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German Pages 300 Year 1974
DEUTSCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG SONDERHEFT 98 · 1974
Peter Mitzscherling, Horst Lambrecht, Manfred Melzer, Charlotte Otto-Arnold, Maria Elisabeth Ruban, Angela Scherzinger-Rüger, Heinz Vortmann, Herbert Wilkens
System und Entwicklung der DDR-Wirtschaft
DUNCKER & HUMBLOT · BERLIN
DEUTSCHES INSTITUT FOR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG
SONDERHEFT 98 · 1974
System und Entwicklung der DDR-Wirtschaft Von Peter Mitzscherling Horst Lambrecht Manfred Melzer Charlotte Otto-Arnold Maria Elisabeth Ruban Angela Scherzinger-Rüger Heinz Vortmann Herbert Wilkens.
DUNCKER & HUMBLOT · BERLIN
Herausgeber: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1 Berlin 33, Könlgln~Lulse-StraBe 5. Tel. (0 30) 8 2911; telex 01 83247 diwbl. Schriftleitung: Prof. Dr. Rolf Krengel.
Verlag: Duncker & Hurfiblot, 1 Berlin 41, Dletrlch-Schfifer-Weg 9.
Alle Rechte vorbehalten. Druck: ZlPPEL-DRUCK. Herbert Zippel KQ. 1 Berlin 36, Muskauer Straße 43. Printed in Germany. ISBN 3 428 03212 8
, n h a l t
Verzeichnis der Schaubilder Verzeichnis der Tabellen Mitarbeiterverzeichnis Vorwort I II III 112 1121 1122 1123 1124 1125
Wirtschaftssystem Das Ziel: Sozialistische Planwirtschaft Politische Grundnormen Der Weg zur „sozialistischen Planwirtschaft" Ausgangssituation und Entwicklungsbedingungen Lösungsversuche bis 1962/63 Das Neue ökonomische System Die strukturpolitische Konzeption Der Abbruch der Reformen
Seite 6 7 10 11 13 13 13 14 15 17 18 24 26
12
Funktionsweise des gegenwärtigen Planungs- und Leitungssystems 121 Gestaltung der Wirtschaftsorganisation 1211 Die obere Leitungsebene 1212 Die mittlere Leitungsebene
30 30 33 37
122 Konzentration und Kooperation in der DDR-Industrie 1221 Konzentration 1222 Kooperation
43 43 48
123 1231 1232 1233 1234 1235 1236
Bestimmung der Planziele Der Planaufstellungsprozeß Das Plankennziffernsystem Der Bilanzierungsprozeß Konsumgüterplanung Markt- und Bedarfsforschung Vertragsgestaltung
50 52 57 60 62 Qß 68
124 1241 1242 1243 1244
Einsatz monetärer Steuerungsinstrumente Das „System der ökonomischen Hebel" seit 1971 Die Fondsbildung von VEB, VVB und Kombinat Das Bank-und Kreditwesen Der Staatshaushalt und seine Steuerungsfunktion
69 69 74 82 87
125 Preisbildung 1251 Die Preisfestsetzung für Konsumgüter
89 90 3
Seite 1252 Die Bestimmung der Industriepreise 1253 Die Stärkung der Position des Amtes für Preise
94 9 8
126 Einkommensplanung und Lohngestaltung 1261 Geldeinnahmen und Kauffonds 1262 Lohnpolitik und Lohngestaltung
98 98 101
13 131 1311 1312
Probleme des heutigen Planungssystems Problematik der Zielbestimmung Prognosetechnik Gesamtwirtschaftliche Bilanzierung
103 104 105 107
132
Schwächen des Informationssystems
109
133
Koordinationsproblematik
114
134 Anpassungsflexibilität 1341 Anpassungsprobleme bei kurzfristigen Nachfrageänderungen 1342 Anpassungsprobleme bei außergewöhnlichen Einflüssen auf der Angebotsseite 135 1351 1352 1353
Probleme des Leistungsanreizsystems Grenzen der Leistungsstimulierung beim Faktor Arbeit Unzureichende Leistungsstimulierung beim Faktor Kapital Der Einfluß der Anreizminderung auf das Planungssystem
118 119 122 124 126 129 131
136 Die Problematik der Effizienzbestimmung 1361 Schwächen der Plankennziffer „Warenproduktion" 1362 Mängel des derzeitigen Preissystems
132 132 134
2 21 211
Wirtschaftsentwicklung Die Produktion und ihre Grundlagen Sozialprodukt
141 144 144
212
Beschäftigung
163
213
Kapitalausstattung und Investitionen
166
214
Kapitalintensität
173
215
Faktorproduktivitäten
176
216
Außenwirtschaftliche Aspekte
182
217 2171 2172 2173 2174
Regionale Aspekte Regionalplanung Stand und Tendenzen der räumlichen Wirtschaftsentwicklung Regionale Bevölkerungsstruktur Entwicklungstendenzen
192 192 I93 199 206
4
Seite 218
Qualitative Aspekte
209
2181 Qualität der Erzeugnisse
210
2182 Umweltschutz
215
219
Aussichten
222
22 221
Einkommen und privater Verbrauch Einkommen und Einkommensverteilung
229 232
222 2221 2222 2223
Preise und Kaufkraft Preise Kosten der Lebenshaltung Realeinkommen
241 241 244 247
223 2231 2232 2233 2234 2235
Privater Verbrauch und Ersparnis Einzelhandelsumsatz Pro-Kopf-Verbrauch Bestand an langlebigen technischen Konsumgütern Tourismus Ersparnis und Vermögensbildung
258 258 260
224
Unentgeltliche Leistungen des Staates
268
225 2251 2252 2253
Qual itati ve Aspekte Qualität Sortiment Zeitliche und regionale Verfügbarkeit
273 273 275 277
226 2261 2262 2263
Konsumtrends Fernes Ziel: „Sozialistische Verbrauchsverhältnisse" Konkrete Aufgaben Konsumtrends und Produktionsstruktur
278 278 280 284
3 31 32 33 34 35
Wertung Systemelemente Wirtschaftsreformen Rezentralisierung Heutige Funktionsschwächen Qualitative Faktoren
287 287 289 290 291 296
261
264 265
5
Verzeichnis der Schaubilder Seite Vereinfachte Darstellung des Leitungsaufbaues der Industrie Schematische Darstellung des Ablaufs der Fünfjahrplanung Ablauf der Ausarbeitung des Volkswirtschaftsplans 1974 Schematische Darstellung des Ablaufs der Jahresplanung Die Fondsbildung in der volkseigenen Wirtschaft Preisaufbau bei Kapitalgütern und bei Konsumgütern Planziele der DDR-Wirtschaft bis 1975 Relative Verteilung der verfügbaren Nettoeinkommen der Arbeiterund Angestellten haushalte in der DDR
6
32 53 55 56 75 94 223 240
Verzeichnis der Tabellen Seite 1. Anteile der Wirtschaftsbereiche am Nationaleinkommen 2. Anteile der Wirtschaftsbereiche am materiellen Bruttoinlandsprodukt 3. Anteile der Wirtschaftsbereiche der Bundesrepublik Deutschland am Nettoinlandsprodukt 4. Vergleich der Industriestruktur in der BRD und der DDR 5. Wachstum der Nationaleinkommensbeiträge 6. Produktionszuwachs der Industriebereiche in der BRD und der DDR 7. Verkehrsspezifische Kennziffern 8. Kennzahlen zum Vergleich des Gesundheitswesens 9. Kennzahlen zum Vergleich des Bildungswesens 10. Kennzahlen zum Vergleich der sonstigen Dienstleistungen 11. Beschäftigte nach Wirtschaftsbereichen in der BRD und der DDR 12. Hoch- und Fachschulabsolventen in der sozialistischen Wirtschaft 13. Investitionsquote in der BRD und der DDR 14. Bruttoanlageinvestitionen und -vermögen in der BRD und der DDR 15. Struktur des Bruttoanlagevermögens in der Bundesrepublik und der DDR 1960 und 1970 16. Reale Zuwachsraten des Bruttoanlagevermögens in der BRD und der DDR 17. Struktur und Entwicklung der Kapital Intensität 18. Struktur und Entwicklung der Kapitalproduktivität in der BRD und der DDR in den materiell produzierenden Bereichen 19. Struktur und Entwicklung der Arbeitsproduktivität in der BRD und der DDR in den materiell produzierenden Bereichen 20. Außenhandel der DDR nach Erzeugnishauptgruppen 1960, 1966 und 1972 21. Der DDR-Außenhandel nach Ländergruppen 22. Der Außenhandel der DDR nach ausgewählten Ländern 23. Anteile an der industriellen Bruttoproduktion (nach Industriebereichen und Bezirken) 1972
148 149 151 152 153 156 159 160 161 162 164 165 167 168 171 173 174 177 179 183 188f t90f 194 7
24. Ausgewählte Daten zur industriellen Regionalstruktur 1972 25. Struktur der Beschäftigten der Bezirke nach Wirtschaftsbereichen 1972 26. Daten zur regionalen Bevölkerungsstruktur 1971 27. Daten zur Siedlungsstruktur 28. Industrielle Bruttoproduktion je qkm sowie je Einwohner, Beschäftigtenquoten der Industrie sowie der Land- und Forstwirtschaft 1955,1960,1966,1972 29. Anteile der Beschäftigten an den Personen im arbeitsfähigen Alter, Erwerbsquoten - 1 9 7 2 30731. Indikatoren der Wirtschaftsentwicklung in der DDR 32. Die Einkommen der privaten Haushalte und ihre Verwendung in der DDR 1960 bis 1972 33. Die monatlichen Nettodurchschnittseinkommen je Einkommensbezieher in der DDR nach sozio-ökonomischen Gruppen 34. Die Entwicklung der Arbeitnehmereinkommen in der DDR 1960 bis 1972 35. Die Entwicklung der Einkommen je Arbeitnehmer in der DDR 1960 bis 1972 36. Durchschnittliches monatliches Arbeitseinkommen der vollbeschäftigten Arbeiter und Angestellten in volkseigenen Betrieben der DDR 37. Durchschnittliches monatliches Haushaltsnettoeinkommen in Arbeiter- und Angestelltenhaushalten der DDR nach Haushaltsgrößen 38. Das Nettoeinkommen der Arbeiter- und Angestelltenhaushalte in der DDR nach Haushaltsgröße und Einkommensklassen 39. Relative Verteilung der verfügbaren Nettoeinkommen der Arbeiter- und Angestellten haushalte in der DDR nach Quintilen 40. Ausgabenstruktur in 2-Personen-Rentnerhaushalten 41. Ausgabenstruktur in 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalten 42. Relative Kaufkraft der Mark berechnet für einen 2-PersonenRentnerhaushalt 43. Relative Kaufkraft der Mark berechnet für einen 4-PersonenArbeitnehmerhaushalt 44. Verbraucherpreise in der Bundesrepublik und in der DDR Mitte 1969 und zur Jahreswende 1972/73 für a) Nahrungs- u. Genußmittel
8
Seite b) Leder-u. Textilwaren c) sonstige Industriewaren d) Dienstleistungen 45. Einzelhandelsumsatz nach Warengruppen 46. Jährliche Versorgung mit ausgewählten Konsumgütern in der DDR 47a) Ausstattung der DDR-Haushalte mit langlebigen Konsumgütern b) Ausstattung der Arbeiter- und Angestellten-Haushalte in der DDR mit langlebigen Konsumgütern nach Einkommensgruppen - Bestand je 100 Haushalte 48. Private Geldvermögen in der DDR Ende 1969 49. Ersparnisse der privaten Haushalte in der DDR 1960 bis 1972 50. Verbrauch der Arbeitnehmerhaushalte an Waren, bezahlten und unentgeltlichen Leistungen 51. Leistungen und Zuwendungen des Staates aus gesellschaftlichen Fonds.
254f 256 257 259 260 262
263 266 267 270 271
9
M itarbeiter Seite Dipl.-Volkswirt Horst Lambrecht Dipl.-Volkswirt Manfred Melzer
Dipl.-Kfm. Charlotte Otto-Arnold Dr. Maria Elisabeth Ruban Dipl.-Pol. Angela Scherzinger-Rüger
Dipl.-Ing. Heinz Vortmann Dipl.-Volkswirt Herbert Wilkens Hans Martin Duseberg und Wolfgang Steinbeck
182-192 1 8 - 30 6 9 - 87 8 9 - 98 104-139 215-221 289-296 241-257 8 7 - 89 3 0 - 69 104-139 192-209 289-296 210-215 258-272 144-182 Programmierung und Statistik
sowie Dr. Peter Mitzscherling
Vorwort 1 3 - 18 98-104 127, 128 141-144 209-215 222-241 247-289 296-298 Gesamtleitung
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Vorwort Die Gestaltung einer Wirtschaftsordnung wird von der Alternative beherrscht: dezentrale - vorwiegend indikative - oder zentrale - vorwiegend imperative - Lenkung wirtschaftlicher Entscheidung. Sie folgt somit stets dem Entschluß für oder gegen ein Mehr an staatlichem Einfluß. Mögen mit dieser politischen Entscheidung auch wirtschaftliche Ziele angestrebt werden - Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Preisstabilität, letztlich also Wohlstandsmehrung - , so doch zugleich auch nichtwirtschaftliche Ziele: Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, persönliche und kollektive Sicherheit - in welchem Ausmaß und welcher Abgrenzung auch immer! Einem Ziel aber werden die Entscheidungsträger stets hohe Priorität einräumen, nämlich der Erhaltung ihrer politischen Macht. Sie werden sie umso eher bewahren können, je besser es ihnen gelingt, das ursprünglich gewählte Zielbündel den sich im Zeitablauf wandelnden gesellschaftlichen Wertvorstellungen anzupassen. So spiegelt sich in der gegenwärtig recht heftigen ordnungspolitischen Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland einmal Unmut darüber wider, daß die versprochene soziale Ausgestaltung ihrer Marktwirtschaft, die Synthese zwischen rechtsstaatlich gesicherter und wirtschaftlicher Freiheit und den Idealen sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit sein soll, nur zum Teil gelungen ist. Zum anderen deutet die Kritik aber zugleich auf Veränderungen der bisherigen Wertvorstellungen, wenn auch zunächst wohl im wesentlichen der einer sich unüberhörbar artikulierenden gesellschaftlichen Minderheit. Diese Kritik verlangt vielfach nach Abkehr vom Prinzip der Lenkung über Gewinne in miteinander konkurrierenden, weitgehend privaten Unternehmen. Sie gipfelt in der Forderung nach radikaler Systemänderung, ohne jedoch brauchbare Wege ihrer Verwirklichung anzugeben - fast stets Folge fehlenden Wissens um Organisation, Funktionieren und Leistungsfähigkeit planwirtschaftlicher Systeme. Mit der vorliegenden Arbeit* wird versucht, System und Entwicklung jener Planwirtschaft aufzuzeigen, die nach 1945 im anderen Teil Deutschlands * Diese Untersuchung hat Eingang in die Arbeiten der Kommission gefunden, die unter Leitung von Prof. Dr. P.C. Ludz mit der Vorbereitung der „Materialien zum Bericht zur Lage der Nation 1974" beauftragt war.
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entstanden ist. Dort wurden viele der bei uns erhobenen Forderungen inzwischen verwirklicht - so z.B. die nach Beseitigung des privaten Eigentums an den Produktionsmitteln. Vergesellschaftungen und Verstaatlichungen sind auch hier denkbar; „aber weder hat es sich gezeigt, daß derartige Unternehmen per se wirtschaftlicher arbeiten - in der Regel ist das andere der Fall - , noch garantieren sie ein höheres Maß an Menschenwürde und Freiheit". Dies erklärte der am 29. Januar 1974 im Alter von 46 Jahren verstorbene Präsident des DIW, Dr. Klaus Dieter Arndt, am 13. April 1973 vor dem Parteitag der SPD in Hannover. Seiner schlußfolgernden Mahnung, „es wäre sehr töricht und sehr gefährlich, wenn wir an dem Prinzip der Marktwirtschaft rüttelten", fühlen sich die Autoren verpflichtet - sie widmen dieses Buch, an dessen Entstehen er regen Anteil nahm,
Klaus Dieter Arndt voller Respekt vor seiner wissenschaftlichen und politischen Leistung. Des Menschen und Kollegen gedenken sie in tiefer Dankbarkeit.
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1 Wirtschaftssystem I I Das Ziel: Sozialistische Planwirtschaft In einer Planwirtschaft werden die Entscheidungen über Feststellung, Dringlichkeit und Deckung des Bedarfs, über die Verwendung der Produktionsfaktoren und über Produktion und Produktionsmitteleinsatz grundsätzlich ebenso von der politischen Zentrale getroffen wie die über Güterverwendung und -Verteilung. Diesen Entscheidungen vorgelagert sind Empfehlungen untergeordneter Entscheidungsträger und eine Vielzahl von Informationen, die ein ausgebautes System von Statistik und betrieblicher Berichterstattung erfordern. Denn die Zentrale muss, um planen und anweisen zu können, bei der Vielfalt des wachsenden Bedarfs zuvor die Knappheit der in der Volkswirtschaft erforderlichen Güter messen, d.h. vergleichen und bewerten, da sie nur eine begrenzte Anzahl von Gütern natural planen kann. Je höher eine Volkswirtschaft entwickelt ist, desto notwendiger wird die Aggregation von Gütern zu Gütergruppen und damit die Existenz von Preisen, die von der Zentrale fixiert und grundsätzlich, den sich verändernden Knappheiten folgend, korrigiert werden müssen. Mengen und Preise gehen somit in die Pläne über die Produktion, ihre Verwendung und Verteilung ein, an deren Zustandekommen die Einzelwirtschaften - zumindest durch das vorgelagerte Informationssystem - beteiligt sind.
Die Probleme liegen in der optimalen Gestaltung eines Instrumentariums, eines Planungs- und Leitungssystems, das die Interessen des Einzelnen oder der Betriebe sowohl berücksichtigt als auch stimuliert und sie mit denen der Zentrale (z.B. stärkeres Wachstum durch Veränderungen der Wirtschaftsstruktur) in Übereinstimmung bringt. Dies erfordert ebenso umfassende Informationserfassung, - Verarbeitung und -weitergäbe wie Kontrolle und Korrektur.
I I I Politische Grundnormen In der DDR wurde mit der Schaffung „ s o z i a l i s t i s c h e r P r o d u k t i o n s v e r h ä l t n i s s e " (Artikel 10 der Verfassung der DDR) versucht, ein System der Planung und Organisation einer „ s o z i a l i s t i s c h e n V o l k s w i r t s c h a f t " (Artikel 9 der Verfassung) zu entwickeln, die, weil vom Grundsatz umfassender Planung beherrscht, „ s o ζ i a l i s t i s c h e P l a n 13
W i r t s c h a f t " (Artikel 9, Abs. 3 der Verfassung) genannt wird. Dem Staat ist die Aufgabe zugewiesen, durch dieses System der Planung und Leitung die wirtschaftliche Entwicklung in Bahnen zu lenken, die den vom Inhaber der politischen Macht, der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) vorgegebenen Zielen entsprechen. Die Planwirtschaft der DDR stützt sich somit auf ein ideologisches Fundament, das in den Vorstellungen Marx' über eine neue, nichtkapitalistische Wirtschaft wurzelt, die sich selbst heute „sozialistisch" nennt. Berücksichtigt ihre Gestaltung die Schlußfolgerungen, die Marx aus seiner kritischen Analyse des Kapitalismus gezogen hatte? Marx hatte einen Weg der Menschheit beschrieben, der über die „Diktatur des Proletariats" und das „Absterben" des Staates zu einer klassenlosen Gesellschaft führte, die frei vom "Antagonismus von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen" war und in der jeder bei wachsendem Wohlstand nach seinen Bedürfnissen leben würde. Diese Ziele mögen von seinen geistigen Nachfahren beibehalten worden sein, der gewählte Weg trennte sich dagegen von den - allerdings spärlichen - Vorstellungen, wie die neue Wirtschaft aufzubauen und zu betreiben sei. Nach Marx mußten sich aber für die Schaffung eines neuen, nichtkapitalistischen Wirtschaftssystems eindeutig zwei wirtschaftspolitische Konsequenzen ergeben: 1. Die S o z i a l i s i e r u n g d e r P r o d u k t i o n s m i t t e l , um so die - Ausbeutung des Arbeiters und die „Entfremdung" von seinen Arbeitsmitteln zu beseitigen, die - Machtposition der staatstragenden Arbeiterklasse zu sichern und die - Planung der Wirtschaft durch den Staat zu erleichtern. 2. Die Z e n t r a l e P l a n u n g u n d L e n k u n g der Wirtschaft, - weil nur auf diese Weise die „Anarchie des Marktes" vermieden und ein von Krisen freies Wachstum erreicht werden könne. Voraussetzung für die Eroberung der „Kommandohöhen der Wirtschaft" (Lenin) war die revolutionäre Machtübernahme durch die Arbeiterschaft, ihr Zeitpunkt: das Stadium des überreif gewordenen Kapitalismus. Tatsächlich aber entstanden die sich „sozialistisch" nennenden Planwirtschaften Osteuropas unter gänzlich anderen Umständen - auch im östlichen Teil Deutschlands!
112 Der Weg zur „sozialistischen Planwirtschaft" In der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) entstand nach 1945 ein weitgehend vom Westen abgeschirmtes Wirtschaftsgebiet. Die 14
wirtschaftliche Tätigkeit hatte sich auf dem Boden einer neuen Gesellschaftsordnung zu vollziehen, die - unter dem Einfluß der sowjetischen Besatzungsmacht - nach kommunistischen Grundsätzen geformt wurde. Ihre äusseren Kennzeichen -
politische Macht der kommunistischen Partei,
-
staatliches oder kollektives (sozialistisches) Eigentum an den Produktionsmitteln,
-
zentral geplantes, verwaltetes und kontrolliertes Wirtschaftssystem,
prägten von Beginn an die politische und wirtschaftliche Entwicklung. Sie vollzog sich unter vergleichsweise ungünstigen Wachstumsbedingungen, die überdies durch die Schaffung „sozialistischer Produktionsverhältnisse", d.h. Enteignungen und Kollektivierungsmaßnahmen, doch auch durch die Neugestaltung der wirtschaftlichen Lenkungsordnung verschärft wurden.
121 A u s g a n g s s i t u a t i o n gungen
und
Entwicklungsbedin-
Die Teilung Deutschlands hatte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands eine unausgewogene Wirtschaftsstruktur hinterlassen: Steinkohle, Eisen und Stahl, als Rohstoffe für die weiterverarbeitende Industrie unentbehrlich, wurden kaum produziert 1 . Hilfe war weder aus Ost noch West zu erwarten, sondern wurde sogar von anderen noch gefordert. Die Wirtschaft der SBZ, ursprünglich durch enge Zusammenarbeit mit den westdeutschen Industriezentren geprägt, mußte nunmehr nach den Bedürfnissen vor allem der Sowjetunion, deren industrieller Entwicklungsstand deutlich niedriger und dazu durch den Krieg beeinträchtigt war, umgestaltet werden. Das Produktionspotential selbst, zum großen Teil zerstört, wurde sogleich nach Kriegsende durch Demontagen und andere an die Sowjetunion zu erbringende Leistungen zusätzlich geschmälert. Die Bedingungen, unter denen sich der wirtschaftliche Wiederaufbau vollzog, waren somit recht ungünstig. Der Wiederaufbau wurde zusätzlich belastet durch die zu gleicher Zeit einsetzende „ V e r g e s e l l s c h a f t u n g d e r P r o d u k t i o n s m i t t e I": Sie begann mit einer Bodenreform im September 1945, d.h. der Enteignung aller Landwirtschaftsbetriebe mit einer Betriebsfläche von mehr als 100 ha sowie solcher, die den zu Kriegsverbrechern oder führenden Nationalsozialisten erklärten Personen gehörten. 1 Vgl. DDR-Wirtschaft. Eine Bestandsaufnahme. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Frankfurt/M. 1971, S. 25 ff.
15'
Boden, Gebäude, Geräte und Vieh wurden an über 200 000 Neubauern verteilt und gleichzeitig die ersten Volkseigenen Güter (VEG) geschaffen 2 . Die Enteignung der Industrie stützte sich auf mehrere Befehle der Sowjetischen Militär-Administration in Deutschland (SMAD) und eine 1946 in Sachsen durchgeführte Volksabstimmung. Diese Verstaatlichungswelle, die bis 1948 andauerte, erfaßte rund 4Ö00 Industriebetriebe. Gleichzeitig wurden über 200 Großbetriebe in 25 Sowjetische Aktiengesellschaften (SAG) umgewandelt, die bis 1953 an die DDR als Volkseigene Betriebe (VEB) zurückgegeben wurden (bis heute besteht noch die Deutsch-Sowjetische SDAG Wismut, die Uranerzbergbau betreibt). Nach 1948 wurde die Sozialisierung der Industrie vor allem mit Hilfe wirtschafts- und steuerrechtlicher Maßnahmen fortgeführt. Viele Betriebsinhaber wurden durch Einräumung einer Vielzahl vorteilhafter Regelungen (z.B. niedriger Steuersatz) zur Aufnahme einer staatlichen Beteiligung angeregt: Als halbstaatliche Betriebe hatten sie fortan die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (KG)3. * Günstigere steuerliche Konditionen, bessere Materialzuteilung u.a.m. hatten den vermehrten Zusammenschluß ehemals privater Handwerker zu Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH) zur Folge und regten auch viele Inhaber von Einzelhandelsbetrieben zum Abschluss von Kommissionsverträgen (Kommissionshändler) mit staatlichen oder genossenschaftlichen Handelsorganisationen (HO bzw. Konsum) an 3 . Auch die Umgestaltung der Lenkungsordnung, die Errichtung einer funktionierenden P l a n w i r t s c h a f t konnte nicht ohne Friktionen verlaufen, wenn auch viele bereits bestehende Bewirtschaftungsvorschriften von der SMAD als zentraler Leitungsinstanz einfach übernommen wurden. 2
Die Sozialisierung der Landwirtschaft wurde 1952 mit der - Ende der fünfziger Jahre forcierten - Kollektivierungskampagne fortgesetzt, die 1960 endete. Seitdem bestimmen Produktionsgenossenschaften das Bild der DDR-Landwirtschaft. 3
Mit der nach dem VIII. Parteitag der SED (Juni 1971) einsetzenden neuen Sozialisierungskampagne - begründet u.a. mit den vergleichsweise zu hohen Einkommen der Selbständigen, doch auch mit ideologischen und planungstechnischen Motiven wurde die Formung „sozialistischer Produktionsverhältnisse" (Art. 10 der DDR-Verfassung) nahezu erreicht: Mitte 1972 waren bis auf wenige Ausnahmen die Betriebe mit staatlicher Beteiligung, die privaten Industrie- und Baubetriebe sowie die industriell produzierenden PGH in Volkseigene Betriebe umgewandelt, deren Zahl sich auf knapp 11 000 (31.12.1971: 2 319) erhöht hat. Nur 0,2 vH der Industriebeschäftigten (rund 7 000) sind heute noch im privaten Bereich tätig. Mit Ausnahme der für die Konsumgüterversorgung wichtigen Handwerker (Bäcker, Fleischer usw.) kleinerer Reparatur- und Dienstleistungsbetriebe, der Kommissionshändler und einzelner landwirtschaftlicher Betriebe sind damit in der DDR die Produktionsmittel nunmehr „sozialistisches Eigentum".
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Die Planungsbehörden 4 hatten dabei vor allem sicherzustellen, daß die gröbsten Schäden des Krieges beseitigt wurden, die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet war und die Industrieproduktion anlief. Im übrigen war die Wirtschaftspolitik jedoch weitgehend auf die Befriedigung sowjetischer Wünsche gerichtet: Duldung der Demontagen, Leistung von Reparationen, Entwicklung einer neuen Produktionsstruktur. Sie bestimmte die Produktionsziele: Auf- und Ausbau einer eigenen Grundstoffindustrie und Erweiterung der Produktion von Investitionsgütern zu Lasten der Verbrauchsgüter.
1 1 2 2 L ö s u n g s v e r s u c h e b i s 19 6 2 / 6 3
Das System der P l a n u n g u n d O r g a n i s a t i o n , das sich in diesen Jahren herausbildete, beeinflußte die wirtschaftliche Entwicklung der DDR bis zu Beginn der sechziger Jahre. Seine Kennzeichen waren: Produktion zentral geplanter Mengen, zentral fixierte, langjährig geltende Preise und ein staatliches Außenhandelsmonopol, das die außenwirtschaftliche Tätigkeit auf die Ostblockländer zu konzentrieren hatte. DiePhase des Wiederaufbaus 5 wurde durch mittelfristige Pläne bestimmt - d e n Zweijährplan 1949-1950 wie auch die beiden folgenden Fünfjahrpläne (1951 bis 1955,1956 bis 1960). Die Aufgaben wurden überwiegend gelöst - bei bewußter Vernachlässigung des privaten Verbrauchs. Die Folge: Der Lebensstandard der Bevölkerung blieb immer deutlicher gegenüber der BRD zurück. Die Zahl der Flüchtlinge, unter ihnen viele qualifizierte Arbeitskräfte, stieg erheblich an. Ein neuer Siebenjahrplan, der 1959 noch während einer laufenden Fünfjahrplanperiode begann, sollte diesem ständigen Menschenverlust mit seinen folgenschweren Störungen für den Produktionsablauf entgegenwirken: Er postulierte als „ökonomische Hauptaufgabe", die Verbrauchsgüterversorgung rasch an das westdeutsche Niveau anzupassen, das - als privater Verbrauch je Einwohner gerechnet - damals real zwischen 35-40 % 4 Die SMAD wurde von den Wirtschaftsplanungsinstanzen der Länder und den ökonomischen Zentral Verwaltungen unterstützt. 1948 übernahm die aus der Zentralverwaltung schon ein Jahr zuvor gebildete „Deutsche Wirtschaftskommission" (DWK) die Rechtssetzungskompetenz für die SBZ; sie wurde später zur „Provisorischen Regierung der DDR". Seit 1950 ist die „Staatliche Plankommission" oberste Planinstanz. Vgl. Peter Mitzscherling: Die Wirtschaft der DDR. In: Die Wirtschaft Osteuropas zu Beginn der 70er Jahre. Hrsg.: Hans-Hermann Höhmann, Stuttgart 1972, S. 53.
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über dem der DDR lag 6 . Dieses Vorhaben mißlang. Die fehlerhaften, weil inkonsistenten Planansätze verursachten nicht nur eine Schwächeperiode, sondern hatten auch die Bedingungen für das künftige Wachstum verschlechtert: Die Investitionstätigkeit stagnierte, Fertigstellung und Inbetriebnahme neuer Kapazitäten verzögerten sich, Versorgungsmängel und verspätete oder unzureichende Zulieferungen verminderten die Ausnutzung der Anlagen. Die Wirtschaftsführung mußte erkennen, daß Preissystem, Planungsmethoden und Wirtschaftsorganisation den Erfordernissen einer entwikkelten Industriewirtschaft nicht mehr entsprachen. Sie zog erste Konsequenzen: Der Siebenjahrplän wurde aufgegeben und durch eine kurzfristige Jahresplanung mit vorsichtigen Wachstumszielen ersetzt, die sich an längerfristigen Erfordernissen orientierten, die der 1963 erstmals erwähnte neue Perspektivplan (1964 bis 1970) anstreben sollte. Wenn auch damals eine Stabilisierung der Wirtschaft wieder weitgehend erreicht war, so steuerten dennoch zunächst weiterhin Jahrespläne die wirtschaftliche Entwicklung. Denn die DDR-Führung bereitete sich nunmehr auf W i r t s c h a f t s r e f o r m e n vor, deren Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur schwer im voraus abzuschätzen waren.
1123 Das Neue ö k o n o m i s c h e
System
Schon Ende der fünfziger Jahre war die wissenschaftliche Diskussion unter DDR-Ökonomen durch Vorschläge beeinflußt worden („BehrensBenary-Affäre"), die darauf gerichtet waren, in der DDR-Wirtschaft stärker ökonomischen Kategorien Rechnung zu tragen. Doch erst, nachdem der sowjetische Ingenieur Liberman 1962 in der UdSSR eine von der Führung tolerierte ähnliche Diskussion in Gang setzte, entschloß man sich auch in der DDR zu gleichem Vorgehen. Überdies schien der Zeitpunkt nunmehr geeignet, mit größeren Reformexperimenten zu beginnen: Die landwirtschaftliche Kollektivierung war abgeschlossen, die Mauer in Berlin verhinderte die weitere Abwanderung von Arbeitskräften, und die SED dürfte nunmehr ihrer Herrschaft sicher gewesen sein 7 . Bei gleichzeitiger Kritik der bisherigen Planungsmethoden 8 wurden dann im Jahre 1963 die das Reformsystem begründenden „Richtlinien für das 6 Vgl. Horst Seidler: Die gegenwärtigen Grundtendenzen der Wirtschaft Mitteldeutschlands. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Heft 2/1965, S. 231. Peter,Mitzscherling: Zunehmender Dirigismus oder Ausbau des neuen ökonomischen Systems? In: Vierteljahrshefte..., Heft 2/1969, S. 228. 7 Vgl. DDR-Wirtschaft. Eine Bestandsaufnahme, a.a.O., S. 58 8 Vgl. „Kritische Einschätzung der bisherigen Praxis der Planung und Leitung der Volkswirtschaft". In: Gesetzblatt (GBl.) der DDR, Teil 11/1963, Nr. 64, S. 482 ff.
18
Neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft 9 " erlassen. Diese intendierten - bei Aufrechterhaltung staatlicher Planung und Kontrolle - eine „ökonomisierung der DDR-Wirtschaft" durch optimale Verbindung der auf langfristige Ziele orientierten staatlichen Planung mit einer nunmehr indirekten Steuerung der Betriebe (Abkehr von der „Tonnenideologie") über monetäre Lenkungsinstrumente. Voraussetzung hierfür waren vor allem -
ökonomisch begründete Bewertungsmaßstäbe,
-
Veränderungen 'des Leitungssystems, die auf Erweiterung der Entscheidungsbefugnisse der dezentralen Wirtschaftseinheiten (z.B. VVB, VEB, Bezirkswirtschaftsräte) gerichtet waren,
-
wirksamere Anreize für die Betriebe zur Stärkung ihrer Rentabilität,
-
eine als permanenter Informations- und Korrekturprozeß zeichnete Planung und
-
Verbesserungen der Informationserfassung, -Verarbeitung und -weitergäbe.
gekenn-
Kein Zweifel wurde daran gelassen, daß der betriebliche Entscheidungsspielraum sich auch weiterhin in einem Rahmen zu bewegen hatte, der von den staatlichen Plankennziffern - nunmehr vorwiegend auf Effizienz gerichtet - abgesteckt war. Mit Hilfe monetärer Lenkungsmittel („ökonomische Hebel") gesteuert 10 , sollte der Betrieb zwar zu einer Produktionseinheit mit verstärkter Eigenständigkeit und begrenzter Entscheidungskompetenz avancieren 11 und ihm auch eine gewisse Mitwirkung bei der Planaufstellung zugestanden werden, er hatte jedoch stets unter Kontrolle zu bleiben. Die Verwirklichung dieses Konzepts erforderte somit Korrekturen der Wirtschaftsorganisation - unmittelbare Konsequenz der „Richtlinien". Die V V B wurden zu selbständig bilanzierenden Wirtschaftseinheiten, die seither - ähnlich einer Konzernspitze - die detaillierte Planung, Koordination, Leitung und Kontrolle der Produktion der ihnen unterstellten Betriebe einer Branche durchführen. 9
Vgl. GBl. der DDR, Teil 11/1963, Nr. 64, S. 453 ff. Vgl. hierzu E. Apel, G. Mittag: Planmäßige Wirtschaftsführung und ökonomische Hebel. Berlin(Ost) 1964; siehe ferner: Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes. In: GBl. der DDR, Teil 11/1967, S. 121 ff. sowie: Beschluß über die Grundsatzregelung für komplexe Maßnahmen zur weiteren Gestaltung des ökonomischen Systems des Sozialismus in der Planung und Wirtschaftsführung für die Jahre 1969 und 1970. In: GBl. der DDR, Teil 11/1968, S. 433 ff. 11 Vgl. Manfred Melzer: Der Entscheidungsspielraum des VEB in der DDR - Betriebliche Kompetenzen durch Reformen erweitert? In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Heft 2/1970, S. 143 ff. 10
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Gleichzeitig wurden im Interesse einer an den regionalen Bedürfnissen orientierten Leitung die örtlichen und nichtzentralgeleiteten volkseigenen, halbstaatlichen und privaten Industriebetriebe sowie die industriell produzierenden Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH) den B e z i r k s w i r t s c h a f t s r ä t e n unterstellt. Den Kreisen, Städten und Gemeinden schließlich war die Leitung der kommunalen Versorgungsbetriebe sowie des nicht industriell produzierenden Handwerks übertragen. Von zentraler Bedeutung war die Formung eines „in sich geschlossenen Systems der ökonomischen Hebel", der Wiederentdeckung des Gewinns als Maßstab der Leistung sowie als entscheidendes Leistungsstimulans für die Betriebe 12 . Voraussetzung hierfür war der Abbau der bestehenden erheblichen Preisverzerrungen 13 . Gleichsam als erster Schritt dazu wurde zum Stichtag des 30. Juni 1963 eine Neubewertung des Anlagevermögens der Industrie ( U m b e w e r t u n g d e r G r u n d m i t t e l ) durchgeführt, um die viel zu geringen Abschreibungen neu berechnen und den Planungsinstanzen eine bessere Information über Verteilung und Produktivität des Anlagevermögens zu ermöglichen 14 . Dadurch erhöhte sich der Wert des industriellen Brutto-Anlagevermögens um durchschnittlich 52 vH auf 105 Mrd. Mark (zu Wiederbeschaff ungspreisen von 1962). Gleichzeitig begann im Jahre 1964 eine umfangreiche I n d u s t r i e p r e i s r e f o r m , die sich auf die für das Jahr 1967 vorausgeschätzten Selbstkosten technisch fortgeschrittener Betriebe stützte und auch die mit der Anlagenneubewertung heraufgesetzten Abschreibungsbeträge berücksichtigte. Diese Preisreform, mit der versucht wurde, kostengerechtere Preise zu schaffen, erfolgte in drei Etappen 15 . Während die beiden ersten Etappen der Jahre 1964 und 1965 bei durchschnittlichen Preisanhebungen von 70 bzw. 40 vH im wesentlichen Grundstoffe und Rohmaterialien betra-
12 Vgl. E. Seifert, H. Pohl, K. Maier u.a.: Gewinn in der volkseigenen Industrie. Berlin(Ost) 1968,-S. 20 f. Damals waren bèispielsweise wichtige Rohstoffe wie Kohle, Gas, Elektroenergie, Eisen, aber auch Holz, Mauersteine, Dachziegel so stark unterbewertet, daß ihr Preis jeweils nur 45 bis 60 vH der tatsächlichen Erzeugungskosten erreichte, wodurch umfangreiche staatliche Subventionen erforderlich wurden. Demgegenüber galten für Konsumgüter oft überhöhte Preise, da die konsumnahen Bereiche hohe Produktionsabgaben zu zahlen hatten. 14 Vgl. Manfred Melzer: Das Anlagevermögen der mitteldeutschen Industrie 19551966: In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Heft 1/1968, S. 105 ff. 15 Vgl. Zur Industriepreisreform in Mitteldeutschland. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 32/1964 und Die zweite Etappe der Industriepreisreform in Mitteldeutschland. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 22/1965 sowie Hans-Gert Tönjes: Die dritte Etappe der Industriepreisreform in Mitteldeutschland. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Heft 1/1967, S. 95 ff.
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fen, erhöhte die dritte Etappe vom Januar 1967 die Preise für Fertigprodukte - insbesondere Ausrüstungen, Bauleistungen sowie Erzeugnisse der Leichtund Lebensmittelindustrie-um durchschnittlich 4 vH. Trotz dieser erheblichen Preisverbesserungen - sowie der späteren Berücksichtigung des volkswirtschaftlich notwendigen Kapitalaufwandes im „fondsbezogenen Preis" und neu entwickelter Methoden zur Preisdynamisierung - zeigte das Preissystem der DDR auch noch Ende der 60er Jahre erhebliche Mängel 16 . Die sich ständig wandelnden relativen Knappheiten der Produktionsfaktoren konnten nur unvollkommen berücksichtigt werden, die Preisflexibilität gegenüber unerwarteten kurzfristigen Nachfrageveränderungen blieb gering und die Notwendigkeit von Preiskorrekturen bestehen. Aus der Gestaltung des „ S y s t e m s d e r ö k o n o m i s c h e n H e b e l " ergab sich die zentrale Stellung des „Gewinns" im NÖS. Um den Betrieb überhaupt zu einer eigenen Ausgestaltung seines Aktionsfeldes zu veranlassen, wurde ihm die relativ freie Verfügbarkeit über einen Teil des von ihm erwirtschafteten Nettoertrages eingeräumt. Damit der Gewinn diese „incentive function" überhaupt wahrnehmen konnte, mußten erst eingeführt werden: -
Das Prinzip der Eigenerwirtschaftung der zur Erfüllung der Planaufgaben erforderlichen finanziellen Mittel durch Betrieb und W B ; 1 7
-
sinnvolle betriebswirtschaftliche Kostenrechnungsmethoden zur kostengerechten zahlenmäßigen Widerspiegelung der Leistungsprozesse des Betriebes 18 ;
-
ein verbessertes Vertragssystem mit Sanktionen bei Schlecht- oder Nichterfüllung von Verpflichtungen, das wegen der grundsätzlichen Vertragspflicht der Betriebe für die übergeordneten Organe zahlreiche Kontrollmöglichkeiten schaffen mußte 19 ;
16 Vgl. Manfred Melzer: Preispolitik und Preisbildungsprobleme in d.er DDR. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Heft 3/1969, S. 351/352. 17 Vgl. § 4 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes. In: GBl. der DDR, Teil 11/1967, S. 121 sowie: Eigenerwirtschaftung der Mittel im ökonomischen System des Sozialismus, Gemeinschaftsarbeit des Finanzökonomischen Forschungsinstituts beim Ministerium der Finanzen, des Forschungsinstituts des Amtes für Preise, des Ökonom. Forschungsinstituts der Staatl. Plankommission, Berlin(Ost) 1970, S. 43 ff. 18 Vgl. § 14 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes, a.a.O., S. 125. 19 Vgl. Gesetz über das Vertragssystem in der sozialistischen Wirtschaft. In: GBl. der DDR, Teil 1/1965, S. 107 ff.
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-
ein verändertes Bankensystem 20 , das von einem Verteilungsapparat für zinslose Finanzierungsmittel für Investitionen aus dem Staatshaushalt zu einem System mit „echten" Kreditinstituten umzuwandeln war, in dem Kredite nur gegen Zinszahlung gewährt wurden.
Während dieser „Rahmen" des indirekten wirtschaftspolitischen Steuerungssystems grundsätzlich noch gilt, sind die Instrumente mit den seit Anfang 1971 wirksamen Rezentralisierungsmaßnahmen zum Teil erheblich verändert worden (Vgl. Abschnitt 125). Folgende Steuerungsinstrumente waren ursprünglich im NÖS konzipiert und bis 1970 auch wirksam 21 : 1) Ein aus dem betrieblichen Gewinn zu finanzierender und an den Staatshaushalt abzuführender Kapitalzins ( P r o d u k t i o n s f o n d s a b g a b e ) von 6 % auf den Bruttowert aller betrieblichen Anlagegüter und Umlaufmittel 22 . 2) Der „ f o n d s b e z o g e n e " P r e i s t y p 2 3 , bei dem der volkswirtschaftlich erforderliche Kapitalaufwand je Erzeugnis oder -gruppe (gemessen am Einsatz der günstigsten Betriebe) alleinige Bezugsbasis für den im Preis kalkulierten Gewinnanteil (maximal 18 %) darstellt. 3) P r e i s d y n a m i s i e r u n g s m a ß n a h m e n : Ausgelöst durch im Zeitverlauf auftretende Kostenminderungen sollte beim I n d u s t r i e p r e i s r e g e l s y s t e m eine Überschreitung der Obergrenze des fondsbezogenen Gewinns automatisch Preissenkungen auslösen, bis die vorbestimmte Gewinnuntergrenze gerade erreicht war 2 4 . Zur Förderung der Entwicklung neuer sowie der Ausschaltung veralteter Güter wurde weiterhin eine P r e i s d e g r e s s i o n f ü r n e u - u n d w e i t e r e n t -
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Vgl. Sibylle-May Lang und Maria Elisabeth Ruban: Veränderungen im Bankensystem der DDR. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Heft 3/1968, S. 397 ff. 21 Vgl. DDR-Wirtschaft. Eine Bestandsaufnahme, a.a.O., S. 69 ff. sowie Manfred Melzer, Angela Rüger: Wirtschaftssysteme (II). Planung im Volkseigenen Betrieb. In: Wirtschaftswoche, Nr. 5/1972, Kontakt-Studium, S. 35 ff. 22 Vgl. Rolf Goldschmidt, Erich Langner: Die Produktionsfondsabgabe. Berlin (Ost) 1966 sowie: Verordnung über die weitere Anwendung der Produktionsfondsabgabe im Bereich der volkseigenen Industrie und des volkseigenen Bauwesens. In: GBl. der DDR, Teil 11/1967, S. 115 ff. 23 Vgl. Harry Nick: Warum fondsbezogener Preistyp? Berlin(Ost) 1968 sowie: Richtlinie zur Einführung des fondsbezogenen Industriepreises und der staatlichen normativen Regelung für die planmäßige Senkung von Industriepreisen in den Jahren 1969/1970. In: GBl. der DDR, Teil 11/1968, S. 497 ff. 24 Vgl. E. Heyde, K. Reiher und G. Hartmann: Fragen und Antworten zur Industriepreispolitik. Berlin(Ost) 1969, S. 43.
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w i c k e l t e P r o d u k t e 2 5 eingeführt, die bei zunächst erhöhtem Gewinn und danach folgenden kontinuierlichen Preis- und Gewinnminderungen dem Hersteller eines Gutes schließlich dann Verluste bringen sollte, wenn das Erzeugnis nicht mehr dem allgemeinen technischen Niveau entsprach. 4) Das e i n h e i t l i c h e B e t r i e b s e r g e b n i s , das bezweckte, auch den Ertrag der Exportbeziehungen (einschl. der erhaltenen Exportstimulierungsmittel wie Exportstützungen, Exportförderungsprämien) in die Gewinnermittlung mit einzubeziehen. Dabei wurde das Exportergebnis anhand der bestehenden Wechselkurse in inländische Währung umgerechnet und mit staatlich vorgegebenen Korrekturfaktoren (sog. Richtungskoeffizienten) berichtigt. 5) Die N e t t o g e w i n n a b f ü h r u n g 2 6 an den Staatshaushalt, die in einem bestimmten Anteil des erwirtschafteten Gewinns abzüglich der Produktionsfondsabgabe - allerdings bei einem jährlichen Mindestbetrag - bestand. Mit einer für die einzelnen W B und deren Betriebe durchgeführten - recht erheblichen - Differenzierung der Abführungssätze sollte eine volkswirtschaftliche Steuerung in staatlich gewollte Richtungen erfolgen. 6) Die Bildung verschiedener, meist gewinnabhängiger und zweckgebundener b e t r i e b l i c h e r F o n d s (z.B. der die Leistungen und das Interesse der Mitarbeiter an Rationalisierungen fördernde Prämienfonds, der aus den Abschreibungen gebildete Amortisationsfonds, der Fonds Wissenschaft und Technik, der Kultur- und Sozialfonds). 7) Die F o n d s b i l d u n g d e r V V B 2 7 , die weitgehend aus betrieblichen Zuführungen (Nettogewinnabführung, Abführungen aus speziellen betrieblichen Fonds sowie die - zu Lasten der VEB gehende - WB-Umlage) finanziert wurde.lm wesentlichen handelte es sich dabei um Fonds, aus denen ein Teil an den Staatshaushalt weiterfloß und der Rest zur Förderung strukturpolitischer Ziele innerhalb der W B umverteilt wurde (z.B. Gewinnfonds, Amortisationsfonds) oder aber um Sammelbecken zur Verteilung zweckgebundener Mittel (z.B. Investitionsfonds, Fonds 25 Vgl. Anordnung über die Preisbildung für neu- und weiterentwickelte sowie für veraltete Erzeugnisse der metalIverarbeitenden Betriebe. In: GBl. der DDR, Teil 11/1967, S. 423. Sièhe ebenso die entsprechenden Anordnungen für die Chemische Industrie und die Metallurgie. In: GBl. der DDR, Teil 11/1968, S. 977 und Teil 11/1969, S. 83. 26 Vgl. Anordnung über die Bildung und Verwendung von Fonds aus der Anwendung von Normativen der Nettogewinnabführung und der Amortisationsabführung in den Jahren 1969 und 1970. In: GBl. der DDR, Teil 11/1968, S. 494. 27 Vgl. Autorenkollektiv: Betriebsökonomik Industrie, Band 2, 5.Auflage, Berlin (Ost) 1969, S. 250-251.
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Wissenschaft und Technik). Schließlich gab es neben dem Reservefonds, der dem Generaldirektor der VVB die Überbrückung vorübergehender Finanzierungslücken ermöglichen sollte, auch WB-eigene Fonds zur Deckung der Verwaltungskosten und zur Anerkennung der Leistungen der VVB-Zentrale (z.B. Verfügungsfonds des Generaldirektors, Prämienfonds, Kultur- und Sozialfonds). Entscheidend war, daß der dem Betrieb verbleibende Restgewinn - im wesentlichen im Investitionsfonds erfaßt - die finanzielle Basis für eigenverantwortliche Investitionsentscheidungen und damit künftige Entfaltungsmöglichkeiten bildete. Ausgenommen hiervon waren allerdings - später die detailliert vorgeschriebenen „strukturbestimmenden" Investitionen. Mit diesen Instrumenten war in das Planungssystem ein wirtschaftspolitischer Mechanismus eingeführt worden, der vermittels der Produktionsfondsabgabe einen verbesserten Kapitaleinsatz, über die Preisdynamisierung Kostenminderungen sowie mit der· Messung der betrieblichen Leistungsfähigkeit am Nettogewinn, der Fondsbildung sowie der Gewährung einer in gewissem Rahmen freien Verfügbarkeit über einen Teil des Nettogewinns Leistungsverbesserungen bewirken sollte. Zudem war vorgesehen, mit strukturpolitischen Maßnahmen (z.B. Festlegung der Sätze der Nettogewinnabführung oder der Ober- und Untergrenze des Gewinns beim Industriepreisregelsystem) dort einzugreifen, wo Gegensätze zwischen betrieblichen Entwicklungsrichtungen und staatlichen Strukturvorstellungen auftraten.
1124 Die s t r u k t u r p o l i t i s c h e
Konzeption
Die Schaffung dieses zwar unvollkommenen, aber dennoch grundsätzlich funktionsfähigen wirtschaftspolitischen Systems gelang keinesfalls in gleichmäßigen und gut aufeinander abgestimmten Schritten 28 . Vielmehr traten zahlreiche Unsicherheiten, Unausgewogenheiten und Friktionen auf - die Betriebe hatten sich erst an die neuen Maßnahmen zu gewöhnen, einzelne Instrumente (z.B. die Produktionsfondsabgabe, der „fondsbezogene Preis") mußten zunächst einmal erprobt werden. Daneben brachte die Verzögerung der dritten Etappe der Industriepreisreform, deren Abschluß schon für den 1. Januar 1966 vorgesehen war, weitere Schwierigkeiten, die schließlich auch die Verabschiedung des Perspektivplanes 1966 bis 1970 bis zum Jahre 1967 hinausschoben. 28 Zur zeitlichen Schrittfolge der Einführung wichtiger Einzel maßnahmen des umfangreichen Reformwerkes vergleiche: Peter Mitzscherling: Die Wirtschaft der DDR. In: Die Wirtschaft Osteuropas zu Beginn der 70er Jahre. a.a.O., S. 56- 61.
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Offen war zudem die Frage nach der Gestaltung der staatlichen Strukturplanung und den Strukturentscheidungen selbst. Man hatte erkannt, daß Änderungen der Wirtschaftsstruktur im Interesse rascheren technischen Fortschritts und größeren Wirtschaftswachstums ebenso erforderlich waren wie zur Durchsetzung politischer Ziele oder zur Abstimmung wichtiger Aufgaben mit den RGW-Partnern. Dies erschien allein mit monetären Instrumenten nicht erreichbar. Deshalb wurde mit dem Staatsratsbeschluß vom April 1968 zur weiteren Gestaltung des inzwischen in „ ö k o n o m i s c h e s S y s t e m d e s S o z i a l i s m u s " umgetauften Reformmodells gefordert 29 : „Die Rolle und der Wirkungsgrad der zentralen staatlichen Planung und Leitung in den Grundfragen der Strukturentwicklung und der Effektivität der Volkswirtschaft bei gleichzeitiger Sicherung der Proportionalität ist zu verstärken. . .Die Planung volkswirtschaftlich strukturbestimmender Erzeugnisse, Erzeugnisgruppen, Verfahren und Technologien (erzeugnisgebundene Planung) und die Konzentration auf diese Aufgabe wird zum Kernstück der zentralen Planung entwickelt". Die etwas später verabschiedete Grundsatzregelung 30 stellte dann auch deutlich heraus, daß es der Wirtschaftsführung der DDR neben einer weiteren Qualifizierung der Leitungstätigkeit der Staats- und Wirtschaftsorgane sowie der Verbesserung der bereits eingeführten Maßnahmen (z.B. weiterer Übergang zu fondsbezogenen Preisen, Einführung von Zweijahresnormativen) vor allem um die vorrangige Planung und Realisierung „strukturbestimmender" Aufgaben ging. Man strebte eine Verwissenschaftlichung des strukturpolitischen Entscheidungsprozesses an, gab den für das Wirtschaftswachstum als entscheidend erkannten Produktionen und Verfahren Vorrang (z.B. bei der kurz- und langfristigen Planung, bei den Verträgen, bei der Bilanzierung des Materialeinsatzes) 31 und förderte in diesen Bereichen insbesondere die zwischenbetriebliche Kooperation sowie die Forschung und Entwicklung. Für diese Aufgaben erwiesen sich makroökonomische Prognosen ebenso wichtig wie die Einschätzung der künftigen Entwicklung technischer Faktoren. Grundsätzlich strebte man den beschleunigten Übergang zu modernen chemischen Verfahren, zu einer effizienteren - technisch, ökonomisch Vgl. Beschluß des Staatsrates der DDR über weitere Maßnahmen zur Gestaltung des ökonomischen Systems des Sozialismus. In: GBl. der DDR, Teil 1/1968, S. 223. 30 Vgl. Beschluß über die Grundsatzregelung für komplexe Maßnahmen zur weiteren Gestaltung des ökonomischen Systems des Sozialismus in der Planung und Wirtschaftsführung für die Jahre 1969 und 1970. In: GBl. der DDR, Teil 11/1968, S. 433 ff. 31 Vgl. DDR-Wirtschaft. Eine Bestandsaufnahme, a.a.O., S. 83.
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und räumlich besser organisierten - Bauproduktion sowie "zu einem konzentrierteren und automatisierteren Werkzeugmaschinenbau an. Eine Konkretisierung dieser Ziele sollte aus dem Vergleich verschiedener Prognosevarianten entwickelt und zur - langfristige Entwicklungsziele enthaltenden - „ s t r u k t u r p o l i t i s c h e n K o n z e p t i o n " verdichtet werden, aus der wiederum die „strukturbestimmenden Aufgaben" abzuleiten waren. Als beschleunigt zu entwickelnde Produktionen wurden beispielsweise erkannt: Automatisierungs- und Rationalisierungsmittel, EDVAnlagen, wissenschaftliche Geräte, Kunststoffe, synthetische Fasern und andere Produkte der modernen Erdölchemie, Leichtbauteile, Erzeugnisse der Veredelungsmetallurgie sowie Bauelemente der Halbleitertechnik. 32 . Diese Konzeptionen fanden schon in den Jahresplänen 1969 und 1970, die den Übergang zum folgenden Perspektivplan 1971 bis 1975 vorbereiten sollten, ihren Niederschlag. Dabei wurden zur Erleichterung der betrieblichen Dispositionen bereits Zweijahresnormative angewandt. Für die Phase der Weiterführung und des Ausbaus der „strukturpolitischen Konzeption" im neuen Perspektivplanzeitraum wurde der Übergang zu Fünfjahresnormativen vorgesehen; die tatsächliche Entwicklung verlief jedoch anders.
1125 Der A b b r u c h der
Reformen
Der Versuch, gleichsam mit „Gewalt" auf ein höheres technisches Niveau bei einzelnen - insbesondere durch konzentrierte Forschung geförderten Produktionsverfahren zu gelangen und gléichzeitig die Wirtschaftsstruktur auf wachstumsfördernde und effizientere Produktionen auszurichten, trug den Keim zu Wachstumsstörungen bereits in sich. Denn einerseits waren die Kenntnisse über die Gestaltung einer hocheffizienten Struktur unzureichend oder aber - wo bekannt - die Mittel zu ihrer Durchsetzung. Andererseits mußte die bloße Konzentration auf „Wachstumsbranchen" zur Vernachlässigung vorgelagerter Produktionsstufen und der Zulieferer sowie der ohnehin schon schwachen Infrastruktur führen. Zudem wies das unvollkommene und unvollendete Reformsystem noch immer erhebliche Mängel auf. So belastete die unzureichende Umstellung der Betriebsleiter auf „unternehmerisches" Denken ebenso einen reibungslosen Ablauf wie die Umschulung des Bankpersonals auf eine wirksame 32 Vgl. Angela Rüger: Die Bedeutung »strukturbestimmender Aufgaben« für die Wirtschaftsplanung und -organisation der DDR. In: Sonderhefte des DIW, Nr. 85/ 1969, S. 13.
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Kontrolle der kreditierten Investitionsprojekte 3334 . Noch schwerwiegender war jedoch die mangelnde Flexibilität auf Störfaktoren. Denn die Betriebe konnten nur unzureichend reagieren -
auf k u r z f r i s t i g e N a c h f r a g e ä n d e r u n g e n , weil die durch Verträge zwischen Lieferanten und Empfängern frühzeitig festgelegte und im Materialbilanzierungssystem verankerte Verteilung der Rohstoffe, Materialien und anderer Vorleistungen nur in sehr engen Grenzen wandelbar war;
-
auf e x t e r n e S t ö r u n g e n (z.B. außerordentlich ungünstige Witterungsbedingungen), weil eine auch solchen Situationen gerecht werdende betriebliche Reservenbildung nicht erlaubt war.
Hinzu traten von den Betrieben selbst verursachte Störungen, weil widerrechtlich - die Produktion bestimmter Erzeugnisse von einigen Herstellern ersatzlos beendet worden war, ohne daß andere mit der Wiederaufnahme der entsprechenden Erzeugung begonnen hatten. Folge dieser zunehmenden Schwierigkeiten war eine breite Wachstumskrise im Herbst 1970, die eine Reduzierung der Planziele erforderlich machte. Statt einer Weiterentwicklung des Systems wurden auf der 14. Tagung des ZK der SED im Dezember 1970, nach heftiger Kritik am bisherigen Konzept, bedeutsame Änderungen des Planungs- und Leitungssystems in Richtung einer wieder stärkeren Zentralisierung eingeleitet: Der Entscheidungsspielraum der Betriebe, W B und der anderen mittleren Organe wurde eingeschränkt, die direkte staatliche Lenkung verstärkt, die Zahl der den Betrieben vorgegebenen Plankennziffern - insbesondere naturale Kennziffern - erhöht und ein Teil der indirekten Steuerungsmittel abgebaut bzw. in ihrer Ausrichtung modifiziert. 33
Vgl. Verordnung über Grundsätze für die Gewährung von Krediten an volkseigene, konsumgenossenschaftliche und Außenhandelsbetriebe - Kreditverordnung sozialistische Betriebe. In: GBl. der DDR, Teil 11/1968, S. 653 ff. 34 Den Banken wurde die Funktion übertragen, vor der Finanzierung von Investitionsobjekten zu prüfen, ob die geplanten Vorhaben mit ausreichender Effizienz arbeiten würden und dem staatlichen Zielprogramm entsprachen. Sie hatten außerdem die Betriebe hinsichtlich der Entscheidungsfindung „bei der Ausarbeitung optimaler Investitionspläne" zu unterstützen - eine schon wegen der bestehenden Preismängel kaum erfüllbare Aufgabe (vgl. Beschluß über die Grundsätze zur Vorbereitung und Durchführung von Investitionen. In: GBl. der DDR, Teil 11/1967, S. 813 ff.). Zu den Problemen der Bankarbeit im Widerstreit zwischen Rentabilitätsdenken und vorgegebenem Zielprogramm des Staates, insbesondere auch im Bestreben der Bank, ihre eigene Gewinnsituation zu verbessern, vgl. Hannsjörg Buck: Umkehr zur administrativen Befehlswirtschaft als Folge nicht behobener Steuerungsdefekte der Wirtschaftsreformkonzeption. In: B. Gleitze, K.C. Thalheim, H. Buck, W. Förster: Das ökonomische System der DDR nach dem Anfang der siebziger Jahre. Berlin 1971, S.82-89.
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Um den betrieblichen Aktionsradius einzuengen, wurde der vom Betrieb zu erwirtschaftende Nettogewinn Anfang 1971 zur Plankennziffer erhoben und fest in die betriebliche Finanzplanung eingefügt 35 , die Nettogewinnabführung auf absolute - branchenweise unterschiedliche - Gewinnabführungsbeträge umgewandelt, der weitere Übergang zu „fondsbezogenen" Preisen und die Anwendung der Preisdynamisierungsmethoden gestoppt 36 sowie die Investitionstätigkeit vermittels staatlicher Planauflagen verbindlich vorgeschrieben 37 . Damit ist der Entscheidungsspielraum des Betriebes über Investitionen nahezu völlig wieder aufgehoben und die Antriebskraft „Gewinn" erheblich gemindert worden (vgl. S.69 f ). Die wichtigsten Gründe dafür, daß sich die Wirtschaftsführung der DDR zum Abbruch des Reformkurses statt zu einer Weiterentwicklung entschlossen hat, dürften gewesen sein 3 8 : 1. Gerade die Jahre 1969 und 1970, die in gewissem Sinne eine Bewährungsprobe für das Reformmodell darstellen sollten, zeigten deutliche Wachstumsstörungen. Extreme Witterungsbedingungen führten bei unzureichenden Reserven und einer vernachlässigten technischen Infrastruktur zu Engpässen in der Energiewirtschaft, Störungen im Verkehrswesen, Beeinträchtigungen der landwirtschaftlichen Erzeugung und der Leistungen der Bauwirtschaft sowie zu Mängeln in der Versorgung der Bevölkerung 39 . Diese Faktoren wirkten sich wegen der mangelnden Anpassungsfähigkeit der Betriebe praktisch auf alle Sektoren aus und führten generell zu einer Überbeanspruchung der Produktionsfaktoren. Hinzu kamen die negativen Folgen der Strukturpolitik: Durch die Bevorzugung „strukturbestimmender" Aufgaben war eine Vernachlässigung der übrigen Aufgaben eingetreten, und zwar umso stärker, je mehr Störungen bei den bevorzugten Produktionen ausgeglichen werden mußten. Dadurch wurden schließlich auch die bevorzugten Produktionen selbst wegen unzureichender Vorleistungen erheblich beeinträchtigt. 35 Vgl. Beschluß über die Durchführung des ökonomischen Systems des Sozialismus im Jahre 1971, »ÖSS-Beschluß 1971«. In: GBl. der DDR, Teil 11/1970, S. 739. 36 Vgl. Beschluß über die Aufhebung u. Anpassung von Rechtsvorschriften. In: GBl. der DDR, Teil 11/1971, S. 325. 37 Vgl. Beschluß über die Planung und Leitung des Prozesses der Reproduktion der Grundfonds. In: GBl. der DDR, Teil 11/1971, S. 1 ff. 38 Vgl. Manfred Melzer, Angela Rüger: Wirtschaftssysteme (III). Die Folgen der Rezentralisierung für den Volkseigenen Betrieb. In: Wirtschaftswoche, Nr. 6/1972, Kontakt-Studium, S. 31 ff. 39 Vgl. Die wirtschaftliche Entwicklung der DDR im Jahre 1969, Die wirtschaftliche Entwicklung in der DDR im 1. Halbjahr 1970 und Konsolidierung durch Wachstumsverzicht? - Die Wirtschaft der DDR an der Jahreswende 1970/71. Bearb.: Peter Mitzscherling. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 11 u. 38/1970 sowie Nr. 5/1971.
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Zunehmend machten sich Störungen im Investitionssektor bemerkbar, überwiegend Folge schlechter Leistungen der Bauwirtschaft, die einerseits durch die ungünstigen Witterungsverhältnisse, andererseits aber durch Mangel an Rohstoffen und Baumaterialien sowie technische und organisatorische Schwächen bei der Baudurchführung hervorgerufen worden waren 40 . Dadurch wurde die Fertigstellung zahlreicher Investitionsvorhaben verzögert und die Kosten stiegen weit über das veranschlagte Niveau. Neue Anlagen blieben hinter der geplanten Leistung zurück, die Auslastung war zu gering, auch weil versäumt wurde, in ausreichendem Maße qualifiziertes Bedienungspersonal auszubilden. 41 Die geschwächte und infolge der verstärkten betrieblichen Eigeninitiative auch auf zu viele Projekte verteilte Investitionstätigkeit beeinträchtigte die Basis für künftige Ziele. Damit war die erforderliche stabile Ausgangssituation für den Perspektivplan 1971 bis 1975 nicht mehr gegeben - die ursprünglichen Vorstellungen des Fünfjahrplanes mußten gekürzt werden. 2'. Gegensätze zwischen mikroökonomischen Entwicklungsrichtungen und der staatlichen vorrangigen Förderung „strukturbestimmender" Produktionen machten sich immer mehr bemerkbar. Diese Divergenzen hatten sich mit dem Ausbau des NÖS, der einen zunehmenden Anreiz der Betriebe zu eigenen Aktionen schuf, verstärkt. Sie konnten allein mit makroökonomischen Steuerungsinstrumenten nicht überwunden werden, da die Wirtschaftsführung der DDR nur bereit war, eine schmale Toleranzgrenze für Abweichungen zuzugestehen. Denn bei einer Vergrößerung der Toleranzbreite mußte sie - mit zunehmend sichtbar werdenden Disproportionen - das Aufkommen einer Auseinandersetzung über ihr eigenes Strukturprogramm befürchten, andererseits war aber die Duldung nur geringer Abweichungen zwischen betrieblichen und staatlich gewollten Entwicklungslinien mit dem bisherigen Reformmodell nicht durchsetzbar. 3. Die Abstimmung der finanziellen mit der materiellen Planung wurde laufend schwieriger; zum Teil auch Folge der noch bestehenden Preismängel. Denn das Preissystem stand wieder zunehmend nicht mit den Planzielen in Einklang, so daß es Betriebe über Gewinnerhöhungen auch zu Produktionen verleitete, die weder den Planzielen entsprachen noch zu „echter" volkswirtschaftlicher Effizienz - unter den gegebenen Bedingungen in der DDR - führten. 40 Vgl. Die Bauwirtschaft der DDR zu Beginn der siebziger Jahre. Bearb.: Manfred Melzer. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 24/1970. 41 Vgl. Willy Stoph: Zum Entwurf des Volkswirtschaftsplanes 1971. In: Neues Deutschland vom 11.12.1970, S. 3.
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Der als Leistungsstimulans erwünschte „Gewinn" verursachte somit über betriebliche Aktionen gewissermaßen eine „Zersetzung" materieller Zielstrukturen, oder anders ausgedrückt, laufende Disproportionen zwischen den finanziellen und den materiellen Planungsbeziehungen. Es erwies sich somit als unmöglich, den immer komplizierter werdenden Wirtschaftsprozeß mit den noch unvollkommenen monetären Instrumenten genauso eindeutig zu steuern wie mit materiellen Planungsmethoden.
12 Funktionsweise des gegenwärtigen Planungs- und Leitungssystems 121 Gestaltung der Wirtschaftsorganisation Das organisatorische Gefüge der DDR-Wirtschaft läßt sich weitgehend nur in seinem Soll-Zustand deskriptiv erfassen, da - empirische Beobachtungen voraussetzende - informelle Praktiken, Beziehungen oder Gruppenbildungen sich dem westlichen Beobachter nicht erschließen. Die daraus resultierenden Modifizierungen entziehen sich so weitgehend einer exakten Analyse. So sind auch außerökonomische Faktoren, die auf das wirtschaftliche Entscheidungsgefüge einwirken, nur fallweise und grob zu bestimmen. Zu ihnen zählt vor allem die faktische und institutionell verankerte Führungsrolle der SED in Wirtschaft und Gesellschaft. Durch vielfältige Herrschaftstechniken unterliegen alle Entscheidungsebenen ihren Weisungen und Kontrollen, sei es in Form der vielfach festzustellenden Personalunion von Parteispitze und Wirtschaftszentrale, sei es durch richtungweisende Grundsatzbeschlüsse des Politbüros der SED oder auch durch die kontrollierenden und mobilisierenden Funktionen der Grundorganisationen in Betrieben und Verwaltungsstellen. Die offiziell deklarierten - auf Lenin zurückgeführten - L e i v t u η g s p r i n z i p i e n prägen das wirtschaftliche Geschehen nur mehr oder minder stark, sind aber für das Selbstverständnis des Systems von Bedeutung. In gewissem Umfang handelt es sich dabei um ideologische Maximen, deren Leerformelcharakter es zuläßt, den jeweiligen Bedürfnissen der aktuellen Wirtschaftspolitik angepaßt zu werden: 1. Das Prinzip des demokratischen Zentralismus. In den Definitionen dieses Begriffs spiegeln sich auch die verschiedenen Ausprägungen des Lenkungssystems wider. So wurde dieses ebenso für den Bereich des Partei- und Staatsapparates gültige Prinzip lange Zeit (vgl. auch Art. 9 der Verfassung vom April 1968) so formuliert: 30
„Die zentrale staatliche Planung und Leitung der Grundfragen des gesellschaftlichen Gesamtprozesses nämlich ist organisch zu verbinden mit der eigenverantwortlichen Planungs- und Leitungstätigkeit der sozialistischen Warenproduzenten einerseits und mit der eigenverantwortlichen Regelung des gesellschaftlichen Lebens im Territorium durch die örtlichen Organe der Staatsmacht andererseits" 4 2 . Nachdem 1970/71 Rezentralisierungsmaßnahmen eingeleitet worden waren, betonte Erich Honecker (auf der 4. Tagung des ZK der SED): "Natürlich muß dieser Grundsatz entsprechend den konkreten Umständen gehandhabt werden und wird auch durch die gegenwärtigen Anspannungen beeinflußt. Die Notwendigkeit zentraler Planung wird dadurch sicher ausgedehnt.. ," 4 3 . 2. Das Prinzip der Einzelleitung und der persönlichen Verantwortung 44 . 3. Das Prinzip der Kontrolle der Durchführung festgelegter Maßnahmen sowohl mit ökonomischen als auch mit administrativen Mitteln. 4. Das Produktionsprinzip in Verbindung mit dem Territorialprinzip als Leitungsgliederung der Industrie (siehe S. 39). 5. Das Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung. 6. „Einheit von Politik, Ökonomie und Technik". Damit ist vor allem die Ausrichtung der Wirtschaft an den Erfordernissen des wissenschaftlich-technischen Höchststandes gemeint. Zentrale Wirtschaftsplanung will Angebot- und Nachfragestrukturen einander anpassen, Produktionsfaktoren in ein optimales Verhältnis zueinander setzen und entsprechend die betriebliche Produktion in die zentral gewünschte Richtung lenken. Diese Aufgaben sind je nach ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung den verschiedenen Instanzen des hierarchisch straff gegliederten Wirtschaftsapparates übertragen. Instrumente sind im wesentlichen Rechtsnormen, monetäre Steuerungsinstrumente sowie ein Geflecht von Einzelentscheidungen (Planauflagen, Plankennzrffern und Normative). 42
Vgl. Walter Ulbricht: Die gesellschaftliche Entwicklung in der DDR bis zur Vollendung des Sozialismus. (Schlußansprache auf dem VII. Parteitag der SED) Berlin (Ost) 1967, S. 130. , 43 Vgl. Neues Deutschland vom 18.12.1971, S. 5 (4. Tagung des ZK der SED). 44 „Einzelleitung und kollektive Beratung bilden eine untrennbare Einheit. Die Entscheidung selbst liegt nach Beratung einzig und allein bei dem verantwortlichen Führungskader als dem Beauftragten der Arbeiter- und Bauernmacht. Persönliche Verantwortung . . . besteht sowohl gegenüber den ihnen (d.h. den verantwortlichen Führungskadern - Anmerkung DIW) übergeordneten Leitern als auch gegenüber dem Kollektiv, das sie zu leiten haben". Vgl. Lexikon der Wirtschaft, Industrie (Autorenkollektiv). Berlin(Ost) 1970, S. 239 (Stichwort: Einzelleitung).
31
1
Vereinfachte Darstellung des Leitungsaufbaues der Industrie *
s
Ministerrat φ c α> i3 Φ
S S J φ< i60 BRD
DDR
BRD
DDR
Relci t i on BRD=«100 1960 1970
Industrie2*
22,6
29,5
24,3
36,4
131
150
Baugewerbe
0,9
0,9
1,6
1,6
100
100
Landwirtschaft
5,7
6,3
5,0
8,0
111
160
Verkehr
8,3
10,2
7,4
9,8
123
132
Handel3)
4,0
2,7
5,4
3,0
68
56
58,5
50,4
56,3
41,2
86
73
-
-
Dienstleistungsbereiche4) Gesamte W i r t s c h a f t
100
100
100
100
1) Zu Preisen von 1962 i n j e w e i l i g e r Währung. - 2) E i n s c h l i e ß l i c h produzierendes Handwerk. - 3) DDR: Nur Binnenhandel, j e doch e i n s c h l i e ß l i c h Gaststättengewerbe· - 4) E i n s c h l i e ß l i c h S t a a t , Wohnungswesen, sonstige produzierende Bereiche, d i e n s t l e i s t e n d e s Handwerk. Quellen: BRD: Bernd Görzig: Wachstumspotential und Erwerbst ä t i g e i n den Wirtschaftsbereichen der Bundesrepublik Deutschland b i s 19 85. Gutachten des DIW, B e r l i n 1972 ( v e r v i e l f ä l t i g tes Manuskript). DDR: S t a t i s t i s c h e s Jahrbuch 1972.
171
entwicklung innerhalb dieses Bereichs 390 . Der Chemie-Bereich in der DDR, der schon vor çlem Krieg etwas stärker ausgebaut war als die Chemiewirtschaft auf westdeutschem Gebiet, macht erst seit wenigen Jahren und auch heute noch jenen Strukturwandel durch, der in der Chemischen Industrie der Bundesrepublik seit einiger Zeit abgeschlossen ist: den Übergang von der Kohleverarbeitung zum Einsatz von Erdöl und Erdgas. Dieser äußerst kapitalaufwendige Prozeß läßt die hohen Werte der Vergleichindices plausibel erscheinen, ohne daß sie als Indiz für Überkapazitäten zu deuten wären. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß bei einer in beiden deutschen Staaten sehr starken Investitionstätigkeit die Struktur deutlich divergiert und infolgedessen auch die Struktur des Anlagevermögens unterschiedlicher 3 9 1 geworden ist (vgl. Tabelle 15). In der DDR werden die Sektoren Landwirtschaft und Industrie immer noch weit intensiver gefördert als der Dienstleistungsbereich, während es in der Bundesrepublik seit langem umgekehrt ist. Entsprechend sind auch die Zuwachsraten des Bruttoanlagevermögens in West und Ost verschieden (vgl. Tabelle 16).
390 Vgl.: Allmählicher Strukturwandel in der Energiewirtschaft der DDR. In: Wochenbericht des DIW. Nr. 48/1969. 391 Die Korrelation der Anteilswerte für die sechs großen Wirtschaftsbereiche sank von 97,9vH auf 90vH; der t-Test wies für 1960 eine Irrtumswahrscheinlichkeit von unter 0,5vH aus, für 1970 2,5vH.
172
T a b e l l e 16
Reale Zuwachsraten des Bruttoanlagevermögens i n der BRD und der DDR
Bereiche
BRD
1970 gegenüber Industrie Baugewerbe Landwirtschaft Verkehr
DDR
Relation DDR : BRD
1960 i n vH 93,9
77,0
227,8
165,2
73
58,7
83,1
142
82
61,1
37,7
62
141,9
61,8
44
Dienstleistungsbereiche
73,6
17,1
23
Gesamte W i r t s c h a f t
80,3
43,7
54
Handel
1970 gegenüber 1965 i n vH Industrie
33,2
28,6
86
Baugewerbe
42,6
63,4
149
Landwi r t s c h a f t
21,8
32,0
147
Verkehr
25,8
13,5
52
Handel
47,0
25,6
54
Diens t l è i s t u n g s b e r e i che
31,2
9,0
29
Gesamte W i r t s c h a f t
31,7
18,9
60
Anmerkungen und Q u e l l e n w i e T a b e l l e 15·
214 Kapitalintensität Eine der produktivität mitteln, d.h. der Anlagen
wesentlichen Grundlagen für die Steigerung der Arbeitsist die Verbesserung der Arbeitsplatzausstattung mit Arbeitsdie E r h ö h u n g der Kapitalintensität und die Modernisierung zur V e r w i r k l i c h u n g des t e c h n i s c h e n Fortschritts in der Pro173
41
100
230 100
242
28
136
63
20
98
73,5
70,4
39,4
27,9
je Beschäftig-
31,3 15,6
- 2,2
42,1
9,3
4 9 , 4 50,7 34,3 18,9
68,5
33,4
31,9 26,0 51,4 29,1 129,4
106,0
3 7 , 4 - 2,9
126,0
72,7
136,3
207,0
84,2
Reale Veränderungeraten Struktur 1970 : 1960 1970 s 1965 1970 BRD DDR BRD DDR BRD DDR
der DDR
'Kapitalinten&ität: Bruttoanlagevermögen (in jeweiliger Währung) ten (ohne amtlich nicht ausgewiesene Beschäftigte). Weitere Anmerkungen und Quellen wie Tabelle 15#
1 )
Gesamte Wirtschaft
Dienstleistungen
Handel
'
56
Landwirtschaft 148
20
Baugewerbe
Verkehr
60
und
in vH
in der BRD
Struktur und Entwicklung der Kapitalintensität1^
Industrie
Bereiche
Tabelle 17
duktion. Wie Tabelle 17 zeigt, ist die Kapitalintensität 392 von 1960 bis 1970 in allen Bereichen der Bundesrepublik schneller gestiegen als in der DDR, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Interessant ist vor allem, daß die Kapitalausstattung der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich in der DDR sogar gesunken ist, während sie in der Bundesrepublik zwar unterdurchschnittlich, aber dennoch beträchtlich zunahm. Der sinkende Kapitalbestand je Beschäftigten in der DDR dürfte nicht mit Sondereinflüssen des Wohnungswesens zu erklären sein. Zwar ist die Wohnungsbestandserhöhung insgesamt geringer gewesen als der Zugang an Beschäftigten im gesamten Dienstleistungsbereich, doch haben Strukturänderungen (Erhöhung der durchschnittlichen Zimmerzahl) und größerer Komfort sicherlich zu einer solchen Zunahme des Wohnungsvermögens geführt, daß dadurch die Kapitalintensität im tertiären Sektor kaum gesenkt wurde. So bleiben als Erklärung nur mehr die bekannten Erscheinungen öffentlicher Armut in der DDR: Die zusätzlich Beschäftigten wurden nicht einmal so sehr mit Arbeitsmitteln (im weitesten Sinne) versehen, daß die durchschnittliche Ausstattung gleich blieb. Im täglichen Leben tritt das überall zutage, von der mangelhaften Hotelkapazität bis zu kaum mehr zumutbaren Arbeitsräumen der Verwaltungen und Behörden, von fehlenden Unterrichtsmitteln bis zu ausgedientem Krankenhausmobiliar. Diese Ausstattungsmängel stehen oft in krassem Gegensatz zu den im jeweiligen Bereich erbrachten Leistungen (z.B. Gesundheits- und Bildungswesen!). Neben dem Dienstleistungsbereich ist besonders die Entwicklung im Baugewerbe und in der Landwirtschaft beachtlich. So hat in der DDR wegen des stark vermehrten Einsatzes von Arbeitskräften auf dem Bau die Kapitalintensität langsamer zugenommen als der Zuwachs an Kapital (Tabelle 16) zunächst erwarten ließ. Umgekehrt hat das Schrumpfen der Beschäftigtenzahl in der westdeutschen Landwirtschaft dazu geführt, daß hier die Kapitalintensität schneller gewachsen ist als in der DDR, obwohl dort weit höhere Steigerungsraten bei den Investitionen auch das gesamte landwirtschaftliche Anlagevermögen schneller wachsen ließen. Bei der Struktur der Kapitalintensität ist hervorzuheben, daß die Ausstattung mit Anlagevermögen in der Industrie der DDR fast dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft entspricht, während die entsprechende Zahl für die Bundesrepublik nur bei 60vH des Durchschnitts liegt. Es wird weiter unten zu untersuchen sein, welche Auswirkungen auf die Faktorproduktivität hieraus resultieren.
392 Kapitalintensität = Bruttoanlagevermögen in vergleichbaren Preisen je Beschäftigten (ohne amtlich nicht ausgewiesene Beschäftigte).
175
215 Faktorproduktivitäten Die rasche Zunahme des Anlagevermögens in der DDR-Wirtschaft ermöglichte in den sechziger Jahren jene hohe Zuwachsrate des technischen Fortschritts, die erforderlich war, um bei stagnierender Arbeitskräftezahl die schnelle Erhöhung der Produktion zu gewährleisten. So war z.B. in der Industrie, dem wichtigsten Wirtschaftsbereich, der Produktionszuwachs 1965 bis 1970 zu 60vH durch „technischen Fortschritt" 393 getragen und zu 33vH durch die Zunahme des Anlagevermögens. Um die Ziele des Fünfjahresplans 1971 bis 1975 zu erreichen, müßte - Beibehaltung der ursprünglichen Ziele unterstellt - der „technische Fortschritt" sogar einen Anteil von etwa 80vH tragen 3 9 4 . Die wichtigsten Einflußgrößen, die die Höhe des technischen Fortschritts bestimmen, sind: Einführung neuer Produkte oder Produktionsverfahren, Nutzung der interregionalen und internationalen Arbeitsteilung, Qualifizierung der Beschäftigten, Verbesserung der Kapitalausstattung der Arbeitsplätze usw. Insgesamt ist der „technische Fortschritt" mittelbar auch an den Faktorproduktivitäten ablesbar. In beiden deutschen Staaten wuchs im Beobachtungszeitraum das Bruttoanlagevermögen schnell, jedoch mit unterschiedlichem Tempo. Da gleichzeitig die Produktion in West und Ost mit fast identischen Zuwachsraten stieg, haben sich auch die Kapitalproduktivitäten 395 verschieden entwickelt (vgl. Tabelle 18): In der Bundesrepublik fiel die Kapitalproduktivität von 1960 bis 1970 doppelt so schnell wie in der DDR. Dort ist in den letzten Jahren sogar ein weiteres Absinken dieser Kennziffer ausgeblieben. Ja, von 1967 bis 1969 war in einigen Wirtschaftsbereichen ein Anstieg zu registrieren, der ausreichte, von 1965 bis 1970 die gesamtwirtschaftliche Kapitalproduktivität etwas zu verbessern. Allerdings kann der 393
Gesamtheit aller Quellen für Produktionssteigerungen außer der Zunahme des mengenmäßigen Einsatzes von Arbeit und Anlagevermögen. 394 Vgl. Herbert Wilkens: Der Spielraum für Produktivitätsfortschritte in der Industrie der DDR bis 1975 - Eine Analyse des technischen Fortschritts. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung des DIW, Heft 3/1972. 395 Kapitalproduktivität = Nettoprodukt bezogen auf das Bruttoanlagevermögen. Die folgende Untersuchung leidet geringfügig unter der statistich bedingten Ungenauigkeit, daß für die DDR das Nettoprodukt in Preisen von 1967 zur Berechnung verwendet werden muß, während für das Bruttoanlagevermögen nur die Wertstellung in „zur Zeit der Umbewertung der Grundmittel gültigen Wiederbeschaffungspreisen" bekannt ist. Für die BRD mußten Bruttoanlagevermögenswerte zu Preisen von 1970 verwandt werden. (Quelle: Bernd Görzig: Wachstumspotential und Erwerbstätige in den Wirtschaftsbereichen der Bundesrepublik Deutschland bis 1985. Gutachten des DIW, Berlin 1972, vervielfältigtes Manuskript). Da jedoch hauptsächlich Strukturen und Entwicklungsreihen analysiert werden, ist der unvermeidliche Fehler nicht gravierend.
176
Tabelle 1
S t r u k t u r und Entwicklung der
Kapitalproduktivität^
i n der BRD und der DDR i n den m a t e r i e l l produzierenden Bereichen
Bereiche
Struktur 1970 BRD
DDR
Veränderungsraten 1970 : 1960 1970 : 1965 BRD
DDR
BRD
DDR
Industrie
106
99
-3,0
+ 3,2
Baugewerbe
245
305
-53,0 -31,4 -17,6
-11,3
Landwirtschaft
36
86
Verkehr
40
31
+ 9,0
Handel
140
245
- 3 2 , 8 - 3 9 , 9 - 7,7 - 6,8 + 6,2 + 1,3 - 3 9 , 6 - 7,5 - 1 9 , 0
A l l e produzierenden Bereiche
100
100
-17,6 -
-11,9
-5,5
9,0 -
6,0
-17,8 + 3,4 + 1,8
1 ) K a p i t a l p r o d u k t i v i t ä t : Nettoprodukt ( i n j e w e i l i g e r Währung zu P r e i s e n von 1967) j e E i n h e i t Bruttoanlagevermögen ( j e w e i l i g e Währung; P r e i s s t e l l u n g : BRD: 1970, DDR: 1 9 6 2 ) . W e i t e r e Anmerkungen und Q u e l l e n wie T a b e l l e 15·
Fortschritt der Kapitalproduktivität nur in der Industrie von echt gesteigerter Leistungsfähigkeit überzeugen, denn die Steigerung dieser Kennziffer in den Engpaßbereichen Verkehr und Handel ist zumindest zum großen Teil auf Sondereinflüsse zurückzuführen, die auch in der DDR als schädlich erkannt wurden 3 9 6 und die zusammen mit der Entwicklung der Arbeitsproduktivität (s.u.) zu sehen sind. Der Zusammenhang zwischen Kapital Intensität und -Produktivität wird in der Bundesrepublik und der DDR gleichermaßen deutlich: Die Produktivität sinkt um so mehr, je rascher die Intensität steigt. Allerdings hat sich die Strenge diese Zusammenhangs vor allem im Gesamtzeitraum 1960 bis 1970 gezeigt, in den letzten fünf betrachteten Jahren ist sie schwächer geworden. Vor allem ist es in der DDR offenbar gelungen, durch organisatorische Verbesserungen und dadurch höhere Ausnutzung des vorhandenen Anlagevermögens - darunter besonders der modernen Anlagen - die Produktion stärker zu steigern als man es vom Vermögenswachstum her erwarten mußte. 396 Vgl. z.B. A. Ackermann: Hauptaufgabe und Wachstumstempo. In: Neues Deutschland vom 16.12.1972.
177
Die Frage nach der zukünftigen Entwicklung ist gegenwärtig nicht sicher zu beantworten. Die weiterhin laufenden Kampagnen zur mehrschichtigen Auslastung der Anlagen und zur Rationalisierung 397 würden weiter steigende Kapitalproduktivität erwarten lassen. Allerdings scheinen die Bemühungen um zusätzliche Auslastung allmählich an ihre Grenzen zu stoßen 398 . Auch ist es fraglich, ob eine allzu starke Ausdehnung der 3Schicht-Arbeit wegen der starken persönlichen und sozialen Belastungen, die sie mit sich bringt, und wegen der progressiv steigenden Kosten gesamtwirtschaftlich von Nutzen sein wird, wenn die Umstellung auf diesen Arbeitsrhythmus so schnell weitergeht wie in den letzten Jahren 3 9 9 . Die Möglichkeiten für eine weitere Zunahme der Kapitalproduktivität werden überdies in dem Maße geringer, wie die Produktion durch organisatorische Hemmnisse oder Engpässe in der Wirtschaftsstruktur an der raschen Entfaltung gehindert wird. In den Jahren 1971 und 1972, die wegen des statistischen timelags bisher nicht analysiert werden können, und sicher auch noch 1973 dürfte die Kapitalproduktivität zumindest nicht weiter steigen. Ob auf längere Sicht unter den geänderten Systembedingungen wieder eine bessere Entwicklung eintritt, ist abzuwarten und kann bezweifelt werden. Auf jeden Fall muß jedoch davon ausgegangen werden, daß die Kapitalproduktivität in der Bundesrepublik weiter abnehmen wird, mit Jahresraten von 1-2vH jährlich (konjunkturbereinigt) 400 , während diese Kennziffer in der DDR zunächst noch in etwa stagnieren wird. Mit anderen Worten: In der Bundesrepublik muß auch weiterhin ein schnelleres Wachstum des Bruttoanlagevermögens erzielt werden als in der DDR, um eine gleich hohe Zunahme der Produktion zu erwirtschaften. Doch nicht nur die Kapital-, sondern auch die Arbeitsproduktivität ist von der Kapitalinstensität abhängig. In Tabelle 19 zeigt sich die bemerkenswerte Tatsache, daß im produzierenden Bereich der Wirtschaft der Bundes-
397
Die Rationalisierung vorhandener Anlagen wirkt ebenfalls stark steigernd auf die Kapitalproduktivität, da das Anlagevermögen dadurch nur unwesentlich gesteigert wird, die Kapazität jedoch oft beträchtlich. 398 Vor allem wegen der Notwendigkeit, dafür zusätzliche Arbeitskräfte zu gewinnen. Vgl.: Berichte über die Konferenz Schichtarbeit und sozialistische Lebensweise: In: Soz. Arbeitswissenschaft Θ/1972 und Arbeit und Arbeitsrecht 18/1972. 399 Der Anteil der dreischichtig arbeitenden Produktionsarbeiter in der sozialistischen Industrie stieg von 1967 bis 1971 um 16vH. 400 Vgl. Bernd Görzig: Wachstumspotential . . . a.a.O., Prognosetabellen Τ 70, Jahrsdurchschnittliche Veränderungsraten des Kapitalkoeffizienten.
178
179
in vR
4,0
3,6
4,6
2,7
4,3
5,5
4,6
4,4
4,7
3,7
2,7
4,3
5,0
BRD
4,8
5,0 4 , 8
2 , 6 5,6
5,3
2,4
4,8
6,0
4,3
2,4
4,8
BRD
8,1 4 , 1
4,9
DDR
tums-Zyklus3)
3,8
5,5
DDR
DDR
Jahresdurchschnittliche Zuwachsraten in vH letzter Wachs1971:1966
1 )Arbeitsproduktivität: Nettoprodukt in jeweiliger Währung (zu Preisen von 1967) Je Beschäftigten.-2)Anmerkungen vgl. Tabelle 15.-3 )Letzer statistisch erfaßter Zyklus: BRD 1966 - 1971; DDR 1963 - 1971. Quellen: Statistische Jahrbücher der BRD und der DDR. Berechnungen des DIW,Berlin,
97
60 100
98
Verkehr
69
106
39
123
DDR
1971:1960
Alle produzierenden 100 Bereiche
87 85
in der BRD und der DDR in den materiell produzierenden Bereichen
BRD
Landwirtschaft
Handel
1) Struktur und Entwicklung der Arbeitsproduktivität
Baugewerbe
Industrie
108
. , 2 ) Struktur 1971
Bereicne
_
Tabelle 19
republik und der DDR fast gleiche Zuwachsraten der Arbeitsproduktivität 401 erzielt werden konnten, obwohl die Kapitalintensität im Westen fast doppelt so schnell erhöht wurde. Dies ist, ebenso wie die unterschiedliche Kapitalproduktivität in West und Ost, ein Indiz dafür, daß sich die westdeutsche Wirtschaft bereits in einem deutlich intensiveren Stadium befindet, oder anders ausgedrückt, daß der Niveaurückstand der Arbeitsproduktivität in der DDR-Wirtschaft 402 auch die Möglichkeit bietet, relativ schnelle Produktivitätsfortschritte zu erreichen, vor allem durch die breit gestreute Anwendung von Technologien, die in den fortgeschrittensten Betrieben des In- und Auslands bereits bekannt sind. Wenn auch die Zunahme der Arbeitsproduktivität im ganzen in beiden deutschen Staaten fast gleich hoch ist, so ist sie doch in den einzelnen Wirtschaftsbereichen durchaus verschieden. Besonders auffällig ist der Gegensatz bei der Landwirtschaft und beim Handel. Obwohl die Landwirtschaft der BRD ein Wachstum der Kapitalintensität zu verzeichnen hatte, das nicht sehr stark überdurchschnittlich war, hält sie eine einsame Spitzenposition im Rennen um die Steigerung der Arbeitsproduktivität-gerade die umgekehrte Erscheinung wie in der DDR! Die Ursache liegt vor allem in der im Westen weitaus schnelleren Abwanderung von Arbeitskräften aus diesem Bereich 4 0 3 . Spiegelbildlich umgekehrt wie bei der Landwirtschaft liegen die Dinge beim Handel. Die Betriebswirtschaft des DDR-Handels sieht als vorrangiges Ziel die materielle Versorgung der Bevölkerung an. Auf ansprechende Darbietung, Bequemlichkeit des Einkaufs und andere „Nebenleistungen" des Handels kommt es in der DDR bisher selten oder nie an. Infolgedessen wurden bis heute kaum Maßnahmen ergriffen, um die an sich zumindest in diesem Ausmaß unerwünschte Abwanderung von Arbeitskräften aus dem Handel zu bremsen. Hierzu bedürfte es deutlicher Einkommenserhöhungen, die auch qualifizierte Kräfte in diesem vernachlässigten Wirtschaftsbereich 4 0 4 halten könnten. Diesem Beschäftigtenrückgang steht eine Leistungsentwicklung gegenüber, die wegen der ständigen Übernachfrage auf allen Gebieten fast ausschließlich durch das Angebot bestimmt war. Das Nationalprodukt des Handels wuchs folglich ebenso rasch wie das der Industrie (vgl. Tabelle 5). Die aus beiden Gebieten rechnerisch resul401 Hier Nettoprodukt der materiell produzierenden Bereiche je Beschäftigten (amtliche Beschäftigtenzahl). Die aussagefähigere Berechnung der Arbeitsproduktivität auf Stundenbasis kann nicht durchgeführt werden, da für die DDR die erforderlichen Daten fehlen. 402 Vgl. Materialien 1971, Tz. 205, 209, 237. 403 Zum Teil handelt es sich auch um Unzulänglichkeiten der Statistik, da. aus Gründen der Vergleichbarkeit mit der DDR hier absolute Beschäftigtenzahlen statt der aussagefähigeren Vollarbeitskräftezahlen verwendet werden. 404 Vgl. die niedrigen Anteile am Anlagevermögen und die weit unterdurchschnittliche Kapitalintensität.
180
tierende Arbeitsproduktivitätssteigerung ist also kaum ein Maßstab für die eigentliche Leistung des Handels. Abgesehen von diesen beiden Wirtschaftsbereichen mit Sondereinflüssen ist der Zusammenhang zwischen der Steigerung der Kapitalintensität und dem Produktivitätsfortschritt recht deutlich: Wo in der DDR die Zuwachsrate der Kapitalintensität stärker überdurchschnittlich war als in der Bundesrepublik, traf das auch für die Fortschrittsrate der Arbeitsproduktivität zu (so in der Industrie) und umgekehrt (BauWirtschaft, Verkehr). Allerdings haben sich in den letzten Jahren in der DDR Verschiebungen beim Zuwachs der Arbeitsproduktivität ergeben: Einer Verstärkung in der Industrie standen kräftige Abschwächungen in der Landwirtschaft und vor allem im Bauwesen gegenüber. Die Kapitalausstattung des Baugewerbes ist zwar weiter beträchtlich gestiegen, doch haben die produktionstechnischen Schwierigkeiten dieses Bereichs 405 dazu geführt, daß die hohe Produktionszunahme nur mit einer fast ebenso starken Ausweitung der Beschäftigung erreicht werden konnte. Aus den bisherigen Erörterungen ergeben sich Anhaltspunkte für wahrscheinliche Trends der zukünftigen Produktivitätsentwicklung in der Bundesrepublik und in der DDR: Wegen der stagnierenden Arbeitskräftezahl (in der BRD wohl zukünftig nur noch geringe Expansion der Gastarbeiterzahl) ist das Wachstum der Wirtschaft in der DDR ebenso wie in der Bundesrepublik nur über eine ungefähr gleich schnelle Zunahme der Arbeitsproduktivität zu erreichen. Verschiedene Gründe sprechen dafür, daß sich in der DDR auf mittlere Sicht der Produktivitätsfortschritt verlangsamen wird: 1. Die erweiterte Reproduktion wird immer intensiver, d.h. die erforderliche Erhöhung der Kapitalintensität für eine bestimmte Produktivitätssteigerung nimmt zu. Gleichzeitig können aber die zur Verfügung stehenden Investitionsmittel im Zuge der neuen konsumorientierten Wirtschaftspolitik nicht mehr so schnell aufgestockt werden wie in der Vergangenheit, die Investitionsquote wird bis 1975 auf das Niveau von 1967/68 zurückfallen, wenn die ursprünglichen Ziele des Fünfjahrplans eingehalten werden. Den zunehmenden Anforderungen an das Wachstum der Kapitalintensität wird also immer weniger entsprochen werden können, so daß Arbeitsproduktivitätsreserven nur in relativ eingeschränkterem Umfang nutzbar zu machen sind. 2. Der Strukturwandel zugunsten der Dienstleistungsbereiche und der übrigen verbrauchsnahen Branchen wird sich beschleunigen. Hier sind die Möglichkeiten für Produktivitätsfortschritte meist begrenzt. Ferner 405
Vgl. S. 154f.
181
ist nur schwer vorstellbar, daß die Kapital Intensität auf diesem Sektor auf mittlere Sicht weiterhin sinken könnte, wenn auch eine relativ zur Bundesrepublik langsamere Entwicklung in gewissem Maße mit Besonderheiten der Wohnungswirtschaft zu erklären ist. Infolgedessen werden den produzierenden Bereichen zusätzlich Investitionsmittel entzogen und ihre Expansionsmöglichkeiten weiter eingeengt. Die im Verhältnis zur Bundesrepublik in der DDR raschere Zunahme der Arbeitsproduktivität in der Gesamtwirtschaft und insbesondere in der Industrie dürfte in den kommenden Jahren anhalten, jedoch wird der Niveauunterschied, der 1967 noch ein Drittel betrug, dadurch nur sehr allmählich abgebaut werden können. Dies gilt noch mehr für den Produktivitätsabstand zwischen BRD und DDR im gesamten produzierenden Bereich, der 1967^35 bis 40vH vom westdeutschen Niveau betrug 4 0 6 und sich bis heute allenfalls geringfügig verkleinert hat.
216 Außenwirtschaftliche Aspekte Obwohl der Außenhandel im letzten Jahrzehnt wesentlich schneller wuchs als das Sozialprodukt, ist die gegenwärtige außenwirtschaftliche Verflechtung noch immer relativ gering: Die Exportquote der DDR lag 1970 bei 20vH 4 0 7 und war damit nur genau so hoch wie die der Bundesrepublik. Vor dem Kriege war der Verflechtungsgrad des Wirtschaftsraums der heutigen DDR mit der Außenwelt dagegen fast doppelt so hoch wie der des westlichen Deutschland. Vergleiche mit den zehn wichtigsten westlichen Industrieländern ergaben überdies, daß die tatsächliche Exportquote der DDR 1970 um ein Viertel niedriger lag als im internationalen Vergleich normal wäre 4 0 8 . Als relativ kleines Land mit engem Binnenmarkt, einseitiger Ausstattung mit Ressourcen (fehlende Rohstoffe!) und überdies hoher Spezialisierung ist die DDR-Wirtschaft auf eine enge Handelsverflechtung mit dem Ausland angewiesen, denn der Außenhandel ist als eines der wichtigsten Instrumente zur Stimulierung von Produktivitätsfortschritten anzusehen: Nicht nur, daß durch den Import von modernen Investitionsgütern und technischem Wissen (Patente, Lizenzen!) die Produktivität direkt erhöht werden kann, sondern ebenso wichtig sind die indirekten Einflüsse, die namentlich über die Ausweitung der heimischen Märkte und durch den Wettbewerb mit ausländischen Konkurrenten wirksam werden können. 406
Dies folgt aus der Struktur der Arbeitsproduktivität in der BRD und der DDR und dem geschätzten Niveauabstand von ca. 32vH in der Industrie. In der DDR war die Arbeitsproduktivität der Industrie auch damals schon stärker überdurchschnittlich als in der BRD. 407 Anteil der Warenexporte am Bruttosozialprodukt. 408 Vgl. Herbert Wilkens: Der Spielraum für Produktivitätsfortschritte in der Industrie der DDR bis 1975. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung des DIW. Nr. 3/1972, S. 189.
182
W e n n der Außenhandel heute in der DDR-Volkswirtschaft jene Rolle als Wachstumsinstrument d e n n o c h nicht spielt, die er an sich spielen könnte, so liegt das neben technisch-organisatorischen Hemmnissen (Bilateralismus, Fehlen einer konvertierbaren Währung, überpointiert straff-dirigistische H a n d h a b u n g des Außenhandelsmonopols)
und einem sehr
lange
ö k o n o m i s c h falschen und politisch überbetonten Verständnis der Funktion des A u ß e n h a n d e l s 4 0 9 vor allem an der bisherigen Waren- und LänderTabelle 20 Außenhandel der DDR naoh Erzeugnishauptgruppen 1960, 1966 und 1972 Struktur i n vH
i n M i l l . VM
Erzeugnishauptgruppe 1960
1972 1 ;
1966
1960
1966
1972 1 ;
100
100
Einfuhr der DDR Erzeugnisse insgesamt davon: Erzeugnisse der GrundstoffIndustrie Metallverarbeitenden Industrie Leichtindustrie, Nahrungsu. Genußmlttelindustrie land- und Forstwirtschaft Übrige Erzeugnisse
100
9 216,6
13 503,0
22 851,3
3 852,5
4 955,6
7 655,2
41,8
36,7
33,5
1 327,2
3 929,4
8 180,8
14,4
29,1
35,8
2 533,0 1 419,4 64,5
2 970,7 1 579,8 67,5
4 524,5 2 033,8 457,0
27,7 15,4 0,7
22,0 11,7 0,5
19,8 8,9 2,0
Ausfuhr der DDR Erzeugnisse insgesamt davon: Erzeugnisse der Grundstoffindustrie Metallverarbeitenden Industrie Leichtindustrie, Nahrungsu. Genußmittelindustrie Übrige Erzeugnisse
100
100
100
9 270,8
13 460,8
23 931,1
2 827,6
3 257,5
4 905,9
30,5
24,2
20,5
4 802,3
7 215,0
13 903,9
51,8
53,6
58,1
1 464,8 176,1
2 638,3 350,0
4 594,8 526,5
15,8 1,9
19,6 2,6
19,2 2,2
1) Vorläufige Zahlen. Quelle^ Statistiaches Jahrbuch der DDR 1971, S. 292 und 1973, S. 286 f f .
409
Hierzu gehört u.a.: Bis Mitte der 60-er Jahre wurde eine völlige Trennung von Binnen- und Außenmarkt aufrechterhalten, Autarkiedenken herrschte vor, dem Außenhandel wurde lediglich Kompensationsfunktionen zuerkannt, d.h. er wurde nicht als Wachstumsinstrument gesehen: Ausfuhren betrachtete man ökonomisch als notwendiges Übel, um eine nichtvollkommene Ausstattung des Wirtschaftsraumes durch Importe zu überbrücken. Der blockinternen Handelsverflechtung wurde auch dann Vorrang eingeräumt, wenn es ökonomisch nicht gerechtfertigt war. Der Güteraustausch mit den westlichen Industrieländern wurde grundsätzlich als latenter Störfaktor für die Unabhängigkeit der eigenen Entwicklung betrachtet.
183
struktur des mitteldeutschen Außenwirtschaftsverkehrs: Zu sehr ist heute die Importseite noch damit belastet, die ungleiche Ausstattung der Wirtschaft mit Produktionsfaktoren auszugleichen. Auch wenn Grundstoffe und landwirtschaftliche Erzeugnisse sich im Verhältnis zu den Gesamteinfuhren der DDR im letzten Jahrzehnt unterproportional entwickelten, so belasten die zur Sicherung der Rohstoffversorgung notwendigen Importe die Devisenbilanz auch heute noch stärker, als im Interesse einer auf Wirtschaftswachstum ausgerichteten Außenhandelspolitik erwünscht ist, da diese Einfuhren den Bezugsspielraum für Investitionsgüterkäufe im Ausland über Gebühr einengen. Hinzu kommt, daß die DDR durch ihre regionale Außenhandelsorientierung überwiegend auf Partner festgelegt ist 4 1 0 , deren volkswirtschaftlicher Entwicklungsstand - abgesehen von der CSSR - zum Teil erheblich unter ihrem eigenen liegt. Technologische Hilfe könnte sie jedoch im wesentlichen nur aus der Zusammenarbeit mit den entwickelten westlichen Volkswirtschaften erwarten, deren Gewicht am Gesamtaußenhandel der DDR unter diesem Aspekt als zu gering angesehen werden muß. Der in den 60-er Jahren erreichte Strukturwandel bei den Importen der DDR - die metallverarbeitenden Erzeugnisse stiegen in ihrem Anteil auf mehr als das Doppelte - ist somit insgesamt zwar positiv zu werten, angesichts des technologischen Niveaus der blockinternen Handelspartner können die erwünschten und erforderlichen Wachstumsimpulse für die DDR-Wirtschaft aus dieser Zusammenarbeit aber nur in bescheidenem Ausmaß erwachsen. Überdies ist grundsätzlich zu bemängeln, daß die angestrebte „sozialistische ökonomische Integration" - zum Beispiel im Sinne überregionaler Produktionsspezialisierung und überregionaler Investitionen - nicht nur weit hinter den eigenen Erwartungen, sondern vor allem auch hinter dem Stand entsprechender Kooperationsformen in westlichen Volkswirtschaften zurückgeblieben ist, wo die Mobilität von Kapital, Arbeitskräften und Ressourcen über Ländergrenzen hinweg ungleich höher ist 4 1 1 . Als bisher ernsthaftester lind weitreichendster Versuch, die bislang unbefriedigenden Kooperations- bzw. Integrationsbemühungen zu forcieren, ist das 1971 verabschiedete „Komplexprogramm" 412 zu werten. In einer 410 DerAußenhandelsumsatz der DDR wird - bei relativ geringen jährlichen Abweichungen - zu rund drei Vierteln mit den sozialistischen Ländern, jeweils rund einem Zehntel mit der Bundesrepublik Deutschland und den übrigen westlichen Ländern und zu nur einem Zwanzigstel mit den Entwicklungsländern abgewickelt. 411 Diese Gesamteinschätzung kann auch durch die vorhandenen Beispiele von Produktionsspezialisierung und gemeinsamen Investitionsprojekten - sowohl den in der Vergangenheit durchgeführten als auch den vorgesehenen bzw. in Angriff genommenen - nicht beeinträchtigt werden. 412 Die genaue Bezeichnung des Ende Juli 1971 - einstimmig - beschlossenen Dokuments lautet: Komplexprogramm für die weitere Vertiefung u. Vervollkommnung der Zusammenarbeit und Entwicklung der sozialistischen ökonomischen Integration der Mitglieder des RGW. Vgl. Neues Deutschland vom 7.8.1971.
184
Übergangsphase von 15 bis 20 Jahren soll die ökonomische Zusammenarbeit erweitert und vertieft werden. Aufgrund seines Kompromißcharakters ist dieses Programm eher als ein Bündel von Absichtserklärungen mit einer bestimmten Zielrichtung denn als eine Sammlung inhaltlich konkreter Aufgaben anzusehen. Wichtige Ziele, Mittel bzw. Arbeitsschwerpunkte sind: 4 1 3 -
Die ökonomische Integration soll zur schnelleren Entwicklung der Produktivkräfte und zur Erhöhung des Lebensstandards beitragen; mit ihr soll eine „schrittweise Annäherung und Angleichung des ökonomischen Entwicklungsniveaus der Mitgliedländer" angestrebt werden.
-
Die Hauptmethode der Zusammenarbeit bleibt die Koordinierung der Wirtschaftspläne.
- Als neue Form der Zusammenarbeit wird eine gemeinsame Planung einzelner Industriezweige und Produktionsarten angestrebt, zu der jeweils interessierte Länder allmählich übergehen können. Sie ist Ausdruck der gewünschten planmäßigen Erweiterung der internationalen Spezialisierung. -
Zur beschleunigten Entwicklung des - bilateralen - Handelsverkehrs wird eine teilweise Lockerung des bisher strengen Verfahrens- und Vertragssystems vereinbart. Neben den - wichtigsten - Waren, für die in den Handelsabkommen auch weiterhin Mengenkontingente und alle anderen wichtigen Lieferbedingungen fixiert werden, sollen sich die Handelsabsprachen in Einzelbereichen auf eine Wertkontingentierung beschränken oder soll bei Einzelerzeugnissen ein kontingentfreier Austausch möglich sein.
- Zum ersten Mal wird in der Zusammenarbeit des RGW den monetären Faktoren offiziell ein wichtiger Platz zugewiesen. Zur „Vervollkommnung der Valuta- und Finanzbeziehungen,, soll eine „kollektive Währung" geschaffen werden, d.h. der bisher nur als Verrechnungseinheit fungierende sog. transferable Rubel soll „tatsächliche Transferierbarkeit" erlangen; die Konvertierbarkeit der RGW-Währungen untereinander soll angestrebt werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine Vervollkommnung des Außenhandelspreissystems - das bisher kontroverseste
413 Vgl. Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) in einer Übergangsphase. In: Wochenbericht des DIW. Nr. 40/1971, Bearb.: Heinrich Machowski. Vgl. ferner Fritz Franzmeyer u. Heinrich Machowski: Willensbildung und Entscheidungsprozesse in der Europäischen Gemeinschaft u. im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe. Ein Vergleich. Europa-Archiv 2/1973, S. 47-60.
185
und am schwierigsten zu lösende Problem der Zusammenarbeit im RGW 4 1 4 . Ob es angesichts des unterschiedlichen Entwicklungsniveaus und der unterschiedlichen Interessenlage im anvisierten Zeitraum gelingen wird, eine Blockkonvertibilität, die Multilateralität des Handelsverkehrs und „ökonomisch begründete" Spezia'lisierungs- und Integrationsentscheidungen auf der Basis gemeinsamer Planung in einzelnen Industriezweigen und Produktionsarten zu erreichen, rnuß als sehr zweifelhaft gelten, denn nicht genannte, aber dennoch wichtige Voraussetzung hierfür ist eine Harmonisierung der - in Schwerpunkt und Intensität von Land zu Land unterschiedlichen - Wirtschaftsreformen. Bisher ist es jedoch keinem RGW-Land gelungen, für die eigene Volkswirtschaft eine befriedigende Verknüpfung zentraler Wirtschaftsplanung und Markt-Preis-Mechanismus zu finden. Aber selbst, wenn sich die Zielvorstellungen bzw. Erwartungen dieses Programms realisieren ließen, gäbe es auch nach 15 bis 20 Jahren keine „Wirtschaftsintegration" im Sinne einer gemeinschaftlichen Wirtschaftsplanung zusammengeschlossener Volkswirtschaften. Solange die gegenwärtige Phase des „Suchens" nicht abgeschlossen ist 4 1 5 , wird die wirtschaftliche Zusammenarbeit der RGW-Länder sich auch weiterhin im wesentlichen auf den Warenverkehr stützen, für den auf Seiten der DDR die bisherigen Bestimmungsgründe auch in Zukunft gelten werden: Für die Exportentwicklung wird auch weiterhin neben dem Zwang, die bestehende Rohstofflücke zu finanzieren, vor allem die der DDR zugedachte Funktion als wichtiger Investitionsgüterlieferant der übrigen RGW-Staaten bestimmend sein.
414 Um letzteres anzugehen, sollte It. Komplexprogramm bis Ende 1972 allerdings erst „ein komplexes Studium der Fragen der Vervollkommnung des Außenhandelspreissystems" durchgeführt werden. Im „nächsten Zeitraum" bleiben die bisher im „RGW-Intrablockhandel" gültigen Preisbildungsprinzipien-nachempfundene Weltmarktpreise - bestehen. 415 Siehe Anmerkung 414; vgl. z.B. auch einen Beitrag von D ö h l e r / W e i t k u s , in dem zur internationalen planmäßigen Industriezweigentwicklung u.a. ausgeführt wird, daß für Koordinierungsentscheidungen die gegenwärtigen Kenntnisse (für konkrete Aussagen) bei weitem nicht ausreichten und daher erst erworben werden müßten (Einheit, Heft 5/1973, S. 542). Vgl. ferner K.H. S t i e m e r I i η g, Stellv. Direktor des im März 1972 in Ost-Berlin gegründeten „Wissenschaftlichen Rates für Fragen der sozialistischen ökonomischen Integration", der fordert, durch Forschungsergebnisse „dazu beizutragen, eine Theorie der sozialistischen ökonomischen Integration zu entwickeln. Dabei ist es auch notwendig, sich über die in dieser Theorie zu verwendenden Begriffe zu einigen". (Wirtschaftswissenschaft, Heft 7/1972, S. 1057).
186
Das starke Exportengagement beansprucht nicht nur den Produktionsapparat erheblich 4 1 6 und führt schon seit Jahren zu permanenten Ausfuhrüberschüssen von kivestitionsgütern 417 , sondern war auf Seiten der DDRFührung sicher auch stets von dem Motiv getragen, die eigene Wirtschaftskraft als Instrument der politischen Einflußnahme zu benutzen. Grundsätzliche politische Erwägungen, aber auch die zu erwartende Beanspruchung der DDR-Wirtschaft durch ihre Partner aufgrund der wirtschaftlichen Zielsetzungen und der bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in einigen dieser Länder lassen nicht erwarten, daß auf mittlere Sicht eine Entlastung der DDR eintreten wird. Selbst langfristig ist dies zumindest zweifelhaft, da die im Komplexprogramm vorgesehene Angleichung des Entwicklungsstandes der DDR einen zunehmend höheren Beitrag abverlangen wird. Eine verminderte Inanspruchnahme der DDR vornehmlich als Investitionsgüterlieferant könnte allenfalls dann eintreten, wenn die vielfältigen eigenen Bemühungen der RGW-Länder um verstärkte wirtschaftliche Kooperation mit dem Westen derart erfolgreich sein sollten, daß sie ein stärkeres Exportengagement der DDR erübrigten. Eine langfristige Entlastung läge auch im Interesse der DDR und ermöglichte ihr verstärkte Exportanstrengungen in den westlichen Industrieländern, um eine allmähliche Konsolidierung ihres Westhandels einzuleiten. Denn angesichts der Vielfalt der zu bewältigenden ökonomischen Aufgaben - vorrangige Konsumförderung, angestrebtes stärkeres Wirtschaftswachstum, weitere innere Konsolidierung 418 - hat die DDR seit 1970 gegenüber diesen Ländern eine auf kreditfinanzierte Importe gerichtete Außenhandelspolitik betrieben. Da die starke Beanspruchung der DDR-Wirtschaft durch den Binnenmarkt und die RGW-Partner auch in den nächsten Jahren anhalten wird 4 1 9 , ist zu vermuten, daß die DDR-Führung diese Außenhandelspolitik - zumindest tendenziell und noch für einige Jahre - beibe416 Die Exportquote beträgt z.B. beim Schwermaschinen- und Fahrzeugbau jeweils rund 40vH, beim allgemeinen Maschinenbau und bei der Elektrotechnik rund 30vH; gemessen an der Finalproduktion des Industriezweiges, gemessen an der Bruttoproduktion lag die Exportquote jeweils um rund ein Fünftel bis rund ein Drittel unter diesen Ziffern. 417 Jährlich 3 bis 4 Mrd. Valuta-Mark; 1971 sogar rund 4,5 Mrd. Von den gesamten Maschinenausfuhren entfallen neun Zehntel auf die sozialistischen Länder und allein die Hälfte auf die Sowjetunion. 418 Vgl. Anhaltende Konsolidierungsbemühungen. Die Wirtschaft der DDR am Beginn des Jahres 1972 u n d Forcierte Wachstumsbemühungen. Zur Wirtschaftslage der DDR am Beginn des Jahres 1973. Bearb.: Peter Mitzscherling. In: Wochenbericht des DIW. Nr. 5-6/1972 und Nr. 5/1973. 419 Eine Konsolidierung ihrer Westhandelsbilanzen über eine Zurückhaltung bei den Importen erscheint auf diesem Hintergrund kaum möglich; sie wäre auch im Interesse einer stärkeren Betonung des Außenhandels und einer erhöhten Inanspruchnahme der internationalen Arbeitsteilung nicht wünschenswert.
187
hält. Unterstützung findet diese Strategie in der ungebrochenen Kreditbereitschaft vieler westlicher Industrieländer, die im Zuge der diplomatischen Anerkennung der DDR noch steigen dürfte. Die anhaltenden Preissteigerungen in diesen Ländern werden die - ökonomisch gerechtfertigte-
T a b e l l e 21
Der DDR-Außenhandel1^ nach Länd ergruppen
E i η f u h r
Ländergruppen bzw. Länder
1956/602) Igel/ÖS2^ i g e e r ò 2 ) in Mill. Sämtliche Länder A. S o z i a l i s t i s c h e Länder 4
1. RGW-Länder ^ 2. Sonstige s o z i a l i s t i s c h e
5) Länder'
B. Übrige Länder 1. Westliche I n d u s t r i e l ä n d e r 6 ^ 2. Entwicklungsländer
1971
1972
Valuta-Mark3J
7 465
10 443
15 840
20 920
22 851
5 430
7 941
11 431
14 368
15 190
4 887 543
7 484 457
10 840 591
13 626 742
14 547 643
2 035
2 502
4 409
6 552
7 661
1 738 297
2 102 400
3 791 618
5 772 780
7 035 627
100
100
100
100
A n t e i l e i n vH Sämtliche Länder A. S o z i a l i s t i s c h e Länder 4
1. RGW-Länder ^ darunter: UdSSR CSSR Polen Ungarn Bulgarien Rumänien
6
1. Westliche I n d u s t r i e l ä n d e r ^ darunter: BRD*^ Frankreich Großbritannien
72,2
68,7
66,5
65,5 43,6 8,0
71,7 47,5 .9,4 4,9 4,3 3,1 2,2
68,5 42,3 9,4 5,8 4,8
65,1 38,0
63,7 35,0 9,3 6,8 5,6
3,5 2,3
9,5 6,1 5,1 3,6 2,6
4,3 1,9
3,7 1,5
3,5 1,4
2,8
1,1 27,3
24,0
27,8
31,3
33,5
23,3 10,8 0,8
23,9 10,2
27,6
30,8
1,8
20,1 9,0 1,0 1,6
1,1 1.5
10,3 2,3 1,9
11,5 2,5 1,6
4,0
3,9
3,9
3,7
2,7
1,9
B. Übrige Länder
2. Entwicklungsländer
76,0
5,7 3,7 2,2
2. Sonstige s o z i a l i s t i s c h e L ä n d e r ^ darunter: Jugoslawien
100
72,7
7,2
3,4 2,8
1,7
1)Einfuhr und Ausfuhr von Waren, zuzüglich Lohnveredelling, Reexporte usw.; W e r t s t e l lung f o b . - 2 )Fiinf j ä h r s d u r c h e c h n i t t e . - 3 ) V a l u t a - M a r k = TM, mitteldeutsche Außenwähr u n g s e l n h e l t ; s i e e n t s p r i c h t ihrem Wert nach der DK (West) vor der Aufwertung im Jahre 1961. Umrechnungskurs: 4,667 VM = 1 Rubel, 4 , 2 0 VM = 1 US $ . -
188
Kreditaufnahmebereitschaft der DDR wohl noch erhöhen, da sich hierdurch die faktische Zinsbelastung mindert bzw. der Realtauschwert ihrer Exportgüter verbessert: Sie können zu den in Zukunft höheren Preisen verkauft werden, um die kreditfinanzierten und zu niedrigeren Gegenwartspreisen bewerteten Importe zu finanzieren. Selbst wenn die gegenwärtigen Bedingungen kreditfinanzierte Einfuhren begünstigen, kann eine derartige Außenhandelspolitik aber nicht überzogen werden; sie hat sich an der Höhe der künftigen Zinsbelastung zu orientieren. Überdies muß gewährleistet sein, daß die entsprechenden Importüberschüsse zu Leistungssteigerungen der Wirtschaft und damit zu einer in Zukunft verbesserten Exportfähigkeit führen. U πι s a t ζ
A u s f u h r
1 9 5 6 / 6 0 2 ) 1 9 6 l / 6 5 2 ) 1966/70^
1971
1972
1 9 5 6 / 6 0 2 ) 1961/65 2 ) - 1966/70 2 ) 1971
1972
i n M i l l . Valuta-Mark
i n M i l l . Valuta-Mark 15 455
21 677
31 956
18 050
11 496
16 608
7 990
11 234
16 116
21 321
23 931
6 066
8 667
12 019
15 891
42 241
46 782
23 450
30 259
33 240
28 402
5 466 600
8 193 474
11 173 846
14 776 1 115
17 195 855
10 353 1 143
15 677 931
22 013 1 437
1 857
31 742 1 498
1 924
2 567
4 097
5 430
5 881
3 959
5 069
8 506
11 982
13 542
1 620
2 126
4 495 935
5 014 867
3 358 601
4 228 841
7 146 1 360
12 049
441
3 355 742
10 267
304
1 715
1 496
100
100
A n t e i l e i n vH 100
100
100
A n t e i l e i n vH 100
100
100
100
100
75,9
77,2
74,6
74,5
75,4
74,4
76,6
73,4
71,6
71,0
68,4 43,0 8,0
72,9 44,7 9,1 8,9 4,4 3,2
69,3 39,9 9,8 8,2
69,3 38,2
71,9 40,2
67,0
72,3 46,0
67,2 38,1
9,3 9,0 6,0
67,8 37,7 9,3 8,2 5,3 3,6
2,3
2,5
3,5 3,0
9,4 9,5 5,1 3,8 3,0
68,9 41,1 9,6 7,0
1,1
4,3 1,9
5,3 2,0
2,4
24,1
22,8
25,4
25,5
20,3 10,9 0,4 0,8
18,9 9,2
20,8 9,2
21,1 10,0
0,5 0,9
0,9 0,8
1,3
3,9
4,6
8,3 3,7 2,3 2,0 7,5
3,8
5,1 3,6
43,3 8,0
4,3 3,2 2,2
2,4
9,4 7,6 5,6 3,6 2,8
4,3 1,9
4,5 1,8
4,4 1,9
3,2
1,1
24,6
25,6
23,4
26,6
28,4
29,0
21,0 9,2
22,4 9,7 1,0 1,2
25,8
1,1
19,5 9,1 0,7 1,3
24,3 10,2
1,5 1,6
21,7 10,9 0,6 1,3
1,8 1,5
10,3 2,0 1,6
4,4
3,6
3,9
3,9
4,2
4,1
3,2
5,2
3,6 2,0
7,1 3,7 2,2 1,9 7,4
9,3 7,0
4,9 3,6
2,9
1,9
4)Einschi. Mongolei und Albanien (formell noch RGW-Mitglied) sowie ab 1972 Kuba.5)Jugoslavien, VR China, Nordkorea und -Vietnam sowie bis einschl. 1971 Kuba.6)Nach Abgrenzung der DDR-Statistik: a l l e westlichen Länder Europas sowie A u s t r a l i e n , Neuseeland, Japan, Kanada, USA; einschl. innerdeutscher Handel.-7)Einschl. West-Berlin. Quelle: S t a t i s t i s c h e Jahrbücher der I)DR.
189
Tabelle
Der
Außenhandel1^
d e r DDR n a c h a u s g e w ä h l t e n
Mill .
Ländergruppen/Einzelländer
Ländern
V a l u t a -M a r k 2 * Einfuhr
196l/65 Sämtliche A.
10 443
Länder
22 851
14
10 8 4 0
13 6 2 6
14 5 4 7
darunter:
4 961* 984 507
6 707 1 483 923
7 954 1 987 1 275
8 009 2 122 1 543
449 327 224
764 556 364
1 066 761 536
1 274 768 643 136
UdSSR CSSR Polen
431
368
190
11
-
-
15
457
591
742
643
204 119 103 13 18
240 138 160 36 17
297 164 204 50 27
391 189
2
502
4 409
6 552
7 661
2
102
3 791
5 772
7 035
BRD^ Prankreich Großbritannien Niederlande Schweiz-Liechtenstein
939 105 168 91 75
1 620 173 235 171 198
2
153 489 401 282 339
2 624 568 370 383 414
Schweden Belgien-Luxemburg Italien Österreich USA
102 67 71 96 19
181 108 132 134 114
253 196 125 175 271
219 221 181 230 269
Japan Dänemark Norwegen Finnland
8 74 35 53
27 72 23 55
215 84 31 56
245 103 43 56
Entwicklungsländer
400
618
780
627
79 93 54 2
135 115 84 1
138 130 97 1
122 76 149 21
Sonstige
sozialistische
Länder^
Jugoslawien VR C h i n a Kuba Nordkorea NordVietnam
Länder
Westliche darunter:
2.
1972
20 920
484
Übrige 1.
1971
15 8 4 0
7 941
davon:
B.
5 J
7
Länder
Ungarn Bulgarien Rumänien Kuba 2.
1966/70
RGW-Länder4^
Sozialistische 1.
5 ;
darunter:
Industrieländer6^
Ägypten Indien Brasilien Irak
-
49 14
1)Einfuhr und Auefuhr von Waren, zuzüglich Lohnveredelung, Reexporte usw.; W e r t s t e l l u n g f o b , - 2 ) V a l u t a - M a r k = VM, m i t t e l d e u t s c h e Außenwährungseinheit; s i e e n t s p r i c h t i h r e m W e r t n a c h d e r DM ( W e s t ) v o r d e r A u f w e r t u n g i m J a h r e 1 9 6 1 . U m r e c h n u n g s k u r s : 4 , 6 6 7 VM = 1 R u b e l , 4 , 2 0 VM = 1 US $ . - 3 ; ? ü n f ; j a h r e d u r c h s c h n i t t e . - 4 ) E i n s c h l . Mongolei u. Albanien (formell noch RGW-Mitglied) sowie ab 1972 Kuba.-
190
Mill
2 Valuta- Mark )
Zuwachs
1961/65
5 ;
1966/70
5 J
g e g e n ü b e r dem V o r j a h r
1971
1972
1972
1971
in
vH
Ausfuhr
Einfuhr
Ausfuhr
1972
1971
11
234
16
116
21
321 23
931
2,8
9,2
10,8
12,2
8
667
12
019
15
8 9 1 18
050
1.8
5,7
11.7
13,6
8
193
11
173
14
7 7 6 17
195
1,3
6,8
11.9
16,4
5 1 1
019 024 005
6 1 1
427 582 318
8 1 1
139 973 920
9 2 2
615 240 282
0,7 6,8 21,0
11.3 6,6 14,8
18,1 13,5 18,9
816 582 395
1
286 749 646
1
219 912 715 154
14,5 6,6 22,1
474
846
1
115
855
11.2
211 109 116 17 21
325 150 184 38 149
522 185 206 106 96
476 182
42,8 9,3 7,7 30,6 68,8
491 361 258
-
-
.
-
110 87
-
2,6 3,5 3,7
-
-
19,5 0,9 20,0 (-33,3)
14,4 12,6 27,2
-
10,0
-
13,3 31,6
(-33,3) 2,0 48,1
-
44,6 3,9 20,5 71,0 37,7
-
5,2 21,8 10,7 (-25,2)
-
23,3
8,8 . 1,6 (-25,2) 3,8 9,4
2
567
4
097
5
430
5
881
5,0
16,9
8,2
8,3
2
126
3
355
4
495
5
014
6,0
21,9
6,7
11.5
1
035 51 102 112 59
1
474 145 136 190 116
2
142 268 225 253 143
2
204 348 377 261 208
0,4 74,6 7.2 18,5 14,2
21,9 16,2 7,7 35,8 22,1
13,5 43,3 26,4 21,7 23,1
2,9 29,9 67,6 3.2 45,5
-
-
8,6 42,0 15,5 18,2 60,4
-
79 80 59 95 19
143 125 134 102 36
173 129 165 113 40
226 180 201 139 34
-
28 76 32 61
65 80 58 59
41 97 108 70
44 124 102 67
551,5 5.0 40,9 22,2
441
742
935
867
-
1,8
-
97 100 42 11
166 118 104 22
284 206 73 103
273 131 49 104
-
27,4 9,1 21,1 50,0
-
-
-
-
13,4 12,8 44,8 31,4 0,7
-
2,3 9,8 14,1 14,1 5,3
-
30,6 39,5 21,8 23,0 15,0
14,0 22,6 38,7 0,0
-
64,7 9,0 61,2 14,8
-
7,3 27,8 5,6 4,3
15,9
-
7,3
-
3,9 36,4 32,9 1,0
19,6
11,6 41,5 53,6 2000,0
42,0 53,7 38,7 123,9
einschl. 5 ) J u g o s l a w i e n , VR C h i n a . N o r d k o r e a u . -Vietnam s o w i e b i s 1971 Kuba.-6)Nach Abgrenzung der D D R - S t a t i s t l k : a l l e w e s t l i c h e n L ä n d e r E u r o p a s s o w i e A u s t r a l i e n, N e u s e e l a n d , J a p a n , K a n a d a , USA; West-Berlin. elnschl· innerdeutscher Handel. -7)Einschl. Quelle:
Statistische
Jahrbücher der
DDR.
191
Ob sich mit der seit einigen Jahren abzeichnenden Außenwirtschaftsentwicklung eine insgesamt stärker an ökonomischen Notwendigkeiten orientierte Außenhandelspolitik ankündigt, muß derzeit noch als ungewiß gelten. Sollte diese Entwicklung aber mehr als eine vorübergehende Episode sein, könnte der Außenhandel die ihm zustehende und zugedachte Funktion als Wachstumsinstrument besser erfüllen als bisher.
217 Regionale Aspekte 2171
Regionalplanung
Die Planung der Wirtschaft nach Bereichen und Branchen wird durch die „Territorialplanung" ergänzt. Sie erstreckt sich auf - Standortwahl und-Optimierung; - Koordinierung der betrieblichen Standortanforderungen mit den regionalen Ressourcen; dies sind vor allem Anforderungen an „technische" Infrastruktur (Verkehr, Energie, Wasser- und Abwassersysteme), aber auch an Arbeitskräftebedarf, Einrichtungen zur Versorgung und Betreuung von Betriebsangehörigen; - Siedlungsplanung (u.a. Vorausberechnungen zur Bevölkerungs- und Arbeitskräfteentwicklung) und Umweltschutz. Die Territorialplanung umfaßt darüber hinaus alle den örtlichen Organen übertragenen Aufgaben zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen (vgl. S. 39 ff ). Wesentliches Instrument der Territorialplanung ist die zentrale Standortplanung der Investitionen; Generalverkehrs- und Generalbebauungspläne sowie verschiedene bezirkliche Bilanzen (wie Wasser- und Transportbilanzen) sind weitere Mittel der regionalen Wirtschaftsplanung in der DDR. Erst Ende der sechziger Jahre setzten Bemühungen ein, die Abstimmungsmechanismen zwischen zentraler Branchenplanung und Territorialplanung zu verbessern - insbesondere auf dem Wege über eine in den zeitlichen Ablauf der Volkswirtschaftsplanung eingebaute Planung auf Bezirksebene. Schwierigkeiten entstehen hierbei dadurch, daß die Branchenplanung überwiegend am Jahresplanzeitraum orientiert ist, alle Infrastrukturaufgaben aber nur mittel- bzw. langfristig zu planen sind. Mit neuen Gesetzen und Verordnungen 420 hat sich die Tendenz noch verstärkt, alle Entscheidungen über wesentliche Standortfragen auf der 420 Vgl. Verordnung über die Standortverteilung der Investitionen. In: GBl. der DDR, Teil 11/1972, S. 573 ff.
192
Ebene des Ministerrates zu treffen, dem überdies die Lösung aller „grundsätzlichen" Fragen der Infrastrukturentwicklung, des Arbeitskräfteeinsatzes sowie der „Arbeits- und Lebensbedingungen" zufällt 4 2 1 . Doch auch die Bedeutung konsultativer Elemente ist gestiegen: Künftig sollen die Bezirksräte bei der Ausarbeitung von Beschlüssen, die ihr Gebiet berühren, mitwirken.
2172
Stand und Tendenzen schaftsentwicklung
der
räumlichen
Wirt-
Die i n d u s t r i e l l e R e g i o n a l s t r u k t u r der DDR wird durch die großen Ballungsgebiete im Süden geprägt, in denen Bevölkerung, Industrie und Infrastruktureinrichtungen konzentriert sind. So erzeugen die Bezirke Dresden, Halle, Karl-Marx-Stadt und Leipzig über die Hälfte der industriellen Bruttoproduktion 4 2 2 auf einem Viertel der Fläche der DDR, während auf die etwa gleichgroßen Nordbezirke Rostock, Neubrandenburg und Schwerin nur knapp 7vH der industriellen Bruttoproduktion entfällt 4 2 3 . Insgesamt wurden 1969 von den industriellen Zentren mit einem Anteil von 15vH an der Gesamtfläche 58vH des Nationaleinkommens erbracht 4 2 4 . Die industriellen Ballungsgebiete kennzeichnet - die herausragende Bedeutung volkswirtschaftlich wichtiger Branchen des Maschinen- und Fahrzeugbaus, der Chemie sowie der Elektrotechnik/Elektronik (vgl. Tabellen 23/24); - eine auf wichtige Austauschprozesse zurückzuführende Ansiedlung von bestimmten Zulieferbetrieben und eine starke Abhängigkeit von den I nf rast ru kt u rf aktoren ; - eine in bestimmten Teilräumen konzentrierte intensive agrarische Produktion, die vor allem auf die Bereitstellung von Gemüse, Obst, tierischer Produktion für die Ballungsgebiete ausgerichtet ist. 421
Vgl. Gesetz über den Ministerrat der DDR, a.a.O., besonders §1, Abs. 6 u. 7. Von der amtlichen Statistik werden in regionaler Aufgliederung und nach Industriezweigen nur die Bruttoproduktionswerte (zu konstanten Preisen) ausgewiesen. Berechnungen, die mit Hilfe der für das Jahr 1968 vorliegenden Nettoprod uktionswerte (zu laufenden Preisen) durchgeführt wurden, haben ergeben, daß Abschreibungen und Vorleistungen sich relativ gleichmäßig auf die Bezirke verteilen, so daß der Ausweis der Produktionsleistung in Bruttoproduktionswerten vertretbar erscheint. 423 Von der DDR-Statistik werden Daten zur Regionalstruktur im wesentlichen nur nach Bezirken gegliedert erfaßt, eine exakte Analyse nach enger umgrenzten Raumkategorien kann daher nicht geleistet werden. 424 Vgl. Schriftenreihe des Staatsrates der DDR, Heft 11/1969, S. 25. 422
193
T a b e l l e 23 A n t e i l e an der I n d u s t r i e l l e n B r u t t o p r o d u k t i o n (nach I n d u s t r l e b e r e l o h e n und B e z i r k e n ) 1972 .Energieu.BrennstoffIndus t r .
Β e ζ 1 r k
Anteile Berlin Cottbus Dresden
11 , 7 4 ,5
10,5
7 9 4 6
16 7 0 6
15 8
10,,7
4,r0 3,,1 12,,0
9 2 4 4
18 6 4 4
5 3 8 6
5,,3 4,,4
8,,5 1,,7
4 2
39 5 4 6 10 1
22 8 8 0
4,,5 10,,5 9,,1
10,.8 16,,1
0,6
Karl-Marx- -Stadt
2,7 13,8
Neubrandenburg Potsdam
-
5 4
3 9 1 5
-
o,,3 3,,4
19,,0
5,7 2,6
Rostock Schwerin
0
Suhl
D D R - I n d u s t r i e p r o d u k t i on ;|e 0 2 4 4
20,2
Magdeburg
Masch.-u. E l e k t r o Fahrzeug- t e c h n i k , Elektrobau n i k , Gerätebau
3 ,2 0 ,7
Halle Leipzig
Wasserwirtschaft
4 0 3 3
0
Gera
d e r B e z i r k e an d e r
Baumaterialien industrie
3,1 36,7
Erfurt Frankfurt
ChemiMetalsche Indu- l u r g i e strie
-
o,,1 0,.8 2,,4
0,,6
22 9 3 7 9 4 12 1 3,,0 3,,2 1,,5 3,,4 2,,3
2,>8
Text11induetr.
Lebensmlttelindustr.
Industriebereich 19,,8 o,.9
8,,5 4,,7
0 2,4
15,,7 11,,9 1,,9 8,,9
14,,2 6,,7
15,3 8,2
3,,7
-
7,,2 6,,1
7,0
3,4
0,3 58,4
10,6
2,,4
12,,6
13,,0 6,,4
3,, 2
8,,9 1,,3
5,,7
6,,5
5,,3 2,, 6
5,,9 2,,1
3,,2
3,,6
11,,2 8,,1
Leichtindustr. (ohne Textilind.)
20,,7
5,2 3,4 11,4 9,3 2,8
8,4
7,0
5,,1 0,,2
9,,9 4,,6 .1,,1
0,2
5,.0 1,,4
3,,1 1,,7
0,8 -
7,2
1,,5 6,,1
1,,6
0,3
6,6
6,,2
0,1
1,8
0
Anteile Berlin Cottbus Dresden Erfurt
der ,1eweil Lßen I n d u s t r i e b e r e i c h e an der I n d u s t r i e p r o d i l k t i o n der B e z i r k e 4,,1 14,,9 2,8 1,,0 0 32,,4 0 9,,2 15,,6 41,0 1,,1 1,,8 1,,8 9,,4 0,,5 15,,3 10,,3 3,3 4,6 10,,4 2,,5 22,,9 8,1 12,,5 12,,1 8,,9 0,,4 0,,7 1,,4 16,,4 3,1 8,,9 27,,9 9,,9 7,5 0,,4
7,4 11.1 5,3 6,1
0
28,,5
Halle
0,7 7,6
13,,7 38,0
K a r l - M a r x - •Stadt
1,0
Leipzig
8,0
Frankfurt Gera
31,,9 7,,6
3,,8 1,,8 3,,1
4 ,,6
12,,1 4,,3 3,,2 1,,8
Magdeburg
-
15,,0 11.,8
Neubrandenburg
-
2,,7
5,1 4,2 0
7, 9 0, 5 5,,0
24,,0
11. 0
1,i5
Potsdam Rostock Schwerin Suhl
-
o,,5 o,,5 o,,4
19,,5 1,,6
16,,9 4,,5
26,,9
9,,0
32,,1 33, 2
6,,7
15,,4 11.,2
o,,5 2,,0
o,,3 0,,6
3,,7
o,,6 1,,0
20,,0
0,5 o,,8 o ,,6 o,,5
3,,6 1 ,0 , o, 9 2, 9 1, 5
4,,1
8,,7 14,,5 17,8
8,7 10,2 0,1 27,1 4,9 0
7,,9
7,7 7,,3
25, 6 42, 6
o,,9 8,,1
5,,3
0,7 0,8
4 ,,3
5,i3
-
21, 7 29, 1
6, 3 20,4
7,,5 22, 2
1 ,0 0,2
14,6 11,9 15,5 21,8 10,5 12,9 12,3 10,0 13,3 29,3 56,8 17,0 36,7 48,4 10,2
Q u e l l e : S t a t i s t i s c h e s Jahrbuch d e r DDR 1973, S.. 75 b i s 106.
In den Ballungsgebieten zeigt sich neben einigen Großbetrieben mit über 5 000 Beschäftigten eine mit Ausnahme des Bezirkes Halle recht große Zersplitterung der Produktionsstätten 425 . Wenn auch i n d u s t r i e l l weniger entwickelte Gebiete auch im sonst stark industrialisierten Sachsen zu finden sind (z.B. solche des Erzgebirges oder der Lausitz), so konzentrieren sie sich doch im wesentlichen auf die
425
In den Bezirken Cottbus und Rostock ist die Betriebskonzentration deshalb relativ stark, weil dort nach dem Krieg neue Projekte vor allem als Großbetriebe errichtet wurden (z.B. das Kombinat „Schwarze Pumpe", das Chemiefaserkombinat „Wilhelm Pieck" sowie die Großkraftwerke Lübbenau, Vetschau im Bezirk Cottbus oder die Werften u. Fischkombinate im Bezirk Rostock).
194
195
4,4
Oera
7,7
Magdeburg
3,5
3,2
Schwerin
Suhl
12
16
59
29
35
14
205
7
136
141
186
240
115
4
197
87
223
112
218
11,9
48
41
185
422 240
11
35
64
19
in vH
90
66
256
156
Anzahl
4,3
20,6
3,0
4,8
38,2 100
49,0
24,5
31,0
5,8
9,2
50,9
5,2
2,4
8,1
5,0
26,0
15,7
30,3
40,1
45,4
45,4
27,4
42,0
45,4
39,0
Anzahl
1,6
1,3
13,2
13,9
5,5
7,3
3,0
3,2
6,0
6,3
9,3
2,2
1,5
14,5 16,8
4,6
4,5
12,5
5,9
in vH
4,8
100
in vH
ten
14,5
in vH
Anteil an Anteil an den in der der industriellen BeschäftigBruttoproder duktion DDR der DDR
Quelle : Statistisches Jahrbuch der DDR 1973, S. 3, S. 62/63 u. S. 75.
1 ) Industriebe schäftigte je 1000 Einwohner.-2) Ante il der in der Industrie Beschäftigten an den Berufstätigen des Bezirks (einschl. Lehrlinge).-3)Ohne Lehrlinge.
100
5,1
Rostock
DDR
6,6
Potsdam
Neubrandenburg 3,7
8,7
Leipzig
Karl-Marx-Stadt
11,3
4,0
Halle
7,4
Erfurt
Prankfurt
11,0
6,4
5,1
Cottbus
Dresden
1972
Ausgewählte Daten zur industriellen Regionalstruktur
Anteil der IndustrieIndustrieIndustrielle Wohnbebeschäftigte besatz 1) Beschäftigvölkerung je qkm tenquote 2) Industrie
Berlin
Bezirk
Tabelle 24
„Nordbezirke", Neubrandenburg, Schwerin und Rostock sowie die nördlichen Teile der Bezirke M a g d e b u r g u n d Potsdam, die n o c h d u r c h landwirtschaftliche P r o d u k t i o n geprägt s i n d 4 2 6 . Die Industrialisierung der Nordgebiete nach d e m Krieg konzentrierte s i c h auf die Errichtung v o n Betrieben in volkswirtschaftlich w i c h t i g e n Zweigen bzw. deren Z u l i e f e r i n d u s t r i e n 4 2 7 oder aber auf solche, die unter Nutzung der Küstenlage im Rahmen des Aufbaus einer hafengebundenen Industrie (Bezirk Rostock) entstanden. A b h ä n g i g v o n unterschiedlicher Industrialisierung und Bevölkerungsdichte differiert a u c h die Ausstattung der einzelnen Bezirke mit Anlagen u n d Ausrüstungen der I n f r a s t r u k t u r 4 2 8 . Gemessen an der Durchschnittsausstattung der DDR-Infrastruktur ( = 100) ergeben s i c h für die einzelnen Bezirke folgende K e n n z a h l e n 4 2 9 : Neubrandenburg Schwerin Potsdam Dresden Leipzig Karl-Marx-Stadt
36 44 67 189 219 223.
Der räumlichen Industrie- und Bevölkerungskonzentration in d e n südliehen u n d mittleren Bezirken entspricht das s c h o n aus der Vorkriegszeit 426 Gemessen an der landwirtschaftlichen Beschäftigungsquote lassen sich drei Zonen unterscheiden: Die höchsten Quoten weisen die Bezirke Neubrandenburg (32vH) und Schwerin (25vH) auf, gefolgt von Magdeburg und Potsdam (18vH), sowie Rostock (16vH), während in den stark industrialisierten sächsischen Bezirken sowie in den Bezirken Halle, Gera und Suhl nur jeweils 1/10 oder weniger in der Landwirtschaft tätig sind (vgl. Tabelle 25). 427 Hierzu zählen z.B. für den Bezirk Schwerin das Gasbetonwerk u. das Hydraulikwerk in Parchim sowie das Kabelwerk Nord und das Plastverarbeitende Werk in Schwerin; für den Bezirk Rostock: das Werk für Schiffselektronik sowie das zweite Atomkraftwerk bei Greifswald; für Neubrandenburg: das Armaturenwerk in Prenzlau. 428 Ζ u r I n f r a s t r u k t u r , zu der nach DDR-Berechnungen etwa ein Anteil von 60vH aller Anlagen zählen, werden Einrichtungen u. Anlagen des Verkehrs- u. Nachrichtenwesens, der Wasser- u. Energiewirtschaft (technische Infrastruktur) sowie der Volksbildung, Kultur, des Gesundheits- u. Sozialwesens, des Sports u. des Erholungswesens sowie des Handels der Kommunalwirtschaft und des Wohnungswesens (soziale Infrastruktur) gezählt. Nach Angaben von Gerhard Reuscher, Günter Köhler und Willy Görlich (Probleme der Gestaltung der Infrastruktur im entwickelten gesellschaftlichen System des Sozialismus in der DDR. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Halle, Heft 9/1969, S. 31) besteht eine Relation von 32 zu 68 zwischen technischer und sozialer Infrastruktur. 429 Vgl. Gisela Lindenau: Die gebietswirtschaftliche Infrastruktur. In: Die Wirtschaft, Beilage zu Nr. 19/1969, S. 8. Nach Angaben von Reuscher, a.a.O., entfallen auf die industriellen Verdichtungsräume im engeren Sinne mit einem Flächenanteil von 15vH rd. 46vH der Infrastruktur.
196
stammende engmaschige Verkehrsnetz: So schwankt die Streckendichte der klassifizierten Straßen zwischen Werten von 20,6 km/100km 2 (im Bezirk Neubrandenburg) und 74,6 (im Bezirk Dresden). Allein gemessen an der Einwohnerzahl ist aber der Ausstattungsgrad der Nordbezirke nicht niedriger, sondern z.T. sogar höher 4 3 0 . Die niedrigere Infrastrukturausstattung je Einwohner in den Ballungsgebieten geht allerdings mit einer besseren Auslastung der Infrastruktureinrichtungen einher 4 3 1 ; u.a. auch aus diesem Grunde weisen die nördlichen Bezirke im tertiären Bereich einen höheren Beschäftigungsanteil auf als die dichter besiedelten Bezirke. (Vgl. Tabelle 25). Dennoch haben sich mit dem systematischen Ausbau des Schulsystems, des Gesundheits- und Sozialwesens die L e b e n s b e d i n u n g e n in den einzelnen Regionen unübersehbar einander angeglichen. Wenn indes von einem generellen Abbau des Nord-Süd-Gefälles nicht gesprochen werden kann, so vor allem wegen der vielen positiven Konzentrationseffekte in den großstädtischen Zentren der dichter besiedelten Gebiete: Größerer Freizeitwert, breiteres und gehobeneres Kultur-, Bildungs- und Ausbildungsangebot, größerer Arbeitsmarkt mit besseren Voraussetzungen für eine Arbeitsplatzmobilität. Dem stehen - bei generell gleicher Ausstattung je Einwohner - in den dünner besiedelten, weiträumigen Gebieten als negative Effekte gegenüber: ein weit weniger dichtes Netz von Einrichtungen, deren Nutzung durch die zu überwindenden Distanzen geringer ist. Dies bedeutet auch eine schlechtere Konsumgüterversorgung und Bereitstellung von Dienstleistungen 432 sowie geringere Sortimentsvielfalt des Waren-
430 So ergeben die von Lindenau angegebenen Berechnungen (a.a.O.) eine überdurchschnittliche Ausstattung je Einwohner für 30% aller Agrarkreise, für 25% aller Mischkreise, für 16vH aller Industriekreise und für 7vH aller hochindustrialisierten Kreise. 431 So ist z.B. die Auslastung des Verkehrsnetzes in den dünner besiedelten Gebieten erheblich unter der der Ballungsgebiete. Vgl. Hans-Werner Schleife: Die weitere Motorisierung in der DDR aus der Sicht des Verkehrswesens. In: DDR-Verkehr, Heft 2/1972, S. 65 sowie Gerhard Auswitz, Eberhard Böhm: Einflußfaktoren auf die räumlichen Verkehrsbeziehungen im Personenverkehr. In: DDR-Verkehr, Heft 10/1970, S. 415 ff. 432 Die von der DDR-Statistik ausgewiesene Warenbereitstellung in der Aufgliederung nach Bezirken läßt keine generelle Beurteilung des Gefälles zwischen Stadt und Land zu. Allerdings ist die Versorgung mit Wäscherei- u. Reinigungsleistungen in den nördlichen Bezirken durchweg unter dem Durchschnitt. Bekannt ist auch, daß in den Großstädten rd. 40vH der Haushalte eine YVäscherei in Anspruch nehmen gegenüber nur 10vH in den Gemeinden mit weniger als 2 000 Einwohnern (vgl. Presse-Informationen vom 18.1.1973, S. 3). Auch ist der Teilnahmegrad an der Schulspeisung in den Bezirken Rostock (40vH) und Schwerin (47vH), abgesehen vom Bezirk Halle (wo er nur bei 39vH liegt) - z.T. auch wegen der geringeren Frauenbeschäftigung - , durchweg geringer als in den hochindustrialisierten Bezirken Dresden, Karl-Marx-Stadt (60vH).
197
198
37,8
Gesamte DDR
3,8 7,2
12,0 7,5
2,6 8,5 16,4 3,5 8,5 25,1 8,9 4,3 6,1 8,9 4,7 9,8
10,9
10,9 12,7 12,0 1,4
2,8
2,8 1,5 15,9
18,0
22,3 20,8
10,9 6,5 10,0 2,1 16,4 5,5 5,6 6,1 5,9 9 ^ 6 2 2 14 0 6,8 9,1 7,1 12,5 3,6 16,9 9,3 18,3 8,5 10,8 1,9 17,8 10,0 31,9 6,7 11,9 1,5 20,8 7,8 18,0 6,7 10,6 2,0 20,7
6,5
6,9 I7Ì 14^6 14^2 7^9 26^4 8,7 13,5 8,0 9,6 2,1 16,5 5,9 8,6 6,3 9,9 3,4 16,2 6,6 13,3 5,9 10,1 1,8 16,8 10,4 18,6 8,1 11,0 2,4 19,9 6,4 11,0 5,5 10,0 1,4 17,4
Produzie- Land- und Verkehr, Sonstige Nichtprorendes Bauwirt- Forstwirt-Post-u. Handel produzie-duzierenHandwerk schaft 2) schaft Ferrimela rende de Zweidewesen^' Zweige ge
Quelle; Statistisches Jahrbuch der DDR 1973, S.77 - 105.
1) Ohne Lehrlinge.-2) Der Baubetrieb der Deutschen Reichsbahn wird seit 1972 dem Bereich Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zugeordnet.
23,8 19,6 48,9
2,8 50,9 4,4 3,6 2,2 4,1
Halle 44,8 Karl-Marx-Stadt Leipzig 39,6 Magdeburg 29,7 Neubrandenburg 15,0 Potsdam 30,1
Rostock Schwerin Suhl
2,9 3,2 4,6 4,1 2,9 3,8
Industrie
11 Struktur der Beschäftigten ' der Bezirke nach Wirtschaftsbereichen 1972 in vH
25,7 38,3 45,0 41,5 26,6 44,5
Berlin Cottbus Dresden Erfurt Frankfurt Gera
B e z i r k
Tabelle 25
angebotes als in den städtischen Zentren, insbesondere in den Industriegebieten. 2173 R e g i o n a l e
Bevölkerungsstruktur
Die räumliche Bevölkerungsverteilung ist noch immer stark durch die Vorkriegsstruktur bestimmt: Bei etwa gleich großer Fläche der Bezirke im Norden (Rostock, Neubrandenburg und Schwerin) und im Süden (KarlMarx-Stadt, Leipzig, Halle und Dresden) ist die Bevölkerungszahl in den Südbezirken dreimal so hoch wie im Norden: Die Bevölkerungsdichte liegt dabei zwischen 59 (Neubrandenburg) und 337 (Karl-Marx-Stadt) 433 . Kennzeichnend für die B i n n e n w a n d e r u n g sind Wanderungen von den Land- zu den Stadtkreisen bzw. zu den industrialisierten Landkreisen sowie eine generell festzustellende Bewegung vom Norden, Westen und Südwesten nach Osten. Konstante Wanderungsgewinne haben neben der Hauptstadt Berlin die Bezirke Frankfurt und Cottbus 4 3 4 , in denen nach dem Kriege neue Kapazitäten der Grundstoffindustrie entstanden sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die zumeist im Zuge eines Arbeitsplatzwechsels erfolgte Abwanderung, die sich auf Personen im mittleren oder jüngeren Alter konzentriert, im wesentlichen der Errichtung neuer Produktionskapazitäten folgt (z.B. Eisenhüttenstadt, Hoyerswerda, Schwedt); vgl. Tabelle 26. Da die regionale Mobilität allgemein abgenommen hat (die Zahl der Neuanmeldungen je Kreis und 1000 der Bevölkerung ist von 1953 bis 1971 von 48 auf 17 zurückgegangen), wird die Bevölkerungsentwicklung in den Bezirken durch die n a t ü r l i c h e B e v ö l k e r u n g s b e w e g u n g bestimmt. Dabei kann für die DDR generell erwartet werden, daß die seit 1968 rückläufige Bevölkerungsentwicklung sich bis zum Ende diese Jahrzehnts infolge anhaltend hoher Sterbeziffern 435 und einer wegen veränderten generativen Verhaltens sinkenden Geburtenzahl 436 fortsetzen wird. Auch hier 433 Weit über dem Durchschnitt liegen die Werte in den drei sächsischen Bezirken und Halle; gering ist die Abweichung in den Bezirken Erfurt, Gera und Suhl, und stark unterschritten wird der Mittelwert in den übrigen Bezirken (Neubrandenburg, Schwerin, Cottbus und Rostock). 434 sowie mit einem größeren Abstand Potsdam, dessen angrenzende Lage zu Berlin hierbei vermutlich eine Rolle spielt. 435 Die Jahrgäng mit den höchsten Sterbequoten sind noch von hohen Geburtenzahlen vor dem 1. Weltkrieg geprägt. 436 Für 1965 bis 1968 gilt noch, daß der Geburtenrückgang zu mehr als einem Drittel aus der veränderten Altersstruktur der weiblichen Bevölkerung resultiert und zu fast zwei Dritteln auf veränderte Fruchtbarkeitsziffern, ab 1969 aber fast vollständig auf diesen Faktor zurückzuführen ist. Vgl. Emil Magvas: Einige Ergebnisse und Probleme der Bevölkerungsentwicklung in der DDR. In: Sozialistische Arbeitswissenschaft, Heft 2/1973, S. 88.
199
200
run
Verändedurchscìm. Lebendgeborenen « 1972 jährl.Lebend- Lobendee. " FruchtPersonen Kinder Gestorgegenüber geb.-(+) bzw. —öenaeeGestorbarim - χ γβϊ„.βτι bzw.Ge8tor1; 1962 Gestorbenenbarene bene 1} benen-(-) keits-«* Rentenalteroanre 2) Frauen überschuB(-) Überschuß(-) quote je 100 j e 1000 der in 1 000 in vH Bevölke^ng^ m vH der Bevölkerun MSnner 3 e 1000 der Bevölkerung
MÌ-H-I BevölkeBevölke-
Tymg
Daten zur regionalen Bevölkerungsstruktur der DDR 1972
17 043,0 - 0,3
116
1,5
11,8
13,8
-
2,0
69,7
19,7
1)Vorläufige Zahlen.- 2)Geborene je 1000 der weiblichen Bevölkerung im Alter von 15 bis 45 Jahren (Stand: Januar 1971).- 3)Manner 65 Jahre und älter, Frauen 60 Jahre und älter. Quelle: Statistisches Jahrbuch der DDR 1973.
Gesamte DDR
Berlin 1 090,1 3,0 122 - 1,5 10,6 15,1 - 4,5 62,3 2 Cottbus 868,2 7,3 113 + 4,1 12,7 12,0 + 0,7 75,5 17,8 Dresden 1 868,8 - 0,4 120 - 0,1 11,5 14,6 - 3,1 69,7 22,3 Erfurt 1 256,4 1,0 115 + 2,7 12,7 13,2 - 0,5 74,2 18 Prankfurt 687,0 4,4 113 + 3,1 12,1 12,7 - 0,6 69,4 17,6 Gera 740,9 2,2 116 + 1,9 12,0 13,3 - 1,3 68,6 19,5 Halle 1 918,3 - 2 , 1 11.5 + 2,2 11,9 13,4 - 1,5 71,3 18,9 Karl-Marx-Stadt 2 031,6 - 3,1 120 - 1,6 10,5 15,3 - 4,7 65,0 23,0 Leipzig 1 481,6 - 1,9 120 ± 0 11,0 14,6 - 3,5 66,1 21, Magdeburg 1 315,7 - 4,0 115 + 1,6 11,7 13,8 - 2,0 72,1 19,2 Neubrandenburg 636,2 ' - 1,6 110 + 5,3 12,7 12,3 + 0,4 74,2 1 Potsdam 1 132,9 - 1,4 115 + 1,9 11,1 13,5 - 2,4 67,1 18, Rostock 864,4 3,2 111 + 6,5 12,7 11,6 + 1,1 73,0 15,5 Schwerin 597,6 - 3,6 113, + 3,9 12,8 12,8 ± 0 73,8 17,8 Suhl 553,3 1,6 113 + 2,4 12,6 13,2 - 0,6 71,9 18,9
B e z i r k
Tabelle 26
gibt es regionale Unterschiede. Im allgemeinen 437 weisen die industriell weiter entwickelten Bezirke die niedrigsten Fruchtbarkeitsziffern auf (vgl. Tabelle 26); es kann allerdings damit gerechnet werden, daß sich das noch traditionell geprägte generative Verhalten in den ländlichen Gebieten, wie die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, künftig auch in Richtung einer geringeren Geburtenfreudigkeit entwickeln wird 4 3 8 . Da für die Bezirke Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt überdies eine relativ ungünstige Altersstruktur hinzukommt 4 3 9 , hat dort in den letzten Jahren die Zahl der Gestorbenen die der Lebendgeborenen übertroffen: Da hier räumliche und natürliche Bevölkerungsbewegung in die gleiche Richtung wirken, sinkt die Bevölkerungszahl 440 . Die Reserven an Arbeitskräften sind daher vor allem in den Ballungsgebieten zurückgegangen: Von 1964 bis 1971 hat dort die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter in noch stärkerem Maße als die Gesamtbevölkerung abgenommen. Von der bis 1980 prognostizierten wieder zunehmenden Zahl der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter von etwa 680 000 4 4 1 werden vor allem die Bezirke Neubrandenburg, Rostock, Schwerin sowie Frankfurt und Cottbus - aufgrund der gegenwärtigen Altersstruktur - profitieren. Die DDR weist eine starke Zersplitterung des S i e d l u n g s n e t z e s auf. Noch heute leben 25,8vH der Bevölkerung (BRD: 30.6.72:14,2vH) in Gemeinden unter 2 000 Einwohnern (darunter 7,4vH unter 500 Einwohnern - BRD: 3,0vH), die insgesamt 87,6vH aller Siedlungen ausmachen. Tatsächlich ist der Grad der Zersiedlung noch größer: Denn innerhalb der 7 800 Gemeinden mit weniger als 2 000 Einwohnern liegen zusätzlich noch 8 000 Ortsteile und 10 000 Einzelsiedlungen 442 . Auch hier bestehen regionale Unterschiede: So liegt der Anteil der kleinen Gemeinden in den dichter besiedelten und industriell stärker entwickelten
437
Eine Ausnahme bildet nur Potsdam mit ebenfalls recht niedriger Quote. Vgl. auch Erich Strohbach: Bevölkerungsprognostik in der DDR - Probleme, Erfahrungen, Schlußfolgerungen. In: Wissenschaftl. Zeitschrift der Hochschule für Ökonomie Berlin, Nr. 2/1972, S. 46-47. 439 Dies zeigt sich auch in den Anteilswerten der Bevölkerung im Rentenalter, die zwischen Karl-Marx-Stadt (23,0), Dresden (22,3), Leipzig (21,5), Berlin (20,3) auf der einen und Rostock (15,5), Neubrandenburg (16,6), Schwerin (17,8), Cottbus (17,8) und Frankfurt (17,6) recht deutlich schwanken. 440 Die extremsten Werte weist der Bezirk Karl-Marx-Stadt auf, der für 1964 bis 1971 einen Sterbefallüberschuß von 24 000 und einen Abwanderungsverlust von 15 500 Personen zu verzeichnen hatte, von denen sich zwei Drittel im arbeitsfähigen Alter befanden. Vgl. Emil Magvas, a.a.O., S. 92. 441 Vgl. Ergebnisse der Volks- und Berufszählung 1971. In: Statistische Praxis, Heft 11/1972, S.470. 442 Vgl. G. Mohs: Gesellschaft und Territorium im Sozialismus. In: Die Wirtschaft, Nr. 33/1972, S. 14. 438
201
Bezirken weit unter dem Durchschnitt 443 . In den Bezirken Halle, Karl-MarxStadt, Leipzig und Dresden leben mehr als die Hälfte der Bevölkerung in städtischen Siedlungen mit über 10 000 Einwohnern, in den Bezirken Schwerin und Neubrandenburg dagegen nur gut ein Drittel. In den schwach industrialisierten Gebieten ist neben der besonders starken Aufsplitterung in kleine Siedlungseinheiten noch der relativ große Abstand der Dörfer von den Städte kennzeichnend sowie die geringe Verbreitung großstädtischer Zentren mit überregionalen Funktionen. Veränderungen innerhalb dieses traditionellen Siedlungsgefüges ergaben sich im wesentlichen nur mit der Errichtung größerer Produktionskapazitäten (z.B. Eisenhüttenstadt oder Schwedt) oder breiterer Industrieanlagen (vgl. Tabelle 27). 1972 lebten in der DDR 29,7vH (gegenüber 39,9vH in der BRD) der Wohnbevölkerung in Städten mit über 50 000 Einwohnern. Im Vergleich zur Bundesrepublik verläuft auch der Urbanisierungsprozeß in der DDR langsamer: So wohnten 1950 etwa gleich viel Menschen (jeweils 29vH) in Gemeinden bis zu 2 000 Einwohnern; bis 1972 war diese Zahl in der Bundesrepublik auf 14,2vH, in der DDR hingegen nur auf 25,8vH gesunken. Ursache dieser unterschiedlichen Entwicklung ist vor allem die in der DDR allgemein geringere Mobilität. Durch organisatorische prohibitive Maßnahmen wird ein Arbeitsplatzwechsel erschwert: Größere Binnenwanderungen gingen zumeist nur mit der Neuerrichtung bedeutender Industriekapazitäten einher. Im übrigen bestehen vielfach Schwierigkeiten, eine bedarfsgerechte Wohnung in der Nähe des Arbeitsplatzes zu finden, so daß allein aus diesem Grunde die Zahl der Einpendler aus dem Umland in die Verdichtungskerne der Industriezentren vergleichsweise hoch sein dürfte. Die Bevölkerung ist insbesondere in Städten der Größenordnung von 50 000 bis 100 000 Einwohnern gewachsen: Gegenüber 1964 erhöhte sie sich in dieser Gruppe um 7,0vH. Allein über zwei Drittel erklären sich durch den Zugang der Städte Hoyerswerda und Freiberg; noch überdurchschnittlich (+5,1vH gegenüber 1964) erhöhte sich die Zahl der Einwohner in Städten mit einer Bevölkerungszahl zwischen 20 000 und 50 000. Zu den Städten mit schnellem Bevölkerungswachstum zählen dabei im wesentlichen die neu entstandenen Industriezentren (wie Schwedt, Ludwigsfelde, Lübbenau und Boxberg, Eisenhüttenstadt und Riesa).
443
Eine Ausnahme bildet hier nur der Bezirk Gera. Eine besondere Rolle spielen allerdings in dieser Hinsicht die für den Fremdenverkehr bedeutsamen Bädergemeinden längs der Ostseeküste im Bezirk Rostock.
202
203
7,8
7,9
7,4
7,4
1960
1965
1970
1972
6,9
6,4
9,5
15,7
21,4
28,1
24,2
15,3
32,0
17,6
-
10,5
10,0
12,6
11,6
19,2
11,1
9,6
13,3
5,5
13,6
10,6
5,1
7,5
4,3
-
9,1
9,5
9,1
9,7
9,0
23,2
20,7
19,9
15,6
5,7
13,7
17,3
18,3
14,5
12,0
24,1
14,0
27,0
13,6
17,8
23,3
-
406
16,9
38,6
18,4
11,4
20,8
39,1
27,6
24,0
27,9
9,5
29,6
31,8
17,2
29,7
28,8
28,0
26,6
25,5
11,5
11,3
100,0
15,5
15,3
15,2
13,9
13,6
8,4
8,1
Queller Statistisches Jahrbuch der DDR 1973, S. 9 u. 10.
Suhl
Schwerin
Rostock
13,4
28,3
19,7
16,2
29,1
21,8
17,1
23,0
17,4
19,8
25,3
21,5
17,6
8,6
Magdeburg
15,6
Potsdam
5,0
Leipzig
15,0
21,4
14,3
15,5
3,0
25,6
18,1
-
20,0
20,2
20,9
21,8
22,9
22,2
16,5
23,5
-
18,4
Neubrandenburg
3,2
Karl-Marx-Stadt
13,1
Gera
Halle
11,8
8,7
Erfurt
Prankfurt
4,7
17,5
-
18,4
18,8
19,0
20,2
22,1
10,1
1946
1950
11,3
1939
14,2
I
Daten zur Siedlungsstruktur
48,9
48,3
49,0
47,2
42,0
12 249
1
-
771
554
45,3
518
404
831
8,3
-
671
723
577
473
801
758
711
-
38,8
40,4
44,9
-
40,1
58,9
39,4
62,5
578
48,8
39,3
39,7
34,9
48,3
27,3
52,8
40,6
9,3
9,6
9,4 4,4 1,0
0,8
1,0
1,0 •
2,0
1,2
4,5
1,2
2,0
-
1,3
1,4
0,9
1,4
0,2
0,7
0,3
0,7
0,2
143
0,2
158
0,6
0,1 0,5
159 158
69
122
90
0,2
114
297
337
218
185
96
171
277
105
157
0,2
0,2
0,2 171
0,6
0,3
0,2
0,5
0,3
0,3
0,3
0,2
0,2
0,6
0,5
0,3
1,8
0,5
0,6
2,8
1,1
1,4
1,1
0,6
1,0
1,1
0,9 0,9
0,5
0,9
0,8 0,8
0,9
1,2
0,4
1,3
21,6
15,3
6,1
8,1
42,2 47,5
7,6
12,7
8,4
55,9
21,5
28,5
42,1
1,3
1,3
1,2
1,3
1,2
8,7
7,2
100,0 2 704 6,5
9,9
9,8
9,9
48,4
12,6
31,5
-
10,9
36,5
24,4
10,1
25,3
38,7
25,3
70,2
60,5
48,7
36,4
66,4
66,4 53,1
39,3
Nach Bezirken - 1972
8 777
8 868
9 069
9 375
9 776
24,6
12 168
i n s g e s a m t
32,1
DDR
59
170
155
Bevölkerungsverteilung nach Anteil der Gemeindegröäengruppen Gemeindegrößengruppen in vH Anzahl an den Gemeinden in vH BevölkeI ι · der r——ι rungeunter 500 2 000 10 000 20 000 mehr als Gemeinden Vinter 500 2 000 10 000 20 000 mehr als dichte 500 bis bis bis bis 50 000 insgesamt 500 bis bis bis bis 50 000 (Einwohner Einwohner 2 000 10 000 20 000 50 000 Einwohner Einwohner 2 000 10 000 20 000 50 000 Einwohner j e qkm)
Dresden
Cottbus
Berlin
Tabelle 27
T a b e l l e 28 I n d u s t r i e l l e B r u t t o p r o d u k t i o n j e qkm sowie j e Einwohner, B e s c h ä f t i g t e n q u o t e n der I n d u s t r i e sowie der Land- und F o r s t w i r t s c h a f t Industrielle
1955» 1 9 6 0 t
Bruttoproduktion
j e qkm Bezirk
1955
1960
j e Einwohner 1966
1972
1955
i n 1000 Mark Berlin Cottbus Dresden Erfurt
349 120
Gera
621
Halle
1960
1966
1972
i n Mark
7 767 11 890 15 454 24 582 342 215 441 975 892 1 390 1 813 3 115
Prankfurt
1966 und 1972
2 746
4 471
5 763
9 088
2 208
3 504
4 336
9 283
3 090
4 967
6 466 11 231 5 323
632
908
1 668
1 955
241 922
450
1 052
1 274
3 702 2 628
1 186
1 929
3 334
5 057
9 756 4 851 10 998 6 461 10 424
897
1 236
7 427 12 691
4 052
3 823 2 932
5 506
1 840
1 637 2 467
2 776
1 079
5 236
7 126 11 984
Leipzig
943
1 461
1 768
3 144
2 963
4 771
5 810 10 540
Magdeburg
265
445 62
590
918
2 133
3 724
5 127
8 040
36
269
1 462
1 034 2 914
1 613
144
233 801
568
Potsdam
95 360
3 999
3 959 8 893
Rostock
153
323
403
760
1 276
2 742
3 370
6 216
78
131
180
426
1 825
2 606
6 181
Suhl
374
593
805
1 306
1 033 2 630
4 219
5 622
9 104
Gesamte DDR
410
656
874
1 552
2 481
4 134
5 537
9 852
Karl-Marx-Stadt
Neubrandenburg
Schwerin
1955 = 100
204
Berlin
100
153
199
316
100
163
210
Cottbus
100
205
453
100
331 420
100
203
349
100
159 161
196
Dresden
159 156
209
363
Erfurt
100
181
260
478
100
499
100
201
375
877
100
189 206
272
Frankfurt
381
863
Gera
100
148
'191
311
100
152
194
313
Halle
100
138
182
144
194
332
Karl-Marx-Stadt
100
171
229
309 376
100 100
Leipzig
100
155
187
333
100
179 161
243 196
409 356
Magdeburg
100
168
223
346
100
377
100
172
284
100
187
647 556
100
Potsdam
264 250
175 182
240
Neubrandenburg
100
199
274
697 608
Rostock
100
211
263
497
100
215
Schwerin
100
168
231
546
100
264 252
598
Suhl
100
159
215
349
100
177 160
214
346
Gesamte DDR
100
160
213
379
100
167
223
397
487
Beschäftigtenquote 1^ der Industrie 1955
1960
2) '
1966
Land- u . 1972
1955
Forstwirtschaft^
1960
1966
1972
i n vH 29,8
30,2
28,6
26,0
1,5
1,4
1,9
31,9
34,9
36,8
39,0
28,4
21,3
17,9
1,3 13,0
40,1
43,1
44,0
45,4
15,4
11,5
11,0
8,4
18,3
12,8 10,5
31,5
35,0
36,6
42,0
25,9
17,3
20,2
21,6
27,4
35,7
21,1 28,8
41,2
43,0
42,9
45,4
19,5
15,2
23,9 14,2
18,5 11,0
15,8
13,8
8,3
7,9
10,5 6,0
14,4
12,2
11,4
8,8
18,0
39,6
42,5
43,2
45,4
48,3
51,3
50,2
40,1
41,3
40,1
50,9 40,1
25,2
28,7
28,0
30,3
30,2
25,4
23,3
17,8
11,1 27,0
15,7 31,0
53,1
30,8
30,3
44,9 25,6
41,9
21,6
9,5 24,6
23,4
17,5
19,9 14,8
21,0
24,5
31,8
25,2
22,3
15,9
12,0
15,8
20,6
44,6
35,6
24,2
38,6
41,2
42,3
49,0
21,9
17,0
33,4 13,6
33,4
36,1
36,2
38,2
21,6
17,3
15,7
11,6
20,2
8,6
1 ) A n t e i l der B e s c h ä f t i g t e n e i n e s W i r t s c h a f t s b e r e i c h s an der Gesamtzahl der B e s c h ä f t i g t e n e i n e s B e z i r k s . ( e i n s c h l . L e h r l i n g e ) . - 2 ) 1972 e i n s c h l . W a s s e r w i r t s c h a f t . - 3 ) E i n s c h l . P f l a n zenschutz u . V e t e r i n ä r w e s e n , b i s 1966 auch e i n s c h l . Wasserwirtschaft. Quellen:
S t a t i s t i s c h e Jahrbücher der DDR 1955, 1 9 6 0 / 6 1 t 1966, 1967 u . 1973.
2174
Entwicklungstendenzen
Trotz sinkender Bedeutung einzelner natürlicher Standortfaktoren 444 wird in der DDR keine völlige Nivellierung des industriellen Nord-Süd-Gefälles angestrebt, da die Produktivitätsvorteile von Agglomerationen vor allem wegen der effizienteren Nutzung infrastruktureller Einrichtungen 445 erhalten bleiben sollen. So läßt sich auch aus dem überdurchschnittlichen Wachstum der industriellen Leistung und aus dem relativ größeren Anstieg der industriellen Beschäftigungsquoten in den nördlichen Regionen keine generelle Angleichung des industriellen Entwicklungsniveaus deuten. Denn diese Wachstumsraten ergeben sich aus der punktuellen Ansiedlung neuer Industrien in einem Gebiet mit absolut niedrigem Entwicklungsniveau 446 (vgl. Tabelle 28). So sind denn auch die industriellen Neuansiedlungen der nördlichen Bezirke aufgrund ihrer geringen Verflechtung zu umliegenden Industrien noch auf absehbare Zeit durch ihren stark inselartigen Charakter gekennzeichnet. Man kann deshalb annehmen, daß die Schaffung neuer Produktionsstätten überwiegend an der Ausschöpfung der dort noch vorhandenen Arbeitskräfteressourcen orientiert ist 4 4 7 . Denn die regionalen Unterschiede in den Erwerbsquoten sind nicht unbeträchtlich (vgl. Tabelle 29), insbesondere differiert die Frauenbeschäftigung. So stehen z.B. im Bezirk Karl-Marx-Stadt knapp 89vH gegenüber 69vH im Bezirk Neubrandenburg aller Frauen im arbeitsfähigen Alter im Erwerbsleben. So wird auch in der „Direktive des VIII. Parteitages der SED zum Fünfjahrplan.. u 4 4 8 die Tendenz sichtbar, für die Ballungsgebiete im wesentlichen eine Intensivierung der Produktion durch vermehrte Rationalisierung bzw. Fertigstellung und Auslastung bereits begonnener Projekte anzustreben und für die „Nord444 So entstanden z.B. mit zunehmender Verwendung von Erdöl auch außerhalb der durch die Nähe zur Braunkohle bestimmten traditionellen Chemieregionen neue Schwerpunkte (u.a. Erdölverarbeitungswerk Schwedt im Bezirk Frankfurt/Oder). 445 So sind Berechnungen des ökonomischen Forschungsinstituts der Staatlichen Plankommission erfolgt, die das produzierte Nationaleinkommen mit den Anlagen der Infrastruktur je Bezirk vergleichen (Verhältnis Nationaleinkommen zu Grundfonds der gebietswirtschaftlichen Infrastruktur in der DDR = 100) Potsdam 75 Leipzig 96 Neubrandenburg 78 Dresden 105 Schwerin 81 Karl-Marx-Stadt 116 Vgl. Lindenau, a.a.O., S. 9. 446 Die in den nördlichen Bezirken zu verzeichnende relativ hohe Abwanderung aus der Landwirtschaft in die Industrie erklärt sich daraus, daß in den südlichen Ballungsgebieten, wo die Landwirtschaft stärker intensiv betrieben wird, kaum noch landwirtschaftliche Arbeitskräftereserven bestehen. 447 -Vgl. Werner Ostwald: Standortfragen kein Buch mit sieben Siegeln. In: Neues Deutschland vom 24.1.1972. 448 Vgl. Sonderbeilage zu Neues Deutschland vom 23.6.1971, Abschn. XI „Standortverteilung der Produktivkräfte und die Entwicklung in den Bezirken", S. 31 ff.
206
207
^
96,5 60,1 79,7 47,2 88,1 51,3
48,6
52,2 43,5 46|6
53,9
44^1
44^
41,0
weiblich
Statistisches Jahrbuch der DDR 1973, S.3, S.62 - 65 und S.468-469.
1) Anteil der Beschäftigten an der Wohnbevölkerung.
Quelle :
69,9 51,4 56^
in vH
1)
insgesamt männlich
.
73,4 47,0 53,6 47 1 48 5 39 4 80,7 49|l 53^8
80,9
83,6
Gesamte DDR
86,3
79 9 ' 86,5 75,8 79,χ 72,5 83,0 85,3
Suhl
weiblich
_
85.6 80,6 48,8 53,7 44 6 72,2 69,0 40 8 44 5 37 6 83,9 84,1 49,2 52^ 46^ 86,0 77,0 48.2 54 ^ 4? q 88 7 50 5 53,7 4^9 87,9 82,3 b9,2 \k,9 kk,k 85,0 76,1 46,8 53,1 41,4 76,2 69,1 42 0 46 7 37 7 78,8 73,2 43^ 48^ 39,6
111,2 83,0 92,2
83 1 » 70,6 84,0 81,4 86,7 84 8 85,1 80,5 72,7 76,0
103,6 81,4 90,1
insgesamt männlich
Anteil der Beschäftigten an den Penonen im'arbeitsfähiErwerbsquoten ' gen Alter in vH
1972
Beschäftigtenanteile und Erwerbsquoten
*°®toc* Schwerin
Karl-Marx-Stadt Lei PzlS Magdeburg Neubrandenburg Potsdam
Halle
Gera
ürfufl Fraffurt
Berììn Cottbus Dresden
τ, „ „ 4 _ ,, B e ζ 1 r κ
Tabelle 29
gebiete" im begrenzten Umfange neue Industrien anzusiedeln 449 . Diese Absicht wird auch deutlich, zieht man in Betracht, daß die besonders ungünstige Bevölkerungsentwicklung im Bezirk Karl-Marx-Stadt nicht zuletzt mit der im Bezirksvergleich relativ ungünstigsten Wohnungsversorgung zu erklären ist 4 5 0 . Unter dem Durchschnitt liegt auch die Versorgung in den Bezirken Dresden und Leipzig. Anscheinend will man aber nicht durch eine forcierte Wohnungsbaupolitik dem - zu einem großen Teil auch durch Abwanderungen bedingten - Bevölkerungsschwund in diesen Bezirken entgegenwirken, sondern durch Modernisierung des überdurchschnittlich hohen Altbaubestandes 451 . Priorität beim Neubau scheinen vor allem die neu errichteten Industriezentren zu genießen 452 . Da für den Fünfjahrplanzeitraum und wahrscheinlich auch auf absehbare Zeit hin kein Aufbau neuer Städte bzw. Satelitenstädte geplant ist, dürfte sich der Urbanisierungsprozeß wohl kaum beschleunigen. Die starke Zersplitterung des Siedlungsnetzes erschwert also weiterhin erwünschte ökonomische Konzentrationsprozesse sowie einen Abbau der Niveauunterschiede zwischen Stadt und Land. Die gegenwärtige Konzeption zur Siedlungsplanung dürfte im wesentlichen darauf hinauslaufen: - Formen der Kooperation zwischen kleinen Gemeinden - überwiegend in Form von Gemeindeverbänden - (in denen die Kommunalorgane kreisangehöriger Gemeinden zusammenarbeiten) zu fördern, d.h. auch die gemeinschaftliche Nutzung von Versorgungseinrichtungen, insbesondere im Bereich der Reparatur- und Dienstleistungen zu verbessern; - den Ausbau der Großstädte (insbesondere der Bezirksstädte als überregionale Zentren sowie der großen Mittelstädte von 50 000 bis 100 000 449
U.a. Plastmaschinenbau und Hydraulik/Pneumatik (Bezirk Schwerin); Kernkraftwerk Nord (Bezirk Rostock). Zwar benötigt ein Kernkraftwerk nur wenig Beschäftigte, doch sind Folgeinvestitionen denkbar; Produktion von Baugruppen und Zulieferungen für den Maschinenbau (Bezirk Neubrandenburg). 450 Vgl. Statistisches Jahrbuch der DDR 1972, S. 176 und 367. 451 So liegt der im Fünfjahrplanzeitraum geplante Neubau (bezogen auf die Bevölkerung) in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Dresden, Halle unter dem Durchschnitt; allerdings wird für Dresden, Halle und Leipzig ein überproportionaler Um- und Ausbau vorgesehen. Vgl. Wohnungsbau und Wohnungsversorgung in der DDR bis 1975. Bearb.: Manfred Melzer. In: Wochenbericht des DIW. Nr. 31/1972, S. 279. Von 1971 bis 1975 sollen rund 500 000 Wohnungen durch Neu-, Um- oder Ausbau fertiggestellt werden, unter ihnen 50 000 vorwiegend für Arbeiter und kinderreiche Familien vorgesehene Eigenheime einfacher Ausstattung (Bauwert bis 80 000 M). Die Gemeinden stellen hierfür Pachtland (bis zu jeweils 500 m 2 ) zur Verfügung. 452 Vgl. Erste Ergebnisse der Volks-, Berufs-, Wohnraum- und Gebäudezählung. In: Statistische Praxis, Heft 4/1971, S. 212. So hat sich z.B. der Wohnungsbestand in Schwedt seit der letzten Volks- u. Berufszählung verfünffacht, in Eisenhüttenstadt, Hoyerswerda und Lübbenau mehr als verdoppelt, und mehr als drei Viertel beträgt der Zuwachs in Neubrandenburg, Ludwigsfelde und Grimmen.
208
Einwohner) als regionale Zentren zu forcieren und gleichzeitig die Verkehrsverbindungen zu verbessern, um dem Umland eine vermehrte Nutzung des materiellen und kulturellen Versorgungsangebotes zu bieten 4 5 3 ; - ländliche Siedlungsschwerpunkte für die Landwirtschaft zur effizienten Nutzung von Infrastruktureinrichtungen zu bilden (Wasser, Energie, aber auch bestimmte Reparatur- und Wartungseinrichtungen).
218 Qualitative Aspekte Die Bewertung der Erfolge wirtschaftlicher Tätigkeit, d.h. des Einsatzes und der optimalen Kombination der Produktionsfaktoren, kann nicht allein am Produktionsumfang gemessen werden. Eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft hat die Qualität der erstellten Güter ebenso zu berücksichtigen wie die Auswirkungen der Erzeugung auf die Qualität außerbetrieblicher Güter und die Umwelt. Diese qualitativen Aspekte der Produktion werden in der Regel nur in ihrer negativen Ausformung beachtet - schlechte Qualität stört, gute Qualität gilt als „normal". Schlechte Qualität zu beseitigen oder ihre negativen Wirkungen zumindest zu mildern, ist somit ebenfalls Inhalt wirtschaftlicher Tätigkeit. Inhalt und Wirkungen dieser Bemühungen unterscheiden sich dagegen in der Planwirtschaft in der Regel nicht unerheblich von denen in Marktwirtschaften. In der Bundesrepublik entscheidet die Erzeugnisqualität häufig unmittelbar die Existenz eines Betriebes, der als Anbieter unter vielen den Marktkräften ausgesetzt ist: Schlechter werdende Qualität mindert - unter sonst gleichen Bedingungen - Absatz und Gewinn, verbesserte Qualität sichert Wettbewerbsvorteil und bringt Gewinnsteigerung. Demgegenüber ist hier die Verhinderung negativer Einflüsse der Produktion auf die Umwelt ein den Betriebsertrag belastender Kostenfaktor, den man dann zu vermeiden trachtet, wenn er nicht oder nur zum Teil im Preis weitergegeben werden kann. In der Planwirtschaft der DDR dagegen ist die Erzeugnisqualität den Marktkräften in geringerem Umfang ausgesetzt: Die Nachfrage übersteigt vielfach das Angebot - häufig nur eines Produzenten - und außerbetrieblicher Wettbewerb findet zumeist nur auf Außenmärkten statt. Dagegen fällt es dem Staat als Eigentümer fast aller Produktionsmittel leichter, durch geeignete Maßnahmen seine Betriebe zum Schutz der Umwelt vor schädlichen Wirkungen der Produktion zu veranlassen. 453 Solche Konzentrationspunkte sollen unter Berücksichtigung ihrer Einzugsgebiete möglichst gleichmäßig verteilt werden. Vgl. Territorialökonomie und -planung; Aufgaben der Territorialplanung bei der Entwicklung der Siedlungsstruktur in der DDR. Lehrbrief der Hochschule für Ökonomie, Berlin(Ost) 1972, S. 45 ff. sowie Gesellschaft und Territorium im Sozialismus, a.a.O., S. 14.
209
2181 Q u a l i t ä t der
Erzeugnisse
„Nachdrücklich treten wir für die Sicherung einer hohen Qualität der Erzeugnisse und für die spürbare Minderung von Ausschuß, Nacharbeit und Reklamationen ein. Höhere Qualität und längere Lebensdauer tragen entscheidend zur besseren Bedarfsdeckung bei. Das erfordert neben der gewissenhaften Produktionsvorbereitung ausgereifte Konstruktionen und eine strenge Einhaltung der technologischen Disziplin" 4 5 4 . Diese Forderung, nachdrücklich gestellt am Ende eines Jahres, in dem zwar in der DDR die Produktionsziele übertroffen wurden, gleichzeitig aber die Qualitätsmängel und die daraus resultierenden Kosten für Ausschuß, Nacharbeit und Garantieleistungen höher als je zuvor waren 4 5 5 , zeigt, daß die starken Bemühungen um eine institutionelle Sicherung der Erzeugnisqualität offensichtlich nicht ausreichen. Im Sommer 1973 sah sich der DDR-Ministerrat deshalb veranlaßt, einen Beschluß über „Grundsätze und Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse in Verbindung mit einer höheren Wirksamkeit der staatlichen Standards" 456 zu fassen, von dessen Verwirklichung man sich eine Lösung dieser Probleme erhofft. 21811 I n s t i t u t i o n e n und Maßnahmen sicherung
derQualitäts-
Oberstes Organ zur Sicherung und Kontrolle der Qualitätsentwicklung in der DDR ist seit dem 1. Januar 1973 das aus dem früheren „Deutschen Amt für Messwesen und Warenprüfung (DAMW)" und dem „Amt für Standardisierung der DDR (AFS)" gebildete neue „ A m t f ü r S t a n d a r d i s i e r u n g , M e s s w e s e n u n d W a r e n p r ü f u n g d e r DDR (ASMW)". Es erteilt und entzieht Güte- und Attestierungszeichen, verteilt Medaillen, Diplome und Titel. Generell ist für die Qualitätssicherung der jeweilige staatliche Leiter, so z.B. der Betriebsdirektor für die im Betrieb gefertigten Erzeugnisse, verantwortlich, deren Kontrolle der „ T e c h n i s c h e n K o n t r o l l o r g a n i s a t i o n (TKO)" 4 5 7 obliegt. Sie ist eine selbständige Abteilung innerhalb des Betriebes, die alle für Qualitätskontrolle eingesetzten Mit454 Willi Stoph: Entscheidende Schritte auf dem guten Weg des VIII. Parteitages. In: Neues Deutschland vom 15.12.1972, S. 4. 455 Vgl. Neues Deutschland vom 13.10.1972, S. 3. 456 Vgl. Eberhard Becker/Lutz Wagenführ: Hohe Erzeugnisqualität durch gute Produktionsvorbereitung. In: Presse-Informationen, Nr. 109/1973, S. 4. 457 Die Befugnisse der TKO wurden durch den Ministerratsbeschluß vom 27.6.1973 über „Grundsätze und Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität . . erweitert. In Zukunft erfolgt z.B. auch die Beurteilung der Qualität der Arbeit der vorbereitenden Abteilungen durch die TKO, und der Leiter der TKO entscheidet mit über die Verwendung der Mittel für Forschung und Entwicklung (vgl. Die Wirtschaft, Nr. 57/1973, S. 8).
210
arbeiter umfasst. Der Leiter der TKO ist dem Betriebsdirektor direkt unterstellt; in Ausnahmefällen kann er in wichtigen Betrieben auch von der ASMW eingesetzt werden und untersteht dann diesem zentralen Organ (z.Zt. sind etwas tausend Leiter von der ASMW eingesetzt). Die TKO ist dafür zuständig, daß nur völlig einwandfreie und den Standards oder anderen Qualitätsvorschriften entsprechende Erzeugnisse ausgeliefert werden. Ein solcher S t a n d a r d wird vom ASMW festgelegt und definiert als „eine einheitlich anzuwendende Bestlösung einer sich wiederholenden Aufgabe in Bezug auf die Beschaffenheit von Arbeitsgegenständen, Arbeitsmitteln und Erzeugnissen, auf Herstellungs-, Prüf-, Konstruktions-, Berechnungs-, Lagerungs- u.a. Verfahren sowie in Bezug auf Verständigungsmittel". Entsprechend dem Geltungsbereich der Standards gibt es DDR-, Fachbereichs-, Werks- und internationale Standards; zur Zeit sind 7300 DDR-Standards und 25 000 Fachbereichsstandards, von denen über die Hälfte qualitätsbeeinflussende Festlegungen enthalten, bekannt 4 5 8 . Vom Grad der Erreichung dieser Qualitätsmerkmale ist es abhängig, welches G ü t e z e i c h e n ein Erzeugnis vom ASMW, dem die meisten Produkte aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zur Prüfung vorzulegen sind, zugeteilt erhält. Es wird verliehen das G ü t e z e i c h e n „Q" für Erzeugnisse, die in ihren Gebrauchseigenschaften und unter Berücksichtigung der Kosten Spitzenerzeugnisse auf dem Weltmarkt darstellen". Das G ü t e z e i c h e n „1" für Erzeugnisse, die „ . . .in ihren Gebrauchseigenschaften mit anderen auf dem Weltmarkt angebotenen Erzeugnissen vergleichbar sind" und bei nicht klassifizierungspflichtigten Produkten „das A t t e s t i e r u n g s z e i c h e n für Erzeugnisse, die den in staatlichen Standards und anderen technischen Vorschriften enthaltenen Qualitätsfestlegungen entsprechen" 4 5 9 , 4 6 0 . Diese Gütezeichen können bei Minderung wieder aberkannt werden; dies führt in der Regel zu Erlöseinbußen beim Produzenten, da ein Gütezeichen zumeist mit einem Preiszuschlag verbunden ist. 458
Vgl. Robert Eckelt: Langfristige Planung unumgänglich. In: Die Wirtschaft, Nr. 46/1972, S. 19. 459 Verordnung zur Änderung der Verordnung über die staatliche Qualitätskontrolle. In: GBl. der DDR, Teil 1/1973, S. 426. Das bis einschließlich 1970 erteilte Gütezeichen „2" (Mindestqualität) wird nicht mehr erteilt, weil das ASMW „Produkte, deren Qualität unter dem Weltstand liegen, nicht mehr auch auch noch als solche staatlich bestätigen oder sanktionieren" will. 460 Der Produktionsumfang der Erzeugnisse mit Gütezeichen „Q" und „1" wird im Volkswirtschaftsplan festgelegt. (Vgl. Die Wirtschaft, Nr. 37/1973, S. 6). Der Anteil der Erzeugnisse mit dem Gütezeichen „Q" an der klassifizierungspflichtigen Warenproduktion betrug in den ersten acht Monaten des Jahres 1973 13,3vH (Vgl. Neues Deutschland vom 3.10.1973, S. 3).
211
Neben diesen Gütezeichen verleiht das ASMW Approbationszeichen für Importgüter, Goldmedaillen und Diplome für hervorragende Leistungen auf der Leipziger Messe sowie den Titel „Betrieb der ausgezeichneten Qualitätsarbeit". Propagiert wird das Bemühen um bessere Qualität mit der „Q u a I i t ä t s b e w e g u η g": Mit Hilfe von Aufrufen, Auszeichnungen und Anwendung ökonomischer Stimuli versucht man, die Qualität von Waren und Leistungen zu erhöhen. Die bekannteste Losung für die Gütesicherung ist der seit Jahren verwandte Satz: „Meine Hand für mein Produkt" 4 6 1 . Einzelne Arbeitnehmer, Betriebskollektive oder der ganze Betrieb können für Qualitätsarbeit ausgezeichnet werden. Häufig propagiert und den Betrieben empfohlen wird das „System der fehlerfreien Arbeit" (auch „Saratower System" genannt). Es beruht auf der Grundlage der unmittelbaren Verantworung jedes einzelnen Arbeitnehmers für die Qualität seiner Arbeit.
21812 Probleme der
Qualitätssicherung
Die Kritik an wachsenden Qualitätsmängeln der Produktion wird deutlich reflektiert von der Beschäftigtenstatistik: Der Anteil der Reparaturarbeiter an der Gesamtzahl der Produktionsarbeiter in der sozialistischen Industrie hat sich in acht Jahren von 13,5vH (1963) auf 15,8vH (1971) erhöht 4 6 2 . 670.000 Arbeiter, d.h. rund ein Zentel aller in der DDR beschäftigten Arbeiter und Angestellten, „vom Elektrofachmann bis zum Mechaniker, vom Schlosser bis zum Tischler reparieren im Republikmaßstab . . . Nach Berechnungen der Kammer für Technik könnten 200.000 im Reparatursektor Beschäftigte für die Produktion neuer Erzeugnisse eingesetzt werden, wenn eben diese Erzeugnisse auch fehlerfrei arbeiten würden" 4 6 3 . Weil dies nicht so ist, müssen an Kosten für Ausschuß, Nacharbeit und Garantieleistungen allein in den Zweigen der metal (verarbeitenden Industrie jährlich über eine Milliarde Mark, für die gesamte Volkswirtschaft sogar 2,5 Mrd. M 4 6 4 aufgebracht werden. Diese Qualitätsmängel äußern sich nicht nur in der Konsumsphäre, sondern sind auch ein die Erzeugung unmittelbar belastender Faktor.
461 So u.a. Erich Honecker in seinem Schlußwort auf der 8. Tagung des ZK der SED. Vgl. Neues Deutschland vom 8.12.1972, S. 4. 462 Statistisches Jahrbuch der DDR 1973, S. 137. 463 Freiheit vom 24. Februar 1973. 464 Sächsische Zeitung vom 6. März 1973.
212
Verspätete, falsch sortierte 465 oder ausbleibende Zulieferungen oder Ersatzteile zählen hierzu ebenso wie Stillstandzeiten infolge Stromausfalls, unzureichender Wartung oder ungenügender Qualifizierung des Bedienungspersonals 466 . Die Qualität der Enderzeugnisse wird häufig auch durch Mängel einzelner Zubehörteile beeinträchtigt 467 , zunehmend aber auch dadurch, daß neue „Erzeugnisse unmittelbar von der Entwicklung in die Produktion genommen wurden, ohne daß die Technologie erprobt und ausgefeilt w a r " 4 6 ^ · 4 6 9 . Die mangelhafte Gebrauchsfähigkeit vieler Erzeugnisse ist nach Untersuchungen des ASMW im wesentlichen auf „Mängel in den produktionsvorbereitenden Bereichen der Entwicklung, Konstruktion und Technologie, in der Durchsetzung der technologischen Disziplin sowie in der ungenügenden Wirksamkeit der Qualitätskontrolle . . zurückzuführen 470 . Die Hälfte aller Qualitätsmängel beruht gegenwärtig auf Versäumnissen in der Produktionsvorbereitung 471 . Vielfach herrscht über die in der Produktionsvorbereitungsphase festzulegenden qualitativen Kennziffern, ihre Gewichtung und Kontrolle Unklarheit, sind in den Produktionsnormen Qualitätsparameter gar nicht oder ungenügend bestimmt und verbindliche Meßmethoden nicht fest465 Selbst zentral bilanzierte und somit als besonders wichtig berücksichtigte Vorprodukte fallen hierunter. So gibt es eine Staatsplanposition „Allgebrauchslampen bis 200 W". „Da innerhalb dieser Position aber hunderte verschiedener Erzeugnisse produziert werden, können, wenn auch diese Staatsplanposition - sie wird in tausend Stück vorgegeben - erfüllt ist, erhebliche Rückstände in einzelnen Sortimenten vorhanden sein". Vgl. Sozialistische Finanzwirtschaft, Heft 4/1973, S. 33. 466 Vgl. Karl Nendel: Für eine hohe Standardqualität sorgen. In: Presse-Informationen Nr. 6/1972, S. 2 („Um die erforderlichen Qualitätsparameter am Endprodukt einzuhalten, ist es notwendig, hochproduktive Anlagen und Ausrüstungen . . . ständig zu überwachen und regelmäßig zu warten. Die rechtzeitige umfassende Vorbereitung des ingenieurtechnischen Personals auf die Beherrschung der neuen Technik sowie die Schulung und Unterweisung aller an den neuen Arbeitsplätzen wirkenden Werktätigen ist eine wichtige Voraussetzung für das Erreichen höherer Qualität der Erzeugnisse."). 467 So bei vielen Konsumgütern, z.B. Waschmaschinen. Ursache für Ihren Ausfall war in der Vergangenheit oftmals die „mangelnde Qualität der Laugenpumpen". (Vgl. Rudi Georgi: Konsumgüter in guter Qualität produzieren. In: Presse-Informationen, Nr. 11/1973, S.2). 468 Vgl. Waltraud Schwarz: Nehmen wir zum Beispiel Schuhe. In: Die Wirtschaft, Nr. 17/1972, S. 6. 469 Helmut Lilje, Radio DDR I, 17.4.1973: „Jeder zweite Geschirrspülautomat muß nämlich noch von der technischen Kontrolle beanstandet werden." 470 Vgl. Helmut Lilje: Hohe Qualität-ein Maßstab bedarfsgerechter Produktion. In: Presse-Informationen, Nr. 131/1972, S. 2; vgl. auch Robert Eckelt: Langfristige Planung unumgänglich. In: Die Wirtschaft, Nr. 46/1972, S. 19. 471 Vgl. Eberhard Becker/Lutz Wagenführ, a.a.O., S. 3.
213
gelegt 4 7 2 . Die Wirksamkeit der Qualitätskontrolle wiederum wird dadurch beeinträchtigt, daß die TKO häufig im Zuge der Planerfüllung für andere Aufgaben eingesetzt wird. Ihrer Wirksamkeit steht aber ebenso oft entgegen, daß die in der Endkontrolle Tätigen ihren Stücklohn ausschließlich nach der geprüften Zahl der Erzeugnisse erhalten, d.h. daß ihr Lohn in erster Linie an die Produktionsmenge gebunden ist 4 7 3 . Andererseits ist häufig nicht gewährleistet, daß auf erkannte Qualitätsmängel schnell - u.U. durch erhöhte Ersatzteilbereitstellung - reagiert wird 4 7 4 , in der Regel eine Folge von Mängeln, die nicht mehr im Produktionsbereich 4 7 5 , sondern vor allem im Handel liegen. Die Ursachen hierfür sind vielfältiger Natur. Einerseits ist die Nachfrage nach Konsumgütern vereinzelt so stark, daß der Handel auch Waren absetzt, die nicht den Qualitätsanforderungen entsprechen 476 , z.T. dadurch bedingt, daß der Produzent Alleinhersteller in der DDR ist 4 7 7 . Zum anderen gibt der Handel oft erst dann den Produktionsbetrieben davon Kenntnis, daß sich offenbar die Verbraucherwünsche gewandelt haben, wenn infolge nichtabsetzbarer Erzeugnisse Überplanbestände entstehen. Die ausreichende Sicherheit für eine kontinuierliche, bedarfsgerechte Qualität der Erzeugnisse erfordert jedoch bereits im Stadium der Forschung und Entwicklung Zusammenarbeit von Handel und Produktion 4 7 8 . Designer, Gestalter und Konstrukteure müssen bereits, bei der Gestaltung neuer Modelle und Kollektionen über Material, anzuwendende Technik und Verbraucherwünsche orientiert sein. Dies macht nicht nur Verträge zwischen Produzenten und Abnehmern notwendig, deren Nichteinhaltung fühlbare
472 Vgl. Lothar Burkhardt: Qualität der Zuliefererzeugnisse sichert hochwertige Möbelproduktion. In: Die Wirtschaft, Nr. 2/1973, S. 10. 473 VgL Eberhard Müller: Qualität entsteht nicht hinter dem Ladentisch. In: Die Wirtschaft, Nr. 31/1972, S. 7; Hans Wittik: Kontinuierlich in hoher Qualität produzieren. In: Presse-Informationen, Nr. 121/1972, S. 2. 474 Karl Nendel, a.a.O. 475 In einem wissenschaftlichen Kolloquium zu Fragen der Qualitätspolitik an der Handelshochschule Leipzig wurde berichtet, „daß heute bereits die zahlreichen Industriezweige mehr als 50 % der Einflußmöglichkeiten auf die Erzeugnisqualität außerhalb der Fertigung sowie der Gütekontrollabteilung liegen". Vgl. Die Technik, Heft 11/1971, S. 714. 476 Erhard Müller, a.a.O. 477 Robert Eckelt, a.a.O. 478 Die positive Wirkung neugegründeter Einrichtungen wie des „Kabinetts der Zuverlässigkeit" in Berlin, das als Zentrum des Erfahrungsaustausches zur erhöhten Zuverlässigkeit der Erzeugnisse beitragen soll, dürfte nur begrenzt sein. (Vgl. Presse-Informationen, Nr. 53/1973, S. 3).
214
Sanktionen a u s l ö s t 4 7 9 , s o n d e r n vor allem eine verbesserte Markt- und Bedarfsforschung, die in der Lage ist, Veränderungen des Konsumverhaltens rechtzeitig g e n u g zu erkennen, u m sie in Planung und P r o d u k t i o n berücksichtigen zu können (vgl. 1234, 1235). Dies gilt nicht nur für die Produktion von Konsumgütern, die exportiert werden sollen, sondern angesichts der ö k o n o m i s c h e n Hauptaufgabe des Fünfjahrplans 1971 bis 1975 - ebenso für den B i n n e n m a r k t 4 8 0 . Ob allerdings selbst verbesserte u n d v o n der DDR als qualitativ h o c h wertig eingestufte Produkte internationalen Standard erreichen, bleibt fraglich. 21 82
Umweltschutz
Wichtiger qualitativer Faktor der Produktionsleistung eines Landes ist heute der Grad der durchgeführten Umweltschutzmaßnahmen. Denn o h n e eine direkte E r h ö h u n g des Nutzungswertes der erzeugten Güter zu bewirken, verursachen sie in der Regel erhebliche Kosten, sind j e d o c h w e g e n der ständig kumulierenden S c h a d w i r k u n g e n und Störfaktoren (wie Wasserverschmutzung481, Luftverunreinigung 482, Beeinträchtigungen des 483 Bodens sowie Lärmbelästigung) unerläßlich. Für die DDR hat die Umweltproblematik einige Besonderheiten: 479 Vgl. Hans Wittik, damaliger Minister für Leichtindustrie, a.a.O.: „Die Maßnahmen zur Qualitätssicherung müssen . . . ständig mit den wachsenden Bedürfnissen der Käufer in Übereinstimmung geibracht werden . . . Der Vertrag zwischen Produzenten und Abnehmern und seine bedingungslose Erfüllung müssen zum wichtigen Maßstab der Produktion bedarfsgerechter Konsumgüter werden." Die „vereinbarten Qualitäten und Sortimente (sollen) für beide Seiten verbindliche Aufgabe sein, an die sie gebunden sind und deren Realisierung entscheidender Maßstab für die Bewertung der Leistung der betreffenden Kollektive ist." 480 So erklärte Erich Honecker auf der 2. Tagung des ZK der SED im September 1971 u.a.: „Der Binnenmarkt wird nicht länger das Stiefkind unseres wirtschaftlichen Aufschwungs sein." Vgl. Neues Deutschland vom 18.9.1971. 481 Das Abwässerproblem - z.B. Überschußkühlwasser von Kraftwerken, ölhaltige Abwässer, Entsalzungswässer, Verunreinigungen durch Farben und Chemikalien - beeinträchtigt nicht nur die Trink- und Gebrauchswasserversorgung des Menschen, sondern auch die Sauberhaltung der Flüsse, Binnengewässer und Meere. Während die Meere zunehmend organische und mineralogische Verschmutzungen aufweisen, zeigen die Binnengewässer durch Abwässer hervorgerufene Störungen des biologischen Gleichgewichts. 482 Hierbei ist vor allem auf Verunreinigungen durch Staub, durch Industrieabgase und Rußbildungen der Feuerungsanlagen der Haushalte - mit dem Schadstoff Schwefeldioxyd - sowie durch Kraftfahrzeug- und Flugzeugabgase mit den Schadstoffen Blei, Kohlenmonoxyd, Benzpyren-hinzuweisen. 483 Z.B. Devastierungen des Bodens durch agrarischen Raubbau sowie durch übermäßigen Einsatz von Bioziden, Übermeliorationen, die ungeordnete Abfalllagerung und Verkippung von Abraummassen, die jahrelange Grundentwässerung beim Tagebau, die Grundwasserverseuchung und Bodenvergiftung sowie der Bodenentzug der Landwirtschaft.
215
1) Die Braunkohle als Primärenergiebasis führt - wegen der Braunkohlenverbrennung in Industrie und Haushalt - zu einer besonders hohen Luftverschmutzung durch Schwefeldioxyd, Staub und Asche, die sich besonders stark in den Ballungsgebieten von Industrie und Bevölkerung (z.B. in den Bezirken Halle, Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig) auswirken. Zudem erfordert der Braunkohlentagebau eine hohe Inanspruchnahme land-und forstwirtschaftlicher Nutzfläche. 2) Die Wasserwirtschaft befindet sich in einer besonders prekären Situation, da die Inanspruchnahme des Wassers - bei einem zweibis dreimal so hohen Nutzungsgrad wie in anderen mitteleuropäischen Ländern - extrem hoch ist. So stehen je Kopf der Bevölkerung pro Jahr nur 880 m 3 (Weltdurchschnitt 12 000 m 3 ) Wasser - in Trockenjahren lediglich 430 m 3 - zur Verfügung bei einem derzeitigen Gesamtverbrauch (Industrie, Landwirtschaft und Haushalte) von knapp 7 Mrd. m 3 4 8 4 . Da nur 17vH der Hauptwasserläufe - nach entsprechender Wasseraufbereitung - zur Trinkwasserversorgung herangezogen werden können, muß das Wasser in industriellen Ballungsgebieten durchschnittlich zweimal und in Trockenperioden sogar bis zu fünfmal genutzt werden 4 8 5 . Regional konzentriet sich die Wasserverschmutzung besonders auf den - an chemischen Betrieben reichen - Raum Halle, Leipzig und Bitterfeld, erheblich weniger entfällt auf die nördlichen Gebiete und die Umgebung-Berlins. 3) Das Müllproblem gestaltet sich etwas einfacher als in westlichen Industrieländern, da in der DDR ein Engpaß an Verpackungsmaterialien gegeben ist und die generelle Rohstoffknappheit zu gesteigertem Einsatz von Sekundärrohstoffen zwingt 4 8 6 . Dennoch fallen jährlich rund 11,5 Mill, m 3 (1970) Siedlungsmüll an, 1980 dürfen es 17 und 1990 25· Mill, m 3 sein 4 8 7 , die in geordneter Deponie abgelagert oder durch Verbrennung bzw. Umwandlung in Humus beseitigt werden müssen. Zur Verbesserung und Koordinierung der Umweltschutzmaßnahmen sowie auch zur Erhöhung des Umweltbewußtseins der Bevölkerung haben seit Ende der sechziger Jahre zwei grundsätzliche Maßnahmen beigetragen: 1. Das auf der Grundlage des Artikel 15 der DDR-Verfassung von 1968 484
Dieser Bedarf wird sich bis 1980 noch verdoppeln, da insbesondere die starken Wassernutzer der Industrie (Kraftwerke, chemische Betriebe, Einrichtungen der Metallurgie, der Kaliindustrie sowie der Zellstoff- und Papiererzeugung) noch in erheblichem Maße expandieren w.erden. 485 So beispielsweise das Wasser der Flüsse Saale und Pleiße. 486 So spielt z.B. die Nutzung von Schrott und Altpapier sowie die Verwendung von Schlacken und Aschen als Baustoffe eine erhebliche Rolle. 487 Vgl. Die Wirtschaft, Nr. 9/1972, S. 16.
216
aufbauende Landeskulturgesetz v o m Mai 1 9 7 0 4 8 8 mit vier Durchführungsverordnungen 489 Reihe v o n
u n d zwei D u r c h f ü h r u n g s b e s t i m m u n g e n 4 9 0
Sondergesetzen491;
2. Die G r ü n d u n g
sowie
einer
des Ministeriums
für
Umweltschutz und Wasserwirtschaft im November 1971. Bei den Umweltschutzmaßnahmen spielen neben der - z.T. s c h o n seit längerer Zeit realisierten - B i l d u n g v o n N a t u r s c h u t z g e b i e t e n 4 9 2 und Landschaftsschutzgebieten
die Durchführung
einer ganzen Reihe von Mes-
s u n g e n der verschiedensten Verschmutzungsarten Auch
Einzelforschungen
nommen494'
495
werden
von
eine große
verschiedenen
Instituten
. In jüngster Zeit konstituierten sich einige -
Rolle493. vorgeaus einer
488 Damit wird der Landschaftsschutz, die Nutzung von Boden, Wäldern und Gewässern, die Reinhaltung der Luft, der Schutz vor Lärm sowie die Beseitigung von Abfallprodukten grundsätzlich geregelt, wobei allerdings die Festlegung von Grenzwerten, bis zu denen Beeinträchtigungen noch akzeptiert werden können, späteren Ausführungsbestimmungen vorbehalten ist. (Vgl. Gesetz über die planmäßige Gestaltung der sozialistischen Landeskultur in der DDR - Landeskulturgesetz-. In: GBl. der DDR, Teil 1/1970, S. 67 ff. 489 Vgl. GBl. der DDR, Teil 11/1970, S. 331 ff. 490 Vgl. GBl. der DDR, Teil 11/1970, S. 595 ff. 491 Hierzu zählen das die Instandhaltung und Nutzung der Gewässer sowie den Schutz vor Hochwassergefahren regelnde „Wasserschutzgesetz" (1963), die „Bodennutzungsverordnung" (1964), die „Anordnung über die Bewirtschaftung der Wälder" (1965), die „Luftverunreinigungsanordnung" (1968) sowie die „Anordnung über die Erhöhung der Verantwortung der Städte und Gemeinden für Ordnung, Sauberkeit und Hygiene im Territorium" (1969). 492 Von den 654 Naturschutzgebieten der DDR mit einer Fläche von 80,4 Tausend ha entfallen - nach der Flächglberechnet - ein Viertel auf Waldgebiete, fast 17vH auf zoologische Schutzgebiete sowie 5vH auf Wasser- und Moorgebiete; 50vH sind komplexe Schutzgebiete. 493 Für die generelle Überwachung der Luftverschmutzung sind die HygieneInstitute der Bezirke zuständig, für die Kraftfahrzeugabgaskontrolle zeichnet die Abgasprüfstelle in Berlin-Adlershof verantwortlich. Von diesen Instituten werden laufend Messungen - beispielsweise während und nach den Messen in Leipzig, im Industriezentrum Bitterfeld, in Ostberlin - durchgeführt, um vor allem die Schadstoffkonzentrationen von Blei (Pb), Kohlenmonoxyd (CO), Stickstoffmonoxyd (NO), Stickstoffdioxyd (N0 2 ), Formaldehyd (H-CHO), Kohlenwasserstoffen ( C m H n ) , Kohlendioxyd (C0 2 ), Ozon (0 3 ), von Schwebstoffen und Schwefeldioxyd (S0 2 ) zu messen und mit den maximal zulässigen Immissionskonzentrationen (MIK-Werte), die im gesamten RGW-Gebiet Gültigkeit haben, vergleichen zu können. Daneben erfolgen aber auch Messungen durch eine Vielzahl anderer Institute, beispielsweise die Untersuchung der Zunahme und Verbreitung von Giftstoffen in der Ostsee durch das Institut für Meereskunde des DAW in Rostock-Warnemünde. 494 So arbeiteten 1971 mehr als 50 wissenschaftliche Forschungseinrichtungen der DDR an Umweltschutzproblemen (vgl. Technische Gemeinschaft, Heft 7/1971, S. 19). 495 So wird beispielsweise in einem besonderen Institut im Tharandter Waldgebiet (im Bezirk Dresden) die Resistenz von Pflanzen, insbesondere Laubbäumen, gegenüber Schadstoffen - wie z.B. Schwefeldioxyd, Fluor- und Chlorverbindungen sowie Industrieabgasen - getestet, um widerstandsfähige Arten erkennen zu können, mit denen um Ballungszentren Grüngürtel anlegbar sind. Vgl. Die Wirtschaft, Nr. 45/1972, S. 19.
217
Reihe von Wissenschaftlern - gebildete Kommissionen 496 zur Umweltschutzforschung. Angesichts der starken Verbreitung lärmbedingter Berufskrankheiten in der DDR wurde mit Forschungen über den Lärmschutz begonnen; im Jahre 1972 wurde ein internationaler Kongreß in Dresden abgehalten 497 . Mit dem laufenden Fünfjahrplan ist ein größeres Programm zur Verbesserung der Umweltbedingungen in Angriff genommen worden 4 9 8 : 1) Durch Wiederurbarmachung bisher vom Braunkohlenbergbau beanspruchter Bodenflächen sollen mindestens 9700 ha der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden 4 9 9 . Für die Durchführung von Meliorationen sollen 4 Mrd. Mark bereitgestellt werden, um über 800 000 ha Bodenfläche be- bzw. entwässern zu können; 2) um den bis zum Jahre 1975 gegenüber 1970 um etwa 20vH anstéigenden Wasserbedarf an Trink- und Brauchwasser - allein die Landwirtschaft benötigt zur Erreichung der geplanten Erträge von 44 dt Getreideeinheiten/ha landw. Nutzfläche 1975 2,2 Mrd. m 3 Wasser mehr als 1970 500 - sowie dem Hochwasserschutz gerecht zu werden, ist vorgesehen, 250 Mill, m 3 zusätzliche Speicherkapazitäten zu schaffen 5 0 1 . Daneben ist geplant, den Anteil der an zentrale Wasserver^ sorgungssysteme angeschlossenen Wohnungen von 82vH (1970) auf 496
So wurde beispielsweise an der Akademie der Wissenschaften der DDR eine aus Medizinern, Biologen, Chemikern, Ernährungs- und Geowissenschaftlern bestehende „Kommission für Umweltforschung" gebildet, die unter Leitung von Prof. Mottek steht und die die von den Akademieinstituten durchgeführte Umweltforschung leitet, koordiniert und kontrolliert (vgl. Neues Deutschland vom 6.2.1973, S. 4). - Aber auch die mehr und mehr mit Umweltfragen konfrontierte Kammer der Technik hat im September 1972 eine zentrale Kommission „Umweltschutz" eingerichtet. 497 Vgl. W. Schirmer und D. Stuhrmann: Die erste Lärmbekämpfungsausstellung in der DDR. In: Die Technik, Heft 12/1972, S. 778 ff. 498 Vgl. Gesetz über den Fünfjahrplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR 1971-1975. In: GBl. der DDR, Teil 1/1971, S. 185/186 sowie S. 184. 499 In den Jahren 1967 bis 1970 wurden 9 500 ha ehemalige Braunkohlenabbauflächen wieder urbar gemacht und in der Zeit von 1966 bis 1970 154 000 ha Land neu aufgeforstet, allein im Jahre 1971 sind 420 Mill. Bäume auf 30 500 ha Wald und Brachland gepflanzt worden (vgl. Sozialistische Demokratie vom 3.9.1971, S. 7 sowie Presse-Informationen, Nr. 132/1971, S. 8.) 500 Vgl. Hans Reichelt: Die wirtschaftliche Verwendung des Wassers - ein Beitrag zu höherer Effektivität der Volkswirtschaft. In: Die Wirtschaft, Nr. 1/1973, S. 4. 501 In der Zeit von 1945 bis 1970 wurden in der DDR rund 80 Talsperren, Rückhaltebecken und andere Speicheranlagen mit einem Speicherraum von 460 Mill. 3 m gebaut. Dennoch ist die Wasserwirtschaft lange vernachlässigt geblieben, so daß ihr Anteil am Brutto-Anlagevermögen der Industrie in der Zeit von 1960 bis 1970 von 8,4 auf 7,5vH zurückfiel (vgl. Statistisches Jahrbuch der DDR 1972, S. 49).
218
84vH (1975) zu erhöhen und insbesondere dem dringlichen Problem der veralteten Abwassersysteme durch Erweiterung und Erneuerung bestehender Anlagen zu begegnen; 3) zur Minderung der Luftverunreinigung, die infolge der vielen nicht oder nur mit veralteten Reinigungsanlagen ausgerüsteten Industriebetriebe der DDR hoch ist, sollen wirksamere Abgasreinigungsverfahren entwickelt und vor allem in Ballungsgebieten eingesetzt werden: So ist vorgesehen, in entscheidenden Kombinaten und Betrieben die Luftverunreinigung um 40 bis 60vH zu senken 5 0 2 , insbesondere aber alle neu zu errichtenden Kraftwerke mit Entstaubungsanlagen - Mindestwirkungsgrad 99vH - auszustatten; 4) zur Bekämpfung des Lärms, zu der als erster Schritt die bereits durchgeführte Erfassung aller „Lärmarbeitsplätze" (Plätze mit einem Lärmpegel über dem kritischen Wert von 85 dB) durch Betriebsärzte gehörte, sollen in allen größeren Städten „Lärmkarten" als Voraussetzung für eine künftige schrittweise Lärmminderung erstellt werden; 5) der Verbesserung der Ablagerung, Beseitigung und Verwertung von Müll und Abprodukten sind zusätzliche Anstrengungen gewidmet: 100 Mill. Mark wurden für die Errichtung 51 neuer Anlagen der Mülldeponie (einschl. einer neuen Verbrennungsanlage mit Fernheizsystem in Ost-Berlin) sowie für 5 Anlagen der Müllkompostierung 503 vorgesehen. Für diese Maßnahmen - einschl. der Meliorationen - sollen insgesamt 7 Mrd. Mark aufgewendet werden. Dabei gilt 5 0 4 , daß auch in den Jahresplänen nicht nur sporadisch einige Umweltfragen angesprochen sondern jeweils ganze Schutzprogramme berücksichtigt werden sollen 5 0 5 . 502 Allein 1972 wurden für die chemische Industrie 270 Mill. Mark an Investitionen zur Verringerung der Luftverschmutzung geplant (vgl. Bauern-Echo vom 20.4.1972). 503 Von diesen sollen drei in den Bezirken Leipzig, Potsdam und Rostock entstehen; mit ihnen ist vorgesehen, aus je 140 000 t Müll 100 000 t Kompost zu erzeugen. 504 Vgl. Die Wirtschaft, Sonderbeilage zu Nr. 42/1972, S. 4. 505 Im Volkswirtschaftsplan 1973 waren für den Umweltschutz 860 Mill. Mark vorgesehen, wovon über zwei Drittel für die Reinhaltung von Wasser und Luft sowie die Lärmminderung in Industrie- und Produktionszentren aufgewendet werden sollten. In dieser Summe sind die Meliorationen nicht enthalten: 1972 wurden dafür 754 Mill. Mark aufgewandt, um 56 000 ha zusätzlich zu bewässern und 106 000 ha zu entwässern; 1973 wurden 67 000 ha Bodenfläche be- und 105 000 ha entwässert. Der Volkswirtschaftsplan 1974 sieht für die Verbesserung der Wasserversorgung Investitionen in Höhe von 575 Mill. Mark vor, um damit die Wasserwerkskapazitäten gegenüber 1973 um 5vH und die Kapazitäten der Kläranlagen um 4vH zu steigern. Insbesondere soll der Stauraum der Talsperren vor allem durch die Fertigstellung der Vorhaben in Gottleuba, Bautzen und Niemtsch-Koschen - um 100 Mill, m 3 erweitert werden. Daneben sind aber auch
219
Wenn auch in der DDR zum Umweltprogramm „normale" Maßnahmen u.a. Meliorationen, Vergrößerung der Wasserbereitstellungskapazitäten gerechnet werden, die nicht ausschließlich Umweltschutzfunktionen erfüllen, so sind doch die eingeleiteten Bemühungen (Gewinnung von Sekundärrohstoffen, Müllkompostierung, Lärmschutz) sowie die beginnende Zusammenarbeit innerhalb des RGW 506 beachtenswert. Bestimmungen allein sind jedoch keine Gewähr für ausreichenden Umweltschutz, wenn nicht ein entsprechender Fächer von Sanktionen ihre Einhaltung erzwingt. Über diesen Aspekt der Durchsetzung ist bisher nur wenig bekannt 5 0 7 . Allerdings wurden für die Luftverunreinigung Immissionsgrenzwerte - sowohl Kurzzeit- als auch Dauergrenzwerte - gesetzlich festgelegt 5 0 8 , bei deren Überschreitung ein sogenanntes Staub- und Abgasgeld erhoben wird; bei vorliegender Wasserverschmutzung ist Abwassergeld
Investitionsmaßnahmen zur Reinhaltung der Luft sowie zur Nutzbarmachung und Beseitigung von Abfallprodukten geplant. Für Meliorationen sind 1974 715 Mill. Mark vorgesehen, um Be- und Entwässerungsmaßnahmen für 170 000 ha durchzuführen. 506 So betreffen allein 37 von den 97 wissenschaftlich-technischen Forschungsaufgaben des Komplexprogramms den Umweltschutz, woran die DDR auch besonders beteiligt sein dürfte (vgl. Die Wirtschaft, Nr. 24/1972, S. 17). 507 Immerhin werden bei Überschreitungen vorgegebener Grenzwerte Gebühren erhoben: So z.B. beim Verkippen ölhaltiger Altemulsionen (über 50 mg öl je Liter Emulsion) bis zu 5 Mark je kg Altöl - das wären 585 000 Mark für 1300 m 3 / a anfallender Altemulsionen mit 10prozentigem ölgehalt (vgl. Die Wirtschaft, Nr. 29/1970, S. 10). Es wurde auch darüber berichtet, daß das Gelatinewerk Calbe, das MansfeldKombinat sowie.die Reichsbahndirektion Magdeburg im Jahre 1972 800 000 Mark Buße zahlen mußten, weil sie übermäßig stark verschmutzte Abwässer in die Saale geleitet hatten (vgl. Die Zeit vom 12.1.1973). 508 Vgl. GBl. der DDR, Teil 1/1973, S. 164 ff.
220
ζμ zahlen 509 . Die Betriebe sind zur laufenden Emissionsmessung verpflichtet, bei Unterlassung erfolgen durch die Bezirks-Hygieneinspektionen Kontrollmessungen (mit einem Versäumniszuschlag von 100% der Kosten) zu Lasten des Betriebes. Für außergewöhnliche Immissionssituationen sind von den Bezirks- und Kreis-Hygieneinspektionen unter Einbeziehung des Metereologischen Dienstes Alarmpläne, die die dann durchzuführenden Maßnahmen enthalten sollen, auszuarbeiten. Interessant ist auch die Verfügung, daß Investitionsvorhaben, die Auswirkungen auf die Immissionssituation haben können, eine Standortbestätigung und -genehmigung erst nach einer Stellungnahme durch die zuständige Hygieneinspektion erhalten dürfen 5 1 0 . Schließlich läßt sich Umweltschutz nicht mehr nur im nationalen Rahmen durchführen. Wirksame Lösungen der heutigen und künftigen Umweltprobleme erfordern umfassend internationale Zusammenarbeit - also auch mit westlichen Industriestaaten - , eine Intensivierung der Forschung, eine Umweltaspekte berücksichtigende regionale Investitionsstruktur vor allem aber umfangreichere finanzielle Mittel. Bei allem guten Willen dürfte für die Wirtschaftsführung der DDR vorerst der Einsatz aller verfügbaren Mittel für Produktionssteigerungen Vorrang haben - denn die Planziele bis 1975 sind hochgesteckt und nur unter Einsatz aller Reserven zu erreichen.
509
Das Staub- und Abgasgeld wird aus der Differenz zwischen der zulässigen und tatsächlichen Emission unter Berücksichtigung der Überschreitungsdauer nach folgender Formel berechnet: Staub- und Abgasgeld = (e-e z ) · η · f e = tatsächliche Emission ez = zulässige Emission η = Überschreitungsdauer f = Kostenfaktoren für toxische Stäube 0,25 M/kg nichttoxische silikogene Stäube 0,25 M/kg ^äureaerosole (S0 3 , HCl) 0,25 M/kg öl- und Teernebel 0,20 M/kg Ruß 0,10 M/kg sonstige Stäube 0,05 M/kg *) Das Abwassergeld muß vom Verursacher der Verschmutzung entsprechend den in einer Kennzifferntabelle festgelegten Gebührensätzen (ζ. B. Sulfide und Schwefelwasserstoffe 75 Mark/kg (N), für freies Cyan 100 Mark/kg (N2)) gezahlt werden, wenn die zulässige Abwasserlast, die anhand vorgegebener Grenzwerte zu ermitteln ist, überschritten wurde. - Vgl. GBl. der DDR, Teil 11/1971, S. 25 ff. 510
Vgl. Erste Durchführungsbestimmung zur Fünften Durchführungsverordnung zum Landeskulturgesetz - Reinhaltung der Luft - Begrenzung und Überwachung der Immissionen und Emissionen (Luftverunreinigungen). In: GBl. der DDR, Teil 1/1973, S. 162 ff.
221
219 Aussfichten Mit dem Beschluß des VIII. Parteitages der SED (Juni 1971) war den zentralen Wirtschaftsorganen der DDR die „Direktive zum Fünfjahrplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft 1971 bis 1975" erteilt worden, als Gesetz 511 wurde er - mit mehreren Korrekturen - im Dezember 1971 von der Volkskammer der DDR verabschiedet. Seine Ziele, zunächst auf Konsolidierung der Wirtschaft gerichtet, sahen einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung für 1973 vor 5 1 2 . Die wirtschaftlichen Ergebnisse der Jahre 1971 bis 1973 scheinen die Realitätsnähe dieses Fünfjahrplans zu bestätigen. Ohne Zweifel hat die erwünschte Konsolidierung in den Jahren 1971/73 Fortschritte gemacht. In allen drei Jahren waren die Winter mild, konnte der Ausbau der Energiewirtschaft ohne nennenswerte Störungen vorangetrieben werden, ohne daß durch extreme Kälte zusätzlicher Bedarf entstanden wäre. 1972 gelang es durch Überstunden und Feiertagsarbeit, eine kalenderbedingte Verringerung des Arbeitsvolumens auszugleichen und die Produktionspläne - bei z.T. zu hohen Produktionskosten und zunehmenden Qualitätsmängeln - überzuerfüllen. Somit nâhm die Produktionsentwicklung bereits Ende 1972 den Aufschwung vorweg, der von der DDR-Führung als Ergebnis der Beschlüsse des VIII. Parteitages der SED und der ihnen folgenden Maßnahmen erst für später erwartet wurde. Diese günstigen Ergebnisse veranlaßten die DDR-Wirtschaftsführung, auch die Ziele für 1973 hoch zu setzen. Allerdings ließ eine Konsistenzanalyse der Planziele für 1973 Zweifel aufkommen: Insgesamt gesehen erschienen die von der Güterverwendung an die Produktion gestellten Ansprüche zu hoch, als daß sie hätten erfüllt werden können. Als Erklärung für eine derartige Datenkonstellation bot sich somit - volle Bilanzierung des Plans unterstellt an, daß die Wirtschaftsführung der DDR für 1973 einen Importüberschuß erwartete. Die Annahme einer konsistenten Planung in der DDR erwies sich jedoch inzwischen als irrig. Denn schon im Frühsommer 1973 räumte die Wirtschaftsführung ein, daß der Plan für 1973 nicht voll bilanziert und zu Jahresbeginn eine „Planlücke" vorhanden war. Mit einer auf Mobilisierung aller Leistungsreserven gerichteten Kampagne hatte deshalb die Wirtschaftsführung versucht, die Betriebe zu Planüberbietungen zu bewegen. Die industrielle Arbeitsproduktivität (Plan: + 5,7vH) sollte um mindestens 1vH übertroffen und die Industrieproduktion dadurch um 8vH gesteigert werden. 511
Vgl. GBl. der DDR, Teil 1/1971, S. 175. Vgl. Anhaltende Konsolidierungsbemühungen. Die Lage der DDR-Wirtschaft im Sommer 1972 u n d Forcierte Wachstumsbemühungen. Bearb.: Peter Mitzscherling. In: Wochenbericht des DIW. Nr. 5-6/1972, 36/1972 und 5/1973. 512
222
Planziele der DDR-Wirtschaft bis 1975 Zuwachs gegenüber 1970 in vH
1970
71
72
73
IL
75 DIW 74
223
Tabelle 30/31 Indikatoren der Wirtschaftsentwicklung In der DDR - Realer Zuwachs in vH — 1966 bis 1970
1971 bis 1975
Ist
Plan
Gesamtzuwachs
Bau Wirtschaft, Bauproduktion Bauindustrie, Arbeitsproduktivität
. . . .
durchschnitt!. Jahres; Zuwachs
Gesamtzuwachs
29
5.3
27
37 32 5)39
6.5 5.7 6.8
34 35 (34-36)
6.0 6,2 (6.0-6.4)
e
8.2 3.1
6 ) 27 (21-24)
4.9 (3.9-4,4)
15.1 10,9 2.7
Produziertes Nationaleinkommen Industrie Warenproduktion Arbeitsproduktivität!) dar.: Baumaterialien, Bruttoproduktion
durchschnittl. Jahreszuwachs
)48 16
Landwirtschaft Staatliches Aufkommen an Schlachtvieh Milch Eiern
20,3 14.0 20,5
3.8 2.7 3.8
Verkehr Gütertransportleistung Gütertransportmenge
62.9 19.9
10.2 4.0
Brutto-Anlageinvestitionen2)
60
9.9
Konsumtion
25
4.7
Einzelhandelsumsatz, gesamts) Nahrungs- und GenuBmittels) Industriewarens)
25 24 27
4.6 4.4 4.5
Außenhandelsumsatz*«) Ausfuhr Einfuhr
60 49 73
9.9 8.3 11.5
(60-70)
Nettogeideinnahmen
22
4.0
21,5
7 8
4.9
2,9 2.1 0.5
23 ) 14
7
4.2 ) 2,7
) 16
3.0
23
4.2
9)22 ) 16 10)30
4.1 3.0 5.4
,0
u
)(9,9—11,2) 4.0
i) Bruttoproduktion je Arbeiter und Angesteliten (ohne Lehrlinge). - 2) Ohne Generalreparaturen. — 3) Zuwachs zu jeweiligen Preisen. — 4) Gesamteinfuhr und Gesamtausfuhr, einschl. Innerdeutscher Handel ohne Dienstleistungen; iri Valutamark zu jeweiligen Preisen. s) Bruttoproduktion der Erzeugnishauptgruppe „Baumaterialien". — β) Bau- und Montageproduktion, einschl. des seit 1968 im Bauvolumen enthaltenen Leistungswertes des Stahlund Metalleichtbaus usw. in Höhe von jährlich 750 Mill. Mark. - 7) Materialien des VIII. Parteitags der SED (Neues Deutschland vom 19. 6. 1971). - 8) Für den Zeitraum von 1971 bis 1975 ist ein Investitionsvolumen von insgesamt 175 Mrd. Mark (einschl. Investitionsbeteiligungen) angesetzt worden. Das entspricht einem Zuwachs gegenüber dem Planjahrfünft 1966 bis 1970 von 29 vH. Der Gesamtzuwachs gegenüber 1970 sowie der jährliche durchschnittliche Zuwachs für die Jahre 1974 und 1975 wurde geschätzt. - ») Warenfonds für die Bevölkerung. - 10) Warenfonds, Warenbereitstellung einschl. Bestandserhöhungen im Konsumgüterhandel. - li) Nur sozialistische Länder. - 12) Geschätzt. - i3) Basis Warenproduktion. - 14) Warenproduktion. - i5) Bauaufkommen. - ιβ) Diese Zuwachsraten errechnen sich aus dem für 1972 festgelegten mengenmäßigen Aufkommen bezogen auf das Ist-Ergebnis 1971. Die „echten Planzuwächse" sind mit 2,4 vH bzw. 0 vH angesetzt. - 17)' Vgl. Sozialistische Demokratie, Beilage zur Ausgabe 52/71, S. 7. Zahlen in Klammern = Planansätze aus der Direktive des Vili. Parteitags; sie sind im „Gesetz über den Fünfjahrplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR 1971 bis 1975" nicht mehr enthalten.
224
- Realer Zuwachs gegenüber dem Vorjahr in vH 1971 bis 1975 Plan
Ist
Ist 1972
1971
4,5
Plan 1973
1974*)
1975*)
4,6
5.8
5.7
5,1
5.5
5,5 5,4 5) 6,1
13)
5.5 5.0
7,2 12) 4,5 14) 3,5
6.5 13) 5.7 14) 8,1
6.6 13) 7.1
6,3 13) 7.4
e
15)
3.5
β) 6.4 4.0
1«) 7,6
«) 6,3
β) 6.0
3.2 1.3 3,6
16 2.2 ιβ) -0.4
8.8 6.1 0.2
0,9 -3,3 0,1
0,7 3,3 -0,6
0,7 3.3 -0,6
4.7 5.5
17)
6,3
0.4 3.8
17) 4.5
3.4
2.5
12
) 5,5 5,0
0.6
2,0
3.9
9.0
1,3
1.3
) 4.5
4.5
5,9
4.0*
4.0
4,0
3.9 2.9 '5,1
4.0 3.8 4.3
6.0 4.1 8.3
6.2 4.2 8.7
2,1
2,1
6.7 10.8 2.8
12.5 11.5 13.5
10.8 12,2 9.2
14,0
3,4
3,9
6.1
5.3
2,5
2,5
*) = Fünfjahrplan-Zahlen. Kursiv gesetzte Zahlen = jährlicher durchschnittlicher Zuwachs, der nach Berücksichtigung der Ergebnisse für 1971 und 1972, der Planansätze für 1973 sowie der Fünfjahrplanziele für die restlichen Jahre verbleibt. Quellen: Volkswirtschaftspläne, Planerfüllungsberichte, Statistische Jahrbücher der DDR, Materialien des VIII. Parteitags der SED (Neues Deutschland vom 19. 6. 1971), Gesetz zum Fünfjahrplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR 1971 bis 1975; in: GBl. 1/1971, Nr. 10, vom 20.12.1971; Volkswirtschaftsplan 1972: GBl. d. DDR, Teil iyl971, Nr. 11 vom 24.12.1971; Durchführung des Volkswirtschaftsplanes 1971: Neues Deutschland vom 14.1.1972, S. 3-4; Volkswirtschaftsplan 1973: GBl. d. DDR, Teil I/I972, Nr. 20 vom 20. 12. 1972; Durchführung des Volkswirtschaftsplanes 1972: Neues Deutschland vom 19. 1. 1973, S. 3-4.
225
Dieses Vorhaben ist nicht ganz gelungen: Das produzierte Nationaleinkommen stieg um 5,5vH. Es blieb damit nur geringfügig unter dem Planzuwachs und erreicht mit über 126 Mrd. Mark eine Größe, die den ursprünglichen Erwartungen entsprochen haben dürfte 5 1 3 . Wenn dieses Ergebnis die DDR-Führung dennoch nicht befriedigen wird, so deshalb, weil die Industrie nach einem sehr guten ersten Halbjahr zunehmend mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Der für 1973 ausgewiesene Produktionszuwachs von 6,8vH bedeutet nicht nur eine Verlangsamung des Wachstumstempos gegenüber dem Jahr 1972, sondern kann wohl nur mit Abschwächung oder gar Rückgang der Erzeugung im letzten Vierteljahr erklärt werden. Diese Entwicklung ist vor allem deshalb besonders bedenklich, weil sie auf Störungen in den als Produzent von Rationalisierungsund von Exportgütern wichtigen metallverarbeitenden Industrien (Elektrotechnik/Elektronik, Maschinen- und Fahrzeugbau) zurückzuführen sein dürfte. Daß sich die Schwierigkeiten auf wenige Schlüsselindustrien konzentrieren, wird auch dadurch bestätigt, daß die Arbeitsproduktivität der Industrie mit einem Zuwachs von 5,8vH den Planansatz ( + 5,7vH) nur geringfügig übertraf, obwohl drei Viertel der zentralgeleiteten Industriebetriebe die Produktivitätsvorgaben um ein Prozent oder mehr überboten haben sollten. Zwar stieg die Produktion dank günstiger Witterung während des ganzen Jahres und einer durch viele Überstunden gekennzeichneten Leistungsbereitschaft der Arbeitenden zunächst recht kontinuierlich. Auch konnten der spezifische Materialverbrauch um 3vH gesenkt und die Rentabilität der Betriebe verbessert werden. Die Abschwächung zum Jahresende macht jedoch deutlich, daß erneut erhebliche Schwierigkeiten aufgetreten sein müssen: - Trotz einiger Verbesserungen reichen die Zulieferungen nicht immer für die geplante Endproduktion; - der Werkzeugmaschinenbau, gefragt als Erzeuger von Exportgütern und Rationalisierungsmitteln, ist zunehmend überfordert; - neue Anlagen, z.B. der chemischen Industrie und der Leichtindustrie, erbringen nicht die erwartete Leistung, zum Teil bedingt durch verzögerte Fertigstellung, die auch auf unzureichende Investitionsvorbereitung zurückzuführen ist; - die Auslastung der Kapazitäten wird durch Schwierigkeiten der Rohstoff· und Materialbeschaffung, durch technisch bedingte Störungen und fehlende Arbeitskräfte negativ beeinflußt; 513 Bei der Planaufstellung für 1973 hatte die DDR-Führung noch angenommen, daß das produzierte Nationaleinkommen 1972 rd. 119 Mrd. M erreichen würde; tatsächlich aber stieg es auf über 120 Mrd. Mark.
226
- das durchschnittliche Qualitätsniveau der Produktion geht zurück, die Kosten für Ausschuß und Nacharbeit sind hoch; - die Überleitung neuentwickelter Erzeugnisse bzw. Verfahren in die Produktion bleibt zurück; - Konsumgüter werden häufig am Bedarf vorbei produziert (vor allem im Bereich der Oberbekleidung) und sind nicht absetzbar. Ursache hierfür sind zu geringe Anpassungsmöglichkeiten der Produzenten und Materiallieferanten an Bedarfswandlungen und unzureichende Stimulierung zu Sortimentsumstellungen. Von diesen Schwierigkeiten dürften auch jene Störungen ausgelöst worden sein, die schon im letzten Quartal 1973 zu einer deutlichen Wachstumsabschwächung geführt haben. Daß sie auch 1974 Gewicht haben werden, ist sehr wahrscheinlich. Die für 1974 bekanntgegebenen Ziele sind erneut hoch gesteckt. So ist das Wachstumsziel (produziertes Nationaleinkommen: + 5,4vH) nur mit einer abermals beträchtlichen Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität - ausgehend von einem ohnehin schon hohen Leistungsniveau - zu erreichen. Von den Arbeitern und Angestellten wird erwartet, daß sie aus Anlaß des 25. Jahres des Bestehens der DDR zu neuen Wettbewerbsverpflichtungen, zu Planüberbietungen und mithin auch zu Überstunden bereit sind. Basierend auf einen FDGB-Beschluß, zu Ehren des 25. Jahrestages mit Hilfe „sozialistischen Wettbewerbs" mindestens ein Prozent Waren über den Plan hinaus zu produzieren, wurden neue „Regelungen für die Arbeit mit dem Gegenplan" beschlossen. Danach werden mit der Herausgabe der staatlichen Planauflagen zum Volkswirtschaftsplan 1974 den Betrieben inhaltliche Orientierungsziele für die Ausarbeitung der Gegenpläne übergeben, die persönlich von den Leitern der Betriebe und Kombinate den Arbeitern und Angestellten zu begründen sind 5 1 4 .
514
Im Jahre 1973 waren viele der Gegenpläne nicht ausreichend bilanziert und haben zu Störungen in der Materialversorgung geführt. Mit der Abstimmung von Gegenplänen und Staatsplanaufgaben wird versucht, die aus höheren Produktionsverpflichtungen notwendig werdenden Zulieferungen in die Materialbilanzen aufzunehmen. Den Betrieben wurde als Schlußtermin der Zusatzbilanzierung der 5. März 1974 vorgegeben (vgl. Anordnung zu den Regelungen für die Arbeit mit Gegenplänen in den Betrieben und Kombinaten zur Erfüllung und Überbietung des Volkswirtschaftsplanes 1974. In: GBl. der DDR, Teil 1/1974, S. 1 ff.). Der Erfolg dieser Bemühungen dürfte jedoch begrenzt sein: Schon während der Ausarbeitung des „normalen" Plans für 1974 hielten manche Betriebe Reserven für den kommenden Gegenplan zurück. (Vgl.: Die Wirtschaft, Nr. 48/1973, S. 10).
227
Offenbar ist sich die DDR-Führung bewußt, daß trotz der günstigen Wirkungen gleichbleibenden "Wirtschaftswachstums und steigenden Lebensstandards eine Frage zunehmend in den Vordergrund tritt und Antwort verlangt - die nach den Grenzen der Belastbarkeit einer ohnehin hart arbeitenden Bevölkerung! Gleichzeitig steht die Wirtschaftsführung vor dem äußerst schwierigen Problem, die strukturellen Schwächen der Wirtschaft rasch überwinden zu müssen und zudem eine stärker konsumorientierte Güterverwendung nicht nur kurzfristig zu ermöglichen, sondern auch längerfristig durch ein ausgewogenes Produktionswachstum zu sichern. Der Weg zu einer Lösung, - durch einen Korrekturmechanismus die Informationsfunktion der Preise wieder herzustellen, - den betrieblichen Entscheidungsspielraum zu erweitern und - vorrangig ökonomische Stimuli einzusetzen, wird aber nicht für gangbar gehalten. Sorgen bereitet außerdem, daß - sich das Defizit im Handel mit den westlichen Industrieländern 1972 abermals um 2 Mrd. VM auf 4,5 Mrd. VM seit 1970 erhöht hat und 1973 weiter gestiegen sein dürfte, - größere Materialreserven fehlen 5 1 5 , - Arbeitskraftreserven nicht mehr verfügbar sind und der notwendige Ausbau des tertiären Sektors grundsätzlich nur durch Freisetzung von Arbeitskräften aus den produzierenden Bereichen und dem Berufsnachwuchs erfolgen kann, - eine mögliche Substitution von Arbeitskräften in den produzierenden Bereichen durch vermehrten Einsatz von Kapital nur in geringem Maße möglich ist, weil die Investitionsmöglichkeiten bei einer anhaltenden Bevorzugung des Konsum begrenzt sind und sich die Investitionen zudem über Jahre hinweg auf die Beseitigung der entstandenen Disproportionen und den Ausbau der Infrastruktur konzentrieren müssen, - völlig unklar ist, wie mit dem gegenwärtigen Planungs- und Leitungssystem die von der Zentrale geplanten Grundproportionen der Volkswirtschaft mit den sich quantitativ und qualitativ wandelnden Bedürfnissen der Bevölkerung in Übereinstimmung gebracht werden können.
515 Vgl. A. Ackermann: „. . . was würde es für die ökonomischen Wachstumsraten, besonders für die Arbeitsproduktivität, bedeuten, wenn für die Betriebe beim Produktionsmittelhandel auf Abruf hin Material nach Menge und Sortiment für die geplante Produktion bereitstehen würde und durch lückenlose Vertragserfüllung alle anderen Zulieferungen nach Zeit, Menge, Sortiment und Qualität gewährleistet werden! . . . Reserven bedeuten . . . Tempogewinn". In: Neues Deutschland vom 16.12.1972, S. 3.
228
Zwar mag der erneut milde Winter 1973/74 eine abermals günstige Entwicklung für 1974 eingeleitet haben. Auch dürfte die Leistungsbereitschaft der Arbeitenden mit der Einsicht steigen, daß die Bemühungen der Wirtschaftsführung um eine spürbare und anhaltende Verbesserung ihres Lebensstandards ernsthaft und zudem „die Resultate der Arbeit nicht übermorgen, sondern schon heute und morgen im eigenen Alltag wiederzufinden" 5 1 6 sind. Eine Produktivitätssteigerung, wie auch für 1974 und die folgenden Jahre geplant, erfordert jedoch, daß außerdem die materiellen Grundlagen (Rohstoffe und Zwischenprodukte) und Rahmenbedingungen (z.B. Energieangebot, Verkehrseinrichtungen) für eine Beibehaltung des Wachstumstempos gegeben sind.
22 Einkommen und privater Verbrauch Der Einfluß des Staates auf die Einkommensverteilung ist in der Planwirtschaft der DDR stärker als im marktwirtschaftlichen System der Bundesrepublik, wenn auch weniger wirksam als beabsichtigt 517 (vgl. 126). Die staatliche Einkommenspolitik hat Fehlentwicklung nicht verhindern und sie - wenn als Politikum zu werten - mehrfach nur durch drastische Eingriffe korrigieren können. Einer der letzten und einschneidendsten erfolgte im ersten Halbjahr 1972: Die Übernahme fast aller halbstaatlichen und privaten Industriebetriebe sowie der industriell produzierenden Produktionsgenossenschaften des Handwerks durch den Staat. Wesentlicher Grund der letzten Sozialisierungswelle dürfte gewesen sein, daß auch in der DDR die Selbständigen bisher die höchsten Einkommen erzielten 518 , woran auch die schon zu Beginn des Jahres 1971 einge516
Vgl. Erich Honecker: Das Volk kann mit Zuversicht die Schwelle zum Jahr 1973 überschreiten. In: Neues Deutschland vom 8.12.1972, S. 3 f. 517 Begrenzt planbar ist Vor allem die u.a. vom Ernteergebnis abhängige Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft. Die Mitglieder der LPG werden an den Genossenschaftseinkünften nach den erreichten Arbeitseinheiten (AE) beteiligt; in diesen AE drücken sich sowohl der Umfang der Arbeitsleistung als auch die qualitative Anforderung der Arbeitsaufgabe aus. 518 Schon vor Jahren wurde diese Entwicklung kritisiert. So erklärte der Verbrauchsanalytiker Gerhard Reuscher nach einer Untersuchung der Bruttogeldeinnahmen im Bezirk Halle (1. Halbjahr 1966): „Während das Einkommen der K o m p l e m e n t ä r e , K o m m i s s i o n s h ä n d l e r und s o n s t i g e n S e l b s t ä n d i g e n das S e c h s f a c h e , das der I n t e l l i g e n z das 2,5 b i s 3 - f a c h e und das der H a n d w e r k e r das 1,5 - f a c h e des D u r c h s c h n i t t s e i n k o m m e n s der B e s c h ä f t i g t e n ( = 100) betrug und trotz geringer Reduzierung der Differenzierung noch beträgt, liegt das Einkommensniveau der A r b e i t e r u n d A n g e s t e l l t e n , das mit 89,5 Prozent im Jahre 1963 noch über dem der Bauern mit 61,4 Prozent lag, 1 9 6 6 mit 87,8 P r o z e n t
229
leiteten zusätzlichen steuerlichen Belastungen offenbar nicht allzuviel geändert hatten. Der allen sichtbare höhere Lebensstandard dieser kleinen Gruppe 5 1 9 dürfte zu allgemeiner Unzufriedenheit geführt haben - ein Politikum angesichts der auf dem VIII. SED-Parteitag verkündeten Absicht auf Förderung der Arbeiterklassen. Wenn auch die Einkommensrestriktionen und Sozialisierungskampagne nicht auf die Dienstleistungs- und Reparaturbetriebe ausgedehnt wurden, um das Ziel „Verbesserung des Angebots von Reparaturen und Dienstleistungen" nicht zu gefährden, so wird sich doch die Einkommenssituation der verbliebenen Selbständigen in der DDR künftig sicher verschlechtern. Von anderen Maßnahmen der Einkommensumverteilung wurden 1972 vor allem die Rentner begünstigt. Die beschlossenen sozialpolitischen Maßnahmen 520 sind im wesentlichen darauf gerichtet, die Einkommenssituation der Rentner in der DDR zu verbessern, die berufliche Tätigkeit der Mütter zu erleichtern sowie die Geburtenzahl, die schon seit einigen Jahren rückläufig ist, durch gezielte Regelungen - z.B. die Förderung junger Ehen (u.a. zinslose Kredite, erhöhte Geburtenbeihilfen)-zu steigern; hinzu kommen Mietsenkungen in Neubauwohnungen für Arbeiter, Angestellte und Genossenschaftsbauern, wenn das Familieneinkommen unter 2000 Mark monatlich liegt. Ein statistischer Beleg dieser Umverteilungseffekte wird, wenn überhaupt, erst in späterer Zeit gefunden werden können; denn noch immer wird die Analyse von Verteilung und Entwicklung der Einkommen in der DDR infolge unzureichenden statistischen Materials erheblich erschwert 521 .
a m S c h I u ß zusammen mit 89,8 P r o z e n t d e r B a u e r n . Ohne hier auf die z.T. objektiv bedingten Ursachen eingehen zu wollen, muß doch gesagt werden, daß die Arbeiterklasse die erste und einzige herrschende Klasse ist, die für sich keine besonderen Privilegien bei der Verteilung beansprucht, die aber mit vollem Recht für einen der Leistung entsprechenden Anteil am gesellschaftlichen Reichtum eintritt". (Gerhard Reuscher: Untersuchung zur langfristigen territorialen Bilanzierung und Modellierung des Verbrauchs der Bevölkerung, Habilitationsschrift, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 1966, S. 11 f.). 519 Hierbei ist zu erwähnen, daß Selbständige zu höherem Konsum schon durch die nur beschränkten Investitionsmöglichkeiten angeregt wurden. 520 Vgl. Die Lage der DDR-Wirtschaft im Sommer 1972. Bearb.: Peter Mitzscherling. In: Wochenbericht des DIW. Nr. 36/1972, S. 317 f. 521 Zur Problematik und Methode der Einkommensanalyse vgl. Materialien 1971, a.a.O., Anhang zu Kap. V.
230
231
1965
1966
71,3
74,3
77,0
E i n k o m m e n
1964
79,9
1967
83,8
1968
87,8
1969
90,7
1971 1972
94,5 99,3
1970
^J
^8
1,5
61,4
1,5
60,1
6,6 2.5
57,1
6,6 2.5 54,5
61,2
2.6
58,6
62,0
2.7
59,3
65,1
2.7
62,4
70,2
2.7
67,5
72,6
2.7
69,9
76,0
2.6
73,4
V e r w e n d u n g
67,9
2.6
65,3
79,4
2.4
77,0
81,8
2.3
79,5
84,1
2.2
81,9
88,7
2.0
86,7
61,2
2J
1,5
57,6
6,9 2.6
7,5 2.6
67,9
70,2
1,8
72,6
76,0
1,9
68,9
8,1 2.6
4.6
1,9
66,1
7,8 2.7
4.5
7,6 2.7 63,9
4.8
1,6
61,5
1,5
65,1
2^7 62,0
7,3 2.7
59,5
1,5
57,8
6,9 2.7
79,4
5.2
1,9
72,0
8,4 2.4
81,8
5.5
1,9
75,2
8,7 2.3
84,1
4.3 5 . 4
1,9
81,4
9,5 2.0
88,7
4.7
2,0
77,8
9,1 2.2
43,2 45,8 45,9 46,1 46,7 49,5 51,7 53,7 56,4 59,4 62,4 64,8 68,3 2,2 2,2 2,2 2,1 1,9 1,9 1,9 1,9 1,8 1,8 1,8 1,7 1,6
61,4
2.5
58,9
Quellen: Berechnungen des DIW, Berlin.
1)Ab 1971 nicht mehr voll mit den Nettogeideinnahmen der amtlichen DDR-Statistik vergleichbar, die Beiträge zur freiwilligen Zueatzrentenversicherung enthalten. Da die freiwillige Zusatzrentenversicherung aber den Charakter einer Pflichtversicherung hat, werden ihre Beiträge (1971: 0,3 Mrd.Mark; 1972: 0,4 Mrd.Mark) vom DIW den Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung zugerechnet und von den amtlich ausgewiesenen Nettogeideinnahmen abgesetzt.-2)Werkküchenessen u.ä., Schul- und Kinderepeisung, Ab-Hof-Verkäufe.-3)Handwerksleistungen, Verkehrs- und Bestleistungen, Mieten, Strom, Gas und Wasser, Bildung, Unterhaltung, Reiseausgaben und Auegaben für sonstige Dienstleistungen.-^(Gebühren, Zinsen, Beiträge für private Versicherungen, Lotterien, sonstige Steuern.
Nettoeinkommen
Ersparnisse
Übrige Ausgaben4^
Privater Verbrauch
Bezahlung von Leistmngen ^ Naturalverbrauch
3
2.5 60,1
Warenkäufe im Einzelhandel 2) außerhalb des Einzelhandels*1'
Nettoeinkommen
Natural verbrauch
57,6
67,8
1963
Nettogeideinnahmen1 *
67,0
1962
3,7 3,8 3,8 3,9 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 5,2 5,4 4.2 4.6 4.6 4.6 4.9 4.9 5.3 5*7 6.0 6.3 6.6 7,4 7.2
67,3
1961
./. S ο ζ ial ver s i che rung sb e i träge Direkte Steuern
65,5
1960
- in Mrd. Mark -
Die Einkommen der Privaten Hauehalte und Ihre Verwendung In der DDR 1960 bis 1972
Brutto-Geldeinnahmen der Bevölkerung
Tabelle 32
221 Einkommen und Einkommensverteilung Über die schon in den „Materialien 1971" veröffentlichten Daten über die „ E i n k o m m e n der DDR-Bevölkerung n a c h sozioökonom i s c h e n G r u p p e n im Jahre 1965" hinaus sind keine weiteren Einzelheiten veröffentlicht worden. Für 1965 war festzustellen, daß auch in der DDR die Selbständigen zu den Höchstverdienenden zählen. Eine sich auf verschiedene Einzeldaten stützende Schätzung zeigt, daß sich an dieser Spitzenstellung nichts wesentliches geändert hat.
T a b e l l e 33 D i e m o n a t l i c h e n Nettodurchschnittseinkommen j e Einkommensb e z i e h e r i n d e r DDR nach sozio-ökonomischen Gruppen
1965
1970
1972
i n Mark Arbeiter,
Angestellte
und L e h r l i n g e ^ S e l b s t ä n d i g e und Genos-
Einschließl.
i n vH
554
663
720
+ 30,0
1010
1095
1145
+ 13,4
161
194
221
+ 37,3
senschaftsmitglieder Rentner
Veränderung 1972 : 1965
beschäftigte
R e n t n e r . - Berechnung des DIW
Allerdings stiegen die durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen rascher, noch stärker sogar die Durchschnittseinkommen der Rentner Folge der Rentenerhöhungen von 1968 und der höheren Neurenten. Dennoch erreichte nach dieser Berechnung auch 1972 in der DDR ein Rentner nur etwas mehr als 30vH eines Arbeitnehmernettoeinkommens 522 . Die D u r c h s c h n i t t s e i n k o m m e n d e r A r b e i t n e h m e r der DDR erhöhten sich von 1960 bis 1972 durchschnittlich um 3,3vH netto, sie lagen 1972 mit 752 M (brutto) und 720 Mark (netto) um 53vH bzw. 49vH über den Einkünften von 1960. Die höhere Steigerung in den letzten Jahreri*hat 522 Durch die Rentenerhöhungen von 1971/72 ist das durchschnittliche Renteneinkommen Ende 1972 auf ca. 246 Mark gestiegen und hat damit 34vH des Durchschnittsnettoeinkommens eines Arbeitnehmers (1972: ca. 720 Mark) erreicht. Diese Relation wird sich jedoch infolge der in der DDR nicht praktizierten Rentendynamisierung wieder verschlechtern.
232
dabei zu einer relativ stärkeren steuerlichen Belastung geführt, die nur z.T. durch die unterdurchschnittlich steigenden Sozialversicherungsbeiträge ausgeglichen wird: Wie in der Bundesrepublik werden auch in der DDR zunehmend die Nettoarbeitnehmereinkommen geringer als die Bruttoeinkommen zunehmen. Im Vergleich zur Bundesrepublik hat sich der Abstand der nominalen verfügbaren Nettoeinkommen der Arbeiter und Angestellten in der DDR seit 1969 weiter vergrößert: Mit monatlich 720 Mark erhielt der DDR-Arbeitnehmer 1972 rund 450 Mark (38vH) weniger als sein westdeutscher Kollege (1969: 27vH). Die höchsten Bruttoverdienste (nach W i r t s c h a f t s b e r e i c h e n ) werden, wie schon in den letzten Jahren, in der Bau Wirtschaft, im Verkehr und der Industrie bezogen, die niedrigsten im Post- und Fernmeldewesen und im Handel. Hier erreichte 1972 das durchschnittliche monatliche BruttoArbeitseinkommen der vollbeschäftigten Arbeiter und Angestellten in den VEB rund 700 Mark und lag damit um 114 Mark (13,9vH) unter dem Gesamtdurchschnitt, der demgegenüber von der Bauindustrie nur um 54 Mark (6,6vH) übertroffen wurde. Die Verteilung nach Bereichen zeigt somit in der DDR trotz vergleichsweise geringerer Mobilitätsmöglichkeit (Wohnungsproblem!) und eines größeren Unterschieds von Tarif- zu Effektivlohn eine geringere Einkommensdifferenzierung als in der Bundesrepublik, wo 1971 zwar Bau und Industrie mit + 11,7vH und. + 5,7vH ähnliche Relationen zum Gesamtdurchschnitt aufwiesen, Handel ( - 20,8vH) und Landwirtschaft (— 37vH) jedoch deutlich zurückfielen. In der Regel verändern Miterwerb oder Einkommensbezug weiterer Familienmitglieder das Bild der in den Haushalten verfügbaren Einkommen gegenüber der personellen Einkommensverteilung. Doch trotz erheblich höherer Frauenerwerbsquote (Anteil der Familienhaushalte von Arbeitern und Angestellten mit berufstätiger Ehefrau - 1967: 74,2vH; 1970: 80,7vH) blieb die Steigerung der durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen von 1967 bis 1972 ( + 23,5vH) nur geringfügig hinter der Zunahme der durchschnittlichen N e t t o e i n k o m m e n i n A r b e i t n e h m e r h a u s h a l t e η ( + 27,0vH) zurück. Die Ursache ist darin zu sehen, daß drei Viertel der mitarbeitenden Frauen nur eine Teilzeitbeschäftigung und offenbar Tätigkeiten aufgenommen haben, die relativ schlecht entlohnt werden. Die durchschnittlichen Nettohaushaltseinkommen der Arbeiter und Angestellten in der DDR haben 1972 1 142 M erreicht (Bundesrepublik: 1972 1 9Ò9 DM). Die Entwicklung der Verteilung der Nettohaushaltseinkommen der Arbeiter und Angestellten nach der H a u s h a l t s g r o ß e läßt seit 1960 233
234
3
3,1
3,2 2,5
3,2 2,8
3,2 2,9
3,3 3,0
3,4 3,3
3,5 3,6
3,6 4,0
3,7 4,4
3,9 4,8
4,2 5,3
1,2
3,4 1,3
3,5 1,4
3,5 1,4
3,6 1,5
3,7
1,7
3,7
1,9
3,8
1,9
4,0
1,9
4,2
1,8
4,3
1,8
4,4
1,9
4,7
40,4 42,1 41,5 43,1 44,8 46,8 48,5 50,5 53,4 56,4 59,1 62,1 66,5
1,1
3,4
35,9 37,5 36,7 38,2 39,8 41,6 43,1 44,8 47,5 50,3 53,0 55,9 59,9
2,3
Quellen; Berechnungen des DIW, Berlin.
1^Vorläufige Zahlen.-2)Einschl. der an kranke Arbeitnehmer gezahlten Beträge sowie Prämien usw.3)Einschl. Naturaiverbrauch.
Gesamtes Nettoeinkommen
Sonstige Einnahmen ^
Sozialeinkommen
Nettolöhne u. -gehälter
2,3
4,3
3,1
2,1
·/. Sozialversicherungsbeiträge,
Lohnsteuern
41,4 42,9 42,2 43,9 45,8 47,8 49,5 51,6 54,7 58,0 61,3 64,9 69,5
1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968-1969 1970 1971 tl97213
in Mrd. Mark
Die Entwicklung der Arbeitnehmereinkommen In der DDR 1960 bis 1972
Bruttolöhne u. -gehälter2^
Tabelle 34
235
4
485
16
17
42
459
30
38
17
43
474
32
38
18
44
492
34
38
544
554
527
534
506
518
42
441
499
14
41
450
505
13
41
431
27
38
515
567
20
44
503
36
39
565
583
22
44
517
39
40
579
610
22
46
542
42
40
640
21
48
571
45
663
20
48
595
49
57
21
51
690 720
20
49
621 648
53
Quellen: Berechnungen des DIW, Berlin.
47
720 752 46
688 44
658 42
625 41
596
1)Arbeiter und Angestellte einschl. Lehrlinge.-2)Vorläufige Zahlen.-3)Einschl. der von den Betrieben gezahlten Beträge an kranke Arbeitnehmer sowie Prämien usw.-4)Einschl. Naturalverbrauch.
Gesamtes Nettoeinkommen
Sonstige Einnahmen ^
Sozialeinkommen
Nettolöhne und -gehälter
27
37
25
./. Sozialversicherungsbeiträge*
Lohnsteuern
493
1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 19722)
Mark / Monat
Die Entwicklung der Einkommen je Arbeitnehmer1 in der DDR 1960 bis 1972
Bruttolöhne und -gehälter3^
Tabelle 35
236
762
792
820
1970
1971
19721)
826
798
770
736
680
656
613
571 600
874
852
833
805
724
686
639
475
762
743
710
686
627
573
509
896
840
806
773
710
672
629
487
706
685
668
642
574
536
506
Land-u.Forstwirtschaft
587
Bauindustrie
Quelle: Statistische» Jahrbuch der DDR 1973, S. 73.
1) Vorläufige Zahlen.
669
730
1967
640
1965
1969
558
598
1960
1963
Industrie
in Mark nach Wirtschaftsbereichen
Verkehr
Arbeiter und Angestellten in volkseigenen Betrieben der DDR
Durchsàhnlttlichee monatliches Arbeitseinkommen der vollbeschäftigten
Alle Bereiche
Tabelle 36
Handel
T a b e l l e 37
Durchschnittliches monatliches Haushaltsnettoeinkommen i n A r b e i t e r - und Angestelltenhaushalten der DDR nach, Haushaltsgrößen I960
1964
1970
1972
535 928 1 121
1 021
1967 i n Mark
1-Personen-Haushalte
417
435
486
2-Personen-Haushalte
665
3-Personen-Haushalte 4-Personen-Haushalte
839
731 894
813 988
961
5-und mehr-Pers.-Haush.
913 992
992
1 058 1 120
1 287
1 307 1 402
A l l e Haushalte
758
807
899
1 031
1 142
1 209
590 1 222
A l l e Haushalte « 100 1-Personen-Haushalte
55,0
2-Personen-Haushalte 87,7 3-Personen-Haushalte 110,7 120,4 4-Personen-Haushalte 5-und mehr-Pers.-Haush. 130,9
53,9 90,6 110,8 119,1 122,9
54,1 90,4 109,9 117,7 124,6
Q u e l l e : S t a t i s t i s c h e s Jahrbuch der DDR 1973.
51,9 90,0
51,7 89,4
108,7
107,0 114,4
117,3 124,8
122,8
S.342.
Nivellierungstendenzen erkennen, offensichtlich ebenfalls beeinflußt durch die steigende Zahl mitarbeitender Ehefrauen. Denn lediglich im Einpersonenhaushalt hat sich der relative Abstand des 1972 erzielten Einkommens gegenüber dem Gesamtdurchschnitt vergrößert, die absoluten Abstände haben dagegen in der Regel zugenommen. So blieb die Einkommenssteigerung in diesen Haushalten ( + 41VH) auch deutlich hinter denen der anderen Haushalte zurück (Zweipersonenhaushalte: + 54vH; alle Haushalte: + 51vH). Die Differenzierung der Haushalte nach E i n k o m m m e n s k l a s s e n bestätigt die generell vermutete Tendenz zur Einkommensnivellierung nur teilweise: Zwar hat sich der Anteil der Einkommensgruppen unter 800 Mark weiter verringert (1960: 59vH; 1967: 30vH; 1970: 29vH; 1972: 21vH), doch ist gleichzeitig der Anteil der Einkommensklassen über 1200 Mark seit 1967 rasch gestiegen - von 16vH auf 42vH. Die Ursache dieser überraschenden 237
Tabelle Das Nettoeinkommen d e r A r b e i t e r -
und A n g e s t e l l t e n h a u s h a l t e
I n d e r DDR nach H a u s h a l t s g r ö ß e n u n d Struktur
Einkommensklassen
invH
H a u s h a l t e nach Einkommensklassen
i n vH
Nettoeinkommensklasse i n Mark j e Monat Jahr
Insgesamt
unter 400
_
400 600
600800
I960 1964 1967 1970 1972
100 100 100 100 100
10, 4 8, 1 4,9 3,1 1, 3
. 23,8 20, 4 16, 0 11, 9 8, 5
25,2 23,6 19,1 14,3 11,5
I960 1964 1967 1970 1972
100 100 100 100 100
53, 8 47,1 31, ,5 20, ,3 1 0 , ,4
38,0 42, 7 50, 3 52, ,6 50, ,4
6,2 8,1 14,8 19,8 27,3
I960 1964 1967 1970 1972
100 100 100 100 100
9, ,0 5,,5 2,,2 1,»4 0,, 4
34,0 28, ,7 22, ,1 1 3 ,Λ 8 , ,3
30,3 29,5 26,7 22,6 17,9
8001000
10001200
Alle
Haushalte
21,9 24,4 24,1 19,0 14,7
10,8 13,8 19,8 22,0 21,8
12001500
Λ
. >
ü b e r 1500
5,6 6,8 1 1 , ,6 1 9 , ,2 1 9 , ,3
2,4 2,9 4,5 10,6 22,8
0, ,3 0, ,2 0, »3 0, ,8 o,,5
0,2 0,2 0,2 0,3 0,4
1,,7 2,.8 5,,5 12, .8 15, ,9
0,6 0,8 1,5 10,6
6,,6 8 , ,7 15, ,0 24,4 24, ,2
1,7 2,9 4,4 11,0 25,3
10, Λ 11, >8 17, »5 26, , 1 23, »9
4,5 6,0 8,5 17,7 33,1
1-Personen- H a u s h a l t e 1,3 1,3 2,3 5,0 8,4
0,2 0,5 0,4 1,1 2,6
2-Personen - H a u s h a l t e 18,8 23,7 26,7 24,6 22,0
5 6 9,0 15,2 21,1 24,8
3-Personen - H a u s h a l t e I960 1964 1967 1970 1972
100 100 100 100 100
1 ,9 0;,9 0 ,3 0 ,1 0 ,0
17, ,7 12, .8 7,,0 3,,6 1,,9
27,6 24,7 18,1 11,4 8,1
29,3 31,3 29,7 22,2 14,6
15,1 18,7 25,5 27,3 25,9
4-Personen-Haushalte I960 1964 1967 1970 1972
100 < 100 100 100 100
1 ,0 0 ,4 0 ,1 0,1
0 ,0
12, ,5 9,,7 4,, 2
1,,7 0,»6
25,8 22,9 15,1 8,5 5,5
28,6 29,2 27,1 18,6 12,6
17,2 19,9 27,5 27,2 24,2
5-und m e h r - P e r s o n e n - H a u s h a l t e 1960 1964 1967 1970 1972
100 100 100 100 100
0 ,5 0,3
9,, 8 6,8 2 ,2 0 ,8 0»2
25,0 23,6 13,9 6,5 3,3
24,4 28,1 23,3 15,1 10,4
16,8 20,7 26,7 24,8 19,4
1 ) 1 9 7 2 : 1200 b i s 1400 bzw. ü b e r 1400 M a r k . Quelle:
238
S t a t i s t i s c h e s Jahrbuch d e r DDR 1 9 7 3 ,
S.341.
14, , 1 13, »3 22, »5 29, ,3 23, »5
9,4 7,3 11,3 23,6 43,3
Λ )
T a b e l l e 39 R e l a t i v e V e r t e i l u n g der verfügbaren der A r b e i t e r -
Nettoeinkommen
und A n g e s t e l l t e n - H a u s h a l t e
i n d e r DDR nach Q u i n t i l e n
Haushaltsquintile
1960
( i n vH)
1967
1970
1972
1.
Quinti!
10,4
10,7
10,4
10,7
2.
Quinti1
15,3
15,9
15,8
16,2
3.
Quintil
19,2
20,0
19,8
19,7
4.
Quintil
23,4
22,9
23,3
22,8
5.
Quintil
31,7
30,5
30,7
30,6
Zusammen
100,0
100,0
100,0
100,0
Konzentrationskoeffizient
0,213
0,196
0,202
0,196
Q u e l l e : DIW,
Berlin.
Entwicklung liegt nicht in einer übermäßigen Expansion der höheren Arbeitseinkommen, sondern ist darin zu suchen, daß sich gerade in den höheren Einkommensklassen die Mitarbeit der Ehefrauen seit 1967 verstärkt hat: In den Haushalten mit monatlichen Nettoeinkünften des Ehemannes über 1000 Mark stieg sie bis 1970 von 56 auf 76vH! Diese interessante Entwicklung in den Einkommensgruppen mit dem bisher niedrigsten Anteil mitarbeitender Ehefrauen weist darauf hin, daß neben materiellen Erwägungen auch Motive sozialer Verpflichtung an Bedeutung gewonnen haben könnten. Die hieraus resultierende Unterbrechung des Trends zur Einkommensnivellierung zeigt sich in der relativen Verteilung der verfügbaren Nettoeinkommen der Arbeiter- und Angestelltenhaushalte nach Quintilen (Fünfteln): Die auch in der Lorenzkurve 523 zum Ausdruck kommende generelle Nivellierungstendenz hat sich zwischen 1967 und 1970 nicht fortgesetzt und hat einer Denivellierung in allen Quintilen Platz gemacht - der 523
Die Lorenzkurve ist Indikator für die Gleichmäßigkeit der Einkommensverteilung: Sie ist umso gleichmäßiger, je besser die Anteile der Haushalte und Einkommen einander entsprechen, d.h. je mehr sich die Kurve der Diagonalen im Schaubild nähert.
239
Relative Verteilung der verfügbaren Nettoeinkommen der Arbeiter- und Angestelltenhaushalte in der DDR
vH der Haushalte Konzentrationskoeffizient 1960= 0,213 1970 = 0.202 Quelle : DI W> Berlin.
240
Gini - Konzentrationskoeffizient, der als Flächenmaß die Einkommensungleichheit anzeigt, hat sich gegenüber 1967 wieder vergrößert! Die Berechnungen für 1972 zeigen dagegen wieder eine Zunahme der Nivellierung auf das Maß von 1967. Während Höhe und Verteilung der Einkünfte von Selbständigen mangels statistischer Angaben nicht analysiert werden konnten, wurde für den Z w e i p e r s o n e n - R e n t n e r h a u s h a l t ein monatliches Durchschnittseinkommen, das auch Einkünfte aus Erwerbstätigkeit einschließt, von 397 Mark im Jahre 1970 (1965: 324 M) ermittelt 5 2 4 . In der Bundesrepublik lag das Einkommen in gleichartigen Haushalten (ohne Erwerbseinkünfte) 1970 bei 929 DM (1965: 695 DM). Nach ersten Schätzungen dürfte das Rentnerhaushaltseinkommen in der DDR Ende 1972 - bedingt durch die Rentenerhöhungen - etwa 490 Mark erreicht haben (Bundesrepublik: 1120 DM). Die Relationen im Einkommen von DDR-Rentnern zu westdeutschen Rentnerhaushalten (43:100) haben sich somit nominal kaum verschoben. Die starken Preissteigerungen in der Bundesrepublik gerade in den letzten Jahren haben die Kaufkraft der Einkommen aber deutlich beeinträchtigt.
222 Preise und Kaufkraft 2221 Preise Die Kaufkraftrelation zwischen DM und M hat sich im Laufe der vergangenen drei Jahre merklich zugunsten der DDR verschoben 525 . Der wesentliche Grund dafür sind die erheblichen Preissteigerungen, die sich in der Bundesrepublik über nahezu die ganze Breite des Konsumgüterangebots vollzogen haben. Während die Preissteigerungen nach der Preisindexziffer für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in der Bundes524 Zur Methode vgl. Peter Mitzscherling: Soziale Sicherung in der DDR. Berlin 1968, S. 86. Dabei wurden folgende Annahmen getroffen, die sich im wesentlichen auf amtliche Daten stützen (1970): Einkommensübertragung an Rentner: 9,1 Mrd. M Erwerbseinkünfte von Rentner: 2,4 Mrd. M Sozialeinkommensbezieher und Beschäftigte im Rentenalter: 3.450.000 Verheiratete Altersrentner: 780.000 Rentnerehefrauen ohne eigene Einkünfte 200.000 Rentnerehefrauen mit eigener Rente (geschätzt: 160 M): 580.000 525 Vgl. Die Kosten der Lebenshaltung in der DDR im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland an der Jahreswende 1972/73. Bearb.: Charlotte OttoArnold. In: Wochenbericht des DIW. Nr. 21/1973.
241
republik in dem Dreijahresabschnitt 1966 bis 1969 rund 6vH betrug, hatte sie sich innerhalb der nächsten drei Jahre bis zur Jahreswende 1972/73 verdreifacht. In der DDR hat sich im Laufe der letzten drei Jahre vor allem das Konsumgütersortiment verändert. Das Angebot ist nach Sorten und Qualität differenzierter geworden, doch nach wie vor sind Umfang und stete Verfügbarkeit nicht ausreichend gewährleistet. Davon zeugen die wiederholten öffentlichen Klagen über die Versorgungslücken bei Gütern des täglichen Bedarfs und verschärfte Kontrollen und Planauflagen im Produktionsbereich. Eine seit Jahren schon zu beobachtende stillschweigende Anhebung des Preisniveaus, die dadurch entstand, daß mit der Produktion technisch neu- und fortentwickelter Waren und auch der Verwendung qualitativ besseren Materials vermehrt Erzeugnisse zu höheren Preisen angeboten werden, veranlaßte die Regierung - trotz gestiegener Produktionskosten zur Anordnung eines absoluten Preisstops für Konsumgüter, Dienstleistungen und Reparaturen. Die Konsumgüterpreise dürfen bis 1975 nicht erhöht werden, d.h. daß für die Sicherung dieser Verbraucherpreise erhebliche staatliche Subventionen in Kauf genommen werden (vgl. S137f). Ein echter Preisvergleich 526 zwischen den für eine durchschnittliche Lebenshaltung relevanten Konsumgütern in beiden deutschen Währungsgebieten ist nur für einen Teil des Güterangebots möglich, da noch immer bei verschiedenen Gruppen von Industriewaren und Dienstleistungen entscheidende Qualitäts- und Angebotsdifferenzen bestehen. Sie sind nicht in Zahlen zu fassen und konnten daher in den nachfolgenden Preisgegenüberstellungen und Kaufkraftberechnungen nur bedingt berücksichtigt werden. Auf die Einbeziehung einiger Dienstleistungsbereiche mußte aus dem gleichen Grunde ganz verzichtet werden, da die vorhandenen Preisangaben zu einer falschen Bewertung führen würden.
22211 Nahrungs- und
Genußmittel
Die Gruppe der wichtigen Lebensmittel des täglichen Bedarfs, deren Preise in der DDR unter denen der entsprechenden Waren in der BRD liegen, ist größer geworden: Infolge der starken westdeutschen Preiserhöhungen im Laufe der letzten drei Jahre sind Fleisch und Fleischwaren sowie Milch in der DDR jetzt billiger. In dieser Gruppe betragen nun die Preise in der DDR für Brot- und Backwaren, Kartoffeln, Grobgemüse und Fische etwa die Hälfte und noch weniger als die Preise entsprechender Waren in der 526
D.h. ein Vergleich bei Waren gleicher Qualität, Größe, Form und Ausstattung und Angebotskontinuität.
242
Bundesrepublik; die DDR-Preise für Nährmittel machen rund 75vH und die für Marmelade, Fleisch und Fleischwaren und Milch im Durchschnitt 85vH der westdeutschen aus. Noch immer sind aber Mehl, Eier, Zucker, verarbeitete und importierte Lebensmitteln, wie z.B. Milchprodukte, Fette, Konserven, importiertes Obst, Saft, Kakao und Süßwaren im Verhältnis zu qualitativ vergleichbaren Waren aus dem sehr viel reichhaltigeren westdeutschen Sortiment teurer als in der Bundesrepublik. Ihre Preisrelationen (DM = 100) liegen zwischen 110vH und450vH. Die gleichen Verhältnisse herrschen bei Genußmitteln. Während sich der M-Preis für Bier kaum vom DM-Preis unterscheidet, muß für Bohnenkaffee in der DDR ein mehr als viermal höherer Preis bezahlt werden. Die Relationen der anderen im Rahmen einer mittleren Lebenshaltung beobachteten Genußmittel liegen zwischen diesen beiden Extremen. Auffallend preisgünstig erscheinen in diesem Vergleich zwischen den beiden Währungsgebieten die DDR-Preise für die Speisen in Gaststätten, soweit es sich nicht um Luxusrestaurants in der DDR handelt. Im Durchschnitt ist wohl mit einer Relation von 60vH zu rechnen, wobei durchaus Einzelpreise auch bei nur einem Drittel entsprechender DM-Preise liegen können.
22212 Übrige
Konsumwaren
Wie bei den Nahrungs- und Genußmitteln ist auch bei den übrigen Waren des privaten Verbrauchs die Kaufkraft der Mark der DDR gemessen an der Kaufkraft der DM breit gestreut. Allerdings werden hier die Preise in der Bundesrepublik zum größten Teil von den Preisen in der DDR übertroffen, wenn sich auch der Preisunterschied während der letzten drei Jahre bei den einzelnen Waren infolge der lebhaften Preiserhöhungen im Bundesgebiet verkleinert hat. Verminderungen der Preisdifferenzen ergaben sich außerdem durch einzelne Preissenkungen in der DDR, vor allem für Erzeugnisse aus Kunstfasern bei Textilien und Bekleidung sowie aus Kunststoffen bei Haushaltsartikeln und für einige Elektroerzeugnisse. Dem steht aber auch die andere - schon erwähnte - entgegengesetzte Tendenz gegenüber, die durch die Produktion qualitativ verbesserter oder auch technisch fortentwickelter Konsumwaren zu neuen und meist höheren Preisen führte. Grundsätzlich bleibt festzustellen, daß - wie auch schon in den vorangegangenen Jahren - Waren, die der Befriedigung gehobenen Bedarfs dienen, in der DDR eine ungünstigere Preisrelation gegenüber der Bundes243
republik aufweisen als jene, die dem Grundbedarf dienen und in einfacher Qualität angeboten werden.
2221 3 D i e n s t l e i s t u n g e n Der für die Lebenshaltung der Bevölkerung wichtigste Dienstleistungspreis, die Wohnungsmiete, unterliegt in der DDR der konsequentesten Einhaltung des Festpreisgrundsatzes. So sind die Mieten für Altbauten seit der Währungsreform unverändert geblieben, und Mieten für Neubauten dürfen für Bewohner mit einem Brutto-Einkommen bis zu 2 000 M den Stand von 1966 nicht übertreffen. Die Relation zu den laufend gestiegenen Mieten in der Bundesrepublik hat sich bis Ende 1972 auf ein Drittel bis ein Viertel ermäßigt. Auch die Preise für die übrigen Dienstleistungen liegen in der DDR erheblich niedriger als in der Bundesrepublik. Während in der DDR noch immer die Preise gegebenenfalls durch Subventionszahlungen auf einem unveränderten Stand gehalten werden, sind sie in der Bundesrepublik im Zuge der allgemeinen Preiserhöhungen beträchtlich gestiegen. Vergleichbare Leistungen kosten in der DDR z.B. bei den Tarifen für Energie, Verkehr und Nachrichtenübermittlung sowie den handwerklichen Leistungen der Friseure und Wäschereien jetzt nur etwa halb so viel wie in der Bundesrepublik. Für andere Dienstleistungen, wie kultureller (z.B. Theater), gesundheitlicher (z.B. Sportveranstaltungen, Erholungsreisen, Gesundheitsdienst) und finanzieller Art (Dienste von Banken und Versicherungen) ist ein einwandfreier Preisvergleich infolge differenzierter Subventionierungsmethoden einerseits und eines teilweise eng begrenzten Angebots in der DDR kaum möglich.
2222 Kosten der
22221
Lebenshaltung
Verbrauchsstruktur
Das Verhältnis der Lebenshaltungskosten in der DDR zu denen in der Bundesrepublik wird bestimmt durch die dargestellten Preisrelationen und die Zusammensetzung des Verbrauchs. Dieser wiederum hängt von der Höhe des verfügbaren Einkommens, der Dringlichkeit einzelner Lebens244
bedürfnisse und dem Angebot an Waren und Dienstleistungen ab. Mit wachsendem Einkommen und Verbesserungen des Güterangebots verändert sich auch die Verbrauchsstruktur der Haushalte. Den Berechnungen zum Vergleich der Lebenshaltungskosten und der Kaufkraftentwicklung muß daher eine möglichst aktuelle Verbrauchsstruktur zugrunde liegen. Aus den für die Bundesrepublik und die DDR verfügbaren statistischen Unterlagen sind dafür die Angaben über die Haushaltsbudgets von 4-Personenhaushalten am besten als Grundlage geeignet; sie kommen den Strukturanteilen des jeweiligen gesamtwirtschaftlichen Durchschnitts für alle Haushalte recht nahe. Wenn auch in den statistischen Quellen für die DDR nur die grobe Gliederung der Verbrauchsstrukturen, nicht aber die Abgrenzung der Warengruppen in ihren Einzelheiten bekannt gegeben werden, so bietet diese Gegenüberstellung immerhin eine Vorstellung über die wichtigsten Größenordnungen. Die Verbrauchsstrukturen der beiden Vergleichshaushalte unterscheiden sich besonders durch den im Vergleich zur BRD nur halb so großen Anteil der Ausgaben für Leistungen und Reparaturen in der DDR. Das liegt in erster Linie an den im Verhältnis zur BRD sehr geringen Mietkosten; auch die teilweise seit mehr als 20 Jahren unveränderten Markpreise für Energie und für Verkehrsleistungen erfordern von dem Haushalt in der DDR einen erheblich geringeren Ausgabenanteil als der entsprechende Haushalt in der Bundesrepublik dafür aufwendet. Der Ausgleich für diese Strukturdifferenz bei Dienstleistungen liegt vor allem bei der Ausgabengruppe Nahrungs- und Genußmittel, deren Gewicht in der DDR mit rd. 48vH das der BRD mit 34vH um zwei Fünftel übertrifft.
22222
Kaufkraft
Zur Feststellung der Kaufkraftrelation zwischen der BRD und der DDR werden die Lebenshaltungskosten des 4-Personen-Haushaltstyps mit Hilfe eines Warenkorbvergleichs einander gegenübergestellt. Dabei wird der Inhalt dieser beiden Warenkörbe aufgrund von Informationen durch Wirtschaftsrechnungen, Verbrauchs- und Versorgungsstatistiken aus ausgewählten Güterpositionen in Anlehnung an die genannten Verbrauchsstrukturen zusammengestellt und jeweils sowohl mit DM-Preisen als auch M-Preisen - bzw. der entsprechenden Preisrelation - bewertet. Trotz berechtigter Vorbehalte gegenüber einer solchen Berechnung vermittelt sie doch wertvolle Einblicke in Größenordnungen, Differenzierungen und Entwicklungstendenzen der Kaufkraftrelation zwischen den beiden Vergleichsgebieten. 245
Die Berechnungen für die Jahreswende 1972/73 ergaben, daß der durchschnittliche Arbeitnehmer-Haushalt für die Lebenshaltung nach der durchschnittlichen Verbrauchsstruktur der DDR bei einem Ausgabenbetrag von 979 M im Monat für die gleichen Waren und Leistungen im Bundesgebiet 992 DM hätte bezahlen müssen; bei einer Lebenshaltung nach der Verbrauchsstruktur im Bundesgebiet, die rd. 1 500 DM erfordert, hätten in der DDR für die gleichen Waren und Dienste 1 692 M aufgebracht werden müssen 5 2 7 . Die Kaufkraft der M in der DDR betrug also, gemessen an der Kaufkraft der DM in der BRD 1972/73 nach der BRD - Verbrauchsstruktur DDR - Verbrauchsstruktur
88vH 101vH,
das ergibt bei „Kreuzung" der Warenkörbe eine durchschnittliche Kaufkraft von 94 bis 95vH. Die Kaufkraft der M, gemessen an der Kaufkraft der DM, hat sich also gegenüber der letzten Berechnung von 86vH für das Jahr 1969 erheblich zu Gunsten der DDR verbessert. Diese Verbesserung bleibt jedoch deshalb hinter dem Anstieg des westdeutschen Preisindex für die Lebenshaltung zurück, weil der Verbrauch der DDR-Haushalte sich mit zunehmenden Einkommen höherwertigen Gütern zugewandt hat. Verbesserungen ergaben sich vor allem für die nach der DDR-Verbrauchsstruktur berechnete relative Kaufkraft. Abgesehen von den Bedarfsgruppen Genußmittel, Haushaltsführung und Bekleidung hat hier nun die Kaufkraft der M die der DM erreicht bzw. übertroffen. Nach der BRD-Verbrauchsstruktur allerdings schwankt die Kaufkraft der M - sieht man von den beiden schon traditionell aus dem Rahmen fallenden Bedarfsbereichen Wohnung sowie Heizung und Beleuchtung ab - noch immer zwischen 50 und 92vH. Diese Relationen bestätigen abermals die in früheren Jahren getroffene Feststellung, daß die Kaufkraftparität zwischen verschiedenen Waren- und Leistungsgruppen stark differiert und daß die durchschnittliche Kaufkraft der Mark bei höheren Verbrauchsansprüchen, die vor allem z.B. in den Bedarfsgruppen Genußmittel und Haushaltsführung enthalten sind und auch im wesentlichen den Unterschied zwischen der DDR und BRD-Verbrauchsstruktur ausmachen, im Vergleich zur DM sinkt. Diese Tendenzen werden ebenfalls durch entsprechende Berechnungen für 2-Personen-Rentner-Haushalte bestätigt. Deren Verbrauch ist bei erheblich geringeren Einkommen im allgemeinen auf die Befriedigung 527 Die verbrauchswirksamen Ausgaben werden in der DDR für diesen Haushaltstyp 1971 mit 77vH der Nettoeinkommen angegeben, so daß das Haushaltsnettoeinkommen hier mit rd. 1 260 M angenommen werden müßte. Für den Vergleichshaushalt in der BRD würde, entsprechend den in den Wirtschaftsrechnungen ausgewiesenen Ausgabenbeträgen das Haushaltsnettoeinkommen etwa 1 800 DM betragen.
246
lebensnotwendigen Bedarfs begrenzt, für die in der DDR Waren zu relativ niedrigen Preisen zur Verfügung stehen. Bei einem bescheidenen Warenkorb eines Rentnerhaushalts in der BRD, der mit Verbrauchsangaben von etwas über 600 DM nicht auf eine mittlere, sondern eine untere Verbraucherschicht ausgerichtet ist, betrug die Kaufkraft der Mark in der DDR gemessen an der Kaufkraft der DM in der BRD 105vH, also mehr als für die Arbeitnehmerhaushalte errechnet wurde. Abgesehen von den Genußmitteln - bei denen hier dem Kaffeeverbrauch ein besonderes Gewicht zukommt - lag jede Bedarfsgruppe günstiger als bei den Arbeitnehmern. Noch weiter steigt die relative Kaufkraft der Mark bei der Berechnung für den Warenkorb eines DDR-Rentner-Haushalts, dessen Verbrauch infolge der niedrigen DDR-Renten bei Verbrauchsausgaben von 450 M noch stärker auf den lebensnotwendigen Bedarf abgestellt sein muß. Hierbei errechnet sich eine relative Kaufkraft von 125vH. Werden beide Warenkörbe wie bei den Arbeitnehmern gekreuzt, ergibt sich eine durchschnittliche relative Kaufkraft von 115vH im Gegensatz zu 105vH 1969. Zu beachten bleibt dabei, daß es sich für die BRD nicht um,einen Rentner-Haushalt mit durchschnittlichem Einkommen handelt, das immerhin bei 1 170 DM (Ende 1972) liegt.
2223
Realeinkommen
Die hier nach der Methode der „gekreuzten Warenkörbe" ermittelte relative Kaufkraft der Mark ist also von Mitte 1969 bis Ende 1972 für ausgewählte Arbeitnehmerhaushalte von 86vH auf 94,5vH und für Rentnerhaushalte mit geringerem Einkommen und einem auf sehr bescheidenen Bedarf abgestellten Verbrauch von 105vH auf 115vH der DM gestiegen. Doch hat die Verbesserung der Kaufkraftparität in den Arbeitnehmerhaushalten der DDR nicht ausgereicht, um den höheren Zuwachs der westdeutschen Nominaleinkommen wettzumachen: Der Abstand der um die Kaufkraftunterschiede bereinigten Nettoeinkommen ( R e a l e i n k o m m e n ) in den Arbeitnehmerhaushalten der DDR zu denen der Bundesrepublik hat sich bis Ende 1972 auf 47vH (1960: 32vH; 1969: 45vH) erhöht. Für die Rentnerhaushalte errechnet sich in gleicher Weise eine Differenz von 52vH. Der erhebliche tatsächliche Unterschied der Durchschnittseinkommen in Rentnerhaushalten bedingt jedoch große Abweichungen der Verbrauchsstruktur, die in dieser Relation nicht berücksichtigt werden können. Angesichts der Tatsache, daß sich die Kaufkraft der DM mit steigenden Einkommen erhöht, dürfte sich somit das Realeinkommen der 2-Personen-Rentnerhaushalte in der DDR, das 1969 auf etwas mehr als ein Drittel der westdeutschen Rentnereinkommen geschätzt wurde, relativ kaum verändert haben. 247
Tabelle 4
Ausgabenstruktur
in
2-Personen-Rentnerhaushalten
i n vH
BRD 1968
1971
1968
1971
100,0
100,0
100,0
100,0
63,8
63,1
82,9
82,7
46,3
43,4
59,2
59,5
38,5
35,4
45,8
47,4
7,8
8,0
13,4
12,1
17,5
19,7
23,7
23,2
Schuhe u n d - Z u b e h ö r
1,0
1*4
1,2
1,4
Textilien
6,3
6,0
8,1
8,2
1,7
1,5
2,8
2,0
9,9
10,1
Verbrauchsausgaben
insgesamt
Waren Nahrungs-
und
Genußmittel
Nahrungsmittel Genußmittel
Industrieerzeugnisse
und
Bekleidung
Bau- und Wohnbedarf
2,0
Elektrische
0,8
übrige
Erzeugnisse
7,4
Industriewaren
* > 12,3 ,
36,2
36,9
17,1
17,3
19,4
20,3
6/2
6,0
7,8
6,8
2,4
2,3
Verkehrs le i s tungen
3,2
3,3
2,5
2,1
Kultur
2,5
2,7
1,6
1,9
3,3
3,8
4,4
5,0
L e i s t u n g e n und
Reparaturen
Mieten Strom,
Gas, H e i z u n g a l l e r
und E r h o l u n g
übrige Leistungen Reparaturen Quellen:
248
DDR
und
Art
E r g e b n i s s e aus den A u f z e i c h n u n g e n b u c h f ü h r e n d e r Haushalte (Wirtschaftsrechnungen). BRD: S t a t i s t i s c h e s B u n d e s a m t ( P r e i s e , L ö h n e , W i r t s c h a f t s r e c h n u n g e n t F a c h s e r i e M, R e i h e 1 3 ) . DDR: S t a t i s t i s c h e s J a h r b u c h d e r DDR 1 9 7 2 .
Tabelle 4
Ausgabenstruktur
in i n
4-Personen-Arbeitnehmerhaushalten v H
BRD
DDR
1968
1971
1968
1971
100,0
100,0
100,0
100,0
69,5
69,2
84,7
85,2
37,6
33,9
47,7
48,2
31,8
28,6
36,7
37,5
5,8
5,3
11,0
10,7
31,9
35,3
37,0
37,0
Schuhe u n d - Z u b e h ö r
2,1
2,0
2,5
2,9
Textilien
9,6
10,1
13,8
13,6
Bau- und Wohnbedarf
3,8
4,6
4,0
4,7
Elektrische
1*5
2,1
3,3
2,9
14,9
16,5
13,4
12,9
30,5
30,8
15,3
14,8
15,2
15,0
3,9
3,8
Verbrauchsausgaben
insgesamt
Waren Nahrungs-
u.Genußmi t t e 1
Ν a h r un g s m i t t e 1 Genußmitte1
Industrieerzeugnisse
übrige
und
Bekleidung
Erzeugnisse
Industriewaren
L e i s t u n g e n und
Reparaturen
Mieten
4,9
4,5
1,9
1,8
Verkehrs le i s tungen
3,5
3,9
2,3
1,4
Kultur
3,8
4,5
2,9
3,2
3,1
2,9
4,3
4,6
Strom,
Gas, H e i z u n g a l l e r
und E r h o l u n g
übrige Leistungen Reparaturen Quellen:
Art
und
E r g e b n i s s e aus d e n A u f z e i c h n u n g e n b u c h f ü h r e n d e r H a u s halte (Wirtschaftsrechnungen). BRD: S t a t i s t i s c h e s B u n d e s a m t ( P r e i s e , L ö h n e , W i r t s c h a f t s r e c h n u n g e n , F a c h s e r i e M, R e i h e 1 3 . ) · DDR: S t a t i s t i s c h e s J a h r b u c h d e r DDR 1972.
249
Tabelle
42 Relative
Kaufkraft
der
Mark1* berechnet
2-Personen-Rentnerhaushalt
Bedarfsgruppe
(in
Mitte
für
einen
%)
1969
Wende
1972/73
2) nach V e r b r a u c h s s t r u k t u r
in
der
Ernährung
92
Genußmittel Wohnung Heizung
und
Beleuchtung
Hausrat Bekleidung Reinigung Bildung
BRD
und
und
Körperpflege
Unterhaltung
Verkehr Verbrauchsausgaben,
gesamt
nach V e r b r a u c h s s t r u k t u r
in
der
98
44
42
333
416
204
238
61
71
61
74
106
118
152
152
154
143
99
105
DDR
2) 100
Nahrungsmittel
94
Genußmittel
63
53
62
75
Textilien Sonstige
und
Schuhe
Waren
Leistungen
und
darunter:
Reparaturen
Mieten
Verbrauchsausgaben,
gesamt
98
116
227
278
333
400
111
125
1) D i e K a u f k r a f t d e r M i n d e r DDR i m V e r h ä l t n i s z u r K a u f k r a f t d e r DM i n d e r B R D . 2) D i e i n d i e s e n B e r e c h n u n g e n verwendeten Warenkörbe wurden auf der Grundlage der Ergebnisse der laufenden Wirtschaftsrechnungen i n beiden Verg l e i c h s g e b i e t e n , der den a m t l i c h e n P r e i s i n d i c e s zugrunde l i e g e n d e n Warenkörbe und V e r b r a u c h s s t r u k t u r e n s o w i e d e r aus der V e r b r a u c h s s t a t i s t i k verfügbaren Informationen über d i e V e r s o r g u n g m i t G ü t e r n u n d D i e n s t e n i n d e r DDR a u f g e s t e l l t · Quelle:
250
Berechnungen des
DIW.
Tabelle 43
Relative Kaufkraft der Mark 1 ^ berechnet für einen 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalt
( i n %)
nach Verbrauchsstruktur Bedarfsgruppe
i n der BRD 2) Mitte 1969
Wende 1972/73
i n dei: DDR 2) Mitte 1969
Wende 1972/73
Ernährung
82
91
89
104
Genußmittel
49
50
50
55
Wohnung
227
303
227
303
Heizung und Beleuchtung
189
227
189
238
Hausrat
61
63
55
66
Bekleidung
65
70
67
81
Reinigung und Körperpflege
83
92
100
104
Bildung und Unterhaltung
79
82
115
128
Verkehr
66
74
95
103
Verbraucheausgaben, gesamt
83
88
89
101
1) Die Kaufkraft der M i n der DDR im Verhältnis zur Kaufkraft der DM i n der BRD·- 2) Die i n diesen Berechnungen verwendeten Warenkörbe wurden auf der Grundlage der Ergebniese der laufenden W i r t schaftsrechnungen i n beiden Vergleichsgebieten, der den amtlichen Preisindices zugrunde liegenden Warenkörbe und Verbrauchsstrukturen sowie der aus der Verbrauchsstatistik verfügbaren Informationen über die Versorgung i n der DDR mit Gütern und Diensten aufgesteilt. Quelle:
B e r e c h n u n g e n d e s DIW.
251
T a b e l l e 44a
Verbraucherpreise
i n d e r B u n d e s r e p u b l i k und i n d e r DDR
M i t t e 1 9 6 9 und Jahreswende 1 9 7 2 / 7 3 Nahrungs- und G e n u ß m i t t e l
Warenart
Einheit
Mitte
1969
DM
M
Jahreswende 1972/73 DM
M
DM! « 1 0 0 Mitte 1969
Jahreswende 1972/73
5 kg
1,90
0,85
2,10
0,85
45
40
Mohrrüben 1*
1 kg
0,97
0,49
1,01
0,43
51
43
Rotkohl1)
1 kg
0,89
0,49
0,75
0,36
55
48
Xpfel, inländische m i t t l e r · G ü t e 1)
1 kg
0,80
1,77
1,37
2,03
221
148
Zitronen1*
1 kg
1,87
5,00
2,28
5,00
267
219
450 g
1,17
1,08
1,35
1,08
92
80
Kartoffeln
Marmelade, j e Glas
Einfrucht
Weizenmehl T y p e W 405
1 kg
1,04
1,32
1,07
1,32
127
123
H a f e r f l o c k e n , gep a c k t (1969: lose)
1 kg
1,48
0,98
2,66
1,60
66
60
Weichweizengrieß
1 kg
1,44
1,34
1,60
1,34
93
84
1 kg
3,09
2,80
3,70
2,80
91
76
Roggen-Mischbrot
1 kg
1,18
0,52
1,61
0,52
44
32
Weißbrot
1 kg
1,56
1,00
2,05
1,00
64
49
1 kg
2,13
1,00
2,59
1,00
47
39
1 kg V o l l m i l c h 100 g
1,21
1,64
1,29
1,64
136
127
0,80
3,85
0,92
3,85
481
418
125 g
1,04
4,00
1,11
4,00
385
360
Eiernudeln,
2)
verpackt
Weizenkleingebäck2) Zucker, gepackt
Raffinade,
Schokolade, Kakaopulver Rindfleisch Schmoren
zum 1 kg
9,74
9,80
12,98
9,80
101
76
Schweinekotelett
1 kg
7,88
8,00
9,18
8,00
102
87
Schweinebauch
1 kg
3,97
4,60
4,86
4,60
116
95
1 kg
3,98
4,75
3,86
4,75
119
123
1 kg
6,97
6,80
8,19
6,80
98
83
Brathähnchen, g e k ü h l t 2)
tief-
MettwurstrBraunschweiger
252
Warenart
Einheit
M i t t e 1969 DM
Trinkvollmilch F l a s c h e n 3)
in 1/2
1
10,00
7,66 10,00
154
131
7,72 10,00
8,12 10,00
130
123
2,41
3,10
149
129
1 kg 1 kg
2,08
Margarine, s o r t e 2)
Spitzen-
Filterzigaretten, mittlere
4,00
159
131
0,39
180
177
1
1,07
0,90
1,21
0,90
84
74
50 g
1,50
3,00
1,80
3,00
200
167
0,91
1,60
1,10
1,60
176
145
1
6,40 17,50
* 8 , 75 *17,50
225
200
1 kg
15,56 70,00
16,16 70,00
450
433
0,7
Röstkaffee Tee
50 g
Schaumwein2^
für
1969
1
Fl.
1,32
1,20
6,83 21,00
1,44
1,20
91
83
6,63 21,00
308
317
Jahresdurchschnittspreis.-
2) N i c h t a m t l i c h e 3)
3,06 0,22
10 S t ü c k
W e i n b r a n d 38 %
1)
4,00 0,36
1
Feinsch.
Preisbeobachtungen.-
I n d e r DDR 2 , 5 %, i n d e r BRD 3 % F e t t g e h a l t 1972/73.-
1969 u n d 3 , 5 %
* M i t der vorher genannten Periode n i c h t v o l l
vergleichbar.-
Quellen:
84
2,52
1 Stück
Fruchtsaftgetränke, k o h l e n s ä u r e h a l t i g 2)
97
0,20
1 kg
Eier
Rauchtabak,
3,10
0,43
0,36
jährest M i t t e vend· 1969 1972/73
6,48
Deutsche
in-
M
0,36
1 kg
Schweineschmalz, ländisch
DM
DM « 100
0,37
Käse, 40-45 % F . i . T . Edamer o d e r Gouda 2) Markenbutter
M
Jahreswende 1972/73
S t a t i s t i s c h e s B u n d e s a m t , F a c h s e r i e M, P r e i s e , L ö h n e , W i r t s c h a f t s r e c h n u n g e n , R e i h e 6? S t a t i s t i s c h e s J a h r b u c h d e r DDR, 1970 u n d 1972 u n d d i v . P r e s se V e r ö f f e n t l i c h u n g e n .
253
Tabelle 44 b Verbraucherpreise Mitte
:!^ d e j * B m ( t e s r e p u b l l k u n d
1969 u n d J a h r e s w e n d e Sonstige
Industriewaren
M i t t e 1969 Warenart
Braunkohlenbriketts, f r a i v e r k ä u f l i c h , 50 kg Braunkohlenbriketts, b e w i r t s c h a f t e t , 50 kg Grobwaechmittel, 1 kg Feinwaschmittel Kleinpackung, 1 kg Haushaltakonserveng l a s (1969 ohne Ring), 1 1 Eßbesteck aus r o s t f r e i e » S t a h l ,1) einfach Porzellanteller, t i e f 24 c • Durchmesser Schnellkochtopf.K Aluminium, 7 1 1 j Haushaltseimer, P l a s t i k , 10 1 Waschautomat, Trommelsystem, 4 kg Trockenwäsche Reglerbügeleisen, Kont r o l l a m p e und E i n s t e l l s k a l a , X ß X c h f Ausführung ' Küchenstuhl 1 \ M e t a l l rohr u.Kunststoffbezug Kleiderschrank 1 } 2 t ü r i g m. Wlschefach Fahrbarer Staubsauger 2 ) Küchenmaschine, Handmixer Elektroherd, 3 Kochplatten Kühlschrank 3 )
254
I n d e r DDR
1972/73
Jahreswende
1972/73
DM = 100 Mitte 1969
Jahreswende
M
DM
M
6,09
4,10
8,46
4,71
67
56
6,09 4,13
1,70 3,00
8,46
1,70 3,00
28
20
3,21
73
93
6,83
8,33
6,55
7,50
121
115
0,75
0,46
0,95
0,52
61
55
7,50
13,65
*
6,57
* 14,45
182
220
1,46
1,40
*
1,95* *
2,80
96
144
79,00
62,10
.
79
2,29
8,80
413
384
498,00
1450,00
DM
2,13
8,80
*
24,60
35,50
24,60
35,50
#
β
49*80
64,50
1972/73
291
144
144 130
181,00
340,00
219,00
364,00
188
166
159,00
195,00
•169,00
•195,00
123
115
48,50
98,00
* 69,50
•126,00
202
181
295,00 642,00 301,00 1250,00
320,00 339,00
•688,00 1400,00
218 415
215 413
Mitte 1969
Jahreswende 1972/73
Warenart M
DM
Fernsehempfänger, 59 c · B i l d r ö h r e
DM
v
Rionokoffer
.
•
1970,00
119,00
299,00
18,06
12,00
16,46
12,00
Fotoapperatl)
98,00
106,00
Kleinbildfilm, 36 A u f n a h m e n , schwarz-weiß
2,90
2,15
3,74
Tageszeitung, Abonnement
5,93
3,50
7,70
159,00
242,00
Herrenfahrrad, Markenware Motorrad, 1 1 , 5 PS
MZ-ES 1 5 0 ,
Personenkraftwagen, 500-900 ccm Hubraum, Trabant/Fiat-Jagst Benzin,
1
Liter
99,60 *
125,00 •
*
.
JahresMitte wende 1969 1972/73
568,00
S c h a l l p l a t t e , 30 c m Langspielplatte
*
M
DM « 1 0 0
347
.
251
73
66
108
109
2,15
74
57
3,50
59
45
152
180
109,00
225,00
1598,00
2350,00
147
3400,00
7850,00
5)4350,00
7850,00
231
180
0,57
1,40
0,60
1,40
246
233
Kle inschreibmaschine
205,00
430,00
*
215,00 *
4 3 0 ,'00
210
200
Damenarmbanduhr, 17 Steine, Doublègehäuse m. E d e l s t a h l boden
70,50
135,00
*
49,50 *
105,00
191
212
Elektrischer Rasierapparat, Schwinganker, Kombination v o n Langhaar- u.Feinschneider
81,80
105,00
*
59,00
72,00
128
122
1 ) V e r g l e i c h b a r e M o d e l l e n a c h V e r s a n d k a t a l o g e n . - 2 ) 1 9 6 9 : BRD=300-350 W, D D R « WS 9 0 0 . 1 9 7 2 / 7 3 : B R D = 6 0 0 W b z w . WS 1 5 o o , D D R = 5 5 0 W b z w . WS 1 3 2 5 . - 3 ) 1 9 6 9 : B R D m i t T i e f k ü h l f a c h u n d a u t o m a t i s c h e r T e m p e r a t u r r e g e l u n g , 1 5 0 1 ; DDR ohne T i e f k ü h l f a c h , I 3 0 l . f t 1 9 7 2 / 7 3 : 1 7 0 1 m i t A b t a u a u t o m a t i k , F r o s t e r f a c h : BRD - 1 8 ° C , DDR- 1 2 ° C . ^Unterschiedliche B i l d r ö h r e n g r ö ß e n . - 5)Fiat 5 0 0 . •Mit
der vorher
Quellen:
genannten Periode
nicht
voll
vergleichbar.
S t a t i s t i s c h e s Bundesamt (Fachserie M, P r e i s e , Löhne, W i r t s c h a f t s r e c h n u n g e n , R e i h e 6 ) , S t a t i s t i s c h e s J a h r b u c h d e r DDR 1 9 7 0 u n d 1 9 7 2 . Um d a s B i l d ü b e r d i e e i n z e l n e n W a r e n g r u p p e n z u v e r v o l l s t ä n d i g e n , wurden auch nichtamtliche Preisangaben herangezogen, vorwiegend aus V e r s a n d h a u s k a t a l o ç e n (BRD: Neckermann, Q u e l l e , O t t o u n d W i r t h ; DDR: HO u n d K o n s u m e n t ) .
255
Tabelle 44 Verbraucherpreise I n der Bundesrepublik und I n der DDR M i t t e 1969 und Jahreswende 1972/73 Leder- und T e x t i l w a r e n
Jahreswende 1972/73
M i t t e 1969
Herrenstraßenschuhe, Rindbox, Gummisohle Klnderhalbschuhe, Rindbox, Gummisohle Schulranzen, Vollrindleder Aktenmappe aus Rindleder Herrenanzug, zwe i t e i l i g , einreihig, Kunstfasergewebe Herren-Einzelhose, Cord Damenkleid, Kunstf a s e r , Jersey Knabenanzug, Wolle Herrenoberhemd, Kunstfaser Herrenoberhemd, Baumwolle H e r r e n g a r n i t u r , Baumwollfeinripp Damengarnitur, zweit e i l i g , Baumwolle DamenstrUmpfe, ohne Naht, 20 den Damenstrumpfhose, Kräuselkrepp bzw. Dederon S i l a s t i k Herrensocken, Kräuselkrepp G e s c h i r r t ü c h e r , Halbl e i n e n ,3-er Packung (1969 - 1 S t c k . ) Frottierhandtuch Bettlaken2^
IM
35,10 25,10 23,10
Mitte 1969
DM
41,75
47,10
• 48,20
119
102
25,50
M
35,00
16,30
65
47
*
29,50
* 27,40
110
$3
45,50
111,25
*
33,50
« 82,00
245
245
139,00
188,00
•234,00
•283,00
135
121
27,50
54,30
*
34,50
* 57,00
198
165
56,00 78,00
79,20 59,20
*
79,00 76,00
•124,00
*
* 55,80
141 76
157 74
22,00
75,00
*
17,46
• 46,80
340
268
24,20
45,00
28,30
45,00
186
159
#
10,50
9,65
10,10
• 11,20
104
111
92
7,00
7,25
2,50
7,47
2,60
5,10
299
196
4,35
31,60
4,06
25,30
726
623
3,30
7,45
3,76
5,95
226
158
1,83 4,00
3,50 7,50
5,45 4,10
* 11,45 7,20
191 188
210 176
11,23
17,40
11,70
17,40
155
*
*
1)Schweinsleder.-2)BRD: Haustuch, schwere Q u a l i t ä t , 130x230 cm; DDR: Baumwolle, 140x230 cm.• M i t der vorher genannten Periode n i c h t v o l l v e r g l e i c h b a r .
256
Jahreswende 1972/73
M
16,30 , 1)
DM ι* 100
-evo
Warenart
Tabelle 44 d
Verbraucherpreise
i n der Bundesrepublik
Mitte
1969 u n d J a h r e s w e n d e
u n d I n d e r DDR 1972/73
Dienstleistungen
Mitte Warenart
1969
Einheit DM
E l e k t r i s c h e r Strom einschließlich Grundgebühr
75 kWh
Eisenbahnfahrt, 2 K l . , Personenzug
50 km
Eisenbahnwochenk a r t e , 2. K l . StraßenbahnO-Busfahrt
oder
M
J ahreswende 1972/73 DM
M
DM « 100 Mitte Jahreswende 1969 1972/73
13,25 8,00
15,25 8,00
57
52
4,25 4,00
4,75 4,00
94
84
15 km
9,00 2,50
10,00 2,50
28
25
1 Fahrt
0,65 0,20
0,79 0,20
31
25
Porto für Brief im Fernverkehr
lmal
0,30 0,20
0,40 0,20
67
50
Porto f.Postkarte im F e m verkehr
lmal
0,20 0,10
0,30 0,10
50
Ortsgespräch von einer öffentl. Sprechstelle
1 Gespräch
0,20 0,20
0,20 0,20
100
100
Ton-u.FernsehRundfunkgebühr f.Fernsehteilnehmer m i t mehr e r e n Programmen
1 Gebühr
7,00 7,00
8 , 5 0 1CV00
100
118
Reinigung eines Herrenanzuges, 2teilig
lmal
7,85 5,75
8 , 6 0 5>75
73
67
Herren-Haars c h n i t t , halblang
lmal
3,30 0 , 9 0 X ) 4,50 1,15
27
26
Reparatur von S o h l e n an H e r r e n schuhen, Leder, einschl. Material (ohne A b s ä t z e )
lmal
7,95 5,77
9,75 5,77
73
"59
1) P r e i s s t u f e Quellens
II?
Ost-Berlins
J1
33
1 , 4 0 M.
S t a t i s t i s c h e s B u n d e s a m t ( F a c h s e r i e M, P r e i s e , L ö h n e , W i r t s c h a f t s r e c h n u n g e n , Reihe 6), S t a t i s t i s c h e s J a h r b u c h d e r DDR 1970 u n d 1972 u n d d i v . P r e s s e v e r ö f f e n t l i c h u n g e n .
257
223 Privater Verbrauch und Ersparnis Der private Verbrauch spiegelt sich im allgemeinen in einigen I n d i k a t o r e n d e r L e b e n s h a l t u n g wie Einzelhandelsumsatz, ProKopf-Verbrauch von ausgewählten Erzeugnissen, Ausstattung der Haushalte mit langlebigen Konsumgütern sowie im Umfang des Tourismus wider. Bedarfswandlungen, z.T. hervorgerufen durch steigende Einkommen, neu entwickelte Produkte, verändertes Verbraucherverhalten, und Ausgaben für den Ersatzbedarf führen zu einer ständigen Ausweitung des privaten Verbrauchs. Dennoch erhöht sich mit wachsendem Realeinkommen der Anteil des nichtverbrauchten Einkommens - die Ersparnis, die damit ebenfalls zum „Wohlstandsindikator" wird.
2231
Einzelhandelsumsatz
Der Einzelhandelsumsatz 528 ist von 1965 bis 1972 - bei erheblichen Veränderungen der Warenstruktur - um 38vH gestiegen. Der Verkauf von Nahrungsmitteln nahm nur unterdurchschnittlich zu (28vH), während sich der Genußmittelumsatz stärker erhöhte (42vH). Die höchste Steigerung ( + 49vH) ergab sich für die sonstigen Industriewaren, unter denen die Warenhauptgruppen „Elektroakustik, Foto-Kino-Optik, Schmuck, Straßenfahrzeuge" und „Baustoffe, Nutzholz, Brennholz" mit Umsatzsteigerungen von 56 bzw. 67vH herausragen. Gerade die Strukturveränderungen zugunsten dieser letzten Gruppen, die z.T. auf den seit einigen Jahren noch zunehmenden Bau von Wochenendhäusern zurückzuführen sein w i r d 5 2 9 , ist Ausdruck des mit steigendem Wohlstand sich verändernden Konsumverhaltens: Ein stetig wachsender Anteil des Einzelhandelsumsatzes entfällt auf nicht-lebensnotwendige Güter. Durch Bereitstellung neuartiger, höherwertiger Erzeugnisse versuchte die DDR-Industrie, der sich verändernden Nachfrage zu folgen: Der Umfang der aus synthetischen Geweben hergestellten Bekleidung nahm zu und 1972 standen rd. 49vH mehr PKW zum Verkauf als noch 1965. 528 Der Einzelhandelsumsatz - wichtigster Indikator für den privaten Verbrauch - umfaßt in der DDR den gesamten Warenverkauf an Letztverbraucher, also auch den Verkauf von Speisen und Getränken in Gaststätten sowie den Warenabsatz der Handwerksbetriebe. Rund 3vH des Umsatzes entfallen auf den Warenverkauf an Betriebe, Verwaltungen und andere Organisationen. Demgegenüber kauft die Bevölkerung auch einen Teil der von ihr benötigten Waren außerhalb des Einzelhandels (Ab-Hof-Verkäufe, Bauernmärkte usw.) in der Größenordnung von etwa 4vH des Einzelhandelsumsatzes. 529 Der Umsatz der Warenhauptgruppe „Baustoffe etc." stieg allein im Jahre 1972 um 300 Mill. M ( + 11vH) auf 3,25 Mrd. M (1965:1,94 Mrd. M).
258
259
a
r
e
n
h
a
u
p
t
g
r
u
p
p
e
n
51,1
53,2 55,2 57,9 61,4 64,1 66,6 70,5 74,7
1965
1966 1967 1968 1969 1970 1971 2 \ 1972 '1973
20,6 21,4 22,2 23.3 24,1 24,6 25,5
19,8
17,2
9,5 10,0 10,6 11,3 11,7 12,2 12,8,
9,1
7,7 1,5 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2,1 ^f
1,5
1,0
Mrd. Mark
7,5 7,5 8,0 8,5 8,8 9,2 9,9 137
7,2
7,2 14,1 14,8 15,5 16,6 17,7 18,7 20,2 158
13,5
11,8
1965 = 100
104 109 114 120 124 127 133
100
86
100
55,4 104 107 113 121 127 134 145 53,0 47,0
90
ν H 44,6 56,6 56,8 56,6 56,3 55,8 55,3 54,3
56,5
43 43 43 43 44 44 4
43,
Quellen: Statistisches Jahrbuch der DDR 1973, S. 265; Mitteilung der Staatlichen Zentralverwaltun für Statistik über die Durchführung des Volkswirtschaftsplanes 1973: Neues Deutschland vom 18.1.1974, S. 3f.
1)Am 1. Januar 1964 wurde die Zuordnung zu den Warenhauptgruppen geändert.-2) Vor läufig.
45,0
1960
1)
W
Einzelhandelsumsatz nach Warenhauptgruppen
Jahr Insgesamt Nahrungs- Genuß- Schlahe Textilien Sonstige Nahrungs- Industrie- Nahrungs- Industriemittel mittel und BeInduu.Genuß- waren u.Genuß- waren kleidung striewa- mittel mittel ren
Tabelle 45
Häufig aber w a r der Ersätz billiger Artikel d u r c h teure n i c h t Ergebnis nachlassender Nachfrage, s o n d e r n vielfach a u c h „einseitig orientierten bet r i e b l i c h e n G e w i n n s t r e b e n s " (vgl. S. 92 f ), d/h., daß h i e r d u r c h A n g e b o t s l ü c k e n bei preiswerten Erzeugnissen entstanden.
2232 Im
Pro-Kopf-Verbrauch Nahrungsmittelverbrauch
der DDR spielen Kohlehydrate
u n d fettreiche N a h r u n g s m i t t e l i m m e r n o c h eine große Rolle - 1972 w u r d e n T a b e l l e 46 J ä h r l i c h e Versorgung mit ausgewählten Konsumgütern i n der DDR Mengen j e Einwohner Einheit
I960
1966
19726)
kg kg kg Stück 1
33.3 18,0 3.7 197 94,5
36,6 19.5 4,0 213 95.7
44.5 20,0 6,3 244 98.6
Nahrungsfette,Fettwert Butter Margarine Tierische u . p f l a n z l . öle u . F e t t e
kg kg kg kg
27.4 10,4 8,2 8.8
27.8 9,9 9.4 8.5
Brotgetreidemehlp\ Speisekartoffeln ' Frischgemüse Frischobst?? Südfrüchte^) Zucker u.ZuckererZeugnisse Kakaoerζeugnisse
kg kg kg kg kg kg
96,2 173,9 48.0 61.1 7,1 29,3
94,3 155,7 55.6 36,5 10,8
91,0 133,6 66,3 37,2 14,6
29,3
35,2
kg
1,9
2,3
2,7
1,1 1069 3,2 79,5 1,4
1,9 1136 4,4 81,7 2,2
Erzeugnis
19726) BRD
NahrungegUter Schweinefleisch \ übriges F l e i s c h ' Geflügel E i e r u.EierZeugnisse Trinkmilch, 2 , 5 % Fettgehalt
Genussmittel Bohnenkaffee·,geröstet Zigaretten Wein u . S e k t 5 ) Bier Spiri tuosen,100 % Alkohol
kg Stück 1 1 1
42,0 29,4 8,8 290 89,7
25,9 26,9 6,2 10,9 9,0 1 19,7 7,0 60,9 101,0 63,3 95,9 22,0 34,0 •
7 >4,0 2,3 2041 1307 19,4 145,3 l· 3 2,9 106,5 2,7
1 ) R i n d - , K a l b - , Hammel-, Ziegen-, Kaninchen-, W i l d - u . ab 1966 auch Pferdefleisch.-2)Ohne w e i t e r v e r a r b e i t e t e K a r t o f f e l n f ü r Stärkeerzeugnisse·-3)BRD: e i n s c h l . Bananen, Ananas, Melonen, Kokosnüsse.-4)BRD: Z i t r u s f r ü c h t e . - 5 ) N u r i n d u s t r i e l l e H e r s t e l l u n g . - 6 ) Vorläufige Zahlen.-7)1969. Quelle: S t a t i s t i s c h e s Jahrbuch der DDR 1973. S. 335. S t a t i s t i s c h e s Jahrbuch der BRD 1973, S. 505 f .
260
pro Kopf z.B. 11 kg Butter (BRD: 6,2 kg) und 135 kg Kartoffeln (BRD: 100 kg) verbraucht, wenn sich auch langsam ein Wandel zur teureren eiweißreichen Nahrung abzeichnet; gegenüber 1966 stieg z.B. allein der Schweinefleischverbrauch pro Kopf um 8 kg auf 44,5 kg. Der Verbrauch von Frischobst dagegen erreichte 1972 nur zu 60vH das Niveau von 1960 - zeichen für die starke Abhängigkeit des Angebots von der jeweiligen Inlandsernte 530 , da der Import sich auf Südfrüchte konzentriert, dürfte deren Angebot trotz einer Verdoppelung der Einfuhr seit 1960 immer noch kaum ausreichen: Der Pro-Kopf-Verbrauch betrug 1972 zwei Drittel von dem in der Bundesrepublik. Trotz dieser durch gesundheits- und ernährungspolitische Aufklärung geförderten Veränderungen im Nahrungsmittelverbrauch ernährt sich die DDR-Bevölkerung noch bei weitem zu kalorienreich: Täglich werden bei einem durchschnittlichen Tagesbedarf von 2600 c a l 5 3 1 pro Kopf 3200 cal (Bundesrepublik: 2925 cal) aufgenommen. Der Pro-Kopf-Verbrauch an G e η u ß m i 11 e I η hat sich in den vergangenen Jahren stark erhöht, z.B. hat sich der Kaffee- und Spirituosenverbrauch seit 1960 verdoppelt. Einer noch stärkeren Verbrauchssteigerung bei den Genußmitteln dürften die hohen Preise entgegengestanden haben.
2 2 3 3 B e s t a n d an l a n g l e b i g e n t e c h n i s c h e n gütern
Konsum-
Die Ausstattung der privaten Haushalte mit langlebigen Konsumgütern ist weiter gestiegen. 75vH der Haushalte besitzen ein Fernsehgerät, 95vH einen Rundfunkempfänger, doch werden bei diesen Geräten besonders in den oberen Einkommensschichten Sättigungstendenzen erkennbar. Neuartige Produkte wie Stereoanlagen und Färbfernsehgeräte 532 sind dagegen noch wenig verbreitet. Bei vielen anderen Haushaltsgeräten hat jedoch der Bestand inzwischen ein vergleichsweise hohes Niveau erreicht: 63vH der Haushalte besitzen eine Waschmaschine und 70vH einen Kühlschrank, allerdingsJst noch ein deutlicher Nachholbedarf mit teohnisch modernen Geräten sowie bei den 530 Dieser Engpaß konnte auch 1973 nicht behoben werden. „Bei Frischobst ermöglichte das Aufkommen noch keine durchgängige stabile Versorgung". (Vgl. Albert Norden: Aus dem Bericht des Politbüros auf der 10, Tagung des Zentralkomitees der SED. In: Neues Deutschland vom 3.10.1973, S. 3). 531 Vgl. Petra Knötzsch: Entwicklungstendenzen bei diätischen Nahrungsmitteln. In: Mitteilungen des Instituts für Marktforschung Leipzig, Heft 1/1972, S. 33. 532 Ende 1972 verfügte knapp 1vH aller privaten Haushalte über ein Farbfernsehgerät.
261
262
56,4
Elektr.Haushaltskühlschränke 37,7
53,6
69,5
75,3
94,5
41,7
19,4
1970
Quellen: Statistisches Jahrbuch der DDR 1973, S. 336,
38,1
69,1
60,0
Fernsehempfänger
Elektr.Haushaltswaschmaschinen
91,9
89,3
Rundfunkempfänger
15,6 36,3
11,0
Motorräder, -roller und Mopeds
(einschl. Kombiwagen)
Personenkraftwagen
1967
63,4
88
90
46,6
66
1972
79
ig^T"
Ausstattung der DDR-Haushalte mit langlebigen Konsumgütern Bestand je 100 Haushalte
Tabelle 47 a
263
Elektr.HaDushaltskühlschränke
Elektr.HaushaltSMSUsciinaschinen
22,9
27,7
70,4
'
4 X
1970
37,1
'
98
34,4
74,9
'
57
1967
44,0
52,3
84,9
'
u3
1970
600 bis 900 Mark
'
54, t
52,9
'
21 9
87,4
17 4
1967
900 bis 1200 Mark
Statistisches Jahrbuch der DDR 1973, S. 337.
16,1
46,4
Femsehesnpfänger
Quelle:
55,1 14,1
'
X2
1967
unter 600 Mark
Bestand je 100 Haushalte
64,4
70,2
88,8
'
32 6
1970
61,7
63,7
91,2
'
34 9
1967
1200 bis 1500 Mark
langlebigen Konsumgütern nach Einkommensgruppen
73,4
80,0
90,0
68,1
1970
77,0
87,2
1967
73,2
91,8
1970
mehrmals 1500 Mark
Ausstattung der Arbeiter- und Angestellten-Haushalte in der DDR mit
^TSSSmSS!^
Tabelle 47b
Haushalten mit niedrigen Einkommen festzustellen. Der immer noch hohe Preis für diese Güter mag der Grund dafür sein. In der Motorisierung wird deutlich, daß die DDR aus produktions- und verkehrstechnischen Gründen bemüht ist, den PKW-Bestand durch überhöhte Preise gering zu halten. Nur 30vH der Kraftfahrzeuge sind PKW, der weit überwiegende Teil Motorräder und Mopeds. Bei der Ausstattung mit einem PKW unterscheiden sich die einzelnen Einkommensgruppen am stärksten. Während bei der Gruppe mit den höchsten Einkommen schon ein Drittel der Haushalte über ein eigenes Auto verfügen kann, sind es in der untersten erst 1vH.
2234 T o u r i s m u s Der steigende Lebensstandard, die stärkere Motorisierung und die größere Freizeit am Wochenende 533 in der DDR drücken sich auch in einer wachsenden Reisefreudigkeit aus. - Im Jahre 1966 hatte gut ein Drittel der Bevölkerung eine Urlaubsreise unternommen 534 , 1972 schon etwa die Hälfte 535 . Im Reiseverkehr der DDR überwiegt der Lnlandstourismus. 1966. verbrachten rd. 85vH aller Urlauber ihre Ferien in der DDR; zwar ist inzwischen der Anteil der Inlandsreisen - aufgrund des schneller steigenden Auslandstourismus - zurückgegangen, ohne aber seine dominierende Stellung verloren zu haben. Die I η I a η d s r e i s e η werden etwa zur Hälfte privat organisiert, wobei die Bevölkerung familiäre und öffentliche Unterkünfte nutzt (Übernachtungsstellen bei Verwandten und Bekannten, Hotels, Pensionen, Campingplätze usw. 5 3 6 ). Etwa ein Viertel dieser Reisen wird vom Ferien533 In den Jahren 1966/67 ist in der DDR die Fünftagewoche eingeführt worden; damit wurde die Möglichkeit zuvWochenendreisen geschaffen. Die durchschnittliche wöchentliche Freizeit der erwachsenen Bevölkerung hat sich dadurch allerdings - von 32 Stunden (Männer: 37, Frauen: 27) 1965, auf 34 Stunden (Männer 41, Frauen: 27) im Jahre 1970 - nur unwesentlich erhöht (vgf. Horst Scholz: Zum Umfang und zur Struktur der Freizeit in der DDR. In: Mitteilungen des Instituts für Bedarfsforschung, Heft 4/1966, S. 7; Peter Stöckmann: Mehr Freizeit für berufstätige Mütter. In: Mitteilungen des Instituts für Marktforschung, Heft 1/1973, S. 14). 534 Vgl. Materialien 1971, a.a.O., S. 147. 535 Vgl. Die Wirtschaft, Nr. 5/1973, S. 19. 536 Die Form des Campingreisens erfreut sich in der DDR zunehmender Beliebtheit; mehr als 1,5 Millionen DDR-Bürger verleben ihren Urlaub auf Campingplätzen (vgl. Arbeit und Arbeitsrecht, Nr. 11/1973, S. 328).
264
dienst des FDGB vermittelt 537 , gut 10vH vom Reisedienst DER und 15vH von den Betrieben. Bevorzugte Reiseziele sind der Thüringer Wald und die Ostseeküste. Eine Sonderstellung nimmt der i n n e r d e u t s c h e R e i s e v e r k e h r ein. Seit 1964 dürfen Personen im Rentenalter und Invaliditätsrentner, seit 1972 in dringenden Familienfällen auch DDR-Bürger im arbeitsfähigen Alter Verwandte in der Bundesrepublik und in West-Berlin besuchen. Von dieser Möglichkeit machen jährlich mehr als eine Million Personen Gebrauch. Zunehmende Bedeutung gewinnt der A u s l a n d s t o u r i s m u s . Die Reisen in sozialistische Länder stiegen von 1,3 Mill, im Jahre 1965 auf 2,6 Mill. 1971 5 3 8 ; davon wurden nur 20vH vom Reisebüro DER vermittelt. Die Hauptziele im Auslandsreiseverkehr waren 1971 die CSSR mit Abstand vor Polen, Ungarn und der UdSSR. 1972 hat sich die Skala nach Einführung des paß- und visafreien Reiseverkehrs mit Polen und der CSSR stark verändert. Die Besucherzahl gegenüber 1971 ist in Polen auf das 12-fache, in der CSSR auf das 5-fache gestiegen 539 ; allerdings handelte es sich bei diesem Nachbarschaftsverkehr, insbesondere mit Polen, meist eher um Einkaufs- (Tages-) fahrten als um Touristenreisen. Vom Reisebüro DER werden in den letzten Jahren in größerem Maße Flugreisen angeboten, die allerdings noch so teuer sind, daß sie von den meisten DDR-Bürgern kaum in Anspruch genommen werden können 5 4 0 .
2235 E r s p a r n i s und
Vermögensbildung
Die jährlichen Sparquoten sind nach der Wachstumskrise zu Beginn der 60-er Jahre kontinuierlich bis 1969 gestiegen. Pro Kopf wurden 1963 rd. 157 M und 1969 rd. 322 M gespart. Die hohen Steigerungsraten bei den Sparquoten sind um so erstaunlicher angesichts einer nur schwachen 537 1973 erhielten 1,3 Mill. Personen die Möglichkeit, mit dem Gewerkschaftsdienst zu verreisen. Die Preise für einen zweiwöchigen Aufenthalt in den FDGBHeimen liegen, gestaffelt nach Jahreszeiten, Qualität der Unterkunft und Höhe des Einkommens, zwischen 30,— und 170,-- Mark; für den Aufenthalt in einem Interhotel zählt man allerdings maximal 310,— Mark. Der Durchschnittspreis liegt bei 80,— M. (Vgl. Fritz Rösel, Mitglied des Präsidiums des FDGB-Bundesvorstandes: Gedanken um Zahlen und Begriffe. Radio DDR I am 4.8.1973). 538 Vgl. Zur Entwicklung des Fremdenverkehrs in der DDR. Bearb.: Maria Lodahl und Maria Elisabeth Ruban. In: Wochenbericht des DIW. Nr. 35/1969, S. 228 und Die Wirtschaft, Nr. 4/1972, S. 17. 539 Vgl. Neues Deutschland vom 10.1.1973, S.1. " 540 Eine 8tägige Flugreise nach Moskau kostet 495 M, eine 28tägige Pauschalreise an den Bulgarischen Sonnenstrand 1.257 M (vgl. Neues Deutschland vom 3.3.1973, S. 12.
265
Tabelle
48
Private
Anlagenform
Spareinlagen
Geldvermögen1' i n
Mrd.Mark 2) '
der
Mark
48,0
je
2
DDR E n d e
Einwohner
1969
in
vH
811
81
Wertpapiere
5,3
310
9
Versicherungs3) guthaben '
5,7
334
10
455
100
Zusammen
59,0
3
^ S p a r e i n l a g e n d e r B e v ö l k e r u n g b e i den K r e d i t i n s t i t u t e n und S p a r g u t haben d e r Versicherungsnehmer, ohne B e r ü c k s i c h t i g u n g d e r Veränderungen im Geldumlauf. 2) K o n t e n - , Bauspar- und S i c h t e i n l a g e n . ^ Sparguthaben d e r V e r s i c h e r u n g s n e t m e r . Quellens S t a t i s t i s c h e s J a h r b u c h d e r DDR 1 9 7 0 , S . 3 3 2 f . und H a n s j ö r g Buck: Sparen und Vermögensbildung p r i v a t e r Haushalte i n beiden Teilen Deutschlands. I n : B a n k - B e t r i e b , N r . 7 - 8 / 1 9 7 1 , S. 275.
Einkommensexpansion und dem steigenden Ausstattungsgrad der Haushalte mit hochwertigen industriellen Konsumgütern. Eine Erklärung findet die Entwicklung darin, daß sich die Vermögensbildung vor allen Dingen auf besser verdienende Schichten (Selbständige, Genossenschaftsbauern) konzentrierte. Der Anteil der Arbeitnehmer an der laufenden Ersparnis betrug 1968 nur etwa 40vH 5 4 1 . In den Jahren 1970/71 haben sich die jährlichen Sparquoten allerdings verringert und erreichten erst 1972 wieder das Niveau von 1969; der Anteil der Ersparnis am Nettoeinkommen der Bevölkerung ging von 7vH 1965 auf 6,2vH 1972 zurück. Die Ursachen sind wohl einmal im verbesserten Konsumgüterangebot und zum anderen in der stetigen Abnahme der Anzahl der
541
266
Vgl. Materialien 1971, a.a.O., S. 148.
Tabelle
49
Ersparnisse
der
privaten
I960 b i s
in
Jahr
Mrd.Mark
Haushalte
i n der
DDR
1972
i n vH d e r N e t t o - j e Elriw. i n Mark einkommen
1960 = 100
1963 = 100
1960
4,1
6,9
238
100
152
1961
2,8
4,6
164
69
104
1962
2,1
3,5
123
52
1963
2,7
4,4
157
66
100
1964
4,1
6,3
241
101
154
1965
4,8
7,1
282
119
180
1966
4,5
6,4
264
111
168
1967
4,6
6,4
269
113
171
1968
5,2
6,9
304
128
194
1969
5,5
7,0
322
135
205
1970
4,7
5,8
276
116
176
4,3
5,1
252
106
161
5,5
6,2
323
136
206
1971 1972 1 )
1)
Vorläufige
Quelle:
1S
Zahlen.
Berechnungen des
DIW.
Selbständigen und der LPG-Bauern vom Typ I und II zu suchen; zudem wurden 1971 für die meisten Nicht-Arbeitnehmer Steuererhöhungen wirksam. Deshalb stieg der Anteil der Arbeitnehmer an der laufenden Ersparnis bis 1972 auf über 50vH 5 4 2 .
542
Vgl. Statistisches Jahrbuch der DDR 1973, S. 343.
267
Neben den traditionellen S p a r m o t i v e n (Anschaffung hochwertiger Konsumgüter, Urlaubsreisen, Vorsorge für Alter 5 4 3 und für Notfälle) treten einige für Planwirtschaften typische Erscheinungsformen 544 : - Wegen der unzureichenden Reagibilität des Warenangebots auf verändertes Konsumverhalten besteht ein latenter Kaufkraftüberhang. - Einer aus unplanmäßigen Einkommenserhöhungen resultierenden zusätzlichen Nachfrage kann das Warenangebot nicht schnell genug folgen. - Die unregelmäßige Versorgung mit hochwertigen Konsumgütern zwingt zu höherer Bestandshaltung kurzfristig verfügbarer Mittel. Die Möglichkeit der Umwandlung von Geld- in Sachvermögen ist in der DDR nur im geringen Maße gegeben. Deshalb konzentriert sich die Vermögensbildung in der DDR fast ausschließlich auf Geldkapitalansammlung: 1969 erreichte sie je Kopf der Bevölkerung 3 455 M. Als Sparform dominierten 1969 eindeutig die Spareinlagen (Buchsparen, Spargiro- 545 , Giro- und Gehaltskonten) mit einem Anteil von 81vH an dem gesamten Geldvermögen vor den Versicherungsguthaben (Versicherung für die Alters- und Unfallvorsorge) mit 10vH und dem seit 1966 stark gestiegenen Wertpapiersparen mit 9vH 5 4 6 . 1970 gab es 15,6 Mill. Spar- und Spargirokonten 547 , d.h., daß fast auf jeden DDR-Bürgerein Konto entfiel.
224 Unentgeltliche Leistungen des Staates Nicht allein der aus Einkommen bestrittene Erwerb und Verbrauch von Gütern und die aus NichtVerbrauch von Einkommensteilen resultierende Ersparnis kennzeichnen den Lebensstandard einer Bevölkerung. Er wird darüber hinaus beeinflußt durch den Umfang der vom Staat oder anderen
543
In einem durchschnittlichen 2-Personen-Rentnerhaushalt ohne zusätzliches Arbeitseinkommen dürften die Haushaltseinnahmen 1970 etwa 340 M monatlich betragen haben. 544 Vgl. Materialien 1971, a.a.O., S. 148. 545 Spargiroguthaben sind täglich fällig werdende Spareinlagen, die mit dem gleichen Zinssatz (3 1/4 %) wie die Sparguthaben verzinst werden und zum bargeldlosen Zahlungsverkehr zugelassen sind. 546 In der DDR gibt es nur 2 Arten von Wertpapieren: Wohnungsobligationen und Hypothekenpfandbriefe. Ausgabeberechtigt ist nur der Staat. Die Papiere sind mit relativ schlechten Konditionen ausgestattet (vgl. Hannsjörg Buck: Sparen und Vermögensbildung privater Haushalte in beiden Teilen Deutschlands. In: Bank-Betrieb, Nr. 5/1971, S. 184). 547 Vgl. Neues Deutschland vom 15.12.1970, S. 5.
268
nichtprivaten Einrichtungen und Organisationen unentgeltlich bereitgestellten Leistungen, mit denen kollektive und/oder individuelle Bedürfnisse voll oder teilweise befriedigt werden können. In der DDR erfassen diese „Leistungen und Zuwendungen aus gesellschaftlichen Fonds" jedoch nicht nur Subventionen des privaten Verbrauchs, die vor allem die Stabilität des Preisniveaus von Konsumgütern und Dienstleistungen gewährleisten sollen und damit einkommenssubstitutiven Charakter mit stark nivellierender Wirkung haben (in gewissem Sinne zählen hierzu auch die Zuschüsse zur Sozialversicherung). Als unentgeltliche Leistungen werden statistisch den Einnahmen der Arbeiter- und Angestelltenhaushalte neben bestimmten Leistungen der Betriebe und des FDGB auch die (um Eigenleistungen verminderten) Ausgaben des Staates für die öffentlichen Bereiche der Bildung, der Kultur, des Sports, des Gesundheits- und Sozialwesens zugerechnet. Dies ist deshalb zu beachten, weil in kapitalistischen Gesellschaften die Kosten für diese Aufgaben in der Regel ebenfalls vom Staat getragen, jedoch als „öffentlicher Verbrauch" ausgewiesen werden. Der Anteil der so errechneten „unentgeltlichen Leistungen" (in denen Preissubventionen nicht enthalten sind) am Verbrauch der A r b e i t e r u n d A n g e s t e l l t e n h a u s h a l t e in der DDR ist seit 1960 stetig gewachsen und betrug 1972 schon 25vH; die beanspruchten Leistungen bestanden danach 1972 zu zwei Dritteln (1960: 58vH) aus unentgeltlichen Leistungen, von denen über die Hälfte auf den Bereich Volksbildung und Kultur, eine Fünftel auf das Gesundheits- und Sozialwesen entfallen. Der Rest verteilt sich auf Wohnungsbau und -erhaltung und sonstige Leistungen. D i e g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e n A u f w e n d u n g e n des Staates für unentgeltliche Leistungen betrugen in der vergangenen Fünfjahrplanperiode durchschnittlich 21,9 Mrd. M jährlich, die der Betriebe etwa 4 Mrd. M im Jahr 5 4 8 . Die Aufwendungen der gesellschaftlichen Organisationen dürften dagegen eine untergeordnete Rolle gespielt haben 5 4 9 . Im Jahre 1972 sind die Leistungen und Zuwendungen des Staates aus gesellschaftlichen Fonds auf 29,6 Mrd. M angewachsen. Inwieweit diese Ausweitung tatsächlich zu Verbesserungen in der Versorgung der Bevölkerung geführt hat oder nur die gestiegenen Produktionskosten für subventionierte Güter bzw. das höhere Lohnniveau der Beschäftigten in 548
Vgl. Die Wirtschaft, Nr. 41/1971, S. 17. Es sind lediglich die Leistungen des FDGB und der Volkssolidarität bekannt, sie betrugen etwa 0,4 Mrd. M im Jahr (vgl. Stat. Jährbücher der DDR). 549
269
270 1963
1964
1
η
M
* * *
1967
1968
1969
1970
1971
bezahlten und unentgeltlichen Leistungen^
I 1965 I 1966
an Waren,
IIS
1972
100
12,6 17,3
69,9 30,1
100
12,7 17,4
69,4 30,6
100
lOO
100
ν Η 100
5,3 9,9 1,4 2,6
12,8 17,8
5,1 9,8 1,5 2,7
12,7 19,3
100
5,1 10,3 1,7 3,2
12,5 19,6
67,3 32,7
100
5,1 11,8 1,7 3,1
12,2 20,2
66,3 33,7
100
100
11,8 23,1 5,0 5,2 13,4 14,4 1,8 1,8 2,9 2,9
11,7 21,5
65,2 63,9 34,8 36,1
2,9
24,3
100
Quelle:
Statistisches Jahrbuch der DDR
1973,
S. 3 4 3 .
1) Ohne Subventionen. - 2) Gesellschaftliche Aufwendungen ohne die von den Arbeiter- u.Angestelltenhaushalten bezahlten (Teil-)Leistungen. Bewertet in effektiven Kosten einschl. Investitionen. - 3) U.a. unentgeltliche Einnahmen von sozialistischen Betrieben und gesellschaftlichen Organisationen, jedoch nicht der Betriebsanteil zur Sozialversicherung.
5,2 9,2 0,8 2,5
12,9 18,0
69,2 67,9 67,7 30,8 32,1 32,3
5,4 9,1 1,0 2,4
12,9 17,8
69,2 30,8
davon: Gesundheits- U.Sozialwesen 5,3 5,2 5,4 Volksbildung u.Rultur 8,8 8,7 8,7 Wohnungsbau u.-erhaltung ^ 1,0 1,2 1,3 sonst.unentgeltl. Leistungen·37 2,2 2,3
davon: bezahlte Leistungen 12,5 unentgeltliche Leistungen '
Verbrauch an Waren u.Leistungen davon: Waren 70,2 Leistungen 29,8
in
Verbrauch an Waren u.Leistungen 810 878 901 I 940 I 983 1033 ΙΌ70 1129 1198 1249 1319 davon: Waren 569 614 625 650 681 702 724 760 794 815 843 148 Leistungen 241 264 276 290 302 331 346 369 404 434 476 198 davon: bezahlte Leistungen 101 111 115 121 127 132 136 141 146 146 155 153 unentgeltliche Leistungen21 140 153 161 169 175 199 210 228 258 288 321 229 davon: Gesundheits-u. Sozialwesen 43 46 49 51 51 55 55 58 61 . 62 69 160 Volksbildung u.Kultur 71 76 78 86 91 102 105 116 141 167 190 277 Wohnungsbau u. -erhaltung 8 11 12 9 8 14 16 19 21 23 24 300 sonst.unentgeltl. L e i s t u n g e n 1 8 20 22 24 26 28 34 , 35 35 36 38 211
1960
Verbrauch der Arbeitnehmerhaushalte
Tabelle 50
163
271
25,1
109,9
'
21 ,9
Qft y ö
~ n7
''
01
'
29,6
6,2
2,5
Ί η
7,2
c o
26,2
on
5,0
12,6
''
7
ς
36,2
λ
~
-
'
100
8,5
0
7,2
2,5
,
Quellen:
-
' 9,1
32,4
2) Vor läufig.
9,6
* ''
Q 1
24,3
2,7
. ,
ΔΧ
'
in vH
1972 2 )
I
Statistisches Jahrbuch der DDR 1973, S . 3 1 2 ? Willi Stoph, Bericht zur Direktive des VIII. Parteitages der SED zum Fünfjahrplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR in den Jahren 1971 bis 1 9 7 5 . In: Neues Deutschland vom 1 9 . 6 . 1 9 7 1 , S. 4 .
1) Ausgaben abzüglich der Einnahmen, ohne Investitionen, einschl .Ausgaben für Werterhaltung.
I n s g e s a m t
Subventionen für die Aufrechterhaltung der niedrigen Verbraucherpreise für Nahrungsgüter, Industriewaren des Bevölkerungsbedarfs, Stützungen der Preise für Personenbeförderungsleistungen, Reparaturen und Dienstleistungen
Zuschüsse für die Wohnungswirtschaft, einschl. Subventionen für Mietpreise
Zuschüsse zur Sozialversicherung
Zuwendungen für Gesundheits- und Sozialwesen
Zuwendungen für die Entwicklung des kulturellen Lebens, des Sports und des Erholungswesens
Zuwendungen für das Bildungswesen o o r (Volksbildung, Berufsausbildung, Hoch- u.Fachschulstudjum, Erwachsenenqualifizierung)
in M r d . M a r k 1966 - 1970 " jährlicher 1971 lnsf 3 es' Durchschnitt
Leistungen und Zuwendungen1^ des Staates aus gesellschaftlichen Fonds
Art der Leistung bzw. Zuwendung
Tabelle 51
den vom Staat mit Zuschüssen versehenen Bereichen widerspiegelt, läßt sich nicht feststellen. Von den Leistungen und Zuwendungen des Staates wurden 1972 32,4vH für Subventionen zur Aufrechterhaltung niedriger Verbraucherpreise für Nahrungsmittel (z.B. Milch, Butter, Brot, Fleisch, Geflügel, Fisch, Speisekartoffeln), bestimmte Industriewaren (z.B. feste Brennstoffe, Kinderoberbekleidung), Verkehrs- und andere Dienstleistungen ausgegeben. Für einen Einkauf von Nahrungsmitteln über 100 M z.B. zahlt der Staat zusätzlich 22,70 M; für die Benutzung der Straßenbahn und der Autobusse im Personennahverkehr wird aus den gesellschaftlichen Fonds im Durchschnitt noch einmal soviel aufgewendet, wie der DDR-Bürger selbst zahlt 5 5 0 . Den nächst größeren Posten mit 24,3vH bilden die Zuschüsse zur Sozialversicherung, die deren Defizit ausgleichen und mit denen jetzt schon rd. 40vH der Sozialversicherungsausgaben finanziert werden 5 5 1 . Fast gleich groß sind die Aufwendungen des Staates für das Bildungswesen (21,0vH). Die durchschnittlichen Ausgaben je Schüler betrugen z.B. 846 M im Jahr; ein vierjähriges Hochschulstudium kostet etwa 35 000 M 5 5 2 . Das Stipendium für einen Studenten beträgt 190 M im Monat 5 5 3 . Die Zuwendungen für das Bildungswesen enthalten auch die Kosten der Schulspeisung mit nahezu einer halben Mrd. M jährlich. Rund 55vH aller Schüler erhalten täglich eine warme Mahlzeit 554 . Auf die Leistungen für das Gesundheits- und Sozialwesen und die Wohnungswirtschaft (einschließlich Mietsubventionen) entfallen jeweils 9,1vH. Zur Unterhaltung eines Krippenplatzes wird z.B. monatlich rund 150 M aus dem Fonds für Gesundheit und Soziales gezahlt, die Eltern brauchen nur 25 - 30 M aufzubringen 555 . Für die Einrichtungen des kulturellen Lebens, des Sports und des Erholungswesens werden 4,1vH ausgegeben. Aus diesem Fonds wird z.B. jeder Theaterbesuch mit 14,30 M und jeder Kinobesuch mit 0,50 M subventioniert 556 . Pro Kopf der Bevölkerung betrugen damit die Zuwendungen und Leistungen des Staates (ohne Zuschüsse zur Sozialversicherung) 1972 monatlich 110 M. 550
Vgl. Neues Deutschland vom 16.10.1971. S. 3. In der Bundesrepublik wurden 1970 die Leistungen der Sozialversicherung einschl. KOV (133 Mrd. DM) zu 19vH (25 Mrd. DM) aus öffentlichen Mitteln finanziert. 552 Vgl. Die Wirtschaft, Nr. 41/1971, S. 17. 553 Die Ausgaben für die Unterkunft in einem Studentenheim liegen bei nur zehn Mark monatlich. 554 Vgl. Neues Deutschland vom 28.1.1973, S. 5. 555 Vgl. Berliner Zeitung (Ost) vom 15.4.1973, S. 2. 556 Vgl. Neues Deutschland vom 16.10.1971, S. 3. 551
272
225 Qualitative Aspekte Einkommensniveau und -Verteilung, Pro-Kopf-Verbrauch ausgewählter Erzeugnisse und Ausstattung mit langlebigen technischen Konsumgütern, Umfang des Tourismus und Ersparnis, Art und Höhe öffentlicher Leistungen sind: gewiß Indikatoren für den Lebensstandard der Bevölkerung eines Landes - doch nicht ausschließlich. Er wird ebenso geprägt durch die Qualität des Konsums. Aus der Sicht des Konsumenten erfordert dies, daß gewünschte Waren und Leistungen 1. in guter Qualität, 2. aus einem breiten Sortiment, 3. jederzeit und überall in der DDR ausgewählt und gekauft werden können; gleiches gilt grundsätzlich für die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen. Trotz steigenden Verbrauchs und besserer materieller Ausstattung zeigt sich aber, daß gerade die „Qualität" des Konsums in der DDR nach wie vor häufig als unbefriedigend empfunden wird. Stärkster Hinweis auf diese allgemeine Einschätzung sind die Postulate des VIII. Parteitages der SED und des ihm nachfolgenden Fünfjahrplans 1971 bis 1975, mit denen die Anhebung des Lebensniveaus zur Hauptaufgabe der wirtschaftlichen Tätigkeit erklärt wurde. Mit Verbesserungen der Konsumgüterplanung (vgl. S. 62 ff .), der betrieblichen Qualitätssicherungsmaßnahmen (vgl. S. 210 ff ), der Abstimmung von Produktion, Handel und örtlichen Organen (vgl. S.68f) sowie Importen von Konsumgütern (vgl.S.187ff) hofft die Wirtschaftsführung der DDR, ihrem gegenwärtig wichtigsten Ziel näher zu kommen. 2251 Q u a l i t ä t Viele Konsumgüter, die der Bevölkerung angeboten werden, sind mit Qualitätsmängeln behaftet, die ihren Wert mindern 5 5 7 oder gar den Gebrauch nach kurzer Zeit völlig unmöglich machen 5 5 8 . ζ In jüngster Zeit wurde beklagt, daß trotz Beanstandungen und höher gesetzter Normen für Kinderanoraks ungeeignete Gewebe verwendet und Obertrikotagen nicht qualitätsgerecht produziert und angeboten wurden. Statt diese Mängel zu beseitigen, wurden Preisnachlässe eingeräumt. (Vgl. Helmut Lilje: Weitere Fortschritte in der Qualitätsentwicklung bei Konsumgütern erreichen. In: Presse-Informationen, Nr. 53/1973, S. 2.) 558 Vgl. Günter Mittag. In: Neues Deutschland vom 11.6.1970, S. 6 („ . . . sehr störanfällig ist der Waschautomat WA 68. Eine Übersicht aus sieben Fachverkaufsstellen zeigt, daß von 1 800 im 1. Quartel (1970) gekauften Waschautomaten 557
273
Die Folgen dieser Mängel zeigen sich immer wieder in deutlicher Unzufriedenheit - auch im H a n d e l 5 5 9 - und in z u n e h m e n d e r Zahl von Reklamationen560. Zwar w u r d e s c h o n Mitte 1970 für alle im Einzelhandel angebotenen K o n s u m g ü t e r die Kennzeichnungspflicht (Name und Sitz des Herstellers, Warenzeichen o.a.) eingeführt, u m die Hersteller zur Qualitätssteigerung zu veranlassen. A u c h w i r d über V e r l e i h u n g 5 6 1 und Entzug von Gütezeichen öffentlich b e r i c h t e t 5 6 2 . Dennoch treten immer wieder, vor allem bei neu auf den Markt k o m menden Erzeugnissen, erhebliche Qualitätsmängel auf. So w u r d e n gerade in jüngster Zeit, in der die rasche Überführung von N e u e n t w i c k l u n g e n in die P r o d u k t i o n von der Wirtschaftsführung im Interesse der Hauptaufgabe immer wieder gefordert w e r d e n 5 6 3 , häufig „statt bewährter und d u r c h aus leistungsfähiger B a u g r u p p e n oder Einzelteile neuentwickelte oder w e n i g erprobte B a u g r u p p e n mit unzureichender Funktionstüchtigkeit oder geringer Lebensdauer e i n g e s e t z t " 5 6 4 . Hierdurch werden - die o h n e h i n knappen - Reparatureinrichtungen „ m i t Garantieleistungen und Nach-
jeder zweite wegen Qualitätsmängel reklamiert wurde"); Tribüne vom 10. Dezember 1971: „Die Küchenmaschine KM8 ist sehr störanfällig. Etwa 80 Prozent der Anker sind defekt, nach kurzer Zeit schlagen die Wicklungen durch". Gleiches gilt für Fernsehapparate (vgl. Neues Deutschland vom 3.6.1970, S. 3 und 11.6.1970, S. 6), Gasherde (1. Hj. 1970: von 100 Gasherden . . . waren 38 defekt; vgl. Neues Deutschland vom 29.9.1970, S. 4), Strumpfhosen (vgl. Die Wirtschaft, Nr. 31/1972, S. 7) u.a.m. 559 Vgl. Eberhard Müller: Qualität entsteht nicht hinter dem Ladentisch. In: Die Wirtschaft, Nr. 31/1972, S. 7. („Man kann sich die Stimmung bei den Kolleginnen im Kinderkaufhaus 'Steppke' in Eisenach vorstellen, als sie im Mai dieses Jahres 40 Prozente der . . . gelieferten Strumpfhosen wieder zurückschicken mußten.") 560 Vgl. Berliner Zeitung vom 2.12.1971. In einer Rechtsberatung für unzufriedene Kunden wurde vor allem die Qualität von Schuhen, elektrischen Haushaltsgeräten, Möbeln, Badeöfen, Kinderwagen und Werkzeugen reklamiert. 561 Vgl. Rudi Georgi, a.a.O.: „Schwerpunkte der Qualitätsverbesserung waren für den vergangenen Zeitraum u.a. (die zuvor beanstandeten - Anm. DIW) Waschmaschinen. Gute Ergebnisse gab es bei den Typen WA, WVA und WM 66, die jetzt das Gütezeichen 1 tragen." 562 Vgl. Siegfried Spann: Produktion und Handel gemeinsam um Qualitätserzeugnisse bemüht: In: Presse-Informationen, Nr. 21/1972, S. 3 („Im Dezember 1971 wurde z.B. dem Hersteller des Handrühr- und Mixgerätes „Piccolo" das Gütezeichen des DAMW für dieses Erzeugnis entzogen und eine Auslieferungssperre ausgesprochen, weil es wiederholten Dauertestprüfungen nicht standgehalten hatte.") 563 Vgl. Willi Stoph: Entscheidende Schritte auf dem guten Weg des VIII. Parteitags. In: Neues Deutschland vom 15.12.1972. S. 4. 564 Vgl. Helmut Lilje, a.a.O., S. 2 („Bei einigen neuen Geräten der Phonound Fernsehindustrie treten nur deshalb Mängel auf, weil neuentwickelte Schalter und ähnliche Baugruppen nicht funktionssicher waren."). 274
besserungen belastet, anstatt sie für außerhalb der Garantiezeit liegende Reparaturen e i n z u s e t z e n " 5 6 5 . Über mangelhafte Qualität wird j e d o c h nicht nur bei industriellen K o n s u m gütern, sondern ebenso bei Nahrungsmitteln (z.B. K a r t o f f e l n 5 6 6 ) und a u c h bei Dienstleistungen g e k l a g t 5 6 7 . 2252
Sortiment
Zwar hat sich das Sortiment der angebotenen Güter in den letzten Jahren sicherlich verbessert, d o c h hat es offensichtlich den z u n e h m e n d rascheren Veränderungen im Verbrauchsverhalten n i c h t folgen können. So richtet sich die Kritik zunächst a u c h auf jene Sektoren, die nur schwer planbar sind, weil sie stark v o m Geschmack der Kunden abhängen und in denen modische E i n f l ü s s e 5 6 8 und Fragen der F o r m g e s t a l t u n g 5 6 9 eine Rolle spielen. Die mangelhafte Anpassungsfähigkeit von Planung und P r o d u k t i o n und das Fehlen einer umfassenden Bedarfsforschung treten hier besonders in Erscheinung, sei es bei S c h u h e n 5 7 0 und B e k l e i d u n g 5 7 1 , bei M ö b e l n u n d 565 Ob sich hierin eine auch in der Bundesrepublik festzustellende Tendenz anbahnt, Kosten umfassender Qualitätskontrolle des Betriebes einzusparen, die Kontrolle dem Konsumenten zu übertragen und Beanstandungen im Rahmen der Gewährleistung zu übernehmen, ist nicht festzustellen. Immerhin betrug der Anteil der Garantieleistungen an den gesamten Reparaturen 1971 bei Kühlschränken 31,1 Prozent und bei Waschmaschinen 23,5 Prozent. (Vgl. Tribüne vom 10.12.1971). 566 Berliner Zeitung vom 1.10.1972, S. 4. 567 Vgl. Neues Deutschland vpm 18.1.1974, S. 4. Auch zeigten Prüfungen des DAMW, daß z.Zt. viele industrielle Großwäschereien die geforderte Qualität nicht erreichen. Vgl. Presse-Informationen, Nr. 123/1972, S. 2. 568 Vgl. Georg Ebert und Harry Milke: Hauptaufgabe und bedarfsgerechte Produktion von Konsumgütern. In: Einheit, Heft 12/1972, S. 1603: „Wir können auch nicht daran vorübergehen, daß bei nicht wenigen Erzeugnissen . ;. unsere eigene Modegestaltung nicht den Bedarf prägt, sondern sich im Nachtrab befindet". 569 Vgl. Martin Keim: Formgestalter, Konstrukteur und Technologe-ein Gespann. In: Die Wirtschaft, Nr. 1/1973, S. 9 („... bestimmte Erzeugnisse (müssen) so gestaltet werden,..., damit sie sich ohne Schwierigkeiten in ein Ensemble einordnen lassen. Ich denke dabei vor allem an Kücheneinrichtungen und Wohnraummöbel . . . So entsprechen viele elektrische und mechanische Haushaltsgeräte und andere Konsumgüter nicht mehr unseren Bedürfnissen und dem internationalen Fortschritt"). 570 Herbert Ehlich und Friedhold Birnstiel: Schuhverbrauch ist nicht gleich Schuhverbrauch. In: Die Wirtschaft, Nr. 2/1973, S. 17. („Es muß nüchtern festgestellt werden, daß es in den Kombinaten der Schuhindustrie noch keine organisierte Bedarfsforschung gibt" und daß sich die Schuhindustrie ausschließlich an den von den wirtschaftsleitenden Organen vorgegebenen Planziffern orientiert".) 571 So erklärte Politbüromitglied Werner Krolikowski auf der 11. ZK-Tagung u.a.: „So nutzt es nur sehr wenig, wenn zu einer Zeit, da unsere Jugend moderne, schicke Hosen mit Schlag wünscht, den Mädchen und Jungen durch den Handel hauptsächlich die aus der Mode geratenen Kniehosen in großen Mengen angeboten werden... wenn wir bei den riesigen Fonds von Konsumgütern nicht neue Regelungen schaffen, die den modischen Anspruch erfüllen, dann werden sich die Lager füllen, und der Versorgungseffekt ist nicht da". Vgl. Neues Deutschland vom 16.12. 1973, S.4.
275
Raumtextilien, bei Tapeten oder Glas- und Keramikerzeugnissen - Produkten, über deren unzureichendes Sortiment seit Jahren Klage geführt wird 5 7 2 . Zu den Ursachen des unbefriedigenden Sortiments mit diesen Gütern zählt einmal der nur „geringe Spielraum für aktuelle Gestaltung (etwa Modeschlager) infolge begrenzter Reserven und struktureller Disproportionalität (in der Bekleidungsindustrie beispielsweise werden Gewebe oder Farbe teilweise mehr als zwölf Monate vor dem eigentlichen Konfektionierungstermin eingekauft)" 573 . Zum anderen wird das Angebot „gut gestalteter Waren für die Bevölkerung . . . aber noch zusätzlich eingeschränkt, weil formschöne Erzeugnisse in zu geringem Umfang auf den Binnenmarkt gelangen. Z.B. werden im Industriezweig Deko viele gute Raumtextilien produziert - sichtbar auf der Leipziger Messe. Im Inland ist davon jedoch nur ein geringer Teil im Angebot" 5 7 4 . Die Wirtschaftsführung der DDR will dem entgegentreten. Das, was auf der Leipziger Messe als potentielles Exportangebot vor allem den Einkäufern westlicher Industrieländer vorgelegt wird, soll künftig auch in den Geschäften der DDR zu kaufen sein und überdies das inländische Angebot an diesen Gütern durch Importe angereichert werden 5 7 5 . Schließlich hat der Ministerrat der DDR am 18. Oktober 1972 beschlossen, daß Betrieben, „die sich ernsthaft um eine modische Gestaltung ihrer Erzeugnisse bemühen, keine ökonomischen Nachteile entstehen (sollen). Außerdem wird bei einer Reihe von Konsumgütern das Gütezeichen u.a. von gestalterischen Prädikaten abhängig gemacht". Mag auch das Sortiment vor allem bei diesen Konsumgütern hinter den „gewachsenen kultur-ästhetischen Bedürfnissen der Bevölkerung" 5 7 6 zurückbleiben, so wird es doch als weit störender empfunden, daß es an den 1000 Dingen des Alltags (z.B. Briefumschläge, Zahnbürsten, Schrauben) mangelt, daß preiswerte Erzeugnisse aus dem Sortiment verschwinden und durch teuere ersetzt werden und auch das Angebot von Nahrungsund Genußmitteln häufig Lücken (z.B. Frischobst, Südfrüchte, Frischgemüse, Fleischwaren) aufweist.
572 Vgl. yVochenbericht des DIW. Nrn.36/1972, 5/1973, 35/1973 und 4/1974. Bearb.: Peter Mitzscherling. 573 Vgl. Gernot Schneider: Das Konsumgut soll modisch sein. In: Die Wirtschaft, Nr. 5/1973, S. 10. 574 Vgl. Martin Keim, a.a.O. 575 Vgl. Erich Honecker: Zu aktuellen Fragen bei der Verwirklichung der Beschlüsse unseres VIII. Parteitags. In: Neues Deutschland vom 18.12.1971, S. 4. 576 Vgl. Gernot Schneider, a.a.O.
276
Unzureichend ist vor allem die Bereitstellung von Ersatzteilen, deren Fehlen die Funktionsfähigkeit der z.T. teuren Produkte für Monate außer Kraft setzt, so z.B. durch nicht erhältliche Zubehörteile wie Autoreifen, Zündkerzen, Fernsehersatzteile. Fehlende Ersatzteile wiederum beeinträchtigen das ohnehin zu geringe Angebot von R e p a r a t u r k a p a z i t ä t e η, die mit der steigenden Ausstattung der Haushalte mit langlebigen technischen Konsumgütern nicht Schritt halten können. Das Fehlen anderer D i e n s t l e i s t u n g s e i n r i c h t u n g e n (z.B. Tankstellen) mindert ebenso die ungetrübte Nutzung der Konsumgüter oder verhindert die erhoffte Entlastung, z.B. der arbeitenden Hausfrau durch Chemische Reinigungen und Wäschereien. Eine weitere Ursache für mangelhafte Dienstleistungen ist die hohe Fluktuation bei den Dienstleistungsbetrieben wegen z.T. schlechter Arbeitsbedingungen und „Mißachtung materieller Stimulierung" 5 7 7 . Die Folgen sind zunehmende R e p a r a t u r - u n d in fast allen Dienstleistungsbereichen 578 .
2253 Z e i t l i c h e und r e g i o n a l e
Wartezeiten
Verfügbarkeit
W a r t e z e i t e n sind auch für bestimmte Konsumgüter bekannt: Auf Personenkraftwagen muß der Besteller - trotz des hohen Preises - noch immer mehrere Jahre warten 5 7 9 . Andere Güter sind häufig deshalb nicht verfügbar, weil wegen verschiedenartiger Schwierigkeiten im Handel die gleichmäßige r e g i o n a l e V e r t e i l u n g gestört ist. Dies gilt ebenso für Dienstleistungen, häufig bedingt durch unterschiedliche Gewohnheiten und abweichendes Angebot 5 8 0 . Die Inanspruchnahme ist aber ebenso von den regional unterschiedlichen Wartezeiten abhängig 5 8 1 . 577
Vgl. Tribüne vom 10.12.1971. Vgl. Helmut Lilje, a.a.O. (Presse-Informationen, Nr. 53/1973); Neues Deutschland vom 17.11.1971; Nationalzeitung vom 18.11.1973 sowie den Planerfüllungsbericht 1973. In: Neues Deutschland vom 18.1.1974, S. 3 f. 579 Vgl. Neue Zeit vom 5.7.1969: „Der VEB IFA Betrieb Berlin beispielsweise gibt den Wagen (Polski-Fiat) z.Zt. an Wartburg-Anmelder aus den Jahren 1963/64 ab". Direkte Informationen von DDR-Bürgern besagen, daß sich diese Wartezeiten bisher kaum verringert haben. 580 Vgl. Fußnote 432. 581 Vgl. Nationalzeitung vom 18.1.1973: „Die industriellen Wäschereien versorgen über 20 Prozent der Haushalte mit Waschleistungen, das sind rd. 1,4 Mill. Haushalte."- „Wenn sich auch gegenwärtig die Lieferzeiten bei Fertigwäsche für die Bevölkerung im Durchschnitt der DDR wieder stabilisiert haben, mit Ausnahme von Berlin, so wissen wir doch, daß sie territorial sehr unterschiedlich sind. Kontinuierliche Lieferzeiten von zehn Werktagen gibt es für ein Drittel der Haushalte. Aber noch 22 Prozent der Haushalte müssen drei Wochen und etwa 10 Prozent mehr als drei Wochen auf die Rückgabe der Wäsche warten". 578
277
Negative Auswirkungen auf die regelmäßige und regional gleichmäßige Bereitstellung von Konsumgütern ergaben sich im Jahr 1972 aus einer zunächst allseits begrüßten Regelung - der Liberalisierung des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Nachbarländern. Vor allem polnische Touristen nutzten die Möglichkeit unbegrenzten Geldumtauschs zu „gezielten" Käufen in den grenznahen Bezirken der DDR (insbesondere Berlin, Cottbus, Frankfurt, Neubrandenburg, Dresden und Leipzig) und belasteten die ohnehin angespannte Versorgungslage, die durch Warenkäufe von DDR-Touristen in den Nachbarländern nur zu einem weit geringeren Teil entlastet werden konnte. Um künftig solche unerwünschten - angesichts der unterschiedlichen Preisstruktur bei unbeschränktem Geld- und Güteraustausch aber unausbleiblichen - Nebenwirkungen zu vermeiden, ist Ende 1972 eine Begrenzung des Geldumtauchs und eine umfassende Handhabung der Zollbestimmungen verfügt worden.
226 Konsumtrends 2261 Fernes Ziel: „Sozialistische nisse"
Verbrauchsverhält-
Der Anspruch des gesellschaftlichen Systems in der DDR, eine „sozialistische Lebensweise" entwickeln zu wollen, die eine „historische Alternative gegenüber dem Lebensstil der herrschenden Klassen und der Lage der Werktätigen im Kapitalismus" 582 darstellt, umfaßt auch die „sozialistische Art und Weise" der Befriedigung materieller Bedürfnisse. Sie ist gekennzeichnet durch „Herausbildung sozialistischer Verbrauchsverhältnisse, die den Menschen nicht zu kleinbürgerlichem Besitzstreben treiben, sondern zur Ausnutzung der Konsumtion für den Gewinn von Freizeit und deren sinnvoller Nutzung anregen und die Tendenz, gesund zu leben, fördern" 5 8 3 . Sie bedeutet unter anderem, „daß die ständig bessere Versorgung mit Konsumgütern und Dienstleistungen die Menschen von unrationellen Arbeiten befreit" und „ihnen Zeit und Möglichkeiten für ihre Persönlichkeitsentwicklung g i b t " 5 8 4 . Die Entwicklung „sozialistischer Persönlichkeiten" und die der „modernen sozialistischen Produktion . . . erfordert einen hohen Bildungsstand der Bürger. Die Qualifikation wiederum erfordert Freizeit und entsprechende Bildungsmöglichkeiten. Durch spezifische
582 Vgl. Günter Manz: Zur Entwicklung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus und der sozialistischen Lebensweise. In: Planung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus, Berlin (Ost) 1972, S. 7 ff. 583 Vgl. Günter Manz, a.a.O., S. 15. 584 Vgl. Günter Manz, a.a.O., S. 22.
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Konsumgüter und Dienstleistungen kann eine solche Entwicklung zielstrebig gefördert werden". 5 8 5 Da die Hauptaufgabe der Wirtschaftspolitik, den Lebensstandard der Bevölkerung zu erhöhen, „keine taktische, sondern eine prinzipielle und langfristige, aus dem ökonomischen Grundgesetz des Sozialismus abgeleitete Orientierung" 586 sein soll und somit auch für den nächsten Fünfjahrplan 1976 bis 1980 587 gilt, müßte die Planwirtschaft der DDR in ihrer längerfristigen Planung von bestimmten Verbrauchsnormen, Verbrauchszielen und qualitativen Determinanten einer „sozialistischen" Lebensweise ausgehen. Doch diese Erwartung geht fehl! Zwar wird die „Problematik der Verbrauchsnormen und Ziele" sowie das „Problem einer bestimmten ökonomischen Quantifizierung möglicher Verhaltensnormen . . . im Zusammenhang mit der Lebensstandardentwicklung und der damit in Wechselwirkung stehenden Herausbildung der sozialistischen bzw. kommunistischen Lebensweise" - auch in der UdSSR und der CSSR diskutiert, doch werden sich „konkrete Lösungswege . . . nur schrittweise erarbeiten lassen". 588 Diese theoretischen Vorstellungen, die in frappierender Weise der DDRPraxis widersprechen, gehen nicht über allgemeine Formulierungen hinaus, z.B., daß der langfristige Plan Bedürfnisse zu berücksichtigen habe, die „das Leben schöner und angenehmer gestalten und der umfassenden Entwicklung der Persönlichkeit dienen". „Vorstellungen über die Art und Weise, die Wege der Befriedigung" müßten entwickelt, Probleme der Reihenfolge von Bedürfniskomplexen gelöst werden. Doch seien mit diesen „Konsumentenbudgets, Verbrauchsnormen, Verbrauchsziele, differenzierte Realeinkommensbilanzen untrennbar verbunden". Aber: „Diese Instrumentarien, Bilanzen usw. liegen zum Teil noch nicht vor oder werden nur unzureichend beherrscht". Deshalb wird der zu entwickelnde langfristige Plan bis 1990 „die Wege zur Bedürfnisbefriedigung noch nicht endgültig festlegen können, sondern Grundlinien zeigen, die durch die Fünfjahrpläne konkretisiert werden". 5 8 9
585
Vgl. Christian Graf/Helmut Hackel: Die Bedeutung und das Wesen der Dienstleistungen für die Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes. In: Planung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus, Berlin (Ost) 1972, S. 51 586 Vgl. Erich Honecker im Schlußwort zur 4. Sitzung des ZK der SED. In: Neues Deutschland vom 18.12.1971, S. 3. 587 Vgl. Günter Manz: Bedürfnisse und Bedarf der Bevölkerung als Ausgangspunkte der Planung. In: Wirtschaftswissenschaft, Heft 5/1973, S. 697. 588 Vgl. Günter Manz: Bedürfnisse..., a.a.O., S. 701 f. 589 Günter Manz: Bedürfnisse..., a.a.O., S. 704-706.
279
Auch die Planung der künftigen „Warenfonds" wird somit den bisher erreichten, noch als ungenügend empfundenen Standard zu berücksichtigen haben und sich im wesentlichen auf „internationale Erfahrungen" 590 - mit anderen Worten: die Verbrauchsentwicklung in westlichen Ländern stützen. 2262 Konkrete
Aufgaben
Die Plan-Direktive für die wirtschaftliche Entwicklung 1971 bis 1975, die vom VIII. SED-Parteitag im Sommer 1971 beschlossen worden war, hatte für 1973 - das dritte Jahr des laufenden Fünfjahrplans - für den privaten Verbrauch und die Investitionen nur unterdurchschnittliche Zuwachsraten vorgesehen. Der Volkswirtschaftsplan für 1973 korrigierte diese ursprünglichen Vorstellungen: Das Investitionsvolumen stieg tatsächlich um 8,5vH, der private Verbrauch um 6vH und damit stärker als das Sozialprodukt ( + 5,5vH)(vgl.S.222ff) Zwar müssen im Interesse der weiteren Konsolidierung die Investitionen bevorzugt auch weiterhin in die zuvor vernachlässigten Bereiche der Zulieferindustrien und in die Energiewirtschaft gelenkt und gleichzeitig auch Mittel für den Ausbau der Rohstoff- und Materialbasis bereitgestellt werden. Doch stärker als ihre Vorgänger sind die Volkswirtschaftspläne 1973 5 9 1 und 1974 592 auch in den Investitionsansätzen auf Konsumförderung gerichtet; vor allem im Jahre 1973 wurde der Ausbau neuer Kapazitäten für die Konsumgüterproduktion forciert. Die Versorgung mit industriellen Konsumgütern konnte deshalb 1973 bereits um 9vH erhöht werden und wird 1974 weiter steigen. Dennoch wird die erhöhte Warenbereitstellung, in der auch der Bedarf „der sich ausdehnenden Touristik" berücksichtigt ist, nach Einschätzung der DDR-Führung nicht zur vollen Befriedigung aller Ansprüche ausreichen. Vor allem bei Ersatzteilen, Reparatur- und Dienstleistungseinrichtungen werden auch die eingeleiteten Förderungsmaßnahmen 593 kaum genügen, um Nachholbedarf und wachsende Nachfrage zu decken. 590 Heinrich Engels, Werner Schmidt: Zur volkswirtschaftlichen Analyse der Haushaltsbestände an industriellen Konsumgütern. In: Planung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus, Berlin (Ost) 1972, S. 129. 591 Vgl. Gesetz über den Volkswirtschaftsplan 1973. In: GBl. der DDR, Teil 1/1972, S. 283 ff. 592 Vgl. Gesetz über den Volkswirtschaftsplan 1974. In: GBl. der DDR, Teil 1/1973, S. 563 ff. 593 Vgl. Albert Norden: „Unsere staatlichen Organe sollten großzügig sein in der Förderung der Privatinitiative auf dem Gebiet der Dienstleistungen verschiedenster Art, in der Zulassung der Gewerbeerlaubnis z.B. für Einzelhandelsgeschäfte, für Handwerker, Gastwirte, private Pensionen in den Erholungsgebieten..In: Neues Deutschland vom 30.11.1972, S. 3.
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Konsumgüterimporte sind vorgesehen, um das aus eigener Industrieproduktion bereitgestellte Angebot zu ergänzen, obwohl 1973 für die Produktionssteigerung von Konsumgütern (+7,1vH) erstmals ein stärkerer Zuwachs geplant war als für die Erzeugung von Produktionsmitteln ( + 4,9 vH). Diese Zielsetzung, die sich deutlich von früheren Vorstellungen abhebt, stützt sich auf erste Erkenntnisse einer „langfristigen Konzeption für die Entwicklung der Konsumgüterindustrie", mit deren Erarbeitung nach der 7. ZK-Tagung im Oktober 1972 begonnen wurde. Danach soll die verbesserte Bereitstellung von Konsumgütern erreicht werden durch - Eigenproduktion und verstärkte Zusammenarbeit mit den anderen RGWPartnern, - Konzentration auf Erzeugnisse, die für das tägliche Leben der großen Mehrheit der Bevölkerung am wichtigsten sind, - langfristige und dauerhafte Sicherung eines größeren und bedarfsgerechteren Angebots, das schneller wachsen soll als die Kaufkraft. Diese Konzeption erfordert strukturelle Konsequenzen, die schon Ende 1972 eingeleitet wurden. Da der Arbeitskräftebedarf für die Inbetriebnahme neuer Kapazitäten grundsätzlich nur durch Freisetzung von Arbeitskräften und damit verstärkte Rationalisierung zu decken ist, waren bereits für 1973 einige Vorhaben der Mechanisierung und Automatisierung geplant. 5 9 4 Durch diesen Kapazitätszuwachs wurde bereits 1973 z.B. die Erzeugung von synthetischen Seiden und Fasern und die Herstellung von Kunststoffen wesentlich gesteigert. Eine verstärkte Produktion u.a. von Textilmaschinen und Kunststoffverarbeitungsmaschinen konnte ebenfalls zur Vergrößerung des Angebots beitragen. Auch der Volkswirtschaftsplan 1974 läßt erkennen, daß er auf die seit dem VIII. Parteitag geltende Hauptaufgabe der Wirtschaftspolitik „Anhebung des Lebensstandards" gerichtet ist - allerdings weniger ausgeprägt als 1973. So soll zwar die geplante Erhöhung der Bruttoproduktion der Industrie (+6,7vH) 1974 auch unmittelbar der Konsumgüterbereitstellung zugute kommen und dabei die Produktion von Fertigerzeugnissen für die Bevölkerung in der chemischen Industrie, der Leichtindustrie und der Glas- und Keramikindustrie nochmals um rund ein Zehntel (1973: ein Fünftel) erhöht werden. Doch die geplante Angebotsausweitung liegt bei den meisten genannten Erzeugnissen deutlich unter den Ansätzen des Vorjahrs, z.B. bei 594
Ihre Auswahl erfolgte „unter dem Gesichtspunkt der Durchsetzung der Intensivierung, der sofortigen Steigerung der Konsumgüterproduktion, der schnellen Herstellung neuer Erzeugnisse und der langfristigen planmäßigen Entwicklung der Konsumgüterindustrie sowie der vorrangigen Entwicklung von volkswirtschaftlich wichtigen Grundstoff- und Zulieferbetrieben". Vgl. Neues Deutschland vom 15.12. 1972, S.4.
281
Möbeln und Polsterwaren (+11vH; 1973: + 26vH), Tapeten (+9vH; 1973: + 48vH), Haushaltsporzellan (+8vH; 1973: + 31vH). Die Inbetriebnahme neuer Kapazitäten zur Erzeugung bestimmter industrieller Konsumgüter, die im letzten Jahr zu einer spürbaren Entlastung der angespannten Versorgungslage beitrug, scheint somit bis auf wenige Ausnahmen (u.a. VEB Magnetbandfabrik Dessau) zunächst beendet zu sein, obwohl vorgesehen ist, erneut 1,7 Mrd. Mark in der Leichtindustrie - vor allem für Rationalisierungszwecke-zu investieren. Abermals sollen in der Grundstoffindustrie, vor allem in der chemischen Industrie, mehr Konsumgüter produziert werden, wenn auch die Propagierung der Produktion von Konsumgütern durch Investitionsgüterhersteller deutlich schwächer geworden ist. Offenbar sind die bisherigen Erfahrungen nicht sehr ermutigend gewesen. Denn derartige Initiativen stören zumeist den reibungslosen Produktionsprozeß, führen in den Betrieben in der Regel zu Materialschwierigkeiten, verschärfen das Arbeitskräfteproblem und erbringen häufig Erzeugnisse, für die keine bzw. nur eine begrenzte Nachfrage besteht oder, wenn es sich um kompliziertere Erzeugnisse handelt, für die eine ausreichende Ersatzteilversorgung nicht gewährleistet ist. 5 9 5 Auch für 1975 ist mit einer weiteren Verbrauchsförderung zu rechnen. Die im Fünfjahrplan für 1975 fixierten Verbrauchsziele 596 dürften zumeist erreicht, einzelne sogar überboten werden. Die Bereitstellung vieler jetzt oft fehlender Erzeugnisse (z.B. Reifen, Schläuche, Vollwaschmittel, Schuhe, Porzellan, Möbel, Fußbodenbelag, Polsterwaren) soll weiter gesteigert, die Qualität generell verbessert, neue Produkte sollen entwickelt und produziert werden. Pflegeleichte Textilien aus synthetischen Fasern werden vermehrt erzeugt werden können, da verschiedene neue Kapazitäten die Pro595 Vgl. Rudi Georgi: Konsumgüter bedarfsgerecht in guter Qualität produzieren. In: Presse-Informationen, Nr. 11/1973. („. . . die Initiative solcher Betriebe muß richtig gelenkt und auf Erzeugnisse gerichtet werden, für die wirklich ein dringender Bedarf besteht. Das ist uns bisher nicht immer gelungen. So produzieren heute bereits mehr als zehn Werke Campinggrills. Ähnlich steht es bei elektrischen Brotröstern oder bei den sogenannten Hollywoodschaukeln. Nichts gegen diese Erzeugnisse, aber ihre Produktion muß in Menge und Qualität auf die Bedürfnisse ausgerichtet sein. Sonst erhalten wir bei einigen Artikeln ein Überangebot, während andere dringend benötigte Dinge fehlen". 596 Der Pro-Kopf-Verbrauch (vgl. Tabellen 47) soll 1975 erreichen: bei Fleisch und Fleischwaren 72-75 kg, bei Trinkmilch 100 I, bei Butter (Produktgewicht) 15 kg, bei Obst 55-60 kg, bei Gemüse 93-95 kg, bei Südfrüchten 13-15 kg, bei Eiern 247 Stück und bei Röstkaffee 2,8 kg. Von 100 Haushalten (vgl. Tabelle 48) sollen 75-80 einen Kühlschrank, 65-70 eine Waschmaschine und 75-80 einen Fernsehempfänger besitzen. Von 1970 bis 1975 sollen die Leistungen und Zuwendungen des Staates aus gesellschaftlichen Fonds um jährlich 6,2vH und damit stärker zunehmen als die Nettogeldeinnahmen (jährlich + 4,0vH).
282
duktion aufnehmen bzw. inzwischen aufgenommen haben. 5 9 7 Ausreichende und bedarfsgerechte Ersatz- und Zubehörbereitstellung ist dem Maschinenbau auferlegt worden. Die bisher vernachlässigten Dienstleistungsbetriebe sollen gefördert werden, die industriellen Wäschereien ihre Leistungen an Fertigwäsche ebenso um 30vH (gegenüber 1970) erhöhen wie die Chemischen Reinigungen. Durch Ausbau des Netzes der Annahmestellen soll auch in kleineren Gemeinden der Bedarf an Dienstleistungen und Reparaturen besser befriedigt werden. Zu einem nicht unerheblichen Teil wird die Realisierung der Planziele davon abhängen, ob die geplanten Fortschritte in der Zusammenarbeit mit den anderen RGW-Ländern auch tatsächlich erreicht werden. Hierzu zählen vermehrter Austausch mit Konsumgütern, zunehmende Spezialisierung und Kooperation, gemeinsame Errichtung von Betrieben und gemeinsame Forschung und Entwicklung 5 9 8 im Konsumgüterbereich. Importe aus westlichen Ländern und auch zunehmende Lizenzfertigung werden weitere Entlastung bringen. Daß allerdings das Verbrauchsverhalten der DDR-Konsumenten zunehmend von sozialistischen Verhaltensmustern geprägt sein wird, scheint selbst die DDR-Führung nicht zu erwarten: Die seit September 1972 in Lizenz der British-American-Tobacco gefertigte Zigarette „HB" wird in Originalpackungen an die DDR-Bürger verkauft. Auch dem PKW, als Statussymbol bei uns zunehmend ebenso entwertet wie als umweltverschmutzen597
Z.B. Textilkombinat Cottbus, Obertrikotagewerk Apolda, VEB Chemiefaserwerk Premnitz (Polyesterfasern), VEB Chemiefaserwerk Guben (Polyesterseide); andere wichtige neue Vorhaben sind das Synthesewerk Schwarzheide (Polyurethane) oder in VEB Filmfabrik Wolfen die Magnetbandproduktion sowie das Glaswerk Ilmenau. 598 Eine erhebliche Ausweitung des gegenseitigen Konsumgüteraustauschs ist vor allem mit Polen geplant; auch haben die DDR und Polen mit dem gemeinsamen Bau einer Baumwollspinnerei begonnen und die Errichtung von zwei Möbelfabriken vorgesehen. Die Zusammenarbeit mit Rumänien besteht in der Produktion von Möbeln und Schuhen. Langfristige Vereinbarungen über Spezialisierung und Kooperation in der Glas- und Keramikindustrie existieren mit Bulgarien und Ungarn. Eipe langfristige Kooperation mit der CSSR bei der Entwicklung und Produktion von PKW wird vorbereitet; außerdem werden gemeinsam neue technische Lösungen auf dem Gebiet der Kammgarnspinnerei erarbeitet. Mit der UdSSR besteht eine Kooperation in der Entwicklung einer rationellen Herstellung von synthetischem Oberleder und Schuhwerk. In der Möbelindustrie gibt es bei Beschlägen, Spezialisierungsbestrebungen zwischen der DDR, Bulgarien, Polen und der CSSR, in der Papierindustrie mit allen osteuropäischen RGW-Ländern (außer Polen). Besondere Bedeutung wird der eingeleiteten Spezialisierung und Kooperation von Maschinen und Ausrüstungen für die Leicht- und Nahrungsgüterindustrie beigemessen. Vgl. Presse-Informationen, Nrn. 148/1972, S. 7 und 54/1972, S. 3..
283
des und den Stadtverkehr behinderndes Vehikel geschmäht, gilt in der DDR die Bewunderung vieler: Bis 1975 soll die Zahl der zugelassenen PKW auf 1,8 Mill. (1971:1,27 Mill.) gestiegen sein.
2263 K o n s u m t r e n d s und
Produktionsstruktur
Die verstärkte Lenkung von Investitionen in die verbrauchsnahen Bereiche wird - wenn sie für längere Zeit fortgesetzt wird - die Produktionsstruktur der DDR ebenso beeinflussen wie die Auswirkungen zunehmender Kooperation und Spezialisierung im östlichen Wirtschaftsraum. Hiervon nicht unbeeinflußt bleibt die Export- und Importstruktur: Der Anteil der Konsumgüter wird wachsen. Über diese Aussage der tendenziellen Veränderungen der Produktions- und Außenhandelsstruktur hinaus sind empirisch gewonnene, quantitative Aussagen nicht möglich. Denn über die längerfristige Planung des Verbrauchs der Bevölkerung bestehen bisher in der DDR selbst offensichtlich keine klaren Vorstellungen, da längerfristige Bedarfsprognosen fehlen. Man orientiert sich an den Veränderungen des sich mit steigendem Lebensstandard wandelnden Verbrauchsverhalten in anderen Industrieländern. Neben der Feststellung, daß vermehrte Freizeit den Tourismus, den Kraftfahrzeugbesatz, die Nachfrage nach Erzeugnissen einer Hobbyindustrie und nach Wochenendunterkünften steigen läßt, vermitteln die bisherigen Erwartungen 599 kaum DDR-Spezifika: - Die Erstausstattung langlebiger technischer Konsumgüter macht zunehmend der Ersatzausstattung Platz. - Der wertmäßige Anteil technischer Konsumgüter am Gesamtbestand industrieller Konsumgüter (DDR 1970:140 Mrd. Mark) erhöht sich. 6 0 0 - Mit steigendem Ausstattungsgrad der Haushalte mit langlebigen Konsumgütern steigt der Bedarf an Ersatzteilen, Reparaturleistungen und Komplementärgütern (z.B. Treibstoffe). - Das Bedürfnis nach funktionstüchtigen, wartungsarmen Geräten wächst. - Die vermehrte Bereitstellung von Dienstleistungen (z.B. Gemeinschaftsverpflegung, Schulspeisung, Wäschereien) und arbeitsparenden Haushaltsgeräten soll die häusliche Belastung der zahlreichen arbeitenden Frauen weiter mindern. 599
Heinrich Engels und Werner Schmidt, a.a.O., S. 123. ff. Die stärksten Steigerungen werden für den auf Kraftfahrzeuge entfallenden Anteil erwartet: er steigt von 12vH (1970) auf 20vH im Jahre 1980! Vgl. Engels/ Schmidt, a.a.O., S. 129. 600
284
- „Mit der Verbesserung der Lebensbedingungen verändern sich die Sättigungsbedingungen", d.h. „zunehmende Mehrfachausstattung mit bestimmten Konsumgütern". 601 Daß in der DDR schon bald an Stelle der bloßen Verteilung der Produkte ein mit den modernen Methoden der Markt- und Bedarfsforschung arbeitendes „marketing" mit gezielter Bedarfsweckung treten wird, ist kaum anzunehmen. Zwei PKW in einem Haushalt werden dagegen im sozialistischen System der DDR nicht verpönt sein: Denn schon „Marx und Engels wiesen bei der Charakterisierung der Luxusbedürfnisse der herrschenden Klasse im Kapitalismus . . . darauf hin, daß diese Bedürfnisse sich zu gesellschaftlich 'durchschnittlichen' entwickeln können". 6 0 2 Doch ist für einen maßvollen Fortschritt gesorgt: Die „aus dem RGW entstehenden Präferenzen" 602 - konkretisiert in der Forderung des Komplexprogramms auf Angleichung des Lebensstandards der RGW-Mitgliedsländer - dürfen von der DDR als dem RGW-Land mit dem höchsten Lebensstandard auch den höchsten Entwicklungsbeitrag verlangen.
601 602
Vgl. Heinrich Engels und Werner Schmidt, a.a.O., S. 132. Vgl. Günter Manz, Bedürfnisse..., a.a.O., S. 706.
285
3 Wertung Die Gestaltung eines Wirtschaftssystems ist stets Ergebnis politischer Entscheidungen sowohl über wirtschaftliche Ziele - Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Preisstabilität, letztlich also Wohlstandsmehrung - als auch nichtwirtschaftliche Ziele: Freiheit und Selbstverwirklichung, Gleichheit und Gerechtigkeit, persönliche und kollektive Sicherheit - in welcher Rangfolge, welchem Ausmaß und welcher Abgrenzung auch immer. Jede Systembewertung sollte sich an den gewählten Zielen ausrichten und auf die Mittel der Zielverwirklichung sowie die Ergebnisse konzentrieren. Die Analyse der Wirkungszusammenhänge erzwingt sodann den Vergleich mit anderen Systemen. Korrekturen der Instrumente und Methoden oder sogar der Ziele selbst können Ergebnis dieses Bewertungsprozesses sein. Wird das ökonomische System der DDR zum Gegenstand der Bewertung erhoben, so hat sich die wertende Analyse zunächst der Immanenz eines planwirtschaftlich organisierten Systems zuzuwenden, das - abhängig vom jeweiligen Industrialisierungsgrad - eine Reihe von grundsätzlichen Erfordernissen zu erfüllen hat, soll die volle Funktionsfähigkeit gewährleistet sein.
31 Systemelemente Der in einer Planwirtschaft zentralen Entscheidung darüber, wie, was, wofür produziert wird, sind Empfehlungen nachgeordneter Entscheidungsträger und eine Vielzahl von Informationen vorgelagert, die ein ausgebautes System von Statistik und betrieblicher Berichterstattung erfordern. Denn die Zentrale muß, um planen und anweisen zu können, bei der Vielfalt des wachsenden Bedarfs zuvor die Knappheit der in der Volkswirtschaft erforderlichen Güter messen, d.h. vergleichen und bewerten, da sie nur eine begrenzte Anzahl von Gütern natural planen kann. Je höher eine Volkswirtschaft entwickelt ist, desto komplizierter wird die Aggregation von Gütergruppen und damit die Existenz von Bewertungskriterien, die beide von der Zentrale fixiert und, den sich verändernden Knappheiten folgend, korrigiert werden müssen. Mengen und Preise gehen somit in die Pläne über die Produktion, ihre Verwendung und Verteilung ein, an deren Zustandekommen die Einzelwirtschaften - zumindest durch das vorgelagerte Informationssystem - beteiligt sind. 287
Entscheidend für die optimale Funktionsfähigkeit ist somit die Gestaltung eines Instrumentariums, eines Planungs- und Leitungssystems, das die Interessen des Einzelnen oder der Betriebe sowohl berücksichtigt als auch stimuliert und sie mit denen der Zentrale (z.B. stärkeres Wachstum durch Veränderungen der Wirtschaftsstruktur) in Übereinstimmung bringt. Die Lösung zwangsläufiger Zielkonflikte erfordert ebenso umfassende Informationserfassung, -Verarbeitung und -weitergäbe wie Kontrolle und Korrektur. Daneben beeinflussen in der Regel einige weitere Faktoren die Gestaltung des Wirtschaftssystems, die ihre Ursachen in regionalen oder nationalen Besonderheiten, in überkommenen Strukturen haben können oder/und politisch motiviert sein mögen. Für die DDR ergeben sie sich im wesentlichen aus a) der nach dem Krieg erzwungenen Umformung ihrer Wirtschaftsstruktur, die eine z.T. ungünstige Allokation der Produktionsfaktoren mit sich brachte, b) der Einbettung in einen Wirtschaftsraum mit industriell überwiegend wenig entwickelten Partnerländern, zu deren Entwicklung die DDR überdurchschnittlichen Beistand zu leisten hat, c) einer starken politischen Distanzierung vom größeren Teil der früher gemeinsamen Wirtschaftsgebiete, denen man durch vielfältige kulturelle, geistige und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten verbunden war. Die starke politische Entfremdung vom westlichen Deutschland ist letztlich Ergebnis der Entwicklung einer nach kommunistischen Grundsätzen gestalteten politischen Ordnung in der DDR. Aus ihr wiederum resultieren die wesentlichen Systemelemente der DDR-Wirtschaft, die gleichzeitig Instrumente zur Zielverwirklichung darstellen: a) Gesellschaftliches Eigentum der Produktionsmittel b) Zentrale Planung c) Zentral fixierte bzw. kontrollierte Preise d) Staatliches Außenhandelsmonopol. Diese Grundpfeiler blieben - da sie von der politischen Führung zur Herrschaftssicherung offensichtlich für unabdingbar angesehen werden grundsätzlich stets erhalten. Sie sind somit Fixpunkte des Systems, die seine Wandlungsfähigkeit einschränken. Deshalb bezogen sich Systemänderungen allenfalls auf neue Ausformungen der Elemente und konzentrierten sich im wesentlichen auf 288
a) zentrale Preis- und Bewertungskorrekturen, b) eine bessere Wirtschaftsorganisation, c) eine Entscheidungsdelegierung auf mittlere und untere Leitungsinstanzen, die einen begrenzten Zugang zu den Ressourcen einschloß, sowie auf d) die Entwicklung eines Anreizsystems zur Stärkung der betrieblichen Leistung.
32 Wirtschaftsreformen Mit dem „Neuen ökonomischen System" (NÖS) wurde versucht, nach einer Neubewertung des Produktionsvermögens und einer Preisreform durch Änderung der Planungstech ni ken und Kontrollmechanismen eine auch langfristig leistungsfähigere Wirtschaft sowie eine Erhöhung der volkswirtschaftlichen Effizienz aller Produktionsfaktoren zu erreichen. Mittel hierzu war das „System ökonomischer Hebel", ein wirtschaftspolitischer Mechanismus, der mit einer „Produktionsfondsabgabe" verbesserten Kapitaleinsatz erzwingen, über ein „Industriepreisregelsystem" und andere Preisdynamisierungsmaßnahmen Kostenminderungen bewirken sowie mit der Messung der betrieblichen Leistung am Nettogewinn und einer begrenzten freien Verfügbarkeit über den Gewinn die Betriebe zu Leistungsverbesserungen anregen sollte. Strukturpolitische Maßnahmen (z.B. unterschiedlich hohe Sätze des abzuführenden Gewinns) waren darauf gerichtet, Gegensätzen zwischen betrieblichen Entwicklungsrichtungen und staatlichen Strukturvorstellungen entgegenzuwirken. Dieses Maßnahmenbündel entsprach jedoch schon deshalb keinem in sich geschlossenen System, weil unter den sonst gegebenen Bedingungen mit monetären Instrumenten allein ein rascherer technischer Fortschritt offensichtlich nicht durchzusetzen war. Deshalb wurde eine auf gezielte Förderung von Wachstumsbranchen gerichtete „strukturpolitische Konzeption" entwickelt, mit der die DDR-Führung hoffte, das NÖS auf eine „höhere Stufe" heben zu können. Trotz nicht zu übersehender Unvollkommenheiten stellte das NÖSModell eine theoretische Konzeption dar, die ein befriedigendes Funktionieren der DDR-Planwirtschaft zu gewährleisten schien: Über eine indirekte monetäre Steuerung sollten mit dem Leistungsanreizsystem wirksame Möglichkeiten zur Freisetzung des Innovationspotentials geschaffen und dort Limits für dezentrale Eigenbewegungen gesetzt werden, wo grundlegende zentrale Interessen berührt wurden. Daß sich dennoch die Wirtschaftsführung der DDR Ende 1970 zu einem Abbruch statt zu einer Weiterführung des Reformkurses entschloß, wird 289
deshalb auch weniger an den zutage tretenden Unzulänglichkeiten der Kontrollmechanismen gelegen haben. Diese Entscheidung dürfte vielmehr aus einem mehrschichtigen Wirkungszusammenhang zu erklären sein: - Die Divergenzen zwischen mikroökonomischen Entwicklungsrichtungen und den staatlichen Strukturvorstellungen - die wiederum einer in sich unausgewogenen strukturpolitischen Konzeption folgten - waren größer als erwartet. - Engpaßsituationen traten auf, sowohl als Folge falscher Prognosen (z.B. Energiesektor) als auch von Kapazitätslücken: So führte beispielsweise die im Rahmen des betrieblichen Entscheidungsspielraums zusätzlich auftretende Nachfrage nach Investitionsgütern zu einer Überbeanspruchung der Bauwirtschaft und anderer Investitionsgüterhersteller. - Die Abstimmung der finanziellen mit der materiellen Planung wurde laufend schwieriger, zum Teil auch Folge der noch bestehenden Preismängel. Die Toleranzbreite des Systems für nicht zu kontrollierende dezentrale Entwicklungen war gering: Aus Gründen der Herrschaftssicherung erschien der Wirtschaftsführung der DDR ein weiterer Ausbau des monetären Steuerungssystems-zur Vermeidung von Divergenzen zwischen zentralen Strukturzielen und betrieblichen Investitionsentscheidungen - nicht akzeptabel. Das hohe Anspruchsniveau an ein „vorbildliches" Reformmodell hatte sich somit nicht erfüllt, es stand vielmehr deutlich im Widerspruch zur Nichthaltbarkeit der ursprünglich für die Jahre 1971 bis 1975 konzipierten Fünfjahrplanziele.
33 Rezentralisierung Da der Reformabbruch ziemlich abrupt erfolgte, steht auch hinter den seither erlassenen R e z e n t r a l i s i e r u n g s m a ß n a h m e n kein in sich geschlossenes theoretisches Systemmodell, sondern sie sind eindeutig auf Konsolidierung der Wirtschaft und gegen dezentrale Eigenentwicklungen gerichtet. So wurde der Bewegungsspielraum der Betriebe und der mittleren Leitungsorgane sowohl durch vermehrte operative Eingriffsmöglichkeiten der Wirtschaftsführung (vgl. S. 34 und 37) als auch - und vor allem - durch ein erheblich erweitertes Plankennziffernsystem (S. 57 ff ) stark eingeschränkt: Insbesondere die Mengen-, Sortiments- und Preisgruppenplanung zeigt drastisch, welchem engmaschigen Netz von verbindlichen Planauflagen der Betrieb nunmehr unterworfen ist. Gleichzeitig wurde der Gewinn durch feste Einfügung in das Planungssystem zu einem Instrument der Sicherung des Finanzbedarfs „degradiert". 290
Seine Rolle als Leistungsstimulans ist weitgehend entfallen: Mit deutlicher Einschränkung der betrieblichen Gewinnverwendung bei zentraler Investitionsentscheidung hat sich die Zentrale wieder den vollen Zugriff über die Ressourcen gesichert. Das verbliebene „System der ökonomischen Hebel" ist nunmehr als wesentlicher Teil der finanziellen Planung vor allem darauf ausgerichtet, mit vielen Kennziffern sowie neuen Maßnahmen zur Kostenplanung einen indirekten Druck auf die Betriebe zur besseren Aufgabendurchführung und zur Kostenminderung auszuüben. Auch wird versucht, ebenso durch verschärfte Kontrollen die Ausschöpfung möglicher Leistungsreserven herbeizuführen wie durch spezifische Maßnahmen das „Anreizsystem" zu erweitern - durch Stimulierung der Leistung der einzelnen Beschäftigten oder der Betriebskollektive. Vor allem das Preissystem wurde durch die Rezentralisierung stark getroffen: Mit dem Wegfall der in der Periode des NÖS entwickelten Preisbildungskonzeption ist es von einem aktiven Steuerungsinstrument wieder in die Rolle eines passiven Elements der Planung zurückgefallen. Es bleibt fraglich, ob es angesichts der Minderung indirekter finanzwirtschaftlicher Steuerung und erneuter Verstärkung der wenig effizienten güterwirtschaftlichen Lenkung überhaupt gelingen kann, eine Wirtschaftsstruktur zu entwickeln, die in ausreichendem Maße die laufend auftretenden Marktimpulse aufnimmt und den technischen Fortschritt vorantreibt. Denn die schon im NÖS vorhandenen Funktionsschwächen des Planungssystems haben sich nach dem Abbruch der Reformen erheblich verschärft: Unzulängliche Koordination und Information, mangelnde Anpassungsflexibilität, eingeschränkte Leistungsstimulierung und "vor allem unzureichende Effizienz.
34 Heutige Funktionsschwächen Eine Lösung der S t r u k t u r p r o b l e m a t i k erfordert die politisch gewollten, ökonomisch erforderlichen oder die für eine möglichst effiziente Entwicklung gewünschten Ziele in Übereinstimmung mit den Realisierungsmöglichkeiten zu bringen. Die dabei notwendige Festlegung von Prioritäten wird bei klarem Primat gesamtpolitischer Überlegungen erheblich beeinträchtigt durch die noch immer unzulängliche Qualität der verfügbaren Informationen, Prognosen und der gesamtwirtschaftlichen Bilanzierung. Auch wird die Zielbestimmung erschwert durch die Unkenntnis über die volkswirtschaftlichen Knappheitsrelationen, die nicht nur eine Kalkulation der volkswirtschaftlichen Kosten der auszuwählenden Vorhaben und Projekte behindert, sondern darüber hinaus die Aussagekraft aller verfügbaren Effizienzkriterien beeinträchtigt. Allein schon deshalb dürfte eine ökonomisch sinnvolle Ordnung der Ziele nach Dringlichkeit, Leistung und Wachstumswirksamkeit nahezu unmöglich sein. 291
Eine Verschärfung der K o o r d i n a t i o n s p r o b l e m a t i k ergibt sich schon wegen der erhöhten Zahl zentral geplanter Erzeugnisse, der Ausweitung der Mengen- und Preisgruppenplanung sowie der Fülle der vorgegebenen Kennziffern zur Produktionsorganisation und Kostenrechnung. Dadurch ist es noch schwieriger geworden, alle interdependenten Faktoren zu erfassen. Dies betrifft vor allem die - Entwicklung eines in sich konsistenden Plankennziffernsystems, das u.a. Produktionsziffern und Ressourcen fugenlos aufeinander abstimmt, - Aufstellung einer Vielzahl von interdependenten Bilanzen, mit denen die zwischenbetrieblichen Verflechtungsbeziehungen exakt erfaßt werden sollen, - zeitliche Koordinierung, da wichtige Ausgangsdaten der Planung und Bilanzierung (z.B. Planungsdaten über Forschung und Entwicklung) oft nicht dann verfügbar sind, wenn sie benötigt werden, - Berücksichtigung von notwendig werdenden Änderungen des Materialaufwands sowie des Arbeitskräftebedarfs, die sich aus Sortimentsausweitungen oder-Wandlungen ergeben, - Koordinierung der betrieblichen Standortanforderungen mit den regional verfügbaren Ressourcen. Die A n p a s s u n g s f l e x i b i l i t ä t des DDR-Planungssystems ist unzureichend, denn noch immer sind keine Korrekturmechanismen vorhanden, die geeignet wären, auf kurzfristige Nachfrageänderungen sowie externe „Störfaktoren" rasch und umfassend reagieren zu können. So dürfte die neue Möglichkeit begrenzter Toleranzen bei der Plandurchführung, schon wegen der prozedualen Schwierigkeiten von den Betrieben kaum genutzt werden. Ihr Interesse, kurzfristig auf Marktimpulse infolge veränderter Nachfrage zu reagieren, dürfte aber vor allem deshalb gering sein, weil bei gegebenen Preisen höhere Gewinne nicht zu erwarten sind. Auch ist das Produktionspotential oft überbeansprucht und die betrieblichen Ressourcen sowie die allgemein zu geringen Material bestände ergeben keine nennenswerten Leistungsreserven für Änderungen des Produktionsprogramms. Selbst Planrevisionen sind problematisch, da sie in der Regel die materialwirtschaftlichen Beziehungen stören können. Die ungenügende Reservebildung verhindert auch rasche Anpassungen an externe Störungen im Angebot. Die Betriebe sind deshalb ständig gezwungen, auf Ausgleichsaktionen „am Rande der Legalität" auszuweichen: Überhöhte Materialanforderungen, Produktänderungen bei Einsatz leichter beschaffbarer Materialien, Tausch von eigenen Produkten gegen dringend benötigte Materialien oder Teilerzeugnisse außerhalb des formellen Bilanzierungsprozesses. Diese auf „grauen Märkten" abgewickelten Austausch-
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beziehungen wirken insoweit sogar als „Stabilisierungsfaktoren" und verschaffen dem System einen bescheidenen Rahmen an „Flexibilität", ohne den manche Planerfüllung und Planüberbietung nicht möglich wäre. Als besondere Funktionsschwäche des heutigen Planungssystems erweist sich die deutliche Einschränkung des L e i s t u n g s a n r e i z s y s t e m s . So ist mit dem Wegfall eigenständiger Gewinnverwendungsmöglichkeiten die „Unternehmerinitiative" der Betriebsleiter auf ein Minimum gesunken, da kaum noch Antriebskräfte zu erhöhter Risikobereitschaft und zum Denken in „neuen Faktorkombinationen" wirken. Zwar waren die betrieblichen Führungskräfte auch in der Phase des NÖS an Leistungserhöhungen materiell weniger „interessiert", schon wegen der vergleichsweise geringen Gehälter und nur geringer Prämien. Jedoch dürfte die Motivationsstruktur der Führungskräfte auch besonders geprägt sein von: Streben nach Selbstverwirklichung, Anerkennung, Prestige, Macht, doch auch Mitwirkung an der Gestaltung neuer „sozialistischer" Gesellschaftsstrukturen. Denn in einer Umwelt, die die Freiheiten des Einzelnen und seine Entfaltungsmöglichkeiten generell einschränkt, können diese „ideellen" Motive für Persönlichkeiten, die sich an politisch gegebene Einflußfaktoren anzupassen verstehen oder diese selbst mittragen, ausreichendes Stimulans sein. Der stark erschwerte Zugang zu den Ressourcen steht heute der Entfaltung dieser Antriebskräfte entgegen. Zudem wird das Innovationspotential wegen der erheblichen Preisverzerrungen besonders beeinträchtigt: So sind dem Vergleich von Kapitalproduktivität und Kapitalrentabilität für verschiedene Investitionsvorhaben schon allein deshalb erhebliche Grenzen gesetzt, weil die verwendeten Werfmaßstäbe für Kapitalgrößen unzureichend sind. Auch dürfte die für leistungsstarke Betriebe gegebene Möglichkeit, im Preis für neu- oder weiterentwickelte Erzeugnisse einen erhöhten Gewinn zu berücksichtigen, nur eine recht begrenzte Innovationsfreundlichkeit auslösen, da die Verwendungsmöglichkeiten dieser zusätzlichen Gewinne nur wenig interessantsind. Auch die Versuche, den Faktor Arbeit durch entsprechende Anreize zu besonderen Leistungen zu aktivieren, dürften wenig erfolgreich sein. Dies gilt ebenso für den Leistungsfonds (wegen der einseitigen Verwendung der in ihm erfaßten Mittel) wie für den Prämienfonds, dessen starke Bindung an das wertmäßige Produktionssoll - bei der bestehenden Interessenübereinstimmung von Belegschaft und Betriebsleitung - einer marktgerechten Sortimentsgestaltung entgegensteht. Außerdem bewirkt die fixierte Prämienhöchstgrenze, daß überdurchschnittlich leistungsfähige Betriebe vielfach ihre Leistungsreserven nur soweit aufdecken, daß sie bei guter Planerfüllung gerade den Prämienhöchstsatz erreichen. Leistungsstimulierende Effekte ergäben sich auch aus höherer Qualifizierung. Die Bereitschaft 293
hierzu ist jedoch deshalb gering, weil die häufig allein nach Tarif vergütete Leistung Qualifizierter relativ ungünstiger bewertet ist als die der im Akkord Arbeitenden. Die bereits angekündigte Neugestaltung des Tarifsystems könnte dies ändern. Entscheidende systembedingte Schwäche ist der Mangel an sinnvollen Kriterien zur Leistungsmessung. So steht die Aufrechterhaltung ökonomisch unrichtiger - und deshalb als M a ß s t a b d e r E f f i z i e n z ungeeigneter - Preise einem optimalen Einsatz der Produktionsfaktoren entgegen, werden volkswirtschaftliche Verlustproduktionen wegen „falscher" Preise z.T. nicht einmal sichtbar oder volkswirtschaftlich erforderliche Innovationsprozesse vernachlässigt, behindert oder sogar in unerwünschte Richtungen gelenkt. Mit dem Wegfall der in der Periode des NÖS entwickelten Preisbildungskonzeptionen sowie der Fixierung der Preise aller heute produzierten Güter auf bisherigem Niveau werden bestehende Preisverzerrungen fortgeschrieben. Die einst mit der Industriepreisreform verminderten P r e i s m ä n g e l haben wieder deutlich zugenommen und beeinträchtigen mehr und mehr die Maßstäbe für Leistung und Effizienz: Infolge tatsächlich auftretender Kosten- und Aufwandsveränderungen verschieben sich permanent - nur eben nicht sichtbar werdend - die ohnehin ökonomisch unrichtigen Relationen der Werte von Gütern und Leistungen zueinander, so daß eine ökonomisch sinnvolle (wenigstens kostengerechte) Leistungsbewertung kaum noch möglich ist. Von dem mit der Rezentralisierung verfolgten Ziel, die materielle und finanzielle Planung in Übereinstimmung zu bringen, ist die DDR-Wirtschaft deshalb noch weit entfernt: Die - in vermeintlich gleichbleibenden Werten erfaßten - realen Verflechtungsbeziehungen können mit einer zwangsläufig auf größere Aggregate ausgerichteten Finanzplanung nur unvollkommen abgestimmt werden, zumal sich der „reale Inhalt" der Bilanz- und Planungsgrößen infolge laufender Aufwandsverschiebungen ständig ändert. Denn diese Veränderungen des volkswirtschaftlichen Aufwands, der ohnehin wegen der unzulänglichen Bewertungsmaßstäbe nur unzureichend erfaßt ist, sind gerade wegen der konstanten Preise nicht erkennbar. Allein schon hieraus ergibt sich ein hoher Grad von Instabilität des Systems, der durch dynamische Prozesse - wie z.B. Veränderungen der Sortimente, nachträgliche Plankorrekturen, Einsatz von Ressourcen für andere als die vorgesehenen Zwecke - innerhalb der Planperiode noch merklich erhöht wird. Die Evaluierung der wesentlichen Systemelemente ist zu ergänzen um die einiger spezifischer Sonderausprägungen, die, unter funktionstheoretischem Ansatz analysiert, die Systemeigenschaften stärker in den Vordergrund treten lassen. 294
Die starke Ausweitung des Plankennziffernsystemsjst darauf gerichtet, die fugenlose Durchsetzung der staatlich gewollten Wirtschaftsstruktur und -politik bis in wichtige Details zu sichern und alle Störfaktoren aufgrund dezentraler Eigenbewegungen auszuschalten. Dies gilt auch für die zentrale Versorgungsplanung, mit der die zur „Hauptaufgabe" erklärte bedarfsgerechtere Konsumgüterbereitstellung in dem von der Zentrale gewünschten Rahmen erreicht werden soll. Um die als Störgrößen am Ende der NÖS-Periode empfundenen Eigenaktivitäten dezentraler Wirtschaftseinheiten - soweit sie nicht Leistungsreserven in Richtung auf zentrale Ziele mobilisieren - auf ein Minimum herabzumindern, mußte die Verstärkung der mengenmäßigen Planung durch Maßnahmen zur Limitierung dezentraler Entscheidungskompetenzen ergänzt werden. Hierzu zählen sowohl die Einschränkung des Leistungsanreizsystems, die Minderung der Rolle des Gewinns und die stärker reglementierte Finanzplanung als auch die Einschränkung der Befugnisse mittlerer und unterer Leitungsorgane. Mit diesen Veränderungen des Systems allein hätte seine Funktionsfähigkeit jedoch noch nicht gewährleistet werden können, weil Ausweichmöglichkeiten für die Betriebe noch offen waren. Daher war eine Ausweitung der Kontrollmechanismen sicher unerläßlich. Die von der Wirtschaftsführung der DDR tatsächlich institutionalisierten Kontrollen (z.B. verschärfte Kontrollrechte der Banken, der Preisorgane, des Hauptbuchhalters, der ABI 6 0 3 u.a.) bringen jedoch die Gefahr einer Überdeterminierung des Systems mit sich. Der grundsätzliche Preisstop und die Entwicklung äußerst schwerfälliger administrativer Verfahren der Preisbildung für neue bzw. weiterentwickelte Produkte dürfte auf die Unsicherheit der Zentrale hinsichtlich einer möglichen, nur schwer kontrollierbaren Eigendynamik der im NÖS entwickelten Konzeptionen zurückzuführen sein. Das heutige System ist durch eine generelle Überbürokratisierung gekennzeichnet. So entstehen schon wegen der wachsenden Fülle der Normen, der Plankennziffern, der Abstimmungsprozesse sowie der umständlichen Antrags- und Entscheidungsverfahren sowohl in den Betrieben als auch beim Verwaltungsapparat auf zentraler und mittlerer Ebene erhebliche Überforderungen. Hier wird sichtbar, daß mit der drastischen Leistungsanreizminderung und der Schmälerung der Antriebskraft des Gewinns deren Systemfunktion nunmehr durch weitgehende Reglementierung und Umfassende Kontrollen wahrgenommen werden soll. Damit wird versucht, die Stimulierung eines effizienten Ressourceneinsatzes sowie
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ABl = Arbeiter- und Bauerninspektion.
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die Aufdeckung von Leistungsreserven gleichsam bürokratisch zu verordnen, ein Verfahren, das nur wenig erfolgreich sein kann, weil das Innovationspotential wegen der Reduzierung der „Unternehmer-Incentives" erheblich eingeschränkt wurde. Insofern dürften die zur Zeit verwendeten bürokratischen Leitungstechniken eher disfunktional wirken. Damit sind er Effizienz des Systems erhebliche Grenzen gesetzt, zumal auch mit den heute nur geringen Möglichkeiten, Konflikte zwischen zentralen und dezentralen Stellen austragen zu können, das für dynamische Entwicklungen unerläßliche „produktive Konfliktpotential" kaum noch wirksam werden kann. Mit der Entscheidungszentralisierung hat sich zudem die Gefahr erheblicher negativer volkswirtschaftlicher Folgen von Irrtümern bzw. Fehlentscheidungen der Zentrale verschärft, denn dem mit der verstärkten güterwirtschaftlichen Planung gewachsenen Informationsbedarf steht - trotz vermehrter Datenerfassung - noch immer ein nur unzureichendes Informationssystem gegenüber. Bei zunehmender zentraler Detailplanung erhöht sich die Informationsmenge, die sich somit durch Selektion und Aggregation stufenweise bis zur Entscheidungsspitze kaum reduzieren läßt; die Datengewichtung als Vorstufe des Entscheidungsprozesses erweist sich somit als besonders problematisch. Darüber hinaus fehlt eine Reihe wichtiger spezifischer Daten oft völlig. Aus all diesen Gründen müssen deutliche Zweifel an der längerfristigen Praktikabilität eines Teiles der gegenwärtig angewandten Planungs- und Leitungsmethoden angemeldet werden. Es sei denn, bisher aufgegebene bzw. neuere Lenkungsmechanismen leben wieder auf, oder neue werden erarbeitet. Dies könnte jedoch immer nur im Rahmen der anfangs genannten Fixpunkte sowie bei Beibehaltung alier übrigen zur Herrschaftssicherung als notwendig erachteten Grundvoraussetzungen erfolgen; damit sind der Offenheit des Systems erhebliche Grenzen gesetzt.
35 Qualitative Faktoren Die Weissagung vom zwangsläufigen und gesetzmäßigen Untergang des Kapitalismus hat es den sich „sozialistisch" nennenden Ländern nicht erspart, ein funktionsfähiges nichtkapitalistisches Wirtschaftssystem entwickeln zu müssen. Dabei zeigt sich diesen Ländern und damit auch der DDR nachdrücklich, daß die Marx'sche Kapitalismuskritik und seine vagen Vorstellungen über ein neues Wirtschaftssystem zur Lösung der Probleme eines sich zunehmend komplizierenden Industrialisierungsprozesses kaum etwas beitragen können. 296
Die unter dem Eindruck immer neuer ökonomischer und sozialer Probleme notwendigen theoretischen Korrekturen ließen die von Marx entwickelten humanitären Ziele in den Hintergrund treten und machten den auf hohe Versorgung und Wachstum gerichteten Platz, die unter „bewußter Ausnutzung der ökonomischen Gesetze des Sozialismus" in einem umfassend geplanten, geleiteten und kontrollierten System angestrebt werden. Die Beibehaltung bestimmter kapitalistischer Elemente, so die Warenproduktion und -Zirkulation, die Beachtung der Wirkungen des „Wertgesetzes", hat sich dabei als unentbehrlich erwiesen. Dennoch sind die Funktionsschwächen des Wirtschaftssystems unübersehbar. Sie könnten jedoch in Kauf genommen werden, wenn die qualitative Effizienz eines solchen Systems seine quantitativ-ökonomische in einem Maße übertreffen würde, das im consensus aller einem „sozialen Fortschritt" gleichkäme. Doch trotz der in Teilbereichen über die Wirtschaft hinausreichenden gesamtgesellschaftlichen Planung (Bildungswesen, Kultur- und Sozialbereiche) ist gerade diese qualitative Komponente in der DDR keineswegs umfassend stärker ausgeprägt. Vielmehr erweist es sich für ihr Planungs- und Leitungssystem als außerordentlich hinderlich, daß ein „sozialistisches Bewußtsein", das auch den Verzicht persönlichen Interesses und seine Unterordnung unter das Kollektivinteresse einschließt, als Antriebskraft kaum zur Verfügung steht. Mithin muß der Versuch, diese „Einsicht in die gesellschaftlichen Notwendigkeiten" mit Hilfe geeigneter Maßnahmen durchzusetzen, zur Einschränkung der persönlichen Freiheitssphäre des Menschen und damit auch zur Erstickung privater Verantwortungsfreude und Risikobereitschaft führen. Die stimulierende Wirkung „Sozialistischer Wettbewerbe" wird deshalb ebenso begrenzt bleiben wie die gesellschaftliche Anerkennung von Orden, Ehrenzeichen und Titeln. Deshalb gilt auch nach wie vor das „Prinzip der materiellen Interessiertheit", das sich in leistungsbezogenen Geldprämien und Vergütungen niederschlägt. Dennoch sichern diese Geldeinkommen keine ungestörte Befriedigung der Bedürfnisse: Bei zwar relativ konstantem Preisniveau und grundsätzlich freier Konsumwahl ist das Konsumgüterangebot in Qualität, Sortiment, zeitlicher und regionaler Verfügbarkeit unbefriedigend und vermag überdies dem sich rasch wandelnden Konsumverhalten nicht zu folgen, weil die Markt- und Bedarfsforschung unterentwickelt ist. Gleichzeitig wird sichtbar, daß mit der Aufhebung des privaten Eigentums an den Produktionsmitteln der „antagonistische Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen" keineswegs beseitigt ist - die Einstellung der Arbeitenden zu ihren Produktionsmitteln dürfte sich in der DDR wohl nicht wesentlich von der der Arbeiter in kapitalistischen Ländern unterscheiden, trotz verstärkter Mitwirkung und relativ größerer InformationtiberProduktionsinhalte und -absichten!
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Zwar ist auch die soziale Ausgestaltung der westdeutschen Marktwirtschaft nur zum Teil gelungen, sind die Schwächen des Wirtschaftssystems der Bundesrepublik trotz oder gerade wegen seiner höheren Effizienz unübersehbar. Dennoch scheint der DDR-Bevölkerung in ihrer wohl überwiegenden Mehrheit die westliche Lebensweise generell durchaus erstrebenswert zu sein: In der DDR sind weniger ausgeprägte „sozialistische" Verhaltensmuster zu erkennen als vielmehr Bemühungen, das Verbrauchsverhalten und die äußeren Merkmale der Lebenshaltung in den kapitalistischen Ländern in den eigenen Produktionszielen vorrangig zu berücksichtigen. Damit wird letztlich doch die Funktionsfähigkeit des Planungs- und Leitungssytems zum entscheidenden Kriterium der Beurteilung, zumindest gegenwärtig und für die nächsten Jahre. Mag auch der quantitativ meßbare Erfolg der DDR den ersten Platz im östlichen Wirtschaftsraum zuweisen, so doch wohl weniger wegen der beispielhaften Funktionsweise ihrer Planwirtschaft, sondern wegen des größeren Potentials an Fachwissen und Leistungsbereitschaft. Diese Faktoren sind von der DDR-Führung bewußt genutzt worden: Von allen Bevölkerungsschichten wurde stets intensiver Einsatz gefordert. Umso schwieriger muß es für die DDR-Führung sein, ständige Korrekturen und zentrale Eingriffe in das Betriebsgeschehen glaubhaft als für den kontinuierlichen Aufbau eines ökonomischen Systems des Sozialismus notwendig darzustellen. Zwar wurde jüngst von Erich Honecker eine mit zunehmender wirtschaftlicher Konsolidierung einhergehende Minderung der operativen Eingriffe angekündigt: „Je kontinuierlicher, je normaler unser Wirtschaftsgeschehen sich nun entwickelt, desto mehr geht die Tendenz dahin, daß sich der Ministerrat und die Ministerien auf die Grundfragen des Reproduktionsprozesses konzentrieren, während die Verantwortung der Generaldirektoren und Direktoren der Kombinate, Betriebe, W B und der anderen zuständigen Wirtschaftsorgane für die Ausarbeitung und Verwirklichung der Pläne steigt." 6 0 4 Doch ist es recht fraglich, ob diese Bemerkung allein schon als Zeichen für eine baldige generelle Abkehr von dem heutigen komplizierten Planungs- und Leitungssystem gedeutet werden kann. Denn weitere Indizien zur Wiedereinführung von Steuerungsmechanismen, mit denen der Bewegungsspielraum der Produktionseinheiten wesentlich erweitert und die betriebliche Eigendynamik gestärkt werden würde, sind bisher nicht sichtbar.
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Vgl. Neues Deutschland vom 29.5.1973, S. 3.