliegt keinem Zweifel: die Axiomatik hat die so formulierte Aufgabe in bewunderungswürdigerWeise gelöst, und dennoch hat sie damit erst einen Teil der Probleme erledigt, die für die Axiomforschung in Betracht kommen . . Um Beispiele von Problemen deutlich zu machen, die nach einer andern Richtung als der von Hilbert angegebenen liegen, werde das System von Axiomen, wie es etwa von Hilbert an der Spitze seiner Untersuchungen aufgestellt worden ist, konfrontiert mit jenem anschaulichen Gegenstand, der den psychologischen Ausgangspunkt der Hilbertschen Axiomatik· wie jeder anderen gebildet hat: Mit dem Euklidischen Raum. Dieser Raum erweckt in unmittelbarer Anschauung in seiner Schichtung vonPunkten zur Geraden, von Geraden zur Ebene, von Ebenen zum Raum, in seiner Homogenität, in seiner gleichmäßigen dreidimensionalen Erstreckung einen so starken Eindruck von Durchsichtigkeit und einfachem inneren Aufbau, daß man erwarten sollte, daß diese Eigenschaften auch dem System von Axiomen zukommen, das die Gebilde dieses Raumes fundiert. So wie etwa die Einfachheit des Aufbaues der Zahlenreihe sich wiederspiegelt in der Einfachheit der Rechnungsregeln d. h. der Relationsbeziehungen, die die einzelnen Elemente der Zahlenreihe zueinander in Beziehung setzen. Wer
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mit solchen Erwartungen auf Durchsichtigkeit und Gesetzmäßigkeit des Aufbaus des Axiomensystems, selbst an eine so durchgearbeitete Axiomatik wie die Hilbertsche herantritt, sieht sie nur zum Teil erfüllt: das zu Beginn der Untersuchungen aufgestellte System von Axiomen präsentiert sich nicht als ein organisches Ganzes. Man muß die Axiome hinnehmen, weil nun einmal jedes Einzelne von ihnen sich als zum Aufbau der Geometrie notwendig erwiesen hat. Aber sieht man von dieser ihrer Funktion ab und betrachtet das System der Axiome für sich selbst, so wirken sie zum großen Teil als ein bloßes Nebeneinander, als eine Häufung von Forderungen, ohne- die zwingende Notwendigkeit eines einheitlichen Gefüges. Unvermittelt taucht neben den Axiomen der Verknüpfung das Parallenaxiom auf, eine so spezielle Aussage festlegend wie die, daß in einem Punkte außerhalb einer Geraden zu dieser Geraden nur eine Parallele möglich ist. Und neben die so durchsichtigen Axiome der Zwischenrelation: "Wenn A, B, C Punkte einer Geraden sind, und B zwischen C und A liegt, so liegt B auch zwischen A und C" und "Unter irgend drei Punkten einer Geraden gibt es stets einen und nur einen, der zwischen den beiden andern liegt" stellt sich unmittelbar ein Axiom von solcher Kompliziertheit wie das sogenannte Axiom von Pasch, das Aussagen über den Schnitt einer Geraden mit den Seiten eines Dreiecks macht. Oder: Die Axiome der Stetigkeit spannen zwei so heterogene Axiome wie das Archimedische Axiom und das Vollständigkeitsaxiom zusammen - jenes Vollständigkeitsaxiom, das, so unbestreitbar seine Gültigkeit ist, doch aus der Linie der übrigen Axiome herauszufallen scheint; weshalb es auch immer wieder das Befremden der Mathematiker erregte, ohne daß man sich von der Ursache dieses Herausfallens Rechenschaft zu geben vermochte. Diese Härten und Ecken des Systems der Axiome legen den Gedanken nahe, das Problem der Axiomatik auch von einer andern Seite her anzupacken: Die Axiome selbst, nicht nur ihre Eignung zur Grundlegung der Geometrie, einer besonderenUntersuch ung zu unterziehen. Sollte es nicht möglich sein, die Axiome derart umzugestalten, daß ihr System die Durchsichtigkeit und Folgerichtigkeit des inneren Auf'I
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baues erreicht, die ihm bisher fehlten? Sollte es nicht möglich sein, nicht nur ein bloßes System von Axiomen, sondern auch eine Systematik der Axiome zu geben, derart, daß bisher verborgene Gesetzmäßigkeiten im Aufbau des Systems zu Tage treten? Der Unterschied zwischen einer solchen systematischen Axiomatik und derjenigen, die sich an der Eignung zum Aufbau der Geometrie orientiert, ist etwa dem Unterschied vergleichbar, der bis vor wenigen Jahren - bis zu jener neueren Entwicklung, die durch die Entdeckung der Radioaktivität eingeleitet wurde - zwischen dem Vorgehen der analytischen Chemie und den Betrachtungen des periodischen Systems der Elemente bestand: Der Gang der analytischen Chemie ist regressiv: Man suchte durch Analyse zu den letzten Elementen, aus denen sich die komplizierten chemischen Verbindangen zusammensetzen, ebenso vorzudringen, wie die Geometrie zu den letzten nicht weiter zurückführbaren Sätzen, den Axiomen, aus denen sich die Lehrsätze ableiten lassen. Das periodische System da- . gegen betrachtete die derart gefundenen Elemente selbst; es stellte eine Systematik der Elemente auf, ordnete sie in Reihen- und so gelang es nicht nur, eine Gesetzmäßigkeit zu finden, wie die, daß die Elemente derselben Reihe verwandte chemische Eigenschaften zeigen, sondern die Lücken im System erlaubten auch, die Existenz bisher unbekannter Elemente mit ihren Eigenschaften vorauszusagen. Sollte es nicht in ähnlicherWeise möglich sein, neben die Axiomatik, die sich mit den Axiomen als Fundamenten des geometrischen Aufbaues beschäftigt, eine Betrachtungsweise zu stellen, die die Axiome selbst zum Gegenstand syst13matischer Überlegungen macht, und dem Aufbau des Systems der Axiome denselben Grad von Durchsichtigkeit zu verschaffen, wie ihn der Euklidische Raum in seiner Konstitution besitzt? Das ist die- Fragestellung, zu deren Beantwortung die folgende Untersuchung die Grundlinien zu ziehen unternimmt. 9.
Zwei methodische Gesichtspunkte sind es, die .vor allem die folgenden Betrachtungen beherrschen : der erste besteht darin, daß die gesamte Geometrie als ein relationstheoretisches Gebäude aufgefaßt wird,- daß
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sondern muß auf die geometrischen Gebilde selbst in ihrer Eigenart zurückgehen und ihre relationstheoretischen Beziehungen symbolisch zu fassen suchen. Ein großer Teil des ersten Abschnitts ist dem Versuch gewidmet, die Grundlage für diese Anwendung der Relationssymbolik zu schaffen. Der relationstheoretische Gesichtspunkt ist freilich keineswegs an allen Stellen durchgehalten. Beim Problem des Desarguesschen Satzes ist er nur angedeutet, den Pascalsehen Satz einzubeziehen ist nicht einmal der V ersuch gemacht worden: Der Grund ist nicht etwa in einem prinzipiellen Versagen der relationstheoretischen Betrachtungsweise diesen Sätzen gegenüber zu suchen; diese beiden Sätze relationssystematisch durchzuarbeiten, hätte vielmehr umfangreiche Überlegungen notwendig gemacht, die komplizierteren Relationssysteme hätten systematisch durchforscht werden, beim Pascalsehen Satz auch die Beziehung der Relationssymbolik zum Stetigkeitsproblem untersucht werden müssen, sodaß es ratsam schien, diese im Verhältnis zum Ganzen allzu ausgedehnten Diskussionen zunächst zurückzustellen. Es entsteht hierdurch eine Lücke in der Systematik, die durch spätere Forschungen ausgefüllt werden muß.
Ernst gemacht wird mit der relationstheoretischen Auffassung der geometrischen Gebilde. Es ist merkwürdig, daß die konsequente Durchführung des relationstheoretischen Gesichtspunktes und die Benutzung einer hierauf aufgebauten Symbolik noch niemals systematisch in Angriff genommen worden ist. An Ansätzen hierzu, vor allem aus den Kreisen der mathematischen Logik heraus, fehlt es nicht, doch werden die Anfänge solcher Betrachtungsweise immer wieder nach andern Richtungen hin umgebogen, da die mathematische Logik sich weit weniger für eine symbolische Fassung des relationstheoretischen Bestandes geometrischer Gebilde interessiert als für eine Symbolisierung des I o g i s c h e n Verfahrens, das in der Geometrie zur Anwendung kommt. Und doch hätte schon die Fruchtbarkeit der Betrachtungsweise der analytischen Geometrie auf den Wert einer relationstheoretischen Symbolisierung der geometrischen Tatbestände aufmerksam machen können. Diese Fruchtbarkeit rührt ja nicht einzig daher, daß die Geometrie durch ihre Analogisierung mit der Algebra Anteil an deren einfachen und durchsichtigen Gesetzmäßigkeilen gewinnt, sondern ebenso sehr daher, daß durch diese Analogisierung überhaupt die Vorteile symbolischer Rechnungsweisen Gewalt gewinnen über die Sprödigkeit der sich zunächst als wesentlich qualitativ darstellenden Gesetzmäßigkeiten der Geometrie. Aber sollte es, um die Vorteile einer Symbolisierung zu genießen, erst des Umweges über die algebraische Ausdeuturig des Geometrischen bedürfen? Was die algebraischen Rechnungsverfahren tun, ist ja schließlich nichts anderes, als daß sie Gesetzmäßigkeilen von Relationsbeziehungen symbolisch fassen. Weshalb sollte dazu die Geometrie nicht unmittelbar auf ihrem eigenen Boden imstande sein? Indem man die relationstheoretischen Beziehungen zwischen den Elementen der Geometrie symbolisch einkleidet, erhält man eine keineswegs der analytischen Geometrie an systematischen Möglichkeiten nachstehende, wenn auch andersartige und für andere Probleme nutzbringende Symbolik. Freilich muß man zu diesem Zwecke die Geometrie selbst etwas anders auffassen, als es gewöhnlich geschieht. Man kann nicht einfach (wie es di~ vorhandenen Ansätze zur geometrischen Symbolik tun) die in der Geometrievorkommenden logischen Schlußfolgerungen symbolisch ausdrücken,
Der zweite methodische Gesichtspunkt, der sich als wesentlich herausstellen wird, ist die Auffassung der geometrischen Axiome (soweit sie Aussagen über Relationen von Elementen machen) als einer Einschränkung mathematischer Möglichkeiten ( 1. Abschn. '2. Kap. § 6- § 7 ). Die nächstliegende und von der Axiomatik fast ausschließlich angenommene Auffassung ist die, die Axiome als F o r der u n g e n zur Setz u n g bestimmter geometrischer Tatbestände anzusehen. Für die relationstheoretische Betrachtungsweise erweist sich systematisch ein anderer Gesichtspunkt als fruchtbarer: Bevor man die Forderung aufstellt, die durch das Axiom ausgedrückt wird, bestehen noch eine Reihe, zuweilen auch unbegrenzt viele Möglichkeiten in Hinsicht auf den Tatbestand, von dem das Axiom spricht. Ehe ein Axiom bestimmte Festlegungen macht, können z. B. Gerade existieren, .in denen 0 Punkte liegen, Gerade, in denen 1 Punkt liegt, 2
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Die Einordnung der Axiome in den Stammbaum relationstheoretischer Möglickeiten ist die Grundlage für alle weiteren Überlegungen. Sie findet eine aufschlußreiche Auswertung innerhalb folgenden Gedankenganges: Der Euklidische Raum ist Sonderfall eines allgemeinen Typus von Räum 1ich k e i t, für den ganz allgemeine und primitive Gesetzmäßig-
keiten charakteristisch sind. So z. B. gilt für alle Räume dieses Typus, daß zwei Elemente eines Elementensystems 21:1 und Jl\ (zwei Gerade z. B.) identisch sind, wenn alle Elemente eines anderen Systems, die in 21:1 liegen, zugleich auch in ,18-1 liegen (alle Punkte z. B., die in der einen Geraden liegen, auch in der anderen liegen); oder daß es unmöglich ist, eine endliche Anzahl von Elementen eines Systems (Punkte z. B.) ausfindig zu machen, in denen die Gesamtheit aller Elemente eines anderen (alle Gerade z. B.) liegen. Der Euklidische Raum gehört zu dem Typus von Räumlichkeit, in dem solche Bestimmungen gelten, aber auch z. B. die Räume, von denen die Relativitätstheorie spricht. Gibt man hingegen diese Grundbestimmungen auf, so gelangt man zu Räumen von prinzipiell anderem Typus. Solchen allgemeinen Bestimmungen gegenüber bedeuten Axiome, wie das folgende: "Drei nicht auf einer und derselben Geraden gelegene Punkte A, B, C bestimmen stets eine Ebene a" Charakteristika ganz besonderer Art: Während jene erwähnten Gesetzmäßigkeiten ganz allgemeine Bestimmungen der Elemente und der Beziehungen zwischen ihnen betreffen, ohne zu differenzieren, ob es sich um Punkte oder Gerade oder Ebenen handelt, spezialisieren Axiome, wie das soeben angeführte, die einzelnen Elementensysteme, geben Eigentümlichkeiten der Beziehungen von Punkten zur Ebene, die nicht ohne weiteres auf die Beziehungen anderer Elementensysteme übertragen werden dürfen. Man darf z. B. nicht analogisieren: Drei Punkte bestimmen stets eine Gerade usw. Und dasselbe gilt für eine Reihe anderer Axiome. Für jene Axiomatik, die sich für die Axiome nur als Mittel zum Aufbau der Geometrie interessiert, stehen die allgemeinsten Bestimmungen, die die allgemeinen Eigenschaften der Elemente des übergeordneten Typus Räumlichkeit angeben, völlig in einer Reihe mit den spezifischen, die den Euklidischen Raum in seiner Sonderart charakterisieren. Beide sind notwendige, nicht weiter zurückführbare Forderungen, beide sind letzte Grundlagen der geometrischen Ableitungen. Die s y s t e m a t i s c h e Betrachtung der Axiome dagegen setzt die beiden Arten von Bestimmungen in Gegensatz zu einander: Die allgemeinsten Bestimmungen gewinnen den Vorrang vor
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Punkte, 5 Punkte usw. Ein Axiom von der Form: "In einer Geraden gibt es mindestens zwei Punkte", schließt aus der Fülle der Möglichkeiten diejenigen aus, die die Existenz von Geraden mit 0 oder 1 Punkt zulassen. So läßt sich jedes Axiom, das über die Beziehung von Elementen Aussagen macht, als ein Verbot, als ein Ausschluß, als eine Einschränkung vorher bestehender Möglichkeiten auffassen. In dem Stammbaum mathematischer Möglichkeiten, die sich durch Differenzierung einer Beziehung in ihre Unterfälle ergeben (z. B. die Beziehung der Geraden in Bezug auf die Zahl von Punkten in ihr), tötet das Axiom bestimmte Möglichkeiten und damit auch alle von dieser Möglichkeit abstammenden Möglichkeiten. Diese Auffassung hat nicht nur den Vorteil, daß sie den Axiomen eine bestimmte systematische Stelle innerhalb des Stammbaumes der Relationen anweist, sondern, daß sie auch erlaubt, eine Reihe von Gesetzmäßigkeiten darüber abzuleiten, welche Relationsformen Axiome zulassen und welche nicht. Daß die Setzung existentialer Bestimmungen mathematisch als Ausschluß entgegenstehender Möglichkeiten aufzufassen sei, ist ein Gedanke, der bei Philosophen, in deren Philosophie mathematische Analogien und Methoden hineinwirkten, seit langem eine Rolle gespielt hat. Es ist kein Zufall, daß der Satz: "Omnis determinatio est negatio", von einem Manne herrührte, der die Philosophie "more geometrico" zu gestalten versuchte. Die Anwendung dieses Prinzips auf die Welt der Realität und damit auf die Metaphysik war verfehlt- als Leitfaden begrifflicher und mathematischer Differenzierung dagegen ist dies Prinzip von nicht zu unterschätzender Tragweite.
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(2. Abschnitt, 6. Kap., § 17). Legt man diese allgemeinen Postulate der Diskussion des Stammbaumes mathematischer Möglichkeiten zugrunde, so zeigt sich eine merkwürdige Gesetzmäßigkeit sowohl bei den Axiomen der Ver kn üpfung als auch bei denen der Anordnung. Eine große Zahl mathematischer Möglichkeiten lassen sich auf Grund der Postulate (und verwandter Festsetzungen)
unmittelbar als realisierbar erwmsen, oder ebenso unmittelbar als unrealisierbar. Da die Postulate für alle Sondergestaltungen der allgemeinen Räumlichkeit gelten, die durch die Postulate besti~mt sind, so gelten naturgemäß auch diese Ableitungen über die Realisierbarkeit bestimmter Relations-Möglichkeiten und -Unmöglichkeiten ebenfalls für alle Räume, die jenem allgemeinen Typus von Räumlichkeit angehören. Es gibt jedoch auch mathematische Möglichkeiten, über deren notwendige Realisierbarkeit oder Nichtrealisierbarkeit sich aus den Postulaten nichts entnehmen läßt. Sie bleiben offen, sie sind "freie Möglichkeiten". So z. B. wird durch die Postulate und die Folgerungen aus ihnen nichts darüber ausgesagt, ob zwei verschiedene Gerade sich in zwei Punkten schneiden können. In Bezug auf jene aus den Postulaten, den allgemeinsten Bestimmungen des Räumlichkeitstyps, abgeleiteten Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten der Relati~nsbeziehungen haben die Sonderfälle von Georrietrien keine Freiheit mehr. Der Unterschied zwischen den einzelnen Geometrien kann nur in Bezug auf die nicht aus den Postulaten ableitbaren, in Bezug auf die "freien" Möglichkeiten existieren. Und hier nun gilt für die Euklidische Geometrie ~ soweit die Axiome der Verknüpfung und der Anordnung in Frage stehen - das Gesetz, daß überall dort, wo sich über Relationsbeziehungen aus den Postulaten keine Ableitung ihrer Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Realisation ergibt, ein a x i o m a t i s c h es Verb o t einsetzt. In dem als Beispiel angeführten Fall einer freien Möglichkeit tritt also folgendes Axiom ein: Zwei verschiedene Gerade schneiden sich niemals in zwei Punkten. Dieses Gesetz des Verbots freier Möglichkeiten ist ein Gesetz; das einzig der Euklidischen Geometrie zukommt. Es läßt sich daher umgekehrt als spezifisches Postulat für die Axiome der Verknüpfung und der Anordnung der Euklidischen Geometrie formulieren. Wenn man die Forderung an die Axiome der Euklidischen Geometrie stellt, überall dort einzusetzen, wo die andern Postulate Möglichkeiten offen lassen, dann gelingt es durch diese Forderung, sowohl die Axiome der Verknüpfung als auch der Anordnung zu "deduzieren" (Abschn. 2, Kap. IV,§ 1-25, Kap. V,§ 5---10).
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den spezifischen Axiomen. Indem sie ganz allgemein den übergeordneten Typus Räumlichkeit, dem der Euklidische Raum neben vielen andern Räumen angehört, charakterisieren, legen sie Bedingungen fest, mit denen kein spezifisches Axiom kollidieren darf. Ihre systematische Bedeutung ist daher die, daß sie Forderungen an die spezifischen Axiome stellen, Verbote für dieAufstell ung von spezifischen Axiomen, nämlich für alle solchen Axiome, die mit diesen Bestimmungen oder Folgerungen aus ihnen in Konflikt kommen könnten. Wir nennen solche F o r der u n g e n an Axiome im Folgenden Postulate und scheiden sie streng von den Axiomen, welche Forderungen an die Existenz geometrischer Tatbestände darstellen (2. Abschnitt, 4· Kap.§ 2). Es existieren jedoch zwei verschiedene Arten solcher Postulate: Die einen, die ihrem Wesen nach selbst geometrische Tatbestände unmittelbar festlegen (wie jene oben angeführten Bestimmungen der allgemeinen Eigenschaften der Elemente der Räumlichkeit) und die nur innerhalb einer bestimmten Systematik p os tu l a t i v e n Charakter tragen, weil sie Beschränkungen für die spezifischen Axiome darstellen, und die andern, die keine unmittelbaren Aussagen über geometrische Tatbestände machen, sondern deren Bedeutung sich darin erschöpft, Anforderungen an Axiome zu stellen, Bestimmungen über Axiome zu geben. Postulate von beiden Typen finden in der Systematik der Euklidischen Geometrie ihre Stelle. Unter diesem Gesichtspunkt des Gegensatzes von Postulaten und Axiomen klärt sich auch die Stellung des sogenannten Vollständigkeitsaxioms: Es macht keine Aussagen über geometrische Tatbestände, sondern es stellt Forderungen an die Axiome; es ist daher kein Axiom, sondern ein Postulat - ein Postulat freilich von ganz anderer Bedeutung als jene Postulate, die aus den allgemeinsten Bestimmungen der Räumlichkeit herrühren
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Mit einer Einschränkung jedoch: Diese Deduktion der Axiome führt keineswegs zu den Axiomen der gewöhnlichen Euklidischen Geometrie, sondern zu denen der pro j e k t i v e n. Das Parallelenaxiom kann nicht aus dem Postulat des Verbots .freier Möglichkeiten deduziert werden, sondern an seine Stelle tritt das Axiom: Zwei Gerade der Ebene schneiden sich stets in einem Punkte (12. Abschn., 4· Kap., § 6). Die "normale" Geometrie im Sinne der Deduktion ist daher die pro j e k t i v e Geometrie, die auf den Parallelismus verzichtet. Die Existenz von Parallelen in der gewöhnliehen Euklidischen Geometrie bedeutet also eine "Anomalie" dieser Geometrie. Der Parallelismus findet seine Einbruchsstelle in dem Stammbaum mathematischer Möglichkeiten, indem an einer Stelle freie Möglichkeiten fortbestehen. Und hieraus ergibt sich ahne weiteres-'--- rein aus dem Aufbau der Axiomatik selbst -, daß Axiome über Parallelismus von den übrigen Axiomen der Verknüpfung unabhängig sind - es bedarf dazu keines Rekurses auf andere Formen von Geometrien. Die eigenartige sachliche und historische Stellung des Parallelenaxioms ist damit geklärt (12. Abschn., 4· Kap., § 126-31). Es war das berechtigte Bestreben jener Axiomenforschung, die sich für die Axiome in ihrer Stellung im Aufbau der Geometrie interessierte, die gesamte Axiomatik zu nivellieren, zu zeigen, daß ein Axiom so gut sei wie das andere, und daß daher auch das Parallelenaxiom als Axiom keine andere Bedeutung haben könne als andere Axiome. Aber damit war gerade eine wesentliche Seite des Pr~blems verwischt: Wie kommt das Parallelenaxiom zu der Sonderstellung, die es von jeher hatte? Wie kommen die Geometrien, die statt des Parallelenaxioms andere Axiome einführen, zu der relativ bevorzugten Bedeutung in den mathematischen und physikalischen Untersuchungen, während Geometrien, die auf andere Axiome verzichten, lange nicht diese Rolle spielen? Sollte nur die Tatsache, daß eine relativ große Zahl von Lehrsätzen ohne Zuziehung des Parallelenaxioms beweisbar ist, oder auch die so wenig einsichtige Form, die das Parallelenaxiom in der Fassung Euklids erhalten hatte, daran schuld sein, daß die Aufmerksamkeit gerade auf das Parallelenaxiom gelenkt wurde, oder hat die historische Entwicklung einen . sachlichen Hintergrund? Schon der Umstand, daß die projektive Geometrie
Für die Axiome der Anordnung im Speziellen hat die systematische Betrachtungsweise ebenfalls eine Reihe instruktiver Ergebnisse zur Folge: Aus ihr ergibt sich z. B. eine Erklärung für die Tatsache, daß eine unverhältnismäßig große Zahl von Gegenstandsbereichen.sich auf die Punkte ·der geraden Linie abbilden, d. h. in lineare Ordnung bringen lassen. Es stellt sich nämlich . heraus, daß es nur einen einzigen Typus einer eineindeutigen asymmetrischen transitiven Relation gibt, denjenigen, der in der linearen Ordnung realisierbar ist. Alle Versuche, andere Typen solcher Relationen aufzustellen, führen auf Widersprüche. Deshalb müssen alle Gegenstandsbereiche, deren Gegenstände in einer ein-eindeutigen asymmetrischen transitiven Relation stehen, sicli auf einander abbilden und damit auf den paradigmatischen Gegenstandsbereich, die Punkte der geraden Linie, abbilden lassen. (12. Abschn., 5· Kap., § 4). Diese Tatsache der Einzigkeit der asymmetrischen transitiven Relation hat weittragende Folgen für die Anordnungsverhältnisse der Punkte im Euklidischen Raum. Sie hat zur Folge, daß für die Gesetzmäßigkeiten der Zwischenrelation der Punkte der geraden Linie ein rein formales Axiom aufgestellt werden· kann: "Wenn bei vier Punkten einer Geraden A, B, C, D zwei Zwischenrelationen der Punkte bekannt sind (etwa daß B. zwischen A und C liegt und C zwischen B und D), so sind auch die beiden andern· Zwischenrelationen auf Grund einer feststehenden Gesetzmäßigkeit bekannt. Aus dieser formalen Forderung einer feststehenden Gesetzmäßigkeit läßt sich ableiten, welches der Inhalt dieser Gesetz-
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die Geometrie einfacher gestaltete, dadurch daß sie auf das Parallelen-axiom verzichtete, während ein Verzieht auf eines der andern Axiome nicht bloß keine Vereinfachung, sondern im Gegenteil eine Änderung des Grundcharakters der Geometrie bedeutet hätte, läßt von vornherein vermuten, daß der Axiomcharakter des Parallelenaxioms auf einer andern Basis ruht als der der übrigen spezifischen Axiome. Die Deduktion der Axiome auf Grund des Postulats des Verbots freier Möglichkeiten bestätigt nach dem Gesagten diese Vermutung.
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mäßigkeit ist (daß im angegebenen Beispiel aus ihr folgt, daß B zwischer1 A und D, und C zwischen A und D liegen muß). Denn alle V ersuche, eine andere Gesetzmäßigkeit für die Relationen zugrunde zu legen, führten auf Widersprüche (g. Abschn., 5. Kap., § g). Diese Formalfassung des Zwischenaxioms läßt sich von der Geraden auf die Ebene übertragen und bewirkt damit eine entscheidende Umbildung des Axioms von Pasch. Jene Ungleichwertigkeit der vier Geraden, wie sie im Axiom von Pasch störend wirkt, verschwindet: Es wird von den vier Geraden eines vollständigen Vierseits ausgegangen, und es werden die Tripel von Schnittpunkten betrachtet, die jede Gerade durch den Schnitt mit. den drei anderen bildet. Und auch hier gilt: Wenn die Verhältnisse der Zwischenrelationen der Tripel auf zwei von diesen vier Geraden bekannt sind, so sind auch die beiden anderen nach einer feststehenden Gesetzmäßigkeit bekannt, Und auch hier läßt sich aus_ der formalen Tatsache der In h a 1t der Gesetzmäßigkeit ableiten. Es zeigt sich hiebei, daß die relationstheoretische Formulierung dieser Gesetzmäßigkeit für das vollständige Vierseit eine völlige Analogie zu den Gesetzmäßigkeiten der Zwischenrelation auf der Geraden ergibt. Damit verschwindet die Sonderstellung des Paschsehen Axioms innerhalb der Axiome der Anordnung. In ähnlicher Weise werden auch das Archimedische Axiom und die Kongruenzaxiome in ihrer Stellung im System der Axiome durch die systematische Betrachtungsweise wesentlich geklärt.
für die Geometrie von vier uncl niehr Dimensionen ihre Berechtigung haben. Dabei steht zu erwarten, daß die Durchführung nicht für jede Dimensionenzahl gesondert vorgenommen zu werden braucht, sondern daß sich bei einer Reihe von Punkten die Betrachtungen so allgemein halten lassen, daß sie für Geometrien von n-Dimensionen gelten. Weiterhin beschränkt sich die vorliegende Untersuchung auf die normale Geometrie. Die einzige Anomalie, die herangezogen wird, ist die des Parallelismus, aber auch hier ist nur diejenige Form der Verwendung des Parallelismus berücksichtigt, die in der gewöhnlichen Euklidischen Geometrie realisiert ist. Es wäre eine wichtige Aufgabe der systematischen Axiomatik, diejenigen Arten von Geometrien prinzipiell zu durchforschen, die durch Einführung von Anomalien in die Axiomatik der projektiven Geometrie entstehen. Dabei wäre vor allem jene Geometrie interessant, die der Euklidischen Geometrie genau entgegengesetzt ist: die überhaupt keine freien Möglichkeiten des Ineinanderliegens von Elementen verschiedener Systeme verbietet, demnach überhaupt keine s p e z i fischen Axiome der Verknüpfung kennt. Endlich aber Hegt kein Grund vor, die relationstheoretische systematische Untersuchung nur auf die Axiome zu beschränken. Es müßte versucht werden, das ganze Gebäude der Geometrie relationstheoretisch zu studieren - es ist mir nicht zweifelhaft, daß diese Betrachtungsweise der gesamten Geometrie ebenso mancherlei Verborgenes zu Tage fördern wird, wie sie innerhalb der Axiomatik überraschende Aufschlüsse gebracht hat.
6. In der vorliegenden Untersuchung sind die Probleme, die sich aus der systematischen Betrachtung der Axiome ergaben, keineswegs nach allen Richtungen hin der Lösung entgegengeführt. Mehr als ein Problem ist unerledigt geblieben (auch abgesehen von jener Lücke in der Behandlung der ebenen Geometrie, die sich daraus ergibt, daß weder der Desarguessche noch der Pascalsehe Satz relationstheoretisch behandelt wurde). So hat sich die Untersuchung einzig auf die Euklidische Geometrie von drei Dimensionen beschränkt. Dieselben Grundsätze, die bei der Geometrie von drei Dimensionen zu;m Erfolg geführt haben, müssen jedoch auch
Mathematisch und relationstheoretisch ist dievorliegende Untersuchung angelegt und aufgebaut. Dennoch will und kann sie nicht verleugnen, daß sie von philosophischen Studien über Axiomatik ihren Ausgang genommen hat. Im Verlauf solcher Studien zeigte sich bald, daß die philosophische Erörterung in den vorliegenden Behandlungen der Axiomatik nicht die ausreichend festen Anknüpfungspunkte findet, und so ergab sich die Aufgabe, zunächst einmal mathematisch den Boden zu bereiten für weitere philosophische Diskussionen. So ist diese Arbeit aus
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der Philosophie erwachsen, um selbst wieder der Philosophie zu dienen. Das besagt natürlich nicht, daß ihre mathematischen und relationstheoretischen Ergebnis~e von der Annahme irgend einerphilosophischen Lehrmeinung abhängig wären. Ich habe mich im Gegenteil bemüht, alles in engerem Sinn Philosophische aus der Darstellung auszuscheiden- die philosophische 9"rundlegung sowohl wie die philosophische Auswertung sollen einer. andern Gelegenheit aufgespart werden. Mehr als einem unter meinen mathematischen Freunden bin ich zu Dank verpflichtet für das Interesse, das er meinen Untersuchungen während der Zeit der Entstehung dieses Buches entgegengebracht hat; vor allem Herrn Prof. Dr. Rosenthalin Heidelberg für die Förderung durch kritische Anmerkungen zu dem ersten Drittel des Buches, sowie für die Anmerkungen von Herrn Dr. Fritz London in Göttingen zu dem ganzen Buch. Ferner Herrn Studienassessor Pan k e und Herrn D r. L o n d o n für die Mithilfe bei der Lesung der Korrekturen. Mit ganz besonderer Dankbarkeit jedoch möchte ich der allzu früh verstorbenen Mathematikerin Dr. Else Schöll gedenken, deren nie ermüdende Anteilnahme an dem Wachsen der Untersuchung mich immer wieder antrieb, die mehr als einmal liegen gelassene Arbeit wieder aufzunehmen. Göttingen, Oktober 192-5. Moritz Geiger.
INHALT Vorwort
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I. Abschnitt Das Problem und die Methode I. Kapitel Die Wesensaxiomatik
§ § § § § §
1. Die formallogische Auffassung der Axiomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Die inhaltliche Auffassung der Axiomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Ö· Die Abbildung einer Gegenstandswelt durch die Axio~e . . . . . . . . . . . . 9 4· Die Wesensaxiomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 5· Echte und unechte Definitionen und Lehrsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Prinzip der Unverträglichkeitsfassung mathematischer Sätze .... , . . 17
II. Kapitel Die systematische Axio:matik
§ 1. Die Forderung der Vollständigkeit des Axiomensystems . . . . . . . . . . . . . 2o § 2. Die Methode der Unableitbarkeitsbeweise . . . . . . . , . . . . . . . . . . . . . . 2 3 § 3· Ein prinzipieller systematischer Mangel der Unableitbarkeitsbeweise . . . . 2 5 § 4· Die Unabhängigkeit der Axiome von einander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 7 § 5· Die Ordnung der Axiome. Die Einschließung und die Ausschließung von Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , . . . . . . . . 28
§ 6. Qualifizierte, mathematische und begriffliche Möglichkeiten . . . . . . . . . . 29 § 7. Existenzsetzende und charakterisierende Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 § 8. Die drei Prinzipien zur Aufsuchung der Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
II. Abschnitt Die Durchführung der systematischen Axiomatik I. Kapitel Die Axiome der Elementensetzung
§
XVIII
1.
Die Aufstellung der Axiome . . . . . . . . . . . . ·. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
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der Philosophie erwachsen, um selbst wieder der Philosophie zu dienen. Das besagt natürlich nicht, daß ihre mathematischen und relationstheoretischen Ergebnis~e von der Annahme irgend einerphilosophischen Lehrmeinung abhängig wären. Ich habe mich im Gegenteil bemüht, alles in engerem Sinn Philosophische aus der Darstellung auszuscheiden- die philosophische 9"rundlegung sowohl wie die philosophische Auswertung sollen einer. andern Gelegenheit aufgespart werden. Mehr als einem unter meinen mathematischen Freunden bin ich zu Dank verpflichtet für das Interesse, das er meinen Untersuchungen während der Zeit der Entstehung dieses Buches entgegengebracht hat; vor allem Herrn Prof. Dr. Rosenthalin Heidelberg für die Förderung durch kritische Anmerkungen zu dem ersten Drittel des Buches, sowie für die Anmerkungen von Herrn Dr. Fritz London in Göttingen zu dem ganzen Buch. Ferner Herrn Studienassessor Pan k e und Herrn D r. L o n d o n für die Mithilfe bei der Lesung der Korrekturen. Mit ganz besonderer Dankbarkeit jedoch möchte ich der allzu früh verstorbenen Mathematikerin Dr. Else Schöll gedenken, deren nie ermüdende Anteilnahme an dem Wachsen der Untersuchung mich immer wieder antrieb, die mehr als einmal liegen gelassene Arbeit wieder aufzunehmen. Göttingen, Oktober 192-5. Moritz Geiger.
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I. Abschnitt Das Problem und die Methode I. Kapitel Die Wesensaxiomatik
§ § § § § §
1. Die formallogische Auffassung der Axiomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Die inhaltliche Auffassung der Axiomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Ö· Die Abbildung einer Gegenstandswelt durch die Axio~e . . . . . . . . . . . . 9 4· Die Wesensaxiomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 5· Echte und unechte Definitionen und Lehrsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Prinzip der Unverträglichkeitsfassung mathematischer Sätze .... , . . 17
II. Kapitel Die systematische Axio:matik
§ 1. Die Forderung der Vollständigkeit des Axiomensystems . . . . . . . . . . . . . 2o § 2. Die Methode der Unableitbarkeitsbeweise . . . . . . . , . . . . . . . . . . . . . . 2 3 § 3· Ein prinzipieller systematischer Mangel der Unableitbarkeitsbeweise . . . . 2 5 § 4· Die Unabhängigkeit der Axiome von einander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 7 § 5· Die Ordnung der Axiome. Die Einschließung und die Ausschließung von Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , . . . . . . . . 28
§ 6. Qualifizierte, mathematische und begriffliche Möglichkeiten . . . . . . . . . . 29 § 7. Existenzsetzende und charakterisierende Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 § 8. Die drei Prinzipien zur Aufsuchung der Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
II. Abschnitt Die Durchführung der systematischen Axiomatik I. Kapitel Die Axiome der Elementensetzung
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Die Aufstellung der Axiome . . . . . . . . . . . . ·. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
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§ 10. Die+ }-Relation vom Quotienten n1: 2 . . . . . . . . . . . § 11. Die J-Relationen von den Quotienten n 1 : 3 und n 1 : n 2
II. Kapitel Die Axiome des Ineinanderliegens
§ § § §
1. 2. 3· 4· § 5·
§ 6. § 7. § 8.
§ § § § § § § § § § §
§
9· 1 o. 11. 12. 13. 14-
15. 16. 17. 18. 19.
1.
§ 2. § 3· § 4· § 5· § 6. § 7· § 8. § g.
Innersystematische und intersystematische Relationen Die J-Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . · Die qualitativen Axiome der J-Relation . . . . . . . . . . Die Untersuchung der existentialen Axiome 1. Stufe . . . . . . . . . . . Die gegenseitige Unableitbarkeit der Axiome der Gruppe I und der Axiome II1 bis Il4 . . . . . . . . . . . Die }-Relationen 2. Stufe . . . . . . . . . . . . . Das Transitivitätsaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Unableitbarkeit des Transitivitätsaxioms . . . . . . Die aus dem Verbot von [+ (A a), ± (a a), + (A a)J entstehenden Geometrien Die Unabhängigkeit des Transitivitätsaxioms . . . . . . . . Die J-Relationen 4· Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . · . . . . . . · · Die Sonderstellung von Fall + 2 . . . . . . . . . . . . . · . . . . Die Unableitbarkeit von II6 und II7 aus früheren Axiomen. . . Die gegenseitige Unableitbarkeit von II6 und Il7 . . . . . . . . . Die möglichen Typen von Geometrien aus Axiomen 4· Stufe Ein Spezialfall der Relation 5· Stufe . . . . . . . . . . . . Die Gesamtrelation 5· Stufe. . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Problem der Ableitbarkeit der Axiome 5· Stufe. . Die Axiome der einfachen J-Relationen 1.-5. Stufe.
41 4,2 4,2 44 45 45 47 49 50 53 54 55 56 59 6o 6o 65 65 69
§ § § § § § §
12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.
Die Deduktion der Axiome der J -Relation
§ § § §
1. 2. 3· 4· § 5· § 6.
§ 7· § 8. § 9· § 10. § 11.
Die ausschließenden Axiome des Ineinanderliegens
§ 12. § 13. 70
Elementenmultipel . . . . . . . . . . . . . . 75 78 Komplikationen von Konfigurationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ausschließende J-Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Die Folge- und Ausschlußbeziehungen zwischen setzenden und ausschließenden J-Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8o Die Regeln der gegenseitigen Abhängigkeit ausschließender J-Relationen von verschiedenen Quotienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ausschließenden J-Relationen mit negativem Vorzeichen Die J-Relationen vom Quotienten 1: n 2 . . • Die .I-Relationen mit dem Quotienten n 1 : 1
+ +
XX
88 Die Prüfung der Ableitbarkeit der präsumptiven Axiome go Die Gesichtspunkte zur Prüfung der ausschließenden J-Relationen 2. Stufe 94 Kohärente und inkohärente Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 oo Die 2. Teilrelation einer ausschließenden Gesamtrelation 2. Stufe . 1o 1 Die Durchprüfungder erweiterten J-Relationen 2. Stufe . . . . . . . 102 Die Unableitbarkeit von Axiom III8 . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . . 106 Die Unmöglichkeit der Durchprüfung der J-Relationen höherer Stufen 107
IV. Kapitel
III. Kapitel
Die Unzulänglichkeit der bisherigen Symbolik und ihre Erweiterung.
86
+
§ § § § § § § § § § §
14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.
22. 23. 24.
Aufzählung, systematische Aufsuchung und Deduktion der Axiome . Postulate der Euklidischen Geometrie .... Die Einteilung der Relationen .. , . . . . . . . Die ]-Relationen der Ebene 1. bis 3· Stufe . . . . . . . . . Zwei Sätze über ableitbare Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . Die Prüfung der J-Relationen der Ebene 4· Stufe Die ausschließenden J-Relationen 1. Stufe . Die ausschließenden }-Relationen 2. Stufe .... . Die Identität von Dreieck und Dreiseit . . . . . . . Die Untersuchung der Geometrie der Ebene auf weitere Axiome .. Der Desarguessche Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . · . . . . . . . . . . . . . . Die Prüfung des Desarguesschen Satzes auf axiomatische Bedeutung Der Pascalsehe Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symbolische Überlegungen zu den Dreiecks-Axiomen Die J-Relationen des Raumes 1. und 2. Stufe . . . . . . . . . . . Die Deduktion des Transitivitätsaxioms . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die J-Relationen 4· Stufe zwischen zwei Elementensystemen im Raume. Die J-Relationen 4· Stufe zwischen drei Elementensystemen .. . Die J-Relationen 5· Stufe zwischen drei Elementensystemen . . . . . . . Die J-Relationen mit dem Quotienten 2: 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ausschließenden J-Relationen 1. Stufe mit höherem Quotienten. Die ausschließenden J-Relationen 2. Stufe . . . . . . , . . . . . . . . . . . . Die Raumaxiome und das Tetraeder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . DerSatzvon der Geschlossenheit desAxiomensystems dernormalen Geometrie
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109 112 117 119 121 122 125 126 127 130 132 138 J4.1
143 q,6 1 47
49 150 151 157 159 160 161 163 1
§ 25. § 26. § 27. § 28. § 29. § 30. § 31. § 32. § 33·
Die Durchprüfung der setzenden J-Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . Die Durchprüfung der ausschließenden J-Relationen . . . . . . . . . . . Die anormalen Geometrien . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Euklidische Geometrie als anormale Geometrie. Das Parallelenpaar P als Quasi-Element.. . . . Die Prüfung der J-Relation zwischen A und P . . . . . . . . . . . . . . . . Die doppelte Auffassung des Parallelismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Axiome der Euklidischen und der normalen Geometrie Zusammenstellung der J- Axiome der normalen und der Euklidischen Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ......
168 172 17 5 177 179 182 184 187 189
§ 6. Die Entfernung als Unterschiedsgröße .... , ... , ,. , , , , , , , . , . 24 8 § 7· Die Gesetzmäßigkeit der e-Relation auf der Geraden . . . . . . . . . . 2 50 § 8. Die Gesetzmäßigkeiten der e-Relation auf verschiedenen Geraden ..... 251 § g. Die Prüfung der ausschließenden e-Relationen .................... 252 § I o. Das Archimedische Axiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 § 11. Die Feststellung gleicher Entfernungen mit Hilfe von Parallelen . 256 § 12. Zusammenstellung der Axiome der e-Relation ... . . 2 57 § 13. Die Axiome der Winkelrelation . . . . . . . . . . . § 14. Die Beziehungen zwischen w- und e-Relationen , .. .... 260 § 15. Das Kongruenzaxiom für Dreiecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 16. Die Vereinfachung der Axiomatik durch das Kongruenzaxiom § 17. Anhang: Das Vollständigkeitsaxiom Hil.berts . . . . . . . . . . . . . ... z65
V. Kapitel Die Axiome der Anordnung
§ § § § § § § § § § §
1. 2.
3· 4· 5· 6. 7· 8. g. 10.
11.
§ 12. § 13.
Die Lagerelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die qualitativen Axiome der Lagerelation . . . Das Transitivitätsaxiom der Vor-Nachrelation . Die L-Relation 4· Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Die Zwischenrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Deduktion des Zwischenaxioms für die Gerade Deduktion des Zwischenaxioms für die Ebene . . . . . . Der Zwischensatz bei parallelen Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Das Axiom von Pasch und das Zwischen-Axiom für die Ebene . . . . 223 Der Zwischensatz für den Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Die Gesetzmäßigkeiten des Sich-schneidens und des Sich-nicht-schneidens von Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Gesetzmäßigkeiten der Anordnung von Geraden .... . Zusammenstellung der Axiome der Anordnung . . . . . . . . . . . . .
VI. Kapitel Die Axiome der Maßbeziehung
§ 1. Die qualitativen Axiome der e-Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 § 2. Die Axiome der Gleichheitsrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 § 3· Die Möglichkeit anderer Axiome 3· Stufe bei symmetrischen Relationen 244 § 4· Mögliche Axiome auf höheren Stufen . . . . . . . . . . . 246 § 5· Die Verschiedenheitsrelationen und ihre Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
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I. AB SC I-IN ITT
DAS PROBLEM UND DIE METHODE
I. Kapitel
Die Wesensaxiomatik § 1. Die formallogische Auffassung der Axiomatik Wenn die neuere Entwicklung der Mathematik das Axiomensystem Euklids seines kanonischen Ansehens als des alleingültigen Axiomensystems entkleidet hat, so ist sie nicht etwa deshalb über Euklids System hinweggeschritten, um nun ein einzelnes neues kanonisches, nur eben besser fundiertes System an seine Stelle zu setzen. Ein einzelnes, allein-gültiges Axiomensystem kennt die Mathematik heute nicht mehr: es bestehen für sie nebeneinander eine große Zahl von Axiomensystemen, die alle in gleicher Weise den Anforderungen an Strenge, Einfachheit und Vollständigkeit genügen. Je nach der Wahl der Grundbegriffe und Grundbeziehungen, die man zum Ausgangspunkt wählt, entstehen neue und immer neue Ausprägungen der Axiomatik der Euklidischen Geometrie, ohne daß sich eine prinzipielle Entscheidung zu gunsten der einen oder der andern dieser Axiomatiken fällen ließe. Im einzelnen zeigen diese Axiomensysteme, wie man sie von verschiedensten Seiten her ausgearbeitet hat, freilich wenig Ähnlichkeit untereinander: Hilberts Grundlagen der Geometrie sind von völlig anderem Bau als diejenigen Axiomensysteme, die aus der mathematischen Logik erwachsen sind. Wer aus projektiven Grundgedanken heraus die Geometrie gestaltet, gelangt zu anderen Systemen, als wer metrische Begriffe benutzt. Eine Axiomatik, die Punkt, Gerade, E b e n e als selbständige Elementargebilde anerkennt, sieht anders aus als eine solche, die den Euklidischen Raum als eine Punktmannigfaltigkeit betrachtet. Und demgemäß treten in dem eineil System Sätze als nicht weiter zurückführbare Axiome an die
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Spitze, die in anderen Systemen als Lehrsätze (oder gar als Folgerungen von Lehrsätzen) erscheinen. All di~ verschiedenen Axiomensysteme bilden gleichberechtigte Grundlagen für "dieselbe" Geometrie- für die Geometrie des Euklidischen Raumes. Worin aber besteht das "Identische" dieser Axiomensysteme, wenn sie doch in Anlage, Grundbegriffen, Aufbau so verschiedenartig gestaltet sind? Eine in der Mathematik weitverbreitete Anschauung pflegt diese Frage vom formallog i s c h e n Standpunkt aus zu beantworten. Die Geometrie als re1n mathematisch-abstraktes Gebilde besteht nach ihr in gar nichts anderem als in der Gesamtheit der Axiome, Definitionen, Lehrsätze, Folgerungen ~sw. Das System dieser Sätze, dieser Festsetzungen und Folge~ rungen, das Gewebe der deduktiven Theorie ist ihr die Geometrie. Es existiert nicht etwa neben diesen systematischen Gefügen noch irgend eine feste Gegenständlichkeit, auf die sich die Systeme beziehen, keine Dingwelt, die ihnen den festen Halt geben könnte, der ihre Identität herstellte. Wenn wir also von zwei deduktiven Theorien innerhalb der Mathematik (seien sie geometrischer, algebraischer, funktionentheoretischer Art) behaupten, sie seien Systematisierungen "desselben" Gebiets, so muß dasjenige, was sie zu dem Sinne nach identischen Systeme stempelt, nach dieser formallogischen Anschauung innerhalb derdeduktiven Theorie selbst zu suchen sein. Denn außerhalb. ihrer existiert nichts, was zum immanenten Gehalt der deduktiven Theorie gehörte. Was aber kann diesen, unter sich so unähnlichen Axiomensystemen denn noch Gemeinsames innewohnen, das ihre "Identität" herstellt? Nichts Gemeinsames bleibt übrig als die aus allen Systemen in gleicher Weise ableitbare Folge vo~Lehrsätzen. Hierinliegtin derTat für die formallogische Auffassung das einzige identische Moment der verschiedenen Systeme: "Ganz verschiedene Zusammensetzungen von Grundsätzen", lesen wir bei Couturat, "vermögen das gleiche System von Folgerungen zu erzeugen; daher ist das Wesentliche in einer logischen Theorie weniger die abänderungsfähige Gesamtheit der Grundsätze als vielmehr die bestandhabende Gesamtheit von Folgerungen." Jede deduktive Theorie_.., und die Geometrie ist ja nur ein beliebiges Beispiel einer deduktiven Theorie -
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einer Reih~ letzter nicht mehr ableitbarer Grundbegriffe und Grundsa:ze, aus denen sich die übrigen Sätze ableiten lassen. Aber es bleiben gewisse ~öglichkeiten offen, welche von den Begriffen und Sätzen, die in der Theone auftauchen, als Grundbegriffe und Grundsätze gewählt werden man mag das eine Mal von der Linie als einem Grundbegriff ausgehen und zur Strecke als abgeleitetem Begriff gelangen, das andere Mal die Gerade mit Hilfe..des. Schnittes . . . von Ebenen definieren usw. " Man wei·ß ..., d aß es Immer moghch Ist, die Grundsätze einer deduktiven Theorie durch andere z.~ ersetz~~; es g~~ü~ dafür oft dieWahloder die Reihenfolge dieser Grundsatze zu andern. Wir sehen also: es ist ein mathematisch-technischer Gesichtspunkt, unter dem von den mathematischen L ogi·kern, wie · auch von . den meisten Mathematikern die Axiome betrachtet werden: sie s 0 ll e n als Prämissen für Konklusionen dienen. DI·e K-on kluswnen · . steh en f~st - man kennt das Ergebnis, zu dem man kommen will. Unbekannt smd zunächst die Prämissen, aus denen man die Konklusionen abzuleiten gedenkt. Und die ~ufgab~ der Axiomatik lautet von diesem Standpunkt aus gesehen: zu einem System gegebener Konklusionen die letzten Prämissen zu finden. Jedes Axiomensystem, das den Zweck erfüllt, Fundament für das Gebäude der Lehrsätze zu sein, ist deshalb jedem andern, das zum gleichen Ziele führt, prinzipiell gleichgeordnet. Daher die Ablehnung eines kanonischen S!stems, daher die Vielzahl möglicher Axiomensysteme. Es wird freilich mcht von. Interesse sein, alle an sich möglichen Axiomensysteme wirklich auszuarbeiten. Ihre Ermittlung hört auf, interessant zu sein sobald erst einmal ~ie wesentlichen Gesichtspunkte erschöpft sind, unter' denen man die ~egr~ndung der Lehrsätze betrachten kann. Und den Versuchen gegenu~er Immer neue. Axiomatiken aufzustellen, erscheint der Spott Poincares n~cht unberechtigt: "Wenn man allesaufgezählt hat, so gibt es noch ~Iele Arten, das alles zu klassifizieren. Ein guter Bibliothekar findet Immer neue Beschäftigung, und jede neue Klassifikation wird dem Philosophen Belehrung bringen." (Wissenschaft und Methode, S. 3 5.)
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..
§ 2. Die inhaltliche Auffassung der Axiomatik.
Aber dieser anschaulich gegebene Raum hat für die heutige Geometrie keine zentrale Bedeutung mehr. Es wird innerhalb der strengsten Auffassung der Mathematik nicht als die Aufgabe der Geometrie angesehen, die" wohlbekannten" Gegenstände Punkt, Gerade, Ebene, Winkel usw. durch die ihnen zukommenden gegenseitigen Beziehungen mitttels der Axiome und ihrer Folgerungen zu beschreiben, so daß zuerst der Raum vorhanden ist, der nun durch die Geometrie in seinen Elementargebilden begrifflich gepackt werden soll. Die Bezeichnung der geometrischen Gebilde als Punkte, Gerade, Winkel usw. hat für diese Auffassung eine mehr didaktische Bedeutung. Schält man aus der modernen Auffassung der Axiomatik den p r inz i p i e ll e n Kern heraus, so hat sich der Gang gegenüber dem früheren Vorgehen umgekehrt: es werden zuerst Systeme von Dingen angenommen, denen man beliebige Namen geben kann (A, B, C, ... a, b, c, · .. a, (3, r · · ·). Von den Eigenschaften dieser Dingsysteme weiß man zunächst nichts, noch auch von den Relationen dieser Dinge zueinander. Und nun besteht die Bedeutung der Axiome. darin, die Relationen dieser zunächst unbestimmten Dinge untereinander überhaupt erst festzulegen. Indem man dekretiert: zwei A (Punkte) bestimmen stets ein a (Gerade), hat man bestimmte Beziehungen zwischen den A und dem a festgelegt, und damit diese Gegenstände, die bisher nur leere Dingschemata waren, näher charakterisiert.
Natürlich wird man diese Dingsysteme von vornherein mit den Namen Punkt, Gerade, Ebene, Winkel usw. (nicht nur mit A, a, a usw.) belegen, die Relationen mit den Namen: Kongruenz, Sichschneiden usw. Man deutet hierdurch sofort an, daß man die Axiome so auszuwählen gedenkt, daß die in ihnen gesetzten Relationen gerade auf die aus der Anschauung bekannten Elementargebilde des Euklidischen Raumes zutreffen. Aber niemals auf sie allein. Es ist eine bekannte Tatsache, daß dieselben Axiome auf ganz verschiedene mathematische Gebilde anwendbar sind. Daher darf man unter "Punkt", "Gerade", "Ebene" nicht sofort die uns unter diesem Namen bekannten Elemente des Euklidischen Raumes verstehen, sondern muß sie als ·zunächst indifferente Bezeichnungen ansehen, denen erst die Axiome inhaltliehen Sinn geben. Beläßt man dem Worte "Punkt" seine uns geläufige Bedeutung, ersetzt jedoch den Sinn des Wortes "Gerade" durch "Kreis durch einenFunkt o", den Sinn des Wortes "Ebene" durch "Kugel durch einen Punkt o", so bestehen zwischen diesen "Punkten", ?,Scheingeraden", "Scheinebenen", dieselben Beziehungen wie zwischen den Punkten, Geraden, Ebenen des Euklidischen Raumes. Auch für die Dingsysteme, die aus solchen Punkten, Scheingeraden und Scheinebenen gebildet sind, gilt also die Euklidische Geometrie. Und ebenso für beliebig viele andere Dingsysteme, die sich konstruieren lassen. So ist also das System der Euldidischen Punkte, Geraden und Ebenen nur ein zufälliges einzelnes Beispiel der von der Euklidischen Axiomatik erfaßten Dingsysteme- es ist dasjenige Beispiel, aus. dem diese Axiomatik historisch herausgewachsen ist. Aber es bleibt systematisc;h betrachtet deshalb doch nur ein Beispiel unter vielen. Um die erwähnte primitiv inhaltliche Auffassung vom Wesen der geometrischen Axiomatik zu vermeiden, die die Euklidische Axiomatik einzig an die Punkte, Gerade und Ebene des Euklidischen Raumes gebunden sein läßt, hat die formallogische Anschauung das Kind mit dem Bade ausgeschüttet: sie erkennt für ihre deduktiven Theorien überhaupt keine feststehende Gegenständlichkeit mehr an, sie läßt vielmehr den Gehalt der deduktiven Theorien mit dem Inhalt dieser formalen Gefüge erschöpft sein. Aber ihre eigenen Ausführungen str~fen sie Lügen: in sich selbst trägt die formallogische Auffassung das Moment, das über sie hinaus-
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Trifft diese formallogische Auffassung der deduktiven Theorien, der zufolge ihr Sinngehalt sich in dem Bau von Definitionen, Axiomen, Lehrsätzen und Folgerungen zu Lehrsätzen erschöpft, das Wesen des Tatbestands? Die formallogische Auffassung ist. das Ergebnis einer geistigen Reaktion gegen eine gar zu primitiv inhaltliche Anschauung von dem Charakter des geometrischen Systems - eine Anschauung, wie sie dem natürlichen Denken und demgemäß auch den Anfangsstadien der Mathematik geläufig ist. Nach dieser primitiven Anschauung geht die Geometrie aus von dem empirischen Raum, wie er unmittelbar anschaulicherfaßt wird. In ihm gibt es Punkte, Gerade, Ebenen, Kreise, Winkel usw., und die Beziehungen dieser Gebilde werden in der Geometrie beschrieben und analysiert.
führt: sie redet von Dingen und Dingsystemen, deren Beziehungen sie durch die Axiome festlegt. Wir mögen die Axiome noch so formal fassen wie sie auch gestaltet sein mögen, sie sagen etwas aus über Dinge und deren Relationen. Gewiß nicht, wie jene primitiv-inhaltliche Auffassung meinte, nur über die Dinge Punkt, Gerade, Ebene des Euklidischen Raumes, aber doch über Dinge. Dadurch, daß dieselben Axiomensysteme auf die verschiedenartigsten Gegenstandswelten zutreffen, hören sie nicht überhaupt auf, sich auf Gegenstandswelten zu beziehen. So ist denn noch etwas mehr den äquivalenten Axiomensystemen gemeinsam außer dem Zusammenstimmen ihrer Folgerungen, dem gleichen Bestand an Lehrsätzen - und außer der Möglichkeit ihrer gegenseitigen Ableitung. Sieb es chrei benalle diesei be Gegensta:r_;dswek* Jene überwundene Anschauung, die die Axiomatik festlegt auf die Analyse von Punkten, Geraden, Ebenen in dem ganz prägnanten Sinn der wohlbekannten Elemente· des Euklidischen Raumes - jene überwundene Anschauung sah doch p ri n z i p i e 11 richtiger als die entgegengesetzte, die formallogische Auffassung. Sie erkannte, daß die Beziehung auf eine bestimmt geartete Welt von Gegenständen jeder Art von Axiomatik wesentlich ist. Nur, daß sie eine einzelne Gegenstandswelt - den Euklidischen Raum - ihrer Axiomatik zugrundelegte, wo in Wahrheit alle Individuen einer Gattung solcher Gegenstandswelten gleichberechtigt nebeneinander stehen - alle diejeni. gen Gegenstandswelten nämlich, auf die das Euklidische System zutrifft. Für die soeben entwickelte erweiterte inhaltliche Auffassung der Axiomatik dagegen sind die Axiomensysteme wie die wechselnden Kleider, die über d(m stets identischen Körper der Gegenstandswelt gelegt werden. Die Gleichwertigkeit der Axiomensysteme beruht nach der inhaltlichen Auffassung also nicht in der Identität der Gefüge von Lehrsätzen, die sich als
* Es soll im folgenden stets davon gesprochen werden, die äquivalenten Axiomensysteme beschrieben alle dieselbe Gegenstandswelt, obwohl, wie gezeigt wurde, eine beliebig große Zahl von Gegenstandswelten von den Axiomensystemen getroffen wird, die Gegenstandswelt von Punkt, Gerade, Ebene, die Gegenstandswelt von Punkt, Scheingerade, Scheinebene und noch viele andere. Indem wir den bestimmten Artikel gebrauchen, von der Gegenstandswelt sprechen, die durch die Axiome getroffen wird, verabsolutieren wir das Gemeinsame all dieser Gegenstandswelten, im Gegensatz zu andern Gegenstandswelten, die durch andere Axiomensysteme getroffen werden.
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Folgerungen der Axiome ergeben - obwohl natürlich diese Gefüge auch nach der inhaltlichen Auffassung für alle gleichwertigen Systeme identisch sein müssen. Sie beruht Vielmehr auf ein und derselben Gegenstandswelt, auf die sich alle diese Axiomensysteme beziehen.
§ 3. DieAbbildung einer Gegenstandswelt durch die Axiome. Kehren wir jetzt die Betrachtungsweise um, gehen wir nicht mehr von den Axiomen, sondern von der Gegenstandswelt aus: so ist es nach unserer inhaltlichen Auffassung die Aufgabe der deduktiven Theorie, in logisch systematischer Form die Relationen, die zwischen den Dingen der Gegenstandsweit bestehen, abzubilden, wiederzugeben,- die Gegenstandswelt in ihrem Aufbau nachzuzeichnen. Auf der einen Seite steht die Gegenstandswelt mit den mannigfach verschlungenen Beziehungen ihrer Gegenstände zueinander, auf der andern Seite die postulierte deduktive Theorie, die diese Gegenstände wiederzugeben unternimmt. Es besteht ein gewisser Gegensatz zwischen der Aufgabe, die Gegl;)nstandswelt abzubilden und den Mitteln, die zur Erfüllung dieser Aufgabe zur Verfügung stehen. Greifen wir der Einfachheit halber als Beispiel der Gegenstandswelt, die es abzubilden gilt, den Euklidischen Raum heraus. (Nachdem wir uns erst einmal klar gemacht haben, daß die Gebilde des Euklidischen Raumes nur ein zufälliges Beispiel von Dingsystemen dar.stellen, auf die die Euklidische Geometrie zutrifft, ist es ungefährlich, die Welt der Grundgebilde des Euklidischen Raumes als paradigmatisch anzusehen für alle anderen Gegenstandswelten, die mit ihr die gleichen Axiomensysteme besitzen, und daher schlechtweg von einer Axiomatik der Euklidischen Geometrie zu sprechen.) Diese dreidimensionale Mannigfaltigkeit des Euklidischen Raumes birgt in sich eine unendliche Zahl verschiedenartigster Elemente, Punkte, Geraden, Ebenen, Entfernungen, Winkel, Kurven, Flächen usw., Konfigurationen aus diesen Elementen wie Dreiecke, Ellipsoide, und Beziehungen zwischen den Elementen untereinander, zwischen den Elementen und den Konfigurationen usw. All diese Elemente,
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Konfigurationen, Beziehungen sind gleichzeitig in demselben Raum ineinander und beieinander. Die deduktive Theorie jedoch verlangt· eine Ordnung, eine Abfolge. Sie stellt diesen ganzen Inbegriff von Dingen und Beziehungen als eine logische Abfolge dar, als einen Aufbau aus einigen wenigen Elementen und Beziehungen. Aus dem Ineinander der räumlichen Gegenstände und ihrer Beziehungen wird ein logisches Nachein an der der deduktiven Theorie. Man kann B. nicht sagen, daß in der Gegenstandswelt des Raumes der Sachverhalt, daß zwei gerade Linien sich in o oder 1 Punkt, niemals aber in 2 Punkten schneiden, vorgeordnet sei den Beziehungen zwischen den Seiten eines recht~nkligen Dreiecks, wie sie der Pythagoreische Lehrsatz ausdrückt. Beides sind Beziehungen zwischen Gebilden des ftaumes - die Schnittpunktsbeziehung so gut wie der Pythagoreische Lehrsatz. In diese gegenständliche Gleichordnung von Beziehungen - so verlangt es die deduktive Theorie - soll nun eine logisch-deduktive Ordnung gebracht werden. Und zwar fordert die deduktive Theorie, daß 1. in dieser Ordnung alle räumlichen Gebilde und alle Beziehungen der räumlichen Gebilde ihre Stelle finden, und 2. daß die Gesamtheit dieser Beziehungen aus einigen wenigen Grundbeziehungen abgeleitet werden soll. Es ist klar, daß diese Forderungen das Axiomensystem noch keineswegs eindeutig bestimmen. Es ist keineswegs festgelegt, von welchen Elementen man auszugehen hat, und welches die Grundbeziehungen sind, aus denen man alles andere ableitet. Solange man nur die Grundforderungen erfüllt, ist der Ausgangspunkt des Systems beliebig: man kann. von Kreisen und Ellipsen ausgehen, von Punkten und Geraden, von metri. sehen und projektiven Gesichtspunkten, wenn nur aus der Beziehung der Grundelemente alles weitere abgeleitet und bestimmt werden kann. Und hierauf beruht die mathematische Gleichberechtigung all jener erwähnten
z.
Axiomensysteme der Geometrie.
§ 4. Die Wesensaxiomatik. In der bisher allein besprochenen Frage des Aufbaues einer logisch einwandfreien deduktiven Theorie besteht mathematisch kein Unterschied 10
zwischen inhaltlicher und formallogischer Auffassung. Der Gegensatz geht nur. die philosophische Deutung an - es läßt sich dem mathematischen Gebäude selbst nicht ansehen, ob der Verfertiger es geschaffen hat in dem Glauben, seine Bedeutung bestehe darin, die Prämissen für die Ableitung der Lehrsätze zu liefern, oder darin, die Grundlagen einer Gegenstandswelt abzubilden. Es gibt jedoch eine besonders geartete Fragestellung, bei der auch die mathematischen Konsequenzen der formallogischen und der inhaltlichen Auffassung verschieden ausfallen, und gerade diese Fragestellung ist es, die für unsere Untersuchung richtunggebend sein soll. Es läßt sich nämlich vom Standpunkt der inhaltlichen Auffassung aus folgende Frage aufwerfen: Die verschiedenen äquivalenten Axiomensysteme sind alle in gleicher Weise Hüllen für dieselbe Gegenstandswelt. Ist es ~icht denkbar, daß eines oder mehrere unter diesen Axiomensystemen den mnerenA ufbau, dasWesendieser Gegenstandswelt ri eh tig er nachzeichnen, elementarere Grundbegriffe an den Anfang stellen, konstitutiv wesentlichere Beziehungen axiomatisch festlegen, während andere von relativ nebensächlicheren Beziehungen her das Axiomensystem gestalten? Es muß natürlioh eingehend geprüft werden, ob es solche Unterschiede der Wesentlichkeit der Elemente und Beziehungen einer Gegenstandswelt überhaupt gibt - die Frage läßt sich a priori weder bejahen noch verneinen. Gibt es sie aber, so wäre damit eine Wertscheid~ng zwischen den Axiomensystemen gegeben. Diejenige deduktive Theorie (oder diejenigen Theorien, wenn es mehrere sind), die den Aufbau der Gegenstandswelt nach ihren wesentlichen Momenten am vollkommensten nachzeichnet, wäre der Gegenstandswelt angemessener als alle übrigen- das .ihr zugrundeliegende Axiomensystem wäre ein bevorzugtes System. Vom Standpunkt der formallogischen Auffassung aus ist diese ganze Fragestellung überhaupt sinnlos. Es gibt bei ihr keine feststehende Gegenstandswelt, auf die sich die deduktive Theorie bezieht, und daher auch keinen W ertgesichtspunkt, der aus der Angleichung an diese Gegenstandswelt entnommen werden könnte. Die einzigen Wertmaßstäbe gegenüber den Systemen, die die formallogische Auffassung kennt sind immanente . . ' ' dIe aus der Art der formallogischen Durchführung, der Zweckmäßigkeit 11
der Definitionen, der Einfachheit und möglichst geringen Anzahl der Axiome hergenommen sind- nicht aus der Beziehung auf eine Gegenständlichkeit. Das Grundproblem, das wir uns stellen, lautet also: Gibt es irgendwelche wesentliche Ordnung im Aufbau der Ge bilde des Euklidische·n Raumes, die durch den Aufbau der deduktiven mathematischen Theorie nachgezeichnet werden kann? Gibt es, wie wir sagen wollen, eine" Wesensaxiomatik" der Euklidischen Geometrie? Daß es Fälle gibt, in denen eine Axiomatik den inneren Aufbau einer Gegenstandswelt wesensmäßiger nachzeichnet als eine andere, dafür existieren einfache Beispiele. Es soll für die beiden Tatsachen A > B, B < A eine Wesenssystematik aufgesucht werden. Formallogisch würde man die beiden Tatsachen durch zwei verschiedene Systeme in gleicherWeise kennzeichnen können: System I: System II:
Axiom: A > B Folgerung: B < A Axiom: B < A Folgerung: A > B
Beide Systeme, so unanfechtbar sie mathematisch sind, tragen keinen wesenssystematischen Charakter. Wie ist denn die Gegenstandswelt beschaffen, die durch das System nachgezeichnet werden soll? Doch wohl so : es besteht zwischen A ·und B eine einzige Relation R (A B) - eine Relation, die asymmetrisch ist, d. h. eine Relation, die in der Richtung von A nach B einen anderen Charakter trägt als in der Richtung von B nach A. Es besteht eine einzige Relation zwischen ihnen, und es ist nur eine verschiedene Auswertung dieser einen Relation, wenn man formuliert A > B, als wenn man sagt B < A. Von A aus gesehen, stellt sich die Relation dar als A > B. Dann erscheint B B als Folgerung B < A ergibt, braucht man das Wissen, daß >und< inverse Relationen sind, d. h. daß sie nichts sind als "Blickrelationen" derselben ungerichteten Relation. Ein~ W esensaxiomatik, die
die Verhältnisse der Gegenstandswelt wirklich nachzeichnen will, darf demgemäß nur die ungerichtete Relation als G~u~dlage ~enutzen: fü~ sie ist das Grundaxiom, daß eine Relation R (AB) ex1st1ert, die asymmetrischen Charakter trägt Diese Asymmetrie wird durch die beiden Tatsachen A > B, B < A ausgedrückt, die beide Blickrelationen der ursprünglichen Relationen sind. Für die Wesensaxiomatik ist es daher nicht angängig, die eine dieser Relationen A > B als Axiom aufzustellen, und die andere B < A als Folgerung. Der Schluß A > B, folglich B < A verschleiert das Wesensverhältnis der Relationen. Statt A > B und B < A als in gleicher Weise abgeleitet R ( ) aus A B anzusehen, packt er den Tatbestand an einem Seitenmoment und leitet dann logisch die anderen Momente ab. .Wir wollen solche Schlüsse, die nicht das Wesen des Tatbestandes nach.., zeic~nen; unechte Schlüsse nennen. In jedem Schluß liegt eine Richtung - die Richtung von den Prämissen zu den Konklusionen Bei dem e c h t e n Schluß entspricht diese Richtung der Abf~lge der Tatsachen. Bei unechten S~hlüssen ist die Schlußrichtung unabhängig von den Fundierungsverhältmssen der Gegenstandswelt (wie es in dem angezogenen Beispiel der Fall Unechte Schlüsse dürfen daher in dem wesenssystematischen Aufb au war). · emes Systems keinen Platz finden.* Nach früher Gesagtem e~scheint es freilich ziemlich fraglich, ob es echte Schlüsse, Schlüsse, die die Abfolge innerhalb der Gegenstandswelt nachzeichnen, überhaupt geben kann; wir betonten ausdrücklich: innerhalb d:r Gegenstandswelt gibt es kein Nacheinander von Beziehungen und Gebilden, sondern nur ein Ineinander und Beieinander. Also findet -so sollte man glauben- das logische Nacheinander der deduktiven Abfolge . *Diese Forderung besagt nicht, unechte Schlüsse dürften in einer Wesenstheorie üb er hau t mcht verwandt werden. Sie dürfen nur nicht in das Verhältnis von Axiom und Lehrs t · ·r p UmAbh" . k . . h lb d a z e~ngrei en. . angig elten ~nner a es Gesamtgebietes zu untersuchen, wird man um unechte Schlüsse kemeswegs herumkommen.
kein Analogon auf Seite der Gegenstandswelt, an das es anknüpfen kann. In der Tat: ein Nacheinander gibt es in der Gegenstandswelt des Euklidischen Raumes nicht. Aber dennoch existieren 0 r d nun g s ver h ä 1t n iss e, die dem logischen Nacheinander der Schlußfolge parallelisiert werden können: die Verhältnisse der Komplikation und der Fundierung. Verdeutlichen wir diese Verhältnisse an einem Beispiel aus einer außermathematischen Gegenstandssphäre: drei Menschen mögen in folgenden Verwandschaftsverhältnissen stehen: A ist Vater von B, C ist Bruder von A, folglich ist C Onkel von B. Die "Onkel-Relation" ist fundiert in zwei einfacheren Relationen, in der Vaterrelation und der Bruderrelation. Der angeführte Schluß zeichnet dieses Fundierungsverhältnis nach, das Nacheinander des Schlusses entspricht dem Übereinander der Relation; die Fundierungsrichtung der Relationen wird übersetzt in die Abfolgerichtung des Schlusses. Der angeführte Schluß ist demnach ein echter Schluß. Dagegen wäre die Schlußfolge: A ist der Vater von B, C ist der Onkel (Vatersbruder) von B, folglich C der Bruder von A, ein u n e c h t er Schluß, da er ohne Rücksicht auf die Fundierungsverhältnisse erfolgt. Das Beispiel der Größer-kleiner Relation zeigt deutlich, daß die Wesensaxiomatik eines Gebietes (oder die W esensaxiomatiken - denn wir müssen es dahin gestellt sein lassen, ob es stets nur eine einzige Wesensaxiomatik gibt -) nur eine Auswahl aus den überhaupt möglichen Axiomatiken eines Gebietes darstellt. Die Forderung, sich auf echte Schlüsse in der Abfolge der Sätze eines Systems zu beschränken, bedeutet naturgemäß eine Ausscheidung all derjenigen deduktiven Theorien, die unechte Schlüsse m ihrem Aufbau benutzen.
§ 5. Echte und unechte Definitionen und Lehrsätze. Der Gegensatz von echten u'nd unechten Schlüssen wiederholt sich in veränderter Form auf dem Gebiet der Definitionen. Echt sind nur solche Definitionen, die für eine aus einfacheren Relationen zusammengesetzte Relation, für ein aus einfacheren Gebilden zusammengesetztes Gebilde einen neuen Namen einführen. Eine echte Definition wäre also: Großvater ist
der Vater des Vaters oder der Mutter. Alle echten Definitionen sind daher Nominaldefinitionen. · Axiomensysteme, die nicht Wesenssysteme sind, verwenden jedoch mit Vorliebe Definitionen, die nicht Wesensdefinitionen sind, z. B. die Gerade wird definiert als der Schnitt zweier Ebenen. Der wirkliche Tatbestand ist jedoch folgender: Es existieren drei Tat~achengruppen: sich schneidende Ebenenpaare, Gerade und die Relation zwischen den Geraden und den Ebenen derart, daß zu je zwei sich schneidenden Ebenen eine Gerade als Schnitt gehört. Nennen wir die sich schneidenden Ebenenpaare p, die Geraden q, so besteht R also zwischen den Gegenstandsgruppen p u~d q .. Man kann dann etwa p mit Hilfe vonRund q definieren; oder q mit Hilfe von p und R; oder R definieren als die Relation, die zwischen p u~d q besteht. Dadurch wird die Zahl der Grundbegriffe scheinbar vermmdert; statt p, q und R hat man jetzt nur noch zwei von ihnen als Grundbegriffe - der dritte wird durch die beiden anderen definiert. Auch hier- bei der Definition der Geraden als Schnittzweier Ebenen - wiederum ist in die an sich ungerichtete, auf zwei Tatsachen fundierte Relation eine logische Richtung eingeführt, und damit das in der Gegenstandsweh bestehende Fundierungsverhältnis umgekehrt worden. So besteht die unechte Definition stets darin, daß ein Gegenstand durch eine Relation definiert wird, in der er zu anderen bereits als bekannt vorausgesetzten Gegenständen steht. Die außerwesentlichen Axiomensysteme pflegen mit Vorliebe solche unechte Definitionen zu verwenden. Denri das System wird dadurch scheinbar v.ereinfacht: man hat jetzt nur noch mit Ebene als Grundbegriff und Schmtten als Grundrelationen zu tun, die Gerade ist als Grundbegriff ausgeschaltet. Tatsächlich aber ist nichts weiter geschehen als daß man einen ~atz: der in Wahrheit axiomatischen Charakter trägt: d:ß sich zwei Ebenen m emer Geraden schneiden können, und zwar höchstens in einer Geraden schneiden, zur Definition der Geraden benutzt. Eine Wesensaxiomatik wird solche unechte Definitionen niemals benut~en dürfen. Sie wird vielmehr die tatsächlichen ungerichteten Relationsbeziehungen als solche axiomatisch zu fassen suchen. Denn es kommt ihr
nicht auf die möglichst geringe Anzahl von Grundbegriffen und Axiomen ·an, sondern darauf, jeden eigentümlichen Grundbegriff und jede eigentümliche Grundrelation als solche anzuerkennen. Daß es auch echte und unechte Lehrsätze gibt, ist ohne weiteres ein. zusehen. Echte Lehrsätze sind solche, die Aussagen über Tatbestände machen, die nicht die einfachsten, nicht weiter zurückführbaren Grundbeziehungen der Gegenstandswelt angehen. Der Pythagoreische Lehrsatz ist ein echter . Lehrsatz, denn er behandelt die Längenbeziehungen der Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks, also eine Beziehung, die in anderen einfacheren fundiert ist; und entsprechend sind die meisten Lehrsätze der Dreieckslehre echte Lehrsätze. l!necht dagegen ist ein Lehrsatz, werin er Grundbeziehungen zwischen den Elementen der Gegenstandswelt, die ihrem Wesen nach unzurückführbar sind, mitte1st unechter Definitionen logisch ableitet, ~wenn er also Sätze, die in einer Wesensaxiomatik Axiome sind, zu Lehrsätzen stempelt. So sind z. B. Gerade und Punkt wesensaxiomatisch Grundbegriffe. Nun aber besteht eine wesensmäßige eindeutige Beziehung zwischen der Geraden und der Gesamtheit ihrer Punkte. Daher läßt sich une c h t die Gerade als die Gesamtheit ihrer Punkte definieren .. In einem, naturgemäß außerwesentlichen System, das in dieser Weise die Gerade als die Gesamtheit ihrer Punkte definiert, müssen daher alle Sätze über Gerade zu Lehrsätzen werden, auch solche, die in einer Wesensaxiomatik axiomatischen Charakter tragen. Entsprechend sind auch unechte Axiome aufzufassen: A > B wäre ein unechtes Axiom, während der Satz, es besteht eine (näher zu charakterisierende) asymmetrische Relation R zwischen A und B, ein echtes Axiom der betreffenden Gegenstandswelt darstellt. Eine Wesensaxiomatik muß überall dort, wo in der Gegenstandswelt keine Fundierungsrichtung vorliegt, grundsätzlich vermeiden, im Aufbau ihrer Systematik eine Abfolgerichtung zu benutzen. Sie darf nur dort eine logische Abfolge einführen, wo in der Gegenstandswelt eine sachliche Fundierungsfolge vorliegt, - das ist der Grundgedanke, von dem aus die Wesensaxiomatik gestaltet werden muß.
§ 6. Das Prinzip der Unverträglichkeitsfassung mathematischer Sätze. Eine künstliche Einführung einer Richtung in einen an sich richtungslosen Tatbestand liegt jedoch nicht nur vor in Abfolgen von Sätzen, sondern auch im Aufbau einzelner Sätze. So ist z. B. in dem Hilbertschen Verknüpfungsaxiom: zwei Punkte bestimmen stets eine Gerade das Be. stimmende (die Punkte) als logisches Prius gegenüber dem Bestimmten (der Geraden) angesehen, während sachlich Punkt und Gerade gleichgeordnete Grund~egriffe sind. Ebenso - und das ist besonders yvichtig in allen hypothetischen Sätzen: wenn ein Punkt in. einer Geraden liegt, ,und die Gerade in einer Ebene, so liegt auch der Punkt in der Ebene. Hier ist der zweite Teil des Satzes - die Relation· zwischen Punkt und Ebene - als Folge der Relationen zwischen Punkt und Gerade einerseits und Gerade und Ebene andrerseits angesehen. Die Gegenstandswelt kennt jedoch eine solche Folge der einen Relation aus den beiden anderen nicht. In ihr existieren drei gleichwertige Relationen A (Punkt in der Geraden), B (Gerade ~n der Ebene) und C (Punkt in der Ebene). Die Fassung, die man dem Zusammenhang dieser drei Relationen in dem erwähnten Satz gib.t, wo A und B gegenüber C bevorrechtet sind, läßt C als die Folge der Existenz von A und B erscheinen: wenn A und B ist, so ist C. Man hätte a~s Axiom statt des Satzes: wenn A und B ist, so ist auch C, den gleich wertigenaufstellen können: wenn A und non-C ist, so ist auch non~B. (Wenn ein Punkt in einer Geraden liegt, und der Punkt liegt außerhalb einer Ebene, so liegt auch die Gerade außerhalb der Ebene) oder auch: wenn B und non-C ist, so ist auch non-A (Wenn eine Gerade in einer Ebene liegt, und ein Punkt nicht in der Ebene, so liegt auch der Punkt nicht in der Geraden). In der zweiten Fassung ist A und C logisch gegenüber B bevorrechtet, in der dritten B und C gegenüber A. Will man den inneren Verhältnissen der Gegenstandswelt Rechnung tragen, so muß man nach einer Fassung suchen, die richtungslos ist, die keine der drei Relationen A B ' und C bevorzugt. Eine solche Fassung lautet: I , A, Bund non-C sind unverträglich.
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(Daß ein Punkt in einer Geraden, die Gerade in einer Ebene und der Punkt nicht in der Ebene liegt - diese drei Tatsachen sind unverträglich.) Aus I ergeben sich drei. Folgerungen: Aus der Existenz von A und B folgt C. non-C folgt non-B A " " " ". B " non-C non-A
Ia Ib Ic.
" ungerichteten " " Behauptung " " der Unverträglichkeit " Aus der von ·A, Bund non-Cergeben sich so die drei oben formulierten hypothetischen und damit gerichteten Sätze als Folgerungen. In diesem Beispiel ist ein für die Wesensaxiomatik sehr wichtiger Gesichtspunkt aufgedeckt: alle Formulierungen von Sätzen oder Axiomen: wenn S ist, dann ist P (aus der Existenz von S folgt die Existenz von. P), müssen aus der Wesensaxiomatik verschwinden, da sie in die gegenseitige Abhängigkeit von Tatbeständen eine Folgerichtung hineintragen. Alle so:che hypothetischen Formulierungen von Sätzen sind nur Folgerungen aus emer Fassung, die weder S noch P bevorzugt: S und non-P sind unverträglich. Hieraus ergibt sich sowohl, daß, wenn S gilt, P gelten muß, als auch, daß, wenn non-P gilt, non-S gelten muß. In außerwesentlichen Axiomatiken kann man sowohl die eine der hypothetischen Formulierungen als a~ch die andere wählen. Es wird oft nur von der Leichtigkeit der sprachlichen Formulierung abhängen, welche man bevorzugt. So wählt man bei obigem Beispiel stets die Folgerung: w~nn ein Punkt in einer Geraden liegt und die Gerade in einer Ebene, so hegt auch die Gerade in einer Ebene. Denn man hat es dann nur mit dem Ineinanderliegen der Elemente zu tun, während bei den p.ndern Fassungen auch das Ause~nanderliegen in die Fassung mit hineinkommt. Prinzipiell aber sind Ia, Ib und Ic völlig gleichwertig - sie sind alle drei nur Ableitungen der Wesensbeziehung I. . Durch die Möglichkeit, die Folgerungen aus der Wesensrelat10n als Axiome anzunehmen statt der Wesensrelationen selbst, entsteht ein Reichtum außerwesentlicher Axiomensysteme, dem keine entsprechende Fülle von Gegenstandswelten entspricht. In einer Wesensaxiomatik dagegen werden die Folgerungen aus der Unverträglichkeit von Relationen - die hy-
pathetischen Fassungen also - stets auch als Folgerungen auftreten müssen, und statt ihrer als Axiom die Fassung der Unverträglichkeit bestimmter Relationen gewählt werden müssen. (Prinzip der Unverträglichkeitsfassung.) So tritt das Verhältnis der Wesensaxiomatik zu den außerwesentlichen, den technischen Axiomensystemen deutlich heraus. Beide Arten von Axio.,. mensystemen stützen sich auf dieselbe Gegenstandswelt. Aber während die Wesensaxiomatik überall dort gesonderte Grundsätze anerkennt, wo es skh um letzte Bausteine der Gegenstandswelt handelt, Definitionen nur dort, wo zusammengesetzte Gegenstände oder Relationen sich aus einfacheren zusammensetzen, und Schlüsse nur dort, wo in der Gegenständlichkeit Fundierungsverhältnisse vorliegen, die Eigenschaften komplizierter Gebilde aus den einfacheren folgern, sind die technischen Axiomensysteme weit weniger rigoros. Sie wollen nicht den Aufbau der Gegenständlichkeit nachzeichnen, sondern die möglichst einfachen Prämissen zu dem bekannten Gefüge von Lehrsätzen liefern (wobei dahingestellt sein möge, was unter möglichst einfach" zu verstehen is~). Dabei haben die technischen Axio~~nsysteme z. B. gar kein Interesse daran, die Relationen als ungerichtete aufrecht .zu erhalten. Je nach Bedarfführen sie eine Richtung in die Relation ein, so daß etwa das eine Relationsglied mit Hilfe der Relation durch das andere definiert wird; ein und derselbe Satz kann daher bei ihnen j,e nach dem Ausgangspunkt als Axiom oder als Lehrsatz erscheinen usw. Vom Standpunkt der Wesensaxiomatik aus sind so die technischen Axiome Versc?leierungen des wesentlichen Tatbestandes, Abbildungen der Gegenstandswelt, die nicht deren innerem Aufbau folgen. Umgekehrt ist vom technischen Standpunkt aus die Wesensaxiomatik nur ein System unter einer sehr großen Anzahl von möglichen Axiomensystemen, die alle als Prämissen zur Ableitung der Lehrsätze der Geometrie dienen können. Ja, die Wesensaxiomatik wird, von hier aus gesehen, nicht einmal als ein besonders glücklich gebautes System: erscheinen; denn sie verzichtet darauf ~ie Zahl der Grundbegriffe und Axiome durch unechte Definitionen mög~ hchst herabzudrücken, sie arbeitet vielmehr mit so vielen selbständigen Grundbegriffen und Axiomen, als voneinander unabhängige Elemente und Grundrelationen der Gegenstandswelt vorhanden sind. Daher ist Sparsamkeit in der Aufstellung von Axiomen im technischen Sinn kein Postulat für die Aufstellung einer W esensaxiomatik.
II. Kapitel
Die systematische Axiomatik § t. Die Forderung der Vollständigkeit des Axiomensystems. Zwei Forderungen müssen an jedes System von Axiomen- vom Standpunkt der Wesensaxiomatik aus sowohl, wie vom technischen Stand~un~te gestellt werden. Die eine: das System von Axiomen muß vollstandlg sein; es dürfen keine Axiome übersehen werden. Diese Forderun~ bedeu:et für ein technisches Axiomensystem, daß die aufgestellten Axw~e hi.nreichend sein müssen, alle Lehrsätze abzuleiten; für die Wesensaxwmatl~, daß wirklich alle elementaren Beziehungen der Gegenstandswelt durch ehe Axiome erfaßt werden. Die zweite Forderung besteht darin, daß die aufgestellten Axiome auch wirklich Axiome sind. Es darf sich nicht nachträglich herausstellen, daß eines oder mehrere vermeintliche Axiome in Wahrheit aus einem oder mehreren andern abgeleitet werden können. Es ist bekannt, daß die Axiomatik sich der Erfüllung dieser beiden Forderungen nur schrittweise nähert. So hat z. B. Pasch bis da~in übersehene Axiome entdeckt, und wir wissen nicht, welche andern Axwme noch u~ entdeckt im Aufbau der Geometrie mitverwandt werden (wenn auch d1e verfeinerten Methoden, die zur Untersuchung der Axiome heute verwandt werden es reichlich unwahrscheinlich erscheinen lassen, daß irgend welche Axiom~ dem Spürsinn der Axiomatiker entgangen SE?in sollten). Und.andererseits zeigt ein Blick in die aufeinanderfolgenden Auflagen von Hüberts "Grundlagen der Geometrie", daß mancherlei, was im erste~ Entwurf ~och als Axiom gegolten hatte, in Wahrheit durch andere Axwme bewiesen werden kann. 20
Aber selbst wenn w1r annehmen, daß die heutigen Axiomensysteme diese beiden Forderungen der Vollständigkeit des Axiomensystems und der gegenseitigen Unableitbarkeit der Axiome auseinander restlos erfüllten, so leiden sie dennoch sämtlich an einem Mangel, der zwar ihre technische Brauchbarkeit nicht beeinträchtigt, und damit rein mathematisch ohne Belang ist, aber dem Systematiker Unbehagen bereiten muß. Die Axiome stehen in den Lehrbüchern der Axiomatik gleichsam wie ein Geschenk der Götter, vom Himmel gefallen; man weiß nicht, wieso man gerade zu diesen Axiomen gelangt ist und zu keinen andern; man sieht dem System seine Vollständigkeit in keinerWeise an. Die Axiome erscheinen unsystematisch aufgelesen und dogmatisch hingestellt, und der Beweis, daß sie wirklich ein vollständiges Axiomensystem bilden, liegt einzig in ihrer technischen Brauchbarkeit. · Dieser Mangel haftet selbst einem so durchgearbeiteten System der Axiomatik wie dem Hilbertschen an. Die Axiome 11 , 12 , 14 , 15 sind zwar nach einem gewissen Ordnungsprinzip aufgestellt. 11 Zwei von einander verschiedene Punkte A und B bestimmen stets eine Gerade a. 14 Drei nicht auf einer und derselben Geraden liegende Punkte A, B, C bestimmen stets eine Ebene a. 12 Irgend zwei von einander verschiedene Punkte einer Geraden bestimmen diese Gerade. 15 Irgend drei Punkte einerEbene, die nicht in einer Geraden liegen, bestimmen diese Ebene. Aber die andern Axiome der Gruppe I sind eingefügt, weil sich eben herausgestellt hat, daß auch sie noch notwendig sind, um die Axiome der Verknüpfung vollständig zu machen. So z. B. 16 Wenn zwei Punkte A, B einer Geraden a in einer Ebene liegen, so liegt jeder Punkt von a in der Ebene. Oder 17 Wenn zwei Ebenen a und ß einen Punkt A gemein haben, so haben sie wenigstens noch einen weiteren Punkt gemein u. a. m. Man sieht nicht ein, wie man zu diesen Axiomen kommt. Es liegt ihrer Aufstellung kein systematischer Gedanke zugrunde; man sieht nicht em, 21
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weshalb gerade sie notwendig sind und keine andern; es könnten auch noch fünf andere notwendig sein und ebenso gut - a priori wenigstens - drei weniger. Derselbe Mangel haftet in noch erhöhtem Maße andern Axiomengruppen an; das archimedische Axiom, das Parallelenaxiom treten plötzlich auf, ohne daß man sieht, weshalb an dieser Stelle gerade ein neues Axiom benötigt wird. Die Tatsache, daß die historisch.e Entwicklung eins nach dem andern dieser Axiome herausgearbeitet hat, ist der Grund ihrer Aufstellung, nicht irgend ein systematischer Leitgedanke. Die übliche Methode der Aufstellung der Axiome ist die der Aufzählung der Axiome. So viele von den Sätzen der Geometrie sich bei der Durchprüfung als nicht auseinander ableitbar ergeben haben, so viele werden als Axiome angenommen. An dieser prinzipiellen Unsystematik wird auch durch den Umstand nichts geändert, daß man etwa nachträglich die Axiome in Gruppen ordnet (Axiome der Anordnung, der Verknüpfung usw.) oder daß man die Axiome von vornherein so gestaltet, daß sie nur einige wenige Grundbegriffe (Punkt und Entfernung etwa) oenutzen. Sie bleiben dennoch aufgesammelt, nicht systematisch aufgesucht. In der Art, wie die Geometer sich im Laufe der Entwicklung ihrer Wissenschaft der Axiome bemächtigt haben, gleichen sie einer Abteilung von Soldaten, die den Auftrag erhalten hat, alle Räuber festzunehmen, die in einem Walde verborgen sind. Alle Menschen, die aus dem Walde herauskommen, werden darauf hin geprüft, ob sie Räuber sind oder nicht. Eine systematisch vorgehende Soldatenabteilung aber würde sich nicht damit begnügen, die Räuber abzufangen, so wie sie gerade einzeln aus dem Walde hervorbrechen, sondern würde den Wald in einzelne Quartiere abteilen, Quartier um Quartier umstellen und so keinen Schlupfwinkel ununtersucht lassen, in dem sich ein Räuber verbergen könnte. Und wenn sie selbst wegen der unendlichen Ausdehnung des Waldes niemals damit zu Ende käme, so wäre doch eine solche systematische Absuchung des Waldes zweckdienlicher als ein bloßes Abfangen der aus dem Walde ausbrechenden Räuber. Sollte für den Mathematiker nicht eine ähnliche Methode des V orgehens - die Methode derAufsuch u n g - eher zum Ziel führen als die Methode 22
bloßer Aufzählung, die die Axiome einfach nebeneinander stellt, ohne daß man sieht, wieso man gerade zu diesen und keinen andern Axiomen gekommen ist? Es werde daher die Forderung aufgestellt: Das System solle systematisch sein, d. h. es sollen Gesichtspunkte ausfindig gemacht werden, nach denen wir die Axiome nicht nur aufzählen, sondern aufsuchen können. Demnach besteht die Aufgabe der Untersuchungen dieses Buches darin, nicht nur eine Wesensaxiomatik, sondern eine systematische Wesensaxiomatik aufzustellen. Die Forderung der Wesensaxiomatik verlangte nur, daß die Axiome die wesentlichen Grundbeziehungen des Euklidischen Raumes widerspiegeln sollten. Dieser Forderung wäre auch dann Genüge getan, wenn wir die Wesensaxiome aufzählten, wie sie uns gerade zur Hand kommen. Die Forderung einer systematischen Axiomatik fügt das V erlangen hinzu, die Axiome aus systematischen Leitgedanken aufzufinden. Mit dieser Systemforderung ist derWeg abgeschnitten, der andernfalls nahegelegen hätte, zu einer Wesensaxiomatik der Euklidischen Geometrie zu gelangen: Irgend ein historisch vorliegendes außerwesentliches Axiomensystem herzunehmen und die Wesensbeziehungen der Geometrie aus ihm herauszuschälen. Die Systemforderung verlangt vielmehr, daß man unabhängig von bestehenden Axiomatiken- die systematische Anordnung der Axiome aufspürt.
§ 2. Die Methode der Unableitbarkeitsbeweise. Wenn in der bisherigen Literatur auch kein Gesichtspunkt aufgetaucht ist, der die Vollständigkeit des Axiomensystems systematisch zu prüfen erlaubt, so steht es doch anders mit der zweiten oben erwähnten Forderung, der Forderung der Unabhängigkeit der Axiome voneinander (oder der U n ab 1 e i t bar k e i t der Axiome voneinander, wie wir aus Gründen, die später klar werden, lieber formulieren wollen). Vor allem Hilbert und seine Schüler haben besonderen Nachdruck auf diese Untersuchungen der Unableitbarkeit gelegt und für das Hilbertsche System in einer bewunderungswürdigen Vollendung durchgeführt.
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Die Methode, die bei den Unableitbarkeitsbeweisen eingeschlagen wird, ist derjenigen nachgebildet, die sich beim Beweis der Unableitbarkeit des Parallelenaxioms bewährt hat: Es seien A, B, C ... M bekannte Axiome. N sei ein Satz, von dem nicht feststeht, ob er ein Axiom ist oder nicht, und der auf seinen Axiomcharakter hin geprüft werden soll - darauf, ob er von den Axiomen A bis M unableitbar ist. Der Prüfung liegt folgender Gedanke zugrunde. Wenn N von Abis M ab 1ei t bar ist, so ist non-N mit Abis M unverträglich. Ist dagegen N von Abis M unableitbar, so kann non-N (so gut wie N) mit Abis M zusammen existieren. Gelingt es also, das Beispiel einer Gegenstandswelt aufzuzeigen, die die AxiomeAbis M und zugleich non N realisiert, so ist damit gezeigt, daß AbisMund nonN zusammen bestehen können. N ist in einem so 1 c h e n Falle von A bis M unableitbar. Durch diese Methode wird also gezeigt, daß der Satz N von bekannten, als Axiome vorausgesetzten Sätzen unableitbar ist. Damit ist nach der technischen Auffassung des Axioms sicherlich einwandfrei bewiesen, daßNein Axiom ist. Denn die Unableitbarkeit von irgend welchen andern Sätzen des deduktiven Gefüges ist es gerade, was die technische Auffassung des Axioms charakterisiert. Auch für das Axiom derWesensaxiomatik ist eine notwendige Bedingung, daß es von andern Sätzen des Gefüges unableitbar ist. Aber die Bedingung ist nicht hinreichend, denn vom wesensaxiomatischen Standpunkt wird von Axiomen mehr verlangt als die bloße Unableitbarkeit. Es wird, wie früher gezeigt wurde, von Axiomen gefordert, daß der Tatbestand, den es ausspricht, innerhalb der Gegenstandswelt, auf die sich das deduktive Gefüge bezieht, fundamentalist-selbst nicht weiter fundamentiert ist. So kann es z. B. vorkommen, daß ein Satz N von den auelern in Betracht kommenden Sätzen A bis M unableitbar ist, aber seinerseits aus zwei anderen Sätzen 0 und P ableitbar ist. Wenn die Ableitung von N aus 0 und P eine e eh te Ableitung ist, also dieser Ableitung eine Komplizierung im Aufbau der Gegenstandswelt entspricht, so sind wesensaxiomatisch nicht N, sondern 0 und P als Axiome anzusprechen, obwohl N von Abis M unableitbar ist.
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Oder ein anderer Fall: N ist aus A und 0 ableitbar, also aus einem bekannten Axiom A und einem neuen Axiom 0. Wenn non-N aus A und non-0 ableitbar ist, dann ist sowohl N als auch non-N mit A bis M verträglich, ist also nach technischer Auffassung als Axiom anzusehen. Ob es wesensaxiomatisch als Axiom anzusehen ist, wird wiederum davon abhängen, ob die Ableitung von N aus A und 0 eine echte Ableitung darstellt oder nicht. Im ersteren Fall wird wiederum 0 als das Wesensaxiom zu betrachten sein, im letzteren Fall N. (Daß solche Fälle vorkommen in ' denen ein Satz N von A bis M unableitbar ist, aber dennoch aus einem neuen Axiom 0 und bereits aufgestellten Axiomen abgeleitet werden kann, dafür bietet die Axiomatik reichlich Beispiele. Am bekanntesten ist das Beispiel des Parallelenaxioms, das auch durch das andere Axiom ersetzt werden kann, daß die Winkelsumme im Dreieck zwei Rechte beträgt, da mit Hilfe dieses Satzes und anderen Axiomen das Parallelenaxiom bewiesen werden kann.)
§ 3. Ein prinzipieller systematischer Mangel c1 er U n ab 1e i t b a r k e i t s b e weis e. Die Einwendungen, die wir gegen die übliche Methode der Prüfung von Sätzen auf ihren Axiomcharakter hin anführten, zeigten einzig, daß mit ihrer Hilfe die Sätze nur daraufhin geprüft werden können, ob sie Axiome nach technischer Auffassung sind, aber nicht, ob ihnen die Natur von Wesensaxiomen zukommt. Einen prinzipiellen Charakter jedoch, der sich etwa gegen die übliche Methode zur Prüfung der Unableitbarkeit von Sätzen als Methode richtet, tragen diese Einwände nicht. Es lassen sich jedoch vom Standpunkt einer systematischen Axiomatik von weit prinzipiellerer Seite her Einwände gegen diese Methode erheben. Um in sie Einsicht zu gewinnen, sei noch einmal der Nerv des V orgehens bei dieser Methode bloßgelegt: Er beruht darin, daß von einem Beispiel rückwärts geschlossen wird. Man sucht neben der Gegenstandswelt der Euklidischen Geometrie, die A bis M und N realisiert eine andere auf die ' A bis M und non-N gleichzeitig realisiert. Existiert' eine solche Gegen-
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standsweh so ist N von A bis M unableitbar. Wesentlich ist dabei folgen' der Gedankengang: alles, was existiert, muß widerspruchsfrei sein; alle Eigenschaften, die sich an einer Gegenstandswelt tatsächlich vorfinden, müssen logisch miteinander vereinbar sein. Gelingt es also, ein einziges Beispiel ausfindig zu machen, in dem Abis M und non-N vereint vorkommen so ist die W iderspruchslosigkeit ihrer Vereinigung nachgewiesen. ' . Aus der Existenz schließt man also auf die Möglichkeit der EXIstenz. Eine solche Schlußweise ist logisch unanfechtbar; systematisch jedoch ist sie unzulänglich. Sie zeigt nur die Tatsache der Unableitbarkeit von N aus Abis M, aber sie läßt keinen Blick tun in die Gründe dieser U nableitbarkeit. Die Variation einer bekannten Scherzfrage möge das klar machen: Ich weiß, daß ein Schiff So m lang und zo m breit ist und sein Kapitän 4S Jahre zählt. Die Frage ist: kann ich das Alter des Kapitäns aus der Länge und Breite des Schiffes ableiten? Die übliche Methode des Unableitbarkeitsbeweises würde, um die verneinende Antwort zu begründen, sich bemühen ein zweites Schiff von der Länge So m und der Breite zo m ausfindig zu machen, und wenn sie feststellt, daß dessen Kapitän nicht 4s Jahre alt ist, sondern, sagen wir, s6 Jahre, so hat sie bewiesen, daß das Alter des Kapitäns von Länge und Breite des Schiffes unabhängig sein muß. Sie hat also aus der Existenz die Möglichkeit dieser Existenz abgeleitet. Trotzdem dieses Vorgehen logisch unanfechtbar ist, würden wir doch denjenigen erstaunt ansehen, der ein solches Verfahren einschlüge, um jene Scherzfrage zur Entscheidung zu bringen. Man verlangt von jedem, daß er ohne weiteres einsieht, daß das Alter des Kapitäns nichts mit der Länge und Breite des Schiffes zu tun hat. Erst die Folge dieser Unabhängigkeit des Alters des Kapitäns von Länge und Breite des Schiffes ist, daß der Kapitän statt 4S Jahre auch 36 Jahre alt sein kann. Natürlich kann man daraus auch wieder rückwärts folgern, daß Gestalt des Schiffes und Alter des Kapitäns nichts zusammen zu tun haben. Aber man hält es für richtiger, unmittelbar aus der Eigenart der gegebenen Daten das Resultat einsichtig abzulesen, als es aus den Folgen uneinsichtig, wenn auch logisch einwandfrei zu erkennen.
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Sollte nicht dasselbe in der Axiomatik ebenfalls möglich sein? Statt aus den Folgen der Unableitbarkeit von N aus A bis M die Unableitbarkeit selbst zu erschließen, muß es möglich sein, die Unableitbarkeit unmittelbar einzusehen. Diese Einsicht ist sicherlich in vielen Fällen viel schwerer zu gewinnen, als aus einem Existenzialbeispiel die Unableitbarkeit zu zeigen. Eine wirkliche s y s t e m a t i s c h e Axiomatik müßte jedoch eine solche Erkenntnis beizubringen vermögen. Die mathematische Unableitbarkeit ist jedenfalls erst dann nicht nur festgeste 11 t, sondern auch verstanden, wenn diese Art der Einsicht in die Unableitbarkeit der Axiome voneinander gewonnen ist. Ein Beispiel: Angenommen, als einziges Axiom sei festgelegt: es gibt mindestens zwei Punkte; So ist der Satz: zwei Punkte bestimmen stets· eine Gerade, nicht aus diesem ersten Axiom ableitbar; denn er benutzt den Begriff der Geraden, der nicht in den Axiomen vorkommt. Das ist ohne weiteres einsichtig, ohne Zuhilfenahme weiterer Beweise aus Existenzialbeispielen. Das Beispiel selbst ist trivial, aber methodisch muß die gleiche Forderung, die Unableitbarkeit wirklich einsichtig zu machen, auch in weniger trivialen Fällen aufgestellt werden. Wir werden bei der Durchführung der Axiomatik Methoden kennen lernen, um auch bei komplizierten Beispielen diese Einsicht herbeizuführen.
§ 4. Die Unabhängigkeit der Axiome voneinander. Von der Unableitbarkeit der Axiome voneinander muß ihre Unabhängigkeit unterschieden werden. Angenommen, es werde ein Axiom über Dreieckskongruenz aufgestellt. So ist dieses Axiom - das gehört zum Begriff des Axioms - unableitbar aus allen früheren Axiomen. Hiermit ist jedoch sehr wohl vereinbar, daß dieses Axiom, um überhaupt als sinnvolle Behauptung auftreten zu können, die Existenz anderer Axiome voraussetzt. Damit Sätze über Dreiecke überhaupt sinnvoll sein können, muß es zum Beispiel Axiome geben, aus denen folgt, daß Gerade sich üb er hau p t schneiden können; ferner muß
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axiomatisch gewährleistet sein, daß sie drei Schnittpunkte haben können. Gibt es keine solchen Axiome, so sind keine Dreiecke und damit keine Axiome über Dreiecke möglich usw. Das Kongruenzaxiom ist also nicht unabhängig von den genannten Axiomen, obwohl es una blei t bar aus ihnen ist. Es setzt voraus, daß diese auelern Axiome existieren, aber es bringt als Axiom etwas Neues zu ihnen hinzu, das nicht in ihnen enthalten ist. So sind alle Axiome als Axiome unableitbar von der Gesamtheit aller übrigen, aber unter den Axiomen gibt es voneinander unabhängige und voneinander abhängige Axiome. ("Unabhängigkeit" in unserem Sinn ist also nicht identisch mit dem, was gewöhnlich als »Unabhängigkeit der Axiome« bezeichnet wird.)
§ 5. Die Ordnung der Axiome. Die Einschließung und die Ausschließung von Möglichkeiten. Die bisherigen Überlegungen dieses Kapitels haben nur dazu gedient klarzumachen, daß die üblichen Methoden, die in der Axiomatik verwandt werden, für eine systematische Aufsuchung der Axiome ohne Belang sind. Es muß nun positiv gefragt werden, auf welche Weise es gelingt, Ordnung in die Aufsuchung der Axiome hineinzubringen. Eine gewisse Ordnung der Axiome ist dadurch gegeben, daß bestimmte Axiome von andern abhängig sind, z. B. die Axiome der Dreieckskongruenz von den Axiomen über den Schnitt von Geraden usw. Diese abhängigen Axiome müssen systematisch natürlich hinter den Axiomen auftreten, von denen sie abhängig sind. Allein dies Prinzip der Ordnung führt nicht weit '- es setzt voraus, daß man die Axiome bereits kennt, die man ordnen will. Zu einer systematischen Aufsuchung der Axiome dient es nicht. Hier führen einzig Gedankengänge weiter, die auf prinzipiell anderer Grundlage beruhen. Jede Gegenstandswelt, der sich unser Interesse zuwendet? ist eine Auswahl aus den ·überhaupt möglichen Gegenstandswelten - sie ist durch unseren Willen herausgegriffen aus der unbegrenzten Anzahl möglicher Gegenstandswelten. Wir wollen diejenige Gegenstandswelt, die wir derart im einzelnen Fall auszeichnen, auswählen aus der Fülle der Möglichkeiten,
z8
als die _qualifizierte Gegenstandswelt bezeichnen. Für unsere Betrachtung bilden z. B. die Gebilde des dreidimensionalen Euklidischen R l'f' · aumes . dIe qua IIZierte Gegenstandswelt. scheidet alle Möglichkeiten aus, die nicht qua1·I_ f Diese Qualifizierung c1 IZiert sm . An sich sind zum Beispiel Räume von 1 ~, ,.., 5 n -0°Imenswn~n möghch. Indem ich mich für den dreidimensionalen Raum entscheide, werden die auelern Möglichkeiten aus g es c h 1ossen. Oder- ume1~ außermathematisches Beispiel zu wählen: an· sich sind als Möglichkelten der Betrachtung: Reptilien --Vögel Fische Sa·ougeto1ere usw. gegeb en. Indem 1ch. die Saugetiere qualifiziere, sie zum Gegensta n c1 mmner • Betrach tung wähle, greife ich nur eine der Möglichkeiten heraus und scheide do d Do Ie an ern aus. Ie Wahl, die Qualifikation, bedeutet also eine Aus s c h 1i eßung von Möglichkeiten. o~~d zw~r ist die Wahl nur eine ausschließende gegenüber denjenigen Moghchkmten, die Unterarten der nächst höheren Gattung sind I , F 11 d d 'do . m a e er. rm n~ensio~alen ~eometrie ist die nächst höhere Gattung von Raum-" gebüden Eb b eme n-dimenswnale Geometrie wo n bedeuten ka nn I, '2, 5 ... n. · enso edeutet dw Qualifikation der Säugetiere den Ausschluß der andern •
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Unte~gattungen de~ Wirb~l~ier~. Gegenüber den niederen Gattungen da~egen b~deut~t
dieoQouahfikatwn einen Einschluß ihrer MöglichkeIten. Smdo ~I:" dreidimensionalen Raumgebilde in ihrer Gesamtheit als Gattung qualifiziert, so sind die verschiedenen Möglichkeiten der Dreiecks-gestalt mitqualifiziert: Dreiecke können rechtwinklige spiotz win · kloIge seJn, G o• · erade konnen sich schneiden oder nicht schneidei"-~ usw Q. ua lofo 1 !Ziere 1ch. 0
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d1~ G~ttung der Säugetiere, so sind die Huftiere, Nagetiere, Raubtiere usw. mit emgeschlossen.
§ 6. Qualifizierte, mathematische und b~griffliche Möglichkeiten. Nach einer andern Richtung unterscheiden wir: 1. qualifizierte Möglichkeiten 2. mathematische Möglichkeiten 5o begriffliche Möglichkeiten.
Die Unterschiede dieser dre:f Arten von Möglichkeiten sollen an einem Beispiel klar gemacht werden. Betrachten wir etwa eine Gleichung dritten Grades mit reellen Koeffizienten, so existieren für die Wurzeln dieser Glei~hung folgende begriffliche Möglichkeiten (vorausgesetzt, daß bekannt ist, daß eine Gleichung dritten Grades stets drei und nur drei Wurzeln besitzt). Die Gleichung kann besitzen: 1. 5 reelle Wurzeln, 2. 1 imaginäre Wurzel,
2
reelle,
5·
1
"
2
"
Wurzeln,
4· 5 " " Aber diese vier begrifflichen Möglichkeiten sind nicht sämtlich mathematisch realisierbar. Die .Annahme, daß eine Gleichung dritten Grades mit reellen Koeffizienten eine imaginäre und zwei reelle Wurzeln hat, oder daß sie drei imaginäre Wurzeln besitze, ist widerspruchsvoll. So sind von den vier begrifflichen. Möglichkeiten nur zwei widerspruchsfrei, also mathematisch.möglich. Nun kann aber unter diesen mathematischen Möglichkeiten wiederum eine bestimmte zum Gegenstand weiterer Untersuchung gemacht werden, etwa diejenige, bei der alle Wurzeln reell sind. Dann greift man unter den mathematischen Möglichkeiten wiederum eine heraus, qualifiziert sie. Der Übergang von den begrifflichen zu den mathematischen undvon denmathematischen zu den qualifizierten Möglichkeiten bedeutet also eine immer stärkere Einschränkung der Möglichkeiten. Der Übergang von· den begrifflichen zu den mathematischen Möglichkeiten ergibt sich daraus, daß die Möglichkeiten einer einschränkenden Bedingung unterworfen sind. An und für sich könner_t Gleichungen dritten Grades auch drei imaginäre Wurzeln haben; mathematisch ausgeschlossen sind sie nur dann, wenn wir nur Gleichungen mit reellen Koeffizienten betrachten. Es sind also unter den Bedingungen, die für die Möglichkeit derWurzeln gesetzt sind, bestimmte Einschränkungen, bestimmte Qualifikationen vorgenommen worden. So werden stets die mathematischen unter den begrifflichen Möglichkeiten da:durch eing~kreist, daß bereits unter den Bedingungen, unter denen die Möglichkeiten zustandekommen, irgend eine Qualifikation stattgefunden hat, . mit der ein Teil der begrifflichen
Möglichkeiten nicht vereinbar ist..Die mathematischen Möglichkeiten be• ruhen also auf einer Qualifikation an früherer Stelle. Demnach läßt sich formulieren: Begrifflich' möglich ist alles, was sich als sinnvoller Unterfall bei der Einteilung eines qualifizierten Oberbegriffs ergibt. Mathematisch möglich ist jede begriffliche Möglichkeit, die widerspruchsfrei ist. Qualifiziert ist jede Möglichkeit, die aus den mathematischen Möglichkeiten als Gegenstand der Betrachtung herausgegriffen wird. (Es können daher auch 'sämtliche mathematischen Möglichkeiten qualifiziert sein.) Der Umstand, daß die qualifizierten Möglichkeiten sich als eine Auswahl der mathematischen Möglichkeiten darstellen, erlaubt nun, Prinzipien aufzustellen, die für die Aufsuchung der Axiome wesentlich sind.
§ 7. Existenzsetzende und charakteri-sierende Axiome. Jede Axiomatik geht von einer bestimmten Anzahl von Elementensystemen aus. In der Hilbertschen Axiomatik z. B. sind es drei: Punkt, Gerade, Ebene. Diese Systeme sind zunächst noch in keiner anderen Weise charakterisiert als dadurch, daß wir wissen, daß die konstituierenden Eigenschaften der Elemente des einen Systems von denen des andern differieren ohne ' nur daß zunächst bekannt ist, worin diese Differenz besteht. Gegeben sind leere Schemata von Elementen, die erst durch weitere Bestimmungen ausgefüllt werden müssen. Diese weiteren Bestimmungen liefern die Axiome. Nun bedeutet mathematisch die Feststellung von Eigenschaften eines Gegenstandes nichts anderes als die Feststellung der Relationen, die er zu andern Gegenständen besitzt. Daher geschieht die Ausfüllung der leeren Systemschemata durch Axiome, die die Relationen zwischen den Dingen eines einzelnen Systems und denen eines andern, oder zwischen den Dingen eines einzelnen Systems untereinander festlegen (z. B. zwei Punkte A und B bestimmen eine Gerade a). Aber bei den Relationen wiederholt sich dasselbe Spiel - es muß jetzt wiederum die Zahl der Relationssysteme festgelegt werden. Es könn-
ID'"~t!-~>.if~t':~"''t-l""''"'Vi:::p;:•.'J-z"-~-r:·:~··•-.,~-,:..~.;,,·,~.:-r.~~~-,.. _..,_~!ol-;; -:-.:~ ,_-.-.~;!_, -~~'-· ,,,-~~~--~:~~~·~·~ -o: "'·""'·'~:-v.~ ~?
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i~·.:.•;._ ":--.· ,::u:~~- q möglich ist. Wenn es Konfigurationen von n 1 Elementen eines Systems gibt, in denen keine n 2 eines andern liegen, so gibt es auch Konfigurationen von beliebig viel Elementen des einen Systems (n1 > q), in denen keine Konfiguration von r Elementen des andern liegen. Beispiel: [ + (5 A, - a)];t Es gibt Punktetripel, durch die keine Gerade geht. So gibt es auch Punktkonfigurationen aus mehr als drei Punkten, durch die keine Gerade geht. Regel 2): Aus [ + (n1 W17 n 2
m2 )]y
für n 1
8z
= q, n 2 = r folgt die Geltung
I
des Satzes für jedes n 1 > q und jedes n 2 ~ r. Wenn -es keine Konfigurationen von q Elementen eines Systems gibt, in,denen r Elemente eines andern liegen, so gibt es auch keine Konfigurationen von q + 1 oder mehr Elementen, in denen Konfigurationen von r oder mehr Elementen liegen. Beispiel: [ + (2 A, 2 a)y Es gibt.. keine Punktepaare, in denen Geradepaare liegen, so gibt es auch keine Punktepaare, Punktetripel usw., in denen Geradepa:are, Geradetripel usw. liegen. Regel 5): Aus [ +(n1 mP- n 2 m2)]y für n 1 ~q, n 2 = r folgt,. daß die Relation auch für jedes n 1 < q und jedes n 2 ~ r gilt. Wenn jede Konfiguration von q Elementen eines Systems innerhalb oder außerhalb einer Konfiguration von r Elementen eines andern liegt, so liegt auch jede Konfiguration von q oder weniger Elementen innerhalb oder außerhalb einer Konfiguration von r oder weniger Elementen des andern Systems. Beispiel: [- (n1 A, - n 2 a)]y für jedes beliebig hohe n 1 und n 2 : außerhalb jeder Punktkonfiguration aus beliebig hohen Punktmengen liegen beliebig viele Gerade; dann liegen auch z. B. außerhalb von 6 Punkten b~liebig viele Gerade; und außerhalb von 6 Punkten 5 Gerade; und außerhalb von 5 Punkten 6 Gerade usw.
§ 7. Die ausschließenden I-Relationen mit negativen Vor z e i c h e n. Wir untersuchen die J -Relationen, die Elementenmultipel enthalten, nunmehr systematisch auf ihre Axiomfähigkeit: Wir betrachten zunächst die negativen J -Relationen, da sie einer besonders einfachen Gesetzmäßigkeit gehorchen. Es gilt nämlich: Axiom III1 :
[-'-- ( n 1
W1 ,
-
n2
W2 ) ]y
(In diesem und allen folgenden Fällen soll n, wenn nicht ausdrücklich anderes gesagt ist, jeden endlichen Wert annehmen können, ebenso jeden unendlichen von der Mächtigkeit des Kontinuums, jedoch so, daß niemals die Gesamtheit aller Elemente eines Systems durch n ausgedrückt werden soll.)
~
I
Es ist unmöglich, eine Konfiguration aus beliebig vielen Elementen eines Systems zu finden, außerhalb der nicht beliebig viele Elemente eines andern liegen = außerhalb beliebig vielen Elementen eines Systems liegen beliebig viele eines andern, z. B. außerhalb beliebig vielen Geraden liegen beliebig viele Punkte" usw. Nach den Aufstellungen in § 5 gilt dann ebenso für jedes beliebige n 1 und n 2 : [ - (n 1 ~u n 2 ~ 2 )]v. Somit sind die negativen I -Relationen aller Quotienten durch Axiom III1 mitgegeben.
während die negativen ausschließenden J- Relationen durch Axiom JII 1 erschöpft sind. Und zwar ordnen wir die Konfigurationen nach ihren Quotiente:J;I: wir untersuchen zuerst die I- Relationen mit den Quotienten n 1 : 1 (n1 > 1 ), dann n 1 : 2, n 1 : 5 ...
§ 9. Die+ I-Relationen mit dem Quotienten n 1 : Es sind hier folgende
12
Fälle zu unterscheiden:
1) [ + (ntA, a)]
§ 8. Die+ I-Relationen vom Quotienten
1:
n2 •
Die Möglichkeitscharaktere der positiven I-Relationen sind weit weniger einfach gestaltet. Bei positiven Vorzeichen müssen die Fälle [ (n 1 &1 , - &2 )] und + (?!fli- n 2 &2 ) - die Fälle mit dem Quotienten n 1 : 1 und l : n 2 gesondert untersucht werden, und demgemäß auch die Fälle mit dem Quotienten n 1 : n 2 , wenn n 1 > 1 und n 2 > 1 ist. Für 1: n 2 gilt: Axiom III 2 : [ + (?!fp- n 2 &2 )]V
+
Es gibt kein Element eines Systems, in dem nicht beliebig viele eines andern liegen= durch jedes Element eines Systems gehenbeliebig viele eines andern, z. B. durch jeden Punkt gehen beliebig viele Gerade usw. (Man verglei~he dies Axiom III 2 mit Axiom IIIu um deutlich den Unterschied zu erkennen.) Dagegen gibt es für n 1 : 1 kein entsprechendes Axiom: [ + (n1 ?!fv- ~!2 )]v. Es liegen also nicht etwa in beliebig vielen Elementen eines Systems stets solche eines andern. Durch beliebig viele zufällig ausgewählte Punkte geht nicht stets eine Gerade, es schneiden sich nicht beliebig viele Gerade in einem Punkt usw. Hier bei diesen positiven I-Relationen muß also der Bereich der s p eziellen Axiome liegen, und es müssen daher diepositiven ausschließenden I- Relationen einer systematischen Untersuchung unterzogen werden,
5) 5) 7) g) 11)
[+ [+ [+ [+
1.
(nta, A)J Cn1A, a)] Cnta, A)] (n1a, a)] [+ (n1a, a)J
2) [ + (n1A,- a)J 4) [ + (n1a,- A)] 6) [ + (n 1 A,- a)]' 8) [+ (n1a,- A)J 10) [+ (n 1a,- a)] 12) [+ (n1a,- a)J
Die ungeraden Fälle 1 ), 5), 5), 7 ), g), 1 1) sind für jedes n 1 ableitbar möglich, da [+ (nt &1, &2)];t + (&2, n 1&1)];t eine Folgerung aus Axiom III2: [+ C?!f1, - n1 &2)Jv ist. (Wenn z. B. durch jeden Punkt beliebig viele Gerade hindurchgehen, so existiert auch umgekehrt die Konfiguration des Ineinanderliegens von beliebig vielen Geraden und einem Punkt.)
=[
Es bleiben also nur die geraden Fälle der obigen Tabelle zu untersuchen: Fall 2) [ + (n 1 A,- a)] n1 = 2 : [ + (2 A, -- a)Jv Durch jedes Punktepaar geht eine Gerade. n1 = 5 : [+ (5 A, - a)];t Es gibt Punktetripel, durch die keine Gerade hindurchgeht. Nach Regel 1) des § 6 schließt die Möglichkeit für n 1 = 5 die Möglichkeit für alle höheren n in sich. Daher ist nur die Unmöglichkeit für n 1 = 2 als Axiom festzulegen: Axiom III 3 : [ + (2 A, - a)Jv durch jedes Punktepaar geht eine Gerade. Fall4): [+ (n1 a,- A)] n1 = 2: [+ (2a,- A)];t Es ist möglich, daß zwei Gerade keinen Punkt gemeinsam haben. Daher nach Regel 1) [ + (n1 a,- A)];t für jedes n 1 2 2
Fall 6): [+ (n 1 A,- a)J n 1 = 2: [+ (2A,- a)]y Durch zwei Punkte geht stets eine Ebene. n 1 = 3: [+ (3 A,- a)Jv Durch 3 Punkte geht stets eine Ebene. n 1 = 4: [+ (4 A,- a)];t Es gibt Punktequadrupel, durch die keine Ebene geht. Nach Regel 1) ist [+ (n1 a, -a)] ;1_ für n 1 > 4· Andrerseits ist nach Regel3) [ + (2 A, - a)Jv Folgerung aus+ [(3 A,- a)]y. Fall6) liefert daher folgendes Axiom: Axiom III 4 : [ + (3 A,- a)]V Durch drei Punkte geht stets eine Ebene. Fall 8): [ + (n1 a, - A)] n 1 = 2: [ + (2 a,- A)];t Es gibt Ebenenpaare, die keinen Punkt gemeinsam haben. Nach Regel 1) also [ + (n 1 a,- A)];t für n1 > 2. Fal11o): + (n 1 a,- a) n 1 = 2: [+ (2 a,- a)];t Es gibt Geradenpaare, die keine Ebene gemeinsam haben, also nach Regel 1) [+ (n1a,- a)];t für n1 > 2. Fall 12): [+ (n 1 a,- a)] n 1 = 2: [+ (2 a)];t Es gibt Ebenen, die keine Gerade gemeinsam haben, also nach Regel 1) [+ (n1a,- a)];t für n1 2: 2. Die Untersuchung der Relationen mit dem Quotienten n1 : 1 liefert
a,-
also die beiden Axiome : Axiom III3 : [ + (2A,- a)]yDurch zwei Punkte geht stets eine Gerade. Axiomiii4 : [+ (3 A,- a)]V Durch drei Punkte geht stets eine Ebene.
§ 10. Die J -Relation vom Quotienten n1: 2. 2) [+ (n1 A,- 2a)] 4) [ + (n1 a, - 2A)] 6) [+ Cn1A,- 2a)] 8) [+ (n 1 a, - 2A)] 10) [+ (n 1 a,- 2a)] 12) [+ (n1a,- 2a)]
1) [+(n1A, 2a)] 3) [+ (n1 a, 2A)] 5) [ + (n 1 A, 2a)] 7) [+ (n1 a, 2A)] g) [ + (n1 a, 2a)] 11) [ + (n 1a, 2a)]
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Fall I): [ + (n 1A, 2a)] n1 = 2: [+ (2 A, 2a)] ist unmöglich, da es identisch mitii6 ist. Es soll hier zunächst noch nicht auf die Axiome der Gruppe II zurückgegriffen werden; wir nennen also das Axiom im Zusammenhang dieses Kapitels III5 (II6 ). Axiom III5 (II6 ): [ + (2 A, 2a)]y Es ist unmöglich, daß ein Geradenpaar und ein Punktepaar ineinander liegen, d. h. daß zwei Gerade zwei Punkte oder zwei Punkte zwei Gerade gemeinsam haben. Aus III5 folgt nach Regel 2) des § 6, daß für jedes n > 2 [+ (n 1 A, 2a)]y ist. Fall 2): [+ (n1A,- 2a)] ist möglich, da Fall I) unmöglich ist: es gibt Konfiguratio11en von n 1 Punkten (n1 > 2 ), durch die keine 2 Gerade gehen. Fall 3): [+ (n 1 a, 2A)] ist für n = 2 identisch mit Fall I): + (n1A, 2a); daher ist Fall 3 ebenfalls für jedes n 2: 2 unmögllch, und andererseits Fall 4): + (n 1 a,- 2A) für jedes n 2: 2 möglich. Fall 5): [+ (n 1 A, 2a)] n 1 = 2 : [+ (2 A, 2a)];1_ n 1 = 3 : [ + (3 A, 2a)]A
daher allgemein: [+ (n1A, 2a)];1_, Es gibt Punktmultipel, durch die zwei Ebenen gehen. Jfall6): [+ (n 1 A,- 2a)] n 1 = 2: [+ (2 A,- 2a)]y Es gibt kein Punktepaar, durch das nicht zwei Ebenen gehen. n 1 = 3: [+ (3 A,- 3a)];1_ Es gibt Punktetripel, die nicht in zwei Ebenen liegen, daher auch allgemein: [+ (n1A, - 2a)];1_ Fall 6 für n = 2 ist unmöglich. Da wir die Abhängigkeit der Unmöglichkeiten der einzelnen Fälle voneinander erst später untersuchen wollen, so stellen wir zunächst als präsumptives Axiom auf: Axiom III6 : [+ (2A,- 2a)]y: Durch jedes Punktepaar gehen zwei Ebenen. Es läßt sich das Axiom sogleich in der allgemeineren Form aussprechen: [+ (2 A, - n 2 a)]y für n 2 2: L Durch jedes Punktepaar gehen beliebig viele Ebenen.
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Fall 7): [ + (n 1 a, 2A)], n 1 = 2: [ + (2a, 2 A)];t Es gibt zwei Ebenen, die sich in zwei Punkten schneiden. Daher allgemein [ + (n 1 a, 2 A)];t. Fall 8): [ + (n1a, - 2 A)] n 1 = 2: [ + (2 a,- 2 A)];t Es gibt Ebenenpaare, die sich nicht in zwei Punkten schneiden. Daher allgemein: [ + (n1a, - 2 A)];t_. Fall g) [ + (n 1 a, 2a)] Für n 1 = 2: [ + (2a, 2a)] ist Fallg) unmöglich. Er ist für n 1 = 2 identisch mit Fall 1 1 ). Wir wollen dieses Axiom in Gruppe III als Axiom III 7 (II 7) bezeichnen. Axiom III7 (II7 ): [ + 2a, 2a)]v Es ist unmögli eh, daß ein Geradenpaar und ein Ebenen paar ineinander liegen. Aus[+ (2a, 2a)]v folgt, daß[+ (n 1 a, 2a)]v für jedes n 1 > 2 unmöglich ist. Aus der Unmöglichkeit von Fall g) folgt die Möglichkeit von Fall 1 o): [ + (2a,- 2a)];1. Es gibt Geradenpaare, die nicht in zwei Ebenen liegen; und demgemäß auch [+ (n1a,- 2a)]v für jedes n1 > 2. Fall 11): [+ (n 1 a, 2a)] ist für n = 2: [+ (2a, 2a)] mit Fall g) identisch; also ebenfalls mit III 7 (II7 ) identisch. Aus[+ (2a, 2a)]V folgt[+ (nta, 2a)]V für jedes n 1 2 2. Aus der Unmöglichkeit von Fall 11) folgt die Möglichkeit von !:fall 13). [+ (c..w,- 2a)];1_ Es gibt Ebenenpaare, die nicht in zwei Geraden liegen; und demgemäß auch [+ (n1 a,- 2a)];1_ für jedes n 1 > 2. Die+ I-Konfigurationen mit den Quotienten n 1 : 2 führen also zu den Axiomen III5 (II 6) und III7 (II 7 ) und zu dem präsumptiven Axiom III6 : [+ (2 A, - 2a)]v Durch jedes Punktepaar gehen zwei Ebenen.
§ 11. Die+ I -Relation von den Quotienten n 1 : 3 und n1: n 2 • Die+ I-Relationen mit den Quotienten n 1 : 3· 1) [+ (n 1 A, 3a)] 2) [+ (ntA,- 3a)] 4) [+ Cn1a,- 3A)] 3) [+ Cn1a, 3A)]
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6) [+ (n 1 A,- 3a)] 8) [+ (n1a,- 3A)] 10) [+ (n 1 a,- 3a)] 12) [+ (n 1 a,- 3a)]
5) [+ (111A, 3a)] 7) [+ (n1 a, 3 A)] g) [+ (n 1 a, 3a)] l:l) [+ (n 1 a, 3a)]
Fall 1): + (n1A, 3a) Für jedes n 1 :::::: 2 ist nach III5 (III6 ) [+ (n1A, 3a)]v für jedes n 1 > 2. Es läßt sich verallgemeinern:[+ (n1A, n 2 a)]V für jedes n 1 > 2 und für jedes n 2 2 2.
Fall 3): + (n1a, 3 A) läßt sich ebenfalls nach II6 für jedes n 1 > 2 als unmöglich erweisen und läßt sich ebenso verallgemeinern[+ (n 1 a, n 2 A)]V für jedes n 1 < 2 und n 2 2 2. Aus Fall 1) und Fall3) unmöglich folgt Fall 2) und Fall4) möglich. Dieselbe Überlegung zeigt, daß nach III7 (II7 ): [ + (n1a, n 2 a)]V für jedes n 1 < 2, n 2 ::::;:: 2. Daher ist Fall g) und Fall 1 1) unmöglich, Fall 1 o) und Fall 1 2) möglich. Es bleiben also nur Fall 5) bis 8) gesondert zu untersuchen. Fall 5): [+ (n1 A, 3a)] für n 1 = 3: [+ (3A, 3a)];1_
für n 1 = 2: [+ (2A, 3a)];t allgemein:[+ (n1A, 3a)];1_.
Es gibt Konfigurationen von beliebig vielen Punkten, durch die drei Ebenen gehen (nämlich solche, die in einer Geraden liegen). Auch hier läßt sich verallgemeinern: [+ (n 1 A, n 2 a)];t für jedes n 1 > 2, n 2 > 2. Es gibt Konfigurationen von beliebig vielen Punkten, durch die beliebig viele Ebenen gehen. Daher ist auch Fall 7) [+ (n 1a, 3 A) ];t für jedes n 1 > 2. Es bleiben Fall 6) und Fall 8). Fall 6): [+ (n1A,- 3a)] nt = 2: [+ (2A,- 3a)]v Durch jedes Punktepaar gehen drei Ebenen. n 1 = 2 ist ein Spezialfall von Axiom III6 : [+ (2A,- n 2 a)Jv n 1 = 3: [+ (3A,- 3a)];1_ allgemein: [+(n 1A,- 3a)];1_ fürn 1 > 3 Entsprechendistauch [+ (n1 A,-n 2 a)];t für jedes n 1 > 2, n 2 > 2: Es gibt Konfigurationen von mehr als zwei Punkten, durch die keine Konfiguration von zwei und mehr Ebenen geht
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n 1 = 2: [+ (2a,- 3A)];1 Fall 8): [+ (n1a, -- 3A)] allgemein:[+ (n 1 a,- 3A)];1 n1 = 3: [+ (3a,- 3A)];1 Auch hier gilt der allgemeine Satz: [+ (nL a,- n 2 A)];t für jedes nL > 2-n2 > 2: es gibt Konfigurationen von zwei (und mehr) Ebenen, in denen keine Konfiguration von zwei Punkten (und mehr) liegt. Die+ I-Konfiguration mit dem Quotienten n 1 : 3 liefert also kein neues Axiom. Zugleich wurden bei Gelegenheit dieses Quotienten alle Fälle: [+ (n1A1,-+- n 2 A2 )] für n 1> 3, n 2 > 3 auf ihren Möglichkeitscharakter hin untersucht. Es zeigte sich hierbei, daß auch die Fälle mit höherem n1 und n 2 keine neuen Axiome liefern können.
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daß zwei Punkte stets auf einer Geradi:m liegen, und dem- andern, daß durch eine Gerade beliebig viele Ebenen gehen, folgt mit Hiife von II5 , daß durch jedes Punktepaar beliebig viele Ebenen gehen. III2' III3 Das präsumptive Axiom III1- ist ebenfalls ableitbar aus Axiom und Axiomen der Gruppen I und II: betrachten wir zunächst das Aus_: einanderliegen von Punkten und Geraden. Da es beliebig viele Punkte und Gerade gibt, und immer nur - nach II6 - zwei des einen Elementensystems eines des andern gemeinsam haben können, so muß es außerhalb jedes Paares von Punkten beliebig viele Gerade_ geben und außerhalb jedes Paares von Geraden beliebig viele Punkte. Der Inhalt von III1 für Punkte und Gerade läßt sich hieraus leicht ableiten. - Entsprechendes gilt für das Verhältnis von Ge:raden und Ebenen nach II7 • Es bleibt also nur noch das Verhältnis von Punkten u~d Ebenen erörtern: Der Umweg über die Geraden liefert den Beweis. Außerhalb eines Punktes A gibt es beliebig viele Gerade. In jeder dieser Geraden a beliebig viele Ebenen a, ß, y usw. Mit Hilfe voniii3 und anderen Axiomen läßt sich zeigen, daß nur eine unter diesl:m Ebenen durch Punkt A geht; also liegen beliebig Viele Ebenen außerhalb A. Und umsomehr beliebig viele Ebenen außerhalb jeder Punktkonfiguration aus mehr als einem Element; Ebenso läßt sich ähnlich beweisen, daß außerhalb jeder Ebene beliebig viele Punkte liegen. Es lassen sich also alle Unterfälle von III1 aus früheren Axiomen be_: weisen. III1 ist also kein Axiom. Dennoch sieht man ohne weiteres daß ' wesensmäßig die Bedeutung dieses Satzes eine völlig andere- ist, als z. B. die des Pythagoreischen Lehrsatzes, obwohl beide Sätze ableitbar sind. Der Pythagoreische Lehrsatz knüpft an speziellere räumliche Gestaltungen an - an rechtwinklige Dreiecke ---:-, und es ist demnach ohne weiteres ein-leuchtend, daß auch wesensmäßig sich seine Aussagen als Kombinationen und Spezifikationen der ·Aussagen- der Axiome, die von Geraden, Linien -und Dreiecken üb er hau p t reden, darstellen werden. Es wird also beim Pythagoreischen Lehrsatz das Speziellere und Kompliziertere aus dem Einfacheren und Allgemeineren abgeleitet, urid das ist auch der wes e n smäßige Gang des deduktiven Beweises. Dagegen wird umgekehJ1 bei der
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§ 12. Die Prüfung der Ableitbarkeit der präsumptiven Axiome. Folgende- zunächst präsumptive- Axiome ergaben sich also aus der Untersuchung der erweiterten !-Konfiguration erster Stufe. Axiom III1: [-(n 1 ~b-n 2 ~2 )]v Beliebig viele Elemente eines Systems liegen außerhalb beliebig vieler eines andern. Axiom III2 : [+ (~ 1 ,- n2 ~2 )]V Durch ein Element eines Systems gehen beliebig viele eines andern. Axiom III3 : [ + ( 2 A, - a)]v Durch jedes Punktepaar geht eine Gerade. -Axiom III4 : [+ (3 A,- a)]V Durch drei Punkte geht stets eine Ebene. Axiom III5 : [ + ( 2 A, 2a) ]v == II6 Axiom III6 : [+ 2A,- na)]V Durch jedesPunktepaar gehen beliebig viele Ebenen. Axiom III7 : [+ (2a, 2a)]v = II7 : Diese präsumptiven Axiome müssen daraufhin untersucht werden, ob sie wirkliche Axiome sind. Bei III5 und III7 können wir uns diese Untersuchung sparen, da sie bereits als identisch mit II6 und II7 erkannt sind. Sie liefern daher keine neuen Axiome. Präsumptives Axiom III6 ist in Wirklichkeit kein Axiom .. Aus dem Satz,
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Ableitung von III1 aus II6 und III2 ein Allgemeines aus einem ebenso Allgemeinen mit Hilfe eines Spezielleren abgeleitet. Wenn wir so betonen, daß die Ableitung von tll 1 nicht den wesensmäßigen Gang befolgt, so scheinen wir hier unsere Aufgabe verfehlt zu haben. Denn nachdenAusführungen deserstenAbschnitts·müßte es unsere Aufgabe sein, den Gang derart umzugestalten, daß die wesensmäßige Aussage die in III 1 enthalten ist auch zu ihrem axiomatischen Rechte ' . ' kommt. Es ist jedoch leicht ersichtli~h, weshalb in diesemFall derAnschluß an den wesensmäßigen Aufbau nicht gelingen kann. Angenommen, es gäbe im ganzen a Punkte. Jedes Geradenpaar liege in b von diesen Punkten; es liegt also a u ß er h a 1b von a - b = c Punkten. Würde es sich bei dem Werte a um eine endliche Größe handeln, existierten etwa 1ooo Punkt~, so würden wesensaxiomatisch die Werte b und c gleichberechtigt sein: es macht keinen Unterschied, ob inan die Einteilung der. a Punkte damit beginnt, daß man die Zahl der c außerhalb oder der b innerhalb der Geradenpaare zur Grundlage nimmt. Man würde zuerst axiomatisch feststellen, wieviele Punkte es überhaupt gibt, und dann als zwei gleichberechtigte Axiomable festhalten, ·inner h a 1b wieviel Punkten jedes Geradenpaar liegt, und außer h a 1b von wievielen. Der spezielle Fall, mit dem wir es hier zu tun haben, ist jedoch anders gelagert. a hat keinen endlichen, sondern einen unendlichen Wert. Hier ist es nicht mehr gleichgültig, ob ich mit b oder c beginne, denn daraus, daß c unendlich ist (es liegen unendlich viele Punkte außerhalb der Geraden.,. paare), folgt keineswegs der Wert von b. b kann noch jeden endlichen Wert annehmen. Dagegen folgt aus einem bestimmten endlichen Wert b ohne weiteres, daß c unendlich ist. So wird man also c axiomatisch festlegen und b daraus folgern. Wesensmäßig bleibt trotzdem bestehen, daß nicht etwa die endliche Zahl b ein Vorrecht vor der unendlichen Zahl c genießt, obwohl c aus b aber nicht b aus c ableitbar ist. Vielmehr scheint umgekehrt die ' der unendlich großen Zahl von außerhalb liegenden Punkten das Existenz wesensmäßig erste zu sein, und die Zahl der innerhalb liegenden gleichsam ein Herausnehmen, eine Spezialisierung zu bedeuten. Der syllogistisch einzig gangbareWeg ist also hier derjenige, der keines-
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wegs dein wesensmäßigen Aufbau folgt. An dieser Stelle, wo wir Axiome, d. h. unableitbare Sätze aufsuchen, der syllogistische Gesichtspunkt also in den Vordergrund gestellt wird, muß daher III1 als Axiom aufgegeben werden. Bei einer späteren Gelegenheit in einem folgenden Kapitel wird das Wesensmäßige von III 1 auch in sein wesensmäßiges Recht eingesetzt werden. Axiom III2 kann nicht ebenso aus III1 mit Hilfe anderer Axiome abgeleitet werden, wie III1 aus III2 • Es fehlt hier an spezielleren Axiomen, die besagen, daß nuv eine endliche Zahl vön Geraden etwa außerhalb eines Punktepaares liegen kann, so daß man auch hier wieder durch Subtraktion die Zahl der inner h a 1b einer Punktkonfiguration liegenden Geraden gewinnen könnte. Vielmehr müssen hier eigene axiomatische Festlegungen eintreten, die angeben, wieviele Gerade in einem Punkt, zwei P~nkten usw. liegen können. Axiom III2 ist daher in der Tat ein Axiom. Immerhin sind die einzelnen spezielleren Auswertungen, die in Axiom III2 enthalten sind, nicht unableitbar voneinander. Daß durch jeden Punkt beliebig viele Ebenen gehen, ist ableitbar daraus, daß durch jeden Punkt beliebig viele Gerade und durch jede dieser Geraden beliebig viele Ebenen gehen, und daß nach II5 jeder dieser Punkte in jeder der beliebig vielen Ebenen liegt. Dennoch ist auch hier klar, daß rein wesensmäßig betrachtet, der Satz, daß durch jeden Punkt beliebig viele Ebenen gehen, nicht abgeleiteter ist als die beiden andern Auswertungen von III2 • Ist das Axiom III3 : durch jedes Punktepaar geht eine Gerade, ableitbar aus anderen Axiomen? Eine solche Ableitung wäre nur denkbar durch eine Relation zwischen Punktepaaren und Ebenen einerseits und Geraden und Ebenen andrerseits, so daß durch Kombination beider Relationen sich das Verhältnis Punktepaar und Gerade als Folgerung ergäbe. Eine solche Relation, aus der III3 abgeleitet werden könnte, könnte etwa lauten: wenn zwei Punkte in einer Ebene und eine Gerade in einer Ebene liegen, dann liegen die Punkte in der Geraden. Diese Relation würde, verknüpft mit dem Satz: In zwei Punkten liegt stets eine Ebene, das Axiom III3 ergeben. Da kein derartiges (oder . entsprechendes) Axiom existiert, das diese Vermittlung übernehmen könnte,
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lation decken sich also inhaltlich keineswegs. Es ist notwendig, auch die erweiterten I-Relationen höherer als 1. Stufe zu untersuchen, ob bei ihnen sich axiomatische Verbote einstellen. Analog wie bei der Zusammenstellung der drei ~infachen I- Relationen + (A, a), + (aa), - (Aa) sich das Axiom II5 ergab, mag auch die Zusammenstellung erweiterter I-Relationen zu höheren Stufen neue Axiome liefern. Wir werden jedoch nicht in derselben Weise wie bei den einfachen I-Relationen die ersten fünf Stufen durchprobieren können. Schon die erweiterten I- Relationen 1. Stufe sind gegenüber den setzenden I- Relationen an Zahl überwältigend. Bei den setzenden I-Relationen waren nur sechs Relationen zu untersuchen: + (Aa), + (Aa), + (aa), bei den erweiterten I-Relationen dagegen: + (n 1 ~! 1 , + n 1 ~ 2) eine unendliche Zahl, da n1 und n2 jeden beliebigen ganzzahligen Wert annehmen konnte. Die Untersuchung war in den vorangegangenen Paragraphen nur dadurch erleichtert, daß bei der Durchmusterung sich rasch durchgreifende Vereinfachungen ergaben.
Bei der erweiterten I-Relation 2. Stufe würde jedoch schon die bloßeZusarnrnenstellung der möglichen Fälle eine unübersehbare Menge ergeben, die Durchmusterung auf axiomatischen Charakter hin würde sich ins Endlose verlieren. Deshalb ist es ratsam, ehe wir an die Durchmusterung herangehen, zu untersuchen, ob es nicht gelingt, allgerneine Gesichtspunkte ausfindig zu machen, nach denen wir uns die Aufgabe der Zusammenstellung und der Prüfung der Relationen 2. Stufe erleichtern können. In der Tat vereinfachen folgende Gesichtspunkte die Untersuchung: 1) Alle erweiterten I-Relationen höherer Stufe als 1. Stufe, in denen nur setzende Teilrelationen vorkommen, können außer Betracht bleiben, da sie sich in einfachereJ-Relationen zerlegen lassen; z. B.: [ + (2a,A) -- (bA)] läßt sich zerlegen in [+ (aA), + (ßA), :_ (bA)] usw. Es bleiben also zur Untersuchung nur die rein ausschließenden I-Relationen und die gemischten, d.h. solche, die Teilrelationen setzen.:. den und ausschließenden Charakters enthalten. 2) Unter den derart verbleibenden I-Relationen· 2. Stufe scheiden alle diejenigen aus, die eine Teilrelation 1. Stufe enthalten, die bereits durch ein Axiom unmöglich erklärt ist. Wenn eine Teilrelation der Gesamtrelation unmöglich ist, so ist es gewiß die Ge s a rn t relation. So scheiden z. B. alle Zusammensetzungen mit [+ (a,- nA)] aus, da diese Relation durch Axiom III2 unmöglich erklärt ist. Die entsprechende Vereinfachung konnte bei der Untersuchung der setzenden I-Relationen 2. Stufe nicht in Wirksamkeit treten, da Axiome 1. Stufe für setzende I-Relationen überhaupt nicht existieren. Durch diesen Gesichtspunkt scheiden z. B. von vornherein alle I-Relationen 2. Stufeaus, die Teilrelationen ausschließender Art mit negativen Vorzeichen enthalten, da nachiii1 : [-(n 1 %fr,-n2 ~2 )] fürjedes n 1 und n 2 unmöglich ist. 3) Der dritte Gesichtspunkt, der zur Vereinfachung der erweiterten I-Relationen dient, soll an einem Beispiel klar gernacht werden. Nehmen wir an, es wäre die Relation [ + (3 A,- 2 a), + (3 A, 2 a)J zu untersuchen. Betrachten wir ihre erste Teilrelation: (+ 3 A, - 2 a). Die ihr korrespondierende setzende Relation (+ 3 A, 2 a) ist nach II6 unmöglich: Durch
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so ist auch III3 nicht ableitbar. - In ähnlicher Weise läßt sich zeigen, daß auch III 4 nicht ableitbar ist. Es bleiben also als neue unableitbare Axiome nur: Axiom III2 : In jedem Element eines Systems liegen beliebig viele eines andern. (Wir lassen hier die Einschränkung weg, daß die Beziehung PunktEbene ableitbar ist;) Axiom III3 : Durch jedes Punktepaar geht eine Gerade. Axiom III4 : Durch jedes Punktetripel geht eine Ebene.
§ 13. Die Gesichtspunkte zur Prüfung der ausschließenden I -Relationen
2.
Stufe.
Bisher sind einzig die e~weiterten I- Relationen erster Stufe untersucht worden. Diese erweiterten I-Relationen können- soweit sie setzende I- Relationen sind,- wie erwähnt- bei ihrer Auflösung in einfache I- Relationen als einfache I- Relationen den verschiedensten Stufen angehören: [ + (2A, 2a)] gehört z. B. als [ + (A, a) +(Ba)+ (Aß)+ (Bß)] der vierten Stufe an usw. Die Stufenzählung der erweiterten und die der einfachen I-Re-
drei Punkte können niemals zwei Gerade gehen. Daher ist ( + 5 A,- 2a) nicht nur möglich, sondern notwendig stets erfüllt. Es gibt nicht nur einzelne Beispiele von drei Punkten, durch die keine zwei Gerade gehen, sondern durchjedes Punktetripel gehen keine zwei Geraden. Die Relation ist also ein Pleonasmus: 5 A und 5 A, - 2a ist dasselbe: 5 A, - 2a ist stets erfüllt. Demgemäß ist auch die Gesamtrelation, die wir ursprünglich be. trachteten[+ (3 A,- 2a), + (5 A, 2a)] nurscheinbar eine Relation 2. Stufe. Denn diese Relation ist identisch mit (3 A, 2a ). Durch drei Punkte, die in zwei Ebenen lierren, gehen natürlich keine zwei Geraden, weil durchalle B . Punktetripel keine zwei Geraden gehen. Die angeführte Relation ist also eine P s e u d o r e l a t i o n 2. Stufe; sie ist in Wahrheit eine setzende Relation 1 . Stufe. Wir verallgemeinern diesen Befund. Aus II6 und II7 ergab sich als Folgerung, daß [+ (n 1A, n 2 a)]y (und [+ (n 1a, n 2 a)]y) für jedes n1 > 2, n 2 :::::_ 2. Hieraus folgt, daß + (n 1A,- n 2 a) und+ (n 1a,- n 2 A), sowie+ (n 1a,- n 2 a) und+ (n 1a,- n 2 a) nicht nur möglich, sondern notwendig erfüllt sind.· Demgemäß ist jede Relation mit Stufe, in der eine der zuletzt erwähnten vier Relationen vorkommt, eine Pseudorelation m-ter Stufe- in Wahrheit jedoch von (m-1) ter Stufe. 4) Um die Möglichkeit einer weiteren Vereinfachung klarzumachen, betrachten wir folgende Konfiguration: + ( a, b, c, - A): drei Gerade, die keinen Punkt gemeinsam haben. In dieser Konfiguration sind eine Reihe von Unterfällen eingeschlossen: 1) Es schneiden sich je zwei von den drei Geraden a, b und c in einem Punkte - die drei Geraden bilden also ein Dreieck. 2) b, c und a, c schneiden sich in den Punkten B und C, dagegen sind a und b untereinander parallel usw. Statt die Konfiguration+ (a, b, c,- A) einer Durchmusterung zu unterziehen, kann man daher die Unterfälle betrachten:
1) [+ (a, b, A), + (b, c, B), + (a, c, C)] 2) [+ (a, b,- A), + (b, c, B), + (a, c, C)] usw. Diese Unterfälle aber sind Relationen von höherer Stufe, aber von einfacherem Quotienten als die Konfiguration, von der wir ausgehen. Sie
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sind teils von rein setzendem Charakter wie Unterfall 1 ), teils von ausschließendem, teils von gemischtem. Dagegen ist die Relation + (a b - A) d'1em . Unterfall2 ) vorkommt, nicht weiter zerlegbar; das Sich-nicht-schneiden ' ' von zwei Geraden usw. kann nicht weiter zerlegt werden. Das Schema der Zerlegung ist ohne Weiteres ersichtlich: Es soll z. B. zerlegt werden. Durch die Relation ist nur festgelegt, daß mcht alle drei Gerade sich in einem Punkte schneiden, für das Verhältnis von a und b, a und c in Bezug auf Sichschneiden oder Nichtschneiden ist keine Verfügung durch die Relation getroffen. Man muß also für jedes der drei Geradenpaare a b, a c, b c sowohl den Fall betrachten, daß sie sich schneiden als daß sie sich nicht schneiden, und diese Fälle (soweit sie nicht nur bezeichnungsverschieden sind) kombinieren. Dann erhält man alle Unterfälle von+ (a, b, c,- A).
~ (a, b, c,- A)
Es ist ganz allgemein zu fragen, welche Relationen nicht weiter zerlegt werden können. Einmal natürlich alle ausschließenden Relationen mit dem Quotienten 2 : 1. ...J- (a, b, - A) z. B. ist nicht weiter zerlegbar, denn die Beziehung zwischen a und b ist durch die Relation selbst bereits festgelegt. Aber auch Relationen mit höheren Quotienten können unzerlegbar sein. So läßt sich die Relation+ (A, B, C, D,- a)- die Relation, daß vier Punkte nicht in einer Ebene liegen-nicht in Unterfälle zerlegen. Denn die nächste Zerlegung, die vorgenommen werden müßte, wäre derart, daß (A, B, C, + (3) einerseits und (A, B, C,- ß) andrerseits zu berücksichtigen wären. Nun ist aber (A, B, C,- ß) unmöglich, denn es gilt stets: (A, B, C, + ß): Drei Punkte liegen stets in einer Ebene. Daher ist (A, B, C, D,- a) nicht in Unterfälle zerlegbar. Dagegen konnte eine Zerlegung bei+ (a, b, c,- A) deshalb vorgenommen werden, weil sowohl+ (a, b,- A) als auch (a, b, + A) möglich waren, und daher Unterfälle zu+ (a, b, c,- A) gebildet werden können. Ebenso kann auch (A, B, C, D, E, - a) in Unterfälle zerlegt werden, da sowohl (A, B, C, D, + a) als auch (A, B, C, D,- a) möglich sind. Hebt man aus diesen Beispielen das Prinzipielle heraus, so gelangt man zu folgendem Satz: Die Konfiguration [ + (n1 W1, - n 2 W2 )] läßt sich dann und nur dann in Konfigurationen von niedererem n 1, aber höherer Stufe auflösen, wenn sowohl [ + ((n1- 1) W1,-n2 W2 )] als auch [+ ((n 1 -1) llf 1, n 2 W2 )]
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möglich ist, also für das zweite Glied der Klammer sowohl das negative als das positive Vorzeichen eine mögliche Gesamtrelation ergibt. Nach diesen Gesichtspunkten lassen sich die erweiterten J-Relationen 2. Stufe einfach untersuchen. Es gilt: 1) Alle Relationen rein setzenden Charakters können aus der Untersuchung ausscheiden. (Gesichtspunkt 1.) 2) Ebenso alle ausschließenden oder gemischten J-Relationen, in denen eine ausschließende.J-Relation mit negativem Vorzeichen vorkommt. (Gesichtspunkt 2. und Axiom III 1). · 5) Ebenso alle J-Relationen, in denen+ (%1: 1, - nW 2 ) vorkommt. (Gesichtspunkt 2. und Axiom III2 ). Es bleiben also von den ausschließenden Relationen 1. Stufe nur noch die Relationen+ (n 1 W1, - n 2 W2 ) für n 1 > 1 daraufhin zu untersuchen, ob sie für unsere Durchmusterung von Belang sind. Nach Elementen ausgewertet lauten sie: [+ (n 1A,- n 2 a)]; [+ (n 1 a,- n 2 A)]; [+ (n 1 A,- n 2 a)]; [+ (n 1 a,- n 2 A)]; [+ (n 1 a,- n 2 a)}; [+ (n 1 a,- n 2 a)]. Wir untersuchen diese Relationen der Reihe nach, ob sie auflösbar sind oder nicht. 4) Untersuchung von + (n1 A, - n 2 a): Da [+ (2A,- a)]y (III3 ), haben Zusammensetzungen mit der Relation + (n 1 A, - n 2 a) für n 1 = 2, n 2 = 1 nach Gesichtspunkt 2. auszuscheiden.. + (n 1 A,- n 2 a) für n 1 > 2, n 2 > 2, ist nach II6 nicht nur möglich, sondern notwendig; die Zusammensetzungen mit dieser Relation haben demnach nach Gesichtspunkt 5· auszuscheiden. Es bleiben also nur noch die Fälle zu untersuchen, in denen n 1 > 2 und n 2 = 1 ist, also + (5A, - a), + (4A, - a) usw. Da sowohl+ (5A, - a) als auch+ (5A, a) möglich ist, so kann+ (4A,- a) stets nach Gesichtspunkt 4· in Unterfälle zerlegt werden. (Dieser Fall diente gerade oben als Paradigma für Gesichtspunkt 4.) Ebenso kann + (5A,- a) in Unterfälle zerlegt werden, ganz allgemein auch + (nA, - a) für jedes n > 5· Nicht zerlegbar ist einzig + (3A,- a). Diese Relation ist also der
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einzige Spezialfall von+ (n 1 A,- n 2 a), der daraufhin zu untersuchen ist ob er in Relationen 2. Stufe mit axiomatischem Charakter auftritt, da di~ andern Relationen alle auf einfachere Relationen durch Zerlegung reduziert werden können. - Wir nennen Relationen, die nicht zerleg··bar sind aus. ' g e z e 1c h n e t e Relationen. + (n 1 A, - n 2 a), enthält also eine einzige ausgezeic~nete Relation als Sonderfall, nämlich + (sA, - a). 5) Untersuchung von+ (n1a,- n 2 A). Auch hier wieder, genau wie im vorigen Fall, muß + (n1a,- n 2 A) für n1 > 2, n 2 > 2 nach II6 unbedingt gelten, scheidet daher nach Gesichtspunkt 5· aus der Untersuchung aus. Zu prüfen bleibt also zunächst noch + Cnt a,- A) für n1 = 2, n 2 = 1, also+ (2a,- A): Zwei Gerade die sich in Iminern Punkte schneiden. Diese Relation ist nicht zerlegbar: kann in ~er Tat als Teilrelation in Relationen höherer Stufe vorkommen. Dagegen 1st + Cnt a, - A) für n 1 > 2 nach Gesichtspunkt 4· in Unterfälle zerlegbar. + (2a,- A) ist also derjenige Spezialfall von+ (n 1 a,- n 2 A), der als ausgezeichnete Relation zu untersuchen ist. Prüft man in derselben Weise die andern oben angeführten Fälle, so ergibt sich für:
6) + (niA,- n 2 a): Hier sind zwei Spezialfälle als Teilrelationen von Relationen höhererStufe in Betracht kommend: + (5A,- 2a) und+ (4 A,- a). 7) + (nl a, - n 2 A): Die Prüfung ergibt, daß einzig + (2 a, - A) und + (2a,- 2A) als Teilrelationen von Relationen höherer Stufe zu untersuchen sind. 8) + Cn1 a,- n 2 a): es ist einzig+ (2a, -- a) als Teilrelation zu untersuchen. g) + (nt a,- n 2 a): es ist einzig+ (2 a,- a) als Teilrelation zu untersuchen. Es bleiben also nur folgende 8 erweiterte J -Relationen 1. Stufe, folgende ausgezeichnete Relationen, die als Teilrelationen von solchen Relationen höherer Stufe vorkommen können, die auf ihre Axiomfähigkeit zu untersuchen sind. 1) + (5A,- a) 2)+(2a,-A) 5) + (4A,- 0) 4) + (5A,- 2a)
5) + (2a,- A) 6) + (2a, - 2A) 7) + (2a,- a) 8) + (ga,- a)
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r Es sind daher zunächst die mit diesen 8 J-Relatiollfm zusammengesetzten rein ausschließenden und gemischten Relationen 2. Stufe aufzustellen und daraufhin zu untersuchen, ob unter ihnen axiomatische Verbote zu finden sind.
§ 14. Kohärente und inkahären te Relationen. Auch die Anzahl der rein ausschließenden und gemischten J-Relationen Stufe, in denen diese 8 Relationen als Teilrelationen vorkommen, ist noch unübersehbar groß, denn sie werden gebildet durch Zusammenstellung jeder dieser 8 ausgezeichneten Relationen mit sich selbst und den 7 andern und ferner durch Zusammenstellung jeder dieser 8 Relationen mit jeder beliebigen setzenden J-Relation. Es müssen also noch weitere Gesichtspunkte herangezogen werden, um die Untersuchung zu vereinfachen. Wir scheiden alle Relationen höherer Stufe in kohärente und inkahären te Relationen. Kohärente Relationen sind solche, bei denen in den Teilrelationen gemeinsame Klammerglieder vorkommen; inkohärente sind solche, bei denen diese Gemeinsamkeit nicht vorliegt. So ist z. B. [+ (A, a), - (aa)] kohärent, da a beiden Klammern gemeinsam ist; [+ (A, a),- (b, a)] dagegen inkohärent. Oder ein anderes Beispiel: [+ (A, B,- a), + (A, C,- a)] ist kohärent, dagegen[+ (A, B, C,- a),- (b, a)] 2.
ist inkohärent. Es gilt der Satz: Axiome können nur bei kohärenten Relationen vorkommen. Denn: Nehmen wir an, es sei eine inkohärente Relation verboten, etwa die angeführte: [+ (A, a),- (b, a)] so würde diese Behauptung besagen: aus der Existenz von- (b, a) folgt [+ (A, a)]y. Da aber [- (b, a)] möglich ist, so müßte demnach für jedes A und a gelten: [+ (A, a)]y; es dürfte also kein Punkt in einer Geraden liegen. Ein solches Verbot für das Ineinanderliegen von A und a existiert jedoch nicht; daher kann [ + (A, a),- (b, a)] nicht unmöglich sein. Der Beweisgang läßt sich leicht für jede beliebige inkohärente Gesamtrelation von beliebiger Stufe verallgemeinern. So is_t ein axiomatisches V erbot der inkohärenten Relation: [ + (A, a), + (B, a),- (C, b), + (c, ß)] aus100
geschlossen. Denn+ (c, ß) ist eine mögliche Relation. Aus ihr würde also bei Geltung jenes Verbotes folgen,. daß die von ihr gänzlich unabhängige Relation [ + (A, a), + (B, a), - (C, b)J unmöglich ist. . Nun ist jedoch - (C, b) möglich, also muß auf Grund jenes Verbots [ + (A, a) + (B, a)] unmöglich sein,- eine Relation, die ebenfalls; wie früher gezeigt wurde, möglich ist. Es führt demnach auf einen Widerspruch, die obige inkohärente Gesamtrelation [ + (A, a) + (B, a)- (C, b) + (c, ß)] unmöglich zu setzen. Es ist ja auch ohne weiteres aus der Anschauung klar, daß solche inkohärenten Gesamtrelationen nicht verboten sein können. Daß irgend ein Punkt in einer Geraden liegt, kann nicht hindern, daß ein zweiter Punkt in einer Ebene liegt; und ein dritter Punkt außerhalb einer zweiten Geraden liegt usw. Wenn die einzelnen Teilrelationen überhaupt keine Ele- . mente gemeinsam haben, können sie sich auch nicht gegenseitig stören. Dieser Satz, daß nur kohärente Relationen Axiome liefern können wird ' im folgenden Kapitel von großer Bedeutung werden. · Hier ist nur folgendes wichtig: Da nur kohärente Gesamtrelationen Axiome liefern können, so brauchen auch nur diejenigen Gesamtrelationen 2. Stufe Untersucht zu werden, in denen\) eine der acht ausgezeichneten Relationen als erste Teilrelation vorkommt, und in denen 2) die zweite Teilrelation mit der ersten gemeinsame Elemente enthält.
§ 15. Die 2. Teilrelation einer ausschließenden Gesamtrelation
2.
Stufe.
Die Betrachtungen zur Vereinfachung der Untersuchung der gemischten und ausschließenden Relationen 2. Stufe haben folgenden Gang genommen: Wir untersuchten zunächst, wie die erste Teilrelation der Gesamtrelation beschaffen sein muß, damit es überhaupt sinnvoll ist, sie auf Axiomfähigkeit zu prüfen und fanden, daß nur eine der 8 in § 1 3 angeführten Relationen als 1. Teilrelation in. Betracht kommt. Dann wurde untersucht, wie die Beziehung der 2. zur 1. Teilrelation beschaffen sein muß, wenn die Gesamtrelation ein Axiom liefern soll, und wir fanden, daß die f.?. Teilrelation zur 1. kohärent sein muß. 101
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Als dritte Frage ergibt sich naturgemäß, ob sich nicht auch über die in h a 1t 1ich e Beschaffenheit dieser g, Teilrelation irgendwelche Aussagen machen lassen. Das ist in der Tat der Fall. Es gilt folgendes: Als g, Teilrelation der . Gesamtrelation kommen nur solche Relationen in Frage, bei denen sowohl die setzende als die ausschließende Form möglich ist. (Also z. B. + (3A, a) als auch+ (3A,- a)). Denn ist die eine Form unmöglich, wie etwa+ (gA, ga) so ist die andere+ (gA,- ga) notwendig, liefert, wie wir bei Erörterung des Gesichtspunktes 3· sahen, keinen neuen Beitrag zum Tatbestand und ist deshalb in der Gesamtrelation überflüssig. Weiterhin müssen auch hier wieder die zerlegbaren Relationen in ihre Unterfälle zerlegt werden, sodaß nur die nicht rnehr zerlegbaren Relationen für unsere Betrachtung von Interesse sind. Man sieht also, daß es genau dieselben Bedingungen sind, die jetzt für die g, Teilrelation in Betracht kommen, wie früher für die 1. Es können also wiederum nur die 8 ausgezeichneten Relationen als Teilrelationen g, Stelle für solche Gesamtrelationen g, Stufe in Betracht kommen, die zur Untersuchung auf Axiomfähigkeit heranzuziehen sind. Da jedoch für die g, Stelle sowohl ausschließende als setzend e Relationen in Betracht kommen, so müssen die ausgezeichneten Relationen sowohl in ausschließender als in setzender Form, also sowohl als + (3A, + a) als auch als + (3A,- a) an die zweite Stelle in der Gesamtrelation gesetzt werden. (Für die 1. Stelle dagegen kommen nur ausschließende Relationen in Frage.) Hiermit sind die Gesichtspunkte aufgezeigt, nach denen die erweiterten J-Relationen g, Stufe aufgestellt werden müssen, die auf Axiomfähigkeit zu untersuchen sind.
§ 16. Die Durchprüfung dererweiterten J -Relationen g, Stufe. Wir stellen also mit jeder der 8 ausgezeichneten Relationen die zu ihr kohärenten Relationen der ausgezeichneten Reihe zu Gesamtrelationen 2. Stufe zusammen· und prüfen ihren Axiomcharakter. 102
Zunächst ist jede Relation .zu sich selbst kohärent. Allein die Zusammenstellungder Relationmitsich selbst, also +(n1 U1 ,-n2 &2 )+(n1 }S1 ,+ n 2 &2 ) kann keine Verbote liefern. Das wird an einem Beispiel deutlich: Stellen wir die Relation: (3A, - a) mit sich selbst zusammen: [+ (A, B, C, - a) + (B, C, D, - a)J oder [+ (A, B, C,- a) + (B, C, D, + a)J Daß drei Punkte nicht auf einer Geraden liegen, kann keinen Einfluß darauf haben, ob ein vierter Punkt mitzweienvon den dreienauf einer Geraden liegt oder nicht. Die Bildung der Relationen .g· Stufe durch Zusammenfügung der Relation mit sich selbst (im zweiten Klammerglied als ausschließende oder setzende Relation gefaßt) kann also von der Untersuchung wegbleiben. Dagegen müssen wir die Zusammenstellung von jeder der 8 ausgezeichneten Relationen mit jeder andern zu ihr kohärenten unter ihnen c;tuf Axiomfähigkeit hin prüfen. 1. [ + (3A,- a)]. Zu dieser Relation ist unter den ausgezeichneten Relationen+ (4A,- a) und+ (3A,- ga) kohärent.
Folgende Gesamtrelationen müssen daher geprüft werden:
1) + (A, B, C,- a),
+ (A, B, C, D,- a)
g) + (A, B, C,- a), + (A, B, C, D, + a) + (A, B, C,- a), + (A, B, C,- ga) 4) + (A, B, C, - a), + (A, B, C, + ga)
5)
1
)y würde besagen : Wenn drei Punkte nicht in einer Geraden liegen,
so muß jeder 4· Punkt mit ihnen in einer Ebene liegen. 1 )y gilt nicht im Euklidischen Raum. g )V würde besagen: Wenn drei Punkte nicht in einer Geraden liegen, so gibt es keinen vierten Punkt, der nicht mit den dreien in einer Ebene liegt. 2 )v gilt nicht, usw. Die Durchprüfung zeigt, daß nur für Fall 4) ein Verbot besteht. Wenn drei Punkte nicht in einer Geraden liegen, so liegen sie auch nicht in zwei Ebenen. Aber dieses Verbot trägt keinen axiomatischen Charakter, sondern ist aus früheren Axiomen beweisbar. (Denn nur drei Punkte, die in einer Geraden liegen, liegen in mehr als einer Ebene.)
Die J-Relationen 2. Stufe, die mit+ (3A,- a) zusammengesetzt sind, liefern also kein neues Axiom. 2. Zu+ (2a,- A) ist+ (2a,- a) kohärent. Es ergeben sich daher folgende kohärente Gesamtrelationen 2. Stufe.
1) + (a, b, - A)
+ (a, b, -
a)
2) + (a,b, -- A) + (a, b, + a) Alle beiden Fälle ergeben keine Verbote.
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3· Zu + (4A,- a) ist + (3A,- a) und (3A,- 2a) kohärent. Es ergeben sich also folgende zu untersuchende Zusammenstellungen:
1)+ (A, B, C, D,- a) + (A, B, C,- a) 2) + (A, B, C, D,- ~) + (A, B, C, + a) 3) + (A, B, C, D, - a) + (C, D, E,- a) 4) + (A, B, C, D,- a) + (C, D, E, + a) 5) + (A, B, C, D,- a) + (D, E, F,- a) 6) + (A, B, C, D,- a) + (D, E, F, + a) 7) + (A, B, C, D,- a) + (A, B, C,- 2a) 8) + (A, B, C, D, - a) + (A, B, C, + 2a) usw. Für Fall 2 besteht ein Verbot. Es ist unmöglich, daß vier Punkte nicht in einer Ebene liegen und drei von ihnen in einer Geraden. Doch ist dieser Satz von früheren Axiomen ableitbar. Ebenso Fall 4· Denn 4) ist identisch mit 2), da die drei Punkte nur dann in zwei Ebenen liegen, wenn sie in einer Geraden liegen. Ebenso ist auch 8) unmöglich und aus früheren Axiomen ableitbar. 4· Zu+ (3A, - 2a) ist+ (4A,- a) und+ (3A,- a) kohärent. Es ergeben sich also folgende zu untersuchende Zusammenstellungen:
1) + (A, B, C,- 2a) + (A, B, C, D,- a) 2) + (A, B, C, -- 2a) + (A, B, C, D, + a) usw~ 3) + (A, B, C, -- 2a) + (A, B, C, - a) 4) + (A, B, C, - 2a) + (A, B, C, + a) usw. Fall 4) ist unmöglich. Wenn drei Punkte in einer Geraden liegen, so gehen auch stets zwei Ebenen durch sie. Dieser Satz kann jedoch aus früheren Axiomen gefolgert werden.
5· Zu+ (2a,- A) ist+ (2a, - 2A) und+ (2a,- a) kohärent. Es ergeben sich also folgende zu untersuchende Zusammenstellungen:
1) + (a, ß, - A), +(a, ß, ~ 2A) usw. 2) + (a, ß,- A), + (a,ß, + 2A) usw. 3) + (a, ß,- A),+ (a, ß,- a) usw. 4) + (a, ß,- A), + (a, ß, +a) usw. . Für Fall 1) besteht ein Verbot, das jedoch trivial ist. Für Fall 3) besteht ein Verbot, das ableitbar ist aus früheren Axiomen. 6. Zu + (2a, - 2A) ist+ (2a, - A) und + (2a, - a) kohärent. Es ergeben sich also folgende zu untersuchende Zusammenstellungen: 1) + (a, ß,- 2A), + (a, (3,- A) 2) + (a, {J,- 2A), + (a, ß, + A) 3) + (a, ,tJ,- 2A), + (13, y, -- A) 4) + (a, (3,- 2A), + (ß, y, + A) 5) + (a, ß, 2A), +·(a, ß,- a) 6) + (a, ß,- 2A), + (a, ß, + a) usw. Für Fall 2) besteht ein Verbot: es ist unmöglich, daß zwei Ebenen sich in einem Punkte schneiden, und daß sie sich nicht in zwei Punkten schneiden. Fall 2) ist ein neues Axiom 2. Stufe: -C
Axiom III8 : [ + (a,ß,- 2A), + (a, (3, A)]V Wenn zweiEbenen sich in einem Punkte schneiden, so schneiden sie sich auch in einem zweiten Punkte. Dagegen ist Fall 6), der ebenfalls unmöglich ist, aus früheren Axiomen ableitbar. 7· Zu+ (2a,- a) ist+ (2a,- 2A) kohärent. Es ergeben sich daher folgende zu untersuchende Zusammenstellungen: 1) + (a, b,- a) + -(a, b,- A) 2) + (a, b,- a) + (a, b, + A) Fall 1) ist unmöglich, jedoch aus früheren Axiomen ableitbar. 8. Zu + (2a, a) ist+ (2a, - A) und+ (2a, - 2A) kohärent. Es ergeben sich also folgende zu untersuchende Zusammenstellungen: 1) + (ct, ß,- a) + (a, ß,- A) 2) + (a, ß,- a) +(a, ß,+ A) usw.
3)
+ (a, ß,- a) + (a, ß,- 2A)
4) + (a, ß,- a) + (a, ß, + 2A) usw. Fall 2) ist unmöglich: Es ist unmöglich, daß zwei Ebenen sich in einem Punkte, jedoch in keiner Geraden schneiden. Dieser Satz ist ableitbar (mit Hilfe von III3 und II8 ) aus Axiom III8 : es ist unmöglich, daß zwei Ebenen sich in einem Punkte, jedoch nicht in zwei Punkten schneiden. Andererseits kann auch der obige Satz als Axiom III8 gewählt werden, und dann folgt die frühere Fassung aus III2 und II5 • Die beiden Fassungen können also als gleichwertige Axiomable für III8 aufgestellt werden. Auch Fall 4) ist unmöglich, jedoch ableitbar als Folgerung des Satzes, daß zwei Punkte stets in einer Geraden liegen.
II5 + (Ba). Um jedoch die Relation+ (Ba)+ (Bß) mitteist dieses Prinzips aus 1) ableiten zu können, muß man zwischen 1) und 2) eine Relation einschieben, die 3): + (Ba) + (aa) + (aß) als Teilrelation enthält. Und diese Relation 3) müßte aus 1) folgen; also+ (Ba)+ (aa) +(aß) aus (Aa) +(Aß) oder: + (Ba) + (2a, a) aus + (2a, B). Das wäre jedoch nur dann der Fall, wie nähere Überlegung zeigt, wenn gilt: [ + (2a, B) + (::w,- a)Jy. Das ist die 2. Fassung von III8 • Man wird also wieder auf III8 zurückverwiesen, wenn man III8 in der ersten Fassung abzuleiten versucht. - Ebensowenig gelingt es, die zweite Fassung mitteist früherer Axiome abzuleiten. III8 muß daher als Axiom festgehalten werden.
§ 18. Die Unmöglichkeit der Durchprüfung der J -Relationen § 17. Die Unableitbarkeit von Axiom III8 . Die erweiterten J-Relationen
2.
Stufeliefern also nur ein einziges Axiom.
III8 : [ + (2a, - 2A), + (2a, A)]y oder [ + (2a, - a), + (2a, A)]y. Ist dieses präsumptive Axiom auch wirklich ein Axiom? Gehen wir von der ersten Fassung aus: [ + (2a, A), + (2a,- 2A)]y. Ausgewertet läßt sich diese Relation, wie ohneWeiteres ersichtlich, auch formulieren: [+ (a, ß, A), + (a, ß,- B)]y. Als Folgerungsprinzip gewandt, lautet diese Relation: Aus 1) [+ (a, A), + (ß, A)]v folgt 2) [+ (a, B), + (ß, B) ]y, wobei B jedoch keineswegs als beliebig angenommen werden darf. Es muß also, wenn III8 ableitbar sein soll, mitte1st eines als Folgerungsprinzip gewandten Axioms sich+ (Ba) + (Bß) aus [ + (Aa) + (A,ß)] ableiten lassen. Dazu ist nicht nötig, daß 2) direkt aus 1) abgeleitet wird, sondern es kann dies auch mit Hilfe einer Zwischenrelation geschehen, die ihrerseits aus 1) abgeleitet ist. Das einzige Axiom, das als Folgerungsprinzip gewandt,+ (Ba) als Folgerung auftreten ließe, ist II5 • Wenn+ (Ba)+ (aa) gilt, so folgt daraus nach 106
höherer Stufen. Es wäre nunmehr die Aufgabe, die erweiterten J-Relationen 3· Stufe auf ihre Möglichkeitscharaktere hin zu prüfen, und zu untersuchen, ob sich weitere Axiome aus ihnen ergeben. Eine solche Durchprüfung ist jedoch praktisch unmöglich. VVenn wir schon der Relationen 2. Stufe nur durch Kunstgriffe aller Art Herr werden konnten, so reichen den Relationen 3· Stufe gegenüber diese Kunstgriffe nicht aus, um die Zahl der zu untersuchenden Relationen auf ein übersehbares Maß herabzudrücken. Andrerseits dürfen wir uns auch nicht durch die beque;me Annahme abspeisen lassen, es werde wohl bei den erweiterten Relationen 3· Stufe sich kein neu es Axiom einstellen. In Wahrheit gibt es mindestens ein solches Axiom 3.'Stufe. Es lautet: [ + (a, b, - A) + (b, c, - B) + (a, c, C)]y. Es ist unmöglich, daß eine Gerade b mit zwei andern a und c parallel ist, und daß a und c einen Punkt gemeinsam haben; oder anders ausgedrückt: wenn zwei Gerade einer dritten parallel sind, so sind sie untereinander parallel. Wenn so die J-Relation 3· Stufe nachweisbar ein neues Axiom liefert, so ist es sehr wohl denkbar, daß sie noch weitere lieferte, und die systematische Prüfung kann daher an diesen Relationen 3· Stufe sicherlich nicht vorbeigehen. Aber selbst wenn es uns noch mit großer Mühe gelänge, die
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Relationen 3· Stufe zu bewältigen, so wären wir systematisch nicht weiter als vorher. Bei der vierten Stufe tauchten die Schwierigkeiten alle aufs neue auf. Dieselbe prinzipielle Schwierigkeit, die sich schon bei den setzenden Relationen gezeigt hatte: daß wir genötigt sind, mit der systematischen Durchprüfung bei irgend einer Stufe Halt zu machen, und niemals wissen können, ob nicht höhere Stufen ein bisher übersehenes Axiom enthalten, offenbart sich auch hier wiederum. Der Unterschied ist einzig, daß wir bei den setzenden Axiomen bis zur 5· Stufe vorgedrungen waren -hier mußten wir schon bei der 2. Stufe Halt machen. Aber ob wir bei der 2. oder bei der 5· Stufe aufhören, ist prinzipiell einerlei. Wenn es uns selbst gelänge, bis zur 1 oo. Stufe Relationen zu untersuchen, so wissen wir nicht, ob nicht etwa die 120. Stufe ein neues Axiom enthält. "'Wir müssen prinzipiell neue Wege zur Aufsuchung der Axiome einschlagen, wenn wir der angegebenen Schwierigkeiten Herr werden wollen. Ob und wie weit es in der Tat gelingt, das werden die Untersuchungen des vierten Kapitels zeigen.
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IV. Kapitel
Die Deduktion der Axiome der J-Relation § 1. Aufzählung, systematische Aufsuchung und Deduktion der Axiome. Aller Vorzüge ungeachtet, die die im vorigen Kapitel vorgenommene systematische Aufsuch ung der Axiome gegenüber ihrer bloßen Aufzählung besitzt, ist sie doch in einem Punkte in entschiedenem Nachteil: es fehlt ihr die Möglichkeit, von sich aus zur Sicherheit darüber zu gelangen, ob sie wirklich die Axiome vollständig in ihre Tafel der Axiome aufgenommen· hat. Es ist ausgeschlossen, die unendliche Anzahl der Relationsstufen jemals zu durchmustern, und damit ist die Möglichkeit einer endgültigen Sicherheit über die Anzahl der Axiome versperrt. Die technische Auffassung der Axiome ist hier im Vorteil gegenüber der systematischen Aufsuchung. Sie kennt zwei Wege, um sich der Vollständigkeit des Axiomensystems zu versichern, die, wenn sie auch keinen systematischen Charakter tragen, doch für die Zwecke der technischen Axiomatik ausreichen. Einmal ist ihr Vollständigkeit der Axiome gewährleistet, wenn es" gelingt, die Lehrsätze vollständig aus den aufgestellten Axiomen abzuleiten. Es mag schwierig sein, festzustellen, ob man in der Tat keine Axiome übersehen hat, ob auch alle angeführten Axiome wirklich Axiome sind- prinzipiell ist dieser Weg, der der technischen Bedeutung der Axiome Rechnung trägt, einwandfrei. Der zweite, mathematisch sicherereWeg besteht darin, daß man die Geometrie in Beziehung zur Arithmetik setzt und die Vollständigkeit des geometrischen Axiomensystems mittels seiner Abbildung auf das arithmetische Gebäude prüft. 109
Allein: sollte nicht doch irgend ein Zusammenhang zwischen diesen vielen axiomatischen Verboten der Euklidischen Geometrie bestehen? Sollten sie wirklich. so zufällig bald hier bald dort auftauchen wie die Blumen auf einer Wiese? Oder besteht vielleicht eine innere Beziehung zwischen den Axiomen? Besteht irgend ein Gesetz der Axiome? Entweder derart, daß die Axiome selbst in ihrem Aufbau eine charakteristische Eigentümlichkeit zeigen, die den Axiomen und nur den Axiomen zukommt. Oder
derart, daß die Stellen im Stammbaum der mathematischen Möglichkeiten, an denen die axiomatischen Verbote einsetzen, durch irgend eine Gesetzmäßigkeit mit einander verbunden sind. Es läßt sich a priori nicht sagen, ob eine dieser beiden Möglichkeiten in der Euklidischen Geometrie realisiert ist. Aber wenn es der Fall ist, so wäre jedenfalls der Unendlichkeit der Relationsstufen zum mindesten ein Teil ihres Schreckens genommen. Nehmen wir z. B. an die Axiome- und nur die Axiome - wären derart beschaffen, daß in der Aufeinanderfolge der Relationen stets ein Pluszeichen mit einem Minuszeichen abwechselt, so könnte man aus dieser rein formalen Forderung alle Axiome der Reihe nach inhaltlich ableiten. [ + (Aa)- (aa) + Aa)]y wäre ein Axiom usw. In diesem Fall z. B. könnte man im voraus sagen, daß man mit der Ableitung der Axiome niemals zu Ende käme, da auf jeder neuen Stufe GesamtRelationen mit wechselnden Vorzeichen auftreten; aber man könnte doch von jeder vorgelegten Relation entscheiden, ob sie ein Axiom ist oder nicht. Es ist nicht anzunehmen, daß die Beziehungen zwischen den Axiomen derart einfach sind, wie wir es in dem eben präsumierten Beispiel voraussetzten, aber der Versuch muß gemacht werden, allgemeine Gesetzmäßigkeiten aufzustellen, die es erlauben, die Axiome selbst oder ihre Stellen im mathematischen Stammbaum nicht nur systematisch-induktiv aufzusuchen, sondern systematisch ab zuleiten. Es ist nur scheinbar ein Widerspruch, wenn wir hier von einer Ab I e itun g der Axiome sprechen, während doch gerade Axiome u n ab I e i tbare geometrische Sätze sein sollen. Sie sind unableitbar von anderen Sätzen über geometrische Tatbestände. Aber Sätze nach Art des hypothetisch als Beispiel angezogenen Zeichenwechselsatzes sind nicht Sätze über geometrische Tatbestände, sondern Sätze über Axiome. Und es ist kein Widerspruch, daß ein Axiom - ein Satz über geometrische Tatbestände - nicht von anderen Axiomen ableitbar ist, wohl aber von Sätzen über Axiome. Um den Unterschied deutlich herauszuheben, nennen wir die Sätze über Axiome: Postulate. Es sind Anforderungen, die an die Axiome gestellt werden, während die Axiome wesensmäßige Sätzeüber geom e-
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Beide Wege sind keine systematischen in dem hier festgelegten Sinne des Wortes. Beide suchen die Axiome nicht systematisch auf, sondern bedienen sich einfach der Aufzählung. Solange man keinen andern Ehrgeiz kennt, als sich der Axiome möglichst vollständig zu versichern, und jedes Mittel heranzuziehen sucht, das diesem Ziele näher bringt, sind beide Wege unbedenklich. Die hier augewandte Methode der systematischen Aufsuchung dagegen verschmäht alle technischen, sowie alle von andern Gebieten hergenommenen Beweisgänge- sie ist deshalb eingeschränkter, in ihren Mitteln beengter als die Aufzählung. Sie kennt nur den \IV eg der systematischen Durchforschung des Gesamtgebietes, und sie mußte daher in dem Augenblick scheitern, in dem sich herausstellte, daß das Gebiet unendlich ist. Es gibt jedoch neben der Aufzäh I u n g der Axiome, wie sie die technischen Axiomensysteme vornehmen, und der systematischen Aufsuch ung der Axiome, wie sie in den drei letzten Kapiteln versucht wurde, noch ein Drittes: die Ableitung, die Deduktion der Axiome. In der systematischen Aufsuchung waren die Axiome als zufällige, individuelle Tatsachen aufgetreten. An bestimmten Stellen des Stammbaums mathematischer Möglichkeiten stellte es sich heraus, daß die Euklidische Geometrie, statt freier MögTichkeiten, wie sie sich aus dem Stammbaum ergaben, Verbote verlangte, daß an diesen Stellen Axiome einsetzten. Darüber, warum die Verbote gerade an diesen Stellen auftreten und an keinen andern, darüber gibt die systematische Aufsuchung keine Auslmnft - sie konstatiert diese Verbote nur als vorhandene Tatsachen. Die Aufsuchung ist systematisch, aber sie ist immer noch induktiv, aufsammelnd.
tri s c h e Tatbestände darstellen. V nd die Ableitung der Axiome aus den Postulaten bezeichnen wir, um ihren Unterschied von der Ableitung von Lehrsätzen aus Axiomen zu kennzeichnen, als die Deduktion der Axiome. Es soll im folgenden versucht werden, die Axiome der I-Relation, die wir bisher systematisch aufgesucht haben, aus einigen wenigen Postulaten zu deduzieren.
§ 2. Postulate der Euklidischen Geometrie Damit überhaupt Postulate für die Axiome eines bestimmten Bereiches aufgestellt werden können, muß der Bereich als solcher in seinen allgemeinsten Umrissen abgegrenzt werden, es muß gesagt werden, für die Relationen welchen Gebietes die Axiome deduziert werden sollen. So wissen wir, in unserm Fall soll es sich um Axiome der I-Relation handeln. Daher nehmen wir an, daß die qualitativen Axiome der J-Relation (Eindeutigkeit, Symmetrie, usw.) bekannt seien. Dagegen können wir prinzipiell darauf verzichten, die Postulate auf die I-Relationen von drei Elementensystemen einzuschränken. Sie sollen vielmehr für eine b el ie bige n-dimensionale Eu klidis ehe Geometrie gelten. Jedoch werden wir uns im folgenden in der tatsächlichen Durchführung darauf beschränken, die Deduktion der Axiome nur für die zweidimensionale und die dreidimensionale Geometrie vorzunehmen. In dieser Festsetzung der Geltung der Postulate für jede beliebige Dimensionszahl liegt zugleich eine Forderung an die Post u 1 a t e, also gleichsam ein Postulat höherer Ordnung: die Forderung nämlich, daß die Deduktion der Axiome aus den aufzustellenden Postulaten gelten solle, ob man eine zweidimensionale, dreidimensionale, vierdimensionale usw. Geometrie zugrunde legt. Diese Forderung, die Postulate sollten fürjeden-dimensionale Geometrie gelten, ist weittragender und einschneidender als man zunächst glauben sollte. Es wird durch sie unmittelbar auf eine V ngleich wertigkeitder Elementensysteme für die Deduktion hingewiesen (während bei der syste1 I 2
matischen Aufsuchung der Axiome zunächst alle Elementensysteme gleichwertig waren). Denn die Forderung sagt: Die Postulate sollen gelten für eine Geometrie aus dem Elementensystem A und a; ferner für eine Geometrie aus den Systemen A, a und a, ferner für eine Geometrie aus den Systemen A, a, a und R usw. Aber nicht etwa soll man auf Grund der Postulate etwa eine Geometrie aus den Systemen A und a, oder aus dem System a und a aufstellen können. Durch die erwähnte Forderung ist also eine bestimmte 0 r d nun g der Elementensysteme festgelegt, so daß jedes System mit der Gesamtheit aller ihm in der Ordnung vorausgehenden Systeme eine geschlossene, die Postulate erfüllende Geometrie bildet, nicht aber mit einer beliebigen Auswahl von Systemen. Die in Rede stehende Forderung besagt also, daß man die Deduktion zunächst für eine zweidimensionale Geometrie, für die Geometrie einer einzigen Ebene, vornehmen kann, dann für die Geometrie des Raumes usw. Jede Ebene des Raumes also gehorcht denselben postulativen Gesetzmäßigkeiten wie der ganze Raum, der Raum ist also als Einheit der anderen Elementensysteme ähnlich beschaffen wie die Ebene in ihrem Verhältnis zu den Geraden und Punkten. Und ebenso wieder das vierdimensionale Euklidische Kontinuum im Verhältnis zu Räumen, Ebenen, Geraden, Punkten usw. Wir formulieren die besprochene Anforderung als Postulat 1: Alle Deduktionen aus den Postulaten sollen fürjede n-dimension a 1e Eu k 1i d i s c h e Geometrie g e 1t e n. Als Postulat g stellen wir folgende Forderung auf, die wir als das Ä q u ivalenzpostulat bezeichnen wollen: Wenn die Gesamtheit der Elemente eines Systems, die in einem Element [1 2 eines andern liegen, auch in einem zweiten, ~ 2 , dieses andern liegen, so liegen auch umgekehrt alle Elemente des ersten Systems, die. in ~ 2 liegen, in %f 2 • Beispiel : Wenn alle Punkte einer Geraden a auch in einer Geraden b liegen, so liegen auch alle Punkte der Geraden b in a. Es ist also nicht möglich, daß etwa b noch Punkte enthält, die nicht in a liegen - was ohne Postulat g sehr wohl vorkommen könnte. Wenn also a nur 6 Punkte
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enthält, die alle in b liegen, so enthält auch b nur 6 Punkte, die alle in a liegen (daß jedes Element eines Systems unendlich viele eines andern ent-:halten müsse, ist durch Postulat 2 keineswegs festgelegt). · Postulat 2 trägt einen völlig anderen Charakter als Postulat 1. Postulat 1 entspricht unmittelbar der Definition der Postulate: Es enthält keine Aussagen über geometrische Tatbestände, sondern nur Anforderungen an die Axiome (und an andere Postulate). Postulat 2 dagegen macht Aussagen über die Beziehungen der Elemente des Raumes, hat also zum Inhalt geometrische Tatbestände des Raumes und wäre daher streng genommen unter die Axiome einzureihen. Daß wir den angeführten Satz dennoch unter die Postulate aufnehmen, hat folgenden Grund: Die Bestimmungen über geometrische Tatbestände gehören zwei verschiedenen Klassen an: Die einen machen Aussagen über Eigenschaften bestimmter Elementensysteme; sie tragen spezifischen Charakter, wie wir sagen wollen. So gilt Axiom II6 : Es ist unmöglich, daß zwei Punkte und zwei Gerade ineinanderliegen, zunächst nur für die Beziehung von Punkten und Geraden. Wie die entsprechende Beziehung von Punkten und Ebenen oder von Geraden und Ebenen beschaffen ist, läßt sich aus II6 nicht entnehmen. Andere Festsetzungen über geometrische Tatbestände dagegen machen Aussagen über die Beschaffenheit oder die Beziehung der Elemente des Raumes ohne Spezifizierung auf bestimmte Elementensysteme. Dahin gehört z. B. der Satz: Es gibt unendlich viele Elemente eines jeden Systems oder auch die im Postulat 2 niedergelegte Aussage. Diese letzteren allgemeinen Festsetzungen lassen sich also den s p e z ifischen gegenüber als übergeordnet ansehen- sie geben die allgemeinen Bestimmungen, die die spezifischen nicht verletzen dürfen. Dem spezifischen Axiom gegenüber lassen sich daher die allgemeinen postula ti v verwen'den - wenn sie auch ihrem ursprünglichen Inhalt nach keine Postulate, sondern Axiome sind. Wir wollen sie daher unechte Postulate nennen. Postulat 2 ist ein unechtes Postulat, ebenso auch die Postulate 3-6. Postulat 3: Zwei Elemente eines Systems sind identisch, wenn sieb eide die gleichen Elemente des andern enthalten.
So sind also z. B. zwei Gerade a und b identisch, werin alle Punkte von a auch Punkte von b sind, und demnach, nach Post. 2, auch alle Punkte von b Punkte von a (Identitätspostulat). Postulat 4 : D i e E 1 e m e n t e eines -8 y s t e m s lassen sich nicht derart aufteilen, daß in einer endlichen Anzahl eines Systems alle eines oder mehrerer anderer liegen. Es liegt z. B. nicht die Gesamtheit aller Punkte in zwei Geraden oder in zwei Ebenen. Es gehen ferner nicht alle Ebenen durch einen Punkt, aber auch nicht durch zwei, drei, vier usw. Punkte, ebensowenig aber liegt die Gesamtheit aller Ebenen in einem Punkt und einer Geraden usw. Axiome, die dieses Postulat ~er letzen, dürfen daher nicht aufgestellt werden. Postulat 5: Es gibt beliebig viele Elemente eines jeden Elemen tensystems. Postulat 6: In jedem Element eines Systems liegen beliebig viele eines anderen. (Axiom III2 .) An dieser Stelle kann d~r besondere Sinn klar werden, der mit Postulat 1 zu verbinden ist. Denn, wie auf jedes Postulat ist auc;h auf dieses Postulat 6 das Postulat 1 anzuwenden. Es muß also für die Geometrie derEbene Postulat 6 gelten, d. h. das Postulat gilt schon für die zweidimensionale Geometrie: In jeder einzelnen Ebene liegen in jeder Geraden beliebig viele Punkte der Ebene; sie gilt ebenso für die dreidimensionale Geometrie. In jeder Geraden des Raumes liegen beliebig viele Punkte des Raumes usw. Wäre Postulat 1 nicht in Wirksamkeit, so würde zwar durch Postulat 6 zwar immer noch behauptet sein, daß in jeder Geraden der Ebene (wie in jeder Geraden überhaupt) beliebig viele Punkte liegen, aber es wäre keineswegs selbstverständlich, daß beliebig viele Punkte der Ebene in dieser Geraden liegen, sie könnten auch außerhalb der Ebene liegen. Was durch die Kombination von Postulat 1 und Postulat 6 jedoch nur behauptet wird, ist, daß beliebig viele, nicht aber daß alle Punkte der Geraden in der Ebene liegen. Es könnte sehr wohl sein, daß auch Punkte in der Geraden existieren, die außerhalb der Ebene liegen; um zu behaupten, daß nicht nur beliebig viele, sondern alle Punkte de:r Geraden in der Ebene liegen, bedarf es eines besonderen Axioms, nämlich des Axioms
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T Il5 , des Transitivitätsaxioms, das hier noch nicht als bekannt vorausgesetzt werden darf. Es bedarf keines besonderen Postulats, das (analog zu Postulat 6) festsetzt, daß beliebig viele Elemente eines Systems außerhalb beliebig vieler eines anderen liegen. Denn dieser Tatbestand (wie der ganze Tatbestand des Axioms III1 ) folgt aus Postulat 4· Wenn z. B. nur eine endliche Anzahl von n Geraden außerhalb eines Punktes existierte, so nimmt man in jeder dieser n Geraden einen Punkt an. Dann müßte die Gesamtheit aller Geraden in (n + 1) Punkten liegen, wo n einen endlichen Wert besitzt- im Widerspruch zu Postulat 4· Daher ist es unmöglich, daß nur n Gerade außerhalb eines Punktes liegen usw. Postulat 6 in der Spezialisierung für Punkte und Ebenen war im III. Kapitel von anderen Axiomen abgeleitet worden und durfte daher in der Axiomentafel keine Aufnahme finden. Es wurde damals schon darauf hingewiesen, daß es sich dennoch um wesensmäßig letzte Bestimmungen handelt, und daß nur aussekundären Gründen diese ihre grundlegende Bedeutung in der Axiomatik nicht zum Ausdruck kommen konnte. Indem diese Tatbestände hier unter die Postulate aufgenommen werden, wird dieser Bedeutung Rechnung getragen. Die Postulate 2-6 sind ihrem Wesen nach nur geeignet Axiome zu verbieten, nicht sie zu deduzieren. Sie sagen einzig aus: es darf kein Axiom aufgestellt werden, das diese Postulate verletzt. Es sind die Aussagen dieser Postulate nicht imstande, ohne Zuhilfnahme von weiteren Postulaten spezifische Axiome zu deduzieren, da sie nur ganz allgemein die Eigenschaften von Elementen eines allgemeinen Typus von Räumlichkeit angeben, nicht aber Forderungen stellen, die für die Euklidische Geometrie charakteristisch sind. Es fehlt also noch mindestens ein Postulat, das aus der durch die übrigen Postulate bestimmten Mannigfaltigkeit gerade die Euklidische auszeichnet. Ein solches Postulat wird gegeben durch Postulat 7 : Es soll b e i der s y s t e m a t i s c h e n Untersuchung dermathematischenMöglichkeiten keine freieM öglichk~i t zugelassen werden. Ueberall, wo eine freie Möglichkeit auftritt,- .sich also aus den Postulaten und früheren.Axiomen nicht ableiten läßt, ob die in Frage stehende Relation mög116
lieh oder unmöglich ist,- soll festgesetzt werden, daß diese Möglichkeit durch ein Axiom verboten wird (Postulat des Verbots freier Möglichkeiten). Es wird sich zeigen, daß für die Anwendung des Postulats 7 es keineswegs gleichgültig ist, in welcher Ordnung man die Relationen auf ihre Axiomfähigkeitprüft, da es erlaubt sein soll die bereits festgelegten Axiome zur Ableitung der Relationen mitzubenützen. Es gelten vielmehr folgende Ordnungsgrundsätze für die Untersuchung der Relationen: 1) Gemäß Postulat 1 gilt für jeden-dimensionale G~ometrie gesondert das Postulat 7. Es muß also auch für die zweidimensionale Geometrie allein gelten. Es dürfen also in der Deduktion der Geometrie der Ebene keine Axiome des Raumes benutzt werden, wohl aber umgekehrt. Deshalb muß zunächst die Axiomatik der Ebene deduziert werden, dann die des Raumes usw.
2) Die setzenden Relationen der betreffenden n-dimensionalen Geometrie sollen in ihrer Gesamtheit vor den ausschließenden untersucht werden. 5) Innerhalb der setzenden sowohl wie der ausschließenden Relationen soll die Stufenfolge eingehalten werden, die 1. Stufe vor der 2., die 2. vor der 5· usw. untersucht werden. Es werden also zunächst die setzenden Relationen der Ebene 1. bis n. Stufe untersucht, dann die ausschließenden Relationen der Ebene 1. bis n. Stufe, hierauf die setzenden Relationen des Raumes, hierauf die ausschließenden Relationen des Raumes.
§ 3. Die Einteilung der Relationen. Bevor wir an die Deduktion der spezifischen Axiome herangehen, seien einige Bemerkungen darüber vorausgeschickt, bei welchen Relationen überhaupt axiomatische Verbote eintreten können, und bei welchen nicht. a) Die Scheidung der J-Relationen inkohärente und inkahären te wurde bereits im III. Kapitel vorgenommen. Kohärente Gesamtrelationen
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sind solche, bei denen die Einzelrelationen gemeinsame Elemente besitzen, in kohärente solche, bei denen gemeinsame Elemente fehlen. Es wurde im III. Kapitel bereits festgestellt, daß Axiome nur beikohärenten Relationen auftreten können. b) Innerhalb der kohärenten Relationen scheiden wir die rein- kohärenten von den gemischt-kohärenten. Es ist z. B. [+ (A, a) + (B, a) + (C, b)J nach der Begriffsfestsetzung eine kohärente Relation, denn a kommt sowohl in der ersten als in der zweiten Einzelrelation vor. Die Gesamtrelation läßt sich jedoch in zwei Teilrelationen zerlegen, die untereinander nicht kohärent sind, in [+ (A, a) + (B, a)] und [+ (C, b)]. Wo eine solche Zerlegung möglich ist, reden wir von einer gemischtkohärenten Relation. Ist eine solche Zerlegung nicht möglich wie z. B. bei [ + (A, a) + (b, a),+ (A, b)], da soll von reinkohärenten Relationen gesprochen werden. Es ist leicht einzusehen, daß die einzelnen inkohärenten Teile einer gemischten Gesamtrelation miteinander verträglich sein müssen, daß also die Gesamtrelation nicht verboten sein kann, wenn die inkohärenten Teilrelationen nicht verboten sind. Daher gilt der Satz: Nur rein kohärente Gesamtrelationen können Axiome liefern. b) Unter den rein-kohärenten Relationen scheiden wir wiederum die zirkulären Relationen von den nicht-zirkulären Relationen. Die oben angeführte Relation [+ (A, a), + (B, a), + (A, b)] rechnen wir zu den nicht-zirkulären. Zu (A, a) und + (B, a) fügt + (A, b) eine Einzelrelation hinzu, die besagt, daß durch den Punkt A, der durch die anderen Einzelrelationen näher bestimmt ist, eine Gerade b geht. Diese Gerade b selbst ist aber in keiner Weise weiter bestimmt als eben dadurch, daß sie durch A geht. Die Anfügung einer solchen Einzelrelation muß immer möglich sein. Es muß immer möglich sein, zu einer möglichen Gesamtrelation eine weitere Einzelrelation derart hinzuzufügen, daß das erste Klammerglied der Einzelrelation durch die Gesamtrelation näher bestimmt wird, während das zweite Klammerglied in keiner Beziehung zur Gesamtrelation steht. Denn durch jedes Element eines Systems, ob es nun näher bestimmt, ist oder nicht, geht sicherlich ein Element eines andern, und wenn wir also keine weiteren
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beschränkenden Bedingungen hinzufügen, muß ein solches Element immer existieren. Wir nennen eine solche Gesamtrelation, in der in irgend einer ihrer Einzelrelationen ein Element vorkommt, das durch die andern Relationen nicht näher bestimmt ist, also in der Gesamtrelation nur einmal vorkommt, eine nicht-zirkuläre Relation. Nach dem soeben Dargelegten können nicht-zirkuläre Relationen keine Axiome liefern. Nehmen wir dagegen an, zu einer Relation [ + (A, a), + (a, a)] werde eine neue Einzelrelation gefügt, z. B. + (A, a), deren beide Elemente a und a durch die bereits vorhandene Gesamtrelation bestimmten Bedingungen unterworfen sind. Dann ist es sehr wohl möglich, daß für die neue Gesamtrelation: + (A, a), + (a, a), + (A, a) ein axiomatisches Verbot einsetzt. Denn wenn bei d e Glieder der Relation bestimmten Bedingungen unterworfen sind, so kann es sehr wohl geschehen, daß keine Elemente existieren, die die betreffende Einzelrelation erfüllen und diesen Bedingungen genügen. Da diese Überlegung jür jede Einzelrelation der Gesamtrelation gilt, so kann also ein axiomatisches Verbot nur bei Gesamtrelationen einsetzen, bei denen jedes Element in mehr als einer Einzelrelation vorkommt. Prüft man unser Beispiel, so zeigt es sich, daß diese Bedingung bei ihm in der Tat erfüllt ist: Jedes Element kommt in mehr als einer Einzelrelation vor. Wir nennen Gesamtrelationen, bei denen jedes Element jeder Einzelrelation solchen doppelten Bedingungen unterworfen ist, z i r k u l ä :t:" e Relationen. Es gilt daher der Satz: Axiome könnennurbei zirkulären Gesamtrelationen auftreten. Und zwar gilt dieser Satz für alle Geometrien, die sich auf den durch die Postulate 1-6 bestimmten Typus Räumlichkeit aufbauen, nicht nur für die Euklidische Geometrie.
§ 4. Die J- Re 1a t i o n e n der Ebene
1.
bis 3. Stufe.
Wir versuchen zunächst auf Grund der Postulate die zweidimensionale Geometrie - die Geometrie der Ebene - zu deduzieren. Wir beginnen mit der systematischen Untersuchung der setzenden IRelationen der Ebene; bei allen im folgenden aufgestellten Relationen muß
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§ 5. Zwei Sätzeüberableitbare Möglichkeiten.
daher stillschweigend jedes Element ebenso als in der Ebene liegend gedacht werden, wie bei unseren früheren Untersuchungen im Raume. Die J-Relationen 1. Stufe: Es gilt hier der Satz: es gibt keine setz'enden Axiome 1. Stufe; denn nach Postulat 6 geht durch jeden Punkt eine Gerade und durch jede Gerade ein Punkt. Ebenso gibt es nach Postulat 4 und 5 außerhalb jedes Punktes Gerade und außerhalb jeder Geraden Punkte. Dieser Satz, daß es keine setzenden Axiome 1. Stufe gibt, ist, wie leicht einzusehen ist, nicht auf die Geometrie der Ebene beschränkt, sondern gilt für jede beliebige n-dimensionale Geometrie. Die J-Relationen '2. Stufe: Ebenso gilt der Satz: es gibt keine setzenden Axiome '2. Stufe ebenfalls für die n-dimensionale Geometrie. Denn: es gibt zwar k o h ären te Relationen '2. Stufe zwischen zwei Elementensystemen, deren Schema lautet: [ ± (%1: 1 ~ 2 ),-+- (%1:1 ~ 2 )], aber keine zirkulären Relationen '2. Stufe, da, wenn jedes Element in beiden Einzelrelationen vorkommt, die Relationen einfach identisch werden. Die J-Relationen 5· Stufe zwischen zwei Elementensystemen. Satz: Es gibt kein Axiom 5· Stufe zwischen Elementenzweier Elementensysteme. Es existiert nämlich keine zirkuläre Relation 5· Stufe zwischen Elementen zweier Systeme: die kohärente Relation '2. Stufe: [-+- (%1:1 ~2 ), -+- (%1:1 .ll\)] kann nicht durch Hinzufügung einer dritten Relation zirkulär gemacht werden: -+- (~f 2 ~2 ) kann nicht hinzugefügt werden, da &2 und ~2 denselben Elementensystemen angehören, -+- (&2 , ~2 ) also sinnlos ist. Auch dieser Satz gilt für zwei beliebige Elementensysteme, nicht nur für Punkte und Gerade in der Ebene. Für den speziellen Fall der Geometrie der Ebene läßt sich zusammenfassend sagen: es gibt in der Geometrie der Ebene kein setzendes Axiom 1.-5. Stufe.
Ehe wir zur Prüfung der J-Relationen 4· Stufe übergehen, leiten wir zwei Sätze ab, die die folgenden Überlegungen vereinfachen.
1) Es liege eine Gesamtrelation beliebig hoher Stufe vor, die nicht ableitbar-unmöglich ist. Sie enthalte zwei Einzelrelationen mit gemeinsamem Element aber entgegengesetzten Vorzeichen; die nicht gemeinsamen Elemente gehören demselben System an, enthalten also+ (%1:1 &2 ) - (~ 1 &2 ), als Teilrelation. Dann ist die Gesamtrelation ableitbar möglich. (Satz von den zwei Relationen mit wechselndem Vorzeichen.) Ausgenommen sind nur solche Fälle, in denen die nichtidentischen Elemente der Einzelrelationen, also %1: 1 und .lB1, auch noch zu einem zweiten Element des Systems, dem %1:2 angehört, in Relation stehen; es darf also in der Gesamtrelation nicht außerdem noch vorkommen: + (%1:1 ~2 ) - (~ 1 ~ 2 ). Ferner sind auch solche Fälle ausgenommen, in denen &2 noch durch weitere Einzelrelationen bestimmt ist. Beispiel einer Relation, auf die der Satz anwendbar ist: [+ (Aa) - (Ba) + (Ab) + (Bb)]. Hier ist + (%1: 1 &2 ) - ($1 &2 ) des Schemas: [+ (Aa) - (Ba)]. Beweis des Beispiels: Nach den Postulaten g und 5 gibt es mindestens eine Gerade, die im Punkte A und nicht im Punkte B liegt. Also existiert + (Aa)- (Ba), wie auch A und B sonst noch durch andere Relationen bestimmt sind. Nur, wenn in der Gesamtrelation noch eine zweite Gerade, b, vorkäme, die durch A und nicht durch B hindurchgeht, ist die Berufung auf Postulat 5 nicht mehr zulässig. Ebensowenig dann, wenn a noch durch weitere Relationen bestimmt ist. Der gegebene Beweis benutzt weder die Eigenart von A, B und a, noch die übrigen Einzelrelationen, die etwa noch zu der untersuchten Relation hinzukommen, läßt sich also ohne Weiteres auf jede Gesamtrelation angegebener Art, in der+ (%1: 1 %1:2 ) - (~ 1 %1:2 ) vorkommt, anwenden.
Auch die Betrachtungen dieses ebenso wie die des folgenden Paragraphen gelten für jede Geometrie vom Typus der Postulate 1-6.
Es liege eine Gesamtrelation beliebig hoher Stufe vor, die nicht ableitbar möglich ist. Sie enthalte zwei Einzelrelationen mit gemeinsamem Element und negativen Vorzeichen. Die nicht gemeinsamen Elemente können denselben oder verschiedenen Systemen angehören; also [- (%1: 1 &2 ),
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'2)
- (~1 %1:2)] oder [- %1:1 %1:2), - (%1:3 %1:2)]. %1:2 sei nicht durch weitere Einzel-
Wir prüfen diese Fälle auf ihre Axiomfähigkeit.
relationen bestimmt. Dann ist die Gesamtrelation stets ableitbar möglich (Satz von den zwei negativen Relationen)*.
Die Bedingungeil des Satzes der zwei Relationen mit wechselnden Vorzeichen liegen vor bei Unterfall 2, 4, 5; die Bedingungen des Satzes von den zwei negativen Relationen bei Unterfall 3, 5, 6. Die Unterfälle 2, 3, 4, 5, 6 müssen demnach auf Grund der Postulate 3 bezw. 4 ableitbar möglich sein.
Beispiel: [- (Aa)- (Ba)+ (Ab)+ (Bb)J. Beweis: Es werde versucht, die Gesamtrelation als Axiom aufzustellen. Dann läßt sie sich als Folgerungsprinzip formulieren: Aus [- (Aa) + (Ab) + (Bb )] folgt + (Ba). - Man teile die Gesamtheit aller Geraden in zwei Kategorien ein. Die Geraden der einen Kategorie gehen durch den Punkt A, für sie gilt: + (A a). Die andern liegen außerhalb a, für sie gilt- (A a). Nach dem Folgerungsprinzip gehen diese letzteren Geraden alle durch einen Punkt B, welches auch a sein möge. Die Gesamtheit aller Geraden liegt also in zwei Punkten, in A und in B. Nach Postulat 4 ist jedoch ausgeschlossen, daß die Gesamtheit der Elemente eines Systems in zwei Elementen eines andern liegen. Die obige Gesamtrelation kann daher nicht als axiomatisches V erbot angesetzt werden. Der Beweis ist wiederum ohne Weiteres zu verallgemeinern.
Nur bei Unterfall 1 V ist kein Widerspruch zu den Postulaten nachzuweisen. Unterfall 1 ist daher eine freie Möglichkeit. Gemäß Postulat 7 muß daher Unterfall 1 axiomatisch verboten werden. Es gilt daher: [ + (A a) +(Ba)+ (Ab)+ (Bb )]y. Das hier ded'L~zierte Axiom ist also identisch mit II6 • Der Beweisgang, der die Fälle 2) bis 6) als möglich deduziert, benutzt einzig die Postulate, nicht aber charakteristische Eigenschaften von Punkt und 'Gerade. Der Beweisgang gilt daher in derselben Weise für irgend welche zwei Elementensysteme, für Punkte und Gerade, für Punkte und Ebenen, für G~rade und Räume usw.
§ 6. Die Prüfung der I-Relationen der Ebene 4· Stufe.
In keiner Geometrie, die den Postulaten 1 - 6 gehorcht, kann daher ein Axiom existieren, das einen der Fälle 2) bis 6) unmöglich setzt. (Man beachte, daß zur Ableitung dieser Behauptung Postulat 7 nicht benutzt ist, daß also die Unmöglichkeit solcher Axiome sich sehr viel weiter erstreckt als bloß auf die Euklidische Geometrie von n-Dimensionen.)
Gibt es in der Ebene ein setzendes Axiom 4· Stufe? Wir fragen zunächst wiederum nach den zirkulären Relationen: es gibt nur ein einziges Schema einer Relation 4- Stufe zwischen Elementen zweier Elementensysteme: Für Punkte und Gerade ausgewertet, lautet es: . [ + (A a), +(Ab), -1- (Ba),± (B b)J Läßt man die Fälle beiseite, die durch Vertauschung von A und B, sowie von a und b entstehen, so ergeben sich durch Zeichenvariation 6 Unterfälle: 1) + + + + 2) + + + --
3) 5)
+ +-+---
4) -- + +6)-- -- -·
* Die
im Folgenden vorkommenden Anwendungen des Satzes von den·zwei negativen Relationen waren im Entwurf dieser Arbeit gesondert bewiesen worden. Herr Dr. Fritz London hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß sie sich zu einem gemeinsamen Satz zusammenfassen lassen.
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Einzig Fall 1 läßt sich nicht aus den Postulaten l -6 ableiten: Im Falle unserer Betrachtung der zweidimensionalen Geometrie muß Fall 1 laut Postulat 7 als unmöglich gesetzt werden. Es darf jedoch nicht behauptet werden, daß in jedem Fall für beliebige zwei Elementensysteme der n-dimensionalen Geometrie [+ (%1:1 %1:2) + (21:1 ~2) + (~1 %1:2) + (~1 ~2)] freie Möglichkeit (und demgemäß Axiom) ist. Vielmehr mag, wenn weitere Axiome zur Verfügung stehen, für andere Elementensysteme die in. Frage stehende Relation ableitbar möglich sein. Das ist z. B. in der Tat der Fall für die 3-dimensionale Geometrie bei[+ (Aa) +(Aß)+ (Ba)+ (Bß)],- . eine Relation, die sich aus Postulat 6 und II5 ableiten läßt. Hier dagegen bei den Punkten und Geraden der Ebene, wo überhaupt
noch kein Axiom zur Verfügtmg steht, ist Fall I frei möglich und muß demgemäß als Axiom gesetzt werden. Man kann auch auf die Deduktion durch Postulat 7 verzichten und Axiom II6 folgendermaßen ausdrücken: Axiom: Es existiert ein setzendes Axiom 4· Stufe der Ebene. Aus dieser rein formalen Fassung läßt sich auf Grund der Postulate I - 6 der Inhalt des Axioms ableiten. Denn Axiome können nur bei zirkulären Relationen auftreten; es gibt nur obige 6 Fälle zirkulärer Relationen; 5 von ihnen stehen, wie gezeigt, in Widerspruch zu den Postulaten. Das Axiom, dessen Existenz behauptet wird, kann also nur ein Verbot der noch einzigen freien Möglichkeit, des Falles I, darstellen. Wir wollen die Fassung des Axioms: Es existiert ein Axiom 4· Stufe der Ebene, die Formalfassung des Axioms nennen. Es sei betont, ·daß hier zunächst nur von Punkten und Geraden der Ebene gesprochen wird. II6 ist also zunächst nur für die Ebene abgeleitet, während die frühere Fassung von II6 für den Raum galt. Wir bezeichnen das hier abgeleitete Axiom daher als II'6 , um es von dem entsprechenden Axiom für den Raum abzuscheiden. Denn da wir noch keine weiteren Deduktionen vorgenommen haben, können wir nicht wissen, ob nicht aus irgend welchen räumlichen Axiomen folgt, daß zwar zwei Punkte keine zwei Gerade in der Ebene gemeinsam haben können, wohl aber zwei Gerade, von denen eine oder beide aus der Ebene heraustreten. Nach der vorgeschriebenen Ordnung müßten wir weitergehend die zirkulären Relationen 5., 6. usw. Stufe untersuchen. Wir wollen jedoch diesen vorgeschriebenen Gang nicht einhalten. Wir fragen vielmehr, welches Unheil entstehen kann, wenn wir bei der 4· Stufe die Untersuchung der Ableitung der Axiome der setzenden Relationen abbrechen und sofort zur Untersuchung der ausschließenden Relationen übergehen. Die Antwort lautet: Es können unter den höheren Stufen setzender Relationen noch Axiome verborgen sein, die wir auf diese Weise vernachlässigen. Berücksichtigen wir diese weiteren Axiome nicht, so werden bei den ausschließenden Relationen diejenigen Relationen, die mit Hilfe solcher Axiome abgeleitet werden könnten, als freie Möglichkeiten erscheinen. Sie müßten nach Po-
stulat 7 als Axiome gesetzt werden. Wir erhielten also zu v i e 1 e A~iome bei der Untersuchung der ausschließenden Relationen. Wir würden also durch unserVorgehen nicht etwa ausschließende Axiome übersehen, sondern möglicherweise Axiome erhalten, die keine sind. Wir wollen diese Gefahr auf uns nehmen und sofort zur Untersuchung der ausschließenden Relationen übergehen. Wir werden nur stets im Auge behalten müssen, daß manche von den auf diese Weise gefundenen Axiomen in Wahrheit vielleicht keine Axiome sind, sondern von setzenden Axiomen höherer als 4- Stufe abgeleitet werden können.
§ 7. Die ausschließen den J -Relationen
1.
Stufe.
Beginnen wir auch hier wiederum mit den negativen ausschließenden J-Relationen. Bei der systematischen Aufsuchung der Axiome war[- (n 1 m1, - n 2 ·W2 )]y als Axiom III1 aufgetreten. Wir hatten jedoch schon in§ g darauf hingewiesen, daß die Unmöglichkeit dieser Relation ableitbar ist aus Postulat 4 und 5, also für uns hier kein Axiom ist. Die ausschließenden J-Relationen mit negativen Vorzeichen brauchen uns daher weiterhin nicht zu beschäftigen; wir betrachten nur die ausschließenden J-Relationen mit positiven Vorzeichen. Ein Axiom vom Quotienten I: I ist unnötig: [+ (A, -a)Jv und [+ (a,- A)]y sind Spezifikationen der Postulate 6 und 6. Die positive J-Relation mit dem Quotienten g :I: I)+ (gA,- a) ist eine freie Möglichkeit und muß daher als Axiom gesetzt werden:[+ (gA,- a)Jy. Durch jedes Punktepaar geht eine Gerade; dieses Axiom ist identisch mit III3 , .jedoch ist es zunächst einzig für die Ebene deduziert. Wir bezeichnen es daher im folgenden als III'3 • g) + ( 2a, - A) ist ebenfalls freie Möglichkeit und muß daher ebenfalls als Axiom aufgestellt werden: [ + (2a,- A)]y: Zwei Gerade in einer Ebene schneiden sich stets in einem Punkte. Ein solches Axiom kommt unter den Axiomen der gewöhnlichen Euklidischen Geometrie nicht vor, wohl aber unter den Axiomen derprojektiven Geometrie. Die Deduktion aus
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Postulat 7 führt also nicht zu den Axiomen der gewöhnlichen*, sondern der pro j e k t i v e n Geometrie. Wir wollen die Axiomgestaltung der projektiven Geometrie daher als die normale bezeichnen und hier zunächst einzig berücksichtigen. Die spezielle Form der Abweichung von ihr, wie sie durch die gewöhnliche Euklidische Geometrie gegeben wird, soll erst später gesondert behandelt werden. Wir bezeichnen Axiom [+ (2a,- A)]v kurz als III' ohne Index, um anzuzeigen, daß es in der frühen Ordnung der Axiome, die von den Axiomen der gewöhnlichen Euklidischen Geometrie ausgehen, keine Stätte hat. Die J- Relationen vom Q u o t i e n t e n 3 : 1 . 1) + (3A,- a): Ein Punktetripel, das keine Gerade gemeinsam hat. Mit Hilfe von III' 3 und II' 6 ist die Existenz von [ + (3A,- a)];t ohne weiteres erweisbar. Ebenso auch die Existenz der verallgemeinerten Relation [ + (n 1 A,- a)];t. 2) [ + (3a,- A)];t: Ein Geradentripel, das keinen Punkt gemeinsam hat, ist aus II6 ohne weiteres zu konstruieren, und ebenso die allgemeine Relation [ + (n 1a, - A)];t. Ausschließende I-Relationen vom Quotienten 2: 2. 1) [+ (2A,- 2a)];L ist eineFolgerungvon II6 ; daher gilt auch [ + (n1A,- n 2 a)];t 2) [+ (2a,- 2A)];1 ist eineFolgerungvonii6 ; daher ~ilt auch[+ (n 1a,- n 2 A)];t Es existiert also kein ausschließendes Axiom 1. Stufe zwischen A und a außer III' und III' 3 , da alle weiteren Relationen entweder ableitbar möglich oder ableitbar unmöglich sind.
§ 8. Die ausschließenden J -Relationen
2.
Stufe.
·Die Überlegungen des § 14 des III. Kapitels stellten eine Tabelle derjenigen ausschließenden Relationen 1. Stufe auf, die einzig für die Axiome 2. und höherer Stufe in Betracht kommen können. Von ihnen sind hier nur
* Wir bezeichnen im Folgenden als die gewöhnliche Euklidische Geometrie - oder auch kurz als die "gewöhnliche" Geometrie diejenige Geometrie, für die das Parallelenaxiom der Euklidischen Geometrie gilt. Von Maßverhältnissen ist dabei zunächst noch keine Rede. Es kommen hier nur die Beziehungen des Ineinanderliegens in Frage.
diejenigen von Interesse, die A und a in Beziehung setzen; diejenigen, in denen a vorkommt, haben zunächst auszuscheiden, da hier nur von der Geometrie der Ebene gesprochen wird. Es sind daher von den 8 Relationen jener Tabelle nur + (3A, - a) und+ (2a,- A) zu berücksichtigen. [ + (2a, - A)]v ist im Zusammenhang der Betrachtungen dieses Kapitels im Sinne der normalen Geometrie bereits als Axiom III' gesetzt, ist daher keine Relation mit dem Möglichkeitscharakter;t, und muß daher aus der Untersuchung ausscheiden. Es sind daher nur die mit + (3A, - a) zusammengesetzten Relationen höherer Stufe zur Aufstellung der Axiome der normalen Geometrie der Ebene zu untersuchen. Nach den früheren Überlegungen im III. Kapitel kann demnach eine Relation 2. Stufe, die axiomfähig sein könnte, nur lauten: 1) [+ (A, B, C,- a) + (B, C, D, ~ a)]V 2) [+ (A, B, C,- a) + (C, D, E,- a)Jv 3) [+ (A, B, C, - a) + (B, C, D, + a)]V 4) [ + (A, B, C, - a) + (C, D, E, + a)]V 1V und 2V stehen ohne Weiteres in Widerspruch mit Postulat 4, denn wenn 1V oder 2V in Geltung wäre, müßten alle Punkte auf drei, bezw. vier Geraden liegen. 3V und 4V stehen in Widerspruch zu Postulat 5 der Festsetzung, daß auf jeder Geraden beliebig viele Punkte liegen. Es kann daher kein ausschließendes Axiom 2. Stufe existieren. Es bleiben also zunächst nur die ausschließenden Axiome der Ebene. III' 3 : [ + (2A,- a)Jv: Durch jedes Punktepaar der Ebene geht eine Gerade III': [+ (2a,- A)]v: Zwei Gerade der Ebene schneiden sich stets in einem Punkte.
§ 9. Die Identität von Dreieck und Dreiseit. Die setzenden Relationen der Ebene sind bis zur 4· Stufe, die ausschließenden Relationen bis zur 2. Stufe untersucht worden. Statt in der Untersuchung der Relationsstufen weiterzugehen, stellen wir eine Überlegung an, die die weitere Untersuchung vereinfacht:
Die bisher deduzierten Axiome der Ebene legen folgende Beziehungen fest: II/ die Beziehungen zwischen einem Punktepaar und einem Geradenpaar. III/ die Beziehung zwischen einem Punktepaar und einer Geraden. III 1 zwischen einem Geradenpaar und einem Punkte. Wir fragen, welches die Figur ist, die durch die einfachste Anwendung dieser drei Axiome bestimmt ist: Nach III 1 gibt es für jedes Geradenpaar a, b einen Schnittpunkt C. Für jeden Punkt B auf a und A auf b gibt es nach III/ eine und nach III' nur eine Verbindungslinie. Bund A können niemals identisch sein (soferne sie nicht mit C identisch sind) ·-- nach II6 • Durch einfachste Anwendung der drei Axiome II6 ', IIi 1, IIIg', ergibt sich also die Dreiecks figur, oder auch wegen der Dualität von Punkt und Geraden die Dreis e i t s figur. . Statt von den Axiomen auszugehen und zu fragen, welche Figur unter · einfachster Anwendung der Axiome entsteht, hätte umgekehrt von der Analyse des Dreiecks== Dreiseits ausgegangen werden können, um zu fragen, welche Axiome notwendig sind, um das Dreieck==Dreiseit als eindeutige Figur festhalten zu können. Wir gehen daher jetzt umgekehrt von der Identität von Dreieck und Dreiseit aus, von der Tatsache, daß der Satz: ein Dreieck ist zugleich ein Dreiseit, ein Dreiseit zugleich ein Dreieck ausnahmslos für die normale Geometrie gilt. Dann können wir die Frage nach den Axiomen in folgender Form stellen: · Welche Axiome sind nötig, damit die Identität von Dreieck und Dreiseit ausnahmslos gewahrt bleibt? Zunächst muß festgehalten werden, daß die Identität von Dreieck und Dreiseit nicht bedeutet, daß jede drei beliebige Punkte der Ebene ein Dreieck bilden. Drei Punkte können auch in einer Geraden liegen (Postulat 6). Ebenso gibt es auch außerhalb e:lner Geraden beliebig viele Punkte. Entsprechend können drei Gerade durch einen Punkt gehen, aber es gibt auch außerhalb eines Punktes beliebig viele Gerade. Wir analysieren die als feststehend angenommene Tatsache der Identität von Dreieck und Dreiseit in folgender Weise: Wir gehen einmal von drei
Punkten A, B und C aus und fragen, welche Axiome gelten müssen, damit wirklich diese drei Punkte ein und nur ein Dreiseit durch ihre Verbindungsgeraden erzeugen; ferner wiederum gehen wir von den drei Geraden a, b und c aus und fragen nach den Axiomen, die vorhanden sein müssen, damh diese drei Geraden durch ihre Schnittpunkte ein und nur ein Dreieck bestimmen; weiterhin gehen wir von einer Geraden a und zwei Punkten B und C auf ihr aus usw. Wir führen jedoch diese Überlegungen nicht völlig aus, sondern deuten sie nur an. a) Ausgangspunkt von drei Punkten A, Bund C. Damit zwischen drei Punkten stets ein und nur ein Dreiseit möglich ist, müssen folgende Axiome gelten: 1. Durch je zwei Punkte muß eine Gerade gehen (III3 1). darf nur eine Gerade gehen (II6 1). b) Ausgangspunkt von drei Geraden a, b und c. 1. Je zwei Gerade müssen sich in einem Punkte schneiden (III 1). Ist III' nicht erfüllt, wie in der gewöhnlichen Geometrie, so bildet in der Tat nicht jede Konfiguration aus je drei Geraden ein Dreieck. !&. Je zwei Gerade dürfen sich nur in einem Punkte schneiden (II6 1). c) Ausgangspunkt von einer Geraden a und zwei Punkten B und C auf ihr. 1. Jeder dritte Punkt A erzeugt durch seine Verbindungslinien mit Bund C ein Dreieck, wenn durch je zwei Punkte eine und nur eine Gerade geht (III3 1 und II6 1). !&._Alle Geraden durch Bund C erzeugen zusammen ein Dreieck, wenn zwei Gerade sich in einem und nur einem Punkte schneiden (III' und II6 1). d) Eine Gerade a, ein Punkt B auf ihr und ein Punkt A außerhalb. Die Verbindungslinie BA und jede beliebige Gerade b durch A erzeugen ein Dreieck, wenn III 1, II6 1 und III3 1 gilt usw. usw. Probiert man alle Möglichkeiten durch, so sieht man, daß die Konstruktion von Dreieck== Dreiseit immer nur auf die Axiome III3 1, III 1 und II6 1 führt. !&.
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I § 10. Die Untersuchung der Geometrie der Ebene auf weitere Axiome. Zur weiteren Untersuchung legen wir das Dreieck== Dreiseit a, b, c, A, B, C zu Grunde. Wir wählen einen von A, B, C verschiedenen. vierten Punkt D. Die einzigen Möglichkeiten, die für die Lage von D existieren, sind die~ daß D entweder 1) in einer der Geraden a, b, c liegt oder 2) außerhalb von allen dreien. Beide Möglichkeiten sind nicht freie, sondern ableitbare Möglichkeiten, denn nach Postulat 6 gibt es in jeder der Geraden weitere Punkte und ebenso außerhalb jeder Geraden weitere Punkte, die nach Postulat 4 nicht alle in den beiden anderen Geraden liegen können. Die beiden Fälle, daß D in einer der Geraden liegt und daß D außerhalb von allen dreien liegt, sind gesondert zu untersuchen.
1) Liegt D in einer der Dreiecks-Geraden, etwa in a, so sieht man ohne weiteres ein, daß keine freien Möglichkeiten mehr für die Beziehungen von D zu b und c gegeben sind: es gilt - (D, b) und- (D, c). Andererseits läßt sich zwischen D und A eine und nur eine Gerade d ziehen: [+ (Dd) + (Ad)]. D stellt also zwei neue Dreiecke her: Das Dreieck DAB und das Dreieck DAC. Das Dreieck jedoch ist eine Figur, die in allen ihren Beziehungen des Ineinanderliegens durch die bereits bekannten Axiome eindeutig bestimmt ist. Also sind alle Beziehungen von D zu den Stücken des ursprünglichen Dreiecks, sowie zu den Verbindungslinien von D nach A und C eindeutig bestimmt. Es fehlt also in diesem Fall an freien Möglichkeiten, die die Grundlage für neue Axiome bilden könnten.
Q) Liegt D außerhalb a, b, c, so gibt es drei und nur drei Gerade DA, DB und DC. Es werden also durch D und die Verbindungslinien mit A, B und C drei neue Dreiecke hergestellt: DAB, DAC, DBC. Auch in diesem Fall existieren keine neuen freien Möglichkeiten. - Ebenso ergeben sich keine neuen freien Möglichkeiten, wenn man statt eines vierten Punktes D eine vierte Gerade d betrachtet. Wenn eine vierte Gerade, die entweder durch einen Eckpunkt des D~eiecks hindurchgeht oder nicht durch ihn hindurchgeht, gezogen wird, so sind alle denkbaren Relationen dieser neuen
Geraden zu den Dreiecl\'selenienten ebenfalls bestimmt. Auch hier existieren keine neuen freien Möglichkeiten. Was für einen vierten Punkt und eine vierte Gerade gilt, gilt für beliebig viele Punkte und Gerade. Denn nimmt man weitere Elemente, Punkte oder Gerade hinzu, so stehen diese neuen Elemente E, F, G usw. e, f, g usw. immer wieder Dreiecken gegenüber, und es lassen sich immer wieder die Überlegungen anwenden, die sich bei D an wenden ließen. Ebenso schafft jeder neue Punkt und jede neue Gerade wiederum Dreiecke, sodaß für jeden folgenden Punkt und jede folgende Gerade dieselbe Methode des Vorgehens anwendbar ist. _ Hieraus ergibt sich also: 1) Durch die Hinzufügung neuer Punkte und neuer Geraden und ihrer Verbindungselemente mit den alten werden immer wieder neue Dreiecke geschaffen. Die Ebene wird du~ch diese Punkte und Gerade in lauter Dreiecke zerlegt- das Dreieck ist die Grun,dfigur der Ebene, aus der sich alle andern linearen Gebilde der Ebene zusammensetzen. Q) Die I-Relationen, die aus der Hinzufügung neuer Punkte und Geraden in ihrer Beziehung zu bereits vorhandenen entstehen, ergeben keine freien Möglichkeiten und demgemäß nach Postulat 7 keine neuen Axiome. Bezeichnen wir die ursprünglichen Elemente, die neuen, ihnen hinzugefügten Elemente, sowie ihre Verbindungselemente zusammen als "direkte" Elemente, so gilt also der Satz: Die J-Relationen direkter Elemente ergeben keine neuen Axiome. Die direkten Elemente sind jedoch nicht die einzig möglichen: Fügen wir z. B. zu den Dreieckselementen a, b, c, A, B, C sukzessiv weitere Punkte D, E, F mit ihren Verbindungsgeraden hinzu, so entsteht ein Sechseck mit seinen Diagonalen. Durch diese Diagonalen aber entstehen weitere Elemente, z. B. die Schnittpunkte der Diagonalen untereinander, die Schnittpunkte der Diagonalen mit den nicht anstoßenden Sechseckseiten usw., also eine Gruppe von Elementen, die nicht zu den direkten Elementen gehören: ,)ndirekte" Elemente, wie wir sie nennen wollen. Über Vorhandensein freier Möglichkeiten (und damit von Axiomen) von J-Relationen zwischen indirekten Punkten (oder zwischen indi1~)1
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rekten und direkten Punkten) besagt der obige Satz nichts. Es wäre durch ihn keineswegs ausgeschlossen, daß etwa ein Axiom existierte: "Die drei Diagonalen des Sechsecks, die gegenüberliegende Eckpunkte verbinden, schneiden sich in einem Punkte." Wenn dieses Axiom Geltung hätte, würden also stets drei indirekte Punkte verschiedener Herkunft in einen einzigen zusammenfallen. (In der Tat existiert, wenn auch nicht für beliebige Sechsecke, doch für solche, deren Ecken auf einem Kegelschnitt liegen, ein Satz dieser Art, der nicht aus den bisherigen Axiomen ableitbar ist: Der Pascalsehe Satz.) Wenn also in der Ebene neben den bereits aufgefundenen Dreiecksaxiomen weitere setzende Axiome existieren, so beziehen sie sich auf indirekte Gerade oder Punkte. Sie werden dann allgemein folgende Form haben: Bestimmte näher zu charakterisierende indirekte Punkte einer Konfiguration liegen stets (oder niemals) auf einer Geraden, bestimmte indirekte Gerade schneiden sich stets (oder niemals) in einem Punkt.
§ 11. D er D es arg u es s c h e Satz. Die Frage nach weiteren Axiomen der Euklidischen Geometrie redu-
zi~rt sich also auf die Frage nach der Existenz freier Möglichkeiten von Relationen indirekter Punkte oder Geraden. Der allgemeinste Fall würde lauten: Gegeben ein vollständiges n-Eck (oder n-Seit). Dann liegen bestimmte indirekte Punkte des n-Ecks stets oder niemals in einer Geraden oder bestimmte indirekte Gerade des n-Ecks niemals in einem Punkt. Wir werden unsere Betrachtungen im Folgenden auf das vollständige n-Eck beschränken - die Betrachtungen über das vollständigen-Seit sind völlig analog. Die beiden Fälle, daß die indirekten Elemente niemals in einem gemeinsamen Element des andern Systems liegen, und daß sie stet's in einem Element des andern Systems liegen, sollen gesondert untersucht werden.
1) Nehmen wir zunächst an, es existierte ein Satz, der ·aussagt, daß bestimmte indirekte Elemente niemals in einem gemeinsamen Element eines andern liegen (drei indirekte Gerade z. B. sich niemals in einem Punkte schneiden). So kann man sich leicht überzeugen, daß ein solcher Satz niemals als Axiom auftreten kann. Wenn etwa als präsumptives Axiom aufgestellt würde: Die Diagonalen ·eines Sechsecks, die gegenüberliegende Eckpunkte verbinden, schneiden sich niemals in einem Punkt, so läßt sich die V nmöglichkeit eines. solchen Axioms zeigen. Man nimmt einen Punkt an, legt drei Gerade durch ihn und verbindet beliebig die Punkte benachbarter Halbstrahlen zu einem Sechseck. Damit ist die Ungiltigkeit des präsumptiven Axioms dargetan. Allgemein: Ein Satz, der behauptet, daß indirekte Punkte eines n-Ecks niemals zusammenfallen, ist entweder ableitbar giltig (wie der Satz: Die Gesamtheit der Diagonalen eines Sechsecks geht niemals durch einen Punkt), oder es läßt sich umgekehrt von einem Punkt aus das n-Eck konstruieren, das das präsumptive Axiom widerlegt. Ein Axiom von der Form: Indirekte Elemente eines beliebigen n-Ecks liegen niemals in einem Element eines andern Systems, ist daher ausgeschlossen.
2) Prüfung von Axiomen der Form: Bestimmte indirekte Elemente eines n-Ecks liegen s t e t s in einem Element des andern Systems. Nehmen wir als Paradigma den Satz: Die entsprechenden Diagonalen eines Sechsecks schneiden sich stets in einem Punkt: Es sei irgend ein Sechseck herausgegriffen, auf das demnach der Satz zutreffen muß. Wir betrachten nun ein zweites Sechseck, das aus dem ersten folgendermaßen entsteht: 6 Ecken sind dem neuen Sechseck mit dem alten gemeinsam; als 6. Ecke werde statt des Punktes A ein anderer A' auf einer der durch A gehenden Seiten gewählt. Dann ändert sich nur eine einzige Diagonale, d1 wird zu d1 '. d1 hat mit d1 1 als gemeinsamen Schnittpunkt eine Ecke des Sechsecks. Nach dem präsumptiven Satz hat d 1 einen gemeinsamen Schnittpunkt mit d2 und d3 , zwei andern Diagonalen des Sechsecks: ebenso muß d1 ' diesen Schnittpunkt mit d2 und d3 , also auch mit d 1 gemeinsam haben
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- was im Widerspruch zu II6 steht. Das hypothetisch angesetzte Axiom ist also unmöglich. Es läßt sich zeigen, daß auch dieser Beweis sich verallgemeinern läßt. Es ist daher ein Axiom des Inhalts, daß indirekte Elemente eines n-Ecks stets in einem Element eines andern Systems liegen, ausgeschlossen. Es kann also kein Axiom existieren von der Form: Die einem bestimmten Typus angehörigen indirekten Elemente (Diagonale z. B.) eines beliebigen n-Ecks (wo n keinen bestimmten Wert hat und das "beliebig" nicht auf die Zahl der Ecken, sondern auf die Gestalt des n-Ecks geht) liegen stets (oder niemals) in einemElementeines andern Systems. Nicht ausgeschlossen ist durch diese Betrachtungen, daß für bestimmt c h ar ak t e ri sie rt e, nach einem bestimmten Gesichtspunkt ausgewählte n-Ecken. (etwa für ~lle Sechsecke, deren Ecken auf einem Kegelschnitte liegen) Axiome über die indirekten Elemente existieren. Denn die Beweise, die wir für die Nichtexistenz von Axiomen über die Relationen der indirekten Elementen eines Sechsecks benutzten, hatten nur Geltung; wenn angenommen werden durfte, daß das Axiom für jedes n-Eck vom betreffenden n in Geltung ist. Es muß also weiterhin noch untersucht werden, ob nicht fürbestimmt c h a r a k t er i sie r t.e n-Ecke axiomatische Beziehungen ihrer indirekten Elemente in Geltung sind. Zur Untersuchung schlagen wir einen Weg ein, der nicht vom n-Eck ausgeht, sondern die möglichen Fälle in anderer Weise systematisiert. Es lassen sich nämlich Konfigurationsgesetzmäßigkeiteil auf doppelte Weise ansehen: Einmal, wie wir es bisher getan haben, als wir von der Gesamtkonfiguration -vom Sechseck z. B. - ausgingen. Oder, um eine einfachere, freilich nicht in diesen Zusammenhang gehörende Gesetzmäßigkeit anzuführen: Die drei Transversalen eines Dreiecks schneiden sich in einem Punkte. Hier ist das Dreieck d~e Ausgangsfigur, auf die die Transversalen bezogen werden. Diese Gesetzmäßigkeit läßt sich auch in anderer Weise, nämlich von· einer Ecke des Dreiecks her aufbauen: Gegeben sind drei Gerade, die durch einen Punkt A gehen. Wir wählen auf zwei von diesen Geraden zwei Punkte
B und C, die derart liegen, daß ihre Verbindungslinie von der dritten Geraden halbiert wird; die Verbindungslinien der Mitte von der Strecke A B mit C, und der Mitte von A C mit B treffen sich auf der dritten der durch A gehenden Geraden. In diesem Fall ist die nicht von der Gesamtkonfiguration, sondern von dem einzelnen Punkt ausgehende Betrachtungsweise reichlich umständlich. Bei den Betrachtungen, die wir hier anstellen, dagegen führt sie zu einer bequemen Übersicht über die in Rede stehenden Tatbestände. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, muß ein Axiom über indirekte Punkte oder Gerade folgendermaßen lauten: Wenn n 1 Gerade durch einen Punkt gehen (oder n 1 Punkte auf einer Geraden liegen), so liegen n 2 davon nach einer bestimmten Gesetzmäßigkeit abhängige indirekte Punkte (oder Gerade) stets (oder niemals) in einer Geraden (oder in einem Punkte). Für n 1 = 2, oder n 2 = 2 ist die Untersuchung überflüssig. Zwei Punkte liegen stets in einer Geraden, zwei Gerade stets in einem Punkt. Erst, wenn n 1 > 2, n 2 > 2 ist, wird die Frage nach einer axiomatischen Beziehung der angeführten Art sinnvoll. Im einfachsten Fall, der untersucht werden muß, ist also n 1 = 5, n 2 = 5· Es ist also zu untersuchen, ob ein Axiom existiert: Wenn drei Punkte (Gerade) in einer Geraden (einem Punkte) liegen, so liegen drei davon abhängige Gerade (Punkte) stets (niemals) in einem Punkte (in einer Geraden). Wir untersuchen diese Möglichkeit eines Axioms, indem wir folgende symbolische Abkürzungen einführen: Wir bezeichnen die Schnittgerade von drei Punkten mit s, den Schnittpunkt von drei Geraden mit S. (5 A, s) soll bedeuten, daß drei Punkte in einer Geraden liegen;- (5 A, s), daß drei Punkte nicht in einer Geraden liegen. Dann sind folgende Unterfälle der Abhängigkeit der indirekten Elemente von den Elementen, von denen sie abhängig sind, begrifflich möglich: 1)Wenn(5 a, S), dann stets (5 A, s)
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5)Wenn(5 A, s) dann stets
(3 a S)
6)
"
(5, A, s)
"
" - (5 a, S)
7) 8)
" "
(5 A, s) (5 A, s)
" "
" "
Die einfachste Beschränkung jedoch, die eine Gerade anderen Geraden auferlegen kann, ist die, daß sich die anderen auf ihr schneiden. Setzen
(5 A1, s1) - (5 A1, s1)
Diese Übersicht enthält auch die Fälle des "niemals," die aufgelöst sind in "stets nicht". Wegen der Dualität von Punkten und Geraden brauchen die Fälle 5-8 nicht gesondert untersucht zu werden. Wenn z. B. ein Axiom gilt: Wenn drei Punkte in einer Geraden liegen, dann liegen drei indirekte Punkte in einer Geraden, so gilt auch das duale Axiom: Wenn drei Gerade durch einen Punkt gehen, so gehen auch drei indirekte Gerade durch einen Punkt usw. Wir untersuchen die Fälle I-4 daraufhin, ob sich unter den durch sie schematisch gegebenen Gesetzmäßigkeiten solche finden, die innerhalb der normalen Geometrie der Ebene axiomatischen Charakter tragen. Fall I besagt: Wenn drei Gerade a, b, c sich in einem Punkte S schneiden, dann liegen drei von ihnen abhängige Punkte A, B, C auf einer Geraden s.
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I'
Wir haben bisher nur ganz allgemein davon gesprochen, daß die indirekten Elemente von den direkten nach einer bestimmten Gesetzrn ä ß i g k e i t abhängig sind. Wie diese Gesetzmäßigkeit beschaffen ist, davon war bisher nicht gesprochen worden. Es ist daher auch noch die Art der Abhängigkeit zu ermitteln, und zwar suchen wir stets die einfachste Art solcher gesetzmäßigen Abhängigkeit ausfindig zu machen. Wir fragen also: Wie kann die Abhängigkeit der drei Punkte A, B, C von a, b, c beschaffen sein, wie können sie zu "indirekten" Punkten von a, b und c werden? A, B und C können zunächst keine beliebigen Punkte sein, sondern müssen Schnittpunkte von Geradepaaren sein, damit sie von .. . sein . k"onnen. D'wse G. era d epaare seien . a, b , c abh angig a I a II ; b 1 b" ; cI , cII . Diese Geradepaare müssen ihrerseits wiederum von a, b und c abhängig sein; sie können nicht beliebige Richtungen haben, sondern ihre Rich-' tungen müssen durch a, b, c Beschränkungen unterworfen sein, sonst wären A, B, C keine "indirekten" Punkte.
Figur
1
wir also die einfachste Art der Abhängigkeit der a1, a11 usw. von a, b, c, so besteht sie darin, daß sich je zwei von den 6 Geraden a', a", b 1 usw. sich auf a, b, c schneiden (s. Figur I). 1
37
Auf diese Weise wirdalsodie Abhängigkeit der drei Punkte A, B, C von den drei Geraden a, b, c folgendermaßen präzisiert: Wenn drei Gerade a, b, c sich in einem Punkte S schneiden und sich drei Paare von Geraden in diesen Geraden schneiden, so schneiden sich die entsprechenden Geraden der Geradenpaare in Punkten, die auf einer Geraden s liegen. Die hier präsumptiv angenommene Gesetzmäßigkeit ist der in der Geometrie nach Desargues benannte Satz.
§ 12. Die Prüfung des Desarguess·chen Satzes auf axiomatische Bedeutung. Es ist zu prüfen, ob die hier präsumptiv als einfachste Beziehung zwischen drei Geraden und drei indirekten Punkten zu Grunde gelegte Gesetzmäßigkeit tatsächlich in der normalen Geometrie in Geltung ist; und bejahenden Falls, ob sie als Axiom anzusprechen oder von früheren Axiomen ableitbar ist. Zunächst ist die Frage zu stellen, ob diese Gesetzmäßigkeit nicht in sich einen Widerspruch enthält, ob nicht etwa die Voraussetzungen der Gesetzmäßigkeit ihren Folgerungen widersprechen. Man überzeugt sich leicht, daß im Gegenteil die Gesetzmäßigkeit derart aufgebaut ist, daß jeder der 1 o Schnittpunkte der Figur als Punkt S angenommen werden kann, und dann von den drei durch ihn hindurchgehenden Geraden aus die Desarguessche Gesetzmäßigkeit angewandt werden kann. Die Desarguessche Gesetzmäßigkeit ist also in sich widerspruchslos. Die weitere Frage, ob die Desarguessche Gesetzmäßigkeit axiomatischen Charakt!i)r trägt, fällt für die Euklidische Geometrie nach Postulat 7 mit der Frage zusammen, ob die durch den Satz Desargues als unmöglich gesetzte Relation unter Zugrundelegung der bereits bekannten Axiome eine freie oder eine abgeleitete Möglichkeit darstellt. Wir hatten bisher den Desarguesschen Satz positiv formuliert: Wenn (3 a, S) ist, dann ist (3A, s). Die ihm zugrunde liegende Relation, die durch den Desarguesschen Satz verboten wird, lautet: also [(3 a, S),- (3 A s)] oder:
Wenn a, b, c sich schneiden, und die übrigen Voraussetzungen des Desarguesschen Satzes erfüllt sind, dann liegt C nicht in der Geraden, die A und B verbindet. In der Tat ist die Relation [(3a, S), ~ 3 (A, s)] ejne freie Möglichkeit: Es läßt sich zeigen, daß sie im allgemeinen Fall nicht aus früheren Axiomen ableitbar ist, und daß es auch keine Spezialfälle gibt, in denen sie erfüllt sein muß, daher nach Postulat 7: LC5 a, S), - 3 (A s)]v, d. h. der Desarguessche Satz ist als Axiom aufzustellen. Ebenso ist aber auch [(3 a, S) + (3A, s)], diejenige Relation, die im Desarguesschen Satz als notwendig behauptet wird, eine freie Möglichkeit. Auch für sie gilt, daß sie weder im allgemeinen Fall noch in Spezialfällen aus früheren Möglichkeiten ableitbar ist. Sie muß daher ebenfalls axiomatisch verboten werden können. Dieser "Anti-Desarguessche Satz", wie wir sagen wollen, behauptet also, daß die drei Punkte A, B, C niemals in einer Geraden liegen. Die beiden Axiome widersprechen einander: Es kann nur entweder das Desarguessche oder das Antidesarguessche Axiom in Geltung sein. Daß die Euklidische Geometrie der Ebene gerade das Desarguessche Axiom benutzt, läßt sich nicht aus den Postulaten ableiten, sondern nur einfach konstatieren. Es tritt hier zum ersten Mal innerhalb unserer Deduktion der Fall ein, daß im Stammbaum der Möglichkeiten zwei einander ausschließende freie Möglichkeiten auftreten. Welche von beiden durch ein Axiom verboten werden soll, darüber gibt das Postulat keine Auskunft. Es existieren alsosolange wir uns nur auf die Geometrie der Ebene beschränken - zwei normale Geometrien: DiE) eine, die sich auf das Desarguessche Axiom stützt, die andere, die ein entgegengesetztes Axiom benützt, das besagt, daß die Punkte A, B, C niemals in einer Geraden liegen. Erst durch die Heranziehung der einfacheren Axiome des Raumes wird .das Anti:..Desarguessche Axiom unmöglich gemacht, da mit Hilfe der Raumaxiome der Desarguessche Satz für die Ebene als giltig bewiesen we:rden kann, also das Desarguessche Axiom seinen Axiomcharakter verliert, und das Anti-Desarguessche Axiom damit unmöglich wird.
Wir nennen das Desarguessche Axiom: II'a; das Anti-Desarguessche Axiom II'b. Wir fahren in der Betrachtung der Fälle obiger Tabelle fort. Fall 1 und Fall 2 liefern das Desarguessche und das Anti-Desarguessche Axiom. Aus Fall 1 und 2 lassen sich andere Fälle ableiten: Wenn Fall1 gilt: (Aus (5a, S) folgt (5A, s)), dann gilt ebenso umgekehrt Fall 5: (Aus (5A, s) folgt (5a, S)). Denn angenommen, A, B, C liegen in s, aber a, b, c gehen nicht durch S, so wähle man eine Gerade c111 derart, daß sie durch S den Schnittpunkt von a und b geht und ebenso durch den Schnittpunkt von a' und a, dann sind die drei indirekten Punkte A, Bund C" So muß bei der Geltung von Fall 1 C"' ebenfalls auf s liegen, was II6 widerspricht. Umgekehrt wird durch die Geltung von Fall 5 der Fall 1 ableitbar. Die beiden dualen Axiome für Punkt und Gerade sind also von einander ableitbar und demnach nach unserem früheren Sprachgebrauch: Korrespondierende Axiomable. Es läßt sich entweder der Desarguessche Satz als Axiom wählen oder der zu ihm duale Satz. Weiterhin folgt aus der Giltigkeit von Fall 1, daß aus - (5a, S) auch - (5A, s) folgt. Dagegen ist die umgekehrte Folgerung nicht giltig: Wenn aus - (5a, S) folgt, daß - (5A, s) gilt, so läßt sich Fall 1 nicht ableiten. Entsprechend folgt bei Giltigkeit von Fall 2, dem Anti-Desarguesschen Axiom, die Giltigkeit des dualen Falles 6. Weitere Folgerungen lassen sich jedoch aus der Giltigkeit von Fall 2 nicht ziehen. Untersuchung von Fall 5· Wenn (5a, S) gilt, so gilt auch (5a1 , S1 ). Es ist hier nicht möglich, wie pei Fall1 und 2 die Figur 1 zu Grunde zu legen. Wir müssen vielmehr erneut die einfachste Konfiguration suchen, die von drei Geraden, die sich in einem Punkte schneiden, zu drei indirekten Geraden führt, die sich ebenfalls in einem Punkte schneiden. Untersucht man die einfachsten Bedingungen näher, so zeigt sich, daß sich folgende Gesetzmäßigkeit für Fall 5 ergibt: W emi drei Gera.de a; b, c sich in einem PunkteS schneiden, und die Punkte A1 , A2 , A3 auf a und B1 , B2 , B3 auf b derart liegen, daß die Geraden A1 B2 und A2 B1 einerseits, und A3 B2 und A2 B3 sich in c schneiden, so schneiden sich auch A1 B1, A2 B2 , A3 B3 inS.
Diese Gesetzmäßigkeit gilt in der Tat; sie ist jedoch ein Spezialfall des Desarguesschen Satzes und ist daher für die Axiomatik ohne Interesse. Entsprechend liefert auch Fall 4 keine neue freie Möglichkeit. Wir haben hier stets den einfachsten Fall der Abhängigkeit der indirekten Elemente von den Ausgangselementen zu Grunde gelegt; es lassen sich jedoch stets die komplizierten Fälle auf die entsprechenden einfacheren zurückführen. Überall, wo es sich z. B. um die Abhängigkeit dreier indirekten Punkte auf einer Geraden von drei Geraden, die sich in einem Punkte schneiden, handelt, treten die Konfigurationen des Desarguesschen Satzes auf, und es bedarf daher keines neuen Axioms.
§ 13. Der Pascalsehe Satz. Die Untersuchung über mögliche Axiome der Euklidischen Geometrie ist hiermit noch nicht zu Ende geführt: Es wurde festgestellt, daß die einfache Anfügung neuer Punkte und Geraden zu den Punkten und Geraden des Dreiecks nicht neue Axiome liefern kann, daß vielmehr weitere Axiome nur innerhalb der Abhängigkeit von indirekten Punkten und Geraden von den direkten zu suchen sind. Aber von diesen Abhängigkeiten sind bisher nur diejenigen untersucht, bei denen drei Elemente von drei Elementen abhängen. Alle Abhängigkeiten, in die höhere Elementenzahlen eingehen, sind noch unerörtert geblieben. Um die hierbei auftretenden Relationen systematisch zu untersuchen, bedürfte es einer Durcharbeitung der projektiven Geometrie nach relationstheoretischen Gesichtspunkten -- einer Durcharbeitung, die sich an unsere bisherige Symbolik anlehnt. Eine p r in z i p i e ll e Erweiterung unserer bisherigen Symbolik wäre zwar hierzu nicht notwendig, aber es müßten im einzelnen weitgehende Vereinfachungen eingeführt werden, neue Überlegungen und neue Gesichtspunkte. Es würde den Rahmen dieser Untersuchungen sprengen, eine solche Durcharbeitung vorzunehmen. Sie ist umsoweniger unbedingte Notwendigkeit, als die Ergebnisse einer solchen Durcharbeitung für die axiomatischen
1
I' i
Untersuchungen nur vorläufige Bedeutung hätten. Die Axiome, die auf dieseWeise gefunden werden, gelten nur so lange, als wir uns innerhalb der zweidimensionalen Geometrie bewegen. Wird die dritte Dimension hinzugenommen, so ist bekannt, daß z. B. mit Hilfe der hinzutretenden rä~mlichen Axiome der Desarguessche Satz - und daß bei Einführung des Archimedischen Axioms auch der Pascalsehe Satz beweisbar wird. Es werde deshalb- nachdem bei Erörterung des Desarguesschen Satzes das allgemeine Prinzip der systematischen Untersuchung klargelegt ist, darauf verzichtet, die weitere Untersuchung systematisch vorzunehmen, sondern einfach die Ergebnisse der bisherigen Geometrie, vor ·allem der Hilbertschen Untersuchungen, übernommen: Es hat sich in diesen Untersuchungen gezeigt, daß durch das Desarguessche Axiom die ebenen Axiome des Ineinariderliegens indirekter Elemente nicht erschöpft sind. Vielmehr existiert noch ein weiteres Axiom, . . . . . . " das sich auf die Punktreihe (oder das Strahlenl;>üschel) "zweiter Ordnung b~zieht. Diese Punktreihen und Strahlenbüschel "zweiter Ordnung" werden in der projektivenGeometriefolgendermaßen definiert: "Wenn zwei projektive Strahlenbüschel in einer Ebene, aber weder konzentrisch noc~ perspektiv liegen, ?O bilden die Schnittpunkte ihrer homologen Strahlen eine Punktreihe zweiter Ordnung." Und ebenso: "Wenn zwei projektive Punktreihen in einer Ebene aber weder in derselben Geraden noch per. . ' spektiv liegen, so bilden die Verbindungslinien ihrer homologen Punkte ein Strahlenbüschel zweiter Ordnung." (Reye, Geometrie der Lage, Erste Abteilung, 4· Aufl., S. 64.) . . .. · Für die~ePu~ktreihe und Strahlenbüschel zweiter Ordnung gelten nun ::1
folgende Sätze : . Satz des Pascal: in jedem einfachen Sechseck, das einer Punktreihe zweiter Ordnung eingeschrieben ist, schneiden sich. die drei Paar Gegenseiten in drei Punkten einer Geraden. · Und entsprechend dual: Satz des Brianchon: In jedem einfachen Sechseck, das von Strahlen eines Büschels zweiter Ordnung gebildet wird, gehen die drei Hauptdiagonalen durch einen Punkt. · Wie Hilbert (Grundlagen der Geometrie, Kap. VI.) gezeigt hat, ist der ;;:·
Pascalsehe Satz nicht beweisbar aus den Axiomen des Ineinanderliegens, selbst wenn man die Axiome der Lage hinzunimmt. Er ist also gewiß nicht beweisbar durch die· Axiome des Ineinanderliegens allein. Er muß also innerhalb der Betrachtungen dieses Kapitels als Axiom gelten. Wir nennen ihn daher Axiom II". Hessenberg (Math. Ann. Bd. 61) hat dargetan, daß sich der Desarguessche Satz aus dem Pascalsehen Satz ableiten läßt. Axiom II'a kommt also in Wegfall, wenn das Axiom II" gilt. Weiterhin hat Hilbert (Grundlagen der Geometrie, § 55) gezeigt, daß jeder Schnittpunktssatz durch Konstruktion geeigneter Hilfspunkte und Hilfsgeraden sich stets "als eine Kombination des Desarguesschen und des Pascalsehen Satzes herausstellen muß. Der Pascalsehe Satz ist daher der einzige Satz, der neben Dreiecksaxiomen in die Liste der Axiome des Ineinanderliegens aufgenommen werden muß. Die Lücke, die unsere Darlegungen zeigten, besteht also darin, daß der Pascalsehe Satz nicht deduziert worden ist. Wird der Pascalsehe Satz als bekannt angenommen, so zeigen die Hilbert-Hessenberg'schen Ausführungen, daß weitere Axiome nicht vorhanden sind. Aber auch das Pascalsehe Axiom hat nur Axiombedeutung, so lange man innerhalb der J-Relationen bleibt. Für den Gesamtbereich sämtlicher Axiome, der auch das Archimedische Axiom der Stetigkeit einschließt, ist. der Pascaische Satz beweisbar.
§ 14. Symbolische Überlegungen zu den Dreiecks-Axiomen: In dem vorangehenden Paragraphen wurden die Überlegungen, ob neben dem Dreiecks-Axiomen II'6 , III 13 , III' noch weitere Axiome existieren, rein geometrisch geführt~ In diesem Paragraphen soll derjenige Teil der Überlegungen, der sich aus der benutzten Symbolik ohneWeiteres ergibt, auch symbolisch durchgeführt werden. Wir stellen das vollständige Schema aller setzenden I-Relationen zwischen Punkten und Geraden auf:
i
r + (Aa) + (Ba) ± (Ca) + (Da) + .... . +(Ab)+ (Bb) + (Cb) + (Db) + .... . + (Ac) + (Be) +(Ce) + (Dc) + .... . ±
Unter diesen Relationen kommen nur die zirkulären für Axiome in Be:. tracht. Man ersieht aus diesem Schema ohne Weiteres, daß die erste zirkuläre Relation, die für die Axiomatik von Interesse ist, eine Relation 4· Stufe ist: [± (Aa), +(Ba),+ (Ab),+ (Bb)J. Denn + (Aa) ist für die Axiomatik nicht von Bedeutung, da sowohl [+ (Aa)];l als auch [- (Aa)]A durch die Postulate gewährleistet ist. Eine zirkulärere Relation 6· Stufe gibt es nicht, wohl aber zwei duale zirkuläre Relationen 6. Stufe: I)+ (Aa) +(Ba)±- (Ca)± (Ab)+ (Bb) + (Cb). II) + (Aa) +(Ba)+ (Ab)+ (Bb) ±(Ac)+ (Be). Betrachten wi:r zunächst Relation I. .Alle Relationen, die II6 widersprechen, scheiden aus. Alle Relationen, bei denen drei Punkte in einer Geraden liegen, sind ohneWeiteres ableitbar möglich, ebenso alle Relationen, durch die räumlich getrennte Konfigurationen gesetzt werden, wie z. B.- (Aa), + (Ba),+ (Ca),- (Ab),+ (Bb), - (Cb) eine Relation, die einen isolierten Punkt A und eine Konfiguration aus zwei Geraden a und b, die sich in einem Punkte schneiden, und auf deren einer ein Punkt C liegt, bedeutet. Es bleibt nach Ausscheidung all dieser Relationen nur noch eine einzige Relation übrig: - (A a) +(Ba)+ (Ca)+ (Ab)- (B b) + (C b). Diese Relation ist ebenfalls ableitbar möglich. Sie ist die symbolische Darstellung zweier Geraden, die sich in C schneiden, und auf deren jeder ein Punkt markiert ist. Gehen wir statt von der Relation I 6. Stufe von der Relation II aus, so bleibt entsprechend als einzige Relation die ableitbar mögliche Relation:
-~~+~~+~~-~~+~~+~~ eine Relation, die bedeutet, daß zwei Punkte auf c liegen und durch jeden der beiden Punkte eine weitere Gerade geht.
Freie Möglichkeiten 6. Stufe sind nicht vorhanden; es gibt also keine Axiome 6. Stufe. Entsprechend wie die zirkulären Relationen 6. Stufe lassen sich die zirkulären Relationen 7· und 8. Stufe behandeln. Gleiches gilt für die zirkulären Relationen g. Stufe. Es bleibt hier nach Ausscheidung derjenigen Relationen, die bei den Relationen 6. Stufe ausgeschieden worden waren - folgende Relation übrig: - (Aa) +(Ba)+ (Ca)+ (Ab)- (B b) + (Cb) +(Ac)+ (Be)- (Ce). Diese Relation ist gerade diejenige, die das Dreieck bestimmt. Auch diese Relation ist ableitbar möglich. Es ergibt sich daher, daß zur Konstituierung des Dreiecks an setzenden Relationen nur die Relation II6 1 erforderlich ist. Es ist ebenso zu untersuchen, ob neben III3 1 und III' keine weiteren ausschließenden Axiome notwendig sind. Wir fanden früher, daß zirkuläre GP-samtrelationen gemischter oder ausschließender Art in der normalen Geometrie an ausschließenden Einzelrelationen einzig [+ (3 A, ~ a)J oder [+ (3 a, - A)] enthalfen können. Betrachten wir zunächst + (3A,- a) (oder+ (A, B, C,- a)) d. h. drei Punkte, die nicht in einer Geraden liegen. Durch je zwei Punkte von diesen dreienlegen wir die Geraden a, b, c, was nach III3 1 und II6 ' stets eindeutig möglich ist. Dann entsteht zwischen A, B, C und a, b, c wiederum die Relation des Dreiecks:
-~~+~~+~~+~~-~~+~~+~~+~~-~~ Auch die Betrachtungen der ausschließenden Relation + (3A,- a) führt demnach auf das Dreieck. Entsprechendes gilt für + (3a, ~ A). Wenn man die Schnittpunkte der drei Geraden a, b und c einführt, so gelangt man ebenfalls zu derselben Relation. Wir kommen also auf diese Weise ebenfalls zum Dreieck. Da alle Zusammensetzungen dieser Relation eindeutig bestimmt sind, wie wir oben sahen, so kann auch durch Relationen, die mit+ (3A,- a) und+ (3a,- A) gebildet werden, kein neues Axiom ent. stehen. Die weiteren direkten Gesamtrelationen entstehen durch Hinzufügung von Einzelrelationen + (D d) + (A d) usw. -Anfügungen, die immer mög-
i:
r I lieh sein müssen, so lange sie nicht durch II6 verboten sind. Auch die symbolische Betrachtung zeigt, daß keine weiteren Axiome, die sich auf direkte Elemente stützen, vorhanden sein können. Betrachten wir ebenso noch die symbolische Formulierung des Desarguesschen Satzes:
[+ (a, b, c, S) + (a' b", C') + (a", b', C") + + (a' c" B') + (a", c', B'')
(b', c", A') + (b" c', A'i)
+ (a' a", A) + (b', b", B) + (c, c", C) + (A, B, s) - (B, C, s)]y Bezeichnen wir a, b, c, mit m I I I · I II b" · II a,b,c mltm;a, ,cII mltm A, B7 C illl"t M , A'7 B' , C' mi"t M'7 A" , B"7 C" mit M" , so lautet der Desarguessche Satz [ + (2:m,S) + 2:(m 1, m", M') + 2:(m' m", M") + .2-'(m' m", M)- .2-'(Ms)]y Diese Formel deutet zugleich auch die Richtung an, in der die W eiterverfolgung der Relationen höherer Stufe vor sich zu gehen hätte~ Es müßten die Relationen, die durch solche Aneinanderreihung von Relationssummen entstehen auf Ableitbarkeit oder freie Möglichkeit hin untersucht werden.
'
§ 16. Die Deduktion des Transitivitätsaxioms. Erst die Relation dritter Stufe zwischen Elementendreier Systeme bringt Momente, die über die Überlegungen des § 4 hinausführen. Es gibt eine ,zirkuläre Relation 5· Stufe zwischen den Elementen dreier Systeme [ + (&1&2) ± (&1&3) + (%f2 &3)], und deshalb hat hier die Frage nach der Existenz eines Axioms einen wohlberechtigten Sinn. Ausgewertet lautet diese zirkuläre Relation: [ + (A, a) + (a,
§ 15. Die J-Relationen des Raumes
1.
und
2.
Stufe.
An die Deduktion der Axiome der Geometrie der Ebene hat sich die Untersuchung der Axiome der Geometrie des Raumes zu schließen. Es dürfen dabei die ebenen Axiome II 6 1, III' und III3 1, sowie das Pascalsehe Axiom als bekannt vorausgesetzt werden. Wir beginnen wiederum mit den setzenden Axiomen. Axiome erster Stufe kann es nicht geben, da [ + (&1 &2)]A nach den Postulaten unter allen Umständen gilt, welchem Elementensystem auch %1:1 und m2 angehören. Ebenso war früher(§ 4) dargelegt worden, daß auch [ + (&1 &2, + %l1 ?ß2)]AA für beliebige Elementensysteme in Geltung ist. Daher existiert auch kein 2.
Stufe.
a), + (A, a)J
Durch Zeichenvariation ergeben sich folgende 8 Unterfälle:
1)
-t-(Aa)-t-(aa)+(Aa)
+ (A a) + (a a)- (A a) b) + (A a)- (a a) + (A a)
2) a)
.
.
räumliches Axiom
Ebensowenig gibt es ein Axiom 5· Stufe zwischen de!tl1 Elementen zwei er Systeme, auch wenn die Elemente einern-dimensionalen Geometrie angehören. Ob die Elemente A und a, oder a und a, oder A und a heißen es gilt allgemein, daß zu dem Schema einer kohärenten Relation 2. Stufe aus 2 Elementensystemen [+ (l?-{ 1 &2 ) + 0!\ ~2 )} keine dritte Relation gefügt werden kann, die sie kohärent macht.
c) - (A a) + (a a) -t- (A a) 3) a) + (A a) -- (a a)- (A a) b) - (A a) + (a c- 1. Die ausschließenden Relationen mit negativen Vorzeichen sind sämtlich durch diese Betrachtung erledigt. Sie ergeben keine Axiome und brauchen daher im folgenden, keine Berücksichtigung mehr zu finden.
§ 21. Dieausschließenden I-Relationen
1.
Stufe mit höherem
Quotienten. Die ausschließenden Relationen mit dem Quotienten 3 : 1. 1) [ + (3A,- a));t;t durch II6. 2) [+ (3a,- A)];t nach den vorigen,Paragraphen. 3) [+ (3A,- a)] ist eine freie Möglichkeit und muß daher als Axiom gesetzt werden. [+ (3A,- a)Jv == III4 : Durch drei Punkte geht stets eine Ebene. 4) [+ (3a,- A)];t;t aus II7 und III3 • 5) [ + (3a,- a)];t;t nach § 20. 6) [+ (3a, - a)];t;t nach § 20. Die weitere Untersuchung der ausschließenden Relationen 1. Stufe mit höheren Quotienten, die hier nicht durchgeführt werden soll, zeigt, daß keine weiteren freien Möglichkeiten 1. Stufe mehr vorhanden sind. Es gibt daher an ausschließenden Axiomen 1. Stufe: 1) [+ (2A,- a)Jy: durch jedes Punktepaar geht eine Gerade (III3)
2) [ + (2a,- a)Jv: Zwei Ebenen schneiden sich stets in einer Geraden (III") 3) [+ (3A, - a)]V: Durch jedes Punktetripel geht eine Ebene (III 4 ).
§ 22. Die ausschließenden J:?Relationen
2.
Stufe.
Die Überlegungen des § 1 3 des III. Kapitels haben gezeigt, daß nur folgende 8 ausschließende Relationen in axiomatischen Relationen höherer Stufe vorkommen können: 1) + (3A,- a) 5) + (2a,- A) 2) + (2a,- A) 6) + (2a,- 2A) 3) + (4A,- a) 7) + (2a,- a) 4) + (3A,- 2a) 8) + (2a,- a) Durch die gegenüber dem III. Kapitel neu hinzutretenden Axiome III' und III" werden Relationen 6) und 8) für unmöglich erklärt, ebenso durch III" und II5 Relation 5, scheiden also für die normale Geometrie aus der Reihe der ausgezeichneten Relationen aus. An ihre Stelle tritt eine neue Relation, die nicht mehr in Unterfälle zerlegbar ist. An Stelle von 8) + (2a, - a) tritt 8a) + (2a, - 2a) als nicht mehr in Unterfälle zerlegbare ausschließende Relation. In § 14 des III. Kapitels sind alle axiomfähigen Fälle aufgezählt, die durch Zusammenstellung mit den ausgezeichneten Relationen l ), 2 ), 3), 4), 7) zustandekommen. Ihre Durchsicht zeigt, daß sie alle entweder ableitbar möglich oder ableitbar unmöglich sind. Es sind jedoch auch die kohärenten Zusammenstellungen 2. Stufe mit den neu hinzugekommenen Relationen 8a) zu untersuchen. Zu 8a) ist jedoch keine der verbleibenden ausgezeichneten Relationen kohärent da keine dieser Relationen a als erstes Klammerglied besitzt. ' also keine nicht weiter zerlegbaren kohärenten I-Relationen Es existieren 2. Stufe, die mit 8a) zusammengesetzt sind. Die ausschließenden und gemischten Relationen 2. Stufe liefern also kein neues Axiom. Dies Ergebnis widerspricht scheinbar den Ergebnissen des III. Kapitels. Im III. Kapitel war als neues Axiom das Axiom III 8 aufgestellt worden: [+ (2a, A), + (2a,- a)]V: Wenn zwei Ebenen sich in einem Punkte schneiden,
so schneiden sie sich auch in einer Geraden. Da hier jedoch schon [ + (2a,- a)Jv ~ III" ist, so ist gewiß die Gesamtrelation, die III 8 zu Grunde liegt, unmöglich: Wenn sich alle Ebenenpaare in einer Geraden schneiden, so schneiden sich gewiß diejenigen Ebenenpaare, die sich in einem Punkte schneiden, in einer Geraden. III8 ist also hier kein neues Axiom für die normale Geometrie, sondern eine ableitbare Unmöglichkeit.
§ 23. Die Raumaxiome und das Tetraeder. Die Deduktion der in II und III aufgestellten Axiome der Euklidischen Geometrie ist hiermit beendet. Die dort angegebenen Axiome sind deduziert worden- mit dem Unterschied jedoch, daß damals die Axiome der gewöhnlichen Euklidischen Geometrie gesucht werden sollten, während die Deduktion uns zu den Axiomen der normalen, der projektiven Geometrie hinleitete. Wie wir den Betrachtungen der zweidimensionalen Geometrie das Dreieck zu Grunde legen und dartun konnten, daß zur Konstituierung des Dreiecks die deduzierten und nur die deduzierten Axiome benötigt werden, so gilt das Gleiche für die Raumaxiome in Beziehung auf das Tetraeder. Wenn in der Ebene sich die Axiome aus der Tatsache der Identität von Dreiseit und Dreieck ableiten ließen, so ergeben sich im Raume die Axiome aus der Tatsache, daß das Tetraeder als Schnitt von vier Ebenen zugleich auch derjenige Körper ist, der durch die Verbindungslinien von vier nicht in einer Ebene liegenden Punkten des Raumes entsteht und umgekehrt. Die Ableitung soll nur angedeutet werden. Gehen wir von den vier Punkten im Raume aus, die nicht in einer Ebene liegen, so muß, damit aus den Ebenen durch diese 4 Punkte wirkJich ein Tetraeder entsteht, axiomatisch festgelegt werden, daß durch drei Punkte stets eine Ebene geht, was durch Axiom III 4 geschieht. Ferner muß die Verbindungslinie zweierEckpunkte des Tetraeders möglich und eindeutig sein (Axiom III3 und Il6) und diese Verbindungslinie muß in der betreffenden Ebene liegen. (II8 ). In dieser Weise weitergehend lassen sich durch Analyse der Möglichkeit des Tetraeders, bald von den
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Eckpunkten, bald von den Kanten, bald von den Seitenflächen ausgehend, alle Axiome des Ineinanderliegens ausfindig machen. Aus diesen Überlegungen läßt sich dartun, daß zur Konstituierung des Tetraeders keine weiteren Elemente benötigt werden. Ebenso läßt sich zeigen, daß durch Anfügung weiterer Elemente, Punkte, Geraden oder Ebenen immer neue Tetraeder entstehen, und daß demgemäß aus den Relationen, die durch Anfügung neuer Elemente zu den alten sich ergeben, keine freien Möglichkeiten, und daher auch keine weiteren Axiome erwachsen können. Aber gerade wie in der Ebene durch diese Anfügung neuer Elemente indirekte Punkte und Gerade entstehen, die zu neuen Axiomen Anlaß geben können, so entstehen im Raume durch die.Anfügung neuer Elemente indirekte Punkte, Gerade und Ebenen, über deren Relationen hinsichtlich ihres Möglichkeitscharakters nichts bekannt ist. So sind etwa (analog dem Desargues'schen Satz der Ebene) Axiome denkbar, die sich auf die Beziehung von vier durch einen Punkt gehenden Gera(j.en und vier indirekte Punkte, die in einer Geraden liegen, beziehen usw. · Aus den früher angegebenen Gründen müssen wir auf die systematische Untersuchung dieser Relationen höherer Stufe verzichten. Wir akzeptieren, bis die relationstheoretische Durchforschung der projektiven Geometrie den Nachweis mit den hier benutzten Methoden erlaubt, das von der bisherigen Forschung mit anderen Methoden erreichte· Ergebnis, daß keine weiteren Axiome des Raumes existieren. Aber schon aus dem mit unseren Methoden beigebrachten Material ergibt sich die Vermutung, daß demgemäß auch bei den Relationen höherer Stufe des Raumes keine freie Möglichkeiten bestehen, daß also Postulat 7 auch hier in Geltung bleibt. Fassen wir das bisherige Ergebnis zusammen: Soweit wir die Relationen nachprüften, hat sich in der Tat für die normale Euklidische Geometrie. die Giltigkeit des Postulats 7 ergeben. Überall dort und nur dort, wo freie Möglichkeiten vorlagen, setzten Axiome ein. Die Prüfung hat sich jedoch ün Bereich der Ebene nicht weiter als bis zum Desargues'schen Satz, im Bereich des Raumes nicht weiter als bis zur Tetraederkonfiguration erstreckt. Darüber. hinaus führten uns verschiedene Gedankengänge.
1) konnte der Nachweis erbracht werden, daß die direkte Anfügung von Elementen keine weiteren Axiome erzeugt. Weitere Axiome kommen nur bei Hereinziehung indirekter Elemente in Frage. '2) Wenn man als ein solches Axiom das Pascalsehe Axiom - das nicht deduziert wurde - hinnimmt, so zeigen die Hilbert-Hessenberg'schen Betrachtungen, daß mit seiner Hilfe alle Schnittpunktssätze beweisbar sind, d. h. daß auch im Bereich der indirekten Elemente außer der dem Pascalsehen Satz zu Grunde liegenden Relation keine freien Möglichkeiten existieren. Stellt man dies Ergebnis mit unseren Betrachtungen zusammen, so bestätigt sich die Geltung des Postulats 7.
§ 24. Der Satz von der Geschlossenheit des Axiomensystf:)ms der normalen Geometrie. Die gegebene Deduktion der Axiome leidet unter emem Schönheitsfehler, der sich - wenn man alle Anforderungen, die wir an die Deduktion stellten, beibehält- nicht beseitigen läßt. Die Deduktion gelingt nur, wenn man die von uns eingeschlagene Ordnung einhält, daß 1) die Axiome der Ebene vor denen des Raumes untersucht werden '2) die niederen Stufen vor den höheren 3) die setzenden Relationen vor den ausschließenden. Zwei von diesefi drei Gesichtspunkten sind in der Natur der Sache begründet: Daß man die Axiome der Ebene vor denen des Raumes untersuchen muß, ist eine Folgerung aus Post. 1 und daher unumgänglich. Daß die niederen Stufen vor den höheren zu untersuchen sind, bedarf keiner besonderen Rechtfertigung. Dagegen ist es keineswegs selbstverständlich, daß die Untersuchung aller setzenden Relationen der Ebene denen aller ausschließenden voranzugehen hat, und wieder die Untersuchung aller setzenden Relationen des Raumes der Untersuchung aller ausschließenden. Man könnte umgekehrt daran denken, mit den ausschließenden Relationen zu beginnen - oder auch die Relationen gleicher Stufe zusammenzusuchen - oder die Relationen mit gleicher ElementenzahL Eine solche Änderung
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der von uns eingehaltenen Ordnung wäre nicht ohne Einfluß auf das Ergebnis der Deduktion: Es würden manche Möglichkeiten, die bei unserer Ordnung freie waren, bei anderer Untersuchungsordnung zu abgeleiteten und andrerseits abgeleitete zu freien. Beginnt man etwa mit den ausschließenden Möglichkeiten, so läßt sich nicht mehr ableiten, daß es windschiefe Gerade gibt; denn hierzu werden die Axiome II 7 und II8 benötigt, die zu den setzenden Axiomen gehören. Es würde dann+ (ga,- A) auch für den Raum zur freien Möglichkeit, und es müßte demgemäß nach Post. 7 [ + (ga, - A)]y als Axiom gesetzt werden. Es würde dann der Satz gelten: Zwei Gerade schneiden sich stets in einem,Punkte, und dieser Satz würde zur Folge haben, daß II7 nicht mehr gelten könnte usw. Wir fragen, ob es keine Art der Deduktion der Axiome gibt, bei der man nicht mehr auf die "natürliche" Ordnung der Axiome angewiesen ist, sondern sich von jeder Ordnung freimacht. In der Tat existiert eine Deduktionsweise der Axiome, bei der die Ordnung innerhalb der Deduktion gleichgültig wird, bei der nicht nur die Bedingung aufgehoben wird, daß man die setzenden vor den ausschließenden Relationen gleicher Elementenzahl untersucht, sondern bei der man von jeder Ordnung in der Untersuchung überhaupt absieht - wenigstens wenn man sich auf die Axiome beschränkt, die zur Konstituierung des Dreiecks bezw. des Tetraeders benötigt werden - die Dreiecksaxiome und Tetraederaxiome, wie wir im Folgenden kurz sagen werden. Solches Absehen von der Ordnung der Axiome hat zur Folge, daß zum Ausschluß freier Möglichkeiten nicht mehr, wie bisher, bereits deduzierte Axiome zur Verfügung stehen. Soll dennoch eine Deduktion der Axiome gegeben werden, ohne daß eine feste Ordnung der Axiome vorgeschrieben ist, so muß man sich durch Hereinnahme eingeschränkter Bedingungen in die. Voraussetzungen der Deduktion doch irgendwie in den Stand setzen, diejeni~en Möglichkeiten, die nicht zu Axiomen führen, und die bei unserer bisherigen Deduktion mit Hilfe bereits deduzierter Axiome abgeleitet werden, auch jetzt noch als abgeleitete zu erweisen. Wir versuchen, der ordnungsfreien Deduktion der Axiome folgenden Satz. zu Grunde zu legen, von dem sich jedoch zeigen wird, daß er keines-
wegs m der Allgemeinheit gilt, mit der wir ihn zunächst aufstellen nicht einmal für die Dreiecks- und Tetraederaxiome: Angenommen, die Axiome einern-dimensionalen euklidischen Mannigfaltigkeit seien r an der Zahl. Nehmen wir ferner an, von diesen r Axiomen seinen r-1 Axiome bekannt (wobei es gleichgültig ist, welche diese r-1 Axiome sind). So kann das unbekannte r. Axiom in folgender Weise gefunden werden. Man sucht die freien Möglichkeiten auf, die sich unter Voraussetzung der Gültigkeit der r-1 Axiome ergeben. Man setzt all diese freien Möglichkeiten unmöglich. Von diesen so gefundenen Unmöglichkeiten existiert dann eine, aus der mit Hilfe der r-1 bekannten Axiome die andern dieserUnmöglichkeiten abgeleitet werden können. Diese Unmöglichkeit, aus der die andern abgeleitet werden, ist das gesuchte Axiom r. Wie man sieht, ist bei diesem Satz keine Rede mehr davon, daß man bei der Durchprüfung der Möglichkeiten in einer bestimmten Ordnung die Möglichkeiten zu untersuchen hat. Man kann mit der ersten Stufe so gut beginnen wie mit der 1 o., mit den ausschließenden Relationen so gut wie mit den setzenden. Voraussetzung ist jedoch, daß an den Postulaten 1 bis 6 festgehalten wird. Post. 7 ist natürlich aufgegeben, da an seine Stelle die speziellen Bedingungen des Satzes treten. Ehe wir an den Versuch eines Beweises des "Geschlossenheitssatzes" des normalen euklidischen Axiomensystems herangehen, prüfen wir erst einige Folgerungen, die sich unter Annahme der Gültigkeit dieses Satzes ergeben, um dadurch Handhaben für den Beweis selbst zu gewinnen: Wir nehmen an, wir hätten eine erste Auswahl I von r-1 Axiomen aus den r Axiomen vorgenommen. So werden durch diese r-1 Axiome eine Reihe von Relationszusammenstellungen ableitbarmöglich werden. N ehrneu wir eine andere Auswahl II von r-1 Axiomen, so werden durch II wiederum eine Reihe von Relationszusammenstellungen ableitbar möglich. Und zwar müssen es, wenn der Geschlossenheitssatz gilt, genau dieselben sein wie diejenigen, die durch II ableitbar möglich waren. Denn nehmen wir an, Z sei eine der durch Auswahl I ableitbar möglichen Relationszusammenstellungen, und zwar werde Z abgeleitet durch die Axiome a, b, c, d (die . demnach alle zu der Auswahl I gehören). Nun nehmen wir an, bei der
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Auswahl II wäre a das zunächst unbekannte Axiom r. Dann gehörte also a nicht zur Auswahl II; ~us b, c, d, ist jetzt Z nicht mehr ableitbar möglich. Wäre es nun wirklich bei der Auswahl II überhaupt nicht mehr ableitbar möglich, auch aus andern Axiomen als b, c, d nicht, so wäre es für die Auswahl II freie Möglichkeit und müßte demnach nach dem Gfschlossenheitssatz für unmöglich erklärt werden. Wir kämen danach je nach der Auswahl der r-1 Axiome zu verschiedenen Ergebnissen darüber, welche Relationen unmöglich sind und welche nicht. Der Sinn des Geschlossenheitssatzes verlangt jedoch, daß der Möglichkeitscharakter einer Relation nicht von der Auswahl der r-1 Axiome abhängt, da jede Auswahl immer wieder zur Euklidischen Geometrie führen soll. Daraus folgt, daß, wenn der Geschlossenheitssatz gilt, die Ableitbarkeit von Z nicht davon abhängen darf, ob a mitverwandt ist zur Ableitung von Z. Es muß also außer der Ableitung von Z durch a, b, c, d noch eine weitere Ableitung geben, die auf a verzichtet, also etwa eine Ableitung durch die Axiome c, d, e, f. Dieselbe Überlegung gilt aber für jede andere Ableitung von Z. Es müßte ebenso für die Ableitung von Z auch auf b oder c oder d verzichtet werden können. Demnach scheint es, als ob zum Erweis des Geschlossenheitssatzes so viele Ableitungen jeder Relation beigebracht werden müssen, als das Minimum der Axiome beträgt, die bei einer Ableitung verwandt werden. Auf dieseWeise würde bei der ersten Ableitung auf a, bei der zweiten auf b, bei der dritten auf c usw. verzichtet. Wäre diese letztere Folgerung berechtigt, so wäre die Aufgabe, den Geschlossenheitssatz zu beweisen, kaum durchführbar. Jede einzelne Gesamtrelation müßte durch eine größere Anzahl von Einzelableitungen abgeleitet werden. In Wahrheit genügen jedoch zwei Ableitungen für jede Relationszusammenstellung, wenn nur jede der beiden Ableitungen verschiedene Axiomgruppen benutzt. Verwendet etwa die eine Ableitung die Axiome a, b, c, d, e zum Erweis der Relation, die andere f, g, h, so ist es gleichgiltig, welches Axiom als das Axiom r angesehen wird, das bei der Auswahl ausgelassen ist, denn es kann dann zum Erweis der Ableitung der Relation stets eine Ableitung gefunden werden, die r nicht benutzt.
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Hat man den Beweis geführt, daß alle Relationen, die bei der emen Auswahl der r-1 Axiome ableitbar möglich sind, es auch bei jeder andern sind, so folgt daraus, daß die unmöglichen Relationen auch bei jeder Auswahl dieselben sein müssen. Denn es gibt nur unmögliche und ableitbar .mögliche Relationen, da alle frei möglichen Relationen unmöglich gesetzt werden sollen. Die u n möglichen Relationen sind bei Annahme aller r Axiome entweder selbst a x i o m a t i s c h u n möglich oder aus Axiomen abgeleitet. Läßt man ein beliebiges Axiom weg, so wird die Unmöglichkeit aller Relationen, die mit Hilfe dieses Axioms abgeleitet wurden, aufgehoben (soweit sie nicht auch ohne dieses spezielle Axiom abgeleitet werden- kann). Diese Relationen werden also jetzt frei möglich (denn wären sie ableitbar möglich, so hätten sie auch bei Geltung des Axioms r ableitbar m ö glich sein müssen, während sie bei Geltung des Axioms in Wahrheit unmöglich sind). Andere freie Möglichkeiten, als die aus der Aufhebung eines Axioms entstehen, kann es jedoch in der normalen Euklidischen Geometrie (die Geltung der Postulate vorausgesetzt) nicht geben, wie die frühere Deduktion der Axiome dartut. Hieraus folgt, daß man umgekehrt das Axiom r wiedergewinnen kann, wenn man diese freien Möglichkeiten, die durch seine Aufhebung entstanden sind, wieder aufhebt, also die freien Möglichkeiten unmöglich setzt und untersucht, aus welcher dieser Unmöglichkeiten die andern ableitbar sind. Voraussetzung dieses Gedankenganges ist jedoch, daß jede Gesamtrelation des Tetraeders, die ableitbar möglich ist, durch zwei Axiomgruppen bewiesen werden kann - soweit die Ableitung der Möglichkeit nicht etwa durch die Postulate zustandekommt. Wo eine solche Ableitung der Möglichkeit durch Postulate vorliegt, genügt eine Ableitung, da sie durch den Wegfall eines Axioms nicht berührt wird, da die Postulate stets erhalten bleiben. Durch den letzterwähnten Umsta11d wird die Untersuchung sehr vereinfacht. So sind, wie in § 1 1 gezeigt wurde, alle setzenden Relationen 1. und '2. Stufe aus den Postulaten ableitbar, ebenso die setzenden Rela-
Wir beginnen aus Gründen, die später deutlich werden sollen, die Untersuchung der Geltung des Geschlossenheitssatzes sofort mit der dreidimensionalen Geometrie. Es ist also unsere Aufgabe die doppelte Ableitbarkeit aller ableitbar möglichen zirkulären Relationen zu zeigen, soweit sie nicht einfach aus den Postulaten ableitbar sind. Wir halten auch hier wieder der Einfachheit halber die Untersuchungsordnung ein, die wir der früheren Deduktion der Axiome zu Grunde gelegt hatten; wir ·beginnen also auch hier mit den setzenden Relationen, die wir in der Reihenfolge der Stufen untersuchen, und gehen erst dann zu den ausschließenden Relationen über, obwohl natürlich hier diese Ordnung nicht vorgeschrieben ist. Soweit es tunlich, benutzen wir die früheren Ergebnisse der Ableitung von Relationen. Die ersten zirkulären Relationen der dreidimensionalen Geometrie fin-
nur die Unterfälle 2a), 2b) nicht durch die Postulate und Stipulationen erweisbar. Von diesen Unterfällen ·durfte damals 2a) und 2 b) identisch gesetzt werden, weil bei dem damaligen, eine bestimmte Ordnung einhaltenden Vorgehen noch kein Axiom bekannt war, das für a und A asymmetrisch war. Hier jedoch, wo alle Axiome als bekannt gelten, besteht solche Vertauschbarkeit nicht mehr. Denn in einer Reihe von Axiomen wie II 77 III4 treten a und A asymmetrisch auf. Deshalb müssen Unterfall 2a) und 2b) gesondert behandelt werden. Unterfall 2a) ist Grundrelation von II5 • Hier, wo nur die ableitbar möglichen Relationen untersucht werden, können die Grundrelationen von Axiomen außer Betracht bleiben. Es handelt sich bei ihnen auf jeden Fall um freie Möglichkeiten. Dagegen muß Unterfall 2b) auf doppelte Ableitbarkeit hin untersucht werden. Unterfall 2b: [+ (A, a)- (a, a) + (A, a)] Erster Beweis: Angenommen 2 b sei unmöglich; dann folgt - wenn man 2b)y auf zwei Gerade und zwei Ebenen anwendet: aus[+ (A, a) + (A, a)]: + (a a) "[+(A,b) +(A,a)]: +(b,a) " [ + (A, a) + (A, ß)]: + (a, ß) " [ + (A, b) + (A, ß)]: + (b, ß) Bildet man aus den vier Relationen die Gesamtrelation, die auf Grund der Postulate ableitbar möglich ist, so steht die Gesamtrelation aus den Folgerungen in Widerspruch zu II7 • Daher kann 2 b) nicht unmöglich sein. Zweiter Beweis: Eine Ebene a, ein Punkt A in ihr; ein Punkt außerhalb von a; die nach III3 gezogene Verbindungslinie zwischen A und B liegt nach II5 auch außerhalb a. Der erste Beweis benutzt also II7 ; der zweite Beweis III3 und II5 • Die zirkulären Relationen 4· Stufe. 1) Die zirkuläre Relation 4· Stufe zwischen zwei Elementensystemen.
den sich auf der 5· Stufe. Betrachten wir demgemäß die zirkulären Relationen 5· Stufe, deren Tabelle in § 16 aufgestellt wurde. Wie ebenfalls dort gezeigt wurde, sind
Wie in § 1 7 gezeigt wurde, sind alle Unterfälle mit Ausnahme derjenigen, die nur positive Vorzeichen haben, durch Postulate erweisbar. Die Relation
tionen 5· Stufe zwischen zwei ElementPnsystemen, ebenso die setzenden Relationen 4· Stufe zwischen zwei Elementensystemen. Ebenso brauchen auch bei den höheren Stufen nur die zirkulären Relationen in Betracht gezogen zu werden, denn nicht-zirkuläre Relationen sind schon aus den Postulaten ableitbar möglich (mit Ausnahme derjenigen, die zirkuläre Teilrelationen enthalten). Es sind also keineswegs alle Tetraederrelationen auf doppelte Ableitbarkeit zu untersuchen: Es fallen vielmehr aus der Untersuchung heraus: 1) diejenigen, die sich bereits früher als ableitbar unmöglich herausgestellt hatten. 2) diejenigen, die sich bereits früher als frei möglich ergeben hatten und deshalb axiomatisch verboten waren. 5) diejenigen, die aus Postulaten ableitbar möglich oder unmöglich sind.
§ 25. Die Durchprüfung der setzenden I-Relationen.
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[+
(Wl W2) + (~Il .SS2) + (W2 .SSt) + (W2 .SS2)J
.\
liefert mit positivem Vorzeichen das Axiom II6, wenn W1 , ~\ Punkte, W2 , ~2 Gerade bedeuten, das Axiom II77 wenn W1, ~ 1 Gerade, W2, ~ 2 Ebenen bedeuten. Einzig für den Fall, daß W17 ~ 1 Punkte, W2 , ~ 2 Ebenen bedeuten, handelt es sich nicht um freie Möglichkeiten, sondern um ableitbare Möglichkeiten.
[+ (A, a), + (B, a), + (A, ß), + (B, ß)];1_;t. Der erste Beweis folgt sehr einfach aus II5. Zweiter Beweis: Zwei Punkte A und B liegen in einer Ebene a. Die Verbindungsgerade a von A und B (III3 ); eine Ebene {3 durch A; ein Punkt C, der in ß und nicht in a liegt (Post. 3); so läßt sich mit Hilfe von III3 und II6 beweisen, daß eine Ebene a durch A, B, C mit ß identisch ist, so daß auch A und B in ß liegen müssen. 2) Die zirkulären Relationen 4· Stufe zwischen drei Elementensystemen.
[+ (W1 W2) + (~1 m:2) + (W1 Ws)+ C~1 Ws)J. Alle Unterfälle, die nicht rein positive Vorzeichen haben, sind wie in § 14 gezeigt wurde, durch die Postulate zu beweisen. Es bleiben also nur die Unterfälle mit positivem Vorzeichen für jede der drei möglichen Auswertungen. a) [+ (A, a), + (B, a), + (A, a), + (B, a)];t Erster Beweis durch II5. Zweiter Beweis: Zwei Punkte A und B in einer Ebene. Nach III3 ist eine Gerade durch A und B möglich. b) [+ (A, a), + (A, b), + (a, a) + (b, a)];t Erster Beweis: In _§ 1S wurde die Ableitbarkeh dieser Relation durch III'3 gezeigt. Das Axiom III 13 ist hier unbekannt, da wir es hier einzig mit . den Axiomen des Raumes zu tun haben. III'3 kann jedoch ersetzt werden durch III3 und II8 • Zweiter Beweis: Man nimmt in einer Ebene zwei Gerade an. Nach III' schneiden sie sich in einem Punkte. c) [+ (a, a), + (a, ß), + (A, a) + (A, ß)];t Erster Beweis: Eine Gerade a in zwei Ebenen, ein Punkt A auf a; nach . II5 liegt A in beiden Ebenen. Zweiter Beweis: Ein Punkt A, zwei Ebenen durch ihn; nach III" schneiden sie sich in einer Geraden.
3) Die zirkulären Relationen 5· Stufe. [ + (~f1 W2) + (!!\ W2) + CW1 Ws) + (~1 Ws) + (W2 W3)] Auch hier haben die früheren Betrachtungen, die diese Relationen untersuchten, vorgearbeitet (s. § 19). Eine Reihe von Unterfällen können ausgeschieden werden, da sie teils ableitbar unmögÜch sind, teils auf Grund von Postulaten a_bleitbar möglich sind. Wir betrachten einzig den Fall I ausführlicher, bei dem die W1 ~1 Punkte, m2 Gerade und W3 Ebenen bedeuten, also den Fall: [ + (Aa) + (Ba) ± (Aa) + (Ba) + (aa)]. Als ableitbar unmöglich hatten sich herausgestellt die Unterfälle 2a, 5a, 7a, ga. Ferner ist 1b freie Möglichkeit und wird daher als Axiom gesetzt (II8 ). Auf Grund von Post. 4 müssen möglich sein die Unterfälle: 4a, 4b, Sa, Sb, g b, 1 oa, 1 ob. (Satz von den zwei negativen Relationen.) Aus II5 sind ableitbar möglich: 1a, 2b, 3a, 5b, 7b. Durch Zeichenvariationen aus II8 sind ableitbar möglich: 1a, 2 b, 3 b. Durch zweifache oder vierfache Anwendung von II6 sind ableitbar möglich: 3a, 3 b, 6a, 6b, 7 b. Ordnen wir diese Fälle tabellarisch, so gilt: Unterfall 1. Beweis 2. Beweis Unterfall 1. Beweis 2. Beweis 1 a) ;l;l nach II5 ;l;t nach II8 6a) ;l;t nach 1I6 l b) 6b) IIs II6 ;l;t V " II5 " 2a) 7a) V V " II5 " 2b) 7b) ;l;l nach II6 II5 IIs II5 ;l;l ;l;l M " " " Sa) 3a) Post. 4 II5 II6 ;l;l ;l;l ;l;l " " " 3b) ;l;l Sb) IIs II6 ;l;l ;l;l " " " II· " 4 ga) ;l;l nach Post. 4 4a) V 5 " gb) Post. 4 4b) ;l;l 4 M " " " 1oa) 5a) II5 ;l;l V " " 4 " 1ob) 5b) II5 ;l;l ;l;l 4 " " aus Da nur diejenigen Unterfälle, die weder unmöglich" noch Postulaten ableitbar möglich sind, für unsere Zwecke eines doppelten Beweises bedürfen, so fehlt nur noch der zweite Beweis bei den Unterfällen 5b, 6a, 6b.
Unterfall '5b): + + Erster Beweis aus II5 . Zweiter Beweis: Eine Ebene eine Gerade außerhalb · nach II8 liegt ' in der Ebene. ' höchstens ein Punkt der Geraden Unterfall 6a): - - + + +. Erster Beweis: aus II6 • Zweiter Beweis: Eine Gerade c, zwei Punkte A und B auf c; zwei Ebenen a und ß durch c. Dann A und B in a und f3 (II5 ). Eine zweite Gerade in a, die wegen II7 und II8 nicht durch A und B gehen kann. Unterfall 6b: - - + + -. Erster Beweis nach II6 • Zweiter Beweis: Eine Gerade außerhalb einer Ebene kann nach II8 nur einen Punkt mit der Ebene gemeinsam haben; zwei Punkte der Ebene, die IJicht Schnittpunkte der Ebene und der Geraden sind, erfüllen 6b). Entsprechend können auch die Beweise für die anderen Hauptfälle der zirkulären Relation 5· Stufe geführt werden. Ebenso lassen auch die zirkulären Relationen höherer Stufe, die unterhalb der Tetraederrelation bleiben, doppelte Beweise zu. Die Durchführung ist langwierig, bietet aber keinerlei prinzipielle Schwierigkeiten.
§ 26. Die Durchprüfung der ausschließenden I -Relationen. Wie die setzenden, so müssen auch die ausschließenden I-Relationen daraufhin untersucht werden, ob sie eine doppelte Ableitung zulassen. Von den ausschließenden I-Relationen 1. Stufe kommen nur diejenigen zur Durchprüfung auf doppelte Möglichkeiten in Betracht, die weder als unmöglich erklärt sind, noch in ihrer Unmöglichkeit Folge anderer unableitbarer Relationen sind, noch in Unterfälle zerlegt werden können. Es sind dies A) die ausgezeichneten Relationen, in der Umformung für die normale Geometrie, wie sie auf Seite 160 aufgestellt wurden: 1) [+ (3A,- a)] . 4) [+ (3A, - >w)] 2) [ + (2a,- A)] 7) [+ (2a,- a)] 3) [ + (4A,- a)J 8a) [+ (2a,- 2a)]
B) Ferner sind hier auf doppelte Ableitbarkeit diejenigen ausschließenden Relationen zu untersuchen, die notwendig sind, weil ihr zugehöriges setzendes Äquivalent u n möglich ist; also [ + (2a, - 2A)];tA. und + (2A,- 2a);t;b weil II6 [(2a, 2A)]y; und ferner [+ (2a,- 2a)];t;t und [+ (2a, - 2a)];t;t, weil II7 [ + (2a, 2a)]y. Es sind also noch weiterhin zu untersuchen : [+ (2a,- 2a)] [+ (2a,- 2A)] [ + (2a, - 2a)] [+ (2A,- 2a)] Untersucht man diese Relationen auf doppelte Beweisbarkeit, so zeigt es sich, daß sie nicht gelingt. Soweit die Beweise in der Ebene allein verlaufen, benutzen sie immer wieder II6 ; soweit sie aus der Ebene heraustreten, benutzen sie II9 und II6 oder die äquivalenten II7 und II8 • Für ausschließende Relationen gelingt also die doppelte Ableitung nicht. Hieraus geht hervor, daß der Geschlossenheit s s atz sich für die dreidimensionale Geometrie nicht in der allgemeinen Form aufrecht erhalten läßt, in der wir ihn aufgestellt haben. Um darüber klar zu werden, ob dieses Versagen der doppelten Ableitbarkeit der ausschließenden Relationen eine Besonderheit der dreidimensionalen Geometrie bedeutet, machen wir den gleichen Versuch für die zweidimensionale Geometrie, den wir soeben für die dreidimensionale gemacht haben: Wir suchen den Geschlossenheitssatz für die Ebene zu beweisen. Beginnen wir mit den setzenden Axiomen, so sind auch hier wiederum nur diejenigen zirkulären Relationen auf ihre doppelte Ableitbarkeit hin zu untersuchen, die "unterhalb" der Dreiecksrelation bleiben. Bei den setzenden Relationen zeigt sich, daß nur sehr wenige Relationen auf doppelte Ableitbarkeit hin untersucht zu werden brauchen. Zwischen zwei Elementensystemen besitzt erst die 4· Stufe eine zirkuläre Relation: [± (Aa) +(Ab) + (Ba) ± (Bb)]. Alle Zeichenvariationen sind aus den Postulaten ableitbar, nur die Zeichenvariation mit positiven Vorzeichen nicht. Diese ist jedoch Grundlage für Axiom II6 • Es bleibt also keine aus Axiomen ableitbare Möglichkeit 4· Stufe. Zirkuläre Relationen 5· Stufe zwischen zwei Elementensystemen existieren nicht.
Wie nähere Prüfung zeigt, sind auch die möglichen zirkulären Relationen 6. und 7· Stufe aus den Postulaten ableitbar. Bei der 8. und g. Stufe dagegen sind einige Relationen doppelt ableitbar, einmal mit Hilfe von III'3 und andererseits mit Hilfe von III'. Es ergibt sich also, daß die setzenden Relationen der Ebene, soweit sie Dreiecksrelationen sind, den Anforderungen des Geschlossenheitssatzes genügen. Es sind weiterhin die ausschließenden Relationen zwischen A und a zu untersuchen. Überblickt man die Aufstellungen des § 7, so sind einzig folgende Relationen für unsere Beweisführungen von Interesse: 1) [+(3A,-a)];1;1_, 2) [+(3a, -A)];t1t, 3) [+(zA,-za)];[;l, 4) [+ (za,- zA)]A;t· Alle andern Relationen 1. Stufe sind entweder unmöglich oder Folgerungen aus den vier genannten Relationen. Alle vier Fälle können nicht ohne Hilfe von II'6 in der Ebene bewiesen werden. Es zeigt sich hier dasselbe, was sich bei den ausschließenden Relationen der dreidimensionalen Geometrie ergeben hatte: Die setzenden Relationen legen dem Geschlossenheitssatz kein Hindernis in den Weg, wohl aber die ausschließenden Relationen. Es steht daher zu vermuten, daß diese Tatsache auch für Geometrien höherer Dimensionenzahl gilt, daß die setzenden Relationen überall doppelt ableitbar sind, nicht aber die ausschließenden Relationen; wir müssen uns jedoch hier auf die dreidimensionale Geometrie beschränken. Die Ergebnisse der V ntersuchung nötigen dazu den Geschlossenheitssatz derart einzuschränken, daß zu seinem Beweis auf die doppelte Beweisbarkeit der ausschließenden Relationen verzichtet werden kann. Wir formulieren daher den Geschlossenheitssatz in folgender Weise: Angenommen, die Axiome der dreidimensionalen Mannigfaltigkeit seien r an der Zahl. Nehmen wir ferner an, von diesen r Axiomen seien r-1 Axiome bekannt, und zwar seien sämtliche ausschließenden Axiome und das Pascalsehe Axiom unter diesen r-1 Axiomen. So kann das unbekannte r-Axiom in folgender Weise gefunden werden: Man sucht
die freien Möglichkeiten der unterhalb der Dreiecks- und Tetraederrelation ~: bleibenden setzenden Relationen auf, die sich unter Voraussetzung der Gültigkeit der r-1 Axiome ergeben. Man setzt alldiese freien Möglichkeiten unmöglich. Von diesen freien Möglichkeiten existiert dann eine und nur eine, aus der mit Hilfe der r-1 bekannten Axiome die andern dieser Unmöglichkeiten abgeleitet werden können. Diese Unmöglichkeiten, aus der die andern abgeleitet werden können, ist das gesuchte Axiom r. Bewiesen ist dieser Satz zunächst nur für die dreidimensionale Geometrie - für die zweidimensionale Geometrie ist er wichtig, aber ohne Bedeu-' tung, da hier nur ein einziges setzendes Dreiecksaxiom, das Axiom II6 existiert. Um den Satz auch für höhere Dimensionenzahl zu beweisen, müßte den allgemeinen Gründen nachgespürt werden, aus denen bei der Dimensionenzahl 3 die setzenden Relationen doppelt ableitbar sind, aber nicht die ausschließenden. Es ist wahrscheinlich, daß der Geschlossenheitssatz auch für die setzenden Relationen, die über die Dreieck- und Tetraederrelationen hinausliegen, ableitbar ist, also auch dann gilt, wenn r das Pascalsehe Axiom ist. Doch wäre zum stringenten Beweis die Deduktion des Pascalsehen Axioms notwendig, die in den früheren Ausführungen nicht gegeben worden ist.
§ 27. Die anormalen Geometrien. Nach der "normalen" projektiven Geometrie muß die Anormalität der gewöhnlichen Euklidischen Geometrie studiert werden. Prinzipiell kann sich eine Anormalität überall dort einnisten, wo ein Axiom vorliegt. In der normalen Geometrie- das war ihr Charakteristikum- tritt überall dort ein Axiom auf, wo die systematische Untersuchung der Relationen eine freie Möglichkeit ergibt. Läßt man dagegen die freien Möglichkeiten fortbestehen, und verbietet sie nicht durch Axiome, so treten anormale Geometrien ans Licht. So kann man z. B. die freie Möglichkeit [ + (zA,- a)JA. fortbestehen lassen, anstatt sie durch ein Axiom - durch das Axiom III3 zu verbieten: Dann entstehen Typen von Geometrien, in denen nicht durch
.·jedes Punktepaar eine Gerade geht, sondern Punktepaare existieren, zwischen denen diE\ Verbindungsgerade fehlt. Oder es könnte das Transitivitätsaxiom II5 aufgehoben sein. Es wäre dann eine Geometrie entstanden, bei der ein Punkt in einer Geraden liegen kann, die Gerade in der Ebene, und der Punkt doch nicht in der Ebene. Nennen wir einfach- anormale Geometrien solche, bei denen eine der freien Möglichkeiten, die in der normalen Geometrie verboten werden, offen bleiben, so kann es ebensoviele Typen von einfach-anormalen Geonietrien geben, als spezifische Axiome in der. normalen Geometrie existieren; also, da an spezifischen Axiomen die 8 Axiome II5 , II6 , II7 , II" und III III III' III" existieren so gibt es acht Typen von Geometrien mit 3' 4' ' ' einfacher Anormalität. Fehlen zwei dieser Axiome, so reden wir von zweifacher Anormalität usw. Es ist klar, daß die Anormalität von der Dimensionenzahl mitbestimmt ist, die man betrachtet. Die gewöhnliche Geometrie der Ebene ist von einfacher Anormalität, denn es fehlt in ihr das Axiom III', das die Existenz von Parallelen verbietet. Die gewöhnliche Geometrie des Raumes dagegen ist von zweifacher Anormalität. Außer III' fehlt in ihr auch III". Zwei Ebenen können sich sowohl schneiden als nicht schneiden. Es sei darauf aufmerksam gemacht, daß möglichkeitstheoretisch der Aus. sage der Existenz von Relationen (es gibt einen Schnittpunkt zwei er Geraden usw.) eine andere Bedeutung zukommt dort, wo normale Verhältnisse vorliegen, als dort, wo Anormalieri einsetzen. In normalen Fällen bedeutet der Satz: "Eine Relation existiert", daß diese Relation entweder aus Postulaten oder aus frühen Axiomen ableitbar möglich ist- es muß nach früheren Axiomen und Postulaten Fälle geben, in denen die Relation realisiert ist, denn alle freien, nicht ableitbaren Möglichkeiten sind verboten. Dagegen bedeutet das "es gibt" im Falle einer Anomalie, daß kein Axiom vorliegt, das diese Relation verbietet. [ + (2a,- A)]~ in der gewöhnlichen Geometrie bedeutet, daß die Existenz von Parallelen durch kein Axiom verboten ist, während [ + ~Aa) +(Aß)+ (Ba)+ (Ba)];t, es gibt zwei Punkte, die in zwei Ebenen liegen, besagt, daß sich die Existenz der dieser Relation entsprechenden Konfiguration beweisen läßt.
Bei der üblichen Betrachtungsweise der Axiome stehen die Axiome, die Verbote freier Möglichkeiten darstellen, und diejenigen, die das Vorhandensein freier Möglichkeiten betreffen, wie z. B. das Vorhandensein von Parallelen, nebeneinander. Innerhalb der deduktiven Betrachtungsweise trägt nur jedes Verbot freier Möglichkeiten axiomatischen Charakter. - Die Existenz freimöglicher Relationen gehört nicht zu den Axiomen d. h. zu den V erboten, sondern zu den Anomalien der Deduktion.
§ 28. Die Euklidische Geometrie als anormale Geometrie. Gehen wir bei der Betrachtung der gewöhnlichen Euklidischen Geometrie von der Geometrie der Ebene aus, so ist diese, wie erwähnt, von einfacher Anormalität. IIf kommt in Wegfall: + (2a,- A) ist frei möglich -- es gibt parallele Gerade. Während bei dernormalen Geometrie diejenigen Relationen, die+ (2a,-A) alsTeilrelationen enthielten, sowie diejenigen Relationen, die aus [ + ( 2a, -A) Jv abgeleitet werden, unmöglich waren, sind sie jetzt durch Wegfall von III' ebenfalls frei möglich geworden. Diese frei möglichen Relationen können ihrerseits durch axiomatische Verbote getroffen werden. Es ist zu fragen, ob in der Tat irgend welche Relationen, die (2a, - A) als Teilrelation enthalten, axiomatisch verboten sind, so daß neue Axiome entstehen, die nur der gewöhnlichen Euldidischen Geometrie angehören. Solche Relationen, die+ (2a,- A) als Teilrelation enthalten, sind rein ausschließende oder gemischte Relationen. Nach den Überlegungen des III. Kapitels können ausschließende Relationen !2. Stufe nur dann axiomatische Verbote enthalten, wenn auch an der !2. Stelle eine der acht ausgezeichneten Relationen der Tabelle steht - und zwar muß die !2. Teilrelation zur ersten kohärent sein. Von den ebenen Relationen der Tabelle ist jedoch keine zu + (2a, - A) kohärent - mit Ausnahme von + ( 2a,- A) selbst. Nach früheren Überlegungen kann jedoch weder [ + (a, b,- A) + (b, c,- B)] noch [ + (a, b,- A) + (b, c, + B)] ein axiomatisches Verbot
+
liefern: Daher ist ein Axiom 2. Stufe, das + (2a, - A) als Teilrelation enthält, unmöglich. Auch für die folgenden Stufen kommen als Axiome nur kohärente Axiome in Frage. Es müssen also die a~iomfähigen Relationen beginnen mit [ + (a, b,- A) + (b, c, -r B)]. Sie werden zirkulär gemacht durch Zufügung einer Relation (+ a, c, -r C) zu den beiden ersteren. Es entstehen dadurch drei Fälle zirkulärer Relationen: 1) [ + (a, b,- A) + (b, c,- B) + (a, c,- C)] 2) [+ (a, b, - A) + (b, c,- B) + (a, c, + C)] 3) [ + (a, b, -'-· A) + (b, c, + B) + (a, c, + C)]. Andere zirkuläre Relationen 3· Stufe, die + (a, b, - A) als Teilrelation enthalten, gibt es nicht. Von diesen 3 Fällen ist der dritte, wie leicht ersichtlich, aus früheren Axiomen ableitbar möglich, indem man zwei Punkte zweier parallelen Geraden durch eine dritte Gerade verbindet. Dagegen sind Fall 1) und Fall 2) freie Möglichkeiten. Sie könnten daher beide als Axiom gesetzt werden : Fall 1)v: [ + (a, b,- A) + (b, c,- B) + (a, c,- C)Jv Oder: Aus[+ (a, b,- A), + (b, c,- B)] folgt+ (a, c, + C), d. h. Wenn zwei Gerade a und c einer dritten b parallel sind, so schneiden sie sich untereinander. Dieses Axiom findet in der gewöhnlichen Geometrie keine Verwendung. Ebenso kann Fall 2) unmöglich gesetzt werden: Fall 2)v: [+ (a, b,- A) + (b, c,- B) + (a, c, + C)Jy oder ausgewertet: 1) Wenn zwei Gerade einer dritten parallel sind, so sind sie untereinander parallel ; oder : 2) Wenn zwei Grade parallel sind, so schneidet jede dritte Gerade, die die eine der beiden Parallelen schneidet, auch die andere. Dieses Verbot von Fall 2) liefert ein neues Axiom der gewöhnlichen Euklidischen Geometrie. Axiom III9 : [ + (a, b,- a) + (b, c,- B) + (a, c, + C)]y oder in der üblichen Fassung, .die der Auswertung 2) entspricht: Zu einer Geraden ist durch einen Punkt außerhalb nur eine Parallele möglich.
Das Parallelenaxiom III9 der gewöhnlichen Geometrie - es ist, wie sich zeigen wird, nicht das einzige Parallelenaxiom - setzt also unmittelbar bei der nächsthöheren freien Möglichkeit ein, die durch die Anomalie, d. h. durch die Zulassung von Parallelen entstanden ist. Freilich wäre auch ein V erbot von Fall 1) als ein V erbot nächsthöherer Stufe zu bezeichnen. Daß es gerade Fall 2) ist, der als Axiom auftritt, muß als nicht weiter ableitbare Tatsache ebenso hingenommen werden wie die Tatsache der Anormalität selbst. Da unter Voraussetzung der Anomalie des Parallelismus die freie Möglichkeit nächsthöherer Stufe, die sich auf die Anomalie gründet, verboten ist, nennen wir die gewöhnliche Euklidische Geometrie der Ebene anormal von der 1. Ordnung. Die gewöhnliche Geometrie der Ebene ist also eine einfach anormale Geometrie 1. Ordnung. -Wäre auch noch die zirkuläre Relation 3· Stufe, die durch Axiom III 9 verboten ist, frei möglich und erst die nächsthöhere freie Möglichkeit verboten (etwa eine freie Möglichkeit 4· Stufe), so hätten wir eine anormale Geometrie 2. Ordnung usw. Träte überhaupt kein weiteres Axiom n;tehr ein, so wäre die Anomalie von unendlicher Ordnung. Daß das Axiom III9 von früheren' Axiomen unableitbar ist, ist aus dem AufJ;lau der Geometrie leicht ersichtlich - es macht eine Aussage über die Beziehungen von Parallelen, von Konfigurationen, die in der normalen Geometrie nicht vorkommen und durch sie nicht berührt werden. - Die Frage der Unableitbarkeit des Parallelaxioms von anderen Axiomen erledigt sich also innerhalb der Deduktion der Axiome ohne Schwierigkeit.
§ 29. Das Parallelenpaar P als Quasi-Element. Ist Axiom III9 das einzige Parallelenaxiom oder sind noch andere Relationen, die Parallele betreffen, axiomatisch verboten? Wir sind hier an dem Punkte angelangt, an dem die bisher noch nicht benützte Symbolik IV zur Anwendung kommen muß. Wir fanden bei den prinzipiellen Auseinandersetzungen über Symbolik zu Beg~nn des III. Kapitels, daß dort, wo die Beziehung von Konfigurationen zu Einzelelementen in Frage steht,
eine Klammersymbolik Platz greifen muß. So wird z. B. die Tatsache, daß eine Konfiguration aus einem Punkt und einer Geraden außerhalb einer Ebene liegt, ausgedrückt durch [- ( + (A, a), a)]. Wir fanden weiterhin, daß sich diese Klammern stets auflösen lassen, wenn' vor der inneren Klammer kein negatives Vorzeichen steht; so ist die erwähnte Relation auflösbar in [ + (A, a ), + (Aa) + (a, a)]; dagegen ist die (in der Euklidischen Geometrie ungültige) Relation [a,- (gA,- b)]J1_ (es gibt Ebenen, in denen Punktepaare liegen, durch die keine Gerade geht) nicht symbolisch auflösbar. In der n o r m a 1 e n Geometrie war diese Symbolik IV ohne Bedeutung. Das negative Vorzeichen vor der inneren Klammer, die selbst wieder negative Vorzeichen enthält, kann nicht vorkommen. Denn alle Konfigurationen, bei denen in der inneren Klammer ein negatives Vorzeichen vorkommt, lassen sich durch andere Konfigurationen ersetzen. Konfigurationen von der Form+ (U 17 - nU 2 ) können überhaupt nicht vorkommen, da diese Konfigurationen in der Euklidischen Geometrie stets unmöglich sind: Nach III1 und III2 gehen durch jedes Element eines Systems beliebig viele eines andern und liegen außerhalb eines Elementes eines Systems beliebig vi~le eines andern. Andererseits läßt sich z. B. (g A,- g a) in einer Gesamtrelation ersetzen durch g A, da (g A - g a) für jedes Punktepaar erfüllt ist. Und endlich kann z. B. + (5 A, - a) ersetzt werden durch + (A, B, a), + (B, C, b), wo a und b verschiedene Gerade bezeichnen; denn daß drei Punkte keine gemeinsame Gerade besitzen, ist äquivalent mit der Tatsache, daß A, Bund B, C auf verschiedenen Geraden liegen. Führt man diese Überlegungen weiter durch, so zeigt sich, daß in der normalen Geometrie jede Gesamtrelation, die Klammerglieder mit negativen Vorzeichen enthält, reduzibel ist. Entweder die Klammerrelation ist unmöglich, wie bei + (UP - n &2 ) oder sie ist durch ein einfaches Glied ersetzbar, wie bei (g A,- g a), oder sie ist durch äquivalente Relationen ersetzbar wie bei (5 A, - a). Daher hat auch das ~egative V ?rzeichen vor der Klammer nicht zur Folg~, daß die Klammer beibehalten werden muß, und deshalb waren wir bei den Untersuchungen der normalen Geometrie der Notwendigkeit enthoben die Symbolik IV hereinzuziehen.
Erst durch den Wegfall von III' in der gewöhnlichen Geometrie tritt diese Notwendigkeit ein von Symbolik IV Gebrauch zu machen. In[+ (ga, - A)] ist eine unauflösbare und durch andere Formulierungen unersetzbare Konfiguration gegeben, - eine Konfiguration die Teile einer höheren Konfiguration sein kann. Der Satz etwa: Durch jeden Punkt gehen parallele Gerade == es ist unmöglich einen Punkt zu finden, durch den keine Parallelen gehen: [ + (A, - (ab,-- B)Jv ist nicht durch die Symbolik I - III ausdrück bar. Wir vereinfachen die Klammersymbolik IV, indem wir die Konfiguration "Parallelenpaar" gleichsam als neues Element, als Element höherer Stufe auffassen, dessen Beziehung zu Punkt und Ebene untersucht werden muß. Auch die Sprache hat diese Notwendigkeit, hier gleichsam eine höhere Einheit anzunehmen, empfunden, indem sie den neuen Begriff des Paralle 1i s m u s als Bezeichnung eines einheitlichen konfiguralen Tatbestands eingeführt hat. Der Abkürzung halber bezeichnen wir das neue Element" " ' das "Quasi-Element" mit P, sodaß der oben angeführte Satz: durch jeden Punkt gehen Parallele [ + (A,- (a, b,- B)]v in der abgekürzten Symbolik lautet:[+ (A,- P)]y. Ebenso wie für die parallelen Geraden müßte streng genommen auch für die parallelen Ebenen eine einheitliche symbolische Bezeichnung eingeführt werden. Wir beschränken uns jedoch zunächst darauf, nur das parallele Geradenpaar als Quasi-Element einzuführen; es wird sich zeigen, daß für das parallele Ebenenpaar nicht dieselbe eingehende Behandlung notwendig ist. In anormalen Geometrien anderer Art würden auch andere QuasiEinheiten als besonders wichtig auftauchen. In einer anormalen Geometrie z. B., in der III3 fehlte, in der es also Punkte gibt, die nicht durch eine Gerade verbunden sind, würden solche isolierte Punktenpaare ebenso als neue Quasi-Elemente zu behandeln sein, wie hier die parallelen Geradenpaare. Da wir es jetzt mit einem neuen Element zu tun haben, so ist in der gewöhnlichen Euklidischen Geometrie der Ebene die I-Relation zwischen A und P nach denselben Methoden zu untersuchen, wie früher die I-Relationen von A zu a, von A zu a, von a zu a untersucht worden sind.
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§ 30. Die Prüfung der J -Relation zwischen A und P. Die setzenden Relationen zwischen Punkten und Parallelenpaaren fördern inhaltlich nichts N eues zutage. Sie lassen sich in Relationen auflösen, die bereits durch die frühere Symbolik getroffen wurden. So ist + (A, P) ~ + (A, a) + (a, b,- B) und - (A, P) ~ - (A, a)- (A, b) + (a, b,- B) usw. Nur die ausschließenden Relationen zwischen A und P treffen inhaltlich bisher noch nicht erfaßte Tatbestände, sei es, daß das Einzelelement oder das Parallelenpaar mit negativem Vorzeichen versehen ist. Diejenigen Relationen, bei denen A als zweites Klammerglied auftaucht, lassen sich einfach behandeln: es gilt [+ (P, - nA)]y: In jedem Parallelenpaar liegen beliebig viele Punkte; nachdem schon in einer Geraden beliebig viele Punkte liegen, ist dieser Satz evident. So lassen sich alle Sätze mit - A in der Klammer auf frühere Sätze zurückführen. Auch die I-Relationen mit- P und negativem Klammervorzeichen sind einfach zu erledigen. Es gilt: [- (A,- n 2 P)]y: Es gibt keinen Punkt, außerhalb dessen nicht beliebig viele Paare von Parallelen liegen; und verallgemeinert: [-·(n1 A,- n 2 P)]y außerhalb einer Punkt-Konfiguration von beliebig vielen Punkten liegen beliebig viele Parallelenpaare. Diese Tatsache ist nicht aus früheren zu erweisen. Wir lassen jedoch die Frage noch offen, ob sie axiomatischen Charakter trägt oder aus noch zu behandelnden Sätzen über Parallele ableitbar ist. Ebenso liefern die positiven ausschließenden I-Relationen zwischen A und P eine Reihe neuer Tatbestände: 1) [+ (A,- nP)]y. Durch jeden Punkt gehen beliebig viele Parallelenpaare. 2) [+ (2A,- nP)]y. Durch jedes Punktepaar gehen beliebig viele Parallelenpaare. 5) Der Fall [+ (sA,- P)Jv ist von besonderem Interesse. Durch jedes Punktetripel gibt es ei.n Parallelenpaar. Und zwar ist deutlich: Liegen die drei Punkte in einer Geraden, so gehen beliebig viele Parallelenpaare durch die drei Punkte. Liegen die drei Punkte nicht in einer Geraden, so gehen drei Parallelenpaare durch das Punktetripel - beim ersten Parallelenpaar geht die eine Gerade durch A, B, die zweite durch C; beim
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zweiten Parallelenpaar geht die erste Gerade durch B, C, die zweite durch A; beim dritten geht die erste Gerade durch A, C, die zweite durch B. Es gibt also nicht nur[+ (5A,- P)]y, [+ (sA,- 2P)], sondern [+ (sA,- sP)]V; dagegen gilt für 4P: + (sA,- 4P);1_. Es gibt drei Punkte, durch die keine vier Parallelenpaare gehen. 4) Weiterhin gilt: [+ (4A,- P)];l.. Es gibt Punktequadrupel, durch die kein Parallelenpaar geht, und als Folge davon [+ (n1 A,- n 2 P)];i: Für jedes nl
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Wir haben zunächst einfach diese Unmöglichkeiteil nebeneinander gestellt; wir fragen jetzt: Welche von diesen Unmöglichkeilen tragen axiomatischen Charakter und welche sind ableitbar? Und ebenso: Welche von den Möglichkeiten sind ableitbare und welche freie Möglichkeiten? Zur Ableitung von Möglichkeiten ist vor allem III9 das erste Parallelenaxiom zu benutzen: Durch jeden Punkt geht zu einer Geraden höchstens eine Parallele. Hieraus ist ableitbar, daß nicht durch jedes Punktequadrupel ein Parallelenpaar geht, sondern daß [+ (4A,- P)];t. und daß nicht durch drei Punkte vier Parallelenpaare gehen [+ (sA,- 4P)];1_. Die angeführten Möglichkeiten sind also sämtlich ableitbar, es gibt keine unableitbaren, freien Möglichkeiten 1. Stufe zwischen A und- P. Wir fragen weiter? Welche von den Unmöglichkeiten sind ableitbar? Aus [+ (sA,- sP) ]V folgt [+ ( 2, A,- 2P)]y und [+ (5A,- P)]y; ebenso folgt " [+ (sA,- P)]y: [(2A,- P)]y und [(A,- P)]y. Alle angeführtenUnmöglichkeiten folgen also aus [+ (sA,- 5P)]. Wir haben von dieser Relation bereits zwei Unterfälle unterschieden: 1) [(A, B, C, a), + (A, B, C,- sP)]y 2) [(A, B, C,- a) + (A, B, C,- sP)]y 1) bedeutet: ·Die drei Punkte A, B, C liegen in einer Geraden. Dieser Fall ist ableitbar aus [(2A,- P)]y. Denn, wenn durch jedes Punktepaar ein Parallelenpaar geht, so gibt es zu jeder Geraden eine Parallele und demnach liegen auch die Punkte, durch die eine Gerade hindurchgeht, in einem Parallelenpaar. 2) Die drei Punkte liegen nicht in einer Geraden. Der Satz läßt nach seiner Formulierung noch die Möglichkeit offen, daß etwa durch A, B
eme Gerade geht und durch C drei Parallelen zu ihr, da, wie erwähnt, über die Verteilung der Punkte auf die Geraden durch die Relation nichts ausgemacht ist. Nach III9 ist jedoch diese Möglichkeit ausgeschlossen, da durch einen Punkt zu einer Geraden höchstens eine Parallele möglich ist. Demnach müssen sich also die drei Parallelenpaare a1 b1 , a2 b 2 , a3 b3 derart verteilen, daß a1 durch A und B, b1 durch C geht, a2 durch B und C, b 2 durch A, a3 durch A und C, b 3 durch B, d. h. daß durch je zwei Punkte eine Gerade geht und durch den dritten eine Parallele zu ihr. Das Axiom muß also folgendermaßen gefaßt werden: Durch jedes Punktetripel gehen drei Parallelenpaare derart, daß durch jedes Punktepaar eine Gerade und durch den dritten Punkt die zu ihr parallele Gerade geht. Oder in der üblichen Fassung: Axiom III1 0 : D ur c h j e den Punkt a u ß er halb ein er G er a den geht zu dieser Geraden eine Parallele. Aus III10 lassen sich die andern Möglichkeiten und Unmöglichkeiteil ohne weiteres ableiten. Das Euklidische Parallelenaxiom muß also für die relationstheoretische Betrachtung in zwei Axiome zerlegt werden. Das eine, III1 0 , ist ein Axiom über ausschließende Relationen und besagt, daß es keinen Punkt außerhalb einer Geraden gibt, durch den nicht mindestens eine Parallele geht; III 9 bes~gt, daß höchstens eine Parallele durch diesen Punkt geht. Sie vereinigen sich in dem Satz, daß eine und nur eine Parallele durch jeden solchen Punkt geht.
§ 31 . Die d o p p e l t e Auffassung des Parallelismus. Es mag merkwürdig erscheinen, daß in § 30 III10 durch eine so komplizierte Formulierung symbolisch ausgedrückt und abgeleitet wurde. Es scheint doch weit natürlicher, III 10 sofort in der Weise auszudrücken, daß man die Parallelen auf eine Gerade und einen Punkt außerhalb bezieht: "es gibt durch jeden Punkt außerhalb einer Geraden eine Parallele zu dieser Geraden", anstatt wie wir es taten, davon auszugehen, daß durch drei Punkte drei Parallelepaare gehen und dann künstlich, durch III9 die
Fälle auszuscheiden, bei denen durch einen von diesen drei Punkten zwei oder drei Parallelpaare gehen. Wir sind jedoch zu diesem Umweg genötigt durch die Art, wie wir zu dem Begriff der Parallelen kamen, und durch den Begriff der Parallelen, den wir benutzen mußten. Die Tatsache des Parallelismus läßt sich nämlich durch eine zweifache Auffassung begreifen, von denen nur die eine uns in diesem Kapitel zugänglich ist. Parallelsein und Nichtparallelsein von Geräden bedeutet einmal eine Relation zwischen Geraden allein ohne Rücksicht auf die Tatsache des Ineinanderliegens von Geraden und Punkten. Es bedeutet dann: Gerade schneiden sich nicht- sie sind parallel. Daß das Sichschneiden oder Sichnichtschneiden von Geraden einschließt, daß sie sich in Punkten schneiden oder keinen Punkt gemeinsam haben, davon ist hier noch keine Rede. Andrerseits aber bedeutet Sichschneiden und Sichnichtschneiden eine Beziehung zwischenPunkten und Geraden. Sichschneiden oder Sichnichtschneiden besagt dann: es gibt einen Punkt oder es gibt keinen Punkt, der in zwei bestimmten Geraden liegt. Nur in der zweiten Auffassung hat der Parallelismus Bedeutung für die I-Relation. Daher ist nicht zweifelhaft, daß nur die letztere Auffassung des Parallelismus in diesem Kapitel verwandt werden darf, und alle Tatsachen des Parallelismus müssen daher zunächst ausgesprochen werden als Tatsachen von I-Relationen zwischen Punkten und Geraden. Deshalb ist es an dieser Stelle ausgeschlossen zu fragen: Gibt es durch einen Punkt außerhalb zu einer Geraden eine Parallele? Denn in einem solchen Falle würde der Parallelismus als Beziehung zwischen Geraden aufgefaßt, als die Beziehung einer Geraden zu einer andern. Wir können hier die Fragen über Parallelismus nur so stellen: gibt es Geraden paare, die keinen Punkt gemeinsam haben? usw. Denn nur so ist die Frage als eine Frage der Beziehung zwischen Punkten und Geraden gestellt. Deshalb ist die übliche Fassung: Durch jeden Punkt außerhalb einer Geraden gibt es zu dieser Geraden eine Parallele, zwar für uns zu einer kurzen Formulierung verwendbar, aber innerhalb der s y s t e m a t i s c h e n Aufsuchung von Möglichkeiten und U nmöglichkeiten von I-Relationen kann sie uns nicht begegnen. Erst im Kapitel V, der die Beziehungen zwischen den Elementen desselben Elementensystems
untersucht, wird die übliche Fassung auch ihre systematische Stellung finden. Hier dagegen mußten wir zunächst III10 in sehr umständlicherWeise formulieren, um es als ein Axiom fassen zu können, in dem der Parallelismus als Beziehung zwischen Punkten und Geraden auftritt. Wie man sieht, ist auch III10 auf dem Weg der Deduktion zu gewinnen, wenn man die J (A, P)-Relation als neue Relation auffaßt. Es treten keine freien Möglichkeiten auf, nur Unmöglichkeiten und ableitbare Möglichkeiten, und diejenige Unmöglichkeit, aus der sich die andern ableiten lassen, wird als Axiom gesetzt. Die Untersuchung des Parallelismus liefert also zwei neue Axiome: III9 : Sind zwei Gerade einer dritten parallel, so sind sie untereinander parallel oder: es gibt durch einen Punkt zu einer Geraden höchstens eine Parallele. III10 : Es gibt durch jeden Punkt außerhalb einer Geraden eine Parallele. Die Untersuchung zeigt also, daß das Parallelenaxiom nicht nur historisch, sondern auch sachlich eine besondere Stellung einnimmt. Seine Möglichkeit beruht auf einer Anomalie der normalen Geometrie. Wenn man zu sagen pflegt: das Parallelenaxiom bietet nichts prinzipiell Besonderes, jedes Axiom kann durch ein anderes ersetzt werden und liefert durch seine Abänderungen neue Geometrien- so ist diese Behauptung natürlich richtig, denn sie ist eine einfache Folgerung aus dem Wesen des Axioms. Aber damit ist noch nicht entschieden, ob die Abänderung eines Axioms in allen Fällen die gleiche Bedeutung hat. Und in der Tat, systematisch betrachtet, ist die Abänderung des Parallelenaxioms ganz anders zu bewerten als die eines andern Axioms. Ändert man das Axiom II6 dahin um: Zwei gerade Linien schneiden sich stets in. zwei Punkten, so hat man in die normale Systematik eine Anomalie eingeführt, indem man II6 wegläßt, und statt dessen eine dadurch entstehende freie Möglichkeit axiomatisch verbietet. Die Umänderung des Parallelenaxioms dagegen hat andere Bedeutung. Wenn man statt III9 und III1 0 : III' einführt, so hebt man eine Anomalie auf und stellt die normale Geometrie her. Führt man endlich statt III9 und III10 irgend eine beliebige nichteuklidische Axiomatik em,
so ersetzt man eine Anomalie durch eine andere. Es gibt also folgende Möglichkeiten der Abänderung von Axiomen : 1) Aufheben einer Anomalie. 2) Einführen einer Anomalie. 5) Ersetzen einer Anomalie durch eine andere.
§ 32. Vergleich der Axiome der Euklidischen und der normalen Geometrie. Die Aufstellung der Axiome III9 und III1 0 erschöpft keineswegs die Änderungen, die in der Axiomatik stattfinden, wenn man die normale Geometrie durch die gewöhnliche Euklidische ersetzt. Es bestehen hier verschiedene Möglichkeiten, wie durch Wegfall eines Axioms und Eintreten anderer an dessen Stelle ein Einfluß auf die Gestaltung der anderen Teile dE;r Axiomatik ausgeübt werden kann. 1) Durch Wegfall eines Axioms könn~n a) bisher abgeleitete Möglichkeiten z~ freien Möglichkeiten werden; b) bisher abgeleitete Unmöglichkeiten zu freien Möglichkeiten werden. Diese freien Möglichkeiten können in der anormalen Geometrie a) freie Möglichkeiten bleiben; b) wiederum zu Unmöglichkeiten werden, so daß sie also wieder ihren früheren Charakter erhalten. Diese Unmöglichkeiten müssen jedoch in der anormalen Geometrie axiomatischen Charakter tragen, während sie vorher, in der normalen Geometrie ab geIe i t e t e U nmöglichkeiten waren. Dieser Fall ist sowohl im Axiom III8 als im Axiom III9 realisiert. III8 : [ + (2a, A), + (2a, - a)]y war in der normalen Geometrie trivial, da schon [(2a,- a)Jv nach III" galt. In der gewöhnlichen Geometrie dagegen ist [ + (2a, - a) ];1_. Deshalb bedarf es eines ausdrücklichen Verbots, um [ + (2a, A), + (2a,- a)J unmöglich zu setzen, was durch III8 geschieht.Entsprechendes gilt für III9 : [ + (a, b,- C) + (b, c, - A) + (a, b, B)]y. --Es ist prinzipiell auch denkbar, daß in einer anormalen Geometrie freie
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Möglichkeiten axiomatisch verboten werden, die aus abgeleiteten Mög1ich k e i t e n der normalen Geometrie entstanden sind. Dieser Fall ist jedoch in der gewöhnlichen Geometrie nicht realisiert. a) Es kann auch geschehen, daß Relationen, die in der normalen Geometrie, ableitbar unmöglich waren, in der gewöhnlichen Geometrie nicht nur möglich werden, sondern notwendig werden. Das ist der Fall vom Axiom IIIw In der normalen Geometrie ist [P]y, daher auch [ + (5 A, P)]y. In der synthetischen Geometrie ist [P]A_, ebenso [ + (5 A, P)]A_: Es ist möglich, daß durch drei Punkte ein Parallelenpaar geht. Jedoch ist diese Relation nicht nur möglich, sondern notwendig, daher [(5 A,- P)]y. Das ist die Formel für Axiom IIIw 2) Durch die Einführung neuer Axiome III8 , III9 , III10 können frühere freie Möglichkeiten (die daher axiomatisch verboten werden mußten) zu abgeleiteten Möglichkeiten oderUnmöglichkeiten werden. Ist dies der Fall dann kommen durch die neuen Axiome ein Axiom oder mehrere ' Axiome der normalen Geometrie in W egfa.ll. weitere Dieser Fall ist in der Tat in der gewöhnlichen Geometrie realisiert beim Axiom III". (2a,- a) war in der normalen Geometrie eine freie Möglichkeit und lieferte daher Axiom III'': [ + (2a, - a) ]y zwei Ebenen schneiden sich stets in einer Geraden. Dagege~ folgt in der gewöhnlichen Geometrie mit Hilfe anderer Axiome, daß [ + (2a, - a)] gilt, daß es Ebenen gibt, die sich in keiner Geraden schneiden. (Man nimmt zwei Ebenen a und ß an, die sich in einer Geraden c schneiden. Durch zwei Punkte in c zieht man in beiden Ebenen die zwei Parallelen a1 und~' und b 1 und b 2 • Die Ebenen durch a1 und b1 , sowie durch a2 und b 2 , sind dann parallel. [+ (2a,- a)] wird also durch die Annahme von III9 und III1 0 zur ableitbaren Möglichkeit). Für den Raum ist demgemäß die gewöhnliche Geometrie zwar zweifach anormal, da neben III' auch III" fortfällt; und weder der Fortfall von III' unmittelbar den Fortfall von III", noch der Fortfall von III" den von III' unmittelbar bedingt. Dagegen ist, wie wir sagen wollen, die Wertigkeit die einer einfach anormalen Geometrie, da durch die Einführung neuer Axiome III9 und III10 , die sich auf den Wegfall von III' stützen, der Wegfall von III" ab-
leitbar wird. Daher darf die gewöhnliche Geometrie als eine einfach anormale Geometrie behandelt werden. III'' ist das einzige Axiom, das durch III9 und III10 zum Wegfall gebracht wird, wie die Durchsicht der Axiome zeigt. Einer besonderen Erörterung bedürfen noch die Axiomabeln II8 und II9 • Wir fanden, daß wenn wir III'3 (nicht nur III3 ) annahmen, also den Satz: durch zwei Punkte der E b e n e geht eine Gerade der E b e n e; und nicht nur: durch zwei Punkte geht eine Gerade - daß dann rrb aus IIIa I und II6 ableitbar wird. Wie gezeigt wurde, ist jedoch auch II9 aus II8 und II7 ableitbar, daher wurden die beiden Axiomahle II8 und II9 innerhalb der Deduktion der normalen Geometrie als Axiomahle hinfällig und wurden vielmehr zur ableitbaren Unmöglichkeit. Nimmt man dagegen in der normalen Geometrie nicht III3 1 als Axiom an, sondern nur III3 , so ist die Ableitung von II8 und II9 nicht mehr möglich, und II8 und II9 müssen als Axiomahle der normalen Geometrie wieder eingesetzt werden.
§ 33. Zusammenstellung der J -Axiome der normalen und der Eu k l i d i s c h e n Ge o m e tri e. Zum Schluß seien noch einmal die Axiome der normalen und der gewöhnlichen Euklidischen Geometrie des Raumes zusammengestellt, wobei die Postulate vorausgesetzt werden. 1) Gemeinsame Axiome der normalen und der gewöhnlichen dreidimensionalen Geometrie. I1 Es gibt vier verschiedene Elementensysteme: Punkte (A, B, C,) Gerade (a, b, c,) Ebenen, (a, ß, y) und Räume (R). 12 Es gibt nur einen Raum. II1 Die Relation J ist stets sinnvoll anwendbar gegenüber der Beziehung von zwei Elementensystemen. II2 Es läßt sich von zwei Elementen verschiedener Systeme stets entscheiden, ob die Relation erfüllt ist oder nicht. II3 Die J-Relation ist symmetrisch.
II4 Alle Elemente (Punkte, Gerade, Ebenen) liegen im Raum. II5 [ + (A, a) + (a, a)- (A, a)]y: Es ist unmöglich, daß ein Punkt in einer Geraden liegt, die Gerade in einer Ebene und der Punkt nicht in der Ebene. II6 [ + (A, a) + (A, b) + (B, a) + (B, b )]V: Es ist unmöglich, daß ein Punktepaar und ein Geradepaar ineinanderliegen. II 7 [ + (a, a) + (b, a) + (a, ß) + (b, ß)]y: Es ist unmöglich, daß ein Geradenpaar und ein Ebenenpaar ineinanderliegen. II8 [ + (A, a) + (B, a) + (A, a) + (B, a)- (a, a)]y: Wenn zwei Punkte in einer Geraden und zwei Punkte in einer Ebene liegen, so liegt auch die Gerade in der Ebene. II9 [ + (A, a) + (A, (3) + (a, a) + (b, ß)- (A, a)]y: Wenn zwei Ebenen sich in einem Punkte und einer Geraden schneiden, so liegt auch der Punkt in der Geraden. Es können entweder II7 und II8 oder II6 und II9 als Axiome angenommen werden. III3 [ + ('LA, - a)]y Durch jedes Punktepaar geht eine Gerade. III4 L+ (5A, - a)]y Durch jedes Punktetripel geht eine Ebene. Q) Axiome, die nur der normalen Geometrie angehören. III' [+ ('La, - A)]y Zwei gerade Linien der Ebene schneiden sich stets in einem Punkte. III" [+('La,- a)Jv Zwei Ebenen schneiden sich stets in einer Geraden. 5) Axiome, die nur der Euklidischen Geometrie angehören: III8 [+('La, A), +('La,- a)]yWenn zwei Ebenen sich in einem Punkte schneiden, so schneiden sie sich auch in einer Geraden. III9 [ + (a, b,- A) + (b, c,- B) + (a, c, C)]y Zwei Gerade, die einer dritten parallel sind, sind untereinander parallel, oder. durch einen Punkt gibt es zu einer Geraden höchstens eine Parallele. III10 Durch jeden Punkt außerhalb einer Geraden gibt es zu dieser Geraden stets eine Parallele. Die Axiome III1 und III2 der Zusammenstellung am Schluß des III. Kapitels sind weggelassen, da sie hier durch die Postulate ableitbar sind, III5 und III 7 waren identisch mit II6 und II7 ; III6 hatte sich bereits früher als eine in Wahrheit ableitbare Relation herausgestellt.
V. Kapitel
Die Axiome der Anordnung § 1. Die Lagerelation. Die vorangegangenen Kapitel waren der Untersuchung der axiomatischen Beziehungen gewidmet, die zwischen den Elementen eines Systems und denen eines andern bestehen. Es ist die Aufgabe dieses Kapitels, die Beziehungen zwischen den Elementen g I eiche r Systeme auf ihre wesensaxiomatische Bedeutung hin zu prüfen. Es soll mit der Untersuchung der Beziehungen zwischen Punkten begonnen werden. Es existieren zwei Beziehungen zwischen je zwei Punkten des Raumes, die der Entfernung und die der Lage. Von der Relation der Entfernung soll erst im folgenden Kapitel ausführlich gesprochen werden. In diesem Kapitel wird einzig die Re I a t i o n der Lage untersucht. Es ist vielleicht nicht ohne weiteres einleuchtend, daß zwei beliebige Punkte des Raumes nicht nur in einer Entfernungs relation, sondern auch in einer Lagerelatio~ stehen. Vielleicht läßt sich dasjenige, worum es sich handelt, indirekt verdeutlichen: die beiden in Frage stehenden Punkte A und B liegen auf einer Geraden. Auf dieser Geraden nimmt man noch einen dritten Punkt C an, und setzt fest, daß C "hinter" A und B liegt. Dann ist es nicht mehr beliebig, ob man nun A hinter B oder B hinter A ansetzen will. Zwischen B und A ist :dann die Beziehung eindeutig festgeIe g t. Hätte man umgekehrt festgesetzt, daß die Richtung der drei Punkte umgekehrt betrachtet werden soll, so daß C vor A und B liegt, so ist .trotzdem die Vor-Nachrelation zwischen A und B eindeutig festgelegt, nur in umgekehrtem Sinn als vorher: Im ersten- in der Wahl der "Blickrelation" - sind wir frei; im zweiten - in der Beziehung der Punkte zu einander - sind wir Knecht. Die Relation C hinter B hinter A hat also einen variablen, subjektiven Faktor und einen objektiven, festen. Subjektiv ist, von welcher Seite her man die Relation betrachten will: die "Blickrelation", die man auf die
r I Relation anwendet. Man kann den Tatbestand ebensogut so auffassen, daß A vor B vor C liegt, als daß C vor B vor A liegt. Dagegen ist fest, daß die Ordnung A B C gilt, und nicht B C A etwa. Das Feste an der Relation springt beim Vergleichzweier Einzelrelationen deutlich heraus. A steht in der s e 1b e n Relation zu B, wie B zu C, nämlich in der "Vor " r e l a t i o n oder in der "Hinter"-("Nach")-relation. Dagegen steht A zu Bin einer andern Relation wie C zu B. Daraus geht hervor, daß A zu Ballein auch schon in einer bestimmten Relation steht, und ebenso B zu C; denn zwei Relationen, die. nicht existieren, können auch nicht auf gleich oder verschieden verglichen werden. Beliebig ist, wie gesagt, nur, ob man die Relation von A zu B "vor" oder "hinter" ("nach") nennen will. Da je zwei Punkte auf einer Geraden liegen, so lassen sich auch für je zwei Punkte diese Betrachtungen aufstellen. Wir können also festlegen: Axiom IV1 : Zwischen zwei Punkten A und B besteht eine stets anwendbare definite Lagerelation: L (A, B). Axiom IV2 : Die Relation ist asymmetrisch. [L (A B), L (B A)]y. Wenn A vor B liegt, so liegt B nicht vor A; wenn B vor A liegt, so liegt A nicht vor B. Axiom IV3 :·Die Asymmetrie ist komplementär, d. h.: Wenn A nicht vor B liegt, so liegt B vor A. Oder: Von zwei Punkten einer Geraden A und B, liegt entweder A vor B oder B vor A. Nicht alle asymmetrischen Relati~nen sind komplementär: Die Vater-Sohn-Relation ist asymmetrisch, aber nicht komplementär: WennAder Vater von Bist, so ist zwar B nicht der Vater von A, aber daraus, daß B nicht der Vater von A ist, folgt nicht, daß A der Vater von B ist. (Ich ziehe die Bezeichnung "komplementär" für die in Axiom IV3 postulierte Eigenschaft der Relation der in der mathematischen Logik üblichen Bezeichnung "zusammenhängend" vor: Zusammenhängend ist streng genommen nur die ganze Reihe, nicht aber die Relation.) Die Asymmetrie der L-Relation ist jedoch auch noch in einem anderen Punkt, wie sich aus obigen Überlegungen ergibt, anders beschaffen als die Asymmetrie mancher andern asymmetrischen Relationen: Vergleieben wir mit der L-Relation etwa die Größer-Kleinerrelation: Von zwei Streckeu
s1 und s2 ist die eine die größere, die andere die kleinere. Durch die Strecken selbst ist bestimmt, welche der beiden Strecken die größere und welche die kleinere ist. Dagegen ist durch A und B nicht bestimmt, wie wir sahen, ob A vor B oder B vor A amomnehmen ist- es ist Sache unserer Blickri eh tung. Die Relation A undBist asymmetrisch, aber die Asymmetrie ist ihrem Gehalt nach u n gerichtet, während sie bei der Kleiner-G;ößer:.. relation gerichtet ist. Hat man durch Einführung einer Blickrichtung der Relation A B eine Richtung erteilt, so ist man in vielen Fällen (z. B. bei Punkten auf der Geraden, die durch A und B hindurchgeht) nicht mehr frei in der Wahl der Blickrichtung für andere Punkte. Daher Axiom IV4 : L (AB) ist ungerichtet asymmetrisch.
§ 2. Die qualitativen Axiome der Lagerelation. Ueber die qualitativen Verhältnisse der L-Relationen 1. Stufe ist in den Axiomen IV1 -IV3 alles Wissenswerte ausgesagt. Wie bei der J-Relation sind nach de~ L-Relationen 1. Stufe die L-Re'lationen g. Stufe zu untersuchen. Wir fanden L (A B) ist asymmetrisch: L (A B) ist nicht identisch mit L (B A ), ohne daß jedoch eine innere Richtung der Relation vorhanden ist. Wir fügen eine zweite Relation hinzu, zwischen zwei Punkten C und D: L (AB), L (CD). Auch hier bleiben die Relationen noch völlig ungerichtet. Wenn man A als vor B liegend auffaßt, so kann man (im Allgemeinen) sowohl C als vor D liegend auffassen als auch D vor C. Hieran wird auch nichts geändert, wenn die beiden Lagerelationen ein Element gemeinsam haben: wenn man also die Relationen L (AB) und L (A C} betrachtet. Nimmt man drei Punkte A, B, C an (die nicht in einer Geraden liegen), und nimmt an, A liege vor B, so bleibt es noch völlig frei anzunehmen, A liege vor C oder C liege vor A - dasselbe gilt auch für L-Relationen beliebig hoher Stufe L (AB), L (CD), L (E F). usw. Ein einziger Spezialfall schränkt diese Freiheit der Blickrelation ein: Wenn nämlich die Punkte, die auf ihre L-Relation betrachtet werden in ' . einer Geraden liegen. Hier gilt demnach der Satz: '
'
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Axiom IV5 • Für Punkte auf einer Geraden sind die asymmetrischen Blickrelationen der L-R elationen verschiedener Punktepaare nicht von einander unabhängig. Bei einer einzigen L-Relation L (AB) ist die Blickrelation: vor-nach noch immer beliebig. Bei der Zusammenstellung von zwei und mehr LRelationen dagegen bestehen Gesetze der Abhängigkeit der späteren Blickrelationen von der ersten Wahl der Blickrelation. Die Aufsuchung dieser Abhängigkeitsverhältnisse bildet den Gegenstand der folgenden Paragraphen.
§ 3. Das Transi ti vi tä tsaxiom der Vor-N achrela tion. Es soll im folgenden, ebenso wie früher bei der J-Relation, jetzt auch eine D e du k t i o n der spezifischen Axiome der L-Relation versucht werden. Wir legen auch hier wieder die qualitativen Eigenschaften der L-Relation, wie sie durch die Axiome IV 1 -IV5 festgelegt sind, zu Grunde und fügen hinzu folgende Postulate: Zu jedem Punkt gibt es beliebig viele Punkte, die vor ihm und beliebig viele Punkte, die hinter ihm liegen. Es gibt also keinen ersten und keinen letzten Punkt (Pöstulat 1). Als ein 2. Postulat hat zu gelten: Zu je zwei Punkten A und B einer Geraden kann ein dritter gefunden werden, der vor A und hinter B liegt. Es ist dies der Satz, der bei der Behandlung der Zwischenrelation formuliert werden muß: zwischen zwei Punkten einer Geraden gibt es stets einen dritten. Weiterhin nehmen wir als 3· Postulat der L-Relation dasselbe Postulat an, das bei der J-Relation als Postulat 7 bezeichnet wurde,- nämlich daß überall, wo freie Möglichkeiten auftauchen, ein axiomatisches Verbot einzusetzen hat. Wir werden im folgenden eine ähnliche Vereinfachung der Schreibweise vornehmen, wie bei der J-Relation. + (AB) soll bedeuten: A liegt vor B; +(BA) bedeutet, B liegt vor A.- (AB) bedeutet, A liegt nicht vor B; - (BA) bedeutet, B liegt nicht vor A.
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Da stets entweder A vor B oder B vor A liegt, so gilt: + (AB) """ - (BA); + (BA) """ - (AB). Liegt A vor B, so liegt B nicht vor A. Liegt B vor A, so liegt A nicht vor B. Wir werden, wo der Gegensatz zur Nachrelation nicht ausdrücklich betont werden soll, stets das+ Zeichen weglassen. Außerdem werden wir in den meisten Fällen die Punkte nicht mit A, B, C, D ..... sondern mit 1, 2, 3, 4 ..... bezeichnen. Die Art, wie bei den L- und den I-Relationen die Plus- und Minus zeichenverwendet werden, ist rein formell betrachtet, analog: Die s·achliche Bedeutung dagegen ist in beiden Fällen eine andere. + J (A a) besagt, daß die J-Relation zwischen A und a besteht,- J (A a), daß sienicht besteht. Di~ L-Relation dagegen besteht zwischen zwei Punkten stets. Plus- und Minuszeichen vor der L-Relation be~iehen sich daher nicht auf ·das Bestehen oder Nichtbestehen der Relation, sondern spezifizieren die Richtung der Relation, beziehen sich auf ihre asymmetrischen Auswertungen. + L (A B) heißt: Die L-Relation zwischen A und B ist derart beschaffen, daß A vor B liegt;- L (AB) besagt: Sie ist derart beschaffen, daß A nicht vor B liegt. Da aber entweder+ L (AB) oder+ L (BA) gilt, so kommen die erwähnten Identitäten zustande: - L (A B) """ + L (BA) usw. Bei der J-Relation dagegen sind + J (A a) und+ J (a A) einerseits,- J (A a) und.:___ J (a A) andererseits identisch. Daher entsprechen die Identitäten für die beiden Relationen einander nicht. Aus denselben Gründen wie bei der J-Relation ist für die Vorrelation kein Axiom 1. und· 2. Stufe möglich. Es gilt sowohl [ + 12];L als auch (± 12, +- 23);1. nach Postulat 1. Auch bei der Vor-nach-Relation kommen für Axiome nur zirkuläre Relationen in Betracht, ebenfalls aus denselben Gründen wie bei der J-Relation. Erst auf der 3· Stufe existieren zirkuläre Relationen und zwar ergeben sie sich aus folgendem Relationsschema: [± 12, ± 23, +- 13]. Von diesen sechs Relationen sind je drei durch Umbenennung identisch, so daß nur zwei verschiedene Relationen bleiben : Beide Relationen sind zunächst freie Möglichkeiten; und demnach er-
scheinen beide geeignet, als Axiome gesetzt zu werden. Prüfen wir zunächst Fall 1). Wir setzen: 1) [ + 12, + 25, + 15]y und machen die Anwendung von diesem präsumptiven Axiom auf die Lage der Punkte 1, 2 und 5 Aus [12, 25] folgt 51 nach 1)y Aus [51, 12] folgt 25 nach 1)y Aus [25, 51] folgt 12 nach 1)y Es gilt also die Relation: [12, 25, 51]~. Für drei Punkte ist also 1)y widerspruchsfrei. Wir nehmen einen vierten Punkt hinzu. Dieser vierte Punkt kann zu Punkt 1 sowohl die Lage 14 als 41 haben. Es sind also die beiden Fälle möglich: a) [12, 25, 51, 14] b) [12, 25, 51, 41]. · Es ist zu prüfen, ob a) und b) mit 1 )v vereinbar sind, und wie die Relationen von 4 zu 2 und 5 gestaltet sind. Legen wir den Unterfall a) zu Grunde, so folgt nach 1)y aus [51, 14]: 45· Für die Beziehung von 4 und 2 läßt sich aus den bereits bekannten Relationen nichts erfolgern: Es sind also noch 2 Unterfälle möglich: aa) [12, 25, 51, 14, 45, 24] ab) [H?, 25, 51, 14, 45, 42]. Legen wir aa) zu Grunde, so folgt aus 24, 45 nach 1)y: 52 im Widerspruch zu 25. Legen wir ab) zu Grunde, so folgt aus 42,25:54 im Widerspruch zu 45· Also ist sowohl aa) als auch ab) nicht mit 1)y vereinbar, daher Unterfall a) widerspruchsvoll. Entsprechend werde Unterfall b) geprüft: Aus 41, 12 folgt nach 1)y: 24. Für die Relation zwischen 5 und 4 bestehen die Möglichkeiten 54 und 45· Daher die Unterfälle: ba) [12, 25, 51, 41, 24, 54] bb) [12, 25, 51, 41, 24, 45l Legen wir ba) zu Grunde, so folgt aus 54, 41 nach 1)y 15 im Wider~ spruch zu 51. Legen wir bb) zu Grunde, so folgt aus 45, 51:14 im Widerspruch zu 41.
Weder Fall a) noch Fall b) ist also widerspruchsfrei mit 1)y vereinbar. Die Relation 1)y stößt also bei ihrer Anwendung auf innere Widersprüche; 1)y ist daher nicht als Axiom zu verwenden. Entsprechend ist zu prüfen, ob 2)y als Axiom gesetzt werden kann: 2)y: [12, 25, 51]y. Aus 1 2, 25 folgt also 15. Die Relation lautet also [1 2, 25, 15]. Indem man wiederum die Beziehungen zwischen 1 und 4 als 14 oder 41 annimmt, ergeben sich die Unterfälle: a) [12, 25, 15, 14] b) [12, 25, 15, 41] Untersucht man diese beiden Unterfälle weiter, so zeigt es sich, daß Relation 2V nicht auf Widersprüche führt, auch wenn man 4 Punkte zu Grunde legt. Ein Punkt 4 kann widerspruchsfrei vor oder hinter Punkt 1 liegen. Liegt er vor 1 (Fall b), so liegt er auch vor 2 und 5· Liegt er hinter 1 (Fall a), so kann er sowohl vor als auch hinter 2 und 5 liegen. Liegt er hinter 5, so liegt er auch hiriter 2. Fall 2) ist also eine freie Möglichkeit, die in sich widerspruchsfrei ist. Es muß daher nach dem Postulat der Deduktion 2)y: [u~, 25, 51]y als Axiom gesetzt werden. Das Axiom lautet: Axiom IV6 : [1 2, 25, 51]y. Wenn ein Punkt 1 vor Punkt 2 und Punkt 2 vor Punkt 5liegt, so liegt auch Punkt 1 vor Punkt 5, oder: Die Vor-Nachrelationist transitiv. Die Ableitung des Axioms IV6 mitteist des Postulats 5 zeigt eine Eigenart, die in den bisherigen Untersuchungen uns noch nicht begegnet war. Bei allen früheren Gelegenheiten wurden Fälle dadurch als nicht zu Axiomen geeignet erwiesen, daß sich ihre Nichtvereinbarkeit mit früheren spezifischen Axiomen oder mit Postulaten herausstellte. Hier jedoch wird von den zwei begrifflich möglichenFällen von Axiomen der eine dadurch als untauglich für die Axiomatik erwiesen, daß man den V ersuch macht, ihn als Axiom zu setzen. Dieser Versuch scheitert nämlich daran, daß die Konsequenzen dieses präsumptiven Axioms zu einem der Postulate, zur Forderung der Existenz von beliebig vielen Punkten der Geraden in Widerspruch stehen.
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Ähnlich wie ehemals bei Axiom II'6 ist also nur ein einzigerFall 3· Stufe widerspruchslos mit den Postulaten vereinbar. Wir hätten deshalb auch formulieren können: "Es existiert ein Axiom 3· Stufe der L-Relation." Aus dieser Formalfassung, daß überhaupt ein Axiom 3· Stufe existiert, hätte sich sein Inhalt erschließen lassen. Die Untersuchung zeigt, daß es überhaupt nur ein Axiom 3· Stufe geben kann, und wir können daher aus der Tatsache, daß es ein Axiom 3· Stufe gibt, den Inhalt dieses Axioms erschließen.
§ 4. Die L- R e 1a t i o n 4· Stufe. Es gibt nur ein Schema einer zirkulären Relation 4· Stuf~. Denn geht man von drei Punkten 1, 2, 3 aus, so gilt stets eine der Relationen [±12-+-23], und diese Relation wird zirkulär, indem man 1 und 3 mit 4 verbindet, also [-+- 12, ± 23,-+- 14,-+- 34). Es bleiben zunächst scheinbar noch eine größere Zahl von Unterfällen. Durch Umriummerierung- einfache oder mehrfach~- kann stets:+ 12 an den Anfang gelangen. Ferner kann ebenfalls stets+ 23 durch Umnummerierung an die 2. Stelle gelangen, mit Ausnahme des einen Falls: 1) + 12, + 32, + 14, + 34 und der Fälle, die sich durch Umnurnmerierung in diesen Fall 1 verwandeln lassen. Steht + 1 2, + 2 7) an den beiden ersten Stellen, so bleiben noch als mögliche Relationen, die sich nicht durch Umnummerierung in andere verwandeln lassen. 2) + 12, + 2 3 , + 14 , + 54 5) + 12, + 2 5 , + 4 1, + 54 4) + 12, + 25, + 14, + 45· Es bleiben also zunächst 4 Unterfälle: 1) V ersuchen wir Fall 1 als Axiom zu setzen: 1)v: [+ 12, + 5 2, + 14, + 54Jv. Aus [+ 12, + 52, + 14] soll also stets die Geltung von + 45 folgen. Es muß also zusammen bestehen können:[+ 12, +52,+ 14, + 45). Wir untersuchen, ob diese Relation mit dem Transitivitätsaxiom IV6
verträglich ist, indem wir der Reihe nach auf zwei Relationen das Axiom anwenden, soweit die Relationen es erlauben: Aus+ 14, + 45 folgt+ 15 aus+ 15, + 32 folgt+ 12 aus+ 45, + 52 folgt+ 42 aus+ 14, + 42 folgt+ 12 Für vier Punkte ist also 1)y widerspruchslos mit Axiom IV6 vereinbar. 2) Prüfung von Fall 2. " 2): [+ 12, + 25, + 14, + 54J. Diese Relation ist in Wahrheit nur eine Scheinrelation 4· Stufe, denn sie läßt sich aus der Relation 5· Stufe [ + 12, + 25, + 54) mitte1st IV6 ableiten: Aus+ 12, + 25 folgt+ 15 aus+ 15, +54 folgt+ 14. + 14 ist also eine bloße Folge der 5 anderen Relationen. 3) Prüfung von Fall 5· 5 ): [ + 1.2, + .2 5 , + 4 1, + 54]. ·Diese Relation braucht nicht durch ein Axiom unmöglich gesetzt zu werden, denn sie ist durch IV6 ableitbar unmöglich. Denn aus+ 25, + 54 folgt+ 24; aus+ 41, + 12 folgt+ 42 (nach IV6 ) 4) Prüfung von Fall 4· . Versuchen wir Fall 4) als Axiom zu setzen: 4)y: [+ 12, + 25, + 14, + 45Jv. Hieraus folgt als bestehende Relation: [ + 12, + 23, + 14, + 54]: Aus,+ 12, + 25 folgt+ 15 aus+ 25, + 54 folgt+ 24 · aus+ 15, +54 folgt+ 14 aus+ 12, + 24 folgt+ 14 Für 4 Punkte kann also 4)y widerspruchslos als Axiom gesetzt werden. Für 4 Punkte sind also Fall 1)y und 4)y mit IV6 verträgliche Axiome. Es muß untersucht werden, ob auch für 5 Punkte die beiden hypothetischen Axiome mit IV6 verträglich bleiben: 1) Prüfung von+ 1)y. Aus[+ 12 +52+ 14] folgt+ 43· Nach den Postulaten gibt es sicherlich einen 5· Punkt, der sowohl hinter 1 als hinter 5 liegt, für den also gilt': + 15, + 13. Nach Fall 1)y folgt jedoch aus + 12, + 52, + 15 stets + 55· Daher steht 1 )y in Widerspruch mit den Postulaten.
2) Prüfung von + 4)V· Fall 4)y: Aus [+ 12, + 23, + 14] folgt + 34· Wir wählen einen Punkt 5, sodaß + 15, + 53 gilt. Nach 4)y müßte aber stets aus + 15 folgen, daß + 35 gilt. Also ist auch 4)y nicht mit den Postulaten 1 und 2 verträglich. Etwas umständlicher hätte sich dasselbe beweisen lassen, wenn man für Punkt 5 nicht zwei Einzelrelationen, sondern nur eine voraussetzte, etwa nur daß 5 hinter 1 liegt. Es hätte dann durch Umnummerierung der Punkte die mehrfache Anwendung von 1)y bezw. 4)y auf Widersprüche geführt. In letzterem Fall braucht man nicht das spezielle Postulat der Vor-Nachrelation, daß zwischen je zwei Punkten ein dritter existiert, sondern nur die allgemeine Tatsache, daß es auf den Geraden mehr als 4 Punkte gibt. Da alle freien zirkulären Relationen 4· Stufe als Axiome gesetzt auf Widersprüche führen, so ergibt sich, daß kein zirkuläres Axiom 4· Stufe existieren kann. Die zirkulären Relationen 4· Stufe sind entweder ableitbar möglich oder in sich widerspruchsvoll. Es gilt also der Satz : Es gibt kein Axiom 4· Stufe der L-Relation auf der Geraden. Was hier aus den Formeln abgeleitet wurde, wird an der Figur ohne weiteres klar: Wenn wir drei Punkte 1, 2, 3 auf einer Geraden haben, so sind für einen vierten Punkt noch die Möglichkeiten offen, daß er vor 1 liegt, zwischen .l und 2, zwischen 2 und 3, hinter 3· Sind aber diese Relationen festgelegt, so sind alle übrigen Relationen des Punktes bekannt. Ein Axiom 4· Stufe würde bedeuten, daß eine der Lagen des Punktes 4 verboten ist. So würde etwa 4)y bedeuten, daß der 4· Punkt zwar hinter 1 liegen kann, aber nicht vor 3; 4 muß also hinter 3 liegen. Zwischen 1 und 3 könnte also nur ein Punkt, nämlich 2, liegen. Zwischen 1 und 4 liegen also sicherlich die zwei Punkte 2 und 3· Nimmt man nun einen 5· Punkt an, so läßt es sich leicht durch Umnummerierung einrichten, daß sich aus 4)y ergeben muß, daß zwischen 1 und 4 nur ein Punkt liegen darf, was in Widerspruch zu den Voraussetzungen steht usw. Was hier für die Relationen von vier Punkten gezeigt wurde, läßt sich für beliebig viele Punkte verallgemeinern. Es seien die Relationen der
Punkte 1, 2, 3 ...... n gegeben. Für einen Punkt n + 1 läßt der Transitivitätssatz bestimmte Relationsmöglichkeiten offen. Eine dieser nichtverbotenen Relationsmöglichkeiten werde durch ein neues Axiom verboten. Es sei z. B. bekannt, daß n + 1 vor a + 1 liege; sosoll das Axiom verbieten, daß er hinter a liegt -- es bestehe also ein Verbot, daß n + 1 zwischen a und a + 1 liege. Dann lassen sich stets neue Punkte einführen und zusammen mit den altAn derart umnummerieren, daß auf Grund des Axioms folgen müßte, daß etwa Punkt b nicht zwischen Punkt b + 1 und Punkt b - 1 liegt, wo b - 1, b und b + 1 zu den ursprünglich angenommenen Punkten gehören, die so gelagert sind, daß b zwischen b - 1 und b + 1 liegt. Man kann also die Unmöglichkeit von Axiomen höherer Stufe durch die Abbildung der Punkte der geraden Linie auf sich selbst beweisen. Existiert also das Transitivitätsaxiom, so ist kein weiteres Axiom möglich. Es gibt gewiß Relationen höherer Stufe, die nicht u n mit t e I bar durch das Transitivitätsaxiom ableitbar sind, also scheinbar freie Möglichkeiten darstellen, aber sie können nicht als Verbote gesetzt werden, da sie auf Widersprüche mit den Postulaten und dem Transitivitätsaxiom führen. Es gilt also ganz allgemein der Satz: Existiert ein Axiom 3· Stufe, so sind bei den eindeutigen, asymmetrischen, komplementären Re I a t i o n e n Axiom e h ö h er er Stufe u n m ö g I ich, oder anders ausgedrückt: Bei den t r ans i t i v e n, asymmetrischen, komplementären Relationen sind Axiome von höherer als dritter Stufe unmöglich. Läßt man das Transitivitätsaxiom weg, verzichtet also auf das Postulat des Verbots freier Möglichkeiten, so sind Axiome von höherer als 3· Stufe bei asymmetrischen Relationen sehr wohl denkbar, z. B. [1 2, 23, 14, 43]y. Wie sich zeigen läßt, ist kein Axiom 4· oder höherer Stufe imstande, weitere widerspruchslose freie Möglichkeiten und damit die Möglichkeit weiterer Axiome auszuschließen. Wir finden also: Die Geltung des Transitivitätsaxioms macht alle weiteren SetzendenAxiome unmöglich; während, wennman dasTransitivitätsaxiom bei einer asymmetrischen, komplementären Relation wegläßt, mehrere weitere Axiome auftreten können, etwa ein Axiom 4· und eines 6. Stufe usw.
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Dies Ergebnis erlaubt die Formalfassung des Transitivitätsaxioms noch allgemeiner zu fassen, als oben. Die frühere Formalfassung lautete: "Es gibt ein Axiom 5· Stufe der L-Relation" und aus dieser Formalfassung ließ sich der Inhalt des Transitivitätsaxioms ableiten. Nach dem jetzigen Ergebnis können wir formulieren: Es gebe für eine asymmetrische, komplementäre eindeutige Relation ein Axiom, dessen Existenz (bei Zugrundelegung der Postulate) jedesweitere Axiom ausschließt. Dann ist der Inhalt dieses Axioms ableitbar: Es ist das Transitivitätsaxiom. Es läßt sich diese Formalfassung auch als Postulat an Stelle des Postulats des Verbots freier Möglichkeiten ein{ühren. Die Vor-nach-Relation ist nur ein beliebiges Beispiel einer asymmetrischen, eindeutigen, komplementären, transitiven Relation. Bei der Deduktion der Unmöglichkeit weiterer Axiome war weiter nichts benutzt worden als die Tatsache der Eindeutigkeit, Asymmetrie, komplementären Beschaffenheit, Transitivität und die über vier hinausgehende Anzahl der Relationsglieder. Dadurch zeigt sich: es gib.t nicht mehr als einen Typus von Elementensystemen, deren Elemente durch eine eindeutige asymmetrische kqmplemen täre transitive Relation zusammengeordnet sind. Ein Repräsentant dieser Ordnung ist die Ordnung von Punkten auf der Linie, und deshalb wollen wir diese Ordnung die lineare Ordnung nennen. Es gibt demnach nur eine e~n zige lineare Ordnung; die Punktordnung der geraden Linie kann zum Symbol einer sehr großen Zahl von Elementensystemen dienen: alle asymmetrischen eindeutigen komplementären transitiven Bereiche müssen in linearer Ordnung stehen und können demnach auf der Punktreihe abgebildet werden. Und da andererseits die Zahlenreihe . ebenfalls einer asymmetrischen Ordnung gehorcht, so sind alle diese Bereiche auch auf die Zahlenreihe abbildbar. Die auffällige Tatsache, daß sich die Zahlenreihe auf so viele Gegenstandsbereiche eindeutig beziehen läßt, wird so aus der formalen Iden,tität aller asymmetrisch-transitiven Relationen verständlich.
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§ 5. Die Zwischenrela tion. In den meisten Darstellungen der Axiomatik werden die Axiome der Anordnung keineswegs auf die Vor-nach-Relation, sondern auf die Re-· lation "zwischen" aufgebaut. Vom Standpunkt der Wesensaxiomatik aus ist der Begriff "zwischen" ein abgeleiteter Begriff, die auf ihn gegründetEm Axiome sind unechte Axiome. Daß man dennoch· meist die Relation "zwischen" statt der Grundrelation "vor-nach" benutzt, findet seine Erklärung darin, daß die Einführung der Relation "zwischen" die "Subjektivität" der Blickrichtung der "Vornach"- Relation aufhebt. Die Vornach-Relation ist asymmetrisch und verlangt demgemäß eine Richtungsangabe des Sinns, die jedoch in den Elementen der Relation noch nicht beschlossen liegt. Die "Zwischenrelation" ist dagegen durch die Lage ihrer drei Punkte eindeutig fixiert. Die Punkte A, B, C bestimmen unmittelbar, daß B zwischen A und C liegt, während bei gleicher Lage der Punkte noch A vor B, vor G gesetzt werden kann, wie auch C vor B, vor A. . Aber dieser Vorzug der Zwischenrelation hat seinen Grund nicht darin, daß die Zwischenrelation etwa eine gegenüber der L-Relation qualitativ andersgeartete unfundierte Relation wäre, sondern darin, daß sie zwei entgegengesetzt gerichtete Vor-nach-Relationen zusammenfaßt und dadurch die Subjektivität ihrer Richtungen neutralisiert. Denn wir sagen: B liege zwischen A und C, wenn entweder gleichzeitig A vor B und B vor ~ liegt, oder gleichzeitig C vor B und B vor A. Alle in den Darstellungen der Axiomatik axiomatisch festgelegten Bestimmungen über die Zwischenrelation lassen sich demgemäß aus Eigenschaften der linearen Ordnungsrelation ableiten. Wenn wir mit B (AC) bezeichnen, daß B zwischen A und C liegt, so gilt z. B. [B (AC), A (BC)]y, sowie [B (AC), C (AB)]y in Worten: Wenn B zwischen A und C liegt, so liegt weder A zwischen B und C noch C zwischen A und B. Dieser Satz ist einfach eine Folge de; entsprechenden Sätze der Vor-Nachrelation. Und ebenso läßt sich aus der Bestimmung der Zwischenrelation ableiten: von drei Punkten A, B und C liegt stets einer zwischen den beiden andern. Ferner der Satz: zwischen zwei Punkten einer Geraden liegt stets ein dritter.
Legt man daher die Zwischenrelation den Betrachtungen ebenso zu Grunde, wie früher die Vor-nachrelation, so läßt sich leicht zeigen, daß z. B. das Postulat des Verbots freier Möglichkeiten auch für die Zwischenrelationen erfÜllt ist und zu den Axiomen der Zwischenrelationen ·hinführt. Und ebenso läßt sich über die Beziehungen der Zwischenrelationen zueinander, ganz ähnlich wie bei der Vor- und Nachrelation, ein Satz in formaler Fassung aufstellen, der sich aus dem analogen Satz der Vor-nachrelation ableiten läßt. Dieser Satz lautet in seiner Formalfassung: Es existiert eine feste Beziehung zwischen den vier Zwischenrelationen der Punkte A, B, C, D derart, daß aus zwei Zwischenrelationen zwischen den Punkten [etwa aus A (BC) und B (CD)] die andern esymmetrisch eindeutig folgen. (Es muß der Begriff des Esymmetrischen erläutert werden. Wir wählen zur Erläuterung das Tr~msitivitätsaxiom: [ u~, 25, 51 ]y. Aus 12, 25 folgt nach ihm eindeutig 15 usw. Nun ist aber zur Ableitung einer dritten Relation nicht immer 12, 2 5 bekannt, sondern zu weilen 1 2 und 1 5 : die Tatsache, daß ein Punkt 1 vor zwei andern 2 und 5 gelegen ist. Das Transitivitätsaxiom gibt keine Auskunft darüber, wie Punkt 2 und 5 zu einander gelagert sind; es kann überhaupt keine Gesetzmäßigkeit existieren, die etwa sagte: Aus 12 und 15 folgt 25. Denn man brauchte dann nur umzunummerieren, so folgte ebenso aus 12 und 15: 52. Beide Folgerungen sind mit dem Transitivitätsaxiom zu vereinen, widersprechen aber untereinander. Es muß also, wenn 12 und 15 bekannt sind, in der Tat noch möglich sein, daß 2 vor 5, wie auch, daß 5 vor 2 liegt, denn wenn nur das eine möglich wäre, so ließe sich aus der ihm zu Grunde liegenden Gesetzmäßigkeit zeigen, daß auch das andere möglich sein müsse. In der Tat bleibt offen, ob 5 vor 2 oder 2 vor 5 liegt. Wenn wir also das Transitivitätsaxiom als Folgerungsprinzip formulieren wollten, so genügt es nicht zu sagen: Aus zwei L-Relationen folgt stets eine dritte, denn in dieser Form gilt der Satz nur dort, wo nicht aus Symmetriegründen ~wei Folgerungen als gleichberechtigt nebeneinander stehen: es folgt also zwar aus u~, .!25: 15, aus 25, 51 : 21 usw.; aber aus 12, 15 wegen der Symmetrie von 2 und 5 sowohl 25 als 52. Es folgt also aus zwei Relationen
stets eine dritte "esymmetrisch ein~~utig", Wie wir sagen wolleri, d. h. eindeutig außerhalb der Symmetrie - "soweit nicht die Symmetrie eine Doppeldeutigkeit verlangt". Dieselbe Bedeutung hat nun auch der Zusatz "esymmetrisch eindeutig" in obigem Satz über die Zwischenrelation: Aus A (BC) und B (CD) folgt A (CD); denn in den beiden Relationen ist kein Punkt mit dem andern vertauschbar. Dagegen folgt aus A (BC) und D (BC) gleichberechtigt D (AC) und A (DC). Wenn das eine möglich ist, muß auch das andere möglich sein, d. h. wenn A (BC) und D (BC), dann kann sowohl D noch zwischen A und C liegen als auch A zwischen D und C. Daher durfte in obigem Satz nicht gesagt werden, daß aus zwei Rela- · tionen e i n.d e u t i g die beiden andern folgen, sondern daß sie esymmetrisch eindeutig folgen '--- eindeutig, soweit nicht die Symmetrie Mehrdeutigkeit verlangt.) Der Nachweis, daß in der Tat diese von uns als Beispiel angeführte Gesetzmäßigkeit besteht, ist leicht zu erbringen, wenn man die Zwischenrelation in die ihr zu Grunde liegende Vor- und Nachrelation auflöst. Nimmt man > als Zeichen für "vor", so bedeutet:
== a) B > A > C oder b) C > A > B == a) D > B > C oder b) C > B > .D, Dann folgt aus 1a) und 2a), daß D > A > G
1) A (BC) 2) B (CD)
und aus 1b) und 2b), daß C > A
>D
Diese beiden Folgerungen aber zusammen sind identisch mit A (CD). In der Tat besteht eine solche Gesetzmäßigkeit, wie sie die angeführte Formalfassung verlangt. Sie lautet: aus 1) A (BC) 1) A (BC) 2) B (CD) und aus 2} B (CD) 5)' A (CD) 5) B (AD) Wenn A zwischen B und C liegt und B zwischen C und D, so liegt A zwischen C und D, und B zwischen A und D. Ebenso ließe sich durch die Zerlegung der Zwischenrelation zeigen, daß es nicht noch weitere Gesetzmäßigkeiten der Zwischenrelation gibt,
die erlauben, aus zwei Zwischenrelationen zwischen vier Punkten die beiden andern esymmetrisch eindeutig abzuleiten. Bezeichnen wir die Relation [A(BC) B(CD) A(CD) B(AD)], die der Forderung genüge leistet, daß aus je zweien von diesen Einzelrelationen die beiden andern gesetzmäßig eindeutig abgeleitet werden können, als eine in sich gesetzmäßige Re 1a t i o n 4- Stufe, so lautet die Formalfassung des Zwischensatzes: Es gibt eine in sich gesetzmäßige Zwischen-Relation 4· Stufe.
§ 6. Deduktion des Zwischenaxioms für die Gerade. Wir fanden, daß es wesensaxiomatisch richtig ist, die Zwischenrelation auf die Vor-Nachrelation zurückzuführen. Wir hatten demgemäß den Satz von der in sich gesetzmäßigen Relation 4· Stufe im vorigen Paragraphen als Lehrsatz aus den Eigenschaften der Vor-Nachrelation abgeleitet. Es ist jedoch praktisch - aus Gründen, die später deutlich werden, - die Zwischenrelation als eigene, selbständige Relation aufzufassen. Legt man die Zwischenrelation als eigene selbständige Relation zu Grunde, so 'ist der im § 5 bewiesene Satz kein Lehrsatz mehr, sondern ein Axiom. Es gilt dann als A x i o m der "ZWischenrelation ", wie wir sagen wollen, der Satz: "Es gibt eine in sich gesetzmäßige Zwischenrelation 4· Stufe." Will man wiederum aus dieser formalen Fassung den Inhalt ableiten, so muß man zeigen, daß nur eine einzige Formulierung der Zwischenrelation 4· Stufe vorhanden ist, bei der es möglich ist, aus zwei Einzelrelationen die beiden andern gesetzmäßig abzuleiten. Dieser Nachweis soll explicite geführt werden: Wir stellen zunächst die begrifflich möglichen Zusammenstellungen von vier Zwischenrelationen zwischen vier Punkten auf. Es gibt nur sechs verschiedene solcher Zusammenstellungen:
1) 2) 5) 4)
1 1 1 1
(25), (25), (25), (25),
1 1 1 1
(24), (24), (24), (24),
zo6
1 5 5 5
~54),
(14), (14), (14),
(54), 2 (54), 5 (24), 4 ( 1 5), 2
5) 1 (25), 2 (14), 5 (14), 4 (52), 6) 1 (25), 2 (14), 4 (51), 5 (42), Den Nachweis, daß es nur sechs solcher Zusammenstellungen gibt, führt man folgendermaßen: Man nimmt an, man hätte die Tabelle sämtlicher Anordnungen zusammengestellt, ohne zunächst darauf zu achten, welche untereinander identisch sind. Praktischerweise achtet man nur auf die Ziffern vor der Klammer. Denn jede vertikale Kolumne bedeutet immer wieder. die Beziehung zwischen den Punkten mit derselben Bezifferung: Wenn man also die Kolumne kennt in der die betreffende Relation steht, so weiß man aus der Ziffer ' Klammer, wie die Relation heißt. So bedeutet 4 vor der Klammer vor der in der dritten Kolumne die Relation 4 (51), da 2 in der dritten Kolumne nicht vorkommen kann; in der zweiten Kolumne dagegen 4 (12) usw. Rein begrifflich könnten diese Zusammenstellungen so beschaffen sein, daß in der Gesamtrelation eine Ziffer viermal, dreimal, zweimal, einmal vor der Klaminer vorkommt. Das viermalige Auftreten einer Ziffer vor der Klammer in der Gesamtzusammenstellung ist ausgeschlossen, da jede Einzelrelation nur drei Glieder enthält, und daher jede von den vier Ziffern einmal in der Relation fehlen muß. Drei identische Ziffern vor den Klammern: Durch Umnummerieren lassen sich alle diese Gesamtrelationen, bei denen drei identische Ziffern vor den Klammern vorkommen, auf solche zurückführen, bei denen die identische Ziffer 1 ist. Sie beginnen daher alle mit 1 (25), 1 (24), 1 (54). Die letzte Einzelrelation könnte dann noch 2 (54) oder 5 (24) oder 4 (25) heißen. Da aber 2, 5 und 4 in den drei ersten Relationen symmetrisch vorkommen, so können alle drei Fälle auf die eine 1 (25), 1 (24), 1 (54) 2 (54) zurückgeführt werden. Dies ergibt Fall 1) obiger Tabelle. Zwei identische Ziffern vor den Klammern: Wiederum können alle diese Fälle in solche mit 1 vor den Klammern in den beiden ersten Kolumnen verwandelt werden, also 1 (25), 1 (24). Es ist also nur noch zu erörtern wie die beiden letzten Glieder der Gesamtrelation aussehen. Die ' . Fälle, die mit 4 in einem oder beiden der letzten zwei Glieder beginnen,
sind wegen der Symmetrie von 3 und 4 in den beiden ersten Gliedern auf solche mit 3 vor der Klammer zurückführbar. Es bleiben also die Fälle (wenn wir die Ziffern in den Klammern weglassen): 1, 1, 3, 2; 1, 1, 3, 3; 1, 1, 3, 4, die nicht untereinander identisch sind. Es sind dies die Fälle 2), 3), 4) der obigen Tabelle. Lauter wechselnde Ziffern vor der Klammer: Darin, daß die Ziffern alle verschieden sind, liegt beschlossen, daß die Ziffern 1, 2, 3 und 4 je einmal vor den Klammern stehen müssen. :pa das erste Glied mit 1 beginnen muß, so bleiben zunächst noch ·als Möglichkeiten, wenn man wiederum nur die Glieder vor der Klammer beachtet: 1, 2, 3, 4, ferner 1, 4, 3, 2. Die andern Permutationen, bei denen 3 an zweiter Stelle steht oder 2 an dritter Stelle, fallen aus, da diese Ziffern in den entsprechenden Relationen nicht vorkommen können. Ferner geht aus dem Fall 1, 4, 3, 2 durch Vertauschung von 3 und 2 der vorletzte 1, 2, 4, 3 hervor. Es bleiben also noch die beiden Fälle 1, 2, 3, 4 und 1, 2, 4, 3 als nicht zurückführbare Fälle übrig. Es sind dies die Fälle 5) und 6) der obigen Tabelle. Es sind also zunächst rein begrifflich sechs verschiedene Zusammenstellungen möglich. Wir prüfen, bei welchen von diesen sechs Fällen die formale Forderung, die wir oben aufstellten, erfüllt ist, nämlich, daß durch zwei Relationen die andern zwei sich gesetzmäßig ergeben, ohne daß man auf Widersprüche geführt wird. Wir dürfen hier jedoch nicht, wie wir es bisher stets getan haben, Sätze, die eine Folgerung enthalten, in der Unmöglichkeitsfassung darstellen. Wollten wir auf die frühere Weise untersuchen, ob wirklich aus zwei von den vier Relationen des Falles 1) 1 (23), 1 (24), 1 (34), 2 (34) stets die dritte folgt, und die Unmöglichkeitsfassung beibehalten, so müßten wir sehr komplizierte Formeln benutzen: daß aus 1 ( 23), 1 (24), die Relation 1 (34) folgt, müßte in der Unmöglichkeitsfassung ausgedrückt werden: [1 (23), 1 (24), 3 (41)]y und gleichzeitig [1 (23), 1 (24), 4 (31)]y. Denn 1 (34) ist nicht eine von zwei, sondern von drei alternativen Möglichkeiten der Zwischenrelationen: 1 (34), 3 (41 ), 4 (31 ), und es müssen daher stets zwei Relationen als Folgerung ausgeschlossen werden, damit die dritte sich als Folgerung ergiöt. Der Grund für diese Kompliziertheit
(23), l (24), l (34), 2 (34)] Es soll also folgen a) aus 1 (23), 1 (24) : 2 (34). Nach dieser seihen Gesetzmässigkeit a) müßte dann folgen aus 1 (23) I (34) : 3 (24), was in Widerspruch dazu steht, daß nach Voraussetzung 2 (34) gelten soll. Daher ist Fall 1)innerlich widerspruchsvoll, und Fall 1) kann nicht als Gesetzmäßigkeit,.die dem Postulat entspricht, angenommen werden. ·•
zo8
209
liegt darin, daß wir es bei der Zwischenrelation mit einer dreigliedrigen, abgeleiteten Relation zu tun haben, während unsere Unmöglichkeitsfassung nur für ursprüngliche Relationen Bedeutung hatte. Mit den beiden soeben angeführten Formeln werden jedoch die Formeln, die notwendig sind, um den Tatbestand, von dem wir uns Rechenschaft geben wollen, in der Unmöglichkeitsfassung auszudrücken, bei weitem nicht erschöpft. Da aus 1 (23), 1 (24,) nicht nur die Relation 1 (34), sondern auch die Relation 2 (34) abgeleitet werden soll, so muß auch gelten: [1 (23), 1 (24), 3 (24)]y und [1 (23), 1 (24), 4 (23)]y und so muß für je zwei Relationen in Beziehung zu einer. dritten eine doppelte Unmöglichkeitserklärung aufgestellt werden. Eine solche Formulierung der Gesetzmäßigkeit würde völlig unübersichtlich. Daher bleiben wir einfach bei der Formulierung stehen, die der Forderung unmittelbar entspricht. Es soll [ 1 (23), 1 (24), 1 (34), 2 (34)] bedeuten, daß die vier Relationen nicht nur miteinander verträglich sind, sondern daß jede Einzelrelation aus zwei andern von den Einzelrelationen nach einer festen Gesetzmässigkeit abgeleitet ist. Damit ist ohne weiteres gegeben, wie die Prüfung der Widerspruchsfreiheit eines Falles vorzunehmen ist. Man wird untersuchen, ob die Gesetzmäßigkeiten, die den betreffenden Fall ausmachen, untereinander widerspruchsfrei sind. So prüft man z. B., ob das Gesetz, das aus der ersten und zweiten Relation die dritte abzuleiten erlaubt, wenn man es auf die erste und vierte (unter Vornahme der nötigen Umnummerierung) anwendet, zur zweiten Relation führt oder vielleicht zu einer Relation, die mit der zweiten Relation unverträglich ist. Wir nehmen die .Prüfung an den 6 Fällen vor. 1) Es werde angenommen, es gelte: [l
Fall z) [1 (z5), 1 (z4), 5 (14), z (54)]. Es folgt a) aus [1 (z5), z (54) : 5 (14)]. Nach a) aus z (54), 5 (14) folgt: 4 (21) in Widerspruch zu 1 (24). Da her ist auch Fall z) innerlich widerspruchsvoll. Fall 5) [ 1 ( 23), 1 (24), 5 ( 14), 5 ( 24)]. a) Aus 1 ( 23), 1 (24) folgt: 5 ( 14) oder 4 ( 15) wegen der Symmetrie. Aus 5 (14), 5 (z4) folgt dann nach derselben Gesetzmäßigkeit: 1 (z5) oder z ( 13). b) Aus 1 (z5), 1 (24) folgt: 5 (z4) (oder 4 (25)) " 5 (14), 5 (24) " 1 (z4) ( " z (14)) c) " 1 (z5), 3 (14) " 1 (z4) ( " 5 (4z) d) " 1 (z5), 5 (14) " : 3 (z4). e) " 1 (z4), 5 (14) " : 1 (z5). · · f) " 1 (z4), 3 (z4) " : 1 (z5). g) " 1 (z4), 5 (z4) " : 5 (14). Es entsteht durch die formale Forderung kein innerer Widerspruch, daher ist Fall 5) mit der formalen Forderungverein bar. Fall :4). [ 1 ( 25), 1 (z4), 1 (54), z (54)]. a) Aus 1 (23), 1 (24) folgt z (54) " 1 (z4), 1 (54) " 4 (25) in Widerspruch zu z (54). Daher ist Fall 4) in sich widerspruchsvoll. Fall 5) [1 (25), z (14), 5 (14), 4 (z5)] a) Aus 1 (z5), z (14) folgt 1 (54) und 4 (z3) " z (14), 4 (z5) " 1 (z5) " 5 (41) nach a) " 1 (z5), 3 (14) " z (14) " 4 (z5) " a) " 3 (14), 4 (52) " 1 (32) " z (41) " a) b) " 1 (z3), 4 (z3) " 3 (14) " z (14) " z (14), 3 (14) " 4 (z3) " 1 (z5) nach b) Fall5) ist also widerspruchsfrei verein barmitderformalen Forderung. Fall 6). [1 (z3), z (14), 4 (51), 3 (4z)] a) Aus i (23) und !2 (14) folgt 4 (51) und 5 (42). ,, 4 (31) " 3 (4zf " ~ (41)" 5 (z1) nach a). 210
b) Aus 1 (z5) und 4 (31) folgt z (14). " "
1 (z3) " 5 (4z) " 4 (31) nach b) !2 (14) " 4 (51) " 3 (4!2) " " z (14) " 5 (4z) " 1 (z3) " b) c) " 1 (z3) " 4 (51) " 5 (42) " 1 (z5) " 5 (42) " z (14) " c) " z (14) " 4 (51) " 1 (z5) " c) " !2 (41) " 3 (4!2) " 4 (51). Fall 6) ist widerspruchsfrei vereinbar mit der formalen Forderung. Als widerspruchsfrei vereinbar mit der formalen Forderung haben sich also Fall 5), Fall 5) und Fall 6) herausgestellt. Aber die innere Widerspruchsfreiheitdieser drei Fälle ist zunächst nur für vier Punkte erwiesen; es ist die Frage, ob alle diese Fälle auch widerspruchsfrei bleiben, wenn man die Relationen auf einen fünften Punkt anwendet? Wir untersuchen daher, ob sich die Gesamtrelation aufrechterhalten läßt, wenn wir einen fünften Punkt hinzunehmen. Wir müssen dann die Relation auf die fünf Quadrupel 1, z, 5, 4, ferner 1, z, 5, 5, dann auf 1, z, 4, 5, auf 1, 5, 4, 5 und z, 5, 4, 5 anwenden. Führen wir die Untersuchung bei den drei in Frage kommenden Fällen, bei den Fällen 5), 5) und 6), durch. Fall 3). 1, 2, 3, 4, ist die ursprüngliche Relation. Für die Punkte 1, z, 3, 4 gilt [1 (z5) 1 (z4) 3 (14) 5 (z4)]. Wir nehmen den 5· Punkt so an, daß er in der Gesamtrelation den Punkt 4 ersetzen kann. Daher lautet für die Punkte 1, z, 5, 5 die Relation: [1 (25), 1 (!25), 3 (15), 5 (!25)]. Man kann nun die Punkte 1, z, 4 und 5 nicht mehr beliebig zu einander anordnen und auf sie die Relation anwenden. Denn von den vier Beziehungen der Relation sind schon zwei, nämlich 1 (z4) und 1 (z5), aus den beiden obigen Anwendungen der Relation bekannt. Diese Einzelrelationen sind ohne weiteres in die Relation einzugliedern, wenn man als Ordnung für die vier Punkte 1, z, 4 und '5 die Ordnung 1, z, 4, 5 annimmt. 211
Daher für I, 2, 4, 5: [I (24), I (25), 4 (I5), 4 (25)]. Von den Relationen, die bei der Zusammenstellung der Gesamtrelation der Punkte I, 3, 4, 5 Verwendung finden, sind bereits bekannt 3 (I4), 3 (I5) und 4 ( I5). Die Ordnung der Punkte kann also nicht I, 3, 4, 5 sein, denn I steht in den drei Relationen nirgends vor der Klammer, wie es bei der Anwendung der Gesamtrelation auf die Ordnung 1, 3, 4, 5 der Fall sein müßte. Die Anordnung muß vielmehr mit einer Ziffer beginnen, die in der Gesamtrelation zweimal vor der Klammer stehen kann, also entweder mit 3 oder mit 4-3 und 4 müssen also an die erste und dritte Stelle kommen, I und 5 an die zweite und vierte. Nehmen wir zunächst als Ordnung 3, I, 4, 5 an, so lautet die Relation: Für 3, I, 4, 5: [3 (I4), 3 (I5), 4 (35), 4 (I5)].Fürdie Ordnung der Punkte 2, 3, 4, 5 sind dann bekannt, 3 (24), 3 (2cD, 4 (25) und 4 (35). Sie fügen sich widerspruchsfrei der Ordnung 3, 2, 4, 5:
[3 (24), 3 (25), 4 (35), 4 (25)]. Fall 3) ist also auch auf fünf Punkte widerspruchsfrei anwendbar, demnach auch auf n Punkte, wie sich leicht dartun läßt. Prüfung von Fall 5): Anwendung der Relation auf I, 2, 3, 4 und I, 2, 3, 5 : Für I, 2, 3, 4: [I (23), 2 (I4), 3 (I4), 4 (23)] Für I, 2, 3, 5: [I (23), 2 (I5), 3 (I5), 5 (23)] Von I, 2, 4, 5 ist bereits bekannt 2 (I4) und 2 (I5); eine Zusammenstellung von zwei gleichen Gliedern kommt im Relationsschema nicht vor. Die Anwendung des Relationsschemas auf I, 2, 4, 5 muß demnach auf Widersprüche führen, wie sich leicht dartun läßt. Der Fall 5 führt also beim Annahme von 5 Punkten auf Widersprüche. Prüfung von Fall 6): Für die Punkte I, 2, 3, 4 und
I, I,
27 2,
3, 4: [I (23), 3, 5: [I (23),
2 2
I, 2,
3, 5 ist die Relation anwendbar:
(I4), 4 (3I) 7 3 (42)] (15), 5 (3I), 3 (52)]
Die Relation ist auf die andern Zusammenstellungen von Punkten nicht mehr anwendbar, da 2 (I4), 2 (I5) und 3 (42), 3 (52)- die bereits fest-
2I2
gelegten Beziehungen je zwei identische Ziffern vor der Klammer besitzen ' was in der Gesamtrelation nicht vorkommt; andererseits haben 4 (3 I) und 5 (3 I) identische Klammerglieder, was ebenfalls in der Relation nicht vorkommt. Fall 6) ist also für fünf Punkte widerspruchsvoll. Von den für vier Punkte widerspruchsfreien Fällen 3), 5) und 6) ist also nur 3) für fünf und damit für eine beliebige Anzahl von Punkten widerspruchsfrei, also die einzige Gesamtrelation die der formalen For' ' derung Genüge leistet. Fall 3) muß daher auf Grund unseres Deduktionspostulats als Gesetzmäßigkeit der Euklidischen G&ometrie gesetzt werden. Fall 3) ist auch in -der Tat die in der Euklidischen Geometrie für die Zwischenrelation auf einer Geraden geltende Relationszusammenstellung: Es gilt I (23), I (24), 3 (I4), 3 (24) oder in Worten: Wenn ein Punkt I zwischen den Punkten 2 und 3 liegt, und Punkt 3 zwischen I und 4, so liegt I zwischen 2 und 4 und 3 zwischen 2 und 4 usw. Wie gezeigt wurde, sind Fall 5) nnd 6) nicht für die Punkte der Geraden erfüllt, weil die Gerade mehr als 4 Punkte besitzt, wohl aber für Elementensysteme, die nicht mehr als 4 Punkte besitzen. Wenn wir die Beziehungen I (23) nicht mehr als die Zwischenrelationen der Geraden deuten, so lassen .sich Relationen konstruieren, für die Fall 5) und Fall 6) gelten. So ist Fall 5) bei vier Punkten auf einem Kreis verwirklicht wenn man ' die Anordnung der Punkte als I, 3, 4, 2 annimmt und die Deutung der Relation als Zwischenrelation beibehält. Dann gilt I (23), 2 (I4), 3 (I4) und 4 (23). Es ist klar, daß ein fünfter Punkt diese Relationen stören würde. Fall 6) ist verwirklicht für vier Punkte auf einem Kreis in der Ordnung I, 3, 2, 4, wenn die Klammer nicht mehr bedeutet, daß das Glied vor der Klammer zwischen den beiden andern liegt, sondern daß es direkt. vor dem einen und an zweiter Stelle vor dem andern liegt. Dann liegt I vor 3 und 2; 3 vor 2 und 4; 2 vor 4 und 1 ; 4 vor 1 und 2. Auch hier stört ein fünfter Punkt die Relation.
r Die in der Euklidischen Geometrie qualifizierte Zwischenrelation ist also die einzige, die mit der formalen Forderung vereinbar ist, daß sich aus zwei Relationen die dritte ergibt, wenn mehr als vier Relationselemente existieren.
§ 7. Deduktion des Zwischenaxioms für die Ebene. Als Anordnungsgesetz der Punkte auf einer Geraden ergab sich für die Vor-Nachrelation das AxiomiV6 oderfür die Zwischenrelatio:t;t: das Zwischenaxiom. Ueber Punkte, die nicht auf einer Geraden liegen, gibt das Zwischenaxiom keine Auskunft. Es soll untersucht werden, ob nicht Beziehungen existieren zwischen Punkten, die auf verschiedenen Geraden liegen. Zwischen Punkten auf zwei Geraden kann eine solche Beziehungsgesetzmäßigkeit nicht existieren. Zwei Gerade haben nicht mehr als einen Punkt gemeinsam. Dieser Punkt trennt die Punkte auf jeder einzelnen Geraden, aber stellt keine Beziehungen her zwischen Punkten der verschiedenen Geraden. Auch bei drei Geraden liegt keine Ordnungsbeziehung vor: drei Gerade schneiden sich in höchstens drei Punkten; aber es ist keine feste Ordnungsbeziehung vorhanden; die drei Schnittpunkte lassen sich in keine Allordnungsbeziehung bringen. Bei vier Geraden erst läßt sich sinnvoll überhaupt nach einer Ordnung der Schnittpunkte fragen. Scheidet man die Spezialfälle aus (Parallelismus, drei Geraden durch einen Punkt), so gibt es sechs Schnittpunkte der vier· Geraden. Wir bezeichnen die vier Geraden mit I, II, III, IV und die Schnittpunkte, die auf einer Geraden von den drei andern erzeugt werden, mit arabischen Ziffern (S. Figur 2 ). Dann bedeuten I 2, I 5, I 4 die Schnittpunkte der Geraden I mit den Geraden II, III, IV, die Punkte 2, 5, 4 auf der Geraden I. Jeder Punkt hat also eine doppelte Bedeutung, je nach dem Gesichtspunkt, unter dem er betrachtet wird. I 2 ist der Schnittpunkt der Geraden _I und II als Punkt auf I betrachtet, II 1 ist derselbe Punkt als Punkt auf II betrachtet. Zunächst mag es scheinen, als wäre eine große Anzahl verschiedener
Anordnungen dieser sechs Punkte begrifflich möglich. Es ist denkbar, daß zusammen bestehen auf der Geraden IV III I II die Relationen 1 (24) 1 (25) 2 (34) 1 (54) oder 1 (25) 1 (24) 1 (34) 5 (24) oder 1 (23) 1 (24) 1 (34) 4 (25) usw.,
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2
wo die vertikalen Kolumnen bedeuten, daß die Schnittpunkte auf der betreffenden Geraden gemeint sind. Jedoch sind sehr viele von diesen Anordnungen untereinander identisch, wenn man die Nummerierung der Geraden und damit auch die der Punkte vertauscht. So kann man durch Vertauschung der Nummerierung von III und II aus dem zweiten Fall den ersten entstehen lassen, weil dadurch auch 1 und 2 einfach ihre Stellen vertauschen.
Es besteht das Problem zu fragen, welche von den Schnittpunktsanordnungen, die man rein kombinatorisch aufstellen kann, durch Umnummerierung der Geraden aufeinander zurückgeführt werden können. Vergleicht man die Relationszusammenstellungen mit den oben angeführten für die Zwischenrelationen auf der Geraden, so sieht man, daß es sich um genau dasselbe Problem der Vereinfachung der Relationen handelt, nur daß die vier Relationen hier R e I a t i o n e n auf v er s c h i e denen G e r a den bedeuten, während sie im früheren Fall Relationen auf derselben Geraden darstellten. Das soll dadurch angedeutet werden, daß die Geraden, deren Schnittpunkte durch die Relationen gegeben werden, über die vertikale Kolumne geschrieben werden. Es bleiben auf Grund der formalen Übereinstimmung des Problems auch hier wiederum nur die oben erwähnten 6 verschiedenen Fälle als nicht nur durch die Bezeichnungsweise verschiedene Fälle bestehen. Auf der Geraden
IV
III
II
I
1)
1(95)
1(94)
1 (54)
9 (34)
9)
1(93)
1(94)
5( 14)
9 (34)
5)
1(95)
5( 1 4)
3( 9 4)
L~)
1(93)
3( 1 4)
5) 6)
1 (95)
1(94) 1(94) 9( ltj,)
3( 1 4)
4(32) 4(3 2 )
1 (93)
9(14)
4(31)
4(3 9 )
Diese Ähnlichkeit in dem Aufbau der Relationen legt den Gedanken nahe, auch hier wiederum den formalen Satz aufzustellen: Durch zwei Relationen sind die beiden auelernesymmetrisch eindeutig b es 1: im m t. Dieser Satz hat hier folgende Bedeutung: Es schneiden sich vier Gerade in sechs Punkte·n; es sei bekannt, wie die Schnittpunkte von je drei Geraden mit denen der vierten in zwei Fällen angeordnet sind; es sei also z. B., wie im Fall1) bekannt, daß auf der Geraden IV ihr Schnittpunkt mit der Geraden I zwischen dem· Schnittpunkt der Geraden IV mit der Geraden III und mit der Geraden II liegt; und auf der Geraden II ihr Schnittpunkt mit der Geraden I zwischen dem Schnittpunkt mit der Geraden U und mit der Geraden IV liegt. So
soll sich die Anordnung der. auelern Schnittpunkte esymmetrisch eindeutig daraus ergeben. ". Für den größten Teil der Prüfung der sechs Fälle dürfen wir uns auf die früheren Überlegungen berufen. Daß früher die vertikalen Kolumnen ohne weitere selbständige Bedeutung wareh und sich alle auf dieselbe Gerade bezogen, während hier die Stellung der Relation auf den verschiedenen Kolumnen die Punkte auf verschiedene Gerade verlegt, ändert an den rein formalen Überlegungen nichts, solange man nur vier Gerade betrachtet. Fall 1)~ 2) und Fall 4) führen demgemäß auch hier auf Widersprüche. Fall3), Fall 5) und Fall6) sindwiderspruchsfrei, wenn man nur die Schnittpunkte von vier Geraden in Betracht zieht.\ Die Art der Schlußweise ist genau dieselbe, wie oben im Fall der Zwischenrelation. Gewiße Abänderungen werden erst notwendig, wenn man prüft, ob die Fälle 3), 5) und 6) auch widerspruchsfrei bleiben, wenn man die Relationen auf die Schnittpunkte von fünf Geraden anwendet. Analog wie ehemals prüfen wir die Relationen, indem wir sie der Reihe nach auf die vollständigen Vierseite aus vier Geraden anwenden, erst auf das Vierseit aus IV, III, II, I, dann auf das Vierseit aus V, III, II, I usw. Prüfung von Fall 3). Für das Vierseit IV, III, II, I war die Relation, IV III 1 (23) 1 (94) 3 demnach für V III l
(93)
1
(95)
die dem Fall 3) entsprach, II I (14) 5 (94) II I
. 3 (15)
3 (95)
Der Unterschied gegenüber den entsprechenden Formeln bei fünf Punkten auf einer Geraden, sowie bei vier Punkten auf vier Geraden ist der, daß jetzt die Relationen in den gleichen Koh~mnen nicht mehr dieselbe Gerade bedeuten: 1 (23) in der ersten Kolumne kann sowohl Punkt 1 zwischen · 9 und 3 auf der Geraden I wie auf der Geraden V bedeuten, je nach der Überschrift, die die Kolumne erhält. Es muß daher hier bei den Folgerungen anders vorgegangen werden als im früheren Fall. Wir gehen nicht von den verschiedenen Vierseiten aus und untersuchen ihre Punkte mit 217
r I
I
Wiederum sind für die Gerade III die Relationen 2 ( 14) und 2 ( l 5) bekannt, aus d~nen nach IV6 die andernRelationen folgen: 4 (25) und4 (15). Ebenso folgt für Gerade II aus 5 (14) und 3 (15) nach IV6: 5 (45) und 5 (41); und für Gerade I aus 4 (32) und 5 (32): 4 (55) und 5 (42). Um das Relationsschema 5) anwenden zu können, müßen wir wiederum ein Vierseit heranziehen, bei dem Punkte bekannt sind, die nicht mit gleichen Anfangsziffern beginnen, also entsprechend der Betrachtung bei der einfachen Zwischenrelation das Vierseit III, II, V, IV. Von ihm sind bekannt auf Gerade III: 4 (25), auf Gerade II 5 (45). Wenden wir auf dieses Vierseit die Relation von Fall 5) an, so ergibt sich: III · II V III, II, V, IV
Hilfe des Relationsschemas. Sondern wir benutzen die auf Grund der Anwendung des Relationsschemas bisher gewonnenen Einzelrelationen dazu um die Punkte auf den einzelnen Geraden zu untersuche:p., indem wir da~ Zwischenaxiom für die Gerade auf sie anwenden. Es muß nach diesem Axiom für jede Gerade die Gesetzmäßigkeit 1 (23), 1 (24), 3 (14), 2 (54) gelten. ~a von Gerade III bereits bekannt ist: 1 (24), 1 (25), so lautet die Zwischengesetzmäßigkeit für Gerade III: 1 (24) 1 (25) 5 (14) 5 (24) für Gerade II entsprechend: 5 (14) 3 (15) 5 (43) 5 (41) " " I " 3 (24) 3 (25) 5 (43) 5 (24) ·Jetzt lassen sich auch die noch nicht behandelten Vierseitsrelationen auswerten: Von dem Vierseit IV, V, II, I sind bekannt auf II 5 (41 ), auf I 5 (24). Demnach lautet die Relation für das Vierseit IV V II I· ' ' ' . II I IV V 5 (42) 1 (52) I (42) 5 (41) Für die Gerade IV sind jetzt bekannt 1 (25), 1 (25). Das Zwischenaxiom aufGeradeiVangewandtergibt: Gerade IV: 1 (25), 1 (25), 5 (14), 5(24). Für Gerade V sind nunmehr bekannt: 1 (23) und 1 (24), demnach gilt nach dem Zwischenaxiom: [ 1 (25), 1 (24), 3 (14), 3 (24)]. Es lassen sich die Relationen der beiden noch fehlenden Vierseite auf Grund des Relationsschemas zusammenstellen : V IV III I I III IV V IV; III; II, V
5 (45) IV
5 (41) V
3 (51)
4 (25) 5 (43) 2 (43) Damit sind auch die Punkte auf den Geraden IV und V bekannt. Auf Gerade IV folgt aus 1 (23) und 3 (25): 1 (25) und 5 (15); auf Gerade V folgt aus 1 (23) und 2 (43): 2 (14) und 5 (14). Für das Vierseit I, II, IV, V ergeben sich demnach die Einzelrelationen: I 5 (42) II 5 (41) IV 1 (25) V 2 (14). Aus 1 (25) 2 (14) würde jedoch das Relationsschema ergeben: IV V 2 (14) 1 (25)
5 ( 2 5) 3 (24) 5 (43) 5 (24) Es ist also die Relation des Falles 5) mit Axiom IV auch 6 bei fünf Punkten widerspruchslos vereinbar.Prüfung des Falles 5). Auch hier wiederum wird die Relation zunächst auf die beiden Vierseite IV, III, II, I und V, III, II, I angewandt. Für IV, III, II, I gilt: . . IV III II . I Für V, III, II, I gilt:
1 (25) V 1 (25)
(14) III z (15) 2
5 (14) II 5 (15)
4 (23) I 5 (23)
I 4 (25)
Auf der Geraden I steht 'also das Ergebnis von Fall 5) mit Axiom IV6 in Widerspruch. Es ergibt sich gleichzeitig 5 (42) und 4 (25). Für fünf Gerade ist daher Fall 5) nicht widerspruchsfrei durchführbar. Prüfung von Fall 6): Die Anwendung des Relationsschemas auf die
5(41) III
II
II 5 (41)
zwei Vierseite: I, II, III, IV und I, II, III, V ergibt: Für I, II, III, IV : Für I, II, III, V :
. I
IV 1 (23)
III
z (14)
II 4 (31) II 5 (31)
Aus 2 ( 14) und 2 ( 15) ergeben sich für Gerade III als weitere Punkte wegen der Symmetrie (nach IV6 ): 4 (25) oder 5 (24); 4 (15) oder 5 (14). Für die Gerade II aus 4 (31) und 5 (31): 4 (35) oder 5 (34); 5 (41) oder
4 (51).- Für die Gerade I aus 5 (24) und· 5 (25): 5 (45) oder 4 (55); 2 (45) oder 5 (24). a) Benutzen wir 4 (15) auf der Geraden III, um die Relation für I, III, IV, V zu bilden, so ergibt sich: III V I IV 4 ( 15) 1 (45) 5 (54) 5 (51) und zwar bei jeder Anordnung der Relation. 5 (54) auf Gerade I ist jedoch in Widerspruch zu 5 (45) oder 4 (55). b) Benutzen wir dagegen 5 (14) auf der Geraden III und bilden wiederum die Relation für I, III, IV, V, so ergibt sich: III V I IV 5 (14) 1 (55) s (45) 4 (51) Auf der Geraden I müßte also wiederum die Relation 5 (45) gelten, die in Widerspruch zu 5 (45) und 4 (55) steht. Fall 6) führt also auch bei der Anwendung auf fünf Gerade auf Widersprüche. Nur Fall s) ist also als einziger widerspruchslos mit folgenden drei Tatsachen vereinbar: 1. mit der Existenz von mehr als 4 Geraden, 2. mit der formalen Forderung der esymmetrischen Eindeutigkeit, 5· mit Axiom IV6 • Wir gewinnen also ein neues Axiom IV7 : Axiom IV7 : Vier Gerade schneiden sich in sechs Punkten. Die Schnittpunkte der Geraden sind derart gelagert, daß aus der Kenntnis der Relationen der Schnittpunkte aufzwei Geraden sich die Schnittpunkte auf den beiden andern Geraden esymmetrisch eindeutig ergeben. Aus diesem formalen Axiom läßt sich, wie wir sahen, der Inhalt ableiten: er lautet: Für die Schnittpunkte der vier Geraden gilt: IV 1 (25) Wir können auch hier formulieren: Es gibt nur eine einzige in sich gesetzmäßige Zwischenrelation 4· Stufe in der Ebene. Das neue Axiom ist inhaltlich und formal völlig analog dem Zwischen220
Satz gebaut. - Es wird von genau derselben Gesamtrelation beherrscht, nur daß sie jetzt auf vier Gerade, nicht wie vorher auf eine einzige Gerade bezogen ist. Das Axiom ist von IV6 nicht unabhängig; wenn IV6 nicht gilt, so gilt IV7 ebenfalls nicht. Aber es ist unableitbar von ihm.- Die Formalfassung setzt also hier zu ihrer Geltung die Geltung von IV6 voraus. Es war gezeigt worden, daß wenn IV6 gilt, es kein weiteres Axiom derAnordnungder Punkte auf der Geraden geben kann. Ebenso läßt sich zeigen, daß IV7 das einzige Axiom für die Anordnung von Punkten auf mehreren Geraden ist. Höhere Relationszusammenstellungen können nicht verboten werden (etwa Zusammenstellungen für sechs Gerade), da es durch Umnummerierimg in derselben Weise wie früher bei Axiom IV6 gelingt, zu zeigen, daß solche Axiome in sich widerspruchsvoll wären. Man hätte also auch IV7 gerade wie IV6 durch eine verallgemeinerte Formalfassung formulieren können: Es soll - unter Voraussetzung der Gil tigkei t der früheren Axiome- ein Axiom über die Anordnung der Schnittpunkte von Geraden gelten, derart; daß dieses Axiom die Möglichkeit weiterer Axiome ausschließt. Dann kann das gesuchte Axiom nur Axiom IV7 sein. Fassen wir die bisherigen prinzipiellen Ergebnisse dieses Kapitels zusammen: 1) Die spezifischen Axiome der Vor-Nachrelation der Punkte der Geraden lassen sich auf Grund des Postulats freier Möglichkeiten ebenso deduzieren, wie früher die Axiome der I-Relation. 2) Die Deduktion ergibt als einziges spezifisches Axiom das TransitivitätsaxiomJV6. Der Versuch, neben dem Axiom IV6 andere Axiome s.oder höherer Stufe aufzustellen, führt auf Widersprüche: Daher: 5) Es gibt nur eine einzige eindeutige asymmetrische transitive Relation, die Relation der linearen Ordnung. 4) Verzichtet man auf die Transitivität, so sind Axiome 4· und höherer Stufe für asymmetrische Relationen möglich. Da der Verzicht auf IV6, zugleich mit der Einführung eines Axioms höherer Stufe weitere Axiome nicht ausschließt, so ergibt sich die ver221
allgerneinerte Formalfassung für das Transitivitätsaxiom: Es existierte ein Axiom einer asymmetrischen Relation derart, daß es die Existenz weiterer Axiome ausschließt; dann kann dies Axiom nur das Transitivitätsaxiom sein. 5) Legt man statt der Vor-Nachrelation die Zwischenrelationen den Überlegungen zu Grunde, so zeigt sich, daß für das Zwischenaxiom dieselbe formale Fassung gilt. 6) Die Schnittpunkte der Geraden eines vollständigen Vierseits zeigen eine Gesetzmäßigkeit, die der des Zwischenaxioms analog ist. Wir können daher IV7 als das Zwischenaxiqm der Ebene bezeichnen. Auch für dies Axiom ist einerseits die Möglichkeit der Deduktion gegeben, andererseits läßt es eine analoge verallgemeinerte Formalfassung zu wie das ZwischenaxiOm.
§ 8. Der Zwischensatz bei parallelen Geraden. Zunächst war für die Schnittpunkte der vier Geraden angenommen worden, daß unter den vier Geraden sich keine Parallelenpaare befinden. Es müssen noch die Spezialfälle untersucht werden, bei denen zwei oder mehr Gerade parallel sind. Sind alle vier Gerade untereinander parallel, so entfällt das Problem, die Gesetzmäßigkeit ihrer, Schnittpunkte aufzusuchen, ebenso wenn drei untereinander parallel sind oder von den vier Geraden je zwei paarweise parallel sind. Nur der Fall bedarf einer kurzen Betrachtung, daß ein Parallelenpaar a und b vorhanden ist, das von zwei Geraden c und d geschnitten wird, die sich untereinander schneiden. Dann entstehen 5 Schnittpunkte ac, bc, ad, bd und cd. In diesem Falle gilt das Ordnungsgesetz, daß der Schnittpunkt cd entweder auf beiden Geraden zwischen den Schnittpunkten mit den Parallelen liegt, oder auf beiden Geraden ein äußerer Punkt ist. Es ist dagegen, ausgeschlossen, daß etwa cd (ca, eh) und gleichzeitig ad (cd, cb) gilt. Dieser Satz läßt sich beweisen, indem man eine fünfte Gerade hinzufügt, die alle vier anderen schneidet. Durch wiederholte Anwendung des Satzes vom vollständigen Vierseit, (des Axioms IV7 ) wird die Lage der 222
Schnittpunkte der ursprünglich gegebenen Geraden zueinander eindeutig bestimmt. Auch die höheren Stufen· der Relationszusammenstellungen der Schnittpunkte von Parallelen ergeben keine neuen Gesetzmäßigkeiten.
§ 9. Das Axiom von Pasche und das Zwischen-Axiom für die Ebene. An Stelle unseres Axioms IV7 kennen dieneueren Lehrbücher der Axiomatik das Axiom von Pasche (II4 bei Hilbert): Es seien A, B, C drei nicht in einer Geraden gelegene Punkte und a eine Gerade in der Ebene A, B, C, die keine der Punkte A, B, C trifft; wenn dann die Gerade a durch einen Punkt der Strecke AB geht, so geht sie gewiß auch durch einen Punkt der Strecke BC oder durch einen Punkt der Strecke AC. Um zu zeigen, daß dieser Satz eine Folgerung aus unserem Axiom IV7 ist, gehen wir von der Beziehung einer Geraden a zu den drei Seiten eines Dreiecks b, c, d aus, wie sie dem Axiom von Pasche zugrunde gelegt ist, und untersuchen die Verhältnisse systematisch. Es sind begrifflich folgende Fälle möglich :
1) die Gerade a verläuft ganz außerhalb des Dreiecks. !2) Die Gerade a schneidet nur eine Dreiecksseite. 5) Die Gerade a schneidet zwei Dreiecksseiten. 4) Die Gerade a schneidet alle drei Dreiecksseiten. Formulieren wir die vier Möglichkeiten in symbolischer Bezeichnungsweise und nennen wir die Gerade a wiederum IV, die Dreiecksseiten I, II, III usw. Möglichkeit 1) besagt sodann, daß die Schnittpunkte der Geraden IV mit den drei andern Geraden auf jeden Fall äußere sind. Wir bezeichnen die Schnittpunkte der Geraden IV mit den Dreiecks~ geraden in alter Weise mit 4· Dagegen müssen wir für die Schnittpunkte der andern Geraden eine neue Bezeichnungsweise einführen, da wir uns für die Individualität der Geraden jetzt nicht interessieren, sondern nur dafür, wie die Gerade IV sie schneidet, ob der Schnittpunkt mit IV ein
T '
äußerer oder innerer Schnittpunkt ist. Wir ersetzen daher in der Relation die Dreiecksgeraden einfach durch Punkte. Drücken wir die Möglichkeit 1) symbolisch aus, so lautet sie daher für das Vierseit I; II, III, IV III II IV Möglichkeit 1) I . ( .. ) . ( . 4), . ( . 4), . ( . 4), Denn die so · gefaßte symbolische Relation sagt: Für alle drei Dreiecksgeraden liegt der Schnittpunkt einer Dreiecksgeraden mit einer Dreiecksgeraden zwischen dem Schnittpunkt mit der Geraden IV und der dritten Dreiecksgeraden, d. h. die Gerade IV schneidet alle drei Dreiecksgeraden außerhalb des Dreiecks. Wir hatten früher 6 begrifflich mögliche Fälle festgestellt, wie die Schnittpunkte von vier Geraden zueinander liegen können. Die damalige Tabelle lautete: IV III II I l) l (25) l (24) l (54) (2 54) 2) l (25) 1 (24) 5 (14) (9 54) 5) l (25) l (24) 5 (14) (5 24) 4) l (25) l (24) 5 (14) (4 23) 5) l (25) 2 (14) 5 (14) (4 25) 6) l (25) 2 (14) 4 (51) (5 42) Wir fragen, welches von diesen Relationsschemata die Möglichkeit 1) realisieren würde. Es zeigt sich, daß sowohl Fall 1) als auch Fall 2) und 5) das obige Schema ausfüllen. Es kann also sowohl in Geometrien, in denen die Relationsgesetzmäßigkeit 1) als auch in solchen, denen Relationsgesetzmäßigkeit 2) und 5) verwirklicht ist, die Gerade ganz außerhalb verlaufen. Dagegen steht in Fall 4) und Fall 5) und Fall 6) keine Ziffer dreimal in der Klammer, wie es die Möglichkeit 1) veriangte. In Geometrien, die Fall 4), 5) und 6) entsprächen, müßte jede Gerade mindestens eine Dreiecksseite schneiden. Möglichkeit 2) ·besagt, daß die Gerade IV ein e der drei andern Geraden innen schneidet, die beiden andern außen: Nehmen wir· an, es sei die eine geschnittene Gerade die Gerade III, so gilt für das vollständige Vierseit:
in
I II III IV . ( . 4) . ( . 4) 4 ( .. ) . ( .. ) In obiger Tabelle erfüllt diese Relation das Schema von Fall 1), Fall 2), Fall 4), Fall 5) und Fall 6), nicht aber Fall 5). - . Möglichkeit 5) besagt, daß zwei Schnittpunkte innere sind, und einer ein äußerer; nehmen wir als die inneren Schnittpunkte die Schnittpunkte mit den Geraden II und III an, so ergibt sich als symbolische Ausdrucksweise dieser Möglichkeit : I II III IV . ( . 4) 4 ( .. ) 4 ( .. ) . ( .. ) Fall 2 ), 5) und 4) realisieren diese Relation. Möglichkeit 4) besagt, daß alle Schnittpunkte innere Punkte der drei Geraden sind. Daher: I II III IV 4 ( .. ) 4 ( .. ) 4 ( .. ) . ( .. ) Diese Relation realisiert nur Fall 1 ). Stellen wir das Ergebnis zusammen: Möglichkeit 1) ist erfüllt in einer Geometrie, in der gilt die Gesetzmäßigkeit von Fall 1 ), 2) oder 5), Möglichkeit 2) ist erfüllt in einer Geometrie, in der gilt die Gesetzmäßigkeit von Fall 1 ), 2 ), 4) oder 6), Möglichkeit 5) ist erfüllt in einer Geometrie, in der gilt die Gesetzmäßigkeit von Fall 2 ), 5) oder 4), Möglichkeit 4) ist erfüllt in einer Geometrie, in der gilt die Gesetzmäßigkeit von Fall 1 ). Zunächst zeigt diese Zusammenstellung, daß in keiner Geometrie, die überhaupt eine Gesetzmäßigkeit über die sechs Schnittpunkte kennt, alle Möglichkeiten realisierbar sind. In der Geometrie des Falles 1) schneidet, wie die Ergebniszusammenstellung zeigt, die Gerade entweder o, 1 oder 5 Dreiecksseiten innen. Bei Fall 2) schneidet sie o, 1 oder 2 Dreiecksseiten innen
"
"
"
5)
"
"
" o oder 1 oder
"
225
2 2
"
"
"
"
Bei Fall 5) schneidet sie
1
Dreiecksseite innen
" " 6) " " 1 " " Uns interessiert hier besonders Fall 3), denn er ist, wie wir fanden, der qualifizierte Fall der Euklidischen Geometrie - es ist der Fall, der Axiom IV7 Ausdruck gibt. Im Fall 3) gilt also, daß eine 4· Gerade entweder ganz außerhalb des Dreiecks verläuft oder daß sie zwei Seiten voninnen schneidet. Oder anders ausgedrückt: Wenn die Gerade eine Seite des Dreiecks schneidet, schneidet sie auch eine zweite. Das ist die Fassung, wie sie das Pasch'sche Axiom dem Tatbestand gibt. Es läßt sich auch umgekehrt aus dem Pasch'schen Axiom das Axiom IV7 ableiten. Wir hätten natürlich einfach die Möglichkeiten daraufhin zu untersuchen brauchen, inwieweit sie durch Fall 3) realisierbar sind. Die ausführlichere Betrachtung geschah nur um der Vollständigkeit willen. Wir hatten hier unsere Fassung, die Fassung, wie sie das Axiom IV7 gibt, der Fassung des Pasch'schen Axioms naturgemäß vorgezogen, weil sie sich aus der natürlichen Entwicklung unserer Deduktion ergab. Aber selbst wenn man den deduktiven Zusammenhang nicht berücksichtigt, durch den wir zu unserer Fassung gelangt sind, sondern rein die beiden Fassungen für ·sich betrachtet, ist die hier gegebene Fassung vorzuziehen. Die Fassung des Pasch'schen Axioms stellt gleichsam drei feste Gerade, die festliegenden Dreiecksgeraden, einer vierten Variablen gegenüber, behandelt also die vier Geraden unsymmetrisch, während die Fassung, die durch IV7 gegeben wird, die vier Geraden symmetrisch auffaßt, indem sie vom vollständigen Vierseit ausgeht. Ferner aber verliert der Tatbestand in der Fassung von IV7 die merkwürdig isol~erte Stellung, die ihm anhaftet, wenn man das Pasch'sche Axiom benutzt. In den Lehrbüchern der Axiomatik steht das Pasch'sche Axiom als ein Axiom ganz besonderer Art ohne Analogie mit einem andern Axiom. Gewiß ist auch für uns das Axiom IV7 das einzige Anordnungsaxiom der Punkte, das über die gerade Linie in die Ebene hinübergreift. Einzigkeit bedeutet jedoch bei uns nicht Isoliertheit. Es bedeutet nur, daß es neben Axiom IV7 kein anderes Anordnungs-
axiom der Ebene gibt, während es dennoch mit dem entsprechenden Axiom der Punkte auf der Geraden, dem Zwischenaxiom in einer inneren Beziehung steht, es dasselbe Prinzip wie dieses Axiom gleichsam auf einer . höheren Stufe verkörpert. Wie das Zwischenaxiom das einzige Zwischenaxiom der Geraden ist und daher die Formalfassung erlaubt, so ist das Axiom IV7 das einzige Axiom der Anordnung der Punkte auf beliebigen Geraden aus ganz analogen Gründen. Letzten Endes gehen beide Sätze über die Zwischenrelation zurück auf die asymmetrische Transitivität der Vor-Nachrelationund deren Einzigtceit. Und geradeso wie wir das Zwischenaxiom einmal als selbständiges Axiom der Zwischenrelation entwickelt hatten, andererseits aber es aus der VorNachrelation ableiteten, so ließe sich eine solche Ableitung des Axioms IV7 aus der Vor-Nachrelation ebenfalls vornehmen, nur daß sie sich außerordentlich kompliziert gestalten würde. So verlieren bei der hier entwickelten Auffassung die Tatsachen, die dem Axiom bei der Pasch'schen Fassung zu Grunde liegen, ihre unsystematische Isoliertheit, werden vielmehr in Beziehung gesetzt zu den primitivsten Tatsachen der Relationstheorie, zu der Einzigkeit der linearen Ordnung. Überdies wird aus der Fassung der Gesetzmäßigkeiten der, Lagerelation, wie sie in den analogen Axiomen IV6 und IV7 gegeben sind, verständlich, daß sich auch analoge Folgerungen ergeben. So folgt aus IV6 , daß jede Gerade durch jeden Punkt 0 in ihr in zwei Halbstrahlen geteilt wird, derart, daß 0 die Punkte des einen Halbstrahls von denen des andern trennt. Ebenso folgt aus IV7 , daß jede Ebene durch jede· Gerade in zwei Teile zerlegt wird. Legt man dagegen IV6 und die Pasch'sche Fassung des Axioms zu Grunde, so ergibt sich die befremdende Tatsache, daß Axiome, die völlig unanalog gebaut sind, zu Folgerungen führen, die analog sind.
§ 10. Der Zwischensatz für den Raum. Man könnte der Teilung der Geraden durch einen Punkt und der Teilung der Ebene durch die Gerade als dritte analoge Tatsache anfügen: Jede Ebene teilt den Raum in zwei Hälften. Man wird darnach
die Erwartung hegen, daß, wie der Teilung der Geraden Axiom IV6 , der Teilung der Ebene Axiom IV7 zugrunde liegt, so auch die Teilung des Raumes auf ein weiteres Axiom zurückgeht. Ist diese Erwartung berechtigt? Hilbert gibt eine verneinende Antwort: es bedürfe bei den Axiomen der Anordnung keines neuen räumlichen Axioms. Von dem Standpunkt, von dem er ausgeht, darf er diese Behauptung· ohne weiteres aufstellen. Denn die Teilung des Raumes durch die Ebene wird mit Hilfe der Axiome der Verknüpfung und der Anordnung bewiesen. Da wir hier jedoch die Axiome der Punkte untereinander (die Axiome der Anordnung), soweit es angeht, unabhängig von den Axiomen des Ineinanderliegens von Elementen verschiedener Elementensysteme (deriAxiomen derV erlmüpfung) betrachten wollen und erst späterhin die Axiomgruppen in Verbindung setzen wollen, so muß geprüft werden, ob wir nicht ein IV6 und IV7 analoges räumliches Axiomabel aufstellen können, das vielleicht erst dann, wenn man die Axiome des Ineinanderliegens hinzunimmt, zum Lehrsatz degradiert wird. Wenn ein derartiges Axiom der Anordnung der Punkte im Raum aufgestellt werden soll, ohne Rücksicht darauf, ob es sich mit Hilfe der Axiome des Ineinanderliegens ableiten läßt oder nicht, so ist eine erste Bedingung hiezu, daß es seinen Voraussetzungen nach von diesen Axiomen unabhängig ist. Ist es nämlich schon in den Voraussetzungen seiner Existenz von den Axiomen des Ineinanderliegens abhängig, so hat es keinen Sinn mehr, von diesen Axiomen beim Beweis des präsumptiven Axioms absehen zu wollen. Es muß daher vor allem geprüft werden, von welchen Axiomen ein solches Axiom für den Raum abhängig ist. Wir prüfen als Voruntersuchung, inwieweit die Axiome IV6 und IV7 etwa Axiome des Ineinanderliegens als Voraussetzungen benutzen und wieweit sie unabhängig von solchen Voraussetzungen sind. Daß es Punkte gibt, daß es beliebig viele Punkte gibt, sind Tatsachen, von denen natürlich Gebrauch gemacht werden muß, wenn es gilt, die Axiome der Punktrelationen festzustellen. In Frage steht nur, inwieweit spezifische Axiome über J-Relationen in den beiden Axiomen IV6 und IV7 mitbenutzt sind. Zunächst scheint es, als ob IV6 Sätze über das Ineinanderliegen von
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Punktenund Geraden benutze: denn IV6 redet ausdrücklich. von Punkten in einer Geraden usw. Wenn man sich jedoch die Bedeutung der geraden Linie in Axiom IV6 klar macht, so sieht man, daß hier die Gerade eine völlig andere Bedeutung hat als in den Axiomen des Ineinanderliegens. Nur die Tatsache des Ineinanderliegens, die Tatsache, daß beliebig viele Punkte in einer Geraden liegen, ist beiden Fällen gemeinsam. Aber bei den Axiomen des Ineinanderliegens ist die Gerade ein dem Punkte gleichgeordnetes Element. Punkte und Gerade sind Elemente verschiedener gleichgeordneter Elementensysteme, deren Beziehungen untersucht werden. In den Axiomen der Anordnung ist die Gerade ein bloßes Ordnungsprinzip. Sie ist hier einzig das Prinzip, das die Unabhängigkeit der Lagerelationen untereinander beseitigt. Während, wie wir sahen, im allgemeinen L (A B) mit L (A C), sowie mit L (C A) vereinbar ist, ist auf der geraden Linie die Ordnungsfolge eindeutig festgelegt, sobald man nur überhaupt erst eine Blickrichtung aufstellt. Aber es war dennoch nicht richtig, wenn wir ehemals behaupteten, daß nur auf der geraden Linie diese Eindeutigkeit der Ordnungsfolge vorliege. Jedes Prinzip, das die Punkte zu ordnen imstande ist, tut dieselben Dienste, wenn es nur dem Umstand Rechnung trägt, daß vor jedem Punkte beliebig viele Punkte liegen müssen, und ebenso hinter jedem Punkte. Das Ordnungsprinzip könnte ebensogut wie durch die Gerade durch irgend eine beliebige gekrümmte ungeschlossene Linie, nicht nur in der Ebene, sondern auch im Raume gegeben werden, solange diese Linie keine Singularität enthält. Auch die gekrümmte Linie enthält ein Ordnungsprinzip, das die Gleichartigkeit der asymmetrischen Lagerelationen untereinander aufhebt, und da die Lagerelation als solche keine Änderung dadurch erleidet, welches das Ordnungsprinzip ist, das die genannte Funktion ausübt, so gelten die Axiome IV1 bis IV6 auf jeder derartigen beliebigen Kurve. Überall gilt die Transitivität und der Zwischen-Satz. Es bedeutet eine Einengung der Betrachtung, wenn man die Punkte auf der geraden Linie betrachtet anstatt auf einer beliebigen Kurve, eine Einengung, die freilich hier dadurch nahegelegt wird, daß für uns an Elementensystemen nur Punkte, Gerade und Ebenen keine gekrümmten Linien zur Verfügung stehen. 229
Selbst wenn wir jedoch diese Einschränkung des Ordnungsprinzips auf die gerade Linie vornehmen, wird von früheren Axiomen im Aufbau von Axiom IV6 nur die eine Tatsache benutzt, daß auf jeder Geraden beliebig viele Punkte liegen. Außer den allgemeinsten Axiomen des Ineinanderliegens von Punkten und Geraden und der Tatsache, daß beliebig viele Punkte in einer Geraden liegen, bringt also IV6 kein weiteres Axiom der Gruppen II und III zur Anwendung. Ganz a'nders Axiom IV7 • Man überzeugt sich leicht, daß IV7 nicht für jede beliebige Kurve gilt. Wählt man die Pasch'sche Fassung, so sieht man ohne weiteres, daß für das Verhältnis einer Parabel zu den Seiten eines Dreiecks die Beziehung gilt, daß eine Parabel sehr wohl die drei Seiten eines Dreiecks gleichzeitig schneiden kann. Es liegt außerhalb unserer Aufgabe zu untersuchen, welche Kurven in der Tat dem Axiom IV7 Genüge leisten, wir beschränken uns auf die Untersuchung der Geraden. Und da fragt es sich, welche Eigenschaften der Geraden es sind, die für die Geltung von IV7 zugrunde gelegt werden. Zunächst die Tatsache, daß zwei Gerade sich in einem Punkte schneiden können. Dann aber auch, daß sie sich in nicht mehr als einem Punkte schneiden (II6 ). Wenn sie sich etwa in drei Punkten schneiden könnten, (oder gar schneiden müßten), so wäre die Schnittpunktsfrage nie und nimmer durch eine so einfache Gesetzmäßigkeit, wie sie IV7 gibt, zu beantworten. Es tauchte dann die Frage des "Zwischen" schon bei Schnittpunkten von zwei Geraden auf usw. Unmöglich wäre es natürlich nicht, daß ein Axiom ähnlich wie IV7 auch in dem Fall existierte, daß zwei Gerade sich in mehr als einem Punkte schneiden könnten. Es wäre z. B. denkbar, daß IV7 für jene besonders gelagerten Fälle, in denen nur ein Schnittpunkt zweier Geraden existierte, in Geltung bliebe od. dergl. Dagegen ist es ohne Bedeutung, daß di~ vier Geraden, von denen das Axiom IV7 spricht, stets in einer Ebene liegen~ 'VV enn. sie auch tatsächlich stets in einerEbene liegen müssen, weil sie sich sonst nicht in 6 Punkten schneiden, so ist doch diese Tatsache bei Aufstellung des Axioms nicht mitbenutzt. Von den Axiomen II5 bis II9 ist also nur II6 mitbenutzt bei Aufstellung
von IV7 • Andrerseits benutzt IV7 , wie wir sahen, in seiner formalen Fassung IV6 als Voraussetzung, denn wir fanden, daß wir nur mit Hilfe des Zwischenaxioms die Auswahl unter den drei Fällen 5)y, 5)V und 6)y der früheren Tabelle treffen konnten, da ohne Zuhilfenahme von IV6 sowohl 5)y als 5)y als 6)y widerspruchsfrei waren. Stellt man dagegen Axiom IV7 einfach als inhaltliches Axiom auf, als bestimmt geartete, stets erfüllte Relationszusammenstellung, dann hat es (ohne Rücksicht auf irgend welche Deduktion des Axioms) einen sehr bestimmten Sinn, auch ohne daß man das Zwischenaxiom kennt. Freilich, da das Zwischenaxiom selbst nur eine. Folgerung aus dem Transitivitätsaxiom IV6 ist, so wäre mit dem ZwischenSatz auch die Transitivität der Vor-Nachrelation aufgegeben, was den ganzen Sinn der Anordnung von Punkten aufheben würde. Das Ergebnis ist also, daß IV7 nur von II6 eine gewiße Abhängigkeit besitzt. Gehen wir nun zu der Analyse des Satzes über, daß die Ebene den Raum in zwei Hälften teilt, so lautet der Satz, der ihm ebenso zugrunde liegt, wie die Axiome IV6 und IV7 den Teilungssätzen über Gerade und Ebenen, in der dem Pasch'schen Axiom analogen Fassung: Es sei A, B, C, D ein T e t r a e der u n d a eine E b e n e, die weder durch eine Kante noch durch einen Eckpunkt des Tetraeders geht. Wenn dies e E b e n e das Innere einer Fläche des T e t r aeders schneidet, so schneidet sie auch noch das Innere von z w e i a n d er n F I ä c h e n. Dieser Satz setzt voraus, daß durch je drei Punkte eine und nur eine Ebene geht (III5 , II6 , II8 , II7 ), daß sich zwei Ebenen schneiden und zwar nur einmal schneiden können (II 7 ). Hieraus ist ersichtlich, daß schon dieAufstell ung des Satzes mehrere Axiome der Gruppen II und III voraussetzt. Es ist deshalb nicht angängig, bei Beweis des Satzes auf diese Axiome zu verzichten. Der Beweis des Satzes wird geführt unter Zuhilfenahme von III4 , III5 , II5 und II8 ; also zum größten Teil mit denselben Axiomen, die bereits Voraussetzung zur Aufstellung des Satzes sind. Daher ist es sinnlos, als Grundlage des Teilungssatzes des Raumes ein besonderes Axiom aufzustellen, indem man
zunächst einmal von der Existenz der Axiome des Ineinanderliegens absieht - denn auf diese Axiome läßt sich bereits bei der Aufstellung des Satzes nicht verzichten. Nimmt man aber dies Axiom: des Ineinanderliegens als gültig an, so läßt sich der Teilungssatz für den Raum: (mit Hilfe der Axiome der Gruppe IV) beweisen. Es existiert daher für den Raum kein den Axiomen IV6 und IV7 analoges Axiom. Es sei zum Schluß dieser Betrachtungen darauf hingewiesen, daß die Ergebnisse der Untersuchung der L-Relation (bezw. der Zwischenrelation) ganz ähnliche sind wie bei der J-Relation. Das Postulat 7, das Postulat des Verbots freier Möglichkeiten, erlaubte bei beiden Relationen eine Deduktion der Axiome; nur daß bei der Untersuchung der Lagerelation die Unmöglichkeit weiterer Axiome dargetan wurde, was bei der J-Relation nicht restlos durchgeführt werden konnte.
Die Verbindung von Sich-schneiden von Geraden und dem Durch-'einenPunkt-Gehen von Geraden l~gen wir durch folgende symbolische Bezeichnung fest: Axiom V4 : [ + S (a, b)J == [+ J (A, a) + J (A, b)J [- S (a, b)J == [+ J (a, b,- A)] Auf Grund dieser Korrespondenz von Sich- schneiden und Durch- einenPunkt-Gehen von Geraden, und Nicht-schneiden und Nicht-durch-einen Punkt-Gehen von Geraden bedürfen die Sätze über das Sich.,schneiden und das Sich-nicht-schneiden von Geraden keiner weiteren Axiome mehr; sie korrespondieren entsprechenden Sätzen über das Ineinanderliegen von Punkten und Geraden. So korrespondieren z. B. die Sätze: Zwei Gerade schneiden sich höchstens einmal, und: Zwei Gerade können höchstens einen einzigen Punkt gemeinsam haben usw.
§ 11. DieGesetzmäßigkeitendes Si,ch-schneidens und des
§ 12. Die Gesetzmäßigkeiten der Anordnung von Geraden.
Sich-nicht-schneiden s von Ger a d e n. Nach den Problemen der Anordnung von Punkten zu einander ist die Relation der Anordnung von Geraden zu einander zu untersuchen. Zunächst können Gerade a und b zu (;:)inander in einer Relation stehen, die wir als die des Sich-schneidens bezeichnen: S (a, b). Diese Relation, auf die schon beim Parallelismus hingewiesen wurde, darf nicht ohne weiteres identifiziert werden mit dem Ineinanderliegen von zwei Geraden und einem Punkte. Von Punkten ist bei dem Sich-schneiden zunächst keine Rede. S (a, b) ist eine Beziehung zwischen zwei Geraden. Daß zwei sich-schneidende Gerade sich immer nur in einem Punkte ?Chneiden, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Axiom, das wir freilich bei den früheren Ausführungen in der Art der Formulierung der Sätze bereits implicite verwandt haben. FürS gelten zunächst ganz ähnliche Axiome wie für J. Axiom V1 : S ist stets anwendbar. Axiom V2 : S ist definit. [+ S (a, b),- S (a, b)Jy. Axiom V3 : S ist symmetrisch. [+ S (a, b), =t= S (b, a)Jy.
DieGesetzmäßigkeitendes Sich-schneidens und des Sich-nicht-schneidens bieten also keine neuen Probleme. Dagegen bedürfen die Gesetzmäßigkeiten der An o r d n u n g von Geraden einer Besprechung. Wir verfolgen diese Gesetzmäßigkeiten, ohne zunächst auf die Anordnung der Punkte auf der Geraden Rücksicht zu nehmen. Wir müssen die Probleme der Anordnung für Gerade, die sich schneiden, und solche, die sich nicht schneiden, getrennt behandeln. a) Gerade, die sich nicht schneiden, also parallele und windschiefe Gerade. Für parallele Gerade (Gerade, die in derselben Ebene liegen und sich nicht schneiden) gelten dieselben Anordnungsgesetze wie für Punkte auf der Geraden. Parallele sind der Relation "vor" und "nach" unterworfen, die Relation "zwischen" ist auf sie anwendbar; der "Zwischen-Satz" gilt für sie; ja, es gilt auch das Analogon für IV7 , wenn die Parallelen auf verschiedenen sich schneidenden Ebenen liegen. Der Satz lautet hier: Vier Ebenen schneiden sich in sechs Geraden der Art, daß je drei zueinander parallel sind; so besteht die Gesetzmäßigkeit, daß aus der Anordnung von je zweiender hierbei auftretenden 2
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Zwischenrelationen der Geraden die beiden andern esymmetrisch eindeutig ableitbar sind. :Und wiederum ergibt sich aus dieser formalen Forderung die inhaltliche Gestaltung des Satzes. Wir fassen diese Gesamtheit von Tatsachen in das einzige Axiom: Axiom V5 : Für parallele Geraden in einer Ebene und in mehreren sich schneidenden Ebenen gelten diesE)lben Anordnungsgesetzmäßigkeiten, wie für Anordnung der Punkte auf einer Geraden und in mehreren sich schneidenden Geraden. Für windschiefe Gerade existieren keine besonderen allgemein gültigen Gesetze der Anordnung. b) Gerade, die sich schneiden. Genau wie beliebige Punkte des Raumes stehen zwei Gerade des Raumes (ob sie sich nun schneiden oder ob sie sich nun nicht schneiden) in einer Lagerelation L (a, b); aber auch für diese Lagerelation der Geraden, die ebenfalls eine asymmetrische Relation ist, ist ebensowenig wie für die Lagerelation beliebiger Punkte eine weitere Gesetzmäßigkeit ausfindig zu machen. Es gilt also nur: Axiom V6 : Zwei Gerade stehen in einer Lagerelation L (a, b). Axiom V7 : Die Lagerelation ist asymmetrisch. Wie früher bei den Lagerelationen von Punkten nur diejenigen besonderes Interesse boten, bei denen die Punkte auf einer Geraden liegen, so hier diejenigen Geraden, die durch einen Punkt gehen. Wir fanden ehemals, daß durch die Festlegung der Richtung einer Lagerelation von Punkten auf der Geraden die Richtung jeder andern Lagerelation von Punkten auf der Geraden eindeutig gemacht wird: Setze ich bei drei gegebenen Punkten A, B, C fest, A solle vor B liegen, so liegt es nicht mehr in meinem Belieben, ob ich annehmen will, B liege vor C oder C vor B. Diese Tatsache findet kein Analogon für drei gegebene Gerade a, b, c durch einen Punkt. Wenn man festsetzt, a solle c vor b liegen, so ist damit die Relation zwischen b und c noch nkht festgelegt. Es ist immer noch möglich, c als vor b liegend oder b als vor c liegend aufzufassen. Daher neutralisiert in diesem Fall die Zwischenrelation nicht die Vor-Nachrelation, sondern läßt sie so unbestimmt, wie sie war. Man kann von den drei 2 34
Geraden a, b und c ebensogut a (b, c) behaupten, als auch b (a, c) als auch c (a, b ). Erst die Relation von vier Geraden durch einen Punkt schafft die Möglichkeit, die Gleichwertigkeiten der Richtung der Vor-Nachrelation durch eine eindeutige Relation zu neutralisieren. Und zwar folgendermaßen: Bei vier Geraden a, b, c, d besteht ein eindeutiges Verhältnis der Trennung. Die Behauptung a und b trenne c und d voneinander, ist eindeutig. Daher ist nicht die Z wischenrelation, sondern die Trennungs r e l a t i o n die grundlegende Relation für Gerade, die durch einen Punkt gehen. Wir bezeichnen sie mit ab (cd). Das Trennungsverhältnis ist wechselseitig und symmetrisch: ab (cd) = cd (ab)= dc (ab) = dc (ba). Axiomatisch ist von dem eben Gesagten nur festzuhalten, daß die Zwischenrelation keine Neutralisierung der asymmetrischen Lagerelationen hervorruft, dagegen die Trennungsrelation. Axiom V8 : D i e Z w i s c h e n- Re l a t i o n ist b e i drei Geraden, d i e durch einen Punkt gehen, nicht objektiv eindeutig, jedoch die Trennungsrelation für vier Geradedurch einen Punkt. Die Sätze über die Trennungsrelation bedürfen keiner besonderen Axiomatik, da sie die einfache Folge von Sätzen über die Zwischenrelation sind. Ebensowenig die Sätze über die Trennungsrelation bei fünf und mehr Geraden. Eine weitere Frage ist die, ob sich ähnliche Sätze ergeben für die Trennungsrelation von fünf Geraden durch einen Punkt, wie wir sie für die Zwischenrelation bei vier Punkten auf einer Geraden gefunden hatten-ob es einen "Trennungssatz" analog dem "Zwischensatz" gibt. Das ist in der Tat der Fall. Nennt man die 5 Geraden, die durch einen Punkt gehen, der Reihe nach: I, II, III, IV, V, so gilt die Gesamtrelation: I, III (II, IV); I, III (II, V); I, IV (II, V); I, IV (III, V) ; II, IV (III, V) derart, daß aus drei Trennungsrelationen von 5 Geraden sich die andern esymmetrisch eindeutig ableiten lassen. Dieser Satz über die Trennungsverhältnisse läßt sich ohne weiteres aus der Definition des Trennungsverhältnisses ableiten, ist also kein Axiom.
Weiterhin kann gefragt werden, ob ebenso, wie sich der Zwischensatz für die Gerade zu einem Zwischensatz der Schnittpunkte des vollständigen Vierseits verallgemeinern ließ, sich der Trennungssatz für einen Punkt verallgemeinern läßt, angewandt auf die Verbindungsgeraden eines vollständigen Fünfecks. Eine solche Verallgemeinerung gilt jedoch nur mit Einschränkung.. Es sind nämlich beim vollständigen Fünfeck zwei Fälle zu unterscheiden : das vollständige Fünfeck kann so beschaffen sein, daß der 5· Punkt jeweils außerhalb des Vierecks liegt, das vier benachbarte Punkte verbindet. (Fall1.) Andrerseits kann auch einer von den 5 Punkten so gelagert sein, daß er innerhalb des Vierecks liegt, das vier andere Punkte verbindet. (Fall 2.) Nur für Fall 1) gilt die Verallgemeinerung in derselben Weise wie bei der Zwischenrelation. Wenn wir die senkrechte Kolumne als die Kolumne der Punkte betrachten, im übrigen die Bezeichnungsweise ebenso wie damals vornehmen, so gilt in der Tat bei Fall 1): Fall 1) : 5 4 3 2 1 I, III (II, IV) ; I, III (II, V); I, IV (II, V); I, IV (III, V); II, IV (III, V), . Oder: Im Punkte 5 trennen die Geraden I und III die Geraden II und IV, im Punkte 4 die Geraden I und III die Geraden II und V, usw. Der Vergleich zeigt, daß die Relation der Geraden beiFall1) des vollständigen Fünfecks genau dieselbe ist, wie bei 5 Gerade]}, die durch einen Punkt gehen. Dagegen gilt für Fall 2) eine andere Relation: Fall 2): 5 4 3 2 1 I, III (II, IV); I, III (II, V); I, IV (II, V); I, IV (III, V); II, III (IV, V). Die beiden Relationen von Fall1) und 2) stimmen also mit Ausnahme des letzten Gliedes überein, das bei Fall 1) II, IV (III, V) lautet, bei Fall 2) dagegen II, III (IV, V). Es ist deshalb auch nicht möglich, ganz allgemein zu sagen, daß sich aus drei Trennungsrelationen des Fünfecks die beiden andern ableiten lassen. Vielmehr nur dann, wenn man weiß, welchem der beiden Fälle das vorliegende Beispiel eines vollständigen Fünfecks angehört. Es ist nicht nötig, die Axiome für die Geraden weiter zu analysieren.
Sie lassen sich nur dann als Axiome aufstellen, werin man die Geraden rein als solche ohne Beziehung zu den Punkten, die auf ihnen liegen, betrachtet. Stellt man dagegen diese Beziehung her, so lassen sich die Sätze über die Anordnung der Geraden aus den Sätzen über die Anordnung der Punkte ableiten. Und zwar stellt folgendes Axiom die Verbindung zwischen der Anordnung der Geraden und der Anordnung der Punkte auf ihnen her: Axiom V9 : Die Anordnung der Geraden a,. b, c, d . : , die durch einen Punkt 0 gehen, wird durch folgendes Prinzip hergestellt: Schneidet man die Geraden a, b, c, d ... durch eine weitere Gerade z, so haben die Schnittpunkte der Geraden mit z eine bestimmte Anordnung. Diese Anordnung ist, wie sich aus IV6 und IV 7 für z beweisen läßt, dieselbe auf allen Geraden z, soweit sie nur die Geraden a, b, c, d alle auf derselben Seite von 0 schneiden. Dieser Anordnung der Schnittpunkte korrespondiert die Anordnung der Geraden. Hieraus lassen sich alle Sätze über die Anordnung von Geraden beweisen. Daß z. B. Parallele sich linear anordnen lassen, beruht darauf, daß auf jeder Geraden, die die Parallelen schneidet, die Schnittpunkte dieser Geraden mit der Parallele in derselben Anordnung auftreten, ein Satz, der sich aus IV7 leicht beweisen läßt. Ebenso verliert durch Axiom V9 sowohl Axiom V5 als auch Axiom V8 den Axiomcharakter. Sie werden zu beweisbaren Sätzen. Andererseits läßt sich jedoch in den Fällen nicht mehr von einem Anordnungsverhältnis von Geraden reden, in denen eine Hilfsgerade nicht mehr durch ihre Schnittpunkte die Geraden eindeutig ordnet, wie z. B. bei beliebigen Geraden in einer Ebene. Dasselbe Prinzip gilt nun auch für den Schnitt von Ebenen. Auch hier werden die Anordnungsaxiome, die man aufstellen kann, wenn man die Ebenen allein betrachtet, ihres axiomatischen Charakters beraubt durch folgendes Axiom : Axiom V10 : Der Anordnungscharakter von Ebenen steht in eindeutiger Beziehung zur Anordnung ihrer Schnittpunkte mit beliebigen Geraden auf diesen Geraden. So können parallele Ebenen linear angeordnet werden, weil die Schnittpunkte von beliebigen Geraden mit den parallelen Ebenen stet$ die gleiche
lineare Anordnung zeigen. So können beliebige Ebenen, die sich in einer Geraden schneiden, angeordnet werden, soweit die Schnittpunkte dieser Ebene mit beliebigen Geraden eine solche Anordnung zulassen. Prinzipiell Neues gegenüber der Anordnung der Geraden bringt diese Anordnung der Ebenen nicht.
§ 13. Zusammenstellung der Axiome der Anordnung. 1) Axiome der L-Relation. IV1 : Zwischen zwei Punkten A und B besteht eine und nur eine Lagerelation L (AB). IV2 : Die L-Relation ist asymmetrisch. IV3 : Die Asymmetrie der L-Relation ist komplementär. IV4 : Die L-Relation ist ungerichtet asymmetrisch. IV5 : Für Punkte auf einer Geraden sind die asymmetrischen Blickrelationen der L-Relation nicht voneinander unabhängig. IV6 : [ ut, 23, 31 Jv. Wenn ein Punkt 1 vor Punkt 2 und Punkt 2 vor Punkt 3 liegt, so liegt auch Punkt 1 vor Punkt 3 (Transitivitätsaxiom). IV6 als Formalaxiom: Es existiert ein Axiom 3· Stufe der L-Relation. IV6 als verallgemeinertes Formalaxiom: Es existiert nur ein einziges spezifisches Axiom der L-Relation für die Gerade, das durch seine Existenz alle weiteren Axiome ausschließt. IV7 : Die 6 Schnittpunkte von 4 Geraden der Ebene sind derart gelagert, daß aus der Kenntnis der Relationen der Schnittpunkte auf zwei Geraden sich die Schnittpunkte auf den beiden andern Geraden esymmetrisch eindeutig ergeben. Aus diesem formalen Axiom läßt sich der Inhalt der Relation ableiten: Er lautet: IV III II I l (23) l (24) 3 (14) 3 (24) IV7 als verallgemeinertes formales Axiom: Es soll ein Axiom über die Anordnung der Schnittpunkte der Geraden eines vollständigen Vierseits derart gelten, daß dieses Axiom die Möglichkeit weiterer Axiome (auf Grund des Axioms IV6 ) ausschließt.
Axiome über die Beziehungen von Geraden untereinander und Ebenen untereinander. V1 : S (die Relation des Sichschneidens von Geraden) ist stets anwendbar.
v2 : s ist definit. v3: s ist symmetrisch. V4 : Zwei Gerade schneiden sich in emem Punkte; zwei Gerade, die einen Punkt gemeinsam haben, schneiden sich: + S ( a, b) == J (A, a) + J (A, b) - S (a, b) == + J (a, b,- A) V5 : Für parallele Gerade in einer Ebene und in mehreren sich schneidenden Ebenen gelten dieselben Anordnungsgesetzmäßigkeiten wie für die Anordnung der Punkte auf einer Geraden und in mehreren sich schneidenden Geraden. V6 : Zwei Gerade stehen in einer Lagerelation L (a, b). V7 : Die Lagerelation der Geraden ist asymmetrisch. V8 : Die Lagerelation ist bei drei Geraden, die durch einen Punkt gehen, nicht objektiv eindeutig, jedoch die Trenuungsrelation. V9 : Die Anordnung von Geraden a, b, c, d .... , die durch einen Punkt o gehen, wird durch folgendes Prinzip hergestellt: Schneidet man die Geraden a, b, c durch eine weitere Gerade z, so haben die Schnittpunkte der Geraden mit z eine bestimmte Anordnung auf z. Dieser Anordnung der Schnittpunkte korrespondiert die Anordnung der Geraden. Nimmt man V9 hinzu, so lassen sich V5 und V8 beweisen. V10 : Der Anordnungscharakter von Ebenen steht in eindeutiger Beziehung zur Anordnung ihrer Schnittpunkte mit beliebigen Geraden auf diesen Geraden. Die Axiome der J-Relation für die normale Geometrie und die Axiome der L-Relation bilden zusammen die Grundlage für den Aufbau der proj e k t i v e n Geometrie. Wie sich gezeigt hat, gehorchen sowohl die s p e z ifischen Axiome der J-Relatiou als auch die spezifischen Axiome der L-Relation (IV6 und IV7 ) dem Postulat des Verbots freier Möglichkeit. Unter Voraussetzung der .allgemeinen Postulate stellt also die projektive Geometrie die Geometrie mit der geringsten Anzahl freier Möglichkeiten dar die Anzahl ihrer freien Möglichkeiten ist 0.
T VI. Kapitel
Die Axiome der Maßbeziehung § 1. Die q uali ta ti ven Axiome der e-Relati on. Zu Beginn des V. Kapitels wurde festgestellt, daß zwischen zwei Punkten stets zwei verschiedene Relationen bestehen, 1) die Lagerelation (die bei drei und mehr Punkten auf einer Geraden als Anordnungsrelation der Punkte erscheint) und g) die Entfernungsrelation. Von der Lagerelation hatte das V. Kapitel gesprochen - das vorliegende Kapitel soll die Entfernungsrelation analysieren. Für die Entfernungsrelation gelten folgende grundlegende Axiome: Axiom VI1 : Zwischen zwei beliebigen Punkten besteht stets eine und nur eine Relation der Entfernung e AB· Axiom VI2 : Jede e-Relation zwischen zwei Punkten hat eine charakteristische Eigentümlichkeit, die wir ihren Relationswert nennen wollen. Der· Relationswert findet seinen Ausdruck in der "Entfernungsgröße", von der weiterhin ausführlich zu sprechen ist. Der Relationswert hat Eigenschaften, die von denen der Relation abweichen. Die Relation eist zwischen zwei Punkten stets in gleicherWeise vorhanden, denn je zwei Punkte stehen in einer Entfernungsrelation. Dagegen wechselt der Relationswert dieser· Entfernung - die Entfernungsgröße ist variabel. Überall dort, wo keine Mißverständnisse obwalten können, soll im folgenden schlechtweg von der e-Relation gesprochen werden, auch dort, wo der Relationswert gemeint ist. Axiom VI8 : Der Relationswert der,e-Relation ist symmetrisch: e AB == e BA· Die Relationswerte der e-Relation zeigen eine merkwürdige Eigentümlichkeit, wie sie weder bei der J-Relation noch bei der L-Relation angetroffen wurde: e-Relationen- Entfernungen- können gleich oder ungleich sein. Zwischen zwei e-Relationen besteht also wiederum (oder besteht nicht) eine neue Relation, die Relation der Gleichheit. Und die e-Relationen
können nicht vollständig analysiert werden, wenn man nicht 1) die Eigenschaften der Gleichheitsrelationen feststellt und g) die Art, wie die Gleichheitsrelation von dem, Relationswert der e-Relation abhängig ist, untersucht. Während man bei ~er J- Relation und der L- Relation gleichsam · innerhalb der Relation selbst ·verbleiben konnte, um sie vollständig zu charakterisieren, muß man, um die e-Relation zu untersuchen, aus ihr heraustreten und die Relation der Gleichheit zwischen e-Relationen zum Gegenstand der Betrachtung machen. Daher: Axiom VI4 : Zwischen zwei e-Relationswerten besteht (oder besteht nicht) eine stets anwendbare und definite Relation der Gleichheit, oder in Symbolen ± g (ei' e2 ). Wir schreiben abgekürzt + e1 e2 d. h. e1 ist gleich e2 ; - e1 e2 , d. h. e1 ist ungleich e2 , oder e1 ist verschieden von e2 • Die Gleichheitsrelation gehört demnach zu der Klasse von Relationen, die wir a 1t er native Relationen nennen wollen. Alternative Relationen sind solche, die zwischen den Elementen eines Elementensystems 'bestehen oder nicht bestehen können. Auch die J-Relation ist alternativ, es können z. B. ein Punkt und eine Gerade ineinanderliegen oder nicht ineinanderliegen. Dagegen sind die L- Relation und die e-Relation o hli g a t arische Relationen. Sie bestehen immer zwischen den Elementen der in Frage kommendenElementensysteme. ZweiPunktehaben stets eine Lage zueinander, zwei Punkte haben stets eine Entfernung voneinander.
§ 2. Die Axiome der G leichheitsrelation. Wir untersuchen zunächst die Eigenschaften der Gleichheitsrelation. Hier gilt: Axiom VI5 : [ + e1 e2 , - e2 e1 ]V: es ist unmöglich, daß e1 · = e2 und e2 :f e1 ist. Wenn e1 = e2 ist, so ist auch e2 = e1 , d. h. die Gleichheitsrelation ist sym:t;netrisch. Weiterhin: Axiom VI6 : Es existieren zu jedem e (Relationswert einer Entfernung) eine beliebig große Anzahl von e, die ihm gleich sind, und ebenso eine . beliebig große Anzahl von e, die von ihm verschieden sind. Daß es überhaupt beliebig viele e gibt, geht daraus hervor, daß es be-
.i
liebig viele Punkte gibt und zwischen je zwei Punkten eine Entfernung mit Relationswert existiert. Es ist also nach Axiom VI6 [ + e1 e2 J,1.- Da es zu jedem e beliebig viele gleiche und beliebig viele ungleiche e gibt, so muß auch die g-Relation !2. Stufe stets möglich sein: [± e1 e2 , -1- e2 esJA· (ebenso [± e1 e2 , ±es e1 ])J, d. h. es kann z. B. gleichzeitig e1 = e2 sein und es= e1 und ebenso e1 = e2 und e2 =!=esusw. Die VP-rwandschaft mit derJ-Relation ist deutlich. Genau wie bei der J-Relation tragen die inkohärenten Relationen additiven Charakter. Und genau wie bei der J-Relation können -wegen VI6 -nur zirkuläre Relationen Axiome ergeben. Auch hier kann die erste zirkuläre Relation und demgemäß das erste Axiom über das Zusammenbestehen von g-Relationen erst auf der dritten Stufe eintreten. Diese zirkuläre Relation lautet: [± e1 e2 , ± e2 es± e1 es]· Die vier Unterfälle lauten auch hier wieder: 3) +-1) + + + 4)- -- ~ g) + +Die+ -Fälle sind bisher von den- -Fällen noch durch kein formales Charakteristikum geschieden. Wir könnten nach den bisherigen Axiomen ebensogut unter- e1 e2 verstehen e1 ist gleich e2 , und unter+ e1 e2 verstehen e1 ist ungleich e2 , wie umgekehrt. Daher gilt alles, was wir über die Fälle 1) und g) ausm~chen auch für die Fälle 3) und 4), die durch die Vertauschung der Vorzeichen aus ihnen entstehen. Fall 1) als Axiom gesetzt führt auf keinen Widerspruch : 1)y = [ + e1 e2, + e2 es,+ e1 esJv, jedoch liefert 1)y nicht das Axiom der Gleichheitsrelation. 1 )y besagt vielmehr: aus+ e1 e2 , + e2 es folgt- e1 es· 1 )V wäre also das Schema einer symmetrischen in transitiven Relation. Aus der Aneinanderfügung _zwei er solcher Relationen folgt stets die Nichtgeltung der dritten. Ein Beispiel einer solchen symmetrischen intransitiven Relation wäre etwa die Schwager-Relation (wenn man die besonders gelagerten Spezialfälle ausschließt). Diese Relation ist symmetrisch: wenn A der Schwager von B ist, so ist B der Schwager von A. Sie ist intransitiv: wenn A der
Schwager vonBist und B der Schwager von C, so ist A nicht der Schwad gervon C. Ebenso wie 1) widerspruchslos unmöglich gesetzt werden kann, so auch g ). Es ist g )y das Schema der transitiven symmetrischen Relationen, zu denen auch die Gleichheitsrelation gehört. Daher Axiom VI.r: [+ e1 e2 , + e2 es,- e1 e3 ]y oder ausgewertet: 1) Wenn e1 = e2 und e2 = e3 ist, so ist auch e1 =es. Die g-Relation ist eine transitive Relation. 12) Wenn e1 = e2 und e 1 ::J: es, so ist auch e2 :f: e3 • Da sich zeigte, daß die Fälle I)V und g)y widerspruchsfrei möglich sind, so sind auch wegen derVertauschbarkeit des+ und- Zeichens 3)V und 4)y widerspruchsfrei möglich. Man sieht also, daß die g-Relation nicht dem Postulat des Verbots freier Möglichkeiten gehorcht. Vielmehr läßt die zirkuläre Relation 3· Stufe zwei Möglichkeiten offen, von denen jede als Axiom verboten werden könnte. Wenn man also das Postulat des Verbots freier Möglichkeiten so weit faßt, daß es bei gleichwertigen freien Möglichkeiten nur verlangt, daß eine von ihnen verboten wird- gleichviel welche-, so ist also bei den sym. metrischen Relationen sowohl eine transitive als auch eine intransitive Axiomatik durchführbar. Das scheint merkwürdig: wir hatten doch im vorigen Kapitel gesehen, daß für asymmetrische, also weniger eingeschränkte Relationen - unter Voraussetzung des Postulats des Verbots freier Möglichkeiten- nur eine transitive Axiomatik möglich ist. Und nun sollte die symmetrische, also von vornherein eingeschränktere Relation im Ausbau ihrer Axiomatik mehr freie Möglichkeiten ergeben als die uneingeschränktere, asymmetrische. Die Lösung liegt darin, daß wir im vorigen Kapitel . nicht die asymmetrischen Relationen schlechthin untersucht hatten, sondern nur diejenigen, die komplementär sind. Nur für die asymmetrischen Relationen, die zugleich komplementär sind, gilt, daß, wenn überhaupt ein und nur ein Axiom vorhanden ist, dies Axiom das Transitivitätsaxiom ist. Für beliebige asymmetrische, nicht- · komplementäre Relationen gilt jedoch diese Gesetzmäßigkeit nicht. Wenn man also die symmetrischen und die asymmetrischen Relationen
auf die Eingeschränktheil ihrer Gesetzmäßigkeit vergleicht - unter Zugrundelegung des erweiterten Postulats des V ~rbotes freier Möglichkeiten-, so lautet das Ergebnis folgendermaßen: Bei s y m metrischen Relationen ist auf jeden Fall eine transitive und eine intransitive Axiomatik durchführbar. Das einschränkende Postulat des Verbots freier Möglichkeiten versagt hier. Bei asymmetrischen Relationen komplementärer Natur ist bei Festhaltung des Postulats des Verbots freier Möglichkeiten nur eine einzige transitive Axiomatik durchführbar. Bei a s y m metrischen Relationen nicht- k o m p I e m e n t ä r er Natur sind sowohl transitive als auch nicht-transitive Axiomatiken durchführbar.
§ 3. Die Möglichkeit anderer Axiome 3· Stufe bei symmetris c h e n R e l a t i o n e ri.
Der Fortgang der Untersuchung bei der g-Relation ist derselbe wie bei der J-Relation. Da alle Zeichen-Variationen frei möglich sind und daher zu Axiomen gemacht werden könnten, versuchen wir, ob auch die Zusammenstellung von zwei solchen Axiomen frei möglich ist, also die Zusammenstellung von
v,
I) I 2y; 2) 1y, 3V; 3) I y, 4V; 4) 2y, 5V; 5) 2V, 4V; 6) 3V, 4V· Wenn eine Zeichenvariation unmöglich ist, so ist auch hier jede durch einmaligen Zeichenwechsel entstehende Zeichenvariation ableitbar möglich: daher Wenn IV, dann 2M Wenn 5V, dann 2M, 4M Wenn 2V, dann IM, 3M Wenn 4V, dann 5M Also sind die Fälle I) 1 2V; 4) 2V, 3V; 6) 3V, 4V widerspruchsvoll. Es bleiben 2) IV, 3V; 5) IV, 4Vi 5) 2V, 4V als widerspruchsfreie Möglichkeiten: I V 5V ist durch Vorzeichenvertauschung zu 2V 4V symmetrisch, daher sind nur zu prüfen I V 3V und I V 4V· Fall I V 3V; dann gilt gleichzeitig: IV:[+ e1 e2 , + e2 e3 , + e1 e3 ]V 3V [+ e1 e2 , - e2 e3 , - e1 e3 ]V Aus+ e1 e2 und+ e2 e3 folgt - e1 e3 nach I)V
v,
" + e 1 e2
"
-
e1 e3
"
+ e2 e3
"
3)y.
Die Zusammenstellung I)V 5)V ist also bei unmittelbarer Konfrontation widerspruchsfrei. Ebensowenig stehen die weiteren Schlüsse, die man aus I und 5 ziehen kann, miteinander in Widerspruch. Es, stellt sich also kein Widerspruch heraus bei gleichzeitiger Annahme von 1 )V und 5)V, wenn wir die Beziehungen von eu e2 und e3 untersuchen. Es muß jedoch noch geprüft werden, ob die Zusammenstellung, die für 5e widerspruchsfrei ist, auch noch widerspruchsfrei bleibt für eine beliebige Anzahl von e; zunächst also für 4e. Ist dies der Fall, so läßt sich auf eine beliebige Anzahl von e verallgemeinern. Führt man diese Untersuchung durch, so zeigt sich, daß sie nicht auf Widersprüche stößt. Es gibt also Relationen, für die gleichzeitig I)V und 5)V als Axiome gelten. Ebenso zeigt die Durchführung, daß Fall 1 V 4V widerspruchsfrei ist. Dagegen ist eine Zusammenstellung von drei U nmöglichkeiten, etwa I V 5V 4 v, ausgeschlossen, da aus I V folgt: 2 ;1_, aus 2V folgt: 5;1_ usw. Bei symmetrischen Relationen sind also folgende Möglichkeiten gegeben: I) IV ( == 4V) 2) 2V ( == 5V) 5) IV ~V ( == 2V 4V) 4) IV 4V· Wir wollen, um ein Beispiel für diese Zusammenstellungen von zwei Axiomen zu geben, den Fall 2V 4V näher betrachten. Also 2v: [ + e1 e2 , + e2 e3 , - e1 e3 ]V 4V= [- e1 e2 , - e2 e3 , - 1:\ e3 ]V Da 2)y das Axiom der Gleichheitsrelation darstellt, so bedeutet also 2V 4V durch die Zufügung von 4V zu 2)V eine Beschränkung der Gleichheitsrelation. Wir fragen, was durch 4V noch zur Gleichheit Neues hinzugebracht wird. 4V kann formuliert werden: [- e1 e2 , - e2 em- e1 en]V. Es besagt also: e1 sei von e2 verschieden; en ist entweder von e2 verschieden, dann muß es gleich e1 Sftin, oder es ist von e1 verschieden, dann muß es gleich e2 sein (wie sich aus 4V ergibt). 4V teilt also dieein zwei Klassen. Wenn ein Exemplar der einen Klasse als e1 , eines der andern Klasse als e 2 angenommen wird, s~ gehört also jedes weitere e entweder zur Klasse der e1 oder der Klasse der e2 • 2V 4V ist also die Symbolik der Klassenzweiteilung. Ein Beispiel für 2V 4V wäre die Klasseneinteilung der Menschen in Männer und Frauen. Alle Männer sind als Männer untereinander gleich, alle Frauen als Frauen. Wenn ein Mensch zur einen Klasse gehört, gehört er nicht zur andern,
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§ 4. Mögliche Axiome auf höheren Stufen. Mit den angegebenen Axiomen ist die Axiomatik der Gleichheitsrelationen erschöpft. Die Gleichheitsrelation ist eine symmetrische, transitive Relation. Es ist die Frage, ob ebenso, wie bei den asymmetrischen, komplementären Relationen (bei der L-Relation z. B.) mit dem Transitivitätsaxiom keine weiteren Axiome mehr vereinbar sind, so auch bei den symmetrischen, transitiven Relationen die Transitivität das Bestehen weiterer Axiome ausschließt, oder ob nur faktisch die Gleichheitsrelation keine weiteren Axiome mehr qualifiziert. Es ist also zu fragen, ob Axiome von höherer als dritter Stufe existieren können unter Voraussetzung der Axiome VI4 -VI7 • Die Prüfung zeigt, daß mit der Transitivität weitere Axiome sehr wohl vereinbar sind. So ist z. B. A) [- e1 e2 , - e2 es, - e1 e4 , - es e4 Jy mit der Existenz des Transitivitätsaxioms vereinbar. Diese Relation A)y bildet das Analogon zu '2V 4V im vorigen Paragraphen. So wie ::ty 4V die Gesamtheit der Elemente in zwei Klassen untereinander gleicher Elemente teilt, so teilt ::ty Ay, d. h. die Relation Ay zusammen mit dem Transitivitätsaxiom die Gesamtheit der Elemente in drei unter sich gleiche Klassen. Also ~uch in Hinsicht auf die Relationszusammenstellungen höherer Stufe erfüllt die Gleichheitsrelation nicht das Postulat des Verbots freier Möglichkeiten- es gibt symmetrische, transitive Relationen, die im Unterschied von der Gleichheitsrelation noch durch weitere Axiome bestimmt sind.
§ 5. Die Vers chiedenheitsrela tionen und ihre Axiome. Nachdem die Axiome der Gleichheit festgestellt sind, fragen wir, ob die U n g 1eich h e i t der e-Relation oder, wie wir lieber sagen wollen, die Verschiedenheit der e-Relation eine völlig gesetzlose ist, oder ob es innerhalb derVerschiedenheitder e-Relationen Gesetzmäßigkeiten gibt, ähnlich denen der Gleichheit. Die Entfernungen sollen zu diesem Zweck nur insoweit betrachtet werden, als sie verschieden sind, d. h. wir teilen die Gesamtheit der e in Klassen ein. In jede einzelneKlasse kommen die untereinander gleichen e. Nach VI4, dem Axiom der Symmetrie der Gleichheit, ist
dann kein e einer Klasse einem e einer andern Klasse gleich. Wenn wir in den folgenden Paragraphen von e reden, so verstehen wir darunter ein e, das die Klasse aller mit ihm gleichen e repräsentiert, so daß von vornherein im folgenden stets gilt: e1 =f: e2 • Jedes beliebige e ist von jedem andern beliebigen verschieden. Für diese verschiedenen e (oder auch- nach der eben gemachten Festsetzung·- für die Klassen gleicher e) gilt der Satz: Axiom VI8 : Alle Verschiedenheiten der e lassen sich in eine lineare Reihe ordnen. Axiom VI8 charakterisiert nicht die Verschiedenheitsrelation überhaupt ();o wie die früheren Axiome die Gleichheits-Relation überhaupt charakterisierten), sondern nur die Verschiedenheit im speziellen Fall der e. Es gibt Verschiedenheiten, die nicht in linearer Ordnung stehen. So sind ein Besen, ein Stein, ein Mensch, eine Lampe verschieden, aber ihre Verschiedenheiten lassen sich nicht in eine lineare Ordnung bringen. Was unter linearer Ordnung zu verstehen ist, (Asymmetrie der Anordnung, Transitivität usw.), ist im vorigen Kapitel ausführlich erörtert und axiomatisch festgelegt worden und soll daher nicht wiederholt werden. Die lineare Ordnung der Entfernungen zeigt jedoch charaktAristische Unterschiede gegenüber der linearen Ordnung der Punkte auf der Geraden. Erstens sind, wie gezeigt wurde, die Punkte an sich nicht geordnet, sondern sie werden durch ein äußeres Hilfsprinzip geordnet. Die Gerade ordnet sie derart, daß A vor B und B vor C liegt; aber wenn man die Punkte statt durch eine Gerade durch eine gekrümmte Linie verbindet, so werden unter Umständen durch dieses neue Ordnungsprinzip die Punkte ganz anders geordnet, derart etwa, daß jetzt B vor A und vor C zu liegen kommt. Ferner war die Blickrelation der Ordnung beliebig: es war willkürlich, welche Richtung man als diejenige annimmt, von der aus das "vor" in der Ordnung beurteilt wird; es ist gleichgültig, ob man annimmt, A liege vor B, vor C, oder C liege vor B, vor A. Nach beiden Richtungen hin ist die lineare Ordnung der e anders geartet. Die e werden nicht durch ein äußeres Hilfsprinzip linear geordnet, sondern sie sind ihrer Größe nach geordnet. Und weiterhin: die Blickrelation der Ordnung der e ist nicht willkürlich, sondern sie ist im-
manent durch die e selbst gegeben. Es steht nicht in meinem Belieben, e1 als größer oder als kleiner anzusehen als e2 : es ist entweder größer oder kleiner als e2 • Es besteht noch ein dritter Unterschied in der Ordnung der Punkte auf der Gerade,n und der Ordnung der e ihrer Größe nach. Die Ordnungsbeziehung der e ist nicht eine konkrete räumliche, sondern sie ist eine ideelle- im Unterschied zu der Ordnung der Punkte auf der Geraden. Die Ordnung der Punkte auf der Geraden ist selbst räumlich aufzeigbar (ebenso wie z. B. das Ineinanderliegen eines Punktes und einer Geraden). Dagegen ist die Ordnungsreihe der Größen der Entfernungen zwar im Räumlichen fundiert, abernicht im Räumlichen selbst vorhanden. Ein e1 an einer Stelle des Raumes, ein e2 an einer anderen und ein e3 an einer dritten sind an gan~ bestimmten Stellen der Ordnungsreihe einzubeziehen, aber diese Ordnungsreihe ist nicht im Raum. Es liegt dies darin begründet, daß die Ordnungsreihe nicht dieEntfern ungen selbst, sondern dieRelationswerte der Entfernungen nach ihrer Verschiedenheit ordnet, während durch die Ordnungsreihe der Punkte auf der :..Geraden die Punkte s e 1b s t geordnet werden. So ist also die Ordnung aer e ihrer Größe nach keine räumliche Tatsache. - Das ist für die weiteren Untersuchungen festzuhalten. Weitere Unterschiede von der linearen Ordnung der Punkte werden im Folgenden zur Sprache kommen.
§ 6. Die Entfernung als Unterschiedsgröße. Wir betrachten die linear geordneten Verschiedenheitsrelationen. Sie zerfallen in zwei Klassen, in Größen a) mit Steigerungsrelation b) mit Unterschiedsrelation. Die Größen, die in Unterschiedsrelation zueinander stehen, zeigen die Besonderheit, daß der Unterschied zweier Größen wiederum eine Größe der gleichen Art ist, die ihren bestimmten Platz in der Größenreihe einnimmt, während bei den Größen mit Steigerungsrelation keine solche Beziehung obwaltet.
Entfernungen sind Unterschiedsgrößen: Der Unterschied der Größe z~eier Entfernungen ist wiederum eine Entfernung von bestimmter Größe; zwei Entfernungen unterscheiden sich um eine Entfernung von bestimmter Größe. Dagegen ist z. B. die anschauliche (nicht die physikalische) Lautheit eines Tons eine Steigerungsgröße: zwei Töne von verschiedener Lautheit unterscheiden sich nicht wiederum um einen Ton von bestimmter Lautheit. Alle steigerbaren Intensitäten und Qualitäten von Empfindungen gehören zu den Steigerungsgrößen. Blut ist röter als Himbeerwasser, aber nicht um eine bestimmte Röte; ein Ton ist höher als ein anderer, aber nicht um einen Ton von bestimmter Höhe. Es gilt also : Axiom VI9 : Entfernungen sind U n terschiedsgrößen. U (e (x), e (y)) = e (z), wie diese Tatsache symbolisch ausgedrücktwerden soll. Dazu kommt noch als Ergänzung: Entfernungen, die keinen Unterschied besitzen, sind gleich, und gleiche Entfernungen besitzen keinen Unterschied. Dieser Satz ist jedoch kein Axiom. Denn der Unterschied ist eine Spezifikation der Verschiedenheit, Verschiedenheit ist aber als Nicht-Gleichheit definiert worden. Die Unterschiedsrelation ist eine gerichtete Relation, in dem Sinne, daß die beiden Glieder in der Klammer nicht vertauscht werden dürfen, sondern das erste Glied stets das größere bedeuten muß. Noch nach einer andern Richtung hin können die linear geordneten Verschiedenheitsgrößen geordnet werden: in Intensitäten und Qualitäten, je nachdem ihre Ordnung mit 0 beginnend ansteigt, oder keine Beziehung zum Nullpunkt erkennen läßt. Nur im ersteren Fall wird von Intensitäten gesprochen. So ist die Lautheit von Tönen eine Intensität. Es gibt einen Nullpunkt der anschaulichen Lautheit. Ebenso gehört die Helligkeit von Farben, die Stärke von Gerüchen zu den Intensitäten. Dagegen ist die anschauliche Höhe eines Tones (im Gegensatz zur Lautheit) keine Intensität. Die anschauliche Höhe eines Tones von .2 5o Schwingungen in der Sekunde ist nicht ferner vom Nullpunkt als die anschauliche Höhe eines Tones von 50 Schwingungen. Ein tiefer Ton ist ein Ton von anderer Qualität als ein hoher, aber es existiert kein Nullpunkt der anschaulichen Tiefe.
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Die Entfernung dagegen gehört zu den Intensitäten; die Entfernungen steigen von 0 an bis ins Unendliche. Daher: Die Entfernungen sind Intensitäten. Und zwar haben den Entfernungsunterschied Null nur solche Entfernungen, die einander gleich sind. .Durch die Einführung des Entfernungsunterschiedes ist der Anhalt zur Messung gegeben. U (e1 e3 ) sei gleich e2 ; ist nun e2 = e3 , so nennen wir e1 zweimal so groß als e2 • Wir werden im folgenden der Einfachheit halber öfter statt U (e1 e3 ) = e2 schreiben e1 - e3 = e2 oder e2 + e3 = e1 • Die Punkte einer Geraden schneiden auf der Geraden Strecken aus, deren Größe denen der entsprechenden Entfernungen gleich ist. Es wird daher im folgenden viel~ach statt von der Größe der Entfernungen AB von der Größe der Strecke AB geredet werden, ohne daß wir hier diese Beziehung axiomatisch festlegen.
§ 7. Die Gesetzmäßigkeit der e-Relation auf der Geraden. Zunächst wurde die Entfernung zwischen zwei Punkten A und B betrachtet und dabei die beiden allgemeinen Charakteristiken der Entfernungen festgestellt. Jetzt entsteht die Frage, ob die Entfernungen zwischen drei beliebigen Punkten, die Entfernungen e (AB), e (AC), e (BC) Gesetzmäßigkeiten zeigen. Es liegt nahe, zu vermuten, daß die allgemeine Gesetzmäßigkeit U (e (x), e (y)) = e (z) sich auf drei beliebige Punkte anwenden läßt. Das ist in der Tat der Fall, jedoch in eigenartiger Weise: Zunächst ist diese allgemeine Gesetzmäßigkeit - genau wie die der Größenreihe - nicht räumlich ~estimmt, sondern ideeller Natur. Auch wenn e (x) und e (y) zwei räumlich gegebene, aber an verschiedenen Stellen des Raumes liegende Entfernungen sind, so ist ihr Unterschied zwar in die ideelle Größenreihe einreihbar, aber er ist nicht selbst eine konkrete räumliche Entfernung, sondern nur gleich einer solchen. Man könnte nun vermuten, daß bei der Entfernung zwischen drei Punkten A, .ß und C dieses Gesetz auch räumlich konkret in Geltung wäre, sodaß U (e (AC), e (AB))= e (BC) ist. Im allgemeinen Fall gilt jedoch diese Gesetzmäßigkeit nicht, sondern nur im speziellen Fall, wenn die drei Punkte A, B, C auf
einer Geraden liegen. Daher gilt für den Fall der Punkte auf einer Geraden: Auf der geraden Linie ist U (e (AC), e (AB)).== e (BC); konkreter und ideell er Entfernungsunterschied fallen zusammen. Im Gegensatz zur Ordnung der Punkte auf der Geraden ist in diesem Falle die gerade Linie mehr als ein bloßes Ordnungsprinzip, das durch jede andere beliebige Linie ersetzt werden könnte. Vielmehr liegt es im Wesen der geraden Linie und nur in ihrem Wesen, daß die Entfernungen ihrer Punkte der angegebenen Gesetzmäßigkeit gehorchen. Während so die Punkte einer Geraden in Entfernungsrelation stehen, wurde andrerseits im letzten Kapitel die Anordnungsrelation der Punkte der Geraden in ihren Eigenschaften festgestellt. Die Beziehungen zwischen diesen beiden Relationen regelt demgemäß Axiom VI 10• Wenn A, B, C drei Punkte einer Geraden sind derart, daß A vor Bund B vor C liegt, so ist U (e (AC), e (AB))= e (BC). Die beidenein den Klammern sind nicht vertauschbar; vielmehr ist e (AC) größer als e (AB). Die zirkuläre e-Relation 5· Stufe zwischen A, B, C ist hiermit festgelegt. Die zirkulären e-Relationen zwischen 4, 5 ..... n Punkten einer Geraden lassen sich hieraus ohne weiteres ableiten und bieten nichts Neues.
§ 8. Die Gesetzmäßigkeiten der e-Relation auf verschiedenen Geraden. Punkte, die auf einer ersten Geraden liegen, bezeichnen wir mit A, B, C; Punkte, die an einer andern Stelle derselben Geraden liegen oder auf einer zweiten mit A', B', C', Punkte an einer dritten Stelle der ersten Geraden oder auf einer dritten Geraden mit A", B", C" usw. Es ist die Frage, ob bestimmte Gesetzmäßigkeiteil ausfindig gemacht werden können, wenn wir e (AB) nicht mit e (AC) und e (BC) vergleichen, sondern mit e (A' B') usw. Der Kürze halber werde e (AB) mit e, e (A' B') mit e' bezeichnet. Es ist sowohl[+ (e e')]A auch [- (e e')]A: Entfernungen auf verschiedenen Geraden können sowohl gleich als auch ungleich sein --'-- das ist nach Früherem selbstverständlich.
F.rst der Vergleichzweier Relationen 5· Stufe ist von Interesse. Bezeichnen wir e (AB) mit e1 , e (AC) mit e2 , e (BC) mit e3; e (A' B') mit e'1 usw., so gilt Axiom VIn: [+ e1 e1 ' + e2 e'2 - e3 e'3 ]y, d. h. wenn zwischen den Punkten A, B, C einerseits und A', B', C' andrerseits Beziehungenderart bestehen, daß, zweiPaare korrespondierender Entfernungen gleich sind, so sind auch die dritten gleich. Sind ein Paar gleich und ein zweites ungleich, so ist auch das dritte ungleich. Auch hier wieder lassen sich die Beziehungen der Entfernungsrelationen zwischen n-Punktepaaren der Punkte A, B, C, D ..... und A', B', C', D' ..... ohne weiteres ableiten.
§ 9. Die P_rüfung der ausschließenden e-Relationen. In den vorausgegangenen Paragraphen sind die setzenden e-Relationen auf ihre Axiome hin untersucht worden. Ebenso müssen die ausschließenden 'e-Relationen geprüft werden: zunächst die ~-Relationen mit dem Quotienten 1 : · 1. Axiom VI12 : [+ e1, - e't]y, d. h. es gibt kein e1 , zu dem kein e'1 gefunden werden kann, .das ihm gleich ist. Da e1 eine von einem beliebigen Punkte ausgehende Entfernung auf einer Geraden ist, e'1 eine von einem andern Punkte A? auf derselben Geraden oder auf einer andern Geraden ist, so lautet das Axiom: Es gibt zu jederEntfernungauf einer Geraden von einem Punkte A aus eine gleiche Entfernung von einem Punkte A' aus auf derselben Geraden oder einer andern Ge-· radennach jeder der beiden Seiten der betreffenden Geraden. Es gilt der weitere Satz, daß es von einem Punkte A' aus auf einer Seite einer Geraden nur eine einzige Entfernung gibt, die gleich einer vorgegebenen Entfernung e (AB) ist. (Die Beschränkung auf eine einzige Entfernung war durch das Axiom noch nicht gegeben.) Nehmen wir an, es gäbe zwei gleiche Entfernungen A' B' und A' C', von einem Punkte A' aus, so wäre ihr Unterschied B' C'. Die Existenz eines solchen Unterschieds aber widerspricht der Tatsache, daß gleiche Entfernungen keine Unterschiede besitzen. (Hiermit ist freilich noch nicht bewiesen, daß Punkt B' == C' ist.)
Neben deri pos1t1ven müssen die negativ ausschließenden Relationen untersucht werden. Hier gilt der Satz:[- (e1 - ne1)]y. Es gibt zu jeder Strecke AB von jedem beliebigen Punkte aus beliebige von ihr. verschit~ dene Strecken. Dieser Satz ist jedoch kein Axiom, sondern aus früheren Axiomen ableitbar.*)
§ 10. Das Archimedische Axiom. Die vorangegangenen Erörterungen haben über den Vergleich gleicher Strecken bestimmte Grundsätze angegeben. Aus den aufgestellten Axiomen läßt sich entnehmen, daß es zu A B vom Punkte A' aus eine gleiche Strecke gibt ferner daß wenn AB= A' B' und BC = B' C' ist, dann auch A C = A' C' ' a. m.' Aber' es läßt siCh aus· den bisherigen Festsetzungen nicht entist u. scheiden, welches der Punkt ist, der die zu AB gleiche Entfernung von A' aus bestimmt. Die Axiome verbieten nicht anzunehmen, es sei der Punkt B', aber eben~owenig, es sei C'; nur können es nach früheren Axiomen nicht beide Punkte sein. Nach den bisherigen Axiomen ist also der Maßstab für die Streckengleichheit noch völlig willkürlich: Es steht daher nichts im Wege, z. B. einen Maßstab zu wählen, bei ·dem die in diesem Maßstab gemessenen gleichen Strecke A B, B C, C D, im cm-Maßstab gemessen, gleich !2 cm, 50 cm, 4 cm sind usw. Es ist die Frage, ob in der Euklidischen Geometrie der Maßstab in der Tat völlig willkürlich bleibt, oder ob weitere Einschränkungen in Bezug auf die Streckegleichheit gemacht werden müssen. Wir müssen daher die Frage beantworten, ob für die Euklidische Geometrie alle beliebigen Maßstäbe einander gleichwertig sind. Wir vergleichen zu diesem Zweck die Messungen in zwei beliebigen Maßstäben miteinander. Es existieren zwei Möglichkeiten, wie die Messungen zweier Maßstäbe sich zueinander verhalten können: *) Es sind hier bloß die. Grundsätze der Entfernungsvergl e_ich ung, ~ic~t. der Entfernungsmessung gegeben worden. Wie man aus den.. hier aufgezei~hnet~n PnnZipien der.Vergleichung zu einer wirklichen Messung gelangt, darüber vgl. Morltz Geiger, Meth?dolog~sc~e · und experimentelle Beiträge zur Quantitätslehre, Leipzig, W. Engelmann, I907. Aus dieserSciu;Ift sind eine Reihe der in den letzten Paragraphen gegebenen Erörterungen, z. B. der Unterschied von·Steigerungsrelation und Unterschiedsrelation, in vorliegende Untersuchung übernommen.
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1) Angenommen, der eine Maßstab füge als gleiche Strecken von einem Punkte A aus die Strecken a1, a 2 , a3 zur Reihe a1 + a2 + a3 + .... aneinander; der andere die Strecken b 1, b2 , b3 usw. zu bt + b2 b3 + ... Dann divergieren auf jeden Fall beide Reihen in ihrem eigenen Maßstab. Wie aber verhalten sie sich gemessen im Maßstab der anderen Reihe? - Es kann geschehen, - das ist die erste Möglichkeit - daß die Reihe derb, gemessen im Maßstab a konvergiert. Es sei etwa- gemessen im
+
a
Maßstab a- die Strecke b1 =
-;'
a die Reihe b = -
a
2
a
a
b2
a
=
4' b
+ -4 + -8 + -1 6 + ...
3
=
s·a Dann ist im Maßstab a also
. Es konvergieren also die b 1m Maß-
stab a auf den Endpunkt der Strecke a1 hin. Alle über diesen Punkt hinausliegenden Punkte werden durch endliche Aneinanderfügung derStrecken b nicht mehr erreicht. -Umgekehrt divergiert die a-Reihe, gemessen mit dem Maßstab b. Wir wollen Maßstäbe der Art, daß die Reihe gleicher Strecken des ersten Maßstabs gemessen mit dem zweiten Maßstab konvergiert, während die Reihe gleicher Strecken des zweiten Maßstabs gemessen mit dem ersten Maßstab divergiert, inkommensurable Maßstäbe nennen. Die zweite Möglichkeit ist die folgende: 2) Angenommen die beiden zu vergleichenden Reihen gleicher Strecken wären c1 + c2 + c3 + c4 + ... und d1 + d2 + d3 + d4 + ... So kann es geschehen, daß jede der beiden Reihen gemessen im Maßstab der anderen divergiert. Es stelle sich etwa heraus, daß d1 = c, d2 = 2c, d3 = 4c, d4 =Sc usw. ist. Die Reihe der d divergiert also im Maßstab c. Umgekehrt divergiert die Reihe der c im Maßstab d. Es ist nämlich c 1 = d, C2 + c3 = d, c4 + c5 + ~6 + c7 = d usw., so daß die Aneinanderreihung der c auch im · Maßstab d eine divergierende Reihe ergibt. Wir nennen Maßstäbe, die derart beschaffen sind, daß die Reihe gleicher Strecken des einen Maßstabs im andern Maßstab gemessen, divergiert, kommensurable Maßstäbe. Für kommensurable Maßstäbe gilt, wie sich aus der Definition dieser Maßstäbe ohne weiteres ergibt, daß Punkte, die für den einen Maßstab 2
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im Endlichen liegen, auch für den andern Maßstab im Endlichen liegen. Durch diese Scheidung der Maßstäbe ist die Möglichkeit gewonnen, die für die Euklidische Geometrie giltigen Einschränkungen der Willkür in der Auswahl der Maßstäbe festzulegen: 1) Es dürfen in der Euklidischen Geometrie nur untereinander kommensurable Maßstäbe Verwendung finden. Ein Punkt, der bei der einen Art der Messung im Endlichen liegt, muß auch bei der anderen Art der Messung im Endlichen liegen. Jedoch reicht diese erste Bestimmung noch nicht aus, um die in der Euklidischen Geometrie verwendbaren Maßstäbe auszusondern. So sind z. B. Maßstäbe kommensurabel, für deren einen die vom 1 1 1 1 Punkte A aus aneinandergereihten gleichen Strecken-,-, -8 , - 6 cm usw., 2
4
1
1 1 1 1 1 für den anderen -, -, -6, - , - cm usw. betragen. Dennoch sind diese bei. 5 5 12 24 den untereinander kommensurable Maßstäbe nicht in der Euklidischen Geometrie zulässig. Es bedarf daher noch einer zweiten Einschränkung in der Wahl der Maßstäbe: 2) Die in der Euklidischen Geometrie verwandten Maßstäbe m müssen folgendermaßen beschaffen sein. Es soll kein endliche Maßeinheiten benutzender Maßtab n zu finden sein, derart, daß die Reihe der gleichen rn-Strecken gemessen mit dem Maßstab n konvergiert. Der Maßstab m soll, wie wir sagen wollen, ab so 1u t divergieren. Die kommensurablen Maßstäbe, die wir soeben betrachteten, verletzen diese Forderung. Denn im cm-Maßstab gemessen, konvergieren sie auf den Endpunkt der Strecke 1 cm. Es existiert also ein Maßstab n, nämlich der cm-Maßstab, für den sie konvergieren. · Die Forderung 2 ist identisch mit der Forderung, daß jeder Punkt, der für irgend einen Maßstab eine endliche Entfernung von Punkt A besitzt, durch Euklidische Maßstäbe m in endlichen Schritten gleicher m von A aus erreicht wird. Die beiden Forderungen sind notwendige Einschränkungen der Willkür für die Festsetzung Euklidischer Maßstäbe. Es ist die Frage, ob sie auch beide axiomatischen Charakter tragen. Für die Forderung 1) ist dies in
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bige Parallele b zu a, ferner durch A und B zwei Parallelen c und d die die Gerade b in C und D schneiden. Die Parallele durch D zur Ve;bindungsgeraden A' C schneidet auf a eine Strecke A' B' ab, die gleich AB ist. Der angeführte Satz ist nicht aus VI1a ableitbar. Er ist dah~r als Axiom einzuführen. Wir nennen dieses Axiom: VIa; aus Gründen, die später deutlich werden, soll hier kein Zahlen-, sondern ein Buchstabenindex Verwendung finden.
der Tat der Fall. Es läßt sich aus den früheren Bestimmungen über die Gleichheit von Entfernungen nicht entnehmen, daß die Gleichheitsmaßstäbe kommensurabel sein müssen. Daher: Axiom VIta: In der Euklidischen Geometrie dürfen nur kommensurable Maßstäbe Verwendung finden. Dagegen ist Forderung 2) eine Folgerung aus Axiom VI13 und früheren Festlegungeri. Für jeden Punkt B endlicher Entfernung von A aus läßt sich die zugehörige Entfernung e als Einheitsstrecke des Maßstabs wählen. Damit sind alle Maßstäbe ausgeschlossen, die auf diesen Punkt hin konvergieren, da sie inkommensurabel wären mit dem Maßstab, der e als Einheitsstrecke zugrunde legt. Diese Überlegung läßt sich für die Messung von jedem Punkt aus wiederholen:
. VIa hat den Nachteil, nur für die Euklidische Geometrie zu gelten, da d1es Axiom Parallele benötigt, während VI1a für alle "Archimedischen Geometrien" in Geltung ist.
§ 11. Die Feststellung gleicher Entfernungen mit Hilfe von
§ 12. Zusammenstellung der Axiome der e-Relation.
Parallelen.
Für die Entfernungsrelation gelten also . folgende Axiome: VI1: Zwischen zwei beliebigen Punkten A und B besteht stets eine und nur eine Relation der Entfernung e (AB). Vti2 : Jede e-Relation zwischen zwei Punkten hat einen Relationswert. VI3 : Der Relationswert der e-Relation ist symmetrisch. VI4 : Zwischen zwei e-Relatimiswerten besteht oder besteht nicht eine stets anwendbare definite Relation der Gleichheit. VI5 : Die Gleichheitsrelation ist symmetrisch. · VI6 : Es existieren zu jedem e eine beliebig große Anzahl von e, die ihm gleich, und ebenso eine beliebig große Anzahl von e, die von ihm verschieden sind.
Durch VIta ist der Willkür in der Auswahl gleicher Strecken eine gewisse Beschränkung auferlegt. Ist diese Einschränkung die einzige, die in Geltung ist? Durch Betrachtung der zu verwendenden Maßstäbe seI b s t läß:t sich keine weitere Einschränkung gewinnen. Es gibt jedoch noch andere Möglichkeiten zu Aussagen über die Gleichheit von Strecken vorzudringen: Wenn nämlich zwischen gleichen Strecken einerseits und andern bereits festgelegten Tatsachen des Ineinanderliegans oder der Anordnung andererseits eindeutige Beziehungen bestehen, so lassen sich diese Beziehungen zur Festlegung gleicher Strecken benutzen. Sieht man die in Betracht kommenden Tatsachen daraufhin durch, ob solche Beziehungen existieren, so zeigt sich, daß folgender Satz gilt: ·Wenn zwei Gerade a und b parallel sind und von zwei Parallelen c und d geschnitten werden, so sind die a uf.den Geraden a und b und die auf den Geraden c und d abgeschnittenen Streckenjeweils gleich. Mit Hilfe· dieses Satzes gelingt es, auf einer Geraden a von Punkt A' aus eine der Strecke AB gleiche Strecke zu finden. Man zieht eine belie-
Umgekehrt ist auch VI1a nicht aus VIa ableitbar, so daß beide Axiome nebeneinander bestehen bleiben. .
VI7 :[+e1 e2 +e2 e3 - et e3 ]y; Wenn e1=e2 und e2 = e3 ist, so ist auch e1 =e3 • VI8 : AlleVerschiedenheiten der e lassen sich in eine lineare Reihe ordnen. V~: Entfernungen sind Unterschiedsgrößen. VI10 : Auf der geraden Linie ist für Punkte, A, B, C, die in linearer Ordnung angeordnet sind, U ((e (AC), ·e (AB)) == e (BC); VIn: [ + e1 e1 + e2 e'2 - e3 e'3 ]y. Wenn zwischen den Punkten A, B, C einerseits und zwischen den Punkten A', B', C' andererseits Beziehungen
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derart bestehen, daß zwei Paare korrespondierender Entfernungen gleich sind, so sind· auch die dritten gleich. VI12 : [+ e1 - e' 1]y es gibt zu jeder Entfernung AB von einem beliebigen Punkte A' einer Geraden aus auf dieser Geraden nach einer Seite hin eine ihr gleiche Entfernung. VI13 : In· der Euklidischen Geometrie dürfen nur kommensurable Maßstäbe Verwendung finden. VIa : Wenn zwei Gerade a und b parallel sind und von einem zweiten Parallelenpaar d und c geschnitten werden, so sind die auf den Geraden a und b und auf den Geraden c und d abgeschnittenen Entfernungen jeweils gleich.
den Geraden stehen in einer Winkelrelation. Für die Eindeutigkeit der Winkelrelation ist die Geltung von II6 Voraussetzung. Schnitten sich zwei Gerade in mehr als einem Punkt, so bestünde diese Eindeutigkeit nicht. Axiom VII2 : DieWinkelrelation ist symmetrisch. Wenn Halbstrahl a1 zu b 1 in der Winkelrelation w steht, dann auch b, zu a 1• Indem man dieselben systematischen Überlegungen anwendet, die wir oben bei den e-Relationen angewandt haben, und die wir hier nicht wiederholen wollen, gelangen wir zu genau analogen Relationen für die Winkel wie für die e-Relation und demgemäß auch zu völlig analogen Axiomen. Wirstellen daher einfach die Axiome ohne besondere Ableitung auf: Axiom VIIs: Die Winkelrelationen stehenuntereinander im Verhältnis der Gleichbei t oder Ungleichheit (Verschiedenheit). Axiom VII4 : Die Winkelrelationen von ungleicher Beschaffenheit stehen in linearer Ordnung. Axiom VII5 : Die Winkel sind Un terschiedsgrößen~ Axiom VII6 : Von e i n e m und dem s e l b e n Halb strahl aus g emessene Winkel gehorchen dem Gesetze der Unterschiedsrelation: U ((w (a, c), w (a, b)) = w (b, c). Wenn die Unterschiedsrelation in der angegebenen Symbolik gelten soll, so muß Halbstrahl b zwischen a und c liegen. Axiom VII7 : Für j e d r e i Halbstrahlen von den b e lieb i g e n Punkten 0 und 0' aus mit den Winkeln w 1, w 2 und Ws und w\, w'2 und w's gilt: [+ w 1 w't, + w 2 w'2 , - Ws w'3 ]y; wenn w 1 = w't ist und w 2 = w'2 , so ist auch w 3 = w'3 • Axiom VII8 : An jedem Halbstrahl läßt sich nach jeder Seite hin em Winkel finden, der zu einem Winkel an einem beliebigen andern Halbstrahl gleich ist: [w1, - w't]V· Im Gegensatz zu den e können die w nicht beliebig wachsen. Sie finden ihre Grenze dann, wenn der zweite Halbstrahl mit der Verlängerung des ersten zusammenfällt.
§ 13. Die Axiome der Winkelrelation. Zwischen zwei Punkten, so fanden wir, existieren stets zwei Relationen: eine asymmetrische Relatioil. der Lage und eine symmetrische Relation der Entfernung. So können wir auch die Lagerelation zweier Geraden zueinander von einer Relation trennen, die wir ganz allgemein als "Positions-Maßrelation" bezeichnen wollen, und die sich zur Lagerelation der Geraden verhält wie die Lagerelation der Punkte zur Entfernung der Punkte. Die Positionsmaßrelation sieht in verschiedenen Fällen qualitativ verschieden aus. So haben parallele Gerade eineEntfern ung voneinander, bei windschiefen und bei sich schneidenden Geraden dagegen kommt man mit der bloßen Entfernung nicht aus, sondern muß nöch eine neue Relation hinzunehmen. Es soll zunächst der Fall zweier sich schneidender Geraden betrachtet werden. Die Positionsmaßbeziehung zweier sich schneidender Geraden bezeichnen wir als die Neigung der beiden Geraden (die also -die Geraden als Ganze angeht). Durch den Schnittpunkt der Geraden wird jede Gerade (nach den Axiomen der Zwischenrelationen) in vier Halbstrahlen eingeteilt. Die vier Teilrelationen, die zwischen den zwei Halbstrahlen verschiedener Geraden entstehen, sind die Winkelrelationen. Daher Axiom VII 1 : Je zwei Halbstrahlen von zwei sich schneiden-
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Auch für die Winkelgleichheit gilt, daß aus den allgemeinen Axiomen über Winkelvergleichung nicht zu entnehmen ist, welchen Winkeln denn nun das Prädikat der Gleichheit zuzusprechen ist. Auch hier wiederum lassen sich Hilfsaxiome aufstellen, die durch Beziehung zu absoluten Tatsachen für bestimmte Fälle die Gleichheit der Winkel verbürgen (wie oben für die Gleichheit von Entfernungen das Axiom VIa): Axiom VIIa: Die Gegenwinkel an Parallelen sind gleich. · Es läßt sich noch ein zweites Axiom über die Gleichheit von Winkeln anfügen: Axiom VIlb: Scheitelwinkel sind gleich. Ebenso lassen sich auch hier dieselben Überlegungen anstellen, die zu dem Archimedischen Axiom VIi 2 geführt haben. Man erhält dann das Axiom. Axiom VII9 : Bei der Messung gleicher Winkelrelationen dürfen nur kommensurable Maßstäbe Verwendung finden.
§ 14. Die Beziehungen zwischenw-und e-Relationen. In den vorhergehenden Paragraphen ist die Untersuchung der Beziehungen zwischen den Relationen der Punkte - den Entfernungen - und den Relationen der sich schneidenden Geniden - den Winkeln - für jede ·der beiden Arten der Relationen gesondert durchgeführt worden. Es muß untersucht werden, ob auch axiomatische Beziehungen zwischen den Winkeln und den Entfernungen bestehen, und welche es sind. Zunächst besteht eine spezielle, ableitbare Beziehung zwischen den Winkeln und Entfernungen: Die Halbstrahlen durch einen Punkt bilden die Winkel w 1, w 2 , w 3 • Schneidet man die dreiHalbstrahlen durch eine vierte Gerade und bezeichnet die entsprechenden Entfernungen mit e 1, e2 , e3 , so ist, wenn U (w1 w 2 ) = w 3 ist, auch U (e1 e2 ) = e3 (und nicht etwa U (e2 e1) = e3 usw). Der Halbstrahl b "teilt" die Winkel zwischen a und c und teH t ebenso die Entfernungen zwischen den Punkten der Halbstrahlen a und c. Dieser Satz ist eine Folge des Satzes über die Zwischen-Relation.
Bei der weiteren Untersuchung der Beziehungen zwischen Winkeln und Entfernungen wird man von der Dreieckskonfiguration auszugehen haben. Aus zwei Gründen: einmal hatten wir gefunden; daß das Dreieck die Grundfigur der Ebene ist, daß sich alle andern geradlinigen Figuren aus Dreiecken zusammensetzen lassen und daher das am Dreieck Gefundene Verwendung finden kann für alle andern Figuren. Der zweite Grund führt unmittelbarer in das Problem hinein: wir fragen, welches die einfachste Konfiguration ist, bei der an einer bestimmten Stelle der Ebene durch eine Anzahl ihrer Maßbestimmungsstücke die andern bestimmt sind. Wir untersuchen die Konfigurationen in auf· · steigender Kompliziertheit: Eine Entfernung zweier P'unkte A und B auf der Geraden bestimmt nichts in Hinsicht weiterer Stücke. Es lassen sich beliebige Winkel antragen und beliebige Entfernungen. Ebenso wenig bestimmt ein Winkel w etwas über weitere Stücke. Weiterhin wird auch durch eine Konfiguration aus zwei Stücken kein weiteres Stück bestimmt: Ein Winkel w, an dessen Scheitel eine Strecke a abgetragen ist, z. B., läßt die Möglichkeit, jeden beliebigen Winkel am Endpunkt von a und jede beliebige Strecke am Scheitelpunkt von w auf dem zweiten Schenkel von w abzutragen. Dagegen werden durch a, b, w 3 und durch c, w.1 w 2 alle weiteren Beziehungen der Elemente der Konfiguration bestimmt: Durch a, b, w 3 sind die Endpunkte A und B von a und b eindeutig bestimmt; sie haben nur eine einzige Entfernung c und die Verbindungsgerade zwischen A und B bildet mit a und b die eindeutig bestimmten Winkel w 1 und w 2 • Das Entsprechende trifft auch dann zu, wenn umgekehrt c, w 1 und w 2 bekannt sind. Es gilt also der Satz: Dreibenachbarte Stücke eines Dreiecks an einer bestimmten Stelle der Ebene b es tim m e n die drei an der n. Es muß ausdrücklich hervorgehoben werden, daß hier noch nicht von Dreieckskongruenz, überhaupt noch nicht von zwei Dreiecken die Rede ist, sondern von einem einzigen Dreieck und von der Frage der Abhängigkeit der einzelnen Bestimmungsstücke des Dreiecks voneinander.
Voraussetzung des angeführten Satzes ist die Geltung der Winkelaxiome VII1 bis VII8 , die Geltung der Axiome über die Zwischenrelationen, die Geltung der Axiome II6 und II4 • Er ist unabhängig von den räumlichen Axiomen II7' II8 und II9 • Er macht jedoch auch keinen Gebrauch von dem ebenen Axiom III', er setzt also nicht die normale Geometrie voraus. Ebensowenig benutzt er jedoch auch die Parallelenaxiome III9 und III10 , ist also auch nicht auf die synthetische Geometrie beschränkt. Er gilt auf jeder Fläche, auf der das Dreieck eindeutig konstruierbar ist, also auch für ein Dreieck auf dem Ellipsoid z. B.
§ 15. Das Kongruenzaxiom für Dreiecke. Es muß weiterhin die Beziehung zwischen den Seiten und den Winkeln von Dreiecken, die an verschiedenen Stellen der Ebene sich befinden un' tersucht werden. Das Axiom, das diese Verbindung herstellt, kann durch ein neu es Postulat deduziert werden. Es ist das Postulat der Homogenität der Ebene. Jede Stelle der Ebene ist mit jeder andern gleichwertig, d. h. die Relationsbeziehungen der Elemente und Relationen der Elemente sind in jedem Stück der Ebene die gleichen. Es . hätte sich ein analoges Postulat der Homogenität der Geraden aufstellen und aus ihm eine Reihe von Axiomen der Beziehungen auf der Geraden ableiten lassen. Die Homogenität der Geraden ist jedoch mit der Inhomogenität der Ebene sehr wohl verträglich, und es lassen sich auf Grund der Homogenität der Geraden noch die verschiedenartigsten Geometrien der Ebene aufbauen. Es steht daher von vorneherein fest, daß mindestens noch ein Axiom exi-stiert, das der Homogenität der Ebene Ausdruck gibt, neben jenen Axiomen, die Ausdruck der Homogenität der Geraden sind. Aus der Tatsache der Homogenität der Ebene ergibt sich, daß an jeder Stelle der Ebene dieselben Beziehungsverhältnisse zwischen Entfernungs'" größe und Winkelgröße bestehen müssen. Da an einer Stelle der Ebene sich aus der Größe von a, b, w 3 eine bestimmte Größe von c, w 1, w 2 ergibt, so muß, wenn an einer andern Stelle a' = a, b' = b, w'3 = w 3 ist, auch
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c' = c,w't =w1, w'2 -:-w2 sein. Und ebenso umgekehrt, wenn c' = c5 w' 1 =w 1, w'2 = w 2 ist, so muß auch a' = a, b' = b, w'3 = w 3 sein. Diese beiden Tatbestände sind nur verschiedenartiger Ausdruck der Tatsache der Homogenität, und es steht daher zu erwarten, daß sie gegens~itig auseinander ableitbar sind. Es kann daher als Axiom gewählt werden, entweder: 1) .aus [+ aa', + bb', +Ws w'sJ folgt [+ cc', + w 1 w'r, + w 2 w'2 ] oder 2) aus [+ cc', + w 1 w' 1, + w 2 w'2 ] folgt [+ aa', + bb', + w 3 w' 3 ]. Jede der beiden Formulierungen setzt sich aus drei verschiedenen Einzelbeziehungen zusammen, die in der Unmöglichkeitsfassung lauten: 1a) [+ aa', + bb', + ws w'3 , - cc']V 2a) [cc', + w 1 w't, + w 2 w'2 , - aa'Jv 1b) [+ aa', + bb', + w 3 w'3 , -w1 w' 1]y 2b) [+ cc', +w1 w't, + w 2 w'2 , - bb']y '1c) [+ aa', + bb', +w3 w' 3 , -w2 w'2 ]y 2c) [+cc',+w 1 w' 1,+ w 2 w' 2 ,-w3 w' 3 ]y Es ist die Frage, ob wirklich nur alle drei Relationen 1a) 1b) 1c) zusammen (oder 2a) 2b) 2c) zusammen) das Axiom ausmachen, oder ob vielleicht sich eine (oder zwei) Unterrelationen als Folgerungen aus den andern ergeben. Die Durchprüfung zeigt, daß folgende Unterrelationen ausreichen, um die andern abzuleiten: I. Aus der gleichzeitigen Annahme von 1b) und 1c) folgt 1a). Die gleichzeitige Annahme von 1b) und 1c) genügt also als Kongruenzaxiom. Es ist dies die Formulierung des Kongruenzaxioms der Dreiecke, die Hilbert gegeben hat: Wenn zwei Dreiecke in zwei Seiten a undbunddem eingeschlossenen Winkel übereinstimmen, so stimmen sie auch in den anliegenden Winkeln w 1 und w 2 überein. Hieraus läßt sich dann ableiten, daß die beiden Dreiecke auch in den dritten Seiten übereinstimmen. II. Aus 2a) und 2b) gleichzeitig folgt 2c, daher: Wenn zwei Dreiecke in einer Seite c und denbeiden anliegenden Winkeln w 1 und w 2 übereinstimmen, so stimmen sie auch in den beiden andern Seiten a und b überein. Diese beiden Formulierungen des Kongruenzaxioms, des Axioms VIII, sind also untereinander gleichwertig und sind die beiden einzigen möglichen. Andere Zusammenstellungen wie etwa gleichzeitige Giltigkeit von 1a)
und 1 b) bedürfen noch weiterer Bedingungen, um zur Kongruenz zu füh~ ren, wie z. B. Gleichheit des Umlaufsinns usw.
§ 16. Die Vereinfachung der Axiomatik durch das K o n g r u e n z a x i o m. Noch eine Frage ist zu erledigen: Ob durch die Aufstellung des Kongruenzaxioms für Dreiecke nicht etwa frühere Maßaxiome ableitbar werden.*) Das ist in der Tat der Fall. Aus dem Kongruenzaxiom lassen sich VIa, VIIa, VIIb ohne weiteres ableiten. Diese drei präsumptiven Axiome müssen also aus der Reihe der Axiome gestrichen werden.; wir hatten diese Maßaxiome in Vorausnahme dieser Tatsache nicht mit Ziffernindizes, sondern mit Buchstabenindizes bezeichnet. Ebenso werden jedoch einige der Winkelaxiome überflüssig: ·1) Das Axiom VII9 - das archimedische Axiom für die Winkelrelation -ferner 2) das Axiom VII7 - der Satz: wenn von beliebigen Punkten 0 und 0' je drei Halbstrahlen ausgehen, und w 1 = w'1, w 2 = w'2 , so ist auch w 3 = w'3 • Es bleiben also von den Axiomen der Winkelrelation nur VII 1 bis VII6 und VII8 • Dennoch war die Aufstellung der wegfallenden Axiome nicht überflüssig. Denn VII 1 bis VII11 , also die Gesamtheit der Winkelaxiome, bleiben auch in Fällen in Gültigkeit, in denen das Kongruenzaxiom VIII nicht gilt. VIa, VIIa, VIIb andrerseits zeigen, daß sichdie objektive Entfernungsgleichheit beziehungsweise die objektive Winkelgleichheit wenigstens in Spe:.. zialfällen auch ohne ein Beziehungsaxiom, wie es das Kongruenzaxiom ist, festlegen läßt. Mit dem Kongruenzaxiom VIII ist die systematische Durchforschung der Axiome der Euklidischen Geometrie zu Ende geführt. Die übrigen Positionsmaßbeziehungen lassen sich in bekannter Weise auf die besprochenen Positionsmaßbeziehungen zurückführen. So z. B. die Positionsmaßbeziehungen zwischen parallelen Geraden auf die Entfernungsrelation von *) Dagegen möge die Frage unerörtert bleiben, inwieweit die Einführung des Kongruenzaxioms von Einfluß ist auf den Axiomcharakter von Axiomen des Ineinanderliegens. Zu einer solchen Erörterung müßte die relationstheoretische Durcharbeitung der Axiome weiter gefördert werden, als es in diesem Zusammenhang möglich ist.
Punkten der parallelen Geraden und einer andern Geraden, die die Parallelen rechtwinklig schneidet. Ebenso wenig bieten die Positionsmaßbeziehungen zweierEbenen zueinander oder die Positionsbeziehungen zwischen Punkt und Ebene, zwischen Gerade und Ebene Neues. Und endlich läßt sich auch die Kongruenz räumlicher Figuren auf die Kongruenz ebener Figuren zurückführen. Wir hatten bisher untersucht 1) die Beziehungen zwischen Elementen d esse l b e n Systems (e-Relation, w-Relation, L-Relation, S-Relation); 2) die Beziehungen zwischen Elementen von zwei Systemen (J-Relationen). Es wäre denkbar, daß unzurückführbare Relationen zwischen Elementen drei er Systeme, zwischen Punkten, Geraden und Ebenen existierten. Solche Relationen existieren jedoch nicht, wie sich dartun läßt. Daher ist durch die angestellten Untersuchungen die Axiomatik der drei Elementensysteme zu Ende geführt.
§ 17. Anhang: Das Vollständigkeitsaxiom Hilberts. Neben den hier aufgestellten Axiomen (oder ihnen gleichwertigen) findet sich bei Hilbert noch das folgende, von ihm "Vollständigkeitsaxiom" genannte Axiom: Die Elemente (Punkte, Geraden, Ebenen) der Geometrie bilden ein System von Dingen, welches bei Aufrechterhaltungsämtlicher genannter Axiomekeiner Erweiterungmehr fähig ist, d. h. zu dem System der Punkte, Geraden, Ebenen ist es nicht möglich, ein anderes System von Dingen hinzuzufügen, so daß in dem durch Zusammensetzung entstehenden System sämtliche aufgeführten Axiome erfüllt sind. Dieser Satz dient wesentlich dazu, die Geometrie, die aus den früheren Axiomen heraus konstruiert ist, als identisch mit der kartesischen Geometrie zu erweisen. Ein solcher Erweis liegt jenseits des Rahmens, den wir uns mit unseren Untersuchungen steckten. Wir wollten die Geometrie nur soweit aufbauen, als sie sich durch Betrachtung der Punkte, Geraden, Ebenen selbst ergibt; darüber hinausgehende Betrachtung~n, wie sie durch
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die Frage der Übereinstimmung der derart aufgebauten Geometrie mit der kartesischen gegeben sind, liegen abseits von unserem Wege. So soll die Diskussion des Vollständigkeitsaxioms nur anhangweise gegeben und nicht ins Einzelne durchgeführt werden. Das Vollständigkeitsaxiom ist von fast allen, die sich mit ihm beschäftigt haben, als ein Fremdkörper im Gebäude der Axiomatik betrachtet worden. Man empfand stets die Ungleichartigkeit gegenüber den andern Axiomen; während doch andererseits niemals übersehen wurde, daß ohne das Vollständigkeitsaxiom die Existenz beliebiger reeller Punkte, Geraden, Ebenen nicht gewährleistet ist. Diese unbehagliche Stimmung gegenüber dem Vollständigkeitsaxiom wird verständlich, wenn man erkannt hat, daß es seinem Wesen nach nicht ein Axiom, sondern ein Postulat ist, und demnach naturgemäß einen andern Charakter tragen muß als die echten Axiome. Axiome machen u n mittelbar Aussagen über geometrische Tatbestände: Über die Existenz von Elementen oder über die Relationen zwischen Elementen. Aus dem sogen. Vollständigkeitsaxiom dagegen läßt sich u n mittelbar nichts über geometrische Tatbestände entnehmen. Es besagt vielmehr: durch das System der bereits festgelegten Axiome wird nicht bloß ein einziger Gegenstandshereich bestimmt, sondern eine Reihe von Gegenstandsbereichen, die in ihren Elementen nicht übereinstimmen. Im allgemeinen lassen sich durch Hinzufügung weiterer Elemente aus dem einen unter diesen Gegenstandshereichen neue herstellen, die ebenfalls dem System von Axiomen Genüge leisten. Nun aber sollen nicht alle diese Gegenstandsbereiche als qualifiziert gelten, sondern nur derjenige herausgegriffen werden, bei dem jede Hinzufügung neuer Elemente das System der Axiome ungültig macht.Mit dieser Qualifikation ist u n mittelbar keine einzige in halt l ich axiamatisehe Bestimmung gegeben: Es ist aus dieser Vollständigkeitsforderung keineswegs unmittelbar abzulesen, welche Beziehungen zwischen den Elementen der qualifizierten Gegenstandsbereiche im Gegensatz zu den Elementen des übrigen Gegenstandsbereichs, die ebenfalls das System der Axiome erfüllen, bestehen. Um durch die Vollständigkeitsforderung bestimmte Gegenstandsbereiche auch in halt 1ich zu. qualifizieren, dazu be-
darf es s p e z'if i scher a x i o m a t i scher Festlegungen. Eine solche Festlegung wird z. B. durch das Dedekindsche Schnittaxiom gegeben, das die Existenz der dem Dedekindschen Schnitt entsprechenden Grenze behauptet. Die Vollständigkeitsforderung ist also zunächst kein Axiom, das etwa die Anzahl der Elemente festlegt, es sagt nicht einmal aus, daß die Anzahl der Elemente unendlich ist; es besagt nur, daß sie nicht vermehrt werden können, ohne die Axiome zu verletzen. Die Vollständigkeitsforderung als solche läßt es vollkommen offen, ob die Syst~me eine endliche oder eine unendliche Anzahl von Elementen enthalten. Die Vollständigkeitsforderung legt vielmehr nur den noch weiterhin aufzustellenden Axiomen eine Bedingung auf. Sie verlangt, daß noch weitere Axiome zu den bereits bekannten hinzugefügt werden, derart, daß durch sol