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German Pages 677 [682] Year 1906
System der verjchuldenrbegrisse im vürgerlichen Gesetzbuche für dar Deutsche Reich.
von
Dr. Richard weql. a. o. Professor der Rechte an der Universität Jaicl.
München 3- Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) cheidung reden. e) Die Folgen für den für schuldig erklärten Teil — mithin in den Fällen sub a die mittelbaren Folgen des dem Urteil zu Grunde liegenden schuldhaften Verhaltens — bezw. die Folgen für den fiktiv für schuldig Erklärten (im Falle b und c) bestehen nun in nachbenannten Rechts nachteilen: a) Wenn nur ein Teil für schuldig erklärt wurde: «') gleichviel ob der Mann oder die Frau: er ist dem Anspruch des andern Teiles auf Ersatz des Wertes des von jenem in die Gütergemeinchaft Eingebrachten (8 1478 Abs. I)3) sowie dem Recht des andern Teiles zum Widerruf von Schenkungen aus dem Brautstande oder aus der Ehe ausgesetzt (8 1584 Abs. I Satz 1); die Sorge für die Person der gemeinsamen Kinder steht ihm (im allgemeinen; vgl. 8 1635 Abs. I Satz 2) bei Lebzeiten des andern Teiles nicht zu (§ 1635 Abs. I Satz 1 Halbsatz 1); x) Bez. die Mutter als Inhaberin der elterlichen Gewalt (§ 1686). 2) Zu diesem Punkte genügt es, auf die Materialien (Mot. IV S. 582, 586, 594 ff., 602: Denkschrift S. 311 ff.,insb. S. 312, 316, Prot. IV Nr. 295 insb. S. 426) zu verweisen. Vgl. aber auch von densub 1 zitterten Stellen §§ 1565 Abs. I, 1568 Satz 1, 2335 Abs. I und EG. z. BGB. Art.201 Abs. II. 3) Hier fehlt bei Graden w itz S. 129 s. v. „schuldig" Zeile I der auf Abs. I des § 1478 hinweisende Zusatz.
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Erster Teil.
Materialssammlung.
ß') der Mann: er hat der Frau (im allgemeinen; vgl. § 1579) den standesgemäßen Unterhalt zu gewähren, sofern sie ihn nicht aus den Einkünften ihres Vermögens bezw. durch übliche Arbeit bestreiten kann (§ 1578 Abs. I); 7) die Frau: sie hat (gleichfalls im allgemeinen; § 1579) dem Mann den standesgemäßen Unterhalt insoweit zu ge währen, als er außer stände ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1578 Abs. II); der Mann kann ihr die Weiterführung seines Namens untersagen (§ 1577 Abs. III Satz 1) und sie kann auch nicht ihren Namen aus einer etwaigen früheren Ehe wiederannehmen (ebenda Abs. II Satz 2). $ Wenn beide Teile für schuldig erklärt wurden: die Sorge für die Person der Kinder hat im allgemeinen die Mutter und für Söhne über 6 Jahre der Vater (§ 1635 Abs. I Satz 1 Halbsatz 2). II. Der Ausdruck „Schuld".
1. Der sub I 2 a erwähnte § 1574 Abs. I ordnet an, daß bei einer Ehescheidung aus den in §§ 1565—1568 bestimmten Gründen (vgl. oben I 2 a) im Urteil auszusprechen ist, „daß der Beklagte die Schuld an der Scheidung trägt". Daraus folgt für uns zweierlei: a) daß die in §§ 1564—1568 genannten Scheidungsgründe vom Gesetz unter den Begriff „Schuld" gerechnet werden. Mithin sind Schuld fälle im einzelnen folgende Tatbestände: «) Ehebruch und die strafbaren Handlungen aus StGB- §§ 171 und 175 (BGB. § 1565 Abs. I, oben 11 b a); ß) das „nach dem Leben trachten" (§ 1566); 7) die „bösliche Verlaffung" (§ 1567); S) die „schwere Verletzung der durch die Ehe begründeten Pflichten" und das „ehrlose oder unsittliche Verhalten" (§ 1568 Satz 1); b) daß wir nachprüfen müssen, ob auch an andern Stellen des Gesetzes, in denen das Wort „Schuld" begegnet, dieses die gleiche innerliche Verwandtschaft') mit dem subjektiven „Verschulden" ?) aufweist, wie im § 1574 oder ob es dort lediglich in dem Sinne zu verstehen ist, wie das Wort „Schuld" im Zivilrecht vorzugsweise, nämlich im Sinne des debitum, das der „Schuldner" (reus debendi) kraft eines (vertragsmäßigen oder gesetzlichen) „Schuldverhältnisses" (obligatio) einem andern (dem Gläubiger, creditor) zu leisten hat. Dieser Nach prüfung können wir uns nicht entziehen, weil wir, je nach Beantwortung der Frage im ersteren oder im letzteren Sinne, die einschlägigen Stellen in den Rahmen unseres Themas einzufügen haben oder nicht.
2. Die Antwort auf die Frage 1 b lautet nun dahin, daß außer in 8 1574 Abs. I das Wort „Schuld" nie anders als im Sinne des debitum begegnet, für uns mithin ohne Interesse bleibt?) *) Sie haben zugleich die Bedeutung, daß sie eine Zerrüttung des ehelichen Ver hältnisses „verschulden" (§ 1568 Satz 1, oben § 2 HI 3). Nur wenn diese Zerrüttung „tief" genug im Sinne des § 1568 ist, liegt ein Ehescheidungsgrund, also eine aus reichende „Schuld" im Sinne des Textes vor. Wir haben es also hier mit einer doppelten Schuldreihe zu tun. 2) Hier verstehe ich den Ausdruck zunächst im weitesten Sinne, um nicht der Nach prüfung in Th. II Kap. I (vgl. daselbst § 43 B II) vorzugreifen. s) Gleichgültig ist in etymologischer Richtung natürlich, daß zwischen „Schuldverhält nissen" und „Schuld" einerseits und „Verschulden" anderseits indirekte Beziehungen (kulpose Vertragsverletzung, Verzug, Deliktsobligativnen) obwalten.
§ 3.
„Schuldig", „Schuld", „schuldhaft".
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a) Dies ist zunächst überall da der Fall, wo der Ausdruck nicht in dem bisher erwähnten Singular (gleich debitum), sondern im Plural (gleich aes alienum) gebraucht wird. Diese — aus der Zusammenstellung bei Gradenwitz, Wort-Verzeichnis S. 129 Spalte 2 nicht ersichtliche — Spaltung des Sprachgebrauchs geht aus folgenden 11 von den „Schulden"4*) 2 * handelnden Stellen") hervor: 88 366 Abs. I und II, 733 Abs. I Satz 1, Abs. II Satz 1, Abs. III, 734, 735 Satz 1, 738 Abs. I Satz 2 und 3, 739 und 1967 Abs. II. b) „Schuld" im Singular gleich debitum findet sich dann noch weitere 46 Male, nämlich je einmal in 88 246, 272, 291 Satz 1, 329, 367 Abs. I, 371 Satz 2, 397 Abs. I, 405, 414, 416 Abs. I Satz 1, 425 Abs. II, 429 Abs. II, 509 Abs. II, 554 Abs. II, 733 Abs. I Satz 2, 1137 Abs. I Satz 2, 1164 Abs. H, 1173 Abs. I Satz 2, 1174 Abs. I, 1211 Abs. I Satz 2, 1239 Abs. II Satz 2, 2167 Satz 1; je zweiinal in 88 755 (Abs. I und 111), 787 (Abs. 1), 1467 (Abs. 1), 1541 (Abs. I); je viermal in 88 366 (Abs. I und II) und 2166 (Abs. I Satz 1 und Abs. 11). c) „Schuld" ist also — immer abgesehen vom § 1574 — nicht verwandt mit dem Verbum „verschulden", sondern mit dem Verbum „schulden",') das im BGB. 46 mal begegnet und zwar in den meisten (36) Stellen in der passiven Form „geschuldet", in der Minderzahl (10) der Stellen in der aktiven Form „schulden", jedesmal unter Angabe des Objektes, das „geschuldet" wird bezw. das jemand „schuldet"; als dieses wird 21 mal4) eine „Leistung" bezeichnet, 8mal5) ein „Gegenstand", 7mal6) eine „Sache", 2mal7) der Kaufpreis", je 1 mal8) 9ein „Betrag", ein „Bei trag", „Geld" oder eine „Vergütung" und dreimal6) schlechthin „was ein Ehegatte" zu dem Gesamtgute oder zum Vorbehaltsgut bezw. zum eingebrachten Gute des andern Ehegatten „schuldet". d) „Schuld" weist also im BGB. mit Ausnahme des 8 1574 durchweg auf das Gleiche wie die Zusammensetzungen10) * *„*Schuldanerkenntnis 14 ", „Schuldbuch"/') „Schuldschein", „Schuldtitel", „Schuldübernahme", „Schuldverhältnis", „Schuldverschreibung" ’") und „Schuldversprechen" oder wie die andern Zusammensetzungen4') „Geldschuld", „Grundschuld",H)
Ueber das Verbum „schulden" vgl. unten sub c. 2) Die meisten dieser Stellen (§§ 733 ff.) gehören in die Lehre von der Gesellschaft. 8) Andererseits ist das oben sub I besprochene Wort „schuldig" im BGB. nirgends im Sinne eines debitum (pecunia debita) gebraucht. 4) 88 262, 263 Abs. II, 273 Abs. I, 322 Abs.I, 323 Abs. II, 337 Abs. I, 338 Satz 1, 339 Satz 2, 345, 358, 362 Abs. I, 363, 364 Abs. I, 387, 420, 421 Satz 1,431, 1214 Abs II, 1386 Abs. I Satz 2, 1813 Abs. I, 2179. 5) 88 279, 281 Abs. I, 304, 323 Abs. II und III, 1087 Abs. II Satz 1 und 2, 1228 Abs. II Satz 2. 6) 88 243 Abs. I, 295 Satz 1, 300 Abs. II, 383 Abs. I Satz l, 432 Abs. I Satz 2, 607 Abs. n, 1281 Satz 2. 7) 88 1101 und 1102. 8) 88 52 Abs. I, 394 Satz 2, 607 Abs. II (vgl. oben Anm. 6), 617 Abs. I Satz 3. 9) 88 1467 Abs. I, 1487 Abs. II, 1541 Abs. I. 10) Vgl. Gradenwitz p. XVII (Spalte 1 sub „Schuld"). n) Dazu: „Reichsschuldbuch" und „Staatsschuldbuch" (vgl. die Stellen bei Graden witz a. a. O. S. 126 uud S. 134). ls$) Dazu „Hauptschuldverschreibung" und „Teilschuldverschreibung" (vgl. ebenda S. 86 und 137). 18) Vgl. Gradenwitz p. XVII. 14) Dazu dann noch „Grundschuldbrief" und „Grundschuldkapital" (vgl. Gradenwitz a. a. O. S. 83), sowie „Gesamtgrundschuld" (ebenda S. 77).
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Erster Teil.
Materialssammlung.
„Rentenschuld",') „Spielschuld", „Staatsschuld"?) „Wettschuld" oder wie die Begriffe') „Überschuldung" und „überschuldet" oder wie vor allem das Wort „Schuldner"') nebst seinen Komposita') „Gesamt schuldner", „Hauptschuldner" und „Selbstschuldner". 3. Von sämtlichen im BGB. begegnenden Worten, in denen die Vokabel „Schuld" steckt, bleiben nur noch folgende') zu prüfen: a) „Entschuldigen" und „Entschuldigung"; diese Worte sind in § 2006 Abs. III Satz 2 bzw. in § 1875 Abs. I und Abs. III anzutreffen; jenes („entschuldigen") in der Richtung, daß der Erbe, welcher im Termins zur Leistung des Offenbarungseides nicht erscheint, deni Gläubiger, der den Antrag aus die Eidesleistung gestellt hat, unbeschränkt haftet, „es sei denn, daß ein Grund vorliegt, durch den das Nichterscheinen . . . genügend entschuldigt wird"; dieses („Entschuldigung") in der Richtung, daß ein Mitglied des Familienrates, das gewisse Unterlassungssünden „ohne genügende Entschuldigung" begeht, vom Vorsitzenden des Familien rates in die dadurch verursachten Kosten verurteilt bezw. auch (§ 1875 Abs. 11) in Ordnungsstrafe genommen wird und daß diese Verfügungen wieder aufzuheben sind, wenn „nachträglich genügende Entschuldigung" erfolgt. Diese Stellen interessieren uns gleichfalls nicht, denn sie sagen keineswegs, daß eine „Schuld" (ein „Verschulden" des Erben bezw. Familien ratsmitgliedes) vorliegt und daß diese Schuld die angedeuteten Folgen nach sich zieht, sondern die Maßregeln greifen nnabhängig von etwaiger Schuld Platz und können nur durch die Entschuldigung abgewendet werden. Wir haben es also hier mit einer Art Exkulpationsbeweis in der Weise desjenigen zu tun, den wir z. B. innerhalb der Lehre von den unerlaubten Handlungen vielfach (vgl. §§ 827 Satz 2, 831 Abs. I Satz 2, 832 Abs. I Satz 2) 834 Satz 2, 836 Abs. I Satz 2, Abs. II) antreffen; wir könnten also auch hier, wie zu § 1583 (oben I 2 c und d) von fingierter, richtiger von vermuteter Schuld reden und aus den Fällen der §§ 2006, 1875 und 1583 eine besondere Gruppe der Schuldbegriffe bilden. b) Einmal — in § 121 Abs. I Satz 1 — begegnet das sonst im BGB. und im EG. z. BGB. nicht wiederkehrende Wort „schuldhaft"8*).* Es ist dort von „schuldhaftem Zögern" die Rede und es ist klar, daß „schuldhaft" hier nicht im Sinne der „Schuld" als debitum (oben sub 2) aufgefaßt werden darf, sondern nur im Sinne eines sub jektiven Verschuldens. Gleichviel nun, ob') dies Verschulden des Ge naueren ein solches im Sinne der im § 2 zusammengestellten Normen ist oder ein solches im Sinne der „Schuld" des § 1574 (oben sub 1) bezw. zugleich der §§ 2006 und 1875 (oben 3 a), so müssen wir hier x) Dazu „Gesamtrentenschuld" (ebenda S. 78). 2) Wegen „Staatsschuldbuch" vgl. oben S. 15 Anm. 11. 8) Sie werden bei Gradenwitz p. XVII nicht erwähnt; die Aufzählung der ein zelnen (insgesamt 8) Stellen vgl. ebenda S. 141. 4) Vgl. Graden witz S. 129/130 (über 200 Mal). 5) Ebenda p. XVH und im einzelnen ebenda S. 78, 86, 131. 6) Ueber das Verbum „verschulden" (im Gegensatze zu dem weitaus häufigeren Substantivum „das „Verschulden") vgl. — zu BGB. §§ 228 Satz 2, 338 Satz 1, 351 Satz 1, 498 Abs. II Satz 1, 702 und 1568 Satz 1 — bereits oben § 2 sub I 3 b, e und f und sub III 1 bis 3 (sowie unten § 42). 7) Bezw. (genauer) im zweiten Termin. 8) Das Substantivum „die Schuldhast" begegnet trotz der Durchsetzung des BGB. und EG. z. BGB.mil prozessualischen Ausdrücken nirgends, was angesichts des bekannten Bundes gesetzes vom 29. Mai 1868 (BGB. S. 237) nicht weiter verwunderlich ist. 9) Genauere Nachprüfung vgl. unten § 43 sub A III.
§ 4.
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„Unverzüglich".
konstatieren, daß wir damit noch eine vereinzelte Vokabel gefunden haben, die in den Kreis unserer Erörterungen gehört. Und wenn der triviale Ausspruch last not least je ungezwungene Anwendung beanspruchen darf, so hier. Denn da das Gesetz den Ausdruck „schuldhaftes Zögern" zur Erklärung des Ausdruckes „unverzüglich" verwertet und zwar indem letzteres Wort in Klammer ’) hinter der Wendung „ohne schuld haftes Zögern" steht, so haben wir in dieser Wendung eine authentische Erklärung 2) des Begriffes „unverzüglich" zu erblicken,') die wir in allen den zahlreichen Gesetzesstellen einsetzcn müssen, in welchen wiederum von „unverzüglich" die Rede ist. Ueberall, wo etwas „unverzüglich" ge schehen sollte, aber nicht geschah, liegt mithin eine „Schuld" bezw. ein „Verschulden", also ein für unser Thema aufs lebhafteste interessierender Tatbestand vor, und in unserer Materialssammlung können wir einer Vorführung aller dieser Tatbestände und einer Uebersicht über ihre Folgen nicht entraten. — Da aber die einschlägigen Gesetzesstellen, wie bereits angedeutet wurde, ungemein zahlreich sind — es handelt sich um nicht weniger als 53 Stellen! —, so empfiehlt es sich, ihrer Betrachtung einen besonderen Paragraphen (unten § 4) zu widmen.
III. „Schuldhaft". Wegen dieses dritten unter der Ueberschrift unseres Paragraphen genannten Begriffes vgl. das soeben sub II 3 b Ausgeführte und den nächsten Paragraphen.
§ 4-
„Unverzüglich". Das Gesetz schreibt ein „unverzügliches", also „ohne schuldhaftes Zögern" — § 121 Abs. I Satz 1?) oben § 3 B II 3 b und III — erfolgendes Handeln, wie bereits (§ 3 B II 3 b a. E.) bemerkt, sehr oft vor. Nach stehend sollen (sub I) die einschlägigen Fälle gruppiert werden; dann sollen (sub II) einige Fälle, die anscheinend, jedoch in Wirklichkeit nicht darunter ge hören, ausgeschieden und weiter sollen (sub III) die sich aus den einschlägigen Fällen (I) ergebenden Regeln und Grundsätze erörtert werden. I. Die einschlägigen Fälle?) Als Handlungen?) welche „unver züglich" zu geschehen haben, kommen eine ganze Anzahl verschiedenartiger in Betracht, *) Es begegnet diese Form der Begriffserklärung im ganzen 75 mal im BGB.; vgl. meine „Vorträge über das BGB." Bd. I (München 1898) S. 93. 2) Es ist weniger eine Definition als die Supposition eines bequemeren Ausdrucks; vgl. meine Vorträge a. a. O. S. 94. Ebenso ist es der Fall mit K: Ausdruck „kennen müssen" in BGB. § 122 Abs. II (unten § 7). s) Belanglos ist es, daß die Stelle sich an sehr verstecktem Platze und, wennschon innerhalb des I. „Allgemeinen" Teils, des weiteren nur in dessen die „Willenserklärungen" betreffenden Untertitel 2 des die „Rechtsgeschäfte" betreffenden Abschnittes IH findet. 4) Es geschieht dies auffallenderweise nicht bei der ersten Gelegenheit, die sich dem Gesetzgeber geboten hätte; dies wäre vielmehr bei § 111 Satz 2 (unten sub 4 a a «') der Fall gewesen. 6) Eine mir erst lange nach Anfertigung der nachstehenden Uebersicht bekannt ge wordene Tabelle gibt Gradenwitz, Anfechtung und Reurecht beim Irrtum, Berlin 1902, S. 95—98; vgl. auch ebenda S. 39. 6) Der Fall, daß die Handlung ganz unterblieb, ist zwar faktisch und in den Folgen dem Falle schuldhaften Zögerns gleichgestellt, interessiert aber im Zusammenhänge unserer Erörterungen nicht weiter. W e y l, Verschuldensbegriffe.
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Erster Teil.
Malerialssammlung.
die wir von einander trennen müssen?) Wir finden im Gesetz hervorgehoben: I. Anzeigen; 2. Benachrichtigungen; 3. Mitteilungen; 4. Zurück weisungen; 5. Widerspruch und Anfechtung; 6. Aufrechnungs erklärung; 7. Anträge; 8. öffentliche Aufforderung und 9. ver einzelte andere Maßnahmen. 1. Anzeigen’), unverzügliche. Die 19 (22)’) Einzelfälle lassen sich dahin gruppieren, daß die anzeige pflichtigen Tatsachen in (a) den Eintritt von äußeren Vorgängen einerseits und in (b) die Vornahme oder den Plan eigener Maßnahmen andererseits geschieden werden können. a) Aeußere Vorgänge, derentwegen eine Anzeigepflicht besteht, sind: «) Der Tod gewisser Personen: «3 Der Erbe des Beauftragten bezw. des Gesell schafters hat deffen Tod dem Auftraggeber bezw. den übrigen Gesellschaftern anzuzeigen, beidemale jedoch nur, sofern dieser Todesfall das Auftrags- oder Gesellschafts verhältnis beendigt (was im allgemeinen der Fall ist): W 673 Satz 2 (vgl. dazu auch 8 675) und 8 727 Abs. II , Satz 1; ß) der Erbe des Vormundes hat dessen Tod, der Vor mund hat den Tod des Gegen- oder Mitvormundes dem Vormundschaftsgericht anzuzeigen: 8 1894 Abs. I und II (und dazu auch 88 1895, 1897, 1915). ß) Gewisse Vorgänge, welche ein Einschreiten des Vor mundschaftsgerichts rechtfertigen,^) sind diesem anzuzeigen, nämlich: «') vom Beistände der die elterliche Gewalt ausübenden Mutter jeder Fall, in welchem das Vormundschaftsgericht zum Einschreiten berufen ist (8 1689); ) Grad en Witz a. a. O. (oben 17 Anm. 5) S. 95 ff. trennt in m. E. wenig glücklicher Entgegenstellung: I. Handlungen: A. zur Wahrung von Rechten; B. Pflicht: Ablieferungen; II. Meldungen: A. der Inhaber einer Sache dem Eigentümer bei wichtigen Aenderungen; B. der eine Interessent dem anderen; C. dem Gericht; D. wer ein Notrecht ausübt, dem dadurch Geschädigten; III. Entschlüsse: A. Zurückweisung eines Geschäfts wegen Mangels der Legitimationsurkunde; B. Zurückweisung der Rücktrittserklärung; C. Widerspruch; D. Aufrechnung; E. Anfechtung. 2) Bon „Anzeige" und „anzeigen" spricht das BGB. noch vielfach ohne den Zusatz „unverzüglich" (nur einmal, in § 1875 Abs. I, mit dem Zusatz „rechtzeitig"). Alle diese (27) Stellen und die Folgen einer — vielleicht im Einzelfalle schuldhaften — Unterlassung der Anzeige bleiben daher für uns außer Betracht; es sind die folgenden: § 74 Abs. III (behördliche Anzeige von Entziehung der Rechtsfähigkeit eines eingetragenen Vereins bezw. von seiner Auflösung); § 170 (Erlöschen der Vollmacht); § 382 (Hinterlegung); §§ 409 Abs. 1 und H, 410 Abs. 11 (Zession); §§ 478 Abs. 1 Satz 1, Abs. II, 485 Satz 1 (Mängel der Kaufsache); § 576 Abs. I (Verkauf des vermieteten Grundstücks); § 665 Satz 2 (Abweichungen vom Auftrag); § 681 Satz 1 (Uebernahme der Geschäftsführung ohne Auftrag); § 692 Satz 2 (Aenderung der Aufbewahrung); § 694 (gefahrdrohende Beschaffenheit des Depo situms); § 804 Abs. I Satz 1 (Verlust von Zinsschein usw.); § 966 Abs. II Satz 2 (Ver steigerung des Fundes); § 973 Abs. I Satz 1 (Fund); § 1128 Abs. 1 Satz 1 und 3 (Be schädigung des versicherten, mit einer Hypothek belasteten Gebäudes); § 1205 Abs. II (Verpfändung); § 1280 (Verpfändung einer Forderung); § 1289 Satz 2 (Ausübung des Einziehungsrechts des Forderungspfandgläubigers); §§ 1493 Abi. II Satz 1, 1669 Satz 1 (Absicht der Wiederverheiratung); §§ 1675, 1850 Abs. I Satz 2, Abs. II (Anzeigen des Ge meindewaisenrats); § 1875 Abs. I (Entschuldigung eines Mitgliedes des Familienrats). 8) Zweimal sprechen von der unverzüglichen Anzeige: §§ 1894, 965 und 777 (unten a « ß' und £, sowie b ß ß'\ 4) Dies ist freilich auch die eventuelle ratio legis für die Fälle sub « ß'.
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„Unverzüglich".
ß) vom Gegenvormund Pflichtwidrigkeiten des Vormundes sowie gleichfalls alle sub a genannten Fälle, wobei das Gesetz (§ 1799 Abs. 1 Satz 2) „insbesondere" anführt: Tod des Vormundes oder Eintritt eines andern sein Amt beendigenden oder seine Entlassung erforderlich machenden Umstandes; y) vom Gewalthaber oder Vormund das Bedürfnis einer Pflegschaft (§ 1909 Abs. II). y) Dem Nachlaßgericht ist anzuzeigen: «') vom Vorerben der Eintritt der Nacherbfolge (§ 2146 Abs. I Satz 1) und /) vom Verkäufer einer Erbschaft deren Verkauf und der Name des Käufers (§ 2384 Abs. I Satz 1). Beidemale wird die Anzeige des Anzeigepflichtigen ersetzt durch eine andere Anzeige, sub a durch die des Nacherben (§ 2146 Abs. I Satz 2), sub ß' durch die des Erbschaftskäufers (§ 2384 Abs. I Satz 2), und beidemale sagt das Gesetz (a. a. O. Satz 1), daß der Anzeigepflichtige zur Erstattung der Anzeige ans Nachlaßgericht „den Nachlaß gläubigern gegenüber verpflichtet" ist. ä) Vom Offerenten ist die Verspätung der erkennbar*) rechtzeitig abgesendeten Annahmeerklärung unverzüglich nach ihrem Empfange (sofern es nicht schon vorher geschehen) dein Annehmenden anzuzeigen (§ 149 Satz 1), widrigenfalls die Annahme als nicht verspätet gilt (ebenda Satz 2; vgl. unten II 2 a). k) Gewisse Mängel, Schäden u. dergl. an Objekten sind anzuzeigen: «') Der Mieter (und Pächter, § 581 Abs. II) hat dein Ver mieter Anzeige zu machen, wenn sich (§ 545 Abs. I Satz 1) im Laufe der Mietzeit ein Mangel der gemieteten Sache zeigt oder wenn eine Vorkehrung zum Schutze der Sache gegen eine nicht vorher gesehene Gefahr erforderlich wird oder (ebenda Satz 2) wenn ein Dritter sich ein Recht an der Sache anmaßt. — Die Folgen der Unterlassung dieser Anzeige sind (§ 545 Abs. II) Schadensersatzpflicht des Mieters bezw. Verlust seines eigenen Rechts auf Reduktion des Mietszinses, auf Kündigung ohne Fristsetzung oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. ß') Der Gast hat (§ 703 Satz 1) dem Gastwirt den Verlust oder die Beschädigung der ins Gasthaus eingebrachten Sachen anzuzeigen, widrigenfalls die Haftung des Wirts erlischt (es sei denn, daß ihm die Sachen zur Aufbewahrung über geben waren, ebenda Satz 2). Die Anzeigepflicht beginnt sofort nachdem der Gast vom Verlust oder von der Be schädigung Kenntnis erlangt hat. y') Der Nießbraucher (vgl. auch § 1068 Abs. II) hat es dem Eigentümer des Nießbrauchsobjekts anzuzeigen, wenn das Objekt zerstört oder beschädigt wird oder wenn eine außergewöhnliche Ausbesserung oder Erneuerung der Sache oder eine Vorkehrung zum Schutze gegen eine unvorhergesehene
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Gefahr erforderlich wird (§ 1042 Satz 1) oder wenn sich ein Dritter ein Recht an der Sache anmaßt (ebenda Satz 2).
*) „Und mußte der Antragsteller dies erkennen"; unten § 7 II 6 a.
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Erster Teil.
Materialssammlung.