Symbole der Freiheit: Zu den Wurzeln westlicher politischer Kultur 9783412508265, 9783412507534


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German Pages [576] Year 2017

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Symbole der Freiheit: Zu den Wurzeln westlicher politischer Kultur
 9783412508265, 9783412507534

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Thomas Würtenberger

SYMBOLE DER FREIHEIT Zu den Wurzeln westlicher politischer Kultur

2017

Böhlau Verlag Wien Köln Weimar



Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn.

© 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Umschlagabbildung: Tanz um den Freiheitsbaum; vermutlich während der französischen Besatzung des Rheinlandes (Oktober 1792 – März 1793). Zeitgenössisches Gemälde, deutsch. Künstler: Anonym. ­Museum: Rastatt, Freedom Movement Memorial. © akg-images Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Hans-Peter Schmit, Jena Gesamtherstellung: Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50753-4



Für Margrit

Inhalt

Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?. . . Öffentliche Kommunikation mittels Freiheits- und Verfassungssymbolik. . . . . Prägungen kollektiven Bewusstseins und Gedächtnisses durch politisch-rechtliche Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Die Akteure bei der Gestaltung der politisch-rechtlichen Symbole . . . . . . . . 1.4 Kontinuität und Diskontinuität zwischen Ancien Régime und neuer verfassungsstaatlicher Ordnung im Spiegel der politisch-rechtlichen Symbolik .. 1.5 Die Gemeinsamkeit in der Freiheitssymbolik trotz unterschiedlicher Wege in den Verfassungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik als Geschichte politischer Mentalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Zur politischen Ästhetik der Freiheits- und Verfassungssymbolik.. . . . . . . . 1.8 Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9 Zu Raum und Zeit einer Symbolgeschichte des Verfassungsstaates. . . . . . . . 1.10 Wege zur Rekonstruktion der zeitgenössischen Freiheits- und Verfassungssymbolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. 1.1 1.2

2. Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat . . . . 2.1 Wie alles begann  : die antiken Wurzeln der neuzeitlichen Freiheitssymbolik . 2.2 Die Rezeption der antiken Freiheitssymbolik in der Renaissance. . . . . . . 2.2.1 Ein Pionier der Rezeption  : der Renaissancekünstler Christoph Weiditz . . . 2.2.2 Emblematawerke  : ein wesentlicher Rezeptionsweg der Freiheitssymbolik.. . 2.2.3 Zur Karriere eines antiken Münzdesigns  : die Rezeption der Symbolik des Brutus-Denars. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Libertas-Symbolik im niederländischen Kampf um staatliche Unabhängigkeit und politische Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Die Stiftung einer niederländischen Identität durch den Geusenhut als Freiheitssymbol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Die niederländische Freiheitssymbolik im Bilderkampf der Patrioten und Orangisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Nederlandse export  : wie die Freiheitssymbolik auf die Britischen Inseln kam und sich dort mit der Verfassungssymbolik verband . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Die Übernahme der niederländischen Freiheitssymbolik in England . . . . .

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Inhalt

2.4.2 Die englische Freiheits- und Verfassungssymbolik im Widerstreit innenpolitischer Kontroversen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Von der britischen zur amerikanischen Freiheit  : Druckgraphiken aus der Zeit der Emanzipation Nordamerikas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Die Magna Charta Libertatum  : ein urenglisches Freiheitssymbol in nordamerikanischen Druckgraphiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Heldenverehrung und Freiheitsverteidigung  : die Liberty in den Kolonien. . . . . 2.5.3 Von der Alten in die Neue Welt  : der Exodus der Liberty nach Amerika.. . . . . 2.6 Die Liberté im vorrevolutionären Frankreich  : ein Symboltransfer aus Nordamerika  ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Tellenhut und Pileus als Freiheitssymbole der Schweiz . . . . . . . . . . . . . 2.8 Der andere Weg in den Verfassungsstaat  : Rechtsstaatssymbolik in Deutschland .. 2.8.1 Politisch-rechtliche Symbolik und Rechtsreform in Preußen. . . . . . . . . . . 2.8.2 Das Königtum mit dem Gesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Schlussbemerkung zum Raum vorverfassungsstaatlicher Freiheitssymbolik . . . . Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt der  politischen Neuorientierungen in der Französischen Revolution . . . 3.1 »À la bastille  !«  : von der Erstürmung eines Staatsgefängnisses zum Gründungsmythos eines freiheitlichen und republikanischen Frankreich . . . . . 3.2 Freiheitssymbole à la Révolution française  : Altbewährtes und Neukreiertes. . . . 3.2.1 Der bonnet de la liberté  : ein altes Freiheitssymbol in neuer Form . . . . . . . . . 3.2.2 Die Liberté  : das Zentralsymbol der Französischen Revolution . . . . . . . . . . 3.2.3 Der arbre de la liberté  : das Zentrum von Bürgerfesten . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Die Égalité  : eine ikonographische Schwester der Liberté . . . . . . . . . . . . . 3.3 Werbung für die Revolution  : die Freiheits- und Verfassungssymbolik als Instrument der Popularisierung der neuen politischen Ordnung . . . . . . . . . 3.3.1 Visuelle Sakralisierung  : die Indienstnahme der christlichen Ikonographie für politische Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Die symbolische Verklärung der Revolutionsverfassungen  : aus dem Ancien Régime in eine paradiesische Zukunft. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Die großen Feste im Dienst der Popularisierung der Verfassung . . . . . . . . . 3.3.4 Die symbolische Vermittlung von verfassungspolitischen Auseinandersetzungen in der Nationalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Mit barer Münze  : der gezielte Einsatz des Geldwesens zur Vermittlung eines neuen Freiheits- und Verfassungsbewusstseins. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Das politische Credo der geistigen Väter der Französischen Revolution  : bildpublizistisch kaum vermittelbar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Der Wandel der Freiheits- und Verfassungssymbolik im Verlauf der Französischen Revolution.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

3.6.1 Die kurze Phase der konstitutionellen Monarchie . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.2 Die republikanische Freiheits- und Verfassungssymbolik. . . . . . . . . . . . 3.6.3 Eine disparate Freiheits- und Verfassungssymbolik zur Zeit der Direktorialverfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Die alltagsweltliche Präsenz der Freiheits- und Verfassungssymbolik .. . . . . 3.8 Nur wenige Gegenentwürfe zur revolutionären Freiheits- und Verfassungssymbolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9 Schlussbemerkung zur populistischen Anpassungsfähigkeit der revolutionären Freiheits- und Verfassungssymbolik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rezeption der französischen Freiheits- und  Verfassungssymbolik in den Nachbarstaaten Frankreichs . . . . 4.1 Deutschland im Widerschein der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Die Rezeption des Symbols des Freiheitsbaums . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Übernahme der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik zur politischen Standortbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Verbindung von nationaler und französischer Freiheitssymbolik in der Helvetischen Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Ein kurzes Aufflackern der Freiheits- und Verfassungssymbolik in der Batavischen Republik.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Zur Ambivalenz der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik in Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4.

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5.

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie als Kontrapunkte der Verfassungs- und Freiheitssymbolik der Restaurationsepoche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Konstitutionelle gegen republikanische politische Symbolik in Frankreich . . . . 5.1.1 Die Omnipräsenz der Charte constitutionnelle von Ludwig XVIII. in der Staatsrepräsentation und in der Bildpublizistik . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Eine neue Legitimitätsgrundlage der Charte constitutionnelle in der Julimonarchie  : die Verbindung von Freiheit und öffentlicher Ordnung . . . . . . 5.1.3 Der Vorwurf des Verfassungsbruchs und die »Leiden der Freiheit« in einer Welle politischer Karikaturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Neue Formen einer kämpferischen Freiheitssymbolik . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Verfassungsakzeptanz und Verfassungsreform in der deutschen Bildpublizistik .. 5.2.1 Die Verfassunggebung in der Staatsrepräsentation.. . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Zur Propagierung des vormärzlichen Konstitutionalismus . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Kritik an der Entwicklung der konstitutionellen Monarchie . . . . . . . . . . . 5.3 Die französische und deutsche vormärzliche Bildpublizistik im Vergleich. . . . .

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Inhalt

6.

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von  1848/49.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Der Kampf um die Republik in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Die große Streitfrage  : eine gemäßigte oder eine radikale Republik  ?. . . . . . . . 6.1.2 Eine bloß distanzierte symbolische Vermittlung der Verfassung vom 4. November 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland . . . . . . . . . 6.2.1 Die revolutionäre Freiheitssymbolik zwischen gemäßigtem Liberalismus und Republikanismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Von der Schlafmütze zur Freiheitsmütze und wieder zurück  : wie der deutsche Michel fast zur Freiheit fand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Die »Unannehmlichkeit, heutzutage ein ruhiger Bürger zu sein«  : die mangelnde politische Mündigkeit als Thema von Karikaturen zur Verfassungsdiskussion . . . 6.2.4 Die Verfassungsdiskussionen der Paulskirche in der Bildpublizistik. . . . . . . . 6.2.5 Das Entstehen und Vergehen der »Grundrechte des deutschen Volkes« in der politischen Graphik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.6 Vom Verfassungsenthusiasmus zum Wunsch nach Ruhe in der revolutionären Bildpublizistik am Beispiel Bayerns. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.7 Die damnatio memoriae und die negative Besetzung der Revolution von 1848. . . 6.3 Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der französischen und deutschen Bildpublizistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Blick gen Westen  : die Freiheits- und  Verfassungssymbolik in den Anrainerstaaten des Atlantik seit  dem ausgehenden 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Zwischen Reformforderungen und Verteidigung des Status quo  : die Freiheitsund Verfassungssymbolik in Großbritannien im Gefolge der Französischen Revolution und zu Beginn des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Im Dienste der Erinnerungskultur  : die Freiheitssymbolik in den Vereinigten Staaten von Amerika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Die Verwendung der Freiheitssymbolik in der Staatsrepräsentation und im Münzgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Die Glorifizierung der Gründungsväter als Teil des amerikanischen Gründungsmythos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.3 Der »Temple of Liberty« als Ort der Verherrlichung der Union und ihrer Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.4 Zurück zu den Wurzeln  : die Freiheits- und Verfassungssymbolik als visuelles Mittel der politischen Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Die Freiheitssymbolik als Mittel staatlicher Selbstdarstellung in Mittel- und Südamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7.

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. 365 . 366 . 389 . 390 . 396 . 400 . 403 . 404

Inhalt

8.

Deutsch-französische Gegensätze nach 1871  : der Weg in die Dritte Republik im Widerstreit der Freiheitssymbolik und die Verfassungssymbolik des Deutschen Kaiserreichs . . . . . . . 8.1 Die Dritte Republik im Widerstreit der Freiheitssymbolik. . . . . . . . 8.2 Affirmative Verfassungssymbolik im Deutschen Kaiserreich . . . . . . . 8.2.1 Die Reichsverfassung und ihre Institutionen in der Staatsrepräsentation . 8.2.2 Die Reichsverfassung in der Denkmalkultur des Nationalstaates . . . . . 8.3 Exkurs zur Internationalisierung der Freiheitssymbolik in der Arbeiterbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Walter Crane als Schöpfer einer internationalen sozialistischen Freiheitssymbolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Die Freiheitssymbolik der deutschen Arbeiterbewegung . . . . . . . . . 9. 9.1 9.2 9.3 9.4

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Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Verfassunggebung im Spiegel der politischen Graphik und der Medaillenkunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der schwierige Umgang mit dem Verfassungstag in der Staatsrepräsentation und in der Bildpublizistik.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Weimarer Verfassung zwischen allen Fronten . . . . . . . . . . . . . . Die Weimarer Verfassung in der sie begleitenden Bildpublizistik  : ein Symbol des nationalen Grunddissenses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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10. Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Die durch die Freiheits- und Verfassungssymbolik vermittelte Vorstellungswelt .. 10.2 Das Fortleben der Antike und die Neubesetzung der christlichen Symbolik.. . . 10.3 Die Freiheits- und Verfassungssymbolik als Archetyp der westlichen politischen Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Der Beitrag der Freiheits- und Verfassungssymbolik zur Entwicklung des westlichen Verfassungsstaates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Die Freiheits- und Verfassungssymbolik als Element der politischen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Die Sensibilität von Künstlern für die Erwartungen und Hoffnungen der Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Globalisierung der Freiheits- und Verfassungssymbolik durch Kulturtransfers in der westlichen Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.8 Der eigene Weg Deutschlands in den Verfassungsstaat in der Freiheits- und Verfassungssymbolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.9 Zur Integration der Freiheits- und Verfassungssymbolik in die verfassungsgeschichtliche Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

10.10 Von der Verfassungssymbolik zur Verfassung als Symbol. . . . . . . . . . . . . 471 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 Verzeichnis der Bilddatenbanken und Kataloge. . . . . . . . . . . . . . . . 569 Personen- und Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573

12

Einführung

Der Kampf um die persönliche und politische Freiheit prägt die Geschichte des Westens und die westliche politische Kultur. Wie Freiheit errungen, verteidigt und gesichert werden kann, ist hier seit der Antike eines der zentralen Themen politischer Auseinandersetzungen. So war es denn auch die westliche politische Kultur, die vom ausgehenden 18.  Jahrhundert an mit dem Verfassungsstaat eine Regierungsform ausgestaltete, in der die bürgerliche Freiheit und die demokratische Ordnung im Mittelpunkt stehen. In der beständigen Diskussion um die Verwirklichung persönlicher wie politischer Freiheit unterscheidet sich die Kultur des Westens von jener der ostasiatischen oder islamischen Welt. Dort wird die Freiheitsfrage im Wesentlichen erst seit der Konfrontation mit den Wertetafeln der westlichen politischen Kultur gestellt, wohingegen deren Geschichte von der Diskussion um die Freiheit wie von einem roten Faden durchzogen wird. Die Freiheitsthematik füllt in der westlichen Welt geradezu Bibliotheken  ; die allgemeine Geschichtsschreibung und die politische Ideengeschichte haben sich ihrer ebenso angenommen wie die Verfassungstheorie und die politische Philosophie. Dem eine weitere Studie hinzuzufügen, ist nicht Absicht dieses Bandes. In diesem Buch geht es vielmehr um die Visualisierung der Freiheitsidee. Nachgezeichnet werden die großen Traditionslinien, in denen die Idee der persönlichen und politischen Freiheit symbolisch vermittelt wird. Freiheitssymbole existieren seit der Zeit der Römischen Republik. Seit der Renaissance sind sie in vielfältigen Abwandlungen und Umdeutungen bis in die jüngste Zeit die Landesgrenzen überschreitend von Generation zu Generation überliefert worden. Diese die politischen Epochen begleitende Kontinuität und Allgegenwärtigkeit der Freiheitssymbolik bildet einen Teil der Tradition der westlichen politischen Kultur. Dieser Band gibt einen Überblick, wie die wechselvolle politische Geschichte des Westens durch eine vor allem in Zeiten des Umbruchs allseits präsente Freiheitssymbolik begleitet wurde. Die Motive, mit denen Freiheit versinnbildlicht und visualisiert wurde, blieben im Laufe der Geschichte weitgehend konstant. Es handelt sich hierbei vor allem um die Freiheitsmütze, die ihren Ursprung im römischen Pileus – einer oval geformten Filzkappe als Zeichen des freien Bürgers – hat, und um die personifizierte Freiheit, die gleichfalls erstmals im alten Rom auftrat und als Attribut die Freiheitsmütze bei sich führt. Allerdings wandelten sich im Verlauf der Geschichte die politischen Aussagen der Freiheitssymbole. Dies war insbesondere anlässlich der Zeitenwende der Aufklärung im 18. Jahrhundert der Fall. Hier gewannen nicht allein alte Begriffe wie derjenige der Demokratie eine 13

Einführung

neue Bedeutung. In diesem Prozess der politischen Revolutionierung wurde zudem die seit der Antike bekannte Freiheitssymbolik mit den Ideen einer freiheitlichen verfassungsstaatlichen Ordnung »aufgeladen«. Darüber hinaus wurden in einer weiteren Entwicklungslinie christliche Symbolformen säkularisiert und in den Dienst der Propagierung einer neuen freiheitlichen politischen Ordnung gestellt. Die maßgeblichen Zäsurereignisse der Neuausrichtung der Freiheitssymbolik sind für die Vereinigten Staaten von Amerika die Verabschiedung der Verfassung im Jahre 1788 und für Frankreich ebenso wie für einige weitere Staaten des europäischen Kontinents der Beginn der Französischen Revolution. Zwar kennzeichnen diese Ereignisse nicht immer echte Zäsuren in der Entwicklung einer verfassungsstaatlichen Ordnung. Die Freiheitssymbolik gewinnt aber beim Ringen um eine verfassungsstaatliche Ordnung an dieser Epochenwende eine neue Aussagekraft. Auf England bzw. Großbritannien trifft die Kategorie der Zäsurereignisse oder der Epochenwende wegen seiner kontinuierlichen verfassungsrechtlichen Entwick­ lung allerdings nicht zu. Auf der Insel war seit jeher, vor allem aber seit Mitte des 18.  Jahrhunderts, das Ringen um den Fortbestand und um die Fortentwicklung einer freiheitlichen Ordnung eines der beherrschenden Themen. Gleichwohl lassen sich die Auseinandersetzungen mit der Französischen Revolution auch als eine Art von Zäsur ansehen, da die britische Verfassungspolitik nun mit der revolutionären Entwicklung in Frankreich konfrontiert war. Die bis in die Antike zurückreichende Geschichte der Freiheitssymbolik sowie ihre verfassungsstaatliche Neuorientierung sind ein Proprium der westlichen Welt ist. Sie findet sich nur in Westeuropa, in den Vereinigten Staaten von Amerika und darüber hinaus in Südamerika. Um die historische Omnipräsenz der Freiheits- und Verfassungssymbolik in der westlichen Welt zu entschlüsseln, gilt unser Interesse den vielfach verschlungenen Wegen des kulturellen Transfers dieser Symbolik über nationale Grenzen hinweg. Unser Anliegen ist, die Wege einer Globalisierung der politischen Symbolik in der westlichen Hemisphäre zu erhellen, konkrete Rezeptionen zu belegen und mit Hilfe von Bildern zu illustrieren. Die Auswahl aus dem schier unerschöpflichen Bildmaterial  – allein in den Sammlungen der Bibliothèque nationale in Paris oder des British Museum in London finden sich weit mehr als tausend einschlägige Graphiken, Münzen und Medaillen – ist nicht leicht gefallen. Folgende Überlegungen waren maßgeblich  : 1. Die Prägung des individuellen ebenso wie des kollektiven Bewusstseins lässt sich am besten anhand von symbolischen Darstellungen nachzeichnen, die allgemein wahrnehmbar waren und eine mehr oder weniger große öffentliche Verbreitung gefunden haben. Dies trifft insbesondere auf Werke der Staatsrepräsentation zu, aber auch auf Münzen und Medaillen sowie auf Druckgraphiken, die als Einblattdrucke in Umlauf kamen oder in Zeitschriften und Büchern 14

Einführung

erschienen. Die Verbreitung einzelner politischer Bildwerke, die in Zeiten des revolutionären Umbruchs ein beliebtes Medium zur Stiftung eines neuen politisch-rechtlichen Bewusstseins waren, ist indes naturgemäß nur schwer zu bestimmen. Wenn hier einzelne Werke aus der reichen Bildpublizistik vorgestellt werden, so findet sich in aller Regel eine Reihe weiterer Darstellungen mit einer vergleichbaren Symbolik. 2. Die Freiheitssymbolik begleitete politische Auseinandersetzungen und legitimierte oder kritisierte politische Herrschaft. So wurde die Freiheitssymbolik seit der Antike auch zur Legitimation politischer Umbrüche bemüht. Deshalb wurden vor allem Darstellungen ausgewählt, die in ausdrucksvoller Weise konkrete Forderungen nach politischen Reformen symbolisch begleiteten. Wird der Kampf der Freiheits- und Verfassungssymbolik um eine gute politische Ordnung immer wieder thematisiert, lassen sich einzelne Kapitel der politischen Geschichte durch eine Symbolgeschichte ergänzen. 3. Eine Kunstgeschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik ist nicht beabsichtigt. Deshalb war für die Auswahl der Abbildungen nicht deren künstlerische ­Qualität entscheidend. Oftmals waren nur mittelmäßig begabte Künstler am Werk, die jedoch sensibel für die politische Entwicklung ihrer Zeit eine Freiheits- oder Verfassungssymbolik gestalteten, die in der Bevölkerung auf Resonanz stieß. Nur diejenigen Künstler, die mit ihren Bildkompositionen die politischen Wünsche und Hoffnungen der Bevölkerung ansprachen und in eine symbolische Form brachten, waren bei dem Verkauf ihrer Werke erfolgreich. Diesem engen Wechselspiel zwischen künstlerischer Gestaltung und Aufnahme- bzw. Akzeptanzbereitschaft des Publikums gilt unser besonderes Interesse. In diesem Band werden nicht, wie in Ausstellungskatalogen üblich, einzelne Graphiken, Medaillen und anderes mehr nebeneinandergestellt und erläutert. Vielmehr werden sie in die größeren historischen Zusammenhänge eingefügt. Mit einem solchen Ansatz kann gezeigt werden, was in der jeweiligen Zeit an politischen Forderungen für so gewichtig gehalten wurde, dass man hierüber auch in Symbolform kommunizierte. Die Beschäftigung mit der Visualisierung von Freiheit und Verfassung will einen Beitrag zur Mentalitätsgeschichte der westlichen politischen Kultur leisten. Die über 2000  Jahre im Großen und Ganzen feste Form der Freiheitssymbolik, die in geschichtlichen Umbrüchen immer wieder modifiziert und mit neuen politischen Aussagen assoziiert wurde, prägte in entscheidender Weise das politische Bewusstsein und darüber hinaus die politische Mentalität der westlichen Welt. Die hier vorgelegte Geschichte der Freiheitssymbolik – und seit dem ausgehenden 18.  Jahrhundert zudem der Verfassungssymbolik  – ermöglicht eine Rekonstruk15

Einführung

tion der mentalen Voraussetzungen des sich entwickelnden Verfassungsstaates mit seiner zentralen Idee der Freiheit. Mit ihrer Omnipräsenz in den Medien und im öffentlichen Raum war diese Symbolik ein wichtiges Element bei der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit. Sie machte politische Ideen, Werte und Grundsätze intuitiv und besser als gelehrte Werke erfassbar. In der westlichen politischen Welt gehört die Freiheits- und Verfassungssymbolik, so unsere These, zu den kulturellen Archetypen, die mit der Vorstellung dessen, was Freiheit ist, über den Wechsel der politischen Systeme hinweg konstant blieben. Man mag hier von Rahmensetzungen des menschlichen und politischen Denkens sprechen oder mit der Schule der »Annales« von den »prisons de longue durée« (Fernand Braudel), von einem die Zeiten übergreifenden Gefangensein der menschlichen Vorstellungswelt. An der hier nachgezeichneten Entwicklung und Tradierung der Freiheits- und Verfassungssymbolik lässt sich ablesen, wie die einzelnen Staaten der westlichen Welt ihren jeweils eigenen Weg zur modernen Verfassungsstaatlichkeit gegangen sind. So stand der aus dem antiken Rom übernommene Pileus seit der Renaissance als Sinnbild für die Freiheitlichkeit des Staatswesens. Wie diese antike Symbolform in den Niederlanden rezipiert, von dort nach Großbritannien und von dort wieder in die britischen Territorien Nordamerikas tradiert wurde und welcher Gebrauch von ihr in der Zeit vor der Herausbildung des Verfassungsstaates gemacht wurde, ist Thema des zweiten Kapitels. Einen Schwerpunkt bildet das ausgehende 18. Jahrhundert. Die Loslösung der nordamerikanischen Kolonien von ihrem Mutterland Großbritannien und die Französische Revolution waren nicht allein Wendepunkte in der Verfassungsgeschichte, sondern auch bei der Ummünzung der tradierten Freiheitssymbolik entscheidend. Das dritte Kapitel stellt die Nutzung der Freiheits- und Verfassungssymbolik in Frankreich während der großen Revolution dar, das vierte Kapitel widmet sich ihrer Rezeption in den Nachbarstaaten Frankreichs bis in die Zeit Napoleons. Die mit dem Ende der Napoleonischen Kriege einsetzende Restaurationsperiode mit einer in Frankreich und Deutschland unterschiedlichen Adaption der Freiheits- und Verfassungssymbolik wird im fünften Kapitel erörtert, im anschließenden Kapitel wird die Freiheits- und Verfassungssymbolik Frankreichs in der Revolution von 1848/49 der ganz anderen in Deutschland gegenübergestellt. Das siebte Kapitel wendet sich zunächst Großbritannien zu, das im Gefolge der Französischen Revolution eine freiheitskritische politische Symbolik entwickelt hat, und verlässt sodann Europa, um die Entwicklung der von dort rezipierten Freiheitssymbolik auf dem amerikanischen Kontinent zu beleuchten. Die beiden letzten Kapitel kehren wieder nach Europa zurück  : Kapitel acht zeigt die Unterschiede zwischen französischer republikanischer und deutscher politischer Symbolik des Kaiserreichs, das Kapitel neun geht den Schwierigkeiten in der Weimarer Republik nach, Akzeptanz für die neue Verfassung zu stiften. 16

Einführung

In Deutschland trifft man, wie bereits dieser kursorische Überblick zeigt, zwar auch, aber doch deutlich weniger, auf die sonst in der westlichen Welt übliche Freiheits- und Verfassungssymbolik. Der Kampf um persönliche und politische Freiheit stand nicht wie in Großbritannien, in den Vereinigten Staaten von Amerika oder im revolutionären Frankreich im Zentrum politischer Auseinandersetzungen. Die deutsche politische Symbolik war vielmehr vorrangig, wie die deutschen Reformdiskussionen insgesamt, an einer rechtsstaatlichen Ordnung orientiert. Nicht die demokratische Freiheit, sondern die Bindung an das Gesetz und rechtsstaatliche Reformen, die Freiheit rechtlich garantieren sollten, standen bis in das 19.  Jahrhundert im Mittelpunkt deutscher politischer Symbolik. Rechtsstaatlich gebundene Freiheit schien in der deutschen Publizistik über lange Zeit hinweg gegenüber einer demokratisch geregelten Freiheit vorzugswürdig. Zur Begründung wurde in der deutschen politischen Theorie die nicht fernliegende Gefahr beschworen, demokratische Mehrheitsentscheidungen könnten Minderheiten entrechten. Diese These sollte lange Zeit nachwirken. Die Entwicklung einer breite Akzeptanz findenden republikanischen Verfassungssymbolik stieß selbst noch in der Weimarer Republik auf Schwierigkeiten. So lässt sich im Vergleich zu den Traditionslinien der Freiheits- und Verfassungssymbolik, die in anderen westlichen Staaten prägend waren, der eigenständige Weg Deutschlands in den Verfassungsstaat westlicher Prägung verfolgen.

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1. Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ? »Das ist wahre Symbolik, wo das Besondere das Allgemeine repräsentiert, nicht als Traum und Schatten, sondern als lebendigaugenblickliche Offenbarung des Unerforschlichen.« (Goethe, Maximen und Reflexionen)

Die Geschichte von politischen Symbolen war bislang keine Erkenntnisquelle für die Geschichte der westlichen politischen Kultur. Ebenso wenig wurde versucht, anhand der politischen Symbolik die geistigen und mentalen Voraussetzungen des sich seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert entwickelnden Verfassungsstaates – also des ­Staates mit Demokratie, Grundrechtsschutz, Gewaltenteilung und Rechtsstaat als Verfassungsprinzipien – zu rekonstruieren. Wie eine an der Idee der Freiheit orientierte (Verfassungs-)Politik durch Symbole1 repräsentiert und damit in der politischen Kommunikation erfahrbar und bewusstseinsprägend wurde, blieb in der historischen Forschung bis in die jüngste Zeit ohne Relevanz.2 Juristen zeigen ebenso wie (Kunst-)Historiker von ihren Fachdisziplinen her wenig Interesse, eine Symbolgeschichte in die politische Geschichte, in die Verfassungsgeschichte oder in die Geschichte der politischen Theorien zu integrieren.3 Eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik befasst sich mit der Perso­n ifizierung der Freiheit, meist mit einem Freiheitshut oder einer Freiheitsmütze, sowie mit dem Versinnbildlichen verfassungsrechtlicher Ordnung. Sie verfolgt, wie Wandlungen im Freiheits- und Verfassungsbewusstsein, in der kollektiven politisch-rechtlichen Mentalität und in der Entwicklung der Rechtskultur in Symbolform zum Ausdruck gebracht wurden, – und damit die Zeitgebundenheit von Vorstellungen über die Legitimation politischer Herrschaft.4 Dabei zielt sie auf die Rekonstruktion der Entwicklung der Wertetafeln und Leitbilder des Rechts,5 die im politisch-rechtlichen Diskurs sowie in der politisch-rechtlichen Symbolik 6 vermittelt wurden und das individuelle Bewusstsein, die kollektive Mentalität und die kulturelle Entwicklung prägten. Für eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik ist die überlieferte politische Bildpublizistik7 der Stoff, der Vorstellungen von dem, was Freiheit bedeutet und wie eine gute Verfassung aussehen kann, über die Epochen hinweg zur Anschauung bringt. Wie jede politische Symbolik knüpft die Freiheits- und Verfassungssymbolik an wichtige Ereignisse und politische Forderungen an und verleiht ihnen einen bild19

Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?

haften Ausdruck. Ihre reale Darstellung verweist auf etwas Imaginäres, nämlich auf das, was Freiheit oder Verfassung ist, sein kann oder sein soll. Die Freiheitsund Verfassungssymbolik visulisiert die Vorstellungswelt hinsichtlich politischer Ideen und rechtlicher Leitbilder. Sie vergegenwärtigt damit bildhaft, was sich sprachlich kaum ausdrücken lässt. Ihre normative Botschaft bei der visuellen Sinnerzeugung richtet sich auf die Affirmation der geltenden Gesellschaftsordnung oder  – dem entgegengesetzt  – auf eine Institutionenkritik oder auch nur auf Reformvorschläge für Recht und Politik. Dabei ist sie teils Spiegel, teils Produzentin von öffentlicher Meinung. Dieser Doppelbödigkeit und Wechselbzüglichkeit von Bild und vergeistigter Sinnstiftung bzw. von Bild und normativer Aussage sind die folgenden Kapitel gewidmet. Zunächst aber gilt unser Interesse u. a. den Kommunikationspfaden der Freiheits- und Verfassungssymbolik (1.1), ihrem prägenden Einfluss auf das kollektive Bewusstsein (1.2 und 1.7), den diese Symbolik immer wieder fortentwickelnden Künstlern (1.3), Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Entwicklung der politischen Symbolik (1.4), ihrer politischen Ästhetik (1.6) und der Rekonstruktion des zeitgenössischen Verständnisses dessen, was mit der Freiheits- und Verfassungssymbolik ausgedrückt werden sollte (1.10). Die folgenden Überlegungen sind dem kulturwissenschaftlichen »Iconic Turn«8 sowie einer »Visual History«9 verpflichtet, die bislang die Geschichte politisch-rechtlicher Symbole weitgehend ausgeblendet haben. 1.1 Öffentliche Kommunikation mittels Freiheits- und Verfassungssymbolik Blicken wir auf die recht unterschiedlichen Medien, in denen die Freiheits- und Verfassungssymbolik Teil der öffentlichen Kommunikation war. Sie war im öffentlichen Raum in vielfältiger Form präsent, sie gehörte in den Bereich der alltagsweltlichen Erfahrung und damit geradezu zur Lebenswelt des Bürgers. Er begegnete ihr zum einen auf dem Umlaufgeld, das seit jeher große Teile der Bevölkerung erreichte. Seit der Zeit der römischen Antike wurde es immer wieder als Medium für die Popularisierung guter politischer Ordnung eingesetzt  : Im Römischen Reich wurde die Bevölkerung mit Justitia-, Libertas- oder Aequitas-Darstellungen auf dem Revers von Münzen auf die Legitimationsgrundlagen des Staates verwiesen, ab dem ausgehenden 16.  Jahrhundert vermittelte das niederländische Münzgeld die politischen Forderungen des Kampfes gegen die spanische Herrschaft (2.3.1), und im französischen und amerikanischen Münzgeld des ausgehenden 18.  Jahrhunderts wurde in symbolischer Form für die Idee der Freiheit als Fundament des Staates geworben (3.4  ; 7.2.1). 20

Öffentliche Kommunikation mittels Freiheits- und Verfassungssymbolik

Ein weiterer Träger von Versinnbildlichungen der Freiheit und der Verfassung waren Medaillen, die sich von Münzen dadurch unterscheiden, dass sie keinen Zahlungswert haben. Seit der Renaissance wurde die politisch-rechtliche Entwicklung durch die Prägung von Medaillen begleitet. Die großen historischen Ereignisse wie Kriege oder Friedensschlüsse, Kaiserwahlen und Krönungsfeierlichkeiten, bedeutsame Tagesereignisse und anderes mehr wurden in Erz geprägt. Für die Zeitgenossen und darüber hinaus für alle Ewigkeit sollten sie darüber informieren, was für erinnerungs- und verehrungswürdig zu halten war. Ihr hohes künstlerisches Niveau machte und macht sie bis heute zu einem beliebten Sammlungsobjekt. Seit der Auf klärung und vor allem in Zeiten revolutionärer Umbrüche wurden Medaillen zur politischen Agitation, aber auch zur Vermittlung einer neuen politisch-rechtlichen Ordnung genutzt. Im öffentlichen Leben zur Schau getragen, dienten sie als Erkennungszeichen, etwa einer republikanischen Gesinnung. Die bisherigen Arbeiten zur politischen Bildpublizistik haben Medaillen als ein Element der politischen Kommunikation weitgehend ausgeklammert – sehr zu Unrecht, da sie ein wesentliches Medium in der Entwicklung ebenso wie in der Kommunikation der Verfassungs- und Freiheitssymbolik waren. Zu diesen Medien zählten ferner Druckgraphiken, in denen Sinnbilder der Freiheit ab dem 16. Jahrhundert auftraten. Repräsentationen der Verfassung kamen vor allem seit der Zeit der Französischen Revolution hinzu. Damals bemühte sich eine Vielzahl von Printmedien um eine bildhafte affirmative oder kritische Vermittlung der neuen politisch-rechtlichen sowie verfassungsstaatlichen Prinzipien  : Flugblätter, Almanache10 sowie Bilder und Stiche auf bewusstseinsprägende politische Ereignisse, auf die Verfassunggebung oder auch auf die Verfassungspraxis. Diese Formen politischer Bildpublizistik gehören zu den »niederen« und damit lange Zeit vernachlässigten Gattungen künstlerischen Schaffens. Ihre kunsthistorische Minderwertigkeit kontrastiert mit ihrem Gewicht in der Kommunikation kollektiver politischer Vorstellungen.11 Die Druckgraphik orientierte über Jahrhunderte hinweg über das reale Geschehen und durch Symbole über dessen politische Einordnung. Vor allem in Zeiten revolutionärer Umbrüche erlebten Druckgraphiken hohe Auflagen und eine erhebliche Popularität, sie waren geradezu der Nerv der politischen Kommunikation. Die Bildsatiren und politischen Karikaturen gehörten seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Europa zu einer grenzüberschreitenden Medienöffentlichkeit.12 Sie wurden zu einem beliebten Kaufobjekt des an einem kritischen Hinterfragen ausländischer Rechts- und Verfassungszustände interessierten Publikums. Dabei fand im europäischen Publikum besondere Beachtung, wie sich englische Karikaturen mit der politischen Entwicklung in Frankreich oder in Nordamerika auseinandersetzten. 21

Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?

Im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert war die politisch-rechtliche Symbolik ein wesentliches Element der politischen Kommunikation innerhalb einer sich neu formierenden bürgerlichen Gesellschaft sowie zwischen Staat und Gesellschaft. Die Architektur des entstehenden Verfassungsstaates mit Argumenten zu diskutieren und in ihren zentralen Prinzipien zu verstehen, war nur einer kleinen Elite vergönnt. Der breiten Masse konnten die neuen verfassungsstaatlichen Werte und Prinzipien wie Demokratie oder grundrechtliche Freiheit lediglich in Symbolform, also mit einem Appell an Intuition und Gefühl, kommuniziert werden.13 Sollte die neue politisch-rechtliche Ordnung von der Masse der Bevölkerung begriffen werden können, so musste sie sich in eine Bilder- und Symbolwelt einkleiden, die sie visuell und intuitiv erfahrbar machte. Geht man davon aus, dass noch um 1800 weniger als die Hälfte der Bevölkerung des Lesens fähig war,14 so vermittelte vor allem die Bilderwelt der politisch-rechtlichen Symbolik die Grundlage des damaligen kollektiven Staats- und Verfassungsbewusstseins.15 In Frankreich war das 1789 ausgebrochene Revolutionsfieber ohne eine Revolutionierung der politischen Kommunikation und mit ihr der Bilderwelt undenkbar. Das Publikum wurde fast täglich durch die Massenproduktion neuer Graphiken und Flugblätter mit den zeitgenössischen politischen Forderungen konfrontiert. Vor allem politische Grahiken fanden reißenden Absatz, sie wurden vielerorts an Hauswänden angeschlagen. Über die Revolutionsgraphik und über die vielfältigen Medaillen mit ihrer revolutionären Symbolik wurden alle Schichten der Bevölkerung in Paris und in den Zentren der Provinz unmittelbar über die Umwälzung des Staates informiert und konnten so am Diskurs über die neue politisch-rechtliche Ordnung teilnehmen.16 Im Zentrum dieser »demokratischen« Massenkommunikation stehend, trug die Freiheits- und Verfassungssymbolik zur Bewusstseinsbildung und zur Mobilisierung jener Bevölkerungsschichten bei, die mit ihren Protestaktionen die Revolution vorantrieben.17 Die Meinungsführer in der Französischen Revolution erkannten frühzeitig die Bedeutsamkeit der politischen Kommunikation über den Weg der Freiheits- und Verfassungssymbolik 18 und setzten sie, propagandistisch geschickt, gezielt zur politischen Bewusstseinsbildung ein19. Diese mediale Revolution in den Jahren nach 1789 steht paradigmatisch für neue Formen der bürgerlichen Öffentlichkeit  : Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert erfolgte die symbolhafte Vermittlung von Freiheit und verfassungsstaatlichen Ideen in einem öffentlichen Raum, der von der neu entstehenden bürgerlichen Gesellschaft gestaltet wurde. Die Staatsrepräsentation der ständischen Gesellschaft wurde durch neue Formen der Staatsrepräsentation einer bürgerlichen Gesellschaft abgelöst.20 Dabei wurde die Freiheits- und Verfassungssymbolik sowohl in Frankreich als auch in Amerika in die offizielle Staatsrepräsentation übernommen, um die Werte einer auf Freiheit und Gleichheit der Bürger beruhenden politischen Ordnung zu propagieren. Zudem entstand zu Ende des 18. Jahrhunderts mit der 22

Prägungen kollektiven Bewusstseins und Gedächtnisses

bürgerlichen Öffentlichkeit zunächst in Frankreich, sodann auch im deutschen Sprachraum eine Festkultur, mit der die Bevölkerung auf die Symbole einer neuen politischen Ordnung und damit auf diese Ordnung selbst eingeschworen wurde. Die politischen Rituale und die großen Feste, etwa in der Französischen Revo­ lution oder im Deutschland des Vormärz, dienten ebenfalls einer kollektiven Vermitt­lung der Freiheits- und Verfassungssymbolik.21 1.2 Prägungen kollektiven Bewusstseins und Gedächtnisses durch politisch-rechtliche Symbole Die Bürger begegnen in ihrer Alltagswelt unablässig politisch-rechtlichen Symbolen.22 Deren ausdrucksstarke Zeichensprache prägte, in früheren Jahrhunderten ganz anders als in der heutigen Welt der Überflutung mit Bildmedien, ihre Vorstellungswelt und das kollektive Bewusstsein sowie – bei einer immer wiederkehrenden Verwendung  – das kollektive Gedächtnis. Im Hinblick auf die Freiheits- und Verfassungssymbolik lassen sich allerdings kaum verlässliche oder gar empirische Aussagen darüber machen, in welchem Maß sie über die Jahrhunderte hinweg in der Bevölkerung bekannt war. Ebenso wenig lässt sich konkret belegen, wie präsent Symbole der Freiheit und der Verfassung im kollektiven Gedächtnis waren. Eines dürfte aber feststehen  : Die mit der politischen Gestaltung befassten sozialen Eliten  – und in Zeiten revolutionärer Umbrüche auch weite Kreise der Bevölkerung – verbanden mit ihnen konkrete politische Vorstellungen und setzten diese gezielt, auch propagandistisch, zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung ein. Die symbolische Vergegenwärtigung der Leitprinzipien der politisch-rechtlichen Ordnung dient zum einen der Verständigung über die Grundlagen von Staat und Recht und damit der Aneignung sowie der Affirmation der politischen Ordnung. Ein dicht gewebtes Netz von in Symbolform intuitiv erfassbaren politischen Ideen, Werten und Grundsätzen repräsentiert das kollektive politische Bewusstsein und damit den Zeitgeist 23 einer Epoche. So gesehen trägt die Freiheits- und Verfassungssymbolik zu einem Gleichklang des Wertens bei der Akzeptanz der Grundlagen verfassungsstaatlicher Ordnung bei. Sie ist wie alle politische Symbolik ein wesentliches Element der Stabilisierung politischer Werte und damit auch der Inklusion. Wer sich der Kraft der politisch-rechtlichen Symbolik entzieht, steht außerhalb der gemeinschaftlichen Ordnung. Von ihr geht ein Konformitätsdruck aus, den man dem oft beschriebenen Phänomen der normativen Kraft des Faktischen zuordnen kann. Zum anderen kann durch Bildsatiren und Karikaturen Kritik an den bestehenden politischen Zuständen und Institutionen geübt, können Vorschläge für po23

Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?

litische Reformen gemacht oder Feindbilder des politischen Gegners gezeichnet werden. Bereits im England der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und auf dem Kontinent mit Beginn der Französischen Revolution wurden die alten ebenso wie die neuen politisch-rechtlichen Prinzipien zum Thema politischer Karikaturen.24 Diese wurden systematisch zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung eingesetzt, was ein in Fragen der politischen Ordnung in sich zerrissenes kollektives Bewusstsein deutlich werden lässt. Mit ihrer Übertreibung und Verzerrung sprechen Karikaturen ein breites Publikum an, was ihre Kommunikationsleistung steigert. Ihre Bildsprache lebt u. a. vom Anspielen auf ikonographische Traditionen und den damit verbundenen Wiedererkennungseffekten, von beißender Kritik an politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, von der Vergegenwärtigung der Gründe kollektiver Unzufriedenheit und von einer schonungslosen Infragestellung staatlicher Autorität. Durch Ironie und Zerrbilder, durch das Schüren von Emotionalität oder durch Diffamierung des politischen Gegners erfolgten Angriffe auf gesellschaftliche Normsysteme. Jenseits des Kampfes der Bilder und um die Deutungshoheit über politische Symbole umreißt die Freiheits- und Verfassungssymbolik normative Erwartungen an eine bessere Zukunft. Sie brachte bei der Visualisierung der politischen Ideen des sich entwickelnden Verfassungsstaates die politischen Hoffnungen hinsichtlich einer freiheitlichen bürgerlichen Gesellschaft, aber auch Ängste der Bevölkerung vor der Etablierung oder der Wiederkehr einer unfreiheitlichen politischen Ordnung zum Ausdruck.25 Eine Geschichte der Freiheits-und Verfassungssymbolik verfolgt, wie sich langfristige politische Entwicklungen oder revolutionäre Umbrüche ebenso wie Zukunftshoffnungen und Reformprogramme dem kollektiven Gedächtnis einprägten. Symbole produzieren ein intuitiv erfassbares Verstehen komplexer Zusammenhänge. Politische Symbole eröffnen mit erheblicher Assoziationskraft Fenster zu politischen Ideen und rechtlichen Leitbildern. Mit ihrer visuellen Präsenz prägen sie dem Bildgedächtnis die Grundlagen von Staat und Recht jenseits gelehrter Texte oder der Tagespresse ein. Über das Bildgedächtnis erfolgt eine geistige und gefühlsmäßige Orientierung an den symbolisch umschriebenen Wertetafeln und rechtlichen Leitbildern. In ihm ist das Hintergrundwissen gespeichert, dessen man zur Bewertung der sich rasch fortentwickelnden politischen Ordnung bedarf. So gesehen steht die politische Symbolik für Bilder von der Realität, aber auch einer Zukunftsvision der politisch-rechtlichen Ordnung. Die politische Symbolik prägt nicht allein »das visuelle Kurzzeitgedächtnis des kollektiven Bewusstseins« 26. Über die Visualisierung tagespolitischer Entwicklungen hinaus wirkt sie sinnstiftend für die Grundlagen der politisch-rechtlichen Ordnung. Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert orientiert sie über jene politischen Werte, die dem Verfassungsstaat vorausliegen. Die Freiheits- und Verfassungssym24

Prägungen kollektiven Bewusstseins und Gedächtnisses

bolik dient der kollektiven Vergegenwärtigung und Identitätsbildung in Fragen nach dem, welche zentralen Werte die Gesellschaft letztlich zusammenhalten. So gesehen ist sie ein Generator der Legitimationsgrundlagen von Gemeinschaft. Findet die politisch-rechtliche Symbolik auf Grund kollektiver Verwendung Akzeptanz, stellt sie die »Richtigkeit« der Grundlagen rechtlicher und sozialer Ordnung außer Zweifel.27 Die Freiheits- und Verfassungssymbolik bewirkt eine sozialpsychologische Legitimation von staatlicher Herrschaft, wenn sie die unverfügbaren Grundlagen von Staat und Recht bewusst werden lässt. Sie kann aber auch in Krisenzeiten den Auf bruch zu neuen Ufern beschwören und hierfür die Prinzipien und Werte einer neuen politisch-rechtlichen Ordnung versinnbildlichen. Dann kommt es zu »symbolischen Auseinandersetzungen«, zum Kampf zwischen vergangenen und neuen Formen symbolischer Repräsentation.28 Vor allem die politische Symbolik der Unabhängigkeit Nordamerikas und der Französischen Revolution, aber auch revolutionärer Umwälzungen im 19. Jahrhundert, »verfassten« durch ihre Volksnähe und ihre Präsenz im öffentlichen Raum ein neues politisch-rechtliches Bewusstsein in allen Schichten der Bevölkerung. Sie schuf Orientierungsgewissheit und kollektive Identität in den Grundsatzfragen politisch-rechtlicher Gestaltung.29 Auch demjenigen, der über Einzelheiten der Verfassung und des Verfassungsrechts nicht orientiert war, wurde über die Bilderund Symbolwelt das verfassungspolitische Verständnis seiner Zeit nähergebracht. Dabei fällt folgende Diskrepanz auf  : Der moderne Verfassungsstaat ist das Ergebnis aufgeklärter Vernunft. Er legitimiert sich durch eine von der Vernunft geleitete politische Gestaltung. Spielt das Forum der Vernunft die entscheidende Rolle, so erscheint es auf den ersten Blick widersprüchlich, dass die politische Kommunikation durch Symbole an das Unterbewusste und an die Intuition anknüpft. Man mag dies damit erklären, dass die Rationalität der neuen politischrechtlichen Ordnung der entsprechenden Symbolformen bedurfte, um in ihren Grundlagen von breiten Bevölkerungsschichten nachvollzogen werden zu können. Was an Freiheitsideen aber kann in Symbolform zum Ausdruck gebracht werden  ? Wie alle Symbole sind auch Sinnbilder der Freiheit und der Verfassungs in ­ihrer Bildlichkeit zwar suggestiv, in ihrer inhaltlichen Aussage aber unscharf 30 und damit ­deutungs- und interpretationsoffen. Zu einer klaren Argumentation des Pro und ­Contra politischer Lösungen sind sie naturgemäß nicht in der Lage. Sie können nur eine Übereinstimmung im Grundsätzlichen der politischen Ordnungsvorstellungen stiften. Die Unschärfe und Interpretationsoffenheit politisch-rechtlicher Symbole ermöglichen eine Identitäts- und Einheitsstiftung trotz Differenzen in Einzelfragen und auch über die Generationen hinweg. Da Freiheits- und Verfassungssymbole sowohl in einer konkreten historischen Situation als auch zeitübergreifend interpretationsoffen sind, lassen sich ihre Aussagen ebenso wie ihre Assoziationskraft 25

Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?

nicht in exakter Weise festlegen und definieren.31 Gleichwohl sind sie immer wieder Motivation für politisches Handeln. Sie schaffen und verfestigen das politische Vorverständnis, das Gefährdungen der Freiheit wahrnehmen lässt und den Einzelnen zum Kampf um die Freiheit veranlasst. 1.3 Die Akteure bei der Gestaltung der politisch-rechtlichen Symbole Seit der Antike sind Variationen der einheitlichen Form der Freiheitssymbolik zur Legitimation von politischer Herrschaft geläufig. Vergleichbares gilt für die Entwicklung des modernen Verfassungsstaates seit der zweiten Hälfte des 18.  Jahrhunderts. Im Umfeld der treibenden Kraft der politischen Theorie der Aufklärung, einer neuen bürgerlichen Öffentlichkeit und eines neuen Zeitgeistes32 entfaltete sich eine verfassungsstaatliche Symbolik, die die verfassungspolitischen Auseinandersetzungen um die neue Ordnung begleitete. Wie aber erreichen es Gesellschaften, sich in ihren politisch-rechtlichen Symbolen zu vergegenwärtigen und ihnen eine bewusstseinsprägende Kraft beizulegen  ? 33 Eine Antwort hierauf führt zu den Akteuren, die die politisch-rechtliche Symbolik schöpfen und gestalten, zu ihrem Bewusstseinshorizont und zu ihrer Bewältigung des Konflikts zwischen tradierten Symbolformen und einer neuen revolutionären Symbolik. Wer nun waren die Akteure, die in einer kulturellen »Selbstproduktion« Rechtswerte und politische Prinzipien in eine Symbolform kleideten  ? Wem gelang es, eine neue politisch-rechtliche Form mit einer neuen politisch-rechtlichen Symbolik zu verbinden  ? Wem gelang dieser Akt der Repräsentation von Werten und Prinzipien durch Symbole  ? In der Antike gestalteten wohl überwiegend die Münzmeister die politische Symbolik auf römischen Münzen. Im Ancien Régime und im Alten Reich war das Königtum die Instanz, welche die Festlegung der politisch-rechtlichen Symbole ganz wesentlich bestimmte. Daneben waren es Verfasser der weitverbreiteten Emblematawerke (hierzu 2.2.2) sowie bildende Künstler, die zunächst meist im Auftrag der aristokratischen Oberschicht tätig waren, sich ab dem ausgehenden 18.  Jahrhundert bei der Gestaltung der Freiheits- und Verfassungssymbolik aber zunehmend an der sich neu formierenden bürgerlichen Gesellschaft orientierten. So waren es mit dem Anbruch der Epoche des Verfassungsstaates auch nicht die über Kenntnisse politischer Zusammenhänge verfügenden akademisch Gebildeten im Allgemeinen oder die für die Betreuung der verfassungsrechtlichen Texte und Argumente zuständigen Juristen im Besonderen, die die politisch-rechtliche Symbolik ihrer Zeit schufen.34 Es waren vielmehr große, oft aber auch nur mittelmäßig begabte Künstler, welche die sie umgebende politisch-rechtliche Situation 26

Die Akteure bei der Gestaltung der politisch-rechtlichen Symbole

in Symbolform zum Ausdruck brachten.35 Viele der Künstler bleiben im Dunkel der Geschichte. Politische Graphiken wurden oftmals anonym publiziert, wohl auch um der Zensur zu entgehen. Soweit einzelne Künstler namentlich bekannt sind, haben sie in aller Regel nur wenige biographische Spuren hinterlassen, die sich rekonstruieren lassen. Alle diese Künstler und mit ihnen die Verleger mussten vom Verkauf ihrer Werke leben. Sie arbeiteten bei der Vermarktung ihrer für eine immer breiter werdende bürgerliche Öffentlichkeit geschaffene graphische Handelsware unter einem großen Konkurrenzdruck. In England und Frankreich wurde die die politische Entwicklung begleitende Bildpublizistik nicht nur in darauf spezialisierten Geschäften, sondern auch durch fliegende Händler im Straßenverkauf vertrieben.36 Verkaufen ließ sich, was aktuell und populär war, was zudem den Zeitgeist und den Zeitgeschmack traf. Nur wer mit seinen Schöpfungen die politischen Wünsche, aber auch Befürchtungen der unterschiedlichen Gruppen von Rezipienten zu artikulieren wusste und damit auf gesellschaftliche Resonanz 37 stieß, war des Verkaufs seiner Werke gewiss.38 Die Künstler mussten sich demnach, bewusst oder unbewusst, in Zeiten politischer Umbrüche an der politischen Entwicklung orientieren. Nur mit einem hohen Maß an politischer Sensibilität, die oft mit einer eigenen politischen Anschauung einherging, waren sie in der Lage, ihrer Zeit den Spiegel vorzuhalten. Manche Künstler waren für Veränderungen in der geistigen Situation ihrer Zeit besonders empfindsam. Ihre Werke brachten bisweilen intuitiv neue Tendenzen im Zeitgeist und in der politischen Entwicklung zum Ausdruck und konnten diese bereits frühzeitig kritisch reflektieren. In diesem Zusammenhang hat man einigen wenigen Künstlern fast eine Gabe der Prophetie zugesprochen. Dies gilt etwa für David im Hinblick auf einige Bilder, die er vor der Französischen Revolution gemalt und im Salon ausgestellt hatte. In diesen Werken, etwa in dem Gemälde »Die Liktoren bringen Brutus die Leichen seiner Söhne«, konnte ein Vorgriff auf eine neue republikanische Ordnung in Frankreich gesehen werden.39 Die politische Symbolik war als Medium offener oder versteckter Propaganda darauf angelegt, politische Gefolgschaft zu einen und kollektiver Sinnstiftung zu dienen. In diesem Prozess politischer Kommunikation übernahmen die Künstler und Verleger eine wichtige Kristallisationsfunktion  : Sie stellten die Ereignisse in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten von Amerika seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ebenso wie im revolutionären Frankreich in einen größeren politisch-rechtlichen Kontext, der seinerseits wieder von der öffentlichen Meinung akzeptiert werden sollte. Anlässlich der Gestaltung von Freiheits- und Verfassungssymbolik kam es also zu einer bemerkenswerten Symbiose von Verfassungsrecht, Verfassungspolitik und den Erfolgen von Künstlern bei deren symbolhaften Vermittlung. 27

Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?

1.4 Kontinuität und Diskontinuität zwischen Ancien Régime und neuer verfassungsstaatlicher Ordnung im Spiegel der politischrechtlichen Symbolik Zu den viel diskutierten verfassungshistorischen Themen gehört die Frage  : Hat sich die neue verfassungsstaatliche Ordnung mit ihren Prinzipien des Vorrangs der Verfassung, der demokratischen Legitimation der staatlichen Herrschaft, des Freiheitsschutzes oder einer unabhängigen Gerichtsbarkeit allmählich aus der politisch-rechtlichen Ordnung des Ancien Régime bzw. des Alten Reiches entwickelt oder besteht eine Diskontinuität der neuen verfassungsstaatlichen Ordnung zum alten Herrschaftssystem  ? 40 Blickt man auf die Entwicklung der politisch-rechtlichen Symbolik von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, so spricht manches für eine deutliche Diskontinuität, zugleich bestehen aber auch unerwartete Kontinuitäten. Die politische Symbolik des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation mit seinen Herrschaftsinsignien,41 seinem Staatszeremoniell im Reichstag42 oder seinen die ständische Verfassung repräsentierenden Inszenierungen anlässlich der Wahlverfahren,43 Krönungen und Huldigungen44 verband sich mit einem anderen Verfassungsrecht, mit einer anderen Herrschaftslegitimation und mit einer anderen Vorstellungswelt sowohl bei den politischen Eliten als auch bei den Untertanen, als sie der langsam entstehenden verfassungsstaatlichen Ordnung zugrunde lagen. Das Staatszeremoniell der alten Monarchien überlebte sich mit dem sozialen und ökonomischen Umbruch im ausgehenden 18.  Jahrhundert. Die Selbstinszenierung der alten ständischen Verfassungsordnung begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ebenso wie diese Ordnung selbst brüchig zu werden.45 Zwar wurde 1790 und 1792 anlässlich der Frankfurter Krönungsfeierlichkeiten die alte Reichsverfassung noch prunkvoll repräsentiert, was bei manchen noch patriotische Gefühle weckte. Vielen Beobachtern erschien die entfaltete Pracht aber als leere Hülse, die einer rationalen Betrachtung nicht mehr standhielt  ; vor allem war die Rolle des Volkes, für das die Inszenierungen der überkommenen Rituale stattfand, zweifelhaft geworden.46 Für die symbolischen Darstellungen der Reichsverfassung ergab sich zwangsläufig eine Diskontinuität aus dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches zu Beginn des 19. Jahrhundert. Verbildlichungen zu dessen Verfassung waren vor allem auf Titelkupfern zu politisch-rechtlichen Werken zu finden.47 Bis in die Zeit der Französischen Revolution waren sie noch dem alten Reichsstaatsrecht verpflichtet. In ihnen wurden bisweilen die Thesen des Autors in symbolischer Form vorangestellt. Entsprechend ließ sich vielfach bereits an den Frontispizen ablesen, welche Position in dem jeweiligen Werk in zentralen Fragen des Reichsstaatsrechts eingenommen wurde. So wurde etwa im Titelkupfer von J. G. von Kulpis Erwide­ 28

Kontinuität und Diskontinuität

rungsschrift48 auf Samuel von Pufendorfs Aufsehen erregendes Werk »De statu Imperii Germanici« (1667) dessen These in Frage gestellt, das Reich sei ein irreguläres staatsrechtliches Kon­ strukt, sei gar ein Monstrum, dem es an Staatlichkeit mangele. Mit den zu damaliger Zeit geläufigen Sinnbildern wurde der Leser auf die zentrale Aussage der Erwiderungsschrift eingestimmt   : Das Heilige Römische Reich sei nicht monstro simile, sondern ein Reich der Gerechtigkeit, souverän in seiner Macht und umstrahlt von göttlichem Glanz. Zu einer anderen viel diskutierten Frage hat das Titelkupfer zu J.  P.  von Ludewigs »Germania princeps« (Abb.  1) deutlich Stellung bezogen. Es zeigt die Germania mit einer sich im Gleichgewicht befindlichen Waage, in deren einer Waagschale die Kaiserkrone und in deren anderen Fürstenhüte im Gleichgewicht liegen. Diese dem Leser verdeutlichte Ausgewogenheit der reichsverfassungsrechtlichen Machtverteilung ist Gegenposition zu den die Vormacht des Kaisers betonenden »Cäsarianern«.49 Botschaft ist, dass dem Kaiser und den Fürsten von Verfassung we- Abb. 1: Titelkupfer zu J. P. von Ludewig, Germania princeps, Halle 1711 gen gleiches politisches Gewicht zukomme. Die Bücher mit derartigen Darstellungen als Frontispize waren vielfach von Fürsten in Auftrag gegeben worden, um ihre Rechtsansichten zu untermauern.50 Demgegenüber wird in Titelkupfern von nicht auftragsgebundenen Werken das komplexe System der Reichsverfassung in einer eher neutralen Weise veranschaulicht.51 Derartige Titelbilder mit Bezügen zur Verfassung des Alten Reiches traten noch bis kurz vor dessen Untergang auf, etwa auf dem Titelkupfer zum ersten Band des 1797 in zweiter Auflage erschienenen »Handbuchs des Teutschen Staatsrechts« von Karl Friedrich Häberlin (Abb. 2). Es sah, wohl auch zur Distanzierung von der Französischen Revolution, Veranlassung, den Geist der alten Reichsverfassung zu beschwören. Diese ist gleichsam ein Tempel der Justitia, worauf der Altar mit den Attributen Waage und Schwert hinweist. Die Prudentia in der Mitte des Bauwerks weiß die Autoritäten der Reichsstaatsrechtlehre wie Johann Jakob Moser, Johann Stephan Pütter oder August Ludwig Schlözer als Bausteine des Tempels verewigt hinter sich. Das von oben kommende Licht greift die Lichtsymbolik der Aufklärung auf und könnte die Sonne der Gerechtigkeit oder auch eine Metapher für die Ausstrahlung der Aufklärung sein. Für Letzteres mag streiten, dass Häberlin dem 29

Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?

Abb. 2: Titelkupfer zu K. F. Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, 1. Bd., 2. Aufl. 1797

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Kontinuität und Diskontinuität

aufgeklärten Absolutismus verpflichtet war und in Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution das »Ideal einer nach konstitutionellen Prinzipien reformierten Reichsverfassung« verfolgte.52 Damit bilden hier Gerechtigkeit, Weisheit und die Tradition des Reichsstaatsrechts das Fundament der Reichsverfassung, das bewahrenswert ist, zugleich aber im Lichte einer neuen Zeit und doch in Distanz zu den verfassungsrechtlichen Neuorientierungen in Frankreich umgebaut werden muss. Ende der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts gelangten symbolhafte Darstellungen der alten Reichsverfassung an ihr Ende. Die nun einsetzenden politischen Entwicklungen bedurften einer neuen Symbolik. Allerdings sind die Übergänge zwischen einer alten und einer neuen Symbolik nicht immer abrupt. Das Verstehen von Symbolen kann der Tradition, dem Altbekannten verpflichtet sein. Sie sind dann Traditionsspeicher und »Erbsubstanz« 53 für kulturelle Werte und für die überkommene religiöse oder rechtliche Vorstellungswelt. Das Verstehen von Symbolen kann sich aber auch an dem Neuen einer konkreten historischen Situation orientieren. Dann können sich auf der Zeitachse langsame, aber auch sprunghafte Veränderungen im Symbolgehalt ergeben. Alte symbolische Formen können bei Veränderungen der politischen und sozialen Ordnung nach und nach erstarren und obsolet werden. Politisch-rechtliche Symbole verlieren aber selbst bei einem Wechsel der politischen Systeme nicht immer ihre Symbolkraft, wie die Geschichte des Bundesadlers oder der deutschen Nationalhymne54 zeigt. Staatssymbole knüpfen zwar regelmäßig an einen bestimmten kulturellen Verständnishorizont an, der die gegenwärtige politisch-rechtliche Ordnung als historische Notwendigkeit legitimiert. Es ist aber auch möglich, dass die überkommenen politisch-rechtlichen Symbole auf eine neue Sicht der Geschichte und der politischen Notwendigkeiten Bezug nehmen und dass sie mit diesem Wechsel in der Deutung ihrerseits ihre Bedeutung wandeln. Dies gilt, wie zu zeigen sein wird, für die Entwicklung der dem Verfassungsstaat verpflichteten Symbolik im angelsächsischen Bereich und in Frankreich, weniger aber in Deutschland. In Frankreich und England, aber auch in den Niederlanden und der Schweiz knüpft die Entwicklung der Verfassungs- und Freiheitssymbolik an ältere Formen antiker und christlicher Symbolik an. Teile der antiken Herrschaftssymbolik und der Symbolformen des Christentums (hierzu 3.3.1) wurden verfassungsstaatlich umgeformt und umgedeutet, um die neuen politisch-rechtlichen Entwicklungen in sich aufzunehmen.55 Dies führt zu der Frage, ob und in welchem Umfang einzelne politisch-rechtliche Symbole zu unbewussten strukturellen Voraussetzungen menschlicher Vorstellungskraft in der westlichen politischen Kultur und damit zu kulturellen Arche­ typen gehören. Hat deren »longue durée« im Sinne der Forschungsrichtung der »Annales«56 das Denken und Handeln bestimmt  ? 57 Wenn Fernand Braudel von 31

Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?

den »cadres mentaux« als »prisons de longue durée« spricht,58 so lässt sich mit Blick auf die Freiheits- und Verfassungssymbolik überlegen, ob und in welcher Weise diese in der westlichen Welt feste und nicht überwindbare Mauern für das politisch-rechtliche Denken errichtet hat.59 Es spricht vieles dafür, dass die Freiheitssymbolik und die sich später mit ihr verbindende Verfassungssymbolik in der westlichen Welt jenseits der tagespolitischen Auseinandersetzungen die nicht hinterfragbaren Ziele politischer Gestaltung umreißen. Für die Freiheits- und Verfassungssymbolik gilt Gleiches, was nach der Sattelzeithypothese von Reinhart Koselleck für die politisch-rechtlichen Begriffe entwickelt worden ist.60 Ebenso wie die politisch-rechtlichen Begriffe seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ihre alte Bedeutung verloren und mit neuem Inhalt »gesattelt« wurden, verhält es sich in der Welt der politischen und Verfassungssymbolik. Alte Symbolformen erhielten in einem teilweise abrupten Prozess des Übergangs eine neue Bedeutung und eine neue Assoziationskraft, blieben aber gleichwohl in ihrer Bildhaftigkeit einer alten Vorstellungswelt verhaftet. 1.5 Die Gemeinsamkeit in der Freiheitssymbolik trotz unterschiedlicher Wege in den Verfassungsstaat Die Geschichte der Freiheitssymbolik verlief in einzelnen Ländern, wie der Vergleich der Niederlande, Frankreichs und des angelsächsischen Bereichs zeigen wird, nicht eben einheitlich. Die Freiheitssymbolik begleitete lediglich in der Symbolform, die sie bereits in der Antike gefunden hatte, Ländergrenzen übergreifend die dortigen verfassungspolitischen Entwicklungen. Deren Verlauf war in den genannten Ländern zwar grundverschieden, führte aber dennoch im Ergebnis zu vergleichbaren verfassungsstaatlichen Verfassungen. In den genannten Staaten ist der jeweilige Weg in den Verfassungsstaat zwar mit einem unterschiedlichen kollektiven Erinnern an historische Zäsurereignisse wie nationale Einigung, Revolutionen oder Verfassunggebung verbunden. Einer der Bezugspunkte dieses kollektiven Erinnerns war aber eine gemeinsame Form von Freiheitssymbolik, die nationale Grenzen überschreitet.61 Eine vergleichende Geschichte der Freiheitssymbolik zeigt, dass die nationale Verfassungsgeschichte der soeben genannten Staaten bei aller Unterschiedlichkeit nicht allein in ein gemeinsames westliches Wertesystem, sondern auch in gemeinsame Formen der Freiheitssymbolik eingebunden ist. Diese Wechselbezüglichkeit von Freiheitsidee und Freiheitssymbolik führt letztlich zu den mentalen Voraussetzungen der Europäischen Union als eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art.  3 Abs.  2 EUV). Dass die Freiheitlichkeit zu den identitätsbestimmenden Grundwerten der Europäischen Union gehört, kommt nicht von ungefähr, 32

Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik

sondern gehört seit der Antike zu jenen Grundlagen politischer Kultur, die über Jahrhunderte hinweg in Symbolform vermittelt wurden. 1.6 Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik als Geschichte politischer Mentalität Erkenntnisinteresse einer Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik sind frühe Formen des Freiheits- und Verfassungsbewusstseins,62 nämlich wie frühere Generationen und Epochen politische Freiheit, Verfassungsrecht und verfassungspolitische Entwicklungen begriffen und sich hieran orientiert oder diese auch abgelehnt haben. Ein derart mentalitätsgeschichtlicher Ansatz,63 der sich dem Bereich von Freiheit und Verfassung zuwendet, befasst sich mit individuellen und kollektiven Einstellungen zu den Grundlagen einer freiheitlichen politischen Ordnung. In einem ersten Zugriff lässt sich fragen  : Wer konnte den politisch-rechtlichen Gehalt der Freiheits- und Verfassungssymbole wie verstehen  ? 64 An welchen Kreis von Betrachtern wendeten sich die Drucke und Medaillen mit Freiheits- und Verfassungssymbolen  ? Die symbolgeschichtlichen Antworten auf diese Fragen führen im größeren historischen Kontext zu der bereits genannten »longue durée« von Einstellungsmustern und Vorstellungswelt, die über die Epochen hinweg vorherrschen und nur einem langsamen Wandel unterliegen. Sind religiöse, rechtliche oder politische Symbolformen über Jahrhunderte oder auch nur über Generationen hinweg im kollektiven Gedächtnis präsent, so bemächtigen sie sich des Unbewussten oder des wenig Bewussten und bilden die Grundlagen für die Welt der Vorstellungen oder von Denkmustern.65 In dieser Perspektive bildet die bis in die Antike zurückreichende Freiheitssymbolik die mental(itätsgeschichtlich)e Grundlage für die ewige Suche nach einer freiheitlichen Ordnung, wie sie die politische Kultur der westlichen Welt bestimmt. Freiheitssymbole sind die »lieux de mémoire«, also Erinnerungsorte66, die das Gedächtnis von Personen und Kollektiven prägen, und zwar nicht allein auf nationaler Ebene, sondern die nationalen Grenzen überschreitend in den hier vorgestellten Ländern. Die Verbindung von Mentalitäts- und Symbolgeschichte lenkt den Blick auf die Adressaten der Welt der Freiheits- und Verfassungssymbole  : Inwieweit war der zeitgenössische Betrachter zu symbolischer Anschauung überhaupt fähig  ? Was konnte er mit den Freiheits- und Verfassungssymbolen assoziieren  ? Nur ein Betrachter, der in der westlichen politischen Kultur lebte, war in der Lage, die Sprache der Freiheits- und Verfassungssymbole zu verstehen. Außerhalb ihres Kulturkreises sind politische Symbole lediglich belanglose Zeichen ohne tiefere Bedeutung. Die uns interessierende Freiheits- und Verfassungssymbolik dürfte, da 33

Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?

von Generation zu Generation tradiert, ab einem bestimmten Bildungsniveau geläufig gewesen sein. Sollten jedoch neue politisch-rechtliche Entwicklungen symbolisch vermittelt werden, so fühlten sich Rezipienten wohl oftmals überfordert. Um dem Betrachter das Verstehen zu erleichtern, gab man den politischen Graphiken meist einen Titel und fügte eine kurze, bisweilen auch längere Erläuterung hinzu. Eine derartige »Kommentierung« der Bildinhalte war seit den Emblematawerken, wie sie seit dem 16. Jahrhundert erschienen sind, bekannt. Sie konnte auch jene Symbolik verständlich machen, die vom Künstler neu gestaltet und auf den ersten Blick schwer zugänglich war. Versetzt man sich in die Sichtweise des zeitgenössischen Betrachters, so muss man auf Wandlungen in der »Deutungskompetenz« achten. Hier unterscheidet man ganz allgemein zwischen den Gebildeten einer politischen Elite und Ungebildeten bzw. zwischen Eingeweihten und nicht Eingeweihten.67 Wandte sich die Herrschaftssymbolik des ständischen Staates an dessen politische Elite, so richtete sich die Freiheits- und Verfassungssymbolik des entstehenden Verfassungsstaates an die politisch-rechtliche Vorstellungswelt der sich neu formierenden bürgerlichen Gesellschaft. Diese musste nicht nur darüber aufgeklärt werden, welche Prinzipien sich mit den neuen Verfassungen verbanden, sondern auch darüber, wie die neue Freiheits- und Verfassungssymbolik zu verstehen war. In pädagogischer Absicht finden sich denn auch häufig erklärende Texte zur symbolischen Vermittlung der politischen Neuordnung und der verfassungspolitischen Auseinandersetzungen. Beim Betrachter wird das Verständnis für politische Symbole dadurch erleichtert und gelenkt, dass sie ihm im Prinzip bekannt sind. Ein Teil der Freiheits- und Verfassungssymbolik der Französischen Revolution knüpfte an alte Symbolformen an, die im religiösen Bereich allen Bürgern präsent waren. Außerdem war in den Emblematawerken eine in die kulturelle Entwicklung eingebettete politisch-rechtliche Symbolik erklärt und kanonisiert worden. Zum einen ermöglichte dies den Künstlern, auf einheitliche Versatzstücke, die als kulturelle Codes für politischrechtliche Ideen standen, bei der Entwicklung der Freiheits- und Verfassungssymbolik zurückzugreifen. Zum anderen war der Betrachter bereits im Vorhinein über den Aussagegehalt dieser Symbolik informiert. 1.7 Zur politischen Ästhetik der Freiheits- und Verfassungssymbolik Staatskommunikation durch Freiheits- und Verfassungssymbole führt in den Bereich der politischen Ästhetik.68 Diese kann politische Autorität festigen. Es geht nicht nur darum, die passende Symbolform für das zu finden, was an Werten und Leitvorstellungen zum Ausdruck gebracht werden soll. Weitere Voraussetzung für eine gelungene Kommunikation zwischen dem Staat und seinen Bürgern, aber 34

Fragestellungen

auch der Bürger untereinander, ist ein hohes Niveau an politischer und damit auch künstlerischer Ästhetik. Die kommunikative Ästhetik stellt besondere Anforderungen  : Die Erhabenheit der Darstellung sollte der hohen politischen Wertigkeit 69 der Freiheits- und Verfassungssymbole entsprechen. Dem gerecht zu werden, war immer wieder ein Anliegen für Künstler, die eine gelungene ästhetische Form für Freiheits- und Verfassungssymbole suchten. Über die ästhetische Gestaltung derartiger Symbole konnten Künstler über lange Zeit hinweg auf die Vorstellungswelt ihrer Zeit Einfluss nehmen. Hier trifft man auf eine besondere Facette der politischen Kunst  : Bei der Gestaltung von Freiheitsund Verfassungssymbolen knüpft der Künstler in der Regel an den überkommenen Kanon symbolischer Vermittlung an und tradiert damit symbolischen Gehalt und Ästhetik. Als »Kind seiner Zeit« und unter dem Einfluss eines sich wandelnden Zeitgeistes vermag er, eigene Erfahrungen und Sichtweisen in die Um- und Neugestaltung der Freiheits- und Verfassungssymbolik einzubringen. Kunst und Künstler spielen damit eine bedeutsame Rolle im Bereich der ästhetischen Kommunikation politischer Wertvorstellungen. Die Rolle von Künstlern bei der ästhetischen Gestaltung von Freiheits- und Verfassungssymbolen ist allerdings ein Thema, dem bislang nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. 1.8 Fragestellungen Das Entstehen des Verfassungsstaates von ersten Ansätzen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zum Ringen um verfassungsstaatliche Verfassungen in der Zwischenkriegszeit des 20.  Jahrhunderts ist der Bezugspunkt der Freiheits- und Verfassungssymbolik, die die heftigen politischen Auseinandersetzungen um die gute politische Ordnung begleitete. Die verfassungsstaatliche Symbolik der westlichen Hemisphäre reicht allerdings bis in die Antike zurück. Um die verschlungene Wege ihrer über 2000-jährigen Traditionsgeschichte verfolgen zu können, müssen die gesellschaftlichen Umschichtungen, die historischen Ereignisse und die politischen Ideen, die zum modernen Verfassungsstaat führten, die Deutung der sich wandelnden Symbolinhalte leiten. In den folgenden Abschnitten wird folgenden Fragen nachgegangen  : 1. Welche Vorstellungen verbindet der zeitgenössische Betrachter mit der Formgebung der Freiheits- und Verfassungssymbole  ? Inwiefern und aus welchen Gründen kann er sich mit deren politischer Aussage identifizieren  ? In welchem politischen Kontext stehen die Kontroversen um die Verwendung der Freiheitsund Verfassungssymbolik, die auf die politischen Vorstellungen der Betrachter einwirken wollen  ? 35

Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?

2. Schafft der Verfassungsstaat in der Diskontinuität zur alten politischen Ordnung eine neue Symbolik, oder stehen dessen Symbole in einer langen historischen Tradition  ? Inwieweit verbinden sich Neubesetzungen antiker und christlicher Symbolik mit der Genese des Verfassungsstaates  ? 3. Inwiefern zeigt die Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik, dass es in der westlichen Welt trotz aller Veränderungen oder gar Umwälzungen feste Grundlagen einer politisch-rechtlichen Mentalität gibt  ? Gehört die Freiheitssymbolik mit ihren Wurzeln in der Antike zu den Archetypen westlicher politischer Kultur  ? Hat sie über Jahrhunderte hinweg den Rahmen für die Entwicklung freiheitlicher Politik bestimmt  ? 4. Welchen Beitrag hat die Freiheits- und Verfassungssymbolik zur Entwicklung des modernen Verfassungsstaates geleistet  ? Inwiefern hat sie zu einer verfassungsstaatlichen bzw. republikanischen Gesinnung beigetragen  ? Waren die Symbolisierungsprozesse lediglich ein begleitendes Element oder auch Agens der Genese des Verfassungsstaates  ? 5. Inwiefern war die Freiheits- und Verfassungssymbolik ein wesentliches Element der Kommunikation des Staates mit seinen Bürgern und der Bürger untereinander  ? Erfolgte über diese Symbolform in der politischen Öffentlichkeit eine »Freiheitskommunikation«, die das Wesen des Verfassungsstaates ausmacht  ? 6. Wer gestaltete die Freiheits- und Verfassungssymbolik  ? Wer waren die Akteure der Sinngebung  ? In welchen Netzwerken wirkten diese Akteure  ? An welche sozialen Schichten wendete sich die Freiheits- und Verfassungssymbolik  ? 7. Welche Wege grenzüberschreitender Rezeption gab es im Bereich der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ? Welche Formen und Wege der Interaktionen zwischen national geprägter politische Kultur (Interkulturalität) lassen sich im Bereich der Freiheits- und Verfassungssymbolik verfolgen  ?70 Gibt es eine Globalisierung der Freiheits- und Verfassungssymbolik im atlantischen Bereich71  ? Hat die Französische Revolution eine »international verständliche Bildsprache geprägt und verbreitet […], die als eine Grundelement der politischen Kultur Westeuropas gelten kann«  ?72 Oder sind es, so unsere im Folgenden entwickelte Hypothese, verschlungenere Pfade wechselseitigen Austausches, die zu einem über die Landesgrenzen hinaus verständlichen Kanon von Freiheits- und Verfassungssymbolen geführt haben  ? 8. Inwiefern zeigt sich der eigene Weg Deutschlands in den Verfassungsstaat im Fehlen einer ausgeprägten Freiheitssymbolik  ? 9. Was kann die Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik zur Bestätigung, zur Fortentwicklung, aber auch zur Kritik dessen beitragen, was Stand verfassungsgeschichtlicher Forschung ist  ? Kann Symbolgeschichte, die den sozialpsychologischen Rahmenbedingungen des Verfassungswandels nachgeht 73, als weiterer methodischer Ansatz für eine Geschichte des Verfassungsstaates dienen  ? 36

Wege zur Rekonstruktion

10. Warum ist die Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik in der Zwischenkriegszeit an ihr Ende gelangt  ? Bedarf die politische Form des modernen Verfassungsstaates keiner symbolischen Vermittlung mehr  ? 1.9 Zu Raum und Zeit einer Symbolgeschichte des Verfassungsstaates Der Raum einer Symbolgeschichte des Verfassungsstaates umfasst all jene Länder, in denen sich seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert politische Umbrüche vollzogen, die zum einen am Beginn einer sich lange hinziehenden Entwicklung zum Verfassungsstaat standen und die zum anderen durch eine verfassungsstaatliche Symbolik begleitet wurden. Dies waren in Westeuropa Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Belgien, die Niederlande, die Schweiz und Italien sowie in Amerika neben den USA die Mehrzahl mittel- und südamerikanischer Staaten. Es geht also räumlich um die Entwicklung des atlantischen Modells des Verfassungsstaates und seiner Symbolik. Von wenigen Ausnahmen abgesehen wurden die politischen Umbrüche in Spanien,74 Ungarn,75 Polen76 oder in Griechenland nicht von einer am Verfassungsstaat orientierten Symbolik begleitet. Diese Länder gehörten offenbar nicht zu jenem Kulturraum, in dem die verfassungsstaatlichen Werte in der politischen Kommunikation visualisiert wurden. Die Loslösung der nordamerikanischen Kolonien von Großbritannien und die Französische Revolution waren epochale Umbrüche, die den ersten Schritt zu einer verfassungsstaatlichen Ordnung vollzogen. Wie diese Umbrüche und die weitere Entwicklung zum Verfassungsstaat durch eine vielfältige Verfassungs- und Freiheitssymbolik begleitet wurden, ist Thema der folgenden Kapitel. Dabei wird bis in die Symbolwelt der Antike und auch des Christentums ausgegriffen, um zu den Wurzeln der Freiheits- und Verfassungssymbolik zu gelangen. Die translatio dieser Symbolwelt erfolgte auf verschlungenen Wegen. Ein Schwergewicht wird auf die Traditionsprozesse und Kommunikationswege gelegt, in denen sich antike und christliche Symbolformen seit der Renaissance im politischen Bereich fortentwickelten und schlussendlich für eine verfassungsstaatliche Ordnung in Freiheit standen. 1.10 Wege zur Rekonstruktion der zeitgenössischen Freiheits- und Verfassungssymbolik In den letzten zwei bis drei Jahrzehnten haben groß angelegte Ausstellungen, vor allem im Zusammenhang mit dem »Bicentenaire« der Französischen Revolution, 37

Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?

der interessierten Öffentlichkeit einen Zugang zu den vielfältigen Formen politischer Symbolik im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert vermittelt. Parallel hierzu gibt es mittlerweile eine kaum überschaubare französische, englische und deutsche Literatur zur Theorie und Praxis der visuellen Kommunikation von politischen Inhalten.77 Dabei liegt der Fokus in aller Regel nicht oder allenfalls nur sehr beiläufig auf der visuellen Vermittlung einer freiheitlichen verfassungsstaatlichen Ordnung. Diese Lücke zu füllen, ist Anliegen der folgenden Überlegungen. Für eine Rekonstruktion der zeitgenössischen Freiheits- und Verfassungssymbolik sind folgende Fragen »abzuarbeiten«  : Welche politischen Aussagen wollte der Künstler mit seiner Freiheits- und Verfassungssymbolik zum Ausdruck bringen  ? Wie hat er seine Sicht auf die Komplexität der historischen Wirklichkeit visualisiert  ? Und aus der bereits angesprochenen Betrachterperspektive  : Welche politische Aussage oder Vorstellung assoziiert der zeitgenössische Betrachter mit dem Bild  ? Es geht also um eine Rekonstruktion der mit der Freiheits- und Verfassungssymbolik zur Anschauung gebrachten zeitgenössischen Vorstellungen, welche politischen Ideen und Grundsätze guter politischer Ordnung realisiert sind oder werden sollten. Bei dieser verstehenden Rekonstruktion sollten die Bildmedien immer nur so, und keinesfalls besser, verstanden werden, wie sie der politischen Vorstellungswelt des Künstlers entsprachen und auf die des Betrachters einwirkten bzw. einzuwirken versuchten. Diese Rekonstruktion erfolgt in einem betont juridischen Zugriff. In Anlehnung an die auf Aby Warburg und Erwin Panofsky zurückgehende ikonographische Methode werden die Bildmedien in ihren größeren politischen und historischen Zusammenhang gestellt und auf jene historischen Freiheits- und Verfassungsvorstellungen befragt, die sie ausdrücken möchten.78 Im Zentrum steht also die Kon­ textualisierung der jeweiligen Bildmedien mit den zeitgenössischen Verfassungszuständen und politischen Auseinandersetzungen sowie mit den Hoffnungen und Erfahrungshorizonten der zeitgenössischen Rezipienten. Diese Kontextualisierung gestattet zugleich, bestimmte gesellschaftliche Gruppen zu identifizieren, deren politisches Credo durch die Freiheits- und Verfassungssymbolik vermittelt wurde. Dies impliziert, dass manche sich aufdrängenden Sachzusammenhänge eher am Rande beleuchtet werden. So werden etwa kunstgeschichtliche Kontexte nur kursorisch mitbehandelt. Ähnliches gilt für die sozialen und ökonomischen Umbrüche, die sich in der Symbol- und Bilderwelt der vergangenen 250 Jahren widerspiegeln. Ferner bringt es dieser Zugriff mit sich, dass nur jene Symbolik in den Blick gelangt, die den freiheitlichen Verfassungsstaat thematisiert. Weitgehend ausgeklammert bleiben Symbole, die sich ganz allgemein der Idee gesellschaftlicher Freiheit zuwenden, wie etwa die Freiheitsfackel, die Freiheitssonne oder der Freiheitsstern.79 38

Wege zur Rekonstruktion

Soll über die Vermittlung politischer Ideen durch die mediale Gestaltung der Freiheits- und Verfassungssymbolik ein Beitrag zu den Wandlungen gesellschaftlichen Bewusstseins geliefert werden, so bedarf es der Ordnung eines schier unerschöpflichen Bildmaterials. Über die modernen Informationstechnologien sind die umfassenden graphischen Sammlungen der Bibliothèque nationale de France oder des British Museum, aber auch anderer Institutionen80 mittlerweile allgemein zugänglich. Hier wird der Versuch unternommen, diesen breiten graphischen Fundus mit Blick auf die Freiheits- und Verfassungssymbolik auszuwerten. In den öffentlichen Sammlungen des In- und Auslandes dürften sich weit über 5.000 Graphiken, Medaillen und Münzen befinden, die an den Wandel von Verfassungsrecht und an den Kampf um individuelle ebenso wie um politische Freiheit anknüpfen. Eine auch nur einigermaßen repräsentative Auswahl zu treffen, ist kaum möglich. Für die Auswahl der Graphiken, aber auch der Medaillen, des Münzgeldes und der anderen Medien der Bewusstseinsbildung war entscheidend, ob und in welcher Form sie an der Entwicklung eines freiheitlichen Verfassungsstaates orientiert waren. Was sich lediglich mit den verfassungspolitischen Auseinandersetzungen des Tages befasste, bleibt weitestgehend unberücksichtigt. Ein weiteres Auswahlkriterium war die künstlerische und symbolische bzw. allegorische Qualität der jeweiligen Darstellungen. Und nicht zuletzt war die nicht immer zuverlässig zu ermittelnde Verbreitung und damit die soziale Reichweite der symbolischen Darstellungen ein wichtiges Auswahlkriterium. Denn über die Verbreitung von »Massenware« kann man am ehesten auf Wandlungen im Freiheits- und Verfassungsbewusstsein schließen. Der vorliegende Band kann und will keine Verfassungsgeschichte des westlichen Verfassungsstaates schreiben. Daher bleiben die jeweiligen verfassungshistorischen Kontexte immer nur knapp berücksichtigt. Das reiche Bildmaterial, das im Folgenden kommentiert wird, soll den Zugang zu den visuellen Kommunikationsprozessen erschließen, durch die der moderne Verfassungsstaat auf den Weg gebracht worden ist. Eine solche »Verfassungsgeschichte in Bildern« vermittelt jenes visuelle Erinnern und jenes kollektive Bildgedächtnis, in dem über Generationen hinweg um eine konsensfähige neue politische Ordnung gerungen wurde.

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2. Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Die Freiheitssymbolik, die den modernen Verfassungsstaat seit der Zeit seiner Entstehung im 18. Jahrhundert symbolisch vermittelte, hat eine lange Vorgeschichte. Ihre Wurzeln hat sie in Libertas- und Pileus-Darstellungen auf dem Münzgeld der römischen Antike (2.1). Der Weg in die westliche politische Kultur führte über die Renaissance, in der die Antike zum Leitbild einer geistigen Neuorientierung in Westeuropa wurde. Bei der Hinwendung zu den antiken Quellen gelangten nicht allein klassische Texte und die Architektur, sondern auch das römische Münzwesen mit seiner vielfältigen Symbolik in den Blick (2.2). Die weitere Rezeption erfolgte im Zuge des Aufstandes der Niederlande gegen die spanische Herrschaft (2.3). Hier visualisierte der niederländische Geusenhut, dessen Symbolform sich im Laufe der Zeit dem antiken Vorbild des Pileus anglich, einen von Fremdherrschaft freien und zugleich freiheitlichen Staat. Durch die Oranier, die in der Glorreichen Revolution auf den englischen Thron gelangten, wurde die niederländische Freiheitssymbolik Ende des 17. Jahrhunderts in England heimisch, wo sich erneut ihr Bezugspunkt und ihr Inhalt änderte (2.4). Von dort verbreitete sich die nunmehr englisch geprägte Freiheitssymbolik seit der Mitte des 18.  Jahrhunderts in den britischen Territorien Nordamerikas. Hier wurden die personifizierte Freiheit und die Freiheitsmütze im Prozess der Loslösung der Kolonien vom Mutterland zu Sinnbildern der Unabhängigkeit und der Freiheit in den Vereinigten Staaten von Amerika (2.5). In Frankreich trat die Freiheitsymbolik ihren Siegeszug erst mit dem Beginn der Französischen Revolution an (3. Kap.), sie war in einem gewissen Umfang aber bereits vor der Revolution von 1789 gebräuchlich, wie in Abschnitt 2.6 dargelegt wird. 2.1 Wie alles begann  : die antiken Wurzeln der neuzeitlichen Freiheitssymbolik Die neuzeitliche Freiheitssymbolik wird von zwei Sinnbildern beherrscht, zum einen von der in Gestalt einer jungen Frau personifizierten Freiheit und zum anderen von deren Attribut, der Freiheitsmütze. Kopf bedeckungen waren seit der Antike bis in die jüngere Vergangenheit Zeichen eines besonderen gesellschaftlichen Standes.1 In Rom kennzeichnete eine Filzmütze, der sogenannte Pileus, den Status des freien Mannes. Sie spielte auch bei der Freilassung von Sklaven in der 41

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Manumissionszeremonie eine Rolle, in der der Sklave zunächst mit einem Stab, der Vindicta, berührt und ihm sodann der Pileus aufgesetzt wurde.2 Der Pileus wurde von freigelassenen Sklaven getragen, um ihren neuen Stand der Freiheit zum Ausdruck zu bringen. Diese Symbolik verband sich frühzeitig und in vielfältiger Form3 auch mit dem freiheitlichen Staat. In der römischen Antike bedeutete der Begriff »libertas« nach außen die Freiheit Roms von äußeren Feinden und nach innen die republikanische Freiheit, in der Kaiserzeit politische Freiheit, verkörpert im aristokratischegalitären Senat, oder ganz allgemein die FreiAbb. 3  : Denar mit Libertas und Victoria, 125 v. Chr. heit von tyrannischer Herrschaft.4 Libertas bedeutete ferner Freiheit von Willkür und forderte so einen Schutz vor rechtswidrigem Handeln der Amtsgewalt. Um derartige Freiheitsvorstellungen zu visualisieren, knüpften Libertas-Darstellungen auf antiken Münzen in vielfältiger Weise an die Symbolik der Manumissionszeremonie an. Eine der frühesten Libertas-Münzen, ein Denar aus dem Jahr 125 v. Chr. (Abb. 3), machte bewusst, dass es besonderer gerichtlicher Verfahren bedarf, um die Freiheit der römischen Bürger zu schützen. Dargestellt wurde dies mit einer Libertas, die mit einer Vindicta und einem Pileus in den Händen auf einer Quadriga steht. Über der Libertas schwebt die Victoria und hält einen Lorbeerkranz über deren Kopf, was wohl den Siegeszug der Freiheit im rechtlichen und politischen Bereich versinnbildlichen soll. Den rechtlichen Hintergrund dieser Darstellung bildete das Provokationsrecht, das den römischen Bürgern die Möglichkeit gab, gegen magistratische Zwangsmaßnahmen, die Leib oder Leben bedrohten, die Volksversammlung anzurufen.5 Auf der hier abgebildeten Münze wurde von dem Münzmeister Marcus Porcius Laeca darauf verwiesen, dass die das Provokationsrecht erweiternden Leges Porciae de provocatione vom Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. von mehreren Angehörigen seiner Familie eingebracht worden waren.6 Im Jahr 75 v. Chr. kam es geradezu zu einer Häufung der Verwendung der Li­ bertas und des Pileus auf Münzen  : Auf einem Exemplar ist die einen Pileus und eine Vindicta haltende Libertas wiederum siegreich auf einer nach vorn stürmenden Quadriga dargestellt,7 auf dem Avers einer weiteren Münze sieht man den Kopf der Libertas mit einem kleinen Pileus links daneben8, und der Revers eines dritten Münztyps zeigt einen Pileus über zwei Figuren in einem Tempel.9 Im Münzbild bereits heimisch wurde der Pileus in der Folgezeit zu einem Symbol für die Befreiung Roms von tyrannischer Herrschaft. Nach der Ermordung 42

Wie alles begann

Abb. 4  : Denar des Marcus Junius Brutus, 43–42 v. Chr.

Julius Caesars im Jahr 44 v. Chr. wurde er mit dieser neuen Bedeutung erstmals verwendet. Damals hatten sich bekanntlich republikanisch gesinnte Senatoren gegen die Pläne Caesars und seiner Anhänger zur Einführung einer Monarchie verschworen. Sie verabredeten die Tötung des Diktators anlässlich einer Senatssitzung an den Iden des März (15. März) und ermordeten Caesar unter Führung von Gajus Cassius und Marcus Junius Brutus mit 23 Dolchstichen. Dieser »Tyrannenmord« wurde auf Denaren der Bürgerkriegszeit als ein Akt der Verteidigung des freiheitlichen Staates symbolisch dadurch legitimiert, dass auf dem Revers ein Pileus zwischen zwei Dolchen dargestellt wurde (Abb. 4).10 Marcus Junius Brutus11 verbreitete mit dem von ihm in Auftrag gegebenen Tyrannenmord-Denar, auch zum Ruhm seiner Familie, die Botschaft, dass von ihr nun ein zweites Mal die Römische Republik gerettet worden sei. Bereits sein angeblicher Vorfahre Lucius Junius Brutus hatte der Legende nach mehr als 500 Jahre zuvor seine Söhne hinrichten lassen, nachdem sie sich an einer Verschwörung gegen die republikanische Ordnung beteiligt hatten. Die Symbolkraft des Tyrannenmord-Denars ist beeindruckend  : Der Pileus in der Mitte lässt den zeitgenössischen Betrachter zunächst an die Manumissionszeremonie denken, in der der Sklave mit dieser Kopf bedeckung in die Freiheit entlassen wurde. Nun auf den politischen Bereich übertragen und damit in einem neuen Kontext, steht er für die Freiheit von autoritärer Herrschaft und damit für einen freiheitlichen Staat. Dieser Wandel im Sinngehalt des Pileus birgt erhebliche politische Sprengkraft, die auf den Betrachter Eindruck machen musste  : Ein nicht republikanischer Staat wurde mit einer Herrschaft über Sklaven gleichgesetzt. Die beiden Dolche rechts und links verweisen auf die Legitimation von Gewalt, um 43

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

eine derartige Herrschaft gar nicht erst entstehen zu lassen bzw. sie zu beenden.12 Allerdings war der Tyrannenmord-Denar keine Münze voll und ganz republikanischer Gesinnung. Ein Traditionsbruch ist darin zu sehen, dass sich Brutus auf dem Avers des Denars abbilden ließ. Dies deutet auf einen Personenkult, der vom republikanischen Rom bislang abgelehnt worden war. Den Tyrannenmord-Denar ließ Brutus an einer nicht genau nachweisbaren Münzstätte in Griechenland prägen,13 um seine republikanischen Truppen bezahlen zu können. Mit der Wahl des Motivs verdeutlichte er seinen SolAbb. 5  : Sesterz des Galba, 68 n. Chr. daten, dass sie für die Freiheit Roms kämpften. Aber nicht nur sie waren das Ziel seiner Botschaft  ; denn der Denar war Zahlungsmittel im gesamten römischen Herrschaftsgebiet, so dass er über den begrenzten eigenen Einflussbereich hinaus bewusstseinsprägend wirken konnte und sicherlich auch sollte. Damit wurde am Ende der Republik erstmals Münzgeld gezielt zur politischen Bewusstseinsbildung und damit als Propagandamittel14 eingesetzt. Der Versuch, auch über das Münzgeld die republikanische Verschwörung gegen Caesar zu legitimieren, war nicht erfolgreich. Zwar hatte der römische Senat den Mördern zunächst Amnestie gewährt. In der Folgezeit setzten sich jedoch die Anhänger Caesars durch, die durch die lex Pedia dessen Mörder ächten ließen. Diese wurden nach und nach getötet oder begingen Selbstmord, Brutus nach der verlorenen Schlacht von Philippi 42 v. Chr. Zur damnatio memoriae wurden seine Tyrannenmord-Denare eingezogen.15 Die nachfolgende Kaiserzeit rühmte sich auf dem Revers ihres Münzgeldes mit Darstellungen der Libertas,16 Justitia und Victoria, um nur einige zu nennen, als eine freiheitliche, gerechte und siegreiche politische Ordnung. Freiheit wurde nicht nur zu einem politischen Kampf begriff,17 auch die Libertas erhielt eine neue Form  : Seit den Münzprägungen unter Galba (Abb. 5) hält sie nicht nur den nach unten gehaltenen Pileus in der rechten Hand, sondern zudem in der linken Hand die Vindicta.18 Auf den Münzen der Kaiserzeit war dies eine sehr beliebte und weitverbreitete Darstellung.19 Die hier gefundene Kombination von Pileus und Vindicta sollte die weitere Rezeption der Freiheitssymbolik bestimmen. In welchem Maß Münzbilder zur Mehrung des Ruhms und des Ansehens des jeweiligen Herrschers beitragen und darüber hinaus der politischen Propaganda dienen konnten, lässt sich kaum mit Sicherheit klären. Auch lässt sich nur speku44

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lieren, in welchem Umfang derartige symbolhafte Darstellungen von (bestimmten Kreisen) der Bevölkerung überhaupt verstanden werden konnten.20 Verbleibt hier vieles im Dunkel der Geschichte, so wird man doch davon ausgehen können, dass die Gestaltung des Münzgeldes dem Ruhm und der Verehrung des Herrschers sowie der Suche nach Zustimmung zu seiner Herrschaft diente. Zu diesem Zweck zeigte der Avers stets das Portrait des Herrschers, während auf dem Revers über dessen große politischen Leistungen und die der Herrschaft zugrunde liegenden politischen Werte informiert wurde. In Umbruchsituationen wurde das Münzgeld zum Medium politischer Pro- Abb. 6  : Aureus des Marcus Aurelius Julianus, 284– 285 n. Chr. paganda, wenn ein Despot mit dem Ziel gestürzt worden war, zu einer freiheitlichen Ordnung zurückzukehren.21 So wurde in den Jahren zwischen 69 und 71 n. Chr., also anlässlich der Bürgerkriegswirren nach dem Sturz von Nero, zunächst unter Galba (Abb. 5) und sodann unter Vespasian eine Reihe von Münzen mit LibertasDarstellungen in Umlauf gebracht, um sich von Neros Tyrannis zu distanzieren und für die neue Herrschaft im Namen der Freiheit zu werben.22 Bisweilen verschmolz die Libertas mit weiteren Sinnbildern. Auf einem Aureus, also einer Goldmünze, des Usurpators Julian von Pannonien (284–285 n. Chr.) sehen wir die »Libertas Publica« wie üblich mit dem Pileus in der linken, aber statt der Vindicta mit einem Füllhorn in der rechten Hand (Abb. 6). Diese Ersetzung der Vindicta verweist auf die Symbolik sowohl der Liberalitas, der Personifikation der Freigebigkeit,23 als auch der Fortuna, die in der römischen Antike beide mit einem Füllhorn dargestellt wurden. Mit dem Verweis auf die Freigebigkeit könnte ausgedrückt sein, dass Freiheit die Bereitschaft des Kaisers zur Fürsorge und damit staatliche Großzügigkeit bei der Getreideversorgung der stadtrömischen Plebs voraussetzt. Die Verbindung der Libertas mit dem Attribut der Liberalitas bzw. der Fortuna könnte jenseits dieser wohlfahrtsstaatlichen Bezüge zudem auf einen heute geläufigen Zusammenhang verweisen  : Freiheit führt zu Glück und mit ihm zu Wohlstand,24 Unfreiheit aber zu Wohlfahrtsverlusten. In dieser Perspektive lässt sich fragen  : Beinhaltet der politische Hintergrund dieser Doppelsymbolik eine frühe Vorwegnahme der ökonomischen Theorie des Liberalismus  ? Einer solchen Deutung würde entsprechen, dass die Libertas auf einigen Münzen für den Wegfall von Import- und Exportzöllen beim Handel mit Gallien und Spanien und damit für Handelserleichterungen stand.25 45

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

2.2 Die Rezeption der antiken Freiheitssymbolik in der Renaissance In der Renaissance erfolgte mit der Orientierung der europäischen Kultur und Kunst am Vorbild der griechischen und römischen Antike ein Paradigmenwechsel. Die Antikenrezeption war umfassend  ; selbst das antike Münzwesen wurde zum Gegenstand des kunst- und kulturhistorischen Interesses. Aus der Beschäftigung mit dem römischen Münzwesen entstanden die ersten wissenschaftlichen Abhandlungen zur antiken Numismatik. Zudem wurden antike Münzen seit der Renaissance zu einem beliebten Sammlungsobjekt.26 Diese besondere Form der Antikenrezeption ermöglichte ab der Mitte des 16. Jahrhunderts die Übernahme der Libertas und des Pileus als Symbole für politische Freiheit.27 2.2.1 Ein Pionier der Rezeption  : der Renaissancekünstler Christoph Weiditz

Eine der frühesten Rezeptionen der Libertas mit dem Pileus findet sich auf einer Medaille des in Straßburg und später in Augsburg tätigen Renaissancekünstlers und Stempelschneiders Christoph Weiditz (Abb. 7).28 Die Medaille ist auf Andrea Doria geprägt, einen u. a. gegen die Türken und gegen Frankreich erfolgreichen genuesischen Admiral, der seit 1528 auf der Seite von Kaiser Karl V. stand. Unter seiner Mitwirkung wurde die französische Vorherrschaft über Genua beendet und die neu geschaffene Seerepublik Genua unter kaiserlichen Schutz gestellt. Seine militärischen Erfolge und politischen Reformen der Genueser Stadtverfassung brachten ihm den Titel eines »Liberator et Pater Patriae« ein. Dies greift die Medaille aus dem Jahre 1533 auf, die auf ihrem Revers einen stehenden Neptun mit Dreizack zeigt, der mit der rechten Hand von der knienden Libertas den Pileus erhält und mit der linken Hand von der knienden Pax einen Ölzweig. Gewürdigt wurden damit Andrea Dorias Einsatz für eine freiheitliche Genueser Stadtverfassung und seine Erfolge auf hoher See, die zur Wahrung einer Friedensordnung beigetragen haben. Wie nun kam es zur Schaffung dieser Renaissancemedaille  ? Den genuesischen Admiral Andrea Doria hatte Christoph Weiditz kennengelernt, als er sich als Hofkünstler im Gefolge von Kaiser Karl V. in Barcelona aufhielt und Anfang August 1529 mit dem kaiserlichen Heer und Hofstaat auf Andrea Dorias Flotte nach Genua segelte. Andrea Doria als Neptun, den Herrscher der Meere, zu symbolisieren, war auch auf anderen zeitgenössischen Darstellungen gebräuchlich. Wie aber kam Christoph Weiditz auf die Idee, auf die antike Symbolik zurückzugreifen  ? Als einer der wichtigsten deutschen Renaissancemedailleure war er natürlich mit antiken Vorbildern vertraut. Möglicherweise wurde er mit der Libertas und dem Pileus im August 1529 während seines Aufenthalts in Genua bekannt, als dort Karl V. – und mit ihm Andrea Doria – bei seinem Einzug in die Stadt durch Ehrenpforten für 46

Die Rezeption der antiken Freiheitssymbolik in der Renaissance

Abb. 7  : Medaille von Christoph Weiditz auf den Genueser Admiral Andrea Doria, 1533

ihre Verdienste um die Genueser Stadtverfassung gewürdigt wurden.29 Vielleicht hat er diese Symbole aber auch beim Besuch von Münzkabinetten anlässlich seiner Reisen durch Europa im Gefolge von Karl  V. kennenlernen können. Allgemein gebräuchlich dürfte das Motiv der Libertas und der Pax zur damaligen Zeit noch nicht gewesen sein. Denn der Künstler sah Veranlassung, diese Sinnbilder unten auf der Medaille besonders zu erklären. 2.2.2 Emblematawerke  : ein wesentlicher Rezeptionsweg der Freiheitssymbolik

Ein wichtiger Rezeptionsweg der Freiheitssymbolik führt über die Emblematawerke. Emblemata sind Sinnsprüche, die in aller Regel aus einem Motto, einer Illustration und einem Vers oder einem Kommentar zu der Illustration bestehen. Meist in verschlüsselter Form sollen dadurch allgemein gültige moralische Einsichten, politische Ideen oder auch Rechtsprinzipien vermittelt werden.30 Oft dienten den Emblemata antike Texte und Vorbilder oder auch Fabeln als Inspirationsquelle. Die Emblematawerke griffen zudem auf symbolische Darstellungen zurück, die sie zu ihrer Zeit vorfanden. Seit Mitte des 16.  Jahrhunderts verwendeten zahlreiche Emblematawerke die Freiheitssymbolik des Brutus-Denars,31 wobei die antike Vorlage manchen Autoren offensichtlich nur vage bekannt war und immer wieder abgewandelt wurde. Stilbildend wurde Cesare Ripas Iconologia. In deren ersten illustrierten Ausgabe von 1603 wurde die Libertà mit einem Kardinalshut in der einen Hand abgebildet (Abb. 8), in der anderen hält sie ein Zepter, das hier und in vielen weiteren Ausgaben der Emblamatawerke die Vindicta der Manumissionszeremonie ersetzt.32 All 47

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 9 (o.)  : Libertà, in  : Cesare Ripa, Iconologia, 1611 Abb. 8 (l.)  : Libertà, in  : Cesare Ripa, Iconologia, Rom 1603

dies war erklärungsbedürftig. Nach Ripa bedeutet das Zepter die »Autorität der Freiheit und die Herrschaft, die sie aus sich selbst ableitet«.33 Die Kopf bedeckung, die anders als in der Antike die Form eines Hutes angenommen hat, folgt der Symbolik der römischen Manumission, wie Ripa erklärend bemerkt. Die wenig gelungene Darstellung einer Katze zu Füßen der Libertà zeigt jenes Tier, das, nach damaligem Verständnis, wie kein anderes die Freiheit liebt. Die Iconologia-Ausgabe von 1611 orientierte sich weiterhin an dieser Bildkomposition, machte aber in stärkerer Anlehnung an die Symbolik der römischen Münzen aus dem Freiheitshut eine Freiheitsmütze, die mit der geöffneten linken Hand nach oben gehalten wird (Abb. 9).34 Auch wenn einige spätere Iconologia-Ausgaben die Libertas wiederum mit einem breitkrempigem Hut zeigen,35 bestimmte doch die Anlehnung an die römische Symbolik die ikonographische Tradition der Emblematawerke bis zur Französischen Revolution. Auf dieses emblematische Repertoire griffen die Künstler bei der Gestaltung von Symbolen gerne zurück.36 Die zahlreichen und teils in mehreren Auflagen weitverbreiteten Emblematawerke erreichten eine Art von Kanonisierung einzelner Symbole, die an Einsichten und Werte anknüpften, die teils bis in die Antike zurückreichend die westliche Kultur prägen. Um nur zwei Unterweisungen zum rechten Gebrauch der Freiheit zu nennen  : In den Emblematawerken finden sich 48

Die Rezeption der antiken Freiheitssymbolik in der Renaissance

neben der bereits genannten antiken Freiheitssymbolik zum einen die Darstellung eines Hundes, der unter dem Motto »Libertas non libera« seine Kette mit sich schleppt, was anzeigen soll, dass Freiheit stets die Gefahr birgt, zum Gefangenen von Lastern zu werden, zum anderen das Bild eines Falken, der unter dem Motto »Libertas perniciosa« mit einem aufgelösten Band an seinen Klauen vermeintlich frei zu fliegen vermag, dann aber zu Tode kommt, als dieses Band sich in einem Ast verheddert, wodurch auf die Gefährlichkeit eines ungezügelten Freiheitsstrebens hingewiesen wird.37 In den Emblematawerken wurde mit derartigen Bildern mitsamt erläuterndem Text neben der Kanonisierung der (nicht nur antiken) Freiheitssymbolik ein hier nicht weiter zu verfolgendes ethisches Programm der notwendigen Grenzen des Gebrauchs von Freiheit entwickelt. 2.2.3 Zur Karriere eines antiken Münzdesigns  : die Rezeption der Symbolik des Brutus-Denars

Um 1537, also nur wenige Jahre nach Weiditz’ Andrea-Doria-Medaille, wurde die Symbolik des Tyrannenmord-Denars des Brutus (Abb. 4) anlässlich florentinischer Machtkämpfe in fast identischer Form übernommen. Mit einer das antike Vorbild aufgreifenden Medaille, entworfen wohl von dem Renaissancekünstler Giovanni Cavino, wollte Lorenzino de’ Medici seinen »Tyrannenmord« an seinem Vetter Alessandro rechtfertigen  ; lediglich die Dolche sind etwas länger und damit fast schon Schwerter 38 (Abb. 10). So wurde wohl erstmals ein Vorbild antiker Kunst bemüht, um propagandistisch zeitgenössisches politisches Handeln zu legitimieren. Mit der Rezeption des Brutus-Denars rühmte sich Lorenzino de’ Medici als Retter der Republik Florenz. In einer rhetorisch glanzvollen Rechtfertigungsschrift verglich er Alessandro mit Nero und Caligua, allerdings nicht mit Caesar.39 Ein toskanischer Brutus, als den er sich sah und als den man ihn gelegentlich bezeichnete, war er aber nicht. Nicht die Verteidigung der Republik, sondern Hass und Geltungssucht waren Motive seines Handelns. Besonders gekränkt fühlte er sich, bei der Wahl Alessandros zum Herrscher von Florenz übergangen worden zu sein. Der Mord an Alessandro war letztlich der Schlusspunkt eines ohne Achtung gesetzlicher Bindungen ausschweifenden und zügellosen Lebens  ; aus Rom etwa musste er fliehen, weil er antike Statuen von hohem künstlerischem Wert im wahrsten Sinne des Wortes geköpft hatte. Immerhin zeigte er aber politische Sensibilität für das, was aus der antiken Symbolik zur Rechtfertigung seines Handelns rezipiert werden konnte. Die damalige politische Diskussion der Legitimität des Tyrannenmordes ‒ verwiesen sei nur auf die Schriften der Monarchomachen ‒,40 hat wohl veranlasst, dass Mitte des 16. Jahrhunderts der Revers des Tyrannenmord-Denars Eingang in eines 49

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 10  : Giovanni Cavino (zugeschr.), Bronzemedaille des Lorenzino de’ Medici, 1537 Abb. 11  : Titelblatt der Sendschrift Heinrichs II. an die deutschen Fürsten, 1552

der ersten und vielfach genutzten Emblematawerke fand. Unter dem Motto »Respublica liberata« publizierte Andrea Alciati in der venezianischen Ausgabe seiner »Emblematum liber« von 154641 diesen Revers mit der Erklärung, dass der Pileus für die mit dem Tod Caesars gewonnene Freiheit des römisches Staates stehe.42 Die Symbolik des Brutus-Denars machte rasch Karriere. Wenige Jahre später, Mitte des 16. Jahrhunderts, begegnet sie uns anlässlich der Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Karl V. und dem französischen König Heinrich II. Dieser verbündete sich im Vertrag von Chambord mit den protestantischen deutschen Fürsten, die sich zum Aufstand gegen Karl V. rüsteten, um ihre »teutsche Libertät«, d. h. ihre Freiheit als Reichsfürsten, zu verteidigen.43 Als Gegenleistung für eine hohe finanzielle Unterstützung seitens Frankreichs übertrugen die protestantischen Fürsten das Reichsvikariat über die nicht deutschsprachigen Städte westlich des Rheins an ihren Bündnispartner. Das Eingreifen Heinrichs zugunsten der Fürsten wurde 1552 von französischer Seite auf dem Titelblatt der »Sendschrifften der Kö50

Die Rezeption der antiken Freiheitssymbolik in der Renaissance

Abb. 12  : Marc Béchot, Medaille auf Heinrich II. als Beschützer der deutschen Freiheit, 1552

niglichen Maiestat zu Franckreich/etc. An die Chur vnd Fürsten/Stende vnd Stett des Heyligen Römischen Reichs Teutscher Nation« mit dem Freiheitshut zwischen zwei Schwertern, die hier allerdings anders als bei der antiken Vorlage nach oben gerichtet sind, unter das Motto »Libertas« gestellt (Abb. 11). Heinrich II. wurde als »Vindex libertatis germaniae et principum captivorum«, also als Beschützer der »teutschen Libertät« und der gefangenen Fürsten, gefeiert. Vorbild dieser französischen Tyrannenmord-Symbolik war sicherlich Lorenzino de’ Medicis Tyrannenmord-Medaille. War doch Heinrich II. mit Caterina de’ Medici verheiratet, die, in Florenz aufgewachsen, die Rechtfertigungsbemühungen von Lorenzino verfolgt haben dürfte. Für die Übernahme des florentinischen Vorbildes mag zudem streiten, dass Marc Béchot, der als leitender Medailleur an der Pariser Münzstätte im Jahr 1552 ebenfalls diese Symbolik verwendete (Abb. 12), bei einem italienischen Medailleur in die Schule gegangen war und damit ein Kenner der oberitalienischen Renaissancemedaillen gewesen sein dürfte, so dass ein Symboltransfer von Florenz nach Paris naheliegt. Das französische Versprechen der Freiheit war allerdings nur ein Vorwand, um die Solidarität des Reiches aufzubrechen, dieses auf diese Weise zu schwächen und französische Interessen durchzusetzen. So richtete sich die Darstellung der Dolche deutlich gegen den Kaiser als einen, wie von den protestantischen Fürsten bisweilen so bezeichnet, tyrannischen Regenten. Als zu entscheiden war, unter welchem gemeinsamen Symbol die Allianz zwischen Heinrich II. und den deutschen Fürsten agieren sollte, wandte sich die deutsche Seite dagegen, mit der Dolch- und Freiheitssymbolik die Auseinandersetzungen mit dem Kaiser zu suchen. Sehr diplomatisch teilten sie Heinrich II. mit, »der hut und die dolche […] wurden den Deutschen, die umb die alte geschichte kein wissens tragen, ein zu viel subteil zeichen« sein.44 Mit einem Tyrannenmord, für den dieses Symbol stand, wollten offenbar selbst die aufständischen Fürsten nichts zu tun haben. 51

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Das antike Tyrannenmord-Motiv wurde von französischer Seite im gleichen Jahr noch einmal aufgegriffen, nachdem Heinrich die ihm im Vertrag von Chambord zugesprochene Stadt Metz übernommen hatte. In der »Sylloge numismatum« des Johann Jacob Luck wurden die BrutusMünze (Abb. 4) und die Libertas-Medaille von Heinrich  II., auf der er als »vindex libertatis Germaniae« bezeichnet wurde, gegenübergestellt (Abb. 12).45 Bei der Kommentierung dieser Symbolik versäumte es der Autor nicht, die wahren Zielsetzungen Heinrichs II. als vindex zu erläutern  : Ihm ging es weniger um die Libertät der protestantischen FürsAbb. 13  : Marc Béchot, Medaille auf Heinrich II. als Beschützer ten als darum, u. a. die Stadt Metz aus dem italienischer und deutscher Freiheit, 1552 Reichsverband herauszulösen und unter die Herrschaft Frankreichs zu stellen. Ein solches Vorgehen wurde zusammen mit der im selben Jahr stattfindenden »Befreiung« Sienas von der habsburgischen Herrschaft nochmals mit einer französischen Medaille gefeiert. Diese wurde ebenfalls vom französischen Graveur Marc Bechot geschaffen und bezieht nunmehr die italienische Freiheit ein (Abb.  13).46 Die beiden Propaganda-Medaillen versuchten eine abenteuerliche Rechtfertigung  : Der französische König wurde dafür, dass er einen Teil des Reichsgebietes seiner Herrschaft unterwarf, als Beschützer der deutschen und italienischen Freiheit gefeiert. Damals wie heute musste offenbar das Freiheitsideal als vorgeschobene Legitimation für einseitige und eigennützige Machtpolitik herhalten. Nach der erstmaligen neuzeitlichen Verwendung der Verbindung von Freiheitsmütze und Dolchen bzw. Schwertern im 16. Jahrhundert wurde dieses Motiv bis zur Mitte des 19.  Jahrhunderts eher selten genutzt, um den Tyrannenmord bzw. die gewaltsame Durchsetzung oder Verteidigung47 einer freiheitlichen Ordnung zu legitimieren. Die Symbolik des Brutus-Denars stand nicht mehr im Zentrum der ikonographischen Gestaltung, sondern diente eher als Beiwerk. Sie findet sich etwa gemeinsam mit einer großen Fülle schwer deutbarer symbolischer Bezugnahmen auf einer Graphik des niederländischen Kupferstechers Romeyn de Hooghe auf die Glorreiche Revolution, die Wilhelm III. verherrlicht. In dem Reigen symbolischer Assoziationen wurde Wilhelm als Überwinder der »Tyrannei« in England dargestellt, wobei der mit dem Motiv verbundene Hinweis auf den Tyrannenmord von dem Künstler wohl kaum beabsichtigt gewesen sein dürfte.48 52

Die Rezeption der antiken Freiheitssymbolik in der Renaissance

Abb. 14  : Giovanni Battista Cipriani, Double Portrait of Thomas Hollis, 1767

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Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Die vermutlich letzte ausdrucksstarke Verwendung dieser Symbolik findet sich auf Giovanni Battista Ciprianis Portrait des englischen »Real Whig« Thomas Hollis aus dem Jahr 1767 (Abb. 14).49 Die »Real Whigs« bildeten im 18. Jahrhundert innerhalb der bis 1760 politisch dominanten Whigs eine kleine Minderheit, die der englischen republikanischen Tradition des 17.  Jahrhunderts verpflichtet war. Sie setzten sich für die Bewahrung der Prinzipien der Glorreichen Revolution ein und wandten sich gegen die freiheitsgefährdende »Korruption« des politischen Systems. Hollis nutzte sein ererbtes Vermögen, um Werke mit dem Gedankengut des klassischen Republikanismus nicht nur in England, sondern auch im übrigen Europa und in Nordamerika zu verbreiten.50 Er veranlasste die Neuherausgabe republikanischer Werke aus dem 17. Jahrhundert, die aufwendig gebunden wurden und teilweise mit Freiheitssymbolen geschmückt waren. Den von ihm editierten Ausgaben stellte Hollis bisweilen die Freiheitsmütze oder die Brutus-Dolche voran. Als Vorbild dienten vermutlich die Brutus-Denare, die der numismatisch interessierte Hollis in seiner Sammlung besaß.51 Hollis als ein englischer Brutus ist das Thema des von Giovanni Battista Cipriani, eines in England sehr einflussreichen neoklassizistischen Künstlers, entworfenen Portraits auf einem Obelisken. Diese 1780 in Blackburnes »Memoirs of Thomas Hollis« publizierte Zeichnung (Abb. 14) war auf Bitte des von Hollis großzügig mit Buchgeschenken bedachten Harvard-College um ein Portrait seines Wohltäters angefertigt worden. Auf dem Obelisken befindet sich unter der Eule der Minerva, dem Symbol für Weisheit, ein antikisierendes Bildnis von Hollis, das in die Nähe des Brutus-Portraits auf dem Denar gerückt ist. Unterhalb der Darstellung wird ein Plutarch-Text mit Bezug auf Caesar und Brutus zitiert. Auf dem rechten Sockel des Obelisken ist eine Britannia mit Pileus und Dreizack abgebildet, was auf Hollis’ Engagement für ein freiheitliches England hinweist. Rechts unten sieht man ein mit Lorbeerzweigen bekränztes zweites Portrait von Hollis als Engländer. Die Verbindung des Hollis-Portraits mit der Eule der Weisheit, dem Pileus und den Dolchen des Brutus-Denars nebst der Britannia mit Freiheitsmütze würdigte sein Engagement für eine politische Ordnung im Sinne des klassischen Republikanismus. 2.3 Die Libertas-Symbolik im niederländischen Kampf um staatliche Unabhängigkeit und politische Freiheit 2.3.1 Die Stiftung einer niederländischen Identität durch den Geusenhut als Freiheitssymbol

Der weitere Weg der Rezeption der Freiheitssymbolik führt in die Niederlande. Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert 52 begleitete die Freiheitssymbolik den Aufstand der Niederländer gegen die spanische Herrschaft. In diesem Freiheitskampf, 54

Die Libertas-Symbolik im niederländischen Kampf

der mit Unterbrechungen bis 1648 dauern sollte, erstritten sie sich die durch die Inquisition gefährdete Religionsfreiheit, wehrten neue Steuern ab, die von Spanien auferlegt wurden, setzten die Abhängigkeit des Statthalters von den Generalständen und nicht mehr vom spanischen König durch und sicherten die ständischen Privilegien. Dieses Bündel an politischen Forderungen wurde fast ausschließlich durch eine einzige Symbolform bewusst gemacht. Dies war der zeitgenössische Geusenhut.53 Bei ihm handelte es sich um die Kopf bedeckung des niederländischen Adels, der den Aufstand gegen Spanien anführte. Sein wesentliches Merkmal ist die breite Krempe, durch die er sich deutlich von der auf den antiken Pileus zurückgehenden Freiheitsmütze als dem später international vorrangig verwendeten Motiv unterscheidet. Der Legende nach geht die Bezeichnung Geusenhut auf den Grafen Karl von Berlaymont zurück  : Im April 1566 überreichten 200  Vertreter des niederen Adels der spanischen Generalstatthalterin Margarethe von Parma, einer Halbschwester des spanischen Königs Philipp  II. und in erster Ehe mit Alessandro von Medici54 verheiratet, eine Bittschrift mit der Forderung der Abschaffung der Inquisition und der Einberufung der Generalstände. Beim Einzug des niederen Adels soll Graf Berlaymont zu ihr spöttisch gesagt haben  : »N’ayez pas peur Madame, ce ne sont que des gueux«.55 Die Äußerung, dass sich die Generalstatthalterin vor diesen Bettlern (gueux oder niederländisch Geusen) nicht zu fürchten brauche, dürfte allerdings kaum gefallen sein. So schrieb Margarethe von Parma in einem Brief an Philipp II., sie wisse nicht, warum sich die Adligen als Geusen bezeichnen würden.56 Wenn man vom »Geusenhut« spricht, knüpft man also an eine Selbstbezeichnung des um die Freiheit kämpfenden niederländischen Adels an und meint nichts anderes als deren schwarze Hüte mit breiter Krempe. Ein solcher Hut dürfte in einer bildlichen Darstellung zum Thema der Freiheit erstmals 1573 auf einem Jeton auf den Abzug des verhassten spanischen Statthalters Herzog von Alba verwendet worden sein.57 Auf dem Avers findet sich unter dem Motto »Libertas Patriae« die Hollandse maagd mit dem (Geusen-)Hut als Kopf bedeckung und einem Schwert in der rechten Hand.58 Ein Jahr später bildete das Notgeld der von den Spaniern belagerten Stadt Leiden unter dem Stadtmotto »Haec Libertatis ergo« den niederländischen Löwen mit einer Lanze oder Stange ab, auf der sich Hut mit einer allerdings nur leicht angedeuteten Krempe befindet  ;59 dabei zeigt der innerstädtische Streit um das Motto – manche forderten »Haec Religionis ergo« als Inschrift des Notgeldes60 –, dass es bei dem Hinweis auf die Freiheit des Vaterlandes auch um religiöse Freiheit ging. Wiederum ein Jahr später wurde anlässlich der in Breda gescheiterten Friedensverhandlungen zwischen dem spanischen Statthalter und den Niederländern in Dordrecht ein Jeton geprägt, auf dessen Rückseite ein großer Geusenhut mit dem Verweis »Libertas Aurea« zu sehen ist.61 Die Vorderseite 55

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 15  : Jacques Jonghelinck, Medaille auf das Ewige Edikt, 1577

zeigt den niederländischen Löwen mit einem Schwert unter dem Motto »Securius Bellum Pace Dubia«, was bedeutet  : Wenn der Friede zweifelhaft ist, ist der Krieg sicherer. Verbindet man die Symbolik auf dem Avers und dem Revers, so wird hier zum Kampf um das höchste Gut der Freiheit aufgefordert ‒ und dabei zum Kampf gegen den landesfremden Tyrannen und für die Bewahrung der Religion. Im Jahr 1577 schuf der Antwerpener Bildhauer und Medailleur Jacques Jonghelinck eine symbolträchtige Medaille auf das damals erlassene Ewige Edikt (Abb.  15).62 In diesem erkannte der neu ernannte Statthalter Don Juan de Austria, ein unehelicher Sohn Kaiser Karls  V. und der Regensburgerin Barbara Blomberg, die 1576 zwischen den aufständischen und den nicht aufständischen Provinzen zur Befriedung des Landes geschlossene Genter Pazifikation an. In der Folge musste das spanische Heer die Niederlande verlassen. Wie vieles, das auf ewig geschlossen wird, hatte auch das Ewige Edikt keine lange Lebensdauer. Die Medaille jedenfalls erhoffte sich ein Ende der militärischen Auseinandersetzungen. Auf dem Avers sieht man die Justitia mit Waage und emporgehobenem Schwert, wobei Frieden und Wohlstand als ihr Umfeld symbolisiert werden. Im rechten Zentrum des Revers steht die Hollandia, entsprechend der Kunstauffassung der Renaissance eine bis auf ein Tuch über ihre Blöße nackte Frauenfigur. Mit einem überdimensionalen Schwert in der linken und dem Geusenhut als Freiheitssymbol in der rechten Hand beherrscht sie die Darstellung. Das Motto der Umschrift, wonach die Freiheit durch Eintracht errungen sei, steht zusammen mit dem Geusenhut für die Verbürgung der alten ständischen Freiheit und damit auch der Freiheit des niederländischen Adels.63 Unter dem Freiheitshut, diesem also untergeordnet, befindet sich eine Krone  ; darunter sind gefaltete Hände das Zeichen der Eintracht der Niederlande, 56

Die Libertas-Symbolik im niederländischen Kampf

worauf der niederländische Löwen auf dem Boden verweist. Seit den 70er Jahren des 16.  Jahrhunderts erschien der Geusenhut unter mutmaßlicher Übernahme des Stabes aus der römischen Manumission meist an der Spitze einer Stange oder einer Lanze.64 Diese wurde in der Regel65 von einer Frau oder einem Löwen gehalten. Vielfach war sie das entscheidende Charakteristikum bei der Personifikation des Landes. So wurden die Niederlande in Titelkupfern,66 auf Graphiken67 und auf Medaillen68 oft durch die Hollandse maagd mit einem Freiheitshut auf einer Stange bzw. Lanze als freiheitliche Republik symbolisiert, wobei der niederAbb. 16  : Medaille auf den Frieden von Aachen, 1668 ländische Löwe meist präsent blieb.69 Beispielsweise sehen wir auf einer Medaille von 1668 auf den Frieden von Aachen, der den französisch-spanischen Krieg um die spanischen Niederlande beendete, die stehende Hollandia mit einer vom Freiheitshut bekrönten Lanze in der rechten Hand, während sie die linke Hand auf ein Löwenschild stützt (Abb. 16). Von dieser Symbolform gab es nur gelegentlich Abweichungen. Ein ausdruckvolles Beispiel ist die von dem u. a. in Danzig und Hamburg tätigen Medailleur Sebastian Dadler 1648 geschaffene Medaille auf den spanisch-niederländischen Frieden (Abb. 17). Mit dem Friedensschluss in Münster70 war der 80-jährige Unabhängigkeitskampf mit Spanien beendet und die Souveränität der Niederlande garantiert. Diesem Wendepunkt in der niederländischen Geschichte ist Sebastian Dadlers Medaille gewidmet, die zu einer großen Zahl von weiteren politischen Medaillen dieses zu dieser Zeit in Hamburg tätigen Barockkünstlers auf den Dreißigjährigen Krieg gehört. Auf dem Revers dieses Meisterwerkes barocker Medaillenkunst sieht man die sieben holländischen Provinzen als spärlich geschürzte Frauen, wie sie, durch eine Girlande mit den ihnen zugehörigen Wappenschildern verbunden, um einen bereitkrempigen Geusenhut in der Mitte tanzen. Demnach wurde der als Freiheitssymbol dienende Geusenhut auf zahlreichen Dar­stellungen zum Identifikationsmerkmal der Niederlande insgesamt. Im politisch-recht­lichen Bewusstsein der Bevölkerung standen die durch Sinnbilder der Freiheit repräsentierten Niederlande für ihren Kampf gegen spanische und andere Besatzer. Das Symbol des Geusenhutes diente nicht allein der Selbstdarstellung der Niederlande, sondern bezog sich auch auf die Religionsfreiheit. So wurde etwa der 57

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 17  : Sebastian Dadler, Revers der Medaille auf den spanischniederländischen Frieden von 1648

Statthalter Moritz von Oranien, ein entschiedener Kämpfer gegen die spanische Herrschaft in den Niederlanden, in einer Graphik des Jahres 1624 mit seiner Hilfe als Beschützer von Freiheit und Religion gepriesen. Der Druck zeigt ihn, wie er als Kriegsherr zwischen der Vrijheid mit dem Geusenhut an der Spitze eines langen Speeres und der Religio mit einer Bibel in der Hand thront.71 Ganz unten befinden sich gefesselte spanische Krieger, was auf seine militärischen Erfolge verweist. Eine andere Graphik, die sich auf den 1609 geschlossenen Waffenstillstand mit Spanien bezieht, führt in einen Kirchenraum und lässt in göttlichem Licht einen Geusenhut auf der Spitze einer gewaltigen Lanze erstrahlen (Abb.  18).72 Er ist umgeben von einer Gruppe betender Menschen  : Gleich rechts neben der Lanze kniet Moritz von Oranien, hinter ihm sind Angehörige seines Hauses versammelt  ; links und im Hintergrund befindet sich eine große Schar weiterer Personen, die durch Wappen teils als Personifikationen einzelner Provinzen ausgewiesen sind. Diese Darstellung der Anbetung des Freiheitshutes im Zeichen Jahwes assoziiert fast schon einen Götzendienst. Gilt das Gebet doch auf den ersten Blick nicht der religiösen Erbauung, sondern dem Symbol der politischen Freiheit, was durch die Urkunde unterhalb des Geusenhutes, in der mutmaßlich die ständische Libertät verbürgt ist, verdeutlicht wird. Blickt man auf das »opus tuum confirma Domine« der Bildunterschrift, also auf die Bitte, Gott möge sein Werk festigen, so wird hier der Schutz Gottes für einen lang dauernden Frieden mit Religionsfreiheit und mit 58

Die Libertas-Symbolik im niederländischen Kampf

Abb. 18  : Adrien Pietersz. van de Venne, Opus tuum confirma Domine, ca. 1624

politischer Freiheit erfleht. Diese recht ungewöhnliche Bildkomposition verweist darauf, dass im politischen Bewusstsein der Niederlande zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Bereiche von Politik und Religion, von politischer und religiöser Freiheit fast untrennbar miteinander verbunden waren. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die niederländische Freiheits­ symbolik bis zur Mitte des 18.  Jahrhunderts ein weites Feld politischer Forderungen abdeckte  : Sie visualisierte zunächst den niederländischen Freiheitskampf gegen die spanische Herrschaft, später auch gegen England.73 Dabei waren das Streben nach Religions- und politischer Freiheit gleichermaßen in der Freiheitssymbolik präsent. Im innenpolitischen Bereich ging es um die ständische Forderung nach Sicherung der Privilegien, dabei um die Freiheit der Städte und um die Freiheit innerhalb der ständischen Ordnung.74 Jenseits all dieser politischen Forderungen wurde die Freiheitssymbolik zum Identifikationsmerkmal des niederländischen Staates insgesamt.75

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Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

2.3.2 Die niederländische Freiheitssymbolik im Bilderkampf der Patrioten und Orangisten

Die sich im 16.  Jahrhundert ausbildende und seitdem kontinuierlich verwendete niederländische Freiheitssymbolik erfuhr in der zweiten Hälfte des 18.  Jahrhunderts eine Neuausrichtung durch die batavische Patriotenbewegung. Diese Bewegung entstand zu Beginn der 1780er Jahre,76 als es in den Niederlanden ähnlich wie in einigen Reichsstädten und Schweizer Stadtkantonen zu Auseinandersetzungen um eine Modernisierung der politischen Ordnung kam. Die Patrioten wollten durch Reformpolitik dem als schmerzlich empfundenen ökonomischen und politischen Niedergang der Niederlande Einhalt gebieten. Ihre politischen Zielsetzungen waren nicht eben einheitlich  :77 Ihr demokratisch-partizipatorischer Zweig wandte sich gegen die Oligarchisierung städtischer Herrschaft, also gegen die Regentschaft eines Stadtpatriziats, das nicht durch die Bürgerschaft legitimiert war. Ihren Anspruch auf demokratische Mitbestimmung legitimierten die Patrioten mit der politischen Theorie der Aufklärung,78 der erfolgreiche Freiheitskampf in Nordamerika war Vorbild für ihren politischen Aktionismus. Ihr anderer Zweig, gebildet von den traditionellen lokalen »Regenten«, suchte die Stellung des Statthalters Wilhelms V. von Oranien auf einen Dienst für die Provinzen zu begrenzen und die lokalen Kompetenzen zu stärken. Zur Legitimation wurde auf die niederländische Tradition lokaler und regionaler Selbstverwaltung gepocht. In ihr sah man die »ware vrijheid«,79 die gegenüber dem Statthalter wieder gestärkt werden sollte. Aber auch die demokratisch-partizipatorische Patriotenbewegung drängte auf eine deutliche Beschränkung der Kompetenzen des Statthalters. Durch eine Kompetenzverlagerung auf die lokale Ebene sollten weite Bereiche der Politik demokratischer Mitbestimmung unterworfen werden. In der kurzen Zeit, in der die Patriotenbewegung agierte, kam es zu Veränderungen in der politischen Kultur, wie wir sie auch aus anderen europäischen Staaten zu Ende des 18. Jahrhunderts kennen. Neue Formen der politischen Mobilisierung der Bevölkerung führten in den Niederlanden zu einer bis dahin noch nicht gekannten bürgerlichen Öffentlichkeit  : eine sich in weiten Bevölkerungskreisen verbreitende politische Publizistik, eine für die neuen politischen Ideen werbende Bildpublizistik, bürgerliche Feste oder Verehrung der für die Idee der Freiheit stehenden Persönlichkeiten.80 Im Zentrum dieser Revolutionierung des politischen Diskurses warb die Patriotenbewegung für ihre politischen Zielsetzungen in der Form der altbekannten Freiheitssymbolik, die allerdings mit neuen politischen Ideen aufgeladen wurde. Zentrale Foren der freiheitlichen politischen Publizistik waren zwei Zeitschriften, De Post van den Neder-Rhijn und De Politieke Kruyer, deren aufklärerisches Programm zum Vorbild weiterer Zeitschriften wurde.81 Die Titelvignetten der 60

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beiden Zeitschriften benutzten wiederholt die in den Niederlanden bekannte Freiheitssymbolik, nun aber in einer Neuorientierung ausgerichtet an den Forderungen der Patriotenbewegung.82 Aus den einschlägigen Titelvignetten der De Post van den Neder-Rhijn sei nur eine aus dem Jahr 1783 herausgegriffen (Abb. 19)  :83 Auf ihr hält eine sitzende Vrijheid mit der rechten Hand einen Stab mit Freiheitshut und weist mit der linken Hand auf eine von drei Putten. Dieser schlägt mit der Keule des Herkules, die für die Macht bzw. die Souveränität des Volkes steht, auf die dreiköpfige Hydra der Unterdrückung. In der Mitte liegen mit dem Schwert und der Waage Attribute von Gerechtigkeitsdarstellungen, die den Kampf um die gute politische Ordnung als Ziel der Patriotenbewegung dem Betrachter verdeutlichen wollen. Um einiges militanter als diese idyllische Titelvignette ist die Freiheitssymbolik der Titelvignette zum ersten Teil der Zeitschrift De Politieke Kruyer aus dem Jahr 1783  :84 Hier steht die Vrij­ heid mit einem breitkrempigen Freiheitshut und mit einem Schild auf einem Podest und erwehrt Abb. 19  : Jacobus Buys, Titelvignette von »De Post van sich mit einer langen Lanze des Angriffs eines den Neder-Rhijn«, Teil III, 1783 Mannes in kriegerischer Rüstung, mit dem aller Wahrscheinlichkeit nach der Statthalter Wilhelm V. gemeint ist. Noch deutlicher wird die Titelvignette des zweiten Teiles dieser Zeitschrift (Abb. 20)  : Die Vrijheid mit einem breitkrempigen Freiheitshut auf einer Stange hält einen Lorbeerkranz über einen nur mit dem Notwendigsten gerüsteten Krieger. Dieser hält ein Schild in der einen Hand und eine Lanze in der anderen Hand, mit der er (wohl wieder) den im Gegensatz zu ihm in voller kriegerischer Montur kämpfenden Statthalter ersticht.85 Der Symbolik der Titelvignetten dieser beiden Zeitschriften ist gemeinsam, dass durch sie die Volkssouveränität als Grundlage einer Ordnung der Freiheit vermittelt wird. Beide Zeitschriften waren sich in ihren Titelvignetten einig, dass der Statthalter als Gegenspieler der politischen Autonomie notfalls mit militärischer Gewalt abgesetzt werden müsse. So wundert es nicht, dass der Verleger des Politike Kruyer auf Betreiben von Anhängern der Partei der Oranier – des in den Provinzen unterschiedlich starken politischen Gegners der Patriotenbewegung  – verhaftet und bestraft wurde. Dies rief nicht allein eine Welle der Solidarisierung 61

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Abb. 20  : Cornelis van Cuylenburgh, Titelvignette von »De Politieke Kruyer«, Teil II, 1784

auf den Plan,86 sondern stieß auch in der Bildpublizistik auf schroffe Ablehnung  : So stellt eine Graphik mit dem Titel »De Vrijheid der Drukpers«87 eine kämpferische Vrijheid dar, wie sie eine gewalttätige, mit Ketten und Fesseln ausgestatte Person als Sinnbild für die autoritäre Obrigkeit in die Schranken verweist,88 ein weiterer Druck von 1785 zeigt links eine Stange mit einem Freiheitshut, von dem Blitze ausgehen, die die Hydra der Unterdrückung treffen, während der Verleger von zwei Hunden angegriffen wird, die u. a. den Amsterdamer Bürgermeister Rendorp verkörpern sollen,89 und eine sich daran anschließende Graphik gibt wieder, wie der Verleger von der Vrijheid aus dem Gefängnis geführt wird, während der »Hund Rendorp« in seinen Hundestall zurückgetrieben wird.90 Andere Medien, mit denen die Freiheitsbotschaft der Patrioten verbreitet wurde, waren Medaillen und Einblattdrucke. Sie bezogen sich häufig auf eine Organisation, die von der Patriotenbewegung in den Dienst genommen worden war  : die Schutterij. Bei ihr handelte es sich um bürgerschaftliche Freikorps, die in den Städten der Niederlande zur Sicherung der inneren und äußeren Friedens bestanden. Mit ihrer Hilfe wollten die Patrioten eine freiheitliche Ordnung auch gegen den Widerstand der aristokratischen Obrigkeit in den Städten durchsetzen. In den von ihnen dominierten Städten in den Freikorps zu dienen, war eine gern geleistete pa62

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Abb. 21  : P. Coijon, Het Nut Der Burgerwapening, 1785

triotische Bürgerpflicht. Ihr politisches ebenso wie ihr militärisches Engagement für eine freiheitliche politische Ordnung in den Niederlanden wurde auf den Flaggen und Bannern einzelner Freikorps zur Schau gestellt.91 Zugleich war die Schut­ terij ein politisches Forum, in dem Reformprojekte diskutiert wurden. Anlässlich eines Treffens von Vertretern aller Freikorps in Utrecht im Juni 1785 schwor man, bis zum letzten Tropfen Blut für eine republikanische Verfassung, für eine auf Re63

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präsentation beruhende Regierung, gegen die Machtposition der Aristokratie und gegen eine Institution des Statthalters, die die Freiheit unterdrücken kann (aber nicht gegen diese Institution selbst), zu kämpfen.92 Die Schutterij als Streiter für die Freiheit ist ein immer wiederkehrendes Thema in Bildmedien der Zeit. Auf zahlreichen Medaillen sieht man z. B., wie Vertreter der Schuttereij die Vrijheit mit ihrem Freiheitshut auf ihren Schild heben oder für diese kämpfen.93 Eine offensichtlich populäre Graphik mit dem Titel »Der Nutzen der Bürgerbewaffnung« von 1785 (Abb. 21) visualisiert eindringlich die Ziele dieses Kampfes der Schutterij um die Freiheit  :94 Im Schutz einer großen Bürger­ armee mit aufgepflanzten Bajonetten sind einige Soldaten dabei, eine Freiheitsstatue mit den üblichen Attributen des breitkrempigen Hutes auf einer Stange auf einen hohen Sockel zu befördern. Vor den Strahlen einer aufgehenden Sonne, das soll heißen  : in einer neuen politischen Ära, vertreibt die Übermacht der Bürgerarmee die Repräsentanten und Laster der alten Ordnung. Rechts sieht man eine Art von Obelisk mit den Wappen der sieben niederländischen Provinzen, davor, in der ersten Reihe der Soldaten, den niederländischen Löwen mit Schwert und einem Blitzbündel, das als Symbol für die politischer Allmacht fungiert. Fast in der Mitte der Szene steht Wilhelm V. in wehrhafter Rüstung. Er tritt auf ein Schild, unter dem sich ein Speer und ein Schwert befinden, um die friedlichen Absichten gegenüber der batavischen Patriotenbewegung zu dokumentieren. Diese Graphik ging offensichtlich davon aus, dass die auf demokratische Mitbestimmung dringende Patriotenbewegung nach wie vor des oranischen Statthalters bedarf, um ein Mindestmaß an politischer Ordnung zu wahren.95 Mitunter gelang es der Schutterij, das hier in Szene gesetzte Ziel der Vertreibung des Alten tatsächlich zu erreichen. In Utrecht konnten die dortigen Freikorps in einer unblutigen Revolution das Stadtpatriziat entmachten und eine demokratische Verfassung durchsetzen.96 Diesen Erfolg schildert eine Graphik mit dem Titel »Die Zerstörung der aristokratischen Küferei« (Abb. 22). Die titelgebenden aristokratischen Küfer waren gerade dabei, ein neues Fass der Unterdrückung anzufertigen, als das Volk sich in Gestalt eines Löwen erhob und sie daran hinderte. Die Utrechter Aristokraten links im Bild sind ihrer alten Rechte beraubt und wenden sich mit Schrecken ab, ein Stapel Fässer im Hintergrund zeigt ihre Missherrschaft. Eine aus den Wolken gestreckte Hand mit sieben Gewehren verweist auf die Wichtigkeit der Volksbewaffnung und damit der Freikorps, derweil der Statthalter, als Meisterknecht bezeichnet, sich betrinkt. Der grimmig aufgerichtete Löwe als Verkörperung des Volkes hat die an ihrer Krone erkennbare Personifikation der Aristokratie niedergeworfen, was den Triumph der Demokratie verkündet. All dies geschieht unter den zufriedenen Blicken einer mit entblößter Brust und dem obligatorischen Geusenhut auf einer langen Lanze fast in der Mitte des Bildes stehenden Vrijheid. Dies weist – im Verein mit der Darstellung des Vol64

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Abb. 22  : Johannes Hulskamp (zugeschrieben), De Vernieling der Aristocratische Kuiperij, 1785

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kes als Bezwinger der Aristokratie – die demokratische Freiheit graphisch als den zentralen Wert aus, für den die Freikorps streiten. Derartigen Verherrlichungen einer demokratischen Freiheit wurde von den Orangisten eine ständische Freiheitssymbolik entgegengestellt, die sich an der Ver­­teidigung der Rechte des Patriziats und seiner Privilegien ebenso wie an der Hoheit der Provinzen orientierte.97 Eine diese ständische Freiheit glorifizierende Graphik von 1786 zeigt den Statthalter Wilhelm  V. als Verteidiger der bürgerschaftlichen Privilegien, des Gewissens, des Glaubens und der Freiheit (Abb. 23).98 Diese wird, wie üblich, durch das Attribut des Geusenhutes auf einer Lanze versinnbildlicht, das aber, eher unüblich, nicht von einer Frau oder dem niederländischen Löwen gehalten wird, sondern vom dem Statthalter. Damit wird der statuenartig auf einem Podest stehende Wilhelm gleichsam selbst zur Inkarnation der Freiheit. Links neben ihm befindet sich eine Art von Pyramide mit den Wappen der niederländischen Provinzen, was die niederländische Einheit symbolisieren soll. Die Justitia an der Spitze verweist auf die Gerechtigkeit der vom Statthalter garantierten freiheitlichen Ordnung. Nach dem die Graphik begleitenden Text verweist diese Darstellung auf die von den Oraniern seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert geschützte ständische und auch religiöse Freiheit. Allerdings blieb die Propaganda der Orangisten nicht bei einer rückwärtsgewandten Verwendung der niederländischen Freihheitssymbolik stehen. Vielmehr wurde sie teilweise neu ausgerichtet, als die Patriotenbewegung niedergeschlagen wurde. Dies geschah im Jahr 1787. Die Patrioten hatten zuvor in den Provinzen, in denen sie wie etwa in Utrecht militärisch organisiert waren, politische Reformen auf den Weg gebracht und Wilhelm V. musste seinen Regierungssitz in Den Haag verlassen, um sich in eine oraniertreue Stadt zu begeben. Als seiner Ehefrau, der preußischen Prinzessin Wilhelmine, einer Nichte Friedrichs des Großen, die Rückkehr an den Regierungssitz versagt wurde, rief dies Preußen auf den Plan. Die Freikorps der Patriotenbewegung wurden militärisch besiegt. Mit der Wiedereinsetzung des Statthalters kam es zur Restauration der alten Kräfte. In der Bildpublizistik bediente sich Wilhelm  V. nunmehr verstärkt jener Freiheitssymbolik, mit der die Patriotenbewegung für ihre Ziele gekämpft hatte. Das Anknüpfen an die Freiheitssymbolik des einstmaligen Gegners zeigt eine Graphik des Lausanner Künstlers Benjamin Bolomey, der in den 1780er Jahren in Den Haag Wilhelms Hofmaler war (Abb. 24). Dargestellt ist, wie Wilhelm V. die sieben Stufen in den Tempel des Gemeinwohls emporsteigt.99 Auf der obersten Stufe überreicht die Jus­ titia dem Statthalter den Herrschaftsstab. Neben ihr sitzt eine Personifikation der Republik, die auf die neben ihr stehende Vrijheid deutet. Diese führt als Attribut nicht mehr den Geusenhut, sondern eine Freiheitsmütze, die bereits fast die Form einer Jakobinermütze angenommen hat  ; diese Form des Freiheitssymbols sollte freilich erst einige Jahre später in der Französischen Revolution geläufig werden. 66

Die Libertas-Symbolik im niederländischen Kampf

Abb. 23  : Praalbeeld voor Willem V, 1786

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Abb. 24  : Benjamin Bolomey, Willem V bestijgt de tempel van het Gemeenebest, 1787

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Den Reigen der vier im Zentrum stehenden Personen schließt ganz rechts eine Personifikation des Handels ab, die künftigen Wohlstand symbolisieren soll. Nicht verschwiegen wird, dass Wilhelms Weg in diesen Tempel mit seinen Personifizierungen der guten Politik und der öffentlichen Wohlfahrt durch preußische Militärhilfe ‒ dargestellt durch den dunklen preußischen Adler mit dem Schwert – ermöglicht wurde. Der untere Bildrand zeigt an, dass von den Preußen Aufruhr und Zwietracht vertrieben wurden. Der Künstler Benjamin Bolomey fasst in dieser Aquatinta die Legitimationspfeiler des Statthalteramtes geschickt zusammen  : Seine politische Stellung leitet er von dem Auftrag der niederländischen Republik ab, gerecht zu regieren, die überkommene niederländische Freiheit zu bewahren und zur wirtschaftlichen Prosperität beizutragen. Die Austauschbarkeit der von ihm gestalteten politischen Symbolik wird daran deutlich, dass eine Freiheitstempelgraphik der Patriotenbewegung 100, eine identische Symbolik (allerdings ohne den Statthalter) verwenden konnte.101 Ziehen wir abschließend eine kurze Bilanz. Die über 200-jährige Geschichte der niederländischen Freiheitssymbolik ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert  : Zum einen hatte sie ihre Wurzeln in der römischen Antike, was an der Übernahme einer Stange (bzw. eines stangenähnlichen Gegenstandes) und einer Kopf bedeckung aus der damaligen Symbolik deutlich wird  ; sie nutzte mit dem Geusenhut, der Kopf bedeckung der um ihre Freiheit kämpfenden Bevölkerung, aber regelmäßig ein einheimisches Kleidungsstück zur bildlichen Umsetzung und setzte diesen häufig auf die Spitze der Stange (bzw. meist einer Lanze), was eine im alten Rom unbekannte Art der Verwendung war. Somit verschmolzen in der niederländischen Freiheitsymbolik antike und einheimische Elemente, die zudem in einer neuartigen Weise kombiniert wurden.102 Diese spezifisch niederländische Freiheitssymbolik gelangte mit dem Haus der Oranier nach England, was Thema des folgenden Abschnittes ist, und von dort nach Nordamerika. Nicht nur im Handel mit Gütern, sondern auch im Export der Freiheitssymbolik waren die Niederlande also überaus erfolgreich. Wegweisend war zudem die Patriotenbewegung mit ihrer Neuorientierung der Freiheitssymbolik, die bereits vor der Französischen Revolution mit den Ideen bürgerschaftlicher Mitbestimmung und republikanischer politischer Ordnung aufgeladen wurde. In dieser Perspektive war die Patriotenbewegung eine Art Vorläuferbewegung zur Französischen Revolution.103 Dies gilt umso mehr, als die Freiheitssymbolik der Patriotenbewegung, ähnlich wie später in Frankreich, mit Bildern und Losungen auf dem Geschirr104 bis in den häuslichen Bereich und damit in das alltägliche Leben vordrang. Die große Teile der Gesellschaft ergreifende Ummünzung der traditionellen in eine der Idee von Demokratie und Republik verpflichteten Freiheitssymbolik in der Französischen Revolution war kein singuläres Ereignis. Sie war bereits einige Jahre zuvor in den Niederlanden vollzogen worden. 69

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2.4 Nederlandse export  : wie die Freiheitssymbolik auf die Britischen Inseln kam und sich dort mit der Verfassungssymbolik verband 2.4.1 Die Übernahme der niederländischen Freiheitssymbolik in England

Die in den Niederlanden entwickelte Freiheitssymbolik gelangte im frühen 17.  Jahrhundert in einem weiteren Schritt auf dem Weg zu ihrer Globalisierung nach England,105 wo sie zunächst allerdings nur zögerlich Fuß fasste, obwohl sich England bereits seit Langem als das Land der Freiheit verstand und rühmte. Eine in England entstandene Druckgraphik mit einer Freiheitspersonifikation lässt sich erst für das Jahr 1651 nachweisen.106 Damals wurde Thomas Hobbes’ Werk »Philosophical rudiments concerning government and society«, eine englische Übersetzung seines »De cive« von 1642, ein Frontispiz vorangestellt, das auf dem Titelbild der Amsterdamer Ausgabe des »De cive« von 1647 basiert.107 Entsprechend erscheint die personifizierte Freiheit mit einem Attribut in Gestalt eines Hutes und nicht einer Mütze wie in klassischen Libertas-Darstellungen. Sie tritt mit einem Zepter in der Hand auf, was eine Orientierung an der Libertas-Figur in Ripas Ikonologie (Abb. 8) nahelegt. Die »Liberty« verweist zusammen mit den Personifikationen von »Religion« und »Dominion« auf die entsprechenden Teile des Werkes. Die Religio ist der staatlichen Herrschaft und einer freiheitlichen Ordnung in dieser Komposition übergeordnet, was in der damaligen Staatsphilosophie ein Gemeinplatz war. So sollte Hobbes’ Ansicht nach die Regelungsbefugnis einer souveränen Staatsgewalt durch die Gebote Gottes und die natürlichen Gesetze begrenzt sein. Dagegen verwundert der symbolische Verweis auf die Freiheit an derart prominenter Stelle zunächst, ist doch Thomas Hobbes nicht gerade der Theoretiker eines freiheitlichen Staates. Indes sind hier die Vorteile für die Menschen gemeint, die sie erringen, wenn sie den Naturzustand des Zusammenlebens verlassen. Sie verlieren dann die ungehemmte und schädliche Freiheit, die in den »bellum onium erga omnes« führt, und gewinnen eine durch das Recht gesicherte Freiheit gegenüber Übergriffen Dritter.108 Dieses Frontispiz dient der Gewinnung geneigter Leser, vielleicht sogar als Türöffner, für zentrale Aussagen des Werkes, genauso wie das Titelbild zu Hobbes’ im selben Jahr erschienenen »Leviathan«, das allerdings sehr viel facettenreicher in der symbolischen Assoziation ist.109 Hier finden sich jedoch keine Bezüge zur Freiheitssymbolik. In den Jahren 1688/89 wurde der Liberty Cap im Kontext der Glorreichen Revolution zum in England allseits bekannten Symbol einer freiheitlichen Ordnung. Damals war der niederländische Statthalter Wilhelm von Oranien mit einem Heer in England gelandet und hatte König Jakob II., von dessen Katholizismus man eine Aufweichung der englischen Staatskirche befürchtete, vertrieben. Eine im Verlauf der Revolution gebildete parlamentarische Versammlung (Convention) legte in 70

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der »Declaration of Rights«, die 1689 als »Bill of Rights« verkündet wurde, die Bedingungen fest, unter denen Mary, die Tochter des vertriebenen Königs, und Wilhelm III. von Oranien den Thron besteigen sollten. Zu den wichtigsten Grundsätzen gehörte die Gesetzesbindung der monarchischen Exekutive und damit die Stärkung des Parlaments  : Der König hat die Gesetze zu achten und darf von ihnen keine Ausnahmen machen. Die Einzelheiten der politischen Neuerungen waren nicht Gegenstand der politischen Bildpublizistik. Die politischen Veränderungen nach der Landung Wilhelms von Oranien in England und nach seiner Krönung zum König von England, Schottland und Irland wurden durch eine allgemein gehaltene politische Symbolik vermittelt. Die hierzu erschienenen Drucke und zahlreichen Medaillen waren in der Regel nicht englischen, sondern meist niederländischen Ursprungs. Die Medaillen waren vielfach Schöpfungen des Medailleurs Jan Smeltzing.110 Bei ihrer Gestaltung wurde immer wieder an das traditionelle niederländische Symbol des Freiheitshutes angeknüpft. Abb. 25  : Robert Vaughan, Frontispiz zu Thomas Mit ihm wurde Wilhelm von Oranien als Retter Hobbes, Philosophical rudiments concerning der englischen Freiheit und der Freiheit der pro- government and society, 1651 testantischen Religion nach der vermeintlichen Tyrannis des Katholiken Jakob  II. gefeiert. Dies gilt etwa für eine Medaille auf seine Landung in Torbay (Abb. 26). Auf ihr wird der sich auf einer Stange befindliche Freiheitshut von der Britannia in der Hand gehalten. Sie steht links neben einem Orangenbaum, dem Symbol für das Haus Oranien, und stützt sich auf eine auf einem Altar liegende Bibel. Rechts daneben befindet sich eine Säule, die an das Jahr 1688 erinnert. Eine Tafel an dieser Säule trägt folgende Inschrift in niederländischer Sprache  : »Der Prinz von Oranien stellt für uns das gefährdete Britannien und die verletzten Gesetze wieder her.« Wegen des niederländischen Textes dürfte diese Medaille eines anonymen Künstlers nicht britischen Ursprungs sein. Der Revers zeigt die Landung in Torbay  ; die Darstellung wird von dem holländischen Löwen mit erhobenem Schwert und Pfeilbündel in den Klauen dominiert. Ein Fuß des Löwen steht auf einer Bibel, mit dem anderen zertritt er die Schlange der Zwietracht. Dies alles steht unter dem Motto »In Verteidigung der protestantischen Religion«. 71

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Abb. 26  : Anonym, Medaille auf die Landung von Wilhelm von Oranien in Torbay und auf den Schutz der protestantischen Religion, 1688

Diese Freiheitssymbolik fand ebenfalls auf Medaillen deutscher Medailleure Verwendung, die sich mit den Umwälzungen in England befassten. Es spricht für die Internationalität der in Deutschland und in Europa arbeitenden Medailleure, dass sie mit ihren Arbeiten die niederländische Freiheitssymbolik verbreiteten, eine Symbolik also, die in ihrem eigenen Land nicht gebräuchlich war. Anlass für die Entwürfe und Prägung derartiger Medaillen waren die guten Chancen ihrer Vermarktung. Medaillen auf die großen historischen Ereignisse von hohem künstlerischem Niveau stießen nicht allein in England, sondern auch in Deutschland auf regen Zuspruch. Hinzu kam, dass die Medaillen auf die Glorreiche Revolution im protestantischen Deutschland sehr begehrt waren. Mit ihnen verband sich eine gewisse Erleichterung der protestantischen Seite, dass sich in England der Protestantismus gegen den Katholizismus durchgesetzt hatte. So gestaltete der u. a. in Augsburg tätige und auch für den Nürnberger Verleger Friedrich Kleinert arbeitende Medailleur Philipp Heinrich Müller111 im Jahr 1689 eine Medaille,112 auf deren Rückseite sich Britannia und Wilhelm  III. im Handschlag vereint gegenüberstehen  ; dahinter sind Religio und Libertas zu sehen, die neben anderem für die Freiheit der protestantischen Religion stehen. Die Libertas hält in bekannter Manier eine Stange mit einem Freiheitshut, gleichzeitig ist ihr ein Füllhorn beigegeben. Diese Kombination wiederholt sich auf dem Revers einer von Müller geschaffenen Medaille auf die Wiederherstellung der Sicherheit in England (Abb. 27). In diesem Fall ist die sitzend dargestellte Britannia die Trägerin sowohl der Stange mit dem Freiheitshut als auch des Füllhorns, das für wirtschaftliche Prosperität und öffentliche Wohlfahrt steht. Hier findet sich demnach, wie in der vorgenann72

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ten Medaille, eine bereits in der Antike bekannte Verknüpfung der Freiheits- mit der Wohlfahrtssymbolik (vgl. Abb.  6). Im Hintergrund vereint eine Krone ein das Haus der Oranier repräsentierenden Orangenbaum mit einem für England stehenden Rosenbaum. Im unteren Feld wird bekräftigt, dass die Sicherheit Britanniens wiederhergestellt sei. Ein weiterer aus Deutschland stammender Medailleur, der sich künstlerisch den Ereignissen von 1688/89 widmete und dabei auf Freiheitssymbole zurückgriff, war Anton Meybusch. Er schuf während seiner Tätigkeit in Stockholm eine den politischen Rahmenbedingungen kaum geAbb. 27  : Philipp Heinrich Müller, Medaille auf die recht werdende Medaille auf die Krönung Wiederherstellung der inneren Sicherheit in Britannien, 1689 von Wilhelm III. von Oranien im Februar 1689 (Abb.  28). Auf der Rückseite dieser Medaille sieht man als visuelle Umsetzung der Umschrift  : »ich kam, ich siegte, ich habe die Freiheit wiederhergestellt« wie Wilhelm  III. in der Kleidung eines römischen Feldherrn mit einer großen Lanze in der Hand den vor ihm knienden Personifikationen von England, Schottland und Irland den Freiheitshut überreicht. Die zerbrochenen Fesselwerkzeuge unterhalb der Szene symbolisieren das Ende von Katholizismus und Tyrannei, links oben vertreiben die Lichtstrahlen Gottes die Wolken der dunklen Vergangenheit. Nicht ganz zu Unrecht hat man dem Medailleur vorgeworfen, dass auf seiner Abb. 28  : Anton Meybusch, Medaille auf die Überreichung Krönungsmedaille Maria, die Frau des Kö- des Freiheitshuts an England, Schottland und Irland durch nigs, fehle, obwohl sie ebenfalls gekrönt Wilhelm III., 1689 worden war und einen wesentlichen Anteil an der politischen Neuausrichtung Englands hatte.113 Noch problematischer war der Hinweis, Wilhelm III. habe als erfolgreicher Feldherr in einem Siegeszug die Insel erobert. Nach seiner in der Öffentlichkeit immer wieder propagandistisch be73

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tonten Absicht war sein einziges Anliegen, die Religion und die freiheitlichen Gesetze Englands zu schützen. Aus diesem Grund dürfte diese Medaille auch nicht von seinen Gefolgsleuten in Auftrag gegeben, sondern als Sammlerstück entworfen und vermarktet worden sein. War demnach die Mehrzahl der Medaillen mit dem Freiheitshut als Symbol für die politische Umwälzung nicht in England künstlerisch gestaltet,114 so sind sie dort doch sicherlich aus Gründen politischer Propaganda weit verbreitet worden und waren damit bekannt. Darauf mag zurückzuführen sein, dass die bereits zuvor punktuell verwendete Freiheitssymbolik nun für Abb. 29  : Ehrenreich Hannibal, Medaille auf den Regierungs­ mehr als ein Jahrhundert für die Freiheit antritt Georgs I., 1714 Englands stand.115 In der ersten Hälfte des 18.  Jahrhunderts stand in graphischen Darstellungen zunächst noch der immer wieder gestörte Religionsfriede im Vordergrund.116 Einige sehr drastische Flugblätter schildern, welche Folgen es angeblich gehabt hätte, wenn der katholische Thronprätendent James Francis Edward Stuart sich durchgesetzt hätte.117 Offenbar von Regierungsseite wurde die Furcht geschürt, dass Eigentum, Mäßigung, Toleranz und Freiheit durch eine tyrannische klerikale Herrschaft vernichtet würden, wobei die »Liberty« meist nicht mit der sonst geläufigen Symbolik dargestellt wurde. Auch auf der Staatsrepräsentation dienenden Medaillen spielte die Wahrung der Religion eine Rolle. Eine der zahlreichen Silbermedaillen zum Regierungsantritt von Georg I. im Jahr 1714 wurde von dem norddeutschen und auch für England tätigen Medailleur Ehrenreich Hannibal gestaltet (Abb. 29). Auf deren Revers steht der englische König zwischen der Religio und der Liberty  ; Letztere hält eine Stange in der Linken, die nun nicht mehr den holländischen Freiheitshut, sondern eine Freiheitsmütze trägt, und krönt den König mit einem Lorbeerkranz. Die kniende Britannia zertritt das Untier der Zwietracht und reicht dem König die Krönungsinsignien. 2.4.2 Die englische Freiheits- und Verfassungssymbolik im Widerstreit innenpolitischer Kontroversen

Die Freiheitssymbolik spielte in der englischen Bildsatire und in der politischen Karikatur in der zweiten Hälfte des 18.  Jahrhunderts, dem goldenen Zeitalter 74

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Abb. 30  :  Anonym, The Noble Stand  : Or the Glorious CCIIII, 1733

englischer kritischer Graphik,118 eine dominierende Rolle. Fast jede ernst zu nehmende innenpolitische Kontroverse wurde in der Bildpublizistik von dieser Symbolik begleitet. Dabei fand sie, was eine englische Besonderheit bei der Verwendung der Freiheitssymbolik war, in sehr unterschiedlichen Kontexten Verwendung. Zum Teil rühmte und feierte sie das freiheitliche politische System Großbritanniens mit seiner langen verfassungsrechtlichen Tradition. Zum Teil wurde mit ihr der politische Gegner, meist ein Repräsentant der Staatsmacht, angegriffen, weil er angeblich das überkommene Gebäude englischer Freiheit zu zerstören drohte. Eine weitgehende Pressefreiheit und ein hohes, allerdings nicht immer gehaltenes künstlerisches Niveau begleitete dieses goldene Zeitalter der englischen kritischen Graphik und mit ihr der englischen Bildsatire und Karikatur.119 Beginnen wir mit Druckgraphiken, welche die freiheitliche Ordnung preisen. Sie wurden u. a. im Gefolge von erfolgreich geführten Auseinandersetzungen im Namen der politischen Freiheit geschaffen. In einer Graphik aus dem Jahr 1733 wurde der Sieg der Freiheit gegen die Einführung einer Verbrauchssteuer auf Tabak und Wein gefeiert (Abb. 30).120 Anlass war, dass der Premierminister Robert 75

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Walpole eine Steuerreform auf den Weg gebracht hatte, auf Grund derer die Einfuhrzölle auf Tabak und Wein in inländische Steuern umgewandelt wurden. Die öffentliche Empörung hierüber war immens. Nachdem zuvor schon neue Steuern auf Tee, Kaffee und Salz eingeführt worden waren, brachte die weitere Steuer das Fass zum Überlaufen. Vor allem die Händler befürchteten nun unter die Kontrolle der sogar zu Hausdurchsuchungen berechtigten Steuerverwaltung zu gelangen. Die von den Händlern geschürte Kampagne verfehlte ihre Wirkung nicht. Im Unterhaus konnte das Steuergesetz keine Mehrheit finden und musste zurückgezogen werden. Die Graphik auf diesen als Sieg freiheitlicher Politik aufgefassten Vorgang stellt eine triumphierende Justitia der im Begleittext als Gottheit charakterisierten Li­ berty gegenüber. Diese steht, mit einem noch nach niederländischem Beispiel gestalteten Freiheitshut, zusammen mit dem personifizierten Handel, der mit einem Schiff in der Hand auf zwei Fässern Wein und Tabak dargestellt ist. In der Mitte tanzt eine fröhliche Gruppe um einen mit Tabak und Weinreben verzierten Maibaum. Über diesen schüttet die im Begleittext als »Plenty« bezeichnete Abundantia ihr Füllhorn aus, die Handels- und Steuerfreiheit soll demnach zu ökonomischem Wohlstand führen. Links oben verkündet die Fama dieses denkwürdige Geschehen, darunter steht eine voluminöse Justitia, die dem Begleittext nach über die Unterdrückung triumphiert. In den Schalen ihrer Waage finden sich auf der einen Seite zerbrochene Ketten und Holzschuhe als Sinnbilder der Sklaverei, auf der anderen Seite ein Blatt mit der Aufschrift »Magna Charta« und ein weiteres mit einem Hinweis auf die erfolgreiche Petition gegen das Gesetz. Im Titel der Graphik wird von den »Glorious CCIIII« gesprochen, was auf die Zahl der Unterhausabgeordneten verweist, die gegen das Gesetz gestimmt hatten. Die ländliche Tradition des Maibaumes121 im Hintergrund verbindet sich mit einer Gerechtigkeits- und Freiheitssymbolik, die die erfolgreichen Proteste gegen die neuen Steuern legitimiert hat. Andere rühmende Graphiken glorifizieren Großbritannien als das Land der Freiheit. In vollendeter Formgebung geschieht dies in einer Graphik aus dem Jahr 1775, die der einflussreiche, aus Italien stammende neoklassizistische Künstler Giovanni Battista Cipriani geschaffen hat (Abb. 31). In vollendeter Formgebung verschmilzt die Liberty mit der Britannia, die, an römische Vorbilder anknüpfend, seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts die Nation repräsentiert, indem sie zur Trägerin des Stabes mit der Freiheitsmütze gemacht wird. Diese Graphik, bei es sich eventuell um eine Auftragsarbeit handelt, ist dem Umfeld des »Real Whig« Thomas Hollis zuzurechnen, der, wie wir bereits gesehen haben (Abb. 14), dem englischen klassisch-republikanischen Gedankengut anhing und dieses über Großbritannien hinaus in Europa und Nordamerika zu verbreiten suchte. Der von ihm verfolgte republikanische Universalismus wurde dadurch hervorgehoben, dass die 76

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Abb. 31  : Giovanni Battista Cipriani, Liberty or Britannia, 1775

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Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

graphisch und über den Titel mit der Freiheit identifizierte Britannia ihren Freiheitsanspruch auf der Erdkugel sitzend erhebt.122 Eine Britannia mit dem Liberty Cap begegnet uns auch sonst gelegentlich in der Bildpublizistik der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts,123 in der Staatsrepräsentation konnte sie sich allerdings nicht durchsetzen. Eine wie hier majestätisch thronende Liberty war allerdings nicht gerade das Leitmotiv der englischen Bildpublizistik der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie wurde vielmehr zum Kennzeichen des Kampfes all jener, die sich gegen Despotismus und für eine Fortentwicklung der freiheitlichen Verfassung Großbritanniens einsetzten. In der langen Regierungszeit Georgs III. (1760–1820) gab es hierfür permanent Anlass. Ihre erste Phase bis zur Französischen Revolution war durch ein Ringen um eine Reform des englischen Ancien Régime geprägt.124 Als ein dem Interesse der Nation dienender Patriot King wollte Georg III. mit seinem Kabinett über den Parteien stehend regieren und stärker, als an sich rechtlich zulässig, die Politik bestimmen. Von seinem früheren Erzieher und kurzzeitigem Premierminister Earl of Bute war er darin bestärkt worden, die Prärogative des Monarchen bis zum Äußersten auf die Spitze zu treiben. Butes Kabinett scheiterte allerdings 1762/63, die weiteren Kabinette dieses Jahrzehnts waren jeweils nur kurz im Amt und politisch wenig erfolgreich. In den äußerst zahlreichen politischen Satiren und Karikaturen jener Jahre fokussierten sich die politischen Auseinandersetzungen vor allem auf den unpopulären Earl of Bute.125 Dieser unbeliebte Politiker stand nicht allein für Reformunfähigkeit im Geist einer freiheitlichen Politik, von ihm wurde zudem mit seinem Eintreten für eine starke Monarchie ein Umsturz der überkommenen freiheitlichen Ordnung befürchtet.126 Bute wurde geradezu zur Inkarnation despotischer Politik stilisiert, in der regierungskritischen Graphik war er fast omnipräsent. Den Gefahren despotischer Veränderung traten aus den Reihen der Whigs die Kämpfer für ein freiheitliches Großbritannien entgegen, die dabei auch für eine Parlaments- und Wahlrechtsreform mit der aus den Niederlanden übernommenen Freiheitssymbolik agierten. Im Ringen um eine Reform des Parlamentarismus und um eine freiheitliche Ordnung stand die Liberty mit dem Liberty Cap im Zentrum der politischen Auseinandersetzungen, die vor Diffamierungen des Gegners nicht zurückschreckten. Zu den Matadoren des Kampfes um die politische und persönliche Freiheit zählte der Publizist John Wilkes, der wie manch andere Reformer127 in aller Regel mit der Liberty oder auch allein mit dem Liberty Cap abgebildet wurde. Dies geschah erstmals 1763 auf einem zu seiner Zeit sowohl in Großbritannien als auch in Nordamerika weitverbreiteten Stich des Graphikers William Hogarth, dem mit seinem Ideenreichtum und mit seinem hohen künstlerischen Niveau herausragenden Vertreter des goldenen Zeitalters der englischen Graphik.128 Sein eigentlich satirisch gemeintes, äußerst populäres Portrait des »John Wilkes Esq« 78

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Abb. 32  : William Hogarth, John Wilkes, 1763

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Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

(Abb.  32)129 dürfte dazu beigetragen haben, den Dargestellten, trotz, vielleicht aber auch wegen seines teuflischen Grinsens, in der öffentlichen Meinung geradezu zur Personifikation der Freiheit 130 werden zu lassen. Der der interessierten Öffentlichkeit sowohl in England als auch in Nordamerika bekannte Parlamentsabgeordnete und Kämpfer für die Pressefreiheit steht hier mit einer unförmigen Freiheitsmütze, die mit der Aufschrift »Liberty« zur solchen erklärt wird, für eine Kritik an der alten Ordnung aus dem Geist neuer Freiheit. Neben ihm liegen zwei Exemplare seiner ursprünglich gegen den Earl of Bute131 gerichteten, regierungskritischen Zeitschrift The North Briton, eine davon mit der Nummer 45 versehen, eine Zahl, die später zu einem Symbol des nordamerikanischen Freiheitskampfes werden sollte. Der König hatte sich durch eine Attacke auf ihn in der Nummer 45 dieser Zeitschrift beleidigt gefühlt, was dazu führte, dass Wilkes wegen des Straftatbestandes der seditious libel verhaftet wurde. Dieser Straftatbestand grenzte die Pressefreiheit insofern ein, als Autoren verfolgt und Publikationen verboten werden konnten, die das Königshaus oder das Regierungssystem verächtlich machten oder Unfrieden in der Bevölkerung säten. Bereits einige Tage nach seiner Verhaftung musste Wilkes auf Grund einer gerichtlichen Anordnung aber wieder auf freien Fuß gesetzt werden, ein Erfolg für die Pressefreiheit und eine herbe Niederlage der Regierung. Mit diesem juristischen Erfolg gegen die Zensurversuche der reaktionären Kräfte war Wilkes zur Gallionsfigur des freiheitlichen Großbritannien geworden. Seine Entlassung aus dem Gefängnis inszenierte er als Medienereignis, sie war Beginn einer an seiner Person orientierten Propaganda bis in die unteren Volksschichten. So wurde seine erfolgreiche Klage, um nur ein Beispiel aus der Vielzahl von Drucken und Liedern aufzugreifen, auf einem Flugblatt von 1763 mit dem Musikstück »Wilkes and Liberty. A New Song« besungen.132 Im Zentrum der dem Liedtext vorangestellten Graphik steht Wilkes, wie er von der Liberty mit den Worten »My adopted Son« der Britannia vorgestellt wird, die ihn mit »Welcome« begrüßt. Wilkes’ Kampf gegen den Geist der Unfreiheit und gegen den Weg in den Despotismus hatte in der Bildpublizistik, wie bereits bemerkt, immer wieder den Earl of Bute zur Zielscheibe, selbst als dieser längst kein Regierungsamt mehr ausübte. In einer Karikatur von 1768 wurde Wilkes Beitrag zur Wahrung der Freiheit glorifiziert, indem er als Wiedererichter des durch den Earl of Bute und seinen Verbündeten zerstörten »Ancient Temple of Liberty« erscheint.133 Eine satirische Graphik aus dem gleichen Jahr (Abb. 33) bezieht sich auf Wilkes Kampf gegen den Ministerdespotismus. Dazu wird der in der linken Bildhälfte stehende Wilkes dargestellt, wie er mit einer langen Stange, an deren Spitze sich eine Freiheitsmütze befindet, gegen den vom Teufel angetriebenen vielköpfigen Drachen der ministeriellen Willkür vorgeht. Die Köpfe des Drachen repräsentieren – neben dem unver80

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Abb. 33  :  Anonym, The many Headed Monster of Sumatra, or Liberty’s Efforts against Ministerial Oppression  : A Vision, 1768

meidlichen Earl of Bute – Minister der Grafton-Regierung,134 die zwischen 1767 und 1770 ohne politische Fortune tätig war. Die in vielen hundert Graphiken verwendete Symbolik der Liberty beherrschte die englische Bildpublizistik, wenn es darum ging, die überkommene englische Freiheit gegen Angriffe von Feinden der Freiheit zu verteidigen.135 Zudem bedienten sich ihrer die Reformkräfte, die das britische politische System fortzuentwickeln suchten. Insofern stand die Symbolik der Liberty für die evolutionäre Verfassungsentwicklung Großbritanniens. Insgesamt gesehen war sie trotz ihres eher defensiven Charakters ein wichtiges Propagandamittel bei innenpolitischen Auseinandersetzungen. Vergleichbares gilt für die englische Verfassungssymbolik, die sich mitunter mit der Freiheitssymbolik verbindet. Eine Vielzahl von Graphiken schürte die Furcht, dass das britische Verfassungssystem zusammenbrechen könnte.136 So sieht man etwa in einem 1767 in John Almons The Political Register publizierten Druck mit dem Titel »Samson pulling down the Pillars« (Abb. 34) einmal mehr den bei den Reformkräften verhassten Earl of Bute, der als Samson bezeichnet und damit nach wie vor für politisch mächtig gehalten wird. Von ihm geht die nach Meinung des 81

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 34  :  Anonym, Samson pulling down the Pillars, 1767

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Schöpfers dieser Graphik ernst zu nehmende Gefahr aus, dass er die vier Pfeiler des »Temple of the Constitution«, drei von ihnen beschriftet mit »Magna Charta«, »Revolution 1688« und »Accession of the House of Brunswick«, einreißt. Die auf der Spitze stehende Liberty droht dabei ebenso herabzustürzen wie das Königspaar und zahlreiche Politiker. Derartige Untergangsszenarien sind Spiegelbilder sehr kontroverser verfassungspolitischer Auseinandersetzungen.137 Diese und andere Graphiken zeigen in Symbolform wichtige Grundsätze, die die Verfassungsordnung Großbritanniens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ausmachten. Was damals als »British constitution« bezeichnet wurde, waren die grundlegenden Regeln der Staatsorganisation. Zu deren Institutionen gehörten die Monarchie, das Oberhaus und das Unterhaus.138 Dabei war man sich darin einig, dass die englische Verfassung eine Mischstaatsform regelt, die Abb. 35  :  Anonym, The Constitution of England, 1767 vor Unterdrückung schützt und Freiheit sichert. Auf einem Druck mit dem Titel »Die Verfassung von England« (Abb.  35) von 1767,139 der etwa 1774 nochmals publiziert wurde,140 sieht man drei aneinander gelehnte und durch ein Band mit der Aufschrift »Respublica« zusammengebundene Baumstämme, von denen einer mit einer Krone (Monarchie) und ein weiterer mit einer Krone und einer Mitra (Oberhaus) versehen ist, während der dritte den Kopf des Zepters des Speaker of the House of Commons 141 (Unterhaus) aufweist. Die Stämme halten in ihrer Mitte die Waage der Gerechtigkeit, die durch jeweils drei Bänder mit den Aufschriften »Religion«, »Law« und »Authority« bzw. »Liberty«, »Right« und »Obedience« in jeder Schale im Gleichgewicht gehalten wird. Dabei ist das Junktim bemerkenswert, in dem »Religion« mit »Liberty«, »Law« mit »Right« und »Authority« mit »Obedience« korrespondieren. Die Neuedition dieser Graphik erfolgte möglicherweise im Auftrag konservativer und regierungstreuer Kreise gegen eine ebenfalls 1774 erschienene Graphik mit dem Titel »An Emblematic Pile«,142 die das politische System als brüchig und marode abqualifiziert. Unter einer beschädigten Fahne mit der Aufschrift »Liberty« und dem Liberty Cap sieht man brüchige und wurmstichige Äste, die mit Worten wie »Honest«, »Elections« oder »Bribery and Corruption« bezeichnet sind. Dass die Korruption bei Wahlen zum Unterhaus zu den Schattenseiten englischer politischer Kultur gehörte, war in der zeitgenössischen Graphik verschiedentlich 83

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

in teils derber Weise ausgemalt worden.143 Derart kritische Darstellungen machen deutlich, in welchem Maß die Legitimität des britischen politischen Systems selbst in der Bildpublizistik unter Rechtfertigungszwang stand. Die Trias von König, Oberhaus und Unterhaus wurde in Drucken des 18. Jahrhunderts mehrfach visuell umgesetzt. Eine satirische Graphik von 1770 zeigt, wie Abbildung 35, ebenfalls drei Stützen, die von einem Ring mit dem Hinweis »Tria junta in una« zusammengehalten werden (Abb.  36). Sie sind jeweils mit »King«, »Lords« und »Commons« bezeichnet. In der Mitte steht der einmal mehr attackierte Earl of Bute, der des Königs Arm und kleinen Finger führt, um die Waage des rechtlichen Gleichgewichts aus dem Lot zu bringen. In der einen Waagschale liegen Gesetzesrollen u. a. mit den Aufschriften »Bill of Rights«, »Magna Charta« und »Liberty of the Press«, deren Beachtung offensichtlich bereits durch den kleinen Finger des Königs ‒ seine Hand erscheint aus einer Unheil verkündenden dunklen Wolke ‒ geschmälert werden kann. Im Hintergrund zeigt sich, wie gefährlich der von der Opposition propagandistisch behauptete Einfluss des längst nicht mehr politisch aktiven Earl of Bute144 auf die Rechts- und Verfassungstreue des Königs ist  : Die Fassade des Staatsgebäudes ist bereits am Zusammenbrechen. Der Verweis auf das Impeachment-Verfahren gegen den 1641 wegen seiner angeblichen Absicht, eine Willkürherrschaft zu etablieren, hingerichteten Lord Stafford  – einen engen Berater des später gleichfalls exekutierten Königs Karl I. und ehemaligen Lord Deputy of Ireland – legt dem Betrachter nahe, den Earl of Bute ebenfalls als Hochverräter anzusehen, weil er eine tyrannische Regierung anstrebe. Diese Graphiken stellen die British Constitution symbolisch in die englische Tradition der Mischverfassung.145 Ihre Legitimität stand in allen politischen Lagern außer Zweifel. Der bildpublizistische Streit war darauf fokussiert, dass die Stärkung der Krone, eine despotische Verwaltung und die vielfältige Korruption das von der Verfassung geregelte institutionelle Gleichgewicht zu gefährden drohten. Eine darüber hinausgehende wirkliche Demokratisierung der politisch-rechtlichen Ordnung oder gar eine revolutionäre Verfassunggebung gelangen in der Bildpublizistik bis zur Französischen Revolution nicht in den Blick. Blicken wir abschließend auf den Verbreitungsgrad der englischen politischen Graphiken und auf deren Einsatz als Propagandamittel. Viele hundert Karikaturen und Bildsatiren nutzten die Freiheits- und Verfassungssymbolik zur Standortbestimmung in tagespolitischen Auseinandersetzungen.146 Nur einige wenige von ihnen konnten vorgestellt werden. Die meisten dieser zahlreichen Karikaturen und Bildsatiren waren weitverbreitet, manche konnten sogar Auflagen von mehreren tausend Exemplaren erreichen.147 Mit einer solchen Auflagenhöhe waren sie einer breiten öffentlichen Aufmerksamkeit sicher. In den einzelnen politischen Lagern war man sich, ebenso wie später im Frankreich der Revolutionszeit, sicher, dass 84

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Abb. 36  :  Anonym, The constitution, 1770

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Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

durch die überbordende Bildpublizistik die öffentliche Meinung beeinflusst werden könnte. Durch die Diffamierung des politischen Gegners, die im Kampf der politischen Graphik das Ziel der meisten Bildsatiren und Karikaturen war, erhoffte man, dessen politische Projekte zu bekämpfen. Zur Popularität der überbordenden Bildpublizistik trug bei, dass einzelne Künstler wie Hogarth durchaus mit Erfolg versuchten, sowohl Inhalt als auch Preis ihrer Graphiken so zu gestalten, dass sie für die große Masse der Bevölkerung attraktiv waren. Abgesehen von solchen Vermarktungsstrategien war es für die zu ihrer Zeit und auch heute noch berühmten Meister der politischen Graphik ein lohnendes Geschäft, ihre Kunst in den Dienst der politischen Propaganda zu stellen. In ihrer politischen Orientierung identifizierten sie sich meist nicht mit einem der sich bekämpfenden politischen Lager. Es kam immer wieder vor, dass Künstler für Kritik am politischen Gegner durch Bildsatiren und Karikaturen bezahlt wurden, dass das Unterlassen von Kritik an einem bestimmten politischen Lager honoriert wurde oder dass missliebige politische Graphik einfach »gekauft« wurde, um so ihre Verbreitung zu verhindern.148 Zur damaligen politischen Kultur Englands gehörte offenbar, dass nicht nur Wähler anlässlich von Unterhauswahlen, sondern auch Künstler in hohem Maß käuflich waren. 2.5 Von der britischen zur amerikanischen Freiheit  : Druckgraphiken aus der Zeit der Emanzipation Nordamerikas Der in den 60er Jahren des 18.  Jahrhunderts ausbrechende Konflikt zwischen Großbritannien und den Kolonien Nordamerikas, die später die Vereinigten Staaten bilden sollten, war ein in englischen Druckgraphiken viel behandelter Gegenstand,149 bei dem auch immer wieder das Thema der Freiheit angeschnitten wurde. Bis zum Unabhängigkeitskrieg waren Großbritannien und seine Kolonien in Nordamerika noch eine kulturelle und politische Einheit. Die Kolonisten fühlten sich trotz mancher eigenständiger Entwicklungen nach wie vor als Briten, denen die im Mutterland geltenden politischen Rechte zukamen. Für sie ganz selbstverständlich beriefen sie sich auf die Magna Charta und auf die Bill of Rights, um ihre politischen, aber auch ökonomischen Rechte gegen eine als despotisch empfundene britische Regierung zu verteidigen. Aus der Sicht Großbritanniens standen die Kolonisten mit ihren Forderungen auf Seiten der von den Whigs dominierten Opposition, die die Freiheitlichkeit des britischen Regierungssystems einforderte. Dieser Schulterschluss zwischen britischer Oppositionspolitik und nordamerikanischer Freiheitsbewegung blieb nicht ohne Einfluss auf die englisch-amerikanische Bildpublizistik seit Mitte des 18. Jahrhunderts. 86

Von der britischen zur amerikanischen Freiheit

Wenn wir uns im Folgenden der der Freiheitsbewegung gewidmeten Bildpublizistik zuwenden, sind zwei Rahmensetzungen vorauszuschicken  : Zum einen fühlten sich die Kolonisten bis etwa 1775 als Briten, die im Grundsatz von der Freiheitlichkeit des britischen politischen Systems überzeugt waren.150 Zum anderen stand der amerikanischen Freiheitsbewegung eine große Zahl von Loyalisten gegenüber, die das überkommene politische System akzeptierten. Diese eher konservative Einstellung einer beträchtlichen Siedlergruppe war allerdings in der nordamerikanischen oder auf Nordamerika bezogenen Bildpublizistik nicht präsent. Die britische politische Bildpublizistik stand in aller Regel auf Seiten des Freiheitskampfes der Kolonien in Nordamerika. Die Kolonisten betrachtete man in zahlreichen Bildsatiren und Karikaturen als Briten, deren Freiheit durch die britische Gesetzgebung und despotische Aktionen bedroht sei.151 Diese in England publizierte kritische Graphik war in den nordamerikanischen Kolonien natürlich bekannt  ; war doch Nordamerika ein beliebter Absatzmarkt für britische Waren und damit auch für politische Graphik.152 Vor allem aber war den zunächst noch wenigen in Nordamerika lebenden Künstlern und Graphikern die spezifisch englische ebenso wie die auf die nordamerikanischen Kolonien bezogene Freiheits- und Verfassungssymbolik geläufig. Sie hatten sich, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, bis zur amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, von einigen Ausnahmen eigenständiger Bildkompositionen abgesehen, stark an englische Vorbilder angelehnt, wenn nicht gar englische Graphiken einfach kopiert.153 Meist variierten die in Amerika entstandenen Bildsatiren englische Vorbilder und mit ihnen die englische Freiheitssymbolik, um die englisch-amerikanischen Auseinandersetzungen mit der in England üblichen heftigen Kritik zu begleiten. Zwar schützte der sogenannte Hogarth Act für einen Zeitraum von 14 Jahren die Urheberrechte an Graphiken, in der Praxis wurden jedoch Verletzungen des Urheberrechts kaum verfolgt. In den nordamerikanischen Kolonien war diese Gesetzeslage offenbar unbekannt, so dass man guten Gewissens englische Vorbilder kopieren konnte.154 Eine politisch engagierte Druckgraphik begann sich in Nordamerika erst Mitte der 60er Jahre des 18. Jahrhunderts anlässlich der Auseinandersetzungen um den Stamp Act 155 zu entwickeln, wobei es bisweilen auch zu eigenständigen Bildkompositionen kam.156 Die von der Mitte der 60er bis zur Mitte der 80er Jahre des 18.  Jahrhunderts bestehende Gemengelage zwischen englischer, englisch beeinflusster und originärer amerikanischer Bildpublizistik führt dazu, dass im Folgenden sowohl englische als auch englisch inspirierte und einige wenige eigenständig nordamerikanische Graphiken nebeneinander dargestellt werden. Gab es doch in diesen zwei Jahrzehnten einen gemeinsamen politischen Erfahrungshorizont, der durch eine sich gegenseitig befruchtende Bildpublizistik diesseits und jenseits des Atlantiks vermittelt wurde. 87

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Ob und in welchem Umfang sich in diesen beiden Jahrzehnten ein spezifisch amerikanisches Verständnis der englischen Freiheitssymbolik herauszubilden begann, ist schwierig zu beantworten. Erst mit der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika erfolgte in der dortigen Bildpublizistik eine deutliche Zäsur zur Konzeption der englischen Verfassungs- und Freiheitssymbolik. In dem diesem Zäsurereignis geschuldeten Bedeutungswandel fügte sich nun die neu besetzte amerikanische Freiheitssymbolik in den nordamerikanischen Gründungsmythos ein. 2.5.1 Die Magna Charta Libertatum  : ein urenglisches Freiheitssymbol in nordamerikanischen Druckgraphiken

Die Magna Charta war ein Sinnbild der Freiheit, das anders als die aus der Antike rezipierten und sich im Laufe der Zeit internationalisierenden Freiheitssymbole der Libertas und des Pileus spezifisch englisch war. Darüber hinaus wies es die Besonderheit auf, dass es – allein, im Verein mit anderen Rechtsdokumenten oder als Teil einer Verfassungsvisualisierung (Abb.  34)  – ein Symbol für die als freiheitsverbürgend aufgefasste englische bzw. britische Verfassung sein konnte. Bis in die Jahre der Unabhängigkeit der Kolonien von ihrem Mutterland finden sich auch in Graphiken, die durch amerikanische oder in Amerika tätige Künstler geschaffen wurden, mitunter Bezugnahmen auf dieses oder andere englische Fundamentalgesetze mit Verfassungscharakter. Ein Verweis auf die Magna Charta diente vielfach der Würdigung von Personen, die sich für die Freiheit in den Kolonien eingesetzt hatten. So portraitierte beispielsweise Paul Revere im Jahr 1774 die politisch einflussreichen späteren amerikanischen Gründungsväter John Hancock und Samuel Adams für das Royal American Magazine jeweils mit einer Magna Charta. Dieser Bostoner Künstler, wir werden ihm noch häufiger begegnen, war zu damaliger Zeit nicht nur ein anerkannter Silberschmied und viel gefragter Graphiker, sondern geradezu der führende Kopf der freiheitsorientierten amerikanischen Bildpublizistik. Er war Mitglied der Bostoner Vereinigung der »Sons of Liberty«, die die britische Freiheit und mit ihr auch die britische Monarchie in den nordamerikanischen Kolonien verteidigten. Mit den »Sons of Liberty« setzte sich Revere für die Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte der Kolonisten ein und bekämpfte deren Missachtung durch eine die ökonomische und politische Freiheit der Kolonisten einschränkende Londoner Regierung. In den Darstellungen der beiden amerikanischen Gründungsväter liegt die Magna Charta jeweils als eine halb zusammengerollte Urkunde vor den Portraitmedaillons, die zudem u. a. von einer in bekannter Manier eine Stange mit Liberty Cap tragenden Liberty umrahmt sind. Damit wurde gewürdigt, dass sich beide 88

Von der britischen zur amerikanischen Freiheit

zur Verteidigung der Freiheitsrechte der Kolonisten immer wieder auf die Magna Charta berufen hatten.157 Diese Komposition lehnte sich an ein englisches Vorbild an, nämlich an das Portrait des dem Kreis um Wilkes nahestehenden Politikers Richard Grenville-Temple, das 1763 von einem englischen Künstler geschaffen worden war.158 Eine weitere Graphik, die die Magna Charta zum Kernpunkt der seinerzeitigen politischen Forderungen machte, wurde 1768 von dem aus England eingewanderten James Smither (Abb. 37) geschaffen. Sie zeigt den Anwalt John Dickinson, einen weiteren späteren Gründungsvater, wie er in seiner Bibliothek steht und dabei ein Blatt mit der Aufschrift »Letters from a Farmer« in der Hand hält. Sein Ellbogen liegt auf einem Folianten, der mit »Magna Charta« beschriftet ist, im Hintergrund sieht man ein Buch des einflussreichen Juristen, Richters und Politikers Edward Coke. Dieser hatte 1610 als Chief Justice am Common Law Court im berühmten Dr Bonham’s Case die Frage Abb. 37  : James Smither, The Patriotic American Farmer, 1768 zu entscheiden, unter welchen Voraussetzun­gen ein Arzt praktizieren darf. Von Chief Justice Coke wurde entwickelt, dass Parlamentsakte, die gegen das common law verstoßen, unter bestimmten Voraussetzungen nichtig sein können. Diese These widersprach jedoch der Lehre von der Parlamentssouveränität und konnte sich, in England zum Teil als Irrlehre abqualifiziert, nicht durchsetzen. Sie wurde aber von den nordamerikanischen Kolonisten wiederholt aufgegriffen, etwa um ihren Widerstand gegen den Stamp Act und damit gegen einen Rechtsakt des Parlaments zu legitimieren. Anknüpfungspunkt für diese Graphik waren Dickinsons 1767/68 erschienene »Letters from a Farmer in Pennsylvania to the Inhabitants of the British Colonies«. In dieser seinerzeit weitverbreiteten Flugschrift hatte der Autor vermittelnd zur Aussöhnung mit Großbritannien aufgerufen, zugleich aber ein Widerstandsrecht der Kolonien gegen die als Despotismus aufgefasste Politik des Mutterlandes bejaht.159 Zur Begründung hatte der geschliffen und eindringlich formulierende Autor auf die Magna Charta und auf Edward Coke verwiesen, der nicht allein die Parlamentssouveränität begrenzt, sondern auch als Abgeordneter an der Petition of Rights entscheidend mitgewirkt hatte. Damit konnte er die englische Politik gegenüber den Kolonien als verfassungswidrig stigmatisieren und den Widerstand der Kolonisten juristisch rechtfertigen.160 In dieser Bildkomposition wurde jener 89

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

nordamerikanische Anspruch auf Freiheit visualisiert, für den sich Dickinson eingesetzt hatte und der das politische Credo des Freiheitskampfes der Kolonisten war. Die Magna Charta als Bollwerk sowohl der englischen als auch der amerikanischen Freiheit begegnet uns weiterhin in einem auch als Stich reproduzierten Bildnis von William Pitt d. Ä, der sich für die Sache der nordamerikanischen Kolonien eingesetzt hatte. Der amerikanische Maler Charles Willson Peale,161 der, wie die Mehrheit der politisch engagierten Kolonisten, der Ideologie der radikalen Whigs nahestand, zeigt unter dem Einfluss englischer Pitt-Darstellungen, wie der antik gewandete Pitt die halb aufgerollte Magna-Charta-Urkunde in der linken Hand hält. Im Vordergrund sieht man als Eckpfeiler eines Freiheitsaltars die Büsten der als »Freiheitsmärtyrer« verehrten John Hampden und Algernon Sidney, die beide im 17. Jahrhundert im Kampf für die Freiheit gegen die Stuart-Könige ihr Leben ließen (Abb. 38).162 Mit seiner rechten Hand zeigt Pitt in ausladender Geste auf eine Liberty, die mit ihren Füßen auf die Petition tritt, die 1765 von dem in New York tagenden Stamp Act Congress der Kolonien beschlossen wurde. Nach den Bemerkungen des Künstlers sollte durch diese Verbindung der Magna Charta und der Liberty zum Ausdruck gebracht werden, dass Staaten, die in sehr hohem Maß Freiheit verwirklichen, in der Lage sind, jene Staaten zu unterdrücken, die in Abhängigkeit von ihnen stehen.163 Ganz konkret richtete sich diese Darstellung gegen das britische Unterhaus, das an sich Hüter der britischen Freiheit sein sollte, gleichwohl aber die Petition der in New York tagenden Repräsentanten der Kolonisten niedergestimmt hatte. Die Magna Charta war in nordamerikanischen Druckgraphiken auch noch anlässlich des vom 5. September bis zum 26. Oktober 1774 in Philadelphia tagenden ersten Kontinentalkongresses präsent. Sie sollte nach wie vor die englische Freiheit symbolisieren, deren Verteidigung die Kolonisten sich zum Ziel gesetzt hatten. Die Protokolle der Reden und Beschlüsse, darunter die Solidaritätserklärung der Kolonien und die einjährige Ex- und Importsperre gegenüber Großbritannien, wurden im Journal of the Proceedings of the Congress veröffentlicht (Abb.  39). Auf der Titelvignette bildet die als Urkunde dargestellte Magna Charta die Grundlage eines Pfeilers, der von einem Liberty Cap gekrönt ist und von zwölf Händen, die die am Kongress teilnehmenden zwölf Kolonien versinnbildlichen, ergriffen wird. Die »hanc tuemur, hac nitimur« lautende Umschrift dieser Bildschöpfung verweist einmal mehr auf die Verteidigung der freiheitlichen britischen Verfassung als Ziel des kolonialen Widerstandes.164 Diese Symbolik der um die britische Verfassung kämpfenden Kolonien traf die politischen Wünsche und Hoffnungen der Kolonisten und wurde daher wiederholt reproduziert. Sie wurde in erweiterter Form vom republikanisch gesinnten New 90

Von der britischen zur amerikanischen Freiheit

Abb. 38  : Charles Willson Peale, Worthy of Liberty. Mr. Pitt Scorns to Invade the Liberties of Other Peoples, ca. 1768

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Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 40 (o.)  : Paul Revere, Bill of Credit, 1775 Abb. 39 (l.)  : Titelvignette zu »Journal of the Proceedings of the Congress held at Philadelphia, September 5, 1774«, 1774

York Journal, or, The General Advertiser aufgegriffen und später auch als Titelblatt für das 1775 in Philadelphia aufgelegte Buch »A Collection of Designs in Architecture« verwendet.165 Auch auf den bills of credit, die 1775 in Massachusetts zur Finanzierung des Unabhängigkeitskrieges ausgegeben wurden, findet sich noch eine Schriftrolle mit der Inschrift »Magna Charta« (Abb. 40), die freilich Ende 1776 in »Independence« abgeändert wurde.166 Denn nach der Unabhängigkeitserklärung, als sich das amerikanische Volk in den jeweiligen ehemaligen Kolonien eigene Verfassungen gab, war die englische Magna Charta als Verfassungssymbol obsolet geworden und damit nicht mehr Gegenstand nordamerikanischer Bildpublizistik. 2.5.2 Heldenverehrung und Freiheitsverteidigung  : die Liberty in den Kolonien

Wechseln wir die Perspektive und wenden uns der Geschichte der Liberty in Nordamerika zu. Sie reicht bis in das Jahr 1730 zurück. Auf dem damals geschaffenen 92

Von der britischen zur amerikanischen Freiheit

Siegel der Provinz North Carolina diente sie noch der Verherrlichung des englischen Monarchen und war damit rein britischen Ursprungs.167 Das Siegel zeigte den auf einem Thron sitzenden Georg II., wie er von der mit Hut und Stange versehenen Liberty mit einer Personifikation des Überflusses bekannt gemacht wird. Die Einführung dieses Siegels war dem König 1729 aus Anlass der Umwandlung der bisherigen, von englischen Adeligen schlecht verwalteten Eigentümerkolonie North Carolina in eine Kronkolonie von den Lords of Trade in London empfohlen worden. Der Siegeszug der Liberty in den Kolonien begann aber erst mit den britischamerikanischen Auseinandersetzungen. In dieser Zeit diente die Liberty zum einen der Stiftung eines Personenkultes für all jene, die sich an vorderster Stelle für die Verwirklichung einer freiheitlichen Ordnung eingesetzt hatten. Wir sahen bereits, wie einzelne Politiker wegen ihrer Verdienste um die Freiheit der nordamerikanischen Kolonien mit Bezügen auf die Verfassungs- und Freiheitssymbolik gewürdigt und geehrt worden waren (Abb.  38). Zu den Matadoren solcher Ehrungen gehörte Wilkes, dem wir bereits begegnet sind (Abb. 32). Wie in England war er auch in den nordamerikanischen Kolonien schlechthin der Inbegriff von persönlicher und politischer Freiheit. Wilkes wurde zur Kultfigur nordamerikanischer Freiheitsforderungen, sein Name war auch hier geradezu ein Synonym für Freiheit. Zu den Höhepunkten des Wilkes-Kultes und wohl auch heutiger amerikanischer Erinnerungskultur gehört die Liberty Bowl, die 1768 von der Bostoner Vereinigung »Sons of Liberty« bei ihrem Mitglied Paul Revere in Auftrag gegeben worden war.168 Auf der einen Seite dieser Silberschüssel würdigte eine Inschrift, verziert mit Freiheitsmütze und Stab, den Anlass des historischen Gedenkens. Mit Dankbarkeit wurde der Mehrheit von 92 Abgeordneten der Massachusetts Assembly gedacht, die für eine interkoloniale Zusammenarbeit gegen den Townsend Reve­ nue Act votierten, mit dem neue Abgaben einführt werden sollten. Auf der anderen Seite sieht man den Schriftzug »Wilkes and Liberty« unter »No  45«, eine Bezugnahme auf die 45. Ausgabe der Zeitschrift The North Briton,169 die auch in den nordamerikanischen Kolonien ganz wesentlich zur Berühmtheit von Wilkes beigetragen hatte. Daneben befindet sich ein zerrissenes Papier mit der Aufschrift »general warrants«, was an dessen erfolgreiche Verteidigung gegen seine Inhaftierung aus Anlass der besagten Zeitschriftennummer erinnerte. Darüber erkennt man in der Mitte einen Liberty Cap, links ein Hinweis auf die Magna Charta, rechts auf die Bill of Rights. Die Botschaft dieser Liberty Bowl ist deutlich  : Sie besagt, dass die Kolonisten gemeinsam mit Oppositionspolitikern in England dafür eintreten, dass die Tradition der englischen Freiheit für die Politik des Mutterlandes bestimmend bleiben solle.170 Weniger prominent als Wilkes, aber doch ein bemerkenswertes Beispiel für die Formen der Inszenierung eines Personenkultes, bietet William Beckford, der im 93

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 41  :Thomas Dent, Grabobelisk für William Beckford, 1770

Kreis um Wilkes für eine Parlamentsreform und für eine Verbesserung der Rechtsstellung der nordamerikanischen Kolonien kämpfte.171 Zu seiner Zeit war er ein prominenter Reformpolitiker, dessen Einsatz für ihre Rechte die Kolonisten sehr schätzten. Paul Revere nannte ihn mit weiteren englischen Patrioten wie etwa Wilkes auf dem Obelisken, den er 1766 in Boston anlässlich der Aufhebung des Stamp Act geschaffen hatte (Abb. 42). Der englische Graphiker John Dixon portraitierte ihn in einem Mezzotinto von 1769 als Verteidiger der Magna Charta und der Bill of Rights.172 Seines Todes im Jahr 1770 gedachten eine Medaille173 sowie eine Radierung des Londoner Graphikers Thomas Dent. In deren Mittelpunkt steht ein Grabobelisk mit dem Portrait Beckfords, das von der Fama gekrönt wird (Abb. 41). Im Vordergrund sitzt eine trauernde Personifikation von London, wo der Verstorbene Bürgermeister gewesen war. Links am Grabobelisk steht die betrübte Liberty, dahinter trauert Amerika, repräsentiert durch eine Indianerin mit Federschmuck. Rechts befindet sich eine Gruppe von ebenfalls trauernden Bürgern. Die Bildkomposition macht die Liberty zum politischen Bezugspunkt der Trauergemeinde, die den Verlust eines ihrer Kämpfer für eine freiheitliche Politik beklagt. 94

Von der britischen zur amerikanischen Freiheit

Abb. 42  : Paul Revere, A view of the obelisk erected under Liberty-tree in Boston on the rejoicings for the repeal of the Stamp Act, 1766

Eine weitere Funktion der Libertysymbolik bestand in der Visualisierung der Gefährdungslage, in der sich die Freiheit nach Auffassung der rebellierenden Kolonisten sowohl in Großbritannien als auch in den nordamerikanischen Kolonien befand. Zu den ersten originär nordamerikanischen Graphiken zu dieser Thematik gehört die Radierung des Bostoner Paul Revere, die den von ihm geschaffenen »Liberty-Tree-Obelisk« abbildet (Abb.  42).174 Anlass für die Herstellung diesen Obelisken war die Feier der Aufhebung des Stamp Act, gegen den sich wegen der darin vorgesehenen Besteuerung der Kolonien unter der mittlerweile klassischen Losung  : »no taxation without representation« eine solche Welle des Protestes erhoben hatte, dass er vom Parlament in London zurückgenommen werden musste. Der diesen Erfolg feiernde Obelisk wurde unter dem Bostoner Freiheitsbaum175 errichtet und war im Mai 1766 Zentrum eines Bürgerfestes. Obwohl aus brennbarem Material war der Obelisk bei der Festveranstaltung illuminiert, so das kam, was kommen musste  : Er brannte bereits anlässlich des Freudenfestes ab und ist daher nur durch die hier abgebildete Radierung überliefert. Die vier Seiten des Obelisken erzählen mit Text und in Bildern vom erfolgreichen Kampf gegen den Stamp Act. Auf der ersten Seite sieht man, wie ein Indianer als Personifizierung Amerikas am Boden liegt  ; eine geflügelte Liberty mit 95

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

ihrem Liberty Cap auf einer Stange ergreift gerade die Flucht, weil ein Teufel mit dem Stamp Act in der Hand heranfliegt. Diese Szene ist im erläuternden Text mit »America in distress apprehending the total loss of Liberty« beschrieben. Auf der vierten Seite des Obelisken wird die verzweifelte Amerika erlöst. Amerikas Freiheit ist wieder gewährleistet, was dadurch symbolisiert wird, dass die Liberty auf die Amerika zuschreitet. Im erläuternden Text wird dem britischen König gedankt  : »And has her Liberty restor(e)d by the Royal Hand of George the Third«. Darüber hinaus wird im Begleittext dem »darling Monarch« für die »Liberty restor’d« überschwänglich gedankt. Mit seinen Bildern und dem erläuternden Text spiegelt der »Liberty-Tree-Obelisk« das politische Bewusstsein der in den 60er und 70er Jahren um ihre Freiheit kämpfenden Kolonisten  : Sie verehrten die britische Monarchie und mit ihr das politische System des Mutterlandes. Ihr Freiheitskampf wandte sich daher nur gegen eine für verfassungswidrig gehaltene britische Politik, nämlich gegen einen angeblich unerträglichen Ministerdespotismus und gegen Entscheidungen des britischen Parlaments, die die nordamerikanischen Kolonien betrafen und aus Sicht der Kolonisten mit der langen Tradition englischer Freiheit brachen.176 Für die Kolonisten befanden sich Großbritannien und die nordamerikanischen Kolonien, was ihre Freiheitlichkeit angeht, in einer vergleichbaren Gefährdungslage. Dies wurde in englischen Graphiken in Bezug auf Großbritannien verschiedentlich dadurch symbolisiert, dass eine niedergeschlagene, verzweifelte oder trauernde Liberty den (drohenden) Verlust von Freiheit vermittelt. Für die Kolonien übernahm Paul Revere dieses Motiv in einer Graphik von 1768 mit dem Titel »The lord god omnipotent reigneth – let all the earth rejoice«177, in der die jeweils mit einer Freiheitsmütze auf einer Stange versehenen Personifikationen Amerika und Britannia in niedergeschlagener Pose nebeneinandersitzen. Der Amerika fällt der Liberty Cap bereits von einer Speerspitze herunter, während sich die Speerspitze mit dem Liberty Cap der Britannia nur zur Seite neigt, was anzeigen soll, dass die Freiheitlichkeit im Mutterland erst bedroht, in den Kolonien aber bereits unterminiert ist.178 Einige Jahre später, nämlich 1775, wurde Paul Revere noch deutlicher. Für das Royal American Magazine, einer in Boston erscheinenden Zeitschrift, die überwiegend in London publizierte Zeitschriftenartikel nachdruckte, gestaltete er, neben einigen anderen Graphiken, zwei Drucke, die die britische Nordamerika-Politik anprangerten. In einer der Graphiken, die im Januar 1775 erschien,179 schlägt der damals amtierende Premierminister Lord North König George III. vor, in Amerika die bürgerliche und religiöse Freiheit völlig aufzuheben (Abb. 42). Dies wird von einem Priester und einer hinter dem König stehenden, dekorierten Person, wohl der auch in den nordamerikanischen Kolonien verhasste Earl of Bute, unterstützt. George III. ist angesichts dieses Auswuchses an Ministerdespotismus sprachlos, worauf seine leer bleibende Sprechblase verweist. Damit wird im Verein mit dem 96

Von der britischen zur amerikanischen Freiheit

Abb. 43  : Paul Revere, A certain Cabinet Junto, 1775

Titel einmal mehr das politische Vorverständnis vieler Kolonisten ausgedrückt, dass nicht der König, sondern die an die Macht gelangte politische Clique für die Gefährdung amerikanischer Freiheit verantwortlich sei. Auf der linken Bildseite sieht man eine sitzende Amerika in wallendem Gewand, darin das britische Wappenschild teilweise verborgen, zu ihren Füßen liegen ein Bogen und ein Köcher mit Pfeilen. Mit dem Liberty Cap auf einer Stange in ihrem Arm ruft sie den Himmel um Hilfe an, die ihr aus den Wolken links oben auch zugesagt wird. Es zeugt von einem tiefen Vertrauen in die britische Monarchie, dass noch 1775 der König nicht als Gegner der amerikanischen Freiheit kritisiert wird und dass die Amerika mit dem britischen Wappenschild immer noch als Großbritannien zugehörig dargestellt bleibt. Die Zeitschrift, die publizistisch London eng verbunden war, ging mit Reveres Graphik offensichtlich zu dieser Zeit ebenso wie viele andere der aufständischen Kolonisten davon aus, dass eine Unabhängigkeit Nordamerikas nicht auf der politischen Agenda stehe. In welch hohem Maß die öffentliche Meinung in den nordamerikanischen Kolonien über lange Zeit hinweg davon geprägt war, dass die englische Freiheit zu erhalten sei, zeigt der von Paul Revere gestaltete Titelkopf der Boston-Gazette von 1770 (Abb. 44).180 Dargestellt ist, wie die Britannia, eine Stange mit einem Liberty Cap haltend, einen Vogel aus seinem Käfig frei lässt, der sogleich zu einem Baum in die Freiheit fliegt. Diese Symbolik ist von Revere wohl aus einem der auch in Nordamerika bekannten Emblematawerken entnommen worden, in denen der 97

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 44  : Paul Revere, Titelkopf der Wochenzeitung »The Boston Gazette and Country Journal« vom 1.1.1770

seinen Käfig verlassende Vogel für die »unschätzbare Freiheit« steht.181 Dass Großbritannien die nordamerikanischen Kolonien in die Unabhängigkeit entlässt, war 1770 noch nicht gemeint. Es sollte vielmehr vermittelt werden, dass die englische Freiheit auch in den nordamerikanischen Kolonien ihren Flug beginnen solle. 2.5.3 Von der Alten in die Neue Welt  : der Exodus der Liberty nach Amerika

Diese Gemeinsamkeit im englischen und nordamerikanischen Kampf um die Freiheit in der Druckgraphik sollte sich freilich im Gefolge der Bostoner Tea Party,182 dem Protest gegen die britische Besteuerung der Teeimporte vom 16. Dezember 1773, und sodann im Unabhängigkeitskrieg auflösen. Zunächst erschien in Reaktion auf die Tea Party mit dem 1774 geschaffenen Mezzotinto »The Oracle« von John Dixon (Abb. 45), einem Londoner Künstler, der dem Kreis um Wilkes nahestand, allerdings noch eine Graphik, die die Eintracht zwischen dem Mutterland und den Kolonien beschwor.183 Das Orakel zu den Folgen der Tea Party offenbart der geflügelte Chronos, der Herr von Zeit und Geschichte, vor dem vier Frauen sitzen, die ausweislich des Untertitels Britannien, Irland, Schottland und Amerika repräsentieren. Während die drei erstgenannten vornehm gekleidet sind, erscheint die Amerika als eine Amazone mit einer Kopf bedeckung aus Federn und führt Pfeil und Bogen mit sich. Diese Personifizierung der nordamerikanischen Kolonien als Ureinwohnerin war zwischen 1765 und 1785 gebräuchlich, bisweilen erscheint die Indianerin geradezu als »Indian Princess« (Abb. 50).184 Seit den ausgehenden 80er Jahren des 18. Jahrhunderts verzichtete man nach und nach auch in der Welt der Symbole auf eine »indianische Prinzessin«, weil sie die Zukunft der amerikanischen politischen Entwicklung nicht zu repräsentieren vermochte. Mit einer Indianerin wollte die neue Nation, die in Unfrieden mit der indianischen Bevölkerung lebte und fortan die indianische Frage auf ihre Weise löste, nicht in eins gesetzt werden. Diese Personengruppe sitzt vor einem Wandteppich, auf den Chronos mit einer Art von Laterna Magica eine Szene projiziert, in der die Eintracht über die 98

Von der britischen zur amerikanischen Freiheit

Abb. 45  : John Dixon, The Oracle, 1774

Zwietracht triumphiert. Man sieht, wie die Eintracht, flankiert von Wohlstand mit einem Füllhorn und Liberty mit ihrem Liberty Cap auf einer Stange, auf dem Weg sind, die Zwietracht zu vertreiben.185 Entgegen dieser sehr optimistischen Sicht der Zukunft als einträchtiges Zusammenleben in Freiheit neigte die Bildpublizistik in Großbritannien und in den nordamerikanischen Kolonien im Gefolge der Bostoner Tea Party eher dazu, die Abwanderung der Freiheit aus dem Mutterland nach Nordamerika zu konstatieren.186 Ein Beispiel hierfür ist ein im Gefolge der Tea Party geschaffener Stich aus dem Jahr 1774 mit dem Titel »Liberty Triumphant or the downfall of Oppression« (Abb.  46).187 Der nicht eindeutig als englisch oder amerikanisch identifizierbare Künstler zeigt, wie die auch sonst viel geschmähten Politiker Bute und North mit einer Reihe anderer Personen ein zu ihrem ökonomischen Vorteil gereichendes Vorgehen gegen die nordamerikanischen Kolonien absprechen. Eine verzweifelte Britannia äußert ihre Enttäuschung über dieses Vorgehen einer korrupten Clique 99

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 46  : Liberty Triumphant or the Downfall of Oppression, 1774

folgendermaßen  : »The conduct of those my degenerate sons will break my heart.« Gegen die englischen Wirtschaftssanktionen wenden sich die von einer Indianerin als Verkörperung Amerikas geführten »Sons of Liberty« mit den Sätzen »We will secure our freedom or die in the attempt« und »Lead us on, to Liberty or Death«, eine frühe Formulierung der in der Französischen Revolution gebräuchlichen Wendung »liberté ou la mort«. Derweil sitzt die »Göttin der Freiheit« mit dem Liberty Cap auf einer Stange und einem neben ihr liegenden Wappenschild mit dem englischen Georgskreuz in Nordamerika und nicht in Großbritannien und bezeichnet die oppositionellen Kolonisten stolz als ihre Söhne. Der Auszug der Freiheit aus ihrer Heimat wurde 1778 sogar außerhalb des anglo-amerikanischen Kulturkreises, namentlich von einer französischen (Abb. 47) sowie von einer in Nürnberg publizierten188 Persiflage der oben genannten Dixon-­ Graphik auf den Punkt gebracht  : Chronos zeigt nun sein Laterna-Magica-Bild den durch Frauen personifizierten vier Kontinenten Europa, Asien, Afrika und Amerika, wobei die Darstellung der Letzteren die Dixon-Graphik kopiert. Mit diesem Verweis auf die vier Kontinente wurde gegenüber der Dixon-Graphik verdeutlicht, dass es nun nicht mehr um britisch-amerikanische Auseinandersetzungen, sondern um eine Revolution von weltgeschichtlicher Bedeutung geht. Im 100

Von der britischen zur amerikanischen Freiheit

Abb. 47  :  Anonym, Orage causé par l’impôt sur le Thé en Amérique, 1778

Zentrum des Bildes ist eine Teekanne zu sehen, die auf einem Feuer steht, das von Frankreich, symbolisiert durch den gallischen Hahn, angefacht wird und am Explodieren ist. Die Explosion schleudert einen Liberty Cap samt Stange zu einer Gruppe amerikanischer Aufständischer, die eine große Fahne schwingt. Vor dieser Gruppe schreitet die personifizierte Amerika, die in ihrer Darstellungsweise der Indianerin gleicht, die vor dem Wandteppich sitzt und die Szene betrachtet. Mit emporgestreckter Hand versucht sie den Liberty Cap, der von der explodierenden Teekanne emporgeschleudert wird, zu ergreifen. Die Botschaft des Künstlers ist klar  : Nicht mehr England, sondern Amerika ist das Land der Freiheit, England hat seine nationale Identität, das Land politischer Freiheit zu sein, verloren. Die französische Abwandlung der Dixon-Graphik kommentierte diese Szene sehr realistisch  : »Mit seiner Laterna Magica lässt Chronos die vier Erdteile sehen, dass der Gewittersturm, den die Engländer also verursacht haben, sie selbst 101

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 48  : James Barry, The Phoenix, or the Resurrection of Freedom, 1776

niederschmettert, und Amerika die Mittel geben wird, sich des Freiheitshutes zu bemächtigen.« Diese Graphiken waren offensichtlich ein derartiger Verkaufserfolg, dass ein anonym bleibender englischer Künstler 1783 seinerseits wiederum die französische bzw. Nürnberger Persiflage der Dixon-Graphik kopierte.189 Die Überzeugung, dass Nordamerika nunmehr die Heimat der Freiheit sei, konnte so weit gehen, dass nicht nur die Abwanderung der britischen Freiheit konstatiert wurde, sondern der Exodus der gesamten europäischen Freiheitsidee. Dies thematisierte der aus Irland stammende und sich später der Französischen Revolution zuwendende Künstler James Barry 1776 in einer Radierung mit dem Titel »Der Phoenix, oder die Auferstehung der Freiheit« (Abb. 48).190 Im Vordergrund wird nicht allein die britische, sondern auch die europäische Freiheit beerdigt. Man sieht, wie Chronos Blumen über die Überbleibsel von Athen und Rom streut. Rechts daneben liegt die Freiheit auf einem Totenbett und wird von den der Idee der Freiheit verpflichteten Autoren Algernon Sydney, John Milton, Andrew Marvell, John Locke und dem Künstler selbst betrauert. Im Hintergrund erscheint Nordamerika als neuer Hort der Freiheit. Inmitten einer arkadischen Landschaft steht ein antikisierender Rundtempel, auf dessen Kuppeldach die Liberty erstrahlt und den Liberty Cap auf einer Stange empor102

Von der britischen zur amerikanischen Freiheit

Abb. 49  :  Anonym, America Triumphant and Britannia in Distress, 1782

hält. Der politisch engagierte Künstler bringt sehr radikal zum Ausdruck, dass die europäische Tradition persönlicher und politischer Freiheit an ihr Ende gelangt sei, aber in Nordamerika nun wieder auferstanden eine neue Heimstatt gefunden habe.191 Das Thema der Übersiedelung der Freiheit nach Nordamerika wurde in Druckgraphiken immer wieder und auf unterschiedliche Weisen umgesetzt. In einer amerikanischen Graphik aus dem Jahr 1782 wird das »triumphierende Amerika« der trauernden Britannia gegenübergestellt (Abb. 49).192 Hier ist nicht mehr wie früher »America in distress«193, sondern die Britannia. Vor der Kulisse von New York, so der erklärende Begleittext, und vor der Flagge der Vereinigten Staaten sitzt die Amerika mit einem Olivenzweig als Zeichen des Friedens in der ausgestreckten rechten Hand und begrüßt die französischen, spanischen und holländischen Handelsschiffe. In ihrer linken Hand hält sie auf einer Stange den Liberty 103

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Cap, der nicht allein die politische, sondern auch die Handelsfreiheit symbolisiert. Der durch den Handel bewirkte wirtschaftliche Aufschwung Amerikas lässt die Britannia trauern. Die britische Flagge fällt von einer Hafenbefestigung, hinter der Britannia sieht man den Ungeist, der am Verlust der nordamerikanischen Kolonien schuld war. Diese Darstellung der Liberty, die Amerika personifiziert, ist eine fast »identische Kopie der Britannia in dem von Cipriani entworfenen, … die britische Freiheit verherrlichenden Druck ›Liberty or Britannia‹ aus dem Jahr 1775«194 (Abb. 31). Gerade diese Assoziation der amerikanischen Liberty mit den früheren verherrlichenden Darstellungen ihres britischen Gegenparts verweist auf ein neues Selbstbewusstsein, nun in Amerika die Fackel der Freiheit weiterzutragen. Die Vorstellung, dass Nordamerika zu einem Land der Freiheit geworden sei, war in Teilen der englischen Bildpublizistik der 70er und beginnenden 80er Jahre des 18.  Jahrhunderts durchaus positiv besetzt. Henry Gardiner aus Surrey (England) etwa veröffentlichte 1784 eine Komposition, die die wichtigsten Ereignisse zwischen 1776 und 1783 schildert (Abb.  50). Ganz oben werden die Namen der 13  Gouverneure genannt, verwiesen wird des Weiteren auf die Unabhängigkeitserklärung und auf die Verträge mit Frankreich. In den vier Ecken sieht man die Portraits von John Hancock, Henry Laurens, General Lincoln und General Green. All dies bildet allerdings nur einen Rahmen historischen Gedächtnisses für das Medaillon im Zentrum des Bildes. An hervorgehobener Stelle in der Mitte dieses Medaillons thront unter einer Palme die Indian Princess, damals noch eine Form der Personifikation Amerikas, mit ihrer Federkrone sowie mit Pfeilen und einem Bogen. Rechts macht der in eine Generalsuniform gekleidete George Washington mit einer freundlichen Geste die Liberty mit Amerika bekannt. Links steht Benjamin Franklin in der Kleidung eines römischen Senators. Vor ihm sitzt die Personifizierung des Handels, die der majestätisch thronenden Indian Princess Waren aus verschiedenen Ländern anbietet. Die aufgehende Sonne im Hintergrund bezeichnet, wie üblich, den Beginn einer neuen Zeit, und das Schiff mit amerikanischer Flagge verspricht einen regen Überseehandel. Diese idyllische Szene wurde den politischen Umbrüchen jener Jahre indes nur zum Teil gerecht. Nach dem Unabhängigkeitskrieg und dem Frieden von Paris verkörpert die im Zentrum wie eine Herrscherin Hof haltende Indian Princess den Bruch mit der britischen Monarchie. Die Indian Princess repräsentiert das Amerika, dem die Gründungsväter eine freiheitliche politische Ordnung gebracht haben. Die hier symbolisierte Harmonie zwischen Kolonisten und Ureinwohnern lässt die sich konstituierenden Vereinigten Staaten in eine hoffnungsvolle Zukunft blicken.195 Dass die Ureinwohner der Vereinigten Staaten an dieser hoffnungsvollen Zukunft keinen Anteil haben konnten, konnte der englische Künstler natürlich nicht absehen. 104

Von der britischen zur amerikanischen Freiheit

Abb. 50  : Henry Gardiner, Governors of ye United States of America, englisches Taschentuch von ca. 1784

Derartigen positiven Würdigungen der in England äußerst umstrittenen Entwicklung in den nordamerikanischen Kolonien steht eine beträchtliche Zahl von Graphiken gegenüber, die mit der prekären politischen Situation Großbritanniens zugleich eine abhandenkommende Freiheit beklagen. So zeigt eine Graphik von James Phillips mit dem Titel »Der gegenwärtige Zustand von Großbritannien« aus dem Jahr 1779 (Abb. 51) einen schläfrigen John Bull als Personifikation Großbritanniens, der unter seinen verschränkten Händen einen Stab mit einem etwas unförmigen Liberty Cap hält. Ein nur spärlich mit Bastrock bekleideter Indianer mit Federschmuck, der Amerika symbolisiert,196 versucht dem schläfrigen John Bull den Liberty Cap zu entwenden.197 Eine weitere Attacke erfolgt rechts unten, wo ein knieender Holländer mit einem großen Hut dabei ist, John Bull die Geldbörse zu stehlen. Links steht ein kämpferischer Schotte im »Highland Dress«, der mit der einen Hand hinter dem Rücken John Bulls den Stab mit dem Liberty Cap fest105

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 51  : James Phillips, The Present State of Great Britain, 1779

hält. Mit der anderen Hand versucht er die grimmige Personifikation Frankreichs, erkennbar an der toupierten Frisur und den Lilien, auf Distanz zu halten. Dieser Künstler vermittelt, dass sich England bzw. Großbritannien zwar nach wie vor als das Land der Freiheit verstehe, dass die Verteidigung der englischen Freiheit jedoch erlahmt sei. Die englische Freiheit droht in seiner Vision nach Nordamerika entführt zu werden, weil Großbritannien sich gezwungen sieht, sich mit Frankreich und den Niederlanden auseinanderzusetzen. Das Konstatieren der Auswanderung der englischen Freiheit als Tenor der regierungskritischen liberalen Bildpublizistik blieb nicht ohne Kritik. Die konservativ orientierte politische Graphik sah in dem amerikanischen Anspruch, Erbe britischer Freiheit zu sein, ein verfehltes Verständnis von Freiheit. Im Gegensatz zu der alten englischen, rechtlich gebundenen Freiheit, sei die amerikanische Freiheit zügellos und Verderben bringend.198 Englische satirische Darstellungen diskreditieren die neue amerikanische Freiheit damit, dass sie nicht mehr der Indian Princess als einer majestätischen indianischen Personifikation Amerikas, sondern den Ureinwohnern und damit »Wilden« zugeordnet wird.199 Dieser zügellosen Freiheit des Naturzustandes  – die Gesellschaftsvertragstheorien werden symbolisch angesprochen  – wird der Ausgleich von Ordnung und Freiheit in Großbritannien gegenübergestellt. Dies gilt etwa für den Damenboxkampf zwischen Mutter und Tochter, bei dem die das Mutterland verkörpernde Frau die von ihr 106

Von der britischen zur amerikanischen Freiheit

als »Rebellious Slut« bezeichnete Amerika zum Gehorsam zwingen möchte. Welcher Gehorsam dies sein soll, lässt der Künstler allerdings offen (Abb. 52). Immerhin ist der Baum englischer Freiheit links unten am Absterben, ein Hinweis auf die dekadent gewordene Kultur Englands.200 Die »Rebellious Slut«, als junge, kampfeslustige Indianerin die Repräsentantin Nordamerikas, fordert mit dem neben ihr liegenden Liberty Cap »Liberty for ever Mother while I exist«. Ihre Freiheitsforderung wird durch einen emporwachsenden Freiheitsbaum, als solcher durch einen Liberty Cap gekennzeichnet, als zukunftsfähig symbolisiert. Das Schild mit dem gallischen Hahn an diesem Freiheitsbaum erinnert an die französische Hilfe bei den Auseinandersetzungen mit Großbritannien. Die Aussage dieser Bildsatire bleibt, wie des Öfteren bei dieser Kunstgattung, ambivalent  : Halbnackt und nur mit einem Federkleid geschürzt, Abb. 52  : Anonym, The Female Combatants, 1776 lässt sich die Darstellung amerikanischer Freiheit mit sexueller Ausschweifung und Zügellosigkeit assoziieren.201 Positiver gewendet kann man die »Rebellious Slut« aber auch als Verfechterin einer naturrechtlich begründeten Freiheit ansehen, die sich mit Macht über alle historisch begründeten Gehorsamsgebote hinwegsetzt. Alles in allem hat sich in der kurzen Spanne zwischen Mitte der 60er und Mitte der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts ein grundlegender Wandel in der britisch-amerikanischen Freiheitssymbolik vollzogen. Die Liberty repräsentierte zunächst die britische freiheitliche Verfassungstradition, um deren Erhalt und Fortentwicklung sowohl in Großbritannien als auch in den nordamerikanischen Kolonien gerungen wurde. Mit der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika verstand sich Amerika wie früher England bzw. Großbritannien nunmehr als das Land der Freiheit. Ebenso wie die Kolonisten war die Freiheit nach Amerika ausgewandert, was in der Bildpublizistik diesseits und jenseits des Atlantiks vermittelt wurde. Die Symbolform der Liberty mit ihrem Liberty Cap blieb, wie noch zu zeigen sein wird, in Nordamerika präsent. Sie war nunmehr aber amerikanisiert und hatte einen neuen kulturellen und historischen Kontext. Die in der Bildpublizistik immer wieder vermittelte Vorstellung, die alte, ein ums andere Mal gegen die britische Regierung verteidigte englische Freiheit sei in ihrem Mutterland an ihr Ende gelangt und habe in den nordamerikanischen Kolonien, wo sie zur Grundlage der politischen Ordnung geworden ist,202 eine 107

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

neue Heimat gefunden, gehört zum US-amerikanischen Gründungsmythos. Denn diese Vorstellung setzte den Bruch mit dem britischen politischen System voraus und legitimierte ein neues Verständnis von amerikanischer Freiheit, die an sich aber nichts anderes ist, als die situations- und zeitgerechte Fortentwicklung alter englischer Freiheit. 2.6 Die Liberté im vorrevolutionären Frankreich  : ein Symboltransfer aus Nordamerika  ? In Frankreich war die Liberté mit der Freiheitsmütze bereits vor der Französischen Revolution ein nicht unbekanntes Sinnbild der Freiheit, das auf eine Umgestaltung der politischen Ordnung verweist. Die Wendung zur Neuorientierung dieses Freiheitssymbols kündigte sich wohl erstmals anlässlich der Veröffentlichung von Schriften Rousseaus an. Seine beiden zentralen Werke »Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes« (1755) und »Du Contract Social« (1762) (Abb.  97) zeigen jeweils als Frontispiz die Libertas mit dem Freiheitshut auf der Stange. Die Verwendung des Freiheitshutes lässt sich auf den Druckort Amsterdam zurückzuführen, weil dieser in den Niederlanden, wie gesehen, weitverbreitet war.203 Im Gegensatz zu der alten ständischen Freiheit und zur monarchischen Herrschaft ging es Rousseau um eine Neubestimmung dessen, was die Grundlage einer freiheitlichen, egalitären und demokratischen Ordnung sein muss. Das Freiheitssymbol auf dem Frontispiz zu Rousseaus Schriften hat damit eine neue, auf die politische Theorie des Verfassungsstaates weisende Bedeutung erhalten. Jenseits dieser Neuorientierung der staatswissenschaftlichen klassischen Schriften verwies die Liberté seit den ausgehenden 70er Jahren des 18. Jahrhunderts in aller Regel auf den nordamerikanischen Freiheitskampf und symbolisierte die Möglichkeiten einer sich neu entwickelnden freiheitlichen Ordnung. Spiritus rector der weitverbreiteten, auf Nordamerika bezogenen französischen Bildpublizistik war Benjamin Franklin. Er hielt sich seit 1776 als Botschafter der Vereinigten Staaten in Paris auf, war dort in den Salons, etwa einer Madame Helvetius, ein gern gesehener Gast und verkörperte schlechthin die Neue Welt. So verwundert es nicht, dass Franklin immer wieder in Graphiken verewigt wurde. Der große Freundesund Künstlerkreis um Franklin verwandte dabei immer wieder die Liberté oder die Freiheitsmütze, um gemeinsam mit ihm die neue freiheitliche Ordnung Amerikas zu visualisieren. Zum Beispiel zeigt ein von dem Kupferstecher und Illustrator Antoine Borel entworfener Stich aus dem Jahr 1778 Franklin in einer allegorischen Szene.204 Er verweist auf eine Personifizierung Amerikas mit indianischer Federkrone, daneben dominiert eine stehende Libertas mit einem Freiheitshut die Szene, 108

Die Liberté im vorrevolutionären Frankreich

Abb. 53  : Anne Rosalie Bocquet Filleul, Benjamin Franklin, 1780

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Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

die den siegreichen Kampf gegen die Fesseln der Unfreiheit schildert. Ebenfalls 1778 schuf der Kupferstecher Abbé de Saint-Non in Gegenwart Franklins eine Radierung, auf der die Libertas in einem Strahlenkranz die amerikanische Hemisphäre begrüßt und Franklin mit einem Kranz bekrönt.205 Zwei Jahre später wurde Franklins Portrait in einer weiteren Radierung in einem tonnenähnlichen Rahmen, der von Diogenes gehalten wird, dargestellt (Abb. 53).206 Der antike Diogenes, der mit der Laterne am hellen Tag auf dem Markt von Korinth nach dem »wahren Menschen« suchte, wurde im 18. Jahrhundert zu einer Symbolgestalt der Aufklärung.207 Seine Laterne, die er auch in diesem Bild in der Hand hält, verbreitet das Licht der Aufklärung, das Licht, das die neue politische Wahrheit sichtbar werden lässt. Hinter Diogenes steckt ein Pileus auf einem Speer und schwebt gleichsam über ihm und dem Franklin-Portrait. In der Graphik verbindet sich die Laterne als Lichtsymbol mit dem Pileus als Freiheitssymbol, um den Menschen zu charakterisieren, den Diogenes suchte, nämlich Franklin. Er repräsentiert jenen »neuen Menschen«, der die politische Theorie der Aufklärung in praktische Politik umzusetzen vermag und Amerika in die Freiheit führt. Franklin wusste immer wieder, Künstler zur Gestaltung von Werken mit Freiheitssymbolen zu inspirieren. Augustin Dupré, der später während der Französischen Revolution äußerst erfolgreich die politische Symbolik gestaltende klassizistische Medailleur, gehörte zu Franklins Künstlerfreunden.208 Auf Franklins Anregung 209 hatte er 1783, im Jahr des auch von Franklin vermittelten Abschlusses des Friedens- und Handelsvertrages zwischen Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika, eine Medaille zu dem Motto »Libertas Americana 4 juil. 1776« geprägt (Abb. 54).210 Franklin hatte als Ideengeber dieser Medaille auf die amerikanische Unabhängigkeitserklärung für die Gestaltung des Revers präzise Vorgaben gemacht  : Frankreich, als Minerva mit Speer und Helm personifiziert, verteidigt Amerika, als ein »infant Hercules« dargestellt, gegen einen angreifenden englischen Löwen.211 Mit dem Revers dieser Medaille sollte der Dank an Frankreich für die Unterstützung im Freiheitskampf zum Ausdruck gebracht werden, zugleich aber auch mit dem Avers, dass der noch kleine Herkules Amerika für eine neue freiheitliche politische Ordnung steht. Die neue Freiheit Nordamerikas in Symbolform zu fassen, war seit Längerem Franklins Anliegen. Er hatte bereits 1748 begonnen, mit eigenen Entwürfen auf die Gestaltung der damals noch im britischen Kontext stehenden politischrechtlichen Symbolik Nordamerikas einzuwirken, auch mit einer Liberty, einen Liberty Cap tragend.212 In der Bildpublizistik konnten sich seine Entwürfe allerdings nicht durchsetzen. Er hat jedoch mit seinen Anregungen die in Nordamerika, wie gesehen, aus der englisch-amerikanischen Bildpublizistik bekannte revolutionäre Konnotation der Freiheitssymbolik an Augustin Dupré und damit an jenen Künstler vermittelt, der in den Jahren der Französischen Revolution für 110

Die Liberté im vorrevolutionären Frankreich

Abb. 54  : Dupré, Medaille Libertas Americana, 1783

die Gestaltung der politischen Symbolik auf Münzen und Medaillen zuständig war.213 Auf Duprés Medaille ist die Libertas mit ihrem Attribut des Pileus auf der Vorderseite der Medaille, also die Symbolik für die Unabhängigkeit und Freiheit Amerikas, antiken Vorbildern nachempfunden. Der Pileus hinter dem Kopf der Libertas als Stilelement ist aus römischen Denaren bekannt.214 Bei der Gestaltung des Kopfes der Libertas dürfte sich Dupré an einer griechischen Dekadrachme orientiert haben, die von Euainetos in Syrakus zu Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. geschaffen wurde (Abb. 55). Das klassische Profil der antiken Arethusa steht nun für das Ideal einer sich stürmisch nach vorn bewegenden Freiheit. Ihre fliegenden Haare mag Dupré ebenfalls von antiken Vorbildern übernommen haben, möglicherweise von der Tetradrachme des Mithradates VI Eupator Dionysos.215 So hat eine der ausdruckstärksten Münzen der griechischen Antike die revolutionäre Freiheitssymbolik und das nurdamerikanische Münzgeld, wie noch zu zeigen sein wird, zu prägen vermocht. Die an antike Vorbilder angelehnte Liberté mit ihrer Freiheitsmütze wirkte in Duprés späterer revolutionärer Symbolik stilbildend. Sie wurde geradezu zur Blaupause der Freiheitssymbolik des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts. Franklin und Dupré hatten mit dieser Medaille an die nordamerikanische Freiheitssymbolik angeknüpft und der späteren Freiheitssymbolik der Französischen Revolution sowie einiger südamerikanischer Staaten216 vorgegriffen.217 111

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 55  : Euainetos, Dekadrachme, 4. Jh. v. Chr.

Ein vorrevolutionärer Symboltransfer erfolgte des Weiteren durch französische Künstler, die den Kampf der Vereinigten Staaten von Amerika um ihre Unabhängigkeit und Freiheit glorifizierten. Von vielen französischen Graphiken der ausgehenden 1770er 218 und 1780er Jahre wurde die Liberty und der Liberty Cap aufgegriffen. Dabei ging es auch wie in England um die Vermarktung französischer Waren in Nordamerika. So hat etwa Jean Baptiste Huet 1783 für den florierenden Export der nahe Versailles gelegenen Manufaktur Oberkampf ein Textildesign mit dem Titel »America Paying Homage to France« entworfen. Zentrale Figuren einer idyllischen Szene sind die France mit einer Krone und einem Wappenschild, die Indian Princess in einem Federkleid und mit Federkrone sowie die Liberty mit dem Liberty Cap auf einer Stange.219 Jenseits dieses Firmenmarketings thematisierte die Bildpublizistik die ökonomischen Interessen Frankreichs an der Unabhängigkeit der nordamerikanischen britischen Kolonien. Ein anonymer Stich von ungefähr 1780 zeigt unter dem Titel »Das Schicksal bedrängt die Engländer« den im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg allerdings wenig erfolgreichen französischen General Charles Hector Comte d’Estaing, wie er einer Personifikation Amerikas einen Palmzweig reicht.220 Die durch eine Indianerin mit einer Federkrone und einer Freiheitsmütze auf einer Stange personifizierte Amerika thront auf Fässern und Kisten, die nach Frankreich exportiert werden sollen. Diese symbolische Verbindung von politischer Freiheit und Handelsfreiheit zeigt, dass sich Frankreich im Befreiungskampf auch aus ökonomischen Gründen auf die Seite der Kolonisten geschlagen hat, nachdem Amerika ein wichtiger Handelspartner geworden war. 112

Tellenhut und Pileus als Freiheitssymbole der Schweiz

Und nicht zuletzt begleiteten französische Künstler die Loslösung der nordamerikanischen Kolonien von Großbritannien mit Graphiken, die sowohl in Frankreich als auch in Nordamerika verbreitet gewesen sein dürften.221 So sieht man etwa auf einer aus dem Jahr 1786 stammenden Graphik von Jean Duplessis-Bertaux mit dem Titel »Indépendence des États-Unis« 222 eine Indianerin mit der Freiheitsmütze auf einer großen Stange, die mit einem Caduceus auf ein Monument mit den Medaillons von Ludwig XVI., Franklin und Washington zeigt. Die Inschrift des Monuments verweist auf den Beitrag Ludwigs XVI. zur Freiheit Amerikas und zum freien Seehandel. In dieser Inschrift wird Ludwig  XVI. bereits als »libérateur« bezeichnet, worin sich fast ein Vorgriff auf dessen späteren sehr schmeichelhaften Revolutionstitel eines »restaurateur« französischer Freiheit (Abb. 89) sehen lässt. Wegen der weiten Verbreitung der entsprechenden Bildpublizistik ließ sich die Symbolik, die zunächst nur für die amerikanische revolutionäre Freiheit stand, ohne Weiteres auf die Gestaltung der französischen Revolutionssymbolik übertragen. Jene französischen Künstler, die zu Ende des Ancien Régime die amerikanische Symbolik der Liberty mitgestaltet hatten, konnten diese nach 1789 nahtlos zur französischen Symbolik der Liberté ausformen. Auch mag die französische Amerikabegeisterung unterschwellig die Anlehnung an die amerikanische Freiheitssymbolik begünstigt haben. Damit soll kein einseitiger Rezeptionsvorgang behauptet werden. Haben doch die französischen Künstler auch unabhängig von nordamerikanischen Einflüssen aus antiken Quellen und aus der Überlieferung der Emblematawerke geschöpft. Der Schluss liegt damit nahe, dass nicht nur die Formulierung der »Déclaration des droits de l’homme et du citoyen«, sondern auch die revolutionäre französische Freiheitssymbolik den Vereinigten Staaten wesentliche Anregungen verdanken.223 Die Symbolik der Freiheitsmütze hatte allerdings im vorrevolutionären Frankreich noch keine besondere Assoziationskraft. Als Franklin 1783 die von Dupré geschaffene Medaille Ludwig XVI. präsentierte und gar noch eine weitere DupréMedaille, auf der der König von seinem Thron auf die Liberté mit einem Pileus auf einer Lanze weist, zeigte sich der französische König hiervon sehr angetan.224 Dies dürfte am 20. Juni 1792 nicht mehr der Fall gewesen sein, als die Tuilerien erstürmt wurden und Ludwig XVI. die Jakobinermütze, also der »bonnet rouge« (Abb. 105), aufgezwungen wurde. 2.7 Tellenhut und Pileus als Freiheitssymbole der Schweiz In der Schweiz ist der Freiheitshut bzw. die Freiheitsmütze seit dem Ende des 16. Jahrhunderts bekannt.225 Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts ist sie auch in der 113

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Staatsrepräsentation gebräuchlich. Auf Darstellungen an und in den Rathäusern Berns und Zürichs symbolisierte die nach antikem Vorbild als Mütze, in Zürich mit sehr schmaler Krempe, gestaltete Kopf bedeckung die souveräne Herrschaft nach außen und die freiheitliche, nicht tyrannische politische Ordnung im Innern.226 In der politischen Graphik des beginnenden 18.  Jahrhunderts standen eine Freiheitsmütze oder ein Freiheitshut mit breiter Krempe für die politische Unabhängigkeit einer freien Schweiz und für eine ständische Selbstverwaltung, in der lokale Freiräume gemeinschaftlich gestaltet werden können. Mit der Freiheitssymbolik wurde damit ausgedrückt, was über lange Zeit Grundlage der Akzeptanz der eidgenössischen politischen Ordnung war. Freiheitsmütze und -hut stehen zudem für eine von Gott gewollte freiheitliche Ordnung. So legitimiert etwa das Frontispiz der 1722 erstmals erschienenen Neuausgabe von Josias Simlers »Von dem Regiment der Lobl. Eydgenoßschaft« (Abb. 56), dem häufig aufgelegten Standardwerk zum eidgenössischen Staatsrecht, die freiheitliche politische Ordnung der Schweiz dadurch, dass sie mit dem Freiheitshut im göttlichen Strahlenkranz unmittelbar auf die göttliche Trinität zurückgeführt wird. Unterhalb des Dreiecks im Strahlenkranz, dem christlichen Symbol der Trinität, halten zwei barocke Putten einen Freiheitshut, der den Bezugspunkt und den zentralen Baustein der sich darunter befindlichen symbolischen Charakterisierungen der Schweizer Eidgenossenschaft vergegenwärtigen soll. Der Freiheitshut verweist zunächst auf die Unabhängigkeit der Schweiz von auswärtigen Staaten und auf die Freiheit von fremder Herrschaft,227 die in kriegerischer Auseinandersetzung errungen wurde, wie die Darstellung eines Landsknechts mit einer Kanone und dem Löwen als Sinnbild für die Stärke zu verstehen gibt. Die Abundantia rechts unten mit ihrem Füllhorn und die idyllischen Alpenlandschaften links und rechts stehen für das wirtschaftliche Wohlergehen einer freiheitlichen Schweiz. Der Freiheitshut über dem Rütli-Schwur im Zentrum des Frontispizes symbolisiert das politische Credo des Gründungsmythos, nämlich die Einheit von politischer Einigkeit und Freiheit durch Selbstbestimmung in der Schweizer Eidgenossenschaft. Die beiden Urnen mit dem ewigen Licht neben den beiden Putten beschwören die gottgewollte Ewigkeit der politischen Ordnung der Schweiz. Der Freiheitshut, der über dem Staatswesen thront und dieses legitimiert, ist ikonographisch mit der Krone der europäischen Monarchien vergleichbar. Im Zeichen der Trinität symbolisiert er eine Freiheit von Gottes Gnaden ebenso wie Kronen in vergleichbarem Kontext eine Monarchie von Gottes Gnaden bezeichnen. Eine andere ikonographische Traditionslinie des Schweizer Freiheitshutes führt zum Tell-Mythos. Der Freiheitshut des Tell-Mythos, ein Hut mit breiter Krempe und bisweilen mit einem Federbusch, trat der auf die Antike rückführbaren Frei114

Tellenhut und Pileus als Freiheitssymbole der Schweiz

Abb. 56  : Johann Melchior Füssli, Frontispiz zu Josias Simler, Von dem Regiment der Lobl. Eydgenoßschaft, 2. Aufl., 1735

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Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

heitsmützensymbolik zur Seite. Wollte doch der Legende zufolge der Landvogt Gessler einen Hut zum Emblem tyrannischer Unterwerfung machen, als er forderte, dass jeder seinen auf dem Marktplatz auf der Spitze einer Stange ausgestellten Hut grüßen müsse. Tell, zu dieser symbolischen Unterwerfung nicht bereit, hat seinen Hut nicht gezogen. Die bildliche Vermittlung der Weiterungen dieser Verweigerung ließ den Tellenhut zum Symbol Schweizer Freiheit werden. Der mit einem Federbusch versehene Tellenhut stand seit Beginn des 18. Jahrhunderts für die Freiheit der Schweiz von Fremdherrschaft. Er begegnet uns etwa auf einer von Johann Jakob Gessner um 1712 geschaffenen Medaille auf die Eidgenossenschaft, auf der ein Schweizer Krieger einen Freiheitshut mit Federbusch auf einer Lanze mit sich führt.228 Die Form der Kopf bedeckung näherte sich der des antiken Pileus an, wenn eine nur noch angedeutete Krempe zur Mützenform überleitet. In einer von Johann Karl Hedlinger 1734 geschaffenen Medaille auf die Schlacht von Morgarten im Jahre 1315229 findet sich unter dem Motto »Fundamentum libertatis helveticae« ein aufrechter Löwe mit dem Schweizer Wappen in der einen und dem Schwert mit einem mützenähnlichen Freiheitshut an dessen Spitze in der anderen Pranke, wie er über Sinnbilder militärischer Auseinandersetzungen schreitet. Das Schwert mit dem Freiheitssymbol verkörpert hier nicht allein die Freiheit und Unabhängigkeit der Schweizer Kantone, sondern auch der Schweiz insgesamt.230 An ein ganz anderes Freiheitsverständnis wurde angeknüpft, wenn die Freiheitssymbolik zur Legitimation der aristokratischen Obrigkeit in den Städten wie etwa in Bern verwendet wurde. Hier wurde versinnbildlicht, dass das aristokratische Stadtregiment die Unabhängigkeit nach außen verteidigt und dass die Stadtverfassung im Innern nicht zu einer Tyrannis entartet.231 So wird etwa auf dem von dem Genfer Medailleur Jean Dassier geschaffenen und ab 1742 ausgegebenen Sechzehnerpfennig 232 der Wahlkollegien der »Respublica Bernensis« ein martialischer Berner Löwe dargestellt, der in seiner rechten Klaue ein erhobenes Schwert mit aufgepflanzter Freiheitsmütze mit angedeuteter Krempe hält (Abb.  57). Das auf den Sechzehnerpfennigen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gebräuchliche Motto »Liberis curae libertas« 233 wird von Dassier bei seiner Darstellung des Berner Löwen wieder aufgegriffen. Dieser macht mit der Verbindung einer wehrhaften Rüstung mit einem Freiheitssymbol bewusst, dass das freiheitliche Stadtregiment in religiösen Auseinandersetzungen ebenso wie die helvetische Freiheit mit Waffengewalt errungen wurde 234 und künftig ebenso verteidigt werden wird. Auf der Rückseite der Medaille sieht man die Voraussetzungen der Berner »Felicitas Reipublicae«  : ein Stadtregiment, das im Innern einig mit dem Schwert der Gerechtigkeit regiert, an die auf einem Altar aufgeschlagenen »leges fundamentales« gebunden ist und sich von (der Eule der) Weisheit und (dem Kranich der) Wachsamkeit führen lässt. 116

Tellenhut und Pileus als Freiheitssymbole der Schweiz

Abb. 57  : Jean Dassier, Sechzehnerpfennig der »Respublica Bernensis«, 1742

Die politische Wirklichkeit entsprach freilich nicht der Symbolik einer freiheitlichen Stadtverfassung. Aristokratische und oligarchische Strukturen verhinderten eine politische Beteiligung der Bürgerschaft am Stadtregiment.235 Um dieses autoritäre System aufzubrechen, wandte sich die in Zünften gegliederte Bürgerschaft in den Städten immer wieder gegen Korruption, gegen Vetternwirtschaft und gegen die Macht der einflussreichen Familien, die eine breitere bürgerschaftliche Beteiligung am Stadtregiment verhinderten. Zudem entstand eine von Aufklärungsideen inspirierte Oppositionsbewegung, die auf republikanische Reformen drängte. So kam es in Basel im Jahr 1691 zu einem Aufstand der Bürgerschaft gegen die Oligarchie der Ratsfamilien. Anders als in anderen Schweizer Städten führte dieser Aufstand zu Modifikationen der Stadtverfassung  : Der große Rat erhielt erweiterte Befugnisse, mit denen er die Tätigkeit des kleinen Rates besser kontrollieren konnte. Auf die Beendigung der gewaltsamen Auseinandersetzungen wurde 1692 eine Medaille geprägt, auf deren Vorderseite sich die Minerva mit Schild und die Basilea mit Freiheitshut vor der Stadt stehend die Hände reichen (Abb. 58).236 Die lateinische Inschrift spricht von der Freude, die bei Rat und Volk herrscht, sowie von der Vereinigung im ewigen Bund, also durch die Stadtverfassung. Auf anderen Medaillen wird an die antike Pileus-Symbolik angeknüpft, um die Leistungen des Basler Stadtregiments zu würdigen.237 So sieht man auf einer Medaille von 1710, wohl auf das 250-jährige Bestehen der Universität Basel geprägt, in einer antikisierenden Darstellung zwei in Togen gekleidete Senatoren, die unter dem Motto »Providentia Senatus« 238 eine Statue der Freiheit mit einem Lorbeerzweig in der linken und einem Pileus in der rechten Hand in ihrer Mitte emporhalten.239 Gerühmt wird also das auf Freiheit gegründete Stadtregiment, das 117

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

eine vorsorgende Politik betreibt. Auf einer Verdienstmedaille aus dem Jahre 1767 wird die hier so bezeichnete »Basilia« mit dem Pileus auf einer Stange ebenso als Symbol für die Freiheitlichkeit des Basler Stadtregiments dargestellt,240 während 1793 auf einer sehr ähnlich gestalteten Verdienstmedaille die »Basilia« auf der Stange den Tellenhut präsentiert.241 Im Gebrauch der Freiheitssymbolik bestehen zwischen der Schweiz und Deutschland deutliche Unterschiede. Den deutschen Künstlern ist die Freiheitssymbolik durchaus bekannt, gelegentlich begegnet man ihr auch im öffentlichen Raum, wie wir gleich sehen werden. Anders aber als etwa in Abb. 58  : Gabriel Le Clerc, Medaille auf die den freien Reichsstädten Deutschlands wird in eiBeendigung des Baseler Aufstandes, 1692 nigen Schweizer Kantonen bzw. Städten die Freiheitlichkeit der Stadtverfassung in symbolischer Form zum Bezugspunkt kollektiven politischen Bewusstseins gemacht. Die Freiheitlichkeit der Stadtverfassung war zwar immer wieder Veranlassung für Kritik oder gar für Aufstände, sie blieb aber bis zur Französischen Revolution die auch symbolisch vergegenwärtigte Leitidee der Legitimitätsvorstellungen der bürgerschaftlichen Bevölkerung. 2.8 Der andere Weg in den Verfassungsstaat  : Rechtsstaatssymbolik in Deutschland Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erreichte die Freiheitssymbolik nicht den politischen Stellenwert wie in Großbritannien, in den Vereinigten Staaten von Amerika oder auch bereits im vorrevolutionären Frankreich. Wenn auch bei den Kämpfen um die persönliche und politische Freiheit nicht genutzt, war die Freiheitssymbolik gleichwohl durchaus bekannt. Wir haben immer wieder auf deutsche Medailleure und Graphiker aufmerksam gemacht, die für eine visuelle Vermittlung außerdeutscher politischer Entwicklungen die niederländische und englische Freiheitssymbolik verwendeten.242 In der auf Deutschland bezogenen Bildpublizistik begegnet sie uns aber nur gelegentlich und dann meist nur als Beiwerk. So erschienen erstmals im 17. Jahrhundert vereinzelt Libertas-Darstellungen mit einem Freiheitshut.243 Im 18. Jahrhundert traten derartige Darstellungen etwas häufiger auf, z. B. in der ca. 1760 von Georg Hertel herausgegebenen deutschen Ausgabe von Ripas Iconologia, des in Europa am weitesten verbreiteten Emblematawerkes.244 Sie zeigt die Libertas als sitzende Minerva, die einen Hut auf einer 118

Der andere Weg in den Verfassungsstaat

Lanze hält.245 Dieser ist ein Wilhelm-Tell-Hut, wie der Hinweis auf den Schweizer Freiheits­ kampf in der Bildunterschrift nahelegt. Dass die Freiheit zu den höchsten Werten der Rechts- und Verfassungsordnung gehört, wurde im Deutschland des 18.  Jahrhunderts zwar in staatstheoretischen Schriften entwickelt, aber kaum symbolisch thematisiert. Eine Verbindung von Freiheit und öffentlichem Recht 246 findet sich, soweit ersichtlich, nur auf dem Hamburger Goldportugaleser zu 10  Dukaten aus Anlass der 100-Jahrfeier des Westfälischen Friedens (Abb. 59). Auf dem Revers sieht man die an einen Altar Abb. 59: Andreas Vestner, Hamburger gelehnte Germania, die ein aufgeschlagenes Buch Goldportugaleser, o. J. (1748) mit der Aufschrift »Ius Publ[icum]« und zugleich eine Lanze mit einem Freiheitshut hält  ; die Inschrift auf dem Altar verweist auf den Westfälischen Frieden. In der Umschrift wird für die kommenden Zeiten geraten, dass an dieser vorzüglichen rechtlichen Rahmensetzung festgehalten werden solle. Das im Zentrum stehende Freiheitssymbol verweist auf die neue, durch den Westfälischen Frieden gestiftete freiheitliche Ordnung des Reichsrechts, die sich mit allgemeiner Wohlfahrt verbindet, symbolisiert durch das Füllhorn, mit der die Germania uns entgegentritt. Diese Darstellung bringt ein weitverbreitetes Verständnis von der Freiheitlichkeit Deutschlands zum Ausdruck. So war man bis zur Mitte des 18.  Jahrhunderts über Deutschland hinaus auch in anderen Ländern Europas der Ansicht, dass im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ein freiheitliches Regierungssystem verwirklicht sei. In Frankreich etwa wurde in dem 1754 erschienen Artikel »Constitution« in der von Denis Diderot und Jean d’Alembert herausgegebenen Enzyklopädie lediglich die deutsche Reichsverfassung vorgestellt. In dem sehr ausführlichen Artikel wird u. a. die Verwirklichung ständischer Freiheit in Deutschland recht positiv geschildert, was bei dem französischen Leser zu einer kritischen Betrachtung der eigenen politisch-rechtlichen Ordnung führen musste.247 Das in Deutschland insgesamt eher selten anzutreffende Sinnbild des Freiheitshutes fand sich bisweilen auch an prominenten Orten. Aus dem Bereich öffentlicher Bauten sei Johann Michael Datzeraths Frankfurter Freiheitsbrunnen am Weckmarkt (von 1759) genannt.248 Der Bildhauer schuf eine barocke Personifizierung der Freiheit mit zerbrochener Kette und einem Freiheitshut in der Hand. Erwähnt sei des Weiteren das Titelkupfer zum ersten Band von Friedrich Schillers »Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung« 119

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

aus dem Jahr 1788 (Abb. 60). Hier stimmt der niederländische Geusenhut mit breiter Hutkrempe auf einer Stange, die aus einem Hügel emporragt, auf die Schilderung des niederländischen Freiheitskampfes ein. Warum aber hat die Freiheitssymbolik nur selten die ständische Freiheit in den deutschen Reichsstädten oder die im Westfälischen Frieden geschaffene politische Ordnung repräsentiert  ? Hätte sie doch der oftmals beschworenen »Libertät« der reichsrechtlichen politischen Ordnung symbolische Form geben können. Dem stand jedoch ein besonderer deutscher rechtskultureller Entwicklungspfad entgegen. Die Freiheitssymbolik konnte in Deutschland bis in die Jahre der Französischen Revolution nicht heimisch werden, weil die bewusstseinsprägende Kraft der zentralen politischen, der Legitimation dienenden Prinzipien nur am Rande das Feld persönlicher und politischer Freiheit erfasste. Seit jeher waren Rechtsbewahrung, Rechtssicherheit oder – modern gesprochen – eine bürgerliche Freiheit Abb. 60  : Titelbild zu Friedrich Schiller, Geschichte verbürgende Rechtsstaatlichkeit ein zentrales des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Element der deutschen politischen Kultur, die Spanischen Regierung, Bd. 1, Leipzig 1788 seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zudem den deutschen Weg in den Verfassungsstaat bestimmte. Hierfür steht die klassische Formulierung von Ernst Ferdinand Klein  : »Wer in einer Monarchie lebt, worin die bürgerliche Freiheit gehandhabt wird, (wird) kein Verlangen tragen, ein Republikaner zu werden.« 249 Unter dem Einfluss der Staatsphilosophie Kants befürchtete man, dass demokratische Mehrheiten eine Minderheit entrechten können und votierte für eine vernunftrechtliche Abgrenzung der Freiheit des einen von der Freiheit des anderen.250 Damit besteht ein wesentlicher Unterschied zu Frankreich, wo die politische Theorie der Aufklärung und die durch die Französische Revolution eingeleitete Entwicklung im Gegensatz hierzu die Verwirklichung einer demokratischen Ordnung zum Bezugspunkt hatten. Welches Gewicht die Verwirklichung des Rechtsstaates und mit ihm die Durchsetzung einer Rechtsund Friedensordnung in Deutschland hatte, verdeutlichen die Kompetenzen der Reichsgerichtsbarkeit. Das Reichskammergericht und der Reichshofrat ermöglichten den Ständen – und auch den Untertanen – die gerichtliche Durchsetzung von 120

Der andere Weg in den Verfassungsstaat

Rechten. So gesehen lag es nahe, die Rechtsordnung durch Rechtsreformen, die die Rechtsstaatlichkeit vorantrieben, mit den politischen Ideen der Aufklärung in Einklang zu bringen. Wie weit die Wurzeln moderner rechtsstaatlicher Ordnung in Deutschland in das Alte Reich zurückreichen, lässt sich am Beispiel der Rechtstaatssymbolik nachvollziehen. Stand doch das Gesetz in Deutschland, anders als etwa im vorrevolutionären Frankreich251 oder in anderen Ländern252, über lange Zeit im Zentrum einer an Achtung und Fortbildung des Gesetzes orientierten Herrschafts- und Rechtssymbolik. Seit der Mitte des 18.  Jahrhunderts fand vor allem in Preußen ein Perspektivenwechsel zur aufgeklärten Rechtsreform statt, der durch politischrechtliche Symbolik vermittelt wurde. 2.8.1 Politisch-rechtliche Symbolik und Rechtsreform in Preußen

Wenden wir uns für die Zeit des Umbruchs zur neuen verfassungsstaatlichen Ordnung zunächst der Verfassungsgeschichte Preußens im Spiegel der politischrechtlichen Symbolik zu. Es ist viel darüber gestritten worden, ob das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 verfassungsrechtliche Regelungen enthielt oder nur ein allgemeines Gesetzbuch des preußischen Staates war.253 Soweit es die rechtsstaatlichen Errungenschaften fast eines Jahrhunderts preußischer Rechtspolitik festlegte, kann man es jedenfalls als eine Art von Verfassung für den preußischen Staat bezeichnen. Mit seinen rechtsstaatlichen und freiheitsrechtlichen Verbürgungen stand es, worüber Einigkeit besteht, im Vorfeld moderner verfassungsstaatlicher Entwicklungen.254 Das Entstehen des Preußischen Allgemeinen Landrechts war von einem breiten öffentlichen Diskurs begleitet, der zu einzelnen Vorentwürfen bewusst in Gang gesetzt wurde. Eine Auslobung von Preisen steigerte die ohnehin rege öffentliche Beteiligung am Gesetzgebungswerk. Zu den einzelnen Vorentwürfen gab es jeweils Preisausschreiben, die eingehende Kritik aus Wissenschaft und Praxis wurde sodann im weiteren Fortgang der Gesetzesberatung verarbeitet. So wurde das Preußische Allgemeine Landrecht das erste Gesetzgebungswerk, bei dessen Ausarbeitung eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung zu einer frühen Form fast schon demokratischer Rückkoppelung führte. Die besten Entwürfe wurden mit zwei unterschiedlichen Preismedaillen in Gold im Wert von 50 und 25 Dukaten prämiert. Das Preisgericht war die Gesetzkommission, also jene Institution, die nach dem königlichen Patent vom 29. Mai 1781 u. a. in Zweifelsfragen über die Auslegung von Gesetzen zu entscheiden hatte. Die Preismedaillen waren 1785 von Abraham Abramson, einem der bedeutendsten Medailleure am Berliner Hof, geschaffen worden. Eine von ihnen (Abb. 61) 255 zeigt auf der Vorderseite Friedrich den Großen und verweist mit der Inschrift »Fri121

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 61  : Abraham Abramson, Preismedaille für die beste Stellungnahme zu den Entwürfen für das neue preußische Gesetzbuch, 1785

dericus Legislator« auf dessen Leistungen als Gesetzgeber. Die Rückseite wurde von Johann Oelrichs 1785 aus zeitgenössischer Sicht folgendermaßen beschrieben  : »Der Revers stellt die Gerechtigkeit mit der von den Augen etwas zurückgeschobenen Binde vor, die mit einem in der rechten Hand habenden Schwerd auf die zwey seitwärts liegenden aufgeschlagenen Bücher, auf deren einem  : ordo judicialis, das ist Prozeßordnung, und auf dem andern  : codex legum, das ist Gesetzbuch, stehet, zeiget, mit der linken aber eine gleichstehende Wage hält, in welcher rechten Schaale, ein Hirtenstab und Pflugschaar und in der linken Kron und Zepter liegen  ; dadurch anzudeuten, daß der Bauer, so wie der König, für den Richter gleich seyn müssen.« 256 Die Symbolik dieser Medaille machte bewusst, dass Preußen zielstrebig den Weg der Justiz- und Rechtsreform beschritt, der dem Einzelnen ohne Standesunterschied in gleicher und effektiver Weise Rechtsschutz gewähren möchte. Im Sinne der modernen Abwägungsdogmatik mag zudem assoziiert sein, dass gerechte gesetzliche Regelungen oder richterliche Entscheidungen ein sorgfältiges Abwägen öffentlicher und privater Interessen erfordert. Abraham Abramson hat das Motiv der Waage mit königlichen Insignien in der einen Waagschale und bäuerlicher Arbeitsmittel in der anderen Waagschale nicht als Erster verwendet. Es dürfte vielmehr älteren Emblematawerken entlehnt sein. In der 1553 erschienenen »Morosophie« des Guillaume de La Perrière wurde ein Bild mit der Waage des Todes so erklärt  : »Hält der Tod die Waage in der Hand, dann sind Zepter und Rechen gleich. Dies zeigt, dass Könige und Untertanen gleich wiegen, wenn der Tod kommt.« 257 Der Bedeutungswandel dieser Symbolform, die die 122

Der andere Weg in den Verfassungsstaat

Gleichheit im Tod ausdrückt, zur Symbolform, die königliche Macht in ein Gleichgewicht bringen möchte, ist nur auf den ersten Blick beträchtlich. Sollte doch die Waage des Todes daran erinnern, dass Gleichheit nicht nur das Ende des irdischen Weges beherrsche, sondern bereits beim Durchlaufen dieser Wegstrecke zu üben sei. Andere Vorbilder hatten bereits vor Abramson landwirtschaftliche Geräte und Herrschaftsinsignien in ein Gleichgewicht gebracht 258 und die königliche Macht in der Waagschale mit anderen gewichtigen Interessen abgewogen259. Diese Symbolik begleitete in der Folgezeit Justitia-Darstellungen, die ein Gleichgewicht zwischen monarchischer Gewalt und den Rechten des Volkes anmahnten. Das Titelkupfer zum »Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten« von 1794 (Abb.  62) zeigt unter dem Portrait des »Friedrich Wilhelm der Gesetzgeber« die Justitia ebenfalls mit Krone und Zepter in der einen und dem Hirtenstab und Pflugschar in der anderen Waagschale. Hiermit wurde auf die nun endlich erreichte Rechtsreform mit einigen gegen den Staat gerichteten Freiheitsverbürgungen in diesem neuen Gesetzbuch verwiesen.260 Die Symbolik der Preismedaille setzte sich damit in der Gesetzessymbolik des Preußischen Allgemeinen Landrechts fort. Diese symbolische Ausdrucksform mit hoher Assoziationskraft wirkte bis in die politischen Auseinandersetzungen um die Revolution von 1848 fort. Alfred Rethel griff sie im dritten Blatt seiner Holzschnittfolge »Auch ein Totentanz« vom Mai 1849 (Abb. 63) auf, gab ihr aber eine ganz andere Bedeutung. Der Tod, mit dem Schwert der Justitia vor einem Plakat mit der Aufschrift »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« stehend, hält die Waage der Gerechtigkeit mit der Krone in der einen und einer Pfeife in der anderen Waagschale. Hiermit verbindet sich wie in der gesamten Holzschnittfolge die Botschaft, dass die Revolution des Volkes gegen die monarchische Ordnung in Tod und Verderben führe.261 Der die Waagschale erklärende Text verweist nicht mehr auf die ältere symbolische Bedeutung vom Gleichgewicht zwischen Autorität und Freiheit, sondern misst der Krone nur noch den Wert eines »Pfeifenstieles« zu, was jener radikalen republikanischen Gesinnung entspricht, die von den »Demagogen« verbreitet wurde. Die Waage der Gerechtigkeit spielt auch in einem Bildnis eine Rolle, mit dem im Jahr 1779 der Preußen in eine tiefe Justizkrise stürzende Fall des Müllers Arnold von einem ausländischen Blickwinkel kommentiert wurde. Der Müller hatte mit seinem Grundherrn, dem Grafen von Schmettau, einen Pachtvertrag abgeschlossen, der es ihm seiner Ansicht nach rechtlich gestattete, das Wasser eines Baches für seine Mühle zu nutzen. Sein adliger Verpächter bestritt indes, dass die Wasserzuführung Vertragsgegenstand sei. Er leitete einen Teil des Mühlenbachs auf andere Ländereien, was Gegenstand der rechtlichen Auseinandersetzung war. Den Rechtsstreit verlor Arnold in letzter Instanz vor dem Berliner Kammergericht. Dies veranlasste ihn, sich mit einer Supplik an Friedrich den Großen zu wenden. Dieser gelangte zu der Ansicht, dass dem Müller Unrecht geschehen sei und wies 123

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 62  : Christian Bernhard Rode, Titelkupfer zur 2. Aufl. des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten, 1794

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Der andere Weg in den Verfassungsstaat

Abb. 63  : Alfred Rethel, Auch ein Totentanz. Drittes Blatt, 3. Aufl., 1849

seine Kammerrichter an, das Urteil zu revidieren. Die Berliner Kammerrichter weigerten sich standhaft und selbstbewusst, so dass Friedrich der Große die Richter entließ und mit Festungshaft in Spandau belegte. Durch seine Supplik hatte der Müller Arnold erreicht, dass der preußische König in die Unabhängigkeit der Justiz eingriff und sich damit in Widerspruch zu dem setzte, was von ihm, von seinem Justizdepartement und von der großen Zahl der Anhänger der Berliner Aufklärung für richtig erachtet wurde.262 Denn es war seit den 60er Jahren des 18.  Jahrhunderts der feste Wille des Königs gewesen, die Rechtsprechung einer unabhängigen Gerichtsbarkeit anzuvertrauen, und diese von seinem Justizdepartement immer wieder bekräftigte Absicht der Emanzipation der Justiz aus königlicher Willkür war von der Berliner Aufklärung nachdrücklich begrüßt worden. Die Müller-Arnold-Affäre wurde im Ausland anders als in Berlin bewertet. Wie man in Frankreich und anderen europäischen Staaten das Vorgehen Friedrichs des Großen beurteilte, zeigt der von Vincenzo Vangelisti entworfene und von Christian Gottlieb Geyser radierte Stich mit dem Titel »Balance de Frédéric«. Die italienisch-französisch-deutsche Kooperation zur Edition dieses Stiches ist bemerkenswert. Der in Florenz geborene Vangelisti war mit finanzieller Unterstützung 125

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 64  : Christian Gottlieb Geyser nach Vincenzo Vangelisti, Balance de Frédéric, 1779

des Großherzogs Leopold von der Toscana in Paris Schüler des sehr angesehenen deutschen Graphikers Johann Georg Wille  ; zu Beginn der Französischen Revolution noch in Paris lebend veröffentlichte Vangelisti einige Graphiken auf die konstitutionelle Monarchie.263 Mit dem in Sachsen tätigen Illustrator Geyser war Vangelisti sicherlich über seinen Lehrer Wille bekannt geworden, der seinerseits gemeinsam mit Geyser Kupferstiche gestaltet hatte. So kann man bei diesem Blatt fast schon von einem europäischen Gemeinschaftswerk sprechen. Im Zentrum der Komposition steht der preußische König mit der Waage der Gerechtigkeit, die sich ziemlich genau in der Mitte des Bildes befindet. In der einen Waagschale liegt ein Zettel mit der Aufschrift »indigence« für Armut, in der anderen befinden sich Insignien des Adels. Im Hintergrund sehen wir die Mühlenanlage, weiter vorn die arme, barfüßig vor dem Monarchen kniende Müllerfamilie. Auf der linken Seite steht das Richterkollegium, das seine Maske – ein Sinnbild für Falschheit 264 – hebt und von einer aus den Wolken schwebenden Gestalt mit einem Schwert vertrieben wird. Die rechte Seite wird von einer majestätisch in sich ruhenden Justitia beherrscht. 126

Der andere Weg in den Verfassungsstaat

In Paris für ein französisches und darüber hinaus für ein europäisches Publikum publiziert, wurde die Müller-Arnold-Affäre in dieser Graphik also ganz anders interpretiert. Der preußische König gilt als ein »sozialer« König, der durch Eingriffe in die Rechtsprechung die Rechte des kleinen Mannes schützt. Dass ein armer Müller gegen den Adel und gegen eine einmütig entscheidende Gerichtsbarkeit vom König geschützt wird, wurde den Betrachtern als eine nachahmenswerte Leistung des Königtums vermittelt. Warum aber fand diese Umkehrung der Müller-Arnold-Problematik gerade in Frankreich ein besonderes Interesse  ? Und was machte Vangelistis Graphik so populär  ? In Frankreich befand sich die Gerichtsbarkeit in den Jahrzehnten vor der Französischen Revolution in einer Legitimationskrise. Bereits Montesquieu hatte die Willkür der Rechtsprechung angeprangert. Die Willkürherrschaft der Richter wollte er durch die Herrschaft des Gesetzes ersetzen, durch ihre Bindung an klare und präzise Gesetzestexte. Trotz zahlreicher mahnender Stimmen war jedoch eine Rechts- und Gerichtsreform in Frankreich nicht geglückt. Aber auch die »lettres de cachet«, also die Anordnung des Königs, jemanden in einem wenig transparenten und bisweilen willkürlichen Verfahren in das Gefängnis zu schicken, ließen die Gerichtsbarkeit in den Augen der Bevölkerung als Helferin obrigkeitsstaatlicher Willkür und Unterdrückung erscheinen. Bei einer solchen Gerichtskritik blieb nur die Hoffnung, dass wie in Preußen in der Müller-Arnold-Affäre wenigstens der König für Gerechtigkeit Sorge trägt. 2.8.2 Das Königtum mit dem Gesetzbuch

Im preußischen Rechtsstaat sollten Gesetze herrschen, die der Gesellschaftsordnung angemessen waren, aber auch naturrechtlichen Forderungen genügten. Mit dieser Zielsetzung trat das Gesetz im Verlauf des 18.  Jahrhunderts zunehmend in den Mittelpunkt politischer Gestaltung. Die persönliche Herrschaft der Landesherren wurde nach und nach zu einer Herrschaft des Gesetzes.265 Das Gesetz wurde zum Herzstück einer Rechtsreform, die die politisch-rechtlichen Verhältnisse teils stabilisierte, teils gemäß den Anforderungen der Zeit, wie des Übergangs von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, fortentwickelte. Insgesamt gesehen diente das Gesetz sozialer und politischer Steuerung im souverän werdenden Staat. Diese Entwicklung zum »Gesetzgebungsstaat« war eine der Voraussetzungen, dass die Verfassung zu » eine[r] Art Über-Gesetz« werden konnte.266 Wegen seiner Frieden stiftenden Rolle, aber auch wegen seiner neuen Rolle bei der Rechts- und Sozialreform rückte das Gesetz in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in das Zentrum der Herrschaftssymbolik im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in seinen Staaten. So zeigte eine der Krönungsmedaillen des Wittelsbachers Karl  VII. auf ihrem Revers unter der Umschrift »Unione et 127

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

observantia legum« eine Lade mit zwei Tragestangen, auf der ein aufgeschlagenes Gesetzbuch mit der Aufschrift »Dekalogus« liegt.267 Diese anlässlich der Krönung versprochene Beachtung der Gesetze wurde immer wieder thematisiert. Die Kodifikationen und Gesetzessammlungen der Habsburger Herrscher wurden bisweilen von Darstellungen begleitet, die den Monarchen als »Wahrer von Recht und Gerechtigkeit« symbolisierten.268 Nicht zuletzt wurde 1792 die Krönung von Franz II. zum römischen Kaiser auf Medaillen unter das Motto seines Wahlspruchs »lege et fide« gestellt.269 Bei all diesen Verweisen auf die Gesetzesbindung monarchischer Herrschaft war nicht das Abb. 65  : K. W. Höckner, Medaille auf das Reichsvikariat, revolutionäre Gesetz Bezugspunkt, wie es in 1790 Frankreich mit den vielfältigen Bezugnahmen auf »la loi« nach 1789 der Fall war. In der Französischen Revolution wurde das Gesetz in Anlehnung an die politische Theorie von Rousseau zum Ausdruck der volonté générale, die von ihren Bürgern eine vollständige Unterordnung fordert.270 In diesem demokratischen Verständnis stand denn auch »la loi« im Zentrum der revolutionären Symbolik.271 Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation standen Gesetz und Gesetzbuch demgegenüber für die Bewahrung der alten Ordnung mit ihren »iura et libertates«, aber eben auch für ihre allmähliche Umbildung durch Rechtsreform. In Distanz zu den revolutionären Ereignissen in Frankreich hielt man in Deutschland auch in Symbolform an der rechtlichen Bindung durch die Reichsverfassung und an der Beachtung der Reichsgesetze fest. Auf Reichsebene sah das Reichsvikariat 1790 Veranlassung, sich durch die Losung »conservationi legum imperii«, durch die Bewahrung der Reichsgesetze, zu legitimieren (Abb.  65).272 Dieses Motto zielte im Vorfeld der Kaiserwahl in bewusster Ablehnung der revolutionären Gesetzgebung und der Umgestaltung der politischen Ordnung in Frankreich auf die Wahrung der überkommenen Rechtsordnung. In der Staatsrepräsentation der Länder des Alten Reiches fanden sich seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert vor allem auf Medaillen Hinweise auf Gesetze und Gesetzbücher. Die Hohe Karlsschule in Stuttgart, eine herzogliche Militärakademie und württembergische Eliteschule, vergab seit 1775 an die besten Absolventen eine Preismedaille u. a. für Rechtsgeschichte (Abb. 66). Unter dem Motto »Einst mit Waffengewalt, nun durch Gesetze« sehen wir wohl die Justitia mit einem Gesetzbuch. Auf diesem ist zu lesen »Fata Legum – Fons iurisprudentiae«, der Wille 128

Der andere Weg in den Verfassungsstaat

Abb. 66  : Preismedaille der Hohen Karlsschule in Stuttgart für die besten Absolventen im Fach Rechtsgeschichte, ab 1775

Abb. 67  : Johann Georg Holtzhey, Medaille auf den Tod Friedrichs II., 1786

der Gesetze ist die Quelle der Rechtsgelehrsamkeit. Mit dieser Formulierung wurde die Aufgabe der Rechtswissenschaft im Gesetzgebungsstaat auf den Punkt gebracht und das Gesetz in das Zentrum des Frieden stiftenden Staates gestellt. Die ebenfalls vergebene Preismedaille für Naturrecht verweist in ihrer Symbolik darauf, dass das Naturrecht für alle verbindlich ist (»obligat omnes«) und dass das Königtum der Gleichheit der Menschen verpflichtet sein muss.273 In den Darstellungen der letzten zwei Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts verband sich in Preußen das Königtum vielfach mit dem Gesetzbuch und damit mit der Rechtsreform. Nach dem Tod von Friedrich dem Großen wurden auf einer Ge129

Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Abb. 68  : Daniel Friedrich Loos, Medaille auf die Berliner Huldigung für Friedrich Wilhelm III., 1798

denkmedaille dessen historische Leistungen bei der Rechtsreform symbolhaft mit dem aufgeschlagenen Gesetzbuch gewürdigt (Abb. 67).274 Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. ließ sich 1786 als »servantissimus aequi«, als äußerst ergebener Diener des Gerechten, mit einer Waage darstellen.275 Bei der Berliner Huldigung für Friedrich Wilhelm III. aus dem Jahre 1798 legitimierte sich das preußische Königtum ebenfalls durch die Darstellung eines Gesetzbuches (Abb. 68).276 Auf dem Altar des Staates liegt nicht mehr wie früher oftmals in Deutschland die Bibel  ; diese ist durch das Gesetzbuch ersetzt. Auch symbolhaft erscheint damit das Gesetz, das eine theonome Ordnung ablöst, als Grundlage des modernen Staates.277 2.9 Schlussbemerkung zum Raum vorverfassungsstaatlicher Freiheitssymbolik Bis zur Französischen Revolution stand die Freiheitssymbolik, so das Ergebnis diese Kapitels, in den Niederlanden, in Großbritannien, in dessen nordamerikanischen Kolonien bzw. sich herausbildenden Vereinigten Staaten von Amerika und in der Schweiz im Zentrum von politischen Auseinandersetzungen. In Deutschland war sie jedenfalls den Künstlern bekannt, diente aber, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht der Visualisierung freiheitlicher Politik. In anderen Ländern, etwa in Schweden, wurde die Freiheitssymbolik ebenfalls eher selten verwendet. Auf einer Medaille des Stockholmer Hofmedailleurs Daniel Fehrman aus dem Jahr 1756, um nur eines der wenigen Beispiele zu nennen, wird aus Anlass der Verfassungskrise die schwedische Freiheit von einer Liber­ 130

Schlussbemerkung

tas repräsentiert, die sich mit ihren geläufigen Attributen Stange und Freiheitshut auf eine Säule mit einem Gesetzbuch stützt.278 Auf die polnische Verfassung vom 3. Mai 1791 wurde zwar eine Medaille ediert,279 auf deren Rückseite ein geflügelter Genius die Freiheitsmütze in Form eines Pileus über eine Weltkugel hält. Diese Medaille wurde aber nicht in Polen entworfen und geprägt, sondern von dem Amsterdamer Medailleur Johann Georg Holtzhey  ; sie gehört zu einer Vielzahl von Medaillen dieses Medailleurs auf die wichtigsten Zeitereignisse.280 In Russland, um ein abschließendes Beispiel zu nennen, findet sich ein Symbol der Freiheit, soweit ersichtlich, nur auf einer Bronzemedaille von 1784.281 Auf dieser aus Anlass eines Handelsabkommens zwischen den russischen bzw. ukrainischen Städten Sewastopol, Cherson und Feodossija geprägten Medaille wird aber nicht die politische oder persönliche Freiheit, sondern lediglich die Handelsfreiheit symbolisiert, steckt doch die Freiheitsmütze auf einem Caduceus, dem Sinnbild für Handel und Verkehr. Damit bleibt als Fazit festzuhalten, dass der Gebrauch von Symbolen der Freiheit in der politischen Bildpublizistik bis zur Zeit der Französischen Revolution ein auf wenige westliche Länder begrenztes Phänomen war.

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3. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt der politischen Neuorientierungen in der Französischen Revolution

Die Französische Revolution war ein Zäsurereignis. Der Bruch mit dem Ancien Régime vollzog sich durch Veränderungen in der sozialen Schichtung und überwiegend auch in den politischen Eliten,1 durch Verfassunggebung und, damit verbunden, durch einen tief greifenden Wandel im politisch-rechtlichen Bewusstsein.2 Eine neue bürgerliche Elite, geprägt durch die politische Theorie der Aufklärung, drang auf die Verwirklichung von individueller Freiheit und politischer Mitbestimmung. Der Adel, die Elite der ständischen Gesellschaft, war gespalten. Zum einen suchte er die Aufhebung der Feudalordnung zu verhindern, zum anderen waren zahlreiche Verfasser von Werken aufgeklärter politischer Theorie und Kritiker des Ancien Régime adeliger Herkunft. Nimmt man Teile des Klerus hinzu, die ebenfalls den Ideen der Aufklärung anhingen, lieferte die Aufklärung das geistige Band für eine alle drei Stände umfassende, politische Reformelite.3 Die revolutionäre Reformelite brachte eine neue politische Ordnung auf den Weg, die, sollte sie von Dauer sein, der Akzeptanz der Bevölkerung bedurfte. Eine überbordende Publizistik und eine neue bzw. neu besetzte, volksnahe Symbolik wurden zum Nährboden eines revolutionären politisch-rechtlichen Bewusstseins. Die neuen Errungenschaften – Verfassung, Freiheit, Menschen- und Bürgerrechte sowie die dominierende Rolle des Gesetzes – standen im Zentrum einer facettenreichen Symbolik und Bildpublizistik. Beide waren im öffentlichen Leben allseits präsent und Bezugspunkte des in der Bevölkerung geführten politischen Diskurses.4 Dieser Omnipräsenz des visualisierten Zeitgeistes und der in Bilder gefassten neuen politischen Realität konnte sich in den Jahren des Revolutionsfiebers niemand entziehen. Politisierte Künstler begleiteten und trieben mit ihrem Werk die Revolution in allen ihren Phasen voran, mit ihrer Ikonographie prägten sie die Vorstellungswelt breiter Bevölkerungsschichten. Mit ihrer Revolutionskunst beteiligten sie sich gleichzeitig an einer medialen Revolution, die kraft der Macht der Symbole auf das kollektive Bewusstsein einwirkte. Ihr Schaffen führte zu einer bis dahin noch nicht gekannten Flut von Graphiken, die die neuen Leitideen bewusst werden ließen, teilweise aber auch in Bildsatiren und in Karikaturen auf Distanz zum revolutionären Mainstream gingen.5 Für sie gab es wie für die ebenfalls in bislang nicht gekannter Zahl auftretenden politischen Broschüren und Pamphleten eine Käufer- und Leserschaft quer durch alle Schichten, die zum Resonanzboden des medialen Revolutionsdiskurses wurden. So gesehen handelte es sich bei der 133

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Französischen Revolution um eine Revolution in der Politisierung der Bevölkerung, geradezu um eine populistische Revolution,6 die sich ihren Weg auch mit Hilfe der Freiheits- und Verfassungssymbolik bahnte.7 Die revolutionäre Elite wusste, dass die politische Neuordnung nur durchsetzbar war, wenn sie im Einklang mit der öffentlichen Meinung stand. Sie hat daher von Beginn an die Macht der Symbole eingesetzt, um die neue politische Realität zu vermitteln und so die öffentliche Meinung auf ihre Seite zu bringen. Die Macht der öffentlichen Meinung beruhte nicht nur auf der Einheit stiftenden kollektiven Bewusstseinsbildung 8 anlässlich großer Feste, auf der Agitation der zahlreichen politischen Clubs, auf einer die Tagespolitik begleitenden Revolutionsliteratur, sondern auch auf der revolutionären Bilderwelt. Darüber, dass ein neues kollektives Bewusstsein zu schaffen war, bestand in den Debatten der Nationalversammlung zum neuen Münzgeld, zum neuen Staatssiegel und zur Neugestaltung der öffentlichen Plätze Einigkeit  : Die Herrschaftssymbolik des Ancien Régime, die zu dessen Legitimierung beigetragen hatte, musste durch eine neue revolutionäre Symbolik ersetzt werden. So äußerte Henri Grégoire, ein einflussreicher Politiker in den Jahren der Revolution, in einem Rapport an die Nationalversammlung zur Gestaltung des Staatssiegels, dass in dem neuen Staat »alles im republikanischen Sinne umgestaltet werden« müsse. Der Gesetzgeber solle seiner Meinung nach »keine Gelegenheit ungenutzt lassen, die Sinne anzusprechen und republikanische Gedanken wachzurufen«. Wenn dies durch eine Kombination von Prinzipien und Emblemen sowie durch eine Visualisierung von Rechten und Pflichten der Bürger geschehe, entstehe »gleichsam die republikanische Gussform«, die den Nationalcharakter zu prägen habe.9 Die Erschaffung dieser neuen, der politischen Erziehung dienenden und die Bewusstseinsverfassung verändernden Vorstellungswelt 10 war Programm aller revolutionären Kräfte. Die große Vielzahl der Medaillen und Drucke, das Münzgeld der Revolutionsjahre und die neu geordnete Staatsrepräsentation11 ließen eine imaginäre revolutionäre Welt entstehen. An deren Gestaltung beteiligten sich neben den bereits im Ancien Régime anerkannten Künstlern fast alle Kunstschaffenden, die mit revolutionärem Elan, bisweilen aber auch kritisch, die Ereignisse und Ideen der Revolutionsepoche visualisierten.12 Erst anlässlich der Radikalisierung der Französischen Revolution in den ersten Augusttagen des Jahres 1792 verdrängte die Revolutionssymbolik endgültig die bislang immer noch präsente Symbolik des Ancien Régime. In einem Ausbruch spontaner Gewalt begann die Pariser Bevölkerung, die an das Ancien Régime erinnernden Denkmäler, Wappen und Symbole zu zerstören.13 Dieser Bildersturm blieb nicht ohne Kritik 14, fand in der Sitzung der Nationalversammlung vom 11. August 1792 aber gleichwohl Zustimmung. Der Bildersturm des Volkes wurde von der Mehrzahl der Abgeordneten als legitim betrachtet, weil in einer 134

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

freiheitlichen Staatsordnung die Denkmalkultur des Despotismus durch Denkmäler der Freiheit zu ersetzen seien. Die kollektive Aktion bei der Zerstörung der alten Herrschaftssymbolik war, darüber bestand Einigkeit, für die Stiftung eines neuen kollektiven republikanischen Bewusstseins von zentraler Bedeutung. Die damnatio memoriae des Ancien Régime wurde rasch vollendet. Alle an das Königtum erinnernden Denkmäler wurden geschleift und an vielen Orten durch Liberté-Denkmäler ersetzt.15 Die neue revolutionäre Symbolwelt und mit ihr die neue Verfassungssymbolik wurden nach der Beseitigung der konstitutionellen Monarchie zum sozialen Kitt für die neue politisch-rechtliche Ordnung. War es aber wirklich eine neue Welt politischer Symbolik, die die Zäsur zum Ancien Régime bezeichnete  ? Im Folgenden werden wir sehen, dass die Welt der revolutionären Symbole nicht neu erschaffen worden war  : Die revolutionären Freiheits- und Verfassungssymbole brachten lediglich einen gewandelten Symbolinhalt zum Ausdruck. Sie waren keine »enfants sans mère«, keine Kinder ohne Mutter, um das berühmte Motto Montesquieus zu seinem »De l’esprit des lois« aufzugreifen. Die Welt der Revolutionssymbole entfaltete sich vielmehr nur in einer neuen Inbesitznahme alter Symbolformen. In aller Regel waren es bereits seit der Antike bekannte oder gar christliche Symbole, die in der Revolution im neuen Kontext einen neuen Inhalt gewannen16 und zur Ummünzung des politischen Bewusstseins genutzt wurden. In Abwandlung der These vom ausgehenden 18. Jahrhundert als Sattelzeit der modernen politisch-rechtlichen Begriffe17 kann man von der Zeit der Französischen Revolution bzw. des Unabhängigkeitskampfes der Vereinigten Staaten von Amerika als Sattelzeit einer neuen Symbolbedeutung, aufgesattelt auf alte symbolische Formen, sprechen. Die revolutionäre Verfassungs- und Freiheitssymbolik machte eine Art von historischem Spagat  : Zum einen war die Verfassunggebung ein Zäsurereignis, das, von Ausnahmen abgesehen, nicht von einer neuen, sondern lediglich von einer neu besetzten politischen Symbolik begleitet wurde. Zum anderen bestand während der Französischen Revolution das Bedürfnis, die neue politische Symbolik an freiheitliche Traditionen anzubinden, die bereits seit der Antike in Mythen und Symbolen zum Ausdruck gebracht wurden. Letzteres nicht ohne Grund  : Seit der Renaissance und besonders in den klassischen Werken der Aufklärung fand man in Griechenland und in Rom die Vorbilder für eine gute politische Ordnung.18 Dies galt vor allem für die adelige und bürgerliche Oberschicht, aus der sich in Frankreich ein Teil der revolutionären Elite rekrutierte. Sie verehrte die Antike, ihr galt das Freiheitsideal der römischen Republik, wie es in den Bildungsinstitutionen des Ancien Régime vermittelt wurde, als Vorbild.19 Man kann geradezu von einer Anticomanie sprechen, die bis zu einer Verehrung der Ästhetik der Antike reichte. Seit der Zeit von Ludwig XIV. hatte man sich in der »Académie des inscriptions« sowie in anderen staatlichen Institu135

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

tionen äußerst intensiv mit der antiken Symbolik befasst und sich dabei u. a. auch der antiken Freiheitssymbolik zugewendet. Bei der Staatsrepräsentation sowie bei der Gestaltung von Medaillen und Monumenten wurde bewusst auf die antike Symbolik zurückgegriffen.20 Was »point assez romain«, nicht hinreichend römisch war, wurde regelmäßig verworfen. Ohne diese Vorgeschichte der Aneignung der antiken Symbolik durch die adelige und bürgerliche Oberschicht, durch die zeitgenössische Forschung im 18. Jahrhundert sowie in der Repräsentation von Monarchie und Staat ist die Macht der antikisierenden Symbolik in der Französischen Revolution kaum verständlich. Dass die Französische Revolution eine politische Symbolik verwendete, die der Antike entstammte,21 mag darauf beruhen, dass das Ringen um die neue politische Ordnung auch visuell vom Vorbild der antiken Kunst begleitet war.22 So forderte der Maler Jacques Louis David, der sein künstlerisches Werk in den Dienst der Revolution stellte und die Revolutionskunst prägte  : Die Medaillenprägungen sollten die glücklichen Ereignisse der entstehenden Französischen Republik im Stil der Griechen und Römer darstellen, um alles Bemerkenswerte bewusst zu machen und vom Fortschritt in der Kunst Zeugnis zu geben.23 Bereits vor diesem einflussreichen klassizistischen Credo hatte die antike Freiheitssymbolik im »Almanach iconologique« von Charles Nicolas Cochin und Hubert François Gravelot, in erster Auflage zwischen 1765 und 1781 erschienen, eine bereits klassisch gewordene Ausformung und Deutung erhalten. Ihre Darstellungen, angelehnt an die antike Symbolik, waren dem Schönen, dem Wahren und dem Guten verpflichtet und sollten in dieser universellen Symbolisierung allen Nationen zugänglich sein24. Die Symbolik in Cochins und Gravelots Almanach wurde von einer Vielzahl von Künstlern übernommen, hat durch ihre Verwendung einen hohen Bekanntheitsgrad gewonnen und so in erheblicher Weise das Bildgedächtnis geprägt. So mögen einige der symbolischen Darstellungen unterschwellig bereits vor der Französischen Revolution als Ursprung einer freiheitlichen Ordnung in einem goldenen Zeitalter angesehen worden sein25. Nicht zuletzt wurde die französische Liberté-Symbolik auch von der im Freiheitskampf der nordamerikanischen Kolonien benutzten Liberty-Symbolik beeinflusst. Französische Künstler hatten, wie gezeigt (2. Kap., 6.), die britisch-amerikanische Liberty-Symbolik aufgegriffen, meist um den Beitrag Frankreichs für ein unabhängiges und republikanisches Nordamerika zu glorifizieren. Die Symbolik, die für die Freiheitlichkeit der Vereinigten Staaten von Amerika stand, ließ sich ohne Weiteres auf die revolutionäre Situation in Frankreich übertragen. Vielleicht fehlte den Künstlern in der Französischen Revolution auch die erforderliche Erfindungsgabe, um mit der neuen politisch-rechtlichen Ordnung zugleich auch neue symbolische Formen verbinden zu können. Denn es ist sicherlich leichter, alte symbolische Formen neu zu besetzen, als für neue symbolische Formen 136

»À la bastille  ! «

Akzep­tanz zu finden. Hierfür spricht folgende Überlegung  : Für die Legitimation von Herrschaft kann es vorteilhaft sein, in Übergangszeiten auf die Pluralität von Deutungsperspektiven und damit auf die Legitimation durch die traditionelle Symbolik nicht gänzlich zu verzichten, um durch eine allmähliche Neubesetzung der Symbolik gleitend in eine neue Herrschaftslegitimation hinüberzuwechseln.26 Diesen Befund hat Peter Sloterdijk mit Blick auf die Revolutionsarchitektur auf den Punkt gebracht  : »Wenn in der Revolution fast nichts beim Alten blieb, so doch im Alten. Die operativen Qualitäten des Umbruchs manifestierten sich durchweg in Form von Neubesetzungen, Subversionen und Umfunktionierungen gegebener Bestände.« 27 Es ist geradezu ein Paradox, dass die Französische Revolution mit ihrem Anspruch, das Alte neu zu gestalten, gleichwohl den alten Symbolformen verhaftet blieb. So mag für die politische Symbolik Vergleichbares wie für den Mythos gelten. Auch Mythen wurzeln in überlieferten Texten und Vorstellungswelten, passen sich aber doch dem jeweiligen Geist der Zeit an, um über die Jahrhunderte hinweg auf Verständnis zu stoßen.28 3.1 »À la bastille  ! «  : von der Erstürmung eines Staatsgefängnisses zum Gründungsmythos eines freiheitlichen und republikanischen Frankreich Als sich am Nachmittag des 14. Juli 1789 die Massen unter dem Slogan »Auf zur Bastille« sammelten, um das in zahlreichen Legenden und Darstellungen als Zwingburg eines Unrechtsregimes29 verdammte Staatsgefängnis im Osten von Paris zu erstürmen,30 legten sie zugleich den Grundstein für den Gründungsmythos des republikanischen Frankreich. Die Bastille galt im Ancien Régime als Symbol der Unterdrückung politischer Freiheit. Sie wurde gar »Hölle der Lebendigen« genannt und entsprechend dargestellt (Abb.  69).31 Mit ihrer Erstürmung war in den Augen der Zeitgenossen nicht nur das Gefängniswesen und damit das von Missständen geprägte Justizsystem der absoluten Monarchie, sondern das politische System des Ancien Régime insgesamt zerstört worden. So konnte der 14. Juli 1789 den Beginn einer neuen Ära politischer Freiheit verheißen. Aus dem alten Symbol der Unfreiheit wurde nun ein Symbol der Freiheit und des Entstehens einer verfassungsstaatlichen Ordnung. Warum aber konnte der Sturm auf die Bastille zum Gründungsmythos der republikanischen Ordnung in Frankreich werden und sich so mit der Entstehung des Verfassungsstaates verbinden  ?32 Warum wählte man nicht das Datum der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte und damit das entscheidende rechtliche Zäsurereignis  ? Einer der Gründe war, dass die Erstürmung der Bastille sich frühzeitig in das kollektive Gedächtnis Frankreichs einzugraben vermochte. In ihm repräsentiert die Erstürmung der Bastille die Zeitenwende in der Französischen Revolution, weil 137

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

die revolutionären Texte, Lieder und Bilder immer wieder zur kollektiven Erinnerung an dieses Ereignis beigetragen haben.33 In zahlreichen Stichen,34 Flugschriften und Medaillen wurde dieses Ereignis gefeiert und tief in das kollektive politisch-rechtliche Bewusstsein eingeprägt.35 Durch die Sprache der Bilder wurde der Bastille-Sturm zu einem der zentralen Ereignisse im Verlauf der Französischen Revolution, zu einem Ereignis, mit dem im nicht offiziellen republikanischen Kalender eine neue, im Zeichen der Freiheit stehende Zeitrechnung beginnen konnte. Dieser Bastille-Mythos ist aber wie vieles, das im kollektiven Gedächtnis präsent ist bzw. gehalten wird, mit den historischen Fakten36 nicht vereinbar. Die Bastille war bereits Jahrzehnte vor der Revolution nicht mehr als politisches Gefängnis genutzt worden. Bei ihrer Erstürmung wurde kaum jemand befreit, schon gar keine politischen Gegner des absolutistischen Regimes.37 Der Bastille-Sturm war kein Akt der Befreiung, sondern lediglich ein symbolischer Akt.38 Zur Popularisierung eines solchen Aktes bedarf Abb. 69  :  Anonym, L’Enfer des Vivans ou la Bastille, es Persönlichkeiten, die ihn durch Wort, Schrift 1719 und Bild als heroische und einzigartige Tat feiern und diese Botschaft in der Bevölkerung zu verbreiten wissen. Einer der durchsetzungsstarken Protagonisten des Bastille-Mythos war Pierre-François Palloy,39 der die Bastille in den Jahren der Französischen Revolution in sehr geschickter Weise politisch und ökonomisch vermarktet hat.40 Im vorrevolutionären Paris war Palloy vom einfachen Maurer zum erfolgreichsten Bauunternehmer mit einem bedeutenden Vermögen aufgestiegen. Mit dem Sturm auf die Bastille schlug seine Stunde. Er erwarb die Berechtigung, die Bastille als Steinbruch zu nutzen und dem Erdboden gleichzumachen. Diesen Abbruch setzte er auf einer Graphik in eins mit der »Zerstörung des Despotismus« (Abb. 70) und wies diese Tat mit einem hohen Maß an Selbstbewusstsein sich selbst als »Palloy, Patriote« zu. Den Abbruch der Bastille verband er mit einer frankreichweiten Vermarktung dessen, was sich in der Bastille befand. Aus dem von ihm betriebenen schwunghaften Handel mit »Bastille-Souvenirs« erwarb fast jede offizielle Stelle einen Quaderstein aus der Bastille, der die Erinnerung künftiger Generationen an diesen Ort der Unterdrückung wachhalten sollte.41 Aus dem Eisen und aus dem Holz, das in 138

»À la bastille  ! «

Abb. 70  : Pierre-François Palloy, Déstruction du despotisme, 1789

der Bastille verwendet worden war, wurden »Reliquien der Freiheit«, kleine Kunstwerke und Erinnerungsmedaillen, hergestellt, die sich mit der Garantie »produziert aus den Ketten der Gefangenen« gut verkaufen ließen. Auf einer dieser Medaillen forderte Palloy, dass es in der konstitutionellen Monarchie zur Wahrung der Verfassung Minister geben müsse, die sich der Nation verbunden fühlen und die Bindung an die Gesetze achten (Abb. 71). Zudem verwies er darauf, dass der erste konstitutionelle König anlässlich der Feier des ersten Jahrestages des Sturmes auf die Bastille geschworen habe, die Verfassung und die Gesetze zu wahren und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften zu verteidigen. Aus dem Metall der Unfreiheit, so wurde weiter bemerkt, sei eine Medaille geschaffen worden, die von ihm, dem Patrioten Palloy, den Ministern des Königs überreicht wurde. Als Vermarkter der Bastille sah er sich offenbar legitimiert, den neuen Ministern die Werte und Grundsätze der freiheitlichen Ordnung in das Stammbuch zu schreiben. Diese »Verwandlung« des Metalls aus der Bastille konnte und sollte daran erinnern, dass mit dem Sturm auf die Bastille die Freiheit gesiegt hatte. Palloy nannte sich nicht nur »Patriote«, er war es auch. Er widmete sich und sein Vermögen ganz und gar der Popularisierung der Ideale der Französischen Revolution. Bis zur Erschöpfung seines Vermögens, er starb in Armut, beschäftigte er eine Reihe von Künstlern und auch Liedermachern, die die Bastille-Be139

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 71  : Pierre-François Palloy, Medaille auf die konstitutionelle Monarchie, 1791

geisterung anfachen sollten. Mit all diesen Aktivitäten war Palloy seinerzeit eine der bekanntesten Persönlichkeiten in Paris. Die Nationalversammlung nannte ihn den »Monumentaire«, den Denkmalstifter der Revolution.42 Symbolgeschichtlich betrachtet kann man sagen, dass es nicht nur Männer gibt, die Geschichte machen, sondern auch solche, denen in genialer Weise die symbolische Vermittlung großer historischer Ereignisse gelingt und die so an der Entstehung von Gründungsmythen mitwirken. 3.2 Freiheitssymbole à la Révolution française  : Altbewährtes und Neukreiertes Die in Frankreich, wie oben gezeigt, anders als in den Niederlanden und im angelsächsischen Bereich bis 1789 kaum bekannten antiken Freiheitssymbole des Pileus und der Libertas wurden nach dem Ausbruch der Revolution auf lange Zeit zu einem festen Bestandteil der französischen politischen Kultur. Als Liberté und bonnet de la liberté französisiert eroberten sie den öffentlichen Raum und die Bild140

Freiheitssymbole à la Révolution française

publizistik. Doch die Revolutionäre griffen zur Versinnbildlichung der von ihnen angestrebten bürgerlichen und politischen Freiheit nicht nur auf Althergebrachtes zurück, sondern schufen mit dem Freiheitsbaum, dem arbre de la liberté, auch ein eigenes, nicht der Antike entstammendes Symbol, das sich im Verlauf der Revolution oftmals mit den beiden traditionellen Sinnbildern verband. 3.2.1 Der bonnet de la liberté  : ein altes Freiheitssymbol in neuer Form

In welcher Form Freiheit durch den antiken Pileus, den Geusenhut, den Tellenhut und den Liberty Cap symbolisiert wurde, haben wir im vorhergehenden Kapitel gesehen. In der Vorgeschichte dieses Freiheitssymbols in Frankreich, etwa bei seiner Verwendung in den Titelgraphiken der Werke Rousseaus (Abb.  97) oder im Frühwerk Duprés (Abb. 54), begegnete es uns in der Form eine Hutes oder einer normalen Mütze. An diese bereits bekannten Fassungen der Freiheitssymbolik knüpfte der bonnet de la liberté allerdings nicht an. Er trat vielmehr regelmäßig in der Gestalt einer (meist roten) phrygischen Mütze auf.43 Dieser Mützentypus ist durch eine umgeklappte Spitze charakterisiert.44 Als bonnet rouge wurde er später von den Jakobinern als Kopf bedeckung getragen und symbolisierte die radikale Phase der Französischen Revolution. Warum sich in der Französischen Revolution gerade die Form der phrygischen Mütze durchsetzte, lässt sich kaum eindeutig klären. War doch die phrygische Mütze weder in der Antike noch später mit der Idee der Freiheit verbunden. Der Historienmaler Alexandre-Esprit Gibelin hat schon frühzeitig in seiner 1795/1796 erschienenen Broschüre zur Freiheitsmütze deren phrygische Form als Fehlleistung einer der Freiheit verpflichteten Ikonographie kritisiert.45 Diese ikonographische Fehlleistung ist umso verwunderlicher, als französische Künstler wie etwa Dupré vor 1789, auf Amerika bezogen, das Freiheitssymbol in Form eines Pileus, also ohne umgeklappte Spitze und ohne Hutkrempe, dargestellt hatten. Wenn nach 1789 die phrygische Form für den bonnet de la liberté gewählt wurde, so hat man sich wohl durch diese Modifizierung von der angloamerikanischen Liberty Cap zu distanzieren versucht. Es mag den Künstlern ein Anliegen gewesen sein, an die überkommene Freiheitssymbolik zwar anzuknüpfen, ihr aber in der Französischen Revolution ein besonderes Gepräge zu geben.46 Seit 1789 ist die Freiheitsmütze in der phrygischen Form ein Symbol revolutionär erkämpfter Freiheit.47 Sie war im Verlauf der Revolution allenthalben präsent, auf Gemälden,48 auf Medaillen, auf Siegeln, auf den Vignetten offizieller Dokumente und in den auf politische Ereignisse Bezug nehmenden Graphiken.49 Die »Tableaux historiques de la Révolution Française«, das monumentale und in ganz Europa verbreitete Bildwerk auf die wichtigsten Ereignisse der Französischen Revolution, zeigen auf zahlreichen Abbildungen, wie der bonnet de la liberté im 141

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

politischen Leben gegenwärtig war, etwa im Sitzungssaal des Nationalkonvents, bei den großen Feiern auf dem Marsfeld, beim Sturm auf die Tuilerien, bei der Proklamation der Verfassung am 14. September 1791, bei den Gedenkfeiern aus Anlass der Erstürmung der Bastille oder bei Trauerfeierlichkeiten.50 Der bonnet de la liberté dominierte als Symbol der Freiheit und eines freiheitlichen Gemeingeistes, zumal auch als fast unverzichtbares Element der Liberté-Darstellungen, das gesamte öffentliche Leben. Dabei war man sich der antiken Wurzeln der Freiheitsmütze bewusst. Noch 1791 nahm die »Iconologie« von Gravelot und Cochin auf die antike Symbolik der Liber­ tas mit dem Pileus Bezug.51 Die an der Antike geschulten Künstler, denen das Werk von Gravelot und Cochin als Grundlagen für ihre Symbolformen diente, vollzogen rasch die dem neuen Zeitgeist entsprechenden revolutionären Umformungen.52 Eine weitere Assoziation lag nahe  : Die Freiheitsmütze, der Kopf bedeckung der arbeitenden Bevölkerung sehr ähnlich, war geradezu das Gegenteil zur Kopf bedeckung des Adels und der Oberschicht im Ancien Régime. Bisweilen als »couronne civique« bezeichnet,53 war sie das bürgerliche Gegenbild zur Krone des Monarchen. Eine frühe, eventuell bereits aus dem Herbst 1789 stammende54 Darstellung des bonnet de la liberté findet sich auf einem dem General und Kommandanten der Nationalgarde Lafayette gewidmeten Stich des Portraitisten und Graphikers JeanLouis La Neuville55 (Abb. 72), einem der zahlreichen Schüler von Jacques Louis David. Präsentiert wird der Entwurf einer Standarte für die Bürgergarden,56 die sich unter der Leitung von General Lafayette ab Ende Juli 1789 in den 60 Pariser Distrikten bildeten. Zur Gestaltung griff La Neuville, wie viele Künstler seiner Zeit, auf die Antike zurück und zog als Muster für seinen Entwurf ein römisches Feldzeichen heran. Die von einem Soldaten gehaltene Standarte zeigt an ihrer Spitze eine Büste Ludwigs XVI. einen gallischen Hahn mit Siegeskranz und eine Freiheitsmütze mit aufgedruckter bourbonischer Lilie. Das Bildnis des Monarchen ist der beigefügten Erläuterung zufolge ihm als »restaurateur de la liberté Française« gewidmet. Dieser neue Titel des französischen Königs wird durch die Freiheitsmütze an der Spitze der Standarte symbolisiert. Unter seinem Portrait steht »la nation et le roi« geschrieben. Diese die Einheit von Nation und König betonende Aufschrift tritt, wie unterhalb der Graphik erläutert wird, anstelle der auf römischen Feldzeichen sonst üblichen Abkürzung »S.P.Q.R.« (senatus populusque Romanus) als Formel für den durch die beiden Entscheidungsorgane Senat und Volk verkörperten römischen Staat.57 Der bonnet de la liberté wurde zum Erkennungszeichen all derer, die auf Seiten der neuen revolutionären Ordnung standen. Selbst die Mode des Tages und mit ihr die Kleidung der modebewussten Pariserin gelangte in seinen Bann. In Modejournalen wurde die Freiheitsmütze 1790 Bestandteil des »costume à la Constitution«, und 1792 war das »costume dit à l’égalité avec bonnet« bei den Republikanerinnen 142

Freiheitssymbole à la Révolution française

Abb. 72  : Jean-Louis La Neuville, Projet de l’étendart de la liberté, à l’imitation de celui des Romains, 1789

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Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

sehr in Mode.58 Verfassung und Gleichheit traten hier in die Alltagswelt der Frauenmode, was die Wirkmacht dieser beiden neuen Prinzipien bis in die individuelle Lebenswelt verdeutlicht. Die weiteren Bezugnahmen auf den bonnet de la liberté waren allerdings ambivalent. Im März 1792 wählten die Jakobiner die rote Freiheitsmütze (le bonnet rouge) zu ihrem Parteizeichen,59 woraufhin sie sich als Symbol republikanischer Freiheit und damit der Radikalisierung der Französischen Revolution rasch frankreichweit verbreitete. Etwas fälschlich wird sie deswegen im Deutschen auch »Jakobinermütze« genannt, obwohl sie ein sogar bei den Jakobinern nicht unumstrittenes60 Symbol für die revolutionär erkämpfte Freiheit war. Durch Konventsbeschluss vom 21. September 1793, also in der radikalen Phase der Französischen Revolution, wurde das Tragen des bonnet zum Symbol eines freiheitlichen Bürgersinns erhoben. Er wurde zudem zu einer Art von Ersatzsymbol für vormals religiöse Riten. Zu dieser Zeit wurden Neugeborene oftmals dadurch getauft, dass man ihnen den bonnet de la liberté über den Kopf hielt, und auch Hochzeitspaare heirateten unter diesem Symbol.61 Nach dem Sturz Robespierres und der Jakobiner standen die bonnets rouges für die Terreur und damit für eine verfehlte politische Entwicklung. Wer die Jakobinermütze weiterhin trug, lief Gefahr, tätlich angegriffen zu werden.62 Im Dezember 1794, also nach dem Ende der Jakobinerherrschaft, konnte eine Pariser Tageszeitung melden, dass die rote Freiheitsmütze im Stadtbild fast gar nicht mehr zu sehen sei.63 3.2.2 Die Liberté  : das Zentralsymbol der Französischen Revolution

Abb. 73  :  Pallyoy, La Liberté a détruit le Despotisme, 1789

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Der bonnet de la liberté verband sich im Verlauf der Revolution mit der Liberté, der Personifikation der neuen französischen Freiheit. Wie im zweiten Kapitel gezeigt, hatte die Libertas bzw. die Liberty schon vor der Französischen Revolution den freiheitlichen Staat verkörpert. So wie Freiheit ausgangs des 18. Jahrhunderts der zentrale politische Schlüsselbegriff war, war die Liberté als personifizierte Freiheit in allen Phasen der Französischen Revolution das am häufigsten gebrauchte Freiheitssymbol.64 Die Darstellungen ihres Siegeszuges und ihres Triumphes waren in vielfältiger Form Gegenstand der die Französische Revolution begleitenden Kunst.65 In Bildern, in Drucken, auf Medaillen und als Monument im öffentlichen

Freiheitssymbole à la Révolution française

Raum war die Liberté als Symbol der Freiheitlichkeit als nicht hinterfragbare Zielsetzung der revolutionären Rechtsordnung omnipräsent.66 In zahlreichen Drucken und auf Medaillen wurde mit der Liberté der Gegensatz zum Despotismus des Ancien Régime bewusst gemacht. Dies gilt etwa für Darstellungen der Erstürmung der Bastille. Wie bereits geschildert, wusste der »Patriot« Palloy die Wirkmacht des Symbols der Liberté mit dem von ihm in Angriff genommenen Abbruch der Bastille zu verbinden. Er ließ u. a. im Spätsommer 1789 eine Medaille unter dem Motto »Die Freiheit hat den Despotismus zerstört« prägen und an die Abgeordneten der Konstituante sowie an Wahlmänner verteilen (Abb.  73).67 Die bildliche Darstellung zu diesem Motto stellt die Liberté mit der Freiheitsmütze in den Mittelpunkt, nach rechts weist sie auf die umgestürzte Bastille und blickt zugleich nach links auf eine wuchtige Keule. Dies ist die Keule des Herkules, die, wie wir noch sehen werden, in vielen revolutionären Bildwerken auf die Macht bzw. die Souveränität des Volkes verweist und hier zudem die Geschichts- Abb. 74  :  Anonym, La Liberté Triomphe et Détruit Les Abus, 1790 mächtigkeit der Freiheitsidee versinnbildlicht. In immer wieder neuen Bildkompositionen verkörperte die Liberté die mit dem Sturz der ständischen Gesellschaftsordnung verbundene soziale Umwälzung. In Camille Desmoulins’ einflussreicher und republikanische Ideen propagierender Wochenzeitung Révolutions de France et de Brabant begegnet uns im November 1790 die Liberté mit einem nicht ganz zeittypischen bonnet als glorreiche Überwinderin des Ancien Régime (Abb. 74). Vor den Strahlen der aufgehenden Sonne als Symbol für die auf Freiheit gegründete neue Ordnung zerstört sie Blitze schleudernd die aus Wappen, Zepter und Krone bestehenden Herrschaftsinsignien der Bourbonen. Unter ihren Füßen liegen ein Joch und gesprengte Ketten als Sinnbilder für die Erlösung aus dem Zustand der Unfreiheit. Zudem verweist ein der Freiheit gewidmeter Altar mit der Inschrift »Abolition des droits seigneuriaux« auf die Aufhebung der grundherrlichen Rechte und die Abschaffung des Adels. Als das Symbol der Französischen Revolution diente die Liberté des Weiteren der visuellen Vermittlung und Sinnstiftung der zentralen revolutionären Ereignisse. So wurde die Zielsetzung des Schwures im Ballhaus vom 20. Juni 1789, sich nicht zu trennen, bis eine neue Verfassung verabschiedet ist, drei Jahre nach diesem 145

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 75  : Charles Monnet (inv.)/Isidore-Stanislas Helman (fec.), Serment du Jeu de Paume à Versailles le 19 [i. e. 20] juin 1789, 1792

Ereignis mit einer alles beherrschenden Liberté als Auf bruch in eine neue Ära der Freiheit gefeiert (Abb. 75). Die Szene des Ballhausschwures ist im Gegensatz zu Jacques Louis Davids berühmter Federzeichnung, einem Entwurf zu dem nicht vollendeten Historiengemälde, wohl ziemlich wahrheitsgetreu wiedergegeben.68 Für den Künstler der hier abgebildeten Graphik war allerdings weniger die Schwurszene als in erster Linie die mit ihr verbundene Botschaft entscheidend  : Über der Schwurszene und aus ihr emporsteigend sieht man Wolken, auf denen allerlei allegorische Figuren den Schwur begrüßen und ganz rechts zugleich das alte System der Unfreiheit herabstürzen. In der Mitte dieser Szenerie thront die Liberté und hält einen Stab mit der Freiheitsmütze in die Höhe  ; ihrer Haltung nach scheint sie der Schwurszene ihren Segen zu geben. In dieser Graphik erfährt die Realität des Geschehens eine symbolisch überhöhte Sinngebung, deren formale Komposition sich an barockisierende Darstellungen von Heiligen mit Engeln anlehnt. Dem zeitgenössischen Betrachter erschien die Liberté wie eine Heilige in einer barocken Heiligendarstellung, zwar nicht als vom Heiligen Geist, so aber doch vom revolutionären Geist beseelt. 146

Freiheitssymbole à la Révolution française

Abb. 76  :  Anonym, Bombardement de tous les trônes de l’Europe, 1792

Die Liberté konnte, ganz im Gegensatz zu dieser Vergeistigung, in ziemlich drastischen Graphiken auch zur Lenkerin des politischen Geschehens werden. In dem Stich »Bombardierung aller Throne Europas« aus dem Frühjahr 1792 (Abb. 76) steht sie oberhalb von drei Reihen Abgeordneter der Nationalversammlung, die mit nacktem Gesäß ihr Geschäft verrichtend einen verängstigten Kongress deutscher Fürsten und Könige sowie, ganz prominent in das Zentrum gerückt, die vom Reichsadler gehaltene Krone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation »bombardieren«. Bereits die unter den Revolutionären verbreitete Losung »liberté, ça ira«, die Freiheit wird gelingen, lässt die deutschen Monarchen und den Papst um ihre Herrschaft fürchten, so dass sie sich zu einem Friedensschluss gezwungen sehen. In Frankreich selbst beherrscht die Liberté das politische Geschehen. Sie zündet eine Kanone an, die den als meineidigen Verräter bezeichneten Ludwig XVI. »à tous les diables«, also zum Teufel, schickt. Er steht mit seiner Politik des »Veto«, auf die verwiesen ist, im Lager der reaktionären Fürsten in Europa. Auch ihn trifft »la chute des Tyrans pour le Bonheur de l’Univers«, auch er ist ein Tyrann, der für das Glück der Völker fallen muss. Diese skatologische Bildsatire thematisiert das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen der die Revolution tragenden Bevölkerung  : Die Idee der Freiheit ist universell und wird, als geistige Waffe gegen die monarchische Ordnung eingesetzt, zu deren Zusammenbruch beitragen, ohne dass es heftiger militärischer Auseinandersetzungen bedarf.69 147

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Die Liberté war nicht nur in der politischen Graphik, sondern auch auf allen revolutionären Festen präsent, oftmals als Statue mitgeführt, bisweilen durch eine junge Bürgerin in entsprechender Kleidung dargestellt. In zahlreichen monumentalen Projekten setzte man sich – etwa für die Neugestaltung des Platzes der Bastille – für einen »Temple de la liberté« oder für eine »Colonne de la liberté« ein. Die Freiheitssäule auf dem Bastille-Platz konnte allerdings erst unter Louis-Philippe – in der Zeit des Bürgerkönigtums naheliegend ohne einen Rückgriff auf die Figur der Liberté – realisiert werden. Das Symbol der Liberté war geradezu ein ruhender Pol in allen Phasen der französischen Revolution, selbst in der Zeit der Terreur. Auf den revolutionären Darstellungen erscheint die Liberté in aller Regel wie eine antike Gottheit.70 Sie ist majestätisch, in sich ruhend, weit entfernt von den Gewaltausbrüchen der Französischen Revolution und kein Symbol des politischen Kampfes.71 Sie repräsentiert das Ideal einer neuen Ordnung und die Hoffnung der Bevölkerung auf politische Sicherheit in einer Zeit außenpolitischer Gefährdung und innenpolitischer Zerreißproben. Letztlich steht das Symbol der Liberté über die Freiheitlichkeit des Staatswesens hinaus für eine glückliche politische Zukunft. Diese friedliche Gelassenheit gilt sogar für Liberté-Darstellungen auf Graphiken, die der Rechtfertigung des 1792 beginnenden Ersten Koalitionskrieges dienen und dabei die Befreiung Europas vom Despotismus als dessen Zielsetzung versinnbildlichen sollten. Selbst als die gewaltsame Befreiung der Völker von der Despotie der Monarchien zum politischen Programm der Revolution erhoben wurde, blieb die symbolische Botschaft dieser Wende der Revolutionspolitik friedfertig. In einer Graphik mit dem Titel »Die Freiheit diktiert den Nationen ihre Gesetze« (Abb. 77) ist es nicht etwa eine kriegerische Liberté, die ihre Botschaft mit Feuer und Schwert in die Welt trägt. In Kontrast zu den heftigen militärischen Auseinandersetzungen sehen wir eine antik gewandete, in sich ruhende und mit der Stärke des Löwen zu ihren Füßen siegesgewisse Verkörperung der Freiheit, die den Nationen die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte und einen Verfassungstext »diktiert«. Auf einem Epitaph mit der Inschrift »Aux manes de Marat, Pelletier et Chalier« werden die Portraits dieser drei 1793 verstorbenen Helden der Revolution gezeigt. Im weiteren Verlauf der Revolution wurde die Liberté zum Bezugspunkt revolutionärer Ethik und religiös überhöht. Sie repräsentierte die neue republikanische Moral und wurde in zeitgenössischen Interpretationen in den Rang einer Göttin72 oder Heiligen erhoben, die Wunder vollbringt 73. Bei revolutionären Feiern trat nun eine »Déesse de la Liberté«, eine Göttin der Freiheit, auf, auf Kirchtürme sollte als Zeichen einer neuen Zeit eine »Statue de la Liberté« gesetzt werden.74 Die Liberté wurde eine Art Schutzheilige für die junge Republik und damit zu einem wichtigen Element der revolutionären Zivilreligion. 148

Freiheitssymbole à la Révolution française

Abb. 77  : Didier, La Liberté Dictant ses Loix aux Nations, 1793/94

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Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

3.2.3 Der arbre de la liberté  : das Zentrum von Bürgerfesten

Das Errichten und Schmücken von Mai- oder Festbäumen war im ländlichen Bereich über Jahrhunderte hinweg ein fester Bestandteil westeuropäischen Brauchtums. Bei Mai- oder Pfingstfeiern, auf Jahrmärkten oder bei Schützenfesten stand ein von der Dorfjugend errichteter, festlich geschmückter Baum im Zentrum von Musik, Tanz und anderem ausgelassenem Geschehen. Im Umkreis der Mai- oder Festbäume waren – auch wegen des oft ungehemmten Alkoholkonsums – die festgefügten gesellschaftlichen Normen für eine kurze Zeit gelockert, was Anlass gewesen sein mag, die Mai- und Festbaumsymbolik mit der Freiheitssymbolik zu vermischen. Die Herkunft des Freiheitsbaumes als eines revolutionären Freiheitssymbols lässt sich nur schwer ermitteln. Bereits Abbé Henri Grégoire fragte in einer Flugschrift aus dem Jahr 1793 nach der historischen und patriotischen Tradition des Freiheitsbaums.75 Seinen von der neuen Forschung allerdings bezweifelten Angaben zufolge wurde erstmals im Mai 1790 unter Anleitung eines Priesters in einer kleinen Gemeinde des Departement Vienne ein Maibaum auch als Freiheitsbaum errichtet.76 Dass Frankreich das Symbol des Freiheitsbaumes aus Nordamerika übernommen habe,77 wie erstmals von Abbé Grégoire behauptet, erscheint ebenfalls zweifelhaft. Der amerikanische Freiheitsbaum kann kaum Vorbild für den französischen Bereich gewesen sein, weil diese Symbolik mit ihrer freiheitlichen Konnotation hier nicht allgemein bekannt gewesen sein dürfte.78 Vielmehr war in Frankreich die ländliche Tradition des Maibaums der Stamm, dem die neue Revolutionssymbolik aufgepfropft wurde.79 Auch mag eine Bemerkung Rousseaus, auf den sich die Revolutionäre immer wieder beriefen, zur republikanischen Festkultur die französische Freiheitsbaumsymbolik befördert haben  : »Plantez au milieu d’une place un piquet couronné de fleurs, rassemblez-y le peuple, et vous aurez une fête.«80 Letztlich war der arbre de la liberté eine an der Idee einer freiheitlichen Ordnung ausgerichtete Uminterpretation ländlicher Frühlingsfeste. Die bäuerliche Tradition des Maibaums verband sich seit dem Beginn der Französischen Revolution mit Forderungen nach Freiheit von Abgaben und der Abschaffung der ständischen Privilegien. Der Maibaum wurde zum Zeichen des bäuerlichen Widerstands und stand im Zentrum zahlreicher gewalttätiger lokaler Revolten  ;81 er wurde zugleich aber auch zum Symbol zunächst einer konstitutionellen und später einer republikanischen Ordnung. Ohne dass die äußeren Anlässe dafür völlig geklärt wären, verbreitete sich im Mai 1792 das Symbol des Freiheitsbaums mit ungeahnter Geschwindigkeit. Die ersten Freiheitsbäume wurden am 3./4. Mai in Reims errichtet, Ende des Monats sollen es bereits über 60.000 gewesen sein.82 Den im Ortsbild präsenten Freiheitsbäumen wurde ein besonderer Identifikationswert zugeschrieben. Ein tätlicher 150

Freiheitssymbole à la Révolution française

Angriff auf den Freiheitsbaum wurde einem Angriff auf die durch die Verfassung geschützte freiheitliche Gesellschaft gleichgestellt und drakonisch bestraft. Der Täter konnte als Feind der Republik und nach dem Gesetz über kontrarevolutionäre Verbrechen strafrechtlich verfolgt werden.83 Vor allem aber stand der Freiheitsbaum im Zentrum aller Bürgerfeste. Er wurde zum Ort, an dem der Bürgereid geleistet werden konnte, er stand im Mittelpunkt einer Einschwörung auf die Werte der Revolution, aber auch von Festessen, Tanz und Gesang. Dem entsprach die Darstellung des Freiheitsbaumes in Druckgraphiken, wenn etwa in einer Graphik eines anonymen Künstlers mit dem Titel »Le bon may ou la vrai fête des bonnes gens« von ca. 1792 gezeigt wurde, wie ein mit Freiheitsmütze und Verfassungstafeln versehener Baum von Bürgerinnen und Bürgern in festlichem Kleid umtanzt wird.84 Bei diesem Tanz handelte es sich vielfacht um die Carmagnole, dazu sang man revolutionäre Lieder, deren Neudichtungen der jeweiligen politischen Situation geschuldet waren. Doch in den Graphiken sind es nicht immer heitere und unbeschwerte Bürger, die unter dem Freiheitsbaum feiern. In dem kolorierten Stich »Patriotische Refrains« (Abb. 78) kann sich bei einer Gruppe von Sansculotten, die wohl nach der Kanonade von Valmy 1792 oder Anfang 1793 nach der eingängigen Melodie der Carmagnole den Freiheitsbaum umspringen, die sonst übliche Freude nicht einstellen. War doch die junge Republik durch Aufstände in der Vendée und durch eine unsichere militärische Lage bedroht. So schauen die drei Tänzer eher angestrengt nach links auf einen Sansculotten mit einer großen Hellebarde, der auf ein in die Flucht geschlagenes Heer wohl österreichischer Husaren verweist. Der Feinde jenseits des Rheins haben sie sich offensichtlich erfolgreich erwehrt. Im hinteren rechten Bildrand erkennt man eine Burg mit Kanonen und mit einer Fahne mit der Aufschrift »indivisible«. In den dem Stich beigegebenen »Refrains Patriotiques« wird dazu aufgefordert, die Carmagnole mit dem Refrain »Ah  ! ça ira, ça ira« zu tanzen. Dieses »Ah das wird gehen, das wird gehen …« war eine Art von Selbstvergewisserung, dass die Revolution trotz aller innerer und äußerer Bedrohung erfolgreich sein werde und bessere Zeiten kommen würden. So enden die »Patriotischen Refrains« mit einem »freuen wir uns auf die guten Zeiten, die kommen werden«. Damit gehört diese Graphik zu den seltenen Darstellungen einer Stimmung in der Bevölkerung, die mit Zweifeln in eine ungewisse Zukunft blickt. Am Ende verfehlte das, was der Freiheitsbaum symbolisch vermitteln sollte, an vielen Orten die Lebenswirklichkeit. Einzelne Feste wurden von militanten Auseinandersetzungen mit konterrevolutionären Kräften überschattet, einzelne Freiheitsbäume wurden zerstört und die öffentliche Ordnung war oft kaum zu wahren.85 Nach 1800 verblasste seine Symbolkraft. Die Freiheitsbäume wurden nicht mehr besonders gepflegt, ein nächtliches rechtswidriges Fällen eines Freiheitsbaumes wurde nicht mehr bestraft. Die Julirevolution von 1830 griff wiede151

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 78  :  Anonym, Refrains Patriotiques, 1792–1794

rum auf die Traditionen des Freiheitsbaums zurück,86 allerdings nur punktuell in einzelnen Gemeinden und Städten. Zu einer wirklichen Renaissance sollte es erst 1848/49 kommen. Denn die Februarrevolution knüpfte nicht nur an die Prinzipien, sondern auch an die Symbole der Französischen Revolution und damit an die revolutionäre Tradition des arbre de la liberté an. 3.2.4 Die Égalité  : eine ikonographische Schwester der Liberté

Neben der Liberté als personifizierte Freiheit gab es in der revolutionären Freiheitsund Verfassungssymbolik mit der Égalité als personifizierte Gleichheit eine weitere allegorische Gestalt, die eine der zentralen Forderungen der politischen Philosophie der Aufklärung verkörperte. Die Égalité wurde meist, wie abgebildet (Abb. 79), ähnlich antikisierend dargestellt wie die personifizierte Freiheit.87 Mitunter hält sie, wie in der Abbildung, eine Tafel mit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 152

Werbung für die Revolution

von 1793,88 in der die Gleichheit vor dem Gesetz, anders als in den Erklärungen von 1789 und 1791, geregelt war. Das eigentliche Attribut der Gleichheitspersonifikation ist aber die Setzwaage,89 die in den entsprechenden Darstellungen kaum jemals fehlt.90 In der republikanischen Phase war diese Symbolik nicht nur in der politischen Graphik, sondern auch in der Staatsrepräsentation und in Entwürfen für Tempel, die der Gleichheit gewidmet werden sollten, immer wieder anzutreffen. Zu Beginn der Französischen Revolution war die Gleichheitssymbolik, anders als die allgegenwärtige Freiheitssymbolik, allerdings kaum präsent.91 In der ersten Phase der sogenannten bürgerlichen Revolution ging es um die Beseitigung des Ancien Régime, nicht um eine egalitäre Gesellschaft. Dem widerspricht nicht, dass die Gleichheit an prominenter Stelle in Artikel  1 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte geregelt war. Dass die Menschen »gleich an Rechten geboren« werden und es auch bleiben, entspricht naturrecht- Abb. 79  : Villeneuve, Égalité, 1793 lichen Gleichheitsvorstellungen, zielt aber nicht auf soziale Egalität durch eine Angleichung der Besitz- und Vermögensverhältnisse. Diese noch nicht sozialreformerisch aufgeladene Idee der Gleichheit sollte sich in der radikalen Phase der Französischen Revolution ändern. Zu deren Beginn, nämlich anlässlich des Sturmes auf die Tuilerien Anfang August 1792, wurde die Forderung nach sozialer Gleichheit zur Triebkraft der revolutionären Veränderungen. Die Mon­ tagne drang nach dem Ende der konstitutionellen Monarchie wegen ihres an der Gleichheit ausgerichteten politischen Programms auf eine deutliche Hinwendung zur Gleichheitssymbolik. Dies blieb nicht ohne Einfluss auf die Staatsrepräsentation, wie weiter unten (3.4) am Beispiel des Münzgeldes noch aufzuzeigen sein wird. 3.3 Werbung für die Revolution  : die Freiheits- und Verfassungssymbolik als Instrument der Popularisierung der neuen politischen Ordnung Nach der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom August 1789 wurden in den Jahren des »Verfassungsfiebers« insgesamt drei Verfassungen beschlossen, zunächst 1791 eine konstitutionelle und dann, 1793 und 1795, zwei republikanische. 153

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Bei allem Streit um die »richtige« Revolutionsverfassung war man sich, ebenso wie heute, im Klaren, dass eine Verfassung für die Gestaltung einer freiheitlichen und demokratischen Ordnung unentbehrlich war. Dass die Verfassung ein neues Staatsgrundgesetz war, musste der Bevölkerung allerdings noch in pädagogischer Absicht beigebracht werden. Diese Volksaufklärung tat not. Denn eine Verfassung kann nur dann die politische Realität gestalten, wenn es bei den Bürgern und im Staat einen Willen zur Verfassung gibt. Dies wiederum setzt voraus, dass von weiten Kreisen der Bevölkerung die von der Verfassung geregelten Prinzipien akzeptiert und die von ihr geschützten Werte gelebt und notfalls verteidigt werden. Den Weg zu einer akzeptierten und gelebten Verfassung bahnte in den Jahren der revolutionären Umwälzung eine intensive Verfassungssymbolik. Durch Inszenierungen der Verfassung anlässlich der großen revolutionären Feste suchte man ein Verfassungsbewusstsein zu schaffen, das sich in Distanz zum Ancien Régime an den Prinzipien einer verfassungsstaatlichen Ordnung orientierte (3.3.3). Zudem warb eine facettenreiche Bildpublizistik in allen Phasen der Französischen Revolution für die Idee der Verfassung als Grundlage der politischen Ordnung. Dazu bildete sie unter Rückgriff auf christliche Motive eine Verfassungssymbolik aus (3.3.1), die sich mit der Freiheitssymbolik verband (3.3.2) und gemeinsam mit ihr die verfassungspolitischen Auseinandersetzungen in der Nationalversammlung visuell begleitete (3.3.4). 3.3.1 Visuelle Sakralisierung  : die Indienstnahme der christlichen Ikonographie für politische Zwecke

Im August 1789 verkündete die Nationalversammlung die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Von diesem Fundamentalgesetz wurde alsbald gesagt, es habe »einen religiösen und heiligen Charakter«, es sei »Symbol des politischen Glaubens«.92 Angesichts solcher Einschätzungen verwundert es nicht, wenn die Rechteerklärung bereits unmittelbar nach der Verabschiedung auf einer ehernen, oben gerundeten Tafel geschrieben dargestellt wurde. Diese sich rasch durchsetzende graphische Gestaltung orientierte sich an den Darstellungen der Gesetzestafeln mit den mosaischen Zehn Geboten, auf denen sich auf der linken Tafel die auf Gott bezogenen und auf der rechten Tafel die auf das menschliche Zusammenleben bezogenen Gebote befinden.93 Die Verbindung von Gesetzestafeln mit dem Thema der Freiheit, das hier durch die Freiheitsrechte verbürgende Erklärung angesprochen ist, war ein Kind der Französischen Revolution. Davor findet sie sich zwar schon einmal bei dem Theologen und Schriftsteller Johann Michael Dilherr in seiner emblematischen Predigtsammlung »Heilig-Epistolischer Bericht, Licht, Geleit und Freud  : das ist  : emblematische Fürstellung der heiligen sonn- und festtäglichen Episteln und 154

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Evangelien« von 1663. Dort werden die Ausführungen zu einer Stelle des Galaterbriefs für die Predigt am »Sonntag nach dem Christtag« mit einem Bild veranschaulicht, auf dem ein jugendlicher Jesus die Gesetzestafeln mit einem Freiheitshut krönt (Abb.  80). Anders jedoch als bei den Gesetzestafeln der Französischen Revolution handelt es sich hier nicht um eine Umwidmung christlicher Motive für politische Zwecke  ; vielmehr bewegt sich die Illustration ganz im ursprünglichen religiösen Kontext. Die Steintafeln repräsentieren das alttestamentliche Gesetz, der von Jesus aufgesetzte Hut symbolisiert die Befreiung der Christen von diesem Gesetz durch den Heiland. In den Worten Dilherrs  : »[U]nser Heiland [hat uns] von dem  … Gesetz der Juden befreiet  ; weil solches nur so lange wären sollte biß unser HERR Christus sich Selber einstellete  …«94 Diese bemerkenswerte Verschmelzung von christlicher und weltlicher Symbolik in diesem Bild wurde möglich, weil Dilherr als Verfasser mehrerer theologischer Emblematabücher 95 mit der Abb. 80  : Illustration aus Johann M. Dilherr, Heiligweltlichen Emblemataliteratur seiner Zeit ver- Epistolischer Bericht, Licht, Geleit und Freud …, 1663, traut war. In dieser fungierte der Hut (bzw. der S. 27 ursprüngliche antike Pileus) häufig als Attribut der Freiheit,96 und Dilherr übernahm denn auch die dort anzutreffende Erklärung der Herkunft des Freiheitssymbols aus der Manumissionszeremonie. In der Französischen Revolution verband die zweigeteilte Gesetzestafel mit dem Text der Menschen- und Bürgerrechte die tradierte jüdisch-christliche Ikonographie mit den neuen Werten der politisch-rechtlichen Ordnung. Durch diesen »Transfer des Sakralen«97 konnte und sollte die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, in die Nähe religiöser Offenbarung gerückt, im kollektiven politischen Bewusstsein auf eine besondere Form von Akzeptanz stoßen. Dem entsprach die bereits frühzeitig geäußerte These der Revolutionäre, die Rechteerklärung von 1789 habe »einen religiösen und heiligen Charakter«, sie sei »Symbol des politischen Glaubens«.98 Entsprechende Graphiken wurden in großer Zahl vertrieben. Auf dem den Abgeordneten des französischen Volkes gewidmeten Stich von Louis Laurent nach dem Entwurf von Jean-Jacques François le Barbier (Abb. 81) ist die »Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen« auf einen großen Steinsockel eingeschrie155

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 81  : L. Laurent nach Jean-Jacques Le Barbier, Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen, 1789

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ben, der durch ein Liktorenbündel mit dem bonnet de la liberté getrennt ist.99 Links oben sitzt die France, die die Ketten des Despotismus gesprengt hat. Rechts sitzt das geflügelte Gesetz, das auf die Menschenrechtserklärung deutet und mit dem Zepter auf das an dominierender Stelle zu sehende Auge der Vernunft weist. In einem Strahlenkranz deutet dieses ebenfalls an die christliche Ikonographie angelehnte Sinnbild darauf hin, dass die Menschen- und Bürgerrechte in einer transzendenten naturrechtlichen Ordnung ihren Geltungsgrund finden. Die Trinität bzw. die Einheit von Vernunft, Menschen- und Bürgerrechten sowie Gesetz, die bis heute Eckpfeiler verfassungsrechtlicher Theoriebildung sind, ist hier eindrucksvoll symbolisiert. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 sollte in der bürgerlichen Phase der Französischen Revolution auch für den König Leitlinie des politischen und rechtlichen Handelns sein. Bei seinem Besuch der verfassunggebenden Nationalversammlung am 4. Februar 1790 gelobte Ludwig XVI., die verfassungsmäßige Freiheit zu achten und seinen Sohn, den Thronfolger, im Geiste der neuen politischen Ordnung zu erziehen.100 Diesem Wille zu einer konstitutionellen Prinzenerziehung wurde eine Radierung gewidmet, die Ludwig XVI. zeigt, wie er die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, wiederum in Form der mosaischen Gesetzestafeln, seinem kleinen Sohn erläutert.101 In vielen anderen Darstellungen stand die Zweiteilung der mosaischen Gesetzestafeln ganz allgemein für das Verfassungsrecht  ; in ihnen nehmen die »droits de l’homme« die linke und die »constitution« die rechte Seite ein.102 Dies wurde auch von der Staatsrepräsentation aufgenommen. So beschloss beispielsweise die Nationalversammlung im Juli 1792, diese Teilung in Menschenrechte und Verfassung für die Gestaltung der Repräsentationszeichen ihrer Abgeordneten zu verwenden.103 Die Vereinnahmung der christlichen Ikonographie ging so weit, dass sie selbst gegen die päpstliche Kritik an der Französischen Revolution gewendet wurde. In einem anonymen Druck von 1791 (Abb. 82) wurde die auf mosaische Gesetzestafeln gemeißelte Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte im visuellen Kampf gegen die katholische Kirche und ihre adeligen Unterstützer instrumentalisiert  : Am rechten Bildrand steht eine France, die durch die Kombination von Krone, Hermelinmantel und Freiheitsmütze das revolutionär veränderte monarchische Frankreich repräsentiert. Diese vernichtet, wie die Bildunterschrift erläutert, auf die Verfassungstafeln gestützt die Vertreter des Klerus und des Adels zu ihren Füßen. Gleichzeitig stößt die France mit einem »patriotischen Stupser« Seifenblasen zurück, die Papst Pius VI. mit der tatkräftigen Hilfe des konterrevolutionären Journalisten Thomas-Marie Royou produziert. Royou war der Herausgeber der ultraroyalistischen Zeitschrift »Ami du Roi« und hatte in dieser Funktion im Frühjahr 1791 bei der Verbreitung mehrerer antirevolutionärer Breven des Papstes in Frankreich eine Schlüsselstellung inne.104 In diesen Verlautbarungen verurteilte 157

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Pius VI. nicht nur die Zivilverfassung des Klerus, sondern auch die in der Menschenrechtserklärung verbrieften Prinzipien der Freiheit und Gleichheit.105 Mit ihrem Wegstoßen der Blasen (frz. bul­ les) weist die France die antirevolutionären päpstlichen Bullen106 (frz. ebenfalls bulles) und mit ihnen die darin enthaltenen Diffamierungen der fundamentalen Werte der Revolution107 zurück. Bemerkenswert an dieser Graphik ist die These, dass Verlautbarungen des Papstes die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte nicht zu berühren vermögen. Dass das royalistische Frankreich, wie die Darstellung suggeriert, diese Beschränkung der kirchlichen Autorität allseits akzeptiert hätte, war allerdings eher eine Wunschvorstellung des Künstlers. Die Verwendung der Gesetzestafeln war vermutlich der wichtigste, aber nicht der einzige Rückgriff der revolutionären Bildpublizistik auf die christliche Ikonographie. Vielmehr bediente sie sich auch immer wieder des Motivs des in Abb. 82  :  Anonym, La France s’appuiant sur les droits sakralen Werken selbstredend nicht selten anzude l’homme en écrasant la noblesse et le clergé, 1791 treffenden Altars (vgl. Abb.  87) und eines dort ebenfalls häufig gebrauchten Auges als Symbol Gottes.108 In der christlichen Kunst wurde das »Auge Gottes« oft in einem Dreieck dargestellt, bisweilen aber auch nur in einem Kranz strahlenden Lichts. Es stand seit dem 17. Jahrhundert für die Allweisheit und Wachsamkeit des himmlischen Herrschers.109 Für die Gläubigen verkörperte es die Allgegenwart, Voraussicht und Ewigkeit Gottes als transzendenter Macht. Soweit es in einem gleichseitigen Dreieck erstrahlt, versinnbildlicht es die Trinität von Vater, Sohn und Heiligem Geist. In der Revolutionsgraphik wurde das in der kirchlichen Kunst allgegenwärtige Augensymbol wie selbstverständlich säkularisiert – und dann wieder für eine kurze Zeitspanne resakralisiert. Es wurde, zunächst als »Auge der Vernunft«, sodann als »Auge des Gesetzes«, meist in einem Strahlenkranz, bisweilen aber auch in einem Dreieck dargestellt. So stand die bereits angesprochene Graphik der »Déclaration des droits de l’homme et du citoyen« (Abb.  81) schon im Herbst 1789 unter dem »Auge der Vernunft«. In der Frühphase der Französischen Revolution war dies erklärungsbedürftig. Im Text lesen wir in deutscher Übersetzung  : »Das Gesetz deutet mit dem Finger auf die Menschenrechte und mit seinem Zepter auf das höchste ›Auge der 158

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Vernunft‹, das die Wolken des Irrtums, die es verdunkelten, vertreibt.« Gesetz­ gebung und Grundrechte als Emanation der Vernunft war eine Losung des rationalistischen Naturrechts der Aufklärung ebenso wie der Französischen Revolution. Das »Auge der Vernunft« sollte dem Betrachter bewusst machen, dass nicht mehr die Tradition, sondern die Vernunft, und mit ihr das Vernunftrecht, Quelle der neuen Rechteerklärung war und die neue Rechtsordnung gestaltete. In der Folgezeit wurde dieses »Auge der Vernunft« eher als das »Auge des Gesetzes« angesehen. So erstrahlt es etwa auf der 2-Sol-Münze des Jahres 1793 über der Tafel mit dem Gleichheitssatz (Abb. 93). Durch diese Doppeldeutigkeit bzw. den Wechsel in der Metaphorik erschien das Gesetz als Instrument einer vernünftigen Gestaltung der politisch-rechtlichen Verhältnisse. In dieser Perspektive verweist die Augen-Symbolik auf die Rationalität gesetzlicher Regelung und damit auf einen zweiten Legitimationsstrang des Gesetzes, der dessen demokratische Legitimation ergänzt. Mit dem »Auge des Gesetzes« wurde in der republikanischen Phase die Überwachung der Gestaltung der neuen Ordnung verbunden. So wurde etwa auf den Mitgliedskarten des Clubs des Cordeliers,110 jenes Clubs also, der entscheidenden Anteil an der Radikalisierung der Französischen Revolution hatte, »surveillance« als Funktion des »Auges des Gesetzes« bezeichnet. Auf einer Vignette des Wohlfahrtsausschusses111 stand das Symbol des wachsamen Auges in der radikalen Phase der Französischen Revolution ebenfalls für eine Überwachung der Gesellschaft gegen jedwede abweichende politische Richtung. Das gegenüber der christlichen Darstellungsweise nur geringfügig geänderte »Auge der Vernunft« und »des Gesetzes« verwies letztlich auf die Durchsetzung der auf dem Willen des Volkes beruhenden politischen Ordnung.112 Carl Schmitts These, dass wesentliche politisch-rechtliche Begriffe »säkularisierte theologische Begriffe« seien,113 lässt sich mit Blick auf das das Symbol des Auges erweitern  : Wichtige Attribute der Verfassungssymbolik in der Zeit der Französischen Revolution sind säkularisierte theologische Symbole. Allerdings blieb diese Säkularisation der christlichen Symbolik auf halbem Weg stehen. Es kam nur zu einer Entchristlichung der Symbole, sie verloren den christlichen Glaubensgehalt, ihre Bezüge zur Transzendenz wurden nicht aufgegeben. Das »Auge des Gesetzes« assoziierte auch die Verehrung und geradezu Heiligkeit des Gesetzes, wie sie in der Publizistik und Rhetorik der Französischen Revolution allgegenwärtig war.114 Die Augen-Symbolik wurde, eine Rückkehr des Heiligen, resakralisiert, als von Robespierre in der Phase der Terreur der Kult des Höchsten Wesens propagiert wurde. In sie wurden geradezu religiöse Heilserwartungen projiziert. Zum Beispiel sieht man auf einer Graphik aus Anlass des »Festes zu Ehren des Höchsten Wesens« von 1794 (Abb. 83) ein Auge in einem Dreieck und Strahlenkranz, das das Höchste Wesen symbolisiert. Darunter begrüßt eine Familie in einer idylli159

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

schen Szene die Liberté, die in der linken Hand eine für die Gleichheit stehende Senkwaage hält und sich damit auf eine mit »Menschenrechte« beschriftete Gesetzestafel stützt. Daneben leert die Abundantia ein großes Füllhorn aus – ein Sinnbild für die Hoffnung auf nun endlich bessere Zeiten. Die Publikation der Erklärung der Menschenund Bürgerrechte und von Verfassungstexten unter Verwendung des Motivs der mosaischen Gestzestafeln und die Umwandlung des »Auge Gottes« in das »Auge der Vernunft«, in das »Auge des Gesetzes« und unter Robespierre in das »Auge des Höchsten Wesens« liegen auf der Linie der bereits von Émile Durkheim beschriebenen Sakralisierung der Französischen Revolution. Die Orientierungsgewissheit, die die christliche Tradition mit ihren Antworten auf letzte Fragen vermittelte, Abb. 83  :  Anonym, Fête célébrée en l’honneur de l’Être war im Verblassen. Sie sollte durch neue WertetaSuprême, Le 20 Prairiale l’an 2.me de la Rép., 1794 feln und damit durch eine Zivilreligion abgelöst werden.115 Diese symbolische Sakralisierung der revolutionär durchgesetzten politischen Ordnung durchzog die Bildmedien ebenso wie die großen Feste der Revolutionszeit.116 Selbst die Zusammenkünfte der Jakobiner 117 erhielten einen sakralen Charakter, was an dieser Stelle nicht weiterzuverfolgen ist.118 3.3.2 Die symbolische Verklärung der Revolutionsverfassungen  : aus dem Ancien Régime in eine paradiesische Zukunft

Im Bestreben der Bildpublizistik, ein Verfassungsbewusstsein in der Bevölkerung zu schaffen, verband sich häufig die revolutionäre Verfassungssymbolik mit der Freiheitssymbolik. Auf manchen Darstellungen hält die Personifikation der Freiheit eine Gesetzestafel oder eine Urkunde mit der Menschenrechtserklärung,119 auf anderen überreicht sie die Verfassungsurkunde oder steht am Altar der Freiheit, auf dem die Verfassung präsentiert wird (Abb. 87). In derartigen Bildern verkörpert die Liberté die Freiheitlichkeit der neuen Verfassung, die die Unfreiheit der alten ständischen Ordnung überwunden hat.120 Diese Einheit von Freiheit und Verfassung versinnbildlicht das Credo der revolutionären Verfassunggebung  : Der die Freiheit verbürgende Gemeinwillen (volonté générale), repräsentiert durch die Nationalversammlung, bringt eine neue Ordnung verfassungsrechtlich garantierter Freiheit auf den Weg. 160

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Abb. 84  :  Anonym, Ancien Régime, 1792

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Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Ein viel genutztes Stilmittel, mit dem der Bruch in der Verfassungsordnung bewusst gemacht werden sollte, war die Konfrontation mit dem Hergebrachten. Um ein Zäsurbewusstsein zu schaffen, wurde in manchen Graphiken auf eine symbolische Antithese zum Ancien Régime gesetzt. In einem Stich von 1792 ist es der Rhein, der die neue und die alte politische Ordnung teilt (Abb. 84).121 Rechts des Rheins, auf deutschem Boden, versinkt die alte Welt im Dunkel der überlebten politischen Ordnung. Inmitten einer Gruppe französischer Emigranten wird das dortige Ancien Régime durch eine verdorrte Pflanze in Form eines Totengerippes mit verwelkten Blättern, die Aufschriften wie »Ducs«, »Clergé«, »Princes« und »Fermiers« tragen, symbolisiert. Dieser todgeweihten Ordnung wird diesseits des Rheins, in Frankreich, im strahlenden Licht eines Sterns mit einem himmlischen Engel das Bekenntnis zu der neuen Verfassungsordnung entgegengesetzt. Eine Liberté mit einem Zepter und einer Tafel mit der Aufschrift »Droits de l’hommes« hält ihre schützende Hand über einen Altar mit der Inschrift »Constitution«. Dieser steht auf einem Fundament mit dem Wahlspruch der konstitutionellen Monarchie »la nation, la loi et le roi«, das wiederum von zwei Pfeilern mit den Aufschriften »Liberté Propriété« sowie »Sureté Résistance à l’oppression« getragen wird. Um diese scharen sich kampf bereite Revolutionsgardisten unter der Führung von General Lafayette. Am linken unteren Bildrand verweist eine von zwei Soldaten gehaltene Standarte mit der Losung »vivre libre ou mourir« unter einem bonnet de la liberté auf die Bereitschaft, für die freiheitliche Verfassungsordnung mit dem Tod einzustehen. Die neue Verfassung in Lichtgestalt auf der einen Seite, das im Dunkel versinkende Totengerippe der alten Ordnung auf der anderen Seite visualisieren den Sieg der neuen über die alte Zeit. Der Betrachter soll sich bewusst werden, dass die altständische Ordnung dem Tod geweiht ist und dass die neue Verfassungsordnung von einer kampf bereiten bürgerlichen Gesellschaft getragen wird.122 Dementsprechend steht eine gut ausgerüstete und geordnete Armee von Nationalgardisten einer lächerlich gemachten Emigrantenarmee unter Führung des Prinzen Condé mit einer Kasperle-Figur als Marschallstab gegenüber. Andere Graphiken vermittelten in ihrem Bemühen, den neuen Verfassungen zu Ansehen zu verhelfen, die Vision einer fast paradiesischen Zukunft, die sich die Bevölkerung von den Revolutionsverfassungen angeblich erhoffen konnte.123 Die neuen Verfassungen symbolisierten geradezu den Beginn eines goldenen Zeitalters glückseligen Zusammenlebens. In einer Farbradierung mit dem Titel »Die französische Verfassung« (Abb. 85) schreibt die Nation, wie im Text zu dieser Graphik erläutert, mit dem Zepter der gesetzgebenden Gewalt die Verfassung sowie die Menschen- und Bürgerrechte auf mosaische Gesetzestafeln. Dabei werden die wesentlichen verfassungsrechtlichen Errungenschaften und Bestimmungen wie etwa Verantwortlichkeit der Minister erwähnt. Diese Gesetzestafeln hängen an einem monumentalen Liktorenbündel, das die 83 Departements repräsentieren soll, und 162

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Abb. 85  : Louis Le Cœur, La Constitution française, 1791–1792

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Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

ist bekränzt von einem bonnet de la liberté an der Spitze der Keule des Herkules, des Zeichens der unwiderstehlichen Kraft dieses antiken Helden.124 Sie ragt aus dem Liktorenbündel empor und verkörpert die Gewalt des Volkes. Der mit den Flügeln schlagende gallische Hahn auf der Freiheitsmütze fordert auf, auch künftig über die errungene Freiheit zu wachen. Der Sockel des Monuments, so wird weiter erklärt, wurde aus den Steinen der Bastille gefertigt und erinnert mit einem Relief und einigen Namen an deren Erstürmung. Mit der Nennung von Voltaire und Mirabeau wird auf die politische Theorie verwiesen, die zur Französischen Revolution und zur Verfassunggebung geführt habe. Auf der rechten Seite des Bildes steht das Grab Mirabeaus, dessen Skulptur von einem Mann bekränzt und von einem anderen in fast religiöser Form verehrt wird  ; davor trägt eine Gruppe von Nationalgardisten und Sansculotten die Trikolore als Symbol der neuen Ordnung. All dies wird in einer idealen Landschaft mit Zeichen des lange Zeit und immer noch entbehrten Wohlstandes verbunden. Links wird die Universalität der revolutionären Umwälzung proklamiert, indem ein Osmane auf die neue Verfassungsordnung hingewiesen wird. Auch in dieser Graphik wurde die Zäsur zum Ancien Régime in das kollektive Bewusstsein gehoben. Dessen Vertreter sind nach wie vor politisch aktiv. Links vorne versucht ein Priester, einer Bürgerfamilie die revolutionskritische Haltung des Papstes nahezubringen, rechts ist ein Revolutionsgegner bereits zu Fall gekommen. Die symbolbeladene Verklärung einer glücklichen und harmonischen Zukunft blendete einmal mehr den heftigen tagespolitischen Streit um den richtigen Weg in die Zukunft aus. Mit ihrem Reichtum an Details und Symbolik war die Graphik eine Art von Gegenpol zu den Schwierigkeiten, auf die die Durchsetzung der neuen Verfassung stieß. In Kontrast zu den politischen Richtungskämpfen verheißt sie den erwartungsvollen Auf bruch in eine neue politische Ära, die zu allgemeinem Wohlstand und zu politischer Zufriedenheit führt. Die Verfassung wurde in immer wieder neuen Kompositionen als Garantin eines friedlichen, harmonischen und glücklichen Zusammenlebens geradezu verehrt. Zu den insoweit wohl ausdrucksstärksten Arbeiten gehört eine vermutlich 1797 oder 1798 publizierte, in ihren Vorentwürfen jedoch bis 1791 zurückreichende Radierung von Pierre-Paul Prudhon (Abb. 86).125 Die Tafel in der Mitte des unteren Randes dieser symbolisch überfrachteten Radierung erklärt, dass die französische Verfassung durch Weisheit auf die Menschenrechte und die Pflichten des Bürgers als unveränderliche Grundlagen gegründet sei. Die bildliche Umsetzung dieser Botschaft zeigt in der Mitte die auf einem Podest stehende Minerva, die Göttin der Weisheit. Der Bildunterschrift zufolge fordert sie die links und rechts neben ihr stehenden Personifikation der Freiheit ‒ diese hat die Ketten der Knechtschaft zerbrochen und führt eine Freiheitsmütze mit sich ‒ und die Personifikation des Gesetzes auf, sich zu vereinigen. Gezeigt wird, wie Minerva die beiden allegori164

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Abb. 86  : Pierre-Paul Prudhon, Constitution française fondée par la sagesse sur les bases immuables des droits de l’homme et des devoirs du citoyen, ca. 1797/98

schen Gestalten an die Schultern gefasst zusammenführt, damit sie sich die Hand geben. Die Freiheit lädt ihrerseits die Natur mit ihren Kindern, von denen eines ganz rechts im Bild das Gleichheitssymbol der Setzwaage hält, zu dieser »heureuse réunion«, zu dieser glücklichen Vereinigung, ein. Auf der linken Seite wird einer der Vorteile der gesetzlichen Freiheit symbolisiert, nämlich dass alle in Sicherheit leben können, selbst das Lamm neben dem gebändigten Löwen, eine bereits aus den Emblematawerken bekannte Allegorie. Dass das Gesetz Sicherheit verbürgt, wird durch einen Eichenzweig bekräftigt, der für die Macht des Gesetzes stehen soll. Auf dem linken und rechten Sockel befinden sich zwei Reliefs, die der Freiheit und der Gleichheit gewidmet sind. Bei ihnen handelt es sich um seitenverkehrte Kopien zweier anderer Graphiken Proudhons mit den Titeln »L’Égalité« und »La Loi«.126 Die Gleichheitsgraphik trägt die Bildunterschrift  : »Sie sind in der Gesellschaft ebenso wie vor der Natur gleich«, was auf eine naturrechtliche Begründung des Gleichheitssatzes verweist. Die Gesetzesgraphik wird mit »der Schwache findet seine Stärke im Gesetz, das ihn schützt« erklärt. In der hier abgebildeten Gra165

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

phik wird das Gesetz als das der Gesellschaft Gemäße, die Gleichheit als das den Menschen Gemäße bezeichnet. Am Ende der Französischen Revolution zieht diese Graphik die Summe dessen, für welches Gesellschaftsmodell man gekämpft hatte, um in eine bessere politische Zukunft zu gelangen. 3.3.3 Die großen Feste im Dienst der Popularisierung der Verfassung

Eine besondere Rolle bei der Popularisierung der Verfassung spielten die großen Feste in Paris, aber auch in wichtigen Provinzstädten. Mit großem Aufwand wurden Verfassungsfeste gefeiert, in denen das Volk als neues Subjekt der Herrschaft am Gründungsakt der neuen politisch-rechtlichen Ordnung beteiligt wurde. Im Mittelpunkt dieser neuen Festkultur stand regelmäßig das kollektive Bekenntnis zu den neuen Verfassungsgrundsätzen, daneben war die Verfassungsurkunde als normative Grundlage der Freiheit ein wesentliches Element der Feiern.127 Sie wurde bei Festen und festlichen Umzügen oftmals mitgeführt, bisweilen auch durch eine vor Ort vorhandene Druckerpresse vervielfältigt und verteilt.128 Blicken wir auf das vielleicht wichtigste Fest der Revolutionsjahre, dem am 14.  Juli 1790 auf dem Marsfeld gefeierten Föderationsfest. Bei diesem »fête du pacte fédératif«, einem großartig inszenierten, bewusstseinsbildenden Ereignis, ging es um die kollektive Zustimmung zu den Staatsstrukturprinzipien »Nation, Loi et Roi«, also zur nationalen Einheit, zur demokratischen Gesetzgebung und zur konstitutionellen Monarchie. Diese Trias war verfassungsrechtlich noch zu regeln, so dass die Bevölkerung bereits vor der Schaffung einer Verfassung auf die verfassungsrechtlichen Eckpfeiler der konstitutionellen Monarchie eingeschworen werden sollte.129 Man war sich zwar der nur schwer zu bewältigenden Kontroversen bei den Verfassungsberatungen bewusst, etwa hinsichtlich der Stellung des Monarchen. Und dennoch bestimmte eine erfolgreiche Verfassunggebung den kollektiven Erwartungshorizont. Diesen visualisierte die Bildpublizistik, die die Feier auf dem Marsfeld begleitete.130 So ist auf dem Avers einer der zahlreichen Medaillen (Abb. 87) ein Altar des Vaterlandes zu sehen, der nicht mehr dem Gottesdienst gewidmet ist, sondern der Huldigung des nunmehr freiheitlich verfassten Vaterlandes dient. Symbolisiert wird diese Verbindung von Vaterland, Freiheit und Verfassung durch eine anstelle der Bibel auf dem »autel de la patrie« stehende Verfassungsurkunde, die von der Liberté mit einer Hand gehalten wird. In ihrer anderen Hand hält sie eine Fahne mit einer phrygischen Mütze an ihrer Spitze. Die ganze Szene wird vom Licht der neuen Zeit erleuchtet, das durch den von einer allegorischen Figur geöffneten Himmel scheint. Die die Schwurszene erleuchtenden Sonnenstrahlen stehen symbolisch für das Licht, das nach der Zeit der Finsternis eine freiheitliche Ordnung in Erscheinung treten lässt. Im Vordergrund schwört 166

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Abb. 87  :  Anonym, Medaille auf die Confédération des français mit Darstellung des Verfassungseids, 1790

derweil die bekrönte France im Hermelinmantel als Repräsentantin des Königtums, dass sie die Verfassung achten wird, daneben sitzt die Felicitas mit einem Füllhorn als Sinnbild für die glückliche Zukunft des Landes in der konstitutionellen Monarchie.131 Im Hintergrund erkennt man eine große Menschenmenge, links ist auch die Kuppel der Ecole Militaire zu sehen. Die Medaille knüpft mit ihrer Inschrift »confédération des Français« (auf anderen Exemplaren steht »pacte fédératif«) an die Lehren vom contrat social an, die besagen, dass die Verfassung durch einen Gesellschaftsvertrag zustande komme.132 Das macht die Darstellung des Verfassungseides als Schwurszene am Altar ambivalent  : Eine Verfassung, die sich durch einen neuen Gesellschaftsvertrag legitimiert, bedarf keines an christliche Traditionen anknüpfenden Eides als Entstehungsgrund der beschworenen Regeln.133 Deshalb hat Mona Ozouf den Schwur auf die Verfassung anlässlich der großen revolutionären Feste auch als »le théâtre sacré du contrat social«, als das geheiligte Bühnenspiel des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages, bezeichnet.134 Diese Medaille fand eine überaus weite Verbreitung. Die Verwaltung der Stadt Paris hat sie an ihre Bediensteten und an zahlreiche andere Personen verteilt. Sie wurde vielfach als Abzeichen getragen. Ihre Popularität verdankte sie einer Symbolik, die den Bürger- und Verfassungseid eines noch monarchischen Frankreich in die Traditionslinie der seit der Antike bekannten Symbolik von Libertas und Felicitas als Bezugspunkte guter Politik stellte.

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Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

3.3.4 Die symbolische Vermittlung von verfassungspolitischen Auseinandersetzungen in der Nationalversammlung

Die Arbeit der Nationalversammlung stand im Zentrum einer breit angelegten Berichterstattung in den Medien. Die Verfassunggebung, die politischen Richtungsentscheidungen und der Erlass wichtiger Gesetze wurden durch eine Vielzahl von Flugschriften begleitet und in Symbolform der Öffentlichkeit vermittelt.135 Ein für die Verfassungsarchitektur entscheidendes Beispiel sind die Beratungen im September 1789 zur Frage, ob der König ein absolutes oder ein aufschiebendes Veto erhalten sollte. Der heftige Streit um das königliche Veto war verständlich. Das von konservativer Seite geforderte absolute Veto hätte der Fürstensouveränität zur Durchsetzung verholfen. Dies allerdings hätte im Widerspruch zur Souveränität des Volkes gestanden, die durch die Nationalversammlung repräsentiert wird. Eine anonyme, wohl aus diesem Monat stammende farbige Graphik trägt den Titel »Man muss es probieren« (Abb. 88), was die Probleme bei der Verfassunggebung auf den Punkt bringt. Denn für die Verfassung einer konstitutionellen Monarchie gab es keine Vorbilder, so dass die Verfassunggebung und die spätere Verfassungspraxis eines intensiven gesellschaftlichen Lernprozesses bedurften. Dieser Druck machte bewusst, dass die Freiheitlichkeit der politischen Ordnung von den Veto-Möglichkeiten des Königs abhängt und dass über die verfassungsrechtliche Stellung des konstitutionellen Monarchen zwischen den großen politischen Lagern kein Konsens bestand. Bildlich umgesetzt wurde dies durch eine rote Freiheitsmütze auf einer Kugel mit drei Lilien, die eine große Waage hält. In der einen Waagschale votieren drei royalistische Abgeordnete für das absolute, in der anderen drei reformorientierte Abgeordnete für das suspensive Veto. Die Waage neigt sich zugunsten des suspensiven Vetos nach unten  – ein Hinweis darauf, dass sich dieses bei der Abstimmung in der Nationalversammlung mit großer Mehrheit durchgesetzt hatte. Was man nach dem Motto dieser Graphik probieren sollte, nämlich ein suspensives Veto, führte zwei Jahre später (freilich in einer Regelung, die sich faktisch als absolute Vetomöglichkeit erwies) zum Scheitern der ersten Verfassung Frankreichs. Bei besonders wichtigen politischen Entscheidungen sah sich die Nationalversammlung bisweilen veranlasst, deren Vermittlung in die Öffentlichkeit selbst zu regeln. Dies betraf etwa die Abschaffung der Privilegien, die in der Nachtsitzung vom 4. auf den 5. August akklamiert und in der Sitzung des 11. August 1789 als Dekret beschlossen worden war.136 Diese Entscheidung brach endgültig mit der Gesellschaftsordnung des Ancien Régime. Mit der Abschaffung aller Feudalrechte, des Verkaufs von Ämtern, der Jagdrechte und der grundherrlichen Rechtsprechung war der erste Schritt in eine Gesellschaft bürgerlicher Gleichheit getan. Entsprechend wurde auch die alte Forderung der Gleichheit in der Besteuerung eingelöst. 168

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Abb. 88  :  Anonym, Il faut en Goûter, 1789

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Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 89  : Benjamin Duvivier/Nicolas Gatteaux, Bronzemedaille auf die Abschaffung der Privilegien, 1789

Nach dieser historischen Entscheidung wurde von der Nationalversammlung beschlossen, zur Erinnerung an ihre revolutionären Tat eine Medaille prägen zu lassen (Abb. 89).137 Die von Benjamin Duvivier (Avers) und Nicolas Gatteaux (Revers) gestaltete Medaille ist eine der bemerkenswertesten Prägungen der Revolutionszeit.138 Beide Medailleure gehörten zu den berühmtesten Stempelschneidern des zu Ende gehenden Ancien Régime. Duvivier hatte 1772 das Amt des »Graveur général des Monnaies«, also des Leiters der Pariser Münzstätte, erworben.139 Duviviers Portrait von Ludwig XVI. auf dieser Medaille steht in der Tradition verherrlichender Herrschaftsbildnisse, wofür er bekannt war. Gatteaux, der bei der Pariser Münzstätte angestellt war, war für Medaillen bekannt, die der eindrucksvollen Selbstdarstellung des Ancien Régime dienten. Mit dem von ihm gestalteten Revers wusste er eines der großen Ereignisse der Französischen Revolution in einprägsamer Form zu vermitteln  : In einer Art von Schwurszene der Vertreter aller drei Stände am Altar des Vaterlandes wird die Abschaffung der Privilegien bekräftigt. Unterhalb des Altares liegen in symbolischer Form die Verleihungsurkunden der nun aufgehobenen Privilegien. Die Kombination des traditionellen Herrscherbildes auf der Vorderseite mit der Darstellung eines revolutionären Aktes auf der Rückseite dieser Medaille machte bewusst, dass in der richtungweisenden Sitzung vom 4. auf den 5.  August 1789 zwar die Auflösung der ständischen Gesellschaft mit ihren Privilegien, nicht aber die Abschaffung des »Privilegs« der Monarchie beschlossen worden war. Um diesen schwierigen Spagat zu legitimieren, verlieh die Nationalversammlung in der gleichen Sitzung Ludwig  XVI. den auf dem Avers genannten Titel eines »Wiederbegründers der französischen Freiheit«.140 Mit diesem neuen Titel wollte die Nationalversammlung mutmaßlich die Botschaft verbreiten, dass der König auf 170

Mit barer Münze

Seiten der von der Nationalversammlung verabschiedeten Reformen stehe und dass das revolutionäre Reformprojekt nur im Schulterschluss mit der Monarchie zu realisieren sei. Vielleicht versuchte man aber auch nur, die Vorbehalte Ludwigs  XVI. gegen die revolutionäre Entwicklung zu überspielen, ihn also in den Reformprozess zu integrieren. Dieser in der Folgezeit häufig verwandte Ehrentitel muss sich zudem die kritische Frage gefallen lassen, welche französische Freiheit Ludwig XVI. restauriert haben soll. Des deutlichen Bruches zwischen alter ständischer und revolutionär erkämpfter bürgerlicher Freiheit wurde offensichtlich nicht hinreichend Rechnung getragen. 3.4 Mit barer Münze  : der gezielte Einsatz des  Geldwesens zur Vermittlung eines neuen Freiheits- und Verfassungsbewusstseins Münzgeld wird seit der Antike dazu genutzt, durch symbolische Darstellungen den Herrscher oder das politische System zu legitimieren. Können doch auf diese Weise die Werte des politischen Systems auf einer alltäglichen Basis vom Herrscher an seine Untertanen bzw. Bürger kommuniziert werden. Dabei zielt die im Geldwesen verwendete Symbolik vielfach auf eine Stabilisierung, bisweilen auch auf eine Glorifizierung politischer Herrschaft. Als Folge hiervon geht in aller Regel ein politischer Umbruch mit einem Umbruch im Geldwesen einher. Die Nationalversammlung hat bereits im Mai 1790 die Reform des französischen Geldwesens auf ihre politische Agenda gesetzt. Im Januar 1791 wurde beschlossen  : Durch eine entsprechende Symbolik im Umlaufgeld sollten die Werte der konstitutionellen Monarchie der Bevölkerung vermittelt werden und so ihre Zustimmung finden. Im April legte die Nationalversammlung nach Anhörung der bekanntesten Medailleure und Bildhauer in einem Dekret äußerst präzise fest, in welcher Symbolik und mit welchen Inschriften das neue Münzgeld gestaltet werden sollte.141 Nach einer öffentlichen Ausschreibung wurde ein Entwurf von Augustin Dupré ausgewählt.142 Wir sind ihm bereits begegnet  : Zusammen mit Franklin hatte er die Medaille geschaffen, die die »Libertas americana« mit dem antiken Pileus symbolisierte.143 Im Juli 1791 wurde er durch einen Beschluss der Nationalversammlung zum »Graveur Général« an der Pariser Münze bestellt.144 Nun saß dieser künstlerisch außergewöhnlich begabte und politisch einfühlsame Stempelschneider an der Schaltstelle des französischen Münz- und Medaillenwesens. Die politische Symbolik fast des gesamten französischen Münzgeldes ebenso wie einer Vielzahl von Medaillen der Revolutionszeit wurde von ihm gestaltet. Seine klassizistische künstlerische Formgebung wirkte weit in das 19.  Jahrhundert  : Die von ihm geschaffene Freiheitssymbolik wurde zum Teil in der Revolution 171

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

von 1848/49 und nach 1870 erneut verwendet. Hierauf und auf seinen Einfluss auf das amerikanische Münzgeld ist noch zurückzukommen. Auf dem Avers des von Dupré entworfenen »écu constitutionnel« sieht man die Büste von Ludwig  XVI. nicht mehr als König Frankreichs, als »Roi de France«, wie bislang üblich, sondern als »Roi des François« (Abb.  90). Denn der französische König regierte nunmehr als König der Franzosen in einer konstitutionellen MonAbb. 90  : Auguste Dupré, Ecu auf Ludwig XVI. archie. Der Revers spricht vom »regne de la als konstitutioneller König (écu constitutionnel), 1792 loi«, also von der Herrschaft des Gesetzes, ein Motto, das immer wieder aufgegriffen wurde. Im Zentrum steht eine vom gallischen Hahn und einem Liktorenbündel mit Freiheitsmütze umgebene geflügelte Gestalt, die auf eine Tafel schreibt (Abb. 91). Dies ist nach den Ausführungen des entsprechenden Dekrets der Nationalversammlung vom 9. April 1791145 eine Darstellung des Genius Frankreichs, der mit dem durch ein geöffnetes Auge an seiner Spitze gekennzeichneten Zepter der Vernunft das Wort »Verfassung« eingraviert. Der Genius, der die Verfassung auf eine Abb. 91  : Revers des écu constitutionnel mit dem die Verfassung schreibenden Zeitgeist, eherne Tafel schreibt, verweist darauf, dass 1792 sich die geistigen Grundlagen von Politik und Recht gewandelt hatten. Er verkörpert den neuen Zeitgeist, unter dessen dominanter Kraft sich das politische System wandelte. In dieser Assoziation knüpft dieser Revers an die Geistphilosophie der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an. Zu den weitverbreiteten Thesen Montesquieus gehörte, dass die Rechtsetzung dem »Esprit de la Nation« folgen müsse, soll sie nicht ohnmächtig bleiben.146 In diesem Sinn repräsentiert der die Verfassungstafel beschreibende Genius den in der französischen Nation verbreiteten Geist der Aufklärung und dessen reformatorische Kraft. Zugleich wird die dem aufgeklärten Zeitgeist verpflichtete Verfassunggebung mit dem »regne de la loi« verbunden  : Die neue Zeit mit ihrer Herrschaft des Gesetzes soll auf die französische Verfassung zurückführbar sein. 172

Mit barer Münze

Die gesamte französische Bevölkerung wurde mit diesem »écu constitutionnel« konfrontiert,147 was zu einer Orientierung des kollektiven Bewusstseins an der neuen Form des Verfassungsstaates führen sollte. Seine symbolhafte Darstellung wurde im Übrigen bis in jüngste Zeit bei der Prägung französischer Goldmünzen verwendet und hat so die gesamte Verfassungsentwicklung in Frankreich begleitet. Die kleinen Münzen unterhalb des »écu constitutionnel« übernahmen ebenfalls die Freiheitssymbolik der Revolutionsjahre. So zeigt u. a. die von Dupré entworfene148 2-SolsMünze von 1791 und 1792 unter dem Motto »la nation, la loi, le roi« das für die Einheit Abb. 92  : Die Freiheitssymbolik auf der 12-Dernier-Münze, stehende Liktorenbündel mit dem bonnet de la 1792 liberté an der Spitze, was die Grundlagen der freiheitlichen politischen Ordnung bezeichnen sollte (Abb. 92). Nach dem Sturz der konstitutionellen Monarchie im September 1792 verfolgte die erste Französische Republik eine konsequente Politik der damnatio memoriae und damit der Tilgung aller Zeichen des Königtums.149 Im Zuge der Mitte 1792 einsetzenden Radikalisierung der Revolution wurde von der Montagne, der den Nationalkonvent beherrschenden Bergpartei, das Prinzip der Gleichheit stärker betont, das nun auch im Münzgeld benannt werden sollte.150 Aber erst 1793 kam es zu Neuprägungen eines nun republikanischen Münzgeldes. Der wiederum von Dupré entworfene151 »sol dit, à la table de la loi« zeigt auf dem Avers, eingerahmt vom Schriftzug »République Françoise«, unter dem »Auge des Gesetzes« eine Gesetzestafel mit der Aufschrift »les hommes sont égaux devant la loi« (Abb. 93), eine etwas verkürzte Fassung des Art. 3 der Verfassung von 1793. Mit dem Wortlaut des »die Menschen sind vor dem Gesetz gleich« wurde, jedenfalls aus heutiger Sicht, nur die Rechtsanwendungsgleichheit verbürgt, nicht aber dass durch Gesetzgebung auch die Verwirklichung sozialer Gleichheit angestrebt werden sollte. Aus damaliger Sicht war mit dieser Definition von Gleichheit allerdings die egalitäre bürgerliche Gesellschaft als Ziel der republikanischen Ordnung besonders hervorgehoben. Auf dem Revers findet sich, eingerahmt von den Worten »Liberté« und »Égalité«, die Waage der Gerechtigkeit, verschränkt mit einem Kranz und darüber der bonnet de la liberté. Duprés Entwurf war allerdings nicht unumstritten. Von den Zeitgenossen wurde kritisiert, dass die Waage nicht die Gleichheit, sondern die Gerechtigkeit symbolisieren würde und es auf der Münze an der die Republik charakterisierenden Gleichheitssymbolik fehle.152 173

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 93  : Auguste Dupré, 2-Sols-Münze mit Freiheits- und Gleichheitssymbolik, 1793

Abb. 94  : Assignatenschein zu 15 Sols, 1792

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Mit barer Münze

Zum staatlichen Geldwesen der Französischen Revolution gehörten neben den Münzen die sogenannten Assignaten. Dieses revolutionäre Papiergeld, angeblich gedeckt durch die Nationalisierung von Kirchengut und anderem Grundbesitz, war zur Bewältigung der exorbitanten Staatsschulden eingeführt worden. Es wurde vielfach kritisiert und beklagt, dass es zu einer inflationären Geldentwertung beigetragen habe. Auch auf diesen Assignaten wurde die Verfassungs- und Freiheitssymbolik verwendet  : bisweilen ist es das »Auge des Gesetzes«,153 bisweilen ein Liktorenbündel mit Freiheitsmütze,154 bisweilen, wie hier gezeigt, eine Freiheitsmütze über einer Tafel mit der Abb. 95  : Monneron zu 2 sols mit Umschrift »Liberté sous Inschrift »droit de l’homme« (Abb. 94). la loi«, 1792 Neben den Assignaten und den vom Staat geprägten Geldmünzen spielte in den ersten Jahren der Französischen Revolution das in privater Initiative hergestellte und in Umlauf gesetzte Geld, nach der ausgebenden Firma Monneron genannt, eine wichtige Rolle.155 Da die technischen Möglichkeiten fehlten, staatliche Münzen in der erforderlichen Zahl prägen zu können, mangelte es an einer ausreichenden Menge des staatlichen Umlaufgelds. Die großteils in England geprägten Monnerons, die bei der ausgebenden Firma jederzeit in staatliches Geld eingewechselt werden konnten, schufen das ökonomisch wichtige Ersatzgeld. Ihre vor allem von Dupré gestaltete Symbolik war stärker als die eines Teils des Umlaufgeldes an der allgemeinen Revolutionssymbolik orientiert. Der »monneron de 2 sols à la liberté« zeigt, umrahmt von dem Schriftzug »liberté sous la loi« (Freiheit unter dem Gesetz), die sitzende Liberté mit dem bon­ net de la liberté auf einer Stange, die von der rechten Hand gehalten wird, während sich der linke Arm auf eine Tafel mit der Aufschrift »droits de l’homme artic. V.« stützt (Abb. 95). Dieser Artikel der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 regelt die allgemeine Handlungsfreiheit  : Die Freiheit kann nur durch ein Gesetz einschränkt werden, und alles, was nicht gesetzlich verboten wurde, ist erlaubt. Am weitesten war der ebenfalls von Dupré entworfene »monneron de 5  sols au serment«156 von 1791157 verbreitet (Abb.  96). Er erinnert mit dem Hinweis auf den »pacte fédératif« und mit dem Datum »14 Juillet 1790« an das bereits erwähnte Föderationsfest auf dem Marsfeld, das den Jahrestag der Erstürmung der Bastille feierte und der Vergewisserung der Einheit von Volk und König bei der Verfassunggebung gewidmet war. Als Umschrift diente die Parole der Revoluti175

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

onsjahre »vivre libre ou mourir«, in Freiheit leben oder sterben. Die zu verabschiedende freiheitliche Verfassung wird durch eine Schwurszene auf die Verfassung symbolisiert. Geschworen wird der Personifikation der France mit dem Helm der Minerva, die die Verfassungstafel mit der Inschrift »constitution des français« emporhält. Die Bildmitte wird von der schwörenden Nationalgarde, die in großer Zahl am Föderationsfest teilnahm, beherrscht. Ludwig XVI. ist nicht in Persona, sondern nur zu einem kleinen Abbild marginalisiert auf einem Podest inmitten der Schwurszene präsent. Dies bringt zum Ausdruck, dass der König an dem Föderationsfest nicht beteiligt war Abb. 96  : Auguste Dupré, Monneron zu 5 sols auf den Pacte und den Verfassungsberatungen kritisch Fédératif mit Schwur auf die Verfassung, 1791 gegenüberstand. Die hier zur Anschauung gebrachte Volkssouveränität als Grundlage der verfassunggebenden Gewalt konnte auf den König bei der Verfassunggebung weitgehend verzichten. 1796/97, also mit dem Directoire, gelangte die revolutionäre Freiheits- und Verfassungssymbolik auf dem Umlaufgeld an ihr Ende. Duprés Liberté mit der phrygischen Mütze fand sich zwar weiterhin auf den kleinen 1- und 5-CentimesMünzen.158 Symbolische Bezugnahmen auf die Forderungen und Prinzipien der Französischen Revolution gab es aber, ebenso wie in der Bildpublizistik, nicht mehr. So war es letztlich kaum mehr als ein halbes Jahrzehnt, in dem das Umlaufgeld mit seiner sich wandelnden politischen Symbolik die jeweiligen verfassungsrechtlichen Neuorientierungen und Umwertungen begleitete. Die Nationalversammlung hat mittels ihrer Gestaltung des Umlaufgeldes gezielt und wohl auch mit Erfolg über die täglich verwendeten Zahlungsmittel auf das politisch-rechtliche Bewusstsein der Bevölkerung eingewirkt  ; Gleiches geschah durch die privaten Prägungen der Monnerons, die noch entschiedener auf die staatstheoretischen Grundlagen der revolutionären Ordnung verwiesen. Wesentliche Prägungen des offiziellen und des privaten Umlaufgeldes gingen, wie gezeigt, auf den großen Medailleur und Leiter der Pariser Münzstätte Dupré zurück, der darüber hinaus die ersten Prägungen des amerikanischen Umlaufgeldes in diesen Jahren entscheidend beeinflusste.159 So gesehen sind hier Symbolgeschichte und Geldgeschichte, aber auch ein Symboltransfer in die Vereinigten Staaten von Amerika durch die Gestaltung von Umlaufgeld eng miteinander verbunden. 176

Das politische Credo der geistigen Väter

3.5 Das politische Credo der geistigen Väter der Französischen Revolution  : bildpublizistisch kaum vermittelbar Der Einfluss der Freiheits- und Verfassungssymbolik auf die Entwicklung eines revolutionären politisch-rechtlichen Bewusstseins wurde bereits wiederholt angesprochen. Wie aber steht es mit den Klassikern der politischen Theorie der Aufklärung, die zu den mentalen Voraussetzungen der revolutionären Entwicklung beitrugen  ? Wurden auch sie oder nur einige wenige von ihnen mit ihren Werken und Maximen durch das Medium der politischen Symbolik vermittelt  ? Lässt sich bei der bildhaften Darstellung einzelner Klassiker der politischen Aufklärung von »Identifikationsportraits«160 sprechen, weil mit ihrem Portrait wesentliche Aussagen ihres Werkes visuell assoziiert wurden  ? Montesquieu und Rousseau gelten gemeinhin als die geistigen Väter der Französischen Revolution. Im vorrevolutionären Frankreich verwiesen mehrere Medaillen und Graphiken auf Montesquieu, etwa eine 1753 von dem Medailleur Dassier geschaffene Bronzemedaille, die auf ihrem Revers einen weiblichen Genius mit einer Schreibfeder und einem Buch, betitelt als »Esprit des Lois«, zeigt.161 In der Ikonographie und Bildpublizistik der Französischen Revolution ist Montesquieu allerdings nicht präsent. Galt Montesquieu doch als Adliger, der seine Herkunft nicht verleugnen konnte  ; auch war er grundsätzlich Anhänger der von der Revolution überwundenen ständischen Gesellschaftsordnung. Die Revolutionäre konzedierten Montesquieu zwar, gegen den Absolutismus gekämpft und zu einem neuen politischen Denken angeregt zu haben. Die Grundlagen einer neuen demokratischen Ordnung fanden sie bei ihm aber nicht.162 Im Vordergrund stand vielmehr der geradezu als Kultfigur163 verehrte Rousseau. Die Titelvignetten seiner beiden staatstheoretischen Hauptwerke verwendeten bereits jene Freiheitssymbolik, die die Französische Revolution beherrschen sollte. Der 1755 erschienene »Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes« zeigt auf dem Frontispiz (Abb. 97) eine Liberté samt Kopf bedeckung als Attribut, das dem Druckort Amsterdam entsprechend die Form des niederländischen Geusenhutes hat. Ebenso findet sich auf dem Titelblatt zu seinem ebenfalls von Marc Michel Ray in Amsterdam gedruckten »Du contrat social, ou principes du droit politique« aus dem Jahr 1762 eine Minerva mit einem Freiheitshut auf einer Stange in der einen und zusätzlich einer Waage in der anderen Hand (Abb. 97).164 Durch diese Titelblätter zweier klassischer staatstheoretischer Werke der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die Freiheits- und auch die Gerechtigkeitssymbolik bereits vor der Revolution einer breiteren Leserschaft nahegebracht. Rousseau stand wie kein anderer Autor für Demokratie und Egalität und damit für die Werte der neuen bürgerlichen Gesellschaft. In seinem Werk »Du contrat social« entwickelte Rousseau die Theorie der Volkssouveränität und mit ihr die 177

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 97a und b  : Frontispize zu Jean-Jacques Rousseau, Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes, 1755 und ders., Du contrat social, ou principes du droit politique, 1762

These, dass im Mehrheitsbeschluss die »volonté générale«, der Gemeinwille, zum Ausdruck komme, die, dem allgemeinen Besten verpflichtet, nicht irren könne. Auch wenn die Revolutionäre Rousseaus Ideal einer unmittelbaren Demokratie nicht folgten, sondern sich für eine repräsentative Demokratie entschieden, bildete seine politische Theorie doch die geistige Grundlage der Französischen Revolution. Gerade weil er das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer politischen Neuordnung geschaffen hatte, wurde er in der revolutionären politischen Publizistik165 ebenso wie auf Medaillen und Graphiken als einer der Wegbereiter der revolutionären Umwälzung verehrt. Hierbei wurde häufig auf den »Contrat Social« verwiesen, der meist in Form eines Buches erscheint 166 oder wie im Fall einer der zahlreichen Medaillen auf Rousseau167 durch die Inschrift »La puissance législative appartient au peuple et ne peut appartenir qu’à lui  ; Contrat Social Liv.  3 Chap. 1« mit seiner zentralen These der Volkssouveränität zitiert wird. 178

Das politische Credo der geistigen Väter

Auf einem Gemälde von Nicolas Henri Jeaurat de Bertry aus der Zeit der Ersten Republik (Abb. 98) findet sich indes keine derartige Bezugnahme. Dafür sieht man ein Medaillon mit dem Portrait Rousseaus, das in den Bereich des Himmels erhoben ist. Unterhalb des Portraitmedaillons symbolisiert das »Auge der Vernunft« zwischen zwei Fahnen in den Farben der ersten französischen Republik die politische Rationalität als Grundlage der republikanischen Staatsform, die in der Französischen Revolution erreicht wurde. Die den Ideen Rousseaus verpflichtete Republik führt in eine glückliche Zukunft. Es bricht eine Zeit des Wohlstandes an, was eine friedvolle ländliche Szene mit einem Füllhorn, aus dem Assignaten herausquellen, schildert. Dass die Freiheit der Urquell dieses Wohlstandes ist, lässt eine Quelle vermuten, die unter dem Freiheitsbaum hervorsprudelt. Den Mittelpunkt der Darstellung bildet ein gewaltiges Liktorenbündel mit der roten Jakobinermütze an der Spitze. Auf dem Liktorenbündel sind die politischen Leitprinzipien »force, vérité, justice, union«168 zu lesen. Links im Bild steht »Egalité« auf einem Obelisken, auf dessen Sockel »c’est le courage qui établit les Republiques. C’est la vertu qui les conserve«169. Rechts wird auf einem Säulenstumpf die »régénération des moers«,170 die Neuordnung der geistigen Grundlagen der Gesellschaft, angesprochen. Für deren Zielsetzung wird darunter auf die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte verwiesen. All dies ist das Werk der »révolution française«, wie rechts auf den Ruinen der alten Ordnung geschrieben steht. Die Kanone, halbrechts unten, verspricht Verteidigungsbereitschaft, die schemenhafte Darstellung der Guillotine im Hintergrund assoziiert eine verblassende Episode gewalttätiger revolutionären Neuordnung. Letztlich findet sich in dem symbolisch überfrachteten Bild auch die Trias von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, versinnbildlicht durch den Freiheitsbaum, den Obelisken der Gleichheit und den sich einander die Hände reichenden Frauen. Dieses Bild atmet den Rousseauismus der Französischen Revolution. Rousseau schwebt, einer Gottheit gleich, zu Ende der Revolution über einer neuen Welt  : Freiheit und Gleichheit, die Themen seiner beiden klassischen Werke, sind die Grundlage der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte und führen zur Regeneration von Sitte und Gesellschaftsordnung. Seiner Forderung »zurück zur ­Natur« begegnen wir in einer friedvollen Landschaft, in der Mensch und Tier unter dem Freiheitsbaum am rauschenden Bach Wohlstand schaffen. Man ist wachsam und gerüstet, dass die alte Zeit oder die Gräuel der Revolution nicht zurückkehren. Rousseau erscheint als der große Pantokrator, als die politische Kraft, die die Französische Revolution zu einem guten Ende geführt hat.171 Ein anderes Bild, ein Stich ebenfalls aus der Zeit der Jakobinerherrschaft (Abb.  99),172 würdigt Rousseaus Eintreten für die Volkssouveränität, daneben wird Voltaire als Vordenker der Französischen Revolution und Kämpfer für Toleranz und politische Freiheit gerühmt. Unter dem strahlenden »Auge der Ver179

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 98  : Nicolas Henri Jeaurat de Bertry, Allegorie auf die Französische Revolution, 1794

180

Das politische Credo der geistigen Väter

Abb. 99  : Anonyme Radierung auf das Höchste Wesen, das souveräne Volk und die Französische Republik, 1794

nunft« steht geschrieben  : »Höchstes Wesen, souveränes Volk, Französische Republik.« Auf der rechten Seite deutet Rousseau als Lehrer auf diese Bausteine sozialer Ordnung. Auf der linken Seite steht an einem Lorbeerbaum ein vom Alter gezeichneter Voltaire, der der Lehre Rousseaus seine Referenz erweist. Neben ihm verweist eine Büste von Lucius Iunius Brutus, des der Sage nach ersten Konsuls der römischen Republik, auf dessen Rettung der republikanischen Staatsform. Als Retter der Republik – er ließ angeblich seine zwei Söhne töten, nachdem diese sich gegen ihn verschworen hatten, um die Königsherrschaft wiederherzustellen173 – war dieser Brutus ebenso wie Brutus der Cäsarmörder in der Zeit der Terreur äußerst populär.174 Auf dem Sockel der Büste wird mit Brutus’ Ausruf »Götter  ! Gebt uns eher den Tod als Knechtschaft« auf Voltaires Tragödie »Brutus« verwiesen. Nach ihrer Erstaufführung in der Comédie Française über 60 Jahre zuvor wurde sie nur wenige Male gespielt, erlebte aber Anfang 1790 in Paris mit großem Erfolg Neuaufführungen.175 Der hier angeführte Ausruf Brutus’ passte zur revolutionären Parole »la liberté ou la mort« und ließ sich wie das ganze Stück und die Brutus-Renaissance während der Französischen Revolution insgesamt 176 als Legitimierung des Kampfes gegen eine despotische Herrschaft verstehen. 181

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 100  :  Anonym, Le Faux Pas, 1791

Der Hinweis auf das »Être Suprème« erinnert daran, dass Voltaire und Rousseau den religiösen Dogmatismus der christlichen Kirche ablehnten, aber gleichwohl ein deistisches bzw. naturreligiöses Weltbild vertraten. Darüber hinaus deutet der das Bild beherrschende Dreiklang von Höchstem Wesen, souveränem Volk und französischer Republik auf eine gewisse Sakralisierung der Lehren Rousseaus. Die Französische Republik mit ihrem souveränen Volk wurde dem wachenden »Auge der Vernunft« eines Höchsten Wesens unterstellt. Rousseaus staatstheoretisches Werk und Voltaires wiederholt gewürdigter Einsatz für politische Freiheit 177 wurden auf diese Weise in den Bereich politischer Offenbarung gerückt. Voltaires Gebeine wurden – wie später diejenigen von Rousseau – am 11. Juli 1791 in das Panthéon, der neuen Gedenkstätte der großen Persönlichkeiten der französischen Nation, überführt. Diese Pantheonisierung geschah in einem sorgfältig inszenierten Festzug,178 wobei in vielfältiger Form, auch ziemlich drastisch, der Beitrag Voltaires zur Französischen Revolution gewürdigt wurde. Eine kolorierte Radierung aus diesem Anlass (Abb. 100) zeigt eine Büste Voltaires mit der Aufschrift »L’homine immortel« vor dem Panthéon, der Pegasus neben ihm ver182

Das politische Credo der geistigen Väter

weist auf seinen Ruhm als Dichter. Darüber schwebt ein Engel, der mit einer Fanfare im Mund das Werk des »unsterblichen« Philosophen preist. Auf einem Tuch unter der Fanfare steht  : »Der König ist nichts weiter als ein Mensch mit einem herausgehobenen Titel. Als Erster ist er den Gesetzen unterworfen und gezwungen, gerecht zu sein.« Dieser aus Voltaires Tragödie Don Pèdre (1775) fast wörtlich übernommene Satz formuliert die Leitidee der Staatsphilosophie des aufgeklärten Absolutismus  : Das Amt des Königs ist in den Dienst des Staates gestellt, es wird nicht durch ein Gottesgnadentum oder andere politische Theorien legitimiert, sondern allein durch Bindung an das Gesetz und an eine gerechte Herrschaft. In vulgärer Form verweist der Engel mit einer weiteren Fanfare im Gesäß auf den »Journée du 21 juin«, den Tag der kurz zuvor versuchten Flucht der königlichen Familie, während er zugleich die Büste von Ludwig XVI. wegen dieses »faux pas« mit einem Fußtritt von einem Podest stößt. In der Person Voltaires hat die Philosophie der Aufklärung, so die Aussage dieser monarchiekritischen Graphik, nicht nur die »Tyrannis« des französischen Königtums überwunden, sondern nun auch das Königtum schlechthin. Nicht nur den vor dem Ausbruch der Revolution verstorbenen Staatstheoretikern wurde in Druckgraphiken gehuldigt. Auch an den revolutionären Ereignissen beteiligte Autoren von viel gelesenen staatstheoretischen Werken, die Gegenmodelle zum Ancien Régime entworfen hatten, standen mit ihrer Person und ihrem Werk für die neue politische Ordnung. Einer von ihnen war Mirabeau, der trotz seiner adeligen Herkunft von Vertretern des Dritten Standes nach Versailles in die États Généraux entsandt worden war. Er war eine schillernde Persönlichkeit mit einem bewegten Leben  : mehrere Jahre Haft und Annullierung eines gegen ihn ergangenen Todesurteils, Autor erotischer Romane, Aufenthalt am Berliner Hof und Verfasser einer glänzenden Schilderung des Zustandes Preußens und vor allem Schöpfer zahlreicher weitverbreiteter Publikationen zur politischen Freiheit. Auf den Beginn der Französischen Revolution hatte er maßgeblichen Einfluss. Als »Herkules der Freiheit«, wie er genannt wurde, war er eine Gallionsfigur in den revolutionären Richtungskämpfen. Seine Wertschätzung änderte sich allerdings schlagartig, als bekannt wurde, dass er mit beträchtlichen Zahlungen aus der Schatulle des Königs seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren wusste. Sein Tod im April 1791 war Anlass für eine Graphik mit dem Titel »Mirabeaus Ankunft im Elysium« (Abb. 101). Das Bildnis zeigt die Landung des jüngst verblichenen und noch nicht des Verrats an der Revolution bezichtigten Revolutionsführers im Elysium,179 wo er von mehreren vor ihm verstorbenen Geistesgrößen begrüßt wird. Über Mirabeau schwebt, wie die beigefügte Erklärung erläutert, der Genius der Freiheit mit einer Fahne, die die Inschrift »Das freie Frankreich« trägt. Vor ihm steht Benjamin Franklin, der ihn mit einem Kranz aus Eichenlaub krönt, während Mirabeau dem 183

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 101  : Louis-Joseph Masquelier nach Jean-Michel Moreau, Mirabeau arrive aux Champs Élisées, 1792

ihm gegenübersitzenden Rousseau die neue Verfassung Frankreichs präsentiert. Hinter dieser Szene stehen als weitere Vertreter der Aufklärung die Philo­sophen und Publizisten Montesquieu, Mably, Voltaire und Fénelon, rechts im Hintergrund sieht man zudem die antiken Rhetoren Demosthenes und Cicero, die sich ausweislich der Erklärung über den »französischen Redner« unterhalten und dabei dessen in den Dienst der Revolution gestellte rhetorische Brillianz rühmen. Mit dieser Komposition wurde die geistige Tradition, in der die Verfassunggebung stand, betont. Ebenso wurde Mirabeaus Einsatz für das Selbstverständnis der Nationalversammlung sowie für das Zustandekommen der Grundrechteerklärung und der Verfassung gewürdigt. Diese Graphiken erinnern an jene Philosophie der Aufklärung, die das geistige Klima für ihre Revolution geschaffen hatte. Aber nur einigen Ahnvätern der Revolution wurde gedacht. Eine ganze Reihe der Wegbereiter der Französischen Revolution, etwa einige der mit ihren politischen Schriften einflussreichen Enzyklopädisten, hat die revolutionäre Bildpublizistik schlichtweg, übergangen. Für die auf die Gallionsfiguren der Aufklärung bezogene politische Symbolik gilt Gleiches wie für die Freiheits- und Verfassungssymbolik insgesamt  : Mit ihren 184

Der Wandel der Freiheits- und Verfassungssymbolik

Namen, ihren Portraits und ihrem Werk identifizierte man zwar eine bestimmte politische Orientierung. Präzise verfassungsrechtliche Thesen wurden mit den symbolischen Bezugnahmen auf ihre Person und ihr Werk in aller Regel aber nicht verbunden. Dies kam nicht von ungefähr. Denn die aufgeklärte politische Theorie überhäufte das Ancien Régime lediglich mit beißender Kritik  ; wie eine konstitutionelle Monarchie oder eine Republik in einer Situation des politischen Umbruchs zu verwirklichen war, ließ sich den Werken aufgeklärter Staatstheorie nicht entnehmen. Deren Vorschläge waren praxisfern und zudem nicht auf Umsetzung in einem revolutionären Kontext angelegt. Hinzu kommt, dass die Interpretation der politischen Schriften Rousseaus damals ebenso umstritten war, wie sie es heute ist. Wegen dieser Auslegungsoffenheit konnte man sich auf ihn in allen Phasen der Französischen Revolution berufen.180 So dienten die symbolischen Bezugnahmen auf die Ahnväter und ihr Werk letztlich lediglich der Vergewisserung der geistigen Grundlagen der auf den Weg zu bringenden politischen Neuordnung und nicht als Handreichung für die konkrete politische Gestaltung.181 3.6 Der Wandel der Freiheits- und Verfassungssymbolik im Verlauf der Französischen Revolution Wesentliche Zäsurereignisse im Verlauf der Französischen Revolution waren die Einführung der konstitutionellen Monarchie, deren Sturz und der Beginn der Jakobinerherrschaft im Sommer 1792, der Sturz von Robespierre und der Beginn der Direktorialzeit im Sommer 1794 sowie ihr Ende mit dem Beginn der Napoleonischen Ära im November 1799. In diesen drei unterschiedlichen revolutionären Phasen blieb die Form der Freiheits- und Verfassungssymbolik weitgehend konstant, es änderte sich jedoch ihre symbolische Aussage. Mit den Wandlungen der Freiheits- und Verfassungssymbolik während der unterschiedlichen Phasen der Französischen Revolution befasst sich der folgende Abschnitt. 3.6.1 Die kurze Phase der konstitutionellen Monarchie

In der ersten Phase der Französischen Revolution ging es um die Verwirklichung einer konstitutionellen Monarchie. Bereits Anfang Februar 1790 hatte Lud­ wig  XVI. vor der Nationalversammlung geäußert, dass er die Verfassung, die damals noch beraten wurde, achten würde. Dieses Zugeständnis wurde in zahlreichen Graphiken und Medaillen in einer glorifizierenden Weise gefeiert.182 Ludwig  XVI. wurde nicht nur als Vater des Vaterlandes und als König eines freien Volkes gepriesen, sondern bereits im Sommer 1789 auch als Erneuerer der französischen Freiheit, als »restaurateur de la liberté française«.183 Mit dem letztge185

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

nannten Titel eine Traditionslinie zu einer alten französischen Freiheit zu ziehen, war, wie bereits bemerkt,184 eine sehr gewagte Behauptung. Nach heftigen politischen Kontroversen hat die verfassunggebende Versammlung am 3.  Septem­ ber 1791 die erste Revolutionsverfassung beschlossen  ; ihre »Acceptation« am 14.  September durch den König war für die politische Graphik ein denkwürdiges Ereignis.185 Die Leitprinzipien dieser neuen Verfassung wurden fast umgehend von einem anonymen Künstler unter dem Titel »Triumph von Ludwig  XVI.« bildlich umgesetzt (Abb. 102). Die Ketten der Unfreiheit sind, worauf der untere Teil der Graphik verweist, nach dem Erlass der Verfassung gesprengt.186 Die rechts stehende personifizierte Gleichheit mit der Setzwaage in der Hand hält eine Stange mit einer Fahne, an deren Spitze sich ein Freiheitshut mit dem Datum »14. Sept. 1791« befindet. Auf der linken Bildseite hält die France mit dem Schwert der Gerechtigkeit in der rechten Hand eine Krone über die Büste Abb. 102  :  Anonym, Triomphe de Louis XVI., 1791 von Ludwig XVI. Dies belehrt den Betrachter darüber, dass seine Stellung als Monarch nunmehr von der französischen Nation herrührt. Neben ihr steht auf einem Schriftband »Alle allein für das Gesetz«, darunter liegt neben den Symbolen der Unfreiheit ein Foliant mit der Aufschrift »Dekrete der Repräsentanten der Nation«. In diesem Bild von der neuen Verfassungsordnung ist der König nur noch in untergeordneter Form präsent. Davon, dass Ludwig XVI. triumphiert habe, wie der Titel der Graphik vorgibt, kann kaum die Rede sein. Er wirkt vielmehr fast schon wie ein Fremdkörper in der Trinität von Gleichheit, Freiheit und Bindung an das von der Nationalversammlung beschlossene Gesetz und Recht. In dieser Graphik klingt Ähnliches an wie im Münzgeld, auf dem Ludwig XVI., wie gesehen, zwar weiterhin den Staat verkörperte, aber nicht mehr als König von Frankreich, sondern als König der Franzosen (Abb. 90). Der König regierte nicht mehr aus eigener Machtvollkommenheit, sondern führte nunmehr seine Rechtsstellung auf die Verfassung und damit auf den Volkswillen zurück. Diese nachgeordnete Stellung des Königs kam auch in dem Bürgereid zum Ausdruck, dessen Wortlaut in Art. 5 der Verfassung des Jahres 1791 geregelt war. In diesem Eid schworen die Bürger, der Nation, dem Gesetz und erst an dritter Stelle 186

Der Wandel der Freiheits- und Verfassungssymbolik

dem König, treu zu sein. Diese Trias von Souveränität der Nation, der Achtung des demokratisch verabschiedeten Gesetzes und der Rolle des konstitutionellen Königs war zwischen 1790 und 1792 allgegenwärtig. Zahlreiche Medaillen auf die Verfassunggebung verbanden mit dem damals üblichen Motto »vive la constitution« die Devise »vive la nation, la loi et le roi«187 und knüpften mit dieser verfassungsrechtlichen Losung an den förmlichen Verfassungseid der Abgeordneten vom 4.  Oktober 1791 an.188 Die Einheit von Nation, Gesetz und König wurde zudem öffentlichkeitswirksam auf den Erkennungs- und Legitimationszeichen des Verwaltungs- und Gerichtspersonals189 oder auf Verdienstmedaillen hervorgehoben190. Die Verbindung von Nation und Gesetz war von dem führend an der Ausarbeitung der Verfassung von 1791 beteiligten Emmanuel Sieyès bereits Anfang 1789 in seiner berühmten Schrift »Was ist der Dritte Stand  ?« damit begründet worden, dass die Nation am Ursprung aller Politik stehe, ihr Wille immer legal und sie das Gesetz selbst sei.191 Das Gesetz legitimiere sich nämlich, so das revolutionäre Credo entsprechend Rousseaus Thesen, durch die Unfehlbarkeit der volonté géné­ rale. Diese, wie die Geschichte gezeigt hat, allzu idealistische Vorstellung war in Art. 6 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 klar formuliert  : »La loi est l’expression de la volonté générale.« Dieser Glaube an einen Gemeinwillen als unfehlbare und unhinterfragbare Grundlage des demokratisch beschlossenen Gesetzes hat das französische Staatsdenken bis weit in das 20. Jahrhundert geprägt. In den Jahren der Französischen Revolution führte dieser Glaube zu einer Verehrung, ja geradezu zu einem auch die Bildpublizistik beherrschenden Kult des Gesetzes,192 das strikt zu befolgen sei, weil es eben den Inbegriff einer demokratischen Ordnung bilde.193 Mit der Verfassung der konstitutionellen Monarchie und mit ihrem Monarchen verband sich in der revolutionären Bilderwelt die immer wieder geäußerte Hoffnung auf eine die wirtschaftliche Lage verbessernde und gut geordnete politische Zukunft.194 All dies vereint eine anonyme Graphik mit dem Titel »Einheit Stärke Verfassung« (Abb. 103), die aus Anlass der Festlichkeiten zum 14. Juli 1790 ediert wurde. In dieser unverhohlenen Verherrlichung der konstitutionellen Monarchie und deren Staatsoberhaupt fasst die durch einen mit bourbonischen Lilien geschmückten Umhang als monarchisches Frankreich identifizierte France mit einer Hand die den Wohlstand der Nation verkörpernde Personifikation des Überflusses am Arm. So will sie, wie die Bildunterschrift erläutert, zeigen, in welchem Maß das Königreich erblühen wird. Mit der anderen Hand reicht die France dem im Mittelpunkt des Bildes auf einem Podest mit der Inschrift »nur der König eines freien Volkes ist ein mächtiger König« stehenden Ludwig XVI. die (damals noch gar nicht ausgearbeitete) Verfassung zum Bürgereid. Der monumentengleich dargestellte Monarch weist auf Symbole der Gerechtigkeit und des Wohlstandes 187

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 103  :  Anonym, Union Force Constitution, 1790

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Der Wandel der Freiheits- und Verfassungssymbolik

sowie auf Portraitmedaillons seiner Vorgänger Ludwig XII. und Heinrich IV., was ihn in seiner neuen Stellung als »König und Vater eines freien Volkes« in die Reihe seiner glücklich regierenden Ahnen stellt. Über der Szene schwebt die untypisch mit einer Freiheitsmütze auf einer Stange versehene Fama und verkündet, wie im Begleittext erklärt, »ganz Europa die Freiheit der Nation und die Zerstörung des Despotismus«. Unter dem Titel steht ein programmatischer Satz aus der Adresse der Nationalversammlung an die Franzosen vom 11.  Februar 1790, der beim Föderationsfest für den Altar des Vaterlandes als Inschrift diente  : »Die Nation, das seid Ihr  ; das Gesetz, das seid Ihr auch  ; dies ist Euer Wille  ; der König, er ist der Hüter des Gesetzes.«195 Diese affirmative Begleitung der konstitutionellen Monarchie, die die Bevölkerung auf Abb. 104  :  Anonym, Le Roi Janus, ou l’homme à deux die neue politische Ordnung einschwören sollte, visages, 1791/92 wurde seit dem Sommer 1791 zunehmend in Frage gestellt. Der unglückliche Fluchtversuch der königlichen Familie vom 20./21. Juni 1791 führte zu einer ersten Welle heftig verunglimpfender antimonarchischer Karikaturen (Abb. 100).196 Der Devise der gemäßigten Verfassungsrevolution stellten sich republikanisch gesinnte und gewaltbereite politische Gruppierungen entgegen, die nur durch die Ausrufung des Kriegsrechts in Schach gehalten werden konnten.197 Eine sich radikalisierende öffentliche Meinung, von der politischen Graphik vehement unterstützt,198 warf dem König Verrat an der Nation vor. Zu den Kritikpunkten der Gegner der Monarchie gehörte, dass Ludwig XVI. durch sein ihm verfassungsrechtlich eingeräumtes Veto die Umsetzung militärisch wichtiger Beschlüsse der Assemblée Nationale im Krieg gegen Österreich verzögerte und auch verhinderte. In der Bildpublizistik wurde seit Ende 1791 fast nur noch ein negatives Bild von Ludwig XVI. und seiner Regierung gezeichnet. Mit Bezug auf die Verfassung wurde er, sein Lavieren zutreffend bezeichnend, als janusköpfiger Monarch dargestellt (Abb. 104), der auf der einen Seite mit der Hand auf der Verfassung deren Einhaltung schwört und auf der anderen Seite gegenüber einem Geistlichen deren Zerstörung in Aussicht stellt. Diese Pose brandmarkt den König als Verräter an der Verfassung und an der französischen Nation. Einige Graphiken bezeichnen ihn denn auch ausdrücklich als Verräter, als »traitre Louis XVI«, und wollen ihn geächtet wissen.199 Derartige 189

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Stigmatisierungen konnten zu jenem politischen Klima von Vorverurteilung und Gewalt beitragen, das schließlich die Verurteilung und Hinrichtung von Ludwig XVI. ermöglichte. Die Versuche des Königs, mit seinem Veto und durch eine Regierungsumbildung das Gesetz des Handelns zurückzugewinnen und den Krieg durch Absprache mit dem Feind zu beendigen, führten zu erheblichen Machtkämpfen und innenpolitischen Auseinandersetzungen. Die Veranstaltungen des »großen revolutionären Tages« am 20. Juni 1792 zur Erinnerung an den Ballhausschwur, aber auch an die Flucht der königlichen Familie ein Jahr zuvor nach Varennes, wurden von den radikalen Kräften genutzt, die Volksmasse gegen den König aufzuwiegeln. Nach deren Eindringen in die Tuilerien anlässlich der ersten noch einigermaßen friedlichen, aber doch schon bedrohlichen jakobinischen Großdemonstration dieses denkwürdigen Tages 200 sah sich Ludwig XVI. genötigt, zur Beruhigung der gewaltbereiten und den Verzicht auf seine Veto-Politik fordernden Eindringlinge eine rote phrygische Mütze aufzusetzen201 und auf die französische Nation zu trinken. Dieses Ereignis bildete den Anlass für die Edition mehrerer Druckgraphiken in Frankreich (Abb.  105),202 und auch eines Kupferstichs in dem in Göttingen erscheinenden Revolutionsalmanach von 1793.203 In einem der Bildnisse204 trinkt Ludwig  XVI. nicht wie im hier abgebildeten Beispiel aus einer Flasche, sondern aus einem Glas, bei dem es sich mutmaßlich um dasjenige handelt, aus dem zeitgenössischen Berichten zufolge zuvor ein Mitglied der Nationalgarde getrunken hatte.205 Von der feindseligen Menge in seinen Gemächern wurde dies als heuchlerischer Versuch einer Verbrüderung betrachtet. Wie sich zeigen sollte, hatte sich Ludwig tatsächlich lediglich unter dem Druck der Massen zu symbolischen Zugeständnissen hinreißen lassen, seine Vetopolitik aber beibehalten. Der König, wie er uns in den Graphiken zur Invasion der Tuilerien entgegentritt, war kein konstitutioneller Monarch mehr, sondern ein unter dem Druck des Volkes zwangsbekehrter Jakobiner. Konnte die Volksmenge im Juni 1792 noch beruhigt werden, kam es am 10. August 1792 bei der nunmehr gewaltsamen Erstürmung der Tuilerien zu blutigen Auseinandersetzungen. Der Widerstand der Schweizer Garde wurde in einem grausamen Gemetzel gebrochen, die königliche Familie floh vor der gewaltbereiten Volksmasse in die Nationalversammlung. Unter dem Druck des Volksaufstandes setzte diese Ludwig XVI. vorläufig ab. Dieses Ereignis wurde wenig später auf der Rückseite einer Medaille als Sieg des französischen Volkes gegen die Tyrannis des Königs gefeiert (Abb. 106). Die Gedenkmedaille war von der Stadt Paris in Auftrag gegeben worden, und zwar ausgerechnet bei Benjamin Duvivier, der, wie bereits bemerkt,206 im Ancien Régime für die Selbstdarstellung der französischen Monarchie Hervorragendes geleistet hatte. Nunmehr hatte er Gelegenheit, seine weithin geschätzte künstlerische Begabung in den Dienst jener zu stellen, die die 190

Der Wandel der Freiheits- und Verfassungssymbolik

Abb. 105  :  Anonym, Louis XVI, avoit mis le Bonnet rouge, il avoit crié vive la nation, 1792

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Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 106  : Benjamin Duvivier, Medaille auf den Sturm auf die Tuilerien, 1792

Monarchie, die er in seinen Medaillen über lange Zeit hinweg verewigt hatte, beseitigten. Auf der Vorderseite der Medaille ist unter dem Motto »Lehre für die Völker« eine ungewöhnlich dargestellte Liberté zu sehen. Sie ist nicht, wie üblich, in sich ruhend, sondern kämpferisch, ihre Flügel lassen sie fast schon als Racheengel erscheinen. Der Blitz in ihrer erhobenen Hand verweist auf ihre Urgewalt, mit der sie die Insignien der alten Ordnung, auf die sie tritt, zerstört hat. Auf der Rückseite wird an den siegreichen Kampf des französischen Volkes gegen die »Tyrannis« des Königs erinnert, symbolisiert durch zwei Siegesgöttinnen, die ein Liktorenbündel mit einer Freiheitsmütze krönen. Diese Medaille wurde in hoher Auflage geprägt und an viele Personen verteilt. Man konnte sogar Medaillen mit den Insignien des Ancien Régime gegen diese Medaille eintauschen, was offensichtlich häufig geschah.207 Nach dem 10. August begleitete eine derbe und erniedrigende Bildpublizistik 208 das Ende der konstitutionellen Monarchie. Wie zuvor das Ancien Régime stellte sie nun die konstitutionelle Monarchie als dem Tod geweiht dar  : Sie verbrennt im Feuer der Revolution209, oder ihr Lebenslicht wird ausgelöscht. Ein Stich, eventuell von Villeneuve, mit dem Titel »Peuples rentrez dans vos droits« 210 aus dem Jahr 1792 oder 1793 greift das Motiv des Auslöschens auf. In diesem Bild ist Ludwig bereits hingerichtet, sein Kopf liegt auf dem Boden. Anstelle seiner die (absolute) Monarchie verkörpernden Büste brennt ein Feuer auf dem Altar der Republik. Derweil löscht Chronos als Verkörperung einer neuen republikanischen Ära mit 192

Der Wandel der Freiheits- und Verfassungssymbolik

einem Löschhütchen an der Spitze einer Sense das Lebenslicht anderer europäischer Monarchien und damit das monarchische Regierungssystem insgesamt aus – eine Tyrannenmord-Symbolik, die sich auch in dem revolutionskritischen Stich »Les Tenebres Constitutionnelles« (Abb. 127) findet. 3.6.2 Die republikanische Freiheits- und Verfassungssymbolik

Der Sturz des Königtums erforderte eine Neuorientierung der symbolischen Vermittlung politischer Ziele und Werte. Mit einer spezifisch republikanischen Freiheits- und Verfassungssymbolik sollte die Bevölkerung auf die neue Staatsform der Republik eingeschworen werden. Wie bereits beim Münzgeld (Abb. 93 ff.) und bei der Gleichheitssymbolik (Abb. 79) gezeigt, wurde neben der Verwirklichung von Freiheit nun die Herstellung von Gleichheit als eines der zentralen Ziele republikanischer Politik symbolisch vermittelt. Diese stärkere Betonung der Gleichheit fand sich ganz allgemein in der politischen Graphik 211, vor allem aber in Drucken auf die 1793 verabschiedete neue republikanische Grundrechteerklärung. Deren Gestaltung erfolgte nach wie vor in Anlehnung an die mosaischen Gesetzestafeln, durch neue Akzentsetzungen wurden sie allerdings in einen anderen Kontext gestellt. In einem von dem Graphiker Jacques Le Roy stammenden Stich von 1793 (Abb. 107) steht diese unter Aufsicht des Höchsten Wesens, dargestellt durch ein Auge in einem Dreieck von einem Strahlenkranz umgeben. Direkt darunter und damit an prominenter Stelle – die Liberté ist in der Bildkomposition zur Seite gerückt – befindet sich zusätzlich eine Setzwaage, mit der die neue egalitäre Ordnung visualisiert wird. Links und rechts sieht man Medaillons der 1793 ermordeten Revolutionsführer Le Peletier und Marat, weiter unten Büsten von Lucius Junius Brutus und Mucius Scaevola. Diese Graphik stellte die revolutionäre Wende in der Grundrechteerklärung, nämlich ihre Ausrichtung an der Idee republikanischer und sozialer Gleichheit,212 in das Umfeld der Märtyrer der Revolution und antiker Überlieferung. Die Staatsrepräsentation der Republik zielte auf einen endgültigen Bruch mit den Wertetafeln der konstitutionellen Monarchie, um die Grundlagen der republikanischen Ordnung im kollektiven politischen Bewusstsein zu verankern. Im September 1792 wurde durch Dekret der Nationalversammlung die Liberté zum Emblem des neuen Staatssiegels der französischen Republik bestimmt (Abb. 108).213 Dessen Botschaft ist, dass die Verwirklichung von Freiheit nur in einer Republik möglich sei. Die unbeweglich stehende und in sich ruhende Liberté in antikem Gewand verheißt, dass der Kampf um die freiheitliche Ordnung erfolgreich war. In der einen Hand hält sie das Liktorenbündel, in der anderen den Stab mit dem Pileus, nicht aber, wie sonst vielfach üblich, mit der phrygischen Mütze. Er ist, eine ungewöhnliche Gestaltung, in der Umschrift platziert, um die Freiheitlichkeit der 193

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 107  : Jacques Le Roy, Droits de l’homme, 1793

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Der Wandel der Freiheits- und Verfassungssymbolik

Abb. 108  : Siegel der Ersten Republik, 1792 Abb. 109  : Siegel der Zweiten Republik, 1848

Republik auch visuell hervorzuheben. Auf die egalitären Zielsetzungen der ersten französischen Republik ist,214 etwas erstaunlich, nicht verwiesen. Im neuen Staatssiegel kam es zu einer folgenreichen Neuorientierung der Freiheitssymbolik  : Sie wurde mit der Republiksymbolik in eins gesetzt.215 Freiheit bedeutet nunmehr Republik, und Republik bedeutet Freiheit. Die freiheitliche Republik hatte ihre symbolische Form gefunden. Nach dieser Vereinnahmung der Freiheitssymbolik durch die Republik war es kaum mehr möglich, eine konstitutionelle Monarchie mit ihr zu charakterisieren. Die symbolische Ineinssetzung von Freiheit und republikanischer Ordnung wiederholte sich im Staatssiegel der Zweiten Französischen Republik von 1848 (Abb.  109). Nunmehr wurde die Liberté in der Umschrift von der seit der Französischen Revolution geläufigen Kennzeichnung der französischen Republik als »république démocratique une et indivisible« begleitet. Allerdings verzichtet das Staatssiegel der Zweiten Französischen Republik auf die Verwendung der Freiheitsmütze. Diese ist durch das Symbol der Sonnenstrahlen ersetzt, das ebenfalls für eine freiheitliche politische Ordnung steht und später zum Kennzeichen der von Frankreich gestifteten Freiheitsstatue im Hafen von New York werden sollte. Das Siegel der Zweiten Republik sah bewusst von einer Verwendung der Freiheits- bzw. Jakobinermütze ab, da man in der damaligen revolutionären Situation mit dieser linksradikale und aufrührerische Bestrebungen verbunden sah, die nicht gefördert werden sollten. 195

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Um die fragile republikanische Regierungsform zu stabilisieren, wurde seit Herbst 1792 mit großem finanziellem Aufwand ein Propagandaapparat geschaffen, der die Akzeptanz der Werte der Republik und der republikanischen Tugenden in der Bevölkerung verbreiten sollte.216 Dieser Propagandafeldzug unterlag der Einseitigkeit, die aus der Propaganda autoritärer Systeme bekannt ist  : Durch ein vom Staat gelenktes Informationswesen sollte die Bevölkerung indoktriniert werden. Der Widerspruch in sich, dass das kollektive Bewusstsein durch Zwang von oben an einer freiheitlichen und demokratischen Republik orientiert werden sollte, hat die Künstler nicht gestört. Der die Französische Revolution in allen ihren Phasen begleitende Jacques-Louis David 217 und andere mehr oder weniger prominente Künstler nahmen bereitwillig erhebliche finanzielle Zuwendungen für Graphikaufträge an. Die zu produzierenden Graphiken sollten angesichts der Gegenrevo­lution in der Vendée und der innenpolitischen Auseinandersetzungen um eine breite Akzeptanz der republikanischen Verfassung werben, der beißenden englischen Kritik an den französischen Verhältnissen (Abb. 230, 231) in gleicher Form entgegentreten und die Bevölkerung von der Überlegenheit des republikanischen Frankreich über die europäischen Monarchien, und dabei zum Durchhalten in schwerster Zeit, überzeugen. Dem letztgenannten Ziel ist die Graphik von Dupuis mit dem Titel »Massenhafter Sturz« (Abb. 110) gewidmet. Rechts auf der Graphik von Dupuis betätigt ein jugendlicher Soldat mit der republikanischen Verfassungsurkunde in der Hand eine Maschine zur Erzeugung elektrischen Stroms. Diese ist auf dem Schwungrad mit dem Schriftzug »Erklärung der Menschenrechte« und mit der Freiheitsmütze versehen, um die unwiderstehliche Kraft der Stromquelle zu symbolisieren, die die Monarchen stürzen lässt. Produziert wird, wie im erklärenden Text bemerkt, eine »republikanische Elektrizität« der Freiheit, die über eine Leitung, versehen mit den Losungen der Französischen Revolution, in die europäischen Königshäuser gelangt. Die Monarchen, allen voran Kaiser Joseph II., dessen wankender Thron einem Grabstein ähnelt, werden durch den republikanischen Stromschlag gestürzt. Unter den »gekrönten Briganten« rechts im Bild erkennt man den »Tyrannen« von Preußen und Katherina II. von Russland, die, wegen ihres zweifelhaften Lebenswandels, mit einem anstößigen Dekolleté gezeichnet ist, und daneben als für den Freiheitskampf Frankreichs wichtiger Hinweis, dass die Besetzung Polens gescheitert sei, die Könige von Großbritannien, Sardinien und Spanien, den Statthalter der Niederlande sowie den Papst. Der Druck zeugt von der Gewissheit, universell gültige und geschichtsmächtige Rechts- und Verfassungsprinzipien in Frankreich verwirklicht zu haben. Angesichts der militärischen Bedrohung Frankreichs in den Revolutionskriegen war es freilich ein allzu frommer Wunsch, bereits die Prinzipien der Französischen Revolution würden die Despoten Europas zu Fall bringen. 196

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Abb. 110  : Charles Dupuis, La Chûte en masse, 1794

Der Künstler erhielt für eine Auflage von 1000  Abdrucken dieses jakobinischen Propagandablattes die nicht unbeträchtliche Summe von 1250 Livres.218 Derartige Praktiken bezahlter Auftragsarbeiten waren in Frankreich, anders als in England, wo bisweilen Bildsatiren von politisch einflussreichen Auftraggebern bezahlt wurden,219 ein die radikale Phase begleitender, sonst jedoch eher seltener Vorgang. Die vom Nationalkonvent im Juni 1793 verabschiedete erste republikanische Verfassung Frankreichs sollte zum Bezugspunkt des Verfassungsbewusstseins der jungen Republik gemacht werden. Der Stiftung von Akzeptanz diente ein Verfassungsreferendum, in dem mit großer Mehrheit der neuen Verfassung zugestimmt wurde, und ein von Jaques-Louis David maßgeblich gestaltetes Föderationsfest auf dem Marsfeld am 10. August 1793, dem Jahrestag des Sturmes auf die Tuilerien, der zur Absetzung von Ludwig XVI. führte.220 Zu diesem Anlass ließ die Stadt Paris eine Reihe von tragbaren Abzeichen verteilen, eines mit der Losung »triomphe de l’égalité«.221 Duvivier, wir sind ihm bereits mehrfach begegnet,222 schuf eine Verfassungsmedaille, die Geist und Prinzipien der ersten republikanischen Verfassung zu erfassen wusste (Abb. 111). Auf der Vorderseite thront eine Liberté unterhalb einer Umschrift, die das Verfassungsprinzip der »einen und unteilbaren Republik« wiedergibt, unten wird der Bezug zur »französischen Nation« hergestellt. Das Liktorenbündel in ihrer rechten Hand, die Stange mit der Jakobinermütze in ihrem linken Arm und die Setzwaage 197

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 111  : Benjamin Duvivier, Medaille auf die Verfassung des Jahres I, 1793

unten an dem Thronsessel stehen für eine politische Ordnung, die an Freiheit und Gleichheit orientiert ist. Oben auf der Rückseite wird ein von Strahlen umgebenes aufgeschlagenes Buch mit dem Titel »Menschenrechte und französische Verfassung« gezeigt, ein Hinweis darauf, dass die Menschenrechtserklärung der republikanischen Verfassung gegenüber jener von 1789 modifiziert ist. Der Text darunter spricht davon, dass die republikanische Verfassung in Gegenwart des Höchsten Wesens vom französischen Volk nach individueller Befragung angenommen und beschworen worden sei. Darunter wird auf das Föderationsfest vom 10.  August 1793 verwiesen. Duviviers Hinweis auf das Höchste Wesen nimmt die Präambel zur Menschenrechtserklärung in der Verfassung von 1793 auf, hat aber noch nichts mit dem einige Monate später von Robespierre eingeführten Kult des Höchsten Wesens zu tun. Ruft man das Höchste Wesen zur Rechtfertigung politischer Ordnung an, so wird die Volkssouveränität als Legitimationsgrund für die Verfassunggebung offensichtlich nicht als ausreichend erachtet. Mit dem Rekurs auf ein Höchstes Wesen als eine Art universalistischen Verfassunggeber soll der Verfassunggebung und der Verfassung insgesamt eine dem demokratischen Belieben entzogene, stabilisierende Kraft verliehen werden und Diskussionen über den Inhalt der Verfassung sollen abgeschnitten sein. Wenden wir uns nun näher dem Kult des Höchsten Wesens mit seinen Bezügen zu Verfassungsrecht und Verfassungspolitik zu. Robespierre führte ihn im Frühjahr 1793 ein, um machtpolitisch den Kult der Vernunft der Hebertisten auszu198

Der Wandel der Freiheits- und Verfassungssymbolik

Abb. 112  : Louis-Jean Allais, La Constitution républicaine, semblable aux tables de Moyse, sort du sein de la Montagne au milieu de la foudre, 1793

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schalten, dem um sich greifenden, aber von der Bevölkerung kritisch gesehenen Atheismus entgegenzuwirken und um der Volksfrömmigkeit nach der Dechristianisierung eine neue Orientierung und einen festen Halt zu geben. Wie man sich das Walten des Höchsten Wesens vorzustellen hatte, war kaum ersichtlich. Nur die Bildpublizistik lässt das Höchste Wesen präsent werden. In der politischen Graphik erfolgte die Ersetzung des christlichen Gottes durch ein Höchstes Wesen oft im Wege der Umdeutung tradierter christlicher Ikonographie. Nicht mehr der Dekalog, sondern das republikanische Verfassungsrecht wurde als eine von einem höchsten Willen vorherbestimmte Ordnung dargestellt. LouisJean Allais erklärte im Motto seines Stichs zur republikanischen Verfassung von 1793 (Abb. 112), dass diese den Gesetzestafeln des Moses vergleichbar sei und gibt sie entsprechend wieder. In seiner Graphik verlässt die Verfassung »den Schoß des Berges inmitten von Blitz und Donner (»sort du sein de la montagne au milieu de la foudre et des éclairs«)  – ein doch recht gewagter Vergleich der Verfassunggebung im Jahr 1793 mit der biblischen Erzählung. Wenn diese Verfassung in Frankreich als »constitution montagnarde« bezeichnet wurde, deutete dies auf die Verfassungspolitik der Montagne, nicht aber auf den Berg, auf dem Moses die Zehn Gebote empfangen hat. Gleichwohl ist die Botschaft klar  : Der Dekalog ist nun durch die Grundrechte und die Verfassung ersetzt, die als höchstes Recht den gleichen Rang beansprucht, wie ihn ehemals das göttliche Recht beansprucht hat. Eine ähnliche deistische Legitimation der republikanischen Verfassung beherrscht die Botschaft eines großformatigen Stichs vom 27.  Juli 1794 auf den »Triumph der Republik« bzw. auf den »Triumph der Montagne« (Abb.  113). Im Vordergrund tanzt das Volk in einer idyllischen Szene um einen Freiheitsbaum, auf dessen Wipfel sich ein bonnet de la liberté befindet, während dahinter auf der Spitze eines Berges zwei Gesetzestafeln mit den Inschriften »droits de l’homme« und »acte constitutionnel« Blitze gegen den in Gestalt eines Meeresungeheures auftretenden Despotismus schleudern.223 Der Betrachter assoziiert die christliche Symbolik der mosaischen Gesetzgebung, d. h. des Berges Sinai mit den Gesetzestafeln, mit einer nun republikanischen Verfassungssymbolik und mit dem im Zentrum der freiheitlichen Festkultur stehenden Freiheitsbaum. Symbolformen des christlichen Bildgedächtnisses wurden benutzt, um die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte sowie die neue Verfassung als gottgewollte Ordnungen der Freiheit zu rechtfertigen. Mit Mona Ozoufs in ihrem klassischen Werk »La fête révolutionnaire, 1789–1799« entwickelten Konzept des »transfert de sacralité« lässt sich davon sprechen, dass die Heilserwartungen der christlichen Symbolwelt in eine zivilreligiöse Symbolwelt transferiert wurden. Andere Graphiken bedienten sich ähnlicher Stilmittel. Eine Vignette im Titel­ blatt einer wohl Ende 1792 erschienen Flugschrift von Palloy,224 dem wir anlässlich seiner »Vermarktung« der Bastille bereits begegnet sind,225 zeigt ein aufgeschlage200

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Abb. 113  : Pierre Michel Alix nach Boissier, Le Triomphe de la République, 1794

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nes Buch mit den Aufschriften »Erklärung der Menschenrechte« und »Demokratische Verfassung Frankreichs«. Dieses erscheint wie eine Offenbarung aus dunklen Wolken, darunter vernichtet ein Blitz die Priesterschaft und das Königtum. Im Zentrum steht ein Dreieck mit dem Wort »Gesetz« im Strahlenkranz, links auf einer Pyramide wird der Märtyrer der Freiheit gedankt. Dies erklärt Palloy mit dem Satz  : »Die Franzosen anerkennen keinen anderen Seigneur als das Höchste Wesen, keinen anderen Maitre als das Gesetz, … keine andere oberste Autorität als die Nationalversammlung.« Einer vergleichbaren Bildkomposition folgte die wohl gegen Ende 1794 veröffentlichte Graphik von Jacques-Louis Pérée, die unter dem Motto steht  : »Der Mensch endlich zufrieden seine Rechte wiedererlangt zu haben, dankt dem Höchsten Wesen« (Abb. 114).226 Im Zentrum des Blattes steht ein fast unbekleideter Jüngling, der in der Pose des Siegers auf einen gefällten Baum mit Insignien des Ancien Régime tritt, zu seinen Füßen liegt ein zerbrochenes Weihrauchgefäß. Sein Blick ist zum Himmel gerichtet, wo ein Blitz aus einer Gewitterwolke quer über die Graphik verlaufend die Krone der despotischen Monarchie vernichtet. Sein Dank gilt den »droits de l’homme«, geschrieben auf einer Schriftrolle, die er emporreckt und die er offensichtlich mit Hilfe des Höchsten Wesens erringen konnte. Dies zeigt, dass die während der Revolution geläufige Ersetzung des christlichen Gottes durch ein Höchstes Wesen eine Zeitlang unberührt davon blieb, dass der von Robespierre eingeführte Kult des Höchsten Wesens nach dessen Sturz gar nicht mehr praktiziert wurde. Alles in allem fand in der politischen Graphik der republikanischen Phase der Revolution also deutlicher als in den Anfangsjahren eine Neubesetzung der tradierten christlichen Symbolik statt. An Formen christlicher Symbolik wurde angeknüpft, ihnen aber eine republikanische Aussage untergelegt. Auf eine jenseitige Rechtfertigung der neuen republikanischen Werte wollte und konnte man offensichtlich nicht verzichten. Die Verfassung wurde mit Begriffen wie »sainte constitution« oder »constitution-évangile« geradezu »vergöttlicht«, sie sollte nun anstelle christlicher Orientierungshorizonte zur Sinnstifterin für die Menschen werden.227 Dieses Anknüpfen an eine deistisch orientierte Symbolwelt ermöglichte dem kollektiven Bewusstsein, zum einen auf Distanz zur politischen Rolle der christlichen Kirche im Staat zu gehen, zum anderen den Prozess der Verfassunggebung über die Legitimation durch die Volkssouveränität hinaus durch religiöse Überhöhung zu rechtfertigen und so eine Art von metaphysischer Orientierungssicherheit wiederzuerlangen.228

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Abb. 114  : Jacques-Louis Pérée, L’homme enfin satisfait d’avoir recouvré ses droits, en rend graces à l’Être Suprème, 1794/95

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3.6.3 Eine disparate Freiheits- und Verfassungssymbolik zur Zeit der Direktorialverfassung

Die Terreur, die radikale Phase der Französischen Revolution, wurde am 9. Thermidor (27. Juli) 1794 mit dem Sturz Robespierres und seiner Gefolgsleute beendet. Seiner Schreckensherrschaft waren wohl 30.000 bis 40.000 Personen zum Opfer gefallen, unter ihnen selbst zahlreiche Wortführer einer republikanischen Ordnung. Die dritte Phase der Französischen Revolution vom 9. Thermidor bis zum Staatsstreich Napoleons am 18.  Brumaire (9.  November 1799) stand im Zeichen von Versuchen einer institutionellen Verfestigung der republikanischen Ordnung.229 Der hierbei auf brechende, zum Teil militante Widerstreit unterschiedlicher politischer Gruppierungen wurde von einer Freiheits- und Verfassungssymbolik begleitet, deren Formgebung sich gegenüber den früheren Phasen der Französischen Revolution kaum veränderte.230 Die Direktorialverfassung des Jahres  III (1795) folgte der Volkssouveränität als unzweifelhafter Grundlage der Politik, was ein Stich mit dem Titel »9. Thermidor. Der Nationakonvent vom Volk getragen« vom Spätsommer 1794 hervorhob.231 Die politische Führung lag bei einem fünfköpfigen Direktorium, das von den beiden Kammern des Parlaments, dem Rat der Fünfhundert und dem Rat der Alten, gewählt wurde. Auf die Garantie sozialer Rechte hatte die Direktorialverfassung verzichtet. Die Gleichheit vor dem Gesetz blieb aber, wie von der politischen Graphik wiederholt gewürdigt, garantiert.232 Im Meinungskampf um das die politischen Lager spaltende Thema der Verwirklichung von Gleichheit wurden bisweilen diejenigen republikanischen Kräfte mit der Gleichheitssymbolik charakterisiert, die sich der politisch mehrheitsfähigen Forderung nach Wiedereinführung der Monarchie widersetzten. Dies war beim Staatsstreich vom 18.  Fructidor des Jahres  V (4.  September 1797) der Fall, als mit Hilfe des Militärs die Regierung gestürzt, der royalistische Wahlsieg annulliert und Anhänger einer Restauration der alten Ordnung in die Verbannung geschickt wurden. In einem Druck auf dieses Ereignis werden die drei republikanischen Anführer des Staatsstreichs als »Trinité républicaine« geehrt (Abb.  115). Im beigefügten Text wird ihrer mutigen und heiligen gemeinsamen Aktion, die die Verfassung und die Republik gerettet habe, gedankt. Die »republikanische Dreifaltigkeit« steht unter einem überdimensionierten Helm, an dessen vorderer Spitze sich eine Setzwaage befindet. Durch diese Verknüpfung von Trinität und Gleichheitssymbolik wollte der Künstler offensichtlich dem Staatsstreich einen freilich wenig überzeugenden sakralen Charakter verleihen. Zugleich wendet sich das Gleichheitssymbol an prominenter Stelle gegen die Anhänger der alten Ordnung, die vor dem Staatsstreich versucht hatten, Enteignungen und Beschlagnahmen von adligen Gütern rückgängig zu machen. 204

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Abb. 115  :  Anonym, La Trinité républicaine, 1797

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Diese Graphik verdeutlicht bereits, dass das Ringen der unterschiedlichen politischen Richtungen um die Macht in fast permanente Verfassungskrisen geführt hat. Das politische Zentrum bildeten die Thermidorianer, auf deren politischer Agenda eine gemäßigte bürgerliche Republik stand. Ihre Widersacher im linken politischen Spektrum waren die Anhänger einer egalitären und sozialistischen Republik, also die Jakobiner und der Kreis um François Babeuf. Die Royalisten im rechten politischen Spektrum zielten auf eine Restauration der französischen Monarchie. Das linke und rechte politische Lager verfügte über eine nicht unbeträchtliche Zahl von Aktivisten, die legal oder durch Staatsstreich die Verfassung ändern wollten. Die immer wieder aufflammenden Konflikte ließen sich nur unter Hilfe des Militärs, mit politischen Prozessen gegen die Gegner von links wie von rechts und letztlich durch einen Verfassungsbruch lösen. In dieser Situation diente die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Diffamierung des politischen Gegners, vor allem des Kreises um den »Tyrannen« Robespierre.233 Die Thermidorianer wurden ebenso wie Vertreter des Besitzbürgertums nicht müde, in der Bildpublizistik die von ihnen herbeigefügte Beendigung der Gräueltaten der jakobinischen Gewaltherrschaft immer wieder in das Gedächtnis zu rufen.234 So sieht man unter dem Titel, der verkündet, dass die revolutionäre Tyrannis durch die Freunde der Verfassung des Jahres III vernichtet worden sei, einen vornehm gekleideten jungen Bürger, der seine Hand auf die Verfassung legt, die aufgeschlagen auf dem Altar der Freiheit steht. Mit einem Fuß steht er auf einem zu Boden gestreckten Sansculotten. Dolch und Pistole weisen auf die Gewaltherrschaft, die umherliegenden Schriftstücke auf die Verbrechen der Terreur. Der junge Bürger im Gehrock und mit elegantem Schuhwerk gehört zur damaligen jeunesse dorée, einer Generation von Söhnen, deren Eltern, aus dem Besitzbürgertum stammend, eine auch gewaltsame Verteidigung der besitzbürgerlichen Ordnung auf ihre Fahnen geschrieben hatten und teilweise dem royalistischen Lager nahestanden.235 So gingen etwa die tätlichen Angriffe auf Personen, die nach wie vor die Jakobinermütze trugen, auf ihr Konto. Die Kritik an derartigen Selbstdarstellungen der jeunesse dorée blieb allerdings nicht aus. Auf einer Radierung wird ein solcher Bürger seinerseits mit einem grimmig ausgestreckten Dolch dargestellt und als »Jacobin déguisé«, als verkappter Jakobiner, bezeichnet. Eine Szene im Hintergrund zeigt, wie diese jeuness dorée Leute aus dem Volk gewaltsam unterdrückt.236 Im Mittelpunkt der antijakobinischen Bildpublizistik der folgenden Jahre und Jahrzehnte stand die Guillotine als Symbol der jakobinischen Schreckensherrschaft.237 Aus Sicht der Thermidorianer verband sich mit dieser Symbolik eine klare politische Aussage  : Die Terreur sei eine Entgleisung der Revolution gewesen, an den von der Revolution propagierten neuen politischen Prinzipien sei aber festzuhalten. In dieser Perspektive diente die vehemente anitjakobinische Graphik 206

Der Wandel der Freiheits- und Verfassungssymbolik

Abb. 116  : A. B. Massol, La tyrannie révolutionnaire écrasée par les amis de la Constitution de l’an III, 1795

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der Affirmation der revolutionären Werte, aber nicht der Kritik an der Revolution insgesamt. Dies wird dort deutlich, wo die Terreur für die Zerstörung der revolutionären Verfassung und für ein verfehltes Verständnis von Gleichheit steht. Die von der Guillotine abgeschlagenen Köpfe waren in vielen Graphiken das bewegende Moment. Jean-Baptiste Louvion zeigt in seinem Stich »Die Gleichheit zur Zeit der Schreckensherrschaft« aus dem Jahr 1794 (Abb. 117) mit umgedeuteten Revolutionssymbolen, wie unter der Ägide der Jakobiner das Gleichheitsstreben Gewalt und Tod gebracht hat. Im Vordergrund der grauenvollen Szene findet sich eine Reihe von Leibern mit abgeschlagenen Köpfen, deren Hände auf dem Rücken gefesselt sind. Dies ist, was der obere Bildrand zeigt, unter einem Auge im Strahlenkranz geschehen. Soll dies etwa, statt des »Auges der Vernunft«, »des Gesetzes« oder »des wachenden Staates«, das Auge des von den Jakobinern propagierten Être Suprème sein  ? Darunter hält die Hand eines ausgestreckten Armes das Schwert der Gerechtigkeit, das hier das Schwert des Scharfrichters ist. An dessen Knauf befindet sich eine Waage mit Jakobinermütze und Setzwaage. Mit dieser Kombination von Waage und Setzwaage sollte im Verein mit dem Hinrichtungsschwert bewusst gemacht werden, dass Robespierres gewaltsame Verwirklichung einer auf Gleichheit beruhenden politischen Ordnung in die Terreur geführt und die Werte der Revolution pervertiert hat. Die Verbindung der Jakobinermütze mit dem Gleichheitssymbol der Setzwaage, die in der Bildmitte die allegorische Darstellung beherrscht, perhorresziert unmissverständlich die unheilvolle jakobinische Symbolik. Nach dem 9. Thermidor war Robespierres Terreur im Namen politischer Tugend und Despotismus im Namen der Freiheit geradezu der Inbegriff einer Schreckensherrschaft. Zu den Bildsatiren mit Verfassungsbezug gehört eine Radierung eines anonymen Stechers mit dem Titel »Robespierre guillotiniert den Henker, nachdem er alle Franzosen guillotinieren ließ« von 1794 (Abb. 118).238 Robespierre sitzt in der Amtstracht des Wohlfahrtsausschusses auf einem Sarkophag und tritt mit seinen Füßen auf die Verfassungen von 1791 und 1793, während er als Henker ein letztes Mal die Guillotine betätigt, um den letzten Henker hinzurichten, nachdem alle Franzosen guillotiniert worden sind. Von der langen Reihe weiterer Guillotinen im Hintergrund repräsentiert nach dem erklärenden Text jede eine der vernichteten revolutionären Gruppierungen. Der Wald von Guillotinen steht damit für die Terreur, die vor keiner politischen Gruppe haltgemacht hat, nicht einmal vor den Mitgliedern des Revolutionstribunals. Auf einer Grabpyramide hinter Robespierre steht, wohl auf die politische Elite gemünzt  : »Hier ruht ganz Frankreich«. Die Einbeziehung der beiden Verfassungen von 1791 und 1793 ist ambivalent  : Sie waren nicht in der Lage, das Schreckensregime zu verhindern, sind aber doch als Grundlagen zunächst der konstitutionellen Monarchie und sodann der Republik letztlich positiv bewertet. Eine egalitäre republika208

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Abb. 117  : Jean-Baptiste Louvion, L’Égalité à l’époque de la Terreur, 1794

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Abb. 118  :  Anonym, Robespierre guillotinant le bourreau, 1794

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Abb. 119  : Jean Louis Laneuville, Zutrittsausweis zum Rat der Fünfhundert, 1795–1798

nische Verfassung muss eben nicht notwendigerweise von einer Schreckensherrschaft begleitet werden, wie im 19. Jahrhundert auch in der Bildpublizistik immer wieder behauptet wurde  ;239 eine solche ist vielmehr die Folge der Nichtbeachtung von Verfassungsrecht. In der politischen Graphik distanzierten sich die Thermidorianer nicht allein von der jakobinischen Terreur und damit vom linken politischen Spektrum. Sie nahmen zudem in Anspruch, Verteidiger einer gerechten Verfassungsordnung zu sein. So sieht man etwa auf der Zutrittsberechtigung der Abgeordneten des Rates der Fünfhundert von 1795 (Abb.  119), wie die Freiheit links und die Justitia rechts neben einer Tafel mit der Inschrift »Constitution« stehen, dahinter befindet sich das Liktorenbündel als Herrschaftssymbol. Dass die personifizierte Freiheit und die personifizierte Gerechtigkeit gemeinschaftlich die Ziele der Verfassung symbolisieren, war ansonsten in der Französischen Revolution nicht geläufig.240 Die ungewöhnliche Kombination will verdeutlichen, dass jenes »Revolutionsfieber«, das die Verfassungs- und Rechtsreformen vorangetrieben hatte, nunmehr erloschen ist. Unter der Verfassung des Jahres 1795 soll endgültig eine freiheitliche und gerechte politische Ordnung auf den Weg gebracht werden. Die Verteidigung der Direktorialverfassung gegen immer wieder drohende Umsturzversuche war das Leitmotiv der thermidorianischen Bildpublizistik. Zum Beispiel zeigte Philippe-Auguste Hennequin in einer Graphik von 1795, wie ein vor Kraft strotzender junger Franzose die Verfassung, die zugleich Quelle seiner Kraft ist, mit einem Schild gegen blinden Fanatismus und wütende Unwissenheit verteidigt.241 Laut des Textes auf dem Schild müssen alle Angriffe auf ihn und die 211

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Abb. 120  :  Anonym, Die Verschwörung von Babœuf im Jahr IV, 1796

Verfassung abprallen, weil er der Leitlinie des Gesetzes folgt. Der hier angemahnten kraftvollen Verteidigung der Verfassung gegen Umsturzversuche bedurfte es immer wieder. Eine Radierung eines anonymen Künstlers (Abb. 120) aus dem Jahr 1796 widmete sich der erfolgreichen Verteidigung der Direktorialverfassung gegen die Verschwörung einer Gruppe von radikalen Jakobinern und Frühsozialisten um Babeuf. Sie wollten in einem Staatsstreich die jakobinische Verfassung von 1793 wieder in Kraft setzen, soziale Gleichheit durchsetzen und zu diesem Zweck das Privateigentum abschaffen. Ihr Umsturzversuch wurde rechtzeitig vereitelt, Babeuf wurde als einem der Anführer der Prozess gemacht, der mit seiner Verurteilung zum Tod durch die Guillotine endete. Die erfolgreiche Bewahrung der Direktorialverfassung wird in der Graphik gefeiert, indem auf der rechten Seite die »Constitution de 1795. L’an 3« sonnengleich am Himmel stehend gezeigt wird. Sie befindet sich in einem glorifizierenden 212

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Abb. 121  :  Anonym, Journée du 18 Fructidor, 1798

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Strahlenkranz, wie er aus der christlichen Gottessymbolik bekannt war. Dieser konstitutionelle Strahlenkranz verweist auf die politischen Institutionen und auf die Gliederung Frankreichs in Departements. Die hier zum Ausdruck gebrachte Harmonie wird von der France, wie erklärend hinzugefügt ist, in Gestalt einer jungen und kraftvollen Mutter bewundert. In ihrem Rücken nähert sich die Furie der Anarchie mit den beiden Brutus-Dolchen und der Unheil bringenden Schlange. Mit einem Lanzenstich verhindert »le Génie deffenseur de la République«, der Genius, der die Republik verteidigt, im letzten Moment den tätlichen Angriff auf das republikanische Frankreich. Umrahmt ist die ganze Darstellung von einer Parade von Truppen, links vorne auch durch eine Kanone. Dies mag eine Anspielung auf die militärische Unterstützung und Indienstnahme sein, mit deren Hilfe allein die Direktorialverfassung überlebensfähig war. Wechseln wir das politische Spektrum  : Die royalistische politische Graphik und Publizistik bekämpfte sowohl die Thermidorianer als auch die radikalen Republikaner.242 Der Staatsstreich von drei der fünf Direktoren im Direktorium vom 18. Fructidor (4. September 1797), in dem im Wege eines Verfassungsbruchs die Wahlen annulliert und den royalistischen Abgeordneten ihr demokratisch errungenes Mandat aberkannt wurde, verschärfte die antithermidorianische Propaganda. Trotz der Zensur der rechten Presse konnte eine Bildsatire als Frontispiz eines Pamphlets 243 erscheinen, das mit den Ereignissen des 18. Fructidor ins Gericht ging (Abb. 121). Der Staatsstreich ist, so die Botschaft der Bildsatire, das Werk einer grimmigen Furie. Ihre Fledermausflügel und die Schlange um ihren Arm verkünden das Unheil, das mit der Durchsetzung von zügelloser Freiheit, symbolisiert durch die Jakobinermütze, und gesellschaftlicher Gleichheit, symbolisiert durch eine Setzwaage, herauf beschworen wird. Um dieser Prognose Nachdruck zu verleihen, verweist einer ihrer Füße, in Form einer Teufelsklaue, auf eine Guillotine mit Totenschädeln. In drei Bildern wird der Verfassungsbruch des Direktoriums gegeißelt. Im oberen Bild thront nur noch ein Triumvirat, das gegenüber den beiden links und rechts sitzenden parlamentarischen Räten politischen Vorrang beansprucht. Das linke untere Bild verspottet den Rat der Fünfhundert, der in den Tagen des Staatsstreichs im Odeon-Theater tagte. Die Abgeordneten sind Rad schlagende Clowns, auf einem Spruchband liest man  : »die Verfassung des Jahres drei verkörperte ich vorgestern, verkörperte ich gestern, aber heute nicht mehr«. Den Bruch mit der Verfassung bestimmt auch das dritte Bild rechts unten. Es lässt sich von Tagungsort des Rates der Alten, der École de Médicine, inspirieren. Gemäß dem Befehl »Gehorsam dem Directoire« sind die Räte dabei, die Verfassung auf einem Seeziertisch zu zerstückeln. In dieser Bildsatire wird dem Staatsstreich, der im Namen der Verteidigung der republikanischen Legitimität angetreten war, vorgeworfen, er habe nicht allein die Verfassung gebrochen, sondern führe auch zu 214

Die alltagsweltliche Präsenz

neuen Formen der Terreur. Aus konservativer Perspektive waren die Unterschiede zwischen den gemäßigten Thermidorianern und den radikalen Republikanern aufgehoben. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik zur Zeit der Direktorialverfassung war disparat. Sie war nicht mehr wie in früheren Phasen der Französischen Revolution auf das Projekt »Verfassung« eingeschworen. Sie wurde vielmehr von den politischen Lagern als Kampfmittel instrumentalisiert. Je nach politischer Couleur wurde sie zur Affirmation oder zur Diffamierung der Verfassung samt des politischen Gegners verwendet. In Zeiten des Verfassungsbruchs und instabiler politischer Mehrheiten war die Akzeptanz stiftende Freiheits- und Verfassungssymbolik an ihr Ende gelangt. 3.7 Die alltagsweltliche Präsenz der Freiheits- und Verfassungssymbolik Die Vielzahl der politischen Graphiken und das Umlaufgeld haben ganz wesentlich zur Omnipräsenz der Freiheits- und Verfassungssymbolik im öffentlichen Leben beigetragen. Dieser Symbolik begegnete der Bürger zudem in seiner Alltagswelt, wenn er mit staatlichen Institutionen in Berührung kam.244 Ihre alltagsweltliche Präsenz wirkte selbst in den privaten Bereich hinüber, wo sie zu einer ständigen Begleiterin des täglichen Lebens wurde. Bereits kurz nach Beginn der revolutionären Ereignisse brachen die Staatsorgane mit der Staatsrepräsentation des Ancien Régime, um die Gesetzgebung und die amtlichen Schriftstücke für alle sichtbar als Teil der neuen Ordnung der Freiheit erscheinen zu lassen. Amtliche Schriftstücke führten in aller Regel eine Li­ berté, der oftmals weitere Symbole wie etwa das Liktorenbündel beigefügt waren.245 Sie erschien in den Kopfleisten der veröffentlichten Gesetze ebenso wie auf von der Nationalversammlung veröffentlichten Dokumenten, und auch die Briefköpfe der Ministerien, ihrer Verwaltung und des Militärs waren mit ihr versehen. Mit dieser Neugestaltung sollte nach innen gewendet das Verwaltungspersonal und das Militär auf den Geist der neuen politischen Ordnung verpflichtet werden, nach außen gewendet sollten sich die Akte der Staatsgewalt gegenüber dem Bürger durch die symbolisch vermittelte Freiheitsidee legitimieren. Auf diese Weise wurde die an der Idee der Freiheit orientierte Staatsrepräsentation ein Teil der revolutionären Propaganda, die sich die symbolische Vermittlung der revolutionären Werte zum Ziel gesetzt hatte. Einer vergleichbaren Legitimationsfunktion dienten die Abzeichen, mit denen sich die Verwaltungs-, Polizei- und Justizbeamten auszuweisen hatten.246 Diese trugen für die Verwaltungsbeamten seit 1793 auf der einen Seite die Aufforderung 215

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 122  : Legitimationszeichen für Gerichtsvollzieher, ca. 1799

»respect a la loi«, also das Gebot zur Achtung des Gesetzes, das sich sowohl an den Beamten als auch an die Bürger richtete. Auf der anderen Seite dieser Abzeichen stand in aller Regel eine Liberté, die bisweilen durch eine Gesetzestafel mit der Erklärung der Menschenrechte ergänzt wurde.247 Bei den Abzeichen für Gerichtsvollzieher stand auf der Rückseite »action de la loi« sowie die Angabe des Gerichts im Instanzenzug, was auf die gerichtlichen Entscheidungen zur Durchsetzung des Gesetzes verwies (Abb. 122). Die Symbolik derartiger Abzeichen war für alle verständlich  : Die Gesetze sind zu beachten, weil sie die Menschen- und Bürgerrechte verwirklichen und im Geist der Freiheit erlassen worden sind. Die Abzeichen des Verwaltungs- und Justizpersonals gehörten zur damals üblichen Beschwörung des demokratischen Gesetzes, das die neue politische Ordnung formen sollte und deshalb allgemeinen Gehorsam forderte. Dass die Bevölkerung im Geiste der revolutionären Ideen und Werte zu erziehen sei, stand schon zu Beginn der Französischen Revolution auf der politische Agenda. Für das Unterrichtswesen forderte die Nationalversammlung eine neuartige politische Pädagogik.248 Bereits im Unterricht sollte die Freiheits- und Verfassungssymbolik die junge Generation mit den Prinzipien einer freiheitlichen Ordnung vertraut machen. Auf einer Graphik von 1793 oder 1794 sieht man einen idealen Unterrichtsraum  : An der Wand sind die »Droits de l’homme und der 216

Die alltagsweltliche Präsenz

Abb. 123  : Schulpreis der Schule von Sorèze von 1796

Acte constitutionnel« angeschlagen, auf einer Tafel steht die Devise »Vivre libre ou mourir«. Oberhalb der großen Zahl von Schülerinnen und Schülern sitzen die Lehrer mit aufgeschlagenen Büchern.249 Nicht nur die Gestaltung der Unterrichtsräume, auch die Schulpreise orientierten sich an der Symbolik der neuen politischen Ordnung. Auf dem Schulpreis von 1793 der Schule von Sorèze, einer in der Revolutionszeit bekannten Unterrichtsanstalt, sieht man zwei Kinder, die neben anderen sich vergnügenden Kindern einem Freiheitsbaum mit einem bonnet de la liberté an der Spitze Wasser geben.250 Damit wird in die junge Generation die Hoffnung gesetzt, dass ihre Hände den Baum der Freiheit zum Blühen bringen werden. Die Göttin Minerva, die dies ausspricht, sitzt links und hält eine Tafel, die auf Artikel  5 der Erklärung der Menschenund Bürgerrechte von 1793 verweist. Dort ist geregelt, dass alle Bürger in gleicher Weise gemäß ihren Fähigkeiten Zugang zum öffentlichen Dienst erhalten  – ein Hinweis auf die Rolle des Leistungsprinzips in pädagogischer Absicht. Der 1796 neu gestaltete Schulpreis (Abb. 123) steht gemäß der Umschrift unter dem Motto der ersten Lehren, die die Freiheit gibt. Man sieht die Liberté, wie sie zur Unterrichtung eines kleinen Schülers auf eine Tafel deutet, auf der »Menschenrechte« und »Verfassung des Jahres 3« geschrieben steht. Diese Preismedaille wurde auch unter dem Konsulat noch verliehen, nun allerdings mit der Inschrift »acte constitutionnel« statt »constitution l’an 3«.251 Nicht zuletzt eroberte die Freiheits- und Verfassungssymbolik den häuslichen Bereich. In vielen Haushalten wurde Keramik mit Revolutionsmotiven sowohl für den alltäglichen Gebrauch als auch für das Festtagsgeschirr benutzt (Abb. 124).252 217

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Abb. 124  : Fayence-Teller aus den 1790er Jahren

Selbst die Freizeitgestaltung gelangte in den Bannkreis der revolutionären Symbolik. Für das Kartenspielen wurden Spielkarten populär, in denen Personifizierungen der Freiheit und der Gleichheit 253 oder ein Sansculotte mit Jakobinermütze254 die Stelle der traditionellen Damen und Edelmänner einnahmen. Ein weiteres Freizeitvergnügen bildeten revolutionäre »Gänsespiele«, bei denen die Spieler, wenn sie ein von der Revolution besetztes Spielfeld würfelten, voranrücken konnten, während sie bei einem vom Ancien Régime besetzten Spielfeld zurückgesetzt wurden. Sieger derartiger Spiele war, wer als erster das Feld mit der »Assemblée Nationale« oder mit der »Nouvelle Constitution« erreichte. Dies ist ein bemerkenswertes Beispiel für eine Inpflichtnahme der Spielfreude zur politischen Bewusstseinsbildung.255 3.8 Nur wenige Gegenentwürfe zur revolutionären Freiheits- und Verfassungssymbolik Das in der Französischen Revolution so wichtige und auf vielfältige Weise bildlich dargestellte Ideal der Freiheit wurde nicht nur zur Zeit der Direktorialverfassung, sondern auch schon zuvor nicht von allen geteilt. Vor allem in der Provinz, etwa in der Vendée, aber auch in Paris, gab es Verteidiger der altständischen Ordnung und konterrevolutionäre Kräfte, die von Anbeginn das Freiheitsideal der Franzö218

Nur wenige Gegenentwürfe

Abb. 125  :  Anonym, Madame la Constitution philosophique de la France a tout mangé, 1790

sischen Revolution in Frage stellten.256 Auf einzelne Gegenreaktionen wie Ausschreitungen bei revolutionären Feiern oder die Zerstörung von Freiheitsbäumen ist bereits hingewiesen worden. In Flugschriften und in der Bildpublizistik wurde die neu errungene politische Freiheit als anarchisch, despotisch und mörderisch gegenüber den Repräsentanten der altständischen Gesellschaft abqualifiziert  ;257 sehr nachdrücklich wurde der Verlust einer gesicherten bürgerlichen Freiheit beklagt, wie sie nach Ansicht der Royalisten nur in einer Monarchie gewährleistet werden konnte.258 Allerdings hatten Anhänger des Ancien Régime, die trotz aller Verfolgung und selbst nach ihrer Flucht ins Exil in den Medien präsent blieben,259 quantitativ gesehen, auch wegen der Zensur nach 1792, der überbordenden Revolutionspublizistik nur wenig an Flugschriften entgegenzusetzen.260 Gleiches gilt für eine betont konterrevolutionäre Freiheits- und Verfassungssymbolik. Diese trat in den ersten beiden Phasen der Französischen Revolution nur in einem begrenzten Umfang und von der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar der revolutionären Entwicklung und ihrer Freiheits- und Verfassungssymbolik entgegen.261 Die wenigen Kritiker der Revolution suchten die gemeinhin übliche Verklärung der Revolutionsverfassungen in Frage zu stellen. Eine einschlägige Graphik eines unbekannten Künstlers zur ersten Verfassung von 1791 zeigt unter dem Titel »Frau philosophische Verfassung Frankreichs hat alles verzehrt« (Abb. 125) einen orientalischen Despoten, den Inbegriff von Gewaltherrschaft in der Publizistik des 18. Jahrhunderts,262 der auf die »Constitution« verweist, die neben einem ge219

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

deckten Tisch wie eine Speisekarte aufgeschlagen ist. An diesem Tisch thront eine dicklich-gefräßige Weibsperson, die mit »mange tout«, Vielfraß, tituliert ist. Sie verspeist die Staatsgüter, die Kirchengüter, die Güter des Adels, das patriotische Erbe und die Kolonien, was jeweils mit Tellerinschriften verdeutlicht wird. Über den Teller mit dem Hinweis auf die Güter des Adels hält ein Soldat ein kleines Schild mit der Aufschrift »Assignates«. Dies kritisierte, dass dieses bereits 1789 eingeführte Papiergeld zwar durch den beschlagnahmten Grundbesitz gedeckt sein sollte, gleichwohl aber zu einer empfindlichen Inflation geführt habe. Die von konservativen Kreisen sicher begrüßte Botschaft dieses Bildes einer »gefräßigen Verfassung« war  : Als Wurzel allen Übels habe die politische Philosophie der Aufklärung zu einer »philosophischen« Verfassung geführt, die in despotischer Weise den Staatsbankrott herbeigeführt und Konfiskationen von privatem wie kirchlichem Eigentum gestattet habe. Der revolutionären Freiheitssymbolik wurde in revolutionskritischen Drucken keine eher konservative Symbolik »wahrer Freiheit« entgegengesetzt. Im Visier der revolutionskritischen Symbolik stand vielmehr die revolutionäre Idee der Freiheit, die zur Perversion der Rechtsordnung geführt habe. In der politischen Theorie der Aufklärung sah die gegenrevolutionäre politische Graphik die Quelle der Zerstörung einer gerechten und vorzugswürdigen Gesellschaftsordnung. So geißelte ein anonymer Stich aus dem Jahr 1791 die »geheiligten Bücher« von Voltaire und Rousseau, deren politische Vision eines freiheitlichen Staatswesens aus zeitgenössischer Sicht zur Revolution geführt haben. Sie seien Ergebnis eines philosophischen Fanatismus, der von Wahnsinn, Zwietracht, Brutalität, Rache, und Tod begleitet werde  : »D’une vapeur infernale qui couvre le palais de nos rois, sortent la chimère tenant un sceptre, le fanatisme philosophique élevant comme livres sacrés Rousseau et Voltaire  : la folie, la discorde, la férocité, la vengeance et la mort les accompagnent.« 263 Oberhalb der so beschriebenen Schreckensszene thront Ludwig  XVI. umgeben von der Justitia und anderen allegorischen Figuren, die die öffentliche Wohlfahrt versinnbildlichen. Zu den wohl am weitesten verbreiteten revolutionskritischen Graphiken gehörte das Ende März 1792 erschienene Blatt »Das Tauwetter der Nation« (Abb. 126).264 Nach dem der Graphik beigefügten Begleittext sehen wir in der Mitte eine große Statue, die von Sansculotten errichtet wurde und die Nation sowie die Freiheit repräsentieren soll. Das Eis als Material dieser Statue beginnt unter den Strahlen einer königlichen Sonne, durch drei Lilien repräsentiert, zu tauen. Dabei wird die Sonnen- und Lichtsymbolik, die in der Französischen Revolution für politische Aufklärung und Freiheit steht, in ihr Gegenteil verkehrt  : Das Licht der französischen Monarchie führt, wie in der älteren Symbolik assoziiert, zur richtigen politischen Ordnung. Es verdrängt die Revolutionssymbolik und mit ihr das Werk der Revolution insgesamt. Der bonnet de la liberté auf dem Kopf der Statue 220

Nur wenige Gegenentwürfe

Abb. 126  :  Anonym, Le Dégel de la Nation, 1792

zerläuft bereits, ihre Arme sind schon abgefallen. Einige der Sansculotten suchen ihr »lächerliches Werk«, wie der Begleittext bemerkt, durch das Betätigen von Blasebälgen zu retten, aber umsonst. Die namentlich genannten Personen gehören fast alle zum radikalen Flügel der Revolutionäre, gleichwohl sollten bis auf zwei alle von ihnen Opfer der Guillotine werden. Der Gegenpart zu den in Unrat versinkenden und offensichtlich erfolglos agierenden Revolutionären ist die königliche Familie mit ihrem Hofstaat, die von einer hohen Mauer aus das Geschehen verfolgt. Die Königin hebt den Thronfolger empor und verweist damit auf die Kontinuität monarchischer Herrschaft. Im März 1792 war es noch eine schöne politische Vision, das Königtum von einer hohen Mauer geschützt und damit in Distanz zu den tagespolitischen Auseinandersetzungen zu sehen. Dass die Autorität des Königtums die Kraft besitzen könnte, die Revolution in geordnete Bahnen zu lenken, war aber nicht mehr als ein frommer Wunsch monarchisch gesinnter Kreise. In dieser Perspektive bewegte sich »Das Tauwetter der Nation« wie manch andere revolutionskritische Graphik auf verlorenem Terrain und konnte kaum bewusstseinsprägend wirken.265 221

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

Zu den wenigen revolutionskritischen Publizisten, die breitere Aufmerksamkeit fanden, gehörte Jean-Gabriel Peltier.266 1792 ging er nach London ins Exil, wo er seinen im November 1789 begonnenen publizistischen Kampf 267 gegen die politische Entwicklung in Frankreich mit Vehemenz fortsetzte und zeitweilig im Sold antirevolutionärer Kräfte stand. Kurz zuvor hatte er ein Buch mit dem Titel »Le Martirologe, ou L’histoire des Martyrs de la Révolution« publiziert. Diese Schilderung persönlicher Schicksale angesichts des Schreckens der Französischen Revolution wurde von einer Graphik mit dem Titel »Verfassungsfinsternis. Beginn der Klagelieder des Propheten Jeremias« begleitet (Abb. 127). Welche Verfassung mit »Verfassungsfinsternis« gemeint ist, bleibt offen  : die Verfassungsordnung des Ancien Régime, die in die Finsternis versinkt, oder die Revolutionsverfassung, die durch Zerstörung der alten Institutionen in die Finsternis führt. Die Graphik zeigt, wie in einer Art von klösterlichem Konvent die alte Ordnung beseitigt wird. Die wesentlichen Institutionen des Ancien Régime wie der Adel, die Staatsanwaltschaft des Châtelet oder die Rechnungskammer erscheinen als Kerzen, deren Flammen bereits erloschen sind. Nun ist man gerade dabei, die Institution des Königtums und dessen Lebenslicht mit einem auf einer langen Stange gehaltenen Löschhütchen268 auszulöschen. Die Befürchtung, dass als letzte Institution nun auch das Königtum ausgelöscht werde, lag im Herbst 1792 nahe. Die hier geäußerte konterrevolutionäre Kritik verbindet sich mit dem Hinweis auf die Klagelieder des Propheten Jeremias.269 Mit dem Untergang der alten Ordnung wird die von Jeremias beklagte Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier assoziiert, vor allem das unermessliche Leid, das über die Bevölkerung Jerusalems hereinbrach und nun in den Augen der Revolutionsgegner über Frankreich ebenfalls hereinzubrechen droht. Dass hieran auch die Betroffenen Schuld tragen und dass dieses Unheil sein Ende nehmen wird, gehört zu den Botschaften dieser Klagelieder. Es verwundert nicht, dass dieses Buch alsbald der Zensur zum Opfer fiel. Vieles deutet darauf hin, dass es in den Jahren der Revolution eine Art von Schweigespirale gab, die revolutionskritische Bildmedien der öffentlichen Meinungsbildung fernhielt. Die große Mehrheit von Künstlern und Druckern dürfte den revolutionären Idealen und dem aufgeklärten Zeitgeist verbunden gewesen sein. Wer nicht auf Seiten der Revolution stand, verhielt sich politisch inkorrekt, war sozial weitgehend ausgegrenzt und konnte, sollte er sich kritisch äußern, gerichtlich verfolgt werden. Davon abgesehen dürfte es für eine antirevolutionäre Bildpublizistik in den Jahren des »Revolutionsfiebers« an Käufern gefehlt haben, so dass auch ökonomische Gründe zur Marginalisierung kritischer Graphik beitrugen.

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Nur wenige Gegenentwürfe

Abb. 127  :  Anonym, Les Tenebres Constitutionelles. Incipit lamentatio Jeremiae prophetae, 1792

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Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

3.9 Schlussbemerkung zur populistischen Anpassungsfähigkeit der revolutionären Freiheits- und Verfassungssymbolik Die Französische Revolution wurde von einer Revolutionierung der politischen Graphik und mit ihr der Freiheits- und Verfassungssymbolik begleitet. Ende der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts gelangte nicht allein das »Verfassungsfieber«, sondern auch die Freiheits- und Verfassungssymbolik an ihr vorläufiges Ende. In einem Zeitraum von einem knappen Jahrzehnt hatte sie Veränderungen des politisch-rechtliche Bewusstseins Frankreichs begleitet und war auch in anderen Staaten wahrgenommen und aufgegriffen worden. Die »Revolutionierung der Revolutionssymbolik« wird bei einem Vergleich mit der Pflege der politischen Symbolik im Ancien Régime deutlich. Diese war bereits frühzeitig der in Paris eingerichteten und zentral für Frankreich zuständigen Académie des Inscriptions anvertraut worden.270 Sie legte u. a. die Gestaltung der Inschriften, der Monumente und der Medaillen fest, die auf die französischen Könige geprägt wurden. Mit dieser Zentralisierung der Staatsrepräsentation waren auch der Entwurf und die Prägung von Medaillen beim Staat monopolisiert. So waren die Medailleure bis zur Französischen Revolution nicht in der Lage, ihre Medaillen privat zu prägen und zu vermarkten.271 Auf Grund dieser Monopolisierung konnte die Académie des Inscriptions alle Arbeiten in Bronze und Marmor künstlerisch anleiten und für die entsprechenden Inschriften sowie für deren Interpretation Sorge tragen. Ihr Ziel war, die großen historischen Leistungen der französischen Könige in höchster Form künstlerischer Ästhetik darzustellen und so ihrem Ruhm in späteren Zeiten zu dienen.272 Zugleich wollte sie durch die künstlerische Darstellung der historischen Ereignisse die Grundlagen einer wahrheitsgetreuen Geschichtsschreibung legen. Diese Tradition wurde von der Assemblée Nationale zunächst fortgesetzt, wenn sie Ludwig  XVI. im Münzgeld als konstitutionellen Monarchen und damit als Repräsentanten des Staates zur Geltung gelangen ließ. Auch sie arbeitete in der ersten Revolutionsphase noch gemeinsam mit den großen Künstlern aus der Zeit des Ancien Régime an einer idealisierenden Repräsentation der konstitutionellen Monarchie. Mit dem Ende der konstitutionellen Monarchie gelangte auch die Académie des Inscriptions als Institution der alten politischen Elite an ihr Ende.273 Die schützende Hand der Académie erklärt, warum Ludwig XVI. in den Medaillendarstellungen und in Teilen der politischen Graphik zunächst noch äußerst positiv, und ohne die Kritik der Zeit aufzunehmen, dargestellt ist. Ganz andere Wege ging die Revolutionssymbolik außerhalb dieser offiziellen politischen Repräsentation. Viele der zeitgenössischen Stiche zeigten, da nicht von der Académie überwacht, ein deutlich kritischeres Bild des Königs.274 Mit Ausbruch der Revolution war eine neue Künstlergeneration entstanden, die der Öffentlichkeit aus der Sicht des »artiste-citoyen«, des Bürgerkünstlers, ein eher distanziertes 224

Schlussbemerkung

Bild vom König vermittelte. Die symbolhafte Darstellung der Grundlagen von Recht und Staat wurde nun nicht mehr von oben gelenkt, sondern von unten von einer Vielzahl von revolutionär gesinnten Künstlern und Druckern auf den Weg gebracht. Die Revolutionierung der politischen Ordnung als Leitidee einer populistisch aus dem Volk für das Volk geschaffenen Freiheits- und Verfassungssymbolik wurde in neuen Kommunikationsbeziehungen zwischen Künstler und Publikum thematisiert. Bis zum Ende des Ancien Régime suchte die politische Kunst, den hohen ästhetischen Ansprüchen der gebildeten Oberschicht zu genügen. Dies änderte sich nach 1789 grundlegend. Adressat der politischen Symbolik war nun nicht mehr die Oberschicht, vielmehr wandte diese sich jetzt an die sich politisch mehr und mehr interessierenden Teile des Bürgertums und der Unterschicht. Um deren Aufnahmebereitschaft für ihre politische Graphik mussten die Künstler nunmehr buhlen. Auf diese Weise geriet die politische Graphik der Revolutionszeit in den Sog aktionistischer Politik. Die Graphiker reagierten schnell auf tagespolitische Ereignisse, fassten diese in einer Verbindung von Bild und Text zusammen und erreichten so die breite Masse und damit selbst jene, die des Lesens unkundig waren. Was aber war die Botschaft der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ? Ihre Leitidee war die revolutionäre Sicht auf eine ideale Gesellschaft. Ein klares Konzept jedoch, was mit Freiheit oder Verfassung konkret gemeint war, lag der Freiheitsund Verfassungssymbolik nicht zugrunde. »Liberté« blieb in den politischen Auseinandersetzungen ein Begriff und in der politischen Symbolik eine Vorstellung ohne klare Konturen. Selbst das in der Französischen Revolution allgegenwärtige Motto »vivre libre ou mourir« machte nur eines deutlich  : Es ging um eine an der neuen Freiheit 275 orientierte politisch-rechtliche Ordnung. Freiheit stand schlechthin für das politisch Richtige und Gute, sie sollte, so der Tenor zahlreicher Graphiken, den Weg zu Wohlstand und in eine glückliche Zukunft weisen. In diesem Sinne fasste der Anwalt und Publizist Camille Desmoulins am 20. Dezember 1793 in der von ihm begründeten Zeitung »Le Vieux Cordelier« sehr pathetisch zusammen  : »La liberté, c’est le bonheur, c’est la raison, c’est l’égalité, c’est la justice, c’est la déclaration des droits, c’est votre sublime constitution  !« 276 Im Namen der Freiheit wurden die Missstände des Ancien Régime angeprangert, eine Reform des Justizsystems gefordert, die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte verabschiedet, die politische Selbstbestimmung der Nation zum Verfassungsgrundsatz erhoben, der Gehorsam gegenüber dem von der Mehrheit erlassenen Gesetz begründet und eine egalitäre bürgerliche Gesellschaft zu verwirklichen versucht. Über die Entwicklung der Freiheits- und Verfassungssymbolik lässt sich verfolgen, wie sich das am Ancien Régime orientierte kollektive politische Bewusstsein zu einem verfassungsstaatlichen und republikanischen politischen Bewusstsein wandelte. Auch wenn die Revolution von 1789 auf Dauer weder eine konstitutio225

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt

nelle Monarchie noch eine bürgerliche oder gar egalitäre Republik durchzusetzen vermochte, gab es gleichwohl eine deutliche mentalitätsgeschichtliche Zäsur  : Ein Rückschritt hinter das, was durch Freiheits- und Verfassungssymbolik als Zielsetzung politischer Ordnung verheißen und im kollektiven Bewusstsein akzeptiert worden war, war nicht mehr möglich. Die politische Graphik popularisierte ein Zäsurbewusstsein, in dem »liberté« für den Beginn einer neuen Epoche stand, die Despotismus und Willkür überwunden hat. Im auch graphisch gestalteten Dreiklang von »liberté, égalité, fraternité« oder »patriotisme, liberté, vertu« 277 wurden die Bezugspunkte und die politische Philosophie einer neuen Ordnung der Freiheit präsent, die Grundlage der weiteren verfassungs- und symbolgeschichtlichen Entwicklung sein sollten. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik passte sich den Zäsuren im Ablauf der Französischen Revolution an  : In der ersten Phase bis zum Ende der konstitutionellen Monarchie blieb sie, trotz mancher bisweilen beißender Kritik, auf den nunmehr konstitutionellen Monarchen Ludwig XVI. bezogen. In der zweiten, republikanischen Phase mit der Terreur der Jakobinerherrschaft wurde die revolutionäre Symbolik kaum verändert, ihr Bedeutungsgehalt aber radikalisiert. In der dritten Phase nach dem Sturz Robespierres Ende Juli 1794 diente die unverändert bleibende Freiheits- und Verfassungssymbolik nicht mehr allein der Legitimation der neuen Verfassungsordnung, sondern wird im Machtkampf der politischen Lager parteigebunden instrumentalisiert. Die sich zu Ende der Französischen Revolution abzeichnende Dehnbarkeit der Verfassungs- und Freiheitssymbolik führte im weiteren Verlauf der politischen Geschichte Frankreichs dazu, dass sie von gemäßigten, aber auch von radikalen Kräften in Anspruch genommen werden konnte und für mehr als ein Jahrhundert das Ringen um eine republikanische Ordnung begleitete. Die revolutionäre Freiheits- und Verfassungssymbolik blieb als »lieu de mémoire«, als Erinnerungsort,278 im kollektiven Gedächtnis Frankreichs des 19.  Jahrhunderts präsent und begleitete dieselben politischen Kontroversen, wie sie in der Französischen Revolution ausgetragen wurden. Auf diese Weise wurde sie zur Basis einer die Generationen überdauernden einheitlichen Einschätzung beim Bewerten der Regierungsformen der konstitutionellen Monarchie auf der einen Seite und der Republik auf der anderen Seite. So spielte nach 1830 und insbesondere 1848/49 und nach 1871 die Frage eine zentrale Rolle, ob es eine konstitutionelle Monarchie oder Republik, eine egalitäre oder eine bürgerliche, sein solle. Auf diese Entwicklungen ist in den folgenden Kapiteln zurückzukommen.

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4. Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik in den Nachbarstaaten Frankreichs

Zu den universalistischen Zielen der französischen Außenpolitik gehörte seit dem Spätjahr 1792, sich auf die Seite aller Völker zu stellen, die für Freiheit und Selbstbestimmungsrecht kämpften.1 Die politische Graphik2 und Medaillen visualisierten das Credo der Revolutionäre, die Freiheit bei ihrer Reise um die Welt zu unterstützen.3 Dies legitimierte die Verbreitung der politischen Ideen der Aufklärung mit bewaffneter Hand und Befreiungskriege zur Durchsetzung der Errungenschaften der Französischen Revolution. Die Bevölkerung in den Nachbarstaaten Frankreichs war freilich nur sehr begrenzt bereit, sich auf die französischen Freiheitsverheißungen einzulassen. Deshalb mussten die militärischen Auseinandersetzungen von einem Propagandafeldzug begleitet werden.4 Von der Propagierung der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik in den Nachbarstaaten Frankreichs erhoffte man sich, dort ein politisches Bewusstsein zu schaffen, das als Grundlage für eine rechtliche Neuordnung dienen konnte. Die Realität blieb hinter diesen Erwartungen jedoch weit zurück  : Statt sich auf die Freiheitsverheißungen der sendungsbewussten Franzosen einzulassen, wurde in den betroffenen Ländern in Zeitschriften, Almanachen und Flugschriften um die Bewahrung der alten politischen Ordnung oder deren Revolutionierung gestritten. Dabei kam es zu einem Kampf der Bilder, zu einem Kampf um die visuelle Rechtfertigung oder Ablehnung der neuen Prinzipien einer freiheitlichen Ordnung nach französischem Vorbild. 4.1 Deutschland im Widerschein der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik 4.1.1 Die Rezeption des Symbols des Freiheitsbaums

Das Symbol des Freiheitsbaums war, wie gezeigt,5 ein wesentliches Instrument bei der Verbreitung eines neuen freiheitlichen Bewusstseins in Frankreich. Es war naheliegend, dieses Sinnbild im Zuge der militärischen Eroberungen zu exportieren. Die französischen Revolutionstruppen, die Teile der Schweiz, Deutschlands, Italiens oder der Niederlande bzw. des heutigen Belgiens besetzt hatten, führten als Symbol der von ihnen propagierten Freiheit den Freiheitsbaum in den Briefköpfen der Militärverwaltung.6 In den eroberten Städten ließen sie Freiheitsbäume als Zeichen für eine Union freier Völker pflanzen.7 So wurde der Freiheitsbaum 227

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

zu einem allerdings nicht unumstrittenen Sinnbild für den Export einer neuen freiheitlichen Ordnung. Im literarisch-politischen Deutschland lässt sich mit Blick auf Goethe verdeutlichen, wie die revolutionären Ereignisse und die französische Revolutionssymbolik wahrgenommen und eingeschätzt wurden. Im Angesicht der Kanonade von Valmy am 20. September 1792 äußerte er nach späterem Bekunden, dass hiermit eine neue Epoche in der Geschichte der Menschheit angebrochen sei.8 Bereits einige Wochen zuvor war er bei einem Ritt nach Sierck in der Nähe von Trier auf einen Freiheitsbaum gestoßen, der offenbar an der Grenze zu Frankreich errichtet worden war.9 Dies hinterließ bei Goethe allem Anschein nach einen bleibenden Eindruck und veranlasste ihn, sich mit diesem revolutionären Symbol auseinanderzusetzen. Auf der Rückseite eines Briefes an Johann Gottfried und Caroline Herder vom 16. Oktober 1792 skizzierte er unter dem Motto »cette terre est libre« einen Freiheitsbaum mit Jakobinermütze (Abb. 128).10 Der Freiheitsbaum trägt den Hinweis »chemin de Paris«, also den Weg, den die Freiheit nimmt. Am linken Bildrand geht die Sonne des französischen Königtums mit den bourbonischen Lilien auf, womit wohl auf die Neuerung der konstitutionellen Monarchie verwiesen wird. Am rechten Bildrand erkennt man, von einem angedeuteten Regenschauer verdüstert, den untergehenden Mond mit dem Doppeladler der Habsburger. Der Freiheitsbaum trennt hier gleichsam zwischen der alten, in Finsternis versinkenden und der neuen, im Lichte der Freiheit entstehenden politisch-rechtlichen Ordnung. Wie aber lässt sich diese eher positive Sicht auf Frankreich mit Goethes bekannter Abneigung gegen die Französische Revolution vereinbaren  ? Der Brief, der diese Freiheitsbaumskizze begleitet, mag Goethes Äußerung in den besonderen Kontext eines persönlichen Gedankenaustauschs stellen. Er schrieb an die Eheleute Herder  : »Aus der mehr historischen und topographischen als allegorischen Rückseite werden Ew. Liebden zu erkennen geruhen, was für Aspecten am Himmel und für Conjuncturen auf der Erde gegenwärtig merkwürdig sind. Ich wünsche, daß diese Effigiation zu heilsamen Betrachtungen Anlaß geben möge. Ich für meine Person singe den lustigsten Psalm Davids dem Herrn, daß er mich aus dem Schlamme erlöst hat, der mir  bis an die Seele ging. Wenn Ew. Liebden Gott für allerlei unerkannte Wohlthaten im Stillen danken, so vergessen Sie nicht, ihn zu preisen, daß er Sie und Ihre besten Freunde außer Stand gesetzt hat, Thorheiten ins Große zu begehen.«11 Der sehr persönliche Anknüpfungspunkt dürfte Herders Ringen um die Deutung der Französischen Revolution sein, ob sie nämlich, wie er kurze Zeit später zweifelnd fragte, mit großer Macht »in die folgenden Zeiten« führt und ob ihr Geist »ein mächtiger Genius, ein gewaltiger Dämon« ist.12 Dem Verfasser der in diesen Monaten entstandenen »Briefe zur Beförderung der Humanität« (1793) wünscht Goethe, dass seine allegorische 228

Deutschland im Widerschein

Abb. 128  : Johann Wolfgang von Goethe, Freiheitsbaumskizze, 1792

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Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

Skizze des Ganges historischer Umwälzungen bei den zu ziehenden Folgerungen nützlich sein möge. Goethes Freiheitsbaumskizze ist gleichwohl ambivalent, weil zum Zeitpunkt, als sie entstand, Ludwig XVI. sich bereits als Gefangener im Temple, dem Gefängnis in Paris, befand.13 Gewiss hat Goethe wie alle seine Zeitgenossen die Terreur der Französischen Revolution abgelehnt. Auch das neue Modell einer politischrechtlichen Ordnung schien ihm, der sich, wie auch Herder, für einen bedächtigen Wandel der Verhältnisse einsetzte, überstürzt.14 Dennoch mag im Oktober 1792 der Gedanke noch präsent gewesen sein, dass ein reformiertes Königtum in Frankreich die dortigen lang anhaltenden Krisen und Missstände zu bewältigen weiß und zur Konstituierung einer neuen freiheitlichen Ordnung beitragen könne. Im Erscheinungsbild deutscher Städte und Gemeinden fanden sich Freiheitsbäume besonders häufig in linksrheinischen Gebieten, die nach der Besetzung durch französische Truppen stärker als andere deutsche Regionen unter den Einfluss der Ideen der Französischen Revolution gelangten. Die dort bereits vor der Französischen Revolution zahlreich auf brechenden Unruhen, etwa in Köln oder Aachen, waren durch Misswirtschaft und innerstädtische Konflikte um die Beteiligung am Stadtregiment veranlasst, die bereits vor 1789 zu militärischem Einschreiten oder auch zu Rechtsstreitigkeiten vor dem Reichskammergericht geführt hatten. Dieses lokale und regionale revolutionäre Potential verband sich nach 1789 zunächst nur vordergründig mit Symbolen des revolutionären Frankreich.15 Die im Spätsommer 1789 einsetzende Protestbewegung im linksrheinischen Deutschland war in aller Regel an der Verbesserung der überkommenen politisch-rechtlichen Ordnung orientiert. Die französische Revolutionsrhetorik und -symbolik wurde zwar zum Teil übernommen, nicht aber deren Forderungen eines revolutionären Umsturzes. Neue Möglichkeiten revolutionärer Propaganda ergaben sich, als es ab 1792 zu einer »expansion révolutionnaire« in das linksrheinische Deutschland kam.16 In Flugblättern wurde nun für die Prinzipien der Französischen Revolution geworben und die alte politische Ordnung diskreditiert. Dabei waren die französischen Armeen die entscheidenden Akteure beim »Import« der französischen Revolutionssymbolik. In der Bevölkerung stieß die französische Okkupation und mit ihr die neue politische Symbolik vielerorts auf wenig Gegenliebe. Dass es die französische Revolutionssymbolik in Deutschland schwer hatte, war für die französische Seite offensichtlich. So berichtete die Revolutionsarmee im Dezember 1792 nach Paris, dass die weitverbreitete Pflanzung von Freiheitsbäumen durch die Bevölkerung 17 nur eine »durch Furcht diktierte Farce« sei.18 Freilich mussten die französischen Eroberer nicht immer die Initiative zur Verbreitung ihrer Revolutionssymbolik ergreifen. In Mainz etwa war es eine selbstbewusste Aktion der dortigen Jakobiner,19 am 3.  November 1792 unter Begleitung einer französischen Militärkapelle und 230

Deutschland im Widerschein

Abb. 129  : A. L. d’Argent, Clubbisten-Prozession, 1796

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Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

unter den Klängen der Marseillaise einen Freiheitsbaum an symbolträchtiger Stelle, nämlich am Ort des zuvor zertrümmerten, als Symbol der alten Herrschaft gedeuteten Gerichtssteins, zu errichten (Abb.  129).20 Die Graphik aus einem der zeitgenössischen Almanache 21 vermittelte eine wohlgeordnete und feierliche Prozession anlässlich des Errichtens des Freiheitsbaumes. Das Ölgemälde eines unbekannten Künstlers (Abb. auf dem Einband) von Ende 1792 oder Anfang 1793 zeigt die im Rheinland bisweilen ausgelassenen Feiern um den Freiheitsbaum. Unter dem Motto »Freiheit und Gleichheit« tanzen Frauen mit Geistlichen und Soldaten um den Freiheitsbaum mit einer Jakobinermütze an seiner Spitze. Dass deutsche Priester auf Seiten der revolutionären Neugestaltung standen, die revolutionäre Bewegung also die Geistlichkeit ergriffen hatte, Abb. 130  : Satirische Darstellung des Mainzer gehört zur Botschaft dieser schöngefärbten FreiFreiheitsbaums, 1792–1795 heitsbaumidylle. Und auch im ländlichen Bereich gab es eine gewisse Begeisterung für den Freiheitsbaum. Knüpfte er doch an ländliches Brauchtum an und stand für eine ländliche Tradition freiheitlicher Ordnung. Die Kritik am Symbol des Freiheitsbaumes und an dessen Errichtung unter französischer Aufsicht lässt sich freilich nicht übersehen. Trotz aller Agitation seitens der deutschen Jakobiner und teils des Klerus wurde der Enthusiasmus für den Freiheitsbaum im linksrheinischen Deutschland nur von einer politisch engagierten Minderheit geteilt. In einer weitverbreiteten satirischen Darstellung aus dem Jahr 179322 wird in pfälzischem Dialekt auf die Frage »Wie soll er mir gefallen  ?« geantwortet  : Es ist ein Baum ohne Wurzeln und die Jakobinermütze an seiner Spitze ist ohne Kopf. Eine der zahlreichen Variationen dieser Graphik (Abb. 130) verballhornt den Freiheitsbaum als törichten französischen Import. Bild und Dialog geben eine in Deutschland weitverbreitete Kritik am Freiheitstaumel im revolutionären Frankreich wieder  : eine Freiheit, die keine historische Wurzeln in der politischen Kultur hat, könne nicht gedeihen ‒ womit implizit zu verstehen gegeben wurde, dass in Deutschland eine Tradition freiheitlicher Ordnung bestanden habe. Außerdem fehle es am Kopf einer lenkenden Persönlichkeit, die eine freiheitliche Ordnung nicht nur zu gestalten, sondern auch zu sichern weiß. Die Distanz großer Teile der Bevölkerung nicht nur zur französischen Revolutionsarmee, sondern auch zu deren Ansinnen, Freiheitsbäume zu pflanzen, wurde verschiedentlich in Bildsatiren vermittelt. Sehr zeitkritisch schilderte der 232

Deutschland im Widerschein

Abb. 131  : Hieronymus Löschenkohl nach Karl Kaspar Pitz, Errichtung eines Freiheitsbaumes in Zweibrücken am 11.2.1793 durch französische Revolutionstruppen, 1793

in Diensten des Herzogs Karl II. August von Zweibrücken stehende Maler Caspar Pitz in einer ausdrucksstarken Radierung die Ablehnung des von den französischen Truppen aufgezwungenen Freiheitssymbols durch die Zweibrücker Bevölkerung (Abb.  131).23 Eine größere Gruppe französischer Soldaten errichtet vor dem Zweibrücker Schloss einen Freiheitsbaum, wobei einige Mädchen belästigt werden. Das Gefängnis wird aufgebrochen, ein Bauer seines Heuwagens beraubt. Eine Gruppe von Zweibrücker Bürgern geht auf deutliche Distanz zu dem zügellosen Geschehen. Als Legende wurde hinzugefügt  : »Vorstellung wie … der Vortrab der Mosel Armee den Zweybrücker Unterthanen die tolle Französische Freiheit und Gleichheit anbot, welche diese biederen Teutschen aber mit Abscheu verwarfen und ihrem geliebten Regenten treu blieben.« Diese konterrevolutionär inspirierte Schilderung war zu einseitig  : 24 Immerhin waren zahlreiche pfälzische Soldaten zu den Franzosen übergelaufen, und Teile der unteren Bevölkerungsschichten sympathisierten durchaus mit der Freiheit und Gleichheit, die die Französische Revolution versprach. Noch 1793, im Jahr der Publikation dieses aquarellierten Kupferstichs, musste Pitz vor den Franzosen fliehen und fand in Prag eine neue Wirkungsstätte. 233

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

Mit dem (vorläufigen) Ende der Franzosenherrschaft wurden die Freiheitsbäume wieder beseitigt. Eine Graphik eines anonymen Künstlers mit dem Titel »Hauet ihn ab, was hindert er das Land« 25 zeigt, wie ein Freiheitsbaum gefällt und der Freiheitshut samt den Irrschriften der Aufklärung verbrannt wird. Im »Revolutions-Almanach für das Jahr 1794« wird unter dem Titel »Die Freiheits-Apostel trifft die gerechte Rache  !« berichtet, wie die deutschen Jakobiner in Speyer und Worms gezwungen wurden, ihre Bäume eigenhändig aus dem Stadtbild zu entfernen.26 Die Wormser Jakobiner mussten zudem das erzbischöfliche Palais vom Unrat der französischen Besatzer reinigen.27 Dies sollte sich 1798 wieder ändern  : Im Januar 1798 errichteten die Mainzer Republikaner erneut einen Freiheitsbaum, nachdem die Franzosen im Dezember 1797 die Stadt und Festung Mainz auf Grund eines Abkommens mit Wien besetzt hatten.28 Da die nun beginnende (und 14 Jahre dauernde) Franzosenzeit durch eine Abstimmung legitimiert werden sollte, wurde im Frühjahr eine Kampagne durchgeführt, während der man wiederum auf das Symbol des Freiheitsbaums zurückgriff.29 Und auch aus Speyer kennen wir von Johannes Ruland, einem Mitglied des örtlichen Jakobinerclubs, eine Darstellung des Freiheitsbaums auf dem Domvorplatz aus der Zeit dieses Bemühens um eine demokratische Legitimation im Jahr 1798. 30 4.1.2 Übernahme der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik zur politischen Standortbestimmung

In Deutschland waren die ersten Reaktionen auf die Französische Revolution bekanntlich ambivalent  : Während konservative Kreise die Französische Revolution strikt ablehnten, wurde sie von einer liberal gesinnten Mehrheit als Aufbruch zu einer neuen politisch-rechtlichen Ordnung begrüßt. Spätestens mit dem Umschlagen in die Terreur verlor das revolutionäre Programm allerdings auch in Deutschland einen großen Teil seiner Anhängerschaft. All dies war Gegenstand einer schillernden Bildpublizistik, oftmals in Kalendern und Almanachen, die mit Bildern über das politische Geschehen links und rechts des Rheins informierten. Die Verfassungs- und Freiheitssymbolik der Französischen Revolution wurde in Deutschland in vielfältiger Form aufgegriffen.31 Besonders eng mit der Französischen Revolution fühlte man sich – nach der Einnahme durch die Franzosen am 21. Oktober 1792 – in der Mainzer Republik verbunden.32 Die Mainzer Jakobiner suchten nicht nur die revolutionären Prinzipien zu verwirklichen, sondern kopierten in beträchtlichem Umfang die französische Revolutionssymbolik und Festkultur.33 Man feierte Freiheitsbälle, auf denen die modebewusste Dame sich mit Schärpenbändern kleidete, auf denen »Egalité« und »Liberté« stand.34 Das Siegel des Mainzer Jakobinerclubs von 1793 führte in der Mitte den Pileus mit Kokarde, 234

Deutschland im Widerschein

wobei »Frei leben oder sterben« als französisches Motto wörtlich übersetzt wurde.35 Außerhalb des linksrheinischen Jakobinismus gab es im literarisch-politischen Deutschland, teils vorsichtig zustimmend,36 teils distanzierend, mancherlei Anlehnungen an die französische Revolutionssymbolik. In den zeitgenössischen Publikationen wurden die Berichte über und die Stellungnahmen zur Französischen Revolution vielfach von einer Freiheits- und Verfassungssymbolik begleitet, die sich deutlich an die französische Symbolformen anlehnte. So findet sich etwa im Göttinger Taschenkalender von 1792 als letztes Bild des von Daniel Chodowiecki stammenden Zyklus »Sechs große Begebenheiten des vorletzten Decenniums« eine Radierung unter dem Motto »Die neue Französische Constitution« (Abb. 132).37 Chodowiecki, der französischen Gemeinde in Berlin eng verbunden, gilt mit seinem umfänglichen Werk von Illustrationen der Werke Goethes und anderer Autoren seiner Epoche als herausragender Schilderer der zeitgenössischen bürgerlichen Welt.38 Die Humanität der Abb. 132  : Daniel Chodowiecki, Die neue Französische Berliner Aufklärung begegnet uns in manchen sei- Constitution, 1791 ner Graphiken. Als Repräsentant der preußischen Kunstpolitik  – er war Direktor der königlich-preußischen Akademie der Künste  – blieb Chodowiecki wie die Berliner Aufklärung insgesamt auf Distanz zu der sich radikalisierenden Revolution in Frankreich. Sein Stich versinnbildlicht die »neue französische Constitution« durch die Liberté, die triumphierend eine Freiheitsmütze emporstreckt, während im Hintergrund hinter der zerstörten Bastille die Sonne aufgeht.39 Diese ist, wie auch in Frankreich, eine Metapher für Aufklärung, sie vertreibt die Finsternis früherer Zeiten und führt eine freiheitliche Ordnung herbei.40 Der links auf dem Boden ruhende Löwe mit einem Schwert mag für die unwiderstehliche Kraft des souveränen Volkes stehen, den Aberglauben, rechts in einer Mönchskutte, muss das Licht der Aufklärung noch vertreiben. Die Freiheit steht auf einem am Boden liegenden Mann mit einer Krone auf dem Kopf, der durch das zerbrochene Schwert in der rechten und das geborstene Joch in seiner linken Hand als gestürzter Gewaltherrscher charakterisiert ist. Bei ihm handelt es sich, wie die zeitgenössische Erläuterung des Bildes hervorhebt,41 indes nicht um einen König, sondern »bloß« um einen Tyrannen, womit suggeriert wird, dass die Freiheit nur Despoten niederwirft, nicht aber gerecht regierende Monar235

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

chen. Dies drückt eine gewisse Sympathie für die Staatsform der konstitutionellen Monarchie aus, mit der Chodowiecki auf der Linie der in Preußen angestrebten Rechts- und Verfassungsreform lag. Hatte man dort doch versucht, anlässlich der Verabschiedung des Preußischen Allgemeinen Landrechts konstitutionelle Reformen auf den Weg zu bringen, die in Reaktion auf die revolutionären Ereignisse in Paris abgebrochen wurden. Zudem standen Fragen einer Verfassungsreform immer wieder auf der Agenda der führenden Köpfe der Berliner Aufklärung. So mag in dem Bild, dessen Titel »Die neue Französische Constitution« an sich nur auf die revolutionäre Entwicklung in Frankreich verweist, auch eine Aufforderung zum Überdenken der politischen Ordnung in Deutschland enthalten sein. Allerdings war die von Chodowiecki im Jahr 1791 favorisierte Staatsform der konstitutionellen Monarchie keineswegs gesichert, wie die Ereignisse des August 1792 zeigten. Damals wurde nach dem Sturm auf die Tuilerien das Königtum abgeschafft und damit die Verfassung von 1791 faktisch aufgehoben. Die Ungewissheit darüber, was nun an ihre Stelle treten würde, wurde von Chodowiecki in einem Titelkupfer zum »Historisch Genealogischer Almanach« des Jahres 1793 in Szene gesetzt (Abb. 133). Der Aufklärer, Publizist und Ehrenbürger der Republik Frankreich Johann Heinrich Campe42 gab wenige Tage nach diesen Ereignissen in Briefen an Chodowiecki die Anregung zu diesem Titelbild  : »Die Zeit, im Begriff einen Vorhang zurückzuziehen. Hinter der schon aufgezogenen Ecke des Vorhangs sieht man auf einem Postamente den unteren Theil einer Figur etwa nur bis über die Knie. Diese Figur ist (wie die Erklärung des Titelkupfers sagen soll) die künftige franz. Constitution, von der die Zeit erst den Vorhang wegziehen, d.  i. lehren wird, worin sie bestehen oder wie sie aussehen mag. Auf der Seite sieht man in der Ferne ein Gefecht, anzudeuten, daß jetzt noch darüber gestritten werde.«43 Die unsichere verfassungsrechtliche Zukunft des Landes wird hier aus der Zuschauerperspektive des deutschen Publikums thematisiert, das »aus sicherer Distanz, wie von einem ›Logenplatz im Welttheater‹, über den Fortgang der Französischen Revolution« räsonnieren konnte.44 Mit dieser Bildkomposition sollte beim Betrachter das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass Frankreich bei der Gestaltung der politisch-rechtlichen Ordnung an einem Scheideweg stand. In der im vorgenannten Bild zum Ausdruck kommenden positiven Sichtweise der 1791 etablierten staatsrechtlichen Verhältnisse in Frankreich ließ sich Chodowiecki auch angesichts der Hinwendung der Revolution zur Republik nicht beirren. In seinem wohl Ende 1792 entstandenen Titelbild zum »Göttinger Taschen Calender für das Jahr 1793« (Abb. 134) wird die Bedrohung des im Jahr zuvor geschaffenen Staatswesens durch Kinder verkörpert, die, als Soldaten verkleidet, eine mit emporgestreckter Freiheitsmütze in einem Unwetter stehende Frau bedrohen. Bei ihr handelt es sich, wie der Bildtitel »Die Kinder Frankreichs drohen ihrer Mutter« zu verstehen gibt, um die France. Sie repräsentiert mit ihrer Krone auf dem Kopf und 236

Deutschland im Widerschein

Abb. 133  : Daniel Chodowiecki, Chronos enthüllt die künftige französische Konstitution, 1793

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Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

mit der Freiheitsmütze in der Hand die konstitutionelle Monarchie45 als Staatsform der Freiheit, deren Fortbestehen der Künstler beschwört. Trotz Blitzen aus dunklem Himmel steht die France wie ein rocher de bronze, dem die Gefährdungen nichts anhaben können. Die Ende 1791 und im Verlauf von 1792 prekär werdende Situation von konstitutioneller Monarchie und Verfassung wurde mit sensibler künstlerischer Vorausschau auf die kommenden Ereignisse vermittelt.46 Von konservativer Seite wurde frühzeitig und nicht erst mit Beginn der Terreur die französische Verfassunggebung kritisiert.47 Bereits 1792 veröffentlichte der Augsburger Kupferstecher Johann Martin Will ein Blatt unter dem Motto »Die neue Constitution, bringt Schaden Kirch und Nation« (Abb. 135).48 In der Bildmitte hat die personifizierte Verfassung den Thron von Ludwig XVI. eingenommen. Die Konsequenzen dieses Wechsels werden in einer drastischen Bildsprache geschildert und in einem Begleittext dem der Symbolsprache nicht Abb. 134  : Daniel Chodowiecki, Die Kinder Frankreichs mächtigen Betrachter erläutert. Die gestürzte drohen ihrer Mutter, 1792 (?) Gerechtigkeit verhüllt ihr Gesicht, die Monarchie hat ihre Krone abgelegt, der Statue von Voltaire werden Menschenopfer dargebracht, ein Aristokrat ist an einem Laternenpfahl erhängt. Auf Tafeln an der Wand werden Linguet, Mirabeau und Rousseau als Wegbereiter der Französischen Revolution genannt. Auf die neue Verfassung Frankreichs, die zur Enteignung der Kirche und zur Zivilverfassung des Klerus führte, fällt der Bannstrahl der Kirche  ; die apokalyptischen Reiter nahen bereits zur Bestrafung. Nimmt man vergleichbare Blätter hinzu,49 lässt sich fast schon von einer Art Propagandakrieg zwischen der französischen und der deutschen Bildpublizistik sprechen. Spätestens mit der Hinrichtung von Ludwig XVI. am 21. Januar 1793 wandten sich auch viele ehemalige Befürworter von der Französischen Revolution ab. Der Medailleur Johann Matthäus Reich, tätig in der Fürther Werkstatt seines Vaters Johann Christian Reich, prägte auf diese Hinrichtungen eine Medaille unter dem Motto »Der Unsterblichkeit Kronen raubt kein wuethendes Volck« (Abb.  136).50 Auf dem Revers sieht man eine stehende weibliche Gestalt mit einer Krone in der einen und einem Uroboros, dem Symbol der Ewigkeit, in der anderen Hand. Auf dem Boden neben ihr liegen u. a. eine zerbrochene Gesetzestafel und eine Jakobi238

Deutschland im Widerschein

Abb. 135  : Die neue Constitution, bringt Schaden Kirch und Nation, 1792

Abb. 136  : Johann Matthäus Reich, Medaille »Der Unsterblichkeit Kronen raubt kein wuethendes Volck«, 1793

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Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

nermütze auf einer kleinen Stange. Das Symbol der Jakobinerherrschaft verwies darauf, dass erst die Terreur die Gesetzestafeln zerbrochen hat und erst mit ihr die berechtigten Anliegen der Französischen Revolution in Misskredit geraten sind. So mag vom Medailleur auf die Vorstellung hingewirkt worden sein, dass die an sich begrüßenswerte konstitutionelle Monarchie mit ihrer Bindung an die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der Radikalisierung der Revolution zum Opfer fiel, aber die »unsterbliche« Staatsform der Zukunft sei. 4.2 Die Verbindung von nationaler und französischer Freiheitssymbolik in der Helvetischen Revolution Wir haben bereits gesehen, dass es vor der Französischen Revolution in einzelnen Schweizer Stadtrepubliken zwischen den Anhängern des Ancien Régime und der auf politische Mitbestimmung dringenden politischen Bewegungen zu teils gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen ist.51 Die brüchig gewordene Herrschaftsordnung einzelner Stadtkantone mit ihrer wirtschaftlichen und politischen Ungleichheit 52 geriet rasch in den Sog der Französischen Revolution. Es kam zu einer Reihe von lokalen Revolten und Auseinandersetzungen, in denen Reformen nach französischem Vorbild gefordert wurden. Die Reformkräfte orientierten sich nicht allein an den Errungenschaften der Französischen Revolution, sondern auch an deren politischer Symbolik.53 So wurden bereits 1792 von lokalen Oppositionsbewegungen nach französischem Vorbild Freiheitsbäume gepflanzt.54 Derartige Visualisierungen einer neuen politischen Freiheit wurden allerdings ebenso wie eine Vielzahl revolutionsfreundlicher Flugschriften mit harter Hand unterdrückt. Um nur ein Beispiel herauszugreifen  : Im Waadtland, dem späteren Kanton Vaud, wurden am 14. Juli 1791 von Anhängern der Französischen Revolution Festessen und Volksfeste organisiert, um den Sturm auf die Bastille zu feiern. Die Teilnehmer aus allen Ständen der Gesellschaft begrüßten zum einen das neue Zeitalter der Freiheit in Frankreich und forderten zum anderen gegenüber Bern die Wiederherstellung ihrer alten waadtländischen Freiheiten. An die Teilnehmer dieser »Campagne des Banquets« wurden Abzeichen verteilt, die man wie eine Ansteckplakette tragen konnte. Unter dem französischen Motto »frei leben oder sterben« zeigten sie einen Lorbeerkranz sowie ein Schwert mit einer Jakobinermütze an dessen Spitze (Abb. 137). Die Berner Obrigkeit verfolgte diese Angriffe auf die aristokratische politische Ordnung der Stadt mit einer strafrechtlichen »Großen Prozedur«, wobei auch viele hochgestellte Persönlichkeiten in das Netz der Justiz gerieten.55 Ein gewisser Georges-Albert Muller de la Mothe, aus Lausanner Adel, der die hier abgebildeten Ansteckplaketten beschafft hatte, wurde von den Berner Behörden wegen des 240

Die Verbindung von nationaler und französischer Freiheitssymbolik

Tragens und Verteilens von aufrührerischen Emblemen angeklagt.56 In seiner während der Haft angefertigten Rechtfertigungsschrift verteidigte er sich damit, dass sich an der Spitze des Schwertes der Hut von Wilhelm Tell und damit das Symbol der Schweizer Freiheit befinden würde.57 Dies war allerdings wenig überzeugend  : Der Tellenhut hat eine andere Form als der hier dargestellte bon­ net de la liberté. Deutlich wird gleichwohl, dass der Tellenhut und die Freiheitsmütze als austauschbare Freiheitssymbole angesehen werden konnten. In der Schweiz Reformen nach französischem Muster durchzusetzen, konnte nur im Schulterschluss mit der französischen Expansionspolitik Abb. 137  : Im Kanton Waadtland aus Anlass von Feiern gelingen. Diese legitimierte sich durch den Kampf des 14. Juli 1789 verteilte Ansteckplaketten gegen Despotismus sowie durch den Einsatz für Freiheit und Gleichheit in all jenen Nationen, die die Ketten der Unfreiheit noch nicht zerbrochen hatten. Ende Januar 1798 besetzten Napoleons Truppen das Waadtland, um es von der Berner »Despotie« zu befreien. Bereits einige Tage zuvor hatte man hier die »République Lémanique« ausgerufen, nach französischem Vorbild Freiheitsbäume gepflanzt und Freiheit und Gleichheit zu Leitprinzipien der neuen republikanischen Ordnung erhoben.58 Um nicht ebenfalls von französischen Truppen besetzt zu werden und keinen Anlass für revolutionäre Umwälzungen zu geben, reformierten u. a. Basel, Zürich und Schaff hausen ihre aristokratische Stadtverfassung.59 Ähnlich wie im linksrheinischen Deutschland oder in Italien führte der Druck der französischen Propaganda in der Schweiz zur Übernahme der französischen Freiheitssymbolik. Die Errichtung von Freiheitsbäumen, zuvor noch von der Obrigkeit verhindert und verfolgt, stand nun im Mittelpunkt des öffentlichen Lebens. Die Jakobinermütze an der Spitze des Freiheitsbaums wurde in der Schweiz eher selten verwendet  ; stattdessen wurde der Freiheitsbaum vielerorts mit dem Tellenhut geschmückt.60 Ein zeitgenössischer Beobachter schätzte, dass 1798 in der Schweiz innerhalb kurzer Zeit über 7000  Freiheitsbäume gepflanzt worden waren.61 Nicht immer allerdings war mit dem Pflanzen von Freiheitsbäumen ein Wandel der politischen Gesinnung verbunden. Viele Gemeinden hofften lediglich, von Plünderungen der einmarschierenden französischen Armee verschont zu bleiben, wenn bereits ein Freiheitsbaum errichtet war. Bei wechselndem Kriegsglück, wenn etwa die österreichische Armee vor den Toren der Stadt stand, wurde der Freiheitsbaum rasch wieder beseitigt, um beim Annähern französischer Truppen sofort erneut gepflanzt zu werden. 241

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

In der Freiheitsbaumsymbolik spiegelte sich das in sich zerrissene politische Bewusstsein in der Schweiz in den Jahren des Übergangs von der alten Eidgenossenschaft zur Helvetischen Republik wider.62 In den Stadtkantonen war der Freiheitsbaum das Symbol der Schweizer Patriotenbewegung,63 die auf den Sturz der aristokratischen Ordnung in den Stadtkantonen drang. Für die Anhänger der Patriotenbewegung war der Freiheitsbaum ein Ort, an dem, wie von der Regierung der Helvetischen Republik Anfang 1799 angeordnet, die Annahme der helvetischen Verfassung und andere Freiheitsfeste64 gefeiert wurden. Es verwundert nicht, dass der Freiheitsbaum als Zeichen politischer Erneuerung zur Zielscheibe der revolutionskritischen Propaganda wurde.65 Die konservativen Einwände gegen das Freiheitsfieber in der Schweiz wurden auch in der Abb. 138  :  Anonym, L’arbre des Démocrates Bildpublizistik am Beispiel des Freiheitsbaumes versinnbildlicht. Der Freiheitsbaum mit »demokratischen« Affen, die in der Graphik »Der Baum der Demokraten« um ihn herumtanzen (Abb. 138), steht für eine Verkehrung der Welt und für eine unüberbrückbare Distanz zwischen der alten Schweizer Freiheit und der neuen politischen Ordnung. In einer anderen satirischen Graphik mit dem Titel »L’apôtre démocrate« wird der Freiheitsbaum zum Symbol der Franzosenherrschaft, die die Unfreiheit in der Schweiz einführt  : Ein Wolf im Schafspelz hält auf einer Stange einen mit Freiheit und Gleichheit verheißenden Bändern geschmückten Schafskopf mit Tellenhut, also eine Art schafsköpfigen Freiheitsbaum. Diesen präsentiert er dem aus Eseln, Schafen und Gänsen bestehenden »souveränen Volk«, während er hinter seinem Rücken Zepter, Peitsche und Ketten versteckt, die von einem Spruchband zusammengehalten werden, das verkündet  : »Das ist es, was ich Euch bestimme.« 66 Abgesehen von solchen eher seltenen revolutionskritischen Darstellungen, wie sie sich auch in Deutschland, Italien oder den Niederlanden finden lassen, war die Freiheitsbaumsymbolik in der Schweiz durchweg positiv besetzt. Die hier abgebildete Freiheitsbaumszene (Abb. 139) erinnert an die in den ersten Januartagen des Jahres 1798 beginnende Basler Revolution, die die Rechtsgleichheit von Stadt und Land einforderte und Wahlen in die Ausschüsse der Landsgemeinden durchsetzte.67 Der Tellenhut am Freiheitsbaum verweist auf die Tradition freiheitlicher Ordnung in der Schweiz. Die »Verbrüderungsfeier auf dem Münsterplatz« feierte die rasche und unblutige Durchsetzung der revolutionären Forderungen, vor allem 242

Die Verbindung von nationaler und französischer Freiheitssymbolik

Abb. 139  : F. Kaiser, Feyerliche Pflanzung des Freiheits Baums auf dem Münster Platz zu Basel, Montags den 22. Jenner des 1798ten Jahres aus Anlass der festgesetzten Gleichheit zwischen Stadt und Land Bürgern, 1798

derjenigen nach der Wahl der Repräsentanten aus dem Volk und derjenigen, dass »Stadt und Landschaft als ein Körper in brüderlicher Eintracht miteinander leben« sollen.68 Das in Basel ausgebrochene revolutionäre Fieber erfasste in unterschiedlicher Weise in den ersten Monaten des Jahres 1798 fast alle Schweizer Stadtkantone und stürzte deren aristokratisches Ancien Régime. Die große Frage war  : Welche Freiheit sollte verwirklicht werden  ? Die alte »helvetische Freiheit« mit ihrer unmittelbaren Demokratie, wie sie in den Landsgemeindekantonen nach wie vor gelebt wurde  ? Oder die neue »französische Freiheit« mit ihrer Gewährleistung von Grundrechten und ihrem Repräsentativsystem, die der politischen Kultur der Schweiz fremd waren  ? 69 Eine kolorierte Radierung des gegenüber den neuen politischen Verhältnissen aufgeschlossenen Solothurner Malers und Kupferstechers Laurent Louis Midard70 mit dem Titel »Das Erwachen des Schweizers« aus dem Jahr 1798 (Abb.  140) gibt auf diese Frage eine vermittelnde Antwort. Auf der einen Seite werden die Quellen des freiheitlichen politischen Bewusstseins der Patriotenbewegung symbolisiert. Die Radierung zeigt einen Schweizer in mittelalterlicher Tracht, der, wie die Bildunterschrift ausführt, 243

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

Abb. 140  : Laurent Louis Midart, Le Reveil du Suisse, 1798

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Ein kurzes Aufflackern

in bewaffnetem Kampf die Schweizer Freiheit errungen hatte, sich dann aber auf seinen Lorbeeren ausruhte und inmitten seiner Waffen einschlief. Der gallische Hahn vor aufgehender Sonne, die freiheitliche Ordnung der Französischen Revolution verkörpernd, hat ihn aufgeweckt. Aus dem Dunkel der Wolken finsterer Vergangenheit reicht ihm eine geflügelte Libertas das Schwert zu einem erneuten Kampf um die Freiheit. Für diese steht der Tellenhut mit Federn in den Farben der Helvetischen Republik, der, von der Libertas emporgehalten, die Szene dominiert. Zum anderen wird aber auch die »französische Freiheit« in Szene gesetzt. Der Gewandsaum der Libertas trägt die Farben der Französischen Republik. Die Libertas verbindet die alte helvetische mit der neuen republikanischen französischen Freiheit. Die Radierung ist dem Direktorium der Helvetischen Republik gewidmet und versucht, dessen politische Neuordnung zu legitimieren. Die freiheitliche, aber auch zentralistische Verfassung der Helvetischen Republik und deren Abhängigkeit von Frankreich hatten bereits 1798 zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen geführt, die eine Intervention Frankreichs zur Folge hatten. In dieser Situation verfassungsrechtlicher Neuordnung verweist der Künstler auf die aristokratische Ordnung in der Schweiz, die sich etablieren konnte, weil der helvetische Freiheitsgeist eingeschlafen war. Er plädiert aber nicht für ein Zurück zu den alten Freiheitsidealen, sondern setzt sich für eine politische Ordnung ein, die die helvetische Tradition im Geist der französischen Freiheitsidee fortentwickelt, was durch den doppelten Hinweis auf den Tellenhut und auf die Farben der Trikolore visualisiert wird. 4.3 Ein kurzes Aufflackern der Freiheits- und Verfassungssymbolik in der Batavischen Republik Die im Januar 1795 aus den sieben niederländischen Provinzen gebildete Batavische Republik wurde im Schutz des siegreichen französischen Revolutionsheeres gegründet. Die französische Politik verfolgte das gleiche Ziel wie in den anderen Tochterrepubliken  : Die politische Ordnung der Batavischen Republik sollte sich nach den Ideen und Prinzipien der Französischen Revolution richten. Politisch sollte die Abhängigkeit zu Frankreich gewährleistet werden. Besonderer propagandistischer Anstrengungen bedurfte es hierfür nicht. Ein Export der freiheitlichen und republikanischen Prinzipien stand unter günstigeren Vorzeichen als etwa in Italien oder Deutschland, weil hier bereits die Patriotenbewegung71 ein Klima revolutionären Auf bruchs geschaffen hatte. Deren 1787 nach Frankreich emigrierten und dort meist politisch aktiven Anhänger kehrten nun in ihre Heimat zurück, um an der revolutionären Neugestaltung mitzuwirken.72 Auch begünstigten patriotische Aufstände in einzelnen Städten den raschen militärischen Erfolg der Franzosen und mit ihm den Umsturz der alten Ordnung.73 245

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

Abb. 141  : Johannes Michiel Lagemann, Medaille auf das Amsterdamer Freiheitsfest aus Anlass des Pflanzens des Freiheitsbaums am 4. März 1795

Die visuelle Repräsentation von Freiheit und Verfassung knüpfte in den ebenso kurzen wie bewegten Jahren der Batavischen Republik an die niederländische Symbolik an, war aber auch an französischen Vorbildern orientiert. Auf einer Medaille aus dem Jahr 1795 verbanden sich beide (Abb. 141). Auf der Rückseite ist das aus Frankreich übernommene Symbol des Freiheitsbaumes abgebildet. Der kunstvoll stilisierte Baum ist nicht wie üblicherweise in Frankreich von einer Jakobinermütze gekrönt, sondern von dem heimischen Geusenhut. Dieser ist auch auf der Vorderseite in der Hand einer großen, schlanken Vrjheid zu sehen, die zusammen mit einem Dreieck und zwei sich umarmenden Kindern das in der Umschrift wiedergegebene französische Revolutionsmotto »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« verkörpert. Die Medaille erinnert mit ihrer kombinierten niederländischen und französischen Symbolik an die Errichtung eines Freiheitsbaums auf dem Amsterdamer Freiheitsfest vom 4.  März 1795. Derartige, oftmals mit republikanischen Festen verbundene Pflanzungen74 fanden nach dem Einmarsch der Franzosen  – wie in der Schweiz, in Italien und im linksrheinischen Deutschland  – in vielen niederländischen Städten statt. Mit solchen Freiheitsbaumdarstellungen feierte die Bildpublizistik überschwänglich den Anfang 1795 geschlossenen Frieden sowie die Allianz zwischen Frankreich und der Batavischen Republik. Dieser Symbolimport – der Freiheitsbaum war bis dahin in den Niederlanden nicht gebräuchlich – war im Schutz der französischen Truppen erfolgreich. Überdies kam dem Freiheitsbaum in den Niederlanden insofern eine besondere Bedeutung zu, als hier bislang ein Orangenbaum das Haus Oranien verkörpert hatte 246

Ein kurzes Aufflackern

Abb. 142  :  Anonym, Die französische Freiheit, 1793

und damit bereits früher das Baumsymbol Verwendung gefunden hatte.75 Mit dem Ablösen des Orangenbaumes durch den Freiheitsbaum ließ sich auch symbolisch die Zäsur gegenüber der Zeit der Oranier verdeutlichen. Dass die Distanz zum Hause Oranien und die Franzosenherrschaft allseits auf politischen Konsens stießen oder akzeptiert worden wären,76 lässt sich allerdings bezweifeln. Bereits Ende Februar 1793 waren in Breda Freiheitsbäume errichtet worden, nachdem die Stadt für kurze Zeit durch französische Truppen unter General Dumouriez besetzt worden war. Nach deren Abzug verbrannten die Bürger Bredas, wie in einer Radierung aus dem Jahr 1801 dargestellt,77 den Freiheitsbaum und tanzten stattdessen um einen Orangenbaum als Symbol des Hauses Oranien.78 Aber nicht allein die politisch starke oranische Gruppe, auch eine weitverbreitete Furcht vor dem Nachbarland Frankreich relativierten die Wirkung der mit propagandistischem Aufwand betriebenen Jubelfeiern zu Beginn der Batavischen Revolution. Eine 1793 aus Anlass der französischen Bedrohung geschaffene kolorierte Graphik (Abb. 142) schildert unter dem ironischen Titel »Die französische Freiheit« drastisch, was man von einer eventuell siegreichen französischen Revolutionsarmee zu erwarten hatte. 247

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

Im Hintergrund nähert sich das französische Heer unter dunkel drohenden Wolken, halbrechts tanzen französische Soldaten um einen Mast mit roter Jakobinermütze, was mit den an Galgen erhängten niederländischen Dissidenten kontrastiert. Der Vordergrund zeigt das Wüten der französischen Soldateska  : Eine mit Ketten gefesselte Frau wird tätlich angegriffen, ein niederländischer Bürger wird ermordet. Im begleitenden Text werden Mord, Plünderung, Gewalt und Vergewaltigung als wahre Folgen der französischen Freiheit denunziert. Dem französischen Hahn links oben wird geraten, ruhig zu bleiben, damit sein Freiheitshut nicht herunterfällt. Dieser Ratschlag an das republikanische Frankreich zielt darauf, dass die neu errungene Freiheit zuhause nicht dadurch diskreditiert werden sollte, dass sie in den Niederlanden missachtet werde.79 Diese Graphiken anlässlich der erfolglosen französischen Invasion im Jahr 1793 dürften überwiegend der Propaganda des Hauses Oranien gegen revolutionäre Bestrebungen nach französischem Vorbild zuzurechnen sein.80 Sie verdeutlichen zudem die weitverbreitete Furcht, mit einer französischen Eroberung in die Revolutionswirren hineingezogen zu werden und unter der Terreur leiden zu müssen. Selbst in den Reihen der revolutionär gestimmten Patrioten konnte man sich nur schwer damit anfreunden, dass das niederländische Vaterland zu einem Satellitenstaat Frankreichs werden sollte. Bereits zwei Jahre später kam es zu einer diametral entgegengesetzten politischen Graphik  : Nach der Besetzung der Niederlande durch die französische Armee unter General Pichegru Anfang 1795 begrüßte die Bildpublizistik einhellig den nun möglichen politischen Umschwung.81 Sie begleitete eine friedliche Revolution, in der von einem Tag auf den anderen das alte politische System gestürzt und eine republikanische Ordnung auf den Weg gebracht wurde. Nunmehr versuchte die ehemalige Patriotenbewegung 82 für ein halbes Jahrzehnt die politische Entwicklung der Niederlande zu gestalten. Dabei wurde sie von der französischen Besatzungsmacht unterstützt, was auch in der politischen Graphik hervorgehoben wurde. In einem von Jan Arends stammenden Druck aus dem Jahr 179683 wurde die enge Verbindung dadurch zum Ausdruck gebracht, dass französische Soldaten und Niederländer gemeinsam eine Freiheitsstatue mit Geusenhut errichten. Andere Graphiken übernahmen mehr oder weniger akkurat die Bildsprache der Französischen Revolution und feierten den Triumph von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sowie die Überwindung von Tyrannei und Despotismus.84 Im Mittelpunkt stand hier wie in Frankreich die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte,85 die von den in Den Haag tagenden Vertretern der neuen Ordnung bereits im Januar 1795, also in den ersten Tagen der Batavischen Revolution, verabschiedet worden war. Ihre Publikation erfolgte auf Einblattdrucken, die sich in ihrer Symbolik und mit ihren allegorischen Gestalten an französische Vorbilder anlehnten (Abb. 143). 248

Ein kurzes Aufflackern

Abb. 143  : Lambertus Antonius Claessens, Niederländische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1795, 1795

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Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

Die von dem Portraitisten und Graphiker Claessens entworfene Rechteerklärung ist, wie in Frankreich üblich, nach dem Vorbild der mosaischen Gesetzestafeln zweigeteilt und steht – je nach Standpunkt des Betrachters – unter dem Auge Gottes bzw. der Vernunft. Dem links sitzenden geflügelten Chronos, den Herren über Zeit und Geschichte, hält in der Mitte die fast gänzlich nackte Wahrheit den Spiegel der Erleuchtung dessen, was geschichtsmächtig ist, vor. Gespiegelt wird, was das Auge Gottes bzw. der Vernunft offenbart. Unter der Minerva mit Helm und Speer rechts oben liegt die Gleichheit mit der Setzwaage. Darunter wiederum steht auf einem Spruchband »das Gesetz« (de wet), das gemäß der Erklärung die Gleichheit schützt und verteidigt. Das Schwert, mit einer Keule gekreuzt, verweist auf die Souveränität des Volkes bei der Rechtssetzung. Die Waage der Gerechtigkeit und eine Freiheitsmütze auf einer Stange zwischen den beiden Gesetzestafeln legen dem Betrachter nahe, dass die Beachtung der Menschen- und Bürgerrechte zu einer freiheitlichen und gerechten Ordnung führt. Dieser Abdruck der niederländischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte erscheint auf den ersten Blick symbolisch überfrachtet. Tatsächlich gelingt es der vom Künstler zusammengefügten Symbolik aber, die geistige Situation zu verdeutlichen, in der die Grundrechteerklärung verabschiedet wurde, und die Bedeutung von Volkssouveränität und Gesetz für den Schutz einer freiheitlichen und an der Gleichheitsidee orientierten Rechtsordnung hervorzuheben. Derartige Graphiken mit einer gestalterischen wie inhaltlichen Anlehnung an französische Vorbilder verweisen mitunter zusätzlich auf spezifisch niederländische Werte. In einer Radierung auf die mit dem Friedensvertrag vom 16. Mai 1795 geschlossene Allianz zwischen den Niederlanden und der Französischen Republik (Abb.  144) werden zunächst wiederum die französischen Revolutionsprinzipien ins Bild gesetzt  : In der Mitte sitzt die Freiheit auf einem Thron, mit der Krone unter ihrem Fuß fordert sie eine republikanische Staatsform. Links von ihr steht die Gleichheit mit Setzwaage sowie der Waage der Gerechtigkeit, rechts auf den Treppenstufen sitzen zwei Kinder als Verkörperung der Brüderlichkeit. Mit der Frau im Hintergrund und Merkur im Vordergrund sowie dem die rechte Bildseite beherrschenden Priester werden der Handel und die Religion als für die Niederlande besonders wichtige Bereiche visualisiert. Mit dem Priester als Personifizierung des Gottesdienstes86 wurde gegenüber dem laizistischen Frankreich betont, dass die religiöse Freiheit als unveränderliche Grundlage des niederländischen politischen Systems nicht angetastet werden dürfe. Die Betonung von Freiheit und Religion als den Grundwerten der Batavischen Republik setzte sich auf dem Münzgeld fort  : Auf den Gulden-Münzen war eine Nederlandse Magd zu sehen, die sich mit einem Freiheitshut auf einem Speer in der einen Hand mit der anderen Hand auf eine auf einem Altar stehende Bibel 250

Ein kurzes Aufflackern

Abb. 144  : Jeremias Snoek, Allianz zwischen der Batavischen und der Französischen Republik, 1795

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Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

stützt.87 Die Gestaltung dieser Münze ist in starkem Maß der traditionellen niederländischen Freiheitssymbolik verhaftet, was auch für die Flagge der Batavischen Republik zutrifft, die einen Löwen mit einem Freiheitshut auf einer Stange zeigt. Damit blieb die batavische Staatsrepräsentation an altbekannten Formen orientiert und war mithin wenig revolutionär. In der Verfassungsfrage konnte trotz der politischen Auf bruchbewegung keine Einigung erzielt werden.88 Ob es eine zentralistische oder eine föderative Republik, ob es ein egalitäres Wahlrecht oder ein Wahlsystem mit einer Begünstigung der alten Eliten geben sollte, gehörte zu den nicht lösbaren und das Land spaltenden Streitfragen. Die dem Volk im August 1797 zur Abstimmung vorgelegte Verfassung, die Kompromisslösungen versuchte, wurde nach einer heftigen Kampagne in den Medien mit großer Mehrheit verworfen. Die Revolutionsgegner und Anhänger des Hauses Oranien fühlten sich bei dieser Ablehnung der Revolutionsverfassung in ihrer Kritik an der mangelnden Legitimität der revolutionären Umwälzung bestärkt. Auf einer orangistischen Spottgraphik auf den 8. August 1797, dem Tag des Verfassungsreferendums, wird die Verfassung in einem schwarzen Sarg beerdigt.89 Der anonyme Künstler zeigt in dem Trauerzug mit Leichenwagen, wie ein trauernder Staatsrat der Grablegung der Verfassung zusieht  ; auch sieht man eine Person, die vom »Revolutionswasser« getrunken hatte und sich nun erbricht. Andere Graphiken blicken einem zweiten Anlauf in Sachen Verfassunggebung optimistischer entgegen. Man war sich allerdings lediglich darin einig, dass eine Verfassung zu verabschieden sei, visualisierte jedoch nicht die Prinzipien, denen gefolgt werden musste, um die Zustimmung des Volkes zu dieser neuen Verfassung zu erreichen. So bleibt etwa eine Graphik von Jan Bulthuis auf die neu zu erlassende Verfassung sehr vordergründig (Abb. 145)  : Unter den Füßen der auf einem Thron sitzenden Vrijheid liegt ein Säulenstumpf als Symbol für die abgelehnte Verfassung. Rechts neben ihr errichtet die Justitia mit einer weiteren allegorischen Frauenfigur die neue Verfassungssäule. Links neben ihr lässt eine Personifikation des Friedens mit einem Palmenzweig hoffen, dass die Verfassunggebung friedlich zu Ende gebracht werden kann. Die neue batavische Verfassung konnte erst im April 1798 nach einem Staatsstreich, der von Frankreich unterstützt wurde, in Kraft gesetzt werden. Dabei wurde ein Einheitsstaat durchgesetzt, die Provinzen wurden zu Departements nach französischem Vorbild umgebildet. Dieser Bruch mit der nationalen Tradition verhinderte im Verein mit dem französischen Oktroi eine nationale Identifikation mit diesem Verfassungstext.90 In der politischen Symbolik wurde seiner denn auch nicht gedacht.91 Die niederländische Bildpublizistik des ausgehenden 18.  Jahrhunderts vermittelt den Eindruck, dass das Revolutionsfieber allein 1795 grassierte. Nur für dieses Jahr lassen sich zahlreiche Graphiken mit Freiheitssymbolen nachweisen, die 252

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Abb. 145  : Jan Bulthuis, Die neue Verfassung, ca. 1798

sich teilweise an französischen Vorbildern orientieren. In den nachfolgenden Jahren blieb lediglich die Verfassungssymbolik, allerdings eher als Randerscheinung, präsent. Dieser Befund wird dadurch bestärkt, dass auch die politische Graphik insgesamt nach 1795 kaum mehr eine Rolle spielt. Der Optimismus und die großen Hoffnungen, die zunächst von politisch engagierten Teilen der Bevölkerung in eine republikanische Neuordnung gesetzt wurden, waren offensichtlich rasch verflogen. Die allenthalben spürbare Abhängigkeit von Frankreich und der nicht lösbare Streit innerhalb der revolutionären Bewegung, wie die politische Neuordnung der Niederlande aussehen sollte, wirkten ernüchternd. Patriotenbewegung und Batavische Revolution blieben trotz eines teilweise erheblichen politischen Engagements und trotz einer für sie werbenden Bildpublizistik ohne Einfluss auf die weitere politisch-rechtliche Entwicklung der Niederlande.92 Die Batavische Republik und die ihr nachfolgende Zeit unter Napoleons Bruder Ludwig als Staatsoberhaupt des Königreichs Holland waren und sind bis heute im kollektiven politischen Gedächtnis der Niederlande nicht eben positiv besetzt. So verwundert es nicht, dass die 1815 vom Wiener Kongress bestätigte Rückkehr des Hauses der Oranier keinem Widerstand begegnete, von großen Teilen der Bevölkerung sogar begrüßt wurde. Auf die Restaurationsverfassung des Jahres 1815 253

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

wurde von der politisch offensichtlich apathischen Bevölkerung aber überhaupt nicht reagiert,93 auch in der Bildpublizistik spielte sie keine Rolle. In der Vermittlung der neuen Form einer konstitutionellen Monarchie durch offizielle Portraits des Monarchen bestehen bemerkenswerte Übereinstimmungen mit Frankreich. Auf einem repräsentativen Bild von 1815 sieht man König Wilhelm I. in Uniform, wie er an einem Schreibtisch mit der Urkunde der Grundwet van 1815 steht, eine Komposition, die entsprechenden Bildern von Ludwig XVIII. mit der Verfassung sehr ähnelt.94 Anders aber als in Frankreich, wo die Freiheitssymbolik die revolutionären Umwälzungen des 19.  Jahrhunderts begleitete, war die niederländische Freiheitssymbolik in den verfassungspolitischen Auseinandersetzungen kaum mehr präsent. Die lange niederländische Tradition der Freiheitssymbolik war mit dem Beginn der Restaurationsepoche an ihr Ende gelangt. 4.4 Zur Ambivalenz der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik in Italien Die Französische Revolution war für Italien ein Zäsurereignis. Es entstand wie auch sonst in Europa eine Freiheitsbewegung, die in der Französischen Revolution das Fanal für die Schaffung einer neuen Verfassung der Freiheit sah.95 Die Rahmenbedingungen für eine verfassungsrechtliche Neuordnung waren allerdings schwierig. Es gab nicht nur starke beharrende Kräfte, die an der feudalen politischen Ordnung festhielten. Vielmehr war auch die auf Reform dringende Bewegung der Jakobiner bzw. Patrioten gespalten. Ihr radikaler Flügel wollte wie in Frankreich durch eine Revolution das alte politische System überwinden und eine republikanische Ordnung auf den Weg bringen. Ein Teil der Reformkräfte blieb jedoch in Distanz zur politischen Entwicklung im revolutionären Frankreich. Nicht nur das französische zentralistische System stieß auf Ablehnung. Große Teile der italienischen Patriotenbewegung wandten sich aus Rücksicht auf den tiefverwurzelten Katholizismus im Land gegen die in der Französischen Revolution auf den Weg gebrachte Dechristianisierung. Von der in Italien im April 1796 einmarschierenden und gegen die Österreicher siegreichen französischen Revolutionsarmee erhofften sich die Reformkräfte jene Freiräume, derer sie zur Neugestaltung der politischen Ordnung bedurften. Gerade dies wollte die französische Expansionspolitik jedoch nicht gewähren. Den »Schwesterrepubliken«, wie man die napoleonischen Satellitenstaaten wie die Cisalpinische Republik mit dem Zentrum Mailand oder die Ligurische Republik mit dem Zentrum Genua bezeichnete, wurde keine eigenständige Verfassunggebung gestattet, wie es die italienische Freiheitsbewegung gefordert hatte. Vielmehr wurden in den Satellitenstaaten auf französischen Druck Verfassungen auf Grund254

Zur Ambivalenz der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

lage der das Besitzbürgertum begünstigenden französischen Direktorialverfassung von 1795 eingeführt. Die italienische revolutionäre Bewegung wurde von Frankreich nur insoweit unterstützt, als sie für den Kampf gegen Österreich nützlich war. Danach wurde sie unterdrückt, um revolutionäre Wirren zu vermeiden und den französischen Einflussbereich zu sichern. Erhebliche Kontributionslasten für die Kriegsführung in Italien sowie die Konfiskation von Kunstschätzen taten ein Übriges, um die von Frankreich versprochene neue politische Ordnung in den Augen weiter Teile der Bevölkerung zu diskreditieren. All dies führte zu einer heterogenen Bildpublizistik. Bis zur französischen Invasion verhinderte die Zensurpolitik des alten Systems jegliche politische Graphik, die sich mit den politischen Zuständen in Italien hätte kritisch auseinandersetzen können. Wie auch sonst in Europa waren in der italienischen Bildpublizistik zunächst nur die großen Ereignisse der Französischen Revolution präsent, bisweilen auch in einer revolutionskritischen Weise.96 Mit der anbrechenden Franzosenzeit etablierte sich eine (allerdings immer wieder bedrohte) Pressefreiheit, die ausgiebig genutzt wurde. Ähnlich wie in Frankreich entstanden neue Formen der politischen Presse. Die neuen Medien setzten sich für eine republikanische und nationalpolitische Neuordnung Italiens ein, äußerten sich hierzu aber auch kritisch.97 Die symbolischen Visualisierungen der Auseinandersetzungen mit dem von Frankreich eingeführten politischen System sowie der vielfältigen Vorschläge für die politische Neuordnung Italiens orientierten sich weitgehend an der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik.98 Diese Rezeption wurde dadurch begünstigt, dass die italienischen Künstler und die Verleger politischer Druckgraphiken in vielfältiger Weise mit den Zentren der revolutionären Bildpublizistik in Frankreich oder England vernetzt waren.99 Mit dem Einmarsch der französischen Revolutionsarmeen trat die Freiheitssymbolik in das Zentrum der italienischen Staatsrepräsentation. Die Schriftstücke der französischen Militärverwaltung und der italienischen Verwaltung in den »Schwesterrepubliken« führten fast durchgehend die Liberté bzw. die Libertà, die eine Jakobinermütze bei sich hat, in ihrem Briefkopf.100 In dem hier abgebildeten Briefkopf für amtliche Dokumente der Mitte Februar 1798 von römischen Patrioten nach dem Einmarsch französischer Truppen im Kirchenstaat ausgerufenen Römischen Republik (Abb. 146) sitzt die Freiheit inmitten allerlei Kriegsgeräts und hält in ihrer rechten Hand einen Stab mit Freiheitsmütze. Mit ihrer linken Hand hält sie zwei Siegeskränze über eine Tafel mit der Symbolik des Brutus-Denars, eine im revolutionären Frankreich wenig geläufige Ergänzung der Freiheitssymbolik. Dagegen ist die unten auf der mit »Eguaglianza« beschrifteten Seite erkennbare Setzwaage ein aus dem Repertoire der französischen Jakobiner entnommenes Gleichheitssymbol.101 Sie findet sich allein oder als Attribut der Eguaglianza fast immer zusätzlich zur Libertà auf den amtlichen Schriftstü255

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

Abb. 146  : Tommaso Piroli da Antonio Vighi, Testata di carta da lettere della Repubblica Romana, 1798

cken, um das neue System bürgerlicher Gleichheit zu repräsentieren. Die im Kontext der Französischen Revolution ungewöhnliche Verwendung des Dolch-Motivs wurde ein Jahr später auf einer von dem Kupferstecher Tommaso Mercandetti102 zur Feier der Ausrufung der Römischen Republik geschaffenen Medaille (Abb. 147) noch einmal herangezogen. Auf deren Rückseite dominiert der napoleonische Adler im Eichenkranz auf einem Altar  ; auf diesem sieht man den Brutus-Dolch und die Jakobinermütze, auf der Fahne rechts daneben steht gut lesbar »Repubblic[a] Romana« als Bezug auf Italien, auf der linken Fahne ist hingegen als Bezug auf die Französische Republik nur das halbverdeckte »R« von »RF« zu erkennen. Die Gestaltung der beiden Fahnen implizierte eine bewusste oder unbewusste Distanzierung von der französischen Vorherrschaft. Kaum hatten die römischen Patrioten mit Hilfe Frankreichs die Republik ausgerufen, ging es um die Wahrung ihrer politischen Selbstständigkeit.103 Die Bildkomposition nimmt kritisch gegenüber Frankreich Stellung, wie man es sonst auf offiziellen Medaillen nicht antrifft.104 Die Brutus-Symbolik als spezifisch italienisches Sinnbild für die Republik ist auch in anderen italienischen Graphiken und auf Medaillen präsent.105 In Brescia war der Einmarsch französischer Truppen am 18. März 1797 Anlass, sich von Venedig loszusagen und die Republik auszurufen. Eine von dem aus Deutschland 256

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Abb. 147  : Tommaso Mercandetti, Medaille auf den ersten Jahrestag der Gründung der römischen Republik, 1799

Abb. 148  : Joseph Salwirch, Medaille auf die Erstürmung des Palazzo Broletto in Brescia am 18. März 1797

stammenden Medailleur Joseph Salwirch auf dieses Ereignis entworfene Medaille (Abb. 148) zeigt auf ihrer Vorderseite, wie die Bürger unter dem Schutz der einmarschierenden französischen Truppen den Palast Broletto, den Sitz der Verwaltung, erstürmen. Auf der Rückseite sind die Freiheitsmütze und der Brutus-Dolch von dem Motto »Epoche der Freiheit in Brescia« eingerahmt. 257

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

Abb. 149  : Luigi Manfredini, Medaille zur Erinnerung an die Gründung der Cisalpinischen Republik in Mailand durch Napoleon, 1797

Diese Symbolik wurde zudem genutzt, um an die politische Neuordnung Italiens unter Napoleon zu erinnern. Auf dem Revers einer von dem Mailänder Stempelschneider Luigi Manfredini geschaffenen Medaille, die Gründung der Cisalpinischen Republik im Jahr 1797 thematisierend, befindet sich der Brutus-Dolch auf einem Schild neben einer als Minerva mit Liktorenbündel und Freiheitsmütze dargestellten sitzenden Personifikation der Republik (Abb. 149). Dass die Schaffung der Cisalpinischen Republik dabei Napoleon und Frankreich zu verdanken war, wurde von dem Mailänder Stempelschneider Hieronymus Vasallo und von Joseph Salwirch in einer klassizistischen Medaille aus dem Jahr 1797 (Abb.  150) auf den Punkt gebracht  : Auf deren Avers ist die Büste Napoleons mit der Widmung »All’Italico« zu sehen, auf dem Revers stehen Pax und in der Mitte Gallia, die der Lombardia, geleitet von einem Genius, die Freiheitsmütze aufsetzt. Ein Füllhorn mit Früchten verweist unten rechts auf eine gute wirtschaftliche Situation. Diese Medaille zeichnet ein realistisches Bild  : Aus Napoleons Hand und der napoleonischen Herrschaft untergeordnet empfängt Italien die neue freiheitliche politische Ordnung. Napoleon und Frankreich stehen für eine Zeit des Friedens in Italien, in der politische Reformen im Namen der Freiheit durchgeführt werden106 und das moderne Italien zu entstehen beginnt. Gleichzeitig wird mit der propagandistischen Widmung »dem Italiener« überspielt, dass Napoleon nicht als »Italiener«, sondern zur Durchsetzung französischer machtpolitischer Interessen nach Italien kam. 258

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Abb. 150  : Geronimo Vassallo/Joseph Salwirch, Medaille zur Erinnerung an das Konföderationsfest in Mailand, 1797

Neben der Aufnahme von Freiheits- und Gleichheitssymbolen in die italienische Staatsrepräsentation führte der Einmarsch der französischen Armeen  – ähnlich wie im linksrheinischen Deutschland oder in der Schweiz  – zu neuen Formen einer revolutionären Öffentlichkeit wie das Feiern revolutionärer Feste oder das Pflanzen von Freiheitsbäumen.107 Dass Letzteres, wie mitunter in Deutschland, bisweilen unter französischer Aufsicht geschah, wurde auch in der politischen Druckgraphik thematisiert. Ein Stich von 1797 zeigt, wie im lombardischen Sondrio unter den Augen französischer Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten ein Freiheitsbaum in die Stadt getragen wird (Abb. 151). Inwieweit die Soldaten hier als Zwangsmacht auftreten, ist allerdings unklar. Einerseits sieht der Mann in der Bildmitte, der seinen Hut durch eine phrygische Mütze ersetzt, nicht besonders glücklich aus. Auf der anderen Seite steht er damit ziemlich allein. So gut wie alle anderen Zuschauer jubeln. Die ernste Miene des Mannes könnte deshalb auch als Ausdruck tiefer Ehrfurcht angesichts des historischen Moments des Mützentausches gedeutet werden. Entsprechend wird die Szene im Vordergrund in der Literatur als ein »feierliches« Vertauschen der alten Kopf bedeckung mit der phrygischen Mütze durch einen »bürgerlichen Patrioten« interpretiert.108 Jedoch ist es ebenso möglich, dass hier ein erzwungener Wechsel der Kopf bedeckung zu sehen ist. Dies könnte insbesondere im Hinblick auf die hinter dem Mann stehende Frau gelten. Ihre Gestik erweckt den Eindruck eines entsetzten »Die-Hände-überdem-Kopf-Zusammenschlagens«. In dieser Deutung wären sie und der Mann, der durch seine Kleidung als sozial höherstehend ausgewiesen ist, als Repräsentanten 259

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Abb. 151  : Cosimo Binda, Dal Popolo di Sondrio nella valtellina fú piantato l’Albero della Liberta il gno. 14 Giugno 1797

des revolutionsfeindlichen Establishments anzusehen, denen von den übrigen Zuschauern, die alle Anhänger der Revolution sind, das Symbol der neuen Ordnung aufgenötigt wird. Gleichzeitig erinnern die Männer, die links im Bild den entwurzelten Baum schleppen, mehr an Zwangsarbeit verrichtende Sträflinge als an Sympathisanten der Revolution, die sich begeistert anschicken, eines von deren Symbolen zu pflanzen. Man gewinnt eher den Eindruck, als würden die örtlichen italienischen »Jakobiner« im Verein mit den französischen Truppen einige Revolutionsgegner zwingen, den Freiheitsbaum in die Stadt zu tragen. In jedem Fall aber ist diese Graphik, gleichgültig wie man sie interpretiert, eine der Revolution und ihren Symbolen gegenüber aufgeschlossene Darstellung. Die französischen Soldaten treten hier, wenn überhaupt, nur im Hinblick auf die revolutionsabgeneigten Bevölkerungsteile als Zwingherren auf. Ganz anders ist dies in einem venezianischen Druck aus dem Jahr 1799 (Abb. 152)  : Hier verordnen die Franzosen unter dem Titel »Man muss tanzen« mit angelegter Waffe und befehlender Geste einen Tanz um den von einer Jakobinermütze gekrönten Freiheitsbaum, wobei die Tanzenden groteske Züge annehmen. 260

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Abb. 152  : Il faut danser, 1799

Einer der vier Tänzer versucht mit erhobenem Messer aus dem Tanz auszubrechen, wird aber von zwei anderen Tänzern zurückgehalten. Im rechten Bildhintergrund sieht man hinter Schleiern eine zweite Tanzszene mit einem Freiheitsbaum, an dessen Spitze sich neben der Jakobinermütze der Merkurstab befindet. Diese Graphik thematisiert das Paradox der italienischen Revolution  :109 Der »Tanz der Freiheit« wird in Italien von der französischen Besatzungsmacht verordnet, das Volk gibt diesem Tanz unter Aufsicht der Franzosen komödienhaft-groteske Züge, während es an sich, so deutet der verschleierte Hintergrund an, auch einen wirklich italienischen »Tanz der Freiheit« geben kann. Eine Distanzierung der italienischen von der französischen Bildpublizistik erfolgte auch insofern, als in Italien die Auffassung vorherrschte, dass die neue Freiheit im Einklang mit der religiösen Grundlage des Staates zu verwirklichen sei. So fand sich auf dem Fundament des Freiheitsbaums, der im Jahr 1798 auf dem Kapitol in Rom errichtet wurde, neben der Inschrift »Libertà« auch der Schriftzug »Religione«, wie eine kolorierte Graphik jener Zeit zeigt.110 Gleichzeitig verknüpft dieser von einer Jakobinermütze gekrönte Freiheitsbaum, der in einem Liktorenbündel wurzelt und unterhalb der Mitte seines Stammes mit einem Brutus-Dolch 261

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

versehen ist, wiederum die französische Revolutionssymbolik mit den bis in die Antike zurückreichenden politischen Traditionen Italiens. Diese Verbindung der französischen Freiheitssymbolik mit ihren Wurzeln in der römischen Antike steht am Beginn der Bildung eines neuen Nationalbewusstseins in Italien. Die Rezeption der französischen Freiheitssymbolik 111 war Auslöser und Medium einer neuen Identitätsfindung. Wurden doch Erinnerungen an ihre antiken Wurzeln geweckt, um einen neuen Blick auf die die Identität Italiens prägenden historischen und kulturellen Werte zu gestatten. Über die Ikonographie der französischen Freiheitssymbolik konnte man an die eigenen republikanischen Traditionen und an deren antike Symbolik anknüpfen. Die Freiheitsmütze mit ihrem Ursprung im antiken Italien ist in der aus Frankreich übernommenen phrygischen Form in der italienischen Revolutionssymbolik allgegenwärtig.112 Sie wurde geradezu zum Erkennungszeichen all jener, die für eine republikanische politische Ordnung eintraten. Dies ging so weit, dass den Stimmzetteln für ein Referendum in der Römischen Republik die Jastimme durch eine auf politischen Fortschritt dringende Libertà mit halb entblößter Brust und Jakobinermütze gekennzeichnet wurde, während für die Neinstimme ein züchtig gekleidetes Mädchens stand.113 Zu den beliebten bildpublizistischen Themen des Umsturzes der gesellschaftlichen Rangordnung gehörte die von der Freiheit und Gleichheit geforderte Entmachtung, wenn auch nicht unbedingt Enteignung, der aristokratischen Oberschicht.114 In verschiedenen Drucken wurde dargestellt, wie sich die Aristokraten und damit die bislang herrschende Schicht zu ihrem Entsetzen und in tiefer Trauer aus dem politischen Leben zurückziehen mussten. In einem Beispiel mit dem Titel »Das Durcheinander und die Verwirrung des Pantalone in Venedig«115 (Abb. 153) sind es zwei Repräsentanten der venezianischen Obrigkeit, die neben dem in der Bildmitte gebückten Pantalone – einer beliebten Person in der Commedia del’arte – im Schatten eines Freiheitsbaumes bitterlich weinen, weil ihnen ein Harlekin ein Traktat über die Menschenrechte vorhält. Währenddessen werden im Hintergrund die sterblichen Überreste des toten venezianischen Löwen als Sinnbild für die untergegangene alte Ordnung von zwei Handwerkern mit Spaten in den Händen zu Grabe getragen. Mit derartigen Graphiken und den oben genannten Medaillen wurde die Gründung der italienischen »Schwesterrepubliken« gefeiert, in denen eine neue Ära von Freiheit, Gleichheit und souveräner Selbstbestimmung anbrechen sollte. Die symbolische Vermittlung von Freiheit, Gleichheit und Republik konnte allerdings nicht über die äußerst labile politische Lage hinwegtäuschen. Die den »Tochterrepubliken« oktroyierte Direktorialverfassung stieß auf wenig Zustimmung. Das Eingreifen der französischen Besatzung in die Staatsgeschäfte und die Auferlegung von erheblichen Abgabenlasten verschärften die franzosenfeindliche Stimmung. Die Anhänger der alten Ordnung konnten und wollten sich zudem mit der 262

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Abb. 153  : Il disordine e la confusione de Pantaloni in Venezia, 1797

revolutionären Umwälzung nicht abfinden. So entstand eine heftige antirevolutionäre und antifranzösische Bildpropaganda.116 Diese erreichte ihren Höhepunkt, als 1799 im zweiten Koalitionskrieg für kurze Zeit die französische Vormachtstellung in Italien gebrochen wurde. Während weniger Monate wurde die weitverbreitete Freiheitssymbolik zum Zielpunkt einer vehementen antirevolutionären Gesinnung  : In einigen der Drucke werden Freiheitsbäume zu Brennholz verarbeitet oder zusammen mit einer ganzen Gruppe italienischer Revolutionäre dem Höllenfeuer übergeben,117 während die Libertà auf dem Scheiterhaufen verbrannt, über den Acheron in die Unterwelt geführt oder im Tanz mit dem Tod dargestellt wird.118 In einer in verschiedenen Varianten vertriebenen119 und daher wohl recht populären Graphik von ca. 1798/99 verbinden sich Antijakobinismus und Franzosenfeindlichkeit mit antiaufklärerischen Affekten (Abb. 154). Dieser nach einem englischen Vorbild gestalteten Radierung zufolge wurde die Philosophie der Aufklärung den Staaten unter französischer Herrschaft oktroyiert, wobei es im Namen der Freiheit zu Unterdrückung und Raubzügen kam. Dies wird in dem in drei Szenen aufgeteilten Bildnis graphisch und verbal erläutert. Im linken Drittel sieht man eine tiefrot gewandete Furie mit entblößten Brüsten und hässlichem Medusenhaupt als Repräsentantin des von »unwürdigen und niederträchtigen Philosophen« verführten französischen Volkes. Sie steht unter einem Galgenstrick, der anzeigt, dass die von den modernen Philosophen ausgelobte Prämie der Tod 263

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

Abb. 154  :  Anonym, Libertà Eguaglianza. Popoli della terra ascoltatemi io vengo per prendervi il vostro denaro di più vi farò tutti soldati indi vi farò guillottinare l’uno con l’altri viva la libertà, ca. 1798/99120

sei, und treibt mit einer langen Peitsche und einer Brandfackel unter dem Ruf »Vorwärts ihr Söhne des Vaterlandes« einen bockenden Esel an. Dieser trägt »die letzte unserer Glocken« um den Hals, womit vielleicht auf das Einschmelzen der Kirchenglocken in der Französischen Revolution angespielt wird, und stöhnt  : »Wie schwer ist diese Freiheit.« Damit meint er den die philosophierende Freiheit verkörpernden grimmigen Sansculotten auf seinem Rücken, der sich mit einer Jakobinermütze auf Seinesgleichen reitend aufmacht, die Welt zu erobern. In der rechten Hand hält er einen Geldbeutel mit der Aufschrift »eine Art zu erobern«, in der linken eine »Standarte«, mit der er verkündet, was die zentralen Prinzipien der neuen Philosophie – Freiheit und Gleichheit – in den Augen der Gegenrevolutionäre bedeuten, nämlich Raub, Zwangsrekrutierung und Tod auf der Guillotine. Die rechte Bildhälfte wird derweil von einem fettleibigen Nutznießer der Franzosenherrschaft mit einer italienischen Trikolore als Schärpe beherrscht. Er spricht von einem lustigen Stehlen,121 hinzugefügt wird allerdings, dass das Räuberfest nur kurze Zeit gedauert habe. In den hinter seinem Rücken verschränkten Händen trägt er eine Tafel mit dem Hinweis auf Rechtsreformen, die sich u. a. gegen die Religion richteten. 264

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Abb. 155  : Le Repubbliche sorelle soccombono alla luce divina, 1799

Andere Graphiken fordern die Rückkehr zum religiösen Fundament der politischen Ordnung. So wird in einem kolorierten Stich aus dem Jahr 1799 der Lichtsymbolik der Aufklärung eine christliche Bedeutung gegeben (Abb. 155). Aus einer Sonne mit den Buchstaben Alpha und Omega strahlt das göttliche Licht auf Wappen der großen Monarchien. Diese reflektieren das göttliche Licht und bringen die Figuren der mit roten Jakobinermützen versehenen Personifikationen der italienischen »Tochterrepubliken« zum Schmelzen. Dass diese göttliche Erleuchtung die Rückkehr zur Monarchie von Gottes Gnaden zur Folge hat, verdeutlicht die Inschrift über den Wappen der Koalition gegen Frankreich, nämlich Österreich, Russland, das Osmanische Reich und Großbritannien  : Sie erhalten »auxilium ab alto«, also göttliche Hilfe beim Kampf gegen den Republikanismus in Italien. Rechts unten werden die bourbonischen Lilien neu in das französische Wappen eingemeißelt  : Das Geschehen in Italien nährt die Hoffnung auf eine Restauration der Monarchie in Frankreich. Durch den Frieden von Lunéville im Jahr 1801 wurde die französische Vorherrschaft in Italien wieder hergestellt. In der Staatsrepräsentation wurde nun erneut auf die Grundlagen der von Frankreich oktroyierten politischen Ordnung hingewiesen. So blieben im Umlaufgeld die Personifikationen der Freiheit mit der Freiheitsmütze sowie der Gleichheit als zentrale Prinzipien der republikanischen Ordnung eine Zeit lang präsent.122 An die verfassungsrechtlichen Veränderungen in der politischen Ordnung wurde nur gelegentlich erinnert. Beispielsweise wurde 265

Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

Abb. 156  : Luigi Manfredini, Bronzemedaille auf die Umwandlung der Cisalpinischen in die Italienische Republik, 1802

auf die 1802 in Lyon stattfindenden Beratungen über die Umwandlung der Cisalpinischen in eine Italienische Republik und die hiermit verbundene neue Verfassung eine Medaille geprägt (Abb.  156). Der Mailänder Medailleur Luigi Manfredini zeigt, wie der geflügelte Merkur der sitzenden Italia eine Tafel mit der Aufschrift »COS ITA LIC«, d. h. die Verfassung der Italienischen Republik, überreicht. Die Konsolidierung der napoleonischen Herrschaft in Italien und ihre politischen Reformen bedeuteten das Ende der Auseinandersetzungen zwischen der Freiheitsbewegung und den beharrenden Kräften. In dieser Zeit eines weitgehenden innenpolitischen Friedens bzw. der innenpolitischen Befriedung gab es für die Schaffung kritischer politischer Graphiken keinen Anlass mehr. Erst 1848/49 sollten die revolutionären Ereignisse wieder von einer vehementen politischen Druckgraphik begleitet werden.

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5. Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie als Kontrapunkte der Verfassungs- und Freiheitssymbolik der Restaurationsepoche

Zu Beginn der Restaurationsepoche kam es sowohl in Frankreich als auch in den süddeutschen Staaten zum Erlass neuer Verfassungen. Die Symbolik, die die Verfassunggebung begleitete, brachte nicht nur zum Ausdruck, dass es der Monarch bzw. der Landesherr war, der die Verfassung gab, sondern auch, dass die politische Repräsentation in den Kammern dem vorbehaltlos zustimmte. Nicht aber das Volk als Souverän legitimierte die Verfassunggebung  ; die Verfassungen der Restaurationsepoche wurden vielmehr in der Regel aus monarchischer Machtvollkommenheit dem Volk oktroyiert. Dieser Oktroy musste allerdings, sollte er politischen Frieden stiften, den Forderungen der Zeit genügen. Demgemäß sahen sie eine politische Beteiligung der Ständeversammlungen an der Gesetzgebung vor und regelten die Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat und das Wahlrecht, um nur einige Eckpunkte des Kompromisses zwischen Fürsten- und Volkssouveränität zu nennen. Von diesen Verfassungen erhoffte sich das liberale Bürgertum den Anbruch einer neuen Ära eines freiheitlichen und demokratischen politischen Systems. Die Verfassungssymbolik spiegelte zunächst eine relativ breite Akzeptanz der neuen Verfassungen wider. Diese wurde in der Folgezeit dadurch zu stärken versucht, dass das Verfassungsrecht der konstitutionellen Monarchie sowohl in der französischen als auch in der deutschen politischen Theorie und Bildpublizistik religiös überhöht wurde. Im Verlauf des Vormärz, also der Zeit bis zur Revolution vom März 1848, geriet das Verfassungsrecht der konstitutionellen Monarchie jedoch unter zunehmenden Legitimationsdruck. Auf der einen Seite lässt sich die deutlich geäußerte Kritik der konservativen Richtung, die nach wie vor einer altständischen Ordnung anhing, nicht übersehen. Auf der anderen Seite stieß die oftmals wenig liberale Verfassungspraxis in der konstitutionellen Monarchie auf eine zunehmende Oppositionsbewegung.1 In Deutschland setzte sich diese für die Beachtung des Verfassungsrechts und auch für einzelne Reformen des Systems der konstitutionellen Monarchie ein. Republikanische Strömungen konnten zwar auf einige Aktivisten zählen. Sie blieben aber eher eine Randerscheinung und waren in der deutschen politischen Graphik nicht präsent. In Frankreich kam es demgegenüber zu einer stärkeren Radikalisierung, auch in der Bildpublizistik. Nach der Julirevolution nahm die Zahl der Satiremagazine zu, die mit ihrer politischen Gra267

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

phik die Julimonarchie mit beißendem Spott überzogen und eine republikanische Revolution herauf beschwören wollten. 5.1 Konstitutionelle gegen republikanische politische Symbolik in Frankreich 5.1.1 Die Omnipräsenz der Charte constitutionnelle von Ludwig XVIII. in der Staatsrepräsentation und in der Bildpublizistik

Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft gelangte im Mai 1814 Ludwig XVIII. auf den französischen Thron. Bereits am 4. Juni 1814 verkündete der König im Palais Bourbon eine neue Verfassung, die sogenannte Charte constituti­ onnelle. Dieses Ereignis wurde von Bildmedien wie den hier abgebildeten beiden Verfassungsmedaillen begleitet, die mit Jean-Bertrand Andrieu von einem der bedeutendsten Medailleure des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts entworfen wurden. Die erste dieser beiden Medaillen (Abb.  157) zeigt den auf einem Thron sitzenden Ludwig XVIII. mit einem Zepter in der Hand, wie er zwei sich devot verneigenden Personen die Verfassungsrolle zum Schwur entgegenhält. Bei ihnen handelt es sich um einen Abgeordneter der Deputiertenkammer und einen vom König ernannten Pair de France als Repräsentanten der zweiten Kammer. Mit dieser Schwurszene wurde sichtbar gemacht, dass die neue Verfassung den beiden gesetzgebenden Kammern übergeben und oktroyiert wurde.

Abb. 157  : Jean-Bertrand Andrieu, Medaille auf die feierliche Übergabe der Charte constitutionnelle, 1814

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Konstitutionelle gegen republikanische politische Symbolik

Abb. 158  : Jean-Bertrand Andrieu, Medaille auf die Verfassunggebung, 1814

Auf dem Revers der anderen Verfassungsmedaille überreicht der König unter dem Motto »Fundamenta Libertatis publicae« der antik gekleideten France die »charta constitutionis a rege tradita« (Abb. 158). Die verfassunggebende Gewalt liegt auch nach dieser Darstellung, bekräftigt durch den Hinweis auf der Medaille, beim König. Zugleich wird durch das Motto die Verfassung als Grundlage einer an der öffentlichen Freiheit orientierten Ordnung und damit als Erfüllung der damaligen Forderungen des Bürgertums gepriesen. Die Gestaltung der Medaillen in der Zeit von Ludwig  XVIII. knüpfte fast nahtlos an die auf die großen Ereignisse geprägten Medaillen der vorrevolutionären Zeit an. Die in der Zeit der Französischen Revolution aufgelöste »Académie des inscriptions et des belles lettres« 2 war bereits unter Napoleon wiederbelebt worden. »La Monnaie des Médailles«, die mit der Staatsrepräsentation betraute Prägeanstalt, war dem Innenminister und dem Generaldirektor des Louvre unterstellt worden. Nach der Restauration der Bourbonen hatte sie zur Aufgabe, für ihre Medaillenprägungen die herausragenden Medailleure der beginnenden Restaurationsepoche zu beschäftigen und die großen Ereignisse der Zeit auf Medaillen festzuhalten.3 Auf diese Weise wurde die Restauration der Monarchie von einer Restauration der diese stützenden und legitimierenden Kunstformen begleitet. Zunächst aber wurde die restaurierte Monarchie und mit ihr die Charte con­ stitutionnelle von Napoleons Herrschaft der 100  Tage von März bis Juni 1815 in Frage gestellt. Die Regierung Napoleons sollte auf Drängen des Staatstheoreti269

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Abb. 159  : Alexis-Joseph Depaulis/ Louis (?) Brenet, Medaille auf Napoleons Verfassung von 1815

kers, Publizisten und späteren Abgeordneten Benjamin Constant durch eine neue Verfassung konsolidiert werden.4 Trotz einer gewissen Skepsis folgte Napoleon dem Vorschlag. Der von Constant ausgearbeitete »L’Acte additionnel aux Constitutions de l’Empire«, die nach ihm »Benjamine« genannte Verfassung, wurde in einem Referendum mit 1,3 Millionen Jastimmen angenommen, wobei allerdings 5 Millionen Wahlberechtigte der Abstimmung fernblieben. Die offizielle Medaille zur Verfassunggebung, entworfen von dem damals erst 25-jährigen Alexis-Joseph Depaulis und dem gleichaltrigen Louis (?) Brenet, zeigt eine Schwurszene und erinnert an Napoleons Eid auf diese Verfassung, den er bei deren Verkündung am 1. Juni 1815 auf dem Marsfeld geleistet hatte (Abb. 159).5 Auch Constant leistete den Eid auf die Verfassung, ebenso wie er zuvor die Charte von 1814 beschworen hatte – eine Inkonsequenz, die ihm mit Recht in einer Karikatur unter dem Titel »Le double serment en fidélité constante à tout le monde« vorgehalten wurde.6 Nach Napoleons Herrschaft der 100 Tage erwarteten viele Konservative, denen die Charte zu liberal erschien, eine grundlegende Verfassungsrevision. Gleichwohl verkündete Ludwig XVIII. in einer Ordonnance vom 5. September 1816  : »Aucun des articles de la Charte constitutionnelle ne sera révisé« und ließ diese Botschaft auch durch eine Medaille verbreiten,7 was in der liberalen Öffentlichkeit sehr positiv aufgenommen, von konservativen Kreisen aber heftig kritisiert wurde. 270

Konstitutionelle gegen republikanische politische Symbolik

Abb. 160  : F. J. Heim, Louis XVIII. Consultant Saint Louis et Henri IV. pour la Charte Constitutionnelle, 1814

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Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Nicht allein wegen seiner Standhaftigkeit gegenüber der von konservativer Seite geäußerten Verfassungskritik wurde Ludwig XVIII. in der Staatsrepräsentation zu Beginn der Restauration immer wieder als Schöpfer der Charte constitu­ tionnelle gefeiert und mit der Verfassungsurkunde dargestellt.8 Dies galt zunächst für die offiziellen Herrscherportraits, die für eine breite Öffentlichkeit bestimmt waren und u. a. als Reproduktionen in den Amtsstuben der Verwaltung hingen. In einem Portrait von François Gérard9 mit dem Titel »Ludwig XVIII. in seinem Kabinett« von 1817 sitzt der König an einem Schreibtisch, der mit Büchern und Arbeitspapieren bedeckt ist.10 Unter diesen befindet sich die Erklärung von SaintOuen aus dem Jahr 1814, in der Ludwig den Franzosen eine »constitution libérale« und ein »gouvernement représentatif« versprochen hatte.11 Auf dem ebenfalls Repräsentationszwecken dienenden Bild des Historien- und Portraitmalers Paulin Guérin mit dem Titel »Ludwig XVIII. im Krönungsornat« aus dem Jahr 1820 ist unter der Krone und dem Zepter eine Ausfertigung der Charte constitutionnelle zu sehen.12 Dass diese mit den Revolutionsverfassungen nichts gemein haben sollte, wurde in der staatstragenden Bildpublizistik ausdrücklich betont  : Auf einer von F. J. Heim13 entworfenen Graphik (Abb. 160) sieht man Ludwig XVIII., wie er, in Gedanken versunken, auf zwei Büsten blickt. Vor ihm auf dem Schreibtisch liegt eine Schriftrolle mit der Überschrift »Charte Constitutionnelle«, darunter ein Blatt mit der Aufschrift »Paix du Monde«, was auf die Friedensordnung nach den napoleonischen Kriegen verweisen soll. Diese Darstellung wurde in der Bildunterschrift dahin erklärt, dass Ludwig XVIII. bei der Ausarbeitung der Charte Ludwig den Heiligen und Heinrich  IV., deren Büsten vor ihm stehen, »konsultiert« habe. Das auf die Charte gegründete Königtum wurde darüber hinaus oftmals in religiös verklärter Form und als gottgewollt symbolisiert  : Das überkommene Königtum von Gottes Gnaden wandelte sich zu einer gottgewollten konstitutionellen Monarchie. Im Juli 1815 erschien ein großformatiger Stich unter dem Motto des »jugement dernier«, des Jüngsten Gerichts (Abb.  161), der im Begleittext darauf verweist, dass die Franzosen aller Klassen, wie in der Bildmitte gezeigt, der neuen französischen Verfassung ewige Treue schwören, was von Märtyrern der Revolution im Himmel mit Freude gesehen werde, während alle Verursacher des Bösen in Frankreich zur Hölle fahren.14 Mit diesem grandiosen Bezug auf das Jüngste Gericht wurde die Charte nicht nur zum Endpunkt einer wechselvollen Verfassungsgeschichte, sondern auch zum Bezugspunkt biblischer Heilserwartung. Die Graphik zielte auf einen Sinneswandel religiös gebundener Konservative, die bislang noch in Distanz zu einer an die Charte gebundenen Monarchie standen. Indem der Verfassungstext in der Mitte der Darstellung in den Bereich religiöser Offenbarung gerückt wurde, sollte der in Kirche und Religion verbreiteten Frontstellung zum Liberalismus entgegengewirkt 272

Konstitutionelle gegen republikanische politische Symbolik

Abb. 161  :  Anonym, Le jugement dernier, aux françois, 1815

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Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Abb. 162  : Antoine Gros, Deckengemälde im Panthéon, 1824 vollendet

werden. Die klare Aussage war  : Dem Himmel der Verfassung ist die Hölle der auf liberale Reformen dringenden Revolution entgegenzusetzen. Die spektakulärste Verherrlichung der Charte bildet ihre Darstellung in der Panthéon-Kuppel. Seit der Französischen Revolution ist das Panthéon der Ort nationalen Gedächtnisses, an dem durch »Pantheonisierung« jede Epoche der französischen politischen Geschichte ihre verehrungswürdigen Repräsentanten ewiger Erinnerung anvertraut.15 Die Neugestaltung der Kuppel des Panthéon zu Beginn des 19.  Jahrhunderts hat ihre besondere Geschichte. Den Auftrag hierzu hatte Napoleon dem Historienmaler Antoine Gros erteilt. Dargestellt werden sollten die Heilige Geneviève, die Schutzpatronin von Paris, und mit ihr die vier großen Epochen der französischen Monarchie. Dabei waren natürlich auch Napoleon und seine Frau Marie-Louise im Deckengemälde zu verewigen. 1814 war erst ein Teil des Werkes vollendet. Nach der Restauration erhielt der Künstler den Auftrag, den noch nicht ganz fertiggestellten napoleonischen Teil zu übermalen und durch Darstellungen von Ludwig XVIII. und der Duchesse d’Angoulême sowie von weiteren Personen aus der Dynastie der Bourbonen zu ersetzen.16 Zudem war die Herrschaftssymbolik nunmehr an den Insignien der Restaurationsepoche zu orientieren. Zu den Kroninsignien des Königs trat die Charte hinzu.17 In der Komposition des Deckengemäldes nimmt die Tafel mit der Aufschrift Charte einen herausgehobenen Platz ein (Abb.  162, 163). Auch die Charte war damit »pantheonisiert«. Sie steht gewissermaßen zwischen der göttlichen Ordnung und der restaurierten 274

Konstitutionelle gegen republikanische politische Symbolik

französischen Monarchie. Die zeitgenössischen Betrachter zeigten sich von diesem Deckengemälde sehr beeindruckt. So sprach Marie-Amélie von Orléans, die künftige Frau von Louis-Philippe, von der »superbe coupole« und schwärmte von der vollendeten Schönheit aller dargestellten Personen.18 Die offizielle Staatsrepräsentation mit ihrer symbolhaften Vermittlung einer Einheit zwischen König und Charte wurde in der Bildpublizistik bereitwillig aufgegriffen. Ludwig  XVIII. wurde vielfach als »Roi législateur, émule de Solon« gepriesen, der mit der Charte Königtum und Freiheit versöhnt und die Grundlage für Frieden Abb. 163  : Antoine Gros, Ausschnitt aus dem Deckengemälde und Wohlstand in Frankreich gelegt habe.19 im Panthéon, 1824 vollendet Ein anonymes Flugblatt identifizierte beide sogar miteinander, indem es den Text der Charte in den Umrissen der Silhouette von Ludwig XVIII. zeigt.20 Die symbolhaften Vermittlung der »monarchie selon la Charte« in der Staatsrepräsentation und in der politischen Graphik zeigte den König nicht nur als Schöpfer, sondern auch als Garant der neuen konstitutionellen Monarchie in Frankreich. Mit der »Monarchie gemäß der Charte« wurde versucht, an die Tradition des Königtums in Frankreich anzuknüpfen und zugleich die vom Zeitgeist geforderten Veränderungen aufzunehmen. Welcher Reformschub mit der neuen Verfassung und ihrer Symbolik verbunden war, blieb allerdings eine offene Frage. Für viele der liberalen Mitte zuzurechnenden Politiker und Publizisten wurde das »Königtum gemäß der Verfassung« nicht so eingelöst, wie man es sich erhoffte. Hiervon zeugt die umstrittene, von dem Schriftsteller und Politiker François René de Chateaubriand verfasste Programmschrift »De la Monarchie selon la Charte« aus dem Jahr 1816. Die von ihm geforderte Beschränkung der Regierungsprärogativen des Monarchen ging Ludwig XVIII. zu weit und führte zu Chateaubriands Entlassung als Staatsminister.21 Trotz ihres Kompromisscharakters wurde die Charte von 1814 von Teilen der politischen Elite abgelehnt. Von konservativer Seite wurde ihre Legitimität nachdrücklich in Frage gestellt.22 Seitens der Liberalen wurde von Beginn an befürchtet, dass die Charte durch eine reaktionäre Politik nach und nach ausgehöhlt werden würde. So sieht man ganz links auf einem in der restaurationskritischen Zeitschrift »Le Nain Jaune« publizierten satirischen Stich von 1815 (Abb. 164),23 wie sich ein 275

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Abb. 164  :  Anonym, La Constitution, 1815

sehr kleiner Reiter mit dem Schriftzug »Charte« auf einem Banner einem Tempel mit der Inschrift »Corps Législatif« nähert. In dessen Richtung bewegt sich auch eine Staatskarosse mit der hoch aufgerichteten France, die von vier weißen Pferden unter Führung des über ihnen schwebenden Zeitgeistes gezogen wird. Auf ihrem Geschirr steht u. a. »union et force, idées libérales« und »respect au roi«. Der Weg nach links führt zu Handel und Wohlstand, worauf unten am Bildrand symbolisch verwiesen wird. Derweil versuchen schwarze Pferde die Staatskarosse in die andere Richtung zu ziehen, wodurch die Befürchtung sichtbar gemacht wird, dass zurückgekehrte Emigranten und Jesuiten die Richtung wechseln wollen. Sie sind auf dem Weg in eine Zukunft mit unheilvollen Gewitterwolken, niedergestreckte Leiber verheißen Tod und Verderben. Die Bedrohung der Charte durch die Kräfte der traditionalistischen Reaktion24 wurde während der gesamten Regierungszeit Ludwig XVIII. und seines Nachfolgers Karl X. in einer Vielzahl von Karikaturen thematisiert.25 Diese zielten auf eine Orientierung der Politik an der Charte constitutionnelle und damit auf eine liberale Verfassungspraxis. Unter der Charte erhoffte man einen Schulterschluss zwischen Königtum und liberalem Bürgertum. Nur mit einer solchen Verfassungspolitik, so der Grundtenor vieler Stiche, ließ sich der Weg zurück zu den Privilegien und zum politischen System des Ancien Régime verhindern.26 276

Konstitutionelle gegen republikanische politische Symbolik

Abb. 165  : Charles Motte, Profitez du moment … je vous là livre, 1830

5.1.2 Eine neue Legitimitätsgrundlage der Charte constitutionnelle in der Julimonarchie  : die Verbindung von Freiheit und öffentlicher Ordnung

Die restaurative Politik unter Karl X., der 1824 König geworden war, führte zu zunehmenden innenpolitischen Spannungen. Die sogenannten Juliordonnanzen vom 25. Juli 1830 hoben die Pressefreiheit auf und schränkten das Wahlrecht ein. Dieser Angriff auf die Charte wurde in einer Lithographie von Charles Motte, einem der bedeutendsten Lithographen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, festgehalten (Abb.  165)  : Auf der rechten Seite wird eine im Lilienmantel der Bourbonen gekleidete Personifikation der französischen konstitutionellen Monarchie mit einer Verfassungstafel in der Hand von Herkules mit einer großen Keule verteidigt. Dieser wendet sich gegen den Minister Polignac, der in der Bildmitte stehend auf die Charte zeigt und zugleich mit den in der Bildunterschrift wiedergegebenen Worten »Nutzt den Augenblick … ich biete ihn hier« eine Reihe von Mitstreitern herbeiwinkt. Unter ihnen erkennt man u. a. den Kriegsminister Graf de Bourmont, der gegen die Verfassung den Degen zückt, den Innenminister Graf de la Bourdonnaye, der mit einer Gabel als »Verfassungsfresser« die Charte verspeisen möchte, und eine weitere Person, wohl ein Jesuit, die mit einem Löschhut das Lebenslicht der Verfassung zu ersticken gedenkt. Diese Lithographie zeigt, dass die verfassungswidrigen Juliordonnanzen selbst in gemäßigt konservativen Kreisen auf deutliche Ablehnung stießen.27 Zudem wird mit der Darstellung des keulen277

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Abb. 166  : Medaille auf das Verfassungsversprechen von Louis Philippe, 1830

schwingenden Herkules verdeutlicht, dass die Charte die Mehrheit der Nation und mit ihr verteidigungsbereite Anhänger hinter sich weiß.28 Der durch die Juliordonnanzen von ultrakonservativen Kreisen herbeigeführte Verfassungsbruch mündete in die Julirevolution. Mit ihrem Kampfruf »es lebe die Verfassung« verteidigte sie nicht nur die Charte, sondern drang auch auf eine weitere Liberalisierung und Demokratisierung. Der König sollte wieder ein »Roi des Français« sein, das Wahlalter und der Wahlzensus abgesenkt, die Zensur aufgehoben werden. Nach drei Tagen blutiger Barrikadenkämpfen, den sogenannten »trois glorieuses« vom 27. bis 29. Juli 1830, dankte Karl X. ab. Nun galt es, die Reform der Charte durchzusetzen. Der am 7. August 1830 von der »Chambre« zum König gewählte Louis Philippe bekannte sich zu den revolutionär erstrittenen Modifikationen der Charte. Auf einer Medaille aus Anlass seiner Vereidigung am 9. August 1830, die die traditionelle Königsfeierlichkeit in der Kathedrale von Reims ersetzte, wurden die Worte seines Eides auf die neue Verfassung wiedergegeben  : »En présence de Dieu je jure d’observer fidèlement la Charte constitutionnelle avec les modifications exprimées dans la déclaration …« 29 Dies wird durch eine weitere Medaille bekräftigt, auf der unter der Krone von »Louis Philippe Ier roi des Français« die Verfassungstafel mit der Aufschrift »Charte de 1830« zu sehen ist.30 Auf einer weiteren Prunkmedaille, einer der gelungensten seiner Regierungszeit,31 bezeichnete sich Louis Philippe als Stifter der Einheit zwischen den streitenden Parteien (Abb. 166). Unter dem Motto »Liberté ordre public« knüpfte er zudem an ältere Versprechungen von Ludwig XVIII. an  : »Désormais la Charte sera une vérité.«32 Er wollte also das bereits 1815 gegebene Versprechen halten, dass die Charte normative Kraft ent278

Konstitutionelle gegen republikanische politische Symbolik

falten und die nötigen politisch-rechtlichen Formen in ihrem Geist erfolgen sollten. Neu war freilich die Verbindung von Freiheit und öffentlicher Ordnung. Die Gewährleistung von Freiheit wurde auf diese Weise unter den Vorbehalt der Wahrung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung gestellt, was in Frankreich jedenfalls bis dahin in dieser Deutlichkeit noch nicht formuliert worden war. Einer der Protagonisten dieser Losung war François Guizot, in den Monaten nach der Wahl von Louis Philippe Innenminister und einer der führenden Politiker in der Julimonarchie. Für die Neugestaltung des Sitzungssaales der Assemb­ lée Nationale hatte er vorgeschlagen, die beiden zentralen Ideen der Charte durch zwei Figuren zu repräsentieren, nämlich durch »Liberté« und »Ordre public«.33 Ein von Louis Petitot zu gestaltendes Relief sollte darstellen, wie Louis Philippe der Nationalgarde die Fahnen überreicht, und so die Bereitschaft ausdrücken, die neue freiheitliche Ordnung in Ausnahmesituationen auch gewaltsam mit Hilfe der Ordnungskräfte zu verteidigen. Demnach war das Motto »Freiheit und öffentliche Ordnung« eine bis in die Staatsrepräsentation hineinreichende programmatische Aussage. Mit ihrer künstlerischen Umsetzung sollte auch visuell verdeutlicht werden, dass die Julirevolution beendet war und dass die seit der Französischen Revolution weitverbreitete Furcht vor einer weiter um sich greifenden revolutionären Anarchie nicht länger gehegt zu werden brauchte.34 Um diese Zielsetzung der Unterdrückung revolutionärer Bewegungen zu unterstreichen, verzichtete die Staatsrepräsentation zudem bewusst auf Darstellungen der Liberté mit der für revolutionär gehaltenen phrygischen Mütze.35 Mit der Neugestaltung der Freiheits- und Ordnungssymbolik wurde an die politische Philosophie der »Doktrinäre« mit ihrer Lehre vom juste milieu angeknüpft, der es um eine gerechte Vermittlung zwischen antagonistischen Prinzipien ging.36 Ihre Parole war »Autorität und Freiheit«. Aus ihrer Sicht verkörperte das Königtum die erforderliche Autorität und Ordnung, während die Verfassung für Gerechtigkeit und Freiheit stand. Allerdings sind die »Doktrinäre« mit ihrer Politik der Vermittlung und des Ausgleichs zwischen Freiheit und Ordnung gescheitert. Gegen den hartnäckigen Widerstand aus dem Lager der Ultraroyalisten und von dem republikanischen Flügel der Liberalen konnten sie sie sich nicht behaupten. 5.1.3 Der Vorwurf des Verfassungsbruchs und die »Leiden der Freiheit« in einer Welle politischer Karikaturen

Die Julirevolution, getragen von der Arbeiterschaft und den kleinen Handwerkern der Pariser Vorstädte, hatte lediglich zu Veränderungen in der nach wie vor bürgerlichen politischen Elite geführt. Die Änderungen der Charte blieben marginal. So wurde etwa der Wahlzensus gesenkt, weiter gehende republikanische Reformen wurden aber abgelehnt. Immer wieder aufflammende Unruhen und Aufstände 279

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

wurden mit harter Hand unterdrückt. Die restaurativen Tendenzen der Julimonarchie stießen in der politischen Publizistik von Anfang an auf vehemente Ablehnung. Nach dem Sommer 1830 sahen einflussreiche Printmedien keine Veranlassung mehr, die modifizierte Charte zum Gegenstand symbolischer Vermittlung zu machen. Wir begegnen einem neuen Phänomen der medialen Vermittlung von Verfassung und Verfassungsrecht  : Die Unzufriedenheit der republikanisch orientierter Kräfte mit der politischen Entwicklung unter der reformierten Verfassung wurde in ausdrucksstarken Karikaturen thematisiert, die eine weite Verbreitung fanden. Wegen ihrer medialen Präsenz und einprägsamen Bildsprache beeinflussten sie das kollektive Bewusstsein und trugen zu einer kritischen Distanzierung von der revolutionär durchgesetzten politischen Ordnung bei. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Französischen Revolution von 1789 hatte in nur begrenztem Umfang eine Gegnerschaft herausgefordert, die in Stichen oder Karikaturen Kritik an der neuen Welt politischer Symbole übte oder revolutionskritische politische Richtungen durch eine alternative Symbolik zu repräsentieren suchte. Ganz im Gegensatz hierzu war die Julimonarchie Ziel von Karikaturen voll beißenden Spottes und bitterer Ironie.37 Eine kaum übersehbare Vielzahl satirischer Darstellungen zur sieghaften,38 aber auch zur unterdrückten Freiheit 39 und speziell zur eingeschränkten Pressefreiheit 40 findet sich in den neu gegründeten und viel gelesenen republikanischen Zeitschriften »La Caricature« und »Le Charivari«41. Diese dauernde Kritik an der Unterdrückung der Freiheit wurde von der Regierung des juste milieu als gefährlicher Angriff auf die bestehende politische Ordnung angesehen. Wegen ihrer starken öffentlichen Wahrnehmung drohte sie trotz presserechtlicher Verfolgung, so die nicht unbegründete Befürchtung, die Julimonarchie zu destabilisieren. Die Folge war, dass »La Caricature« 1835 verboten wurde und »Le Charivari« sich mäßigen musste. Neben Louis Philippe war die Verfassung ein beliebtes Objekt aller Karikaturisten dieser Jahre, von Honoré Daumier42 bis Charles Philipon. Letzterer war nicht nur der gerichtlich verfolgte Erfinder der Verfremdung des Bürgerkönigs zu einem »Birnengesicht«43, sondern auch einer ebenfalls gerichtlich verfolgten Lithographie, die unter dem Titel »Seifenblasen« erschienen ist (Abb. 167).44 Louis Philippe sitzt versonnen an einem Tisch und produziert aus »Julischaum« Seifenblasen. Diese stehen jeweils für eines der von ihm im Juli 1830 gegebenen Versprechen45 wie die Wahrung der Pressefreiheit, die Einführung der Wahl der Bürgermeister, die Abschaffung der erblichen Pairswürde oder die Ausdehnung des Wahlrechts. Die Darstellung suggeriert, dass die im Vorfeld der Erhebung Louis Philippes zum König von ihm gegebenen Zusagen von vornherein keinen Wert besaßen und wie Seifenblasen zerplatzt sind.46 Zur Kritik an den Verfassungszuständen in der Julimonarchie griffen Künstler von »La Caricature« zu einem neuen Stilmittel, nämlich der Verfremdung (damals) 280

Konstitutionelle gegen republikanische politische Symbolik

Abb. 167  : Charles Philipon, Les Bulles de Savon, 1831

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Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Abb. 168  : Auguste Bouquet, La Cène, 1832

allseits bekannter Historienbilder. Auf diese Weise ließen sich die Leiden der Li­ berté 47 stellvertretend für die Leiden der Reformkräfte an der Politik des Bürgerkönigtums veranschaulichen. So wurde etwa das im Salon von 1834 ausgestellte Bild von Paul Delaroche »Die Hinrichtung der Jane Gray« durch den Maler und Lithographen Auguste Bouquet als »Hinrichtung der Freiheit« parodiert.48 Noch einen Schritt weiter ging die Assoziation der Leiden der Freiheit mit der in klassischen Bildern häufig zum Motiv genommenen Passion Christi. In einer Verfremdung von Leonardo da Vincis berühmtem Gemälde »Das letzte Abendmahl« hat Auguste Bouquet in die Mitte der Abendmahlszene eine Liberté in gleicher Haltung wie Christus mit halb entblößter Brust und einer von einem Heiligenschein umgebenen Jakobinermütze gesetzt (Abb. 168).49 Der Tisch ist, anders als in der klassischen Vorlage, mit Büchern und Schreibutensilien bedeckt. Der Begleittext verweist auf das letzte Abendmahl der Liberté mit ihren Aposteln am 29. Juli 1830, also dem letzten Revolutionstag. Damit kritisiert die im Mai 1832 erschienene Graphik das rasche Scheitern der von den Revolutionären erkämpften politischen Ideale. Neben der Liberté sind zahlreiche Repräsentanten des juste milieu erkennbar, u. a. der Minister Adolphe Thiers und der Chef der Regierung Casimir Périer. Unterhalb des Bildes wird Johannes 13, 21 zitiert  : »Wahrlich, wahrlich ich sage Euch, es gibt einen unter Euch, der mich verraten wird.« Der Verräter erscheint aus Furcht vor der Zensur nicht en face, sondern nur als Rückenfigur am rechten Bildrand. Es ist Louis Philippe, der mit dem Geldbeutel auf dem Rücken Judas verkörpert.50 282

Konstitutionelle gegen republikanische politische Symbolik

Die Ankündigung der Liberté, sie werde verraten, stimmt einige »Apostel«  – es handelt sich um Repräsentanten der Regierung – froh, auch haben sie sich bereits deutlich von der Liberté in der Mitte des Tisches distanziert. Louis Philippe unter Verwendung christlicher Ikonographie im Mai 1832 als Verräter der Freiheit zu denunzieren, projiziert die christliche in eine politische Leidensgeschichte und lässt unterschwellig eine Erlösung erhoffen. Durch ihre Assoziation mit bekannten Formen christlicher Ikonographie wird die Liberté zur »Märtyrerin republikanischer Weltanschauung«51. Auch in der Folgezeit stellte Bouquet in weiteren Lithographien die Leiden der Liberté in Verfremdung klassischer Darstellungen des Leidensweges Christi dar.52 Werden die Heiligkeit und die Leiden Christi auf die Liberté übertragen, so wird sie, ist ihr Martyrium durchschritten, zu einer Heilsbringerin. Sie verheißt eine republikanische Ordnung, deren Kommen gewiss ist und die zugleich, ähnlich wie bereits in der Französischen Revolution, sakralisiert wird. Die Verwendung des Symbols der Liberté in Parodien auf bekannte Werke der bildenden Kunst sowie die Verschmelzung von Christus- und Liberté-Darstellungen richtete sich vornehmlich an das gebildete Bürgertum, dem die verfremdeten Werke vertraut waren. Aber auch auf den weniger Kundigen wirkte die Verwendung von Stilelementen christlicher Symbolik sicherlich als eine gewagte Kritik am Verrat der Julimonarchie an jenen Idealen, die revolutionär zunächst errungen waren. 5.1.4 Neue Formen einer kämpferischen Freiheitssymbolik

Die durch die Liberté geprägte Freiheitssymbolik der Französischen Revolution verkörperte das Endziel der Revolution, nämlich das Ideal einer friedlichen und freiheitlichen Ordnung.53 Dies stand in bemerkenswerter Distanz zu der kämpferischen Freiheitssymbolik, wie sie in der Julimonarchie an der Tagesordnung war. In der Zeitspanne zwischen der Julirevolution von 1830 und der Revolution von 1848 begegnet uns eine neue, geradezu aggressiv auf Veränderung drängende Liberté. So prophezeite Auguste Desperret mit seiner Lithographie »Der dritte Ausbruch des Vulkans von 1789« (Abb. 169) aus dem Jahr 1833 eine dritte Wiederkehr der Revolution von 1789, die gemäß dem erläuternden Text noch vor dem Ende der Welt stattfinden wird, alle Throne erzittern lässt und eine Reihe von Monarchien stürzen wird. Im Zentrum sieht man einen Vulkan, der mit Liberté betitelte Lava speit. Im Lavastrom sind die Flaggen europäischer Staaten gefangen, im Vordergrund fliehen einige schemenhafte Personen, die Vertreter der alten Ordnung, vor diesem erneuten Ausbruch des Freiheitsvulkans. Der Künstler symbolisiert in dieser eindringlichen Graphik die Universalität einer kommenden Revolution im Namen der Freiheit – eine Vision, die 1848 jedenfalls teilweise Realität werden sollte. 283

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Abb. 169  : Auguste Desperet, Troisième éruption du Volcan de 1789, 1833

Ein wahres Fanal kämpferischer Freiheitssymbolik setzte das berühmte Gemälde von Eugène Delacroix »Die Freiheit führt das Volk« von 1830 (Abb. 170). Anknüpfungspunkt waren die glorreichen drei Tage des 27., 28. und 29.  Juli 1830, an denen der revolutionäre Aufstand siegreich war. Die blutigen Barrikadenkämpfe und Auseinandersetzungen forderten fast 800 Tote bei den Aufständischen und etwa 200 Tote unter den Soldaten. Angesichts dieses Blutzolls erinnert das Bild von Delacroix an die Parole der Französischen Revolution  : »La liberté ou la mort«. Über die für die Revolution Gefallenen sowie über die gefallenen Soldaten führt die Liberté mit Gewehr und Trikolore eine ganz unterschiedliche Schar Bewaffneter zum Sieg am Volksaufstand des 28. Juli 1830. Links ein jugendlicher Revolutionär und rechts ein Freiheitskämpfer mit erhobenem Säbel umrahmen eine spannungsgeladene Bildmitte. Die Liberté mit roter Jakobinermütze blickt im Profil nach links auf einen Mitstreiter in betont bürgerlicher Kleidung  ; dieser ragt aus der wogenden Masse dadurch heraus, dass er einen Zylinder trägt. Der ihn umgebende revolutionäre Enthusiasmus hat ihn offenbar nicht völlig ergriffen, gleichwohl befindet er sich aber in vorderster Reihe.54 Dort bewegt er sich nicht nach vorn, sondern nimmt eher zögerlich am Geschehen teil. 284

Konstitutionelle gegen republikanische politische Symbolik

Abb. 170  : Eugène Delacroix, Die Freiheit führt das Volk, 1830

Delacroix’ Gemälde versinnbildlicht mit politischem Gespür, dass die Revolution vom Juli 1830 zwar auch eine Revolution des Bürgertums gewesen sei, dieses aber doch letztlich revolutionärer Gewalt kritisch gegenüberstand. In dieser Spannung des Bildes dominiert die Liberté mit entblößter Brust und wallendem Gewand, die wie eine antike Siegesgöttin die gesamte Bevölkerung mitreißt und die Opfer der Revolution vergessen macht. Die Lichtsymbolik im Hintergrund, im Bild offenbar mit Pulverdampf vermischt, steht seit jeher für einen Auf bruch in eine neue politische Ordnung.55 In gewollter Distanz zu dem damaligen akademischen Klassizismus hat Delacroix eine Freiheitssymbolik geschaffen, die den bewaffneten Kampf um politische Freiheit glorifiziert.56 Als »Die Freiheit führt das Volk« im Salon von 1831 ausgestellt wurde, stieß das Bild auf einhellige Ablehnung. Orientierte sich doch die politische Ideologie des juste milieu an einem Ausgleich von Freiheit und Ordnung, wollte aber nicht damit konfrontiert werden, durch einen Freiheitskampf des Volkes in den Sattel gehoben worden zu sein. An der Ästhetik des Bildes wurde in den Rezensionen fast einhellig Kritik geübt  : Die Liberté sei nicht idealisierend dargestellt, sondern gleiche einer »Courtisane der unteren Schicht« oder gar einem »entehrten Stra285

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

ßenmädchen«. Heinrich Heine bezeichnete die Liberté als »Gassenvenus« und sah in diesem Bild »diese gemeinen Leute, die Crapüle, geadelt und geheiligt«.57 Nicht nur dem revolutionären Elan weibliche Züge zu verleihen, sondern mehr noch, diesen den unteren Volksschichten zuzuordnen, wurde als politisch nicht korrekt empfunden. 5.2 Verfassungsakzeptanz und Verfassungsreform in der deutschen Bildpublizistik Die deutsche Publizistik und mit ihr auch die politische Graphik im Vormärz war von der allgemeinen Überzeugung getragen, eine konstitutionelle Monarchie sei erstrebenswert, weil sie Hort und Schranke bürgerlicher Freiheit verwirklichen58 sowie Rechtsstaatlichkeit gewährleisten könne. Eine republikanische Verfassungsreform, wie etwa in Frankreich eingefordert, stieß ebenso auf Ablehnung wie Versuche von Bürokratie und Regierung, die verfassungsrechtlichen Vorgaben leerlaufen zu lassen.59 All dies spiegelt sich in der Verfassungssymbolik. Sie hob die Verfassunggebung in das kollektive Bewusstsein und zielte auf die Akzeptanz der neuen Verfassungsordnung sowie bisweilen auch mit Nachdruck auf eine freiheitliche Gestaltung der konstitutionellen Monarchie. 5.2.1 Die Verfassunggebung in der Staatsrepräsentation

In den Jahren 1818/19 wurden in Bayern, Baden60 und Württemberg Verfassungen erlassen, die in ihrem Grundrechtsteil und im staatsorganisatorischen Teil bemerkenswerte Übereinstimmungen aufwiesen. Die Architektur dieser Verfassungen mit dem Zweikammersystem, dem Zensuswahlrecht oder der Gewährung von »Rechten« war in Anlehnung an die Charte constitutionnelle von 1814 entwickelt worden. Diese Abhängigkeit der süddeutschen Verfassungen von dem französischen Vorbild ist selbst in der Symbolik präsent.61 Bei der visuellen Vermittlung der Übergabe der Verfassung an die Ständeversammlung steht die deutsche der französischen Symbolik sehr nahe. Ebenso wie die französischen Medaillen auf die Übergabe der Charte an die beiden Kammern (Abb. 157) oder an die France (Abb. 158) verweisen die entsprechenden bayerischen Medaillen auf den Akt der Verfassunggebung als Geschenk aus souveräner Machtvollkommenheit. Genannt sei etwa die von J. J. Neuss entworfene Medaille auf die Eröffnung der bayerischen Ständeversammlung von 1819 (Abb. 171). Unter dem Motto »Der Tag der Eröffnung der Kammern ist der schönste meines Lebens« überreicht König Maximilian der gekrönten und ihm demütig entgegentretenden Bavaria die Verfassungsurkunde. 286

Verfassungsakzeptanz und Verfassungsreform

Abb. 171  : Silbermedaille von J. J. Neuss auf die erste bayerische Ständeversammlung, 1819

Abb. 172  : Anonym, Medaille auf die Landständische Verfassung Bayerns, 1819

Auf einer weiteren bayerischen Medaille auf die »landständische Verfassung Baierns«, ebenfalls aus Anlass der ersten bayerischen Ständeversammlung am 4. Februar 1819 geprägt, sehen wir den bayerischen König, der unter einem Baldachin vor der Ständeversammlung sitzt (Abb.  172). Die Landstände nehmen als Repräsentanten der Bevölkerung die aus souveränem Recht gegebene Verfassung entgegen, sind aber an der Verfassunggebung nicht beteiligt. Im Spiegelbild dieser und anderer bayerischer Verfassungsmedaillen wird deutlich, dass die vormärzliche Verfas287

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Abb. 173  : Carl Friedrich Heinzmann, König Maximilian Joseph gibt seinem Volke die Verfassungsurkunde 1818, um 1830 (?)

sunggebung nur zu einer Selbstbeschränkung der Souveränität des Fürsten führte, aber nicht von der Volkssouveränität getragen war. Im Münchner Hofgartenzyklus – 16 zwischen 1826 und 1829 in den Hofgartenarkaden geschaffene Wandbilder zur bayerischen Geschichte – wurde im letzten, von Heinrich Maria Dietrich Monten62 gemalten Fresko des Zyklus die Stiftung der Verfassung durch den bayerischen König losgelöst vom tatsächlichen Geschehen dargestellt.63 Die Komposition der Schwurszene legt nahe, dass die neue Verfassung auch von der geistigen Elite eines aufgeklärten Bürgertums mitgeschaffen worden sei. Auf einer von Carl Friedrich Heinzmann nach dem Vorbild dieses Wandbildes gestalteten Lithographie (Abb. 173) übergibt König Max I. Joseph die Verfassungsurkunde dem Kammerpräsidenten und Präsidenten des Staatsrats Graf von Törring, der entscheidenden Anteil an der Ausarbeitung des Verfassungstextes hatte. Dies verbindet sich in bewusster Abweichung vom historischen Geschehen mit dem kollektiven Schwur auf die Verfassung von König, Kronprinz, Ministern und Abgeordneten. Die kollektive Schwurszene lässt keine Überordnung des Königs über die Ständeversammlung, wie auf der Verfassungsmedaille aus Anlass des 288

Verfassungsakzeptanz und Verfassungsreform

Abb. 174  : Medaille auf den württembergischen Verfassungsvertrag vom 25. September 1819

4.  Februar 1819 (Abb.  172), mehr erkennen, er befindet sich vielmehr im Mittelpunkt einer neuen bürgerlichen Öffentlichkeit.64 Mittelbar ist zudem der Kompromiss zwischen Fürsten- und Volkssouveränität angesprochen. Davon abgesehen spiegelt dieses Schlussstück des Münchener Hofgartenzyklus das zur damaligen Zeit weitverbreitete Bewusstsein wider, dass das Königtum die nötigen Reformen nur im Schulterschluss mit dem Bürgertum durchzusetzen vermag. Ein ganz anderes Bild als die bayerischen Verfassungsmedaillen vermittelt die Medaille auf die Verabschiedung der württembergischen Verfassung am 25. September 1819 (Abb. 174). Auf deren Revers sehen wir, wie sich König und Bürger über einem Podest, auf dem die Verfassungsrolle liegt, die Hände reichen. Die Umschrift lautet  : »Furchtlos und treu. Allweg beständig«, unten ist zu lesen  : »Verfassungsvertrag den 25. September 1819«. Damit bekräftigt diese Medaille, dass die württembergische Verfassung eine paktierte Verfassung war, ein Ergebnis politischer Einigung, die erst nach langem Ringen zwischen dem König und der Ständeversammlung zustande kam.65 Hatten doch die Stände in der württembergischen Verfassungsgeschichte eine starke Stellung behaupten können, so dass eine Verfassung nicht oktroyiert werden konnte. Allerdings war der Verfassungspakt, wie die Architektur der süddeutschen Verfassungen insgesamt, nicht unumstritten  : Bei Metternich und den reaktionären Kräften in Wien stieß die paktierte Verfassung Württembergs bis zuletzt auf eine ablehnende Haltung, weil sie im Verfassungspakt das monarchische Prinzip als Grundlage der Restaurationspolitik gefährdet und zudem den Geist der Revolution aufleben sahen. Wenn Verträge ausgehandelt werden, muss man zu bisweilen schmerzlichen Kompromissen bereit sein. Was damals alle dachten, wurde von Ludwig Uhland 289

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

als Abgeordnetem in der Ständeversammlung am 25. September mit viel zitierten Worten auf den Punkt gebracht  : »Der König hat seine Erklärung gegeben, wir geben die unsere. Ich kann ja oder nein sagen, ich sage ja  ! Mancher wird manches vermissen, aber das Wesentliche besteht, vor allem jener Urfels unseres alten Rechts, der Vertrag. Nochmals ja  !«66 Das Übergabezeremoniell entsprach dem Vertragsschluss  : Im Schloss Ludwigsburg übergab der Präsident der Ständeversammlung zunächst dem König das ständische Exemplar der Annahme der Verfassungsurkunde. Kurz darauf erschien der König im Ordenssaal des Schlosses und übergab anlässlich seiner Thronrede den Ständen die feierliche Bestätigung der Verfassung. Auch die zweite Welle der Verfassunggebung im Jahr 1831 war in Akten der Staatsrepräsentation präsent. Statt einer Verfassungssymbolik finden sich auf den zu diesem Anlass geprägten Medaillen meist nur textliche Hinweise auf die Verfassunggebung. So lautet etwa die Inschrift auf der Rückseite einer Zinnmedaille auf die Verfassung von Hessen-Kassel  : »Kurfürst Wilhelm II. hörte den Wunsch seines treuen Volkes d. 15. Septemb. 1830 und gab die Constitution d. 5. Januar 1831«.67 Anlass der Verfassunggebung waren allerdings weniger »treue Wünsche«, sondern vielmehr die revolutionären Unruhen Anfang September, die den Kurfürsten zu einem Verfassungsversprechen zwangen.68 Der auf der Medaille genannte 15. September 1830 war ein denkwürdiger Tag. Er veranlasste den Graphiker Ludwig Emil Grimm, Bruder von Wilhelm und Jacob Grimm, zur Veröffentlichung einer Lithographie, auf der eine Deputation unter dem Kasseler Bürgermeister Carl Schomburg dem Kurfürsten an diesem Tag eine Bittschrift mit der Forderung nach einer Einberufung der Ständeversammlung zur Ausarbeitung einer Verfassung überreicht (Abb. 175).69 All dies spielt sich unter dem Druck einer Volksversammlung vor dem Schloss ab, die durch das Fenster zu sehen ist. Auf dem nach diesem Ereignis einberufenen Landtag konnte Sylvester Jordan, ein liberaler Professor für Staatsrecht in Marburg, als Vorsitzender des Verfassungsausschusses gemeinsam mit einer bürgerlichen Landtagsmehrheit einen sehr liberalen Verfassungskompromiss aushandeln. Anders als es der Text der soeben beschriebenen Medaille darstellt, wurde die kurhessische Verfassung damit nicht aus landesherrlicher Machtvollkommenheit erlassen. Deshalb bestanden wohl bereits bei der Verfassunggebung Zweifel, ob der Kurfürst die ihm abgerungene Verfassung einhalten würde. Jedenfalls beschwor man auf dem Revers einer »Zum Andenken an den Kampf um die Verfassung vom 5ten Januar 1831« geprägten Zinnmedaille vorsichtshalber die Rechtstreue des landesherrlichen Hauses mit den Worten  : »Wie Landgraf Philipp hielt den Eid trotz Kerkerhaft in schwerer Zeit, so fest hält Hessens neu Geschlecht an dem beschworenen Landesrecht«.70 Während in Hessen die zuletzt genannte Medaille an den Verfassungseid als Grund konstitutioneller Bindung anknüpfte, spricht ein Bronzejeton auf die Inkraft290

Verfassungsakzeptanz und Verfassungsreform

Abb. 175  : Ludwig Emil Grimm, Eine Deputation unter dem Kasseler Bürgermeister Carl Schomburg überreich dem Kurfürsten Wilhelm II. am 15. September 1830 eine Bittschrift

setzung der sächsischen Verfassung vom »Vertrag zwischen Fürst und Volk Dresden am 4.  September 1831«.71 Ein auf dieses Ereignis gemünzter Silbertaler zeigt eine Schriftrolle in einem Eichen- und Lorbeerkranz mit der Inschrift  : »Am 4. September 1831 vereinten sich [die auf der Vorderseite abgebildeten Anton König und Friedrich August Mitregent] mit den getreuen Ständen zu neuer Verfassung des Staates.«72 Insgesamt gesehen war die Verfassunggebung im Vormärz von einer recht umfänglichen Staatsrepräsentation begleitet. In ihr zeichnete sich die Entwicklung ab, dass die Verfassunggebung nicht mehr aus monarchischer Machtvollkommenheit erfolgen könne, sondern ein Schulterschluss mit dem Bürgertum erforderlich sei. In den deutschen Ländern, in denen es zu keiner Verfassunggebung kam, fehlte es an kritischer Graphik, die eine Verfassunggebung angemahnt hätte. Dies gilt etwa für Preußen, wo das Verfassungsversprechen des Königs von 1815 nicht eingelöst wurde. Erst 1847 konnte eine Karikatur an diese verfassungspolitische Rückständigkeit erinnern.73 Die vormärzliche Zensur hat stärker noch als im Frankreich des Bürgerkönigtums die kritische Welt der Bilder und Symbole in enge Schranken verwiesen. 5.2.2 Zur Propagierung des vormärzlichen Konstitutionalismus

Seit den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde die Verfassung zu einem Element der offiziellen politischen Symbolik. Auf Münzen und Medaillen ebenso wie auf 291

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Abb. 176  : Bayerischer Verfassungstaler von 1818

dem Landesherrn gewidmeten Denkmälern und bei Gedenkfeiern aus Anlass der Verfassunggebung wurde der Landesverfassungen als neuer Form politischer Ordnung gedacht. In der Staatsrepräsentation waren der Landesherr und seine Verfassung untrennbar vereint. Bayern war der erste Staat,74 der 1818 die Verfassung auf Talern und damit auf dem Umlaufgeld symbolisierte (Abb.  176),75 um sie zum Bezugspunkt des kollektiven Bewusstseins werden zu lassen.76 Die Verfassung erschien als festgefügter Würfel, der auf einem rautenüberzogenen Boden ruht, was eine besondere Gewichtigkeit der bayerischen Verfassung für Politik und Recht versprach. Diese Kubus-Symbolik wurde auch in Denkmälern aufgegriffen, die dem Verfassunggeber Max I. Joseph von Bayern gewidmet waren.77 Derartige Monumente wurden etwa in Passau, Freising und Amberg errichtet.78 Demgegenüber gab das nach langen Vorarbeiten 1835 in München vollendete Max-Joseph-Denkmal der Verfassungssymbolik eine andere Stoßrichtung. Das auf die Verfassunggebung bezogene Relief am Sockel des Denkmals zeigt den König, wie er der vor ihm knienden Bavaria die Verfassungsrolle überreicht (Abb.  177)  ;79 hinter ihr stehen die drei Stände Bauer, Bürger und Edelmann, in altdeutscher Manier dargestellt. Dem zeitgenössischen Betrachter dieser Symbolik musste ihr Anachronismus auffallen, sah doch die bayerische Verfassung keine Dreiständegesellschaft vor. Die restaurativen Tendenzen der 1830er Jahre suchten, wie es hier offensichtlich wird, auch in der Staatsrepräsentation mit nicht zu übertreffender Deutlichkeit an Formen monarchisch-ständischer Legitimität und damit an vorverfassungsmäßige Zustände anzuknüpfen. Andernorts fanden die neuen Verfassungen ebenfalls nicht den ihnen gebührenden Platz in der Denkmalkultur. In Hessen-Darmstadt hatte Großherzog Lud292

Verfassungsakzeptanz und Verfassungsreform

Abb. 177  : Christian Daniel Rauch, Gussmodell für das Relief zur Verfassungsübergabe am Max-JosephDenkmal in München, 1835

wig I. von Hessen und bei Rhein 1820 eine Verfassung erlassen. Einige Jahre nach dessen Tod wurde aus Kreisen der Darmstädter Bürgerschaft angeregt, Ludwig als Reformer mit einem Denkmal zu ehren.80 Daneben sollte mit dem Monument zugleich die Verfassung gewürdigt werden. Der Aspekt der Verfassunggebung fand in den ersten Entwürfen für das Denkmal auch einen recht deutlichen Ausdruck. Angesichts der restaurativen Politik des amtierenden Großherzogs Ludwig  II. war es am Ende allerdings unmöglich, das Monument für alle sichtbar mit der hessischen Verfassunggebung zu verbinden. So stellte der letztlich zur Ausführung gelangte Entwurf des Denkmals nicht die Verfassung in den Mittelpunkt, sondern den Landesherrn  : Der Großherzog ist in Gestalt einer mächtigen Statue verewigt, während die Verfassung lediglich in Form einer kleinen Schriftrolle in dessen rechter Hand zu Ehren kommt (Abb. 178). Darüber hinaus wurde der Fürst sinnbildlich hoch über sein Volk erhoben,81 indem man seine Statue auf eine fast 34 Meter hohe Säule stellte. Das hatte zur Folge, dass die Verfassungsurkunde vom unten stehenden Betrachter kaum mehr erkannt werden konnte.82 Dies mag als Sinnbild für die vormärzliche Verfassungsentwicklung in einigen Staaten gelten  : Die Verfassung ist noch existent, aber im politischen Leben nicht mehr sichtbar. Ähnliche Tendenzen wie bei der Errichtung des Darmstädter Denkmals zeigten sich in Baden bei der Schaffung eines Monuments, das die Verfassung und den Verfassunggeber würdigen sollte. Hier wurde im Dezember 1818 gleich nach dem Tod von Großherzog Karl, der wenige Monate zuvor die erste badische Verfassung 293

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Abb. 178  : Ludwig Schwanthaler, Statue von Großherzog Ludwig I. auf dem Ludwigsdenkmal in Darmstadt, 1844 eingeweiht

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Verfassungsakzeptanz und Verfassungsreform

in Kraft gesetzt hatte, für den Karlsruher Rondellplatz ein »Obelisk als Verfassungsdenkmal für Großherzog Karl« in Auftrag gegeben.83 Unter der Regentschaft des verfassungskritischen Großherzogs Ludwig wurde dann aber nur ein Großherzog Karl-Denkmal84 verwirklicht, das jeglichen Verfassungsbezug entbehrte. Erst in den 1830er Jahren, nach dem Ableben des konstitutionsfeindlichen Großherzogs Ludwig, konnte unter seinem verfassungsfreundlichen Nachfolger Leopold der Sockel des Obelisken mit der Inschrift »Dem Gründer der Verfassung. Die dankbare Stadt Carlsruhe« versehen werden. Die bislang dargestellten Denkmäler feierten in erster Linie den Landesherrn und thematisierten die Verfassung nur nachrangig.85 Neben derartigen Monumenten wurden im Vormärz aber auch Denkmäler errichtet, die der Verfassung oder der Verfassunggebung selbst gewidmet waren. Diese Abb. 179  : Carl Heinzmann, Lithographie der Konstitutionssäule zu Gaibach, o. J. verdankten ihre Existenz dem Engagement liberal gesinnter Persönlichkeiten. In Bayern war es der dem bayerischen Konstitutionalismus verbundene Franz Graf von Schönborn,86 der dem Land zu einem Verfassungsdenkmal verhalf. Nachdem der 26.  Mai 1818 als Tag der Verkündung der bayerischen Verfassung von der ersten Kammer der Ständeversammlung entgegen anderslautender Forderungen nicht zum Nationalfeiertag erklärt worden war, beschloss der Graf von Schönborn, in seinem Gaibacher Schloss einen Konstitutionssaal87 einzurichten. Zudem beauftragte er Leo von Klenze, den Hofarchitekten des bayerischen Königs und einen der bedeutendsten Vertreter des Klassizismus, eine Verfassungssäule zu entwerfen (Abb. 179). Ziel war die Etablierung eines Verfassungskults in Bayern, der vom Königshaus, vom Adel, vom Bürgertum, kurz von allen getragen werden sollte.88 Beim feierlichen Akt der Grundsteinlegung am dritten Jahrestag der bayerischen Verfassung waren der dem Konstitutionalismus gegenüber aufgeschlossene Kronprinz Ludwig, zahlreiche Mitglieder der beiden Ständekammern sowie die Spitzen der Verwaltung anwesend. Die Bauarbeiten nahmen viel Zeit in Anspruch. Zur Einweihung der Verfassungssäule kamen 1828 neben Ludwig, nunmehr König von Bayern, wiederum Reichsräte  – wie die Mitglieder der ersten Ständekammer hießen  – und Abgeordnete der zweiten Kammer sowie angeblich etwa 30.000 »Untertanen«.89 In einer ergreifenden Zeremonie dankte der dem Grafen von Schönborn freundschaftlich verbundene König mit den Worten  : »Schönborn 295

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Abb. 180  : Bayerischer Geschichtstaler mit Verfassungssäule, 1828

selbst ist eine Säule der Verfassung, eine unerschütterbare, die auf Vaterlandsliebe, auf Anhänglichkeit an den König gegründet ist.«90 1831 wurde die Verfassungssäule auf einem Geschichtstaler und damit im Umlaufgeld verewigt (Abb. 180).91 König Ludwig I. übersandte dem Grafen Schönborn ein Exemplar dieses Geschichtstalers mit den folgenden Worten  : »Ich beeile mich, den ersten geprägten, die Verfassungssäule darstellenden Taler ihrem edlen Errichter zuzustellen. Ein inniger Verfassungsfreund schickt ihn einem anderen.«92 Derweil fanden an der Gaibacher Verfassungssäule weiterhin Verfassungsfeiern statt. Diese waren unspektakulär, bis 1832 der Erste Bürgermeister von Würzburg, Wilhelm Josef Behr, als Festredner auftrat.93 Behr hatte bereits 1804 sein »System der allgemeinen Staatslehre«, das im Wesentlichen auf den Theorien von Immanuel Kant und Johann Gottlieb Fichte beruhte, publiziert und sich als Liberaler profiliert. Wegen seiner liberalen Einstellung war er in den frühen 1820er Jahren als Professor der Würzburger Universität bespitzelt und später vorzeitig zur Ruhe gesetzt worden. Zudem wurde ihm sowohl unter König Maximilian  I. Joseph als auch unter König Ludwig  I. die Teilnahme an den Tagungen der Ständeversammlung als Vertreter der unterfränkischen Städte verweigert. Als Redner auf der Gaibacher Verfassungsfeier blickte er auf das am gleichen Tag beginnende Hambacher Fest und auf andere oppositionelle Aktivitäten94 des politisch unruhigen Jahres 1832. Behr forderte »vehement eine Fortentwicklung der Verfassung von 296

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1818 [und] kritisierte die herrschenden politischen Zustände in Bayern [sowie] vor allem den Regierungsstil König Ludwigs«95. Er verlangte eine Revision der bayerischen Verfassung, die als Vertrag zwischen Fürst und Volk zustande kommen sollte, und wurde daraufhin von begeisterten Zuhörern auf Schultern um die Konstitutionssäule getragen. Danach löste sich das Fest friedlich auf. Für Behr sollte sich sein Auftreten in Gaibach allerdings noch negativ auswirken  : Als gegen den im Laufe des Jahres mehrfach unliebsam aufgefallenen Oppositionellen Ende 1832 ein Verfahren wegen hoch- und staatsverräterischer Umtriebe und Majestätsbeleidigung eingeleitet wurde, stützte man die Anklage auch auf die Vorgänge in Gaibach.96 Am Ende wurde Behr, nach mehr als drei Jahren Untersuchungshaft, u. a. auf Grund der Gaibacher Rede wegen versuchten Hochverrats und Majestätsbeleidigung zu Festungshaft auf unbestimmte Abb. 181  : Ansichtskarte von ca. 1900 mit der Zeit verurteilt,97 von der er über drei Jahre auf der Verfassungssäule auf dem Schutterlindenberg in Lahr, 1843 Festung Oberhaus bei Passau verbüßte.98 Beim bayerischen König Ludwig  I. hatte sich unterdessen ein merklicher Gesinnungswandel vollzogen. Unter dem Eindruck der Julirevolution in Frankreich und des Hambacher Festes ließ er seine Politik nach 1830 nicht mehr von seinen einstmals liberalen politischen Ansichten leiten. Darunter litt auch Ludwigs Verhältnis zur Verfassung, von der er sich nunmehr gefesselt fühlte.99 So verwundert es nicht, dass er, als er ungeachtet der mittlerweile abgekühlten Beziehung zum Grafen Schönborn im August 1836 das Gaibacher Schloss besuchte, in sein Tagebuch notierte  : »In Gaibach ging ich den vollendeten Konstitutionssaal zu betrachten in Schönborns Schloss. C’est une chose manqué, das ist eine verlorene Sache, kann von diesem Saal gesagt werden – wie von unserer Verfassung selbst.«100 Die einstmalige Verfassungsbegeisterung Ludwigs I. war vorbei, der bayerische König war auf Distanz zum Verfassungspatriotismus seines ehemaligen Freundes Graf von Schönborn gegangen. Der vormals enthusiastisch begrüßte Gaibacher Verfassungskult war nun schlichtweg gescheitert. So kam es, dass die konstitutionelle Monarchie keinen Platz mehr in der bayerischen Staatsrepräsentation hatte. War es in Bayern die Initiative eines einzelnen Mannes, die zur Schaffung eines Verfassungsmonuments führte, so war es in Baden die liberal gesinnte Bürgerschaft der oberrheinischen Gemeinde Lahr, die die Verfassunggebung des Jahres 297

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

1818 mit einem Denkmal würdigte (Abb. 181). Der Anlass seiner Errichtung war der 25.  Jahrestag des Inkrafttretens der badischen Verfassung. Dieses Jubiläum wurde im August 1843 mit einem von den oppositionellen Liberalen ins Leben gerufenen, dezentral gefeierten Verfassungsfest begangen, an dem insgesamt mehr als 100.000 Menschen im ganzen Land teilgenommen haben sollen.101 Das Fest war seiner Entstehung und Programmatik nach eine liberale Veranstaltung mit privatem Charakter ohne staatliche Mitwirkung.102 Der Ablauf war in den feiernden Gemeinden jeweils ähnlich und bestand aus Gottesdiensten, Festmählern, Ansprachen, Volksbelustigungen und Umzügen, bei denen ein Prachtexemplar der Verfassungsurkunde auf einem Samtkissen durch die Stadt getragen wurde.103 Bisweilen wurde die Verfassungsurkunde sogar auf einen besonderen Altar der Kirche gelegt, wo der Festgottesdienst stattfand.104 Diese Verbindung von politischer und religiöser Symbolik war für die damalige Bevölkerung offenbar selbstverständlich. Eine solche Instrumentalisierung der Religion, um den Verfassungskonsens zu stabilisieren, war zudem von obersten kirchlichen Stellen genehmigt. In einigen Orten wurden für die Verfassungsfeier auch Festsäulen, Pyramiden oder Obelisken geschaffen, die allerdings nur temporärer Natur waren.105 Lediglich das auf dem Schutterlindenberg errichtete Lahrer Denkmal hatte einen dauerhaften Charakter.106 Es wurde am Vorabend des eigentlichen Verfassungsfestes im Beisein einer »gewaltigen Menschenmasse«107 mit Musik, Gesang, bengalischen Feuern und mehreren Festreden eingeweiht.108 Von den anderen hier gewürdigten Verfassungsdenkmälern unterscheidet sich die Lahrer Verfassungssäule durch ihre Einfachheit. Das bürgerschaftliche Engagement dieser liberal geprägten badischen Kleinstadt konnte das Fehlen besonderer künstlerischer oder architektonischer Gestaltung aufwiegen. Die Festredner, wie etwa der Rechtsanwalt Johannes Hofer, der sich später auf die Seite Heckers stellen sollte und nach der Revolution für einige Jahre nach Amerika emigrierte, oder der republikanisch gesinnte Wilhelm Schubert, forderten eindringlich, die badische Verfassung mit Leben zu erfüllen, mahnten zugleich aber auch weitere Reformen wie die Einführung der Ministerverantwortlichkeit, Garantien für die Pressefreiheit oder die Verbesserung der Unabhängigkeit der Justiz an.109 So mag die Lahrer Verfassungssäule mit den Festlichkeiten aus Anlass der Verfassungsfeier für jene Auf bruchsstimmung stehen, die vor der Revolution von 1848 bereits die gesamte politische Öffentlichkeit in Baden beherrschte. 5.2.3 Kritik an der Entwicklung der konstitutionellen Monarchie

Anders als in Frankreich gab es in Deutschland keine umfänglichere politische Graphik, die vehement die Restaurationspolitik in Frage stellte.110 Die Zensur mag hier, wie vielfach behauptet, manches verhindert haben. Entscheidender dürfte wohl 298

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sein, dass die große Streitfrage im 19.  Jahrhundert, ob die Volks- oder die Fürstensouveränität die Grundlage der politischen Ordnung bilden sollte, in der konstitutionellen Monarchie in Kompromissform gelöst war. In wichtigen politischen Bereichen war die Verantwortung für die Politik zwischen dem Monarchen mit seinem Ministerium und der politischen Repräsentation in der Ständeversammlung geteilt. Der Staatshaushalt konnte ebenso wie neue Gesetze, die in Eigentum und Freiheit eingriffen, nur im Einvernehmen mit der Ständerversammlung erlassen werden, wobei immer wieder darum gestritten wurde, wie weit dieser Einvernehmensvorbehalt reichte. Dieses System war im Vormärz befriedend, weil politische Veränderungen nur im Schulterschluss zwischen Monarchie und bürgerlich dominierter zweiter Kammer der Ständeversammlung realisiert werden konnten. Die Reaktion, allen voran Fürst Metternich, lehnte dieses Modell einer konstitutionellen Monarchie ab. Ihre Sicht auf die Gefahren einer konstitutionellen Monarchie schilderte Johann Michael Voltz, einer der viel gefragten Illustratoren und Karikaturisten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in seiner Graphik »Der Zeitgeist« von 1819 (Abb. 182).111 Mit dem Titel »Zeitgeist« verwies Voltz auf eine damals häufig gebrauchte Metapher,112 um die großen Linien der historischen Entwicklung zu erfassen. So war für die Hegelianer der Zeitgeist ein überindividueller Geist, dem sich der Einzelne nicht entziehen kann. Andere sahen im Zeitgeist jenes bestimmende Element, dem Gesetzgebung und Recht folgen müssen.113 Von konservativer Seite, etwa von dem preußischen Staatsmann und Metternich-Parteigänger Johann Ancillon, wurden die »Irrwege« des Zeitgeistes beklagt  ; von der Regierung forderte man daher, den Zeitgeist zu beherrschen und zu veredeln.114 Voltz setzte derartige konservativreaktionäre Sichtweisen auf den Zeitgeist graphisch mittels eines grimmigen Teufels um, der mit einer Jakobinermütze auf dem Kopf, einer Pistole am Hosenbund und einem erhobenen Dolch in der rechten Hand über die Weltkugel mit dem von Rhein und Weichsel begrenzten Deutschland hinwegschreitet, was eine sich global vollziehende Entwicklung andeuten soll. In der linken Hand hält er einen mit Eichenlaub verzierten Morgenstern, an dem eine wehende rote Fahne angebracht ist. Die Aufschriften »Universitäten« und »Pressefreiheit« bringen den diabolischen Zeitgeist in Kampfstellung gegen die restriktiven Maßnahmen der Karlsbader Beschlüsse vom August und September 1819. Zudem wird auf die Regelung des Art.  13 der Bundesakte verwiesen, die bestimmte  : »In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden.« Wie »landständische Verfassung« in Art. 13 der Bundesakte richtigerweise zu interpretieren sei, war in der damaligen staatswissenschaftlichen Literatur eine der großen Zukunftsfragen.115 War dies für die Reaktion eine altständische Verfassung und damit eine Beschränkung der einzelstaatlichen Verfassunggebung, so stritt der »Zeitgeist« für eine Repräsentativverfassung nach französischem Vorbild. 299

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Abb. 182  : Johann Michael Voltz, Der Zeitgeist, 1819

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Die Botschaft dieser Karikatur bleibt ambivalent  :116 Ist es die kritische Sicht der Reaktion auf die gewaltige und gewaltsame Kraft des liberalen Zeitgeistes, der Freiheit und demokratische Mitbestimmung einfordert  ? Oder ist es gar die Karikatur der Vorstellungen, die die Reaktion mit dem Zeitgeist verbindet  ?117 Die Graphik könnte aber auch die Vorausahnung eines sensiblen Künstlers wiedergeben, dass die liberalen Errungenschaften nur mit Gewalt durchzusetzen sind, was aber grundsätzlich zu missbilligen sei.118 Die Spannung dieses Blattes liegt gerade darin, dass der Künstler dem Betrachter die Deutung seines Werkes überlässt. Trotz mancher Vorahnungen gewaltsamer politischer Auseinandersetzungen stieß das Ordnungsmodell der konstitutionellen Monarchie im Vormärz auf weitgehende Akzeptanz. Die konstitutionellen Verfassungen entfalteten normative Kraft, sie bestimmten das Verfahren politischer Gestaltung. Die Auslegungsfrage blieb allerdings offen  : Welche normativen Vorgaben lassen sich dem Verfassungsrecht im Einzelnen entnehmen  ? An einer Verfassungsgerichtsbarkeit, die verbindliche Antworten hätte geben können, fehlte es. So wurde diese Auslegungsfrage Gegenstand teils heftiger politischer Auseinandersetzungen. Stein des Anstoßes war die Verfassungswirklichkeit, die nach Ansicht der Liberalen in wesentlichen Punkten nicht mit Buchstabe und Geist der Verfassungen in Einklang stand. In den vormärzlichen politischen Auseinandersetzungen verweigerte eine reformorientierte Mehrheit in den zweiten Kammern der Landtage oftmals die Zustimmung zu wichtigen Gesetzen, was zur Auflösung der Kammer und Neuwahlen führen konnte. Bei den Debatten in den zweiten Kammern galt zudem stets als Leitlinie, die den Bürgern in den Verfassungen gewährten Rechte im Wege der Gesetzgebung durchzusetzen. Modern gesprochen ging es um die Verbesserung des Grundrechtsschutzes durch Gesetzgebung. Gelegentlich wurden die in derartigen Debatten hervortretenden Personen auch in Bildmedien gewürdigt. Ein Beispiel ist der heute zu Unrecht vergessene Johann Adam von Itzstein, der in der badischen zweiten Kammer zu den führenden Liberalen gehörte. Er tat sich bereits in den frühen 1820er Jahren als Wortführer jener radikaleren Mitglieder der zweiten Kammer hervor, die damals die Zustimmung zum Militärbudget verweigerten.119 Darüber hinaus setzte er sich immer wieder nachdrücklich für die Durchsetzung der Freiheitsrechte ein.120 Mit seinem politischen Wirken gehörte er unumstritten zu den Gallionsfiguren der Vertreter der radikaleren Strömung des vormärzlichen Liberalismus. Zu den zahlreichen Ehrungen, die ihm zuteilwurden, gehörte eine Medaille aus dem Jahr 1842 (Abb. 183). Auf deren Vorderseite wird er als Vertreter der Volksrechte bezeichnet, was an seinen Einsatz in der zweiten Kammer für Freiheit und Gleichheit 121 sowie für die Stärkung ihrer politischen Rolle anknüpft. Auf der Rückseite sieht man eine stehende Frau, die mit einem Schild den Altar des Vaterlandes schützt, auf dem eine Verfassungsrolle liegt. Dies verweist auf von Itzstein als Beschützer der Ver301

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Abb. 183  : Christen Christensen, Medaille auf Adam von Itzstein, 1844

fassung und würdigt sein Engagement für die Verwirklichung der vormärzlichen Verfassungsordnung. Der Prägung dieser Medaille ging ein Aufruf liberaler Bürger aus Mannheim voraus, in dem um Spenden für eine Medaille zu Ehren von Itzsteins gebeten wurde.122 Die Ausführung wurde dem dänischen Künstler Christen Christensen übertragen. Überreicht wurde die Medaille anlässlich des sogenannten ItzsteinFestes am 22. September 1844 in Mannheim. Im Rahmen des Festaktes mit etwa 500 Personen übergab Friedrich Hecker die Medaille an von Itzstein, die Festredner rühmten ihn als den erfolgreichen Führer der Opposition in der zweiten Kammer und wegen seiner Verdienste »für die Verfassung und die Rechte des Volkes«123. Der liberale Zeitgeist der 1820er/30er Jahre verlangte zudem u. a. nach einer Verantwortlichkeit der Minister gegenüber den Kammern, der Durchsetzung der Pressefreiheit und der noch nicht realisierten bürgerlichen Gleichheit. Einige dieser Forderungen sind Thema einer kolorierten Lithographie von 1831/32 (Abb. 184).124 Schon ihr Titel »Der Sieg des Bürgertums oder der Kampf der neuen mit der alten Zeit« verweist auf die Zeitenwende, auf den Umbruch von der feudalen und ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft und auf den damit verbundenen Umbruch in der Verfassungs- und Rechtsordnung.125 Auf der linken Bildseite findet sich, aus den Wolken der Finsternis hervortretend, das Schreckensszenario der alten Zeit  : die Zwingburg von »Feudalherrschaft« und »Inquisition«, Adel, Militär und Geistlichkeit als deren Repräsentanten sowie einige blutig unterworfene Bürger, aber auch ein niedergestreckter Soldat. Auf Bändern wird das System der alten Zeit diskreditiert  : Militärischer Despotismus, brutale Gewalt, Sinekuren, Orden, Soupers, Pressezwang und Fanatismus, um nur einige der Kritikpunkte zu nennen. In der Bildmitte führt eine mit Rossen be302

Verfassungsakzeptanz und Verfassungsreform

Abb. 184  :  Anonym, Der Sieg des Bürgertums oder der Kampf der neuen mit der alten Zeit, 1831/32

spannte Staatskarosse die Fürsten aus dem Gefängnis der alten Zeit, wobei deren Repräsentanten das Gefährt zurückzuziehen versuchen. Ein geflügelter Genius, der Zeitgeist, verhindert mit vier Steinen das Zurückrollen des Wagens. Auf ihnen sieht man die Initialen, die auf Protagonisten der Freiheitsbewegung – Karl von Rotteck, Sylvester Jordan, Karl Theodor Welcker und Friedrich von Raumer – verweisen. Der gekrönte Wagenlenker, ein Jüngling mit Bürgerkrone126 oder ein fortschrittlich gesinnter Monarch, trägt eine Standarte, die mit ihrer Aufschrift »Verf.Urk, Gleichh. d. Abgab, Gleichh. d. Rechte, fr. Entw. aller Volkskraft« von der neuen Zeit kündet. Auf den Zügeln der Rosse vor der Staatskarosse steht  : »Geschwor.Gericht, Volksvertretung, Pressefreiheit, Bürgerbewaffnung«. Die Reise führt zum »Dom des wahren Christentums«, was die neue Ordnung religiös überhöht. Dies wird unterstrichen durch die Gestik von Christus, der in der oberen Bildmitte den Weg zu dem Dom weist. Er steht in den Strahlen eines Wolkenkranzes und hat Helden vergangener Zeiten um sich geschart, u. a. der als erster »deutscher« Kaiser geltende Heinrich I., der religiöse Neuerer Martin Luther sowie Kaiser Joseph II., der für die Aufklärung steht. Der »Tempel des Heils und des Friedens«, am rechten Bildrand das Ziel der beschwerlichen Reise, ruht auf drei Säulen  : »Gesetz, Gerechtigkeit, Vertrauen zwischen Fürst und … [Volk   ?]«. 303

Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

Diese Lithographie verfolgte offensichtlich edukatorische Zwecke und diente mit ihrer Antithese von Zwingburg und Tempel des Heils möglicherweise der Volksaufklärung.127 Der Despotismus des ständischen Systems und seine Zwingherrschaft werden ebenso wie die Freiheit einer neuen bürgerlichen Gesellschaft sowohl begrifflich als auch visuell vermittelt. Die religiöse Überhöhung in der Bildmitte suggeriert, dass die neue Gesellschaftsordnung gottgewollt sei  – und damit am Sieg des Bürgertums nicht gezweifelt werden könne. Die Symbolik des christlichen Domes und des antiken Tempels verweisen auf die Wurzeln des christlichen Abendlandes in der Antike und zugleich auf das Erstarken einer neuen theonomen politischen Ordnung, also letztlich auf eine liberale Verfassung von Gottes Gnaden. 5.3 Die französische und deutsche vormärzliche Bildpublizistik im Vergleich Zwischen französischer und deutscher vormärzlicher, an Freiheit und Verfassung orientierter Bildpublizistik gibt es manche Gemeinsamkeiten, aber auch deutliche Unterschiede. In beiden Ländern bemühte man sich zu Beginn der Restaurationsepoche, Akzeptanz in der Bevölkerung für das neue Verfassungsrecht zu stiften. Dies fiel zunächst nicht schwer. Mit der Freiheits- und Verfassungssymbolik wurde jenes in das politisch-rechtliche Bewusstsein gehoben, was der Zeitgeist aus Sicht eines der einflussreichen liberalen Hochschullehrer und Staatsbeamten ohnehin erstrebte  : »Verfassung, öffentliche Freiheit, Anerkennung und Schutz der Rechte des Menschen und des Bürgers, Anteil des Volkes an den gesetzlichen Anordnungen …«128 Verfassungspolitisch gingen jedoch die Wege auseinander. Das deutsche Verfassungsdenken im 19. Jahrhundert blieb »auf den Monarchen bezogen. Das Freiheits-, Fortschritts- und Menschheitspathos westlichen Denkens« ist hier kaum anzutreffen.129 Dem entspricht die verfassungspolitische Symbolik in der vormärzlichen Bildpublizistik. Sie befasst sich mit den Oppositionsmöglichkeiten, die die Verfassungen gestatten, mit den Forderungen verfassungspolitischer Reform, eine wirklich systemkritische oder gar emanzipatorische Bildpublizistik entwickelte sich jedoch nicht. Eine typisch deutsche Akzeptanz der konstitutionellen Monarchie, fokussiert auf das jeweilige Herrscherhaus, stand einer Bildpublizistik entgegen, die, wie etwa in Frankreich, die Monarchie zu delegitimieren versuchte und auf eine republikanische Staatsform drang. Anders als in Frankreich suchte die liberale Bewegung in Deutschland die konstitutionelle Monarchie zu reformieren.130 So war es nicht allein die Zensur, sondern eine weitverbreitete Akzeptanz der konstitutionellen Monarchie, die der deutschen Bildpublizistik jene Geschlif304

Die französische und deutsche vormärzliche Bildpublizistik

fenheit, Innovationskraft und Schärfe nahm, die eine wirklich kritische politische Graphik auszeichnen. Anders als in Deutschland kämpfte die Oppositionsbewegung in Frankreich ausgiebig mit der Waffe der Bildpublizistik, um ihre Forderungen durchzusetzen. Am Beginn der Julirevolution von 1830 stand die auch in Bildsatiren sichtbar gemachte Forderung, die Charte constitutionnelle in Zukunft einzuhalten und in wichtigen Punkten zu liberalisieren. Die Revolution war zwar siegreich, die Politik der politischen Mitte des Bürgerkönigs Louis Philippe und seiner Minister wurde von vielen aber als Verrat an der Revolution angesehen. Vor allem die Verfechter einer republikanischen Neuordnung fanden mit den Satirezeitschriften zu neuen Formen einer kämpferischen Freiheitssymbolik. Zunächst in Frankreich seit 1830, zu Ende der 1840er Jahre auch in Deutschland entstanden neue satirische Zeitschriften, die die Verfassungszustände in Karikaturen mit erheblicher Symbolkraft und ebensolcher Öffentlichkeitswirksamkeit geißelten. Dabei gab es erhebliche Unterschiede in der französischen und deutschen politischen Publizistik. In Frankreich entwickelte sich seit 1830 trotz aller Zensur eine Presse, die für republikanische Ideale eintrat. In Deutschland dagegen wurden erst 1844 die »Fliegenden Blätter« in München, 1847 die »Düsseldorfer Monatshefte« und 1848 der »Kladderadatsch« in Berlin gegründet. Auch im Vergleich der französischen und deutschen Satiremagazine131 fehlte es in Deutschland an einer politischen Publizistik, die in ihrer politischen Symbolik aggressiv den Weg in eine Republik anmahnte.

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6. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49 Die in Frankreich und Deutschland 1848 fast zeitgleichen revolutionären Ereignisse hatten nur wenig gemeinsam  : In beiden Ländern wurde das allgemeine Wahlrecht durchgesetzt, das in Deutschland allerdings erst 1866 im Norddeutschen Bund und dann im Deutschen Reich von 1871 Realität werden sollte. Auch war beiden Revolutionen gemeinsam, dass sie scheiterten. Damit beginnen bereits die Unterschiede  : In Deutschland war die Paulskirchenverfassung ein zukunftsweisendes Modell für eine freiheitliche, demokratische und föderale Ordnung  ; trotz ihres Scheiterns hatte sie einen wesentlichen Einfluss auf die Verfassunggebung im 20.  Jahrhundert. In Frankreich brachte die Verfassung von 1848 gegenüber den Verfassungen der 1790er Jahre kaum Neues. Sie fand, auch wegen ihres Scheiterns, in der historischen Forschung nur geringes Interesse. Im kollektiven Bewusstsein ist sie kaum präsent. Darüber hinaus waren die Stoßrichtungen beider Revolutionen konträr  : In Deutschland ging es um die politische Einheit und die Durchsetzung der Forderungen des liberalen Bürgertums. Zu den rasch erstrittenen Märzforderungen gehörten u. a. Meinungs- und Pressefreiheit, Wahlrechtsreform, Abschaffung der Vorrechte des Adels, Volksbewaffnung und Vereidigung des Heeres auf die Verfassung.1 Eine Verbesserung der Meinungs- und Pressefreiheit sowie Wahlrechtsfragen standen zwar auch in Frankreich auf der politischen Agenda, dort polarisierten aber, anders als in Deutschland, zusätzlich sozialistische und radikaldemokratische Ideen die verfassungspolitischen Diskussionen.2 All dies führte dazu, dass die französische und die deutsche Freiheits- und Verfassungssymbolik ebenso wie die politische Bildsatire und Karikatur in den beiden Revolutionsjahren unterschiedlich ausgerichtet waren. Dazu kam der unterschiedliche politische Erfahrungshorizont in Frankreich und in Deutschland  : Wurde in Frankreich sowohl in der Verfassungspolitik als auch in der Symbolsprache oftmals auf die 1790er Jahre zurückgegriffen, so galt es in Deutschland, erstmalig eine freiheitliche und nationalstaatliche Verfassunggebung symbolisch zu vermitteln und kritisch zu begleiten. 6.1 Der Kampf um die Republik in Frankreich 6.1.1 Die große Streitfrage  : eine gemäßigte oder eine radikale Republik  ?

Die revolutionären Ereignisse in Frankreich wurden durch eine kämpferische, die politischen Gegensätze kontrastierende Freiheits- und Verfassungssymbolik be307

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

gleitet und vorangetrieben. 1848 war – mit allerdings deutlichen regionalen Unterschieden – jeder zweite Franzose noch Analphabet, so dass die politische Symbolik nach wie vor einen erheblichen Einfluss auf das kollektive politisch-rechtliche Bewusstsein ausüben konnte.3 So erfolgte denn auch ein Großteil der politischen Propaganda über das Medium der Bildpublizistik. Der politischen Graphik ging es fast durchweg um die Mobilisierung der Anhänger einer eher bürgerlichen oder einer sozialreformerischen bzw. sozialistischen Republik. Die bildpublizistische Vermittlung bürgerlich-gemäßigter oder republikanisch-sozialistischer Forderungen erfolgte in dem Wissen, dass von der Symbolsprache der entsprechenden Graphiken eine mobilisierende Kraft ausging.4 Die in der Restaurationsepoche unterdrückten und nun eingeforderten republikanischen Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verbanden sich mit Symbolisierungen, die die Französische Revolution hervorgebracht hatte  : die phrygische Mütze als Inbegriff der Freiheit und die Setzwaage als Zeichen der Gleichheit,5 der Händedruck als Zeichen der Brüderlichkeit 6 und der auf Medaillen häufig als Motiv auftretende Freiheitsbaum7 als Sinnbild einer freiheitlichen und demokratischen Ordnung. Besonders ein Sinnbild war seit dem 22.  Februar 1848, dem Beginn der revolutionären Ereignisse, allseits präsent  : die Liberté mit ihrem traditionellen Attribut, der Freiheitsmütze.8 Sie stand nunmehr für die neue republikanische Ordnung, wie sich in einer Lithographie des Karikaturisten Honoré Daumier zeigt. Dieser hatte die Ausrufung der Zweiten Republik am 24. Februar 1848 zum Anlass genommen, sich der Republiksymbolik anzunehmen. Seine Graphik mit dem Titel »Letzte Sitzung der Ex-Minister« (Abb. 185) erschien am 9. März 1848 in der satirischen Zeitschrift »Charivari«. Das Bild wird von einer Personifikation der Republik beherrscht, die in wallendem Gewand und in majestätischer Haltung als Lichtgestalt in das Dunkel der Amtsstube tritt und das Kabinett der Minister 9 in eine stürmische Flucht treibt. Die Frauengestalt trägt auf ihrem Kopf eine phrygische Mütze, so dass sich in dieser Graphik die Freiheits- mit der Republiksymbolik verbindet  : Die Liberté steht jetzt für eine republikanische Ordnung, sie herrscht nunmehr in Frankreich oder kehrt, wie der Historiker Jules Michelet am 30. März 1851 an Daumier schrieb,10 zu sich selbst nach Frankreich zurück. Diese Verschmelzung von Republik und Freiheit war für die Prägung des kollektiven politischen Bewusstseins in Frankreich ein wichtiger Vorgang. Die Regierungsform der Republik wurde positiv besetzt, weil sie nicht allein von der politischen Theorie her, sondern auch in der Symbolik mit der Idee der Freiheit verbunden wurde. Im Zuge dieser positiven Besetzung wurde auch die am 24. Februar nach der Ausrufung der Republik und nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten François Guizot gebildete provisorische Regierung mit dieser republikanischen Freiheit identifiziert. Dies geschah vorzugsweise auf Medaillen.11 Eine dieser Medaillen 308

Der Kampf um die Republik in Frankreich

Abb. 185  : Honoré Daumier, Dernier conseil des ex-ministres, 1848

(Abb. 186) zeigt unter dem Motto »der Triumph der Freiheit« die Liberté, wie sie mit einem Spiegel, dem Symbol der Wahrheit, die vor ihr stehende Gerechtigkeit anstrahlt. Auf deren Rückseite wird unter anderem darauf verwiesen, dass das souveräne Volk seine Rechte zurückerobert hat. Von einer freiheitlichen erwartete man offenbar auch eine gerechte Ordnung. Dies wird mit dem Hinweis links auf der Vorderseite, dass das Schlechte besiegt sei, bekräftigt. Die auf der abgeänderten Rückseite einer weiteren Prägung dieser Medaille genannten Minister der Übergangsregierung machen allerdings das an sich unversöhnliche politische Spektrum der revolutionären Kräfte deutlich  : zum einen der Schriftsteller und Politiker Alphonse de Lamartine, ein Liberaler, der sich allen sozialrevolutionären Tendenzen widersetzte, und zum anderen der reformorientierte Sozialist Louis Blanc, um nur die beiden politisch profiliertesten Minister zu nennen.12 Sie stehen für die das Lager der Revolutionäre in Frankreich tief spaltende Frage  : Welche Republik sollte es sein  ? Eine bürgerlich-liberale Republik, in der lediglich die Staatsform der Monarchie überwunden ist, während die traditionellen bürgerlichen Eliten nach wie vor das Sagen haben  ? Oder eine sozia309

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Abb. 186  : Montagny, Medaille auf den Triumph der Freiheit, 1848

listische Republik mit sozialen Rechten in der Verfassung als Grundlage einer sozialistischen politischen Ökonomie, angelehnt an das Verfassungsmodell von 1793  ?13 Victor Hugo etwa trat als Kandidat für die Ergänzungswahlen zur Nationalversammlung am 4.  Juni 1848 in einem Wahlaufruf nachdrücklich für eine gemäßigte bürgerlich-liberale Republik ein und zeichnete zur klaren Unterscheidung ein Schreckensbild der Republik von 1793.14 Seine Auffassung findet sich »in verblüffender Weise« in einer anonymen Kreidelithographie verbildlicht, die im Juni/Juli 1848 unter dem Titel »Tentative de 1793« erschienen ist.15 Schreckensszenarien einer radikalsozialistischen Republik wurden auch sonst in der Bildpublizistik verschiedentlich visualisiert. So widmete Patrioty, ein Künstler, dessen Identität sich nicht mit Gewissheit klären lässt, diesem Thema eine Reihe von propagandistischen Graphiken.16 Diese perhorreszierten ebenso wie ihre thermidorianischen Gegenstücke17 die Schrecken der Republik von 1793, um sodann die blutige Niederschlagung des Juniaufstandes von 1848 zu legitimieren. In einer Lithographie mit dem Titel »Die Republik, wie sie die ehrbaren Leute nicht wollen«18 trägt eine grimmig dreinblickende, hässlich-ungepflegte Frau mit roter Mütze als Personifikation der sozialistischen Republik eine Fackel, deren Rauch den von allen gefürchteten »Bürgerkrieg« prophezeit  ; im linken Bildhintergrund sieht man eine Guillotine, darauf eine mit »1793« beschriftete Fahne und eine Jakobinermütze, links vorne zwei Totenschädel auf einem Altar mit der Inschrift »Gleichheit«. Mit den »ehrbaren Leuten« des Titels ist jenes Bürgertum gemeint, das in Distanz zur sozialistischen Gleichheit steht und eine jakobinische Schreckensherrschaft fürchtet. Das mit der Symbolik der jakobinischen Republik verbundene Horrorszenario diente der Agitation für eine gemäßigte bzw. »ehrbare« Republik.19 310

Der Kampf um die Republik in Frankreich

Abb. 187  : Patrioty, Le Cauchemar de la Mère Rouge, 1849

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Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Diese erscheint im dritten Blatt von Patriotys Graphikreihe (Abb. 187) in einer verklärten Pose als schöne, in reinem Weiß gekleidete junge Frau, die neben der Waage der Gerechtigkeit sitzt und dabei in einer Hand ein Schwert mit einem Siegeskranz und in der anderen Hand eine Tafel mit den konservativen Schlagworten »Union, Force, Justice« hält. Sie ist, wie der Titel der Graphik zu verstehen gibt, der »Alptraum der roten Mutter«, der personifizierten »roten« Republik. Diese liegt bekleidet mit einer roten Jakobinermütze und einem ungeordneten Nachtgewand, auf dem sich der bezeichnende Hinweis auf die Terreur von 1793 befindet, schlafend und teilweise von einer roten Decke umhüllt auf einem Bett. Ihr blutiges Messer in der rechten Hand erinnert an das Blut, das während der Terreur geflossen ist. Auf ihr steht als Alp der General Cavaignac,20 der im Juni 1848 den Pariser Aufstand der Handwerker und Arbeiter mit mehreren Tausend Toten blutig niedergeschlagen hatte. Mit einer für den Notfall bereitgehaltenen Stachelkeule sorgt er dafür, dass die sozialistische Republik nicht aus ihrem Schlaf erwacht. Auf der linken Seite wird die Szene von den als »Barbaren« dargestellten linken Theoretikern und Politikern Charles Lagrange, Pierre Joseph Proudhon und Pierre Leroux beobachtet. Somit wird der Sozialismus hier als Barbarei diskreditiert – eine geläufige Abqualifizierung im politischen Meinungskampf jener Jahre. Das diametrale Gegenbild, die Vision einer blühenden sozialistischen Republik, entwarf die Künstlerin Marie Cécile Goldsmid in einem diesem Thema gewidmeten Graphikzyklus. Ihre Lithographieserie war geradezu der Kontrapunkt zu jener von Patrioty, der die bürgerliche Republik nur durch eine Konfrontation mit der Terreur der sozialistischen Republik zu legitimieren suchte, aber keine Zukunftsvision einer bürgerlichen Republik anzubieten wusste. Goldsmid stand in den Auseinandersetzungen der Jahre 1848/49 auf Seiten der gewaltbereiten Demonstranten   ; wegen ihrer republikanischen Umtriebe strafrechtlich verfolgt, ging sie nach Verbüßung einer Gefängnisstrafe ins Exil nach Brüssel. Über die politischen Auseinandersetzungen in Frankreich hinaus setzte sie sich engagiert und mit ihrer ganzen Persönlichkeit für eine Internationalisierung des republikanischen Freiheitskampfes ein.21 Dieser Haltung wird in dem zwischen 1848 und 1849 veröffentlichten Graphikzyklus zur »République universelle démocratique et sociale« verschiedentlich visuell Ausdruck verliehen,22 so auch in dem den Höhepunkt der Bildfolge ausmachenden Blatt »Jahrestag der universellen demokratischen und sozialen Republik« mit einer Darstellung des Triumphes der Republik (Abb. 188).23 Diese beherrscht in Gestalt einer rotgewandeten Frau mit einer Jakobinermütze auf dem Kopf und der Fackel der neuen Ordnung in der Hand die rechte Bildhälfte. Ihr Triumphwagen wird von vier Pferden gezogen, die für Europa, Asien, Afrika und Amerika stehen sollen. Im Siegeszug wird eine Standarte mit der Aufschrift »Organisation du travail – Solidarité universelle« 312

Der Kampf um die Republik in Frankreich

Abb. 188  : Marie Cécile Goldsmid, Anniversaire de la République universelle démocratique et sociale. Le Triomphe, 1848

mitgeführt, also ein Hinweis auf die u. a. von dem Sozialisten Louis Blanc erhobene Forderung einer Neuorganisation des Arbeitslebens in internationaler Solidarität. Den Triumphwagen der universellen Republik begleiten Freiheitskämpfer aus Deutschland, Italien Polen und Ungarn  ; man kann neben anderen Garibaldi, Hecker und Kossuth erkennen. Der Hinweis auf den Jahrestag der Republik im Titel soll ausdrücken, dass sich die republikanische Idee seit der Proklamation der Ersten Republik durch den Nationalkonvent am 22. September 1792 auf einem letztlich unaufhaltbaren Siegeszug befunden habe. Die Personengruppe vorne links blickt hoffnungsvoll auf den Triumphzug der rotgekleideten Republik, daneben liegen die zerbrochenen Insignien der alten Ordnung, u. a. das Handelsgesetzbuch und die Handelsgerichtsbarkeit als Teile der bürgerlichen Ökonomie. Das Denkmal auf der linken Bildseite erinnert an die Märtyrer einer republikanischen Ordnung und damit zugleich an das bisherige Scheitern der republikanischen Neugestaltung  : genannt werden mit der Jahreszahl 1793 Saint-Just und Robespierre sowie seitlich Marat und Couthon – ein Parteigänger Robespierres –, ferner mit der Jahreszahl 1830 313

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Carrel und Cavaignac 24 sowie seitlich Lamarque und Garnier-Pages als Kämpfer für eine republikanische Staatsform während der Julimonarchie und schließlich mit der Jahreszahl 1848 Robert Blum. Blum zu nennen, ist bemerkenswert, da ihm für das Jahr 1848 kein französischer Kämpfer für eine republikanische Freiheit zur Seite gestellt wird. Allerdings besaß Blum für Goldsmid eine besondere Bedeutung, hatte sie sich doch dereinst als Zeichen ihrer persönlichen Verbundenheit mit einem Medaillon portraitieren lassen, das den im November 1848 in Wien exekutierten Republikaner zeigt.25 Am Fuße des Denkmals befindet sich ein Löwe, der, die Stärke der Volkssouveränität repräsentierend, inmitten von Insignien und Dokumenten der zerstörten in- wie ausländischen monarchischen Herrschaft liegt, Rechts im Hintergrund einer arkadischen Landschaft erkennt man den Titus-Bogen in Rom, das Vorbild des Triumphbogens in Paris, daneben u. a. das Gebäude der Assemblée Nationale und das Panthéon. Im oberen Teil des Titus- bzw. Triumphbogens, durch den der Siegeszug der Freiheit geschritten ist, wird auf die althergebrachten Revolutionsforderungen »Liberté, Egalité, Fraternité« verwiesen. Diese Lithographie war dem Datum der Ablieferung des Pflichtexemplars nach am 29.  November 1849 veröffentlicht worden, also zu einem Zeitpunkt, als die sozialistische Revolution in Frankreich bereits gescheitert war. Gleichwohl hoffte die sozialistische Bewegung, sich mit gezielter Propaganda wie in der Bildpublizistik Goldsmids26 bei den nächsten Parlamentswahlen durchsetzen zu können. Mit ihrem Lithographiezyklus suchte die Künstlerin breiten Bevölkerungskreisen, und nicht nur dem Arbeiterstand, die Vision einer sozialistischen Ordnung nahezubringen. Wer diese Vision teilt, so wurde vermittelt, steht auf der Siegesstraße einer unaufhaltbaren historischen Entwicklung. Mit ihrem Hinweis auf die republikanischen Märtyrer mit der aus der Französischen Revolution stammenden Parole »Sie sind tot, aber sie haben gesiegt« prophezeit die Künstlerin, dass sich eine republikanische und sozialistische Ordnung durchsetzen werde. Es geht ihr mithin um die Visualisierung der Geschichtsmächtigkeit der universellen republikanischen und sozialistischen Idee. Der universalistische Charakter der Revolution war eines der zentralen Themen der französischen Bildpublizistik von 1848. So wurde etwa in einer Graphik mit dem Titel »La Liberté faisant le tour du Monde« versinnbildlicht, wie sich die Liberté mit ihrer Jakobinermütze gegen die Kräfte der Reaktion durchsetzt und den Staaten Deutschlands eine freiheitliche Ordnung bringt (Abb. 189).27 Der Begleittext erläutert  : »Die Liberté von zwei Löwen als Sinnbild der Kraft geführt, von der Wahrheit geleitet und von der Weisheit beschützt, verbreitet die Strahlen ihres wohltuenden Lichts über die Wappen des Deutschen Bundes. Das junge Frankreich von 1830 mit einem Olivenzweig in der Hand schreitet der Liberté voraus und kündigt sie an. … Die österreichischen und preußischen Adler bedienen sich unter 314

Der Kampf um die Republik in Frankreich

Abb. 189  : Lefebre, La Liberté faisant le tour du Monde, 1848

Einfluss ihres Despotismus der deutschen Bundesversammlung, um ihre Blitze gegen die Liberté zu schleudern, aber der Schild der Minerva lässt sie wirkungslos werden.« Während hier Deutschland das Zielobjekt der von Frankreich ausgehenden Freiheitsbewegung ist, erfasst sie in anderen Graphiken, wie formuliert wurde, »alle Nationen der Erde«. Die französische Februarrevolution hatte in der Tat den Rang eines epochalen Ereignisses  ; sie hatte sich auf Verfassungsreformen in Deutschland und in anderen Staaten Europas ausgewirkt. Mit gehörigem Selbstbewusstsein wurde Frankreich in der Bildpublizistik als der Ort dargestellt, an dem eine neue republikanische Ordnung als nachahmenswertes Modell und Muster für republikanische politische Systeme auf den Weg gebracht wurde. Die republikanisch gesinnten Kreise in Deutschland kannten derartige visuelle Prophezeiungen eines universalistischen Triumphzuges der Freiheit von jenseits des Rheins. Aus Anlass der von Sozialdemokraten und Teilen der Liberalen veranstalteten Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Revolution von 1848 druckte die sozialdemokratische Satirezeitschrift Der Wahre Jacob eine geringfügig modifizierte Variante der hier abgebildeten Graphik unter dem Titel »Triumphzug der Freiheit 315

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Abb. 190  : Zinnmedaille auf das Bankett der demokratischen und sozialen Presse am 19. November 1848 im Château Rouge, 1848

über dem Erdball« ab.28 Auf diese an der Idee der Freiheit orientierte sozialistischinternationale Bildpublizistik wird noch zurückzukommen sein. In der sozialistischen Propaganda waren neben der politischen Graphik Medaillen ein beliebtes und weitverbreitetes Medium. Sie erschienen in großer Zahl und waren meist dem Tagesgeschehen verpflichtet. Da rasch auf die Tagesereignisse reagiert werden musste, waren sie überwiegend in Zinn geprägt und ohne Anspruch auf besondere künstlerische Qualität. Auf ihnen stand bisweilen der Brutus-Dolch für die linksrepublikanische Position, so etwa auf einer Medaille, die zum Putschversuch des bereits 1839 in einen gescheiterten Aufstand gegen Louis Philippe verwickelten Revolutionärs Armand Barbès am 15. Mai 1848 geprägt wurde,29 oder auf einer Medaille vom 30.  Juli 1848 auf die Allianz zwischen den Roten Republikanern und den Legitimisten bei den Kommunalwahlen in Lille.30 Eine Vielzahl von Medaillen befasste sich mit sozialistischen Ideen, etwa mit dem Recht auf Arbeit. Die Forderung nach einer demokratischen und sozialen Republik und eines Rechts auf Arbeit wurde beispielsweise auf der Vorderseite einer Medaille verkündet, die aus Anlass eines Banketts der demokratischen und sozialen Presse31 am 19. September 1848 im Château Rouge entstand (Abb. 190). Auf der Rückseite wird anknüpfend an das Programm der »Bergpartei« (frz. Montagne) eine Verbindung zur Französischen Revolution hergestellt  : »La jeune montagne de 1848 à la vieille montagne de la convention de 1793.« Die verschränkten Dreiecke, welche die beiden Texte tragen, assoziieren die Gleichheit, die jeweils an der Spitze stehende phrygische Mütze die Freiheit der geforderten Ordnung. 316

Der Kampf um die Republik in Frankreich

In der medialen Auseinandersetzung um die »richtige« Republik setzte sich trotz derartiger Bemühungen der Sozialisten um die Gunst der öffentlichen Meinung letztlich deren bürgerliche Variante durch. Diese wusste die politisch links orientierte Freiheitssymbolik zu zähmen  : Die rote Jakobinermütze war für einige Zeit nicht mehr das Symbol republikanischer Ordnung. Bereits während der Revolution von 1848/49 war es unter den Republikanern umstritten, ob die Nation durch die Liberté bzw. die Marianne mit oder ohne phrygische Mütze repräsentiert werden sollte.32 Die von den eher radikalen Republikanern favorisierte phrygische Mütze wurde von den gemäßigten Republikanern als allzu subversiv und an falsche Traditionen anknüpfend angesehen. Sie versuchten deshalb, einen Kranz als Kopf bedeckung durchzusetzen. Für einen 1848 ausgeschriebenen Wettbewerb für eine symbolische Figur der Republik forderte der dem Lager der radikalen Republikaner angehörende Ledru-Rollin als von Ende Februar bis Anfang Mai 1848 amtierender Innenminister von den Künstlern, die phrygische Mütze zwar zu verwenden, da das Volk diese als Verkörperung der Regierung erwarte, ermahnte sie aber zugleich, die Mütze gewissermaßen verklärt in Erscheinung treten zu lassen – ein Versuch, die negativen Konnotationen dieses Symbols zu verdrängen.33 Nach der Etablierung der bürgerlichen Republik wurde dann selbst in einem während der Julimonarchie so kritischen Blatt wie dem Charivari auf die Jakobinermütze verzichtet, um die Republik zu repräsentieren. Eine sozialistische Republik wurde ebenso wie die Durchsetzung politischer Forderungen durch lokale Aufstände und Unruhen, wofür das Sinnbild der Jakobinermütze stand, abgelehnt. Der Charivari vertrat in den Monaten des heftigen Richtungsstreits den politischen Standpunkt der republikanischen bürgerlichen Mitte, was diese einflussreiche, wöchentlich erscheinende Zeitschrift immer wieder in symbolischer Form ausdrückte. In einer dort im Februar 1849 abgebildeten Graphik zum ersten Jahrestag der Republik aus der Feder des Revolutionsgegners Cham (Abb. 191) beherrschen die konservativen Parolen Eigentum und Familie die Darstellung, während die France die junge, als Kleinkind dargestellte Republik mit den Worten begrüßt  : »Sieh zu, dass man vergisst, was für ein wildes, unausstehliches Kind du bei deiner Geburt warst.« Worauf die junge Republik antwortet  : »Aber das war die Schuld meiner ersten Kindermädchen …«34 Keine der beiden Personifikationen trägt dabei, wie bislang geläufig, eine Jakobinermütze. Letztlich setzte sich aber gleichwohl die Marianne mit der tradierten Freiheitsikonologie durch. Sie steht für den Gründungsmythos des französischen Staates und repräsentiert dessen republikanische Identität. Diese Verschmelzung von Li­ berté, Republik und Marianne im kollektiven Gedächtnis lässt sich nicht zuletzt sprachlich belegen  : Nach Agulhon hieß die Französische Republik über lange Zeit hinweg im allgemeinen Sprachgebrauch ebenfalls »Marianne«.35 317

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Abb. 191  : Cham, Anniversaire du 24 Février, 1849

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Der Kampf um die Republik in Frankreich

6.1.2 Eine bloß distanzierte symbolische Vermittlung der Verfassung vom 4. November 1848

Welche verfassungspolitischen Leitlinien die Zweite Republik bestimmen sollten, wurde durch die Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung am 23.  April 1848 bestimmt. Diese führten zu einer Mehrheit der liberalen Mitte  ; radikale Demokraten und Sozialisten waren ebenso wie die Anhänger der alten Ordnung in der Minderheit. Die Verfassungsberatungen im Sommer 1848 waren von gewaltsamen Auseinandersetzungen überschattet. Nach der Schließung der Nationalwerkstätten kam es 1848 zu einem Aufstand der Arbeiter und kleinen Handwerker, der in Barrikaden- und Straßenkämpfen zwischen dem 23. und 27. Juni mit tausenden Toten blutig niedergeschlagen wurde.36 Am 4. November 1848 wurde nach kontroversen parlamentarischen Diskussionen die republikanische Verfassung beschlossen. Die auf dieses Ereignis reagierenden Medaillen37 hoben als wesentliche Errungenschaften das allgemeine Wahlrecht, die Pressefreiheit und die Abschaffung der Sklaverei38 hervor. Die Verkündung der Verfassung am 12. November 1848 wurde ebenfalls von mehreren Medaillen begleitet.39 Sie zeigen zum Teil die Szene der Verkündung auf dem Place de la Concorde. Die Frage nach der Legitimation der neuen Verfassung wurde nicht einheitlich beantwortet. Im Vordergrund stand die Volkssouveränität  : »La souveraineté réside dans l’universalité des citoyens français« (Art. 1), wie auf einer Medaille betont wird.40 Die Verkündung erfolgte aber auch anknüpfend an die Präambel der Verfassung »sous la protection de Dieu et à la garde du peuple français«,41 was auf eine religiöse Begründung der neuen Verfassung schließen ließ. Auf einen breiten Konsens in der Bevölkerung konnte sich die Verfassung nicht stützen, weil sie den sozialistischen Tendenzen der Revolutionsbewegung nicht hinreichend Rechnung trug. Zudem wurde – nicht zu Unrecht – von der neuen Institution des Staatspräsidenten eine »nouvelle série … de malheurs« befürchtet.42 Dem entspricht die weitere Charakterisierung der neuen Verfassung auf der hier abgebildeten Medaille (Abb. 192)  : »Naissance pénible, baptême froid, existence fragile«, eine in der in sich zerrissenen historischen Situation ebenso zutreffende wie kritische Einschätzung der neuen Verfassung. Der kritische Hinweis auf der Rückseite, die Verfassung sei in Gegenwart der Armee verkündet worden und damit auch deren Schutzes bedürftig, verweist zudem auf ihre Geltungsschwäche. Die Verfassung vom 4.  November 1848 war ein recht einseitiger Kompromiss zugunsten des bürgerlichen liberal-republikanischen Lagers und zulasten der sozialen Forderungen der revolutionären Bewegung. Zwischen den unversöhnlichen politischen Lagern sollte friedensstiftend wirken, dass nach der Präambel und nach Art. 13 den Bedürftigen durch arbeitspolitische Maßnahmen geholfen und ganz allgemein durch arbeits- und industriepolitische Maßnahmen die Entwicklung 319

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Abb. 192  : Zinnmedaille auf die Verkündung der Verfassung am 12. November 1848

des Arbeitsmarktes gefördert werden sollte. So sollten die sozialen und ökonomischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass von der verfassungsrechtlich gewährleisteten »Freiheit der Arbeit« (Art. 13) auch Gebrauch gemacht werden konnte. Aus heutiger Sicht handelte es sich um eine sozialstaatliche Verfassung, die einem liberalen Wirtschaftsmodell folgte und die Bewältigung von arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Problemen zum Staatsziel erhob. Die politischen Forderungen waren allerdings deutlich radikaler. Dies zeigt sich am Recht auf Arbeit, das zu den ebenso zentralen wie umstrittenen Forderungen der Anhänger einer demokratischen und sozialen Republik gehörte. In der Sitzung der Nationalversammlung vom 31. Juli 1848 hatte Proudhon seine Kritik am Institut des Eigentums vorgetragen. Auf einer Medaille auf diesen Anlass wurde sein berühmter Satz »Wenn Eigentum Diebstahl ist, ist Erbrecht Hehlerei«43 zitiert. Zudem ließen die Parteigänger Proudhons eine Reihe von Medaillen auf seine Forderungen anlässlich seiner Rede vor der Nationalversammlung prägen.44 In der bürgerlich-republikanischen Presse, wie etwa im Charivari,45 begegneten jedoch die Lehren Proudhons beißender bildpublizistischer Kritik. Ein langes Leben war der Verfassung des Jahre 1848 ohnehin nicht beschieden. Louis Napoléon Bonaparte, der im Dezember 1848 mit großer Mehrheit zum Präsidenten der Republik gewählt worden war, machte mit seinem Staatsstreich von 1851 die republikanische Verfassung und damit die Zweite Republik zunichte. In den Plebisziten der Jahre 1851 zur neuen Verfassung und 1852 zur Wiederherstellung des Kaisertums stellte sich die große Mehrheit der Bevölkerung hinter sein autoritäres Regime. Nach der Zeit revolutionärer Unsicherheit stieß also selbst 320

Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland

ein wenig freiheitliches politisches System auf breite Akzeptanz. Dem entzog sich auch die französische Bildpublizistik nicht. Von ihr wurde die visuelle Selbstinszenierung Louis Napoléons tatkräftig und ideenreich begleitet,46 das Ende der revolutionär erstrittenen Verfassung aber kaum kritisch hinterfragt.47 6.2 Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland Zu den wichtigsten Forderungen des Jahres 1848 gehörten in Deutschland Einheit und Freiheit, zwei Themen, die auch die politische Symbolik beherrschten.48 In eine neue demokratische und freiheitliche, den Nationalstaat begründende Verfassung wurden große Hoffnungen gesetzt. In der kurzen Phase des revolutionären Auf bruchs kam es zu einer erheblichen Politisierung der bürgerlichen Öffentlichkeit. Die Aufhebung der Zensur begünstigte das Entstehen neuer Formen einer kritischen Presse und Bildpublizistik. In Anlehnung an französische Vorbilder, etwa des Charivari, wurden 1848 politisch-satirische Wochenzeitungen gegründet, die sich mit den revolutionären Ereignissen kritisch auseinandersetzten und rasch eine breite Leserschaft im liberalen Bürgertum fanden.49 Der seit Mai 1848 in Berlin erscheinende Kladderadatsch gehörte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit hohen Auflagenzahlen zu den Blättern, deren Politik- und Gesellschaftssatiren auch von denen »abonniert« waren, die in der Schusslinie kritischer Äußerungen standen. Diese neue mediale Öffentlichkeit führte in Deutschland erstmals zu einer Vielzahl von Graphiken und  – jenseits der Printmedien  – von Medaillen mit politischer Symbolik. Während die Medaillen eher zustimmend das revolutionäre Geschehen begleiteten, setzte sich die politische Graphik überwiegend kritisch und teilweise in satirischer Form mit dem Versuch auseinander, eine Einigung Deutschlands in neuer politischer Form zu erreichen. Deutlich später als in Großbritannien oder Frankreich wurde die politische Graphik und Ikonographie in Deutschland erst in der Revolution von 1848/49 zu einem weitverbreiteten Medium politischer Bewusstseinsbildung.50 Anders als in Frankreich konnte die deutsche politische Graphik nicht an nationale Traditionen der Freiheits- und Verfassungssymbolik anknüpfen. In Frankreich standen seit der Französischen Revolution zunächst die Liberté und sodann die Marianne als Symbole für die freiheitliche politische Ordnung. In Deutschland konnte die Germania demgegenüber nicht als nationales Symbol für eine freiheitliche Ordnung dienen. Zwar trug sie zur Zeit der Revolution bisweilen statt Krone oder Eichenlaub die phrygische Mütze,51 aber diese eher karikierenden Darstellungen blieben Randerscheinungen. So lag es für die deutsche Revolutionspublizistik nahe, sich an die französische Freiheits- und Verfassungssymbolik anzulehnen. Es kam, wie im Folgenden gezeigt wird, zu einem kulturellen Transfer, der 321

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

die Freiheitsmütze und die Personifikation von Freiheit und Republik umfasste.52 Wie bei jedem kulturellen Transfer wurde die rezipierte politische Symbolik an die heimischen Verhältnisse angepasst, also in den Kontext deutscher politischer Entwicklung gestellt oder auf tagespolitische Ereignisse in Deutschland bezogen. Diesen Rezeptionsvorgang begünstigte, dass in der deutschen Presse über die symbolischen Formen politischer Auseinandersetzungen in Frankreich seit jeher berichtet wurde und die an Frankreich angrenzenden deutschen Staaten, wie gezeigt, bereits im Gefolge der Revolutionskriege unter dem Einfluss der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik gestanden hatten. 6.2.1 Die revolutionäre Freiheitssymbolik zwischen gemäßigtem Liberalismus und Republikanismus

Die phrygische Mütze bzw. die Jakobinermütze konnte im revolutionären Deutschland ebenso wie in Frankreich für einen gemäßigten Liberalismus, aber auch für radikaldemokratische, republikanische Reformen stehen, die geeignet waren, den alten Eliten und dem Bürgertum Furcht einzuflößen. In diesem Sinne zeigt eine Graphik von 1848 mit dem Titel »Die große Seeschlange, wie sie Vielen im Jahre 1848 erschienen ist«53 ein riesiges Seeungeheuer, das mit einer mit »Liberté« beschrifteten Jakobinermütze auf dem Kopf vor einer aufgehenden Sonne aus dem Meer auftaucht und die auf hoher See in einem Boot treibenden europäischen Fürsten erschreckt. Gegen derartige Schreckensszenarien des Untergangs der alten Ordnung wandte sich 1848 der Genremaler Henry Ritter mit der Forderung nach gemäßigten Reformen. Auf zwei Lithographien in den viel gelesenen Düsseldorfer Monat­ heften stellte er das »Deutschland im Jahr 1847« einem anderen »Deutschland im Jahr 1848« (Abb. 193) gegenüber.54 Im Gegensatz zum ersten Blatt mit einem mittelalterlichen, schläfrig aussehenden Herrscher zeigt das zweite Blatt den Auf bruch in eine neue Zeit von Freiheit und Wohlstand. Den Mittelpunkt bilden ein aufrecht stehender Herrscher mit Krone und Schwurhand im Schulterschluss mit einem jugendlichen, bekränzten Helden, der mit seiner stolz emporgestreckten Freiheitsmütze auf einer Stange für das Volk steht, das seine Ketten der Unfreiheit zerbrochen hat. Die Justitia am rechten Bildrand triumphiert über Lüge und Heuchelei  ; am linken Bildrand verbindet sich die Inschrift »Constitution« am Staatsgebäude mit der Forderung nach einem einigen Deutschland. Am Fuße der von der Freiheitsmütze bekrönten Stange wird mit dem Motto »Gebt dem König, was des Königs ist, dem Volk, was des Volkes ist« auf eine konstitutionelle Monarchie verwiesen, die auf der Volkssouveränität beruht.55 Dass hier lediglich Reformen mit Augenmaß und nicht eine radikale Umwälzung gefordert wurden, zeigt das Anknüpfen an die lange monarchische Tradition, die es im Geiste jugendlicher Freiheit zu verjüngen galt. 322

Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland

Abb. 193  : Henry Ritter, Deutschland im Jahre 1848, 1848/49

Die Streiter für eine deutsche Republik vermittelten ihre politischen Forderungen in einer deutlich radikaleren Weise. Dass eine Republik die Staatsform der Zukunft sei, wurde etwa mit dem auch früher immer wieder bemühten Motiv einer sich im Ungleichgewicht befindenden Waage56 ausgedrückt. Auf einer Wiener Lithographie von 1848 sieht man unter dem Titel »Er wiegt mehr, als sie alle  !« (Abb. 194) eine Balkenwaage mit zahlreichen Königskronen in der einen und einem »Demokratenhut«, d. h. einem Kalabreser mit Feder, in der anderen Waagschale. Dieser Hut, der die Souveränität des Volkes verkörpert, hat solches Gewicht, dass die Waage sich zu seinen Gunsten neigt. Soweit die prorepublikanische Bildpublizistik zum revolutionären Kampf aufrief,57 orientierten sich die Künstler oftmals sehr direkt an französischen Vorlagen. So finden sich auf dem Revers einer Medaille auf den badischen radikaldemokratischen Revolutionär Friedrich Hecker die Symbole der Französischen Revolution  : Jakobinermütze, Liktorenbündel und Setzwaage.58 Auf einer anderen Medaille des Jahres 1848 wird die »Deutsche Einigkeit« durch eine personifizierte Freiheit mit einer Jakobinermütze und zwei Dolchen repräsentiert (Abb. 195).59 Damit wurde unter Übernahme der radikalen französischen Symbolik 60 und der Dolche des Brutus-Denars (vgl. Abb.  4) unmissverständlich zur Gewaltanwen323

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Abb. 194  : Jospeh Lancedelli, Er wieg mehr, als sie alle  ! , 1848

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Abb. 195  : Zinnmedaille »Deutsche Einigkeit – Freiheit, Gleichheit, Brudersinn«, 1848

dung bei der Beseitigung aller Hindernisse, die einer republikanischen Ordnung entgegenstehen, aufgefordert. Auf der Rückseite umrahmt ein Liktorenbündel den Schriftzug »Freiheit, Gleichheit, Brudersinn«. Diese französische Trias war in der deutschen Publizistik des Jahres 1848 weitverbreitet,61 auch eine Medaille auf Friedrich Hecker als »den Mann des Volks« nennt diese Formel als seinen Wahlspruch.62 In gewisser Weise spiegelt die Übernahme der französischen Symbolik und Wertetrias durch den radikaldemokratischen Teil der revolutionären Bewegung den dort geführten Streit darüber wider, welche Republik es sein soll. Manche votierten für eine liberale,63 manche für eine sozialistische Republik.64 Entsprechend schieden sich an der Frage, wem der Vorrang zukam, der Freiheit oder der Gleichheit, die Geister. Die Antinomie zwischen liberaler Freiheit und sozialistischer Gleichheit fand in einer hessischen Karikatur von 1848 beredten Ausdruck. Die Darstellung, die den eintägigen Aufstand im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen im Juli 1848 kommentiert, zeigt einen »Proletarier«, der »Freiheit und Gleichheit  !« ruft, was einen Sachsenhäuser Bürgerwehrmann mit erhobener Faust zu den Worten veranlasst  : »Freiheit  ! Gott verdamm’ mich, aber kan Gleichheit  !« (Abb. 196).65 Die radikaldemokratische Bildpublizistik propagierte in Karikaturen die Auffassung, dass der Kampf um eine neue Form der konstitutionellen Monarchie oder gar um eine Republik erfolgreich sein könne. Dies gilt etwa für eine Karikatur auf die in der damaligen Presse wiedergegebene Äußerung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV., er wolle sich »an die Spitze der Bewegung stellen« (Abb. 197).66 Mit dieser Losung befindet sich der mit erhobenem Säbel kampf bereite König aber 325

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Abb. 196  :  Anonym, Freiheit und Gleichheit  ! , 1848

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Abb. 197  :  Anonym, »Ich stelle mich an die Spitze der Bewegung«, 1848

nicht am Ruder, sondern auf dem sich neigenden Mast des Staatsschiffes, das von zwei Rudermannschaften – auf der einen Seite Soldaten mit Pickelhauben, auf der anderen Seite Bürger, Studenten und Aufständische – in unterschiedliche Richtungen gesteuert wird. Ziel ist zum einen der mit einer Peitsche als Zeichen der Unfreiheit am rechten Ufer stehende Prinz Wilhelm, der »Kartätschenprinz«, den man gemeinhin für den Einsatz des Militärs am 18. März 1848 in Berlin verantwortlich machte. Zum anderen ist am linken Ufer Ziel der Rudermannschaft die personifizierte Freiheit, die in triumphierender Pose, einen Siegeskranz emporhaltend, vor der aufgehenden Sonne als dem Sinnbild des Anbruchs einer neuen Zeit steht. Mit den auf ihrem Podest abgebildeten Fasces repräsentiert sie eine republikanische Ordnung. Der preußische König befindet sich auf dem schwankenden Mast zwischen Revolution und Reaktion, wobei an dessen Spitze die große schwarz-rotgoldene Fahne, das Zeichen der deutschen Republik, die politische Richtung weist. Mit dieser Persiflage auf den Preußenkönig, der offensichtlich nicht mehr weiß, in welcher Situation er sich befindet und was er sagt, verbindet der Künstler ein Weiteres  : Das Staatsschiff mit den in sich zerrissenen politischen Kräften – eine Gruppe von Bürgern rudert Richtung Freiheit, die preußischen Soldaten rudern zum Ufer der Reaktion – lässt sich nicht mehr steuern. Die in dieser Graphik fernen, aber doch erreichbaren Ufer der Freiheit sind in anderen Karikaturen ebenfalls beschrieben. Sehr viel beschaulicher geschieht dies 327

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in einem als »Heckers Traum« betitelten Druck  :67 Die badischen Revolutionäre Friedrich Hecker und Gustav Struve träumen, vom Marsch erschöpft, unter einem Baum von der Republik, die mit Freiheitsmütze und Liktorenbündel versehen, fast einer Freiheitsgöttin gleich, vor der aufgehenden Sonne thront. Derartige Träume von einer schönen Freiheit wurden nicht überall geteilt. Entgegen den Freiheitsvisionen dieser beiden Graphiken tritt die personifizierte Freiheit in der zwar nicht revolutionsfeindlichen, aber doch revolutionskritischen Presse bisweilen nicht als eine idealisierte weibliche Gestalt, sondern in wenig vorteilhafter Erscheinung auf. In einem Titelbild von Theodor Hosemann zum »Komischen Volkskalender für 1849« steht sie beispielsweise im Zentrum närrischen Treibens, in einer weiteren Karikatur dieses Künstlers gibt sie als unansehnliches »Weib aus dem Volke« lediglich ein kurzes Gastspiel und in einem Beitrag des, wie oben gesehen, gemäßigten Henry Ritter werden mit Hilfe einer verballhornten Freiheitspersonifikation die Freiheitsversprechen der Radikaldemokraten als leere Hülsen entlarvt  : Die in der Lithographie »Die Geschichte von Peter dem Wühler« aus Ritters satirischer Bilderfolge »Der politische Struwwelpeter« zu sehende Freiheitsgöttin ist nicht echt, sondern ein Republikaner in Verkleidung, der Seifenblasen mit der Aufschrift »Freiheit« unters Volk bringt. In der Verwendung derartiger Zerrbilder der Freiheit manifestiert sich in diesen Drucken die enttäuschte Hoffnung auf eine Freiheit bringende Revolution.68 6.2.2 Von der Schlafmütze zur Freiheitsmütze und wieder zurück  : wie der deutsche Michel fast zur Freiheit fand

Der deutsche Michel, ein Symbol für den Deutschen und das deutsche Volk,69 war seit den Befreiungskriegen zu einer politischen Figur geworden. Er repräsentierte all jene negativen Assoziationen, die seit dem Humanismus mit dem deutschen Durchschnittsbürger verbunden waren  : dumm und ungebildet, ein furchtsamer Spießbürger und unfähig zur Kritik.70 Seine Zipfel- bzw. Schlafmütze und Tabakspfeife standen für diese negativen Eigenschaften. Nach 1815 suchte man in volkstümlichen Liedern und Gedichten den deutschen Michel »aus seinem gesunden Riesenschlaf« aufzuwecken71 und für Freiheit und Einheit zu begeistern72. Dies war auch Thema einer auf den 8. Februar 1848 datierten und damit noch vor dem Ausbruch der revolutionären Ereignisse geschaffenen Graphik des Münchener Künstlers Hermann Dyck, die im März 1848 in der Zeitschrift »Fliegende Blätter« erschien (Abb. 198).73 Unter dem Titel »Beginnendes Erwachen« sieht man einen an den Füßen gefesselten, auf einem Bärenfell träumenden Michel, der mit den Wappen der Einzelstaaten auf seiner Kleidung die deutsche Nation repräsentiert. Ihm speit ein geflügeltes Monster – die Verkörperung des Despotismus – ins Gesicht. Im Traum 328

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Abb. 198  : Hermann Dyck, Beginnendes Erwachen, 1848

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erscheinen dem Schlafenden ein Schwert und ein kämpferischer Reichsadler, dessen gespreizte Flügel die Aufschrift »Deutsches Parlament« tragen, darüber schwebt eine Freiheitsmütze. Der unruhige Schlaf, der Michel diesen Traum beschert, hat dazu geführt, dass er die Ketten an seinen Füßen gesprengt und einige neben ihm liegende Flaschen zerbrochen hat. Diese repräsentieren mit ihren Etiketten »Carlsbader Beschlüsse 1819«, »Bundestag 1832« und »Wiener Conferenz 1834« bedeutende Wegmarken der Unterdrückung oppositioneller Bewegungen durch den Deutschen Bund, der in diesem Bild in Gestalt einer alten, kahlköpfigen Frau mit Zuchtrute auftritt. Ihr bleibt angesichts der durch den revolutionären Traum entfesselten Kraft des Michel nichts mehr übrig, als vor dessen nach seinem Erwachen zu erwartenden Zorn entsetzt die Flucht zu ergreifen. Am Vorabend der revolutionären Ereignisse ist dies eine bemerkenswerte Vision des Künstlers – auch insofern, als durchaus Zweifel am Erwachen des kämpferischen Michel erkennbar sind. Zu Beginn der Revolution von 1848 ließen einige Graphiken den deutschen Michel als Verfechter der revolutionären Ideen auftreten.74 Bereits 1847 publizierte Wilhelm Storck in Leipzig eine Karikatur unter dem Titel »Wie der deutsche Michel die Nachtmütze wegwirft und sich vornimmt ins Freie zu gehen«75. Hier erhebt sich der deutsche Michel mit einer Pickelhaube statt der am Boden liegenden Schlafmütze aus dem Bett und zieht seine Reitstiefel an, um mit der großen Herkuleskeule, die neben ihm liegt, die alte politische Ordnung zu zerschlagen. Im Hintergrund verfolgen Repräsentanten des Ancien Régime das Geschehen mit Entsetzen. Der deutsche Michel in der Pose eines radikalreformerischen und gewaltbereiten Revolutionärs stand auch im Zentrum einer satirischen Lithographie des Düsseldorfer Malers und Graphikers Gustav Süß aus dem Jahr 1848.76 »Wie der deutsche Michel in Wut gerät« (Abb. 199) zeigt sich darin, dass er sich des Maulkorbs der Zensur entledigt hat und nun auch seine Schlafmütze nicht mehr trägt. Als Anführer steht der politisierte Michel mit emporgestreckter Freiheitsmütze an der Spitze einer bewaffneten Menge und versucht, mit einer auffordernden Geste das alte System, repräsentiert auf der rechten Bildseite, zu vertreiben. Fürst Metternich, der unermüdliche Verfechter der Restaurationspolitik, begibt sich bereits eilends außer Landes nach London. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV., mit einer Pickelhaube auf dem Kopf und einer Champagnerflasche vor sich, bleibt noch standhaft  ; neben ihm liegen in Anspielung auf die Intervention des Militärs und die blutigen Straßenkämpfe in Berlin Kanonenkugeln und ein Kanonenrohr, auf dem ein vom König an einer Leine gehaltenes Eichhörnchen, sein als reaktionär verschriener Kultusminister Eichhorn, sitzt. Im Hintergrund schwebt die königliche Mätresse Lola Montez in Umarmung mit Ludwig I. von Bayern in einer entrückt-idyllischen Szene, ein Hinweis auf die Dekadenz des Königtums und die 330

Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland

Abb. 199  : Gustav Süß, Wie der deutsche Michel in Wuth geräth, 1848

heftigen Münchener Auseinandersetzungen anlässlich der Lola-Montez-Affäre.77 All dies hat den deutschen Michel zum »Wutbürger« gemacht, der das alte System in Angst und Schrecken versetzt. All dieses kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bildpublizistik der Jahre 1848/49 überwiegend von Zweifeln am Gelingen des revolutionären Programms geprägt war.78 Des Michels Erwachen in der Ikonographie der satirischen Graphik war denn auch nur von kurzer Dauer. Der deutsche Michel war und blieb auch in der Revolution von 1848 die Symbolfigur eines unpolitischen Deutschen, der den revolutionären Ereignissen letztlich skeptisch und wenig begeisterungsfähig gegenüberstand. Dabei haben die Künstler in ihren revolutionären MichelKarikaturen viel Gespür für das zeitgenössische politisch-rechtliche Bewusstsein in Deutschland gezeigt  : Es gab zwar eine auf politische Veränderungen dringende geistige Elite, auch gab es eine beachtliche revolutionäre Bewegung  ; die Mehrheit der Bevölkerung verblieb jedoch in der Rolle des Zuschauers, hing der überkommenen politischen Ordnung an und war unfähig, in Verfassungsfragen Position zu beziehen.79 In den Augen der Karikaturisten jener Jahre war die Revolution nicht an ihren Ideen, sondern an der Lethargie des Volkes gescheitert. In einem Flugblatt, das unter dem Motto »Durch Einheit, – Freiheit« verkündet  : »Der deutsche 331

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Abb. 200  :  Anonym, Durch Einheit, – Freiheit, 1848

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Michel ist erwacht« und spöttisch hinzufügt  : »und hat sich auch schon gewaschen« (Abb. 200), schimmert diese Kritik versteckt durch. Michel sitzt hier im Kostüm eines Bauernburschen am Frühstückstisch vor den »Märzerrungenschaften«, die ebenso wie die Märzministerien breite Zustimmung in der Bevölkerung gefunden hatten, und im Frühjahr und Sommer 1848 wiederholt Gegenstand bildlicher Vergegenwärtigung waren.80 Oben sehen wir Freischärler, die Bürgerwehr und Studenten als bewaffnete Organe des Volkes, links und rechts daneben steht auf Fähnchen »Deutsches Parlament«, »Öffentlichkeit der Gerichte« und »Volkswehr« sowie »Pressefreiheit«. Die Symbolik dieses deutschen Michel ist ambivalent  : Er sitzt in idyllischer Pose an einem u. a. mit einer Sektflasche üppig gedeckten Frühstückstisch. Er kämpft nicht, sondern findet die Märzerrungenschaften zum Frühstück präsentiert. »Verfrühstückt« er, was ihm eine kleine revolutionäre Bewegung erstritten hat  ? Oder beginnt mit Michels Frühstück eine neu Ära  ? Eine klare Antwort wird vom Künstler nicht gegeben. Vielleicht hatte in seinen Augen die Einsetzung der »Märzministerien« mit ihren liberalen Ministern gereicht, um der revolutionären Bewegung den Stachel und dem deutschen Michel den revolutionären Elan zu nehmen. Allerdings gibt das Bild auch zu verstehen, dass der deutsche Michel seine Schlafmütze an Russland weitergibt, das nunmehr für die politische Rückständigkeit in Europa steht. Eindeutiger in ihrer Kritik ist eine Karikatur mit dem Titel »Wie der deutsche Michel seine Errungenschaften bewacht«.81 Michel sitzt schlafend, die rechte Hand auf einem Papierbündel, den »März Proclamationen«, gestützt, auf den Errungenschaften der Revolution. Sie werden zusammen mit Michels Fahne und dem Schwert auf seinem Schoß von kleinen, emsigen Gestalten weggezogen und weggetragen. So verliert der mit einer Schlafmütze mit Kokarde bekleidete und auf den Märzproklamationen eingeschlafene Michel nach und nach alles, was in der Revolution erstritten wurde  : Volksbewaffnung, Einheit, Gleichheit, Vereinsrecht, Religionsfreiheit, Emanzipation, Volkssouveränität und Pressefreiheit. Der schlafmützige deutsche Michel repräsentierte in zahlreichen Karikaturen der Jahre 1848/49 ein strukturell konservatives politisches Bewusstsein in Deutschland, verbunden mit einer gehörigen Portion an Wankelmut. In einer Karikatur mit dem Titel »Michel und seine Kappe im Jahr 48« aus dem Eulenspiegel vom März 1849 (Abb. 201) trägt er im Frühjahr mit grimmigem Gesicht eine Freiheitsmütze mit Kokarde in Reinform und im Sommer bereits eine gemäßigtere Variante, die im Spätjahr endgültig zur Schlafmütze eines missmutig Einschlafenden mutiert. In einer ähnlichen Karikatur aus der Feder des Arztes und Karikaturisten Ferdinand Schröder, erschienen im zweiten Jahrgang der Düsseldorfer Monathefte (Abb. 202), trägt Michel unter dem Motto »Die Mode dreier Jahre« im März 1847 von Repräsentanten der Reaktion verlacht die ihm eigene Zipfelmütze, im März 1848 die Vertreter der Reaktion in die Flucht schlagend die Freiheitsmütze mit 333

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Abb. 201  :  Anonym, Michel und seine Kappe im Jahr 48, 1849

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Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland

Abb. 202  : Ferdinand Schröder, Die Mode dreier Jahre, 1849

Kokarde und im März 1849 von triumphierenden Repräsentanten des wiedererstarkten alten Systems umringt eine Narrenkappe. Das Fazit derartiger weitverbreiteter und nicht auf Widerspruch stoßender Darstellungen ist  : Mit dem deutschen Michel und damit mit der deutschen Bevölkerung kann man weder eine Revolutionen noch Verfassungsreformen auf den Weg bringen. Der Deutsche passt sich den jeweiligen Zeitumständen an, ist aber nicht bereit, sich tatkräftig für politische Reformen einzusetzen.82 Symptomatisch für diese Haltung ist ein Druck von 1849, auf dem der deutsche Michel die Errungenschaften Volkssouveränität, Pressefreiheit, Volksbewaffnung und Versammlungsfreiheit wieder ausspuckt  ;83 die Märzerrungenschaften waren ihm und seiner mentalen Konstitution offenbar unzuträglich. 335

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Abb. 203  : Henry Ritter, Wahlumtriebe, 1849

6.2.3 Die »Unannehmlichkeit, heutzutage ein ruhiger Bürger zu sein«  : die mangelnde politische Mündigkeit als Thema von Karikaturen zur Verfassungsdiskussion

Wie eine neue Verfassung für Deutschland aussehen sollte, war 1848 kaum erkennbar. Gemäßigt liberale, republikanische und konservative Kräfte rangen um deren Gestaltung. Dieser Diskurs fand in jener bildungs- und besitzbürgerlichen Elite statt, deren Repräsentanten in der Paulskirche versammelt waren. Weite Kreise der Bevölkerung hatten zu diesen verfassungspolitischen Auseinandersetzungen keinen Zugang, was in zahlreichen Karikaturen auf den Punkt gebracht wurde.84 Manchen wunderte es, dass das Paulskirchenparlament, obgleich nach den Grundsätzen des allgemeinen und gleichen Wahlrechts gewählt, lediglich das Bürgertum repräsentierte. Man hielt es nicht für ausgeschlossen, dass es bei den Wahlen zur Paulskirchenversammlung zu falschen Versprechungen und Stimmenkauf, wie er lange Zeit in England üblich war,85 kam. Hierauf spielt eine Lithographie von Henry Ritter aus den Düsseldorfer Monatheften von 1848 an (Abb. 203). Unter dem Motto »Wahlumtriebe« werden ein »Democrat« und ein »Constitutioneller« gegenübergestellt. Beide stammen, wie am Zylinder und Frack erkennbar, aus dem Großbürgertum und suchen einen Handwerker, der mit den großen politischen Fragen seiner Zeit nicht vertraut ist, zu überzeugen, wenn nicht gar zu bestechen.86 Dabei wendet sich der »Democrat« gegen die »Constitution« und die »constitutio336

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Abb. 204  :  Anonym, Wühler & Heuler  ! , 1848

nelle Monarchie«, die u.a. »Einführung der Jesuiten, Militärherrschaft, Volksunterdrückung« bedeute. Der »Constitutionelle« hingegen wirft dem »Democraten« in Anspielung auf die Französische Revolution »Königsverrat« und »Aufhebung der Gesetze, Pöbelherrschaft, Mord« etc. vor.87 Über die »Wahlumtriebe« hinaus verdeutlicht dieser Druck die Zerrissenheit der sich weitgehend aus der Elite des Bürgertums rekrutierenden Paulskirchenversammlung  : Die beiden Bürgerlichen stehen als Repräsentanten des Parlaments zum einen für das Ziel einer Liberalisierung der konstitutionellen Monarchie, die aber keine volle Volkssouveränität anerkennt und das Heer in der Hand des Souveräns belässt, zum anderen für die Furcht vor einem demokratischen System, in dem das allgemeine Wahlrecht, so immer wieder geargwöhnt, zu einer Herrschaft der Unterschicht führen würde, die die überkommene Rechts- und Sozialordnung zerstört. Auch in anderen Karikaturen steht der biedere Handwerker, der sich von den auf ihn einstürmenden Fragen einer neuen Verfassungsordnung kein rechtes Bild machen kann, im Zentrum. Unterschwellig wird kritisiert, dass das allgemeine Wahlrecht Bevölkerungskreisen gewährt wird, die für Positionierungen in Sachen 337

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Abb. 205  : Friedrich Pecht, Vor den Wählern / In der Paulskirche, 1848

einer neuen politisch-rechtlichen Ordnung noch nicht hinreichend mündig sind. In dieser Situation ließ sich von der »Unannehmlichkeit, heutzutage ein ruhiger Bürger zu sein«, sprechen (Abb. 204).88 Was über die Mittel- und Unterschicht an kontroverser Verfassungsprogrammatik hereinbrach, konnte selbst von manchen Wortführern der revolutionären Bewegung nicht in eine geordnete und widerspruchsfreie Form gebracht werden. Diese Zerrissenheit wurde in der Publizistik des Öfteren thematisiert und auch Robert Blum, dem wortgewaltigen Führer der radikalliberalen Fraktion in der Paulskirche, vorgehalten (Abb. 205).89 In der linken Bildhälfte erscheint Robert Blum als Vertreter einer konstitutionellen Monarchie, für die er am 30. Juli 1848 in einer Rede vor einer Wahlversammlung eingetreten war. In der rechten Bildhälfte engagiert er sich in einer Rede vor der Paulskirchenversammlung für die radikale Richtung und für die politischen Ziele Friedrich Heckers in der badischen Revolution. Derartige Karikaturen zeichnen in der ihnen eigenen Zuspitzung ein düsteres Bild der verfassungspolitischen Auseinandersetzungen. Nicht nur, dass die Öffentlichkeit nicht in der Lage war, einzelne verfassungspolitische Forderungen mit 338

Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland

Abb. 206  : F. Drentwett, Vereinigung für Volkes Rechte – Für Volkes Wohl, 1848

den Namen von Wortführern zu identifizieren, weil diese sich nicht klar zu einem politischen Programm bekannten. Es fehlte, was in der Bildpublizistik als gravierender Mangel angesehen wurde, an der politischen Mündigkeit weiter Kreise in der Bevölkerung, derer es für eine Entscheidung in Verfassungsfragen bedarf. Ob dieses von den Karikaturen jener Zeit gezeichnete Bild zutreffend ist, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin gehört es zum Stand der neueren Forschung, dass im Vormärz Bauern- und Handwerkerschaft in den tagespolitischen Auseinandersetzungen Position bezogen und die revolutionäre Entwicklung teils zustimmend, teils kritisch verfolgten.90 Die Künstler mit ihren Karikaturen als Zeugen ihrer Zeit sahen dies anders. Muss dies Anlass sein, Forschungsergebnisse zu revidieren  ? 6.2.4 Die Verfassungsdiskussionen der Paulskirche in der Bildpublizistik

Mit der Eröffnung der Paulskirchenversammlung am 18. Mai 1848 verbanden sich große Erwartungen an eine politische Neuordnung Deutschlands. Medaillen, die auf diesen Anlass geprägt wurden, beschworen die deutsche Einheit 91 in Freiheit.92 Große Hoffnungen wurden in eine Stärkung der Volksrechte gesetzt. So zeigt die Vorderseite einer Zinnmedaille von F. Drentwett, wie zwischen zwei Bäumen die Sonne einer fortschrittlichen politischen Ordnung aufgeht  ; der Reichsadler schwebt über einem Band mit dem Motto »Seid einig« (Abb. 206). Auf der Rückseite reichen sich ein Ritter und ein Bürger über einem Altar die Hand, um eine neue Verfassung zu beschwören  ; die zerbrochenen Ketten vor dem Altar stehen für das Ende der alten Zwangsherrschaft. Das Motto der Schwurszene »Vereinigung für Volkes Rechte – für Volkes Wohl« umreißt die zentrale Zielsetzung der neuen Verfassung, wie sie von dieser politischen Gruppierung unterstützt wird.93 339

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Abb. 207  : Alfons von Boddien, Drei deutsche Professoren entwerfen den Entwurf des Entwurfs für die Verfassung des deutschen Reichsheeres, 1848

Die Hoffnungen, die in das Verfassungswerk der Paulskirchenversammlung gesetzt waren, hielten nicht lange an. Spätestens die Septemberunruhen und insbesondere der Aufstand von Handwerkern und Arbeitern in Frankfurt am 17./18. September 1848 – die Abgeordneten Fürst von Lichnowsky und General von Auerswald wurden ermordet, der Aufstand nur durch militärisches Eingreifen niedergeschlagen – ließ die Öffentlichkeit am Gelingen des Verfassungswerkes zweifeln. So wurde denn auch in der Bildpublizistik kein positives Bild vom Ringen um die neue Verfassung für Deutschland vermittelt. Kritisiert wurde, dass die Verfassunggebung nicht zügig vorangetrieben werde, die Antragsflut nicht bewältigt werden könne94 und das Verfassen von Entwürfen in die Hände wenig geeigneter Personen gelegt sei. Selbst aus der Mitte der Paulskirchenversammlung heraus wurde dies beklagt. Alfons von Boddien, ein in die Paulskirchenversammlung gewählter preußischer Offizier, wurde nicht durch seine politischen Aktivitäten, sondern als Karikaturist seines politischen Umfeldes bekannt. Eine Selbstkarikatur stellte er unter das bezeichnende Motto  : »Spricht sehr wenig, sitzt rechts und pinselt links«.95 Zu seinen Meisterwerken gehört die oft reproduzierte Karikatur »Drei deutsche Professoren entwerfen den Entwurf des Entwurfs für die Verfassung des deutschen Reichshee340

Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland

Abb. 208  : Wilhelm Völker, Parlament der Zukunft, 1848

res« (Abb.  207).96 Sie zeigt die drei Professoren Mittermaier, Beseler und Dahlmann, wie sie, mit langen Schlafröcken bekleidet, in bequemen Ohrensesseln an einem runden Tisch sitzen und vor sich hinschreiben. Ihre Gesichter sind von Zipfelschlafmützen verhüllt. Rechts in der Tür sieht man Robert Blum, den die Entwurfsschreiber nicht bemerken. Diese Karikatur entsprach der zeitgenössischen Kritik an der Rolle der Rechtsprofessoren in der Paulskirchenversammlung, die theoretische Grundsatzdebatten geführt hätten, aber zur praktischen Umsetzung des politisch Gewollten kaum in der Lage gewesen seien.97 Gibt die Graphik doch zu verstehen, dass die drei dem Ausschuss für den Entwurf einer Reichsverfassung angehörenden Wortführer in der Paulskirchenversammlung sich nur ihren eigenen Ideen verpflichtet fühlten und weder Einflüsse von außen aufnahmen noch miteinander diskutierten. Die »Schlafmützigkeit« der Szene kritisiert nicht zuletzt, dass das »Professorenparlament« die nötige politische Dynamik vermissen lasse. Zu den großen verfassungsrechtlichen Kontroversen in der Paulskirchenversammlung gehörte die Wahlrechtsfrage  : Sollte der Reichstag nach einem allgemeinen und gleichen oder nach einem Zensuswahlrecht gewählt werden  ? Diese Frage war nicht dadurch vorentschieden, dass die Wahlen zur Paulskirchenversammlung 341

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

nach einem weitgehend allgemeinen und gleichen (Männer-)Wahlrecht erfolgt waren. Die konservativen und ein Teil der liberalen Abgeordneten verwarfen das allgemeine und gleiche Wahlrecht mit Argumenten, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich oder Großbritannien immer wieder geäußert wurden  : Ein allgemeines und gleiches Wahlrecht würde zu einer Majorität der nicht besitzenden Klasse im Parlament führen, was zwangsläufig die Zerstörung der bürgerlichen Besitzverhältnisse und der überkommenen sozialen Ordnung zur Folge hätte. Zudem sei nur politisch mündig, wer, zu Besitz gekommen, über die nötige Zeit verfüge, sich mit öffentlichen Angelegenheiten zu befassen.98 Diese konservativen und liberalen Vorurteile gegen ein allgemeines und gleiches Wahlrecht visualisierte der in den Jahren der Revolution als Karikaturist tätige Biedermeiermaler Wilhelm Völker in recht derber Weise in einer 1848 in Frankfurt am Main verlegten Lithographie, die im Satyr publiziert wurde (Abb. 208). Unter dem Titel »Parlament der Zukunft« ist eine Horde von wilden Gestalten in schäbiger Kleidung zu sehen. Die Bildunterschrift nennt sie »Bummler«, denen das Besitz- und Bildungsbürgertum nur mit Verachtung begegnen kann. Der auf einem Fass stehende Wortführer fordert weitere Steuern für die »Geldsäcke«, ein zechendes und Karten spielendes Publikum beherrscht die Parlamentsszene. Links oben auf einem Podest zwischen zwei schwarz-rot-goldenen Fahnen sieht man mit verschränkten Händen, wohl als Zeichen der Brüderlichkeit, den linksliberalen Abgeordneten Arnold Ruge. Er gehörte zu den Verfechtern eines allgemeinen und gleichen Wahlrechts, seine seltsame Haltung deutet wohl auf die – aus Sicht des Künstlers  – nicht beachteten Konsequenzen seiner Anforderungen an das Wahlrecht. Nach langen Auseinandersetzungen entschied sich die Paulskirchenversammlung für ein allgemeines und gleiches Wahlrecht. Bei der diesen Beschluss begleitenden Bildpublizistik fällt im Vergleich zu Frankreich auf, dass es dort eine Reihe von Darstellungen gab, die die Durchsetzung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts als eine positive Errungenschaft der Revolution feiern.99 Vergleichbares findet sich in Deutschland nicht. Die deutsche Bildpublizistik war, sieht man von der noch zu erörternden Verabschiedung der Grundrechte ab, nicht bereit, über positive Leistungen der Paulskirchenversammlung zu berichten. Sie lag offensichtlich auf der Linie einer kritischen (ver-)öffentlich(t)en Meinung, der positive Leistungen des Parlaments gleichgültig waren. Nicht nur bei der Regelung des Wahlrechts, auch in der Frage der Staatsform war die Paulskirchenversammlung uneins. Eine Republik, wie von einigen radikaldemokratischen Abgeordneten gefordert, war nicht mehrheitsfähig. Vielmehr votierte die große Mehrheit für eine konstitutionelle Monarchie, wobei die Frage der kleindeutschen oder großdeutschen Lösung das Parlament spaltete. Zu den prominenten Vertretern einer kleindeutschen Lösung unter Führung eines preußi342

Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland

schen Erbkaisertums gehörte Friedrich Christoph Dahlmann, einer der »Göttinger Sieben« und später Professor in Bonn. Sein Eintreten und sein Scheitern bei der Durchsetzung der kleindeutschen Lösung wurden des Öfteren von der Bildpublizistik aufgegriffen. Auf einer Radierung von Friedrich Pecht, einem in damaliger Zeit bekannten Kunstkritiker und Maler, erscheint Dahlmann als kleindeutscher Chirurg.100 Mit einer Klistierspritze in der Rocktasche und einer Säge in der Hand rät er dem neben ihm sitzenden deutschen Michel, sein von einer österreichischen Krankheit infiziertes Bein, auf dem der österreichische Doppeladler zu sehen ist, amputieren zu lassen. Die Botschaft dieses Blattes ist, dass die österreichische Monarchie in einer schlechten Verfassung sei und nur ein kleindeutscher Bundesstaat zu politischer Stärke gelangen könne. Eine weitere Radierung dieses Künstlers verweist auf die religiöse Spaltung in Deutschland, die den Weg zur deutschen Einheit erschwert. Unter dem Titel »Die deutsche Trias« sieht man Dahlmann, wie er auf einer Art Bauchladen die Büsten von drei Kandidaten eines deutschen Erbkaisertums vor sich trägt.101 Diese bietet er einem neben ihm stehenden armselig-bäuerlich gekleideten deutschen Michel an. Dieser lehnt Friedrich Wilhelm IV. als zu lutherisch, Ferdinand I. von Österreich als zu katholisch und den bayerischen König Maximilian II. als zu klein ab. In einigen politischen Graphiken vom Ende des Jahres 1848 und vom Beginn des Jahres 1849 tritt Dahlmann als »Kaiser-Fabrikant« auf, um den Titel eines Blattes von Isidor Popper aufzugreifen (Abb. 209). In besagtem Druck öffnet sich im linken Bilddrittel der Blick in einen Kaisersaal. Die Bildmitte wird von Dahlmann beherrscht, der den Teig für eine neue deutsche Staatsform kneten möchte. Ihm stehen, wie man im Teig lesen kann, hierfür »absolute Monarchie, konstitutionelle Monarchie, Republik, Demokratie, Oligarchie, Aristokratie« zur Verfügung. Auf dem Boden steht ein Krug mit der Aufschrift »Volkswille« vor einer Krone, daneben ein großes Tintenfass mit »konstitutionelle Monarchie auf breitester demokratischer Basis« als Losung. Im rechten Bilddrittel befinden sich die Büsten dreier Monarchen, die jeweils als für das Verfassungsprojekt »unzulänglich« bezeichnet werden. Diese Karikatur mit dem überlebensgroßen Portrait von Dahlmann im Zentrum verdeutlichte bereits 1848 den Grund des Scheiterns der Paulskirchenverfassung  : Ein Erbkaisertum anzunehmen, das sich den Spielregeln eines demokratischen Staates beugt, war keiner der deutschen Landesherren bereit. So wird denn auch in einer äußerst kritischen Federlithographie von Wilhelm Völker Dahlmanns Einsatz für ein Erbkaisertum mit der Erschaffung eines »Golims« gleichgesetzt.102 Vor Mitgliedern der kleindeutschen Fraktion in der Paulskirchenversammlung, neben anderen ist Heinrich von Gagern, Georg Gottfried Gervinus und Hermann von Beckerath zu sehen, schürt Dahlmann das Feuer unter einem Tintenfass und bedient sich eines alchemistischen Rezeptbuchs. Aus dem Tintenfass erhebt sich ein kleiner, mit Tinte 343

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Abb. 209  : Isidor Popper, Herr Daalmann als Kaiser-Fabrikant, 1848

bespritzter Homunculus mit Kaiserkrone. Zu dieser Darstellung wird gedichtet  : »O Golim, o Golim, o Golim  ; / Wer hat denn den Golim erdacht / Den hat mit dem Gänskiel im Dintefass / Ein Bonner Professor gemacht.« Dem Bonner Historiker und Staatswissenschaftler macht der Künstler zum Vorwurf, die Spitze des Deutschen Reiches in der Paulskirchenverfassung ohne Berücksichtigung der politischen Realität bestimmt zu haben. Die Verfassung sei vom Schreibtisch des Wissenschaftlers aus konzipiert worden, sie sei aber angesichts der politischen Kräfteverhältnisse in Deutschland nicht lebensfähig.103 Das Ringen um die Paulskirchenverfassung wurde von der politischen Graphik der Jahre 1848/49 mit der Mahnung begleitet, sich den politischen Realitäten zu stellen und entschlossen die Verfassunggebung voranzutreiben. Die allerdings schwierige Mehrheitsbildung in der Paulskirchenversammlung karikiert Friedrich Pechts Kupferstich »Parlamentsschaukel« von 1848 (Abb. 210). In der Mitte eines Bretts über einem Holzbock steht der liberale Parlamentspräsident Heinrich von Gagern, zu seiner Linken eine Reihe demokratischer Abgeordneter, u. a. Blum 344

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Abb. 210  : Friedrich Pecht, Die Parlamentsschaukel, 1848

und von Itzstein, zu seiner Rechten eine Reihe konservativer Abgeordneter, u. a. Bassermann und Radowitz. Die Schaukel gerät aus dem Gleichgewicht, links und rechts stürzen einige Abgeordnete hinunter, ein Abgeordneter hält sich an der Deutschlandkarte fest und droht, diese zu zerreißen. Der Begleittext äußert die Befürchtung, dass sich keine politische Mitte finden lasse, um das Verfassungswerk zu vollenden. Denn wenn die politische Mitte nicht gehörig besetzt sei, würde dies zum Bruch der Parlamentsschaukel und damit zum Scheitern der Neuordnung Deutschlands führen. Insgesamt gesehen blickte die politische Graphik der Jahre 1848/49 mit Skepsis auf die Erfolgschancen des Paulskirchenparlaments. Optimismus oder gar Visionen für das Gelingen einer neuen politischen Ordnung wurden nicht verbreitet. Der Tenor war eher, dass eine konstitutionelle Monarchie auf demokratischer Grundlage bei den gegebenen politischen Verhältnissen kaum Aussicht auf Realisierung haben konnte.104 345

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

6.2.5 Das Entstehen und Vergehen der »Grundrechte des deutschen Volkes« in der politischen Graphik

Die Beratungen und die Verabschiedung der »Grundrechte des deutschen Volkes« fanden ein breites (bild-)publizistisches Interesse. Die Abgeordneten der Paulskirche waren zunächst der Ansicht, man könne sich relativ rasch auf eine Grundrechteerklärung einigen, doch dies erwies sich als Trugschluss. Heftige Kontroversen über den Sinn und Zweck deutscher Grundrechte und deren Formulierung zogen die Beratungen in die Länge. In der Bildpublizistik wurde kritisiert, dass die Diskussionen im Verfassungsausschuss für Grundrechte nur schleppend vorankamen.105 Zudem wurde befürchtet, dass der preußisch-österreichische Dualismus nicht allein die Grundrechteerklärung, sondern auch das Verfassungswerk insgesamt auseinanderbrechen lassen könnte. Dargestellt wird dies etwa in einer Graphik, in der zwei Gespanne einer mit dem Reichsadler als Wappen versehenen Pferdekutsche mit der Germania als Fahrgast von zwei Kutschern, einem preußischen und einem österreichischen Militärangehörigen, in unterschiedliche Richtungen angetriebenen werden. Folge ist, dass die Kutsche auseinanderbricht und die ins Schwanken geratende Germania unter dem entsetzten Ruf »Halt  ! Halt  ! Sonst geht die ganz’ Geschicht auseinander« neben Krone und Zepter ein Buch mit der Aufschrift »Grundrechte« verliert.106 Die Grundrechte des deutschen Volkes als Teil der Reichsverfassung sind es wert, so die Botschaft dieses Druckes, den preußisch-österreichischen Dualismus zu überwinden. Am 20. Dezember 1848 verabschiedete die Paulskirchenversammlung schließlich die »Grundrechte des deutschen Volkes«, was vom liberalen Bürgertum nachdrücklich begrüßt wurde. Der als Maler und Graphiker zu seiner Zeit sehr geschätzte Adolf Schroedter schuf hierzu eine großformatige kolorierte Lithographie (Abb. 211). Auf dieser wird die Grundrechtserklärung in Anlehnung an die überkommene religiöse Ikonographie versinnbildlicht. Die Grundrechte sind wie die mosaischen Gesetzestafeln auf zwei nebeneinanderstehenden Tafeln abgedruckt. In der Mitte dieser Tafeln stehen in Anlehnung an die Symbolik der Dreieinigkeit 107 die Germania in der Mitte, die auf einen die Fürstenherrschaft repräsentierenden Drachen und auf eine zerbrochene Kette als Symbol für die erlangte Freiheit tritt  ; links neben ihr steht, etwas kleiner, die Justitia sowie rechts die Libertas, die die neue Zeit begrüßt. Die Grundrechte mit den mosaischen Gesetzestafeln in Verbindung zu bringen, war seit der Französischen Revolution bekannt  ;108 die entsprechenden Darstellungen der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 in der französischen Publizistik dürften von dem Künstler übernommen worden sein. Doch es bleibt ein bedeutsamer Unterschied  : Nach dem Selbstverständnis der Nationalversammlung sind die Grundrechte des deutschen Volkes aus der deutschen Rechtsentwicklung 346

Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland

Abb. 211  : Adolf Schroedter, Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849

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Abb. 212  : Johann Baptist Scholl, Grundrechte des deutschen Volkes, 1849

hervorgegangen und haben nichts mit den naturrechtlichen Wurzeln der französischen Grundrechtsgewährleistung gemein.109 Insofern besteht also eine Differenz zwischen der Übernahme der französischen Symbolform und der national eigenständigen Positivierung der Grundrechte. Davon abgesehen handelt es sich hier aber um einen für Deutschland bemerkenswerten Versuch, die Grundrechteerklärung unterschwellig mit religiöser Symbolik zu verbinden und damit zu ihrer Legitimation und Akzeptanz beizutragen. In ein anderes Spannungsfeld führt die Lithographie »Grundrechte des deutschen Volkes« des Bildhauers und Graphikers Johann Baptist Scholl aus dem Jahr 1849 (Abb.  212).110 Hier sitzt der deutsche Michel auf einer Eiche und versucht krampfhaft, die Tafel mit den Grundrechten an zwei Seilen festzuhalten, die ihm ein Adeliger rechts und ein Jesuit links entreißen wollen. Beide sitzen in Zierpflanzen und stehen so außerhalb dessen, was das Symbol der Eiche als Nationalbaum der Deutschen vermittelt. Unten im Bild wird ein Tanz um die Eiche gezeigt, wie er aus Darstellungen des Freiheitsbaumes bekannt ist. Zu Michels Füßen im Geäst der Eiche haben sich ein Bauer und ein Revolutionär niedergelassen, ohne bei der Verteidigung der Grundrechte zu helfen – eine offene Kritik daran, dass sich 348

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breite Schichten der Bevölkerung nicht aktiv am Kampf um die Grundrechte beteiligten. Als dieser Kampf schließlich verloren gegangen war, blieb nur noch die resignierende Hoffnung auf eine bessere Zukunft  : In einer Graphik von W. Scholz im Kladderadatsch vom 19.  Januar 1850 wird unter dem Titel »Die Reaction am Baum der Freiheit« ein mit den Emblemen einzelner Grundrechte und anderer revolutionärer Forderungen versehener Baum von einem »Pfaffen« und einem Regierungsvertreter gefällt, während der Begleittext eine neue revolutionäre Bewegung prophezeit, der mehr Erfolg beschieden sein mag. Die Grundrechteerklärung ist, ohne dass revolutionärer Widerstand zu spüren war, in Preußen, Hannover und Bayern nicht publiziert und damit nicht in Kraft gesetzt worden. Dass die bayerische Monarchie nicht bereit war, die in der Paulskirche beschlossenen Grundrechte zur Geltung gelangen zu lassen, wurde 1849 in einer Karikatur aus dem Satyr festgehalten (Abb. 213)  : Unter dem Motto »Die deutschen Grundrechte auf Reisen« steht der Präsident der Nationalversammlung Heinrich von Gagern mit einem Handwagen vor dem »Wittelsbacher Hof«  ; auf dem Wagen befinden sich u. a. zwei Rollen mit der Aufschrift »Deutsche Grundrechte«, doch der Türsteher im weiß-blauen Rautenmantel weist ihn gemeinsam mit einem kläffenden Hund ab.111 Diese Graphik schildert die bayerischen Vorbehalte gegen die Grundrechteerklärung und gegen die Paulskirchenverfassung insgesamt aus der Beobachterperspektive, eine Kritik an der bayerischen Haltung oder gar ein Eintreten für die Veröffentlichung der Grundrechte im Gesetzblatt ist ihr nicht zu entnehmen. Neben Bayern war Preußen ein Land, in der die Grundrechteerklärung nicht anerkannt wurde. Insbesondere König Friedrich Wilhelm  IV. war ein erklärter Gegner jeglicher Verfassunggebung. Bereits nach seinem Regierungsantritt hatte er die Hoffnungen liberaler Kreise, dass nun endlich das schon 1815 von seinem Vorgänger gegebene Versprechen einer preußischen Verfassung eingelöst werden würde, enttäuscht. Im Jahr 1848 sah er sich erst unter dem Druck der revolutionären Ereignisse veranlasst, einige Zugeständnisse, etwa im Bereich der Pressefreiheit, zu machen und den preußischen Landtag als verfassunggebende Versammlung einzuberufen. Um die kritische Lage in Berlin zu beruhigen, richtete Friedrich Wilhelm eine Botschaft »An meine lieben Berliner«, in der er die eingeforderten politischen Reformen zusagte und die Abberufung der Truppen versprach, wenn der Barrikadenbau ein Ende findet. Das Militär wurde allerdings nicht aus Berlin abgezogen. Ganz im Gegenteil  : Am 18.  März 1848 vertrieben preußische Soldaten auf dem Berliner Schlosspark versammelte Bürger mit Waffengewalt, was Barrikadenkämpfe mit mehreren hundert Toten zur Folge hatte. Eine mutmaßlich von M. Hoffmann geschaffene Lithographie prangert voll beißenden Spottes diese Diskrepanz zwischen den politischen Versprechen »An meine lieben Berliner« und der gewaltsamen Aktion an (Abb.  214)  : Links steht Friedrich Wilhelm, mit Pi349

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Abb. 213  : Wilhelm Völker, Die deutschen Grundrechte auf Reisen, 1849

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Abb. 214  : M. Hoffmann, Neue Art eine Constitution zu geben, 1848

ckelhaube und Narrenkostüm bekleidet, als Richtkanonier.112 Eine Kanonenkugel, die die aufständischen Berliner vertreiben soll, aber in Anspielung auf ein Geschehnis während besagter Barrikadenkämpfe eine Brunnenanlage trifft, trägt die Adresse der königlichen Botschaft.113 Zugleich wird sarkastisch vermerkt, dies sei die »neue Art, eine Verfassung zu geben«.114 Drastischer noch als in diesem Druck wird dem König in einer späteren Graphik eine verfassungsfeindliche Gesinnung vorgeworfen. In ihr ist er als titelgebender »neuer Orestes« zu einem Mörder geworden, der die personifizierte Verfassung mit einem Dolch gemeuchelt hat (Abb.  215). Er wird wie sein antikes Pendant, der Muttermörder der griechischen Sage, von Rachegöttinnen verfolgt. Diese verkörpern in ihrer modernen Variante Demokratie und Sozialismus. Die Athene des Mythos ist derweil zur Reichsgewalt mutiert, ihren Schild ziert nicht ein Gorgonenhaupt, sondern der Reichsadler, anstelle eines Speeres hält sie ein Zepter und der Helm ist durch eine phrygischen Mütze mit Kokarde ersetzt, was die Verabschiedung einer freiheitlichen Verfassung in der Paulskirche assoziiert. Der vor ihr kniende »neue Orestes« buhlt, um ihre Gunst, indem er ihr ein Blatt mit der Aufschrift »Circular-Note« entgegenhält. Dabei handelt es sich mutmaßlich um die »Zirkulardepesche an die preußischen Gesandten bei den deutschen Regierungen« vom 23. Januar 1849.115 Diese zielte auf die Schaffung eines deutschen 351

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Abb. 215  :  Anonym, Der neue Orestes, 1849

Bundesstaates mit Preußen an der Spitze  ; die Bundesverfassung sollte zwischen der Nationalversammlung und den deutschen Regierungen vereinbart werden. Um der Rolle Österreichs in Deutschland gerecht zu werden, wurde ein weiterer Bund mit Österreich vorgeschlagen. In dieser Bildsatire wurden berechtigte Zweifel an der Ehrlichkeit des Reichsmodells der Zirkularnote geäußert  : Wie kann Preußen an der Spitze eines freiheitlich verfassten Reiches stehen, wenn es selbst zu einer demokratischen Verfassunggebung nicht in der Lage ist  ? Und was kann das Angebot eines von den nach seiner Krone greifenden Furien »Demokratie« und »Sozialismus« verfolgten Monarchen an die Reichsgewalt wert sein  ? Am Ende scheiterte, wie bekannt, die Schaffung einer Reichsverfassung ohnehin, und auch den »Grundrechten des Volkes« war keine Zukunft beschieden  : Sie wurden am 23.  August 1851 durch Beschluss der Bundesversammlung in Frankfurt 116 wieder aufgehoben. Bis dahin galten sie zwar formal, besaßen aber nach dem Scheitern des Verfassungswerkes keinerlei normative Kraft. Die Grundrechteerklärung der Paulskirche sollte erst später bei den Beratungen der Weimarer Verfassung 352

Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland

Abb. 216  :  Anonym, Der Gang nach dem Eisenhammer, 1851

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und des Grundgesetzes eine wichtige Rolle spielen. In der Bildpublizistik des Jahres 1851 fanden sich indes kaum Reaktionen, die die Aufhebung der Grundrechte bedauerten oder gar ihren zukunftsweisenden Charakter erkannt hätten.117 Im »humoristisch-satyrischen Wochenblatt Kladderadatsch« wurde diese resignierende Haltung in der Ausgabe vom 23. November 1851 in einer ganz besonderen Form gerechtfertigt  : Unter dem Titel von Schillers Ballade »Der Gang nach dem Eisenhammer« sieht man den »Frankfurter Hochofen«, in dem die Grundrechte mitsamt der Verfassung von Anhalt-Dessau vom 29. Oktober 1848 verbrannt werden (Abb. 216). Ein behäbig-spießbürgerlicher deutscher Michel mit seiner Schlafmütze (oder Freiheitsmütze  ?) in der rechten Hand fragt in Anlehnung an Schillers Balladentext  : »Was der Herr gebot, Ihr Knechte, ist’s geschehen  ?« Diese weisen auf den Ofen und sagen mit Blick auf die verbrennenden Grundrechte wiederum mit Schiller  : »Die sind besorgt und aufgehoben – Der Herr wird seine Diener loben  !« Das Publikum, dem diese Schillerballade geläufig war, konnte in dem Michel den frommen und treuen Fridolin der Ballade erkennen, der durch seine Frömmigkeit und ein gütiges Geschick vor dem Tode gerettet wurde, während mit den verbrennenden Grundrechten und dem ebenfalls verbrennenden Verfassungstext sein heimtückischer Widersacher assoziiert werden konnte. Im »Frankfurter Hochofen«, eine Anspielung auf die Bundesversammlung in Frankfurt, wurde demnach das den Flammen übergeben, was den deutschen Michel ins Verderben stürzen wollte. Warum gerade die Verfassung des an sich eher unbedeutenden Landes Anhalt-Dessau ebenfalls verbrannt wurde, war für das damalige politisch interessierte Publikum offenkundig  : Ihr Grundrechtsteil ging weit über die Gewährleistungen der »Grundrechte des Deutschen Volkes« hinaus. Zudem bestimmte sie, was aus konservativer Sicht noch bedenklicher war, in ihrem Art. 5 in Anlehnung an die belgische Verfassung von 1831, dass alle Gewalt vom Volke ausgehe.118 Mit diesem Bekenntnis zur Volkssouveränität und zu den verfassungspolitischen Forderungen der radikalreformerischen politischen Kräfte gehörte diese Verfassung ebenfalls in den »Frankfurter Hochofen« und war folgerichtig am 8. November 1850, also vor Erscheinen dieser Bildsatire, aufgehoben worden. 6.2.6 Vom Verfassungsenthusiasmus zum Wunsch nach Ruhe in der revolutionären Bildpublizistik am Beispiel Bayerns

Die verfassungspolitische Entwicklung in den deutschen Ländern wurde von einer beträchtlichen Zahl von Darstellungen begleitet, die teils zustimmend, teils kritisch an die jeweiligen Tagesereignisse anknüpften.119 In ihnen spiegelt sich Verfassungseuphorie ebenso wider wie der Wunsch, es möge alles so bleiben, wie es ist. Dies soll am Beispiel Bayerns verdeutlicht werden. Dort führte die Lola-Montez-Affäre bereits Ende Januar und im Februar 1848 zu tumultartigen Demonstra354

Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland

tionen gegen die bayerische Regierung und gegen den König. So hatte die Märzbewegung in Bayern wegen der ohnehin äußerst angespannten innenpolitischen Situation gute Erfolgsaussichten. Nur sehr widerwillig akzeptierte König Ludwig  I. den Rahmen für eine Verfassungsreform. Zu einem Schulterschluss von Bürgertum und der bayerischen ersten Kammer kam es, als deren Präsident, Fürst Karl von Leiningen, als Erster die Bürgeradresse mit den Märzforderungen unterzeichnete.120 Deren Kern waren volle Pressefreiheit, allgemeine Volksbewaffnung, Vereidigung des Heeres auf die Verfassung sowie Neuwahlen zur zweiten Kammer nach einem demokratischen Stimmrecht. Die revolutionären Ereignisse zwischen dem 2. und 6. März 1848 in München wurden in der Bildpublizistik enthusiastisch gefeiert.121 Auf einer Lithographie wird der 6. März 1848 als »Glanz- und Jubeltag in Bayerns Geschichte« glorifiziert (Abb.  217). Unter dem Motto »Des Volkes Recht ist anerkannt, der Jubel geht durch’s ganze Land« sieht man die Vereidigung des Militärs auf die Verfassung und sie begleitende Jubelszenen  ; im Hintergrund geht über München die Sonne auf, darüber schwebt, in neuem Glanz, die Dynastie der Wittelsbacher in Gestalt König Ludwigs I. und seiner vier Söhne, die von drei Engeln geleitet werden, von denen einer mit den Attributen der Justitia versehen ist. Mit dem Versprechen, die bürgerlichen Forderungen zu erfüllen, konnte König Ludwig I.  die Münchener Unruhen zunächst beenden. Eine Zinnmedaille des Augsburger Medailleurs F.  Drentwett (Abb.  218) feiert auf ihrer Rückseite die Märzerrungenschaften, während die Vorderseite identisch ist mit dem Avers der oben gezeigten Medaille auf die Eröffnung der Paulskirchenversammlung (Abb.  206). Die Darstellung hat nun aber einen anderen Bezug, nämlich nicht mehr den Schulterschluss von Bürgertum und Adel. Auf der Rückseite sind vielmehr als »Errungenschaft des bayerischen Volkes« u. a. die freie Presse, das Polizeigesetz, der Eid des Militärs auf die Verfassung, die Wahlrechtsreform und die Ministerverantwortlichkeit genannt.122 Auf dem im März 1848 eröffneten außerordentlichen Landtag wurde eine Reihe von Reformgesetzen verabschiedet 123 und damit den Forderungen der liberalen Kräfte entsprochen. Noch im selben Jahr ließ König Maximilian II. als Nachfolger von König Ludwig I., der sich am 20. März 1848 nach einer Verschärfung der revolutionären Situation zum Abdanken gezwungen sah, einen Geschichtstaler auf die Reform der verfassungsrechtlichen Grundlagen prägen (Abb.  219). Auf dem Revers steht die Bavaria, die sich auf ein Postament stützt, auf dem ein Blatt mit der Aufschrift »Verfassung« liegt.124 Die Begeisterung für diese neue Verfassung währte indes nur kurze Zeit. Auf zahlreichen Darstellungen in den kommenden Monaten wird deutlich, dass nach der Radikalisierung der Revolution und nach den militanten Auseinandersetzungen in Bayern vielfach der Wunsch nach Normalität bestand. Beredten Ausdruck 355

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Abb. 217  : C. Hohfelder, Der 6. März 1848, 1848

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Abb. 218  : F. Drentwett, Vereinigung für Volkes Rechte – Für Volkes Wohl, 1848

Abb. 219  : Geschichtstaler auf die bayerische Verfassung von 1848

fand dies in einem sarkastischen Spruch, der in Karikaturen mehr als einmal bemüht wurde  : »A Ruh woll’n M’r Hab’n«. Unter diesem Titel liest in einer von Carl Grünwedel stammenden Graphik ein gemütlich beim Bier sitzender und zufrieden seine Pfeife rauchender Münchener Bürger im Schlafrock den konservativen Volks­ boten,125 in einer gleichermaßen überschriebenen anonymen Lithographie schafft ein »Münchner Exemplar« des deutschen Michel die Bürgerwehrwaffen zurück ins Zeughaus126, und in einem weiteren Druck begleitet der Ausspruch eine turbulente Wirtshausszene mit rundum zufriedenen Gästen (Abb. 220). In der Bildunterschrift wird klargestellt, warum sie wunschlos glücklich sind  : Sie haben in Bayern alles, was sie brauchen, ein Stadtgericht etwa und auch ein Oktoberfest 357

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Abb. 220  :  Anonym, A Ruh woll’n m’r hab’n

nebst Bratwürsten. Was sie nicht brauchen, sind »Reichslumpen« und die »Constitutionelle Zeitung« – eine alte Frau, die diese verkaufen will, wird von mehreren Anwesenden unmissverständlich des Saales verwiesen. Bayern ist sich selbst genug, soll dies vielleicht heißen  ; eines Deutschen Reiches auf der Grundlage der Paulskirchenverfassung bedürfen seine Bewohner nicht.127 6.2.7 Die damnatio memoriae und die negative Besetzung der Revolution von 1848

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Bildpublizistik der Jahre 1848/49 repräsentierte das politisch-rechtliche Bewusstsein der unterschiedlichen Gruppierungen, die die revolutionären Ereignisse vorangetrieben bzw. sich mit diesen kritisch auseinandergesetzt hatten. Nach dem Ende der Revolution trauerten manche mit Wehmut um die gescheiterte Verfassungsrevolution128 und die Vergänglichkeit ihrer Symbolik 129. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik spiegelt aber auch das kollektive Bewusstsein jener Jahre, das aus einer Art von Zuschauerperspektive wenig politisches Engagement zeigte und sich nach den revolutionären Unruhen mehrheitlich den restaurativen Kräften anschloss  : Nach den Ausbrüchen revolutionärer Gewalt verstärkte sich die Bereitschaft, diejenigen politischen Kräfte zu akzeptieren, die die Sicherheit und Ordnung wiederherstellten.130 Die nachrevolutionäre Bildpublizistik begrüßte überwiegend den Sieg der reaktionären Kräfte. Sie schilderte teils in derber Form das Ende der Verfassungge358

Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland

Abb. 221  : Ferdinand Schröder, Das große Insiegel des deutschen Reichs, 1849

bung 131 und eine gewaltsame Befreiung des deutschen Michel von seinen konstitutionellen Ideen und Versuchen132. Unterschwellig wurde assoziiert, die Revolution von 1848/49 habe wie eine Sintflut die gute politische Ordnung untergehen lassen133 und das Land in chaotische Zustände gestürzt. Wer sich für eine deutsche Republik eingesetzt hatte, musste, was die Bildpublizistik aufgriff, nach dem Scheitern der Revolution emigrieren134 oder wurde bestraft. Mittels staatlicher Repression sollten die republikanischen Prinzipien und die revolutionären Forderungen stigmatisiert und aus dem kollektiven politisch-rechtlichen Bewusstsein verdrängt werden. Die allerdings schwerste Strafe nach dem Scheitern der revolutionären Ideale war die Rückkehr zur alten Ordnung, was Ferdinand Schröder, jedoch nicht auf den ersten Blick erkennbar, 1849 in einer Karikatur des deutschen Reichssiegels in den Düsseldorfer Monatheften zeigte (Abb. 221)  : Die Germania traktiert in drastischer Weise den deutschen Michel mit Rutenschlägen auf das nackte Gesäß, weil er sich für »Liberté«, »Egalité« und »Fraternité« eingesetzt hatte.135 Dabei wird »Liberté« sarkastisch mit einem Mann gleichgesetzt, den das Militär an die Kette gelegt hat, »Fraternité« stellt sich als Bürger in zerrissener Kleidung gegenüber einem Bürger mit Geldsack dar, während »Egalité« sich nur noch im Gleichschritt 359

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Abb. 222  : Alfred Rethel, Auch ein Totentanz. Viertes Blatt, 2. Aufl., 1849

des Militärs finden lässt. Darunter steht die alte und neue Losung »Mit Gott für König und Vaterland«. Aus Sicht dieser polemischen Graphik hatten Militär und Besitzbürgertum die von der Revolution beabsichtigte freiheitliche Ordnung verhindert und einen neuen Zustand der Unfreiheit herbeigeführt. Das, was das Publikum sehen wollte und den nachrevolutionären Zeitgeist wohl am ehesten erfasste, drückte 1849 eine Graphikfolge aus, die Tod und Zerstörung zum Sinnbild der Revolution machte und damit die neuerliche Restauration der überkommenen konstitutionellen Monarchie auch durch Schüren von Angstgefühlen legitimierte  : Alfred Rethels Holzschnittzyklus »Auch ein Totentanz«, Ende 1848 begonnen und kurz nach den Maikämpfen 1849 publiziert, folgt der Leitidee, dass die Revolution Unordnung und Tod bringt.136 Auf dem vierten Blatt wird der Revolutionär mit einem Schwert, auf dem »Volks Justiz« eingraviert ist, als Demagoge in Totengestalt dargestellt (Abb. 222). Im Begleittext spricht der revolutionäre Demagoge zum Volk, was ihm ein neben ihm stehender Republikaner mit einer entsprechend beschrifteten Fahne in der Hand einflüstert  : »Durch dich spricht Gott  ! durch dich allein  !« – eine Assoziation an seit dem ausgehenden Mittelalter geläufige »vox populi, vox dei«-Vorstellungen, 360

Reformeifer und Kritik an der Reformfähigkeit in Deutschland

Abb. 223  : Eduard Ille, Noch ein Todtentanz. Sechstes Blatt  : Die Freiheit besiegt den Tod, 1849

die demokratische Entscheidungen oder eine Orientierung an der öffentlichen Meinung rechtfertigen, aber in revolutionären Zeiten unter dem Beifall der Massen auch eine Blutjustiz legitimieren können. Auf einigen Bildern kommen der Heckerhut oder, wie auch hier, die Heckerstiefel als Bekleidung des Totengerippes hinzu. Der Revolutionär Hecker wird so zur Inkarnation todbringender revolutionärer Gewalt. Abgesehen von diesem Zeitbezug paraphrasierte Rethel Bildvorlagen, die dem Bildungsbürgertum bekannt waren und zur Assoziationskraft beitrugen. Der reitende Tod im zweiten Blatt erinnert an Dürers vier apokalyptische Reiter, die Waage im weiter oben reproduzierten dritten Bild (Abb. 63) gehört zu den Attributen des Todes in Totentanzdarstellungen.137 Wenn dort zudem ein Plakat mit der Aufschrift »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« zu sehen ist, so sind dies in ihrer politischen Bedeutung nicht unumstrittene Parolen der deutschen Revolution.138 Assoziiert wird in diesem Kontext zudem die in der Terreur endende Französische Revolution von 1789, was jeder Betrachter erkennen musste. Rethels Totentanz war die bekannteste bildliche Abrechnung mit der 1848er Revolution. Sie war in allen Schichten verbreitet 139 und trug so zu einer revolutionskritischen Mentalität in den folgenden Generationen bei. 361

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Rethels Stigmatisierung revolutionärer Umwälzung blieb allerdings nicht ohne Entgegnung. So wie Rethel die revolutionäre Freiheit mit Tod und Untergang verbindet, kommt es in Eduard Illes »Noch ein Todtentanz« (Abb. 223) zu einem guten Ende, in dem die Freiheit den Tod besiegt  : Auf dem abschließenden sechsten Blatt sieht man die vor einer knorrigen »deutschen« Eiche stehende Germania, wie sie als Verkörperung der erkämpften Freiheit das Totengerippe, das wie bei Rethel ein Schwert hält, in sich zusammensinken lässt. Von Freiheitssymbolen ist bei der Germania allerdings nichts mehr zu erkennen, nur der Bildtitel verweist auf die Sinngebung des Künstlers. 6.3 Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der französischen und deutschen Bildpublizistik Die Unterschiede zwischen der französischen und deutschen Bildpublizistik der Revolution von 1848/49 liegen auf der Hand  : In Frankreich orientierte man sich an der Durchsetzung einer republikanischen Ordnung  ; bei dem Streit um eine gemäßigte oder sozialistische Republik ließ sich nicht allein auf die Erfahrungen während der Französischen Revolution, sondern auch auf deren Freiheits- und Verfassungssymbolik zurückgreifen. In Deutschland dagegen begnügte man sich überwiegend mit den überraschend schnell durchgesetzten Märzforderungen und dementsprechend mit einer Reform der konstitutionellen Monarchie. Die Bildpublizistik verwies allerdings wiederholt auf die Frontlinie zwischen einer auf die Volkssouveränität gegründeten konstitutionellen Monarchie und einer Republik. Da dieser Kampf um die Verfassungsreform durch keine eigenständig entwickelte Symbolik begleitet werden konnte, übertrugen die deutschen Künstler teilweise die französische Freiheits- und Verfassungssymbolik auf die deutschen Auseinandersetzungen. So gesehen beherrschte eine identische Symbolform die französische und deutsche Bildpublizistik von 1848/49, die mit ihr angestrebten Verfassungsreformen waren jedoch in beiden Ländern grundverschieden. Die französische Bildpublizistik war von einer kämpferischen Parteinahme geprägt. Ihre Visionen einer republikanischen Ordnung und einer sozialen Demokratie, ihr Einsatz für ein allgemeines Wahlrecht und ein Recht auf Arbeit, ihre teils derbe Kritik am politischen Gegner dienten vielfach der politischen Propaganda, um bei anstehenden Wahlen mehrheitsfähig zu werden. Dem diametral entgegengesetzt verhielt es sich in Deutschland  : Die verfassungspolitische Graphik erlebte zwar eine bis dahin nicht erreichte weite Verbreitung. Sie war aber in der Regel nicht von revolutionärem Elan getragen, zu einer politischen Propaganda in Reformabsicht wurde sie allenfalls am Rande eingesetzt. Die Künstler in Deutschland pflegten eine fast unbeteiligte Sicht auf die verfassungspolitischen 362

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Entwicklungen. Mit Kritik an der Arbeit der Paulskirchenversammlung wurde nicht gespart, an der Fähigkeit »des« Deutschen zu einer revolutionären Verfassungsreform wurde immer wieder gezweifelt. Revolutionärer Elan konnte von einer solchen verfassungspolitischen Graphik nicht ausgehen. Eine Gemeinsamkeit zwischen Frankreich und Deutschland besteht in einer gewissen Ernüchterung nach den revolutionären Gewaltausbrüchen. So wurde in Frankreich die Jakobinermütze nicht nur aus der Staatsrepräsentation, sondern als ein Symbol revolutionärer Gewalt auch in kritischen Presseorganen verbannt. Die französische Verfassung von 1848 verhieß kein »auf zu neuen Ufern«. Sie vermochte nach den verfassungspolitischen Auseinandersetzungen keinen Konsens zu stiften und stieß in der Bildpublizistik auf eine eher kritische Resonanz. Ihr Außerkraftsetzen durch Napoleon III. wurde von der politischen Graphik, wohl auch wegen der Pressezensur, kaum wahrgenommen. In Deutschland verhielt es sich nicht viel anders. Ein Großteil der verfassungspolitischen Bildpublizistik begrüßte das Scheitern der Revolution von 1848. Die Konfrontation mit revolutionärer Gewalt und das Scheitern der Bundesverfassung an unüberbrückbaren politischen Spannungen, aber auch die Verfassunggebung in Preußen und Österreich ließen das nur kurz aufgeflackerte Revolutionsfieber erlöschen. Weder in Frankreich noch in Deutschland trauerte die politische Graphik der gescheiterten Revolution nach.

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7. Ein Blick gen Westen  : die Freiheits-  und Verfassungssymbolik in den Anrainerstaaten des Atlantik seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert

Haben sich die bisherigen Ausführungen zur Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert mit Ländern auf dem europäischen Festland beschäftigt, so wird in diesem Kapitel der Blick weiter nach Westen gerichtet. Dort finden sich mit Großbritannien, den Vereinigten Staaten von Amerika und mehreren Staaten Süd- und Mittelamerikas weitere Länder, in denen die verfassungsstaatliche Entwicklung seit dem ausgehenden 18.  Jahrhundert von der Freiheits- und Verfassungssymbolik begleitet wurde. In diesen Anrainerstaaten des Atlantiks kam es bei der Durchsetzung der verfassungsstaatlichen Idee und einer freiheitlichen politischen Ordnung zu einem wechselseitigen Austausch und auch Transfer von politischen Ordnungsvorstellungen und Idealen. In einem atlantischen Diskurs um persönliche und politische Freiheit wurden außerhalb des westlichen Kontinentaleuropa Symbolformen dominierend, die dort seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert u. a. den Paradigmenwechsel zu einem freiheitlichen und republikanischen Staat sichtbar machten.1 Bei aller Gemeinsamkeit in den verfassungsrechtlichen Leitideen ist jede Nation ihren eigenen Weg in den Verfassungsstaat gegangen. In dieser Perspektive thematisierte die Freiheits- und Verfassungssymbolik auf dem westeuropäischen Kontinent insbesondere in Frankreich die Entwicklung von der absoluten über die konstitutionelle Monarchie zur Republik. In Großbritannien wurde die bereits vor der Französischen Revolution vielfältig verwendete Freiheits- und Verfassungssymbolik im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert von Befürwortern wie von Gegnern einer Verfassungsreform instrumentalisiert. In den Vereinigten Staaten von Amerika diente sie der Visualisierung der Freiheit als Gründungsmythos. In den Staaten Süd- und Mittelamerikas verband sie sich mit dem Freiheitskampf zur Durchsetzung einer republikanischen Ordnung. Die Idee der Freiheit, die der atlantischen Zivilisation vorausliegt und die der Verfassungsstaat gewährleistet, wurde im Prozess der Ausbreitung in der westlichen Welt durch eine transnationale Freiheitssymbolik visualisiert, die trotz unterschiedlicher nationaler und politischer Kontexte einer fast identischen Formgebung folgte. Die verschlungenen Wege dieses Symboltransfers werden in diesem Abschnitt nachgezeichnet. Dabei werden wir immer wieder auf französische Künstler stoßen, deren herausragende symbolische Formgebung vor allem in Ame365

Ein Blick gen Westen

rika2 die Gestaltung des Umlaufgeldes im 19. und bis weit in das 20. Jahrhundert bestimmt hat. 7.1 Zwischen Reformforderungen und Verteidigung des Status quo  : die Freiheits- und Verfassungssymbolik in Großbritannien im Gefolge der Französischen Revolution und zu Beginn des 19. Jahrhunderts In Großbritannien fanden, wie oben dargelegt, Freiheits- und Verfassungssymbole bereits vor 1789 häufig in politischen Druckgraphiken Verwendung. Derartige Drucke hatten ganz überwiegend eine regierungskritische Funktion. Dies sollte sich im Gefolge der Französischen Revolution ändern. Zwar gab es auch in den 1790er Jahren einige Graphiken, in denen Sinnbilder der Freiheit in einer traditionellen Weise verwendet wurden, meistens wurden sie nunmehr aber herangezogen, um in der Anfangsphase der Revolution eine positive Haltung ihr gegenüber zum Ausdruck zu bringen oder später umgekehrt die neuen französischen Verhältnisse zu schmähen und ihnen aufgeschlossen gegenüberstehende Befürworter einer Reform des politischen Systems in Großbritannien zu attackieren. Nach deren Ansicht sollten Teile des französischen Verfassungsmodells auf das eigene Land übertragen werden.3 Diesen Reformern, bisweilen irreführend als englische oder britische Jakobiner bezeichnet, wurde von Unterstützern des Status quo die allen französischen und aufklärerischen Modernismen überlegene Tradition der freiheitlichen britischen Verfassung entgegengehalten. Die nach 1789 einsetzende hitzige Reformdiskussion4 war in der britischen öffentlichen Meinung ganz wesentlich von den traditionellen Vorurteilen gegenüber dem immer schon für despotisch erachteten Frankreich und nunmehr zusätzlich von Kritik an der dortigen für anarchisch gehaltenen revolutionären Entwicklung beherrscht. Im Widerschein der Französischen Revolution entwickelte sich in der britischen Bildpublizistik eine ebenso allgemein frankreichkritische5 wie speziell gegenüber der »revolutionären« Freiheit und der französischen republikanischen Verfassung kritische politische Symbolik, die der Propaganda gegen die revolutionären Ideen diente. In diesem Bereich lag der Schwerpunkt der damaligen Bildpublizistik, denn zwei Drittel der zwischen 1789 und 1802 erschienen englischen Druckgraphiken hatte einen Frankreichbezug.6 Zu den tieferen Gründen der Distanz zur politischen Entwicklung in Frankreich gehörte u. a. die unterschiedliche Wertschätzung der Werke politischer Aufklärung. Anders als im Frankreich des ausgehenden 18.  Jahrhunderts waren die Werke der Aufklärung in Großbritannien umstritten, was sich auch in deren symbolhaften Vermittlung widerspiegelt. In den englischen Bildsatiren wurde an der französischen 366

Zwischen Reformforderungen und Verteidigung des Status quo

Aufklärungsphilosophie eine vernichtende Kritik geäußert. So zeigt die Graphik eines anonymen Künstlers unter dem Titel »The Philosopher Libertas Mounted on his Equal Setting out to Conquer the World«,7 wie ein Revolutionssoldat in der Gestalt eines militärisch gekleideten Sansculotte mit einer großen Jakobinermütze auf einem Esel als »seinesgleichen« reitet und dabei von einer Furie angetrieben wird, die Welt zu erobern. Die Dekrete der Nationalversammlung in seiner mit einer Guillotine bemalten Satteltasche werden als »das Ergebnis der Träume der modernen Philosophen« bezeichnet  ; auf seiner Standarte ist vermerkt, dass eine Durchsetzung der »philosophischen« Freiheit in den eroberten Ländern Vermögenskonfiskation und Tod auf der Guillotine bedeuten würde.8 Mit einigen Ergänzungen wurde diese offenbar sehr populäre Graphik auf die italienischen Verhältnisse nach den französischen Eroberungszügen zugeschnitten und in Italien verbreitet (Abb.  154). Dieser englisch-italienische Gleichklang in der frankreich- und philosophiekritischen Bildsatire zeigt einmal mehr, dass es in den Jahren der Französischen Revolution in Westeuropa über die nationalen Grenzen hinweg einen lebhaften Austausch zwischen den Produzenten politischer Graphik gegeben hat. Aber auch die angelsächsische Aufklärungsphilosophie stand in der Kritik. Dies gilt etwa für die Schriften von Thomas Paine, dessen »Common Sense« (1776) und »Rights of Man« (1791/92) nicht nur in den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch in Europa eine große Leserschaft fanden. Mit seiner Forderung nach einer republikanischen Ordnung, die auf dem allgemeinen Männerwahlrecht und nicht auf dem Zensuswahlrecht beruht, mit seiner Befürwortung von Revolutionskriegen, um die despotischen Regimes in Europa zu beseitigen, und mit seinem Eintreten für die Verbesserung der Lage der unteren Klassen gehörte er zu den radikalsten Publizisten des ausgehenden 18. Jahrhunderts.9 Als Gallionsfigur radikaler Gesellschaftsreform wurde er zu einer beliebten Persönlichkeit gegenrevolutionärer Angriffe. Eine kolorierte Radierung von Isaak Cruikshank brandmarkte ihn als militanten Gegner der britischen Gesellschaftsordnung. In dem im Dezember 1792 publizierten Blatt mit dem Titel »Wha wants me«10 erscheint er als bewaffneter Revolutionär, der nicht nur die Magna Charta, sondern alle Werte der britischen Gesellschaftsordnung  – auf dem Boden liegende Papierschnipsel benennen u. a. Religion, Moral, persönliche Sicherheit und Gerechtigkeit  – mit Füßen tritt und damit zu zerstören beabsichtigt. Wie seine Schriften in Großbritannien teils zustimmend, teils kritisch11 gewürdigt wurden, zeigt ihre Vermittlung durch die damals dort geläufigen Token. Diese waren ein wegen Münzknappheit geschaffenes, weitverbreitetes privates Münzgeld, das nicht allein als Zahlungsmittel, sondern auch der Werbung und der politischen Propaganda diente. Zu den politisch engagierten Gestaltern dieser Token gehörte u. a. Thomas Spence, ein radikalreformerischer Schriftsteller und Produzent von Medaillen, den man als »genius of propaganda« bezeichnet hat.12 367

Ein Blick gen Westen

224: Thomas Spence, »Tree of Liberty«Token, 1795

Sein »Tree of Liberty«-Token (Abb. 224), um nur einen zu nennen, zeigt auf dem Avers vier sich an den Händen haltende Männer, die einen Pfahl wie einen Maioder Freiheitsbaum umtanzen. Auf dem durch die Umschrift als »Tree of Liberty« identifizierten Pfahl steckt nicht ein Liberty Cap, sondern ein abgetrennter Kopf. Es ist derjenige von William Pitt d. J., dem Premierminister und einem der Hauptfeinde der radikalen Bewegung in den 1790er Jahren. Die Umschrift auf dem Revers spricht von den »Noted Advocates for the Rights of Man«, in der Mitte wird auf Thomas Spence, Sir Thomas More und Thomas Paine verwiesen. Spence hat sich selbst verewigt, weil er behauptete, als Erster die Phrase »Rights of Man« geprägt zu haben.13 Auf die Token mit menschenverachtenden Angriffen14 reagierte die konservative Seite mit gleicher Münze. Ein Token aus einer Serie mit der Darstellung von Henkerszenen zeigt, wie die drei »Noted Advocates for the Rights of Man« nebeneinander an einem Galgen hängen.15 Auf einem weiteren Token ist der an einem Freiheitsbaum erhängte Thomas Paine zu sehen, was die Rückseite folgendermaßen kommentiert  : »May the tree of liberty exist to bear Tommy’s last friend.«16 Thomas Paine mit der Umschrift »The End of Pain« hängt auf einem dritten HenkerszenenToken wiederum an einem Galgen, wobei der Avers ein aufgeschlagenes Buch mit »The Wrongs of Man« betitelt.17 Bei diesem jenseits allen politischen Anstands 368

Zwischen Reformforderungen und Verteidigung des Status quo

geführten Kampf zwischen radikalen und konservativen Token-Gestaltern bzw. -Produzenten handelt es sich um ein bemerkenswertes Beispiel, wie (aus heutiger Sicht) Klassikertexte in Symbolform affirmativ und pejorativ im Umlaufgeld vermittelt wurden. Derartige Token wurden auch eingesetzt, um auf Erfolge im Kampf gegen die konservative Regierung zu verweisen.18 Genannt seien nur Token von Rechtsanwälten, die die Verteidigung von radikalen Kritikern der politischen Ordnung zu übernehmen bereit waren und dies offensichtlich auch erfolgreich konnten. Auf dem Revers eines dieser Token19 sieht man zwei Männer, die eine Schriftrolle mit der Aufschrift »Bill of Rights« halten, wobei zudem auf ein mit »Magna Charta« beschriftetes verwiesen wird. Die Umschrift »Erskine and Gibbs and Trial by Jury« verweist auf ihren Anwaltsberuf und macht auf ihre erfolgreiche Prozessführung im Namen der englischen Freiheit aufmerksam. Diese »Münzgeldwerbung« in eigener Sache erfolgte nicht ohne Grund  : Thomas Erskine war nicht allein ein in den Reihen der liberalen Opposition prominenter Unterhausabgeordneter. Er genoss auch als erfolgreicher Verteidiger in Hochverratsprozessen gegen radikaldemokratische Aktivisten eine gewisse Berühmtheit.20 Verlassen wir den Bereich der Kritik an der politischen Philosophie der Aufklärung und der öffentlichkeitswirksamen Propaganda durch das Medium des Münzgeldes und wenden uns den britischen Reaktionen auf die Französische Revolution zu. Deren Beginn, vor allem der Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789, wurde von der Bildpublizistik wie von der öffentlichen Meinung in Großbritannien und Europa insgesamt, wenn nicht begrüßt, so doch wohlwollend verfolgt.21 James Gillray, einer der damals anerkanntesten und mit weit über tausend Graphiken und Illustrationen fruchtbarsten Künstler der politischen und gesellschaftskritischen Graphik,22 stand den Ideen der Französischen Revolution zunächst nahe, geißelte aber später die politische Entwicklung in Frankreich. Diese Kehrtwendung machte er vielleicht auch darum, weil sich in Großbritannien frankreichkritische besser als frankreichfreundliche Graphiken vermarkten ließen. »The Offering to Liberty« (Abb. 225) gehört zu einer seiner frühen Radierungen, die die revolutionäre Entwicklung in Frankreich noch positiv würdigte.23 Sie zeigt, wie die Liberty, zur »Goddess of the Noble Mind« erhoben, von dem vor ihr knieenden Ludwig  XVI. die Königskrone angeboten erhält. Angesichts dieser Huldigung äußert die Liberty, der König solle von ihr die Krone zurückerhalten. Der französische König ist nunmehr also ein Monarch, der seine Legitimation von der Idee der Freiheit herleitet. Die im Hintergrund aufgehende Sonne symbolisiert, dass eine freiheitliche Monarchie den Despotismus des Ancien Régime überwunden habe.24 Die Darstellung der Liberty als Gottheit entspricht englischen Vorbildern und assoziiert damit, dass sich in Frankreich eine Entwicklung vollzieht, die der Glorreichen Revolution vergleichbar ist. 369

Ein Blick gen Westen

Abb. 225  : James Gillray, The Offering to Liberty, 1789 Abb.

Einige wenige Graphiken gehen darüber hinaus und wollen die französischen Rechtsund Verfassungsreformen auf Großbritannien übertragen. So vergleicht der bereits angesprochene James Gillray in einer Radierung von Ende Juli 1789 unter dem Titel »France. Britain. Freedom. Slavery«25 ein freiheitliches Frankreich mit der Sklaverei in Großbritannien. Auf der linken Seite des zweigeteilten Blattes sieht man den französischen Finanzminister Jacques Necker, der vor der zerstörten Bastille wie ein König auf den Schultern einer großen Menschenmenge getragen wird und eine Stange mit einer blauen Freiheitsmütze in seiner rechten Hand hält. Auf der rechten Seite befindet sich der Premierminister und Gegner der Französischen Revolution William Pitt d. J., der wie ein Sklavenhalter dargestellt ein Banner trägt, auf dem Fesseln und Geißeln als Symbole der Unterdrückung gemalt sind.26 Vor ihm kniet eine ganze Reihe von Personen, darunter der König, die er an Ketten gefesselt hält. Anlass für diesen äußerst kritischen englisch-französischen Vergleich war einmal mehr die von Pitt d. J. vorgeschlagene Umwandlung von Tabakzöllen in Verbrauchsteuern, was bereits zu früherer Zeit zu heftiger Kritik in der Bildpublizistik geführt hatte.27 Ein wesentliches Thema der auf die Ereignisse in Frankreich reagierenden Graphiken war die grundsätzliche Frage, ob das revolutionäre französische oder das etablierte britische politische System als ein Hort der Freiheit anzusehen war. Anfang der 1790er Jahre war »constitution« in England ähnlich wie in Frankreich zu einem Modebegriff geworden.28 Der Antagonismus von Verfassungskontinuität oder -reform stand stärker als in den Jahrzehnten zuvor im Zentrum der innenpolitischen Kontroversen. Es wurde darüber gestritten, welche Verfassung Großbritannien ziemte, die überkommene oder eine vielleicht sogar mit Blick auf das revolutionäre Frankreich von Grund auf neu geordnete. Zu Beginn der Französischen Revolution konnte Frankreich etwa in Fragen der Parlamentsreform als ein leuchtendes Beispiel bemüht werden. So spielte William Dents im Januar 1790 erschienene Radierung »The National Assembly or Mee370

Zwischen Reformforderungen und Verteidigung des Status quo

ting of the Three Estates« 29 auf die Erklärung der französischen Generalstände zur Nationalversammlung an. Mit einer in die Zukunft weisenden Liberty, die ein Wappenschild mit den bourbonischen Lilien hält, wurde hier dafür geworben, mit der englischen Tradition zweier parlamentarischer Kammern zu brechen und das französische Beispiel eines Parlamentes mit nur einer Kammer  – und damit die Abschaffung des in der englischen Verfassungsgeschichte bisweilen umstrittenen House of Lords – als Vorbild für die britische Parlamentsreform zu wählen.30 Spätestens seit der Radikalisierung der Französischen Revolution distanzierte sich die englische Graphik von Verfassungsreformen nach dem französischen Modell. Ein von Charles Reuben Ryley entworfenes Frontispiz 31 zu John Baxters »A New and Impartial History of England« (1796) stellt beispielsweise dar, wie die Li­ berty die britische Verfassung gegen die Attacken der Anarchie und des Despotismus schützt (Abb. 226). Baxters Band einer dezidiert whiggischen Geschichtsdarstellung war, wie Thomas Jefferson bemerkt hat, eine »republikanisierte« Version von David Humes mehrbändigem toryistischem Werk zur englischen Geschichte.32 So ging es Baxter, einem Mitglied der bekannten Parlamentsreformorganisation »London Corresponding Society«, darum, in reformerischer Weise, aber historisch argumentierend, die wahren Prinzipien eines freiheitlichen britischen Konstitutionalismus zur Geltung zu bringen. In dem Frontispiz spielen die Freiheit und die britische Verfassung die Hauptrollen. Es zeigt vor den Strahlen einer aufgehenden Sonne eine mit entblößter Brust kämpferisch heranschwebende Liberty. Mit ihrem zur Verteidigung emporgehaltenen Schild erinnert sie im Stil an französische Formgebungen der Freiheitssymbolik. Der Liberty geht es um den Schutz einer fest gefügten Pyramide, die gemäß ihrer Inschrift die britische Verfassung versinnbildlicht. Die drei Stände King, Lords und Commons bilden die Basis dieser Verfassungspyramide, eine bereits im Verlauf des 18. Jahrhunderts geläufige Bezugnahme (vgl. Abb. 35), die auf der Linie der britischen Theorie von der Mischverfassung liegt. Der Eckpfeiler, der, mit House of Commons bezeichnet, in den Bildvordergrund hineinragt, trägt »Magna Charta« und »Bill of Rights« als Inschriften. Die freiheitliche britische Verfassung wird von zwei Seiten bedroht  : Auf der linken Seite wird sie von einem blindwütigen Mann mit Fackel und Dolch angegriffen, was auf die Gefahr einer Anarchie verweist. Auf der rechten Seite steht der als Despot abqualifizierte französische König, an seiner Seite ist ein Kerkermeister, der die Ketten der Unfreiheit mit sich trägt. Er verkörpert das französische politische System, das in England seit Langem als Paradebeispiel eines Unterdrückungssystems angesehen wurde. Dieses Frontispiz versucht in einem bemerkenswerten Spagat, die politische Botschaft des Autors zu vermitteln  : Zum einen stellt es das Werk Baxters nicht direkt in das politische Umfeld der Französischen Revolution. Es assoziiert vielmehr mit dem despotischen französischen König, dass das britische politische Sys371

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Abb. 226  : Charles Reuben Ryley, Liberty protecting the British Constitution against the Attacks of Anarchy and Despotism, 1796

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Abb. 227  : Isaak Cruikshank, A picture of Great Britain in the Year 1793, 1794

tem dem vorrevolutionären Frankreichs gleiche und deshalb Reformbedarf bestehe. Zum anderen steht die personifizierte Freiheit in einen anderen Kontext als in Frankreich  : Während in Frankreich die Liberté Sinnbild für eine neue freiheitliche Ordnung war, wurde in diesem Frontispiz mit der Liberty eine antirevolutionäre und am Schutz der wiederzubelebenden freiheitlichen Mischverfassung orientierte Propaganda verbunden  : eine möglicherweise radikale Rückkehr zur alten englischen Freiheit als Ziel einer Verfassungsreform. In dieser Perspektive repräsentiert das Frontispiz das Geschichtsbild Baxters, das sich im Einklang mit den ideologisch konservativen Strömungen in der »London Corresponding Society« für eine Verfassungsreform im Geist der ancient constitution einsetzte.33 Derartigen Reformvorschlägen traten Graphiken entgegen, die dezidiert auf die Bewahrung der zeitgenössischen britischen Verfassung drangen. Dies ist Thema von Cruikshanks 1794 publiziertem Stich »A Picture of Great Britain in 1793« (Abb. 227).34 373

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Diese Radierung zur britischen Verfassungssituation ist der »Association for Preserving Liberty and Property against Republicans and Levellers« gewidmet, die 1792 zur Bekämpfung jeglicher regimekritischer Publizistik gegründet worden war. Sie dürfte auch in deren Auftrag entstanden sein. Im oberen Bildzentrum sieht man, wie die Britannia in einem Tempel thront und ein Schild mit dem Portrait des Monarchen sowie der Inschrift »By the Grace of God« emporhält. Der Tempel mit den drei die Trias »King, Lords, Commons« visualisierenden Säulen knüpft einmal mehr an ältere Darstellungen (Abb. 35) des englischen politischen Systems an. Dieser Tempel der »British Constitution« ist allerdings im Kampf zwischen Gut (links) und Böse (rechts) gefährdet. Rechts versucht Charles James Fox, ein mit großer rednerischer Begabung für die Französische Revolution eintretender britischer Staatsmann, gemeinsam mit anderen englischen Jakobinern und Verfechtern »teuflischer« Reformpolitik, das Fundament des Tempels der britischen Verfassung zu sprengen. Während er an Fässer mit Schießpulver eine Lunte mit der Inschrift »Speech at the Whig Club« anlegt, schaut er zurück zu seinem Gefolgsmann Richard Brinsley Sheridan, hinter dem sich eine Höllenfratze auftut, die Namen und Begriffe ausspeit, die für eine revolutionäre Entwicklung stehen. Im Hintergrund bewegen sich revolutionäre Massen durch Rauch und Flammen. Die konservativen Kräfte sind allerdings zur Abwehr des anarchischen Angriffs festgefügt. William Pitt, allerdings kaum erkennbar portraitiert, sucht die Lunte der teuflischen Rebellion mit einem Löschhut, darauf »Truth« als Inschrift, zu löschen. Er weiß eine Reihe loyaler Mitkämpfer an seiner Seite, so etwa neben ihm John Reeves, den Vorsitzenden der Vereinigung, dem die Graphik gewidmet ist. Wie allerdings der Kampf um die Bewahrung der alten britischen Verfassung ausgeht, lässt der Künstler im Ungewissen. Immerhin kann aber die konservative Seite auf göttlichen Beistand hoffen. Dies wird links oben mit dem Auge Gottes und einem Engel mit dem Spruchband »I will guard those from harm, who serve God & keep the law«, symbolisiert. Im Gegensatz zu dieser Rüstung der Verfassungsverteidiger gegen Angriffe der Radical bzw. Foxite Whigs verheißt James Gillrays farbige Graphik »Light expelling Darkness. – Evaporation of Stygian Exhalations – or – The Sun of Constitution, rising superior to the Clouds of Opposition« einen glorreichen Sieg der englischen Verfassungstradition.35 Im Strahlenkranz einer göttlichen Sonne mit »King, Lords, Commons« als Inschrift sieht man William Pitt, der, als Apollo glorifiziert, einen Wagen lenkt, der von einem britischen Löwen und einem Hannoverschen Pferd gezogen wird. Seine politischen Gegner sind in die Unterwelt verbannt oder verlieren ihre Jakobinermützen, das stereotype Erkennungszeichen aller Reformbefürworter in Druckgraphiken der Zeit. Diese beiden recht gegensätzlichen Graphiken haben eines gemeinsam  : die Beschwichtigung von Ängsten, die mit der Diskussion der britischen Verfassung 374

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verbunden waren. Zum einen befürchtete man, dass die britische Verfassung durch weit gehende Reformen ihre Identität verlieren würde, zum anderen suchte die englische Bildpublizistik Gewissheit zu verbreiten, dass die glorreiche Verfassungstradition nicht gefährdet sei. Jenseits dieser Beschwörung von Verfassungstradition wurde die britische öffentliche Meinung von einer sehr variantenreichen Bildpublizistik beeinflusst, in der die beiden politischen Lager jeweils für ihren Standpunkt warben. Das Spektrum reichte von den Auseinandersetzungen innerhalb der Whigs über eher zurückhaltende Kritik an den reformorientierten Oppositionspolitikern bis zu einem Perhorreszieren des Negativbeispiels der französischen politischen Entwicklung, gesteigert durch die visuell einprägsam gestaltete Furcht vor einer französischen Eroberung Großbritanniens. Blicken wir zunächst auf die sich unversöhnlich gegenüberstehenden politischen Lager, die die Macht der Bilder jeweils für sich einzusetzen versuchten. Dass die Tories, traditionell konservativ, jegliche politische Reform ablehnten, war selbstverständlich. Weniger selbstverständlich war, dass die Einstellung zur Französischen Revolution die Whig-Politiker und -Publizisten spaltete.36 Für Reformen im Namen der Freiheit und gegen Gefährdungen der Freiheit hatte sich die WhigPolitik seit jeher eingesetzt, nun zerfiel die Partei in einen eher konservativen und in den herkömmlich eher radikalen Flügel. Zu den konservativen Whigs gehörte der Staatsphilosoph und Politiker Edmund Burke. In dessen 1790 publiziertem Buch »Reflections on the Revolution in France« erfolgte eine harsche Kritik an der politischen Neuordnung in Frankreich. Dieses mittlerweile klassische Werk wurde gleich nach seinem Erscheinen zur ideologischen Grundlage der konservativen Whig-Politiker. Die Foxite bzw. Radical Whigs zur Zeit der Französischen Revolution, zu ihnen gehörten, wie bereits gesehen, ihr führender Kopf Charles James Fox sowie Richard Brinsley Sheridan, wandten sich mit aller Schärfe gegen Burkes Verurteilung der politischen Neuordnung in Frankreich.37 Sie forderten eine Repräsentativverfassung und vor allem einen nach französischem Vorbild auf Freiheit und Demokratie gegründeten Staat. Diese innerparteilichen Auseinandersetzungen spiegelte sich auch in Bildsatiren wider. In William Dents kolorierter Radierung »Spirit of Aristocracy enforcing Reform, or, The Rights of Kings maintained« (Abb. 228) gehört Burke geradezu zu den Mördern der Freiheit. Die britische Regierung in Gestalt von William Pitt d. J. hat mit einem Henkersbeil die Freiheit geköpft und hält ihren Kopf empor. Hinter Pitt steht der diese Hinrichtung befürwortende Burke. Er ist wie ein Jesuit gekleidet, was auf das Gerücht anspielt, er sei in einer Jesuitenschule ausgebildet worden.38 Auf der linken Seite sieht man die gekrönten Häupter der Monarchen in Europa, die die Freiheit verbal angreifen oder gar wie der französische König sie treten und anspucken. Der »Jesuit« Burke in seiner schwarzen Kleidung ist an prominenter Stelle in der rechten Bildmitte besonders hervorgehoben, um ihn als Spiritus Rector der An375

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Abb. 228  : William Dent, Spirit of Aristocracy enforcing Reform, or, The Rights of Kings maintained

griffe auf politische Reformen im Namen der Freiheit und der Verteidigung einer reaktionären Gesellschaftsordnung zu stigmatisieren. Im linken oberen Bildrand versucht zwar eine Krone auf zwei Flügeln mit der Aufschrift »Democracy« der Zukunft einer demokratischen Monarchie entgegenzufliegen, wird daran aber von der Kirche in Gestalt eines Bischofs, der die Krone mit seinem Hirtenstab festhält, gehindert.39 In der konservativen Propaganda stießen Forderungen, Reformen des britischen politischen Systems, wie von den Radical Whigs reklamiert, an die revolutionäre Entwicklung in Frankreich anzulehnen, auf schroffe Ablehnung. Die frankreichfeindliche Bildpublizistik wurde vor allem durch Isaak Cruikshank, James Gillray und Thomas Rowlandson, den großen Meistern der englischen Bildsatire, gestaltet. Ob diese Künstler wirklich, wie behauptet wurde,40 aus Bewunderung für die britische Verfassung tätig wurden, mag bezweifelt werden. Für ihr künstlerischpolitisches Engagement waren sicher auch ökonomische Gründe maßgeblich  : Sie mussten für ein Publikum arbeiten, das kaufwillig und in der Lage war, ihre Graphiken zu erwerben  ; und dieses Publikum war eben die konservative Mittel- und Oberschicht. Zu den eher gemäßigten Graphiken aus der Gruppe der genannten Künstler gehört ein Flugblatt von James Gillray vom April 1793, das mittelbar auf die Terreur in Frankreich reagierte (Abb. 229). Man sieht, wie William Pitt d. J. das Schiff der Verfassung, das oberhalb des Steuerruders so bezeichnet wird, mit einer durchaus fülligen Britannia zum ruhigen Wasser im Hafen der öffentlichen Glückseligkeit 376

Zwischen Reformforderungen und Verteidigung des Status quo

Abb. 229  : James Gillray, Britannia between Scylla and Charybdis, 1793

steuert, wobei er zwischen der Scylla, dem Felsblock der Demokratie, und der Charybdis, dem Strudel willkürlicher Macht, den Weg sucht.41 Dass es zwischen Demokratie und »arbitrary power« nur einen schmalen und gefahrvollen Weg gibt, zeigt die aus den Fugen geratene politische Entwicklung in Frankreich, die durch die Jakobinermütze mit Kokarde hoch auf dem Felsen der Demokratie symbolisiert ist. Der angstvolle Blick der Britannia richtet sich auf dieses Symbol, das für jene politischen Reformen steht, die man in der britischen Bildpublizistik vehement zu bekämpfen versuchte. Im Wasser hinter dem Schiff sind die Portraits von Joseph Priestley, Richard Brinsley Sheridan und Charles James Fox zu sehen.42 Alle drei waren Befürworter der Unabhängigkeit Amerikas und Anhänger der Französischen Revolution. Fox war ein Gegner der Politik von König Georg III. und dessen Premierminister Pitt d. J. und wandte sich gegen den aus seiner Sicht drohenden Despotismus in Großbritannien. Sheridan, der Verfasser viel gespielter Theaterstücke und über Jahrzehnte Mitglied des Unterhauses, gehörte zu seinen Gefolgsleuten. Der Na377

Ein Blick gen Westen

turwissenschaftler und Theologe Priestley wurde wegen seines Eintretens für die Religionsfreiheit und für die Ideen der Französischen Revolution persönlich bedroht. Nachdem sein Haus mit seinem Laboratorium und seiner Bibliothek 1791 in den Birminghamer »Priestley Riots« zerstört worden war, emigrierte er mit seiner Familie nach Nordamerika. Die von Gillray entworfene Szene sollte wohl optimistisch stimmen  : Der Verfassung Britanniens gelingt trotz widriger politischer Umstände die Fahrt in eine hoffnungsvolle Zukunft, die politischen Gegner werden zwischen der Skylla der Demokratie und der Charybdis der tyrannischen Macht untergehen. In anderen konservativen Graphiken diente das Wüten einer anarchischen Freiheit in Frankreich als Furcht einflößendes und abschreckendes Beispiel.43 Den französischen Horrorszenen stellte man in einer Vielzahl von Graphiken die bewahrenswerte britische Freiheit gegenüber. Im Dezember 1792 gestaltete Thomas Rowlandson, ebenso wie James Gillray ein Meister politischer und gesellschaftskritischer Graphik, unter dem Motto »The Contrast« (Abb. 230) ein kämpferisches Flugblatt, das in beträchtlicher Zahl von der loyalistischen und die Regimekritik bekämpfenden »Association for Protecting Liberty and Property against Republicans and Levellers« verteilt und als Titelblatt für die erste Nummer des Antigallican Songster verwendet wurde.44 Der »British Liberty« ist das linke Medaillon gewidmet. Die Britannia sitzt, wie üblich mit einem britischen Wappenschild versehen, unter einer Eiche und hält einen Liberty Cap auf einer Stange im Arm, in der rechten Hand hält sie die Magna Charta, in der linken die Waage der Gerechtigkeit. Im Hintergrund liegt ein Handelsschiff unter Segel. Die majestätische Darstellung der Britannia mit dem Attribut der Libertas greift vergleichbare vorrevolutionäre Darstellungen (Abb. 31) auf. Die ebenfalls der Freiheitssymbolik zugeordnete Magna Charta soll auf die lange Tradition britischer Freiheit verweisen. Ihr gegenüber sitzt die »French Liberty« als Medusa mit einer Reihe von abschreckenden Attributen. Sie geht über Leichen und hält einen Dreizack, normalerweise ein Attribut der Britannia, mit zwei Jakobinermützen (oder sind es Herzen  ?) und einem enthaupteten Kopf an der Spitze. Im Hintergrund wird auf das französische Lied »Ah  ! Ça ira« vom Mai 1790 mit seiner Zeile »les aristocrates à la lanterne« angespielt, indem ein Adliger an der nächstbesten Laterne erhängt dargestellt wird. Unter der rhetorischen Frage »Which is Best  ?« wird die als Britannia wiedergegebene Liberty im erklärenden Text u. a. mit Religion, Moralität, Loyalität, Gehorsam gegenüber den Gesetzen, Schutz des Eigentums und nationalem Wohlstand identifiziert, während die travestierte Liberté mit Atheismus, Anarchie, Mord, Gleichheit, Ungerechtigkeit oder nationalem und privatem Ruin in Verbindung gebracht wird. Die Gegenüberstellung gewinnt besondere Ausdruckskraft dadurch, dass die Liberty in sich ruhend in einer auf Wohlstand deutenden Szene dargestellt wird, während die Liberté als rasende Furie Tod und Unheil bringt. 378

Zwischen Reformforderungen und Verteidigung des Status quo

Abb. 230  : Thomas Rowlandson, The Contrast, 1793

Mit welcher Schärfe die Bildpropaganda mittels satirischer Darstellungen die Französische Revolution als Fehlentwicklung nach dem Scheitern der konstitutionellen Monarchie gebrandmarkt hat,45 zeigt ebenfalls sehr anschaulich James Gillrays farbige Radierung mit dem ironischen Titel »The Zenith of French Glory – the pinnacle of liberty« von Anfang 1793 (Abb. 231). Mit dieser Graphik reagierte Gillray auf den Mord an Ludwig XVI. Im Hintergrund lässt die Guillotine, darüber eine Trikolore mit dem Schriftzug »Vive l’Egalité«, erahnen, dass der französische König unter dem Fallbeil liegt. Dominiert wird die Hinrichtungsszene von einem auf einer Geige fiedelnden Sansculotten mit zerrissener Hose, der mit nacktem Gesäß auf einer Laterne sitzt. Die beiden blutigen Dolche auf seinem Rücken und die Freiheitsmütze mit der Aufschrift »Liberté« machen in drastischer Weise deutlich, dass in Frankreich der Kampf um die Freiheit in einem Blutbad geendet hat. Die drei gefesselten und an der Laternenstange erhängten Priester sowie im Hintergrund der erhängte Richter erinnern wie auch in anderen Graphiken an das bereits erwähnte französische Revolutionslied, nach dem die Aristokraten an einer Laterne zu erhängen seien. Im Hintergrund symbolisiert eine brennende Kirche wohin ein Freiheitstaumel in revolutionärer Anarchie gepaart mit einem Verlust an Religiosität führt. Gill379

Ein Blick gen Westen

Abb. 231  : James Gillray, The Zenith of French Glory – the pinnacle of liberty, 1793

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Zwischen Reformforderungen und Verteidigung des Status quo

ray warnt seine Klientel aus dem wohlhabenden Bürgertum und aus dem Adel in diesen beiden Zerrbildern vor den Folgen, die zu erwarten sind, wenn untere Bevölkerungsschichten gewaltsam in revolutionärer Aktion Freiheit und Gleichheit durchsetzen wollen. Zu den großen Themen der politischen Graphik in Großbritannien zur Zeit der Französischen Revolution gehörte die Vergewisserung, was aus konservativer Sicht echte Freiheit ausmacht und warum dem französischen Freiheitstaumel widerstanden werden muss. Hierzu äußert sich das einmal mehr von James Gillray entworfene Blatt »The tree of Liberty, with the Devil tempting John Bull« (Abb. 232)46, das – wie viele andere seiner Art – auch in Deutschland Verbreitung fand.47 Gezeigt werden zwei Freiheitsbäume. Im Hintergrund erkennt man schemenhaft den »echten« Freiheitsbaum, der in voller Blüte steht. Auf seinem Stamm verweist das Wort »Justice« gemeinsam mit der Krone mitten im Geäst und den Hinweisen auf »Laws« und »Religion« auf den Hauptzweigen auf die gute Verfassung der britischen Monarchie. Deren Vorzüge werden auf den Früchten des Baumes mit »Freedom«, »Happiness« und »Security« bezeichnet. Der Freiheitsbaum im Vordergrund steht in jeder Hinsicht im Gegensatz zu diesem Idealbild der britischen Monarchie  : Er ist abgestorben und trägt nur faule Äpfel. Mit der roten Jakobinermütze, die mit einer Kokarde und dem Hinweis »Liberté« versehen ist, wird hier die französische Freiheit symbolisiert. Für diese sind »Rights of Man«, »Opposition«, »Democracy«, »Slavery« und »Disappointment« charakteristisch, die faulen Äpfel verweisen u. a. auf »Murder«, »Revolution«, »Age of Reason« und »Whig Club«. Nicht nur die politische Philosophie der Aufklärung, sondern auch die Erklärung der Menschenrechte und darüber hinaus jegliche Reform stoßen auf dezidierte Ablehnung. Die Schlange der Verführung, ihr Kopf soll Charles James Fox darstellen, versucht einem behäbigen und einfältigen John Bull den faulen Apfel der Reform als Sinnbild für politische Umgestaltungen im Namen der fehlgeleiteten französischen Freiheit schmackhaft zu machen. Dieser lehnt freilich das Angebot der von Fox als »nice apple« beworbenen Früchte ab, weil seine Taschen bereits von den Früchten des anderen Freiheitsbaumes voll sind. Drastischere Bildkommentare zur Französischen Revolution und ihren Folgen ergingen sich in Horrorvisionen, offensichtlich um Angstreaktionen in der öffentlichen Meinung zur Durchsetzung reaktionärer Politik nutzen zu können. Sie stellen in Aussicht, was mit der freiheitlichen Verfassung, oft verkörpert durch die nach wie vor als wichtigster Verfassungstext angesehene Magna Charta, und mit Großbritannien insgesamt geschehen würde, sollten französische Invasionstruppen die Insel besetzen.48 Derartiges stand nach Napoleons erfolgreichen oberitalienischen Schlachten in der Tat zu befürchten.49 In Reaktion auf diese Bedrohung zeigt James Gillrays Radierung mit dem ironischen Titel »We come to recover your long lost liberties«50 französisches Militär, das das Unterhaus besetzt 381

Ein Blick gen Westen

Abb. 232  : James Gillray, The tree of Liberty, with the Devil tempting John Bull, 1798

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Zwischen Reformforderungen und Verteidigung des Status quo

hat und gemeinsam mit britischen Jakobinern ganz oben auf der Zuschauertribüne zusieht, wie Parlamentsmitglieder, in Ketten gelegt, in die Strafkolonie nach Australien deportiert werden sollen  ; der Sprecher des Unterhauses, dessen Speaker’s Chair von den Invasoren bereits mit einer übergroßen roten Freiheitsmütze verziert wurde, wird mitten im Bild offensichtlich als Letzter in Ketten gelegt. Die Magna Charta, hier als Buch, liegt neben einem Band mit dem Titel »Declaration of Rights« und einem weiteren Buch mit der Inschrift »Hanover Succession« auf dem Boden, nachdem französische Soldaten den Table of the House, auf dem sie lagen, umgestoßen haben.51 Die Verteidiger der überkommenen politischen Ordnung warnten eindringlich und in der Bildpublizistik drastisch nicht nur vor einer französischen Invasion, sondern bereits vor einem Friedensschluss mit dem revolutionären Frankreich. Die satirische Radierung eines anonymen Künstlers (Abb. 233) zeigt den janusköpfig dargestellten Marquis of Lansdowne, dessen im Oberhaus gestellter Antrag auf Beendigung des Krieges mit Frankreich mit großer Mehrheit abgelehnt worden war. Von dem hohen Podest, auf dem er sitzt, weist er mit der Rolle des Friedensvertrages auf eine Guillotine mit einem Bullenkopf, also auf John Bull. Das Seil für das Fallbeil wird von einem Totengerippe mit Jakobinermütze, darauf wie üblich eine Kokarde, betätigt. Dessen »ça ira, ça ira« greift jenen französischen Revolutionsrefrain auf, der, wie wir bereits gesehen haben, in der englischen Bildpublizistik immer wieder warnend zitiert wurde, weil er zur Ermordung der Aristokratie aufrief. Im Vordergrund verbrennt Earl of Stanhope, ebenfalls ein Befürworter des Friedensschlusses mit Frankreich im Oberhaus, auf einem Friedensaltar Schriftrollen mit den Aufschriften »Magna Charta«, »Bill of Rights« und »Act of Settlement« sowie drei mit »Statutes at large« betitelte Bände, mit denen auf die Gesamtheit der britischen Gesetze verwiesen wird. Im Hintergrund steht der Reformer Priestley, dem wir schon in einer Graphik von James Gillray (Abb. 229) begegnet sind, und verfolgt die Szene wohlwollend lächelnd. Die Botschaft dieser Graphik ist klar  : Ein Friedensschluss mit Frankreich, wie er von den reformorientierten Politikern gewünscht wurde, führt im Ergebnis zum Untergang der durch das Recht verbürgten freiheitlichen Ordnung Großbritanniens. Diese und eine Vielzahl anderer, hier nicht weiter zu besprechender Graphiken zeigen  : Spätestens mit der Radikalisierung der Französischen Revolution war die Freiheitssymbolik in England negativ besetzt und stand für die Terreur der Jakobiner.52 Das britische politische System wurde nicht mehr mit der Symbolik der Liberty assoziiert. Die englische Freiheitssymbolik war nun von der in der Bildpublizistik heftig kritisierten französischen Freiheitssymbolik so überlagert, dass sie nicht mehr die Freiheitlichkeit der politischen Ordnung Großbritanniens ins Bild zu setzen vermochte. In Abwehr französisch inspirierter Verfassungsreformen 383

Ein Blick gen Westen

Abb. 233  :  Anonym, John Bulls Sacrifice to Janus – a Design for a Peace-offering to the Convention, 1794

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Zwischen Reformforderungen und Verteidigung des Status quo

war es zu einem Bruch im Verständnis der englischen Freiheitssymbolik gekommen. Der Großteil der politischen Satiren und Karikaturen schürte mit der nun auf Frankreich verweisenden Freiheitssymbolik ein Feindbild zum Gegner auf dem Festland, bekannte sich unkritisch zur politischen Ordnung Großbritanniens und war ausgesprochen reformfeindlich. Nicht nur politisch, auch in der Bildpublizistik versuchte man das Land gegenüber jeglicher Reform der politisch-rechtlichen Ordnung zu immunisieren. In diesem Sinne bekämpften die politischen Satiren und Karikaturen der 1790er Jahre mit Entschiedenheit und kollektive Ängste schürend die eher kleine Gruppe radikaler Sympathisanten mit der Französischen Revolution. Dieser Kampf der Bilder war wegen erheblicher Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit recht einseitig. Die Habeas-Corpus-Akte wurde zeitweilig aufgehoben, die Pressezensur durch die Treason and Seditions Bills vom November 1795 verschärft. Diese Politik der Repression wurde von der Käuflichkeit prominenter Graphiker und der Propaganda konservativer Gruppierungen flankiert.53 Ähnlich wie im übrigen Europa führte die Französische Revolution auch in Großbritannien zur Stärkung der reaktionären Kräfte und zu einer Stigmatisierung von Reformprozessen. Auch mag eine überwiegend konservative öffentliche Meinung dazu geführt haben, dass eine revolutionäre Ideen begrüßende Bildpublizistik wegen der nur marginalen Absatzchancen bis zu Beginn des 19.  Jahrhunderts eine Randerscheinung blieb.54 Die satirischen Auseinandersetzungen mit der Französischen Revolution, die von einer deutlichen Distanz zu und Kritik an einer neuen Ordnung der Freiheit geprägt waren, hatten das bildpublizistische Feld besetzt. Nach dem Ende der napoleonischen Kriege sollte sich dies ändern. Der radikalen Linken gelang es, sich mit starkem Rückhalt in der Arbeiterschaft neu zu formieren und durch kollektive Aktion auf Verfassungsänderungen zu dringen. In der Bildpublizistik wurden vor allem ein allgemeines Wahlrecht und die jährliche Einberufung des Parlaments gefordert. In der Arbeiterschaft fanden entsprechende Aktionen großen Zulauf. Die in der zeitgenössischen Bildpublizistik negative Besetzung der Freiheitssymbolik hinderte die radikale Linke nicht, nach 1815 den Liberty Cap zum Symbol ihrer verfassungspolitischen Forderungen zu machen. Mit ihm verband sie u. a. den Anspruch auf politische Mitbestimmung, die eine Wahlrechtsreform mit einem allgemeinen Wahlrecht ermöglichen sollte.55 Dies war eine Kampfansage an liberale ebenso wie an konservative Kreise. Diese befürchteten, wie in Frankreich oder Deutschland, einen revolutionären Umsturz, weil eine von »Nichtbesitzenden« gebildete Parlamentsmehrheit erwarten lasse, dass die auf Eigentumsschutz basierende Gesellschaftsordnung ausgehebelt wird.56 Dass die Kundgebungen der radikalen Reformer zwischen 1815 und 1820 den Liberty Cap in das Zentrum ihrer politischen Forderungen stellten, bereitete neben der Regierung auch den frankreich- und revolutionsfeindlichen Teilen der 385

Ein Blick gen Westen

Bevölkerung ernste politische Sorgen, ja sogar Befürchtungen um die politische Zukunft. Dies umso mehr, als die radikale Linke nicht nur mit ihren politischen Forderungen, sondern auch mit der Freiheitssymbolik die Massen zu mobilisieren wusste  ; ganze Stadtteile wurden von ihr beherrscht, so dass die Ordnungskräfte dort kaum mehr Zutritt wagten. Die Bildpublizistik tat ein Übriges, um die Bedrohlichkeit von Großdemonstrationen, wie derjenigen, die am 16. August 1819 in Manchester stattfand, bewusst zu machen (Abb. 234). Auf der hier abgebildeten Szene der berüchtigten Auflösung dieser Demonstration sieht man im Hintergrund, wie an Stangen, die zumeist mit einem Liberty Cap versehen sind, eine Reihe von politischen Forderungen auf Spruchbändern emporgehalten werden. Durch die zahlreichen und dicht gedrängten Demonstranten hat sich eine Gruppe berittener Husaren mit erhobenem Schwert den Weg gebahnt, einige Demonstranten liegen tot oder verletzt am Boden, andere versuchen, die Demonstration fluchtartig zu verlassen. Diese als Peterloo-Massaker in die Geschichte eingegangene Attacke gegen die Demonstranten führte zum Tod von mindestens 11 Personen und zu vielen hundert Verletzten. Ihren Ursprung hatte sie darin, dass die Staatsmacht versuchte, durch den Einsatz militärischer Gewalt den bekannten und von den Konservativen gefürchteten Demagogen Henry Hunt festzunehmen, als dieser auf der an sich friedlichen Demonstration reden wollte. Hunt war, wie die britische Presse empört berichtete, mit dem »Jacobin Red Cap« und mit einer Fahne, die den Schriftzug »The Rights of Man« trug, aufgetreten.57 Die Reaktion der Bildpublizistik auf dieses Ereignis bestand in einer Anzahl von Graphiken, in denen das Peterloo-Massaker stärker als in der obigen Abbildung als Horrorszenario dargestellt und mit beißender Kritik verbunden wurde.58 So wurden in einer Graphik die Darstellung der blutigen Aktion ironisch mit »a Specimen of English Liberty« betitelt und in einer anderen die mit blankem Säbel auf Frauen und Kinder einschlagenden Soldaten zynisch als »Manchester Heroes« bezeichnet.59 Im letztgenannten Beispiel tritt, wie in manch weiterem Druck zum Peterloo-Massaker, wiederum die Freiheitsmütze auf einer Stange auf. Dass eines der Symbole des jakobinischen Frankreich von einer revoltierenden Arbeiterschaft benutzt wurde, um politische Reformen zu erzwingen, war für die herrschende politische Klasse ein Alarmzeichen. In der konservativ ausgerichteten Bildpublizistik stand die Jakobinermütze für Blutvergießen und Terror.60 Die um sich greifende Furcht vor anarchischen Verhältnissen ist in George Cruikshanks Stich unter einer englischen Variante des klassischen Mottos der Französischen Revolution »La liberté ou la mort« vom 1. Dezember 1819 anschaulich gemacht (Abb. 235). Die Bri­ tannia, die sich zurückfallend auf einen mit »Religion« beschrifteten Felsen stützt, versucht verzweifelt, sich mit den als Flammenschwert dargestellten Gesetzen der in Gestalt einer skelettartigen Figur attackierenden »radikalen Reform« zu erweh386

Zwischen Reformforderungen und Verteidigung des Status quo

Abb. 234  : John Slack, A Representation of the Manchester reform meeting dispersed by the civil and military power. Augt. 16th 1819, 1819

ren. Das Gesicht dieser mit einer Jakobinermütze als Zeichen für die französische Form von Freiheit auftretenden Monstrosität ist von einer Maske verdeckt, um zu verschleiern, dass es sich bei ihr um den Tod handelt, der, wie die Terreur in Frankreich, Großbritannien mitsamt den Vorzügen der britischen Verfassung ins Verderben stürzen will. In ihrem Gefolge sieht man eine Reihe kleiner teuflischer Gestalten, die u. a. für »Murder« stehen – ein Stereotyp antifranzösischer und reformfeindlicher Propaganda.61 Mit diesem Stich legitimierte George Cruikshank, einer der profiliertesten und die Freiheitssymbolik immer wieder aufgreifenden62 Künstler, die vom Parlament Ende November 1819 verabschiedete Seditions Meetings Prevention Bill.63 Diese stellte öffentliche Zusammenkünfte unter eine strenge staatliche Aufsicht und verbot darüber hinaus die Verwendung jedweder politischer Symbole. Eine unnachgiebige staatliche Repression unterdrückte die revolutionäre Bewegung samt ihrer radikalreformerischen Freiheitssymbolik. Auch die 1819/1820 zahlreich erschei387

Ein Blick gen Westen

Abb. 235  : George Cruikshank, Death or Liberty, 1819

nende politische Graphik stand mit ihren Blättern etwa gegen die vermeintliche Gefährdung der Magna Charta und der Bill of Rights durch die Radikalreformer 64 oder gegen eine Wahlrechtsreform65 häufig im konservativen Lager. Letztere war indes auf Dauer nicht zu verhindern  : Im Jahr 1832 erging ein Gesetz, mit dem ein erster Schritt in Richtung eines demokratischen Wahlrechts unternommen wurde. Gleichzeitig ging für die englische Karikatur das goldene Zeitalter zu Ende.66 Es fehlte zunehmend an begnadeten Graphikern, auch beim Publikum stießen kritische Bildsatiren oder Karikaturen nicht mehr auf jenen Zuspruch, dessen sie früher gewiss sein konnten.67 Hinzu kamen Veränderungen im Stil der politischen Auseinandersetzungen. Die innenpolitischen Kontroversen wurden nicht mehr mit gleicher persönlicher Schärfe ausgetragen, wie in den vorangegangenen Jahrzehnten üblich. Nach dieser Veränderung der Rahmenbedingungen wurde die Freiheitssymbolik fast nicht mehr verwendet, um politische Reformen einzufordern oder gar um das politische System zu revolutionieren.68 In der späteren Chartistenbewegung ist zwar der Liberty Cap wiederum bzw. immer noch präsent, aber nicht mehr in der früheren revolutionären Bedeutung.69 Auch die 1848er-Revolution in Frankreich, die dort zu einer Wiederbelebung der Revolutionssymbolik geführt hatte, wurde jedenfalls unter diesem Aspekt in England kaum mehr wahrgenommen. Ein Übergreifen der Revolution auf Großbritannien war nicht mehr zu be388

Im Dienste der Erinnerungskultur

fürchten, die auf die Ereignisse in Paris bezogenen Bildsatiren und Karikaturen waren künstlerisch wenig gelungen und eher berichtender Art.70 Insgesamt gesehen war die Freiheitssymbolik vom ausgehenden 17. Jahrhundert bis in die 20er Jahre des 19.  Jahrhunderts ein prägendes Element in der englischen Bildpublizistik. Sie diente der Legitimation der Glorreichen Revolution, der Vergewisserung einer Tradition freiheitlicher Ordnung in England bzw. Großbritannien, der heftigen Kritik an politischen Fehlentwicklungen und nicht zuletzt der Distanzierung von der Französischen Revolution. Sie war zudem ein beliebtes Mittel von Propaganda und Gegenpropaganda. Was unter dem Aspekt des transnationalen Kulturtransfers besonders hervorzuheben ist  : Die in England zur Zeit der Loslösung Nordamerikas in vielfältigen Kontexten verwendete Freiheitssymbolik war der entscheidende Grund, dass diese in den Vereinigten Staaten von Amerika heimisch werden konnte. 7.2 Im Dienste der Erinnerungskultur  : die Freiheitssymbolik in den Vereinigten Staaten von Amerika Wir haben bereits verfolgt, wie sich im Unabhängigkeitskampf der britischen Kolonien die nordamerikanische Freiheits- und Verfassungssymbolik von derjenigen Englands emanzipierte.71 Nach der Loslösung von Großbritannien galt es, eine neue Nation zu formen, die sich mit den Idealen von Freiheit, Unabhängigkeit und Bundesstaat identifizierte. Durch welche Symbolik die eigenständige nationale Identität repräsentiert werden sollte, wurde von den Gründungsvätern wiederholt diskutiert. Im Sinne einer Kontinuität in den Symbolen wurde an der englischen Freiheitssymbolik festgehalten, sie aber in den neuen amerikanischen Erwartungshorizont und politischen Kontext gestellt. Die nun amerikanisierte Liberty,72 meist mit ihrer Freiheitsmütze, dem Liberty Cap, wurde in diesem Prozess politischer Transformation zu einem zentralen Symbol amerikanischer Freiheit und damit des amerikanischen Gründungsmythos. Bis in jüngste Zeit begegnet uns die Freiheitssymbolik in der Staatsrepräsentation und im öffentlichen Raum, etwa im Münzgeld, sowie bei politischen Auseinandersetzungen. Dass die nordamerikanische Freiheitssymbolik auch nach der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten noch eine gewisse Zeit der britischen Freiheitssymbolik verpflichtet blieb, ist angesichts der fortbestehenden politischen und kulturellen Beziehungen selbstverständlich. Daneben gab es aber auch einige Gemeinsamkeiten und Vernetzungen mit der Entwicklung der französischen Freiheitssymbolik. Dies kam nicht von ungefähr. Sowohl die französische als auch die nordamerikanische Freiheitssymbolik wurzeln in der Antike. Die Gründungsväter und die amerikanischen Aufklärer des 18. Jahrhunderts hatten ebenso wie die politische 389

Ein Blick gen Westen

Elite in Europa eine weit ausgreifende klassische Bildung.73 Dem an der Antike geschulten politischen Bewusstsein bot es sich an, eine antikisierende Freiheitssymbolik mit einem liberalen und republikanischen Programm74 neu zu besetzen.75 Die Liberty mit der Freiheitsmütze76 erscheint in einem bisweilen französisierenden Stil. Diese Formgebung lässt sich darauf zurückzuführen, dass Nordamerika zwischen 1783 und 1789 eng mit der Académie des inscriptions et belles-lettres und französischen Künstlern wie etwa Augustin Dupré in Paris zusammengearbeitet wurde.77 Es war ein bemerkenswerter Spagat, dass die für die monarchische Staatsrepräsentation Frankreichs zuständige Institution und mit ihr französische Künstler einen Beitrag zur Gestaltung der politischen Symbolik des unabhängig werdenden Nordamerika leisteten. 7.2.1 Die Verwendung der Freiheitssymbolik in der Staatsrepräsentation und im Münzgeld

Auf den Staatssiegeln und Flaggen einzelner Bundesstaaten sowie im Münzgeld war und ist die Liberty und auch die Freiheitsmütze allein in vielfältiger Form präsent.78 In einer ersten Phase nach der Unabhängigkeitserklärung repräsentierten die Liberty und der Liberty Cap im Staatssiegel einiger Staaten die Freiheitlichkeit der neuen politischen Ordnung. Genannt seien die Siegel der Staaten von Virginia, New Jersey, New York und North Carolina, alle aus den Jahren 1776–1779, mit einer stehenden Liberty und dem Liberty Cap auf einem Stab. Dagegen variiert die Freiheitssymbolik auf den im 19. Jahrhundert geschaffenen Staatssiegeln deutlich. So sieht man auf den Staatssiegeln von Arkansas (1832) die Liberty mit dem Liberty Cap auf einer Stange in einem Sternen- und Strahlenkranz über dem Wappenschild, von Idaho (1890) eine ähnliche Liberty, aber mit der Waage der Gerechtigkeit, von West Virginia (1863) nur den Liberty Cap auf zwei gekreuzten Gewehren und von Iowa (1847) den Liberty Cap auf einer Fahnenstange mit der Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika. In einigen Bundesstaaten wie etwa in Idaho, New Jersey, West Virginia oder New York sind die Freiheitssymbole der Staatssiegel zugleich auf der Landesflagge präsent. Weit über 200 Jahre trug und trägt auch heute noch die Freiheitssymbolik im Münzgeld zur Visualisierung der Freiheit und damit zur Prägung des kollektiven politischen Bewusstseins in den Vereinigten Staaten von Amerika bei.79 Bereits 1776 entwarf Paul Revere einen »Massachusetts Pine Tree Penny«, der auf der Vorderseite unter dem Motto »Liberty and Value« eine Liberty zeigt, die an eine Weltkugel angelehnt ist und in der linken Hand eine Stange, in der rechten Hand den Liberty Cap hält.80 Prägungen dieser Penny-Münze sind allerdings nur in einer sehr geringen Zahl in Umlauf gelangt. Wohl auf Anregung von Thomas Jefferson gestaltete Thomas Wyon aus Birmingham in England eine ebenfalls nur wenig 390

Im Dienste der Erinnerungskultur

Abb. 236  : Immune Columbia, 1785

verbreitete Münze mit der Inschrift »Inimica Tyrannis America«. Sie zeigt die Indian Princess81 mit einem Bogen und mit einem Köcher voller Pfeile, wie sie mit ihrem rechten Fuß auf die britische Krone tritt  ; auf einem Altar neben ihr liegt der Liberty Cap.82 Die Botschaft dieser Münze ist deutlich  : Die neue und noch naturwüchsige amerikanische Freiheit hat mit der »Tyrannis« der britischen Monarchie und darüber hinaus aller monarchischen Staaten gebrochen. Zu den noch nicht offiziellen Münzprägungen83 gehörte eine Münze von 1785 (Abb. 236), die wohl nicht in Umlauf kam.84 Auf dem Avers wird die »Nova Constellatio« durch das Auge der göttlichen Vorsehung in der Mitte eines Strahlenkranzes mit 13 für die vereinigten Einzelstaaten stehenden Sternen repräsentiert. Auf dem Revers findet sich die Liberty, hier als »Columbia«85 bezeichnet, mit der Waage der Gerechtigkeit sowie dem Liberty Cap und steht damit für eine neue gerechte und freiheitliche Ordnung.86 Die Umschrift »Immune Columbia« verweist auf die Freiheit Amerikas von Steuern und Abgaben, denen nicht zugestimmt worden ist. Bemerkenswert ist, dass die Verbindung der Symbolik des Auges der göttlichen Vorsehung auf der Vorderseite mit der von Liberty und Liberty Cap auf der Rückseite deutlich früher als im revolutionären Frankreich der kollektiven Vergegenwärtigung der neuen politischen Ordnung diente. Im Zuge der Konsolidierung der Vereinigten Staaten von Amerika galt es, das Geldwesen neu zu ordnen. Seit der Gründung der nationalen Münzstätte im Jahr 1792 in Philadelphia bestimmte die Regierung der Vereinigten Staaten die Prägungen des Münzgeldes.87 Dabei stellte sich die Frage, welche politische Symbolik über das Münzgeld vermittelt werden sollte. Nach Meinung des Kongresses sollten nicht Portraits der 391

Ein Blick gen Westen

Abb. 237  : Liberty-Cap-Cent, 1794

Präsidenten eingesetzt werden  ; vielmehr sollte für das Münzgeld die Freiheitssymbolik verwendet werden. Wie aber diese gestalten  ? Zwar war eine Reihe von Künstlern und Medailleuren aus Europa eingewandert, etwa Heinrich Voigt aus Deutschland, und an die neue Münzstätte berufen worden. Aus diesem Kreis erfolgten aber keine ernst zu nehmenden Anregungen zur symbolischen Gestaltung des Münzgeldes. Im Gegenteil  : Die ersten Neuprägungen der amerikanischen Münzstätte waren technisch und künstlerisch schlichtweg gescheitert. Weiter zu warten, erschien unzweckmäßig. Denn der seit Längerem chronische Mangel an Münzgeld hatte, wie mit Recht beklagt wurde, negative Folgen auf die wirtschaftliche Entwicklung. In dieser Situation entschloss man sich, zum einen auf die bereits im Münzgeld einzelner Staaten verwendete Freiheitssymbolik und zum anderen auf Duprés »Libertas Americana«-Medaille zurückzugreifen.88 War diese Medaille doch, wie bereits ausgeführt (bei Abb.  54), auf Veranlassung Franklins von Dupré, dem großen Medailleur der Revolutionszeit, entworfen worden. Dabei hatte Franklin nicht allein auf die künstlerische Gestaltung dieser Medaille eingewirkt. Er hatte zudem dafür Sorge getragen, dass diese Medaille in Nordamerika verbreitet und bekannt wurde. Jefferson, unter dessen Aufsicht die staatliche Münze stand, hat, wie anzunehmen ist, darauf hingewirkt, dass die ihm bekannte Dupré-Medaille als Vorbild der ersten amerikanischen Münzprägungen dienen sollte. So konnte rasch ein Konsens über die Symbolik des neuen staatlichen Münzgeldes erzielt werden.89 Somit waren die Half-Cent- und Cent-Prägun392

Im Dienste der Erinnerungskultur

Abb. 238  : Christian Gobrecht, Seated Liberty Dollar, 1836

gen der Jahre 1793 bis 1796 in künstlerischer Hinsicht nichts weiter als Kopien der »Libertas Americana« auf dem Avers der von Dupré geschaffenen Medaille.90 Auf diese Weise begann die französische, aber doch unter amerikanischem Einfluss entwickelte Republiksymbolik vom amerikanischen Münzgeld Besitz zu ergreifen. Allerdings war die Symbolik des Liberty Cap nicht unumstritten. Zwar verband sich die Freiheitsmütze, wie soeben bemerkt, bereits in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts mit der Columbia, die ebenfalls die Vereinigten Staaten repräsentiert.91 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Liberty Cap aber bisweilen kritisch gesehen und zum Teil bewusst von der Staatsrepräsentation ausgeschlossen. Dachte man doch, dass die Symbolik des Liberty Cap auf die Freilassung und Freiheit von Sklaven zielen würde, die bis zum amerikanischen Bürgerkrieg in der neuen Freiheit Amerikas noch keine Heimstatt gefunden hatte.92 Doch trotz dieser Vorbehalte beherrschte in den folgenden Jahrzehnten der immer wieder abgewandelte Kopf der Dupré-Liberty das Münzgeld.93 Auf der Halbdollar-Münze von 1807 trägt die Liberty eine wenig geglückte, turbanähnliche Kopf bedeckung mit der Aufschrift »Liberty« im unteren Saum. In der Folgezeit wurde dieser zu einem »Freiheitsturban« abgewandelte Liberty Cap wiederholt variiert. 1836 erschien eine Münze mit einer sitzenden Liberty, die einen Stab mit dem Liberty Cap in der linken Hand hält (Abb. 238). Sie war von Christian Gobrecht, der, in Pennsylvanien geboren, deutsche Vorfahren hatte, entworfen worden. Dieser über viele Jahre hinweg in Abwandlungen genutzte Münztyp94 ist dem neoklassizistischen Stil in der amerikanischen Münzprägung verpflichtet.95 Teile 393

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der öffentlichen Meinung begrüßten die neue Gestaltung der Liberty, weil sie der Britannia auf britischen Münzen sehr ähnele. Auch wurden die GobrechtSilberdollars alsbald zu einem beliebten Sammlungsobjekt, was die amerikanische Münze zu Nachprägungen veranlasste.96 Man sparte aber auch nicht mit Kritik  : »That young woman sitting on nothing in particular, wearing nothing to speak of, looking over her shoulder at nothing imaginable, and bearing in her left hand something that looks like a broomstick with a woollen nightcap on it – what is she doing there  ?«97 Mit der künstlerischen Gestaltung einer eigenständigen Freiheitssymbolik, die auf allgemeine Akzeptanz zu stoßen vermochte, tat man sich an der amerikanischen Münze offensichtlich schwer. Bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bestimmten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in Europa ausgebildete Medailleure das amerikanische Münzwesen.98 Im Jahr 1876 wurde auf Empfehlung des Direktors der Londoner Münze der dort tätige George T. Morgan als Medailleur an die amerikanische Münze berufen. Der von ihm 1878 entworfene »Liberty Head«-Dollar (Abb. 239) verbindet eine Neugestaltung der Liberty Cap mit der Übernahme des Profils des von Eugène André Oudiné gestalteten Ceres-Kopfes, der auf französischen 5-Francs-Münzen von 1849 und ab 1870 die Französische Republik repräsentierte (Abb.  240). Anders als Oudinés Symbol der französischen Republik, aber gleichwohl nach französischem Vorbild trägt die Liberty eine phrygische Mütze, die an ihrem Saum die Inschrift »Liberty« aufweist. Dass Morgan das Profil des Kopfes von Oudinés 5-Francs-Münzen schlichtweg übernommen hat, wird daran deutlich, dass oberhalb des Liberty Cap zwei Kornähren sichtbar werden. Diese charakterisieren den CeresKopf auf Oudinés 5-Francs-Münze  ; bei der Gestaltung der Liberty sind die für die Fruchtbarkeitsgöttin Ceres stehenden Kornähren schlechthin ein Missgriff. Mit der Übernahme des Kopfes der Ceres blieb sogar Dupré über Oudiné und Morgan vermittelt im Münzgeld der Vereinigten Staaten präsent. Der klassische Ausdruck, den sie dem Profil gaben, lehnte sich deutlich an Duprés Centime-Münzen des Jahres 1796 (Abb. 241) an. Sicherlich orientieren Künstler ihre Entwürfe immer wieder an großen Vorbildern, gleichwohl steht Morgans Liberty-Dollar an der Grenze zu einem Plagiat. All dies wurde in der zeitgenössischen ebenso wie in der jüngeren amerikanischen Publizistik ohne Weiteres übergangen. So konnte man in der Philadelphia Sunday Republic ein hohes Lob auf den neuen »Liberty-Head«-Dollar lesen  : »The head of liberty is … considered the best executed head that ever appeared upon United States coin. … It was taken from life, and is a fair type of the beauty of one of our Philadelphia ladies, … who is a teacher in one of the public schools.«99 Hier wurden Legenden um die Gestaltung des Münzgeldes gerankt, die, von nationalem Patriotismus getragen, verschleiern, dass das Münzwesen der Vereinigten Staaten bis in das 20. Jahrhundert französische Vorbilder weitgehend rezipiert bzw. 394

Im Dienste der Erinnerungskultur

Abb. 239  : George T. Morgan, Liberty-Head-Dollar, 1879 Abb. 240  : Eugène André Oudiné, Ceres-Münze, 1870 Abb. 241  : Augustin Dupré, Centime-Münze, 1796

imitiert hat.100 Oudiné hat über die Vereinigten Staaten hinaus auch das südamerikanische, an der Freiheitssymbolik orientierte Münzwesen maßgeblich beeinflusst, worauf noch zurückzukommen ist. Dort allerdings tritt Oudiné als Medailleur in Erscheinung und wird nicht wie von Morgan kopiert. Länger als ein Jahrhundert hat sich die amerikanische Freiheitssymbolik auf Münzen an französische Vorbilder angelehnt,101 ohne dass, soweit ersichtlich, französische Medailleure an der amerikanischen Münze in führender Position tätig gewesen wären. Dass gerade die französische Münz- und Medaillenkunst 395

Ein Blick gen Westen

als Vorbild diente, lag nahe  : Denn diese war zum einen im Europa des 19. Jahrhunderts in künstlerischer Hinsicht führend  ; zum anderen mag man sich an den republikanischen Freiheitssymbole Frankreichs orientiert haben, um den Geist der republikanischen Freiheit zu beschwören. Der Republikanismus in Frankreich und in den Vereinigten Staaten von Amerika beruhte in dieser Perspektive im 19. Jahrhundert nicht allein auf gemeinsamen politischen Wertvorstellungen, sondern wurde auch in einer gemeinsamen symbolischen Form vermittelt.102 7.2.2 Die Glorifizierung der Gründungsväter als Teil des amerikanischen Gründungsmythos

Die amerikanische Erinnerungskultur und mit ihr das amerikanische Traditionsbewusstsein wurde und wird auch durch eine Glorifizierung der Gründungsväter geformt. Hierbei spielte in der Vergangenheit die Freiheitssymbolik eine nicht unbedeutende Rolle. Erste Ansätze einer entsprechenden Bildpublizistik stammen aber nicht aus Amerika,103 sondern finden sich auf bebilderter Gebrauchskeramik und im Textildesign für bedruckte Stoffe, die für den britischen Export nach Amerika bestimmt waren. Dieses Exportgut wurde bisweilen sogar mit antibritischen Bildern versehen bzw. bedruckt, um dem amerikanischen Zeitgeschmack gerecht zu werden und so die Absatzchancen auf dem dortigen Markt zu steigern. Frühe Beispiele für eine Verherrlichung von Washington und Franklin unter Bezugnahme auf die Freiheitssymbolik sind das Motiv »The Apotheosis of Washington and Franklin«104 aus dem Jahr 1785 und das im gleichen Jahr für englische Textildrucke verwendete Motiv »America Presenting at the Altar of Liberty Medallions of Her Illustrious Sons«. Solche politischen Bilder auf Gegenständen des täglichen Gebrauchs waren offensichtlich vom Publikum erwünscht und standen am Beginn des neu entstehenden Nationalgefühls.105 Ab dem ausgehenden 18.  Jahrhundert nahm sich die amerikanische Bildpublizistik dann ebenfalls der Glorifizierung der Gründungsväter der Vereinigten Staaten von Amerika an. Die Verabschiedung der Bundesverfassung im Jahr 1788 war bereits Anlass, auf das Werk der beiden eben genannten großen Staatsgründer hinzuweisen  : Der Bickerstaff ’s Boston Almanack, or the Federal Calender for the Year of our Redemption von 1788 zeigte auf seinem Titelbild (Abb. 242) wie Washington und Franklin in einem »Federal Chariot« sitzen, der von 13 »freien Männern« gezogen wird, die für die »glückliche Union« stehen, wie dem geneigten Leser erläutert wird. Washington hält »the grand Fabric of American Independence, the Federal Constitution« in seiner Hand, Franklin hält die Stange mit dem Liberty Cap. Damit steht Washington für die Verfassunggebung, Franklin für die amerikanische Freiheit. 396

Im Dienste der Erinnerungskultur

Abb. 242  : Titelbild des Bickerstaff’s Boston Almanack, 1788

Franklin und Washington dankte man über ihren Beitrag zur Verfassunggebung hinaus für ihre Mitwirkung am Sieg über das »despotische« Großbritannien. Auf einem (allerdings in London erschienenen) Frontispiz mit dem Titel »America Trampling on Oppression« von 1789 (Abb.  243) ist die personifizierte Amerika mit Lanze und Liberty Cap von Säulen mit den Brustbildern von Franklin und Washington als den Vorkämpfern der amerikanischen Freiheit umgeben. Sie tritt auf das Ungeheuer der Unterdrückung, das sinnbildlich für das abgeschüttelte britische Joch steht. Als Folge des Sieges über die Knechtschaft sprudelt das Füllhorn des Wohlstandes. Die erhobene rechte Hand mit dem emporgestreckten Zeigefinger verweist auf eine neue Ära eines unabhängigen und freiheitlichen amerikanischen Staates, wobei zugleich auf die Attribute der beiden Säulen verwiesen wird, nämlich Musik, Literatur, Handel, Technik und militärischer Erfolg. Die Lanze mit dem Liberty Cap steht für einen neuen Geist der Freiheit, der Kultur und Politik in Amerika beherrscht. In der Folgezeit diente die Freiheitssymbolik häufig einer geradezu mythischen Verklärung der Gründungsväter.106 Der an der Idee der Freiheit orientierte Gründungsmythos wurde durch Bilder von den Staatsgründern personalisiert und durch die Freiheitssymbolik visualisiert. So wurde auf einem Stich zur Erinnerung an den Tod von Alexander Hamilton dessen Grabmal durch eine Liberty und durch eine Minerva, die Amerika verkörpern soll, eingerahmt,107 und Thomas Jeffersons Portrait wurde 1807, also in der Zeit seiner Präsidentschaft, von einer im Strahlenkranz der aufgehenden Sonne erscheinenden Freiheitsgöttin mit dem Liberty Cap auf einer Stange gehalten.108 Demnach kam es ähnlich wie in der Französischen 397

Ein Blick gen Westen

Abb. 243  :  Anonym, America Trampling on Oppression, 1789

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Im Dienste der Erinnerungskultur

Revolution, als die Liberté in den Rang einer Gottheit erhoben wurde, auch hier zu einer religiösen Überhöhung der amerikanischen Liberty. Geradezu sakrale Züge nahm sie beim Kult um den 1799 verstorbenen George Washington an.109 Äußerst populär war der Stich des 1795 von London in die Vereinigten Staaten ausgewanderten Malers und Graphikers John James Barralet mit dem Titel »Apotheosis of George Washington« aus dem Jahr 1802 (Abb.  244).110 Seit der Antike war die Vorstellung geläufig, dass allen, die Herausragendes für ihr Land geleistet hatten, ein Platz im Himmel gebühre, wo sie ein ewiges Leben genießen können.111 In zahlreichen Bildern der Fürstenapotheose wurden herausragende Landesherren auf einer Ebene mit den Göttern dargestellt, was ihre überzeitliche Bedeutung würdigen sollte. In dieser Perspektive sind Apotheose-Darstellungen Abb. 244  : John James Barralet, Apotheosis of George in einem demokratischen Staat fernliegend. Washington, 1802 Und dennoch wurde George Washington in den Himmel der Unsterblichkeit entrückt. In einer Auferstehungsszene wird der Verstorbene von der Personifizierung der Unsterblichkeit gemeinsam mit Vater Zeit aus einem Sarkophag gehoben und fährt gen Himmel auf. Die Liberty mit Stab und Liberty Cap sowie eine Personifikation Amerikas befinden sich vor diesem Sarkophag wie die schlafenden Wächter vor dem Grab Christi. Eine ähnliche Sakralisierung erfolgte 1865 in dem von Constantino Brumidi112 geschaffenen großen Fresko im Washingtoner Kapitol (Abb.  245). Der 1805 in Rom geborene und dort vor seiner Auswanderung 1852 in die Vereinigten Staaten bereits sehr gefragte Künstler wird bisweilen mit amerikanischem Selbstbewusstsein der »Michelangelo des Kapitol« genannt. In der für ihn typischen Monumentalmalerei mit Stilelementen aus der Geschichte italienischer Kunst zeigt er, wie George Washington in den Götterhimmel gehoben wird, mit der Liberty mit roter Mütze zu seiner Rechten und der Viktoria bzw. der Fama zu seiner Linken. Dabei verweist er links wohl auf den Verfassungstext zwischen ihm und der Li­ berty, rechts hält er sein Schwert für die Viktoria bzw. Fama bereit. Allerdings orientiert sich die Liberty-Darstellung nicht an der Tradition der amerikanischen Freiheitssymbolik, sondern eher an französischen bzw. italienischen Vorbildern. Dies gilt jedenfalls für die rote phrygische Mütze, die Brumidi als einem in Italien gerichtlich verfolgten Teilnehmer an der 1848er-Revolution in Rom als französisches und italienisches Freiheitssymbol geläufig war. Eine Liberty mit gleicher 399

Ein Blick gen Westen

Abb. 245  : Mittelteil des Freskos von Constantino Brumidi, The Apotheosis of George Washington, 1865

Freiheitsmütze findet sich ein zweites Mal in einer die Apotheose von Washington umgebenden Figurengruppe. In der Darstellung der Landwirtschaft (Abb.  246) verkörpert sie das freiheitliche Amerika, in dem Ackerbau und Viehzucht zu dessen Reichtum beitragen. Von den Göttinnen Ceres, Flora und Pomona wird sie beim Einbringen reicher Ernte unterstützt. Die Assoziation der Erhebung von George Washington als dem Heilsbringer der Freiheit in einer Art Auferstehungsszene in den antiken Götterhimmel, u. a. mit den Attributen eines in Freiheit geschaffenen Wohlstandes, sind nicht ganz unwichtige Randerscheinungen einer politischen Bewusstseinsbildung, die mit dieser großen Persönlichkeit den Gründungsmythos der Vereinigten Staaten von Amerika verbindet. 7.2.3 Der »Temple of Liberty« als Ort der Verherrlichung der Union und ihrer Verfassung

Der »Temple of Liberty« war ein beliebtes Motiv der Verherrlichung der Union und ihrer Verfassung. Das Frontispiz des zweiten Bandes des Columbian Magazine von 1788 zeigt, wie die Columbia, die Personifikation Amerikas, die Muse der Ge400

Im Dienste der Erinnerungskultur

Abb. 246  : Figurengruppe »Agriculture« im Fresko von Constantino Brumidi, The Apotheosis of George Washington, 1865

schichtsschreibung sowie ein geflügelter Genius, der die Eintracht verkörpern soll, im Lichte einer aufgehenden Sonne vor einem Tempel mit 13 Säulen stehen, die die Unionsstaaten repräsentieren (Abb. 247).113 Dieser Tempel, »sacred to liberty Justice and Peace«, soll ein Gebäude der Freiheit sein, die ohne Gerechtigkeit und Frieden undenkbar ist. So sieht man denn auch auf dem Giebel des Tempels die Liberty mit Stab und Liberty Cap, die als höchster Wert oberhalb der symbolischen Darstellungen von Justitia und Pax steht. Der geflügelte Genius, der in der einen Hand eine Urkunde mit der Aufschrift »Constitution« hält und mit der anderen Hand auf den Tempel verweist, hebt die Rolle der gerade verabschiedeten Verfassung für die Verwirklichung von Freiheit hervor. Clio, die Muse der Geschichte, ist dabei, das denkwürdige Geschehen der Verfassunggebung in ihr großes Buch zu schreiben. Der »Temple of Liberty« hat fortan in den Vereinigten Staaten seine eigene Symbolgeschichte. So wurde in den folgenden Jahrzehnten des Öfteren auf die Symbolik des Freiheitstempels zurückgegriffen.114 Bei dieser Illustration im Columbian Magazine im Jahr der Verabschiedung der amerikanischen Verfassung ist zweierlei bemerkenswert  : Zum einen wird die neue 401

Ein Blick gen Westen

Abb. 247  : James Trenchard, Temple of Liberty, 1788

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Im Dienste der Erinnerungskultur

amerikanische Verfassung in einer antikisierenden Weise mit einem Tempel der Freiheit assoziiert. Dieser Tempel der Freiheit war, wie bereits ausgeführt, aus den englischen Bildsatiren (vgl. Abb.  48) bekannt. Die Assoziation von antiker Tempelarchitektur mit der Idee der Freiheit mag denn auch dazu geführt haben, dass viele Repräsentationsgebäude, vor allem das Kapitol, als Tempel der Freiheit erbaut, mit ihren Säulenfronten dem neoklassizistischen Zeitgeschmack entsprachen115 und zugleich den freiheitlichen Geist Amerikas repräsentieren. Zum anderen hat sich in den Jahren der Französischen Revolution ebenfalls die Idee entwickelt, mit Tempeln der Freiheit oder der Vernunft dem Geist der neuen politischen Ordnung zu huldigen. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist diese Tempelsymbolik nur wenig früher als in Frankreich geläufig. So mag es angesichts des in Europa und Amerika geläufigen Neoklassizismus zu einer Parallelentwicklung in der Symbolik gekommen sein, die durch die Wurzeln der Freiheitssymbolik in der Antike nahegelegt worden war. 7.2.4 Zurück zu den Wurzeln  : die Freiheits- und Verfassungssymbolik als visuelles Mittel der politischen Auseinandersetzung

Die in Nordamerika im Zuge des Konflikts der Kolonien mit Großbritannien rezipierte englische Freiheitssymbolik war dort wie im Mutterland ein bildpublizistisches Mittel in politischen Kontroversen, bevor sie zu einem Teil des amerikanischen Gründungsmythos wurde. Im 19. Jahrhundert kehrte die amerikanische Freiheitssymbolik gewissermaßen zu den Wurzeln zurück, als sie in außen- und innenpolitischen Auseinandersetzungen in vielfältiger Form Verwendung fand. Beispielsweise wurde in einer Graphik von 1812 aus Anlass des britisch-amerikanischen Krieges die Columbia, die Symbolfigur der Vereinigten Staaten, mit einem Liberty Cap auf einer Stange dargestellt, wie sie einem unwilligen John Bull, aber auch Napoleon lehrt, dass Macht nicht vor Recht gehen dürfe  ; gegen die britische Blockade amerikanischer Häfen und gegen die Zwangsrekrutierung amerikanischer Seeleute gewendet wurde gefordert, dass der Handel frei bleiben und die Rechte der Seeleute gewahrt werden müssen.116 Mit der Columbia als Lehrmeisterin der europäischen Großmächte zeigte sich ein neues Selbstverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie beanspruchten eine politische Führungsrolle, ihre im Namen der Freiheit erhobenen politischen Forderungen sollen für andere Staaten verpflichtend sein. Innenpolitisch wurde u. a. der Prinzipienstreit zwischen den Federalists um Hamilton und den Republikanern um Jefferson auch unter Bezugnahme auf die Freihheitsymbolik ausgetragen. So wurde etwa der Journalist William Cobbett, dessen Kommentare die Seite der Federalists stützten, mit einer Karikatur persönlich angegriffen, auf der der britische Löwe auf einer Freiheitsmütze herumtrampelt und 403

Ein Blick gen Westen

die Liberty weinend an einem Denkmal für die amerikanische Unabhängigkeit mit einem Franklin-Portrait sitzt.117 Während hier historische Erfahrungen mit den Gefährdungen einer freiheitlichen politischen Ordnung visualisiert werden, ging es bei den Graphiken mit Freiheitsmützen, die in den 1830er Jahren die Präsidentschaft von Andrew Jackson kritisch begleiteten,118 um außen-119 und innenpolitische Auseinandersetzungen wie etwa um das umstrittene Umsiedlungsprogramm für Ureinwohner.120 Nicht zuletzt wurde im 19. Jahrhundert eine Vielzahl von Präsidentschaftswahlkämpfen mit entsprechenden Symbolen im Namen der Freiheit geführt.121 Dies bezweckte nicht nur, die Freiheitlichkeit des Wahlprogramms des jeweiligen Kandidaten hervorzuheben, sondern auch über die Identifikation mit der US-amerikanischen Freiheitssymbolik Stimmen gewinnen zu können. Damit gehörte die Freiheitssymbolik in den Vereinigten Staaten sowohl des ausgehenden 18. wie des 19. Jahrhunderts zu den festen Bestandteilen der Repräsentation des Wertes der Freiheit, der, mit dem amerikanischen Gründungsmythos verbunden, der amerikanischen Gesellschaft vorausliegt. Die amerikanische Kultur der Freiheit ebenso wie die politischen Auseinandersetzungen um die Entwicklung einer freiheitlichen Ordnung fanden zum Teil bis in das 20. Jahrhundert 122 in der Freiheitssymbolik den entscheidenden Orientierungspunkt kollektiven politischen Bewusstseins. Darüber hinaus begleiteten Freiheitssymbole parteipolitische ebenso wie tagespolitische Kontroversen. Allerdings standen sie in den entsprechenden Graphiken meist nicht im Zentrum, sondern blieben eher Kolorit bei der Visualisierung innenpolitischer Debatten. 7.3 Die Freiheitssymbolik als Mittel staatlicher Selbstdarstellung in Mittel- und Südamerika In den 90er Jahren des 18.  Jahrhunderts kam es in den mittel- und südamerikanischen Kolonien Spaniens und Frankreichs zu Freiheitsbewegungen, die zu Beginn des 19.  Jahrhunderts in Staatsgründungen mündeten. Die nun einsetzende Verfassunggebung – die erste Verfassung wurde 1811 in Venezuela verabschiedet – orientierte sich zum Teil an der liberalen spanischen Verfassung von Cádiz (die, 1812 erlassen, auch für die spanischen Kolonien gelten sollte),123 daneben aber auch an französischen und nordamerikanischen Vorbildern.124 Der lateinamerikanische Konstitutionalismus übernahm – bei allen Unterschieden in der einzelstaatlichen Verfassungsentwicklung  – von dort sowohl die Gewährleistung von Individualrechten als auch die Grundsätze einer demokratischen Ordnung und einer gewaltenteiligen Staatsorganisation. Eine Freiheitssymbolik, die diese Entwicklung zum Verfassungsstaat visuell zu begleiten vermochte, konnten zumindest die spanischen Territorien nicht vom 404

Die Freiheitssymbolik als Mittel

Mutterland übernehmen. Denn sie war in dessen politischer Kultur, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht präsent.125 So entwickelten sie ihre Freiheitssymbolik in Anlehnung an jene Länder, in denen sich eine republikanische Ordnung durchgesetzt hatte. Wohl auch, um sich in den Jahren des Auf bruchs in die Unabhängigkeit von Spanien zu distanzieren, rezipierten die zu Beginn des 19.  Jahrhunderts entstehenden Republiken in den ehemals spanischen Territorien Mittel- und Südamerikas in großem Umfang die in Frankreich und Nordamerika geläufigen symbolischen Formen.126 Dies gilt sowohl für die Staatsrepräsentation als auch für das Münzgeld.127 Auf diesen beiden Bereichen liegt der Schwerpunkt dieses Abschnitts, der mit einer Erörterung der Situation in Abb. 248  : Staatssiegel Argentiniens von 1813 Argentinien beginnen soll. Im argentinischen Wappen befindet sich bis in die heutige Zeit, wie schon in dem von der verfassunggebenden Versammlung 1813 beschlossenen Staatssiegel (Abb.  248), 128 die phrygische Mütze (im Spanischen »gorro frigio«) als Sinnbild der Freiheit. Sie befindet sich auf einem Stab, der von zwei verschränkten Händen als Symbol der nationalen Einigkeit gehalten wird. Oberhalb des ovalen Schildes sieht man eine aufgehende Sonne mit Gesichtszügen. Sie steht vordergründig für die Maisonne (Sol de Mayo), die an die Absetzung des spanischen Vizekönigs und an die Machtübernahme der ersten argentinischen Regierung vom 25. Mai 1810 erinnern soll.129 Tatsächlich sagt dieses Sinnbild allerdings etwas anderes aus  ; was genau, wird unterschiedlich beantwortet.130 Manche sehen in der aufgehenden Sonne das Symbol eines neuen freiheitlichen Staates, der sich in die Staatengemeinschaft integriert, oder auch einer neuen freiheitlichen Zivilisation mit entsprechenden Lebensformen. Dieser traditionellen ikonographischen Erklärung gegenüber besagt eine andere Deutung, die Sonnenscheibe in der Form eines Gesichts bezeichne die Sonne als Quelle von Licht und Wärme und verkörpere im Einklang mit der Inkamythologie den Sonnengott Inti, den Beschützer der Menschen.131 Die Sonnensymbolik soll, anders als die europäische Lichtmetapher, die kulturellen Traditionen der Ureinwohner als Grundlage des neuen Staates und – in der Gestaltung des Wappens – darüber hinaus die Einheit zwischen der indianischen und spanischen Bevölkerung zum Ausdruck bringen. In dieser Interpretation umreißt die Verbindung von europäischer Freiheits- und indianischer Sonnensymbolik ein politisches Programm, das die Grundlagen einer freiheitlichen politischen Ordnung mit den vorspanischen kulturellen Traditionen Argentiniens zu verschmelzen sucht. 405

Ein Blick gen Westen

Welche der beiden Deutungen vorzugswürdig ist, mag offenbleiben. In Argentinien transportiert die Sonnensymbolik offensichtlich unterschiedliche Vorstellungen über die politischen Ziele, die sich mit der Staatsgründung verbanden. Bei politischen Symbolen ist eine solche Deutungsoffenheit nichts Ungewöhnliches. Betont das Staatswappen demnach die politische Freiheit in kultureller Einheit des Landes, so blieb die politische Realität von dieser Vision weit entfernt. Die symbolische Integration des »Indianischen« führte über lange Zeit hinweg weder zu einer besonderen Pflege der indianischen Kultur noch zu politischen Partizipationsmöglichkeiten Abb. 249  : Rückseite einer argentinischen Centavovon Indios oder Mestizen.132 Gleichwohl blieb Münzen, 1891 die Symbolik des Staatswappens in der Staatsrepräsentation und auch im Münzgeld, worauf sogleich zurückzukommen ist, bis in jüngere Zeit präsent. Infolge dieser bis zur Staatsgründung zurückreichenden Kontinuität konnte die symbolische Verbindung von politischer Freiheit und kultureller Einheit im kollektiven Bewusstsein positiv besetzt werden. Die politische ebenso wie die kulturelle und soziale Integration konnte so zum längerfristig gültigen und erst spät eingelösten Leitbild werden. Die verschränkten Hände vor einer Freiheitsmütze auf einem Stab waren ein im Argentinien des 19. Jahrhunderts verschiedentlich verwendetes Motiv. Im Umlaufgeld wurde es bereits zur Zeit des Kampfes um die Unabhängigkeit,133 sodann im Verlauf des 19. Jahrhunderts (Abb. 249) und vereinzelt bis in die jüngere Zeit 134 zur Gestaltung der Rückseiten von Münzen herangezogen. Auf ihnen wurden mit seiner Hilfe Freiheit und Einigkeit als die bis zur Staatsgründung zurückreichenden Grundwerte des argentinischen Staates benannt.135 In der an den Unabhängigkeitskampf und die Erklärung der Unabhängigkeit Ar­ gen­tiniens erinnernden »Pirámide de Mayo« ist diese Komposition ebenfalls auf e­ inem Schild zu sehen, das von der Libertad gehalten wird (Abb.  250). In Buenos Aires 1811 errichtet, gehört die Maipyramide zu den wesentlichen Monumenten offizieller Staatsrepräsentation und kollektiver Erinnerung.136 Im Jahr 1856 erhielt das Denkmal eine neue Form. Die architektonische Neugestaltung wurde keinem argentinischen Künstler übertragen, sondern dem französischen Bildhauer Joseph Dubourdieu. Er war es, der für die Spitze der Pyramide die 3,60 m hohe Statue der Libertad schuf. Ähnlich wie französische Vorbilder ist sie in ein wallendes Gewand gekleidet und trägt eine phrygische Mütze, daneben hält sie, als eigenständiges Element, mit der rechten Hand einen Speer als Zeichen der Bereitschaft, die Freiheit zu verteidigen. 406

Die Freiheitssymbolik als Mittel

Abb. 250  : Pirámide de Mayo, 1811/1856

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Ein Blick gen Westen

Dass diese Freiheitssymbolik auch über das Münzgeld hinaus verbreitet war, zeigt eine Graphik auf die Freundschaft zwischen der Republik Argentinien und der neugegründeten Republik Brasilien von etwa 1890.137 Hier wird die von den argentinischen Münzen bekannte Darstellung zweier Hände vor einem Stab mit einer phrygischen Mütze an der Spitze mit Personifikationen der beiden Republiken verbunden, die ihrerseits mit phrygischen Mützen bekleidet sind. Die beiden dergestalt repräsentierten freiheitlichen Staaten reichen sich über einem Altar die Hände und versinnbildlichen so die Freundschaft in republikanischer Freiheit. Abb. 251  : Eugène-André Oudiné, Vorderseite argentinischer Ein anderes Sinnbild der Freiheit, das in Centavo-Münzen zwischen 1881 und 1988 Argentinien lange Zeit in Gebrauch war, ist die traditionelle Darstellung einer Frau mit Freiheitsmütze. Eine solche zierte über mehr als ein Jahrhundert hinweg zwischen 1881 und 1988 die Vorderseite argentinischer Münzen.138 Ihre zeitlos klassische Darstellung (Abb. 251) war von dem französischen Medailleur Eugène-André Oudiné geschaffen worden, der sich bei seinem Entwurf wiederum an Duprés Bildnis auf der französischen 1-Centime-Münze des Jahres 1797 anlehnte (Abb.  241).139 So hat Dupré nicht nur für die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern über Oudiné auch für das argentinische Münzgeld als Inspirationsquelle gewirkt. Auf diese Weise war seine Gestaltung der personifizierten Freiheit im Münzgeld fast 200  Jahre in großen Teilen der atlantischen Welt präsent. Seine klassizistische Formgebung und damit die von ihm mitgeprägte französische Münzkunst vermochten in unterschiedlichen kulturellen Kontexten der westlichen Welt, die Idee der Freiheit zu vermitteln.140 Der Gebrauch von Sinnbildern der Freiheit beschränkte sich nicht auf Argentinien. Vielmehr wurde die Freiheitssymbolik in fast allen anderen Staaten Südund Mittelamerikas rezipiert.141 In Kolumbien gab es zunächst einige Ansätze, die Freiheit in indianischer Form zu repräsentieren. So erschien etwa auf einem Ölbild eines anonymen Künstlers aus dem Jahr 1819 die Libertad als eine mit Stab und roter phrygischer Mütze versehene Frau, die zwar eine weiße Hautfarbe aufweist, aber mit einem indianischen Kopfschmuck und in indianischer Kleidung gemalt ist.142 Derart indianische Bezüge in der Freiheitssymbolik blieben allerdings Randerscheinungen in der Frühphase der Unabhängigkeit. Dagegen steht 408

Die Freiheitssymbolik als Mittel

Abb. 252  : 2½-Centavos-Münze der Vereinigten Staaten von Kolumbien von 1886

der gorro frigio ganz unangefochten seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zentrum der kolumbianischen Staatsrepräsentation. Seit 1834 beherrscht er neben anderen Symbolen nicht nur das kolumbianische Staatswappen, sondern war auch sonst in den Bildmedien verbreitet. So wurde beispielsweise die Verfassung von 1843 auf der Rückseite eines Jetons durch eine phrygische Mütze auf einem Stab zwischen einem gekreuzten Schwert und Pfeil symbolisiert.143 Was das Münzgeld betrifft, zeigte etwa die 2½-Centavo-Münze von 1881144 auf ihrem Revers einen sich auf einem Stab befindlichen gorro frigio mit der Inschrift »Libertad« auf dem Saum (Abb.  252)  ; diese Symbolik fand sich noch bis Ende der 60er Jahren des 20. Jahrhunderts auf der Rückseite der kolumbianischen 1-Centavo-Münze.145 Und die Departements Antioquia, Arauca, Cundinamarca und Tolima führen die phrygische Mütze ebenso wie z. B. die Stadt Guaduas bis heute in ihren Wappen.146 Das Münzgeld Mexikos nutzte die Freiheitsmütze seit dem frühen 19. Jahrhundert bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.147 Die zwischen 1823 und 1864 entstandenen Escudo-Prägungen zeigen unter dem Motto »Freiheit unter dem Gesetz« (libertad en la ley) den Pileus über einem Gesetzbuch, andere Prägungen aus der Zeit bis 1945 verwenden meist den Pileus, zeitweise aber auch die phrygische Mütze mit der Inschrift »Libertad« in einem Strahlenkranz (Abb. 253).148 Die mexikanische 20-Centavos-Münze von 1971 (Abb. 254) zeigt die Sonnenpyramide der Mayas in Teotihuacan, darüber vor einem Strahlenkranz den gorro frigio mit nur angedeuteter Spitze. Diese Bildkomposition würdigt den weit gespannten Bogen von frühen kulturellen Leistungen zu dem heute freiheitlichen mexikanischen Staat. Denn das Freiheitssymbol überstrahlt eine große Stätte bislang immer noch nicht gänzlich erforschter voratztekischer Kultur. Ebenso 409

Ein Blick gen Westen

wie in Argentinien ist die Freiheitsmütze, bisweilen zum gorro frigio verändert, das Freiheitssymbol, das vom Beginn des 19.  Jahrhunderts die mexikanische Staatsrepräsentation im Münzgeld beherrschte.149 In Haiti wurde zu Beginn des 19.  Jahrhunderts nach einem erfolgreichen Aufstand gegen die britische Herrschaft und nach einigen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen die phrygische Mütze nach französischem Vorbild in die Nationalflagge, in das Staatswappen und in das Münzgeld übernommen.150 In der Mitte des Staatswappens steht eine Königspalme mit der phrygischen Mütze als Zeichen der Freiheit und des erfolgreichen Abb. 253  : Mexikanische 8-Reales-Münze von 1890 Unabhängigkeitskampfes. Die ersten Prägungen des Münzgeldes nach der erfolgreichen Revolution im Jahr 1807 verwiesen mit Libertas-Darstellungen nach französischem Vorbild auf die errungene Unabhängigkeit  : Die 15-Sols-Münze von 1808 zeigt eine stehende Liberté mit der phrygischen Mütze auf einer Stange,151 die 30-Sols-Münze von 1808 eine sitzende Liberté mit den gleichen Attributen.152 Diese offensichtliche Anlehnung an die Symbolik der Französischen Revolution war wohl von Alexandre Pétion, dem damaligen Präsidenten der Republik Haiti veranlasst. Als Sohn einer einheimischen Mutter und eines französischen Vaters wurde er zwischen 1788 und 1798 an der Ecole Militaire in Paris ausgebildet und Abb. 254  : Mexikanische 20-Centavos-Münze von 1971 war mit der Freiheitssymbolik des revolutionären Frankreich sicher bestens vertraut. In Peru wurde ebenfalls sehr deutlich an die französische Freiheitssymbolik angeknüpft. Auf der 8-Reales-Münze von 1834 (Abb.  255) hält die in die Nähe einer Minerva gerückte Libertad, in wallendem Gewand gekleidet, den Pileus auf einem Stab in ihrer linken Hand. Zur Erläuterung, derer man offenkundig zur Propagierung dieser Symbolik bedurfte, stützt sie sich auf ein Schild mit der 410

Die Freiheitssymbolik als Mittel

Aufschrift »Libertad«.153 Im Verlauf des 20.  Jahrhunderts ist im Münzgeld eine sitzende Freiheit mit dem gorro frigio immer wieder präsent.154 Auch Medaillen auf die Verfassunggebung griffen auf diese Freiheitssymbolik zurück.155 Die Beispiele ließen sich fortsetzen.156 Sie zeigen, dass über Westeuropa und die Vereinigten Staaten von Amerika hinaus eine Verbreitung der Freiheitssymbolik in der Staatsrepräsentation Mittel- und Südamerikas  – und damit in wichtigen Bereichen der westlichen Hemisphäre  – stattfand. Bis weit in das 20. Jahrhundert blieb eine auf französische Ikonographie157 und, wie gesehen, teils auch auf französische Abb. 255  : Peru, 8-Reales-Münze von 1834 Künstler zurückgehende Freiheitssymbolik lebendig, die in Frankreich bereits seit Längerem verblasst war. Die in Süd- und Mittelamerika weitverbreitete Freiheitssymbolik stand aber in einem anderen politischen und gesellschaftlichen Kontext als in Westeuropa oder in den Vereinigten Staaten von Amerika. Im letztgenannten Bereich spiegelten sich in ihr die politischen Auseinandersetzungen um eine demokratische und die Freiheit schützende Ordnung. Zudem bestimmten freiheitliche Verfassungen, sobald sie erlassen waren, die rechtliche Ordnung des politischen Lebens. Auch wenn über den Inhalt dessen, was verfassungsrechtlich geregelt war, gestritten wurde, so gab es doch einen Willen zur Verfassung. Ganz anders verhält es sich in Süd- und Mittelamerika  : Ein Grundkonsens, dass die Verfassung zu befolgen sei, konnte sich lange Zeit nicht durchsetzen. Die verfassungsrechtlichen Werte wie insbesondere die Freiheit, die zum Gegenstand symbolischer Staatsrepräsentation gemacht wurden, hatten wenig, bisweilen überhaupt keinen Einfluss auf die konkrete Politik.158 So waren die formal freiheitlichen Verfassungen oft nur ein Feigenblatt für oligarchische Herrschaftssysteme. Die Gründe für dieses Schattendasein des Verfassungsrechts waren vielschichtig. Die spanischen Eliten Süd- und Mittelamerikas konnten in der Kolonialzeit ebenso wie die Bevölkerung insgesamt keine Erfahrungen mit dem Leben unter einer demokratischen und freiheitlichen politischen Ordnung sammeln. In den Bürgerkriegen und anderweitigen politischen Wirren des 19.  Jahrhunderts ging es um die Durchsetzung politischer Machtpositionen, nicht aber einer verfassungsstaatlichen Ordnung. Die besitzbürgerliche Oberschicht ließ mit ihrer Furcht vor einer sozialen Revolution zudem die Verfechter einer republikanischen Ordnung nach französischem oder amerikanischem 411

Ein Blick gen Westen

Vorbild nicht zur Entfaltung kommen. Es fehlte über eine sehr lange Zeit an einer breiten bürgerlichen Schicht, die sich für das Gelingen einer freiheitsgewährenden verfassungsstaatlichen Ordnung hätte einsetzen können. Man mag hier von einer Doppelbödigkeit der politischen Symbolik und der politischen Praxis sprechen  : Auf der einen Seite sollte durch eine freiheitliche politische Symbolik an den Kampf um die Unabhängigkeit von Spanien erinnert 159 und die Legitimität des Herrschaftssystems vorgespiegelt werden, auf der anderen Seite blieb das politische System trotz aller Freiheitssymbolik weithin von Unfreiheit und von mangelnder Achtung vor der Verfassung und vor dem Gesetz gekennzeichnet.160 Bei aller Diskrepanz zwischen der symbolischen Vermittlung einer freiheitlichen Ordnung und der politischen Realität lässt sich aber eines nicht übersehen  : In der kollektiven Erinnerung verband sich mit dem Unabhängigkeitskampf gegen die spanische Kolonialmacht der politische Wille, eine freiheitliche politische Ordnung durchzusetzen. So trug die Freiheitssymbolik als Mittlerin einer solchen Ordnung in vielen Staaten Süd- und Mittelamerikas zur Visualisierung ihres Gründungsmythos bei und erleichterte auf diese Weise den eingeschlagenen Weg in eine wirkliche verfassungsstaatliche Ordnung.

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8. Deutsch-französische Gegensätze nach 1871  : der Weg in die Dritte Republik im Widerstreit der Freiheitssymbolik und die Verfassungssymbolik des Deutschen Kaiserreichs

Nach der sowohl in Deutschland als auch in Frankreich gescheiterten Revolution von 1848/49 bestand während fast zweier Jahrzehnte wenig Veranlassung, neuerlich Verfassungsreformen einzufordern. So fehlt denn auch in der Bildpublizistik beider Länder aus der Zeit bis zum Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts eine auf politische Reformen dringende Freiheits- und Verfassungssymbolik. Dies änderte sich ab den 1870er Jahren  : Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland kam es erneut zur Verwendung von Sinnbildern der Freiheit und der Verfassung, allerdings gingen die beiden Länder nunmehr nicht nur in ihrem Verfassungsrecht, sondern auch in ihrer Freiheits- und Verfassungssymbolik getrennte Wege. Während in Frankreich eine anfänglich noch umkämpfte Liberté-Symbolik die neue republikanische Staatsform und sodann die französische Nation repräsentierte, begnügte man sich im deutschen Kaiserreich mit einer eher zurückhaltenden symbolischen Repräsentation der Reichsverfassung. 8.1 Die Dritte Republik im Widerstreit der Freiheitssymbolik In Frankreich kam es 1869 zu einer kurzen Wiederbelebung der verfassungspolitischen Symbolik, als sich Napoleon III. unter innenpolitischem Druck veranlasst sah, zur Verwirklichung eines »Empire libéral« Verfassungsänderungen auf den Weg zu bringen. Diese wurden im Frühjahr 1870 von der großen Mehrheit der Bevölkerung in einem Plebiszit angenommen. Die Verfassungsreform wurde von einer kritischen Bildpublizistik begleitet, die u. a. von Honoré Daumier stammt.1 Ihr Tenor war die Sorge, dass auch die geänderte Verfassung wenig Zugewinn an Freiheitlichkeit bringen würde. Ein revolutionärer Elan ging von dieser Bildpublizistik nicht aus. Das politische Klima und wohl auch die politische Zensur ließen damals eine auf Änderungen dringende Auseinandersetzung mit dem Verfassungszustand in Frankreich nicht zu. Nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 kehrte Frankreich zur republikanischen Staatsform zurück. Das Wiederanknüpfen an die republikanische Tradition war in der öffentlichen Meinung von einer Welle 413

Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

der Zustimmung getragen. Gleichwohl fanden die republikanischen Parteien 1871 bei den ersten Wahlen zur Nationalversammlung überraschend keine Mehrheit. Vielmehr siegten die bourbonischen Legitimisten um den Grafen Chambord und die Orléanisten um den Grafen Louis Philippe von Paris. Diese monarchistische Parlamentsmehrheit konnte allerdings wegen ihrer inneren Zwistigkeiten die Etablierung der Republik nicht verhindern. Bei den Wahlen von 1875 setzten sich schließlich die Republikaner durch. In ihrem Lager stellte sich in jenen Jahren der politischen Neuordnung die gleiche Frage wie bereits 1848  : Welche Republik sollte es sein  ? Die radikale Republik der Französischen Revolution oder eine bürgerlich-gemäßigte Republik  ? Die Antwort auf diese Frage gehörte wie in der Revolution von 1848 zu den zentralen Themen einer kontroversen Bildpublizistik.2 In der kurzen Phase der Kommune von Paris im Frühjahr 1871 versuchten die kommunistischen und sozialistischen Abgeordneten nach ihrem Sieg in den Pariser Gemeinderatswahlen, eine Diktatur des Proletariats auf den Weg zu bringen. Dabei wurden sie von einer aggressiven politischen Graphik unterstützt, in der auch vielfach die Liberté Verwendung fand.3 Ein eindrucksvolles Beispiel ist ein Einblattdruck aus der Feder des nach dem Ende der Kommune zur Emigration nach London gezwungenen und in Paris in Abwesenheit zum Tode verurteilten Karikaturisten Georges Pilotell. Im Mittelpunkt seiner Graphik aus der Reihe »Croquis Révolutionnaires« mit dem Titel »Dass das Volk wache« (Abb. 256) steht eine monumentale Liberté bzw. République, die ganz in Rot gewandet mit einer Jakobinermütze auf dem Kopf und einem Schwert in der rechten Hand zum Kampf für die sozialistische Republik entschlossen ist. Ihre Stärke demonstriert sie durch einen Brustpanzer über ihrem roten Kleid. Zu ihren Füßen ist dargestellt, was in der Vergangenheit das republikanische Projekt in Frankreich scheitern ließ  : der Staatsstreich vom 18. Brumaire, durch den 1799 die Republik mit der Macht der Bajonette beseitigt wurde, die Reaktion von 1830, die dem Land, um die Monarchie zu retten, die »orleanistische Birne« Louis Philippe »aufpropfte«, und der Staatsstreich vom 2. Dezember 1851, in dem Napoleon III. die Republik von 1848 erdolchte. Die Lithographie mahnt mit ihrem Titel das Volk, nach den genannten historischen Erfahrungen auf der Hut zu sein und der 1870 errungenen Staatsform der Republik eine dauerhafte Existenz zu sichern. Pilotell ruft dem Betrachter dieser Graphik die historischen Wurzeln des Republik­verständnisses der Kommune von Paris ins Gedächtnis. Hatte die radikaldemokratische Bewegung doch seit der Französischen Revolution um eine republikanische Staatsform gekämpft, war dabei 1792, 1830 und 1848 erfolgreich und dennoch jeweils an den restaurativen Kräften gescheitert.4 Sehr viel offener in der Republikfrage äußerte sich der Maler und Karikaturist Alfred Le Petit in seinem »Die zwei Republiken«5 überschriebenen Titelblatt des wöchentlich erscheinenden Satiremagazins Le Grelot vom 28. Januar 1872 (Abb. 257). 414

Die Dritte Republik im Widerstreit

Abb. 256  : Georges Pilotell, Que le peuple veille   !  !  !  ! , 1871

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Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

Abb. 257  : Alfred Le Petit, Les deux Républiques, 1872

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Die Dritte Republik im Widerstreit

Le Petit, der sich 1870 in aggressiven Karikaturen gegen Napoleon III. und nach dessen Sturz gegen Bestrebungen der Einführung einer konstitutionellen Monarchie gewandt hatte,6 karikiert in dieser Graphik zunächst die »ehrsame« Republik.7 Sie wird auf der linken Bildseite durch Adolphe Thiers, den Präsidenten der Republik, repräsentiert. Gekleidet wie eine Bäuerin steht er für das ländliche Frankreich, das mit ihm die gemäßigte Republik unterstützt. Sein Rock in den Farben der Trikolore erinnert an die bis in die Erste Republik zurückreichende republikanische Tradition, seine Mütze mit den Kornähren verweist auf konservative Marianne-Darstellungen, wie sie auf Briefmarken und Münzen verwendet wurden. Der auf dem Rock stehende Hinweis auf das Jahr 1830 ist allerdings zwiespältig. Sollte etwa der Weg zurück in eine konstitutionelle Monarchie gemeint sein  ? Oder sollte die »ehrsame« Republik nur eine »maskierte« Staatsform sein, weil sie wie die Julimonarchie vom Besitzbürgertum beherrscht werde  ? Die politische Karriere des Staatspräsidenten Adolphe Thiers gab Anlass für derartige Fragen. Hatte er doch über ein Jahrzehnt unter dem Bürgerkönig Louis Philippe politische Ämter inne und sich nun für eine konservative Republik entschieden. Der bäuerlich-behäbigen »ehrsamen« Republik tritt eine jugendliche und kämpferische »rote« Republik entgegen. Sie schaut mit der Jakobinermütze auf ihrem wallenden Haar grimmig auf die »ehrbare« Republik herab. Ihre muskulösen Arme und die Pistole an ihrer Taille zeugen von ihrer Bereitschaft zu gewaltsamer Aktion, ihre nackten Füße verweisen auf ihren Rückhalt in der Arbeiterschaft. Ihr rotes Gewand mit dem Hinweis auf die Republik des Jahres 1793, das Liktorenbündel, auf das sie sich stützt, und der rote gallische Hahn mit der Kanonenkugel zu ihren Füßen assoziieren die sozialistische Pariser Kommune, die in der »blutigen Woche« vom 21. bis 28. Mai 1871 niedergeschlagen worden war. Für welche Republik das Titelblatt streiten soll, bleibt unklar. Es ist eine Art von Momentaufnahme der Kritik an den politischen Konzepten all jener, die sich für eine republikanische Ordnung einsetzten. Die Bildunterschrift fordert ironisch auf, zwischen einer der beiden gleichermaßen wenig attraktiven Republiken zu wählen. Letztlich sollte sich in Frankreich die gemäßigte Republik durchsetzen. Im Februar und Juli 1875 wurden drei lois constitutionnelles verabschiedet, die eine Republik schufen, in welcher der Senat ein konservatives Gegengewicht zur Abgeordnetenkammer bilden konnte. Zugleich wurde mit dieser Verfassungsgesetzgebung endgültig die Staatsform der Republik etabliert. Dieser Triumph der Republik wurde 1875 in der Graphik eines anonymen Künstlers gefeiert, die den Sieg über die Widersacher einer republikanischen Ordnung in Szene setzt (Abb. 258). Dies geschieht mit einer im Zentrum des Bildes stehenden Marianne die als Personifikation der Republik auf die am Boden liegenden königlichen Insignien Krone und Zepter tritt und auf diese Weise dem endgültigen Untergang der monarchischen 417

Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

Abb. 258  :  Anonym, Triomphe de la République, 1875

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Die Dritte Republik im Widerstreit

Ordnung Ausdruck verleiht. Neben ihr, etwas nach hinten versetzt, schwebt ein geflügelter Genius mit einer erhobenen Fackel, deren Flamme, der Sonne gleich, die Republik und mit ihr die republikanische Ordnung als wahre und vernunftgemäße politische Ordnung erstrahlen lässt. Durch die Menschenmenge links und rechts der Republik wird auf den gemeinsamen Kampf von Arbeitern, Bauern, Bürgern und Militär um eine republikanische Ordnung sowie auf die durch die Republik gestiftete nationale Einheit verwiesen. Ein geflügelter Putto links trägt ein Band mit der Aufschrift »Allgemeines Wahlrecht«, ein geflügelter Putto rechts eine Tafel mit dem Schriftzug »Menschenrechte«, womit die zentralen Werte einer republikanischen Ordnung angesprochen werden. Der Hinweis auf den Schutz der Menschenrechte durch die republikanischen Verfassungsgesetze ist allerdings irreführend  ; denn diese bildeten lediglich ein Organisationsstatut, das keine Grundrechte der Bürger enthielt. Das untere Bilddrittel zeigt derweil die alten Mächte, wie sie beim Voranschreiten der Republik in Angst und Schrecken zurückweichen und zusammen mit den von ihnen verkörperten alten Werten zu Boden gehen. Man sieht einen Monarchisten, der die mit dem Hinweis »Dotations« versehene Charte von 1815 in der einen Hand hält, während seine andere Hand auf einem Geldsack ruht, ferner den gestürzten Napoleon III., auf dessen autoritäre Plebiszite verwiesen wird, sodann den mit einem Hermelinmantel bekleideten bourbonischen Thronprätendenten Comte de Chambord, zu dessen Füßen eine Tafel mit der Aufschrift »göttliches Recht« auf das Gottesgnadentum verweist, und schließlich den in Sedan siegreichen Kaiser Wilhelm I., der, mit Helm und Siegeskranz angetan, ebenfalls vor der triumphal heranstürmenden Republik zu Fall gekommen ist. Er repräsentiert zusammen mit dem als Feldherr im Deutsch-Französischen Krieg mit Brustpanzer und Pickelhaube auftretenden Thronfolger Friedrich Wilhelm das reaktionäre deutsche Kaiserreich, das den Sieg der französischen Republik nicht überstehen wird. Ihr wird es, so die Botschaft dieses Bildes, vielmehr gelingen, die Schmach von Sedan, rechts unten genannt, zu tilgen, der Triumph der Republik wird demnach zugleich ein Triumph der Revanche sein. Diese Zukunftsvision verbindet sich mit einer Republik, die kämpferisch voranschreitet und die gemäßigten und radikalen Republikaner politisch geeint hat. Die radikalen Republikaner finden sich durch die rot gekleidete Marianne bzw. Republik angesprochen, die gemäßigten Republikaner erkennen, dass in der graphischen Darstellung Bezugnahmen auf eine egalitäre sozialistische Republik fehlen. Die Botschaft dieser Graphik ist klar  : Das Alte ist gestürzt, die neue Republik wird in Europa eine bedeutsame Rolle spielen. Nach über 80 Jahren eines erfolglosen und das republikanische Lager spaltenden Kampfes, der Frankreich immer wieder entzweit hatte, steht nun das gesamte Frankreich hinter den republikanischen Verfassungsgesetzen. Mit seinem Triumph der Republik hat der Künstler das kollektive republikanische Bewusstsein in Frankreich zu Beginn der Dritten 419

Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

Republik visualisiert. Er benennt die Werte der Republik, die Auseinandersetzungen mit der alten Ordnung, aus denen die Republik entstanden ist, sowie die Hoffnungen, die in die neue politische Staatsform gesetzt werden. So verwundert es nicht, dass gerade diese Graphik auch heute oftmals herangezogen wird, um die Entwicklung der republikanischen Staatsform in Frankreich zu schildern.8 Obwohl das politische System der Dritten Republik nach der Verabschiedung der drei Verfassungsgesetze von 1875 weitgehend gefestigt war, sollte die Furcht vor einer »roten« Republik noch eine Zeitlang präsent bleiben bzw. nachwirken. Als 1880 der 14. Juli zum Nationalfeiertag erklärt werden sollte, wurde von konservativer und liberaler Seite unter Rückgriff auf eine Radierung von 17969 einmal mehr das Schreckensbild der »roten« Republik bemüht, um mögliche Fehlentwicklungen bei der kollektiven Erinnerung an die Französische Revolution mit einem Plakat öffentlich zu bekämpfen  :10 Mit dem Dolch in der einen, mit einer Fackel in der anderen Hand, mit einem von Schlangen umschlungenen Medusenhaupt und mit einem Kleid voller Totenköpfe tritt die »rote« Republik die Symbole kirchlicher und monarchischer Herrschaft mit Füßen, während im Hintergrund eine Kirche brennt und eine Guillotine ihre Arbeit verrichtet (Abb. 259). Eine derartige, die Symbole der Republik diffamierende politische Graphik hatte freilich keine Zukunft. Zwar war in den beginnenden 1870er Jahren in der Staatsrepräsentation vorübergehend die Distanz zur Liberté mit der Jakobinermütze gesucht worden, weil mit ihr ein Großteil der Bevölkerung eine radikale sozialistische Republik verband.11 Die von Eugène André Oudiné, einem über die Grenzen Frankreichs hinaus gefragten Medailleur, entworfenen Münzen (Abb. 240) zeigen dementsprechend die Republik nicht mit der phrygischen Mütze, sondern als Ceres mit einem Kranz von Blättern auf dem Kopf, und auch das Siegel der Zweiten Republik (Abb. 109) mit der Liberté, die, statt eine Freiheitsmütze zu tragen, von einem Strahlenkranz bekrönt ist, wurde wieder verwendet. Auch kam es zu Konflikten, als in den Präfekturen und Rathäusern die Büsten von Napoleon III. durch Liberté-Büsten ersetzt werden sollten und man vielerorts die Liberté mit der phrygischen Mütze wählte. Die phrygische Mütze als Attribut der Liberté in öffentlichen Gebäuden wusste Adolphe Thiers mit den ihm als Staatspräsidenten zur Verfügung stehenden Mitteln weitgehend zu verhindern.12 Ab den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts stand die phrygische Mütze aber nicht mehr für umstrittene politische Reformen. Vielmehr repräsentierte die Liberté mit ihrer Mütze nunmehr die republikanische Staatsform und vermittelte zugleich die Erinnerung an die wechselhaften und teils blutigen Auseinandersetzungen, die ihre Durchsetzung begleiteten.13 So wurde, um nur ein Beispiel zu nennen,14 1892 anlässlich der Hundertjahrfeier der Republik vom Staatspräsidenten Carnot, vom Präsidenten des Senats sowie vom Präsidenten der Abgeordnetenkammer eine Medaille ediert, die die Republik 420

Die Dritte Republik im Widerstreit

Abb. 259  : Michelet, Anniversaire du 14 juillet. La prise de la Bastille

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Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

Abb. 260  : Medaille auf die Hundertjahrfeier der französischen Republik, 1892

als Marianne mit einer Jakobinermütze symbolisiert (Abb. 260). Die phrygische bzw. Jakobinermütze hatte den Weg zurück in die offizielle Staatsrepräsentation gefunden. Dies schloss nicht aus, dass die französische sozialistische Bewegung, ebenso wie die deutsche,15 aber mit stärkerem revolutionären Elan, die Liberté mit der Jakobinermütze zum Symbol der Befreiung der Arbeiterklasse aus den Ketten des Kapitalismus werden ließ. Der sozialkritische, dem Jugendstil verpflichtete Künstler Théophile-Alexandre Steinlen stellte in einer Lithographie von 1903 »La Libératrice«, die Befreierin, in einer ähnlichen Pose wie die Liberté im Gemälde von Delacroix (Abb.  261) dar. Sie schreitet als Lichtgestalt mit emporgereckten zerbrochenen Ketten in einer Menge von Arbeitern. Einen von ihnen hat sie bei der Hand gefasst, die anderen, teils noch mit ihren gesprengten Ketten, schauen flehend zu ihr auf. In Abwandlung von Delacroix’ Bildtitel lässt sich titeln  : die »Freiheit führt die Arbeiterschaft«.16 Im Verlauf des 20. Jahrhunderts hat die phrygische Mütze endgültig die Aura eines revolutionären Symbols verloren. Sie gehört zur Ikonographie der Marianne, die als Nationalpersonifikation für das republikanische Frankreich steht.17 Die mit dem Mützensymbol verbundenen revolutionären Forderungen sind mitsamt der Terreur im kollektiven Gedächtnis nicht mehr präsent. Vielmehr vermischt sich die Gestalt der Marianne seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit Elementen der Volkskultur, wenn ihr etwa Mireille Mathieu, Brigitte Bardot oder Cathérine Deneuve Modell stehen.18 Wenn der Glamour des Showbusiness in der 422

Affirmative Verfassungssymbolik

Abb. 261  : Théophile-Alexandre Steinlen, La Libératrice, 1903

Staatsrepräsentation präsent wird, ist ein neues Kapitel in Symbolgeschichte aufgeschlagen, das allerdings nicht weiterverfolgt werden soll. 8.2 Affirmative Verfassungssymbolik im Deutschen Kaiserreich Die Reichsgründung von 1871 war von einer allseitigen nationalen Begeisterung getragen. Nach dem militärischen Erfolg über Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg konnte die lang ersehnte deutsche Einheit unter einer Hegemonie Preußens erreicht werden. Ein liberal gesinntes Bürgertum, das bereits mit der Paulskirchenverfassung eine liberale konstitutionelle Monarchie durchsetzen wollte, bildete keine Opposition. Die nationalliberale Bewegung war ein Bündnis mit der konservativen preußischen Staatsführung eingegangen.19 Bei der nicht auf die Souveränität des Volkes gestützten Staatsgründung von 1871 und bei der weiteren Entwicklung des Kaiserreichs konnte die Freiheitsfrage und mit ihr die Freiheitssymbolik naturgemäß keine besondere Rolle spielen. In dieser Zeit der 423

Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

Abb. 262  : Hermann Dürrich, Medaille auf die Einweihung des Reichstagsgebäudes, 1894

staatstheoretischen Dürre nach der Reichsgründung 20 waren lediglich die Reichsverfassung und ihre Institutionen in der politischen Symbolik präsent. 8.2.1 Die Reichsverfassung und ihre Institutionen in der Staatsrepräsentation

Anders als die französische war die deutsche Verfassunggebung – zunächst für den Norddeutschen Bund, sodann für das Kaiserreich  – kein Thema verfassungspolitischer Bildpublizistik. Ebenso wenig war die Verfassung für das Deutsche Reich von 1871 ein Gegenstand der offiziellen Staatsrepräsentation. Lediglich eine ihrer Institutionen, der Reichstag, erschien anlässlich der Grundsteinlegung und der Einweihung des neuen Reichstagsgebäudes in Berlin auf Medaillen (Abb. 262), die großteils von staatlicher Seite in Auftrag gegeben waren und somit der Staatsrepräsentation dienten.21 Sie handelten nicht vom Reichstag als der Stätte demokratischer Repräsentation, vielmehr stellten sie das Parlament in den Kontext des monarchischen Staates. Auf den Medaillen sind an prominenter Stelle der Kaiser oder der amtierende Reichskanzler präsent. Auch Bismarck wurde wie in Abbildung 262 wiederholt als »Baumeister des Deutschen Reichs« mit dem neuen Reichstagsgebäude in Verbindung gebracht, wobei der »Baumeister« auf der hier gezeigten Medaille, als Repräsentant des Militarismus verewigt, in einem bemerkenswerten Widerspruch zum Reichstag als Hort demokratischer Legitimation steht. Mit dem verschiedentlich in den Medaillen angeführten mahnenden Schillerzitat »Seid einig, einig, einig« 22 mag nicht nur die Wahrung der deutschen Einheit, sondern auch die Unterordnung des Reichstages unter die Reichspolitik assoziiert worden sein. 424

Affirmative Verfassungssymbolik

Abb. 263  : Otto Seeck, Gemälde auf das Treuegelöbnis des Reichstages gegenüber dem Deutschen Kaiser anlässlich seiner Kriegsrede am 4. August 1914 im Weißen Schloss, 1914

Der Reichstag als Organ der demokratischen Legitimation der Reichspolitik blieb in der politischen Symbolik des Kaiserreichs weitgehend ausgeklammert.23 Selbst die vom Architekten Paul Wallot vorgesehene Inschrift »Dem Deutschen Volke« im Giebeldreieck des Westportals wurde von Kaiser und Reichsregierung zunächst verhindert. Erst 1916 wurde diese Inschrift, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, angebracht.24 Die restaurative Reichstagssymbolik ist für die Selbstdarstellung jener Epoche umso bemerkenswerter, als der Reichstag eine Vielzahl von Gesetzen verabschiedet hat, die für die damalige Zeit äußerst fortschrittlich waren. Erinnert sei nur an die Reichsjustizgesetze und das Bürgerliche Gesetzbuch, die einer betont liberalen Grundhaltung folgten, oder an die Reichsversicherungsordnung, die die weitere sozialstaatliche Entwicklung Deutschlands prägte. Auch wenn diese Gesetze ohne maßgebliche Beteiligung des Reichstages vorbereitet wurden, so war er doch das einzig demokratisch legitimierte Element im Prozess der Gesetzgebung,25 was durch eine entsprechende politische Symbolik hätte zum Ausdruck gebracht werden können. Stattdessen verband sich die Reichstagssymbolik vielfach mit der nicht demokratisch legitimierten politischen Ebene, nämlich mit dem Reichskanzler und dem Kaiser. So wurde etwa auf die beiden wichtigen Reden, die Bismarck 1887 und 1888 vor dem Reichstag zur Rechtfertigung des Militäretats hielt, eine Vielzahl von Medaillen geprägt.26 425

Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

Abb. 264  : Medaille auf die Auflösung des Reichstages am 13.12.1906

Diese Unterordnung des Reichstages unter die Politik des monarchischen Staates wurde beim Kriegsausbruch 1914 in einer sehr deutlichen Symbolik hervorgehoben. Die Kriegsrede des Kaisers vor dem Reichstag am 4. August 1914 fand nicht im Gebäude des Reichstages, sondern im Weißen Saal des königlichen Schlosses zu Berlin statt. Der Deutsche Kaiser hielt es mit der Würde seines Amtes und der mit ihm beanspruchten Führungsfunktion offensichtlich für unvereinbar, durch eine Rede im Reichstagsgebäude die hohe Bedeutung parlamentarischer Mitgestaltung anzuerkennen. Das mit der kaiserlichen Kriegsrede verbundene Treuegelöbnis des Reichstages wurde in einem Bild des Berliner Malers Otto Seeck (Abb. 263) festgehalten, das zur Vorlage einer großformatigen und repräsentativen Medaille wurde.27 Gezeigt wird, wie der Kaiser dieses Gelöbnis auf einer erhöhten Stufe stehend vom Reichstagspräsidenten Johannes Kaempf huldvoll entgegennimmt. Die aus Sicht des Kaisers deutlich nachgeordnete Stellung des Reichstages mit seinen Abgeordneten und seinem Präsidenten lässt sich wohl kaum besser versinnbildlichen. An die parlamentarische Arbeit des Reichstages knüpft, soweit ersichtlich, lediglich eine Medaille auf dessen Auflösung am 13. Dezember 1906 an (Abb. 264). Die Reichstagsauflösung erfolgte, nachdem eine Mehrheit des Parlaments dem Nachtragshaushalt zum Kolonialetat, mit dem der Krieg gegen die Herero in Deutsch-Südwestafrika finanziert werden sollte, die Zustimmung verweigert hatte. Dem vorausgegangen waren heftige Auseinandersetzungen zwischen der Reichsregierung und den Fraktionen der SPD und des Zentrums über die Koloni426

Affirmative Verfassungssymbolik

alpolitik.28 Mit den nach der Auflösung des Parlaments notwendigen Neuwahlen wollte Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow die »nationalen Kräfte« zu einem »Block« zusammenschließen, um so zu einer stabilen parlamentarischen Basis für seine Politik zu gelangen.29 Die alsbald nach der Reichstagsauflösung vom Reichskanzler ausgerufene zentrale Losung der im Zeichen der Kolonialpolitik geführten nationalistischen Wahlkampagne war der »Kampf für Ehr’ und Gut der Nation gegen Sozialdemokraten, Polen, Welfen und Zentrum«.30 Dieser Geist wurde auf dem Revers der besagten Medaille mit einer kraftvoll geballten Faust in Szene gesetzt, die einen Vogelschwarm, d. h. die Opposition, vertreibt, um einer neuen Kolonialpolitik, die durch die Strahlen einer hinter dunklen Wolken hervorkommenden Sonne symbolisiert wird, den Weg zu ebnen. Die neue Politik wird auf der Vorderseite der Medaille durch den Direktor der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes, den ehemaligen Bankier Bernhard Dernburg, repräsentiert, der sich in der Kampagne zu den von August Bebel sogenannten »Hottentottenwahlen«31 mit dem »Gewicht seiner ganzen Persönlichkeit in den Dienst der Blockparteien« gestellt hatte32. 8.2.2 Die Reichsverfassung in der Denkmalkultur des Nationalstaates

Nach der Reichsgründung wurde der Nationalstaat zum zentralen Bezugspunkt der deutschen Denkmalkultur.33 Die Identitätsstiftung erfolgte hierbei nicht über die Verfassung oder die Volksvertretung, sondern über »Kaiser, Könige und den Kanzler, die Armee und militärischen Sieg«.34 Dementsprechend hatten die großen Nationaldenkmäler (wie die Siegessäule in Berlin, das Hermannsdenkmal, das Niederwalddenkmal, das Kyff häuserdenkmal, das Kaiser-Wilhelm-I.-Nationaldenkmal und das Völkerschlachtdenkmal) nationale Mythen und ruhmreiche Schlachten zum Gegenstand, nicht aber die Verfassung  ;35 sie spielte als »einheitsstiftendes Symbol«36 in keinem der Monumente eine Rolle.37 Die Reichsverfassung war, anders als die US-Verfassung, die »selbst zum nationalen Symbol und zum Inbegriff des nationalen Willens zur Einheit« wurde,38 nie ein nationales Identifikationssymbol. Sie war letztlich nur ein Organisationsstatut, das aus einem Vertrag zwischen souveränen Fürsten geboren wurde und nicht aus der Mitte des Volkes erwachsen war, weshalb sie auch keine »Gefühlswerte« ansprach.39 Etwas anders als bei den genannten Nationaldenkmälern stellt sich die Situation bei einem anderen Element des nationalstaatlichen Denkmalkults dar, den Monumenten für Otto von Bismarck. Hier wurden eine große Anzahl der Bismarck-Standbilder mit einem meist in der Hand gehaltenen Schriftstück versehen  ; von den 107 von Sieglinde Seele katalogisierten Standbildern weisen 65 ein solches auf.40 Dabei handelt es sich beispielsweise in zwei Fällen um die Kaiserproklama427

Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

Abb. 265  : Bismarck-Denkmal in Bremen, Aufnahme von 1913

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Exkurs zur Internationalisierung der Freiheitssymbolik

tionsurkunde und in einem Fall um den Frankfurter Friedensvertrag. In elf Fällen nennt die Verfasserin das Dokument ausdrücklich »(Reichs)Verfassungsurkunde«, während in weiteren 38 Einträgen lediglich von »der Urkunde« die Rede ist. Letztlich kann man nicht mit Sicherheit sagen, was die Zeitgenossen mit den Bismarck beigegebenen Schriftstücken ausdrücken wollten. Dass das Dokument aber zumindest in einigen Fällen die Reichsverfassung repräsentiert haben muss, zeigt das Beispiel des 1910 errichteten Bremer Bismarck-Denkmals (Abb. 265).41 Hier bestätigen zeitgenössische Äußerungen, dass mit der Schriftrolle in der Hand des Reiterstandbildes die Verfassung gemeint war.42 In diesem Fall wird die Urkunde sogar in einer bis dahin einzigartigen Weise an zentraler Stelle und als einziges Attribut verwendet,43 wodurch ihr eine erhöhte Bedeutung zukommt. 8.3 Exkurs zur Internationalisierung der Freiheitssymbolik in der Arbeiterbewegung Mit der Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation, später auch Erste Internationale genannt, 1864 in London fand die Internationalisierung der Arbeiterbewegung eine erste organisatorische Form. Die nun international gebräuchlich werdenden Symbole der Arbeiterbewegung wie etwa die rote Fahne ist ein Thema für sich. Uns interessiert lediglich die Jakobinermütze, die für die sozialistischen Forderungen nach einer freiheitlichen und solidarischen Gesellschaft steht. 8.3.1 Walter Crane als Schöpfer einer internationalen sozialistischen Freiheitssymbolik

Die rote phrygische Mütze als Symbol der internationalen Arbeiterbewegung wurde zunächst in Großbritannien von Künstlern der Arts-and-Crafts-Bewegung gestaltet. Sie waren der Popularisierung der Kunst verpflichtet und setzten sich zugleich wie viele Künstler jener Zeit für eine sozialistische Gesellschaft ein. Im Zentrum dieser Bewegung standen William Morris und Walter Crane.44 Letzterer wurde dabei zum Schöpfer von Freiheitsdarstellungen, mit denen die überkommenen Formen der Freiheitssymbolik in den Bann des Sozialismus gestellt wurden. Die Idee einer Verknüpfung von Freiheit und Sozialismus machte er oft mit einem geflügelten Engel sichtbar. Dieses Motiv war von Crane bereits in den 1860er Jahren als Verkörperung der Freiheit genutzt worden45 und beherrscht auch sein Ölgemälde »Freedom« von 1885 (Abb. 266). Die geflügelte Freiheit erscheint in Lichtgestalt wie ein Verkündungsengel, allerdings noch ohne Freiheitsmütze, die auf vielen späteren Darstellungen zu finden ist. Die Jakobinermütze trägt vielmehr ein die befreite Menschheit symbolisieren429

Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

Abb. 266  : Walter Crane, Freedom, 1885

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Exkurs zur Internationalisierung der Freiheitssymbolik

der Jüngling.46 Dieser liegt mit gesprengten Ketten auf dem Boden eines Gefängnisses und blickt zu dem Engel der Freiheit empor, der über ihm eine neue Zukunft verkündet. Die alten Mächte Königtum und Priesterschaft, die als Wächter des Gefängnisses der Unfreiheit fungieren, schlafen und stehen dem Geist der Freiheit somit nicht mehr entgegen.47 Der Freiheitsengel, nun oftmals mit der Freiheitsmütze dargestellt, gehörte zu den immer wieder aufgegriffenen Motiven in Cranes politischer Graphik. Er trat erstmals wohl in dem Druck »The Capitalist Vampire« auf,48 der 1885 im linksgerichteten Justice Journal und später auch in Deutschland publiziert wurde.49 Ein weiteres Beispiel ist das Frontispiz zur amerikanischen Ausgabe von William Morris’ Roman einer sozialistischen Utopie aus dem Jahr 1890 mit dem Titel »News from Nowhere«, das unter dem Motto »Solidarity of Labour« steht.50 Dieses Frontispiz wurde in Deutschland Vorbild für ein farbiges Aquarell mit der bekannten Marx-Engels-Losung »Proletarier aller Länder vereinigt Euch« anstelle des ursprünglichen Mottos (Abb. 267). Die geforderte internationale Vereinigung der Arbeiterschaft wird dargestellt durch fünf aus allen bewohnten Kontinenten stammende Werktätige, die sich an den Händen fassen und auf diese Weise einen den gesamten Erdball umspannenden Kreis bilden. Sie alle stehen gleichsam unter dem Schutz und Segen des Freiheitsengels, der behütend seine großen Flügel über ihnen aufgespannt hat und im Gestus des Erlösung bringenden Messias seine Arme über ihnen ausbreitet. Auf der roten Schärpe des Engels, die er mit seinen Händen hochhält, sind links und rechts die Worte »Gleichheit« bzw. »Brüderlichkeit« zu lesen. Zusammen mit dem heiligenscheinartig über dem Engel angebrachten Schriftzug »Freiheit« bilden sie den zentralen Leitspruch der Französischen Revolution, in deren Tradition die deutsche Arbeiterbewegung sich sah.51 Das KarlMarx-Zitat der deutschen Version verleiht der Crane-Graphik zusätzlich eine kämpferische Note. In seiner politischen Graphik verwendete Crane außer den Freiheitsengeln immer wieder mit Freiheitsmützen versehene Menschen als Personifikationen der Freiheit.52 Eine Häufung dieser unterschiedlich gestalteten Freiheitssymbolik findet sich in seinem Holzschnitt »The Triumph of Labour« (Abb. 268), der für den Maifeiertag 1891 entworfen wurde. Cranes Freund William Morris hielt diesen Holzschnitt für dessen bestes graphisches Werk.53 Hier befinden sich in einem Zug von Arbeitern auf dem Weg zu Maitagsfeierlichkeiten nicht weniger als fünf weibliche Figuren mit Freiheitsmützen. Eine davon, ein Freiheitsengel, schreitet mit aufmunternder Geste und einer Fackel in der erhobenen linken Hand dem Umzug voran. Was der Geist der Freiheit fordert, wird derweil in Spruchbändern formuliert  : Ein Bauer als Reiter verlangt auf seinem Banner »the Land for the People«, auf einem geschmückten Ochsenkarren hält eine weibliche Person einen Spaten mit den Worten »Labour is the Source of 431

Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

Abb. 267  : Walter Crane, Proletarier aller Länder vereinigt Euch  !

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Exkurs zur Internationalisierung der Freiheitssymbolik

Abb. 268  : Walter Crane, The Triumph of Labour, 1891 Abb. 269  : Walter Crane, Titelseite einer Broschüre der SPD, 1910

Wealth« empor, während zwei weitere Freiheitspersonifikationen eine Weltkugel tragen, die von einem Band umschlungen ist, das die internationale Solidarität der Arbeit beschwört. Auf einer von zwei Arbeitern an Stangen mit einer Freiheitsmütze gehaltenen Flagge findet sich ein weiterer Freiheitsengel, der »Liberty, Equality, Fraternity« als sozialistische Forderungen präsentiert, womit Crane die Trias »liberté, égalité, fraternité« der Französischen Revolution aufgegriffen hat. Von diesem Holzschnitt hat Crane auch deutsche, französische und italienische Versionen entworfen.54 Damit besaß seine politische Graphik wie sein allgemeines künstlerisches Werk eine europaweite Ausstrahlung.55 Dies gilt insbesondere für Deutschland,56 wo Cranes Freiheitsdarstellungen in den beiden Jahrzehnten vor und nach 1900 wiederholt aufgegriffen wurden. So schmückte sich etwa eine Broschüre der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands aus dem Jahr 1910 mit einer von Cranes Darstellungen der personifizierten Freiheit, um »das freie Wahlrecht« einzufordern, wobei im Hintergrund die aufgehende Sonne mit der Aufschrift »Socialismus« die Morgenröte einer neuen Zeit verkündet (Abb. 269). 433

Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

Die Freiheit streut mit ihrer linken Hand Saatkörner aus und säht damit, worauf besonders hingewiesen wird, den »Socialismus«. War auf der Reichsebene das allgemeine (Männer-)Wahlrecht bereits durchgesetzt, so ging es hier wie in einer Vielzahl von Karikaturen in der sozialdemokratischen Satirezeitschrift Der Wahre Jacob um die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts in Preußen. Führte dieses Wahlrecht doch dazu, dass die SPD nicht entsprechend ihres Stimmenanteils in der Wählerschaft im preußischen Landtag repräsentiert war. Die immer wieder angemahnten Wahlrechtsreformen scheiterten aber am Widerstand konservativer Kreise. In den Bildsatiren des Wahren Jakob zeigte man sich seit Anfang der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts dennoch teilweise siegesgewiss,57 teilweise verspottete man die »Ostelbier«, die als »Junker in Nöten« mit Mistgabeln das allgemeine direkte und gleiche Wahlrecht zu bekämpfen versuchen.58 8.3.2 Die Freiheitssymbolik der deutschen Arbeiterbewegung

Abb. 270  : Postkarte der deutschen Arbeiterbewegung, Anfang 20. Jahrhundert

434

In Deutschland organisierte sich die Arbeiterbewegung nach und nach parteilich und gewerkschaftlich, der Zugang zur politischen Macht war ihr jedoch verschlossen. So blieb nur die politische Agitation unter dem Leitmotiv, dass der Morgen einer sozialistischen Freiheit nicht fern sei. In Anlehnung sowohl an die Crane’sche Freiheitssymbolik als auch an französische Libertéund Marianne-Darstellungen wurde die sozialistische Freiheit ab etwa 1890 durch eine meist lang gewandete Frau mit Jakobinermütze symbolisiert (Abb.  270). Diese englische bzw. französische Symbolik war der Arbeiterbewegung geläufig, weil in den deutschen Satirezeitschriften die Französische Republik bzw. die Marianne in unterschiedlichem Kontext mit der Jakobinermütze dargestellt wurden.59 Zudem wurden im Zuge der Internationalisierung der Arbeiterbewegung deren international gebräuchlichen Symbolformen auch in Deutschland übernommen. In den Zeitungen, Flugblättern und auf Postkarten zu den seit 1891 stattfindenden Maifeiern60 war die an die französische Freiheitssymbolik angelehnte sozialdemokratische Symbolik ein verbreitetes Stilelement.61 Offen muss allerdings

Exkurs zur Internationalisierung der Freiheitssymbolik

Abb. 271  :  Anonym, Die Arbeiter-Marseillaise, 1891

bleiben, ob die häufig verwendete rote phrygische Mütze für die Sozialdemokratie und ihr politisches Programm oder nicht allgemein für das Rot einer neuen sozialistischen Gesellschaft stand. Denn die Symbolik der roten Mütze verwies oftmals, aber nicht immer auf die SPD als politische Partei. Jenseits parteipolitischer Identifikationen repräsentierte sie jede Form einer sozialistischen Gesellschaft und entfaltete auf diese Weise eine integrierende Kraft im linken politischen Spektrum. Von vielen Darstellungen der aus Anlass von Maifeiern in großer Zahl an Freunde und Bekannte versandten Postkarten62 geht kein revolutionärer Elan aus. Die symbolisierte soziale Freiheit war nicht kämpferisch, bisweilen ist eine latent erotische Note unverkennbar.63 Oftmals weist sie verheißungsvoll in die Zukunft oder tritt gemeinsam mit dem werktätigen Volk auf. Diese Symbolik verklärte an der Wende zum 20.  Jahrhundert in konservativer Bildsprache geradezu die Tätigkeit von Arbeiterschaft und Handwerk, verband sich aber nicht mit einem kämpferischen Einsatz für eine Revolutionierung der sozialen Bauform. Die Beschränkung auf eine idyllische Symbolik64 mag daran gelegen haben, dass Revolution nicht Ziel der Sozialdemokratie war, sie vielmehr auf schrittweise politische Veränderung drang. Vielleicht lag dies auch an einem allgemeinen Klima der Unfreiheit – wurden doch Appelle oder Aufrufe an die Bevölkerung, die agitatorisch wirkten, oftmals von der Zensur verboten.65 435

Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

Gleichwohl gab es zur Zeit des Kaiserreichs in sozialdemokratischen Bildmedien mitunter graphische Darstellungen mit einer kämpferischeren Attitüde. So veröffentlichte die der SPD nahestehende politisch-satirische Zeitschrift Der Wahre Jacob 1891 eine Darstellung der »Arbeiter-Marseillaise« (Abb.  271),66 auf der eine überlebensgroße Frau mit Jakobinermütze auf dem Kopf und einer roten Fahne in der linken Hand einen Zug der internationalen Arbeiterschaft aus einem Industrierevier herausführt und dabei unter den Augen der entsetzten Fabrikbesitzer mühelos einen Schlagbaum durchbricht. Auf diese Weise sollte ausgesagt werden, dass die Sozialdemokratie durch nichts in ihrem Siegeszug aufgehalten werden kann  – eine Botschaft, die im Wahren Jacob verschiedentlich mittels des Motivs einer für die Sozialdemokratie oder den Sozialismus stehenden Frau mit einer (in farbigen Graphiken roten) phrygischen Mütze verbildlicht wurde.67 Allerdings sind die mützentragenden Personifikationen in den Graphiken des Wahren Jacob nie auf einen gewaltsamen Umsturz aus, sie handeln vielmehr zwar des Öfteren energisch und bisweilen wenig zimperlich gegenüber sie behindernden Sachen oder Personen, aber nicht kriegerisch. Sie sind mithin ein bildlicher Ausdruck der »friedlichen Methode des Klassenkampfes«, die sich auf »die unmilitärischen Mittel, Parlamentarismus, Streiks, Demonstrationen, Presse und ähnliche Pressionsmittel«68 beschränkte. In Übereinstimmung hiermit finden sich Freiheitsmützen aufweisende allegorische Figuren mehrmals in Drucken, die aus Anlass von Wahlen geschaffen wurden. Dort beschwören sie entweder durch ihr Handeln den Erfolg bei bevorstehenden Abstimmungen oder künden von größeren wie kleineren Wahlsiegen der Sozialdemokratie im In- und Ausland, um die Maxime zu verbreiten, dass die in Parteien organisierte Arbeiterbewegung die Macht schrittweise durch Wahlen erobert wird. In einem dieser »Wahlbilder« wurde nach der Reichstagswahl von 1903, die für die Sozialdemokratische Partei günstig verlaufen war, der zu erwartende Triumph einer republikanisch-sozialistischen Ordnung über die Monarchie dadurch dargestellt, dass der Germania von den Arbeitern im Austausch mit der Reichskrone eine rote phrygische Mütze aufgesetzt wird (Abb. 272). Derartige Graphiken, in denen im Wahren Jacob mit Hilfe des revolutionären Freiheitssymbols des »bonnet rouge« der unvermeidliche Triumph des Proletariats propagiert wird,69 traten vor allem in den beiden Jahrzehnten um die Jahrhundertwende auf. Mit dem Anbruch der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts ging der Gebrauch der roten phrygischen Mütze zurück  ; unbeirrt voranschreitende oder glorreiche Siege vermeldende Personifikationen fehlen in den Bildbeiträgen des Wahren Jacob aus der Zeit von 1910 bis zum Ende des Kaiserreichs völlig. Gleichwohl verschwanden sie nicht mit der Monarchie. Vielmehr gab es in dem Satiremagazin nach dem Untergang des alten Staates wieder vermehrt 436

Exkurs zur Internationalisierung der Freiheitssymbolik

Abb. 272  : Hans Gabriel Jentzsch, Germanias neuestes Techtelmechtel, 1903

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Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

Graphiken mit mützentragenden allegorischen Figuren, denen allerdings teilweise eine neue Funktion  – diejenige der Verkörperung der Republik  – zugewiesen wurde.70

438

9. Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung

Zu den vielfältigen Gründen des Scheiterns der Weimarer Republik und damit auch ihrer Verfassung gehört der mangelnde Verfassungskonsens. Wegen des fehlenden Rückhalts der Verfassung in weiten Kreisen der Bevölkerung hat man von einer »Demokratie ohne Konsens« oder von einer Demokratie ohne demokratische Gesinnung gesprochen.1 Nicht nur das äußere linke und das rechte politische Spektrum, auch einflussreiche Wortführer in den Rechts- und Staatswissenschaften lehnten das Weimarer politische System ab. Aus der Kriegsniederlage hervorgegangen, fehlte der Weimarer Verfassung zudem ein positiv besetzter Gründungsmythos. Es fehlte kurzum jener Nährboden, auf dem sich ein zu den neuen politischen Werten bekennendes kollektives politisch-rechtliches Bewusstsein entwickeln konnte. In dieser prekären Situation suchten die auf dem Boden der Weimarer Verfassung stehenden politischen Gruppierungen von Anbeginn, die neue Verfassung auch symbolisch zu vermitteln, um sie zur Grundlage einer republikanischen politischen Gesinnung und Kultur werden zu lassen. Bereits zu Beginn der 1920er Jahre waren sie sich bewusst, dass die Herstellung von Akzeptanz und kollektiver Zustimmung zur Weimarer Verfassung erforderlich sein würde, um der neuen politischen Ordnung ein tragfähiges Fundament zu geben.2 Dass dies ein schwieriges Unterfangen war, war von Anfang an klar. Dies umso mehr, als die Politik die symbolische Vermittlung der Weimarer Verfassung kaum als nationale Aufgabe angesehen hat. Nur die neue Institution des Reichskunstwartes und die Sozialdemokratie sowie die republikanisch gesinnte bürgerliche Mitte wussten, positive Akzente zu setzen. 9.1 Die Verfassunggebung im Spiegel der politischen Graphik und der Medaillenkunst Bereits die Verabschiedung der Weimarer Verfassung stieß auf ein eher geringes mediales Interesse. Sie war nicht, wie sonst bei Verfassunggebungen üblich, Gegenstand der Staatsrepräsentation. Von offizieller Seite konnte man sich lediglich zur Herausgabe einer wenig ansprechenden Briefmarkenserie auf die Weimarer Nationalversammlung durchringen. Die Konstituante erschien in Form der Umschrift »Deutsche Nationalversammlung 1919« auf drei am 1.  Juli 1919 ausgege439

Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung

Abb. 273  : Karl Goetz, Medaille auf die Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung am 19.1.1919

benen Postwertzeichen, die jeweils Baumtriebe, einen Maurer und einen Baum abbilden.3 Der Umbruch zu einer demokratischen Verfassung wurde auch nicht von einer feiernden oder wenigstens positiv eingestellten politischen Graphik begleitet. Das Entstehen der Weimarer Verfassung fand lediglich in einigen Plakaten auf die Nationalversammlung Berücksichtigung  ;4 in der politischen Graphik und Bildsatire dagegen wurde ihre Verabschiedung geradezu verschwiegen. So sahen sich Satiremagazine wie der deutschnational orientierte Kladderadatsch, der die republikanische Mitte vertretende, verfassungsloyale Simplicissimus oder der sozialdemokratische Wahre Jakob, die später verschiedentlich Bildbeiträge zur Weimarer Verfassung brachten, nicht veranlasst, auf deren Genese ausführlicher einzugehen.5 Etwas deutlicher schlug sich die Verfassunggebung in der Medaillenkunst nieder. Diese erfuhr in der Ära der Weimarer Republik eine nicht unbedeutende, bereits im Ersten Weltkrieg einsetzende Renaissance, was auch zur Edition von politischen Medaillen führte. Zu den prominentesten Medailleuren gehörte der rechtskonservative Münchener Karl Goetz,6 dessen aussagekräftige satirische Medaillen die Weimarer Zeit begleiteten und in nicht unbeträchtlicher Zahl Käufer fanden. Im Jahr 1919 schuf er eine Medaille auf die Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung, in der er die aktuelle politische Situation mit ihrer neuen politischen Frontstellung in Bilder fasste (Abb. 273). Auf der Vorderseite, etwas im Hintergrund, zeigt er zwei an ihren Ballonmützen erkennbare Sozialdemokraten mit Wahlplakaten, auf denen sie mit den Worten »Wahltag Zahltag« die Abrechnung mit dem Kaiserreich und seinen Eliten 440

Die Verfassunggebung im Spiegel der politischen Graphik

Abb. 274  : Karl Goetz, Medaille zur Erinnerung an den 9. November 1918

in Aussicht stellen. Im Vordergrund hat ein älterer, bedrückt wirkender Herr als mutmaßlicher Vertreter des monarchistisch gesinnten Bürgertums gerade seine Stimme abgegeben  ; ihm folgt, als Hinweis auf das erstmals praktizierte Frauenwahlrecht, eine elegant gekleidete Dame an die Wahlurne. Auf der Rückseite ist derweil dargestellt, wie es zu der neuen politischen Situation kam  : Repräsentiert durch den kräftigen Arm des Werktätigen vernichtet die Arbeiterschaft das Königtum, verkörpert in einem umstürzenden Pfeiler mit der Aufschrift »18.  Jan. 1871«, dem Gründungsdatum des Deutschen Kaiserreichs, und in den zerstörten monarchischen Insignien Krone und Zepter. Letzteres wird von einer im Kontrast zur Arbeiterfaust ungleich zarter wirkenden, möglicherweise einem Bürgerlichen gehörenden Hand aufgenommen, was vielleicht der Hoffnung einiger Kreis in der Bevölkerung Ausdruck verleihen soll, dass die alten Herrscherhäuser in einer neuen Form der konstitutionellen Monarchie zurückkehren mögen. Hinterlässt diese Medaille noch den Eindruck einer gewissen neutralen Beschreibung der Ereignisse, so verspottet Goetz in einer weiteren Medaille (Abb.  274) die Arbeit der Nationalversammlung und liegt damit auf der Linie der Parlamentarismuskritik der Weimarer Zeit. Auf der Vorderseite wird in einer ambivalenten Darstellung die Überwindung der Monarchie thematisiert  : Eine mit der phrygischen Mütze bekleidete junge Frau als Personifikation der Republik7 versucht, mit einem Löschhütchen die Flammen auf dem Kopf des in Gestalt eines Adlers mit gebrochenen Flügeln auftretenden ehemaligen Kaisers Wilhelm II. zu ersticken. Soll in Anknüpfung an die Löschhütchensymbolik das Haus Hohenzol441

Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung

Abb. 275  : Heinrich Waderé, Erinnerungsmedaille an die Verabschiedung der Verfassung in Weimar, 1919

lern nun endgültig als Herrscherdynastie ausgelöscht sein  ? Oder wird an die Hoffnung reaktionärer Kreise angeknüpft, dass die junge Republik den Brand löscht, sich also nicht mit dem Untergang des Hauses Hohenzollern abfindet  ? Die Blitze, die im unteren Bereich gegen die Prinzipien »Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit« gerichtet sind, besagen jedenfalls, dass Deutschlands neue Staatsform keine Republik nach französischem Vorbild werden solle. Auf der Rückseite werden die Abgeordneten der Nationalversammlung als »Weimarer Waschweiber« verächtlich gemacht, die »wochenlang wahnbetört wüster Widersacher widerliche Wäsche« waschen und »wohlgemut weiter wursteln, wie wenn Weltkriegs wildes Wüten wenig wichtig wäre«. Hier wird den Parlamentariern ein ebenso end- wie zielloses Debattieren vorgeworfen, das den Interessen des am Boden liegenden Vaterlandes nicht gerecht wird. Bild und Text spiegeln die Parlamentarismuskritik in der Weimarer Republik wider. Die Parlamentarier sind nichts weiter als Waschweiber, die unfähig sind, die harten, von den Siegermächten aufgezwungenen Realitäten zu bewältigen. Andere Medaillen gedachten in eher klassischer Form der Verfassunggebung. Eine von dem Nürnberger Medailleur August Hummel für die dortige Prägeanstalt L. Chr. Lauer gestaltete Medaille auf die erste Tagung der Nationalversammlung am 6. Februar 19198 zeigt auf der Vorderseite eine Hand mit Fackel und auf dem Revers das Weimarer Nationaltheater als »Stätte der Nationalversammlung«, wie in der Umschrift erläuternd hinzugefügt wurde. Eine von Felix Krebs geschaffene und von der 1778 gegründeten Prägeanstalt Karl Pöllath in Schrobenhausen verlegte Medaille symbolisiert den Beginn der Verfassunggebung auf dem Avers 442

Der schwierige Umgang mit dem Verfassungstag

durch einen Fährmann, der vor einer aufgehenden Sonne eine antike Galeere  – gemeint ist das Staatsschiff – nach links steuert  ; auf der Rückseite wird die perspektivische Ansicht des Weimarer Nationaltheaters mit dem Motto »Alles für das Volk und alles durch das Volk« verbunden.9 Eine weitere Medaille, die sich auf die Verabschiedung der Verfassung am 31. Juli 1919 bezieht, hebt in ihrer Umschrift auf Republik und Volkssouveränität ab (Abb. 275). Der Frauenkopf auf dem Avers im neoklassizistischen Stil des Münchener Professors für figurale Bildhauerei Heinrich Waderé erinnert stark an französische Darstellungen der Freiheit. Alle diese Medaillen gingen auf die Initiative der jeweiligen Künstler zurück, die diese für einen kleinen Sammlerkreis von Kunstmedaillen schufen. Sie dürften also nur in begrenztem Umfang verbreitet gewesen sein. 9.2 Der schwierige Umgang mit dem Verfassungstag in der Staatsrepräsentation und in der Bildpublizistik Wegen der Zäsur zum Kaiserreich musste die politische Repräsentation der Weimarer Republik neu geordnet werden. Zu diesem Zweck wurde im Reichsministerium des Inneren die Stelle des Reichskunstwarts geschaffen.10 Seine Aufgabe war die republikanische Gestaltung von Reichssymbolen, etwa auf Briefmarken, Münzen, Geldscheinen und Medaillen, sowie das Protokoll von Staatsakten. 1920 wurde der Kunsthistoriker Edwin Redslob11 in dieses Amt berufen. Unter allen Reichsregierungen war er bis zu seiner Entlassung im Jahr 1933 unter schwierigen Bedingungen der spiritus rector der symbolischen Vermittlung der republikanischen Idee und der Weimarer Verfassung. Die Feier des Verfassungstages am 11. August war, von Edwin Redslob vorgeschlagen, ein wichtiges, von Republikgegnern allerdings beständig konterkariertes Element republikanischer Staatsinszenierung. Der Jahrestag der Unterzeichnung der Weimarer Verfassung wurde von der Reichsregierung trotz kabinettsinterner Ablehnung erstmals 1921 begangen, »um der wachsenden Agitation von rechts integrierende republikanische Werte entgegenzusetzen«12. In einem bescheidenen Rahmen und unter Federführung Redslobs fand die erste Feier in der Berliner Staatsoper statt. Im folgenden Jahr wurde der nunmehr pompöser gestaltete Staatsakt in den Reichstag verlegt und mit einem Volksfest nebst abendlicher Veranstaltung des Reichspräsidenten im staatlichen Schauspielhaus verbunden.13 Daneben wurden anlässlich des nun auch außerhalb Berlins gefeierten Verfassungstages Sportwettkämpfe durchgeführt, mit deren Hilfe Redslob die Verfassung in der gelebten politischen Kultur verankern wollte.14 Für die Sieger derartiger Sportveranstaltungen stiftete der Reichpräsident 1923 erstmals eine Medaille.15 Dieser »Ehrenpreis des Reichspräsidenten« war durch 443

Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung

Abb. 276  : Ehrenpreis des Reichspräsidenten, 1930 Abb. 277  : Ehrenpreis des Reichspräsidenten, 1931

einen Schriftzug auf dem Avers ausdrücklich auf den Verfassungstag bezogen. Die erste Medaille zeigt die Inschrift unter einem Adler vor einer Sonne, die Rückseite dieser Medaille weist ein Eichenblatt mit der Umschrift »Ehrenpreis des Reichspräsidenten« auf.16 Dieses von Redslob in Zusammenarbeit mit Alfred Vocke geschaffene Design wurde bis 1928 beibehalten. Ab 1929 wechselte die Gestaltung sowohl der Vorder- als auch der Rückseite der Medaille jährlich,17 wobei in den Jahren 1930 bis 1932 der Ehrenpreis zudem unter das jeweilige offizielle Leitthema des Verfassungstages gestellt wurde.18 Im Jahr 1930 war die Verfassungsfeier auf preußische Initiative mit Feierlichkeiten zum Abzug der Besatzungstruppen aus dem Rheinland verbunden worden  ;19 der Revers des Ehrenpreises trug die Umschrift »Verfassungstag im Jahre der Rheinlandbefreiung« (Abb. 276). Die Festlichkeiten der beiden folgenden Verfassungstage waren jeweils einem »großen Deutschen« aus Anlass von dessen 100. Todestag gewidmet. Die Feier von 1931 stand im Zeichen des preußischen Reformers Heinrich Friedrich Karl Reichfreiherr vom und zum Stein, diejenige von 1932 gedachte Johann Wolfgang von Goethes.20 Die von Rudolf Bosselt gestalteten Ehrenpreise dieser Jahre zeigen entsprechend jeweils eine Büste des Geehrten auf der Vorder- und die Inschrift »Stein-« (Abb. 277) bzw. »Goethe-Gedenkjahr« auf der Rückseite. Diese beiden Medaillen waren zugleich die letzten, die geprägt wurden. Nach der sogenannten Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 wurde der Verfassungstag nicht mehr begangen und Ehrenpreise des Reichspräsidenten nicht mehr verliehen. 444

Der schwierige Umgang mit dem Verfassungstag

Abb. 278  : Drei-Reichsmark-Münze zum Verfassungsjubiläum 1929, 1929

Eine weitere Möglichkeit, die Weimarer Verfassung und ihren Gedenktag im Bewusstsein breiter Bevölkerungsschichten zu verankern, bestand in der Verbreitung entsprechender Inhalte auf Postwertzeichen21 und auf Münzen. Auf Briefmarken der Reichspost wurde die Verfassung oder der Verfassungstag indes nie thematisiert. Der vom Reichsinnenminister Carl Severing (SPD) initiierte Versuch, anlässlich des zehnten Jahrestages der Verfassung Sonderbriefmarken herausbringen zu lassen, scheiterte an Reichspostminister Georg Schätzel (BVP).22 Das Münzgeld hingegen gedachte des Verfassungstages immerhin zweimal.23 Das erste Mal geschah dies aus Anlass der Ausgabe der ersten Münzen des republikanischen Staates im Jahr 1922, als die mit dem Reichsadler verzierte Rückseite der neuen 3-Reichsmark-Münze mit der Umschrift »Verfassungstag 11.  August 1922« versehen wurde.24 Danach wurden erst wieder zum zehnten Jahrestag des Inkrafttretens der Reichsverfassung im Jahr 1929 Sondermünzen zum Verfassungstag ausgegeben. Diese wurden von dem Bildhauer und Medailleur Rudolf Bosselt, einem der Erneuerer der deutschen Medaillenkunst, im Auftrag des Reichskunstwarts gestaltet.25 Die Münzen im Nennwert von 3 und 5  Mark (Abb.  278) zeigen als Motiv auf dem Avers den Kopf des Reichspräsidenten von Hindenburg, während auf dem Revers eine Schwurhand abgebildet ist, die auf den Amtseid des Staatsoberhauptes verweist  ;26 die Umschrift lautet »Treu der Verfassung«, im Abschnitt wird mit den Jahreszahlen 1919 und 1929 auf das Jubiläum und mit dem Schriftzug »11. August« auf den Verfassungstag Bezug genommen. 445

Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung

Hindenburg auf Münzgeld mit seinem Verfassungseid unter das Motto »Treu der Verfassung« zu stellen, dürfte kaum ohne politische Absicht erfolgt ein. Eventuell sollte die große Popularität des Reichspräsidenten27 bemüht werden, um die Akzeptanz der Weimarer Verfassung zu stärken.28 Vielleicht hat Edwin Redslob durch diese symbolische Aussage auch in ahnungsvoller Voraussicht Tendenzen zu einem Präsidialregime entgegenwirken wollen.29 Auch im gesellschaftlichen Bereich suchte man, am Verfassungstag die Verfassung als Gründungsdokument der jungen Republik zu feiern und außerhalb des Parteienstreits zu stellen. Eine bedeutende Rolle spielte, neben anderen Organisationen,30 der überparteilich agierende, aber sozialdemokratisch dominierte Kampf bund »Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold«.31 Der 1924 zur Verteidigung der Republik gegründete Veteranenverband entwickelte sich alsbald zum Hauptträger von Massenveranstaltungen am Verfassungstag. Das Reichsbanner beteiligte sich aus diesem Anlass sowohl in der Hauptstadt als auch in anderen Gemeinden an Paraden oder organisierte diese selbst.32 Es veranstaltete zusätzlich eine zentrale Verfassungsfeier, die jedes Jahr in einer anderen Stadt abgehalten wurde. Für diese Bundesverfassungsfeiern wurden in den Jahren 1926 bis 1929 ansteckbare Plaketten geprägt. Die auf diesen Ansteckern verwendeten Bildmotive wiesen stets einen Bezug zu der Stadt auf, in dem die zentrale Feierlichkeit des Reichsbanners stattfand. Die älteste dieser Plaketten, die für die erste große Reichsverfassungsfeier in Nürnberg ausgegeben wurde,33 trug unter dem Bild der Nürnberger Burg lediglich den Schriftzug »Verfassungstag«. Die Anstecker der folgenden Jahre stellten eine Verbindung zu Recht und Demokratie her und transportierten damit eine Botschaft. Die erste derartige Plakette zeigte 1927 das Gebäude des im Veranstaltungsort Leipzig 34 ansässigen Reichsgerichts und verband mit dieser Darstellung eine Umschrift, die mit den Worten »Ein Volk  – Ein Reich  – Ein Recht« die Eintracht im Land beschwor.35 Im folgenden Jahr, als die Bundesverfassungsfeier aus Anlass des 80.  Jubiläums der Nationalversammlung von 1848 in Frankfurt am Main stattfand,36 wurde die Weimarer Verfassung durch die Abbildung der Paulskirche und die Umschrift »Der Väter Werk ward unser großes Erbe« in die parlamentarisch-demokratische Tradition der Revolution von 1848 gestellt.37 Der parlamentarisch-demokratische Charakter der Weimarer Republik wurde gleichermaßen auf dem letzten bekannten Anstecker betont, der für die in der Hauptstadt abgehaltene Feier des Jubiläumsjahres 1929 geschaffen wurde  : Hier verbindet sich die Darstellung des Reichstagsgebäudes im Glanze einer aufgehenden Sonne mit der Überschrift »10 Jahre Volksstaat« (Abb. 279).38 Des Verfassungstages wurde auch in den bereits genannten Satirezeitschriften der Weimarer Zeit gedacht.39 Allerdings beschränkte sich die graphische Beschäftigung mit dem Jahrestag im Wesentlichen auf sozialdemokratische Publikationen. Als Repräsentanten einer republikbejahenden politischen Richtung40 oblag ihnen 446

Der schwierige Umgang mit dem Verfassungstag

die Aufgabe, die republikanische Staatsform zu popularisieren und gegen verfassungsfeindliche Kräfte zu verteidigen.41 Der der Republik eher loyal, bisweilen auch ambivalent gegenüberstehende Simplicissimus sowie der die Republik ablehnende Kladderadatsch griffen den Verfassungstag hingegen nur sporadisch in Bildsatiren auf und behandelten ihn ihrer jeweiligen politischen Tendenz entsprechend ganz unterschiedlich  : Der vernunftrepublikanisch gesinnte Simplicissimus nahm in einigen wenigen »Urlaubsbildern« rückwärtsgewandte Kreise wegen ihrer Gegnerschaft zur Weimarer Verfassung und zum Verfassungstag aufs Korn, während der deutschnationale Kladderadatsch den Feiertag verhöhnte. So wurde etwa 1928 die Anordnung des preußischen Kultusministers Carl Heinrich Becker, dass der Festtag an Schulen feierlich und »in einem würdigen äußeren Rahmen« zu begehen sei,42 zum Anlass genommen, unter dem Titel »Die Geburtstagsfeier« (Abb. 280) einen Schüler zu zeigen, der mit Abb. 279  : Bronzeplakette auf die Verfassungsfeier einer ärmlichen Pflanze in der Hand als einziger des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold zum zehnten Jahrestag der Weimarer Verfassung, 1929 Glückwünschender der Jubilarin seinen in der Schule eingebläuten Text »Im Strom der Gratulanten zu der Fülle von Blumen bringe auch …« aufzusagen beginnt, bis der verlegene Lehrer ihn stoppt. Gegen derartige Anfeindungen des Festtages wandte sich das sozialdemokratische Satiremagazin Lachen Links, das zwischen 1924 und Anfang 1927 anstelle des im Oktober 1923 vorübergehend eingestellten Wahren Jacob publiziert wurde. Diese Zeitschrift ließ, ihrem Anspruch als »republikanisches Witzblatt« (Untertitel) gerecht werdend, in den Jahren 1924, 1925 und 1926 jeweils eine ihrer AugustAusgaben als »Sondernummer zum Verfassungstag« erscheinen. Die dem Jahrestag gewidmeten Hefte enthielten zusätzlich zu den üblichen allgemeinen Beiträgen besondere Texte und Graphiken mit Bezug zur Verfassung und zum Verfassungstag selbst. Dass dessen Feier vom Establishment abgelehnt wurde, wurde in Lachen Links gelegentlich mit sarkastischen Zeichnungen kommentiert. 1925 wurde auch die halbherzige Begehung des Verfassungstages durch Staatsbeamte mit Spott belegt.43 Das Titelbild zur Sondernummer dieses Jahres (Abb.  281) machte sich derweil über die Nibelungentreue der Deutschnationalen zur untergegangenen Monarchie und zum Kaiser lustig  : Der Graphiker und Karikaturist Karl Holtz44 zeigt eine über ihre eigenen Füße stolpernde, adipöse Germania in Gestalt einer 447

Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung

Abb. 280  : Arthur Krüger, Die Geburtstagsfeier, 1928

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Der schwierige Umgang mit dem Verfassungstag

Abb. 281  : Karl Holtz, Titelbild zur Sondernummer »Verfassungstag« von Lachen Links, 1925

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Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung

riesigen, halbnackten Walküre im schwarz-weiß-rot gestreiften Röckchen mit einem Schwert in der rechten Hand und einem Schild, auf dem über dem Schriftzug »Der Retter« das grotesk verfremdete Antlitz Wilhelm  II. zu sehen ist, in ihrer Linken, während ihr ein ob der grotesken Erscheinung lachendes Männchen mit einem dem Lachen-Links-Emblem nachempfundenen roten Kopf die Worte zuruft  : »Aber, Frau Germania, Sie sind ja ganz aus der Verfassung geraten  !«45 Ergänzt wurden solche auf die Gegner der Weimarer Verfassung zielende Graphiken durch Illustrationen, die sich bemühten, die Wehrhaftigkeit der Republik zu beschwören. Die Republikfeinde wurden als unfähig dargestellt, die von ihnen ungeliebte Verfassung ungeachtet der zahlreichen Angriffsversuche zu zerstören (Abb. 283). Diese Art der visuellen Republikverteidigung fand bereits 1924 in A.  Meyers Zeichnung »Der Riese und die Zwerge« einen Höhepunkt in der Darstellung eines titanenhaften Arbeiters, der stolz die Verfassung hochhält und sich von den erbärmlichen Attacken seiner liliputanischen Gegner von der äußeren Rechten und Linken nicht im Mindesten beeindrucken lässt. Als Mitte 1927 der Wahre Jacob wieder die Funktion des sozialdemokratischen Satireblattes übernahm, setzte er die 1924 von Lachen Links begründete Tradition der Verfassungstagssondernummer zunächst fort und widmete seine Ausgabe vom 6. August des Jahres dem Feiertag. Hinsichtlich der Feindbilder knüpfte der Wahre Jacob ebenfalls an die vorangegangenen Sondernummern an und zog sowohl über republikfeindliche Beamte und Wohlhabende als auch über die Deutschnationalen her. Daneben wurden wieder die Republik und ihre treuen Anhänger, die sozialdemokratischen Arbeiter, in einem positiven Licht gezeichnet. Mit dem Jahrgang 1928 verabschiedete sich der Wahre Jacob dann von der Praxis, dem Verfassungstag eine Sondernummer zu gewähren, und widmete ihm nur noch die Titelseite der Ausgabe vom 18.  August. In den folgenden Jahren unterließ das Blatt die Würdigung des zunehmend an Bedeutung verlierenden Verfassungsfestes schließlich ganz. 9.3 Die Weimarer Verfassung zwischen allen Fronten Die in bildlichen Darstellungen zum Verfassungstag zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen Haltungen gegenüber der Weimarer Republik setzen sich in Bildsatiren und Karikaturen zu der 1919 verabschiedeten Reichsverfassung fort. Der deutschnationale Kladderadatsch etwa machte sie aus Anlass des zehnten Jubiläums ihrer Verabschiedung auf dem Titelbild der Ausgabe vom 11. August 1929 verächtlich (Abb. 282). Für den Schöpfer dieses Bildes, den langjährigen Kladdera­ datsch-Zeichner Arthur Johnson, war sie ein aus Versatzstücken ausländischer Verfassungen (Frankreich, Großbritannien, USA) und dem Marxismus mehr schlecht 450

Die Weimarer Verfassung zwischen allen Fronten

Abb. 282  : Arthur Johnson, Das Verfassungskleid 1919, 1929

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Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung

als recht zusammengeschneidertes Kleid, das ihrer Trägerin, der Germania, nicht gefällt. Sie beschwert sich bei ihrem Schneider Hugo Preuß, dem liberaldemokratischen Verfasser des maßgeblichen Entwurfs der Reichsverfassung, mit säuerlicher Miene, dass ihr »das alte Kleid aus gutem deutschem Stoff« besser gestanden habe. In dieser Bildsatire sind jene Vorurteile vereint, die von konservativer Seite der Weimarer Verfassung entgegengehalten wurden  : dass ihre verfassungsrechtlichen Versatzstücke aus dem Lager der westlichen Kriegsgegner stammen würden, dass sie von marxistischer Ideologie infiziert sei und dass sie insgesamt einen schlechthin »undeutschen« Charakter habe.46 Demgegenüber setzten die sozialdemokratischen Satirezeitschriften Der Wahre Jacob und Lachen Links mitunter den politischen Gegner als Zerstörer der Verfassung in Szene, während sie selbst sie in Schutz nahmen.47 Dies geschah beispielsweise in Herbert Angers Titelblatt zur Verfassungstagssondernummer von 1926 (Abb. 283) mittels einer Verkörperung der Verfassung in Form eines stabilen, mit der republikanischen Reichsfahne beflaggten und schwarz-rot-gold bemalten Mastes, den die Repräsentanten der republikfeindlichen Parteien trotz des Einsatzes massiver Werkzeuge nicht fällen konnten  ; am Ende müssen sie eingestehen, dass die Verfassung »doch aus einem härteren Holz [ist], als wir geglaubt haben«. Der Beitrag des zwar grundsätzlich, aber keineswegs enthusiastisch republiktreuen Simplicissimus zur Wahrung der Verfassung erschöpfte sich dagegen vor 1930 darin, einige wenige Male die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben einzufordern.48 Dem diente das Stilmittel einer Gegenüberstellung von Sein und Sollen, von Verfassungswirklichkeit und verfassungskonformer Rechtslage. Dazu zitierte das Blatt einzelne Artikel der Reichsverfassung und versah den Text mit einer Graphik, die das Gegenteil dessen, was die Verfassung aussagte, als Realität darstellte. Auf diese Weise wurde etwa in einem von Erich Schilling stammenden Beitrag bemängelt, dass die Regelung des Art.  3 WRV  : »Die Reichsfarben sind schwarz-rot-gold« von den Republikgegnern nicht beachtet wird,49 oder von dem Karikaturisten Olaf Gulbransson kritisiert, dass Art.  130 WRV mit seiner Forderung des gleichen Zugangs zu öffentlichen Ämtern von den politischen Parteien unterlaufen werde.50 Andere derartige Graphiken thematisieren die sozialen Verhältnisse, die mit den Garantien der sozialen Grundrechte der Weimarer Verfassung nicht im Einklang standen,51 und stimmten damit in die damals weithin geübte Kritik am Auseinanderfallen von gesellschaftlicher Wirklichkeit und dem Anspruch, mit dem die Weimarer Verfassung auftritt, ein  : Während sich ihr Text an einem dritten Weg zwischen dem Kapitalismus des Westens und dem Sozialismus des Ostens orientiert, herrschte in der Realität, so der Tenor in vielen Printmedien, eine ausbeuterische Clique von Kapitalisten. Die Gegensätze zwischen der alten Bourgeoisie und dem neuen politischen System, die unbarmherzige Herrschaft der »Geldaristokratie« und die gesellschaftliche Spaltung in links und 452

Die Weimarer Verfassung zwischen allen Fronten

Abb. 283  : Herbert Anger, Titelbild zur Sondernummer »Verfassungstag« von Lachen Links, 1926

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Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung

rechts waren in der Zwischenkriegszeit Themen einer bisweilen mit der Justiz in Konflikt geratenden zeitkritischen Kunst und Bildpublizistik.52 So publizierte der Graphiker und in jenen Jahren der Neuen Sachlichkeit nahestehende Karl Rössing, um nur einen der zahlreichen gesellschaftskritischen Künstler zu nennen, in seinem 1932 erschienenen zeitkritischen Band »Mein Vorurteil gegen diese Zeit« einen Stich mit dem satirisch gemeinten Titel »Auf dem Boden der Verfassung«. Dieser ist schwankend, geradezu nur ein Drahtseil, auf dem die Karikatur einer nicht zu identifizierenden Person mit einem übergroßen Federkiel in der Hand zu balancieren versucht (Abb. 284). Ein Flugblatt, aus einem Flugzeug abgeworfen, lässt uns wissen, dass es hier um einen »Gesinnungswechsel in schwindelnder Höhe« gehe, bei dem die »Beibehaltung der Geschäftsinteressen« garantiert sei. Der Wechsel zum politischen System der Weimarer Verfassung hat, wie in zahllosen anderen Darstellungen der kritischen Kunst der damaligen Zeit assoziiert, die Herrschaft und die Ausbeutung durch eine kapitalistische Bourgeoisie nicht ändern können. Dies sollte denn auch in vielen anderen Graphiken Rössings in seinem »Mein Vorurteil gegen diese Zeit« deutlich gemacht werden.53 Die wohl größte Zeit der Verfassungsgraphik in der Weimarer Republik kam mit deren Ende. In den letzten drei Jahren der Republik erschienen in verschiedenen Presseorganen immer wieder Bildbeiträge, die sich mit dem allmählichen Untergang der Weimarer Verfassung beschäftigen. Die am häufigsten bemühte Verfassungsnorm war Art.  48 WRV, der dem Reichspräsidenten ein Notverordnungsrecht mit »quasi diktatorischen Befugnissen«54 einräumte. In Krisensituationen konnte der Reichspräsident »die nötigen Maßnahmen« treffen und anstelle des Reichstages Recht setzen. Während der Weimarer Republik immer wieder praktiziert, erlangte das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten nach der am 30. März 1930 erfolgten Ernennung Heinrich Brünings zum Reichskanzler eine besondere Bedeutung. Reichspräsident Hindenburg stützte mit dem Notverordnungsrecht eine sogenannte Präsidialregierung, die keine Mehrheit im Reichstag zu finden vermochte. Der damit verbundene Machtverlust des Reichstages sowie die Entparlamentarisierung der Politik stießen nicht allein in der Weimarer Staatsrechtslehre, sondern auch in Bildbeiträgen zu satirischen Magazinen und mitunter in der Parteipresse auf Widerspruch.55 Eine frühe Reaktion auf die unter Brüning einsetzende Entwicklung stellt Karl Arnolds56 Titelbild zum Simplicissi­ mus vom 28. April 1930 dar  : Hier ist Art. 48 ein grimmig gekleideter Henker mit Axt und Säge, der sich drohend dem eben erst erblühten Pflänzchen Parlamentarismus nähert (Abb. 285). Einige Monate später, nach der Neuwahl des im Juli nach der Ablehnung zweier Notverordnungen aufgelösten Reichstags, stellte der gesellschaftskritische Graphiker und Pionier der politischen Fotomontage John Heartfield 57 das Parlament bereits in extremis dar. Seine im Oktober in der kommunistisch 454

Die Weimarer Verfassung zwischen allen Fronten

Abb. 284  : Karl Rössing, Auf dem Boden der Verfassung, 1929

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Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung

Abb. 285  : Karl Arnold, Der junge Parlamentarismus, 1930

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Die Weimarer Verfassung zwischen allen Fronten

Abb. 286  : John Heartfield, Zum 30. August 1932, 1932

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Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung

orientierten Arbeiter-Illustrierten-Zeitung erschienene Fotomontage »Das tote Parlament«58 zeigt über der Bildunterschrift »Das blieb vom Jahre 1848 übrig« den riesenhaften Schriftzug »§  48« und dahinter den leeren Plenarsaal  – eine Anspielung darauf, dass der deutsche Parlamentarismus 1848 in der Paulskirche geboren wurde und nunmehr wegen Art. 48 dem Tod geweiht war. Dieser trat für Heartfield endgültig nach der Wahl vom Juli 1932 ein  : In seiner Fotomontage aus der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung vom 4. September 1932 mit dem Titel »Zum 30.  August 1932«  – dem Tag der Parlamentseröffnung  – liegt der Reichstag in plakativer Anleihe an eine Bestattungsszene in einem Sarg, dessen Deckel der Art. 48 bildet (Abb. 286). Tatsächlich suchte zum damaligen Zeitpunkt die mittlerweile amtierende Regierung von Papen durch die Schaffung des »neuen Staates« den Parlamentarismus endgültig zu überwinden. Dies wurde vom Kladderadatsch in seinen Bildbeiträgen begrüßt,59 während sich der Wahre Jakob in einer Art von »letztem visuellem Gefecht« die Verteidigung der Verfassung auf seine Fahnen geschrieben hatte.60 So verwies etwa Wilhelm Steiner in seinem Beitrag »Verfassungs-Reform  ? An der Verfassung liegt’s nicht lieber Michel« und in der Graphik »Wenn ein Politiker mit der Verfassung nichts anzufangen weiß, so braucht das nicht allemal an der Verfassung zu liegen«61 auf die Gefahr, die von den rechten Verfassungsgegnern drohte, und mahnte mit Blick auf die sich abzeichnenden Auflösungstendenzen, die Verfassung einzuhalten.62 Nach der permanenten Kritik an der politischen Ordnung der Weimarer Verfassung begegnete ihre scheinlegale Außerkraftsetzung keinem nennenswerten Widerstand. Dies gilt auch für die politische Graphik. In einer von Karl Arnold geschaffenen Karikatur im Simplicissimus vom 12. März 1933 wurde ohne eigene Stellungnahme nur das Ende der Weimarer Verfassung symbolisiert (Abb.  287)  : Über dem Zitat des einschlägigen Verfassungstextes (Art. 1 und 3 Satz 1 Reichsverfassung) hat eine von einem Polizisten und einem SA-Mann in Puttenform gehaltene Hakenkreuzfahne die verfassungsmäßige schwarz-rot-goldene Staatsflagge verdrängt, während die Verletzung des Verfassungsgrundsatzes der Volkssouveränität durch die mundtot gemachte Presse, einen mittels eines Vorhängeschlosses zum Schweigen gebrachten Michel in Demutshaltung und eine verschlossene Wahlurne zum Ausdruck gebracht wird. Mit dem Ende der Weimarer Republik war in Deutschland zugleich jene Verfassungs- und Freiheitssymbolik an ihr Ende gelangt, die sich für eine visuelle Vermittlung einer freiheitlichen politischen Ordnung engagierte.

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Die Weimarer Verfassung zwischen allen Fronten

Abb. 287  : Karl Arnold, Zur Verfassung des Deutschen Reiches, 1933

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Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung

9.4 Die Weimarer Verfassung in der sie begleitenden Bildpublizistik  : ein Symbol des nationalen Grunddissenses In der Bildpublizistik der Weimarer Zeit zeigt sich ebenso wie in den verfassungspolitischen Auseinandersetzungen die schwache Legitimationsgrundlage der Weimarer Verfassung. Eine über dem Parteienstreit stehende und integrierend wirkende Verfassungssymbolik und Verfassungsgraphik konnte sich damals nicht entwickeln.63 Dabei ist nicht zu verkennen, dass die verfassungsloyale, republikanisch gesinnte politische Mitte nichts unversucht ließ, um ein möglichst breites republikanisches Verfassungsbewusstsein zu stiften. Warum dies scheiterte, ja scheitern musste, lässt sich auf die gleichen Gründe zurückführen, aus denen es trotz mehrfacher Anläufe nicht gelang, den 11. August 1919 als Nationalfeiertag festzulegen. Die seit 1922 wiederholt vorgelegten Gesetzesinitiativen scheiterten in erster Linie am Widerstand des konservativen politischen Lagers. Zudem wurde weithin bezweifelt, dass die Weimarer Verfassung wirklich von der ganzen Nation akzeptiert wird.64 Poscher führt das Scheitern des Verfassungstages darauf zurück, dass »er das Fest einer Teilkultur der Weimarer Republik blieb, ein Festtag wesentlich des republikanischen Blocks unter Führung von SPD und Reichsbanner«65. Der Verfassungstag war damit eher vom Kampf für die Verfassungsordnung geprägt und keinesfalls Ausdruck eines breiten politischen Konsenses. Mit Poscher mag man trotz aller Versuche einer symbolischen Repräsentation der Weimarer Verfassung davon sprechen, dass der Verfassungstag nicht integrierend wirkte, sondern »zum Symbol des nationalen Grunddissenses« wurde.66 Dies lässt sich auf die bildpublizistische Vermittlung der Weimarer Verfassung übertragen  : Sie konnte nicht der Vergewisserung eines mehrheitlichen Verfassungskonsenses dienen, sondern war immer wieder davon getrieben, auf Bedrohungen der Verfassung seitens rechtskonservativer und linksextremer Bestrebungen zu reagieren. Nicht nur der Verfassungstag, auch die die Weimarer Verfassung begleitende Bildpublizistik war in ihrer Zerrissenheit ein Symbol des nationalen Grunddissenses in Sachen Verfassung.

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10. Resümee

Ziehen wir abschließend ein Resümee der über 2000-jährigen Geschichte der Freiheits- und der über 200-jährigen Geschichte der Verfassungssymbolik. Beide lassen sich von der Geschichte des Westens nicht trennen. Seit der Antike war die Freiheitssymbolik in den zahllosen politischen Auseinandersetzungen, die im Namen der Freiheit geführt wurden, nicht allein Begleiterin, sondern auch Gestalterin und Vermittlerin von Werten der westlichen politischen Kultur und der sie begleitenden verfassungsrechtlichen Entwicklung. Unser Überblick über die Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik hat in die Zeiten und zu den Orten des Kampfes um die Freiheit und um politische Reformen geführt. Wegen ihrer langen historischen Präsenz erlaubt die Freiheitsund Verfassungssymbolik eine Rekonstruktion der mentalen Voraussetzungen des Verlangens nach Freiheit seit der Zeit des Römischen Reiches und sodann des sich entwickelnden Verfassungsstaates seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Im Spiegel der Freiheits- und später der Verfassungssymbolik erkennt man Konstanten, aber auch Wandlungsprozesse in den Grundlagen von Recht und Politik, von kollektivem politisch-rechtlichem Bewusstsein und von kultureller Entwicklung. 10.1 Die durch die Freiheits- und Verfassungssymbolik vermittelte Vorstellungswelt Die Freiheits- und Verfassungssymbolik beeinflusst das politische Bewusstsein des Betrachters. Sie prägt dessen politische Vorstellungswelt mit dem Credo, dass die Allmacht des Staates begrenzt, autoritäre Entwicklungen unterbunden und ein freiheitliches politisches System ermöglicht werden sollen. So wurde die Freiheits- und Verfassungssymbolik beispielsweise herangezogen, um im Ancien Régime die Überwindung einer autoritären Herrschaft zu versinnbildlichen, um eine konstitutionelle oder eine republikanische Verfassung, eine Gesetzgebung im Namen der Freiheit oder die Universalität freiheitlicher verfassungsrechtlicher Prinzipien zu propagieren, um den Gründungsmythos der französischen Nation oder der Vereinigten Staaten von Amerika zu vermitteln, um Kämpfer und Märtyrer der Freiheit zu verehren oder um Kritik an Gefährdungen der Freiheit zu üben. Anlässlich ihrer Verbindung mit der Wohlfahrts- oder Gerechtigkeitssymbolik verweist die Freiheitssymbolik auf allgemeine Erwartungen an eine gute freiheitliche Ordnung. 461

Resümee

Ein klares Programm der individuellen oder kollektiven Freiheit und deren verfassungsrechtlicher bzw. gesetzlicher Ausgestaltung vermag die Freiheits- und Verfassungssymbolik dem Betrachter indes nicht zu bieten. Für welche konkreten Forderungen sie steht, hängt von der jeweiligen Zeit und dem jeweiligen Ort der politischen Auseinandersetzungen ab. Die mit der Freiheits- und Verfassungssym­ bolik verbundene politische Programmatik erschließt sich dem Betrachter nur, wenn er sie in den Kontext der ihn umgebenden gesellschaftlichen und politischen Situation stellt. Aus der Perspektive des Betrachters handelt es sich um eine Art von Schlüssel- oder Schleusensymbolik, die eine Erklärung und Deutung des politischen Geschehens sowie eine Orientierung an Werten und dem rechtlich Richtigen ermöglicht. Sie nimmt gleichsam in der Art einer Schleuse zeit- und situationsgemäß jene Gefährdungslagen, Freiheitsvorstellungen und verfassungsrechtlichen Forderungen in sich auf, die gerade auf der Agenda der Geschichte stehen, und kommuniziert sie. Dabei ist die Freiheitssymbolik wegen ihres Eintretens für die Idee der Freiheit in der Regel positiv besetzt.1 Diese Offenheit der Symbolform für unterschiedliche politische Inhalte hat ihren Preis. In politischen Auseinandersetzungen konnten die sich bekämpfenden Parteien oftmals auf Sinnbilder der Freiheit zurückgreifen, um ihr jeweils eigenes Verständnis von Freiheit zum Ausdruck zu bringen, wie etwa in den Auseinandersetzungen um eine bürgerliche oder eine radikale bzw. sozialistische Republik im Frankreich des 19.  Jahrhunderts.2 Dass staatliche Propaganda die Freiheits- und Verfassungssymbolik einsetzt, um den Bürger auf ein autoritäres System einzuschwören, ist in sich widersprüchlich und dennoch ein historisches Faktum.3 Problematisch wird die Legitimation eines politischen Systems durch eine Symbolik der Freiheit vor allem dann, wenn sie wie teilweise in Südamerika zum Zwecke des Machterhalts von autoritären Regierungen propagandistisch verwendet wird,4 eine Gesellschaftsreform im Zeichen der Freiheit aber nicht beabsichtigt ist. 10.2 Das Fortleben der Antike und die Neubesetzung der christlichen Symbolik Der Verfassungsstaat westlicher Prägung löste die ständische Ordnung des Ancien Régime ab, er schuf bei dieser Zäsur aber keine neue politische Symbolik. Ganz im Gegenteil steht die sich in seinem Gefolge entwickelnde Freiheitssymbolik in einer langen, bis in die Antike zurückreichenden Tradition. Die Antikenrezeption der westlichen politischen Kultur beschränkte sich nicht auf die Felder der Literatur, der Kunst, des Rechts und der Ethik. Vielmehr stieß man in der Renaissance, als man sich der Münzgeschichte der Antike zuwandte, auf die geldgeschichtlichen Wurzeln der Freiheitssymbolik.5 Römische Münzen, zusammengetragen in zahl462

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik als Archetyp

reichen Sammlungen, wurden wissenschaftlich bearbeitet. So konnte etwa der Pileus mit den beiden Dolchen auf dem Revers des Brutus-Denars über Jahrhunderte hinweg zu einem Symbol für die Legitimation von Gewalt zur Rettung einer republikanischen bzw. freiheitlichen Ordnung werden.6 Der durch die Numismatik gehobene Schatz an symbolischen Formen fand Eingang in die in Westeuropa und Nordamerika verbreiteten Emblematawerke,7 die trotz mancher Unterschiede im Einzelnen in einem bemerkenswerten Gleichklang die auf dem Revers vieler Münzen der Kaiserzeit eine gesicherte freiheitliche politische Ordnung verheißende Libertas mit dem Pileus auf einer Stange darstellten. Damit konnten die Künstler an eine symbolische Form anknüpfen, die als bekannt vorausgesetzt und näher ausgestaltet werden konnte. Ein erster Schritt zur Rezeption dieser Symbolik in der westlichen Welt und Kultur war getan. Zudem wurde in der Französischen Revolution an christliche Symbolformen angeknüpft, etwa an die mosaischen Gesetzestafeln, um die Grundrechteerklärung und die Verfassung zu visualisieren, oder an das Auge Gottes, das zum Auge der Vernunft oder des Höchsten Wesens wurde.8 Die Ablösung der in das christliche Weltbild eingebundenen gottgewollten Ordnung durch eine von der Souveränität des Volkes bestimmte säkulare Rechtsordnung war ein Spagat, der dem individuellen und kollektiven politischen Bewusstsein schwerfiel. Ging es doch um die Ersetzung alter durch neue Muster der Sinnstiftung und der Erklärung der Welt. Das Ziel war die Ersetzung einer alten durch eine neue Orientierungsgewissheit. Mit der Neubesetzung christlicher Symbolformen konnte der revolutionären Rechtsordnung in der Situation des politischen Übergangs ein Schein des Sakralen verliehen und damit politisches Umdenken erleichtert werden. Eine solche Neubesetzung des Sakralen ist nicht unbekannt. Auch das Christentum errichtete seine Kirchen vielfach an heidnischen Kultstätten. 10.3 Die Freiheits- und Verfassungssymbolik als Archetyp der westlichen politischen Kultur Das Streben nach Freiheit, immer wieder durch die Freiheitssymbolik in das Bewusstsein gehoben, gehört geradezu zum Proprium, das die westliche Kultur von anderen Kulturen unterscheidet. Von der Antike bis in das 20.  Jahrhundert präsent tradierte die Freiheitssymbolik in einzelnen Staaten über Jahrhunderte die mentalen Voraussetzungen des Strebens nach Freiheit. In der westlichen Welt gehört diese Symbolik wegen ihrer historischen Omnipräsenz zu den kulturellen Archetypen, der die Vorstellung dessen, was Freiheit ist oder sein soll, über den Wechsel politischer Systeme und von Geschichtsepochen hinweg überlieferte. Mit der Schule der »Annales«9 lässt sich von »cadres mentaux«, von Rahmensetzungen 463

Resümee

menschlichen Denkens, sprechen, die die Geschichte der westlichen Welt begleitet und geprägt haben. Zugespitzt lässt sich behaupten, dass die Freiheitssymbolik in gewisse »prisons de longue durée« führt, nämlich in ein die historischen Zeiten übergreifendes Gefangensein menschlicher Vorstellungswelt. Dies gilt bis in die Gegenwart. Wenn Artikel  2 des Vertrages über die Europäische Union die Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte als diejenigen Werte bezeichnet, auf die sich die Europäische Union gründet, so vermittelt eine die Ländergrenzen übergreifende Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik die mentalen Voraussetzungen dieses Wertekanons. Wer sich den historischen Grundlagen dieses Wertekanons zuwendet und dabei nach ihren »lieux de mémoires«, nach ihren Erinnerungsorten, fragt, findet in der Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik vielfältige Antworten. Es war nicht nur die am Verfassungsstaat orientierte politische Theorie, die zur Quelle des Werte­ kanons der Europäischen Union und des mitgliedstaatlichen Verfassungsrechts wurde. Es war auch ein gemeinsames, sich an der politischen Symbolik ausrichtendes politisches Bewusstsein, das, fest in der westeuropäischen Tradition verankert, die Grundlage eines gemeineuropäischen Wertekanons gelegt hat. 10.4 Der Beitrag der Freiheits- und Verfassungssymbolik zur Entwicklung des westlichen Verfassungsstaates Die Freiheits- und Verfassungssymbolik war im Verlauf der Geschichte mit einem Kaleidoskop recht unterschiedlicher politischer Vorstellungen und Forderungen verbunden, die einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des westlichen Verfassungsstaates geleistet haben. Im ausgehenden 18.  Jahrhundert bekräftigte sie die weitverbreitete Ansicht, dass die altständische Ordnung überwunden werden musste und auch konnte. Wie aber ganz konkret die neue bürgerliche Gesellschaft verfasst werden sollte, lag weitgehend außerhalb dessen, worüber sich ein politischer Konsens erzielen ließ. So spiegelte die Freiheits- und Verfassungssymbolik in Zeiten immer wieder neuer politischer Herausforderungen und Reformvorhaben die in sich zerrissene Bewusstseinsverfassung einer Epoche wider. In aller Regel mahnte sie emanzipativ zu neuen Reformen der verfassungsstaatlichen Ordnung. Die eher beharrenden Kräfte gestalteten die Freiheits- und Verfassungssymbolik, wenn überhaupt, eher affirmativ, um die vermeintliche Freiheitlichkeit der bestehenden Ordnung bewusst zu machen. In der Epoche zwischen etwa 1770 und 1850 kam es zu einer Neuprägung der politischen Begriffe und damit auch der politischen Vorstellungswelt. Mit dieser Sattelzeit der neuen politisch-rechtlichen Begriffe ging auch eine der politischen 464

Die Freiheits- und Verfassungssymbolik als Element

Symbolik einher. Der lange Weg in den Verfassungsstaat moderner Prägung war mit einem ebenso langen Weg der Herausbildung neuer Begriffe wie Verfassung, Grundrechtsschutz, Unabhängigkeit der Justiz oder Rechtsstaat verbunden. Die sich neu entwickelnde Begrifflichkeit des Verfassungsstaates war in ihrer Abstraktheit dem Volk kaum zu vermitteln. In dieser Situation kam die einer aufgeklärten Politik verpflichtete Freiheits- und Verfassungssymbolik ins Spiel. Sie war ein Bildmedium, das das individuelle und kollektive »Verstehen« eines verfassungsstaatlichen politischen Systems ermöglichte. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik wurde zu einem verbindenden Element, das dem Volk begreif bar machte, was staatstheoretisch und staatsrechtlich auf den Weg gebracht wurde bzw. werden sollte. Gerade über die Freiheits- und Verfassungssymbolik wurde auch jenen der Sinn von Freiheit und Verfassung verdeutlicht, denen in abstrakter Weise die normative Struktur des Verfassungsstaates nicht vermittelt werden konnte. Umgekehrt gilt ebenso  : Über die Freiheits- und Verfassungssymbolik wurde von unten, also aus der Bevölkerung heraus, zum Ausdruck gebracht, welche verfassungsrechtliche Entwicklung einer weitgehenden Akzeptanz sicher sein konnte und welche Fehlentwicklungen abgelehnt wurden. In dieser Hinsicht wohnt der Freiheits- und Verfassungssymbolik ein Element realer Demokratie inne. Jenseits der verfassungsrechtlichen Normierungen repräsentiert sie eine allgemeine Vorstellung über das, wie Freiheit politisch ausgestaltet und eine gute Ordnung verfasst sein sollte. An der mit der Freiheits- und Verfassungssymbolik zum Ausdruck gebrachten Kritik konnte von der Verfassungspolitik oftmals nicht vorbeigegangen werden. 10.5 Die Freiheits- und Verfassungssymbolik als Element der politischen Kommunikation Die Freiheits- und Verfassungssymbolik war in den politischen Auseinandersetzungen um einen freiheitlichen und demokratischen Staat ein wesentlicher Bestandteil der Kommunikation zwischen Staat und Bürger sowie der Bürger untereinander. Sie war, wie gezeigt werden konnte, in jener öffentlichen Kommunikation präsent, derer es bedurfte, damit sich der moderne Verfassungsstaat auch im kollektiven Bewusstsein durchzusetzen vermochte. Die Kommunikation über das Medium der Freiheits- und Verfassungssymbolik war eine besondere Art von »Freiheitskommunikation«. Sie zielte auf eine bisweilen schwierige Konsentierung der Anforderungen freiheitlicher Politik und auf eine Fundierung eines gemeinsamen politisch-rechtlichen Freiheitsbewusstseins. Oder zugespitzt formuliert  : Die Kommunikation über das Medium der Freiheits- und Verfassungssymbolik hat die kollektive Akzeptanz einer verfassungsstaatlichen Ordnung erst ermöglicht. Der 465

Resümee

moderne Verfassungsstaat hätte sich ohne die bewusstseinsprägende Kraft, die eine Kommunikation mittels der Freiheits- und Verfassungssymbolik zu bewirken im Stande ist, wohl kaum so entwickeln können, wie er sich entwickelt hat. Allerdings lässt sich nicht übersehen, dass die Freiheitssymbolik bisweilen auch zum Schüren von Ängsten in der Bevölkerung instrumentalisiert wurde. Diejenigen, die mit dem Symbol der Freiheit für linke politische Reformen gestritten hatten, werden bisweilen dem politischen Aktionismus zugeordnet, der im Namen der Freiheit zu grauenhafter Gewaltherrschaft geführt hat. Dies betrifft insbesondere die Jakobinerherrschaft in der Bildpublizistik zur Zeit der Direktorialverfassung, in der antifranzösischen britischen politischen Graphik der 1790er Jahre sowie im Kampf um die Republik in der Revolution von 1848/49.10 Das Schüren von Ängsten war und ist eben ein ebenso primitives wie probates Mittel im politischen Meinungskampf. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik diente nicht zuletzt der Kommunikation in der bürgerlichen politischen Öffentlichkeit, die seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach und nach alle Schichten der Gesellschaft erfasste und die verfassungsstaatliche Entwicklung vorantrieb. Bislang ist die Bedeutung dieser bürgerlichen politischen Öffentlichkeit für Wandlungen im politisch-rechtlichen Bewusstsein an den Lesegesellschaften, an den Festen des Vormärzes, an der politischen Publizistik oder auch am Zeitungswesen festgemacht worden. Dies greift zu kurz. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik ist ein nicht zu vernachlässigender Referenzbereich einer alle Bevölkerungsschichten durchdringenden und das politisch-rechtliche Bewusstsein verändernden politischen Kommunikation. 10.6 Die Sensibilität von Künstlern für die Erwartungen und Hoffnungen der Bürger Die Freiheits- und Verfassungssymbolik wurde vielfach zum Gegenstand der Staatsrepräsentation gemacht und damit von staatlicher Seite verordnet. Ihre Breitenwirkung verdankte sie jedoch dem Bemühen von Künstlern, den Geist ihrer Zeit und Antworten auf Fragen, die sich allen stellten, in allgemein verständlicher Weise zu vermitteln. Ihre künstlerische Sensibilität für die Hoffnungen, Wünsche und Befürchtungen in der Bevölkerung war die eigentliche Quelle einer weiten Verbreitung der Freiheits- und Verfassungssymbolik. Wer aber waren diese Künstler  ? Viele der Künstler, die mit ihren symbolisch aufgeladenen Bildern, Bildsatiren und Karikaturen große Teile der Bevölkerung anzusprechen wussten, sind anonym geblieben. Von anderen kennt man oftmals nur den Namen und einige Lebensdaten, nur ganz wenige sind von der Kunstgeschichte für wert befunden worden, ihr Werk ausführlicher zu behandeln. 466

Globalisierung der Freiheits- und Verfassungssymbolik

Die künstlerische Gestaltung der Freiheits- und Verfassungssymbolik lässt, wie die hier abgebildeten Drucke und Medaillen zeigen, vielfach zu wünschen übrig. Aber bedurfte es überhaupt künstlerischer Perfektion  ? Diese wäre vielleicht sogar hinderlich gewesen, um auf die Resonanz eines Publikums zu treffen, dem der Zugang zu Werken der hohen Kunst weitgehend verschlossen war. Nur in einer für die breite Masse verständlichen und damit holzschnittartigen Weise konnte der Künstler mit der Verfassungs- und Freiheitssymbolik zum Ausdruck bringen, welche grundsätzliche politisch-rechtliche Entwicklung im Zuge der Zeit lag. Nur wenn es ihm gelang, dies in Bildform zu gießen, konnte er sich einer Resonanz in der Bevölkerung sicher sein. Die Stimmungen in der Gesellschaft aufgreifend schufen die Künstler eine Freiheits- und Verfassungssymbolik, bei deren Betrachten politische Entwicklungen besser und klarer erfasst wurden, als wenn man sich aus langen Texten hätte orientieren wollen. Welche politischen Zielsetzungen erreicht werden sollen, vermittelte die Freiheits- und Verfassungssymbolik unmittelbarer und eindringlicher als politische Flugschriften oder lange gelehrte Texte. Über die politischen Einstellungen der die Freiheits- und Verfassungssymbolik gestaltenden Künstler ist nur wenig bekannt. In England und Frankreich sind wir auf Künstler gestoßen, die ihr graphisches Werk in den Dienst unterschiedlicher politischer Systeme stellten oder gar gegen Bezahlung von interessierter Seite Bildsatiren und Karikaturen lieferten  – oder dies auch unterließen.11 Davon abgesehen gilt  : Um ihre Existenz durch den Verkauf ihrer Drucke zu sichern, waren die Künstler darauf angewiesen, nicht nur den Zeitgeschmack des Publikums zu treffen, sondern sich auch mit den jeweiligen politischen Richtungen zu arrangieren. Gleichwohl dürfte die Mehrzahl der englischen, amerikanischen und französischen Graphiker und Medailleure bei der Gestaltung der Freiheits- und Verfassungssymbolik von ihrer persönlichen politischen Einstellung getragen worden sein. Dafür spricht, dass sich die Freiheits- und Verfassungssymbolik regelmäßig an die reformbereiten und reformwilligen sozialen Schichten wandte, deren politische Befindlichkeit nur jemand in überzeugender Weise wiederzugeben vermag, der ihnen selbst zugehörig ist. 10.7 Globalisierung der Freiheits- und Verfassungssymbolik durch Kulturtransfers in der westlichen Welt Seit dem ausgehenden 18.  Jahrhundert ist jedes Land in Westeuropa und in Nord- und Südamerika, also in der atlantischen Welt, seinen eigenen Weg zu einer verfassungsstaatlichen politischen Ordnung gegangen. Die jeweiligen Entwicklungen sind sehr unterschiedlich und nicht eben geradlinig verlaufen. Umso 467

Resümee

bemerkenswerter ist, dass auf dem langen Weg zum modernen Verfassungsstaat länderübergreifend teilweise sehr ähnliche Symbolformen genutzt wurden, die die neue politisch-rechtliche Ordnung repräsentierten. Nicht nur die Freiheit hat, um ein in der Französischen Revolution und auch im 19. Jahrhundert geläufiges Bild12 aufzugreifen, einen Siegeszug durch die westliche Welt angetreten, sondern auch die sie begleitende Symbolik. Nicht erst die Französische Revolution hat, wie man auf den ersten Blick annehmen möchte, eine international verständliche und rezipierte Freiheits- und Verfassungssymbolik hervorgebracht. Es waren vielmehr verschlungene Pfade des Kulturtransfers und des wechselseitigen Austausches zwischen den Niederlanden, England, den Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich, die zur Globalisierung der Freiheits- und Verfassungssymbolik in der atlantischen Welt geführt haben. Im Verlauf der Französischen Revolution kam es sodann zu einem Symboltransfer in die benachbarten (Vasallen-)Staaten.13 Die Freiheitssymbolik entwickelte sich, wie gezeigt wurde,14 im Freiheitskampf der Niederlande gegen Spanien, gelangte mit dem Haus Oranien nach England, wo sie im goldenen Zeitalter der englischen Graphik in den Auseinandersetzungen um eine freiheitliche Rechtsreform eine prominente Rolle spielte. Von dort wurde sie in den nordamerikanischen Kolonien Großbritanniens rezipiert und stand nach der Gründung der Vereinigten Staaten für die neue amerikanische Freiheit, um sodann in der Französischen Revolution zu einem Sinnbild für Rechts- und Verfassungsreformen zu werden.15 Von dort strahlte sie in die Nachbarstaaten Frankreichs aus und visualisierte die westeuropäischen Verfassungsdiskussionen des 19.  Jahrhunderts. Nicht zuletzt begleitete sie, aus Frankreich und auch aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika übernommen, mancherlei Verfassungsreformen in Süd- und Mittelamerika und ist dort bis in jüngste Zeit geläufig.16 Im Bereich der Freiheits- und Verfassungssymbolik begegnen wir unterschiedlichen Formen und Wegen des Kulturtransfers und der Interaktionen zwischen politischen Kulturen  : Die über die Ländergrenzen hinweg genutzten Emblematawerke schufen die ikonographische Grundlage einer gemeinsamen Symbolik.17 Künstler konnten in unterschiedlichen Staaten auf vergleichbare Emblematawerke zurückgreifen, in denen sie konsentierte Symbolformen vorfanden. Die Künstler schufen ihre Werke ‒ und das war ein weiterer wichtiger Grund für die Globalisierung der Freiheitssymbolik ‒ nicht nur für ein nationales, sondern für ein westeuropäisches und später auch für ein nordamerikanisches Publikum. Sie wussten, in welchen Ländern welche Symbolform auf Verständnis stieß. Darüber hinaus war ein die Ländergrenzen übergreifender Graphik- und Medaillenmarkt in der Lage, eine politische Symbolik zu transferieren, die auf das Verständnis und das Interesse internationaler Graphik- und Medaillenkäufer traf. So waren es begabte Künstler wie etwa Dupré18 oder Oudiné19, um nur die erfolgreichsten zu nennen, 468

Globalisierung der Freiheits- und Verfassungssymbolik

deren Formgebung über die Ländergrenzen und selbst über längere Zeiträume hinweg auf Abnehmer oder auf Nachahmer stieß. Die Globalisierung der Freiheits- und Verfassungssymbolik in der westlichen Welt war Gegenstand einer die Ländergrenzen überschreitenden öffentlichen Wahrnehmung, die seit der zweiten Hälfte des 18.  Jahrhunderts nach und nach alle Schichten der Gesellschaft erfasste. Die Gemeinsamkeiten in der politischen Symbolik verweisen auf eine gemeinsame Verfassungskultur, aber auch auf eine gemeinsame Erinnerungskultur im westeuropäisch-atlantischen Bereich. Dies gilt ganz besonders für die Vereinigten Staaten von Amerika. Deren Freiheitssymbolik, die ihre nationale Identität repräsentiert, ist ohne ihre europäischen Wurzeln nicht verstehbar. 10.8 Der eigene Weg Deutschlands in den Verfassungsstaat in der Freiheits- und Verfassungssymbolik Im Gegensatz zur Entwicklung im atlantischen Bereich gab es in Deutschland keine die verfassungsstaatliche Entwicklung begleitende Freiheitssymbolik. Zwei eher Randerscheinungen bleibende Ausnahmen von diesem grundsätzlichen Befund sind erwähnenswert  : Zum einen gab es 1848/49 Ansätze einer reformorientierten Freiheits- und Verfassungssymbolik. Bei ihr vermisst man jedoch das politische Engagement und den kämpferischen Einsatz, von denen in Frankreich die revolutionäre Symbolund Bilderwelt dieser Jahre beherrscht wurden. Die Errungenschaften der bürgerlichen Revolution waren zwar immer wieder Thema in Werken, die sich der deutschen Freiheits- und Verfassungssymbolik bedienten, diese wurden aber eher distanziert und skeptisch beurteilt.20 Nach dem Scheitern der Paulskirchenverfassung gab es bis zum Ende des Ersten Weltkrieges keine Visualisierung von Visionen politischer Reformen oder gar einer republikanischen Ordnung. Die deutsche Verfassungssymbolik des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts orientierte sich meist affirmativ an den Verfassungsorganen des wilhelminischen Reiches.21 So bestätigt die Symbolgeschichte, dass das Ringen um eine republikanische Freiheit den deutschen Weg in den Verfassungsstaat länger als in anderen westeuropäischen Staaten nicht zu bestimmen wusste.22 Zum anderen rezipierten die deutsche Sozialdemokratie und sozialistische Medien die französische und die seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts international übliche sozialistische Freiheitssymbolik.23 Wegen ihrer weiten Verbreitung mag man diese geradezu als Bestandteil der Lebenswelt und der Kultur der deutschen Arbeiterbewegung bezeichnen. In ihr atmete die Hoffnung auf eine bessere sozialistische Zukunft. Nach dem Ersten Weltkrieg gaben die sozialdemokratischen 469

Resümee

Satiremagazine der Freiheitssymbolik eine neue Wende  : Sie wurde nunmehr zur Verteidigung der Weimarer Republik eingesetzt. Auch mit Blick auf die Freiheits- und Verfassungssymbolik ist Deutschland einen anderen Weg in den Verfassungsstaat gegangen als etwa Frankreich, Großbritannien oder die Vereinigten Staaten von Amerika. Weder für die politische Führungsschicht noch für eine Mehrheit im Reichstag, noch für die Künstler mit ihrer politischen Graphik stand bis zum Ende des Ersten Weltkrieges eine Verfassungsreform mit einer weitgehenden Parlamentarisierung und Demokratisierung des politischen Systems auf der politischen Agenda. 10.9 Zur Integration der Freiheits- und Verfassungssymbolik in die verfassungsgeschichtliche Forschung Die Verfassungsgeschichte befasst sich mit dem Entstehen und der Fortentwick­ lung von Verfassungsrecht. Dabei bezieht die verfassungsgeschichtliche Forschung die politische Geschichte, die Sozialgeschichte und die politische Ideengeschichte ein. Die traditionellen Felder der verfassungsgeschichtlichen Forschung lassen sich erweitern  : Wenn Verfassungsgeschichte dem Werden des westlichen Verfassungsstaates nachgeht, kann sie mit Gewinn eine Geschichte der politischen Symbolik, vor allem der Freiheits- und Verfassungssymbolik, integrieren. Mit ihr lässt sich beantworten, ob, mit welcher Stoßrichtung und in welchem Umfang die zentralen verfassungsrechtlichen Prinzipien der Bevölkerung vermittelt, von ihr gekannt, anerkannt und akzeptiert wurden oder auch im Streit waren. Über die politische Symbolik kann die Verfassungsgeschichte verfolgen, ob und wie die Entwicklung zum modernen Verfassungsstaat von einem Verfassungsbewusstsein begleitet wurde, das politische Reformen verlangt oder gar zu Revolutionen geführt hat. Mit diesem Ansatz kann sich die Verfassungsgeschichte der Frage widmen, ob und inwieweit individuelles und kollektives Rechts- und Verfassungsbewusstsein die Ziele und die Richtung verfassungsstaatlicher Entwicklung mitbestimmten. Bei einer Integration der Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik in die Verfassungsgeschichtsschreibung gelangen die gesellschaftlichen und staatlichen Kommunikationsformen in den Blick, die die politische Geschichte und mit ihr die Verfassungsgeschichte vorangetrieben haben. Verfassungsgeschichte sollte in dieser Perspektive auch eine Geschichte der Kommunikation über Verfassungspolitik und Verfassungsrecht sein. Zu den Ergebnissen unserer Überlegungen gehört, dass die Idee der Freiheit, immer wieder symbolisch vermittelt, ein ganz wesentlicher Motor der Kommunikation über Verfassungsfragen im angelsächsischen Bereich und in Frankreich, am Rande auch in Deutschland, gewesen ist. 470

Von der Verfassungssymbolik zur Verfassung als Symbol

Die Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik bestätigt, dass eine auf den Nationalstaat bzw. auf Einzelstaaten ausgerichtete Verfassungsgeschichte zu kurz greift.24 Die Entwicklung des westlichen Verfassungsstaates verlief in einem die nationalen Grenzen überschreitenden Austausch von politischen Ideen und von Erfahrungen bei der Verabschiedung und Umsetzung von verfassungsrechtlichen Regelungen. Gleiches gilt für die Freiheits- und Verfassungssymbolik. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte, die über den nationalen Rahmen hinaus die Entwicklung des Verfassungsstaates westlicher Prägung einbezieht, kann für die Bestimmung der westeuropäischen bzw. atlantischen Grundlagen freiheitlichen Verfassungsrechts auf die Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik zurückgreifen. In ihr zeigt sich das die einzelnen Länder umgreifende symbolische Band, das die Idee der Freiheit im kollektiven politischen Bewusstsein am Leben erhalten und in Gefährdungssituationen eine vehemente Verteidigungsbereitschaft ausgelöst hat. 10.10 Von der Verfassungssymbolik zur Verfassung als Symbol In der Zwischenkriegszeit und endgültig nach dem Zweiten Weltkrieg ist die lange Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik an ihr Ende gelangt.25 Dies gilt für den angelsächsischen Bereich, für Frankreich und für Deutschland. In Deutschland finden politische Auseinandersetzungen nicht mehr in Symbolform statt. Auch ist die Verfassungssymbolik im öffentlichen Leben nicht mehr präsent.26 Dem widerspricht nicht, dass das Grundgesetz erstmals aus Anlass seines 25-jährigen Bestehens und sodann in den Jahren seiner »runden« Geburtstage sowie aus Anlass der deutschen Wiedervereinigung wiederholt Gegenstand von Sondermünzen und von Medaillen war.27 Denn diese symbolische Anknüpfung an Jahrestage oder wichtige Ereignisse trägt nichts zur Akzeptanz der Verfassung oder zu einer Auseinandersetzung mit der von ihr gestifteten politischen Ordnung bei. Diese Gedenkprägungen bezogen sich nicht auf aktuelle verfassungspolitische Auseinandersetzungen, sondern erfolgten in der Regel aus rein kommerziellen Interessen. Ähnliches gilt für die symbolhafte Vermittlung der französischen Verfassung und der französischen Verfassungsgeschichte durch die modernen Editionen der Monnaie de Paris.28 Diese greifen bisweilen wichtige Ereignisse der französischen Verfassungsgeschichte auf, die Auseinandersetzungen um Verfassungsreformen finden sich jedoch nicht thematisiert. Hier werden ebenfalls bloße Sammlerinteressen bedient, auf den politischen Meinungskampf wird nicht reagiert. Auch in der Gestaltung des öffentlichen Raumes finden sich seit Mitte des 20.  Jahrhunderts kaum mehr Bezüge auf die Verfassung oder die Freiheitlich471

Resümee

keit. Die Verfassung in den Vereinigten Staaten, in Frankeich oder in Deutschland ist in ihrer Akzeptanz offensichtlich so unbestritten, dass es keiner symbolischen Vermittlung mehr bedarf. Allerdings gibt es jedenfalls in Deutschland einige Ausnahmen von diesem Befund. Genannt seien etwa der 2005 eingeweihte »Platz der Grundrechte« in Karlsruhe,29 die 1989 aus Anlass des 40. Jahrestages des Inkrafttretens des Grundgesetzes geschaffene Verfassungssäule in Waghäusel30 oder Plakate wie dasjenige, das unter der Zeile »Das Volk – Der Souverän« eine jakobinische Freiheitsmütze und eine schwarz-rot-goldene Kokarde zeigt.31 Diese Beispiele sind durchaus auf eine öffentliche Wahrnehmung und auf eine verfassungspolitische Kommunikation angelegt, gleichwohl ist ihre bewusstseinsprägende Kraft als gering einzuschätzen. Die politische Form des modernen Verfassungsstaates bedarf offenbar keiner symbolhaften Vermittlung.32 Er legitimiert sich durch das auf der Souveränität des Volkes beruhende Verfassungsrecht und durch dessen – in Deutschland weitgehend verfassungsgerichtliche  – Fortentwicklung, die, insgesamt gesehen, Akzeptanz zu finden vermag. Es ist ein bemerkenswerter Perspektivenwechsel, wenn seit einiger Zeit der Verfassung selbst Symbolcharakter zugesprochen wird.33 Die Verfassung als geschriebenes Dokument und ihre Wirkkraft in alle Bereiche der Politik sind Bezugspunkt der politischen Wünsche und Hoffnungen und vor allem des Verfassungsbewusstseins, nicht mehr ihre symbolhafte Vermittlung. Dies gelingt dadurch, dass der Verfassungstext die Grundwerte und die politischen Ordnungsprinzipien vorgibt, die ähnlich wie vormals die Symbole für eine unterschiedliche Interpretation offen sind. So gesehen ist die Verfassung ein Symbol für Freiheitlichkeit, nationale Selbstbestimmung, gelebte politisch-rechtliche Traditionen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

472

Anmerkungen

1. Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ? 1



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7

Die folgenden Ausführungen sind allein der Freiheits- und Verfassungssymbolik gewidmet, nicht einem umfassenderen Ansatz einer »Philosophie der symbolischen Formen«, die »den ganzen Kreis des ›Weltverstehens‹ umfassen« will und zur Grundlage »einer künftigen Kulturphilosophie« werden soll (Ernst Cassirer, Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1956, S. 228 f.). Zu den vielfältigen und hier nicht weiter verfolgten Abgrenzungsversuchen zwischen Symbol, Emblem und Allegorie vgl. O. R. Scholz, Art. Symbol, in  : Joachim Ritter/Karlfried Gründer (Hg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, 10. Bd., 1998, S. 723 ff.; Arthur Henkel/Albrecht Schöne, Vorwort, in  : dies. (Hg.), Emblemata, 2. Aufl., 2013, S. IX ff. (jeweils mit w. Nw.). Symbole als ein Element der Kommunikation und die Symbolgeschichte waren in jüngerer Zeit Gegenstand groß angelegter Forschungsvorhaben, wobei allerdings die Verbindungslinien zwischen Symbol- und Verfassungsgeschichte weitgehend ausgeblendet blieben. Siehe z. B. Rudolf Schlögel/Berhard Giesen/Jürgen Osterhammel (Hg.), Die Wirklichkeit der Symbole. Grundlagen der Kommunikation in historischen und gegenwärtigen Gesellschaften, 2004  ; Dirk Hülst, Symbol und soziologische Symboltheorie, 1999. Eine erste grundlegende Arbeit stellt Michael Stolleis, Das Auge des Gesetzes. Geschichte einer Metapher, 2004, dar. Verwiesen sei zudem auf Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.), Handbuch der politischen Ikonographie, 2  Bde., 2011.  – Was das ausgehende Mittelalter und die Frühe Neuzeit betrifft, wird in den Arbeiten zu Rechtsaltertümern die symbolische Vermittlung der alten Reichsverfassung ausführlich behandelt  ; vgl. Percy E. Schramm (Hg.), Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom 3. bis zum 16. Jahrhundert, 3 Bde., 1954–1956  ; Gernot Kocher, Zeichen und Symbole des Rechts. Eine historische Ikonographie, 1992 (S. 66 ff. zur Verfassungssymbolik, allerdings ohne Einbeziehung der Symbolik des Verfassungsstaates). Zu diesem integrativen Ansatz vgl. Roger Chartier, New Cultural History, in  : Joachim Eibach/Günther Lottes (Hg.), Kompass der Geschichtswissenschaft, 2. Aufl., 2006, S. 193 ff. Zu deren Funktion  : Reinhold Zippelius, Die Bedeutung kulturspezifischer Leitideen für die Staats- und Rechtsgestaltung, 1987  ; Johanna Braun, Leitbilder im Recht, 2015. Aus diesem weiten Feld ist die Justitia-Symbolik als Sinnbild gerechten Richtens und guter Regierung von einem breiteren Schrifttum wahrgenommen worden. Diese Symbolik reicht bis zu Münzdarstellungen der römischen Antike zurück und ist ein prägendes Element abendländlicher Rechtskultur (vgl. Otto Rudolf Kissel, Die Justitia. Reflexionen über ein Symbol und seine Darstellung in der bildenden Kunst, 2. Aufl., 1997  ; Sven Behrisch, Die Justitia. Eine Annäherung an die Allegorie der Gerechtigkeit, 2006  ; Wolfgang Schild, Bilder von Recht und Gerechtigkeit, 1995  ; Lars Ostwaldt, Aequitas und Justitia. Ihre Ikonographie in Antike und früher Neuzeit, 2009). Ähnliches gilt für die Herrschaftssymbolik des Alten Reiches (vgl. unter 2a), für die nationale Identität stiftenden Symbole, für das Symbol des Roland (siehe hierzu etwa Winfried Trusen, Art. Rolandsäulen, in  : Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. IV, 1990, Sp. 1102 ff.) oder für »Das Auge des Gesetzes« (hierzu Stolleis, Auge des Gesetzes). Vertiefter Erörterung bedürfen weitere Formen politisch-rechtlicher Symbolik wie etwa von Krieg und Frieden. Zu diesem Ansatz Rolf Reichardt, Interkulturelle Wechselbeziehungen der historischen Bildpublizistik als Forschungsaufgabe, in  : Philippe Kaenel/ders. (Hg.), Interkulturelle Kommunikation in der euro-

473

Anmerkungen

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päischen Druckgraphik im 18. und 19. Jahrhundert, 2007, S. 3 ff. (zur »kulturellen Wende« der Geschichtswissenschaft zur »Bildwissenschaft«). Zum »Iconic Turn«  : Gottfried Boehm, Iconic Turn. Ein Brief, in  : Hans Belting (Hg.), Bilderfragen. Bildwissenschaften im Aufbruch, 2007, S. 27 ff., sowie W. J. T. Mitchell, Pictorial Turn. Eine Antwort, ebd.; W. J. T. Mitchell, What Do Pictures Want  ? The Lives and Loves of Images, 2005  ; ders., Bildtheorie, 2008  ; Doris Bachmann-Medick, Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, 2. Aufl., 2007, S. 329 ff. Zur »Visual History« als transdisziplinärem Forschungsfeld  : Gerhard Paul, Visual History, in  : Docupedia-Zeitgeschichte, 2012, S. 1, 15 f. und passim (abrufbar unter  : www.docupedia.de/zg/Visual_History_Version_2.0_Gerhard_Paul [abgerufen am  : 11.01.2017]). Siehe hierzu Liese Andries, Almanacs. Revolutionizing a Traditional Genre, in  : Robert Darnton/Daniel Roche (Hg.), Revolution in Print. The Press in France 1775–1800, 1989, S. 203 ff. Rolf Reichardt, »Macht ein solches Bild nicht einen unauslöschlichen Eindruck  ?«, in  : Günter Oesterle (Hg.), Erinnerung, Gedächtnis, Wissen, 2005, S. 449 ff. Zum europäischen Markt der politischen Karikaturen vgl. Tim Clayton, The Market for English Caricatures on the Continent, in  : Wolfgang Cilleßen/Rolf Reichardt (Hg.), Revolution und Gegenrevolution in der europäischen Bildpublizistik 1789–1889, 2010, S. 3 ff. Zu dieser Diskrepanz zwischen intuitiver Evidenz und vernunftorientiertem Akzeptieren siehe HansGeorg Soeffner, Überlegungen zur Soziologie des Symbols und des Rituals, in  : Christoph Wulf/Jörg Zirfas (Hg.), Die Kultur des Rituals, 2004, S. 164 f.; Hülst, Symbol, S. 351. Die Prozentangaben variieren beträchtlich von Land zu Land, von Region zu Region und vom städtischen zum ländlichen Umfeld. So waren in Paris in den Jahren der Französischen Revolution wohl mehr als zwei Drittel der Bevölkerung des Lesens fähig, während die »atlantische« Region Frankreichs kaum alphabetisiert war. Vergleichbares gilt für das Verhältnis von Berlin zu den östlichen Provinzen Preußens in jener Zeit. Vgl. hierzu und zu den Schwierigkeiten, belastbare Aussagen zu treffen, zusammenfassend T. C. W. Blanning, Das Alte Europa 1660–1789. Kultur der Macht und Macht der Kultur, 2006, S. 112 ff. Im August 1789 schilderte Joachim Heinrich Campe, wie sich in Paris auch die des Lesens nicht kundige Bevölkerung durch eine wahre Flut von Bildern über die revolutionären Ideen und Ereignisse zu informieren vermochte (zitiert bei Klaus Herding/Rolf Reichardt, Die Bildpublizistik der Französischen Revolution, 1989, S.  7 ff.; vgl. weiter Rolf Reichardt, Politische Druckgraphik in der Französischen Revolution, in  : Jahrbuch des Instituts für Marxistische Studien und Forschungen, Bd. 14 [1988], S. 243 ff.; Hans-Jürgen Lüsebrink, Der »Transfer« des 14. Juli 1789 – Methodische Überlegungen zur komparatistischen Rezeptions- und Symbolgeschichte historischer Ereignisse am Beispiel des Bastillesturms, in  : Karl Otmar Frh. von Aretin/Karl Härter [Hg.], Revolution und konservatives Beharren. Das alte Reich und die Französische Revolution, 1990, S. 37 [42]  ; zum »Bild als Tor zur Welt« vgl. Herding/Reichardt, Bildpublizistik, S. 20). Zu den zeitgenössischen Würdigungen dieser neuen Form der politischen Kommunikation vermittels der Revolutionsgraphik vgl. Herding/Reichardt, Bildpublizistik, S. 7 ff. Reichardt, Politische Druckgraphik, S. 244. Reichardt, ebd., S. 245. Etwa bei der Gestaltung des Münzgeldes  ; siehe hierzu unten Kap. 3.4. Zu der hier nur am Rande verfolgten Staatsrepräsentation durch Denkmäler vgl. Annie Jourdan, Les Monuments de la Révolution 1770–1804. Une histoire de représentation, 1997. Zur Verbindung von Ritual und Symbolik vgl. Christoph Wulf/Jörg Zirfas, Performative Welten. Einführung in die historischen, systematischen und methodischen Dimensionen des Rituals, in  : dies. (Hg.), Die Kultur des Rituals, 2004, S. 7 (24 ff., 33). Zum Folgenden Barbara Stollberg-Rilinger/Tim Neu, Einleitung, in  : dies./Christina Brauner (Hg.),

1. Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?

Alles nur symbolisch  ? Bilanz und Perspektiven der Erforschung symbolischer Kommunikation, 2013, S. 11 (15 ff.). 23 Zu den Einflüssen des Zeitgeistes auf das individuelle und das kollektive Bewusstsein  : Thomas Würten­ berger, Zeitgeist und Recht, 2. Aufl., 1991, S. 127 ff. 24 Hierzu allgemein  : Reichardt, »Macht ein solches Bild nicht einen unauslöschlichen Eindruck  ?«, S. 449 ff. 25 Murray Edelman, Politik als Ritual. Die symbolische Funktion staatlicher Institutionen und politischen Handelns, 1976, S. 2 ff. 26 Martin Höppl, Druckgraphik der Französischen Revolution. Kunstgeschichte, Kulturanthropologie und Kollektivpsyche, in  : Helikon. A Multidisciplinary Online Journal, Bd. 1 (2010), S. 144 (154). 27 Zur Verbindung von Symbolik und Moral siehe Hülst, Symbol, S. 342. 28 Otwin Masing, Gründungsmythen und politische Rituale. Eine Kritik ihrer Überhöhung und Verfälschung, 2000, S. 17. 29 Vgl. Britta Mischek, Die Konstruktion nationaler Identitäten in der englischen politisch-satirischen Druckgrafik zur Amerikanischen Revolution 1763–1783, 2008. 30 Zur Unschärfe symbolischer Bedeutungssysteme vgl. Hülst, Symbol, S.  345  ; Stollberg-Rilinger/Neu, Einleitung, S. 17 f. 31 Hülst, Symbol, S. 348 ff. 32 Würtenberger, Zeitgeist und Recht, S. 56 ff. 33 Antoine de Baecque, The Allegorical Image of France, 1750–1800. A Political Crisis of Representation, in  : Representations, Bd. 47 (1994), S. 111 (115). 34 Anderes mag für das 17. und beginnende 18. Jahrhundert gegolten haben. Die künstlerisch gestalteten Titelkupfer zu den damaligen politisch-rechtlichen Werken setzten wohl eine intensive Zusammenarbeit zwischen Autor und Künstler voraus (vgl. Bernhard Roeck, Titelkupfer reichspublizistischer Werke der Barockzeit als historische Quellen, in  : Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 65 [1983], S. 329 [332]). 35 Siehe den Überblick über die zur Zeit der Französischen Revolution in Paris tätigen Produzenten von Druckgraphiken bei Herding/Reichardt, Bildpublizistik, S. 20 ff. 36 Hans-Jürgen Lüsebrink/Rolf Reichardt, »Kauft schöne Bilder, Kupferstiche …«. Illustrierte Flugblätter und französisch-deutscher Kulturtransfer 1600–1830, 1996, S. 28 ff. (zu Bildflugblättern als Ware). 37 Siehe zum Verhältnis von politischer Symbolik und gesellschaftlicher Resonanz Gerhard Göhler, Symbolische Politik – Symbolische Praxis. Zum Symbolverständnis in der deutschen Politikwissenschaft, in  : Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.), Was heißt Kulturgeschichte des Symbolischen  ?, 2005, S. 57 (68). 38 Horst Denkler, Wortschwall, Blickfang, Lesefutter. Zur Tages-, Straßen- und Eckenliteratur der Bürgerlichen Revolution von 1848/1849, in  : Zeit für neue Ideen. Flugschriften, Flugblätter, Bilder und Karikaturen – Propaganda im Spiegel der Revolution von 1848/49, 1998, S. 12 ff.; vgl. zum rentablen Handel mit Karikaturen in England im 18. Jahrhundert Jürgen Döring, Eine Kunstgeschichte der frühen englischen Karikatur, 1991, S. 41 ff., 51 ff.; für die Jahre der Französischen Revolution siehe Antoine de Baecque, La caricature révolutionnaire, 1988, S. 23 ff. 39 Zur Kunst als Prophetie vgl. Francis Haskell, Die Geschichte und ihre Bilder, 1995, S. 415 ff., 422 ff. 40 Zur Kontinuitäts- und Diskontinuitätshypothese vgl. Thomas Würtenberger, An der Schwelle zum Verfassungsstaat, in  : Aufklärung, Bd. 3 (1988), Heft 2, S. 53 ff. 41 Hermann Fillitz, Die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches, 1954. 42 Barbara Stollberg-Rilinger, Zeremoniell als politisches Verfahren, in  : Johannes Kunisch (Hg.), Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, 1997, S.  91 ff.; Rosemarie Aulinger, Das Bild des Reichstages im 16. Jahrhundert. Beiträge zu einer typologischen Analyse schriftlicher und bildlicher Quellen, 1980. 43 Bernd Heidenreich/Frank-Lothar Kroll (Hg.), Wahl und Krönung, 2006  ; Christian Hattenhauer, Wahl

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Anmerkungen

und Krönung Franz II. AD 1792, 1995  ; Hans Joachim Berbig, Der Krönungsritus im Alten Reich, in  : Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, Bd. 38 (1975), S. 639 ff. 44 Harriet Rudolph, Kontinuität und Dynamik – Ritual und Zeremoniell bei Krönungsakten im Alten Reich, in  : Marion Steinicke/Stefan Weinfurter (Hg.), Investitur- und Krönungsrituale. Herrschaftseinsetzungen im kulturellen Vergleich, 2005, S. 377 ff.; Barbara Stollberg-Rilinger, Verfassung und Fest. Überlegungen zur festlichen Inszenierung vormoderner und moderner Verfassungen, in  : Hans-Jürgen Becker (Hg.), Interdependenzen zwischen Verfassung und Kultur, 2003, S. 7 ff.; Matthias Schwengelbeck, Die Politik des Zeremoniells. Huldigungsfeiern im langen 19. Jahrhundert, 2007. 45 Stollberg-Rilinger, Verfassung und Fest, S. 29 ff.; Schwengelbeck, Politik des Zeremoniells, S. 349 ff. 46 Hierzu ausführlich Schwengelbeck, Politik des Zeremoniells. 47 Zum Folgenden Roeck, Titelkupfer, S.  334 ff.; Sven Wulfekammer, Das Alte Reich im Spiegel der Reichspublizistik, in  : Nikolaus Gussone (Hg.), Bilderreich. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation in Büchern und Bildern, 2005, S. 28 ff. (jeweils mit zahlreichen Abbildungen). 48 Abb. bei Roeck, Titelkupfer, S. 362 mit ausführlicher Interpretation S. 330 ff. 49 Ein Titelkupfer zu einem betont prokaiserlichen Reichsstaatsrechrt bei Wulfekammer, Das Alte Reich, S. 36. 50 Zahlreiche Nw. bei Roeck, Titelkupfer, S. 336 ff. 51 Vgl. Roeck, Titelkupfer, S. 339 ff. 52 Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, 1. Bd., 1988, S. 320 (m. Nw.). 53 Hülst, Symbol, S. 350. 54 Reinhold Zippelius/Thomas Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl., 2008, § 8 I (m. Nw.). 55 Zur Revolutionsgraphik als Schmelztiegel historischer Bilderfahrungen siehe Herding/Reichardt, Bildpublizistik, S. 25 ff. 56 Vgl. hierzu Fernand Braudel, Histoire et Sciences sociales. La longue durée, in  : Annales, Bd. 13 (1958), S. 725 ff.; zu den unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten dieses Konzepts vgl. die Beiträge in  : Ri­ chard E. Lee (Hg.), The Longue Durée and World-Systems Analysis, 2012. 57 Aby Warburg mit seinem »Der Bilderatlas Mnemosyne«, hg. von Martin Warnke, 2. Aufl. 2003, ist ein Vorläufer dieses kulturgeschichtlichen Ansatzes. 58 Braudel, Histoire et Sciences sociales, S. 731. 59 Zur »longue durée« der durch politische Symbolik vermittelten Vorstellungswelt vgl. Reichardt, Interkulturelle Wechselbeziehungen, S. 5  ; Maurice Aymard, La longue durée aujourd’hui. Bilan d’un demisiècle (1958–2008), in  : Diogo Ramada Curto u. a. (Hg.), From Florence to the Mediterranean and Beyond, 2009, S. 559 ff. 60 Reinhart Koselleck, Einleitung, in  : Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1, 1972, S. XIII (XV). 61 Charlotte Tacke, Nationale Symbole in Deutschland und Frankreich, in  : Heinz-Gerhard Haupt/Jürgen Kocka (Hg.), Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung, 1996, S. 131 ff. 62 Zum Verfassungsbewusstsein vgl. Würtenberger, Zeitgeist und Recht, S. 96 ff. 63 Vgl. zum mentalitätsgeschichtlichen Ansatz Centre Méridional d’Histoire Sociale des Mentalités et des Cultures (Hg.), Iconographie et histoire des mentalités, Paris 1979  ; Gerd van den Heuvel, Der Freiheitsbegriff der Französischen Revolution. Studien zur Revolutionsideologie, 1988, S. 31 ff.; Rolf Reichardt, »Histoire des Mentalités«. Eine neue Dimension der Sozialgeschichte am Beispiel des französischen Ancien Régime, in  : Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 3 (1978), S.  130 ff.; Michel Vovelle, Idéologies et mentalités, 1982  ; Volker Sellin, Mentalität und Mentalitätsgeschichte, in  : Historische Zeitschrift, Bd. 241 (1985), S. 555 ff.; Martina Kessel, Mentalitätsgeschichte, in  : Christoph Cornelißen (Hg.), Geschichtswissenschaften, 2000, S. 235 ff.

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1. Wozu eine Geschichte der Freiheits- und Verfassungssymbolik  ?

64 Zu den Schwierigkeiten der Deutung dessen, was der Künstler ausdrücken wollte und was der Betrachter zu verstehen vermochte  : Rudolf Wittkower, Die Deutung optischer Symbole, in  : ders., Allegorie und der Wandel der Symbole in Antike und Renaissance, 1984, S. 319, 334 ff. 65 Siehe Braudel, Histoire et Sciences sociales, S. 745, zur »zone des éléments inconscients ou peu conscients«. 66 Pierre Nora (Hg.), Erinnerungsorte Frankreichs, 2005  ; ders., Entre Mémoire et Histoire, in  : ders. (Hg.), Les Lieux de Mémoire, Bd. I  : La République, 1984, S. XVII ff. 67 Schwengelbeck, Politik des Zeremoniells, S. 54 f. (m. Nw.). 68 Zur Ästhetik als Bestandteil politischer Kommunikation vgl. Jan Andres, »Auf die Poesie ist die Sicherheit der Throne gegründet«. Huldigungsrituale und Gelegenheitslyrik im 19. Jahrhundert, 2005, S. 142 ff., 166 ff. (m. Nw.). 69 Zur These, dass Ästhetik immer auch ethische Aspekte vermittle, siehe Andres, ebd., S. 156. Allerdings neigen auch totalitäre politische Systeme zu ästhetischen Inszenierungen, was nicht weiter verfolgt werden soll  ; siehe hierzu Hans Vorländer, Demokratie und Ästhetik, in  : ders. (Hg.), Zur Ästhetik der Demokratie, 2003, S. 11 (14 f.). 70 Zum interkulturellen künstlerischen Austausch  : Reichardt, Interkulturelle Wechselbeziehungen, S. 8 ff. 71 Und damit nicht nur in der politischen Kultur Europas, wie Reichardt, Interkulturelle Wechselbeziehungen, S. 11, annimmt. 72 So die Hypothese von Christoph Danelzik-Brüggemann/Rolf Reichardt, Einleitung, in  : dies. (Hg), Bildgedächtnis eines welthistorischen Ereignisses. Die Tableaux historiques de la Révolution française, S. 9, 10. 73 Thomas Würtenberger, Verfassungsgeschichte des Grundgesetzes, in  : Festschrift für Klaus Stern zum 65. Geburtstag, 1997, S. 127 (128). 74 Vgl. Kap. 7.3 am Anfang. 75 Siehe etwa die Karikatur »Felelős Ministerium (Verantwortliches Ministerium). No is hogy tetszik ez az alkotmány  ? Nun wie gefällt euch diese trefliche Constitution  ?« aus dem Jahr 1848 (PrometheusBildarchiv). 76 Vgl. z. B. die von Franciszek Smuglewicz nach Karol Gröll gefertigte Graphik mit dem Titel »Die Freiheit« aus dem Jahr 1791 (Prometheus-Bildarchiv) und den 1794 zur Finanzierung des polnischen Aufstandes von dessen Führer, dem im Jahr zuvor zeitweilig im revolutionären Frankreich weilenden General Tadeusz Kościuszko, ausgegebenen Geldschein mit einer Freiheitsmütze auf einer Stange (Abb. in  : Martin Jessop Price [Hg.], Die Münzen der Welt, 1981, S. 244 [Abb. 1164]). 77 Nw. bei Fn. 8, 9. 78 Erwin Panowsky, Kunstgeschichte als geisteswissenschaftliche Disziplin, in  : Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, 1975, S. 7 ff.; ders., Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst, in  : Ekkehard Kaemmerling (Hg.), Bildende Kunst als Zeichensystem, 6. Aufl. 1994, S. 185 ff.; zu Panowskys verstehender Deutung vgl. Renate Heidt, Erwin Panofsky. Kunsttheorie und Einzelwerk, 1977, S. 218 ff.; Audrey Rieber, Art, histoire et signification. Un essai d’épistémologie d’histoire de l’art autour de l’iconologie d’Erwin Panofsky, 2012, S.  47 ff., 51 ff. (zu den hier nicht weiter zu verfolgenden Parallelen im mentalitätsgeschichtlichen Ansatz der »Ecole des Annales« und im ikonographischen Ansatz Panowskys und seiner Schule)  ; vgl. auch Wittkower, Deutung optischer Symbole, S.  319 ff.; Götz Pochat, Der Symbolbegriff in der Ästhetik und Kunstwissenschaft, 1983, S. 76 ff.,127 ff., 166 ff. 79 Siehe hierzu Arnold Rabbow, Visuelle Symbole als Erscheinung der nicht-verbalen Publizistik, Diss. Univ. Münster 1966, S. 160 ff. 80 Genannt seien nur das Reichsmuseum Amsterdam, die Prometheus-Datenbank der Universität Köln sowie seitens der Universität Lüneburg die HyperMedia zur Bildpublizistik der Französischen Revolution.

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Anmerkungen

2. Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat  1 Dieter Metzler, Die Freiheitsmütze und ihre antike Vorgeschichte, in  : Paul Leidinger/ders. (Hg.), Geschichte und Geschichtsbewußtsein. Festschrift für Karl-Ernst Jeismann, 1990, S. 706 ff., zur Vorgeschichte der sich mit Kopfbedeckungen mehr oder weniger deutlich verbindenden Freiheitssymbolik (vgl. S. 720 ff. mit Hinweisen u. a. auf das antike Sparta und auf Wurzeln in Anatolien).   2 Zum Ablauf der Manumissionszeremonie vgl. W. W. Buckland, A Text-Book of Roman Law, 3. Aufl. 1963, S. 82  ; George Long, Manumissio, in  : A Dictionary of Greek and Roman Antiquities, 1875, S. 730.   3 Ein Überblick über die Libertas-Symbolik auf römischen Münzen findet sich bei Rainer Vollkommer, Art. Libertas, in  : Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae, Bd. VI/1, 1992, S. 278 ff. (mit Abb. in Bd. VI/2, S. 144 f.)  ; Carol Louise Janson, The Birth of Dutch Liberty. Origins of the Pictorial Image, Diss. phil. University of Minnesota 1982 (Mikrofilm), S. 19 ff.; vgl. ferner die Münzen des Britischen Museums in dessen Online-Katalog unter den Stichworten »libertas pileus«.  4 Franz Wieacker, Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1, 1988, S. 379  ; Chaim Wirszubski, Libertas als politische Idee im Rom der späten Republik und des frühen Patriziats, 1967, S. 1 ff. und passim.   5 Hierzu sowie zu den Facetten des römischen Freiheitsverständnisses  : Jochen Bleicken, Art. Freiheit (I., 2.), in  : Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, 1975, S.  429 (430 ff.)  ; vgl. weiter Loretana de Libero, Art. Provocatio, in  : Hubert Cancik/Helmuth Schneider (Hg.), Der Neue Pauly, Bd. 10, 2001, Sp. 475 f.  6 Vollkommer, Art. Libertas, S. 282  ; Armin U. Stylow, Libertas und Liberalitas. Untersuchungen zur innenpolitischen Propaganda der Römer, 1972, S. 13 f. Zur Geschichte der Provokationsgesetzgebung vgl. Jochen Bleicken, Art. provocatio, in  : Paulys Realenzyklopädie der classischen Altertumswissenschaft, 46. Halbband, 1959, Sp. 2445 ff.   7 British Museum, RNr. R.7679.   8 British Museum, RNr. 1901,0407.330.   9 British Museum, RNr. R.8532. 10 Zu den Variationen dieses Denars vgl. Herbert A. Cahn, EIDibus MARtiis, in  : Numismatica e antichità classiche, Bd. XVIII (1989), S. 211 (228 ff.; mit Abb.). Zur Zeit der Französischen Revolution bezog man sich in der Zeitung »Révolutions de Paris«, 1792, Nr. 141 (17.–24.3.1792) ausdrücklich auf dieses antike Vorbild des »bonnet rouge« als Freiheitssymbol. 11 Zu ihm und zu seiner Familie  : Detlef Liebs, Die Juristensippe der Marci Junii Bruti, in  : Festschrift für Peter Schlechtriem, 2003, S. 107 ff. 12 Reinhold Walburg, EID MAR  : Die Macht der visuellen Kommunikation. Rezeption eines antiken Motivs, in  : BOREAS. Münstersche Beiträge zur Archäologie, Bd. 30/31 (2007/2008), S. 111 ff. 13 Klaus Bringmann/Thomas Schäfer, Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums, 2002, S. 145. 14 Jane DeRose Evans, The Art of Persuasion. Political Propaganda from Aeneas to Brutus, 1992, S. 147 f. 15 Kritisch zu dieser Hypothese Cahn, EIDibus MARtiis, S. 211, 223. 16 Vgl. Harold Mattingly, Coins of the Roman Empire in the British Museum, Vol. I, 1965 mit Nachw. im Index S. 416. Auf unter Caligula geprägten Münzen verweist der Pileus (ohne die sonst übliche Libertas) auf die Rücknahme einer Art von Umsatzsteuer (so Stylow, Libertas und Liberalitas, S. 45). 17 Mason Hammond, Res olim dissociabiles  : Principatus ac Libertas. Liberty under the Early Roman Empire, in  : Harvard Studies in Classical Philology, Bd. 67 (1963), S. 93 ff. 18 British Museum, RNr. R.9862. Zuvor unter Claudius hält die Libertas auf dem Revers von Münzen in der einen Hand nur den Pileus und streckt den anderen Arm nach vorne 19 Vgl. zu den Darstellungen der Libertas auf römischen Münzen und zu ihren verschiedenen Attributen Janson, Dutch Liberty, S.  20 ff.; weitere Abbildungen bei Dario Gamboni/Georg Germann (Hg.),

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2. Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

Zeichen der Freiheit. Das Bild der Republik in der Kunst des 16. bis 20. Jahrhunderts, 1991, S. 328, Nr. 156 und 157. 20 Hierzu Gregor Weber/Martin Zimmermann, Propaganda, Selbstdarstellung und Repräsentation, in  : dies. (Hg.), Propaganda – Selbstdarstellung – Repräsentation im römischen Kaiserreich des 1. Jahrhunderts n. Chr., 2003, S. 11 ff.; Barbara Levick, Propaganda and the Imperial Coinage, in  : Antichthon, Bd. 16 (1982), S. 104 ff.; H. W. Ritter, Zur Bedeutung der caesarischen und augusteischen Münzpropaganda, in  : Karl Christ/Emilio Gabba (Hg.), Caesar und Augustus, 1989, S. 165 ff. 21 So findet sich auf Münzen u. a. Galbas, Vespasians und Hadrians die Inschrift »libertas restituta«, also ein Hinweis auf die Wiederherstellung der Freiheit. 22 Wojciech Boruch, Galba’s Propaganda Motifs on Vespasian’s Coins, in  : Notae Numismaticae, Bd.  1 (1996), S. 74 ff.; Edwin S. Ramage, Denigration of Predecessor under Claudius, Galba and Vespasian, in  : Historia. Zeitschrift für Alte Geschichte, Bd. 32/2 (1983), S. 201 (206 ff.)  ; Abbildungen  : British Museum Collection Online unter den Stichworten »Galba Libertas« und »Vespasian Libertas«. 23 Diese war seit Hadrian auf Münzen weitverbreitet (Carlos  F. Norena, The Communication of the Emperor’s Virtues, in  : The Journal of Roman Studies, Bd. 91 [2001], S. 146 [160 ff.]). 24 So Johannes Sieveking, Das Füllhorn bei den Römern, 1895, S. 52 f. 25 Vollkommer, Art. Libertas, S. 284. 26 Vgl. Francis Haskell, Die Geschichte und ihre Bilder, 1995, S. 23 ff.; Janson, Dutch Liberty, S. 44 ff. 27 Vgl. zur Rezeptionsgeschichte die ausführliche Darstellung von Janson, Dutch Liberty, S. 39 ff. 28 Siehe zum Folgenden Paul Grotemeyer, Eine Medaille des Andrea Doria von Christoph Weiditz, in  : Harald Inghold (Hg.), Centennial Publication of the American Numismatic Society, 1958, S. 317 ff. 29 Marion Philipp, Ehrenpforten für Kaiser Karl V., 2010, S. 112 f. 30 Hierzu ausführlich Arthur Henkel/Albrecht Schöne, Vorwort, in  : dies. (Hg.), Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, 2. Aufl. 2013, S. IX ff.; Peter Goodrich, Legal Emblems and the Art of Law, 2014. 31 Überblick bei Janson, Dutch Liberty, S. 55 ff. 32 Cesare Ripa, Iconologia, 1603, S. 293. 33 Übersetzung aus Gamboni/Germann (Hg.), Zeichen der Freiheit, S. 316. 34 Cesare Ripa, Iconologia, 1611, S.  312 f.; gleiche Darstellung in der Iconologia di Cesare Ripa, hrsg. von Giovanni Zaratini Castellini, 1645, S. 375, sowie sehr verkleinert in  : Der Kunst-Göttin Minerva liebreiche Entdeckung … aus des berühmten Italieners Ripa Anleitung in das Teutsche übersetzt, 1704, S. 103 mit Abb. auf Tafel 33. 35 Cesare Ripa, Iconologia, hrsg. von Cesare Orlandi, Bd. 4, 1766, S. 30  ; Dirck Pietersz Pers, Cesare Ripa’s Iconologia of Uytbeeldinghen des Verstants, 1644, S. 574. 36 Zur Rolle der Emblematawerke bei der Gestaltung der niederländischen Freiheitssymbolik  : Janson, Dutch Liberty, S. 243 ff. 37 Henkel/Schöne, Emblemata, Sp. 578, 782. 38 An dieses Vorbild lehnte sich auch der Medailleur Antonio Selvi (1679–1753) an, als er Lorenzino im Rahmen einer Medaillenserie auf die Familie Medici darzustellen hatte (Fiorenza Vannel Toderi/ Guiseppe Toderi, La Medaglia Barocca in Toscana, 1987, S. 208 mit Abb. auf Tafel 96). 39 Donald J. Gordon, Giannotti, Michelangelo and the Cult of Brutus, in  : ders., The Renaissance Imagination, 1975, S. 233 (236)  ; Walburg, EID MAR, S. 117 ff. 40 Siehe zur Legitimation des Tyrannenmordes in der politischen Theorie der Monarchomachen Thomas Würtenberger, Die Legitimität staatlicher Herrschaft. Eine staatsrechtlich-politische Begriffsgeschichte, 1973, S. 51 ff. 41 In der 1531 erschienenen ersten Auflage findet sich dieses Emblem noch nicht, so dass Andrea Alciati wohl durch Lorenzino de’ Medicis Übernahme dieser römischen Symbolik zur Ergänzung seines Emblematawerkes veranlasst wurde.

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Anmerkungen

42 Zur Änderung dieser Symbolik in späteren Ausgaben vgl. Janson, Dutch Liberty, S. 56 ff. 43 Vgl. hierzu ausführlich Kerstin Schäfer, Der Fürstenaufstand gegen Karl V. im Jahr 1552, 2009. 44 Zitat bei Schäfer, Fürstenaufstand, S. 105 (m. Nw.)  ; zur ablehnenden Haltung der deutschen Fürsten vgl. Gaston Zeller, La Réunion de Metz à la France (1552–1648), 1926, S. 177 f. 45 Johann Jacob Luck, Sylloge numismatum elegantiorum quae Diuersi Impp. Reges …, 1620, S. 144. 46 Walburg, EID MAR, S. 120 ff.; Dirk Erpenbeck, Das Libertas-Motiv auf Münzen und Medaillen der Neuzeit, in  : Numismatisches Nachrichtenblatt, Bd. 28 (1979), S. 37 (40). 47 Siehe hierzu die des Widerstandes der Stadt Alkmaar gegen spanische Truppen gedenkende Medaille »Alcmaria Victrix« von 1704 mit einem Altar, dessen Vorderseite die Symbolik des Brutus-Denars zeigt (Abb. bei Erpenbeck, Libertas-Motiv, S. 47). Zum Aufgreifen der Brutus-Symbolik in der Französischen Revolution vgl. Abb. 99 sowie in der Revolution von 1848 vgl. Abb. 195. 48 Wolfgang Cilleßen (Hg.), Krieg der Bilder. Druckgraphik als Medium politischer Auseinandersetzung im Europa des Absolutismus, 1997, S. 290 f. (mit Abb.). 49 Abgedruckt in  : Francis Blackburne, Memoirs of Thomas Hollis, Esq. f.R. and A.S.S., Bd. 1, 1780, vor S. 1. 50 Vgl. zu Hollis Caroline Robbins, The Strenuous Whig. Thomas Hollis of Lincoln’s Inn, in  : The William and Mary Quarterly, Bd. 7 (1950), S. 406 ff.; dies., Library of Liberty – Assembled for Harvard College by Thomas Hollis of Lincoln’s Inn, in  : Harvard Library Bulletin, Bd. 5 (1951), S. 5 ff., 181 ff.; W. H. Bond, Thomas Hollis of Lincoln’s Inn. A Whig and his Books, 1990  ; Frank H. Sommer, Thomas Hollis and the Art of Dissent, in  : John D. Morse (Hg.), Prints in and of America to 1850, [1970], S. 111 ff. 51 Siehe die Auflistung von Gegenständen in Hollis’ Sammlungen in  : Francis Blackburne, The Memoirs of Thomas Hollis, Bd. 2, 1780, S. 826. 52 Vgl. Janson, Dutch Liberty, S. 429 f., zu frühen Beispielen der Libertas-Symbolik in Antwerpen und Dordrecht, wo 1549 die alte niederländische Freiheit von Seiten Spaniens feierlich garantiert wurde. 53 Der Hut war in den Niederlanden insbesondere im 17. und frühen 18.  Jahrhundert die absolut dominierende Form des Freiheitssymbols  ; erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurden mützenartige Kopfbedeckungen etwas zahlreicher (Janson, Dutch Liberty, S. 174 f., 240 f.). 54 Zu dessen Ermordung durch Lorenzino de’ Medici und zur Rechtfertigung dieser Tat durch die Brutus-Symbolik vgl. bei Abb. 10. 55 Anton van der Lem, Artikel Berlaymont, Charles de, abrufbar unter http://www.dutchrevolt.leiden.edu/ deutsch/Personen/Pages/Berlaymont-Charles.aspx [abgerufen am  : 11.01.2017]. 56 Thijm Alberdingk, Artikel Berlaymont, Karl, in  : Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 2, 1875, S. 400. 57 Zu frühen Formen der niederländischen Freiheitssymbolik vgl. Janson, Dutch Liberty, S. 229 ff. 58 Abb. bei Gamboni/Germann (Hg.), Zeichen der Freiheit, S. 330, Nr. 160. 59 Abb. bei Gamboni/Germann (Hg.), Zeichen der Freiheit, S. 330, Nr. 161. Weitere Beispiele zur Verbreitung dieser Freiheitssymbolik in den 70er und 80er Jahren des 16. Jahrhunderts finden sich bei Simon Schama, The Embarrassment of Riches. An Interpretation of Dutch Culture in the Golden Age, 1987, S. 69 f., und H. Perry Chapman, A Hollandse Pictura. Observations on the Title Page of Philips Angel’s »Lof der schilder-konst«, in  : Simiolus. Netherlands Quarterly for the History of Art, Bd. 16 (1986), S. 233 (240), mit Abb. eines Stiches von 1575 auf den Frieden von Breda, auf dem der niederländische Löwe mit Stange und Freiheitshut zu sehen ist. Luck, Sylloge numismatum, S. 260, kommentiert eine Medaille ebenfalls auf den Frieden von Breda, auf deren Revers ein Freiheitshut mit breiter Krempe abgebildet ist. 60 Horst Lademacher, Geschichte der Niederlande, 1983, S. 68. 61 Gerard van Loon, Histoire Métallique des XVII Provinces des Pays-Bas, Bd. 1, 1732, S. 201. 62 Vgl. zum Folgenden Janson, Dutch Liberty, S. 113 ff. 63 Zum Pileus als »absolutae libertatis summaeque nobilitatis insigne« im Werk des Xantener Stephanus Pighius vgl. Metzler, Freiheitsmütze, S. 708 mit Fn. 12.

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2. Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

64 Später auch in Italien  ; vgl. Giovanni Ferro, Teatro d’Imprese. Parte Seconda, 1623, S. 174, mit dem Motto »e servitute libertas«. 65 Zu einer Pallas Athene mit einer Freiheitsmütze auf einer Stange auf einer Medaille des niederländischen Medailleurs van Swinderen aus dem Jahr 1742 vgl. Sammlung Julius, Nr. 2143. 66 Nachweise zu Titelkupfern bei Marion Kintzinger, Chronos und Historia. Studien zur Titelblattikonographie historiographischer Werke vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, 1995, S. 186, Fn. 116 (mit Abb. S. 333 ff.)  ; siehe zum Folgenden ausführlich Martina Dlugaiczyk, Der Waffenstillstand (1609–1621) als Medienereignis. Politische Bildpropaganda in den Niederlanden, 2005, S. 90 ff. 67 Vgl. die Kupferstiche des 17. Jahrhunderts, in denen die Hollandia den oranischen Prinzen und Statthaltern den Freiheitshut überreicht oder mit diesem Symbol über die Freiheit Hollands wacht, in  : Gamboni/Germann (Hg.), Zeichen der Freiheit, S. 81. – Um nur einige wenige Graphiken auf unterschiedliche Anlässe zu nennen  : Auf einer Graphik mit dem Titel »Das Testament des Friedens oder Anstands« aus dem Jahr 1615 hält der niederländische Löwe eine Stange mit einem Freiheitshut, um die Hollandia vor spanischen Bedrohungen zu schützen (Abb. in  : W. A. Coupe, German Political Satires from the Reformation to the Second World War, Bd. 2, 1993, Nr. 99 mit Kommentar ebd., Bd. 1, S. 115 f.). Auf einer Landkarte von 1673, die die niederländischen Schlachten der Jahre 1672/73 feiert, hält eine Putte den Freiheitshut auf einer Stange (British Museum, RNr. 1885,1114.168). Auf einer Radierung von 1674 auf die Auseinandersetzungen der Niederlande mit dem Bischof von Münster und dem Kurfürst von Köln sieht man Wilhelm III. von Oranien mit Lorbeerkranz zwischen Pax und Li­ bertas mit Freiheitshut stehend (Abb. in  : Siegfried Kessemeier [Hg.], Ereigniskarikaturen. Geschichte in Spottbildern, 1983, S. 108). 68 Um nur einige Beispiele zu nennen  : Die Zerstörung der spanischen Zitadelle im Jahr 1577 wurde mit einer Medaille gefeiert, auf deren Vorderseite die Libertas mit Freiheitshut sowie mit Kriegs- und Friedenssymbolen dargestellt ist (vgl. Gamboni/Germann [Hg.], Zeichen der Freiheit, S. 80, Abb. 47). Dishoecke entwarf 1704 eine Medaille auf die Unterdrückung der Unruhen in Middelburg mit einer Libertas mit Stab und Freiheitshut vor einem Rathaus und neben dem Aufmarsch von Truppen stehend (Sammlung Julius, Nr. 682). Auf einem Medaillon von 1714 auf die Ratifizierung des Friedens von Utrecht, herausgegeben von der Stadt Amsterdam und entworfen von de Wijs, hält der niederländische Löwe auf einem Stab den Freiheitshut (Schulman, Pax in nummis. Médailles, jetons et monnaies ayant rapport aux divers traités de paix conclus depuis le XVIe siècle jusqu’à nos jours, 1912/1913, Nr. 445). Auf die Salzburger Emigration in die Niederlande entwarf Werner eine Medaille, auf deren Revers die Hollandia mit Schild und Freiheitshut am Meer sitzt (privates Bildarchiv des Verfassers). Van Swinderen schuf 1738 eine Medaille auf das 25-jährige Jubiläum des Friedens von Utrecht. Auf deren Revers sitzt die »holländische Magd«, die, umgeben von anderen Attributen, in der rechten Hand einen Stab mit Freiheitshut hält (Schulman, Pax in nummis, Nr. 514). 69 Chapman, Hollandse Pictura, S. 240 und 241. 70 Den Münsteraner Frieden von 1648 feiert eine Graphik von Salomon Savery und David Vinckboons, die zeigt, wie ein Siegeszug, in dessen Mitte sich ein Geusenhut auf einer Stange befindet, an der Triumphpforte des Friedens ankommt (Rijksmuseum Amsterdam, Objektnummer RP-P-OB-68.263). 71 Rijksmuseum Amsterdam, Objektnummer RP-P-OB-76.980. 72 Erschienen in  : Adriaen Valerius, Nederlandtsche gedenck-clanck, 1626, S.  294  ; hierzu ausführlich Dlugaiczyk, Waffenstillstand, S. 21 ff., 90 ff. 73 Vgl. die gegen England gerichteten niederländischen Graphiken mit Freiheitssymbolen in  : British Museum, RNr. 1868,0808.3266  ; RNr. 1848,0911.403  ; RNr. 1871,1209.4839. 74 Kintzinger, Chronos, S. 186 f. 75 Bisweilen sah man sogar einen Transfer der Freiheitsidee von der niederländischen zu der neu entstehenden nordamerikanischen politischen Ordnung. Eine Medaille des Amsterdamer Medailleurs Johann Georg Holtzhey auf die Anerkennung der Unabhängigkeit Nordamerikas durch die Nieder-

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Anmerkungen

lande (privates Bildarchiv des Verfassers) symbolisiert die Übertragung der niederländischen Freiheit auf die sich konstituierenden Vereinigten Staaten  : Eine Hollandia in einem Waffenrock hält über die Amerika, eine Indianerin, die auf den bezwungenen englischen Löwen tritt, eine Freiheitsmütze. Dass die niederländische Freiheit in den Vereinigten Staaten ein politisches Ziel sein könnte, ist eine doch sehr fragwürdige Vorstellung des Amsterdamer Medailleurs. Ähnliches assoziiert eine Graphik von P. Wagenaar auf das gleiche Ereignis mit einer Indian Princess mit dem Geusenhut in der Hand (Abb. in  : Jean Fagan Yellin, Caps and Chains. Hiram Powers’ Statue of »Liberty«, in  : American Quarterly, Bd. 38 [1986], S. 798 [808]). 76 Hierzu Lademacher, Geschichte der Niederlande, S. 187 ff.; I. Leonard Leeb, The Ideological Origins of the Batavian Revolution, 1973, S. 98 ff.; Simon Schama, Patriots and Liberators, 1977, S. 84 ff.; Frans Grijzenhout, Feesten voor het Vaderland. Patriotse en Bataafse feesten 1780–1806, 1989. 77 Zu den Differenzierungen in der Patriotenbewegung  : Nicolaa C. F. van Sas, The Patriot Revolution  : New Perspectives, in  : Margaret C. Jacob/Wijnand W. Mijnhardt (Hg.), The Dutch Republic in the Eighteenth Century, 1992, S. 91 ff.; zu den Differenzen zwischen der auf demokratische Mitbestimmung drängenden und der die ständischen Rechte gegenüber dem Statthalter verteidigenden Patriotenbewegung  : Schama, Patriots, S. 112 ff. 78 So etwa in dem einflussreichen Werk »Grundwettige herstelling van Nederlands staatswezen«, 2 Bde., 2. Aufl. 1785/1786. 79 Lademacher, Geschichte der Niederlande, S. 167 ff. 80 Zu dem in allen Medien verehrten Freiheitskämpfer Joan Derk van der Capellen vgl. Grijzenhout, Feesten, S. 95 mit Abb. einer Wanddekoration, auf der van der Capellen u. a. mit einer Freiheitsmütze für seine Bekämpfung der Frondienste gewürdigt wird  ; auf ihn geprägte Gedenkmedaillen und Graphiken auf seinen Tod, allesamt mit der Freiheitssymbolik, sind abgebildet in  : E. A. van Dijk u. a. (Hg.), De wekker van de Nederlandse Natie. Joan Derk van der Capellen, 1984, S. 50, 51, 69, 84, 157 sowie in  : Rijksmuseum Amsterdam, Objektnummern RP-P-OB-85.317  ; RP-P-OB-85.316  ; RP-P-19112883  ; RP-T-1911-95. 81 Van Sas, Patriot Revolution, S. 100 f. 82 Willem Frijhoff/Joost Rosendaal, La Révolution régénérée  : nouvelles approches et nouvelles images de la Révolution néerlandaise, in  : Michel Vovelle (Hg.), L’image de la Révolution française, Bd. 1, 1990, S. 543 (548 ff.). 83 Abbildungen weiterer Titelvignetten  : Vignette zu Teil  I von 1781 in  : F.  Grijzenhout/W.  W. Mijn­ hardt/N. C. F. van Sas (Hg.), Voor vaterland en vryheid, 1987, S. 98, und zu Teil VI von 1786 in  : Frans Grijzenhout, De Utrechtse patriottenbeweging en de kunst, in  : Jaarboek Oud-Utrecht 1987, S. 78 (86). 84 Abb. in  : Grijzenhout/Mijnhardt/van Sas, Vaterland, S. 99. 85 Zu diesem Titelblatt Grijzenhout, Feesten, S. 52. 86 Van Sas, Patriot Revolution, S. 104 f. 87 Wörtlich übersetzt  : die Freiheit der Druckpresse. 88 Abb. in  : Grijzenhout/Mijnhardt/van Sas, Vaterland, S. 96. 89 Abb. ebd., S. 110. 90 Abb. ebd., S. 111. 91 Vgl. die Abb. in  : Grijzenhout/Mijnhardt/van Sas, Vaterland, S. 142, 143  ; Schama, Patriots, S. 112. 92 Schama, Patriots, S. 95 93 Abb. derartiger Medaillen in  : van Dijk u. a. (Hg.), De wekker, S. 86. 94 Eine sehr ähnliche Graphik des Frans Joseph Pfeiffer wurde 1784 unter dem Titel »De Werking Der Vryheids Zoonen« publiziert (British Museum, RNr. 1871,1209.4940). 95 Zu diesen Tendenzen in der Patriotenbewegung Schama, Patriots, S. 93. 96 Ausführliche Schilderung bei Schama, Patriots, S. 88 ff.; N. C. F. van Sas, Politiek als leerproces  : het patriottisme in Utrecht, 1783–1787, in  : ders., De metamorfose van Nederland, 2004, S. 223 ff.

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2. Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

  97 Zu diesem politischen Programm vgl. Lademacher, Geschichte der Niederlande, S. 194.   98 Abb. von Graphiken, die die Wiedereinsetzung von Wilhelm V., auch unter Verwendung der Freiheitssymbolik, feiern, in  : Rijksmuseum Amsterdam, abrufbar unter  : https  ://www.rijksmuseum.nl/ en/rijksstudio/119668-prins-en-patriot/collections/pro-stadhouder-willem-v [abgerufen am   : 11.01. 2017].   99 Soweit ersichtlich ist die Symbolik eines »Tempels des Gemeinwohls« sonst nicht gebräuchlich. 100 Vgl. zu dieser Freiheitstempelgraphik Grijzenhout, Feesten, S. 93 ff. mit Abb. 101 In anderen Schöpfungen der nun wieder oranientreuen Bildpublizistik aus der Zeit der Niederschlagung der Patriotenbewegung dienten Freiheitssymbole mitunter der Verspottung des besiegten Gegners, etwa wenn ein preußischer Husar in der Graphik »Woud gy in Hollands tuin uw helsche klaauwen zetten« die Patrioten mit ihrem Freiheitshut verjagt (Abb. in  : Prometheus Bildarchiv). Diese Darstellung bezieht sich auf die Vertreibung von Patrioten durch die Sieger (wohl fast 2 % der niederländischen Bevölkerung musste ins Exil nach Frankreich oder in die Vereinigten Staaten von Amerika gehen  ; sie kehrten allerdings großteils nach der Batavischen Revolution von 1795 wieder zurück, um die batavische Schwesterrepublik mit zu gestalten [Frijhoff/Rosendaal, Révolution régénérée, S. 584]). 102 Vgl. zur Entstehung der Personifikation der niederländischen Freiheit aus einer Verbindung von klassischen und einheimischen Traditionen Janson, Dutch Liberty, S. 98 ff. 103 Van Sas, Patriot Revolution, S. 118  ; Lademacher, Geschichte der Niederlande, S. 190. 104 Abb. in  : van Dijk u. a. (Hg.), De wekker, S. 89, 90. 105 Nach Janson, Dutch Liberty, S. 252, wurde in England wohl erstmals im Jahr 1604 eine personifizierte Freiheit mit einem Hut in der Hand geschaffen  ; sie zierte einen Triumphbogen, der anlässlich des Einzugs des neuen Königs Jakob I. in London temporär aufgestellt worden war. 106 Einige Zeit später, im Jahr 1654, wurde von dem in Hamburg tätigen Barockmedailleur Sebastian Dadler eine Medaille auf den Frieden von Westminster ediert, der den ersten englisch-niederländischen Seekrieg beendete und in dem die Niederländer zugestehen mussten, dass nach der englischen Navigation Ordinance von 1651 nur auf englischen Schiffen Waren nach England importiert werden durften. Hier halten auf der Vorderseite die Britannia und die Hollandia gemeinsam einen Geusenbzw. Freiheitshut in die Höhe (Adam Wiecek, Sebastian Dadler, 1962, Nr. 149). Hierbei dürfte es sich, abgesehen von der lediglich vorübergehend bestehenden Freiheitsdarstellung auf dem Triumphbogen aus dem Jahr 1604, um die erstmalige Übertragung der niederländischen Freiheitssymbolik auf die englische Politik handeln – und dies durch einen deutschen Medailleur. 107 Abb. bei Iohannis D. Evrigenis, Images of Anarchy, 2014, S. 84. – In der Pariser Ausgabe des »De Cive« von 1642 erscheint die Libertas als bewaffneter Indianer vor einer Szene gewalttätiger Auseinandersetzungen und auch von Kannibalismus im Naturzustand  ; dem gegenüber steht als Kontrapunkt das personifizierte Imperium als gekrönte und vornehm gewandete Frauengestalt mit Schwert und Waage für eine gerechte Herrschaft. Unter dem Hinweis auf »Religio« wird oberhalb der Darstellungen von Libertas und Imperium das Jüngste Gericht gezeigt (Abb. bei Evrigenis, S. 80). Nach Evrigenis (S. 83) soll Hobbes an der Gestaltung des Frontispiz zur Ausgabe von 1642 mit der Assoziation von Libertas und gewalttätigem Naturzustand beteiligt gewesen sein, nicht aber am Frontispiz der späteren Ausgaben. 108 Reinhold Zippelius, Geschichte der Staatsideen, 10. Aufl. 2003, S. 94 f. 109 Zu diesem Frontispiz  : Horst Bredekamp, Thomas Hobbes. Der Leviathan. Das Urbild des modernen Staates und seine Gegenbilder 1651–2001, 2003, S. 11 ff. 110 Die erste 1688 auf die Einladung von Wilhelm und Mary nach England geprägte Medaille zeigt auf ihrem Revers eine Religio mit einer Hand auf einem Liberty Cap, mit der anderen auf einer Bibel (hierzu Edward Hawkins/Augustus W. Franks/Herbert A. Grueber, Medallic Illustrations of the History of Great Britain and Ireland, Bd. 1, 1885, Reprint 1978, S. 635 f.). Zu den Silbermedaillen niederländischen Ursprungs aus den Jahren 1688 und 1689 vgl. British Museum, RNr. M.7718  ; RNr. G3,EM.77  ;

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Anmerkungen

RNr. 1837,1030.39  ; RNr. M.7819  ; M.7819 sowie die Beschreibungen von Medaillen mit Freiheitssymbolen in Hawkins u. a., Medallic Illustrations, S. 644 f., 671 (mit Hinweis auf den niederländischen Medailleur Jan Smeltzing), S. 672 f., 682 f. (auf den Toleration Act von 1689 mit einer Religio, die eine geöffnete Bibel und den Liberty Cap hält), S. 701 f., 703 f. (auch diese mit Hinweis auf Jan Smeltzing). 111 Zu ihm  : Gerlind Werner, Philipp Heinrich Müller, in  : Neue Deutsche Biographie, Bd.  18 (1997), S. 468 f.; zu dessen Medaillen auf die Glorreiche Revolution vgl. Hawkins u. a., Medallic Illustrations, S. 676. 112 Privates Bildarchiv des Verfassers. 113 Zum Folgenden Lois G. Schwoerer, The Glorious Revolution as Spectacle. A new Perspective, in  : Stephen B. Baxter (Hg.), England’s Rise to Greatness 1660–1763, 1983, S. 109 (136 f.) 114 Dies gilt auch für die politische Graphik  ; die die politische Umwälzung in England begleitenden Druckgraphiken stammen in aller Regel aus den Niederlanden (vgl. etwa British Museum, RNr. 1868,0808.3308). 115 Hierzu James Epstein, Understanding the Cap of Liberty. Symbolic Practice and Social Conflict in Early Nineteenth-Century England, in  : Past and Present, Bd. 122 (1989), S. 75 (87). 116 Dass der Religionsfriede noch nicht gesichert war, ist Thema einiger Flugblätter (siehe z. B. British Museum, RNr. 1868,0808.340  ; RNr. 1868,0808.3431). 117 Vgl. etwa die Graphiken auf den Jakobitenaufstand von 1745 mit Bezugnahmen auf die ­Freiheitsund Verfassungssymbolik im Britischen Museum, RNr.  198,0520.168   ; RNr.  1868,0808.3783   ; RNr. 1868,0808.3801. 118 Diana Donald, The Age of Caricature. Satirical Prints in the Reign of George III, 1996, S. 1 ff.; Jürgen Döring, Eine Kunstgeschichte der frühen englischen Karikatur, 1991  ; ein Überblick über die englische politische Graphik bei H. T. Dickinson, Caricatures and the Constitution 1760–1832, 1986, sowie bei Dorothy George, English Political Caricature, Bd. 1, 1959. 119 Pascal Dupuy, Face à la Révolution et à l’Empire. Caricatures Anglaises (1789–1815), 2008, S.  15 (m. Nw.). 120 Zu dieser Graphik George, Political Caricature, Bd. 1, S. 82 f. 121 Vgl. hierzu Ronald Hutton, The Stations of the Sun. History of the Ritual Year in Britain, 1996, S. 233 ff. 122 Vgl. John Higham, Indian Princess and Roman Goddess. The First Female Symbols of America, in  : Proceedings of the American Antiquarian Society, Bd.  100 (1991), S.  45 (59 ff.)  ; Frank  H. Sommer, The Metamorphoses of Britannia, in  : Charles F. Montgomery/Patricia E. Kane (Hg.), American Art 1750–1800. Towards Independence, 1976, S. 40 (43). 123 British Museum, RNr. 1868,0808.3983  ; RNr. 1868,0808.3788  ; RNr. 1868,0808.5244. Daneben findet bisweilen eine ähnliche, allerdings nur implizite Identifikation Großbritanniens mit der Freiheit dadurch statt, dass die Liberty unmittelbar neben der Britannia dargestellt wird (vgl. etwa British Museum, RNr. 1873,0809.338  ; RNr. 1872,0113.1133). 124 Zum Folgenden vgl. Hans-Christof Kraus, Englische Verfassung und politisches Denken im Ancien Régime 1689–1789, 2006, S. 55 ff. 125 Vgl. die Schilderung der gegen Bute gerichteten Graphiken bei George, Political Caricature, Bd.1, S. 119 ff. 126 Zu den Gründen von Butes Unpopularität auch noch nach seinem Ausscheiden aus Regierungsämtern vgl. zusammenfassend Peter Shawn, American Patriots and the Rituals of Revolution, 1981, S. 52 f. 127 So etwa William Pitt d. Ä. (British Museum, RNr. 1868,0808.4069  ; Frederic G. Stephens, Catalogue of Prints and Drawings in the British Museum, Bd. 3/2, 1877, Nr. 3599), Charles James Fox (British Museum, RNr. 1868,0808.5242), der in einer skandalträchtigen Wahl unterlegene George Vandeput (British Museum, RNr.  1868,0808.3901) oder Lord Camden, der sich für Wilkes eingesetzt hatte (British Museum, RNr. M.9242).

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2. Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

128 Marcus Wood, Radical Satire and Print Culture 1790–1822, 1994, S. 41 ff.; George, Political Caricature, Bd. 1, S. 111 ff.; Döring, Kunstgeschichte, S. 77 ff. 129 Diese Wilkes-Karikatur war Hogarths Antwort auf einen Angriff auf ihn in der Nr. 17 von Wilkes Zeitschrift The North Britain. Auf diese Ausgabe wird in der Karikatur ausdrücklich verwiesen (Wood, Radical Satire, S. 50  ; George, Political Caricature, Bd. 1, S. 128 ff.). Zu Paraphrasierungen von Hogarths Wilkes-Karikatur durch George Bickham und Paul Sandby vgl. Döring, Kunstgeschichte, S. 154, 214, 348 f. mit Abb. Nr. 169 und 171. 130 Zu Wilkes »als Inbegriff der Freiheit« und zu weiteren Wilkes-Graphiken mit der Symbolik der Li­ berty vgl. Britta Mischek, Die Konstruktion nationaler Identitäten in der englischen politisch-satirischen Druckgraphik zur amerikanischen Revolution 1763–1783, 2008, S. 165 ff. 131 Zur Vielzahl von Graphiken, die von Wilkes veranlasst den Earl of Bute und die ihm nahestehenden Personen verächtlich machen sollten, vgl. Donald, The Age of Caricature, S. 50 ff. 132 British Museum, RNr.1868,0808.4320  ; eine ähnliche Graphik unter dem gleichen Titel bei Dickinson, Caricatures and the Constitution, S.  53  ; zu Wilkes als Personifikation der Freiheitspropaganda vgl. Donald, The Age of Caricature, S. 56 ff. (mit Abb. auf S. 58 f.) und als Meister der Selbstinszenierung Wood, Radical Satire, S. 53 f. 133 Dickinson, Caricatures and the Constitution, S. 65  ; bei Dickinson ist zudem eine Vielzahl von gegen den Earl of Bute gerichteten Bildsatiren abgebildet. 134 Zu den Personen vgl. die Hinweise in  : Stephens, Catalogue of Prints, Bd. IV, 1883, Nr. 4231. 135 Aus der großen Zahl von Graphiken auf politische Auseinandersetzungen seien nur genannt  : »The R-Y-L Hunt or the Petitioners Answered« (British Museum RNr. 1865,0610.1131) von 1780 mit einer wie üblich eine Stange mit Liberty Cap haltenden Liberty, die sich mit einem »O Save me Save me« an Petenten aus englischen Wahlbezirken wendet, die vor dem »Temple of Patriotism« stehen und äußern  : »The Constitution will aid us in our Protection«  ; die Liberty wird auf der linken Bildseite von einer Gruppe von Hunden mit Köpfen, die die Minister portraitieren und dem englischen König, der auf der Britannia reitet, angegriffen, sie kommen aus dem »Temple of Venality«, der u. a. mit »Cruelty, Ignorance, Oppression« bezeichnet ist. »A Sacrifice to Slavery, dedicated without permission to the Puppet Player at Downing Street« (British Museum, RNr. 1861,0808.5601) aus dem Jahr 1787  ; hier sieht man, wie William Pitt d. J. an einem Altar Bücher und Papiere verbrennt, dahinter steht Chronos, der den »Curtain of Futurity« beiseite zieht, um zu enthüllen, dass das britische Parlament nur noch eine Ruine ist und die Liberty erdolcht am Boden liegt. Pitt verbrennt auf einem von ihm errichteten »Altar of Slavery« u. a. die Magna Charta und ein Schriftstück mit der Aufschrift »Liberty of the Press«  ; zu seinem erbitterten politischen Gegner Charles James Fox, der neben ihm steht, sagt er  : »The day is mine in spite of your Petitions«. 136 Dickinson, Caricatures and the Constitution, S. 23 ff. 137 Das zusammenbrechende Verfassungssystem steht ebenfalls im Mittelpunkt einer 1784 erschienenen Graphik eines anonymen Künstlers. Unter dem Titel »The State of the Nation« sieht man die Bri­ tannia, die in einem Thronsessel auf schwankender Plattform sitzt. Sie hält drei Dokumente mit den Aufschriften »Magna (Ch)arta«, »Bill of Rights« und »Habea(s) Corpus«, die durch diese Gesetze verbürgte Freiheit kommt allerdings abhanden, wie eine Freiheitsmütze, die von ihrer Stange herabfällt, symbolisiert. Die mit »Constitution« und »Commons of England« beschrifteten Pfeiler sind bereits zerbrochen, links versucht Fox den Fall der Britannia aufzuhalten, rechts ermuntert Pitt d. J. den König zu einem Staatsstreich nach schwedischem Vorbild (British Museum, RNr. 1868,0808.5212). 138 Vgl. Heinz Monhaupt/Dieter Grimm, Verfassung. Zur Geschichte des Begriffs von der Antike bis zur Gegenwart, 2. Aufl., 2002, S. 103, mit Nw. zur Entwicklung des Begriffs »constitution« in England. 139 British Museum, RNr.  1867,1012.90  ; die Graphik diente als Frontispiz eines Pamphlets des ButeUnterstützers John Shebbeare zur Verteidigung der königlichen Prärogative. 140 British Museum, RNr.  1868,0808.13318  ; hierzu Amelia Rauser, Death or Liberty  : British Political

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Anmerkungen

Prints and the Struggle for Symbols in the American Revolution, in  : Oxford Art Journal, Bd. 21 (1998), S. 153 (161). 141 Karl Janke, Counter-Image, Anathema, Vision of Terror  : Republic and Popular Rule in English Caricature of the Eighteenth Century, in  : Anorthe Kremers/Elisabeth Reich (Hrsg.), Loyal Subversion  ? Caricatures from the Personal Union between England and Hanover (1714–1737), 2015, S. 96. 142 British Museum, RNr. 1870,0625.1128. 143 Donald, The Age of Caricature, S. 118 ff. (mit zahlreichen Abb.). 144 Vgl. zum »Mythos von Butes geheimem Einfluss« Frank O’Gorman, The Myth of Lord Bute’s secret influence, in  : Karl W. Schweizer (Hrsg.), Lord Bute. Essays in Re-interpretation, 1988, S. 57 ff. 145 Hierzu Kraus, Englische Verfassung, S. 61 ff. 146 Zur rasanten Entwicklung des englischen Graphikmarktes im Verlauf des 18.  Jahrhunderts  : Wood, Radical Satire, S. 40 f. 147 Dickinson, Caricatures and the Constitution, S. 12 ff.; zu den zeitgenössischen Berichten von Ausländern über die weite Verbreitung politischer Karikaturen vgl. Dupuy, Face à la Révolution, S. 24 ff. 148 Dickinson, Caricatures and the Constitution, S. 15 ff. 149 Vgl. etwa die Sammlung einschlägiger Graphiken in  : Peter D. G. Thomas, The American Revolution (= The English Satirical Print, Bd. 6), 1986. 150 Eric Nellis, The long road to change  : Americas Revolution 1750–1820, 2007, S. 50 f. 151 Wood, Radical Satire, S. 59. 152 Joshua C. Taylor, The Fine Arts in America, 1979, S. 30. 153 Frank Zeiler, Visuelle Rechtsverteidigung im Nordamerikakonflikt. Ein Beitrag zur Rezeption der englischen Freiheits- und Verfassungssymbolik in nordamerikanischen Druckgraphiken der Jahre 1765 bis 1783, in  : Signa Ivris, Bd.  13 (2014), S.  317 f. mit Abb.  1, 2 (zu »The Deplorable State of Amerika« von John Singleton Copley, der einen englischen Druck zum Stamp Act [British Museum, RNr. 1868,0808.4362] weitgehend übernahm, und »A View of the Year 1765« von Paul Revere, der eine Graphik gegen den Earl of Bute und die von ihm eingeführte Cider Excise variierte). 154 Carence S. Brigham, Paul Revere’s Engravings, 1969, S. 106 f. 155 Zum Stamp Act in der politischen Graphik ausführlich Mischek, Die Konstruktion nationaler Identitäten, S. 46 ff. 156 Zu frühen Versuchen Benjamin Franklins, mit Hilfe der Emblematawerke (hierzu oben 2.2.2) eine Symbolik zu entwickeln, die der politischen Situation in den Kolonien entsprach  : J. A. Leo Lemay, The American Aesthetic of Franklins Visual Creations, in  : The Pennsylvania Magazine of History and Biographie, Bd. 111 (1987), S. 465 (481, 496 zu Franklins in der Pennsylvania Gazette vom Januar 1747 publizierten Beschreibung einer Liberty mit dem Liberty Cap). 157 Zeiler, Rechtsverteidigung, S. 318 m. Abb. 3 und 4. 158 Abb. bei Brigham, Revere’s Engravings, S. 111, 114, 115 f. 159 Nellis, The long road, S. 55. 160 Nw. bei Zeiler, Rechtsverteidigung, S. 319 f. 161 Zu dessen Portraits mit Bezugnahmen auf die Symbolik der Liberty  : Sidney Hart, A Graphic Case of Transatlantic Republicanism, in  : Pennsylvania Magazine of History and Biography, Bd. 80 (1985), S. 203 ff. 162 Hierzu Zeiler, Rechtsverteidigung, S. 320 f., 326 f. 163 Charles Willson Peale, A Description of the Picture and Mezzotinto of Mr. Pitt, Done by Charles Willson Peale, of Maryland (Library of Congress). 164 Hierzu Zeiler, Rechtsverteidigung, S. 321 f. Das Motiv der auf einem Buch (hier die Bibel) stehenden, von Händen umfassten Säule findet sich einschließlich der Umschrift bereits auf einem niederländischen Rekenpenning aus dem Jahr 1590 (ebd., Online-Ausgabe, https  ://www.freidok.uni-freiburg. de/data/11157 [abgerufen am  : 11.01.2017]). Auf holländischen Gulden begleitet die Umschrift die

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2. Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

niederländische Magd mit dem Freiheitshut auf einer Lanze und betont den Schutz niederländischer Freiheit. 165 Zu diesen beiden Titelblättern  : Zeiler, Rechtsverteidigung, S. 321 f. 166 Einzelheiten bei Zeiler, Rechtsverteidigung, S. 323. 167 Hierzu Zeiler, Rechtsverteidigung, S. 323 (m. Nw.). 168 Vgl. zur Liberty Bowl David Hackett Fischer, Liberty and Freedom. A Visual History of America’s Founding Ideas, 2005, S. 101 ff. (mit Abb.). 169 Hierzu oben vor Hogarths Wilkes-Graphik. 170 Zeiler, Rechtsverteidigung, S. 325 f. (m. Nw.). 171 Richard B. Sheridan, Art. Beckford, William (bap. 1709, d. 1770), in  : Oxford Dictionary of National Biography, Online-Ausgabe Januar 2008, http://www.oxforddnb.com/view/article/1903 [abgerufen am  : 11.01.2017]. 172 British Museum, RNr. 1902,1011.731. 173 Auf der von dem Londoner Stempelscheider John Kirk entworfenen Medaille wird Beckford als »invariable protector of the rights, privileges & liberties of the people« bezeichnet (privates Bildarchiv des Verfassers). 174 Zum Folgenden ausführlich Zeiler, Rechtsverteidigung, S. 327 f. 175 Obwohl Liberty Trees und Liberty Poles in vielen nordamerikanischen Städten und Gemeinden als Zeichen des Widerstands gegen für ungerecht gehaltene britische Maßnahmen errichtet und auch gegen eine Zerstörung durch britische Soldaten zu schützen versucht wurden, sind sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in der amerikanischen Bildpublizistik nicht präsent  ; zur hier nicht weiter zu verfolgenden Geschichte dieses Realsymbols vgl. Arthur M. Schlesinger, Liberty Tree  : A Genealogy, in  : The New England Quarterly, Bd.  25 (1952), S.  435 (440 ff., 449 ff.,454 ff.)  ; Suzanne Anderegg, Freiheitsbaum, 1970, S. 80 ff.; J. David Harden, Liberty Caps and Liberty Trees, in  : Past and Present 146 (1995), S. 66 (75)  ; Alfred Fabian Young, Liberty Tree. Ordinary People and the American Revolution, 2006, S. 321 ff., 366 ff. (zur Distanzierung von diesem Symbol radikaler politischer Forderungen nach der Konstituierung der Vereinigten Staaten). In der englischen Bildpublizistik nahmen nur einige wenige Graphiken unter Verwendung des Freiheitsbaumes zu den Auseinandersetzungen mit den nordamerikanischen Kolonien Stellung. Erwähnenswert sind  : die gegen den Stamp Act gerichtete Radierung »The Deplorable State of Amerika or Sc(otc)h Government (British Museum, RNr. RNr. 1868,0808.4362) von 1765 mit einem in starkem Wind gebeugten Freiheitsbaum und einer am Boden liegenden Liberty, die die Gefahren für die Freiheit der Kolonisten symbolisieren  ; die gegen die nordamerikanische Freiheitsbewegung gerichtete Radierung »The Yankee Doodles Intrenchments Near Boston 1776« (Abb. in  : Thomas, American Revolution, S. 129) mit einem Freiheitsbaum auf einer Flagge, die eine Gruppe inkompetenter amerikanische Soldaten mit sich führt, wobei zur Verhöhnung der Freiheitsbewegung dem Baum eine Narrenkappe aufgesetzt ist und neben ihm zwei Galgen abgebildet sind. Die amerikanische Freiheitsbewegung wird ebenso in der Radierung »The flight of the Congress« von 1777 (British Museum, RNr. 1868,0808.4556) diskreditiert, die die Einnahme Philadelphias durch den britischen General William Howe und die Jagd auf die Mitglieder des dort tagenden Kontinentalkongresses zeigt, wobei der im Hintergrund stehende und mit der Aufschrift »Liberty« versehene Baum im erklärenden Text als »Tree of Treason« bezeichnet ist. 176 Joan Coutu, Persuasion and Propaganda. Monuments and the Eighteenth-Century British Empire, 2006, S. 205 f.; William D. Liddle, »A Patriot King, or None«. Lord Bolingbroke and the American Revolution, in  : The Journal of American History, Bd. 65 (1979), S. 951 (958 ff.). 177 Library of Congress, RNr. LC-USZ62-45568. 178 Zeiler, Rechtsverteidigung, S. 327. 179 Zu der zweiten, recht derben Graphik vom März 1775 mit dem Titel »America in Distress« siehe unten Fn. 193.

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Anmerkungen

180 Im Titelkopf des Bostoner The Independent Advertiser seit Januar 1748 und sodann der The BostonGazette and Country Journal seit April war die sitzende Britannia abgebildet, die gerade die Leine durchtrennt, mit der der in die Freiheit entlassene Vogel an das Wappen Frankreichs festgebunden war  ; vgl. zu diesem Titelkopf ebenso wie allgemein zur Verwendung des Vogels als Freiheitssymbol Louise Conway Belden, Liberty and the American Eagle on Spoons by Jacob Kucher, in  : Winterthur Portfolio, Bd. 3 (1967), S. 110 f. 181 So in Jacobi Bornitii, Emblematum ethico-politicorum, Ausgabe Mainz 1669, Teil II, S. 80, wo das Emblem mit »Inaestimabilis Libertas« umschrieben und folgender Sinnspruch hinzugefügt ist  : »De Freyhit beter iß/dann Gold/Seg Vogliken/endfloch indhold«. 182 Zu den Graphiken zur Tea Party vgl. Mischek, Die Konstruktion nationaler Identitäten, S. 85 ff. 183 Zum Folgenden Rauser, Death or Liberty, S. 153 ff. 184 Hierzu E. McClung Fleming, From Indian Princess to Greek Goddess. The American Image, in  : Winterthur Portfolio, Bd. 3 (1967), S. 37 (66 und passim)  ; Higham, Indian Princess, S. 50 ff., zur »indian princess« in englischen Karikaturen des 18. Jahrhunderts. 185 Versöhnung und Eintracht ist ebenfalls das Thema der Graphik von Thomas Colley mit dem Titel »The Reconciliation between Britannia and her daughter America« von 1782 (Library of Congress, RNr.  LC-DIG-ppmsca-37325). Im Zentrum steht eine leicht geschürzte Indianerin, im Arm eine Stange mit dem Liberty Cap, die die Britannia mit einem Wappenschild mit der Aufschrift »George for ever« umarmt. Während links ein Franzose und ein Spanier diese Umarmung zu verhindern versuchen, erklärt Charles James Fox rechts dem Chef der Admiralität Keppel die politische Lage. 186 Erstmals wurde die Auffassung, dass nicht mehr Großbritannien, sondern Amerika die Heimstatt der Freiheit sei, auf einem Flugblatt gegen den Stamp Act von 1766 mit dem Titel »Goody Bull or the Second Part of the Repeal« (British Museum, RNr.  1868,0808.4379) angedeutet. Gezeigt wird u. a. die ferne Küste der Kolonien, wo die Britannia mit Freiheitsmütze neben einer zu Ehren Pitts d. Ä. in Amerika errichteten Statue sitzt. 187 Zum Folgenden Zeiler, Rechtsverteidigung, S. 330. 188 The Tea Tax Tempest, or the Anglo-American Revolution (British Museum, RNr. 1868,0808.4944). Die Graphik weist neben dem englischen auch einen deutschen und französischen Titel auf (»Ungewitter entstanden durch die Auflage auf den Thee in Amerika« bzw. »Orage causé par l’impôt sur le Thé en Amerique«). 189 The Tea-Tax-Tempest or Old Time with his Magick-Lantern (British Museum, RNr. 1868,0808.4945). Die englische, französische und deutsche bildpublizistische Verarbeitung der Tea Party und ihrer Folgen ist eines der vielen Beispiele für die internationale Vernetzung der Künstler und über diese auch des an derartigen Graphiken interessierten durchaus zahlreichen Publikums. Die Künstler begleiteten und kommentierten die politischen Ereignisse aus jeweils unterschiedlicher Sicht. Ihr Ziel war immer, das zu veranschaulichen, was im nationalen und internationalen Publikum auf ein breites politisches Interesse stieß. Bei den zahlungsbereiten Käufern, deren Geschmack und deren politische Vorstellungswelt sie treffen konnten, fanden sie Anerkennung für ihr Werk. Durch die internationale Verbreitung wurde die Freiheitssymbolik in ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung auch in jenen Ländern bekannt, in denen es keinen Kampf um die Freiheit gab, der durch diese Symbolik hätte repräsentiert werden können, wie etwa in Frankreich im vorrevolutionären Jahrzehnt (hierzu im folgenden Abschnitt). 190 Zu dieser Graphik vgl. William L. Pressly, The Life and Art of James Barry, 1981, S. 77 f. 191 Vgl. zur Interpretation die Ausführungen zu British Museum, RNr. 1848,1221.109 bzw. RNr. 1848, 1125.563. 192 Weitere Beispiele  : Garnett Terrys Radierung »The court cotillon, or the Premiers new Parl….t« von 1774 (British Museum, RNr.  1868,0808.10086) mit einer Britannia, die zusehen muss, wie Amerika, Schottland und England sich mit Peitschen bekämpfen und daher in Tränen aufgelöst sich am Wappenschild und an einer Stange mit dem Liberty Cap anlehnt  ; in der Graphik »By his Majesty’s

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2. Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

letters patent. The new invented method of punishing state criminals« von 1779 (British Museum, RNr. 1868,0808,4516) ist die Britannia zum Opfer freiheitsgefährdender Praktiken geworden, so dass eine geflügelte Liberty veranlasst wird, sich auf eine Straße mit der Aufschrift »to America« und damit auf die Reise in ihre neue Heimat zu begeben. 193 So der Titel einer Graphik von Paul Revere, die sich an einer gleichnamigen englischen Graphik (British Museum, RNr. 1868,0808.9870) orientiert und zeigt, wie eine Reihe von Personen die Amerika zu Tode kurieren wollen (hierzu Zeiler, Rechtsverteidigung, S. 329 m. Abb. 13). 194 Zeiler, Rechtsverteidigung, Fn. 77. 195 So Fleming, Indian Princess, S. 44 f. 196 Vgl. zu dieser Symbolform Lester C. Olson, Emblems of American Community in the Revolutionary Era, 1991, S. 79 ff. 197 Ausführliche Beschreibung dieser Graphik in den Erläuterungen zu British Museum, RNr.  1868, 0808,4547 sowie bei Rauser, Death or Liberty, S. 153 (167 f.). 198 Diesen Gegensatz betonen u. a. Rauser, Death or Liberty, S. 153 (160 ff.)  ; Lester C. Olson, Emblems of American Community in the Revolutionary Era, 1991, S. 119 ff. 199 Dies etwa in einer satirischen Radierung auf den Friedensvertrag von 1783 (British Museum, RNr. 1868,0612.5046), in der Amerika als fast nackter Indianer mit Tomahawk und dem Liberty Cap auf einer Stange darstellt wird, der äußert  : »I have got my Liberty and the Devil Scalp you all«  ; vgl. weiter die Graphik mit dem Titel »The Commissioners« (British Museum, RNr. J,4.2) auf Friedensverhandlungen mit den Kolonien im Jahr 1778, die die englischen Unterhändler in einer unterwürfigen Haltung vor einer nur halb bekleideten indianischen Liberty mit ihrem Liberty Cap zeigt. 200 So Rauser, Death or Liberty, S. 165. 201 Rauser, Death or Liberty, S. 165. 202 Vgl. zur Entwicklung der Freiheit in den Kolonien von einem gegen Eingriffe der britischen Regierung zu schützenden Recht zum »Eckpfeiler« der neuen Staatswesen Elise Marienstras, Liberty, in  : Jack P. Greene/J. R. Pole (Hg.), A Companion to the American Revolution, 2000, S. 628 f. 203 Auch andere in den Niederlanden verlegte »Klassiker« des Staatsdenkens erhielten als Frontispiz eine Libertas, so etwa die 1773 erschienene Ausgabe von Hugo Grotius, De jure belli ac pacis (Wikimedia Commons)  ; in diesem Fall ist die Stange allerdings von einer Freiheitsmütze gekrönt. 204 L’Amérique indépendante (Gallica). 205 Véronique Wiesinger (Red.), Les Américains et la Révolution Française, 1989, S. 49, Abb. 13  ; dies wird in einem Stich von Jean-Henri Lips auf den Tod Franklins aufgegriffen  : Die Büste von Franklin wird von der Libertas bekränzt (ebd., S. 78 mit Abb. 94). 206 Wiesinger, Les Américains, S. 49, Abb. 15. 207 Klaus Herding, Im Zeichen der Aufklärung, 1989, S. 164 ff., mit zahlreichen Verweisen auf die Diogenes-Symbolik. 208 Zu Duprés Medaillen mit Amerikabezug siehe Rosine Trogan/Philippe Sorel, Augstin Dupré (1748– 1833). Graveur général des Monnaies de France, 2000, S. 17 ff.; Carl Zigrosser, The Medallic Sketches of Augustin Dupré in American Collections, in  : Proceedings of the American Philosophical Society, Bd. 101, Nr. 6 (1957), S. 535 ff. 209 Brief Benjamin Franklins an Robert R. Livingston vom 15.04.1783, in  : Jared Sparks (Hg.), The Works of Benjamin Franklin, 1840, S. 173. 210 Trogan/Sorel, Augustin Dupré, S. 21. Auch im Deutschen Reich erinnerte man auf Medaillen unter Verwendung der Freiheitssymbolik an die neu errungene »Libertas Americana«. 1783 wurde von dem Nürnberger Medailleur Johann Leonhard Oexlein eine Medaille ebenfalls unter das Motto »Libertas Americana« gestellt (privates Bildarchiv des Verfassers)  : Der auf einem Thronsessel sitzende französische König verweist auf eine Säule mit einem Freiheitshut auf der Spitze  ; eine allegorische Figur in wallendem Gewand hängt an diese Säule ein Wappenschild. Auf dieser und Duprés Medaille wird

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Anmerkungen

der Beitrag Frankreichs zur Unabhängigkeit und damit zur »Libertas« Nordamerikas gewürdigt. Die Idee, diese nach antikem Vorbild durch einen Pileus zu symbolisieren, dürften beide Künstler unabhängig voneinander entwickelt haben. Ebenfalls 1783 entwarf der in Fürth ansässige Medailleur Johann Christian Reich eine Medaille auf den oben genannten Friedens- und Handelsvertrag, auf deren Avers England als Personifikation des Friedens und Amerika als Personifikation der Freiheit mit einem Freiheitshut auf einer Stange sich die Hände reichen (C. W. Betts, American Colonial History ill. by contemporary medals, 1894, Reprint 1964, Nr. 610). 211 Vgl. hierzu Lester C. Olsen, Benjamin Franklin’s Commemorative Medal »Libertas Americana«. A Study in Rhetorical Iconology, in  : The Quarterly Journal of Speech, Bd. 76 (1990), Heft 1, S. 23 ff. 212 Lemay, Aesthetic of Franklin’s Visual Creations, S. 473 f. 213 So für den Revers dieser Medaille Winfried Schleiner, The Infant Hercules. Franklin’s Design for a Medal Commemorating American Liberty, in  : Eighteenth-Century Studies, Bd. 10 (1976/77), S. 235 ff. 214 Vgl. z. B. den Denar von 75 v. Chr. mit einer Libertas-Büste und links hinter ihr einem kleinen Pileus, in  : E. A. Sydenham, The coinage of the Roman Republic, 1952, Nr. 789. 215 Vgl. Yvonne Korshak, The Liberty Cap as a Revolutionary Symbol in America and France, in  : Smithonian Studies in American Art, Bd. 1 (1987), S. 53 (62 mit Abb. 19). – Fischer, Liberty and Freedom, S. 137, verkennt die antiken Vorlagen, wenn er phantasiert  : »Her appearance called to mind the ladies of France who pleased Doctor Franklin by receiving him in their boudoirs while they abed in elegant disarray.« 216 Vgl. bei Abb. 241, 251. 217 Dies gilt nicht nur allgemein, sondern auch für Duprés hier abgebildete Medaille. 1792 bemühten sich Künstler aus Lyon bei der Nationalversammlung darum, durch Dekret mit der Gestaltung eines neuen Münzgeldes beauftragt zu werden (vgl. Hennin, Histoire Numismatique, S. 251 f.). Einer der von André Galle gestalteten Entwürfe ist identisch mit der hier abgebildeten Medaille Duprés (Abb. ebd., Nr. 387 mit Kommentierung S. 268), nur ist nun an die Stelle der »Libertas Americana« die »Liberté Française« getreten. Nicht nur nach heutigem, sondern auch nach damaligem Verständnis handelt es sich hier um ein Plagiat. 218 So etwa in einer Illustration auf der in Paris veröffentlichten Landkarte »Carte du théâtre de la guerre présente en Amérique« (Library of Congress, RNr.  LC-USZ62-46080) von 1779 mit einer voluminösen Indianerin, die eine Stange mit einer Freiheitsmütze hält, oder in einer Illustration auf der Landkarte »Carte du port et havre de Boston« von 1776, wo ein nach Unabhängigkeit strebender Kolonist ein von einer Mütze gekröntes Freiheitsbanner hochhält und dieses mit einem Dolch gegen einen dieses Symbol der Freiheit angreifenden Soldaten verteidigt (Library of Congress, RNr.  LCUSZ62-46076). 219 Abb. bei Fleming, Indian Princess, S. 45. 220 Le Destin molestant des Anglais (Library of Congress, RNr. LC-USZ62-34859). Zu weiteren Beispielen aus den 1780er Jahren siehe Fleming, Indian Princess, S. 45 (mit Abb.) und 46 (ohne Abb.). 221 Verwiesen sei etwa auf die bereits erwähnte Graphik Antoine Borels mit dem Titel »L’Amérique Indépendante« von 1778 (Fn. 204 )  ; vgl. weiter Korshak, Liberty Cap, S. 57 f. mit Abb. 222 Abb. in  : Gallica  ; vgl. zu dieser Graphik Fleming, Indian Princess, S. 46. 223 So Korshak, Liberty Cap, S. 53. 224 Brief von Franklin, in  : Sparks (Hg.), Works of Franklin S. 173. 225 Zum Folgenden Thomas Maissen, Die Geburt der Republic. Staatsverständnis und Repräsentation in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft, 2006, S. 277 ff.; ders., Der Freiheitshut. Ikonografische Annäherungen an das republikanische Freiheitsverständnis in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft, in  : Georg Schmidt/Martin van Gelderen/Christopher Snigula (Hg.), Kollektive Freiheitsvorstellungen im frühneuzeitlichen Europa (1400–1850), 2006, S. 133 ff. 226 Maissen, Freiheitshut, S. 134 ff. (mit Abb.).

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2. Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

227 Ähnlich das Neujahrsblatt der Züricher Feuerwerker von 1704 (Abb.  6 bei Maissen, Freiheitshut, S.  550), auf dem sich der Schweizer Freiheitshut in der Mitte von Wolken gegenüber den Kronen Frankreichs und Habsburgs behauptet. 228 Abb. bei Gamboni/Germann (Hg.), Zeichen der Freiheit, S. 336, Nr. 172. 229 Œuvre du Chevalier Hedlinger, 1776, Tafel 40. 230 Eine Libertas mit der Freiheitsmütze auf einer Stange steht im Zentrum des von dem Züricher Verleger und Illustrator David Herrliberger nach Vorlage des Amsterdamer Kupferstechers Bernard Picart gestochenen Frontispizes zu der Edition des fast 200 Jahre unediert gebliebenen Werkes von Aegidius Tschudi, Chronicon Helveticum, 1. Bd., 1734. Die Libertas steht in der Mitte einer barock überladenen Szene und reicht der Helvetia den Siegeskranz. 231 Maissen, Freiheitshut, S. 134. 232 Der Sechzehnerpfennig wurde an Mitglieder der Berner Wahlkollegien als Ehrensold für ihre Bemühungen ausgegeben (Alfons E. Roesle, Die Sechzehnerpfennige der Stadt und Republik Bern, in  : Schweizer numismatische Rundschau, Bd. 68 [1989], S. 97 [100 ff.]). 233 Vgl. Roesle, ebd., S. 112 ff. 234 Abb. bei Walburg, EID MAR, S. 123, mit Hinweis auf den Toggenburgerkrieg von 1712, in dem die reformierten Kantone Zürich und Bern gegen die katholischen Inneren Orte erfolgreich waren. 235 Holger Böning, Revolution in der Schweiz, 1985, S. 13 ff.; Maissen, Geburt der Republic, S. 482 ff. 236 Vgl. weiter die bei Maissen, Geburt der Republic, S. 486, abgebildete Medaille von 1691, auf der die Basilea die Freiheitsmütze wie auf römischen Münzen (Abb. 6) in der Hand hält. 237 So erinnerte etwa der Genfer Graphiker und Medailleur Jean Dassier auf dem Revers einer Medaille von 1738 (privates Bildarchiv des Verfassers), die der Beilegung des Streites zwischen der regierenden Stadtaristokratie und der auf Mitbestimmung drängenden Bürgerschaft gewidmet war, mit dem Motto »non aliter stabilis« oberhalb einer Libertas mit Freiheitsmütze und Justitia mit Waage daran, dass ohne Freiheit und Gerechtigkeit kein dauerhaftes Stadtregiment zu haben sei. 238 »Durch die Voraussicht des Rates«, nämlich der Stadt Basel. 239 Christian Winterstein, Die Basler Medaillen, 2012, S. 153 (Nr. 224). 240 Winterstein, Basler Medaillen, S. 169 (Nr. 252). 241 Winterstein, Basler Medaillen  ; auch auf Baseler Münzen verweist der Tellenhut auf die freiheitliche Stadtverfassung, so etwa die 2 Dukaten von 1790 (http://www.rhinocoins.com/swiss/sv1383.jpg [abgerufen am  : 11.01.2017]) oder die Duplone von 1795 (http://www.rhinocoins.com/swiss/sv1009.jpg [abgerufen am  : 11.01.2017]). 242 Zu Anton Meybusch vgl. Abb. 28  ; zu Johann Leonhard Oexlein und Christian Reich vgl. Fn. 210. 243 Vgl. den Einblattdruck »Triumph Gustav Adolphs« von 1632 (Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. HB 572), den Hamburger Bankportugaleser von 10 Dukaten von 1694, auf dessen Revers die Personifizierungen der Klugheit und des Überflusses an einem Altar stehend von einer aus einer Wolke gestreckten Hand den Freiheitshut empfangen (Abb. in  : Lutz Ruffert, Medaillen Hamburg, Katalog, 2009, Nr. 6941) oder Philipp Heinrich Müllers Nürnberger Rathaustaler von 1688, auf dessen Avers die Libertas mit Füllhorn und Freiheitshut auf einer Stange den Status der Freien Reichsstadt symbolisiert (John S.  Davenport, German Church and City Talers, 1600–1700, 2.  Aufl. 1975, Nr. 5663). Im gleichen Jahr hat dieser Medailleur auf einer Medaille aus Anlass der Glorreichen Revolution die Libertas verwendet, um die Garantie der Religionsfreiheit zu visualisieren (vgl. unten Fn. 112) ‒ ein immer wieder anzutreffendes Beispiel für die Rolle von Künstlern und Medailleuren bei der Verbreitung von Symbolen über die nationalen Grenzen hinaus. 244 Hierzu oben unter 2. 2 am Anfang. 245 Des berühmten italiänischen Ritters Caesaris Ripae, allerley Künsten und Wissenschafften, dienlicher Sinnbilder, und Gedancken, verlegt bei Georg Hertel, Augsburg, ca. 1760, Bl. 62. 246 In einem weiteren Beispiel, einer Bremer Medaille von 1763 zum 500-jährigen Bestehen der Sozietät

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Anmerkungen

der Tuchhändler, steht die Freiheit mit Pileus für die »libertas commerciorum« (privates Bildarchiv des Verfassers). 247 Art. Constitution, in  : Denis Diderot/Jean d’Alembert (Hg.), Encyclopédie, Bd. 4, 1754, S. 63 ff. 248 Abb. bei Gamboni/Germann (Hg.), Zeichen der Freiheit, S. 82. 249 Ernst Ferdinand Klein, Freiheit und Eigentum abgehandelt in acht Gesprächen über die Beschlüsse der Französischen Nationalversammlung, 1790, S. 164. 250 Hierzu Thomas Würtenberger, Von der Aufklärung zum Vormärz, in  : Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. I, 2004, § 2 Rn. 41. 251 Eine der nicht eben zahlreichen Bezugnahmen auf »das Gesetz« findet sich z. B. auf dem 1724 von Jean Le Blanc geschaffenen Revers einer Medaille aus dem Jahr 1774, die unter dem Motto »Hinc Suprema Lex« Religio und Justitia zeigt, wie sie einen Thron mit königlichen Insignien enthüllen (Leonard Forrer, Biographical Dictionary of Medallists, Bd. 1, 1904, S. 194 f.; Abb. unter  : http://gallica.bnf.fr/ ark  :/12148/btv1b77002735/f1. highres [abgerufen am  : 11.01.2017]). Eine andere, auf den Frieden von Nimwegen im Jahr 1678 geprägte Medaille spricht auf ihrem Revers von »Pace in leges suas confecta« (Abb. unter  : http://gallica.bnf.fr/ark  :/12148/btv1b7700294b/f1.highres [abgerufen am  : 11.01.2017]). In dieser und anderen französischen Medaillen wird mit »lex« weder die Bindung an das Gesetz noch die Rechtsreform thematisiert. 252 Bezugnahmen auf »das Gesetz« finden sich beispielsweise in der Sammlung des Britischen Museums wohl nur auf folgenden Medaillen  : britische Silbermedaille von 1643 auf König Karl I. mit dem Motto »pro religione, lege, rege et parliamento« (RNr. M. 7150), niederländische Medaille auf die Hinrichtung desselben im Jahr 1649 mit dem Kommentar »blasfemant deum necant regem spernunt legem« (RNr. G3, EM.107), britische Silbermedaille auf das neue Königspaar Wilhelm und Maria von 1689 mit der Kommentierung eines Freudenfeuers mit »nec lex est iustior ulla« (RNr. 1837,1030.72) und schwedische Silbermedaille auf Karl  IX. von Schweden aus dem 17.  Jahrhundert mit der Inschrift »leges defendere nostrum« (RNr. M.1924). – Auf die Rechtsreform in Schweden erinnert eine von Hedlinger 1734 entworfene Barockmedaille auf den schwedischen Reichsrat Graf Gustav Cronhielm, deren Revers das neue Gesetzbuch auf einem Steinquader liegend darstellt  ; die Umschrift verweist mit »ob curam emendationis legum« auf dessen Verdienste um diese Rechtsreform (privates Bildarchiv des Verfassers). 253 Siehe zu dieser Kontroverse Hermann Conrad, Das Allgemeine Landrecht von 1794 als Grundgesetz des friderizianischen Staates, 1965, S. 6 ff.; Günter Birtsch, Zum konstitutionellen Charakter des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, in  : Kurt Kluxen/Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Politische Ideologien und nationalstaatliche Ordnung, 1968, S. 97 ff.; Gerd Kleinheyer, Das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten vom 1. Juni 1794, 1995, S. 16 f. 254 Vgl. hierzu Thomas Würtenberger, Von der Aufklärung zum Vormärz, § 2 Rn. 11 f. 255 Vgl. Manfred Olding, Die Medaillen auf Friedrich den Großen von Preußen 1712–1786, 2003, S. 188 (Abb. 749)  ; Abb. der zweiten Preismedaille auf S. 188 f. (Abb. 750) sowie in Gerhard Bott (Hg.), Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit, 1989, S. 216 (Abb. 16). 256 Des Herrn Geheimen Legationsrath und Residenten, D. Oelrichs zu Berlin, ausführliche Beschreibung der zwey Preismedaillen für die besten Erinnerungen über den ersten Theil des Entwurfs eines allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten, in  : Historisches Portefeuille  : zur Kenntnis der vergangenen und gegenwärtigen Zeit, 4. Jg., 2. Bd. 1785, S. 374 (375). 257 Zitiert nach Henkel/Schöne, Emblemata, Sp. 1432. 258 Vorlage war wohl das Vorsatzblatt zu David Mevius, Nucleus juris naturalis et gentium (1686), abgebildet bei Lars Ostwaldt, Aequitas und Justitia. Ihre Ikonographie in Antike und früher Neuzeit, 2009, S. 105 m. Abb. 53  ; in dieser Darstellung wurde die Unbeachtlichkeit von Standesunterschieden, allerdings vor dem göttlichen und nicht vor dem weltlichen Richter wie bei Abramson, zum Ausdruck gebracht. – Weitere Beispiele zur Symbolik der gefüllten Waagschalen bei Ostwaldt, ebd., S. 104 ff.

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2. Die Freiheitssymbolik auf dem Weg zum Verfassungsstaat

259 Vgl. die Abb. in  : Jakob von Bruck-Angermundt, Emblemata politica, 1618, S. 89, mit einem Schwert in der einen und einem Gesetzbuch in der anderen Schale der sich im Gleichgewicht befindenden Waage der Gerechtigkeit. 260 Der Radierer dieses Titelkupfers, Christian Bernhard Rode (1725–1797), hat offenbar den Revers der Medaille von Abramson kopiert, was Ostwaldt, Aequitas, S. 106 f., entgangen ist. 261 Peter Paret, Kunst als Geschichte. Kultur und Politik von Menzel bis Fontane, 1990, S. 124 ff. 262 Siehe zu den Einzelheiten Horst Sendler, Friedrich der Große und der Müller Arnold, in  : Juristische Schulung 1986, S. 759 ff. 263 Vgl. unter 3., Fn. 65  ; zu Leben und Werk vgl. Clelia Alberici, Vincenzo Vangelisti, primo professore della Scuola d’Incisione dell’Accademia di Brera, in  : Rassegna di studi e di notizie, Bd.  19 (1995), S. 11 ff. 264 Donat de Chapeaurouge, Einführung in die Geschichte der christlichen Symbole, 2. Aufl., 1987, S. 123 f. 265 Michael Stolleis, Das Auge des Gesetzes. Geschichte einer Metapher, 2004, S. 51. 266 Stolleis, ebd., S. 51. 267 Abb. in  : Rainer Koch/Patricia Stahl (Hg.), Wahl und Krönung in Frankfurt am Main. Kaiser Karl VII. 1742–1745, 1986, S. 260 f. 268 Barbara Dölemeyer, Das Bild des Gesetzes in Allegorie und Karikatur, in  : Rechtsgeschichte, Bd.  18 (2011), S. 259 ff. 269 Vgl. Paul Joseph/Eduard Fellner, Die Münzen von Frankfurt am Main, 1896 ff., Nr.  1941  ; ca.  1760 wurde auf den jungen Erzherzog Ferdinand eine Medaille geprägt, die unter das Motto »pro fide et lege« gestellt war (Wurzbach, Katalog, Nr. 317). 270 Thomas Würtenberger/Dominique Jeannerod, Vertrauen in den Gesetzgeber in Frankreich und in Deutschland, in  : Thomas Würtenberger u. a. (Hg.), Wahrnehmungs- und Betätigungsformen des Vertrauens im deutsch-französischen Vergleich, 2002, S. 157  ; Jonathan P. Ribner, Broken Tablets. The Cult of the Law in French Art from David to Delacroix, 1993, S. 6 ff. 271 Vgl. die Abbildungen bei Stolleis, Auge des Gesetzes, S. 53  ; Hennin, Histoire numismatique, Planche 11, Nr. 86, Pl. 13, Nr. 110, Pl. 15, Nr. 125 ff., Pl. 20, Nr. 175, 183 und passim, sowie in diesem Band Nr. 91, 92, 94 und 122. 272 Auch zuvor war es bereits ein Gemeinplatz, dass das Reichsvikariat an die entsprechenden Gesetze des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gebunden war. So verweist die Umschrift einer Medaille auf das sächsische Reichsvikariat von 1619 auf den Spruch »pro lege et grege« (vgl. Sammlung Otto Merseburger umfassend Münzen und Medaillen von Sachsen, 1894, Reprint 2012, Nr. 902). Eine weitere Medaille auf das sächsische Reichsvikariat von 1741 zeigt auf ihrem Revers unter dem Motto »pro legis defensione« auf einem Tisch ein aufgeschlagenes Buch mit der Aufschrift »Aurea Bulla« als Hinweis auf die rechtlichen Grundlagen des Reichsvikariats (vgl. Erbstein, Verzeichniss der Hofrath Engelhardt’schen Sammlung sächsischer Münzen und Medaillen, 1888 ff., Nr. 1498). 273 Ulrich Klein/Albert Ruff, Die Württembergischen Medaillen 1496–1797, 1995, S. 348, Nr. 291  ; zu den Preismedaillen für die juristischen Fächer vgl. Robert Uhland, Geschichte der Hohen Karlsschule in Stuttgart, 1953, S. 144 f. 274 Vgl. zu der von Johann Georg Holtzhey geschaffenen Medaille Olding, Medaillen, S. 190, Nr. 753. 275 Klaus Sommer, Die Medaillen des königlich Preußischen Hof-Medailleurs Daniel Friedrich Loos, 1981, S. 38, Nr. A 12. 276 Vgl. auch die Medaille auf die Huldigung der Rheinprovinz in Aachen (1816) mit gleichem Revers (Sommer, ebd., S. 70, Nr. A 187). 277 Zur hier nicht zu erörternden Darstellung Napoleons als Schöpfer des code civil vgl. Barbara Dölemeyer, Der Code civil in der napoleonischen Ikonographie, in  : Festschrift für Elmar Wadle, 2008, S. 111 ff. (mit zahlreichen Abb.). 278 Privates Bildarchiv des Verfassers.

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Anmerkungen

279 Privates Bildarchiv des Verfassers. 280 Dieser für Medaillensammler geprägten Kunstmedaille auf die polnische Verfassung war, da von ihr nur wenige Exemplare bekannt sind, wohl kein Verkaufserfolg beschieden. 281 Abb. unter http://www.roth37.it/COINS/Zarina/Medal/11.jpg [abgerufen am  : 11.01.2017]. 3. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik im Brennpunkt der politischen Neuorientierungen in der Französischen Revolution  1 Nach Lynn Hunt, Symbole der Macht, Macht der Symbole. Die Französische Revolution und der Entwurf einer politischen Kultur, 1989, S. 185 ff., bestand ein Bruch, aber auch eine bemerkenswerte Kontinuität zwischen den lokalen und regionalen politischen Eliten des Ancien Régime und in der Französischen Revolution.  2 Reinhart Koselleck/Rolf Reichardt (Hg.), Die Französische Revolution als Bruch des gesellschaftlichen Bewußtseins, 1988  ; Michel Vovelle, Die Französische Revolution – soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitäten, 1982  ; ders., Französische Revolution und Wandel der Mentalitäten, in  : Helmut Berding u. a. (Hg.), Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, 1989, S. 452 ff.  3 Serge Bianchi, La révolution culturelle de l’an II. Elites et peuple (1789–1799), 1982, S. 5 ff., 28 ff.   4 An einer umfassenden Aufarbeitung der politisch-rechtlichen Symbolik der Französischen Revolution fehlt es noch. Ein Überblick über die Verfassungssymbolik findet sich in dem Ausstellungskatalog »Les constitutions de la France 1791–1992«.  5 Rolf E. Reichhardt, Das Blut der Freiheit. Französische Revolution und demokratische Kultur, 2002, S. 194 ff. (198 ff. zur Bildpublizistik).  6 So Bianchi, La révolution culturelle, S. 65 ff.   7 In diesem Kapitel geht es um das Verhältnis von öffentlicher Meinung, kollektivem politisch-rechtlichem Bewusstsein und allgemeiner Folgebereitschaft gegenüber einer sich rasch wandelnden revolutionären Neuordnung. Ein Psychogramm der revolutionären Elite oder gar der revolutionären Massen kann und soll nicht gezeichnet werden. Thema ist lediglich, wie die Freiheits- und Verfassungssymbolik zur öffentlichen Meinungsbildung beigetragen hat, wie ihre Entwicklung von den revolutionären Kräften gesteuert wurde und wie sie im gesellschaftlichen Bereich handlungsleitend wurde.   8 Zur Einheit stiftenden Föderationsbewegung vgl. Vovelle, Französische Revolution und Wandel der Mentalitäten, S. 462 f.   9 Zitate in der Übersetzung von Hunt, Symbole der Macht, S. 115 f. 10 Hierzu James Leith, Ephemera  : Civic Education through Images, in  : Robert Darnton/Daniel Roche (Hg.), Revolution in Print  : The Press in France 1775–1800, 1989, S. 270 ff. 11 Zur revolutionären Neugestaltung von Denkmälern, die im Folgenden weitgehend ausgeblendet bleibt, ausführlich Annie Jourdan, Les Monuments de la Révolution 1770–1804. Une histoire de représentation, 1997. 12 Wayne Hanley, The Transmission of Revolutionary Ideals through the Art of the Medal, in  : Imaging the French Revolution  : Depictions of the French Revolutionary Crowd. An On-Line Collaboration Organized By Jack Censer and Lynn Hunt, abrufbar unter  : http://chnm.gmu.edu/revolution/imaging/ essays/hanley.pdf [abgerufen am  : 11.01.2017]. 13 Günter Lottes, Damnatio historiae. Über den Versuch einer Befreiung von der Geschichte in der Französischen Revolution, in  : Winfried Speitkamp (Hg.), Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik, 1997, S. 22 ff.; Jourdan, Les Monuments de la Révolution, S. 305 ff.; Bernard Richard, Les Emblèmes de la République, 2012, S. 21 f. 14 Edouard Pommier, Idéologie et musée à l’époque révolutionnaire, in  : Michel Vovelle (Hg.), Les images de la Révolution Française, 1988, S. 57 ff.

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3. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik

15 Zum Beispiel wurde auf dem heutigen Place de la Concorde am 11.8.1792 die Statue Ludwigs XV. niedergerissen und im Oktober 1792 durch ein Liberté-Denkmal ersetzt (vgl. Gerd van den Heuvel, Der Freiheitsbegriff der Französischen Revolution. Studien zur Revolutionsideologie, 1988, S. 182 mit Abb. S. 183). 16 Klaus Herding/Rolf Reichardt, Die Bildpublizistik der Französischen Revolution, 1989, S. 25 ff.; HansUlrich Thamer, Die Aneignung der Tradition. Destruktion und Konstruktion im Umgang der Französischen Revolution mit Monumenten des Ancien Régime, in  : Rolf Reichardt u. a. (Hg.), Symbolische Politik und politische Zeichensysteme im Zeitalter der Französischen Revolutionen, 2005, S. 101 (105 ff., zu dem von J.-L. David inszenierten Einheits- und Verbrüderungsfest vom 10.8.1793 mit den Anleihen an sakrale Riten und mit der symbolischen Annahme der neuen Verfassung). 17 Zu dieser Sattelzeit-Hypothese vgl. im 1. Kap., Fn. 60. 18 Vgl. Jean Starobinsky, L’invention de la liberté 1700–1789, 2006, S. 95, zur durch die Antike geprägten Nostalgie der Intellektuellen unter dem Ancien Régime  ; Claude Mossé, L’Antiquité dans la Révolution française, 1989, S.  39 ff., zur Vermittlung des antiken Ideals von Freiheit und Gleichheit durch die politische Philosophie der Aufklärung  ; Harold Talbot Parker, The Cult of Antiquity and the French Revolutionaries, 1937, S.  139 ff., zum Rückgriff auf die Symbolik der Antike in der Französischen Revolution  ; Wolfgang Nippel, Die Verabschiedung der Antike durch die Französische Revolution, in  : Klaus Ridder/Steffen Patzold (Hg.), Aktualität der Vormoderne  : Epochenentwürfe zwischen Alterität und Kontinuität, 2013, S. 161 ff., zu der eher begrenzten Antikenrezeption in der Revolutionsphase. 19 Zum antihöfischen und antiabsolutistischen Rückgriff auf die Antike in Deutschland vgl. Hans-Wolf Jäger, Politische Metaphorik im Jakobinismus und im Vormärz, 1971, S. 52 ff. 20 Vgl. Thierry Sarmant, La République des médailles, 2003, S. 115, sowie S. 187 mit der Schilderung des Verfahrens, in dem die Darstellung von König und Staat durch die Künstler genehmigt wurde. 21 Zu dieser Frage Mona Ozouf, La Fête révolutionnaire 1789–1799, 1976, S. 456 ff. 22 Mossé, L’Antiquité, S. 68 ff. 23 Vom 28. Oktober 1792, S. 1276. 24 Antoine de Baecque, The Allegorical Image of France, 1750–1800, in  : Representations, Bd. 47 (1994), S. 111 (124 f.). 25 Ähnlich Ozouf, Fête révolutionnaire, S. 463 f. 26 Ähnliches gilt für die Festkultur. Auch hier verbanden sich die revolutionären Feste zunächst mit der Tradition der im Ablauf des Jahres herkömmlich gefeierten Feste, um im weiteren Verlauf der Französischen Revolution ein eigenes Gepräge zu erhalten (Michel Vovelle, Les Métamorphoses de la fête en Provence de 1750–1820, 1976). 27 Peter Sloterdijk, Sphären, Bd. III  : Schäume, 2004, S. 612. 28 Luc Brisson, Einführung in die Philosophie des Mythos, Bd. 1, 1996, S. 222 ff. 29 Zur im 18. Jahrhundert weitverbreiteten Anti-Bastille-Publizistik  : Rolf Reichardt, Politische Druckgraphik in der Französischen Revolution, in  : Institut für marxistische Studien und Forschungen (Hg.), Die Französische Revolution 1789–1989. Revolutionstheorie heute (= Jahrbuch des IMSF, Bd.  14), 1988, S. 243 (250 ff.)  ; Hans-Jürgen Lüsebrink/Rolf Reichardt, Die »Bastille«. Zur Symbolgeschichte von Herrschaft und Freiheit, 1990, S. 15 ff.; Rolf Reichardt, Zur visuellen Dimension geschichtlicher Symbole am Beispiel der »Bastille«, in  : Rudolf Schlögl u. a. (Hg.), Die Wirklichkeit der Symbole. Grundlagen der Kommunikation in historischen und gegenwärtigen Gesellschaften, 2004, S. 303 ff. 30 Zum Folgenden Rolf Reichardt, Bastille, in  : ders./Hans-Jürgen Lüsebrink (Hg.), Handbuch politischsozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680–1820, Bd. 9, 1988, S. 7 ff.; ders., Die »Bastille« – Schlüsselsymbol der revolutionären Bildpublizistik, in  : Andreas Anderhub/Berthold Roland (Hg.), Die Bastille – Symbolik und Mythos in der Revolutionsgraphik, 1989, S. 9 ff.; ders., Die Bildpublizistik zur »Bastille« 1715 bis 1880, ebd., S. 23 ff.; Hans-Jürgen Lüsebrink, Votivbilder der Freiheit – der »Patriote Palloy« und die populäre Bildmagie der Bastille, ebd., S. 71 ff.

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Anmerkungen

31 Frontispiz zu  : Evénement des plus rares, ou l’histoire du sieur abbé comte de Buquoy, singulièrement son évasion du Fort-l’Evêque et de la Bastille, 1719. Dieses Frontispiz wurde für die deutsche Übersetzung des Werkes mit dem Titel »Die so genannte Hölle der Lebendigen, das ist Die Welt-beruffene Bastille zu Paris, Woraus sich der bekannte Abt, Graf von Buquoy, durch seine klugen und hertzhafften Anschläge glücklich mit der Flucht befreyet und errettet …« (1719) übernommen (Abb. in  : Holger Böning [Hg.], Französische Revolution und deutsche Öffentlichkeit, 1992, S. 115). 32 Christian Amalvi, Le 14 Juillet, in  : Pierre Nora (Hg.), Les Lieux de Mémoire, Bd. I, 1984, S. 421 ff. 33 Reichardt, Politische Druckgraphik, S. 257 f. 34 Reichardt, Politische Druckgraphik, S. 246 f., spricht von »über 150 Bildblättern«. 35 Ein Überblick bei Rolf Reichardt, Prints. Images of the Bastille, in  : Robert Darnton/Daniel Roche (Hg.), Revolution in Print. The Press in France 1775–1800, 1989, S. 230 ff.; ders., Politische Druckgraphik, S. 248 ff.; zur Bastille-Schleifung in der deutschen Bildpublizistik vgl. Hans-Jürgen Lüsebrink/Rolf Reichardt, »Kauft schöne Bilder, Kupferstiche …«  : Illustrierte Flugblätter und französisch-deutscher Kulturtransfer 1600–1830, 1996, S. 88 ff. 36 Zum immer ambivalenten Verhältnis von politischem Mythos und historischer Wahrheit  : Frank Be­ cker, Begriff und Bedeutung des politischen Mythos, in  : Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.), Was heißt Kulturgeschichte des Symbolischen  ?, 2005, S. 129 ff. 37 Lüsebrink/Reichardt, Die »Bastille«, S. 49 ff. 38 Reichardt, Bastille, S. 9  ; ders., Bildpublizistik, S. 23 ff.; Winfried Schulze, Der 14. Juli 1789, in  : Anderhub/ Roland (Hg.), Die Bastille, S. 11 ff. 39 Zu seinem Leben und Werk vgl. Alain Weil, Histoire et numismatique du patriote Palloy, démolisseur de la Bastille, 1976, S. 4 ff.; Livre de raison du Patriote Palloy, présenté et commenté par Romi, 1956  ; Lüsebrink, Votivbilder der Freiheit, S.  71 ff.  – In der französischen Publizistik des 19.  Jahrhunderts wird Palloy allerdings zu Unrecht sehr negativ als Spekulant und Straftäter abqualifiziert (Jules Michelet, Histoire de la Révolution française, Bd. 1 [1847], 1952, S. 1232). 40 Jules Champfleury, Histoire de la caricature, 2001, S. 41 ff.; Reichardt, Zur visuellen Dimension, S. 310 ff.; ders., Prints, S. 245 ff. (zu Palloys Plänen der Neugestaltung des Platzes der Bastille)  ; Lüsebrink/Reich­ ardt, Die »Bastille«, S. 135 ff. 41 Zur Aufnahme dieser Vermarktungsstrategien im lokalen Bereich vgl. Maurice Dommanget, Le symbolisme et le prosélytisme révolutionnaires à Beauvais et dans l’Oise  : Le faisceau, le pain fraternel, le niveau, l’œil, la pigne, les pierres de la Bastille, in  : Annales historiques de la Révolution française, Bd. 4 (1927), S. 127 (130 ff.). 42 Archives Parlementaires, Bd. XLV, 16.6.1792, S. 279. 43 Maurice Agulhon, Les Métamorphoses de Marianne, 2001, S. 250, verkennt diese neue Formgebung, wenn er die phrygische Mütze zu Unrecht bereits mehrere Jahrhunderte vor der Französischen Revolution in Europa verbreitet sieht. 44 Vgl. zu diesem Mützentypus Gérard Seiterle, Die Urform der phrygischen Mütze, in  : Antike Welt, Bd. 16 (1985), Heft 3, S. 2 ff. 45 Alexandre-Esprit Gibelin, De l’origine et de la forme du bonnet de la liberté, an IV  ; hierzu Richard Wrigley, Transformations of a Revolutionary Emblem  : The Liberty Cap in the French Revolution, in  : French History, Bd. 11 (1997), S. 131 (133 f.). 46 Die Annahme von Richard, Emblèmes, S. 50 f., die phrygische Mütze sei, weil sie ästhetischer als der Pileus sei, aus älteren Vorlagen übernommen worden, erscheint wenig überzeugend. 47 Auf einer Medaille vom 15.7.1789 auf die Wahl von Silvain Bailly zum Bürgermeister von Paris (Hen­ nin, Histoire numismatique Nr.  39) findet sich auf dem von Dupré gestalteten Revers erstmals der bonnet de la liberté in phygischer Form. Auf einer kleinen Medaille zur Erinnerung an den 14.7.1789 (Hennin, Nr. 33) hat der bonnet de la liberté dagegen noch eine kleine Krempe  ; vgl. weiter van den Heu­ vel, Freiheitsbegriff, S. 192 ff., sowie ausführlich Wrigley, Transformations, 131 ff.

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3. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik

48 Siehe als Beispiel das Gemälde von Jeanne-Louise (Nanine) Vallain »La Liberté« von 1794 mit einer roten Freiheitsmütze auf einer Stange (Abb. in Wikimedia Commons). 49 Vgl. die anonyme farbige Graphik mit dem Titel »Trois Tetes sous l’meme bonnet« von 1789, auf der ein Bürger einen dreieckigen Bildausschnitt hält, auf dem drei Stände symbolisiert werden und auf dessen Spitze eine rote Freiheitsmütze die nun für alle verbindliche neue Ordnung repräsentiert (Abb. in  : Gallica). 50 Collection complète des tableaux historiques de la Révolution française, 3 Bde., 1798, Nr. 38, 39, 52, 57, 59, 61–63, 100, 108, 115, 126. 51 Hubert Gravelot/Charles Nicolas Cochin, Iconologie par figures ou Traité complet des allégories et emblèmes, Bd. III, 1791, S. 31. 52 Maurice Agulhon, Marianne au combat, 1979, S. 24. 53 Nw. bei Van den Heuvel, Freiheitsbegriff, S. 193. 54 Im Hintergrund sind die im Juli 1789 beginnenden, noch nicht besonders weit fortgeschrittenen Abrissarbeiten an der Bastille zu sehen. Ein weiteres frühes Bild mit einer Freiheitsmütze an der Spitze eines Liktorenbündels erschien im Oktober 1789 in der Zeitung »Révolution de Paris« (Ausgabe 25/1789, nach S. 56) unter dem Titel »Représentation de la cocarde nationale«. 55 Zu Leben und Werk dieses Künstlers, der zahlreiche Politiker der Revolutionszeit portraitierte  : Valérie Lavergne-Durey, Jean-Louis Laneuville (1756–1826). Portraitiste et marchant-expert, 2014. 56 Zu den Fahnen und Standarten der Pariser Distrikte  : Elisabeth Liris, De la liberté à l’union dans l’iconographie des drapeaux des districts parisiens, in  : Annales historiques de la Révolution française, Bd. 289 (1992), S. 341 ff. 57 Helmut Galsterer, SPQR, in  : Hubert Cancik/Helmuth Schneider (Hg.), Der Neue Pauly, Bd. 11, 2001, Sp. 857. 58 Vgl. die Abbildungen bei Jennifer Harris, The Red Cap of Liberty, in  : Eighteenth-Century Studies, Bd. 14 (1980/81), S. 283 (295 ff.). 59 Richard, Emblèmes, S.  41 ff.; zu den internen Auseinandersetzungen vgl. Wrigley, Transformations, S. 155 ff. 60 Zur Kritik am Symbol des bonnet rouge selbst in den Reihen der Jakobiner vgl. Ernst Gombrich, The Dream of Reason. Symbolism of the French Revolution, in  : British Journal for Eighteenth-Century Studies, Bd. 2 (1979), S. 187 (197 f.)  ; Christina Schröer, Republik im Experiment. Symbolische Politik im revolutionären Frankreich (1792–1799), 2014, S. 516 f. 61 Zu den unterschiedlichen Formen des bonnet de la liberté vgl. Wrigley, Transformations, S. 131 ff. 62 Van den Heuvel, Freiheitsbegriff, S. 197 f. 63 Ebd. (m. Nw.)  ; zur Verbannung der Jakobinermütze aus dem öffentlichen Raum im lokalen Bereich vgl. Maurice Dommanget, Le symbolisme et le prosélytisme révolutionnaires à Beauvais et dans l’Oise. Le bonnet rouge, le Livre de la Loi, l’Arche et la bannière constitutionnelles, in  : Annales historiques de la Révolution française, Bd. 3 (1926), S. 47 (57). 64 Nach de Baecque, Allegorical Image, S.  126, findet sich eine Liberté-Darstellung auf jeder zehnten politischen Graphik der Revolutionszeit. 65 Siehe hierzu die folgenden Abbildungen. Verwiesen sei zudem auf die von Nicolas-André Monsiau 1789 entworfene und von dem zeitweilig in Paris lebenden Italiener Vincenzo Vangelisti gestochene Graphik mit dem Titel »La liberté triomphante«, die im Begleittext auf die Ankunft der Liberté in Italien verweist und den Frankreich gebührenden Dank aller freien Völker schildert. Des Weiteren ist der »Triumph der Freiheit« Titel eines Bildes von Jacques Réattu (siehe hierzu Katrin Simons, Vom Triumph der Republik zur Apotheose Napoleons, in  : Wallraf-Richartz-Jahrbuch, Bd. 43 [1982], S. 207, 211 mit Abb.). 66 Agulhon, Marianne au combat, S. 34 ff. 67 Van den Heuvel, Freiheitsbegriff, S. 171.

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Anmerkungen

68 Vgl. zur Salonkritik von 1791, die Davids Werk eine poetische, aber keine wahrheitsgetreue Darstellung bescheinigte  : Simons, Triumph der Republik, S. 227 m. Fn. 10  ; Philippe Bordes, Die Darstellung des revolutionären Ereignisses oder die Herausforderung der Malerei durch die Graphik, in  : Christoph Danelzik-Brüggemann/Rolf Reichardt (Hg.), Bildgedächtnis eines welthistorischen Ereignisses, 2001, S. 17 (24)  ; zur medialen Vermittlung des Ballhausschwures ausführlich Vovelle, La Révolution française, Bd. 1, S. 88 ff. 69 Vgl. zur Interpretation dieser Karikatur ausführlich Antoine de Baecque, La Caricature Révolutionnaire, 1988, S. 221. In die gleiche Richtung weist der Stich »Congrès des Rois Coalisés, ou les Tyrans« (Abb. ebd., S. 16/17)  : Der bonnet de la liberté im Strahlenkranz auf einem Tisch versetzt den Kongress europäischer Monarchen und den Papst, den »tyran de la chrétienté«, in Schrecken. 70 Eher abwegig ist die These, die Liberté-Darstellungen seien eine »Fortsetzung des Marienkults« (van den Heuvel, Freiheitsbegriff, S. 206). Hier wird der in der Französischen Revolution geläufige transfert de sacralité überinterpretiert. Dies vor allem auch darum, weil die Symbolik der Libertas vorrevolutionäre Wurzeln hat. 71 De Baecque, Allegorical Image, S. 127. 72 Zur »déesse liberté« in einer revolutionären Festkultur vgl. Vovelle, Métamorphoses, S. 204 ff. 73 Ozouf, Fête révolutionnaire, S. 48 f. 74 Van den Heuvel, Freiheitsbegriff, S. 188 f.; Agulhon, Marianne au combat, S. 38 ff. 75 Henri Grégoire, Essai historique et patriotique sur les arbres de la liberté, 1793, S.  1 ff.; ähnlich wie später Esprit-Antoine Gibelin zur antiken Überlieferung der phrygischen Mütze bemühte Grégoire antike Vorbilder und Mythen, um über die politische Symbolik eine Brücke zum goldenen Zeitalter antiker Freiheit zu schlagen. – Vgl. zu antiken Vorbildern des Freiheitsbaumes die wenig überzeugenden Ausführungen von Dieter Metzler, Die Freiheitsmütze und ihre antike Vorgeschichte, in  : Paul Leidinger/Dieter Metzler (Hg.), Geschichte und Geschichtsbewußtsein, 1990, S. 714 f. 76 Grégoire, Essai, S. 21 f.; zum Maibaum als Symbol bäuerlichen Widerstandes vgl. Ozouf, Fête révolutionnaire, S. 66 ff., 389 ff. 77 Teils verweist man auf die volkstümlichen Traditionen des Maibaumes, teils auch auf Einflüsse des liberty tree in den USA  : Arthur Schlesinger, Liberty Tree, in  : The New England Quarterly, Bd. 25 (1952), S. 435 ff.; J. David Harden, Liberty Caps and Liberty Trees, in  : Past and Present, Bd. 146 (1995), S. 66 (80 ff.). 78 Dies auch darum, weil der amerikanische Freiheitsbaum in der dortigen Bildpublizistik praktisch nicht in Erscheinung trat, so dass es an dem erforderlichen Anschauungsmaterial fehlte. 79 Suzanne Anderegg, Der Freiheitsbaum. Ein Rechtssymbol im Zeitalter des Rationalismus, 1968, S. 86 ff. 80 Œuvre complètes de J. J. Rousseau, Bd. II, 1824, S. 176  ; zur Bezugnahme auf das Rousseau-Zitat des »pflanzt in der Mitte eines Platzes einen Pfahl von Blumen bekränzt, versammelt darum das Volk und ihr werdet ein Fest haben« in der Französischen Revolution vgl. David Lloyd Dowd, Pageant-Master of the Republic. Jacques-Louis David and the French Revolution, 1948, S. 82, Fn. 17. 81 Schilderung bei Ozouf, Fête révolutionnaire, S. 394 ff.; Erik Fechner, L’arbre de la liberté  : objet, symbole, signe linguistique, in  : Mots, Bd. 15 (1987), S. 23 ff. 82 Van den Heuvel, Freiheitsbegriff, S. 199 f.; Schröer, Republik, S. 72 ff.; Anderegg, Freiheitsbaum, S. 89  ; Maurice Dommanget, Le symbolisme et le prosélytisme révolutionnaires à Beauvais et dans l’Oise. Les arbres de la liberté, in  : Annales historiques de la Révolution française, Bd. 3 (1926), S. 345 ff. 83 Aus der Gesetzgebung vgl. Arrêté du directoire exécutif concernant la peine à infliger pour les délits commis sur les arbres de la liberté (11 avril 1796), in  : Collection des lois, Bd. 9, S. 78  ; van den Heuvel, Freiheitsbegriff, S. 203. 84 Abb. 100, in  : Albert Soboul, La Civilisation et la Révolution française, Bd. 2, 1982. 85 Vovelle, Métamorphoses, S. 139.

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3. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik

  86 Zur seit 1830 wieder auflebenden Tradition des Freiheitsbaumes mit nunmehr veränderter Symbolik siehe Wilfried Ebert, Der frohe Tanz der Gleichheit, 1996, S. 210 f.   87 So etwa auf einer 1794 erschienenen Graphik von Fragonard fils  ; unter dem Titel »Le génie français adopte la liberté et l’égalité« wird eine monumentale France gezeigt, die ihre Arme links über die Liberté und rechts über die Egalité ausstreckt (Abb. in  : Gallica). Weitere Beispiele  : British Museum, RNr. 1871,1209. 4955  ; RNr. 1898,0527.237.   88 Weiteres Beispiel  : British Museum, RNr. 1925,0615.203.   89 Die Setzwaage ist eines der zentralen Symbole der Freimaurer. Sie bezeichnet die Gleichheit der Stände (Anonym, Der entdeckte Maurer, oder das wahre Geheimniß der Frey-Maurer, 1786, S. 27, 81), die Gleichheit der Menschen und auch die soziale Gleichheit. Anders als die Freiheitsmütze hat die Setzwaage keine lange ikonographische Tradition. Vom Ende des 16. Jahrhunderts an ersetzte sie in Justitia-Darstellungen gelegentlich die »Waage der Gerechtigkeit«, konnte diese aber nicht verdrängen (Einzelheiten bei Lars Ostwaldt, Aequitas und Justitia. Ihre Ikonographie in Antike und früher Neuzeit, 2009, S.  232 ff.). – Zum Setzwaage- und Gleichheitssymbol in der Französischen Revolution siehe James  A. Leith, Les étranges métamorphoses du triangle pendant la Révolution française, in  : Michel Vovelle (Hg.), Les images de la Révolution Française, 1988, S. 251 (254 ff.)  ; Jules Renouvier/Anatole de Montaiglon, Histoire de l’art pendant la révolution  : considéré principalement dans les estampes, Bd. 1, 1863, S. 397.   90 Vgl. die Vignette »L’Egalité  : aux manes de Marat et Pelletier«  ; die Vignette »La Liberté couronnant l`Egalité«  ; den großformatigen, Marat und Pelletier gewidmeten farbigen Stich »Unité, Indivisibilité de la République, Liberté, Egalité, Fraternité ou la Mort«  ; die Graphik »L’invincible raison, la douce Egalité des peuples asservis vengeant le long outrage …« oder die Radierung »Martirs de la Liberté«, alle von 1793 (einsehbar in Gallica unter dem Suchbegriff »égalité 1793«).   91 Eine der wenigen Bezugnahmen auf die Gleichheitssymbolik findet sich in der Graphik »Droits de l’homme et du citoyen  : décret de l’Assemblée nationale du 3 septembre 1791« (Abb. in  : Gallica).   92 Zitat des Abgeordneten Thouret nach Schmale, Recht und Verfassung  : Von der alten Monarchie zur Republik, in  : Rolf Reichardt (Hg.), Die Französische Revolution, 1988, S. 134.   93 Zu dieser Darstellungsweise vgl. etwa die Medaille von G. Hantsch auf die Zehn Gebote (Sammlung Marie-Luise Goppel u. a., Joachimstaler Medaillen, Reformation, …. Versteigerungskatalog der Münzhandlung Karl Kreß, 1960, Nr. 2815)  ; vgl. weiter Rolf Reichardt, L’imaginaire de la Constitution 1789 à 1830, in  : Natalie Scholz/Christina Schröer (Hg.), Représentation et pouvoir. La politique symbolique en France (1789–1830), 2007, S. 101 f.; Renée Neher-Bernheim, Les tables de la loi dans l’iconographie de la Révolution, in  : Mireille Hadas-Lebel/Evelyne Oliel-Grausz (Hg.), Le juifs et la Révolution française  : Histoire et mentalités, 1992, S. 29 ff.  94 Johann  M. Dilherr, Heilig-Epistolischer Bericht, Licht, Geleit und Freud  : das ist  : emblematische Fürstellung der heiligen sonn- und festtäglichen Episteln und Evangelien, 1663, S. 30.   95 Vgl. zu Dilherr und seinen Emblematabüchern Willard James Wietfeldt, The Emblem Literature of Johann Michael Dilherr (1604–1669), 1975.   96 Hierzu unter Kap. 2.2.2.  97 Ozouf, Fête révolutionnaire, S. 317 ff.   98 Zitat des Abgeordneten Thouret nach Schmale, Recht und Verfassung, S. 134.   99 Diese Darstellung wurde oftmals variiert. Pierre Lélu stellte in seinem Stich »Droits de l’homme et du citoyen« von 1789 den Text in Form einer mosaischen Gesetzestafel, ebenfalls unterteilt durch ein Liktorenbündel mit Freiheitsmütze, dar. Links sieht man die Justitia mit Schwert, Waage und Fasces im Arm, rechts Herkules mit einer gewaltigen Keule, dem Symbol der allmächtigen Volkssouveränität. Unten verweist eine arkadische Landschaft unter einer aufgehenden Sonne auf eine kommende glückliche Zeit (Reichardt, L’imaginaire, Abb. 25). 100 Hierzu Reichardt, L’imaginaire, S. 102.

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Anmerkungen

101 Radierung mit dem Titel »Le roi expliquant à son fils les droits de l’homme«, 1790 (Gallica). 102 Vgl. zu dieser Symbolik auf Medaillen Hennin, Histoire numismatique, Nr. 187. 103 Jonathan P. Ribner, Broken Tablets. The Cult of the Law in French Art from David to Delacroix, 1993, S. 8 f. (Abb. nach S. 64). 104 Harvey Chisick, The Production, Distribution and Readership of a Conservative Journal of the Early French Revolution  : The Ami du Roi of the Abbe Royou, 1992, S. 106 ff. – Der in den wesentlichen Elementen identische Stich mit dem Titel »Bulles du 18e siècle« nimmt ausdrücklich auf diese Zeitschrift Bezug (Abb. in  : Gallica). 105 Siehe zu den Breven Tamara Block, Die Stellungnahmen der römisch-katholischen Amtskirche zur Frage der Menschenrechte seit 1215, 2008, S. 69 ff. 106 Tatsächlich handelte es sich bei den antirevolutionären päpstlichen Äußerungen des Frühjahres 1791 um Breven, jedoch werden die beiden Bezeichnungen in einem laxen Sprachgebrauch austauschbar verwendet (vgl. Chisick, Production, S. 107, Fn. 52). 107 Zum Beispiel spricht die Breve »Quod aliquantum« vom 10.3.1791 von der »absurden Freiheitslehre« und behauptet, dass man nichts Sinnwidrigeres ersinnen könne, als die Postulate der Gleichheit und Freiheit. Die aus diesen Postulaten abgeleitete Religionsfreiheit wird als eine »wahre Ungeheuerlichkeit« bezeichnet (zitiert nach der deutschen Übersetzung in  : Arthur Utz/Brigitta Gräfin von Galen [Hg.], Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, Bd. 3, 1976, S. 2663 f.). 108 Vgl. zum Altar und dem »Auge Gottes« in der christlichen Kunst Engelbert Kirschbaum (Hrsg.), Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 1, 1994, Sp. 105 ff., 222 ff. 109 Hierzu mit Abb. Michael Stolleis, Das Auge des Gesetzes. Geschichte einer Metapher, 2004, S. 16 ff. – Nach Donat de Chapeaurouge, Einführung in die Geschichte der christlichen Symbole, 2. Aufl. 1987, S. 145 f., lässt sich die christliche Augen-Symbolik auf das altägyptisches Symbol des Osiris mit einem Zepter, den ein Auge krönt, zurückführen. 110 Abb. bei Stolleis, Auge des Gesetzes, S. 55. 111 Abb. bei Stolleis, Auge des Gesetzes, S. 56. 112 Hierzu mit der Reproduktion zahlreicher Darstellungen Stolleis, Auge des Gesetzes, S. 51 ff. 113 Carl Schmitt, Politische Theologie, 1932, S. 49. 114 Zum Gesetz als neuem Regenten mit »allen Qualitäten, die ehemals Gott und dann dem Fürsten zugeschrieben wurden«  : Stolleis, Auge des Gesetzes, S. 60  ; in diese Richtung weist eine 1792 anonym erschienene Graphik mit den Worten »Dieu, Peuple, Loi« in einem Dreieck im Strahlenkranz, das darauf einstimmen sollte, für die Einheit und Unteilbarkeit der Republik bis zum Tod zu kämpfen (Abb. in  : Gallica). 115 Auf dieser Linie liegt die in Deutschland bisweilen anzutreffende Verbindung von religiöser Ausdrucksweise und verfassungspolitischen Forderungen. Hölderlin spricht 1794 von der »heiligen Bundeslade der Konstitution«, andere reden von der »heiligen Freiheit« oder von der französischen Nationalversammlung als »Hohepriester der Freiheit« (zitiert nach Jäger, Politische Metaphorik, S.  47, 109 f.). 116 Ozouf, Fête révolutionnaire, S. 41 ff.; Rüdiger Schmidt, Die Mobilisierung der Provinz, in  : Rolf Reichardt/Rüdiger Schmidt/Hans-Ulrich Thamer (Hg.), Symbolische Politik und politische Zeichensysteme im Zeitalter der Französischen Revolutionen (1789–1848), 2005, S. 113 (122 ff.). 117 Crane Brinton, Revolutionary Symbolism in the Jacobin Club, in  : The American Historical Review, Bd. 32 (1927), S. 737 ff. 118 Lynn Hunt, The sacred and the French Revolution, in  : Jeffrey C. Alexander (Hg.), Durkheimian Sociology. Cultural Studies, 1988, S. 25 ff.; Thamer, Aneignung der Tradition, S. 109 ff. 119 Vgl. z. B. Nanine Vallains von 1793 oder 1794 stammendes Gemälde »La Liberté« (Prometheus-Bildarchiv). 120 Besonders deutlich kommt dies in einer aus dem Jahr 1793 stammenden Graphik mit dem Titel »Li-

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3. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik

berté« zum Ausdruck, in der die mit einer Verfassungstafel versehene personifizierte Freiheit mit ihrer von einem bonnet rouge gekrönten Lanze eine Hydra als Sinnbild für das Ancien Régime erlegt hat (Abb. in  : Prometheus-Bildarchiv). 121 Titelbild zu  : Etrennes pour les citoyens-soldats et les soldats-citoyens pour l’An III. de la liberté, 1792. Vgl. hierzu  : Rolf Reichardt/Hubertus Kohle, Visualizing the Revolution, 2008, S. 50 f.; Reichardt, Kokarden, S. 119 f. 122 In diese Richtung weist auch Villeneuves Graphik »La Contre-révolution«, die im Frühjahr 1791 viele Käufer fand (Abb. in  : Gallica). Hier erhebt sich, wie die zeitgenössische Presse schrieb, auf der linken Rheinseite »un rocher d’une hardiesse imposante«, bei dem es sich um »le fort de la Constitution« handelt (zitiert nach  : Annie Duprat, Autour de Villeneuve, le mystérieux auteur de la gravure »La Contre-révolution«, in  : Ian Germani/Robin Swales [Hg.], Symbols, Myths and Images of the French Revolution, 1998, S.  91 [93]). Dem gegenüber steht auf der rechten Rheinseite die mit beißendem Spott der Lächerlichkeit preisgegebene »Armee der Konterrevolutionäre«. Mit dieser Bildkomposition wurde angesichts einer sich zuspitzenden außenpolitischen Lage die Botschaft verbreitet, dass der »Festung der Verfassung« von jenseits des Rheins keine Gefahr droht. 123 Zu derartigen in die Verfassunggebung gesetzten Hoffnungen  : Wolfgang Schmale, Recht und Verfassung  : Von der alten Monarchie zu Republik, in  : Rolf Reichardt (Hg.), Die Französische Revolution, 1988, S. 139 ff. 124 Bisweilen wurde auch Herkules selbst mit einer Freiheitsmütze dargestellt, um die Allmacht der Freiheitsidee zu dokumentieren, so auf einem Druck im Journal des Révolutions de Paris von 1793 mit dem Titel »Le Peuple mangeur de Rois«, auf dem Herkules einen König in den Flammen eines Altars verbrennen lässt (Abb. in  : Gallica). 125 Zur Datierung vgl. Elizabeth E. Guffey, Drawing an Elusive Line  : The Art of Pierre-Paul Prud’hon, 2001, S. 64, 66  ; nach Agulhon, Marianne au combat, S. 31 ist einer der Vorentwürfe mit »La République” betitelt, wobei die Minerva mit der Republik in eins gesetzt wird. 126 Beide Graphiken in Gallica. 127 Barbara Stollberg-Rilinger, Verfassung und Fest, in  : Hans-Jürgen Becker (Hg.), Interdependenzen zwischen Verfassung und Kultur, 2003, S. 32 ff. 128 Stollberg-Rilinger, Verfassung und Fest, S. 35. 129 Richard A. Etlin, L’architecture et la fête de la Fédération. Paris 1790, in  : Les fêtes de la Révolution, 1977, S. 131 (138). – Zum Verfassungsfest vom 10.8.1793, bei dem die durch Volksabstimmung angenommene Verfassung in einer »heiligen Lade« verwahrt wurde, vgl. Stollberg-Rilinger, Verfassung und Fest, S. 45. 130 Vgl. zu den Medaillen auf das Föderationsfest Jean-Charles Benzaken, Iconographie des monnaies et médailles des Fêtes de la fédération mai 1790–juillet 1791, in  : Michel Vovelle (Hg.), Les images de la Révolution Française, 1988, S. 277 ff. 131 Die Darstellung auf der Medaille hält Abstand zum realen Geschehen. Sie überspielt, dass Talleyrand im Zentrum dieser patriotischen Kultmesse stand und dass dieser ehemalige »Priester« sich zum »Zeremonienmeister des Massenzeitalters« und zum »Konsensusregisseur« (Sloterdijk, Sphären, Bd.  III, S. 616 ff.) wandelte. 132 Hierzu Thomas Würtenberger, Die Idee der paktierten Verfassung in der Neuzeit bis zum 19. Jahrhundert, in  : Okko Behrends/Christian Starck (Hg.), Gesetz und Vertrag I, 2004, S. 107 ff. 133 Zum Anknüpfen der revolutionären Feste an alteuropäische Traditionen, wie an Messen am Altar des Vaterlandes, an bürgerliche Glaubensbekenntnissen oder an Predigten  : Stollberg-Rilinger, Verfassung und Fest, S. 34. 134 Ozouf, Fête révolutionnaire, S. 470. 135 Vgl. zum Ballhausschwur Abb.  75  ; zur Verfassunggebung Abb.  111  ; zu den die Verfassunggebung begleitenden Grundsatzfragen und -diskussionen, die in ihrer Komplexität nicht durch die Bildpubli-

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Anmerkungen

zistik vermittelt wurden, vgl. Keith Michel Baker, Art. Verfassung, in  : François Furet/Mona Ozouf (Hg.), Kritisches Wörterbuch der Französischen Revolution, Bd. II, 1996, S. 896 ff. 136 Ernst Schulin, Die Französische Revolution, 4. Aufl., 2004, S. 78 ff.; Vovelle, Révolution française, Bd. 1, S. 190 ff. 137 Durch »Loi relative aux Médailles qui doivent etre frappées en mémoire de l’abandon de tous les Privilèges« vom 15.12.1790 wurde geregelt, dass 1200 Medaillen zu prägen seien. Zur Erinnerung an dieses denkwürdige Ereignis sollte jeder Abgeordnete eine Medaille erhalten. – Zur medialen Vermittlung der Aufhebung der Privilegien vgl. Vovelle, Révolution française, Bd. 1, S. 192 ff. 138 So Hennin, Histoire Numismatique, S.  44  ; vgl. weiter Edmont Launay, Costumes, Insignes, Cartes, Médailles des Députés 1789–1898, Neuauflage 1981, S. 17 f. 139 Dieses Amt verlor er 1791 an Dupré, der die Revolutionssymbolik offensichtlich besser zu vermitteln wusste und auch den revolutionären Meinungsführern näherstand. 140 Hennin, Histoire numismatique, S. 44. 141 Text der einzelnen Dekrete bei Hennin, Histoire numismatique, S. 206 ff. 142 Zu den einzelnen Entwürfen (mit Abb.) und zur Konkurrenz zwischen Dupré und Duvivier im Bewerbungsverfahren  : Philippe Bouchet, Les écus constitutionnels, 2014, S. 14 ff. – Zum Folgenden  : JeanCharles Benzaken, De l’effigie de Louis XVI à celle de la République  : Iconographie numismatique du passage de la monarchie constitutionnelle à la République (août 1792–avril 1793), in  : Ian Germani/ Robin Swales (Hg.), Symbols, Myths and Images of the French Revolution, 1998, S. 149 ff. 143 Oben Abb. 54  ; zu seinem Leben und Werk Rosine Trogan/Philippe Sorel, Augustin Dupré (1748–1833). Graveur général des Monnaies de France, 2000  ; zu seinem künstlerischem Umfeld Musée d’art et d’industrie Saint-Etienne, Graveurs stephanois sous la Révolution, 1989. 144 Anlass war, dass sich sein Entwurf für die Neugestaltung des französischen Münzgeldes durchgesetzt hatte. 145 Abgedruckt bei Hennin, Histoire numismatique, S. 207. 146 Thomas Würtenberger, Zeitgeist und Recht, 2. Aufl. 1991, S. 60. 147 Vom écu constitutionnel dürften knapp 10 Millionen Exemplare in Umlauf gesetzt worden seien (Bou­ chet, Les écus, S. 275 f.). 148 Abb. der Entwürfe bei Trogan/Sorel, Dupré, S. 193 ff. 149 Benzaken, De l’effigie, S. 158 ff., zu den Schwierigkeiten einer raschen Änderung der Gestaltung des Münzgeldes. 150 Hierzu James A. Leith, Le symbolism montagnard en l’an II, in  : Vovelle (Hg.), Image de la Révolution, Bd. I, S. 269 (272 ff.), zur symbolischen Verschwisterung von Freiheit und Gleichheit. 151 Abb. der Entwürfe bei Trogan/Sorel, Dupré, S. 206 f. 152 Benzaken, De l’effigie, S. 164. 153 Privates Bildarchiv des Verfassers. 154 Abb. in  : Leith, Ephemera  : Civic Education, S. 275. 155 Zum Folgenden Michael Reynaud, Monnaies de Confiance 1791–1792, 2. Aufl. 2016   ; Philippe Bouchet, Les Monnerons. Histoire d’un monnayage, 2010. 156 Abb. der zahlreichen Entwürfe bei Trogan/Sorel, Dupré, S.  166 ff.; Abb. der zahlreichen Varianten der für das große Fest auf dem Marsfeld am 14.7.1790 geschaffenen Medaillen bei Hennin, Histoire numismatique, Nr. 165 ff. 157 Der Entwurf zu der Darstellung auf dem Avers dieses Monneron datiert von 1790, auch wurden wohl bereits 1790 Medaillen von diesem Entwurf geprägt (Trogan/Sorel, Dupré, S. 168 ff.). 158 Abb. in Hennin, Histoire numismatique, Nr. 867 ff. 159 Hierzu Kap. 7.2.1. 160 Zum Identifikationsportrait vgl. Martin Warnke, Visualisierung der Macht im 16.  Jahrhundert, in  : Jörg-Dieter Gauger/Justin Stagl (Hg.), Staatsrepräsentation, 1992, S. 63 (64).

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3. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik

161 W. R. von Wurzbach-Tannenberg, Nr. 6384. 162 Thomas Würtenberger, Die Idee der Freiheit und ihre Sicherung bei Montesquieu, in  : Eckart Klein (Hg.), Gewaltenteilung und Menschenrechte, 2. Aufl. 2010, S. 17 (38 f.)  ; Marcel Dorigny, Montesquieu dans la Révolution française, 1990, S. 1 ff.; Roger Barny, Montesquieu dans la Révolution Française, in  : Annales historiques de la Révolution Française, Bd. 279 (1990), S. 49 ff. 163 Zum Rousseau-Kult vgl. Bruno Bernardi, Introduction, in  : Rousseau et la Révolution, 2012, S. 7 (16 f.)  ; Fernand de Girardin, Iconographie de Jean-Jacques Rousseau, 1908, S. 110 ff., verzeichnet eine Vielzahl von Graphiken mit Bezügen zu Rousseaus politischer Theorie 164 Rousseau monierte bei der Erstauflage bei seinem Verleger, die Komposition von Titelblatt und Titelvignette seien nicht gelungen (siehe hierzu den Ausstellungskatalog »Rousseau, passionnément  : ›mes passions m’ont fait vivre, et mes passions m’ont tué‹«, 2012, S. 87). Dieser reagierte rasch und ließ für den Rest der Originalauflage von dem Lausanner und damals in Den Haag tätigen Künstler Benjamin Bolomey eine neue Titelvignette entwerfen. Diese zeigte nun eine sitzende Liberté mit einer emporgestreckten Freiheitsmütze, in der die Form der Jakobinermütze fast schon vorweggenommen ist. Spätere Ausgaben verwendeten die ursprüngliche Titelvignette in modifizierter Form  ; vgl. die Ausgabe von J. B. Delamollière, Lyon 1790. 165 So etwa von Louis Sébastien Mercier, De Jean-Jacques Rousseau considéré comme l’un des premiers auteurs de la Révolution, 1791  ; hierzu James Swenson, On Jean-Jacques Rousseau  : Considered as One of the First Authors of the Revolution, 2000. 166 Dies war beispielsweise der Fall auf einer Graphik mit dem Titel »Assemblée nationale, éceuil des aristocrates  : le génie de Rousseau en éclaire l’entrée« (Gallica), auf einer Mitgliedskarte der zahlreichen Rousseau verehrenden politischen Gesellschaften (Abb. in  : Rousseau et la Révolution, 2012, S. 55) und auf Spielkarten, die Rousseau zeigen, wie er den »contrat social« in der Hand hält (Abb. ebd., S. 68). Auf einer Graphik mit dem Titel »La Philosophie découvrant la Vérité« steht der Schriftzug »contrat social« auf einer Tafel in der Hand der personifizierten Wahrheit, die von einer Personifikation der Philosophie der Aufklärung mit der Fackel des Lichts in der Hand enthüllt wird (Abb. ebd., S. 54). 167 Bronzemedaille des Medailleurs Dumarest aus dem Jahr 1791 (vgl. Hennin, Histoire numismatique, Nr. 306). 168 »Kraft, Wahrheit, Gerechtigkeit, Einheit« (Übersetzung des Verfassers). 169 »Der Mut schafft die Republiken, die Tugend bewahrt sie« (Übersetzung des Verfassers). 170 Zur Regeneration als Aufgabe der Neuordnung nach dem Bruch mit dem Ancien Régime vgl. Mona Ozouf, Regeneration, in  : François Furet/Mona Ozouf (Hg.), A Critical Dictionary of the French Revolution, 1989, S. 781 ff. 171 Ausführlich zum Schicksal dieses Bildes  : Philippe de Carbonnières, L’icône de la République, in  : Rousseau et la Révolution, 2012, S. 70 (92 ff.). 172 Diese Graphik wurde wohl aus Anlass des von Robespierre propagierten und im Juni 1794 mit einem großen Fest gefeierten Kults des Höchsten Wesens ediert. 173 Dies ist Thema des Gemäldes »Liktoren bringen Brutus seine toten Söhne« von Jacques-Louis David aus dem Jahr 1789, das erst nach öffentlichem Protest ausgestellt werden konnte. Dies verdeutlicht, wie in der Frühphase der Französischen Revolution noch versucht wurde, allzu kritisches revolutionäres Gedankengut aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. 174 Hierzu Denise Amy Baxter, Two Brutuses  : Violence, Virtue, and Politics in the Visual Culture of the French Revolution, in  : Eighteenth-Century Life, Bd. 30 (2006), Nr. 3, S. 51 ff.; Nippel, Verabschiedung der Antike, S. 164 f. 175 Kenneth McKee, Voltaire’s Brutus During the French Revolution, in  : Modern Language Notes, Bd. 56 (1941), S. 100 ff. 176 Baxter, Two Brutuses, S. 56 ff. 177 Vgl. etwa die Graphik eines anonymen Künstlers auf Voltaire als Wegbereiter der Verfassung und der

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Anmerkungen

Grundrechteerklärung von 1793, die unter dem Titel »Constitution républicaine décretée par la Convention nationale« seine Büste in einer Art von Heiligenschein zeigt und ihn als Aufklärer würdigt, der die Nationen von den Fesseln des Irrtums befreit habe (Abb. in  : Gallica). 178 Zur medialen Inszenierung vgl. Reichardt/Kohle, Visualizing the Revolution, S. 14 ff. 179 Zu ähnlichen Landungsszenen im Elysium, etwa von Friedrich dem Großen oder von Rousseau, vgl. Klaus Herding, Diogenes als Bürgerheld, in  : ders., Im Zeichen der Aufklärung, 1989, S.  169 ff. (mit Abb.). 180 Claude Mazauric, La réception publique et populaire de Jean-Jacques Rousseau pendant la Révolution française (1789–1794), in  : Rousseau et la Révolution, 2012, S. 46 (56 ff.). 181 François Furet, Jean-Jacques Rousseau und die Französische Revolution ( Jan-PatočkaGedächtnisvorlesung des IWM 1994), 1994, S. 35 ff. 182 Reichardt/Kohle, Visualizing the Revolution, S. 69 mit Abb. 183 Wohl erstmals auf der oben abgebildeten Medaille auf den Beschluss der Assemblée Nationale vom 4.8.1789, sämtliche Privilegien aufzuheben (Abb.  89). Eine Medaille von 1790 bezeichnet Ludwig XVI. als »restaurateur de la liberté française et le véritable ami de son peuple« und spricht von der »régénération de la France par l’Assemblée Nationale« (Hennin, Histoire numismatique, Nr. 176)  ; vgl. weiter Reichardt/Kohle, Visualizing the Revolution, S. 64 ff. mit Abb. 184 Hierzu im Text zu Abb. 89. 185 Diese Zeremonie schildert eine anonyme Graphik von 1791 unter dem Titel »Acceptation de la Constitution par le Roi le 14 7bre 1791« (Gallica). Der Graveur Dorgez zeigte die Annahme der Verfassung in einem Stich mit dem Titel »Louis XVI accepta la Constitution le 14 Septembre 1791«  : Der König steht mit seinem Sohn vor der Verfassungstafel, auf der steht  : »j’accepte et je ferai exécuter«. Seine rechte Hand ist zum Schwur erhoben. Links oben symbolisiert das Sternkreiszeichen Löwe den Beginn der Französischen Revolution und auch deren Stärke, das Sternkreiszeichen Waage deren (vermeintliches) Ende durch eine gerechte Verfassung (Abb. in  : Gallica). 186 Auch auf anderen Graphiken wird die neue Verfassung durch die Überwindung der symbolisch dargestellten Unfreiheit charakterisiert, etwa auf einem 1791 oder 1792 edierten Druck eines anonymen Künstlers mit dem Titel »Etrenne, a la noblles«, auf der unter einem Spruchband mit dem Schriftzug »constitution« eine Furie mit Fackel und Schwert über zerbrochene Kronen und andere Symbole des Adels sowie über zerbrochene Ketten, dem Sinnbild der Unfreiheit, schreitet (Abb. in  : Gallica). 187 Hennin, Histoire numismatique, Nr. 183. 188 Hennin, Histoire numismatique, Nr. 222–225. 189 Hennin, Histoire numismatique, Nr. 188. 190 Hennin, Histoire numismatique, Nr. 175. 191 Emmanuel J. Sieyès, Qu’est-ce que le Tiers État  ?, in  : Roberto Zapperi (Hg.), Ecrits politiques, 1985, S. 160. 192 Vgl. die zahlreichen Graphiken, die »la loi« in ihren Mittelpunkt stellen, in  : Gallica (unter dem Stichwort »loi 1789, 1790, 1792«).  – Talleyrand spricht in der von ihm verfassten Adresse der Nationalversammlung an die Franzosen vom 11.2.1790 davon, dass man dem Gesetz »religiös« zu gehorchen habe und dass der Respekt vor dem Gesetz den »wahren Citoyen« auszeichne (Adresse de l’Assemblée nationale aux Français, 11 Février 1790, S. 12). 193 Zum Verweis auf das Gesetz auf Hoheitsabzeichen vgl. Abb. 122. 194 Vgl. etwa die von Charles Monnet 1791 entworfene Graphik mit dem Titel »La Constitution après avoir assuré les droits de l’homme«, in deren Mittelpunkt eine sitzende Constitution mit ausgebreiteten Armen die Menschenrechte schützt, während neben ihr die Liberté und die Justitia stehen, alle dazu berufen, den Bürgern die ihnen zustehenden Rechte zu garantieren (Abb. in  : Gallica). 195 Talleyrand, Adresse de l’Assemblée nationale, S. 12. – Zur Verehrung, die Ludwig XVI. in der Monumentalkunst und in der Ikonographie entgegengebracht wurde, siehe Annie Jourdan, L’éclipse d’un

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soleil  : Louis XVI et les projets monumentaux de la Révolution, in  : Ian Germani/Robin Swales [Hg.], Symbols, Myths and Images of the French Revolution, 1998, S. 135 ff. 196 Weitere Abbildungen bei Reichardt/Kohle, Visualizing the Revolution, S. 71 ff. 197 Reichardt, Blut der Freiheit, S. 133 f., zur Petition des Cordeliers-Klub. 198 Vgl. etwa die Bezeichnung des Königs als »Monsieur Veto« mit der Aufforderung, ihn rasch an einer Laterne aufzuhängen, in einer Graphik wohl von 1792 (Abb. in  : Gallica, allerdings mit 1789 als Erscheinungsdatum) sowie ein Blatt von 1793, das unter dem Titel »Ecce Veto« den guillotinierten Kopf von »Louis Capet« zeigt und ihn in Anspielung auf die Bartholomäusnacht als »Charles IX« des 18. Jahrhunderts bezeichnet (Abb. in  : Gallica). 199 So die Graphiken »Le Traitre Louis XVI voué au mépris et à l’exécration de la Nation« von 1792 und »Aristocrates soyez tranquille sur la santé du traitre Louis XVI« ebenfalls von 1792 (beide in  : Gallica). 200 Hierzu Laura B. Pfeiffer, The Uprising of June 20, 1792, 1913, S. 101 ff., unter Auswertung der zeitgenössischen, nicht immer übereinstimmenden Berichte zu diesem Ereignis  ; Micah Alpaugh, The Making of the Parisian Political Demonstration. A Case Study of 20 June 1792, in  : Proceedings of the Western Society for French History, Bd. 34 (2006), S. 115 ff. 201 Ein Portrait Ludwigs XVI. mit roter Freiheitsmütze und Kokarde zierte bereits das Frontispiz der von der Nationaldruckerei 1791 gedruckten Schrift »La constitution française, Présentée au Roi le 3 Septembre 1791« (Abb. in  : Rousseau et la Révolution, 2012, S. 108). 202 Weitere Graphiken  : Barrière, Louis XVI. Roi des français couvert du bonnet de la liberté que la nation lui a présenté le 20 juin 1792 (Gallica)  ;  Anonym, Louis XVI. Roi des français couvert du bonnet de la liberté que la nation lui présentà le 20 juin 1792 (Gallica)  ;  Anonym, Journée des sans cullotes  : les citoyens du faubourg St Antoine et St Marceau, chez le Roi, lui font une pëtition, Louis 16 prend un bonnet rouge et le met sur sa tête en criant vive la nation et buvant à la santé des sans cullotes (Gallica)  ;  Anonym (nach einem Portrait von Joseph Boze), Louis Seize. Roi des Franceais [sic] (British Museum, RNr. 2013,7028.3). 203 Heinrich August Ottokar Reichard (Hg.), Revolutions-Almanach, 1. Jg. (1793), S. 258. 204 D. Berthault, Louis seize coiffé du bonnet rouge le 20 juin 1792 (Gallica). 205 Der Vorgang wird von Pfeiffer, Uprising, S. 104, referiert. 206 Vgl. bei Abb. 89. 207 Hennin, Histoire numismatique, S. 249 f. 208 Zur »Symbolik der persönlichen Erniedrigung des Königs« vgl. Wolfgang Kruse, Die Entzauberung Ludwig XVI. Zur symbolischen Destruktion des Königtums in der Französischen Revolution, in  : Peter Brandt u. a. (Hg.), Symbolische Macht und inszenierte Staatlichkeit, 2005, S. 137 (148 ff.). 209 Vgl. die Graphik »L’abolition des titres des noblesse«, abgebildet in  : Reichardt/Kohle, Visualizing the Revolution, S. 59. 210 »Völker bemächtigt Euch Eurer Rechte«. Abb. und ausführliche Interpretation dieses Stiches bei Klaus Herding, Visuelle Zeichensysteme in der Graphik der Französischen Revolution, in  : ders., Im Zeichen der Aufklärung, 1989, S. 96 ff. 211 So etwa in P. Lélus Stich mit dem Titel »Le Triomphe de la Montagne« von 1793  : Unter einem Baum mit dem Spruchband »Wahrheit und Vernunft« steht eine leicht geschürzte Égalité mit einer Setzwaage, umarmt von einer Liberté mit einem Schild mit der Revolutionslosung »frei leben oder der Tod«, darunter vernichtet Herkules mit einer großen Keule die Widersacher der Montagne (Abb. in  : Gallica). 212 Zahlreiche Graphiken auf die Grundrechteerklärung von 1793 kommen allerdings ohne die Gleichheitssymbolik aus. 213 Jourdan, Monuments de la Révolution, S. 247 f. 214 Hierzu bei Abb. 79. 215 So etwa in der farbigen Graphik »La France Républicaine« von 1795 mit dem Brustbild einer Liberté mit roter phrygischer Mütze und einem Dreieckslot um ihren Hals als Symbol der Gleichheit (Abb.

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Anmerkungen

in  : Marie-Louise von Plessen [Hg.], Marianne und Germania 1789–1889, 1996, S. 489). – Zur symbolischen Äquivalenz von Freiheit und Republik  : Daniel Schulz, Republikanismus und demokratische Ästhetik. Zur symbolischen Repräsentation der Republik in Frankreich, in  : Hans Vorländer (Hg.), Zur Ästhetik der Demokratie, 2003, S. 78. 216 Hierzu Claudette Hould, La propagande d’État par l’estampe durant la Terreur, in  : Michel Vovelle (Hg.), Les images de la Révolution Française, 1988, S. 29 ff. 217 Albert Boime, Jacques-Louis David. Scatological Discourse in the French Revolution, in  : French Caricature and the French Revolution 1789–1799, S. 67 (68 f.). 218 Hould, La propagande, S. 34  ; Michael Wagner, Revolutionskriege und revolutionäre Außenpolitik, in  : Rolf Reichardt (Hg.), Die Französische Revolution, 1988, S. 112 f. 219 Hierzu Kap. 3.4. 220 Zu diesem Föderationsfest vgl. Jacques Guilhaumou, Nous/vous/tous  : La fête de l’union du 10  août 1793, in  : Mots, Bd. 10 (1985), Nr. 10, S. 91 ff. 221 Hennin, Histoire numismatique, Nr. 530 sowie S. 355. 222 Vgl. bei Abb. 89 und 106. 223 Dieser Bildentwurf wurde bereits zuvor oftmals variiert. So setzte Claude Niquet le jeune in die Mitte eines Stiches (nach Gallica von 1789, wegen des Freiheitsbaumes aber wohl erst von 1792) den Text der »Déclaration des droits de l’homme et du citoyen«, während links mit Blitzen auf die mosaische Gesetzgebung verwiesen wird und rechts unter einer strahlenden Sonne Menschen um eine Stange mit einem großen Kranz und dem bonnet de la liberté an der Spitze tanzen (vgl. Reichardt, L’imaginaire, Abb. 23). 224 Titel der Vignette  : »Souveraineté du peuple, destruction du clergé et de la royauté« (Gallica). – Ähnlich auch Queverdos Vignette zu dem »Nouveau calendrier de la République française pour la 3eme année«, 1794 (also zum neuen republikanischen Kalender), in deren Mitte ein Dreieck mit einem Auge für »raison« (Vernunft) steht, an den Seiten des Dreiecks neben »liberté, égalité« auch »vérité« (Wahrheit) genannt wird, während ein Blitz aus einem Berg heraus den Despotismus vernichtet (Abb. in  : Gallica). 225 Bei Abb. 70. 226 Vgl. zu dieser Graphik Klaus Herding, Visuelle Zeichensysteme in der Graphik der Französischen Revolution, in  : ders., Im Zeichen der Aufklärung, 1989, S. 122 f. 227 Wolfgang Schmale, Art. Constitution, Constitutionnel, in  : Rolf Reichardt/Hans-Jürgen Lüsebrink (Hg.), Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680–1820, Heft 12, 1992, S. 31 (59 f. m. Nw.). 228 Wolfgang Schmale, Entchristianisierung, Revolution und Verfassung. Zur Mentalitätsgeschichte der Verfassung in Frankreich, 1715–1794, 1988, S.  66 ff.; Feuerhahn, Pathetisches und Pathos, S.  144  ; Reichardt, L’imaginaire, S. 102. 229 Zum Folgenden Christina Schröer, Republik im Experiment. Symbolische Politik im revolutionären Frankreich (1792–1799), 2014, S. 287 ff. 230 Das Frontispiz der 1795 erschienenen »Étrennes nationales Républicaines« zeigt z. B. eine Liberté mit einer Freiheitsmütze in einem Strahlenkranz sowie einem Dreieck mit Senkblei und erklärt unter dem Motto »vive la République«, dass mit dem geheiligten Wort der Freiheit alles in ein Gleichgewicht gelangen werde und dass die Einheit und die Gleichheit die Stärke eines freien Volkes seien  ; weitere Nw. bei Jourdan, Monuments de la Révolution, S. 269 f. 231 Louis Jean Allais, IX Thermidor. La Convention soutenu par le peuple. Hier krönen die Eintracht und die Liberté das französische Volk, dargestellt durch einen bis auf ein Lendentuch unbekleideten Jüngling mit der Keule des Herkules, deren Macht die Volkssouveränität symbolisiert (Abb. in  : Gallica). – Zu Herkules als Symbol der Souveränität des Volkes nach dem 9. Thermidor vgl. Jourdan, Monuments de la Révolution, S. 265 ff. 232 Der Graphiker Louis Charles Ruotte edierte 1795 eine Radierung unter dem Titel »La liberté et

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3. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik

l’Égalité unies par la Nature« (Abb. in Gallica), auf der sich die Liberté mit der auf die Volkssouveränität verweisenden Keule des Herkules und die Égalité mit der Setzwaage über dem Altar des Vaterlandes die Hände reichen. Auch Vignetten in der Zeit des »Directoire exécutif« verweisen symbolisch auf die Garantie der Gleichheit in der Direktorialverfassung (Abb. und Kommentierung bei Schröer, Republik, S. 97 ff.; weitere Abb. in  : Gallica). 233 Zur Personalisierung der Terreur durch Robespierre und seine Clique  : Nippel, Verabschiedung der Antike, S. 178 f.; Schröer, Republik, S. 573 ff.; zu den Stilmitteln und Stereotypen der antijakobinischen Graphik  : Michel Naudin, La réaction culturelle de l’an  III  : la représentation du Jacobin et du sansculotte dans l’imaginaire de leurs adversaires, in  : Michel Vovelle (Hg.), Le tournant de l’an III, 1997, S. 279 ff. 234 So etwa in der Graphik von Villeneuve mit dem Titel »L’Égalité triomphante ou le Triumvirat puni«, die eine Personifikation der Gleichheit mit Schwert, Waage der Gerechtigkeit und Setzwaage zeigt, die die Tyrannen Robespierre, Saint Just und Couthon niedergeworfen und zu Boden gedrückt hat (Abb. in Gallica)  ; weitere Beispiele bei Schröer, Republik, S. 576 ff., sowie bei Jourdan, Monuments de la Révolution, S. 271 ff. 235 Schröer, Republik, S. 522 ff., 616. 236 Abb. in  : Schröer, Republik, S. 527. 237 Zu der Farbradierung »Les formes acerbes« von 1795 oder zur Radierung »La République«, die als Frontispiz für den »Almanach des gens de bien pour l’année 1797« (Paris 1796) diente, vgl. Reichardt, »Les formes acerbes«, in  : Festschrift für Hans-Ulrich Thamer, 2003, S. 23 ff. 238 Ähnlich auch eine 1795 anonym erschienene Graphik mit dem Titel »Gouvernement de Robespierre«, die den Platz der Revolution mit der Statue der Liberté zeigt, die gegenüber einer Guillotine sitzt, mit der sich Robespierre gerade selbst guillotiniert, wie der erklärende Text bemerkt. Darunter sieht man Haufen von Totenschädeln, worauf kleine Tafeln jeweils verweisen, der Priesterschaft, der Parlamentarier, des Volkes etc. (Abb. in  : Gallica). 239 Vgl. Kap. 6.1.2. 240 Auch nicht bei den auf die Abgeordneten ausgestellten Zugangsberechtigungen zur Nationalversammlung  ; auf diesen war in der Regel nur die Liberté mit der Freiheitsmütze abgebildet (Launay, Costumes, S. 26 f.). 241 Abb. in  : Gallica. – Zur Datierung und Deutung dieser Graphik eines Künstlers, der den Jakobinern nahestand, vgl. Schröer, Republik, S. 604 f. 242 Zu den »Themen- und Bildwelten royalistischer Regimekritik im Ersten Direktorium« vgl. Schröer, Republik, S. 582 ff.; dies., Die Gegenrevolution in der Opposition  : Visualisierung royalistischer Regimekritik im Direktorium, in  : Wolfgang Cilleßen/Rolf Reichardt (Hg.), Revolution und Gegenrevolution in der europäischen Bildpublizistik 1789–1889, 2010, S. 123 ff. 243  Anonym, Le 18 fructidor ou anniversaire des fêtes directoriales, Hambourg 1798, wobei die Angabe des Druckortes wohl der Zensur in Frankreich geschuldet ist  ; zum Folgenden ausführlich Schröer, Republik, S. 598 ff. sowie dies., Gegenrevolution, S. 142 ff. 244 Hierzu ausführlich James Leith, Ephemera  : Civic Education through Images, in  : Robert Danton/Daniel Roche (Hg.), Revolution in Print  : The Press in France, 1775–1800, 1989, S. 270 ff. 245 Hierzu Schröer, Republik, S. 82 ff.; Jourdan, Monuments de la Révolution, S. 261 ff.; vgl. ferner die zahlreichen Abbildungen in  : Auguste Boppe/Raoul Bonnet, Les vignettes emblématiques sous la Révolution, 1911. Speziell zur Freiheitsmütze siehe auch Elisabeth Liris, Autour des vignettes révolutionnaires  : La symbolique du bonnet phrygien, in  : Michel Vovelle (Hg.), Les images de la Révolution Française, 1988, S. 307 (310 f.). 246 Hennin, Histoire numismatique, Nr. 295, 360, 361, 569–572. 247 Hennin, Histoire numismatique, Nr. 569, 570.

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Anmerkungen

248 Vgl. etwa den »Catéchisme de morale républicaine pour l’éducation de la jeunesse. Rédigé d’après le décret de la Convention nationale par le Citoyen Bulard«, 1794  ; Schröer, Republik, S. 289 ff. m. Nw. 249 Abb. der Graphik »Classe d’école primaire« im Prometheus-Bildarchiv  ; auf einer anderen Graphik, wohl von 1793, sieht man die »Institutrice républicaine«, die republikanische Lehrerin, wie sie einem Kind die Menschen- und Bürgerrechte erklärt (Abb. in  : Gallica). 250 Abb. in  : Hennin, Histoire numismatique, Nr. 573. 251 Hinweis bei Hennin, Histoire numismatique, Nr. 758. 252 Thierry Delthe, La Révolution française et les faïences populaires, in  : Michel Vovelle (Hg.), Les images de la Révolution française, 1988, S. 237 (239)  ; Vovelle, La Révolution française, Bd. 1, S. 270 ff. mit Überblick über die politische Keramik der Französischen Revolution  ; Abb. eines Tellers von 1790 mit dem bonnet de la liberté bei Reichardt/Kohle, Visualizing the Revolution, S. 122. 253 Nouvelles cartes de la Republique française  : plus de rois de dames de valets  : le génie, la liberté, l’égalité les remplacent, la loi seule est au dessus d’eux, 1793 (Gallica). 254 Sans-culotte, 1794 (Gallica). 255 Zur politischen Pädagogik der »jeux de l’Oie« vgl. Rolf Reichardt, Revolutionäre Mentalitäten und Netze politischer Grundbegriffe in Frankreich 1789–1795, in  : Reinhart Koselleck/Rolf Reichardt (Hg.), Die Französische Revolution als Bruch des gesellschaftlichen Bewusstseins, 1988, S. 185 (188 ff.). 256 Diese Gegnerschaft schlug sich bisweilen in äußerst anzüglichen Drucken nieder, z. B. in einer Graphik mit dem Titel »Le Triomphe du droit de l’homme«, in der statt der Menschen- und Bürgerrechtserklärung ein überdimensionierter Phallus auf einem Wagen von einer Schar fröhlicher Frauen begleitet wird (siehe hierzu und zu weiteren vergleichbaren Machwerken Antoine de Baecque, Le corps de l’histoire. Métaphores et politique [1770–1800], 1993, S. 75 f. mit Abb. 8 und 10). 257 So sieht man auf einer anonymen Graphik unter dem Titel »Exercice des droits de l’homme et du citoyen français« von 1792 die vermeintlichen Folgen der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte  : Im Hintergrund ist ein brennendes Haus erkennbar, rechts davor sind drei Köpfe auf Piken aufgespießt und links wird gerade ein Adeliger aufgehängt  ; die Szene im Vordergrund wird von Gewaltexzessen gegen wehrlose Frauen beherrscht (Abb. in  : Gallica). 258 Zur royalistischen Kritik am revolutionären Freiheitsbegriff vgl. van den Heuvel, Freiheitsbegriff, S. 228 ff. 259 Hierzu Reichardt, L’imaginaire, S. 107 f. 260 Matthias Middell, Auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen. Die Gegner der Französischen Revolution 1788–1792, in  : Christine Vogel/Herbert Schneider/Horst Carl (Hg.), Medienereignisse im 18. und 19. Jahrhundert, 2009, S. 77 ff. 261 Überblick hierzu bei Claude Langlois, La caricature contre-révolutionnaire, 1988  ; Langlois zufolge beschränkte sich die konterrevolutionäre Karikatur auf einen Zeitraum von etwa 10 Monaten vor dem Königsmord (ebd., S. 7). Auch Reichardt, L’imaginaire, S. 107, und Ribner, Broken Tablets, S. 21 ff., nennen nur wenige Beispiele gegenrevolutionärer Graphiken. Zum ersten Versuch eines Überblicks auch über die revolutionskritische Graphik  : Boyer de Nimes, Histoire des caricatures de la Révolte des Français, 1792 (hierzu Annie Duprat, Le regard d’un royaliste sur la Révolution  : Jacques-Marie Boyer de Nimes, in  : Annales historiques de la Révolution française, Nr. 337 [2004], S. 21 ff.). 262 Siehe zur Despotismusdiskussion im 18. Jahrhundert und speziell zu Montesquieus »Lettres Persanes« (1721), die den politischen Zustand Frankreichs mit einer persischen Gewaltherrschaft verglichen haben, Rolando Minuti, Oriental Despotism in Enlightenment Culture, in  : European History Online, 2012, http://ieg-ego.eu/en/threads/models-and-stereotypes/the-wild-and-the-civilized/rolando-minuti-oriental-despotism [abgerufen am 14.02.2017]. 263 Abb. in  : Gallica. 264 Zum Folgenden Annie Duprat, 1792–1795  : Das Schicksal einer politischen Grafik, »Das Tauwetter der

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4. Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

Nation«, in  : Christoph Danelzik-Brüggemann/Rolf Reichardt (Hg.), Bildgedächtnis eines welthistorischen Ereignisses. Die Tableaux historiques de la Révolution française, 2001, S. 313 ff. 265 Die Bildkomposition der Graphik »Le dégel de la nation« wurde 1799 auch in Italien herangezogen, um den Sieg der europäischen Fürsten über die italienischen Jakobiner zu symbolisieren (Duprat, Das Schicksal einer politischen Graphik, S. 322 ff.). 266 Vgl. zu ihm Simon Burrows, Peltier, Jean-Gabriel, in  : Oxford Dictionary of National Biography, 2004, Online-Ausgabe, Januar 2008, http://www.oxforddnb.com/view/article/73835 [abgerufen am  : 11.01.2017]. 267 Mit der Herausgabe der konterrevolutionären Zeitschrift »Les actes des Apôtres«. 268 Zu den vielfältigen Formen der Löschhütchensymbolik  : Hubertus Fischer, Wer löscht das Licht  ? Europäische Karikatur und Alltagswelt 1790–1990, 1994, S. 10 ff. und passim. 269 Hierzu Jean-Gabriel Peltier, Le Martirologe, ou L’histoire des Martyrs de la Révolution, 1792, S. 255. 270 Blanchine Basset-Kriegel, Les Académies de l’histoire, 1988, S. 179 ff.; Sarmant, République des médailles, S. 110 ff., 183 ff. 271 Hierzu ausführlich Jean-Marie Darnis, Bâtiments et Institutions, in  : Délégation à l’Action Artistique de la Ville de Paris (Hg.), L’Institut de France et la monnaie de Paris, 1990, S. 181 (221 ff., 226 zum Edikt von 1696, das die Fabrikation von Medaillen monopolisierte). 272 Louis Marin, Das Portrait des Königs, 2012, S. 209 ff. 273 Sie wurde durch Gesetz der Nationalversammlung vom 8.8.1793 gemeinsam mit allen weiteren nationalen Akademien aufgelöst. 274 Vgl. etwa die kolorierte Radierung »Le Faux Pas« (Abb. 100 ), die Graphiken auf den König mit der Jakobinermütze (Abb. 105) und den Stich »Le Peuple Mangeur de Rois« (Abb. in  : Hunt, Symbole der Macht, S. 135). 275 Zum Freiheitsbegriff im Ancien Régime siehe van den Heuvel, Freiheitsbegriff, S. 42 ff. 276 Zitiert nach van den Heuvel, Freiheitsbegriff, S. 212. 277 Auf dem Flugblatt »L’homme de la Cour, l’homme du peuple« sieht man Antoine Barnave, wie er mit dem rechten Fuß auf ein Blatt mit der Aufschrift »patriotisme, liberté, vertu« tritt, während neben dem linken Fuß ein Blatt mit der Aufschrift »Droits de l’homme, serment du jeu de Paume …« liegt (Abb. bei de Baecque, Caricature, S. 165). Er ist als janusköpfiger Wendehals dargestellt, weil er zunächst ein engagierter Verfechter der Revolution war, sodann aber als Ratgeber von Ludwig XVI. in das Lager der Reaktion überwechselte, was man im November 1792 entdeckte, als sein Briefwechsel mit dem Königshof bekannt wurde. 278 Hierzu unter Kap. 1.7. 4. Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik in den Nachbarstaaten Frankreichs 1 2 3

Rolf Reichardt, Das Blut der Freiheit, 1998, S. 257 ff. Siehe als Beispiel die Graphik »La Liberté Dictant ses Loix aux Nations« von 1793/94 (Abb. 77). Vgl. etwa den Avers einer zwischen 1792 und 1794 geprägten Medaille mit der Darstellung einer geflügelten Liberté, die unter dem Motto »Elle fera le tour de Monde« mit der phrygischen Mütze auf einer Stange in der einen und der die Gleichheit symbolisierenden Setzwaage in der anderen Hand über einem Halbrund der Erdkugel schwebt (Hennin, Histoire numismatique de la Révolution française, 1826, Nr. 630 mit Abb. und Diskussion der Datierung). 4 Zur französischen Auslandspropaganda vgl. Erich Pelzer, Die Wiederkehr des girondistischen Helden. Deutsche Intellektuelle als kulturelle Mittler zwischen Deutschland und Frankreich während der Französischen Revolution, 1998, S. 37 ff.

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Anmerkungen

  5 Siehe Kap. 3.2.3.  6 Wolfgang Hans Stein, Die Ikonographie der rheinischen Revolutionsfeste, in  : Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, Bd. 15 (1989), S. 189 (192 f., 203 [Abb.]).   7 So das Manifest des Generals Charles-François du Périer Dumouriez, in  : Archives Parlementaires de 1787–1860, Bd. 53 (1792), S. 103.   8 Der bekannte Satz »Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen« findet sich in Goethes 1822 erschienenem Bericht »Die Kampagne in Frankreich« (Goethes Werke [Weimarer Ausgabe], I. Abteilung, 33. Bd., 1898, S. 75).   9 Zu den Hinweisen im Tagebuch des Goethe begleitenden Leutnant von Fritsch vgl. Jean-Claude Mul­ ler, Goethes erste Begegnung mit der Französischen Revolution. Der Freiheitsbaum bei Sierck, in  : Hémecht. Zeitschrift für Luxemburger Geschichte, Bd. 44 (1992), S. 5 ff. 10 Brigitte Schoch-Joswig, Die französische Revolution im Spiegel der deutschen zeitgenössischen Propagandagraphik, 1989, S. 25 f., 187 (Katalog Nr. 54). 11 Goethes Werke (Weimarer Ausgabe), IV. Abteilung, 10. Bd., 1892, S. 35 f. 12 Zitate aus Herders »Briefe zur Beförderung der Humanität« nach Thomas Würtenberger, Zeitgeist und Recht, 2. Aufl. 1989, S. 18 f. 13 In der einen Monat später unter dem gleichen Motto geschaffenen Federzeichnung (Abb. in  : SchochJoswig, Französische Revolution, Abb. 13) verzichtete Goethe auf den Gegensatz zwischen französischer und Habsburger Monarchie, brachte aber mit dem nunmehr vor einer blühenden Landschaft stehenden Freiheitsbaum nach wie vor eine positive Einschätzung der neuen Ordnung zum Ausdruck. 14 Hans-Jürgen Schings, Kein Revolutionsfreund. Die Französische Revolution im Blickfeld Goethes, in  : Goethe-Jahrbuch, Bd.  126 (2009), S.  52 ff.; Heinz Maibach, Goethe als Zeitzeuge und Kritiker der Französischen Revolution, in  : Nassauische Annalen, Bd. 111 (2000), S. 311 ff. 15 Vgl. Rolf Reichardt, Kokarden, Freiheitsbäume, Societäten. Revolutionskultur am Rhein 1789–1815, in  : Franz J. Felten (Hg.), Frankreich am Rhein – vom Mittelalter bis heute, 2009, S. 85 ff., zur Protestbewegung im linksrheinischen Bereich, die eher auf die Wiederherstellung alter Freiheit und weniger auf eine neue revolutionäre Ordnung zielte. 16 Reichardt, Kokarden, S. 106, 116 ff.; Vergleichbares gilt für die sogenannten Bauernrevolten in Frankreich, die auch nach 1789 noch »rückwärtsgewandte Protestbewegungen« blieben und die überkommene kommunale Lebenswelt bewahren wollten (Reichardt, Blut der Freiheit, S. 55 f.). 17 Zur Errichtung des Mannheimer Freiheitsbaums vgl. Reichardt, Kokarden, S. 106 ff.; zur Errichtung von Freiheitsbäumen in kleineren Städten vgl. Franz Dumont, Die Mainzer Republik von 1792/93. Studien zur Revolutionierung in Rheinhessen und der Pfalz, 2. Aufl., 1982, S. 155, sowie Klaus Ries, Die Reaktion auf die Französische Revolution in den Reichsgebieten 1789–1793, in  : Hans-Walter Herrmann (Hg.), Die Französische Revolution und die Saar, 1989, S.  63 (110 f. zu Merzig und St. Wendel). 18 Zitiert nach T. C. W. Blanning, The French Revolution in Germany. Occupation and Resistance in the Rhineland 1792–1802, 1983, S. 304  ; vgl. weiter Ries, Reaktion, S. 75. In Worms blieb die große Mehrheit der Bürger dem Pflanzen des Freiheitsbaumes fern (vgl. Manfred Stanjura, Revolutionäre Reden und Flugschriften im rheinisch-pfälzischen Raum (1791–1801), 1997, S. 74, Fn. 157)  ; zur Ablehnung der Franzosenherrschaft und der Freiheitssymbolik in Aachen siehe Michael Sobania, Das Aachener Bürgertum am Vorabend der Industrialisierung, in  : Lothar Gall (Hg.), Vom alten zum neuen Bürgertum, 1991, S. 183 (206 ff.). 19 Zum Einfluss der Franzosen auf die Gründung des Mainzer Jakobinerclubs vgl. Heinrich Scheel, Die Mainzer Republik. Protokolle des Jakobinerclubs, 1975, S. 19. 20 Dumont, Mainzer Republik, S. 154 f., unter Auswertung der zeitgenössischen Quellen  ; vgl. ferner Rolf Reichardt, Französische Revolutionskultur in Mainz 1792-1801, in  : Die Publizistik der Mainzer Jakobiner und ihrer Gegner, 1993, S. 11, 25 ff. mit Abb. auf S. 19, 23 und 27.

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4. Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

21 Tempel der Musen und Grazien. Ein Taschenbuch zur Bildung und Unterhaltung für 1796 (ohne Paginierung). 22 Vgl. die Abb. bei Schoch-Joswig, Französische Revolution, S. 201 ff. (Katalog Nr. 74–78), sowie bei Stein, Ikonographie, S. 198 f. 23 Siehe zu diesem Bild Peter Dittmar, in  : Hambacher Fest 1832. Freiheit und Einheit, Deutschland und Europa, 5. Aufl., 1990, S. 167. 24 Zu zeitgenössischen Schilderungen vgl. Stanjura, Revolutionäre Reden, S. 155, 336. 25 British Museum, RNr. 1925,0701.46, dort auf 1793 datiert. 26 Dumont, Mainzer Republik, S.  464. Vgl. für Worms den Stich »Die Jacobiner Schwindelköpfe zu Worms müssen ihren Freiheitsbaum selbst ausgraben«, in  : Revolutions-Almanach für das Jahr 1794, S. 378 mit Erläuterungen S. 319 f. (Abb. auch bei Dumont, Mainzer Republik, S. 465). 27 Dumont, Mainzer Republik, S. 464. Vgl. hierzu den anonym erschienen Stich mit dem Titel »Clubisten säubern den Wormser Bischofshof« bei Schoch-Joswig, Französische Revolution, Abb. 23. 28 Reichardt, Revolutionskultur, S. 26. 29 Dumont, Mainzer Republik, S. 481  ; Reichardt, Kokarden, S. 119. 30 Abb. in  : Hambacher Fest 1832, S. 28. 31 Eine spezifisch deutsche, die politische Theorie der Aufklärung visualisierende Freiheitssymbolik wurde nicht entwickelt. Eine der ganz wenigen Ausnahmen der graphischen Darstellung der Freiheit, die nicht unter französischem Einfluss stand, ist das von Schnorr entworfene Frontispiz zu Christian Daniel Erhards »Betrachtungen über Leopolds des Weisen Gesetzgebung in Toscana« aus dem Jahr 1791. Dargestellt wird Großherzog Leopold von der Toskana, der äußerst fortschrittliche politische Reformer und spätere Kaiser Leopold II., wie er der Toscana vertrauensvoll die Hand reicht. Am Boden liegen zerbrochene Ketten, die, wie auf zwei am Boden liegenden Blättern erklärt wird, die Aufhebung von Monopolen und Privilegien symbolisieren. Zwischen dem Großherzog und der Toscana steht ein jugendlicher Genius mit dem Merkurstab und dem niederländischen Geusenhut auf dessen Spitze als Symbol für die Handelsfreiheit. Symbolisiert ist damit die Reform der Wirtschaftsverfassung  ; die weitergehenden Verfassungsprojekte des Großherzogs Leopold sollten erst später bekannt werden (Gerda Graf, Der Verfassungsentwurf aus dem Jahr 1787 des Granduca Pietro Leopoldo di Toscana, 1998). 32 Siehe zum Folgenden Reichardt, Revolutionskultur, S.  18 ff. Zur Reaktion der Bevölkerung auf die französische Eroberung in der Südpfalz vgl. Michael Martin, Revolution in der Provinz. Die Auswirkungen der Französischen Revolution in Landau und in der Südpfalz bis 1795, 2001, S. 52 f. (zur Errichtung einer Freiheitssäule in Landau) und S. 62 (zur Ersetzung der deutschen durch französische Straßennamen, die an die revolutionären Ereignisse in Frankreich anknüpften, in Landau). 33 Hierzu umfassend Reichardt, Revolutionskultur, S. 11 ff. 34 Vgl. den anonymen Stich mit dem Titel »Eine Dame auf den (sic) Freyheits Ball zu Maynz« in SchochJoswig, Französische Revolution, Abb. 20, sowie die mit »Fr« gezeichnete Radierung »Baal der Freyheit und Gleichheit zu Mainz« bei Reichardt, Revolutionskultur, S. 20 (Abb. 5). 35 Abb. bei Dumont, Mainzer Republik, S. 115. 36 So zeigt etwa das von B. Siegrist entworfene Frontispiz des 1797 von Johann Philipp Le Pique herausgegebene Bandes »Freiheits-Gedichte« die Libertas mit dem Pileus auf einer Stange haltend (Abb. in  : Badisches Landesmuseum 1848/49  : Revolution der Demokraten in Baden, 1998, S. 37, Nr. 12  ; vgl. auch Harald Siebenmorgen, Illustrationen und Bildkommentare zur Französischen Revolution in der Mannheimer Graphik um 1800, in  : Städel-Jahrbuch, N. f., Bd. 9 [1983], S. 227 [ 228]). 37 Als weiteres Beispiel sei verwiesen auf das Frontispiz und die Titelvignette zu Johann Gottlieb Schummel, Die Revolution in Schoppenstedt, 1794, die einen Freiheitsbaum bzw. eine Jakobinermütze zeigen. 38 Zu Chodowiecki als einem der Berliner Aufklärung verpflichteten Künstler  : Rudolf Vierhaus, Chodowiecki und die Berliner Aufklärung, in  : Ernst Hinrichs/Klaus Zernack (Hg.), Daniel Chodowie-

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Anmerkungen

cki (1726–1801)  : Kupferstecher, Illustrator, Kaufmann, 1997, S.  1 ff.; Hanno Schmitt, Vernunft und Menschlichkeit  : Studien zur philanthropischen Erziehungsbewegung, 2007, S. 131 ff. 39 Ausführliche Interpretation bei Franz Dumont, Wirkungen auf Deutschland und Europa, in  : Rolf Reichardt (Hg.), Die Französische Revolution, 1988, S. 263. 40 Vgl. zum Sonnenmythos der Revolution Schoch-Joswig, Französische Revolution, S. 20 f.; vgl. weiter die Titelvignette mit der aufgehenden Sonne über einer deutschen Landschaft mit dem begleitenden Ausruf »Endlich  !«, in  : Patriotisches Archiv, 12. Bd., 1790 (Abb. bei Siebenmorgen, Illustrationen, S. 233). 41 Goettinger Taschen Calender für das Jahr 1792, S. 212. 42 Johann Heinrich Campe erhielt am 26.8.1792 neben u. a. Schiller und Washington den Ehrenbürgerbrief der Republik Frankreich. 43 Zitiert bei Wilhelm Engelmann, Daniel Chodowieckis sämmtliche Kupferstiche, 2.  Aufl. 1847 (ND 1997), S. 368. 44 Schoch-Joswig, Französische Revolution, S. 22. 45 So auch Klaus Haese, La Révolution Française dans l’art graphique des almanachs et calendriers allemands à la fin du 18e siècle, in  : L’inscription de l’histoire dans les œuvres directement ou indirectement inspirées par la Révolution Française, 1987, S. 189 (193), der in Chodowiecki einen Befürworter der Revolution sieht, solange sich diese im Stadium der konstitutionellen Monarchie befand. 46 Die republikanische französische Verfassung wurde nur am Rande Gegenstand der deutschen Bildpublizistik. Verwiesen sei lediglich auf das von Abraham Wolfgang Küffner gestochene Titelkupfer zum ersten Band des von dem badischen Juristen und Historiker Ernst Ludwig Posselt, einem Anhänger der Französischen Revolution, herausgegebenen »Taschenbuch für die neuste Geschichte« (1794). Man sieht, wie Robespierre u. a. von der Libertas (wie üblich mit einem Freiheitshut auf einer Stange) bekränzt wird, sowie eine Gesetzesrolle mit der Aufschrift »Constitution« unter Herrschaftsinsignien (Abb. bei Siebenmorgen, Illustrationen, S. 237). 47 So etwa in Schwäbisch Hall auf einer antirevolutionären Schützenscheibe von 1792 (Abb. in  : Deutschland und die Französische Revolution 1789/1989, 1989, S.  194)  ; zu den revolutionskritischen Karikaturen in Deutschland vgl. Gisold Lammel, Deutsche Karikaturen  : Vom Mittelalter bis heute, 1995, S. 140 ff. 48 Siehe hierzu auch die Kommentierung von W. A. Coupe, German Political Satires from the Reformation to the Second World War, Bd. 1, 1993, S. 254 ff. 49 Wie etwa die Graphik eines anonymen Kupferstechers mit dem Titel »Das unersättliche Thier der national Versammlung« (Abb. bei Coupe, German Political Satires, Bd. 2, Nr. 236), das Flugblatt eines anonymen Kupferstechers mit dem Titel »Freyheit und Gleichheitsreuter« (Abb. in  : Schoch-Joswig, Französische Revolution, Abb.  61), ein weiteres Flugblatt mit dem Titel »Leichen-Prozeßion des Freyheits-Baumes« (Abb. in  : Schoch-Joswig, Französische Revolution, Abb. 63) oder die von d’Argent gestochene Graphik »Clubbisten-Prozession« (siehe Abb. 129) mit der kritisch-distanzierten Kommentierung »der Endzweck der Feierlichkeit scheint die Hinwegräumung eines alten aristokratischen Denkmals zu sein« (zitiert bei Siebenmorgen, Illustrationen, S. 234). 50 Hennin, Histoire numismatique, Nr. 545, mit der Zuschreibung an Johann Matthäus Reich, der in der Werkstatt seines Vaters Johann Christian Reich tätig war. 51 Vgl. oben Kap. 2.7. 52 Siehe hierzu ausführlich Holger Böning, Revolution in der Schweiz. Das Ende der Alten Eidgenossenschaft  : Die Helvetische Republik 1798–1803, 1985, S. 13 ff. 53 Zum Einfluss der Französischen Revolution und ihrer politischen Symbolik auf lokale Revolten in der Schweiz siehe Musée Historique de Lausanne (Hg.), La Suisse et la Révolution Française, 1989. 54 Vgl. die Angaben bei Suzanne Anderegg, Der Freiheitsbaum. Ein Rechtssymbol im Zeitalter des Rationalismus, 1968, S. 95 f., und in Musée historique de Lausanne (Hg.), La Suisse et la Révolution, S. 13. 55 Vgl. zur »Campagne des Banquets« Musée historique de Lausanne (Hg.), La Suisse et la Révolution,

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4. Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

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S. 88. Zum Kampf der Waadtländer Patriotenbewegung gegen die Berner Obrigkeit allgemein siehe Marc H. Lerner, The Helvetic Republic  : An Ambivalent Reception of French Liberty, in  : French History, Bd. 18 (2004), S. 50 (56 ff.). Siehe hierzu Eugène Mottaz, Un prisonnier d’Etat sous le regime bernois  : Muller de la Mothe, in  : Revue Historique Vaudoise, Bd. 5 (1897), S. 33 ff. Ebd., S. 42. Lerner, Helvetic Republic, S. 65. Zur revolutionären Aufhebung der Ständeherrschaft in den Kantonen siehe Holger Böning, Der Traum von Freiheit und Gleichheit. Helvetische Revolution und Republik (1798–1803) – Die Schweiz auf dem Weg zur bürgerlichen Demokratie, 1998, S. 95 ff. Wilfried Ebert, Der frohe Tanz der Gleichheit. Der Freiheitsbaum in der Schweiz 1798–1802, 1996, S. 24, 38  ; Ulrich Im Hof, »Volk – Nation – Vaterland« und ihre Symbole in der Schweiz, in  : Ulrich Herrmann (Hg.), Volk – Nation – Vaterland, 1996, S. 131 (134). Auch der »Entwurf einer helvetischen Staatsverfassung« (Basel 1798) wurde mit einer Vignette mit dem Tellenhut und zusätzlich mit zwei verschränkten Händen als Symbol der Einigung veröffentlicht. Ebert, Tanz der Gleichheit, S. 23 (m. Nw.). Zum Folgenden ausführlich Ebert, Tanz der Gleichheit, S.  147 ff., 169 ff.; Anderegg, Freiheitsbaum, S. 98 ff. Im agrarisch-bäuerlichen Bereich stand der Freiheitsbaum in der Tradition der Maibäume. Mit dem Pflanzen derartiger Bäume verlangte man Abgabenfreiheit und richtete sich bisweilen gegen lokale Misswirtschaft (Ebert, Tanz der Gleichheit, S. 88 ff., 169 ff.). Anlässlich des Nationalfestes am 12. April als dem Tag der Verabschiedung der helvetischen Verfassung war auf Anordndung der helvetischen Regierung in jeder Gemeinde ein Freiheitsraum zu errichten und unter dem Baum ein Altar mit den Hauptgrundsätzen der Verfassung als Inschrift aufzustellen (vgl. Böning, Traum von Freiheit, S. 212). Siehe hierzu Anderegg, Freiheitsbaum, S. 100. Abb. in  : H. Markwald, 750 Jahre Bern, 1941, S. 89. Böning, Revolution in der Schweiz, S. 78 ff. Zitiert nach Böning, Revolution in der Schweiz, S. 79. Siehe zu dieser Richtungsfrage Lerner, Helvetic Republic, S. 68 ff. Siehe zu ihm Letizia Schubiger-Serandrei, Art. Midart, Laurent Louis, in  : Schweizer Institut für Kunstwissenschaft (Hg.), Lexikon und Datenbank zur Kunst in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein, abrufbar unter  : http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx  ?id=4023154 [abgerufen am  : 11.01.2017]. Hierzu Kap. 2.3.2. Willem Frijhoff/Joost Rosendaal, La Révolution régénérée  : nouvelles approches et nouvelles images de la Révolution néerlandaise, in  : Michel Vovelle (Hg.), L’image de la Révolution française, Bd. 1, 1990, S. 543 (548). Zur batavischen Revolution, die die gescheiterte Patriotenbewegung fortsetzte  : Simon Schama, Patriots and Liberators, 1977, S. 190 ff., 211 ff. Vgl. zum Fest in Amsterdam vom 24.3.1795 Schama, Patriots, S. 194. Vgl. ferner die Graphiken in  : Frans Grijzenhout, Feesten voor het Vaderland, 1989, S. 135 (Hermanus Numan, Vreudgefeest bij de inwijding van de vrijheidsboom in Amsterdam, 1795), S. 142 ( Jaques Kuyper, Het alliantiefest op 19 juni 1795 te Amsterdam, 1795) sowie die Darstellung des Tanzes um einen Freiheitsbaum vor dem Stadthaus in Amsterdam am 19.6.1795 (Amsterdam Museum, Objekt-Nr. SA 37152). Vgl. weiter ein kunstvolles Kelchglas mit einem eingravierten Freiheitsbaum auf das Vereinigungsfest von Frankreich und Batavischer Republik am 19.1.1795 in Amsterdam (Amsterdam Museum, Objekt-Nr. KA 19288). Grijzenhout, Feesten, S. 205.

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Anmerkungen

76 So Grijzenhout, Feesten, S. 205  ; I. Leonard Leeb, The Ideological Origins of the Batavian revolution, 1973, S. 259. 77 Reinier Vinkeles, Verbranden van de Vrijheidsboom te Breda 1793 (Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. RP-P-OB-64.097).  78 Vaderlandsche historie, vervattende de geschiedenissen, der Vereenigde Nederlanden …, Bd. 26, 1801, S. 91 f. 79 Eine andere Graphik auf die französische Bedrohung des Jahres 1793 fürchtete um die Bewahrung der in den Niederlanden so bedeutsamen Religionsfreiheit. In deren Zentrum steht die Hollandia mit dem Freiheitshut auf einem langen Stab, die die neben ihr sitzende Religio beschützt, wobei der niederländische Löwe nicht nur sein, sondern auch Preußens Wappenschild mit sich führt (British Museum, RNr. 1871,1209.4949). 80 So verteidigt die im März 1793 erschienene kolorierte Radierung »Dumouriez und ein Holländer« (British Museum, RNr.  1925,0701.44) die Regierung des Hauses Oranien  : Während General Dumouriez mit der Freiheitsmütze in der Hand »Freiheit, guter Holländer … Höre, wie ich für Freiheit plädiere« äußert, entgegnet der Holländer »Hinweg räuberischer Franzose … Ihre Rede ist bloß französische Rhetorik, das Haus Oranien ist mein Leben«. 81 Die 20 von dem Züricher Schriftsteller und Graphiker David Hess 1796 in London unter dem Titel »Hollandia Regenerata« publizierten antirevolutionären Karikaturen (British Museum, RNr. 1851,0901.1311-1851,0901. 1330) sind nur scheinbar eine Ausnahme. Zwar verweist der Titel auf die Niederlande, zwar war Hess als Mitglied der niederländischen Schweizer Garde vor den Franzosen nach England geflohen, seine Graphikfolge befasste sich jedoch nicht explizit mit der niederländischen politischen Entwicklung. Seine teils derbe Bildsprache, etwa bei seiner Kritik an der Verfassunggebung, diskreditiert die Ideale und die Symbolik der Französischen Revolution. Das Titelblatt mit der Überschrift »Dansons la Camagnole  ! Vive le Son  ! Vive le Son  !« zeigt mit einem Affen auf einem Freiheitsbaum und der Jakobinermütze in Form einer Narrenkappe an dessen Spitze die auch sonst in der Schweiz oder in Deutschland übliche Ablehnung der Freiheitsbaumsymbolik (zu dieser Graphikfolge ausführlich Wolfgang Cilleßen, »Holland herboren – Europa in nood«. Die Holandia regenerata des David Hess und ihre europäische Rezeption, in  : Alberto Milano [Hg.], Commercio delle stampe e diffusione della immagini nei secoli XVIII e XIX, 2008, S. 333 ff.). 82 Zu ihr oben Kap. 2.3.2. 83 Auf dessen Druck unter dem Titel »De wakkre Franschen en manhaste Batavieren« (British Museum, RNr. 1871,1209.4951) sind die französischen Soldaten deutlich in der Mehrheit, womit der Künstler möglicherweise unbewusst dem politischen Kräfteverhältnis in den Niederlanden Rechnung tragen wollte. 84 Verwiesen sei nur auf W. H. van Bork, Le Triomphe de la Liberté sur les Despotes dédié au Peuple Batave (British Museum, RNr. 1871,1209.4952)  ; Vryheid en Gelykheid, 1795 (Prometheus-Bildarchiv)  ; Gelykheid, 1795 (Prometheus-Bildarchiv)  ; Vryheid, Gelykheid, en Broedershap, 1795 (PrometheusBildarchiv)  ; De Vryheid, 1795 (Prometheus-Bildarchiv). 85 So etwa auf einer Graphik des Johannes Christian Bendorp mit einer Vrijheid, die eine Erklärung der Menschenrechte in der Hand hält, während ein Blitz aus dunklen Wolken den Despotismus niederstreckt (Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. RP-P-OB-86.486)  ; eine weitere, von Jacobus van Meurs geschaffene Graphik mit der Freiheits-, Gleichheits- und Brüderlichkeitssymbolik als Umrahmung des Textes der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1795 ist unter dem Titel »De Rechten van den mensch en burger« in Gallica einsehbar. 86 Eine sehr ähnliche Symbolik verwendete der Künstler auch auf einer weiteren Graphik zur niederländisch-französischen Allianz (Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. RP-P-OB-86.576). 87 Privates Bildarchiv des Verfassers. 88 Zum Streit um die Verfassung  : Schama, Patriots, S. 245 ff.

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4. Die Rezeption der französischen Freiheits- und Verfassungssymbolik

  89 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. RP-P-OB-86.633.  90 M. Wilp, Das politische System der Niederlande, 2012, S. 15.   91 Nur das von Theodoor Koning und Jan Bulthuis gestaltete Frontispiz zur deutschen Ausgabe mit dem Titel »Constitutions-Acte für die Batavische Republik« von 1798 gedachte der neuen Verfassung  : Vor einem Freiheitstempel im Hintergrund errichten Minerva und die Gerechtigkeit die Verfassungssäule, daneben sitzt die Vrijheid mit Freiheitshut, unter ihren Füßen liegt eine zerbrochene Säule mit der Aufschrift »alte Constitution« (Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. RP-P-OB-77.586).  92 Schama, Patriots, S. 647 ff.   93 Vgl. Horst Lademacher, Geschichte der Niederlande, 1994, S. 225 ff., zum Desinteresse der Niederländer an Verfassungsfragen.   94 Hierzu bei Abb. 160.   95 Siehe zum Folgenden Reichardt, Blut der Freiheit, S.  315 ff.; Rudolf Lill, Geschichte Italiens in der Neuzeit, 4. Aufl. 1988, S. 65 ff.   96 Vgl. die Abb. en in Giuseppina Benassati/Lauro Rossi (Hg.), L’Italia nella rivoluzione 1789–1799, 1990, S. 110 ff.  97 Reichardt, Blut der Freiheit, S. 323 ff.  98 Jean-Charles Benzaken, Iconographie des monnaies et médailles des républiques sœurs italiennes (1796-1802), in  : Annales historiques de la Révolution française, Nr. 289 (1992), S. 383 (408).   99 Zu den italienischen Verlagshäusern und ihren europäischen Vernetzungen siehe Christian-Marc Bos­ séno, La guerre des estampes. Circulation des images et des thèmes iconographiques dans l’Italie des années 1789–1799, in  : Mélanges de l’Ecole française de Rome, Italie et méditerranée, Bd. 102 (1990), S. 367 (376 ff.). 100 Abbildungen in  : Christian-Marc Bosséno/Christophe Dhoyen/Michel Vovelle, Immagini della libertà. L’Italia in rivoluzione, 1789–1799, 1988, S. 256–263. 101 Vgl. Abb. 79. 102 Hennin, Histoire numismatique, S.618, bezeichnet ihn als »habile graveur«, der eine große Zahl schöner Medaillen geschaffen habe. 103 So bereits Hennin, Histoire numismatique, S. 618. 104 Zu weiteren Medaillen mit dem Brutus-Dolch vgl. Benzaken, Iconographie, S. 397, 398, 399. 105 Beispiele bei Giovanni Spadolini, L’Italia repubblicana  : attraverso i simboli, i dipinti, le foto d’epoca e i documenti rivive una straordinaria storia per immagini dell’idea repubblicana, dalle repubbliche giacobine alla Repubblica italiana, 1988, S. 99, 101. 106 Napoleon wurde auch auf zwei französischen Medaillen als »l’italique« bezeichnet, der in Italien allein für den Frieden und für die Menschenrechte gekämpft habe (vgl. Hennin, Histoire numismatique, Nr. 815–817 mit Abb. und Erläuterungen). Diese von der Lyoner Kaufmannschaft in Auftrag gegebenen Medaillen zeugen von der sehr einseitigen französischen Propaganda zur Rechtfertigung der Eroberungskriege in Italien. 107 Christian-Marc Bosséno, Iconographie des fêtes révolutionnaires italiennes (1796–1799), in  : Michel Vovelle (Hg.), Les images de la Révolution française, 1988, S. 157 ff.; Abb. des Errichtens eines Freiheitsbaumes auf dem Kapitol in Rom in  : British Museum, RNr. 1861,1012.351. 108 Bosséno/Dhoyen/Vovelle, Immagini, S. 148 f. 109 So Bosséno/Dhoyen/Vovelle, Immagini, S. 175. 110 Abb. in  : Bosséno/Dhoyen/Vovelle, Immagini, S.159. 111 Siehe hierzu Bosséno, La guerre, S. 385 ff., mit Abb. Nr. 8, 10, 11, 12, 14. 112 Hierzu Spadolini, L’Italia, S. 15 ff. 113 Abb. in  : Bosséno/Dhoyen/Vovelle, Immagini, S. 228. 114 R. C., in  : Benassati/Rossi, L’Italia, S. 214.

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Anmerkungen

115 Abb. in  : Bosséno/Dhoyen/Vovelle, Immagini, S.  122 f.; weitere Graphiken zu diesem Thema und zur Verhöhnung der Aristokratie finden sich ebd., S. 124 ff. 116 Christophe Dhoyen, La Caricature contre-révolutionnaire italienne, in  : Michel Vovelle (Hg.), Les images de la Révolution française, 1988, S. 193 ff. 117 Abb. in  : Bosséno/Dhoyen/Vovelle, Immagini, S. 298 f., 306 f. 118 Abb. in  : Bosséno/Dhoyen/Vovelle, Immagini, S. 289, 296 f., 319. 119 Dieser Druck plagiiert in großen Teilen die 1795 anonym publizierte englische Graphik »The Philosopher Libertas Mounted on his Equal Setting out to Conquer the World« (British Museum, RNr.  1948,0214.420)  ; vgl. ferner die Abb. einer weiteren Variante mit einer vierten Person, British Museum, RNr. 1987,0516.27. 120 Titel nach Benassati/Rossi, L’Italia, S. 340. 121 Ähnliche Töne werden in einer Graphik von Felice Guascone mit dem Titel »Allegoria della Libertà« (Abb. in  : Bosséno/Dhoyen/Vovelle, Immagini, S. 170 f.) angeschlagen  : Im linken Drittel des Bildes ist zu sehen, wie Franzosen Säcke mit Gold füllen, wobei die Bevölkerung Abgaben zu leisten hat, während ein Bettler um Almosen bittet. Im Zentrum des Bildes steht auf einem Podest die Libertà mit Liktorenbündel und Freiheitsmütze auf einer Stange, im rechten Bilddrittel tanzt eine fröhliche Menge um eine große Stange mit roter Jakobinermütze. 122 So etwa auf dem Revers der Lire-Münzen der Ligurischen Republik von 1798 (vgl. Davenport Nr. 1371), auf dem Revers der Scudo-Münze der Römischen Republik (Davenport, Nr. 1486) oder auf dem Revers der 5-Lire-Münze der Subalpinischen Republik von 1801 (Davenport, Nr. 197)  ; ein Überblick über die Geldmünzen bei Benzaken, Iconographie, S. 392 ff. 5. Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie als Kontrapunkte der Verfassungs- und Freiheitssymbolik der Restaurationsepoche   1 Grundlegend zu den Strömungen und Schattierungen der konservativen und liberalen Staatslehre des Vormärz  : Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, 2. Bd., 1992, S. 121 ff., 156 ff.   2 Hierzu unter Kap. 3.10.  3 Jean-Marie Darnis, Bâtiments et Institutions, in  : Délégation à l’Action Artistique de la Ville de Paris (Hg.), L’Institut de France et la monnaie de Paris, 1990, S. 181 (224, 226).  4 Vgl. Peter Claus Hartmann, Französische Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 1985, S. 82 f.   5 Eine weitere Medaille auf Napoleons Verfassunggebung zeigt auf ihrem Revers die Tribüne vor der École Militaire, verweist unten auf die »constitution 1815« und steht unter dem Motto »fidélité et patrie« (Musée Carnavalet, Cabinet des médailles, Inv.-Nr. 6003).   6 Vgl. Les constitutions de la France 1791–1992, S. 73, Nr. 141 (ohne Abb.).  7 Jean-Pierre Collignon, La médaille française au XIXe siècle et l’histoire, 1989, Nr. 89.  8 Rolf Reichardt, L’imaginaire de la Constitution 1789 à 1830, in  : Natalie Scholz/Christina Schröer (Hg.), Représentation et pouvoir. La politique symbolique en France (1789–1830), 2007, S. 101 (110 ff.).   9 François Gerard (1770–1837) war einer der herausragenden und gesuchtesten Portraitisten der napoleonischen Ära und der beginnenden Restaurationsepoche. Er wurde in den Jahren der Französischen Revolution bekannt, schuf u. a. Napoleon-Bilder, wurde 1809 geadelt und war Hofmaler von Ludwig XVIII. 10 Abb. in  : Martin Wrede, Das Bild des restaurierten Königs oder die Inszenierung Ludwigs  XVIII., in  : Ronald G. Asch u. a. (Hg.), Die frühneuzeitliche Monarchie und ihr Erbe. Festschrift für Heinz Duchardt, 2003, S. 235 (236). 11 Wrede, Bild des restaurierten Königs, S. 238.

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5. Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

12 Wrede, Bild des restaurierten Königs, S. 258 (mit Abb.)  ; ähnlich auch der in Paris verlegte Stich des Brüsseler Portraitmalers und Graphikers Antoine-Alexandre Cardon mit dem royalistisch inspirierten Titel »Louis XVIII le désiré Roi de France« von 1816  : der König im Krönungsornat legt eine Hand auf den Text der charte constitutionnelle (Abb. in  : Gallica). 13 Zu dem Historien- und Portraitmaler F. J. Heim vgl. Encyclopaedia Britannica, 11. Aufl., Bd. 3, 1910, S. 213. 14 Les constitutions de la France 1791–1992, S. 69 f. 15 Mona Ozouf, Le Panthéon, in  : Pierre Nora (Hg.), Les lieux de mémoire, Bd. I, 1984, S. 139 ff.; Berry Bergdoll, Le Panthéon/Sainte-Geneviève au XIXe siècle. La monumentalité à l’épreuve des révolutions idéologiques, in  : Le Panthéon. Symbole des révolutions, 1989, S.  175 (194 ff. zum »Krieg der Symbole«). 16 Gérard Auguier, La Coupole du baron Gros, in  : Le Panthéon. Symbole des révolutions, 1989, S. 248 ff. 17 Wrede, Bild des restaurierten Königs, S. 259. 18 Zitiert nach Auguier, La Coupole, S. 251. 19 Wrede, Bild des restaurierten Königs, S. 257 (m. Nw.). 20 Wrede, Bild des restaurierten Königs, S. 259, Fn. 121 (unter Verweis auf BN, Cabinet des Estampes, M  107796 sowie auf weitere Einblattdrucke der Charte mit dem Portrait des Königs ebd., M  107 756-M 107 761  ; siehe auch  : Constitutions de la France 1791–1992, 1992, S. 67, Nr. 121). 21 Emanuel de Waresquiel/Benoit Yvert, Histoire de la Restauration 1814–1830. Naissance de la France moderne, 1996, S. 193 f., 198. 22 Zur Kritik der traditionalistischen Staatsphilosophie an der politischen Entwicklung siehe Thomas Würtenberger, Die Legitimität staatlicher Herrschaft, 1973, S. 133 ff. 23 Erschienen im Februar 1815 (so die Angabe in  : British Museum, RNr. 1861,1012.300)  ; die Zeitschrift wurde wegen ihrer beißenden Kritik an den restaurativen Tendenzen kurze Zeit später verboten. 24 Zum französischen Traditionalismus  : Dominique Bagge, Les idées politiques en France, 1952, S. 187 ff.; Würtenberger, Legitimität, S. 133 ff. 25 Vgl. etwa die Karikatur »L’Homme à deux faces où le Constitutionel et le Libéral« von 1819 (British Museum, RNr. 2003,0531.65). 26 Reichardt, L’imaginaire, S. 113. 27 Vgl. zur politischen Einordnung der Graphik Hubertus Fischer, Wer löscht das Licht  ? Europäische Karikatur und Alltagswelt, 1994, S. 107. 28 Die die Allmacht des Volkes repräsentierende Keule des Herkules war nicht nur in den Jahren der Französischen Revolution (vgl. bei Abb. 73), sondern auch 1830 ein beliebtes Symbol  : So beherrscht eine Liberté, die mit einer großen Keule zur Verteidigung der Charte den die Juliordonnanzen propagierenden reaktionären Kreisen entgegentritt, eine Graphik zum Thema »Ordonnances de Juillet 1830« (Prometheus-Bildarchiv). 29 Collignon, La médaille française, Nr. 912. 30 Collignon, La médaille française, Nr. 957. 31 Collignon, La médaille française, S. 192. 32 Eine wohl 1830 veröffentlichte Graphik unter dem Titel »La charte désormais sera une vérité« zitiert Art. 66, wonach die Charte und alle Rechte, die sie gewährt, dem Patriotismus, dem Mut der Nationalgarde und aller französischer Bürger anvertraut sind (vgl. die Abb. im Prometheus-Bildarchiv, dort allerdings mit der Jahreszahl 1850). 33 Michael Marrinan, Resistance, Revolution and the July Monarchy. Images to Inspire the Chamber of Deputies, in  : Oxford Art Journal, Bd.  3 (1980), S.  26 (34)  ; Marie-Claude Chaudonneret, Les représentations des événements et des hommes illustres de la Révolution française 1830 à 1848, in  : Michel Vovelle (Hg.), Les images de la Révolution française, 1998, S. 329 (330 f.). 34 Durch Medaillen wurde ein direkter Zusammenhang zwischen dem Bastillesturm des 14. Juli 1789

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Anmerkungen

und den revolutionären Ereignissen vom 27. bis 29. Juli 1830 in das öffentliche Bewusstsein gehoben (vgl. Collignon, La médaille française, Nr. 958). 35 Maurice Agulhon, Marianne au combat, 1979, S. 60 ff. 36 Vgl. hierzu und zum Folgenden Würtenberger, Legitimität, S. 155 ff. 37 Überblick bei Klaus Schrenk, Die republikanisch-demokratischen Tendenzen in der französischen Druckgraphik zwischen 1830 und 1852, 1976, S. 51 ff.; Elise K. Kenney/John M. Merriman, The Pear. French Graphic Arts in the Golden Age of Caricature, 1991. 38 Grandvilles Lithographie mit dem auf Lukas 3,17 bezugnehmenden Titel »Ich werde die Spreu vom Weizen trennen« zeigt eine monumentale Liberté mit Jakobinermütze, die über eine mit »France« beschriftete Erdkugel schreitet und einen flachen Korb hält, aus dem sie wie die Spreu Repräsentanten des juste milieu herausschüttelt  ; nur Louis Philippe kann sich gerade noch am Rand festhalten (Nr. 49 vom 6.10.1831, Tafel 38  ; Abb. in  : Gerd Unverfehrt [Hg.], La Caricature. Bildsatire in Frankreich 1830–1835, 1980, S. 86)  ; weitere Graphiken von Grandville in  : J. J. Grandville. Karikaturen und Zeichnungen. Ein Visionär der französischen Romantik, 2000, S. 91 ff. (Karikaturserie mit dem Titel »Grande Croisade contre la Liberté«) sowie S. 80, 81 (»La Chasse à la Liberté«). Charles Joseph Traviès des Villers schuf ein Blatt unter dem Titel »Es wäre einfacher, die Sonne aufzuhalten« (dt. Übersetzung des Verf.)  : Auf einem antiken Streitwagen, mit zwei Pferden bespannt, steht die streitbare Liberté mit einer Lanze, eine lange Reihe von Politikern der restaurativen Julimonarchie versucht vergeblich, die Fahrt der Freiheit anzuhalten (Abb. in  : Siegfried Kessemeier [Hg.], Ereigniskarikaturen. Geschichte in Spottbildern, 1983, S. 44). 39 Folgende Graphiken aus »La Caricature« seien genannt  : In Alexandre-Gabriel Decamps’ Lithographie »Die Freiheit am Pranger« (Nr. 13 vom 27.1.1831, Tafel 13) wird die Liberté für das Verbrechen der Revolte an den Tagen des 27., 28. und 29. Juli 1830 bestraft (Abb. bei Wolfgang Balzer, Der junge Daumier und seine Kampfgefährten. Politische Karikatur in Frankreich 1830 bis 1835, 1965, Tafel 6). Ebenfalls von Decamps stammt eine Lithographie mit der Liberté als kleines Mädchen, das munter voranschreitet, obwohl es von Vertretern der neuen Ordnung und auch dem allerdings eher zögerlichen Louis Philippe am Gängelband gehalten wird (Nr. 18 vom 5.3.1831, Tafel 36, Abb. in  : La Caricature. Bildsatire in Frankreich, S. 59). Auguste Bouquet zeigt unter dem Titel »Pauvre Liberté qu’elle queue« (Nr. 61 vom 29.12.1831, Tafel 124  ; Abb. in  : Kenney/Meriman, The Pear, S. 37), wie Louis Philippe den langen Zopf der Liberté in einem Friseursalon abschneidet, während diese nachdenklich auf die Jakobinermütze in ihren Händen blickt. 40 Vgl. z. B. Charles Philipons Graphik »La Charte est une vérité … donc la presse est parfaitement libre«, in  : La Caricature Nr. 56 vom 24.11.1831, Tafel 112 (Abb. bei Hans-Jürgen Lüsebrink/Rolf Reichardt, »Kauft schöne Bilder, Kupferstiche …«. Illustrierte Flugblätter und französisch-deutscher Kulturtransfer 1600–1830, 1996, S. 126)  ; dieses Blatt, das auch Vorlage für Kritik an der Zensurpolitik in Deutschland war (vgl. Remigius Brückmann (Hg.), Politische Karikaturen des Vormärz, 1984, Nr. 7), zeigt eine Druckerpresse mit einem durch Steine symbolisierten Berg von staatlichen Auflagen und Maßnahmen, die sie funktionsunfähig machen. 41 Siehe zu diesen Zeitschriften die Überblicke von Nelly Feuerhahn, Pathetisches und Pathos in Karikatur und satirischer Zeichnung nach der Julirevolution, in  : Albrecht Betz (Hg.), Französisches Pathos. Selbstdarstellung und Selbstinszenierung, 2003, S.  144 ff.; Ursula  E. Koch, Zwischen Narrenfreiheit und Zwangsjacke  : Das illustrierte französische Satire-Journal 1830–1881, in  : Rolf Reichardt (Hg.), Französische Presse und Pressekarikaturen 1789–1992, 1992, S.  32 ff.; Carla Schulz-Hoffmann, Zur Geschichte der illustrierten satirischen Zeitschrift, in  : Simplicissimus. Eine satirische Zeitschrift München 1896–1944, 1978, S.  23 ff.; vgl. zu »La Caricature« ferner die Kataloge Unverfehrt (Hg.), La Caricature. Bildsatire in Frankreich  ; Susanne Bosch-Abele, La Caricature (1830–1835). Katalog und Kommentar, 2 Bde., 1997  ; zu »Le Charivari« vgl. Ursula E. Koch/Pierre-Paul Sagave, Le Charivari. Die Geschichte einer Pariser Tageszeitung im Kampf um die Republik (1882–1882), 1984.

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5. Verfestigung oder Reform der konstitutionellen Monarchie

42 Daumier zeigte in einer in »Le Charivari« vom 5.5.1834 erschienenen Graphik, wie Louis Philippe in einer Jahrmarktbude mit einer Armbrust auf die Charte, die Liberté und den gallischen Hahn schießt. Die Charte hat bereits Schaden genommen, der Begleittext vermeldet  : Jeder Schuss ein Treffer. Daumier lehnt sich hier sehr deutlich an eine am 10.1.1833 in »La Caricature« erschienene Lithographie von Auguste Desperret an (Nr. 114, Tafel 237  ; Abb. und Kommentierung in Bosch-Abele, La Caricature, Bd. 1, S. 346 f. und Bd. 2, S. 773). 43 In der Graphik »La Métamorphose du roi Louis-Philippe en poire«. 44 Siehe Bosch-Abele, La Caricature, Bd. 1, S. 42, 44 und David S. Kerr, Caricature and French Political Culture. Charles Philipon and the Illustrated Press, 2000, S. 82 ff. zum Strafverfahren. – Das Motiv der zerplatzten Seifenblasen ist wiederholt verwendet worden, etwa in einer Graphik aus der Zeit der Französischen Revolution (Abb. 82) sowie in einer anonymen deutschen Karikatur von 1813/14 auf den Untergang des napoleonischen Systems (Abb. in  : Unverfehrt [Hg.], La Caricature. Bildsatire in Frankreich, S. 222). 45 Nach Philipons eigener Aussage soll es sich um Zusicherungen handeln, die Louis Philippe auf dem Höhepunkt der revolutionären Ereignisse im sogenannten »programme de l’Hotel de Ville« gemacht hatte (Kerr, Caricature, S. 81, Fn. 37). Louis Philippe allerdings bestritt, all diese Zusicherungen gegeben zu haben. 46 Louis Philippes Missachtung der Verfassung wurde später in der Lithographie »L’adoration du veau d’or« von Benjamin Roubaud in »Le Caricature« Nr. 191 vom 3.7.1834, Tafel 400 kritisiert (Abb. in  : Unverfehrt [Hg.], La Caricature. Bildsatire in Frankreich, S. 217). 47 Die Leiden der Freiheit wurden verschiedentlich in »La Caricature« thematisiert. So stellte Decamps in der Ausgabe vom 27.1.1831 (Tafel 26) die Liberté an einen Schandpfahl gebunden dar, an dessen Spitze eine Tafel verkündet  : »Urteil des Gerichts, das Françoise Liberté, 1790 in Paris geboren, zu Kaution und Brandmarkung mit den Buchstaben T. R. (königlicher Stempel) verurteilt für das Verbrechen der Revolte in den Tagen vom 27. bis 29. Juli 1830«. Mit der Nennung der Kaution und des Stempels wird gegen die Festlegung einer Kaution für politische Periodika und die Wiedereinführung der Stempelsteuer protestiert (vgl. Gerhard Schneider, Die Allegorie der Freiheit in der Caricature [1831–1834], in  : Raimund Rüthen/Ruth Jung/Gerhard Schneider [Hg.], Die Karikatur zwischen Republik und Zensur, 1991, S. 95 [mit Abb.]). 48 Klaus Lankheit, Die Leiden der Freiheit. Über einige »Karikaturen« aus der Julimonarchie, in  : La Caricature. Bildsatire in Frankreich, S. 15 (18)  ; Abbildungen beider Bilder ebd., S. 19. 49 »La Caricature«, Nr. 81 vom 17.5.1832, Tafel 163  ; zur Interpretation vgl. Bosch-Abele, La Caricature, Bd. 1, S. 258 f. 50 Auch sonst wurde Louis Philippe bisweilen als Judas, der die Freiheit verraten hat, symbolisiert  : In einer Lithographie eines unbekannten Künstlers in »La Caricature«, Nr. 97 vom 13.9.1832, Tafel 198 (Abb. in  : Unverfehrt [Hg.], La Caricature. Bildsatire in Frankreich, S. 149) gibt der Bürgerkönig der Liberté den Judaskuss, wobei van Dycks »Gefangennahme Christi« verfremdet wurde. 51 Bosch-Abele, La Caricature, Bd.1, S. 259. 52 Lankheit, Die Leiden der Freiheit, S. 20 ff.; vgl. weiter die Lithographie »Agonie der Freiheit am Ölberg« in »La Caricature« Nr. 91 vom 2.8.1832, Tafel 185 (Abb. in  : La Caricature. Bildsatire in Frankreich, S. 140). 53 Vgl. u. a. bei Abb. 77. 54 Delacroix habe sich hier, so wird behauptet, selbst dargestellt  ; er hielt sich an diesen Tagen zwar in Paris auf, nahm allerdings an den revolutionären Ereignissen nicht teil. 55 Vgl. zur revolutionärer Lichtikonographie des Bildes verbunden mit einer »allegorischen Nobilitierung einer vulgären Wirklichkeit« Jörg Traeger, Die Epiphanie auf der Barrikade. Zum Bild der Revolution bei Delacroix, in  : Bazon Brock/Achim Preiß (Hg.), Ikonographia. Anleitung zum Lesen von Bildern, 1990, S. 139 (141, 145).

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Anmerkungen

56 Zum historischen Hintergrund der Bildgestaltung vgl. George Heard Hamilton, The Iconographical Origins of Delacroix’s Liberty Leading the People, in  : Dorothy Eugenia Miner (Hg.), Studies in Art and Literature for Bella da Costa Greene, 1954, S. 55 ff. 57 Zitate aus Monika Wagner, Freiheitswunsch und Frauenbild. Veränderung der »Liberté« zwischen 1789 und 1830, in  : Inge Stephan/Sigrid Weigel (Hg.), Die Marseillaise der Weiber, 1989, S. 7, 8 sowie aus Schneider, Allegorie der Freiheit, S. 91. 58 Thomas Würtenberger, Von der Aufklärung zum Vormärz, in  : Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 1, 2004, § 2 Rn. 52. 59 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, S. 120. 60 In Baden wurde anders als in Bayern und in Württemberg keine offizielle Medaille auf die Landesverfassung von 1818 geprägt. Carl Wilhelm Doell hatte zwar eine Medaille gestaltet, der Entwurf wurde aber vom Großherzog abgelehnt. Seine persönlichen Vorbehalte gegen die neue Verfassung gingen so weit, dass er sie nicht zum Gegenstand der politischen Repräsentation machen wollte (Abb. der Privatprägung von Doell in  : Badisches Landesmuseum Karlsruhe [Hg.], 1848/49. Revolution der deutschen Demokraten in Baden, 1998, S. 60, Nr. 40). 61 Zur Rezeption französischer und englischer Ikonographie  : Remigius Brückmann, Fremde Federn. Nachahmung und Kopie englischer und französischer Vorbilder in der deutschen politischen Karikatur des Vormärz und von 1848/49, in  : Philippe Kaenel/Rolf Reichardt (Hg.), Interkulturelle Kommunikation in der europäischen Druckgrafik im 18. und 19.  Jahrhundert, 2007, S.  497 ff. (mit der zu einseitigen These, die deutsche politische Ikonographie habe sich fast vollständig an französische und englische Vorbilder angelehnt). 62 Zu Leben und Werk dieses Münchener Historienmalers und Graphikers  : Friedrich Pecht, Monten, Dietrich, in  : Allgemeine Deutsche Biographie, 1885, S. 189 f. 63 Siehe zur Abweichung des Bildes vom historischen Geschehen Holger Schulten, Der »Wittelsbacher«Zyklus in den Hofarkaden München, 2006, S. 40 ff., abrufbar unter http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/ artdok/volltexte/2006/151 [abgerufen am 24.01.2017]. 64 Monika Wagner, Allegorie und Geschichte. Ausstattungsprogramme öffentlicher Gebäude des 19. Jahrhunderts in Deutschland, 1989, S. 79 ff. 65 Vgl. hierzu Walter Grube, Der Stuttgarter Landtag 1457–1957, 1957, S. 497 ff. 66 Joachim Gerner, Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung im Spiegel der Quellen, 1989, S. 486, 493  ; Thomas Würtenberger, Die Idee der paktierten Verfassung in der Neuzeit bis zum 19. Jahrhundert, in  : Okko Behrends/Christian Starck (Hg.), Gesetz und Vertrag I, 2004, S. 107 (114 f.)  ; Rolf Grawert, Der württembergische Verfassungsstreit 1815–1819, in  : Christoph Jamme/Otto Pöggeler (Hg.), »O Fürstin der Heimath  ! Glückliches Stuttgart«, 1988, S. 126 ff. 67 Privates Bildarchiv des Verfassers. 68 Siehe zum Ganzen Ewald Grothe, Verfassungsgebung und Verfassungskonflikt. Das Kurfürstentum Hessen in der ersten Ära Hassenpflug 1830–1837, 1996, S. 32 ff. 69 Zu dieser Lithographie vgl. Lothar Gall (Hg.),1848. Aufbruch zur Freiheit, 1998, S. 62. 70 Privates Bildarchiv des Verfassers. 71 Privates Bildarchiv des Verfassers. 72 John S. Davenport, German Talers since 1800, 1949, Nr. 869. 73 Vgl. Wilhelm Storcks Karikatur auf die Nichtgewährung der versprochenen Verfassung (Abb. bei Gisold Lammel, Deutsche Karikaturen, 1995, S. 166). 74 Auf die sächsische Verfassung wurde 1831 ebenfalls ein Silbertaler geprägt (Davenport, Nr. 869). 75 Ebenfalls 1818 prägte der königliche bayerische Hofgraveur Neuss eine Minitaturmedaille auf die bayerische Verfassung. Auf der Rückseite steht »Konstitution« auf einem ausgerollten Blatt mit Krone. Außerdem widmeten die Stände dem bayerischen König am ersten Jahrestag des Inkrafttretens der

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Verfassung eine Medaille mit folgendem Text auf der Rückseite  : »Dem Geber der Verfassung Baierns dankbare Stände XXVI Mai MDCCCXIX« (beide Medaillen im privaten Bildarchiv des Verfassers). 76 Siehe zu diesem Verfassungstaler Friedrich Kobler, »Charta magna Bavariae«, in  : Hubert Glaser (Hg.), Krone und Verfassung. König Max I. Joseph und der neue Staat, Bd. 3/1, 1980, S. 114 ff. 77 Siehe hierzu Kobler, ebd., S. 115. 78 Abb. bei Kobler, ebd., Tafeln 17–20. 79 Siehe zu diesem Denkmal und seinen Reliefs Barbara Eschenburg, Die Reliefs am Max-Joseph-Denkmal  : Darstellung eines neuen Goldenen Zeitalters, in  : Hans-Ernst Mittig/Volker Plagemann (Hg.), Denkmäler im 19. Jahrhundert. Deutung und Kritik, 1972, S. 49 ff. (mit Abb.). 80 Vgl. zum Folgenden Peter Engels, Kleine Geschichte eines großen Denkmals. Das Ludewigsmonument in Darmstadt, 2006. 81 Engels, ebd., S. 16. 82 Zur Unmöglichkeit, die Verfassungsrolle vom Boden aus zu erkennen  : Engels, ebd., S. 17. 83 Siehe hierzu und zum Folgenden Gerlinde Brandenburger u. a., Denkmäler, Brunnen und Freiplastiken in Karlsruhe 1715–1945, 1987, S. 190 ff. 84 Abbildungen des Denkmals bei Brandenburger, ebd., S.  193, 194. Der Entwurf für das Monument stammte von Friedrich Weinbrenner. 85 Ein weiteres Beispiel für ein Fürstenmonument, das einen Verfassungsbezug aufweist, ist die aus Anlass des 25. Regierungsjubiläums von König Wilhelm I. entstandene, 1846 vollendete Stuttgarter Jubiläumssäule. Sie trägt auf ihrem Sockel ein Relief, das die Eidesleistung der Stände auf die Verfassung von 1819 darstellt (siehe hierzu Markus Dewald, Das Bedürfnis nach Erinnerung – Die Stuttgarter Jubiläumssäule, in  : Schwäbische Heimat 2006, S. 401 ff. mit Abb.). 86 Siehe zu dessen Einsatz für den Konstitutionalismus Victor Metzner, Franz Erwein von Schönborn und seine Bedeutung als Bauherr in Gaibach, Standesherr und deutscher Patriot, in  : Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst, Bd. 57 (2005), S. 220 (225 f.). 87 In diesem befinden sich Tafeln mit Inschriften wie etwa »Gleiches Recht der Eingeborenen zu allen Graden des Staatsdienstes« (Abb. in  : Wikimedia Commons unter Schloss Gaibach). 88 Karl Möckl, Der moderne bayerische Staat, 1979, S. 94, Fn. 21. 89 Walter Grasser, Bayerische Geschichtstaler, 1982, S. 47. 90 Zitat nach Katherina Weigand, Gaibach. Eine Jubelfeier für die bayerische Verfassung von 1818  ?, in  : Alois Schmid/Katherina Weigand (Hg.), Schauplätze der Geschichte in Bayern, 2003, S. 302. 91 Hierzu Grasser, Geschichtstaler, S. 45 ff. 92 Grasser, Geschichtstaler, S. 48. 93 Vgl. zum Folgenden Max Domarus, Bürgermeister Behr. Ein Kämpfer für den Rechtsstaat, 3. Aufl., 1985  ; Ulrich Wagner, Wilhelm Joseph Behr. Eine biographische Skizze, in  : ders. (Hg.), Wilhelm Joseph Behr. Dokumentation zu Leben und Werk eines Würzburger Demokraten, 1985  ; Weigand, Gaibach, S. 304 ff.; Reinhard Blänkner, Der Vorrang der Verfassung, in  : ders./Bernhard Jussen (Hg.), Institutionen und Ereignis, 1998, S. 295 (322 ff.). 94 So etwa die Errichtung von Freiheitsbäumen in Rheinbayern  ; vgl. hierzu und zu den folgenden Gerichtsverfahren Jürgen Hannig, Vom Eigensinn der Freiheitsbäume. Frühliberale Bewegung und Volkskultur zur Zeit des Hambacher Festes 1832, in  : Richard van Dülmen (Hg.), Arbeit, Frömmigkeit und Eigensinn, 1990, S. 171 ff. 95 Weigand, Gaibach, S. 306. 96 Wagner, Wilhelm Joseph Behr, S. 50. 97 Vgl. das bei Wagner, Wilhelm Joseph Behr, S.  186 ff., abgedruckte Urteil des Appellationsgerichts Landshut vom 18.9.1835  ; von dem ebenfalls angeklagten Vorwurf der Majestätsbeleidigung zweiten Grades begangen durch die in Gaibach erfolgte Verbreitung einer Adresse an den König mit der Auf-

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Anmerkungen

forderung, die Verfassung im Wege eines Vertrages zwischen Fürst und Volk zu revidieren, wurde Behr hingegen freigesprochen.   98 Danach durfte Behr unter Polizeiaufsicht in Passau wohnen, bevor ihm 1847 nach mehreren vergeblichen Gnadengesuchen der Strafrest erlassen wurde  ; 1848 wurde er im Zuge der Revolution wie andere politisch Verfolgte rehabilitiert.  99 Heinz Gollwitzer, Ludwig  I. von Bayern, 1986, S.  448. Siehe zu Ludwigs sich wandelndem Verfassungsverständnis Andreas Kraus, Die Regierungszeit Ludwigs I. (1825–1848), in  : Max Spindler (Begr.)/ Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. IV/1, 2003, S. 134 ff. 100 Weigand, Gaibach, S. 308 (Zitat ebd.). 101 Vgl. zu diesem hinsichtlich der Gesamtteilnehmerzahl größten politischen Fest des Vormärz und »Höhepunkt des badischen Verfassungspatriotismus« Paul Nolte, Die badischen Verfassungsfeste im Vormärz, in  : Manfred Hettling/Paul Nolte (Hg.), Bürgerliche Feste. Symbolische Formen politischen Handelns im 19.  Jahrhundert, 1993, S.  63 ff.; Bernhard Wien, Politische Feste und Feiern in Baden 1814–1850, 2001, S. 30 f., 125 ff. (Zitat ebd., S. 125). 102 Siehe zum bürgerschaftlichen Charakter des Festes Wien, Politische Feste, S. 126 ff.; zur ambivalenten Haltung der Behörden vgl. ebd., S. 136 ff. 103 Nolte, Die badischen Verfassungsfeste, S. 63, 71 f. 104 Siehe hierzu und zum Folgenden Nolte, ebd., S. 73. 105 Wien, Politische Feste, S. 156. 106 Weitere dauerhafte, an die sächsische Verfassung von 1831 erinnernde Verfassungsdenkmäler existieren in Zittau (Abb. unter http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/84/Konstit.jpg [abgerufen am  : 11.01.2017]) und in Lieblingstal in der Sächsischen Schweiz (siehe hierzu http://www. quandt-verein.de/konstitutionssaule.html [abgerufen am  : 11.01.2017]). 107 So der Bericht in der Oberrheinischen Zeitung Nr. 239 (S. 1225) vom 30.8.1843. 108 Vgl. ebd. sowie die Darstellung in  : Karl Mathy (Hg.), Die Verfassungsfeier in Baden am 22. August 1843, 1843, S. 182 ff. 109 Die Reden sind wiedergegeben bei Mathy, Verfassungsfeier. 110 Zu den Karikaturen des Vormärz vgl. den Ausstellungskatalog Politische Karikaturen des Vormärz (1815–1848)  ; Lammel, Deutsche Karikaturen, S. 156 ff.; Remigius Brückmann, Fremde Federn. Nachahmung und Kopie englischer und französischer Vorbilder in der deutschen politischen Karikatur des Vormärz und von 1848/49, in  : Philippe Kaenel/Rolf Reichardt (Hg.), Interkulturelle Kommunikation in der europäischen Druckgrafik im 18. und 19. Jahrhundert, 2007, S. 497 ff. Zu den nicht eben zahlreichen Karikaturen auf die Karlsbader Beschlüsse vgl. etwa die Radierung »Der Denker-Club« (Abb. in  : 1848/49. Revolution der deutschen Demokraten, S. 179, Nr. 208)  : Eine Reihe von Personen sitzt an einem Tisch, der Vorsitzende gestikuliert, die anderen sind eher nachdenklich. Alle tragen eine Art Maulkorb. Über dieser Darstellung ist die Frage dieser Sitzung formuliert  : »Wie lange möchte uns das Denken wohl noch erlaubt sein  ?«. 111 Seine Graphiken »Der Zeitgeist« und der »Anti-Zeitgeist« waren offensichtlich so einprägsam und weitverbreitet, dass sie selbst auf Pfeifenköpfen reproduziert wurden (Abb. in  : Prometheus-Bildarchiv). 112 Aus der Bildpublizistik sei etwa die Karikatur »Geist der Zeit« des Schweizers David Hess genannt, die sich vehement gegen liberale Reformen wandte (Abb. in  : Museum der Kulturen Basel u. a. [Hg.], Basel 1798. Vive la République Helvétique, 1998, S. 149). 113 Zur konservativen Reaktion gegen eine fortschrittliche Rechtspolitik im Namen des Zeitgeistes Tho­ mas Würtenberger, Zeitgeist und Recht, 2. Aufl. 1991, S. 56 ff., 68 ff. 114 Würtenberger, ebd., S. 83 ff. (m. Nw.). 115 Zur Kontroverse um Art.  13 der Bundesakte vgl. etwa Friedrich von Gentz, Über den Unterschied zwischen den landständischen und repräsentativen Verfassungen, in  : Carl von Welcker (Hg.), Wichtige Urkunden über den Rechtszustand der deutschen Nation, 1844, S. 220 ff.; Stolleis, Geschichte des

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öffentlichen Rechts, S. 79, 146  ; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. V  : Die geschichtlichen Grundlagen, 1999, S. 211 ff. 116 Ebenso ambivalent ist die dem Schweizer Karikaturisten Martin Disteli zugeschriebene Graphik »Zeitgeist« (um 1830/31, Abb. in  : Prometheus-Bildarchiv). Matthäus’ Bericht über die Taufe Christi  : »DiesZ ist mEin gelIebTer Sohn, an dem ich mein WohlGefallen habE, EvangelIST Matthaeus C. III V. XIIV« als erläuternder Text unter der Graphik verweist über die Großbuchstaben darauf, dass es dem Künstler um den »ZEITGEIST« geht, vermag jedoch den Kampf zwischen den finsteren Kräften der Reaktion und der Lichtgestalt liberaler politischer Ordnung kaum zu erklären. Auf der rechten Seite treibt das Ungeheuer der »Restauration« eine wüste Schar reaktionärer Kräfte voran, u. a. repräsentiert durch eine Kanone mit der Aufschrift »Inquisition« und mit dem Papst mit den Schlüsseln Petri als Kanonier sowie durch ein mit »Constitution« beschriftetes Blatt, was als Kritik an der reaktionären konstitutionellen Monarchie zu verstehen ist. Auf der linken Seite steht in den Strahlen einer aufgehenden Sonne eine geflügelte Lichtgestalt mit erhobenem Schwert und mit einem Schild, auf dem in Anlehnung an Römer 13, 12 geschrieben steht  : »Der Tag bricht an, hinweg mit den Werken der Finsternis.« Der für seine antiklerikalen Karikaturen bekannte Schweizer Künstler kritisierte offensichtlich, dass sich reaktionäre, aber auch liberale politische Kräfte zur Verteidigung ihrer Standpunkte auf die religiöse Offenbarung zu berufen suchten. 117 So Frazer Stephen Clark, Zeitgeist und Zerrbild, 2006, S. 91 f.; anders Lammel, Deutsche Karikaturen, S. 158 f. (mit einer fehlerhaften Zuordnung des Art. 13 der Bundesakte). 118 Für die These der Vorausahnung einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Reaktion und liberalem Lager spricht, dass Voltz in seinem Blatt »Der Anti-Zeitgeist« die Sicht der Liberalen auf die gewaltsame Unterdrückung aufgeklärter politischer Ideen durch die Reaktion wiedergibt. Die eselsköpfig dargestellte Aristokratie mit einem mit »uralte Rechte« betitelten Buch unter dem Arm als Sinnbild der feudalen Reaktion tritt auf Jakobinermützen, das Licht der Aufklärung und die Waage der Gerechtigkeit  ; sie hält in ihrer Hand einen Falken, der im Licht der aufgehenden Sonne auf einen den neuen Zeitgeist symbolisierenden Vogelschwarm Jagd machen soll (Abb. und Beschreibung bei Fischer, Wer löscht das Licht  ?, S. 142 ff.). 119 Vgl. zu von Itzsteins diesbezüglicher parlamentarischer Tätigkeit Josef Rosskopf, Johann Adam von Itzstein. Ein Beitrag zur Geschichte des badischen Liberalismus, masch. Diss. Univ. Mainz 1954, S. 21 f., 48 ff. 120 Zu den Freiheitsrechten im Denken von Itzsteins vgl. Rosskopf, ebd., S. 86 ff. 121 Vgl. hierzu Rosskopf, ebd., S. 76 ff. 122 Hierzu und zum Folgenden Wien, Politische Feste, S. 182 ff.; Volker Steck, in  : 1848/49. Revolution der deutschen Demokraten, S. 68. 123 Zitiert bei Birgit Bublies-Godau, Johann Adam von Itzstein (1775–1855), in  : Walter Schmidt (Hg.), Akteure eines Umbruchs. Männer und Frauen der Revolution von 1848/49, Bd. 3, 2010, S. 322. 124 Vgl. zu dieser Graphik Peter Dittmar, in  : Ausstellungskatalog Hambacher Fest 1832, 5. Aufl., 1990, S. 175 ff.; Lammel, Deutsche Karikaturen, S. 42 ff. 125 Dieser Kampf der alten mit der neuen Zeit war im Vormärz ein beliebtes Bildmotiv  ; zu einem anonymen Berliner Stich zur politischen Situation in Europa im Jahr 1822 vgl. Fischer, Wer löscht das Licht  ?, S. 160 ff. 126 So Dittmar, in  : Ausstellungskatalog, S. 175. 127 Vgl. zur polizeilichen Verhinderung des Verkaufs dieses Blattes auf Volksfesten Dittmar, in  : Ausstellungskatalog, S. 176. 128 P. J. A. von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, 1821, S. 8  ; Würtenberger, Zeitgeist, S. 37 (zum an der Idee der Volkssouveränität und Repräsentativverfassung orientierten neuen demokratischen Bewusstsein). 129 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, S. 100.

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Anmerkungen

130 Stolleis, ebd., S. 185  ; zu den Formen konstitutioneller Verfassungskultur  : Reinhard Blänker, Der Vorrang der Verfassung, in  : ders./Bernhard Jussen (Hg.), Institutionen und Ereignis. Über historische Praktiken und Vorstellungen gesellschaftlicher Ordnung, 1998, S. 295 (316 ff.). 131 Die deutschen Satiremagazine sollten erst in der Revolution 1848/49 ein eigenständiges politisches Profil entwickeln, worauf im nächsten Kapitel zurückzukommen ist. 6. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49  1 Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, 2. Bd., 1992, S. 269 ff. (m. Nw.).   2 Die Furcht vor einer sozialistischen Republik wurde in Deutschland erst anfangs der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts in der Bildpublizistik angesprochen. Um nur ein Beispiel zu nennen  : Die Graphik »Das rote Gespenst des Jahres 1852« (in  : Kladderadatsch, Ausgabe vom 22.6.1852, S. 100) zeigt eine Vogelscheuche mit Jakobinermütze und Kokarde, die von einer Personengruppe verspottet wird, während sie eine andere Gruppe in Furcht und Schrecken versetzt. Nach Friedrich Wendel (Der Sozialismus in der Karikatur, 1924, S. 54 f.) wurde nur die »erlauchte Gesellschaft von Fürsten und Diplomaten« von der Karikatur des roten Gespenstes in Schrecken versetzt, während ein selbstsicheres Bürgertum, die andere Gruppe, für die kommunistischen Umtriebe nur Spott übrig hatte – eine etwas einseitige Sicht auf bürgerliche Befürchtungen gegenüber Sozialismus und Kommunismus.  3 Ronald Gosselin, Inspiration Revolution. Die Französische Revolution und ihr Echo in den republikanischen Almanachen der Zweiten Republik, in  : Gudrun Gersmann/Hubertus Kohle (Hg.), Frankreich 1848-1851. Die Französische Revolution in der Erinnerungskultur des Zweiten Kaiserreiches, 1998, S. 59 (65).  4 Elisabeth Liris, Le symbolisme révolutionnaire, in  : Michel Vovelle (Hg.), L’Etat de la France pendant la Révolution (1789–1799), 1988, S. 170.   5 Als Beispiel sei genannt das Revers einer Medaille von 1848, das eine stehende Liberté mit der phrygischen Mütze auf einer Stange und mit einem Schwert in der Hand zeigt, links daneben befindet sich eine Setzwaage, rechts nochmals eine phrygische Mütze und dazu als Text die Losung der Revolution von 1789  : »vivre libre ou mourir«. Der Avers spricht von einem »guerre aux tyrans« und fordert  : »les hommes sont égaux devant la loi« (privates Bildarchiv des Verfassers).   6 Zu diesem Symbol auf Medaillen siehe die Abb. in  : Jean-Pierre Collignon, Médailles politiques et satiriques, décorations et insignes de la deuxième République française 1848–1852, 1984, auf den Tafeln 1848-56 Nr. 1277, 1290, 1292, 1848-12-A Nr. 416 ter, 1849-7 Nr. 64, 68, 1849-10 Nr. 108   7 Privates Bildarchiv des Verfassers.  8 Neben den überkommenen Sinnbildern der Freiheit waren im kollektiven Bewusstsein die Verfassungssymbole der Französischen Revolution gleichermaßen nach wie vor präsent. Ebenso war man sich weitgehend darin einig, dass die neue Verfassung an das breite Spektrum der Verfassunggebung in der Französischen Revolution anzuknüpfen hatte. So sieht man auf einer großformatigen Lithographie aus dem Oktober 1848 den Rest eines abgestorbenen Baumstammes mit den Revolutionsverfassungen, aus dem eine Personifizierung Frankreichs mit einer neuen, nunmehr republikanischen Verfassung emporwächst.   9 Zu erkennen ist allein Adolphe Thiers, der erschreckt der Republik entgegenblickt. Er war bis zu seinem Sturz im Jahr 1840 einer der wichtigsten Minister der Julimonarchie und in der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 1848 mit der Bildung einer neuen Regierung gescheitert. 10 Raymond Escholier, Daumier, peintre et lithographe, 1923, S. 65. 11 Jean-Pierre Collignon, Médailles politiques et satiriques, décorations et insignes de la 2e  République française 1848-1852, 1984, Nr. 47, 50, 53, 56, 59, 62 etc.

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6. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

12 Vergleichbare symbolhafte Darstellungen finden sich in den verschiedenen republikanischen Almanachen und in Flugschriften oder auf Einblattdrucken (Gosselin, Revolution, S. 67). 13 Zur »République sociale« vgl. Marcel David, La République, in  : Jean Bart (Hg.), La constitution du 4 novembre 1848. L’ambition d’une république démocratique, 2000, S. 268 f.; zur Propaganda für und gegen die sozialistische Republik siehe Raimund Rütten, Republik im Exil. Frankreich 1848 bis 1851  : Marie Cécile Goldsmid  – Citoyenne und Künstlerin  – im Kampf um eine »République universelle démocratique et sociale«, 2012, S. 47 ff., 177 ff. 14 Rolf Reichardt, »Les Formes acerbes«. Zum Bilderkampf um republikanische Gewalt in Frankreich (1793–1872), in  : Frank Becker u. a. (Hg.), Politische Gewalt in der Moderne, 2003, S. 26 f. 15 Ebd. (mit Abb.S. 34). 16 Siehe hierzu Michaele Siebe, Von der Revolution zum nationalen Feindbild. Frankreich und Deutschland in der politischen Karikatur des 19. Jahrhunderts, 1995, S. 45 ff.; ausführlich zu den verschiedenen Entwürfen zur Symbolisierung der Republik dies., La Figure de la République. Le concours de 1848, 1987, S. 35 ff. 17 Hierzu Kap. 3.6.3 mit Abb. 117, 118, 120. 18 Patrioty, République dont les honnêtes gens ne veulent pas (Gallica)  ; zur Interpretation Rütten, Republik im Exil, S. 191 f. 19 Diese Republik der ehrbaren Leute (»honnetes gens«) wurde vom politischen Gegner natürlich deutliche kritsiert. Ihr wurde u. a. auf einer Zinnmedaille vom Juli 1848 vorgeworfen, sie habe die Notsituation des Ausnahmezustandes heraufbeschworen und zudem eine große Zahl von Aufständischen verbannt (privates Bildarchiv des Verfassers). 20 So Rolf Reichardt, Expressivität und Wiederholung  : Bildsprachliche Erinnerungsstrategien in der Revolutionsgraphik nach 1789, in  : Astrid Erll/Ansgar Nünning (Hg.), Medien des kollektiven Gedächtnisses, 2004, S.  127 (138)  ; nach Siebe, Revolution, S.  47 f., ist hier Louis Napoléon zu sehen. Eine dritte Möglichkeit ist, dass es sich um den Kommandanten der Pariser Nationalgarde Changarnier handelt, der am 13.6.1849 in Paris einen Aufstand radikaler Republikaner niedergeschlagen hat (so Rütten, Republik im Exil, S. 196, der hinter dem »C« auf der Keule noch ein »r« zu erkennen meint, was jedoch kaum nachvollziehbar ist. Vgl. zum Aufstand und zur Rolle Changarniers Bernhard H. Moss, June  13, 1849  : The Abortive Uprising of French Radicalism, in  : French Historical Studies, Bd.  13 [1984], S. 390 ff.). 21 Vgl. zur Biographie Rütten, Republik im Exil, passim. 22 Optisch besonders deutlich ist dies im ersten Druck des Zyklus der Fall  : Er wird beherrscht von einem nicht enden wollenden Zug von Republikanern, die Flaggen ihrer zahllosen Heimatländer präsentieren (Abb. in  : Rütten, Republik im Exil, S. 75). 23 Zum Folgenden Rütten, Republik im Exil, S. 91 ff. 24 Gemeint ist Godefroi Cavaignac, der Kämpfer für ein republikanisches Frankreich, nicht sein bereits erwähnter Bruder Eugene Cavaignac (Abb. 187), der den Juniaufstand blutig niedergeschlagen hatte und im Dezember 1848 bei den Präsidentschaftswahlen Napoleon III. unterlegen ist. 25 Rütten, Republik im Exil, S. 28 f. (mit Abb.). 26 Vgl. zur »Association pour la propagande démocratique et sociale«, die in einem ganz Frankreich umfassenden Netzwerk, dem auch Goldsmid angehörte, organisiert war, Rütten, Republik im Exil, S. 47 ff., 58 ff. 27 Eine Variante dieser Graphik wird bei Rütten, Republik im Exil, S. 99 ff., behandelt  ; vgl. ferner im Prometheus-Bildarchiv die thematisch ähnlichen Blätter »La République faisant le tour de Monde«, »La Justice, la République & la Paix faisant le tour du Monde« und »Allégorie de la République. La Liberté, l’Égalité et la Fraternité, sur leur Char triomphant, Faisant le tour de Monde, Régénéreront toutes les Nations de la Terre«. 28 Der Wahre Jacob, 1898, Illustrierte Unterhaltungsbeilage, S. 2677.

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Anmerkungen

29 Privates Bildarchiv des Verfassers. Der Dolch rahmt auf der Vorderseite der Medaille gemeinsam mit einem Beil eine phrygische Mütze ein. Die Rückseite enthält die Inschrift »L’ass[emblée] nat[iona]le est dissoute. Chef du nouveau pouvoir Barbès«. 30 Collignon, Médailles politiques, Série lilloise, Nr. 54. Den Avers der Medaille zieren neben dem Dolch eine bourbonische Lilie und ein Kreuz unter zwei phrygischen Mützen. Das Ganze ist umrahmt von der Umschrift »L’union fait la force République Blanche et Rouge«. Auf dem Revers steht in der Umschrift »Elections municipales de Lille 30 juillet 1848« die Inschrift »Alliance des républicains rouges et des légitimistes«. 31 Zur Bankettbewegung vgl. Vincent Robert, Le temps des banquets. Politique et symbolique d’une génération (1818–1848), 2010, S. 293 ff., 367 ff. 32 Maurice Agulhon, Von der Republik zum Vaterland, in  : Marie-Louise von Plessen (Hg.), Marianne und Germania 1789–1889, 1996, S. 17 (19). 33 Siehe hierzu Marie-Claude Chaudonneret, Das Bild der Französischen Republik 1792–1889, in  : MarieLouise von Plessen (Hg.), Marianne und Germania 1789–1889, 1996, S. 23 (26 f.). 34 Vgl. zu dieser Darstellung Siebe, Revolution, S. 49 ff. mit Abb. S. 50  ; Raimund Rütten, Die Verstümmelung der Republik und das Verstummen des Republikanismus im satirischen Diskurs des Charivari der Jahre 1848–1849, in  : ders. u. a. (Hg.), Die Karikatur zwischen Republik und Zensur, 1991, S. 231 (251 f.). 35 Agulhon, Von der Republik, S. 20. 36 Dass die Aufhebung der Nationalwerkstätten, die der arbeitslosen Bevölkerung Beschäftigungsmöglichkeiten bieten sollten, Auslöser dieses Aufstandes war, wurde in einer Vielzahl von Medaillen thematisiert (siehe Collignon, Médailles politiques, Nr. 442 ff.). 37 Collignon, Médailles politiques, Nr. 832–840. 38 Collignon, Médailles politiques, Nr. 833. – In der Französischen Revolution abgeschafft (vgl. Art. 18 de la Déclaration des droits de l’homme et du citoyen de 1793) wurde der Sklavenhandel unter Napoleon I. wieder legalisiert. Nach langen Auseinandersetzungen wurde in Art. 6 der Verfassung von 1848 geregelt  : »L’esclavage ne peut exister sur aucune terre française«. 39 Collignon, Médailles politiques, Nr. 841–854. 40 Collignon, Médailles politiques, Nr. 845. 41 Collignon, Médailles politiques, Nr. 844. 42 So die am 14.11.1848 erschienene Graphik »La discorde« (Prometheus-Bildarchiv). Hier sitzt die personifizierte Zwietracht auf einem mit Hinweisen auf die Charte von 1830 und die Verfassung von 1848 versehenen Sockel und hält eine Kugel mit der Aufschrift »Président«, während zu ihren Füßen ein Streit zwischen einer Reihe von Politikern entbrennt. 43 Collignon, Médailles politiques, Nr. 732. 44 Collignon, Médailles politiques, Nr. 729–733. 45 Vgl. die Graphik »La Propriété” von Cham im Charivari vom 8.8.1848 oder dessen Kritik an Proudhon im Charivari vom 9.9.1848 (Abb. in Ursula E. Koch/Pierre-Paul Sagave, Le Charivari. Die Geschichte einer Pariser Tageszeitung im Kampf um die Republik (1832–1882), 1984, Nr. 56, 57). 46 Martin Knauer, Vox populi, vox imperatoris. Louis-Napoléons visueller Aufstieg zur Macht (1848– 1852), in  : ders./Verena Kümmel (Hg.), Visualisierung konstitutioneller Ordnung 1815–1852, 2011, S. 41 ff.; zur »Derepublikanisierung« des öffentlichen Lebens durch Louis Napoléon  : Maurice Agulhon, Marianne au combat, 1979, S. 131 ff. 47 Vgl. etwa die 1851 in »Le Charivari« erschienenen Graphiken »Un matamore portant un terrible botte à la constitution«, »Le conseil d’un crispin politique« und »Derniers obstacles que rencontre la Constitution pour sortir intacte de l’Assemblée Nationale« (Prometheus-Bildarchiv). 48 Hierzu unter 6.2.4.

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6. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

49 Siebe, Revolution, S. 27 ff.; Ursula E. Koch, Der Teufel in Berlin. Von der Märzrevolution bis zu Bismarcks Entlassung. Illustrierte politische Witzblätter einer Metropole 1848–1890, 1991, S. 65 ff. 50 Siehe zur Geschichte politischer Drucke in Deutschland W. A. Coupe, The German Cartoon and the Revolution of 1848, in  : Comparative Studies in Society and History, Bd. 9, Nr. 2, 1967, S. 137 ff. 51 So etwa in der Graphik »Herkules am Scheidewege« aus dem Jahr 1848 (Fliegende Blätter, Bd. VI [1848], S. 140 [Nr. 157]  ; Abb. in  : Prometheus-Bildarchiv)  ; w. Nw. bei Monika Wagner, Allegorie und Geschichte. Ausstattungsprogramme öffentlicher Gebäude des 19. Jahrhunderts in Deutschland, 1989, S. 96  ; Ulrike Ruttmann, Wunschbild – Schreckbild – Trugbild. Rezeption und Instrumentalisierung Frankreichs in der deutschen Revolution 1848/49, 2001, S. 310 ff.; zu einer Lithographie aus den Düs­ seldorfer Monatheften mit der Germania, die von der Freiheit mit Stange und Freiheitshut begleitet wird, vgl. ebd., S. 309 mit Abb. 19. 52 Vgl. zur Übernahme der hier nicht weiterverfolgten Freiheitsbaumsymbolik Ruttmann, Wunschbild, S. 314 ff. 53 Illustrierte Zeitung, Bd. XI (1848), S. 436 (Nr. 287)  ; Abb. in  : Prometheus-Bildarchiv. 54 Vgl. zum Folgenden Ruttmann, Wunschbild, S. 304 ff. 55 Vgl. Ruttmann, Wunschbild, S. 309 f. 56 Zu Beispielen vgl. Kap. 1 (Abb. 1), Kap. 2 (Abb. 24, 30, 64,), Kap. 3 (Abb. 79, 88, 93, 117, 119). 57 So etwa in der Graphik »In Gefahr, erdrückt zu werden«, in  : Mit Zorn und Eifer, S. 77 (Nr. 27). 58 Abb. in  : Badisches Landesmuseum, 1848/49. Revolution der deutschen Demokraten in Baden, 1998, S. 353 (Nr. 493). 59 Abbildungen ähnlicher Medaillen in  : 1848/49. Revolution der deutschen Demokraten, S. 350 (Nr. 484, 485, 487). 60 Weitere Beispiele für französische Bildzitate in deutschen satirischen Zeitschriften finden sich bei Koch, Der Teufel in Berlin, S. 446 ff. 61 Nachweise bei Ruttmann, Wunschbild, S. 296 ff. 62 Abb. in  : 1848/49. Revolution der deutschen Demokraten, S. 353 (Nr. 492). 63 So etwa die Fraktion Donnersberg in der Paulskirchenversammlung mit der Definition von »Brüderlichkeit« als Verpflichtung, das Wohl aller anderen bei der Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung zu berücksichtigen (Ruttmann, Wunschbild, S. 300). 64 So endet etwa das 1848 in Wien von Anton Elfinger gestaltete prorevolutionäre Kartenspiel »Revolutions- oder Constitutions-Tarock« mit einem Blatt, auf dem »Der wahre Republikaner« mit Heckerhut, Sense und Sanduhr als Tod auftritt und gemäß dem Text »König und Bettler« in »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit  !« vereint (Abb. in  : 1848/49. Revolution der deutschen Demokraten, S. 279 [Nr. 376]). 65 Vgl. zu dieser Graphik und ihrer zeitlichen Einordnung Franz X. Vollmer, Der Traum von der Freiheit. Vormärz und 48er Revolution in Süddeutschland in zeitgenössischen Bildern, Stuttgart 1983, S. 176 f. 66 Vgl. zu dieser Graphik Ruttmann, Wunschbild, S. 313 mit Abb. 29  ; W. A. Coupe, German Political Satires from the Reformation to the Second World War, Bd. 1  : 1500–1848, 1993, S. 344 f.; eine weitere Karikatur auf diese Äußerung Königs Friedrich Wilhelm IV. findet sich in der Objektdatenbank des Deutschen Historischen Museums, Inv.-Nr. Do 56/82. 67 Ruttmann, Wunschbild, S. 313 mit Abb. 30. 68 Vgl. zu diesen Graphiken Ruttmann, Wunschbild, S. 312 f. mit Abb. 25, 27 und 28. 69 Zur Geschichte des deutschen Michel siehe Bernd Grote, Der deutsche Michel, 1967, S.  12 ff. (u. a. Erzengel Michael als Vorbild). 70 Grote, Der deutsche Michel, S. 38 ff.; Tomasz Szarota, Der deutsche Michel, 1998, S. 73 ff. 71 Szarota, Der deutsche Michel, S. 123 ff., zu »Wach auf, deutscher Michel  !« als Parole des Vormärz. 72 Grote, Der deutsche Michel, S. 48 ff. 73 Fliegende Blätter, Bd. 6, Beilage zu Nr. 136, vor S. 137. Siehe hierzu Reichardt, Expressivität, S. 137 f.; Coupe, German Political Satires, Bd. 1, S. 313 f.

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Anmerkungen

74 Siehe Szarota, Der deutsche Michel, S.  138 ff. (zum Michel mit der Jakobinermütze)  ; Ruttmann, Wunschbild, S. 306 f. mit Abb. 1 (eine eher radikale Karikatur unter dem Titel »Michel kehrt aus«)  ; Coupe, German Cartoon, Pl. 4 (eine Karikatur mit dem Titel »Wie der deutsche Michel ein Treibjagen hält«)  ; Remigius Brückmann (Bearb.), Politische Karikaturen des Vormärz (1815–1848), 1984, Nr. 57, 58 (eine Graphik mit dem Titel »Der erwachte Deutsche Michel«). 75 Abb. in  : 1848/49. Revolution der deutschen Demokraten, 1848/49, S. 147 (Nr. 163). 76 Zu dieser Graphik  : Mit Zorn und Eifer, S. 68  ; Coupe, German Political Satires, Bd. 1, S. 364. 77 Zur Lola-Montez-Affäre in der großenteils derben und weitverbreiteten Bildpublizistik  : Coupe, German Cartoon, S. 141 ff. 78 Diese Zweifel beherrschen z. B. eine 1848 in Frankfurt am Main erschienene Lithographie eines anonymen Künstlers mit dem Titel »Deutsche Einheit« (Abb. in  : 1848. Aufbruch zur Freiheit, S. 131). Zwei für die Republik eintretende Kämpfer, der eine mit Heckerhut, der andere mit Jakobinermütze, wehren sich gegen Soldaten, aber auch gegen das Besitzbürgertum. Ein Bürger mit großen Hut und zwei Geldsäcken unter dem Arm liegt bereits am Boden, ein anderer Mann, mit seinem Zopf dem Kleinbürgertum zugehörig, ist ebenfalls zu Boden gegangen. Was »Deutsche Einheit« sein soll, ist nichts weiter als Zwietracht zwischen besitz- und kleinbürgerlichen Anhängern einer gemäßigten politischen Reform und Kämpfern für eine deutsche Republik, Vertreter Frankreichs links und Russlands rechts beobachten das chaotische Geschehen in Deutschland. Der hier bereits frühzeitig zum Ausdruck kommende Revolutionspessimismus hat unterschwellig fast die gesamte Bildpublizistik der Jahre 1848/49 begleitet. 79 Vgl. den Überblick über die Michel-Publizistik und Michel-Karikaturen bei Grote, Der deutsche Michel, S. 58 ff., sowie bei Karl Riha, Deutscher Michel. Zur literarischen und karikaturistischen Ausprägung einer nationalen Allegorie im neunzehnten Jahrhundert, in  : Jürgen Link/Wulf Wülfing (Hg.), Nationale Mythen und Symbolik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, 1991, S. 146 ff. 80 So etwa auf einer Lithographie in den Düsseldorfer Monatheften, in der – neben der kleindeutschen Lösung  – die zentralen Forderungen der Pressefreiheit, der Volksbewaffnung und der Assoziationsfreiheit thematisiert werden (Helmut Hartwig, Karikatur und bürgerliche Öffentlichkeit, in  : ders./Karl Riha, Politische Ästhetik und Öffentlichkeit. 1848 im Spaltungsprozess des historischen Bewusstseins, 1974, S. 124). Der Münchener Genremaler und Graphiker Hermann Dyck hatte bereits im Oktober 1847 in den Fliegenden Blättern (Bd. 6, Nr. 124) unter dem Titel »Fromme Wünsche« mit viel Gespür für die öffentliche Meinung eine Graphik veröffentlicht, die u. a. »Religions-, Lehr- und Pressefreiheit, Gesamtrepräsentation des Volkes, Öffentl[lichkeit] und Mündl[lichkeit] der Rechtspflege« forderte, was den späteren Märzforderungen weitgehend entsprach. 81 Prometheus-Bildarchiv. 82 Ruttmann, Wunschbild, S. 306 f., die allerdings auch weitere Michel-Bilder erwähnt, in denen er eine politisch aktivere Haltung einnimmt. 83 Szarota, Der deutsche Michel, S. 153  ; vgl. weiter die Nachweise unter 6.2.7 mit Fn. 132. 84 Vgl. etwa ein Berliner Flugblatt aus dem Jahr 1848 mit der Frage  : »Wat is Constitution  ? Wat is Republik  ?« (Objektdatenbank des Deutschen Historischen Museums, Inv.-Nr. Do 71/90 I.1). 85 Zu den diesbezüglichen satirischen Darstellungen von Thomas Rowlandson, William Hogarth u. a. vgl. Diana Donald, The Age of Caricature, 1996, S. 118 ff. mit Abb. 86 Hinweise auf tatsächlich vorkommende Bestechungen bei der Wahl zur Nationalversammlung sind kaum zu finden. Zwar waren Klagen über »Wahlumtriebe« und Wahlmanipulationen recht weitverbreitet (vgl. die Schilderungen der Wahlabläufe in den einzelnen Territorien bei Karl Obermann, Die Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung im Frühjahr 1848, 1987  ; bei Konrad Repgen, Märzbewegung und Maiwahlen des Revolutionsjahres 1848 im Rheinland, 1955, S. 225 f., ist von »zahlreichen Unregelmäßigkeiten« bei den Wahlen im Rheinland die Rede, aber es wird das Fazit gezogen, dass »im Ganzen … nicht viele begründete Klagen bekannt geworden« sind).

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6. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

  87 Ähnlich auch das bereits erwähnte satirische Berliner Flugblatt »Wat is’ Constitution  ? Wat is’ Republik«.   88 Die Karikatur bezog sich auf den Wahlkampf zur Hamburger Konstituante  ; vgl. Ute Harms, … und das nennen Sie eine Republik  ?  !  !  ! – Politische Karikatur in Hamburg um 1848, 1992, S. 111.   89 Vgl. zu dieser Graphik Coupe, German Political Satires, Bd. 1, S. 369 f.   90 Vgl. Thomas Würtenberger, Der Konstitutionalismus des Vormärz als Verfassungsbewegung, in  : Der Staat, Bd. 37 (1998), S. 165 (181 ff.)   91 Vgl. die Abb. von zwei Medaillen in  : 1848/49. Revolution der deutschen Demokraten, S. 213, 214 (Nr. 254, 255). Eine weitere Medaille erinnert auf ihrer Vorderseite an die Eröffnung des ersten deutschen Parlaments, auf der Rückseite stehen Krieger auf Waffen und Ketten  ; die Umschrift betont den Wert der Einigkeit  : »Die Eintracht führte das Volk zum Sieg, die Zwietracht den Sieger zum Tod«.   92 Auf einer Medaille zur Eröffnungssitzung der Frankfurter Nationalversammlung wurde daneben auch »Ordnung« gefordert (Paul Joseph/Eduard Fellner, Die Münzen von Frankfurt am Main, 1896, S. 423). Diese Verbindung von Ordnung mit der Forderung nach Einheit und Freiheit war, soweit ersichtlich, in der sonstigen Bildpublizistik nicht gebräuchlich. Vorbild mag die französische Diskussion eines Ausgleichs zwischen »liberté« und »ordre« (vgl. oben Kap. 5.1.2) gewesen sein sowie die Befürchtung, dass eine radikalisierte Freiheitsbewegung die notwendigen rechtlichen Begrenzungen der Freiheit aus den Augen verlieren könnte.   93 Die Rückseite dieser Medaille wurde zudem für eine Medaille auf die verfassungsrechtlichen Errungenschaften der bayerischen Revolution vom 6.3.1848 verwendet (siehe Abb. 215)  ; es handelte sich offenbar um ein Motiv, das in der Öffentlichkeit Resonanz gefunden hatte.   94 Vgl. die Graphik »Der Antragfabrikant«, in der der Abgeordnete Maximilian Graevell, ein eifriger Antragsteller im Gesetzesausschuss, mit einem Leiterwagen voller Anträge zum Grundrechtsteil der Paulskirchenverfassung den Abgeordneteneingang zu betreten versucht. Auf die besorgte Frage des Pedells, was da wieder für ein Wagen voller Anträge vor der Türe stehe, antwortet der Abgeordnete  : »Das ist noch gar nichts, wenn wir erst an die Verfassung kommen, da folgen noch ganz andere Partien …« (Abb. in  : Prometheus-Bildarchiv).   95 Der Nationalpinsel (Prometheus-Bildarchiv).   96 Zum Folgenden Wilhelm Bleek, Dahlmann in der Karikatur, in  : Thomas Becker/Wilhelm Bleek/ Tilman Mayer (Hg.), Friedrich Christoph Dahlmann – ein politischer Professor im 19. Jahrhundert, 2012, S.  135 ff. (m.  Nw.).; Martin Rackwitz, Gute Politik  : Friedrich Christoph Dahlmann und die Deutsche Revolution 1848/49 im Spiegel der Karikatur (Landeszentrale für politische Bildung Schleswig-Holstein), 2011, S. 6 ff.   97 Vgl. etwa zur Kritik Robert von Mohls Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, S. 271 f.   98 Hierzu Thomas Würtenberger, Zur Geschichte des Wahlrechts in vergleichender Perspektive, in  : Festschrift für Hans-Peter Schneider, 2008, S. 537 (539 f., 542, 546 f.).   99 Vgl. beispielsweise eine Medaille auf den radikalreformerischen Ledru-Rollin als Verfechter des allgemeinen Wahlrechts (privates Bildarchiv des Verfassers) sowie einige Graphiken in Gallica. 100 Hierzu Bleek, Dahlmann, S. 144 (mit Abb.). 101 Hierzu Bleek, Dahlmann, S. 146 (mit Abb.)  ; zu Karikaturen auf Dahlmanns Engagement für die kleindeutsche Lösung  : Rackwitz, Dahlmann, S. 7 ff. 102 Hierzu Bleek, Dahlmann, S. 147 (mit Abb.). 103 Zu weiteren Karikaturen auf die Ablehnung der Kaiserkrone vgl. Annette Reiter, Die Sammlung A. W. Heil, 1994, Nr. 319–328. 104 Sehr sarkastisch etwa die 1848 in Mannheim verlegte Graphik »Der souveräne Michel auf dem gesetzlichen Wege« (Abb. in  : Arnscheidt, Mit Zorn und Eifer, S. 142 [Nr. 101])  : Der deutsche Michel zieht vergeblich einen mit deutschen Fürsten voll besetzten Karren über die Stolpersteine »Gleichheit«, »Pressefreiheit« und »Volkssouveränität«. Dem Betrachter wird die Botschaft vermittelt, dass eine po-

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Anmerkungen

litische Neuordnung nur auf der Grundlage der Volkssouveränität, nicht aber gemeinsam mit den deutschen Fürsten möglich sei. 105 So etwa in der Graphik mit dem Titel »Lage von Grönlandfahrern, die einfrieren und etwas im Eise der Grundrechte stecken geblieben sind« (Prometheus-Bildarchiv) oder in einer Graphik in den »Fliegenden Blättern«, 1848, Nr. 167, S. 182, wo der »Bau unserer Grundrechte« mit der Langsamkeit von Schnecken assoziiert wird. 106 Siehe hierzu 1848  : Das Europa der Bilder, S. 170 f. (Abb. S. 171 und im Prometheus-Bildarchiv). 107 Zur Verwendung dieser Symbolik u. a. durch die christlichen Sozialisten vgl. »La Trinité selon le socialiste chrétien Buchez«, wo in der Mitte Jesus mit der »Fraternité« dargestellt wird (Agulhon, Marianne au combat, S. 71). 108 Hierzu oben Abb. 81. 109 Klaus Kröger, Grundrechtsentwicklung in Deutschland, 1998, S. 26  ; Jörg-Detlef Kühne, Von der bürgerlichen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg, in  : Detlef Merten/Hans-Jürgen Papier (Hg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 1, 2004, § 3 Rn. 7 ff. 110 Vgl. zu dieser Graphik 1848  : Das Europa der Bilder, S. 125. 111 Vgl. weiter zur ablehnenden Haltung der deutschen Fürsten die Karikatur »Germania und ihre Fürsten« aus »Deutsche Reichs-Bremse. Beiblatt zur Wartburg«, auf der die unter einer deutschen Eiche und ihrem Wappenschild und Schwert eingeschlafene Germania von den deutschen Fürsten in Gestalt kleiner gekrönter Blutegel »besetzt« wird  ; ein Buch mit dem Titel »Grundrechte« liegt unbeachtet neben ihr am Fuß der Eiche (Abb. bei Coupe, German Political Satires, Bd. 2, Plate 481  ; Kommentierung ebd., Bd. 1, S. 421 f.). 112 Hierzu Gisold Lammel, Deutsche Karikaturen  : Vom Mittelalter bis heute, 1985, S. 174  ; Coupe, German Political Satires, Bd. 1, S. 342. 113 Bei der zugrunde liegenden Begebenheit handelt es sich um den Scherz eines Unbekannten, der das in einem Brunnen stecken gebliebene Fragment einer Granate mit dem Text der königlichen Botschaft verzierte (Coupe, German Cartoon, S. 153). 114 Ein realistisches Bild monarchischer Neigungen zur Verfassunggebung im Jahr 1848 hat – nicht allein hinsichtlich des preußischen Königs – auch ein anonym gebliebener Karikaturist im Charivari vom 24.3.1848 gezeichnet  : Die Lithographie schildert unter dem Titel »Die absoluten Könige gezwungen die Pille der Verfassung zu schlucken«, wie sich europäische Könige bei der Einnahme der Verfassungs­ pille verhalten. Dem ganz rechts sitzenden und verschmitzt lächelnden preußischen König gelingt es offensichtlich, die Verfassungspille auf Distanz zu halten, während dem ganz rechts sitzenden König von Österreich Äther gereicht wird, um seine Abneigung gegen die Verfassungspille zu überwinden (zur europaweiten Verbreitung dieser Bildidee siehe Wolfgang Cilleßen, Die niederländische Rezeption der Pariser Februarrevolution, in  : ders./Rolf Reichardt [Hg.], Revolution und Gegenrevolution in der europäischen Bildpublizistik 1789–1889, 2010, S. 321 [336 f. mit Abb.]). 115 Coupe, German Political Satires, Bd. 1, S. 421. 116 Abgedruckt in  : Michael Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806–1918, 1. Bd., 2006, S. 799  ; in diesem Bundesbeschluss wurden diejenigen Länder, die durch Gesetz die Grundrechte des Deutschen Volkes in innerstaatliches Recht umgesetzt hatten, zu deren Aufhebung verpflichtet. 117 Zu den eher kritischen Reaktionen vgl. die Graphik »Die Gesetzgeberin der Zukunft« im Kladdera­ datsch vom 23.2.1851, S. 32. 118 Zur Bedeutung dieser Bestimmung für die Festlegung der Regierungsform ebenso wie zu ihrer Aufhebung vgl. Kotulla, Verfassungsrecht, S. 326 ff. 119 Vgl. zu diesen Graphiken allgemein Harms, »… und das nennen Sie eine Republik  ?  !  !  !«. 120 Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 2, 1960, S. 505. 121 An diesen Tag erinnert eine sehr volkstümliche Graphik mit dem Titel »Der Bayer zapft an. Erinnerungsblatt an den 6.  März 1848« (Germanisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. HB  23859, Kapsel

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6. Die Freiheits- und Verfassungssymbolik der Revolution von 1848/49

Nr. 1318)  : Ein Bierfass mit der Inschrift »Pressfreiheit, Volksvertretung« wird von einem Bayer mit dem bayerischem Löwen auf der Schulter angezapft, zu seinen Füßen liegen die zerbrochenen Ketten der Unfreiheit. Eine ebenfalls volkstümliche Graphik unter dem Titel »Gedenkblatt an die ewig denkwürdigen Tage in München am 4. und 6. März 1848« zeigt in drei Bildern den Erfolg der Münchener Märzrevolution (Stadtmuseum München, Graphiksammlung Z 1882). 122 Eine weitere Medaille mit diesem Revers zeigt auf ihrem Avers Ludwig I. (privates Bildarchiv des Verfassers). Mit gleichem Avers, aber unterschiedlichem Revers gedachte Drentwett ferner der Zusage des Kaisers von Österreich vom 15.3.1848, eine konstitutionelle Verfassung zu geben (privates Bildarchiv des Verfassers)  ; als Ziele dieser neuen Verfassung wurden Nationalwohl, verantwortliche Minister und Pressefreiheit genannt. 123 Unter anderem das Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit, ein neues Wahlgesetz mit der Wahlberechtigung für alle Steuerpflichtigen, ein Edikt über die Pressefreiheit und das Gesetz über die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und die Ablösung der Grundlasten  ; vgl. zu den politischen Auseinandersetzungen um diese Reformgesetze Hermann Reiter, Die Revolution 1848/49 in Bayern, 1998, S. 96 ff. 124 Hierzu Walter Grasser, Bayerische Geschichtstaler, 1985, S. 132 f. 125 Hans Ottomeyer (Hrsg.), Biedermeiers Glück und Ende … die gestörte Idylle 1815–1848, 1987, S. 752 (ohne Abb.). 126 Ebd. (mit Abb.). 127 Ähnliches sagt eine aus dem Jahr 1849 stammende Lithographie von C. Hohfelder aus  ; in ihr erwehrt sich eine mit der »Charta magna Bavariae« versehene Bavaria einer Germania, die ihr mit den deutschen Grundrechten entgegentritt (ebd., S. 750 [ohne Abb.]). 128 Siehe etwa die Graphik von Joseph Hachenberg mit dem Titel »Melancholische Begrüßung des Jahres 1849« in der zwischen Januar und April 1849 in Wien erscheinenden satirischen Zeitschrift »Blitzstrahlen. Es werde Licht« (S. 125)  : Über einer Erdkugel mit der Aufschrift »Constitution« geht die »freiheitliche Sonne des Jahres« 1849 auf  ; die untere Bildhälfte beherrscht eine trauernde Frau mit einer Schriftrolle, auf der »Vergessen« steht, sowie eine Trauergemeinde, die dem im Dunkel versinkenden Jahr 1848 nachtrauert. 129 Vgl. als Beispiel eine 1849 in der Zeitschrift Deutsche Reichs-Bremse. Beiblatt zur Wartburg auf S. 106 veröffentlichte Karikatur mit dem Titel »Ein Freiheitsbaum im Jahre des Heils 1849«  : Vor einer untergehenden Sonne steht ein entlaubter und seiner Äste weitgehend beraubter Baum mit einer Jakobinermütze auf seiner Spitze. Dies sagt aus, dass der Baum der Freiheit abgestorben und das Wunschbild der Freiheit erloschen ist. 130 Vgl. etwa den Versuch einer Medaille auf die bereits drei Jahre später wieder außer Kraft gesetzte oktroyierte österreichische Verfassung vom 4.3.1849, mit dem Motto »Ohne Religion keine wahre Freiheit« eine theonome politische Ordnung zu rechtfertigen (privates Bildarchiv des Verfassers). 131 Vgl. beispielsweise die Drucke »Wie man der Zeit Rechnung trägt« in  : Deutsche Reichs-Bremse. Organ für politische-satyrische Sticheleien, 1850, Nr. 29, S. 116  ; »Wie die Verfassungen in’s Volk dringen«, in  : Kladderadatsch vom 14.12.1851, S. 200  ; »Constitutionelles Stillleben«, in  : Kladderadatsch vom 21.7.1850, S. 116. 132 Siehe etwa die Graphiken »Wie der deutsche Michel im Jahre 1848 bedient wird« und »Wie der deutsche Michel Alles wieder von sich gibt« (Prometheus-Bildarchiv) sowie »Wie der deutsche Michel von seinem Freiheitsschwindel befreit wird« (Abb. in  : Coupe, German Cartoon, Pl. 7). 133 Dies drückt ein Bild im Kladderadatsch vom 20.7.1851, S. 116 aus  : Im oberen Teil der Graphik mit der Überschrift »1848« und dem Untertitel »Während der Sündfluth« geht die alte Ordnung in stürmischen Wogen unter, während im unteren mit »1851« überschriebenen Teil der Graphik über der Bildunterschrift »Nach der Sündfluth« der »Bundes-Palast« bereits neu erstrahlt und nur noch etwas mit »1848« gekennzeichnetes Wasser aus dem Keller ausgepumpt werden muss. Ein Gebäude mit

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Anmerkungen

der Inschrift »Provincial-Landtag« und eine Schere, an der ein Blatt mit der Aufschrift »Pressgesetz« befestigt ist, verweisen unterdessen auf die Wiederherstellung der alten Ordnung. 134 Auf Ferdinand Schröders »Rundgemälde von Europa im August MDCCCXLIX«, 1849 in den Düs­ seldorfer Monatheften erschienen, kehrt ein überdimensional gezeichneter preußischer Soldat, mit einem Kreuz an seiner Halskette, mit einem Strauchbesen eine klein gezeichnete Schar Liberaler mit schwarz-rot-goldener Fahne in die Schweiz, wo sie sich unter einer Jakobinermütze mit Kokarde und Liktorenbündel versammeln können. Links zeigt der Künstler, wie Napoleon den Exodus der kampfbereiten Liberalen nach Übersee befiehlt, während in Wien, rechts im Bild, Hinrichtungen stattfinden (Abb. in  : Objektdatenbank des Deutschen Historischen Museums, Inv.-Nr. Gr 78/9). 135 Ebenfalls mit Hilfe einer Rute werden in der Karikatur »Die unartigen Kinder« aus dem Jahr 1849 mehreren Schülern von ihrem Lehrer Pressefreiheit, Redefreiheit, freies Versammlungsrecht und Petitionsrecht ausgetrieben (Prometheus-Bildarchiv). 136 Manfred Hettling, Revolution, Tod und Opferkult. Alfred Rethels »Auch ein Totentanz« von 1849, in  : Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 70 (1988), S. 443 ff.; Albrecht Boime, Alfred Rethels Counterrevolutionary Death Dance, in  : The Art Bulletin, Bd. 73 (1991), S. 577 ff.; Peter Paret, Kunst als Geschichte, 1990, S. 124 ff. 137 Manfred Hettling, Totenkult statt Revolution, 1998, S. 147 f. 138 Ruttmann, Wunschbild, S. 296 ff., 302 (zu Rethel). 139 Hettling, Totenkult, S. 143  ; Paret, Kunst als Geschichte, S. 126. 7. Ein Blick gen Westen  : die Freiheits- und Verfassungssymbolik in den Anrainerstaaten des Atlantik seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert   1 Eher ein »Ausreißer« im Kulturtransfer ist Liberias 2-Cent-Münze von 1847 mit dem Kopf einer Liberty mit Liberty Cap nach dem Vorbild US-amerikanischer Münzen (privates Bildarchiv des Verfassers).   2 Dies gilt auch für Portugal. Die Republik Portugal wird im Münzgeld zu Beginn des 20. Jahrhunderts und bis weit in dessen 60er Jahre durch einen Kopf mit Freiheitsmütze und Kornähren symbolisiert, der deutlich an die Symbolisierung der Republik durch den französischen Künstler Oudiné (zu ihm vgl. die Abb. 240 und 251) angelehnt ist (so etwa die 10-Centavos-Münze, im Umlauf von 1912–1915, oder die Escudo-Münze, im Umlauf von 1927–1968).   3 Zum folgenden Abschnitt vgl. die umfassenden Darstellungen von Dorothy George, English Political Caricature, Bd. 1, 1959, S. 205 ff., und dies., English Political Caricature, Bd. 2, 1959, S. 1 ff.  4 H. T. Dickinson, British Radicalism and the French Revolution, 1789–1815, 1985, S. 1 ff. (zu den historischen und sozialen Wurzeln des britischen Radikalismus)  ; Gregory Cleays, The French Revolution Debate in Britain. The Origins of Modern Politics, 2007.   5 Allgemein zur äußerst frankreichkritischen englischen Karikatur vgl. Pascal Dupuy, Face à la Révolution et à l’Empire. Caricatures Anglaises, 2008, S. 58 ff., mit vielen Beispielen.  6 So Fabrice Bensimon, English Caricature and the French Revolution (1789–1871), in  : Philippe Kaenel/ Rolf Reichardt (Hg.), Interkulturelle Kommunikation in der europäischen Druckgraphik im 18. und 19. Jahrhundert, 2007, S. 439.   7 British Museum, RNr. 1948,0214.420.   8 Zu den philosophiekritischen Graphiken zählt ebenfalls Thomas Rowlandsons Graphik »Philosophy run mad or a stupendous monument of human wisdom« (British Museum, RNr. 1851,0901.626).  9 Gary Kates, From Liberalism to Radicalism  : Tom Paine’s Rights of Man, in  : Journal of the History of Ideas, Bd. 50 (1989), S. 571 (585). 10 British Museum, RNr. J,2.7.

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7. Ein Blick gen Westen

11 Zu den heftigen Angriffen auf Thomas Paine in der englischen Bildpublizistik vgl. die Ausführungen zu British Museum, RNr. J,2.7. 12 Jim Newmark, Tokens as Documents of the Industrial Revolution, in  : History Workshop Journal, Bd. 9 (1980), S. 129 (136)  ; zu dem von der Forschung lange Zeit vernachlässigten Radikalreformer Thomas Spence vgl. Marcus Wood, Radical Satire and Print Culture 1790–1822, 1994, S. 64 ff., 68 ff. (zu dessen Produktion von Token als Mittel politischer Bewusstseinsbildung). 13 Vgl. hierzu die Anmerkung in Spence’ Wochenzeitschrift »Pig’s meat  ; or, Lessons for the people«, Bd. 3, 1795, S. 250  ; bereits 1755 hatte er von »The Real Rights of Man« gesprochen (vgl. Wood, Radical Satire, S. 65). 14 Aus einer Reihe ähnlicher Token von Thomas Spence sei nur der »Pitt on the Gallows«-Token mit der Umschrift »End of Pit« genannt (Abb. in  : Wood, Radical Satire, S. 81). 15 The Fitzwilliam Museum, Objekt-Nr.  CM.BI.1869-R (http://data.fitzmuseum.cam.ac.uk/id/object/164942 [abgerufen am  : 11.01.2017]). 16 British Museum, RNr. M.5000. 17 The Fitzwilliam Museum, Objekt-Nr.  CM.TR.1390-R (http://data.fitzmuseum.cam.ac.uk/id/object/164335 [abgerufen am  : 11.01.2017]). 18 Beispiele derartiger Token mit Liberty Caps  : British Museum, RNr. SSB,185.69  ; RNr. SSB,190.145. 19 The Fitzwilliam Museum, Objekt-Nr.  CM.QC.3783-R (http://data.fitzmuseum.cam.ac.uk/id/object/154438 [abgerufen am  : 11.01.2017]). 20 Zu einzelnen von Erskine geführten Prozessen  : Wood, Political Satire, S.  132 ff.; vgl. weiter David Lemmings, Art. Erskine, Thomas, first Baron Erskine (1750–1823), in  : Oxford Dictionary of National Biography, Online-Ausgabe, 2008, http://www.oxforddnb.com/view/article/8873 [abgerufen am  : 11.01.2017]. 21 So etwa in William Dents Radierung »Excise Inquisition erecting by English Slaves under the Scourge of Their Task Masters the Excise Officers« (British Museum, RNr.  1876,1014.41), die auf der eroberten Bastille eine Flagge mit der sitzenden Libertas zeigt und assoziiert, dass die Einführung von Verbrauchssteuern despotisch und die englische Freiheit nun nach Frankreich gewandert sei. 22 Zu Gillrays Graphiken zur Amerikanischen und Französischen Revolution  : Wood, Radical Satire, S. 59 ff. 23 Die Interpretation dieser Graphik folgt George, Political Caricature, Bd. 1, S. 204 f. 24 In eine ähnliche Richtung weist die Frederick George Byron zugeschriebene und im August 1789 erschienene Graphik »La chute du despotisme/The Downfall of Despotism« (British Museum, RNr.  1925,0701.11)  ; Isaak Cruikshanks 1792 erschienene Radierung »The Genius of France Extirpating Despotism, Tyranny and Oppression from the Face of the Earth or Royal Warriors Defeated« (British Museum, RNr. 1868,0808.6252) erinnert an die Siege der Armee des republikanischen Frankreich im Herbst 1792 und gehört zu den nicht eben zahlreichen Drucken, die die französische Bedrohung der europäischen Monarchien begrüßen. 25 British Museum, RNr. 1851,0901.468. 26 Vgl. als weiteres Beispiel für die wenigen regierungskritischen Graphiken der 1790er Jahre mit Bezügen zur Verfassungs- und Freiheitssymbolik den anonymen Druck »A free born Englishman  !« mit dem sarkastischen Untertitel »The Admiration of the World  !  !  ! And the Envy of Surrounding Nations  !  !  !« (British Museum, RNr. 1935,0522.12.3). 27 So etwa die 1790 edierte und von William Dent entworfene kolorierte Radierung »The Free Born Briton or a Perspective of Taxation« (British Museum, RNr. 1868,0808.5911), die seine gleichnamige Radierung von 1786 (British Museum, RNr. 1868,0808.5468) nur um einen Liberty Cap ergänzt. 28 Diana Donald, The Age of Caricature. Satirical Prints in the Reign of George  III, 1996, S.  153 f. (m. Nw.). 29 British Museum, RNr. 1868,0808.5907.

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Anmerkungen

30 Zu dieser Graphik Donald, Age of Caricature, S. 143. 31 Vgl. die Angaben zu British Museum, RNr. 1872,0413.201. 32 Trevor Colborn, The Lamp of Experience. Whig Historians and the Intellectual Origins oft he American Revolution, 1998, S. 216 f. 33 Hierzu Benjamin Weinstein, Popular Constitutionalism and the London Corresponding Society, in  : Albion, Bd. 34/1 (2002), S. 40 ff., 51 f. (zu Baxters Buch). 34 Zu dieser Radierung vgl. Donald, Age of Caricature, S. 155. 35 Abb. und Besprechung dieser ambivalenten Graphik bei Donald, Age of Caricature, S. 163 f., sowie bei George, Political Caricature, Bd. 2, S. 13 (mit Tafel 6). 36 Zu den hier nicht weiter zu verfolgenden Flügelkämpfen  : Frank O’Gorman, The Whig Party and the French Revolution, 1967  ; L. G. Mitchell, Charles James Fox and the Disintegration of the Whig Party 1782–1794, 1971  ; Donald, The Age of Caricature, S. 166 f.; zu Burkes Rolle bei der Trennung der beiden Flügel der Whigs vgl. Dickinson, British Radicalism, S. 29 ff. 37 So etwa in der im November 1790 publizierten Radierung »Don Dismallo Running the Literary Gantlet« (British Museum, RNr. 1868,0808.5976), in der Burke mit einer Narrenkappe an britischen Schriftstellern und Publizisten sowie an einer Liberty mit Liberty Cap auf einer Stange entlangläuft (hierzu sowie zu weiteren Satiren auf Burke vgl. George, Political Caricature, Bd. 1, S. 209 ff.). 38 Der aus Irland gebürtige und sich für die Gleichberechtigung der Katholiken einsetzende Anglikaner Burke wurde aus diesem Grund in Druckgraphiken häufig als Jesuit dargestellt (siehe die zahlreichen Beispiele bei Nicholas K. Robinson, Edmund Burke. A Life in Caricature, 1996). 39 Gleichzeitig mit dieser Satire auf die Kräfte des Beharrens erschien eine Graphik William Dents, in der mit Charles James Fox ein Sympathisant der Französischen Revolution den Mittelpunkt bildet  : Er treibt unter dem Titel »Spirit of Democracy, or, The Rights of Man maintained« die europäischen Monarchen mit einem Henkerbeil, das die Aufschrift »Cromwell« trägt, in Richtung von »Equality or Annihilation«, während im Hintergrund eine Amerika repräsentierende Indianerin mit strahlendem Liberty Cap steht (British Museum, RNr. 1988,1001.6). 40 Dickinson, British Radicalism, S. 28 f. 41 H. T. Dickinson, Caricatures and the Constitution 1760–1832, 1986, S. 149. 42 Zu dieser Graphik  : George, Political Caricature, Bd. 2, S. 5, sowie die Erläuterungen zu British Museum, RNr. J,3.12. 43 So etwa in William Dents »The French Feast of Reason, or the Cloven-foot triumphant« (British Museum, RNr. 1868,080.6313), in Isaak Cruikshanks »The democracy of France« (British Museum, RNr. 1868,0808.6346) oder in John Nixons »French Liberty« (British Museum, RNr. 1868,0808,6264). 44 Nach David Bindman, The Shadow of the Guillotine, 1989, S. 118 ff., war dieses Blatt bei den Gegnern der radikalen Bewegung äußerst populär und wurde auch auf Bechern und Krügen reproduziert. 45 Weitere Graphiken bei George, Political Caricature, Bd. 2, S. 3 ff.; Thilo Koenig/Roberto Ohrt/Christian Tröster, Die Stecher von London. Englische politische Karikatur unter dem Einfluss der Französischen Revolution, in  : Klaus Herding/Gunter Otto (Hg.), »Nervöse Auffangorgane des inneren und äußeren Lebens«. Karikaturen, 1980, S. 58 ff. 46 Anders als in den Vereinigten Staaten von Amerika und im revolutionären Frankreich gehörte der Freiheitsbaum nicht zur politischen Kultur Englands. In der englischen Bildpublizistik aus der Zeit vor der Französischen Revolution ist er nur in einigen wenigen Graphiken präsent, die sich auf den Konflikt mit den nordamerikanischen Kolonien beziehen. In den 1790er Jahren finden sich in der Bildpublizistik zwar bisweilen Freiheitsbäume, die aber meist auf das französische Freiheitssymbol verweisen. Bezüge zur französischen Freiheitsbaumsymbolik dienen wie die Bezüge auf die französische Revolutionssymbolik insgesamt der Gegenüberstellung der freiheitlichen Ordnung in Großbritannien und der Despotie, Schreckensherrschaft und Anarchie in Frankreich. Dies gilt etwa für die Graphik »A Foreign Tree« (Prometheus-Bildarchiv), die vor dem Hintergrund einer Guillotine eine zerzauste

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7. Ein Blick gen Westen

Eiche zeigt, mit einem Totenschädel und mit dem Wort »Misery« in deren obersten Äste, während der britische Freiheitsbaum in einer idyllischen Landschaft auf die britischen verfassungsrechtlichen Institutionen verweist. Ähnliche Gegenüberstellungen in den Graphiken »View of modern France, or the end of a country without a constitution« von 1793 (British Museum, RNr. 1988,1001.3) sowie »French Happiness, English Misery« ebenfalls von 1793 (British Museum, RNr. J,4.91). 47 Das Bild erschien in der Zeitschrift »London und Paris« (Bd. 1 [1798], S. 204 ff. mit Abb. V], in der zwischen 1798 und 1815 insgesamt 145 englische Drucke publiziert wurden (vgl. Christiane Banerji/ Diana Donald [Hg.], Gillray Oberserved. The Earliest Account of his Caricatures in London and Paris, 1999, S. xiv). 48 Zu den Graphiken auf den Krieg mit Frankreich  : George, Political Caricature, Bd. 2, S. 1 ff. 49 Zu Napoleons Invasionsplänen vgl. Eric W. Osborne, Art. England, French Plans for the Invasion of, in  : Gregory Fremont-Barnes (Hg.), The Encyclopedia of the French Revolutionary and Napoleonic Wars, Bd. 1, 2006, S. 325 f. 50 British Museum, RNr. 1868,0808.10378. 51 Zu einer weiteren, drastischeren Graphik James Gillrays, der Radierung »Promis’d Horrors of the French Invasion – or Forcible Reasons for negotiating a Regicide Peace«, vgl. Donald, Age of Caricature, S. 170 f. (mit Abb.). 52 James Epstein, Understanding the Cap of Liberty. Symbolic Practice and Social Conflict in Early Nineteenth Century England, in  : Past and Present, Bd. 122 (1989) S. 75 (88). 53 Zum Kampf der »Association for the Preservation of Liberty and Property against Republicans and Levellers« gegen eine kritische Bildpublizistik vgl. Donald, Age of Caricature, S. 146 ff.; zur Käuflichkeit von James Gillray siehe ebd., S. 166. 54 Zu den wenigen Ausnahmen vgl. Epstein, Cap of Liberty, S. 91  ; Dickinson, Caricatures and the Constitution, S. 36 f., S. 195 (Abb. einer Graphik von ca. 1798 mit einer Liberty unter einem Baum mit den Früchten »religious liberty«, »universal suffrage« und »annual Parliaments«, zu ihren Füßen u. a. die Werke von Thomas Paine), S. 216 ff. (Abb. von Graphiken auf Francis Burdett, einem in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts einflussreichen Kritiker politischer Fehlentwicklungen). 55 Epstein, Cap of Liberty, S. 95 (m. Nw.). 56 Thomas Würtenberger, Zur Geschichte des allgemeinen Wahlrechts in vergleichender Perspektive, in  : Festschrift für Hans-Peter Schneider, 2007, S. 537 ff. 57 Hierzu sowie zu den Versuchen, die Zurschaustellung des Liberty Cap zu bekämpfen  : Epstein, Cap of Liberty, S. 78 ff., 112. 58 Vgl. die Abbildungen, auch mit Personen mit einem Liberty Cap, bei Donald, Age of Caricature, S. 188 ff. 59 Donald, Age of Caricature, Abb. 201, 127. 60 So etwa George Cruikshanks handkolorierte Radierung »A Radical Reformer,  – (i e) a Neck or Nothing Man  ! Dedicated to the Heads of the Nation« vom September 1819 (British Museum, RNr. 1868,0808.12906) mit einem Monster mit Jakobinermütze, das in Gestalt einer Guillotine Flammen speit und so Minister zu einer überstürzten Flucht veranlasst. Eine andere Isaac Robert Cruikshank zugeschriebene handkolorierte Radierung von 1821 (British Museum, RNr.  1865,1111.2112) zeigt unter dem Titel »The rival champion  ! Or little wadd preparing for the one eyed coronation« einen Aufzug von Proletariern, die rote Liberty Caps tragen, um damit ihre Forderungen nach politischen Reformen zu bekräftigen. 61 Vgl. als weiteres Beispiel die ähnliche Graphik »To Henry Hunt, Esqr. as Chairman of the meeting assembled on St. Peter’s Field on the 16th, of August 1819« (British Museum, RNr. 1871,0812.5310). 62 Siehe die Graphiken unter dem Stichwort »Cruikshank Liberty« in der British Museum Collection Online. Verwiesen sei etwa auf seine bekannte Graphik »Liberty Suspended  ! With the Bulwark of the Constitution  !« (British Museum, RNr. 1862,1217.317).

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Anmerkungen

63 Epstein, Cap of Liberty, S. 113 ff. 64 Vgl. die bei Dickinson, Caricatures and the Constitution, S. 267, 271, 281, abgebildeten Graphiken. 65 George Cruikshanks Blatt »Universal Suffrage« von 1819 zeigt, wie im Untertitel hinzugefügt ist, die Folgen einer »radikalen Reform« in Gestalt eines vielköpfigen Monsters, das u. a. Kronen, die Waage der Gerechtigkeit sowie die Bill of Rights und die Magna Charta zerstört (Dickinson, Caricatures and the Constitution, S. 251) 66 Nach George, Political Caricature, Bd. 2, S. 230, ist in den 1820er Jahren die in politischen Karikaturen führende Position von England auf Frankreich übergegangen. 67 Fabrice Bensimon, Les Britanniques face à la Révolution française de 1848, 2000, S. 353 ff. 68 Dies gilt auch für die politische Graphik, die die Parlamentsreform von 1832 begleitete (Dickinson, Caricatures and the Constitution, S. 39 f. mit Abb. S. 296 ff.). 69 Epstein, Cap of Liberty, S. 115 ff., mit Hinweisen auf entsprechende Graphiken. 70 Bensimon, Les Britanniques, S. 360 ff., mit zahlreichen Abbildungen. 71 Siehe Kap. 2. 5. 72 Zur »amerikanisierten Liberty«  : E. McClung Fleming, From Indian Princess to Greek Goddess. The American Image, 1783–1815, in  : Winterthur Portfolio, Bd. 3 (1967), S. 37 (56). 73 Hierzu Carl J. Richard, The Founders and the Classics, 1994, S. 1 ff. 74 Richard, The Founders, S. 12 ff., zur Orientierung der Gründungsväter an der politischen Theorie der Whigs. 75 Ein Überblick über den »Symbolismus« der Gründungsväter bei Richard, The Founders, S. 39 ff. 76 Eine umfassende Darstellung bei Fleming, Indian Princess, S. 39 ff. 77 Fleming, Indian Princess, S. 39 ff. 78 Zur hier nicht einbezogenen Verfassungs- und Freiheitssymbolik im Kapitol  : Vivien Green Fryd, Representing the Constitution in the US Capitol Building  : Justice, Freedom and Slavery, in  : Silke Hensel u. a. (Hg.), Constitutional Cultures. On the Concept and Representation of Constitutions in the Atlantic World, 2012, S. 227 ff. 79 So sieht man auf dem »Walking Liberty Half Dollar«, geprägt von 1916 bis 1947, sowie auf dem seit 1986 geprägten »American Silver Eagle« eine majestätisch schreitende Liberty mit einer phrygischen Mütze als Kopfbedeckung. 80 Abb. in  : Massachusetts Historical Society Collections Online, http://www.masshist.org/database/593 [abgerufen am  : 12.01.2017]. 81 Zu ihr vgl. bei Abb. 50. 82 Zu dieser Münze Fleming, Indian Princess, S. 42 f. 83 Ein Beispiel ist der »New York Washington Cent« von 1786 (Abb. in  : Illustrated History of the United States Mint, Revised Edition, 1888, Plate IX). 84 Vgl. Museum of Fine Arts Boston, Accession Number 92.1536  : Entwurf von dem in England geborenen und nach Amerika ausgewanderten James Falconer Atlee  ; nach Fleming, Indian Princess, S. 63, wurden die Druckplatten von dem Birminghamer Graveur Wyon hergestellt, die Münze sei aber nicht im Umlauf gewesen. 85 Zur Columbia, die oftmals mit der Symbolik der Liberty oder mit der amerikanischen Flagge und dem amerikanischen Adler dargestellt wird  : Fleming, Indian Princess, S. 59 f. m. Nw. 86 Illustrated History of the United States Mint, S. 71 mit Abb. I sowie S. 79 mit Abb. IX. 87 Zum Folgenden Cornelius Vermeule, Numismatic Art in America, Cambridge, 1971, S. 1 ff. 88 Yvonne Korshak, The Liberty Cap as a Revolutionary Symbol in America and France, in  : Smithsonian Studies in America, Bd. 1 (1987), S. 53 (62 mit Abb. 20)  ; Vermeule, Numismatic Art, S. 28. 89 Vgl. Vermeule, Numismatic Art, S. 26 mit Abb. Nr. 14. 90 Abb. bei Vermeule, Numismatic Art, S.  27 f., der allerdings lediglich von »french influences« spricht,

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offenbar um in selbstbewusster nationaler Geschichtsschreibung den amerikanischen Beitrag bei der Entwicklung der nationalen politischen Symbolik zu überhöhen.  91 Fleming, Indian Princess, S. 56, 61 (mit Abb. 23), 63 (mit Abb. 25).  92 Korshak, Liberty Cap, S. 62  ; die Liberty mit dem Liberty Cap steht, um ein Beispiel zu nennen, im Zentrum des Bildes von Samuel Jennings mit dem Titel »Genius of America Encouraging the Emancipation of the Blacks« von 1790–1792 (Abb. bei Korshak, Liberty Cap, S. 63 Nr. 21).   93 Zu früh geäußerter Kritik an der Übernahme von Duprés Libertas-Symbolik vgl. David Hackett Fischer, Liberty and Freedom, 2005, S. 139.   94 Abb. der Folgeprägungen bei Vermeule, Numismatic Art, S. 32 ff.   95 Vgl. Vermeule, Numismatic Art, S. 37 ff.  96 R. W. Julian, Historical Background. Gobrecht Dollars 1836-39, in  : David Bowers (Hg.), Silver Dollars &Trade Dollars of the United States, 1993, S. 505 ff.   97 Zitat aus einem Zeitungsartikel nach Vermeule, Numismatic Art, S. 77.  98 Vermeule, Numismatic Art, S. 35 f.   99 Zitat nach Vermeule, Numismatic Art, S. 75. 100 Dies gilt ebenfalls für die Liberty-Darstellung, die 1892 für die Dollarprägungen von Charles E. Barber, dem Chief Engraver an der amerikanischen Münze, entworfen wurden. Sie übernahm weitgehend Vorlagen französischer Medaillen und Münzen (Vermeule, Numismatic Art, S. 87 f. mit Abb.). Selbst Oscar Rotys »Säerin«, seit 1897 für französische Münzen verwendet, wurde 1916 auf dem »Walking Liberty«-Dollar in leicht abgewandelter Form übernommen (Vermeule, Numismatic Art, S. 147). 101 Anlehnungen an die französisch-amerikanische Liberty-Symbolik finden sich zudem 1889 auf Proben der 25- und 50-Cent-Münzen sowie der ¼-Dollar-Münze der Republik Nigeria (privates Bildarchiv des Verfassers). Nicht nur in der Politik, auch im Münzwesen sind die amerikanischen Einflussnahmen offensichtlich. 102 Zum hier nicht weiter verfolgten Zusammenwirken mit Frankreich bei der Errichtung der Statue of Liberty im Hafen von New York und zu deren Freiheitssymbolik vgl. Lenore Skomal, Lady Liberty. The Untold Story of the Statue of Liberty, 2009. 103 Zur Glorifizierung Franklins in Frankreich vgl. Gilbert Chinard, The Apotheosis of Benjamin Franklin Paris, 1790–1791, in  : Proceedings of the American Philosophical Society, Bd.  99 (1955), S.  440 ff., sowie die Graphik von Barincou Montbrun »L’Apotre de la Liberté immortalisé« (Abb. S. 458) mit der Darstellung von Franklin, wie er in den Himmel emporgetragen wird. 104 Zur Verwendung dieses Motivs auf Bettwäsche und Bettvorhängen in Amerika vgl. Whitney A. J. Ro­ bertson, Sleeping Amongst Heroes  : Copperplate-printed Bed Furniture in the »Washington and American Independance (sic) 1776  ; the Apotheosis of Franklin« Pattern, 2012, http://digitalcommons.unl. edu/tsaconf/739 ]abgerufen am  : 12.01.2017]. 105 So für den Export britischer Keramik  : Christina H. Nelson, Transfer-printed Creamware and Pearlware for the American Market, in  : Winterthur Portfolio, Bd. 15 (1980), S. 93 ff. 106 Erste Ansätze in diese Richtung finden sich in John Francis Renaults New Yorker Graphik »Triumph of Liberty, Dedicated to its Defenders in America« von 1796 (Library of Congress, RNr. LC-DIGppmsca-13643). 107 Abb. in  : Joshua C. Taylor, America as Art, 1976, S. 32. 108 Abb. dieser Graphik mit dem Titel »Goddess of Liberty with the Portrait of Jefferson« bei Fleming, Indian Princess, S. 57. 109 George Washingtons Portrait war bereits 1783 auf dem Frontispiz für den in London erschienenen Band »The constitutions of the several independent states of America« (Library of Congress, RNr. LCUSZ62-46319) zusammen mit einem Liberty Cap dargestellt worden. In einer anonymen Graphik von etwa 1800 mit dem Titel »Washington giving the laws to America« wurde er als Verfassunggeber glorifiziert (Library of Congress, RNr.  LC-DIG-ds-05302)  : Washington, sitzend auf einem Thron

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Anmerkungen

aus Stein, hält eine Steintafel mit der Aufschrift »The American Constitution«, um ihn herum in der symbolisch überladenen Darstellung sieht man u. a. die Britannia mit einem Löwen, die antiken Gottheiten Athena und Hermes vor einem Tempel im Hintergrund sowie darüber die Fama mit dem amerikanischen Wappenschild und mit einer Posaune. 110 Hierzu Phoebe Lloyd Jacobs, John James Barralet and the Apotheosis of George Washington, in  : Winterthur Portfolio, Bd. 12 (1977), S. 115 ff. 111 Frank Büttner/Andrea Gottdang, Einführung in die Ikonographie, 2. Aufl. 2009, S. 184 ff. 112 Vgl. zu ihm Barbara A. Wolanin, Constantino Brumidi  : Artist of the Capitol, 2005. 113 Zu diesem Frontispiz vgl. Fleming, Indian Princess, S. 60. 114 So etwa in Jared W. Bells Holzschnitt »Temple of Liberty« von 1834 (Library of Congress, RNr. LCDIG-ppmsca-17520) oder auf dem die USA feiernden Flugblatt »The first great Western empire  : or, the United States of America« von 1812 (Library of Congress, RNr. LC-USZ62-40915). 115 Zu Jeffersons Plädoyer für eine Verbindung von klassischen und modernen Stilelementen vgl. Richard, The Founders, S. 43 ff. 116 Library of Congress, RNr. LC-DIG-ppmsca-10756. 117 Für die Graphik von 1796 wurde der Titel »See Porcupine in Colours just Portay’d« gewählt, weil Cobbett für seine Pamphlete das Pseudonym »Porcupine«, also Stachelschwein, verwendete (vgl. Christo­ pher James Consolino, »Watchfull Guardians of Liberty«  : The French Revolution and the Development of Democratic Republicanism in Philadelphia, 1792–1797, BA-Theses The College of William and Mary, 2010, S. 77 f.; Fleming, Indian Princess, S. 61 f. jew. mit Abb.). 118 Siehe hierzu Fischer, Liberty and Freedom, S. 208 ff. 119 Vgl. z. B. Library of Congress, RNr. LC-USZ62-9912. 120 Library of Congress, RNr. LC-USZ62-9646. 121 Marion G. Müller, Politische Bildstrategien im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 1828–1996, 1997, S. 270 ff. mit Abb. von Wahlplakaten für Präsidentschaftswahlen zwischen 1840 und 1888 (Nr. 7, 9, 14, 15, 16, 22, 24, 25, 59). 122 So wurde der Kampf der Vereinigten Staaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg für die Freiheit in der Welt durch Liberty-Darstellungen mit Liberty Cap symbolisiert (vgl. die Plakate der National War Gar­ den Commission mit den Titeln »Liberty Sowing the Seeds of Victory« von 1917 und »Sow the Seeds of Victory« von 1918 [Library of Congress, RNr. LC-USZC4-10027  ; RNr. LC-USZC4-10234] sowie das Monument auf dem »National Memorial Cemetery of the Pacific« in Honolulu von 1949 [Wikimedia Commons]). 123 José M. Portillo Valdés, Early Constitutionalism and the Limits of Liberalism in the Spanish World, in  : Silke Hensel u. a. (Hg.), Constitutional Cultures  : On the Concept and Representation of Constitutions in the Atlantic World, 2012, S. 43 (55 ff.). 124 Andreas Timmermann, Die Verfassung der Republik Venezuela von 1811. Vorbilder und ideengeschichtliche Grundlagen, in  : Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, N. F., Bd. 60 (2012), S. 545 ff. 125 Zu den Ausnahmen gehört eine 1809 von Thomas Suria geschaffene Medaille auf den Zentralrat Spaniens und der südamerikanischen Provinzen. Hier wird das personifizierte Spanien mit Stab und Freiheitshut dargestellt (Die Jules Fonrobert’sche Sammlung überseeischer Münzen und Medaillen, 1878, Nr. 6485). Weiterhin gibt es einige wenige Medaillen auf die Verfassung von Cádiz von 1812, z. B. eine Silbermedaille auf deren Wiederherstellung im Jahr 1820 (privates Bildarchiv des Verfassers). 126 Zu US-amerikanischen und französischen Einflüssen auf den Unabhängigkeitskampf in Süd- und Mittelamerika vgl. Richard J. Walter, Revolution, Independence, and Liberty in Latin America, in  : Isser Woloch (Hg.), Revolution and the Meanings of Freedom in the Nineteenth Century, 1996, S.  103 (115 f.). 127 Eine sehr materialreiche Darstellung bei Bernard Richard, Marianne en Amérique. L’emblématique

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républicaine en Amérique, nord et sud, 2014, S.  10 ff. (abrufbar unter http://fr.calameo.com/read/ 00365058464e223b2b177 [abgerufen am  : 12.01.2017])  ; Eduardo Dargent-Chamot, L’iconographie révolutionnaire à l’Amérique espagnole, in  : Michel Vovelle (Hg.), L’image de la Révolution française, Bd. II, 1990, S. 1499 ff. 128 Zur ursprünglichen Form dieses hier stilisiert reproduzierten Staatssiegels vgl. Luciano Pezzano, El anverso de las primeras monedas patrias  : ¿sello de la asamblea o escudo nacional  ?, in  : El Jornario de las XXVI Jornadas Nacionales de Numismática y Medallística, 2007, S. 68. 129 Karl-Heinz Hesmer, Flaggen und Wappen der Welt, 1992, S. 21. 130 So Héctor C. Quesada, El Escudo Nacional, 1934, S. 10 f. 131 So Richard, Marianne en Amérique, S. 49. 132 Hans-Joachim König, Kommentar aus der Sicht Lateinamerikas  : Zur Bedeutung kulturgeschichtlicher Ansätze für die Geschichte Lateinamerikas, in  : Hans Werner Tobler/Peter Waldmann (Hg.), Lateinamerika und die USA im »langen« 19. Jahrhundert, 2009, S. 231 (234 f.). 133 So etwa die 8-Reales-Münze von 1813 (privates Bildarchiv des Verfassers). 134 So auf dem Revers der Peso-Münze von 1994/95 (Thomas Michael/George S. Cuhaj, Standard Catalog of World Coins 1901–2000, 40. Aufl. 2012, Nr. 112). 135 Dieselbe Symbolik findet sich auf den Wappen der argentinischen Provinzen Buenos Aires, Catamarca, Corrientes, Jujuy, Mendoza, San Juan und Santiago del Estero (vgl. die Abbildungen im jeweiligen Wikipedia-Artikel). Daneben ist sie bis heute auch außerhalb der Staatsrepräsentation präsent. Als Beispiel kann auf das Titelbild von Humberto Quiroga Lavié, Visita Guiada a la Constitución Nacional, 1995 verwiesen werden, das über zwei verschränkten Händen die rote Freiheitsmütze auf einer Stange zeigt. 136 Zur Maipyramide als dem zentralen, aber doch umstrittenen Symbol für die Unabhängigkeit und für die Einheit Argentiniens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts  : Stefan Rinke, Säulen der Republiken  : Frühe Denkmäler und Erinnerungs-Politik in den nachkolonialen Amerikas, in  : Tobler/Waldmann, Lateinamerika, S. 199 (212 ff. m. Nw.)  ; Richard, Marianne en Amérique, S. 50 f. 137 Abb. unter http://en.wikipedia.org/wiki/File  :Brazil_argentina_allegory.jpg [abgerufen am   : 12.01. 2017]. 138 Vgl. Thomas Michael/George S. Cuhaj, Standard Catalog of World Coins 1801–1900, 6.  Aufl. 2009, Nr. 68. 139 Duprés Vorlage war bereits auf Oudinés 1-Centime-Münze des Jahres 1848 übernommen worden. 140 Ebenfalls nach französischem Vorbild gestalteten die zur Münzunion »Union Centro America« zusammengeschlossenen Länder Costa Rica, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Salvador ihre 1- und 2-Centavos-Münzen (Probeprägung aus dem Jahr 1889 im privaten Bildarchiv des Verfassers). 141 In Brasilien wurde die Freiheitssymbolik nach dem Übergang zur republikanischen Staatsform im Jahr 1889 für eine relativ kurze Zeit rezipiert, konnte sich aber nicht durchsetzen. Zu den Gründen vgl. Jo­ seph Jurt, Die Nationalsymbole in Brasilien  : Vom Kaiserreich zur Republik, in  : Verfassungsstaatlichkeit im Wandel, Festschrift für Thomas Würtenberger, 2013, S. 83 ff. 142 Yobenj Aucardo Chigangana-Bayona, La india de la libertad  : de las alegorías de América a las alegorías de la patria, in  : Estudios de filosofía práctica e historia de las ideas, Bd. 13 (2011), Online-Ausgabe, Abb. 10 (mit weiteren Beispielen). 143 Privates Bildarchiv des Verfassers. 144 Zu früheren Libertad-Darstellungen im kolumbianischen Kurantgeld vgl. R A. G. Carson, Coins of the World, 1962, S. 438. 145 Auch sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts Münzen mit einem Frauenkopf mit phrygischer Mütze im Umlauf (Gerhard Schön/Günter Schön, Weltmünzkatalog, 33. Aufl. 2004, Kolumbien Nr. 1 ff.). 146 Vgl. die Abbildungen in den jeweiligen Wikipedia-Artikeln. 147 Zur politischen Symbolik und zur Verfassungssymbolik in der Gründungsphase Mexikos vgl. Katrin

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Anmerkungen

Dirksen, Representations of Competing Political Orders  : Constitutional Festivities in Mexico City, 1824–1846, in  : Hensel u. a. (Hg.), Constitutional Cultures, S. 129 (136 f.). 148 Vgl. weiter die 25-Centavos-Prägung von 1889 mit der sich dem gorro frigio annähernden Freiheitsmütze über einer Waage sowie einer Rolle mit der Aufschrift »Ley« (privates Bildarchiv des Verfassers). 149 Der gorro frigio war nicht nur im Münzwesen, sondern auch in der mexikanischen Bildpublizistik bis in das beginnende 20. Jahrhundert präsent (Abb. in  : Déborah Holtz/Juan Carlos Mena [Hg.], Imágenes de la Patria, 2010, S. 10, 18, 31, 72, 133, 139). 150 Hesmer, Flaggen, S. 64  ; Nationalflaggen der Welt, 2. Aufl., 2000, S. 33. Zur Übernahme des Staatswappens in das Münzgeld vgl. die Rückseite des Gourde von 1881 (Abb. in  : Krause/Mishler, Standard Catalog, Nr. 46). 151 http://www.coinarchives.com/63af64c46255d3972e7fca33471b62d3/img/stacks/stacks_jan11/ image01594.jpg [abgerufen am  : 12.01.2017] 152 http://www.coinarchives.com/5f5a938f2fea23ca91b5e14b806e82c9/img/heritage/3019/image24877. jpg [abgerufen am  : 12.01.2017] 153 Vgl. weiter den Avers der 1-Sol-Münze von 1839  : Eine Libertad hält mit der rechten Hand ein Schild mit einem Sonnensymbol, mit der linken Hand die Freiheitsmütze auf einer Stange. Auf einem Altar steht zur Erklärung »Libertad« (privates Bildarchiv des Verfassers). 154 Schön/Schön, Weltmünzkatalog, Peru, Nr. 30 ff. 155 Auf einer von A. Davalos geschaffenen Medaille auf den Eid auf die peruanische Verfassung von 1839 sieht man auf dem Avers die mit dem linken Fuß auf eine dreischwänzige Schlange tretende Libertad mit dem Pileus auf einer Stange und der Verfassung in der ausgestreckten linken Hand (Fonrobert’sche Sammlung, Nr. 9062). 156 So findet sich auf einem Jeton auf die Verfassung Venezuelas von 1843 eine Freiheitsmütze auf einem Stab oder auf der paraguyanischen 1-Peso-Münze von 1889 unter dem Motto »Paz y Justicia« ein Löwe mit Freiheitsmütze (privates Bildarchiv des Verfassers). Zum Münzgeld vgl. Carson, Coins, S. 439 (zu Venezuela und Ecuador), S. 442 (zu Chile), S. 444 (zu Paraguay) und S. 445 (zu Brasilien)  ; zu Honduras vgl. die 8-Peso-Münze von 1862 mit der Freiheitsmütze auf einer Art Pyramide (privates Bildarchiv des Verfassers). Vgl. weiter Juan Ricardo Rey Márquez, Los indígenas européos  : la »india de la libertad«, 2005, http://www.museonacional.gov.co/Publicaciones/publicaciones-virtuales/Documents/calegoria.pdf [abgerufen am  : 12.01.2017]  ; Jorge Echeverri González, La danza de los símbolos, http://www.mundolatino.org/textos/danzasim.htm [abgerufen am  : 12.01.2017] (zum aus Frankreich rezipierten, in Südamerika kaum verbreiteten Symbol des Freiheitsbaumes)  ; Beatriz Gonzáles Aranda, El árbol de la libertad, in  : Revista de Santander, Nr. 5 (2010), S. 46 ff. 157 Zur Verschmelzung der europäischen Freiheitssymbolik mit den kulturellen Traditionen Südamerikas Juan Ricardo Rey-Márquez, Nacionalismos aparte  : antecedentes republicanos de la iconografía nacional, http://www.academia.edu/335600/Nacionalismos_aparte_Congreso_colombiano_de_historia_ [abgerufen am  : 12.01.2017]. 158 Peter Waldmann, Zur Rolle der Verfassung in der Gründungsphase der USA und der lateinamerikanischen Staaten, in  : Hans Werner Tobler/Peter Waldmann (Hg.), Lateinamerika und die USA im »langen« 19. Jahrhundert, 2009, S. 27 (33)  ; Judith Schulz, Präsidentielle Demokratie in Lateinamerika, 2002, S. 78 (151 ff.)  ; Stefan Rinke, Revolutionen in Lateinamerika, 2010, S. 293 f. 159 Dies überbetonend Richard, Marianne en Amérique, S. 81 f. 160 Vgl. Waldmann, Rolle der Verfassung, S. 35, 44, 49.

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8. Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

8. Deutsch-französische Gegensätze nach 1871  : der Weg in die Dritte Republik im Widerstreit der Freiheitssymbolik und die Verfassungssymbolik des Deutschen Kaiserreich  1 Vgl. die Zusammenstellung im Prometheus-Bildarchiv unter dem Stichwort »constitution 1869«. Beispielhaft genannt seien die Darstellungen der Verfassung als Versuchsballon in Le Charivari vom 12.8.1869 oder als Gegenstand einer »leçon d’anatomie« in Le Charivari vom 21.8.1869  ; das Verhältnis von Verfassung und Freiheit wurde in Le Charivari vom 23.8.1869 thematisiert, wo bei der Anprobe bei einer Schneiderin für das Gewand der personifizierten Freiheit »pas trop écourté, s’il vous plait«, nicht zu stark gekürzt bitte, als Maxime für die Gewährleistung von Freiheit beachtet werden sollte.   2 Siehe hierzu Rolf Reichardt, Der Bilderkampf zwischen Königtum und Republik, in  : ders. (Hg.), Französische Presse und Pressekarikaturen 1789–1992, 1992, S. 84 f.  3 Vgl. zu den zahlreichen Darstellungen einer für die Pariser Kommune kämpfenden Liberté MarieClaude Schapira, Die Fahnenträgerin in der Ikonographie der Pariser Commune, in  : Raimund Rütten u. a. (Hg.), Die Karikatur zwischen Republik und Zensur, 1991, S. 477 ff.; Maurice Agulhon, Marianne au combat, 1979, S. 182 f.   4 Das Scheitern der Kommune von Paris begleitete Pilotell mit einer Graphik unter dem von Victor Hugo entlehnten Titel »Le cadavre est à terre et l’idée est debout«  : Die tote Kommune mit dem bonnet de la liberté ist vor einer Mauerbresche aufgebahrt. Auf einer Fahne in dieser Mauerbresche wird u. a. verkündet, dass die Pariser Bevölkerung die Republik rette und all jene Monumente zerstöre, die den Hass zwischen den Völkern verewigen. Die im Hintergrund aufgehende Sonne steht für die Hoffnung der Wiederkehr des republikanischen Programms der Pariser Kommune (Abb. bei  : Pilotell, Avant, pendant et après la Commune. Croquis & Caricatures à l’eau-forte, in  : Les 31 séances officielles de la Commune de Paris, 1871, nach S. 140).   5 Dieser Titel war bereits 1850 von dem Künstler Randon verwendet worden, um die auf die Verfassung und das Wahlrecht gestützte gemäßigte Republik einer hässlichen jakobinischen Republik gegenüberzustellen (Abb. in  : Prometheus Bildarchiv).  6 Vgl. Jean Garrigues, »Les deux Républiques«, par Alfred Le Petit, Le Grelot, janvier 1872, in  : Parle­ ment[s]. Revue d’histoire politique, Bd. 16 (2011), S. 113. Als Beispiel für eine die Republikgegner kritisierende Graphik Petits siehe das Titelbild »Die Sonne«, in  : Le Grelot vom 10.12.1871 (Abb. und ausführliche Diskussion in  : Hubertus Fischer, Wer löscht das Licht  ? Europäische Karikatur und Alltagswelt 1790–1990, 1999, S. 195 ff.).   7 Vgl. zum Folgenden Garrigues, »Les deux Républiques«, S. 113 ff.; Klaus Herding, Verkehrte Welt und Korrektiv  : die Karikatur, in  : Wilhelm-Busch-Jahrbuch, Bd. 54 (1988), S. 101 (105 f.).   8 Vgl. im Internet unter dem Suchbegriff »Triomphe de la République 1875«.   9 Frontispiz zu  : Almanach des gens de bien pour l’année 1797 (Abb. bei  : Rolf Reichardt, Expressivität und Wiederholung. Bildsprachliche Erinnerungsstrategien in der Revolutionsgraphik nach 1785, in  : Astrid Erll/Ansgar Nünning [Hg.], Medien des kollektiven Gedächtnisses, 2004, S. 148). 10 So Reichardt, Expressivität, S. 132. 11 Zum Folgenden ausführlich Maurice Agulhon, Die Frau mit der phrygischen Mütze – Von der Kommune bis zur Hundertjahrfeier 1871–1989, in  : Raimund Rütten u. a. (Hg.), Die Karikatur zwischen Republik und Zensur, 1991, S. 489 ff. 12 Bernard Richard, Les emblèmes de la République, 2012, S. 68 f., 94 ff. (zur Verbreitung von MarianneBüsten mit roter phrygischer Mütze in der Bevölkerung). 13 Agulhon, Frau mit der phrygischen Mütze, S. 490 ff.; ders., Marianne au combat, S. 209 ff., mit ­einer Schilderung des schwierigen Prozesses der Konsolidierung dieser Symbolik  ; Richard, Emblèmes, S. 70 ff. 14 Bereits seit Mitte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts kam der Kopf der Liberté mit phrygischer Mütze

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Anmerkungen

auf Medaillen aus Anlass der Wahlen des Staatspräsidenten oder auf Legitimationszeichen der Abgeordneten für ihren Zutritt zur Nationalversammlung zur Verwendung. 15 Zu Deutschland vgl. unter 3. 16 Ähnlich bereits Steinlens Plakat für die sozialistische Zeitschrift »Le Petit Sou« von 1901 (Abb. in  : Agulhon, Frau mit der phrygischen Mütze, S. 492) sowie seine Illustration »Premier Mai« in der Zeitschrift »Le Chambard« vom 1.5.1894 (Abb. in  : Jürgen Döring/Holger Klein-Wiele, Grafik Design im Jugendstil, 2011, S. 188). 17 Siehe etwa die 1961 von Jean Cocteau, dem Meister der klassischen Formgebung des menschlichen Profils, entworfene 0,20-Franc-Briefmarke. Die Stilisierung von Mariannes Kopfbedeckung durch eine Jakobinermütze fast schon in Helmform beschreitet neue Wege, knüpft aber gleichwohl an die traditionelle Symbolik an. 18 Maurice Agulhon, Les Métamorphoses de Marianne, 2001, S. 189 ff. 19 Werner Frotscher/Bodo Pieroth, Verfassungsgeschichte, 13. Aufl., 2014, Rn. 412, mit Hinweisen zur Beurteilung der Reichsgründung. 20 Hierzu Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, 2. Bd. 1992, S. 438 ff. 21 Vgl. Bernd Müller, Das 1894 in Berlin eröffnete Gebäude des damaligen Deutschen Reichtages und heutigen Bundestages im Spiegel seiner Medaillen und Plaketten, 2008, S. 31 ff. 22 Wilhelm Tell, 4. Aufzug, 2. Szene. 23 Auf die mit dem Reichstagsgebäude selbst verbundene und seit Anbeginn umstrittene Symbolik (siehe hierzu Bernd Roeck, Der Reichstag, in  : Etienne François/Hagen Schulze [Hg.], Deutsche Erinnerungsorte, Bd. 1, 2009, S. 138 ff.; Jens Kersten, Parlamentskunst – Über das Verhältnis von demokratischer und symbolischer Repräsentation, in  : Martin Hochhuth [Hg.], Nachdenken über Staat und Recht, 2010, S. 149 ff.) soll hier nicht weiter eingegangen werden, da die politische Architektur ein eigenes Themenfeld darstellt. 24 Kersten, Parlamentskunst, S. 156 f. 25 Zur umstrittenen Frage der Parlamentarisierung des Kaiserreichs vgl. Marcus Kreuzer, Und sie parlamentarisierte sich doch  : Die Verfassungsordnung des Kaiserreichs in vergleichender Perspektive, in  : Marie-Luise Recker/Elisabeth Müller-Luckner (Hg.), Parlamentarismus in Europa, 2004, S.  17 (28 ff.)  ; Andreas Biefang, Integration und Repräsentation. Zur Stellung des Reichstags in der politischen Kultur der konstitutionellen Monarchie 1871–1888, in  : ebd., S. 1 ff. 26 Verwiesen sei auf die von E. Secker in Hamburg verlegte Medaille auf Bismarcks Reichstagsrede vom 11.1.1887, in der er die Beschlussfassung über den Militäretat nicht dem »Belieben einer parlamentarischen Majorität« überlassen wollte, damit die »verbündeten Regierungen« ihrer Verantwortung für den »Schutz des Bundes und des Bundesgebietes jederzeit« nachkommen können (Abb. in  : Katalog Medaillensammlung Fürst Otto von Bismarck, Münzhandlung Harald Möller, Kassel, Auktion 61 vom 20.11.2012, Nr. 96). Zudem wurden zahlreiche Medaillen auf seinen volkstümlich gewordenen Ausspruch »Wir Deutschen fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt« anlässlich der Reichstagsrede vom 6.2.1888 geprägt (Abb. ebd., Nr. 103–162). 27 Privates Bildarchiv des Verfassers. 28 Siehe etwa Sören Utermark, »Schwarzer Untertan versus schwarzer Bruder«. Bernhard Dernburgs Reformen in den Kolonien Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Togo und Kamerun, Diss. phil. Univ. Kassel, 2012, S. 124 ff. 29 Gerd Fesser, Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow, 1991, S. 97. 30 Fesser, Reichskanzler, S. 98. 31 Siehe zu diesen etwa Volker Ullrich, Die nervöse Großmacht 1871–1918. Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs, 4. Aufl., 2001, S. 216 f. 32 Utermark, »Schwarzer Untertan«, S. 131  ; zu Dernburgs Kolonialpolitik, die für eine stärkere Betonung

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8. Deutsch-französische Gegensätze nach 1871

des humanitären Gedankens und für eine sachgerechte ökonomische Erschließung der deutschen Kolonien eintrat, vgl. ebd. S. 114 ff. 33 Vgl. zum Thema Nationalstaat und Denkmal Thomas Nipperdey, Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert, in  : Historische Zeitschrift, Bd. 206 (1968), S. 529 ff.; Reinhard Alings, Monumente und Nation. Das Bild vom Nationalstaat im Medium Denkmal, 1994  ; George L. Mosse, The nationalization of the masses. Political symbolism and mass movements in Germany from the Napoleonic Wars through the Third Reich, 1975, S.  47 ff.; Beate Althammer, Das Bismarckreich 1871-1890, 2009, S. 43 ff.; Wolfgang Hardtwig, Bürgertum, Staatssymbolik und Staatsbewußtsein im Deutschen Kaiserreich 1871–1914, in  : Geschichte und Gesellschaft, Bd.  16 (1990), S.  269 ff.; ders., Erinnerung, Wissenschaft, Mythos. Nationale Geschichtsbilder und politische Symbole in der Reichsgründungsära und im Kaiserreich, in  : ders., Geschichtskultur und Wissenschaft, 1990, S. 224 ff.; ders., Nationsbildung und politische Mentalität. Denkmal und Fest im Kaiserreich, in  : ders., ebd., S. 264 ff. 34 Alings, Monumente und Nation, S. 540. 35 Gelegentlich wurden in den Denkmälern Bezüge zum Recht hergestellt, jedoch zählte die Verfassung nicht zu den verwendeten Sinnbildern. Beispielsweise fanden beim Hamburger Kaiser-Wilhelm-I.Denkmal Allegorien auf die Rechtsordnung und die Sozialgesetzgebung Verwendung (Alings, Monumente und Nation, S. 227), beim Berliner Nationaldenkmal die Rechtssymbole Gesetzbuch, Waage und Schwert sowie eine Urkunde, die aber nicht die Aufschrift »Verfassung«, sondern »Recht, Gesetz, Einheit« trug (ebd., S. 215). 36 Alings, Monumente und Nation, S. 435. 37 Vgl. die Beschreibung einzelner Denkmäler bei Alings, Monumente und Nation, S.  153 ff., und die Analyse des »politischen Programms« der Monumente ebd., S. 415 ff. 38 So Theodor Schieder, Das Deutsche Kaiserreich von 1871 als Nationalstaat, 2. Aufl., 1992, S. 81 (m. Nw.). 39 Schieder, Kaiserreich, S. 82. 40 Eigene Zählung auf der Grundlage von Sieglinde Seele, Lexikon der Bismarck-Denkmäler. Türme, Standbilder, Büsten, Gedenksteine und andere Ehrungen, 2005. 41 Vgl. zur Entstehung des Bremer Bismarck-Denkmals Alings, Monumente und Nation, S. 255 ff. 42 Alings, Monumente und Nation, S. 462, 574. 43 Alings, Monumente und Nation, S. 462. 44 Vgl. zum Thema Crane und Sozialismus Isobel Spencer, Walter Crane, 1976, S. 141 ff. 45 So Spencer, Crane, S. 142. 46 Vgl. Spencer, Crane, S. 142 f. 47 Vgl. Walter Crane, An Artist’s Reminiscences, 1907, S. 276. 48 Spencer, Crane, S. 148 (Abb. S. 149). 49 Abb.: AKG-Images, Bildnummer AKG1716035 (http://www.akg-images.de). 50 Vgl. hierzu Crane, Reminiscences, S. 464 (mit Abb. S. 465). 51 Vgl. zu dieser Auffassung Beatrix W. Bouvier, Französische Revolution und deutsche Arbeiterbewegung, 1982, S. 259 ff. 52 Ein Beispiel ist die Karikatur »Socialism and the Imperialistic Will o’ the Wisp« aus der Maitag-Ausgabe des Justice Journal von 1901  ; vgl. hierzu Pippa Biltcliffe, Walter Crane and the Imperial Federation Map Showing the Extent of the British Empire (1886), in  : Imago Mundi, Bd. 57 (2005), S. 66, 67, 68 (mit Abb. S. 66). 53 Siehe hierzu Crane, Reminiscences, S. 354. 54 Crane, Reminiscences, S. 354. 55 Sarah Victoria Turner, Walter Crane and Hermann Obrist. Craft, Sculpture and Transnationality at the Fin de Siècle (Wednesday Evening Talk, 16th June 2010), in  : Henry Moore Institute Online Papers and Proceedings, 2010, S. 5. 56 Turner, Crane, S. 8.

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Anmerkungen

57 Beispielsweise sticht im Titelblatt der Ausgabe des Wahren Jacob Nr. 192 vom 2.12.1893 unter der Überschrift »Wider die Dreiklassenwahl« ein die Sozialdemokratie verkörpernder nackter Jüngling, der eine mit »Für das allgemeine gleiche Wahlrecht« beschriftete rote Fahne trägt, auf einen dreiköpfigen Kentauren ein, der das »Drei-Klassen-Wahlsystem« repräsentiert. Das Bild trägt die Unterschrift  : »Wohl hat dieses Ungeheuer Trotz geboten allen Schlägen/Doch es wird der Sozialismus jugendkräftig es erlegen.« Siehe zu dieser Graphik William A. Coupe, German Political Satires, Bd. 3, 1985, S. 104 ff. (Abb. ebd., Bd. 4, S. 142). 58 Titelblatt zu Der Wahre Jacob Nr. 650 vom 20.6.1911. Vgl. zu dieser Graphik Coupe, German Political Satires, Bd. 3, S. 231 (Abb. ebd., Bd. 4, S. 330). 59 Ursula E. Koch, Der Teufel in Berlin. Von der März-Revolution bis zu Bismarcks Entlassung, 1991, S. 451 ff. 60 Siehe zu den in hoher Auflage erschienenen Maifestzeitungen Klaus-Dieter Pohl, Allegorie und Arbeiter. Bildagitatorische Didaktik und Repräsentation der SPD 1890–1914, 1986, S. 51 ff.; zur Libertas mit Jakobinermütze vgl. die dortigen Abb. 45, 48, 52, 100, 103, 118, 119, 121 und 144. Zu den vielfältigen Maifeierpostkarten siehe Manfred Gebhardt, Ein Hauch von Maienblüte. Postkarten der deutschen Arbeiterbewegung zum 1. Mai, 1989  ; Reinhard Stupperich, Ein antiker Hauch in der wilhelminischen Maienblüte, in  : Thetis, Bd. 2 (1995), S. 125 ff. 61 Jürgen Döring, Die Mai-Bilder und andere Auftragswerke der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands in den 1890er Jahren, in  : Wolfgang Cilleßen/Rolf Reichardt (Hg.), Revolution und Gegenrevolution in der europäischen Bildpublizistik 1789–1889, 2010, S. 484 ff. 62 Am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte in Deutschland allgemein eine »Postkartenmanie«  ; am umfangreichsten bedienten sich anscheinend die untere Mittelschicht und die Arbeiterklasse dieses Mediums (John Fraser, Propaganda on the Picture Postcard, in  : Oxford Art Journal, Bd. 3 [1980], Nr. 2, S. 39 ff.). 63 Stupperich, Antiker Hauch, S. 130 f. 64 Vgl. jenseits der Postkartenidyllen etwa die um 1890 in Hamburg bei Jean Holze gedruckte großformatige Chromolithographie mit dem Titel »Recht und Wahrheit. Das Banner der Humanität« (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Inv.-Nr. E 150 Bü 2045/99), in deren Mitte eine Göttin der Freiheit mit Jakobinermütze eine Fackel mit der Aufschrift »Recht und Wahrheit« in ihren Strahlen emporstreckt und hinter ihr das Banner der Humanität, an seiner Spitze Schleifchen mit dem Schriftzug »Gleichheit Freiheit Brüderlichkeit« in einem Lorbeerkranz, zeigt. Der Eifelturm im Hintergrund und Zitate von Karl Marx lassen einen Bezug zur Zweiten Internationalen von 1889 vermuten. 65 So Sabine Schnetz, Das politische Plakat im Kaiserreich 1900–1919. Wesen und Funktion, aufgezeigt an einer exemplarischen Auswahl politischer Anschläge, Magisterarbeit Univ. Freiburg 1981, S. 34. 66 Vgl. hierzu Pohl, Allegorie, S. 65 f. 67 Dies und das Folgende nach Frank Zeiler, Der »bonnet rouge« im Wahren Jacob. Erscheinungsformen und Verwendungsweisen eines revolutionären Freiheitssymbols in einem sozialdemokratischen Satiremagazin zur Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, 2016, S. 16 f., 6 f., 22 f. (abrufbar unter  : https  ://www.freidok.uni-freiburg.de/data/11161 [abgerufen am  : 12.01.2017]). 68 Karl Kautsky, Ein sozialdemokratischer Katechismus, in  : Die Neue Zeit, Jg. 12 (1893/94), S. 368 (403). 69 Vgl. etwa die Titelillustration »Vorwärts« zur März-Nummer 1900 des Wahren Jakob ebenfalls von Hans Gabriel Jentzsch mit einer in die Morgenröte voranschreitenden, geflügelten Freiheit mit roter Jakobinermütze (Abb. in  : Döring/Klein-Wiele, Grafik Design, S. 248). 70 Siehe hierzu Zeiler, Der »bonnet rouge«, S. 27 ff.

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9. Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung

9. Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung der Weimarer Verfassung  1 So Werner Frotscher/Bodo Pieroth, Verfassungsgeschichte, 13. Aufl. 2014, Rn. 573  ; Kurt Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, in  : Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Bd. 5 (1957), S. 42.   2 Anstelle vieler Autoren sei nur Gerhard Anschütz, Drei Leitgedanken der Weimarer Reichsverfassung, 1923, S.  19 und passim, genannt  ; vgl. weiter Thomas Würtenberger, Die Legitimität staatlicher Herrschaft. Eine staatsrechtlich-politische Begriffsgeschichte, 1973, S. 235 ff.   3 Vgl. Michel Deutschland-Spezial-Katalog, Bd. 1, 2012, S. 985.   4 Vgl. hierzu Bernhard Fulda, Die Nationalversammlung. Plakatwerbung für die Republik, in  : Gerhard Paul (Hg.), Das Jahrhundert der Bilder, Bd. 1  : 1900–1949, 2009, S. 227 ff.  5 Vgl. Frank Zeiler, Verfassungsbildsatiren zwischen Republikfeindschaft, Vernunftrepublikanismus und Republiktreue. Eine Darstellung der Bildbeiträge zur Weimarer Verfassung in den Satiremagazinen Kladderadatsch, Simplicissimus, Der Wahre Jacob und Lachen Links, in  : Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte, Bd. 17 (2016), S. 432, mit Nw. in Fn. 7 zu einigen belanglosen Zeichnungen im Klad­ deradatsch von 1919.   6 Ein Überblick über seine Medaillen auf die politische Entwicklung zu Beginn der Weimarer Republik findet sich bei Gunter W. Kienast, The Medals of Karl Goetz, 1967. Genannt seien nur die Medaille auf Kurt Eisner und den »Umsturz in Bayern« mit Verweis auf die bayerische »Verfassung 1808« (Nr. 214), die satirische Medaille auf die Räterepublik in Bayern, auf deren Revers der 1919 ermordete Anarchosozialist Gustav Landauer einen Freudentanz mit Lenin aufführt (Nr. 222), oder die Medaille auf die Reichstagswahl vom 6.6.1920, die auf ihrem Revers die Repräsentanten der politischen Parteien als wüste Horde mit unterschiedlichen politischen Forderungen darstellt (Nr. 269).  7 Vgl. zu Republikdarstellungen mit Freiheitsmützen zur Zeit der Weimarer Republik am Beispiel des Wahren Jakob Frank Zeiler, Der »bonnet rouge« im Wahren Jakob. Erscheinungsformen und Verwendungsweisen eines revolutionären Freiheitssymbols in einem sozialdemokratischen Satiremagazin zur Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, 2016, S. 27 ff. (abrufbar unter  : https  ://www.freidok. uni-freiburg.de/data/11161 [abgerufen am  : 12.01.2017]). An der Schwelle des Übergangs zur Weimarer Republik wurde mit der phrygischen bzw. der Jakobinermütze daneben auch ganz allgemein die Freiheit symbolisiert. So lässt der Maler, Illustrator und Karikaturist Thomas Theodor Heine in der Ausgabe des Simplicissimus vom 13.8.1918 den US-Präsidenten Woodrow Wilson unter dem Titel »Wilson der Demokrat« zu einem mit phrygischer Mütze gezeichneten russischen Bären sagen  : »Unter der phrygischen Mütze bist du mir zu friedlich geworden – setz’ lieber wieder die Zarenkrone auf«. Weitere Beispiele von Darstellungen mit Freiheitsmützen im Simplicissimus sind  : Thomas Theodor Heine, »Hoffnung«, Titelblatt zur Ausgabe vom 12.11.1918 mit einer Germania mit roter Freiheitsmütze, die einem Adler zu trinken gibt  ; Olaf Gulbransson, »Der Nachfolger«, Titelblatt zur Ausgabe vom 7.1.1920  ; Olaf Gulbransson, »Komplett« (mit Freiheitsmütze und »Freiheitsmaulkorb«) in der Ausgabe vom 19.7.1922, S. 239.   8 Privates Bildarchiv des Verfassers.   9 Privates Bildarchiv des Verfassers. – Eine weitere Medaille von Carl Ebbinghaus auf die Deutsche Nationalversammlung von 1919 zeigt unter dem Motto »Wahrheit Freiheit Recht« die Personifikationen der Wahrheit mit einem Spiegel, der Freiheit mit einer Fackel und des Rechts mit Waage und Schwert. Dem wird der Spruch hinzugefügt  : »In Friede wirke nun wie es die Zeit begehrt« (privates Bildarchiv des Verfassers). 10 Siehe zum Amt des Reichskunstwarts Annegret Heffen, Der Reichskunstwart. Kunstpolitik in den Jahren 1920–1933, 1986  ; Gisbert Laube, Der Reichskunstwart. Geschichte einer Kulturbehörde 1919– 1933, 1997. 11 Vgl. zur Biographie Olaf Peters, Art. Redslob, Edwin, in  : Neue Deutsche Biographie, Bd.  21, 2003, S. 250 f.

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Anmerkungen

12 So Friederike Schubart, Zehn Jahre Weimar – Eine Republik blickt zurück, in  : Heinrich August Winkler (Hg.), Der Griff nach der Deutungsmacht, 2004, S. 134. 13 Siehe zum Vorstehenden Zeiler, Verfassungsbildsatiren, S. 402 (m. Nw.). 14 Redslob empfahl 1923, dass die Jugend in ganz Deutschland den Verfassungstag u. a. mit Sportwettkämpfen feiern sollte, um so die republikanische Verfassung in ihren Köpfen zu verankern (Nadine Ros­ sol, Performing the Nation in Interwar Germany. Sport, Spectacle and Political Symbolism 1926–36, 2010, S. 51). In Berlin fand 1923 eine Sportveranstaltung zum Verfassungstag im Deutschen Stadion statt (Ralf Poscher, Der Verfassungstag. Reden deutscher Gelehrter zur Feier der Weimarer Reichsverfassung, 1999, S. 16). An einigen Schulen wurden die 1920 eingeführten Reichsjugendwettkämpfe mit den Feiern zum Verfassungstag verbunden (Rossol, Performing, S. 52 [mit einer Darstellung der Situation in Berlin]), was zum Teil von republikfeindlichen Kräften hintertrieben wurde (ebd., S. 53 ff.). 15 Heffen, Reichskunstwart, S. 155  ; Kurt-Gerhard Klietmann, Staatlich-zivile Auszeichnungen. Weimarer Republik und Drittes Reich, 1990, S. 47 ff. 16 Privates Bildarchiv des Verfassers  ; Abb. auch in  : Hindenburg in nummis, S. 50 (abrufbar unter  : http:// www.tempelhofer-muenzenhaus.homepage.t-online.de/downloads/131s.7323-7402.pdf [abgerufen am  : 12.01.2017]). 17 Die Ausgabe des Jubiläumsjahres 1929 (privates Bildarchiv des Verfassers  ; Abb. auch in  : Hindenburg in nummis, S. 60) zeigt auf der Vorderseite die von einer Hand in die Höhe gereckte republikanische Reichsflagge, auf der Rückseite ist der Reichsadler und die Umschrift »Verfassungstag« zu sehen. 18 In den Jahren zuvor wurden bereits die Verfassungstage von 1921–1923 mit Leitthemen (Gebietsabtretungen, Einigkeit und Recht und Freiheit, Ruhrbesetzung) verbunden (Bernd Buchner, Um nationale und republikanische Identität. Die deutsche Sozialdemokratie und der Kampf um die politischen Symbole in der Weimarer Republik, 2001, S. 330, 331 f.). 19 Vgl. hierzu und zur Inszenierung der Rheinlandbefreiung am 11.8.1930 in Berlin Fritz Schellack, Nationalfeiertage in Deutschland von 1871 bis 1945, 1990, S. 247 ff. 20 Vgl. zum Goethe-Gedenkjahr als der »letzten großen Selbstdarstellung der Weimarer Republik vor ihrem Untergang« Joachim Seng, Das Goethe-Jahr 1932, in  : Christian Welzbacher (Hg.), Der Reichskunstwart. Kulturpolitik und Staatsinszenierung in der Weimarer Republik 1918–1933, 2010, S. 196 ff.; zur Feier der Verfassung »unter dem Zeichen Goethes« siehe Petra Weber, Goethe und der »Geist von Weimar«. Die Rede Werner Thormanns bei der Verfassungsfeier in der Paulskirche am 11.  August 1932, in  : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 46 (1998), S. 109 ff. 21 Siehe zum Gebrauch von Briefmarken als Propagandamedium allgemein Bernhard L. Neumann-Nean­ der, Publizistik der Postmarke, in  : Publizistik, Bd. 7 (1962), S. 39 ff. 22 Gotthard Jasper, Der Schutz der Republik, 1963, S. 234. 23 Daneben wurde 1923 auf einer 200- und einer 500-Mark-Münze »Werbung« für die Republik gemacht, indem auf der Rückseite der Münzen die aus dem 1922 zur Nationalhymne des republikanischen Staates erhobenen »Lied der Deutschen« stammende Trias »Einigkeit und Recht und Freiheit« als Umschrift verwendet wurde. 24 Nach Laube, Reichskunstwart, S. 103, wurden die ersten Münzen der Weimarer Republik am Verfassungstag 1922 ausgegeben. Vgl. zum Vorgang der künstlerischen Gestaltung des neuen Münzgeldes ebd., S. 102 ff., und Heffen, Reichskunstwart, S. 150 ff. – Die »Verfassungstagmünze« wurde in einer Auflage von 50,5 Millionen Stück geprägt  ; 1923 erfolgte eine weitere Prägung in Höhe von 9,5 Millionen Stück, von denen aber 7,4 Millionen wegen der Geldentwertung nicht in Umlauf kamen (Kurt Jaeger, Die deutschen Münzen seit 1871, 22. Aufl., 2011, S. 285). 25 Vera Losse, Rudolf Bosselt. Erneuerer der deutschen Medaillenkunst, Bildhauer und Reformpädagoge, 1995, S. 102. 26 Vgl. zu diesem gem. Art. 42 WRV zu leistenden Eid, in dem der Reichspräsident u. a. schwor, die

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9. Zu den Versuchen einer symbolischen Vermittlung

Verfassung zu wahren, und zu Hindenburgs Haltung diesem Eid gegenüber Wolfram Pyta, Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, 2. Aufl., 2007, S. 485 ff. 27 Siehe zu der auf dem Mythos Hindenburgs als Sieger der Schlacht von Tannenberg beruhenden, sogar für die kommerzielle Werbung ausgenutzten und sich im Verlauf der ersten Amtszeit zunehmend auch unter überzeugten Republikanern ausbreitenden Popularität des Reichspräsidenten Anna von der Goltz, Hindenburg. Power, Myth, and the Rise of the Nazis, 2009, S. 105 ff., 124 ff. 28 Vgl. zu den Möglichkeiten und Grenzen einer integrativen Wirkung der Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten Jesko von Hoegen, Der Held von Tannenberg. Genese und Funktion des Hindenburg-Mythos, 2007, S. 331 ff. 29 Derartige Tendenzen zeigten sich im Umfeld Hindenburgs erstmals zur Jahreswende 1926/27 (Mi­ chael Stürmer, Der unvollendete Parteienstaat. Zur Vorgeschichte des Präsidialregimes am Ende der Weimarer Republik, in  : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 21 [1973], S. 125 f.)  ; bei Hindenburg selbst »verdichteten sich die Anzeichen, dass dieser auf eine … Stärkung der Präsidialgewalt hinsteuerte«, im Frühjahr 1929 (Wolfram Pyta, Das Zerplatzen der Hoffnung auf eine konservative Wende  : Kuno Graf von Westarp und Hindenburg, in  : Larry Eugene Jones/ders. [Hg.], »Ich bin der letzte Preuße«. Der politische Lebensweg des konservativen Politikers Kuno Graf von Westarp, 2006, S. 183). 30 Zum Beispiel veranstaltete der Polizei-Motorradklub Berlin »Reichsverfassungs-Zielfahrten«  ; eine emaillierte Bronzemedaille auf die 2. Reichsverfassungs-Zielfahrt am 9./10.8.1930 mit dem deutschen Adler über dem Reichstagsgebäude symbolisiert dieses Ereignis (privates Bildarchiv des Verfassers). Vgl. zu Polizeiveranstaltungen aus Anlass des Verfassungstages Rossol, Performing, S. 53. 31 Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold war von Sozialdemokraten gegründet worden, die auch die überwältigende Mehrheit der Mitglieder stellten  ; allerdings gab es unter den nach offiziellen Angaben bis zu 3 Millionen (tatsächlich aber wohl weniger) Mitgliedern auch Angehörige der DDP und des Zentrums. Das Reichsbanner verfolgte das Ziel, die verfassungsstaatlichen Prinzipien, wie sie sich in Deutschland entwickelt hatten und zur Grundlage der Weimarer Verfassung wurden, zu verteidigen  ; vgl. Karl Rohe, Das Reichbanner Schwarz Rot Gold. Ein Beitrag zur Geschichte und Struktur politischer Kampfverbände zur Zeit der Weimarer Republik, 1966  ; Roger Philip Chickering, The Reichsbanner and the Weimar Republic 1924–26, in  : The Journal of Modern History, Bd. 40 (1968), S. 524 ff.; vgl. zur Rolle des Reichsbanners bei der Durchsetzung von Verfassungstagfeiern auch Poscher, Verfassungstag, S. 16 f. 32 Vgl. zu den Paraden in Berlin Rossol, Performing, S.  19 f., und zu Verfassungstagsfeierlichkeiten in anderen Orten allgemein ebd., S. 104 ff. 33 Siehe zu dieser im republikfeindlichen Bayern abgehaltenen Verfassungsfeier Rossol, Performing, S. 29. 34 Vgl. zu dieser Bundesfeier Carsten Voigt, Kampfbünde der Arbeiterbewegung. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und der Rote Frontkämpferbund in Sachsen 1924–1933, 2009, S. 318 ff. 35 Objektdatenbank des Deutschen Historischen Museums, Inv.-Nr. A 84/1.1-2. Im Übrigen beschworen auch die zentralen staatlichen Feierlichkeiten in Berlin stets die Einigkeit im Land (Buchner, Identität, S. 332 f., 336). 36 Zu dieser Verfassungsfeier Rossol, Performing, S. 26 ff. 37 Objektdatenbank des Deutschen Historischen Museums, Inv.-Nr.  A 84/6. Ein ähnliches Motiv wurde auch auf Postkarten verbreitet (siehe die Abb. bei Rossol, Performing, S. 27)  ; allgemein zu der vom Reichsbanner »in fast einzigartiger Weise« betriebenen »Popularisierung der 1848-Ideale« Rohe, Reichsbanner, S. 229 ff. 38 Daneben versuchte das Reichsbanner verschiedentlich, die Verfassung in seiner Illustrierten Reichsban­ ner Zeitung bildhaft in Szene zu setzen, indem Titelseiten mit Personifikationen der Freiheit und mit Verfassungsbüchern geschmückt wurden (Nadine Rossol, Weltkrieg und Verfassung als Gründungserzählungen der Republik, in  : Aus Politik und Zeitgeschichte, Bd. 50/51 [2008], S. 16  ; ein Beispiel für eine Titelseite mit einer klassisch gewandeten Libertas mit Freiheitsmütze, die die Weimarer Verfassung als aufgeschlagenes Buch in die Höhe hält, findet sich bei Rossol, Performing, S. 84).

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Anmerkungen

39 Das Folgende nach Zeiler, Verfassungsbildsatiren, S. 403 f. (zum Kladderadatsch), 409 f. (zum Simplicis­ simus), 416 ff. (zum Wahren Jacob und zu Lachen Links). 40 Vgl. zur republikbejahenden Haltung der Sozialdemokratie insbesondere im Zusammenhang mit dem Verfassungstag Buchner, Identität, S. 339 ff. 41 Anders hingegen das kommunistische Satiremagazin Der Knüppel  : In einer von George Grosz stammenden Graphik mit dem Titel »Rückkehr von der Verfassungsfeier« ( Jg.  1924, Heft  6) küsst die treulose Republik den Chef der Reichswehr, General Seeckt, während ihr Ehemann, der betrunkene Präsident Ebert, hinter ihr hertorkelt. Hier wird das Gerücht um die Trunksucht des Reichspräsidenten ebenso angesprochen wie der Umstand, dass die Weimarer Republik selbst nach fünf Jahren nur im Schulterschluss mit der Reichswehr zu existieren vermochte. 42 Erlass vom 16.7.1928, in  : Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen 1928, S. 229. Der Erlass nimmt hinsichtlich der Begehungsweise der Feier Bezug auf den entsprechenden Erlass vom Vorjahr. 43 Willi Steiner, Wie der Verfassungstag gefeiert wird, Ausgabe vom 7.8.1925, S. 330. 44 Zu Leben und Werk  : http://www.karl-holtz.de. 45 Dieser und der folgende Text ist leicht modifiziert übernommen aus Zeiler, Verfassungsbildsatiren, S. 417 (Fn. 95), 423, 419. 46 Hierzu und zur Diffamierung der Weimarer Verfassung auf Grund des Umstandes, dass Hugo Preuß Jude war, sowie zu dessen Verwahrung dagegen, Zeiler, Verfassungsbildsatiren, S. 398 (Fn. 14), 399 f. 47 Hierzu Zeiler, Verfassungsbildsatiren, S. 421 ff. 48 Zum Folgenden Zeiler, Verfassungsbildsatiren, S. 411 f., mit Nw. der einzelnen Graphiken. 49 Simplicissimus vom 12.11.1928, S. 416 (Sondernummer »10 Jahre Republik«)  ; zum Flaggenstreit vgl. Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 576 ff.; Michael Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte, 2008, Rn. 2373. 50 Simplicissimus vom 12.11.1928, S. 428  ; zur »Ämterpatronage« und »Politisierung« der Beamtenschaft, um deren antidemokratischen Haltung entgegenzuwirken  : Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 583, mit Nw. 51 Karl Arnold, Der Genießer, Jg. 1927, Heft 37  ; Wilhelm Schulz, Artikel 151 mit 155, Jg. 1928, S. 425. 52 Vgl. hierzu Eberhard Kolb/Eberhard Roters/Wieland Schmied, Kritische Grafik in der Weimarer Zeit, 1985. 53 Karl Rössing, Mein Vorurteil gegen diese Zeit, 1932, S. 13 und passim. 54 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rn. 533. 55 Einzelheiten bei Zeiler, Verfassungsbildsatiren, S. 412 ff., 424 ff. 56 Vgl. zu ihm Andreas Strobl, Der Zeichner Karl Arnold  : Zeichner des Simplicissimus, 2012. 57 Zu ihm vgl. Wieland Herzfelde, John Heartfield – Leben und Werk, 3. Aufl., 1976  ; Anthony Coles, John Heartfield. Ein politisches Leben, 2014. 58 Ausgabe vom 8.10.1931, S. 823. 59 Siehe hierzu Zeiler, Verfassungsbildsatiren, S. 407 ff. 60 Hierzu Zeiler, Verfassungsbildsatiren, S. 424 ff. (Zitat S. 433). 61 Der Wahre Jacob vom 12.11.1932 sowie vom 3.12.1932. 62 In die gleiche Richtung zielte Olaf Gulbranssons Titelblatt für den Simplicissimus vom 25.9.1932 mit der Bildunterschrift »Alle wollen an der Verfassung festhalten – Wenn ihr das nur gut bekommt«. 63 Zur hier nicht weiterverfolgten Bezugnahme auf die Weimarer Verfassung auf Wahlplakaten vgl. die Abbildungen in  : Kai Artinger (Hg.), Die Grundrechte im Spiegel des Plakats 1919–1999, 2000, S. 53 ff. 64 Schellack, Nationalfeiertag, S. 136 ff.; Poscher, Verfassungstag, S. 15. 65 Poscher, Verfassungstag, S. 19. 66 Poscher, Verfassungstag, S. 20.

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10. Resümee

10. Resümee   1 Etwa in der Französischen Revolution  : Kap. 3.2.2.   2 Hierzu Kap. 6.1.2.   3 Etwa in der republikanischen Phase der Französischen Revolution  : 3.6.2 sowie in Südamerika  : 7.3 am Ende.   4 Hierzu Kap. 7.3.   5 Zu Christoph Weiditz als Pionier dieser Rezeption  : Kap. 2.2.1.   6 Hierzu Kap. 2.2.3.   7 Hierzu Kap. 2.2.2.   8 Hierzu Kap. 3.3.2.   9 Hierzu Kap. 1.7. 10 Hierzu die Abb. 117, 118, 120, 187. 11 Hierzu Kap. 2.4 am Ende. 12 Hierzu Kap. 6.1.4. 13 Hierzu Kap. 4. 14 Hierzu Kap. 2.3 bis 2.6. 15 Hierzu Kap. 3. 16 Hierzu Kap. 7.3. 17 Hierzu Kap. 2.2.2. 18 Hierzu Kap. 2.6  ; Kap. 7.2.1. 19 Hierzu 7.3. 20 Hierzu Kap. 6.2. 21 Hierzu Kap. 8.2. 22 Zu den Gründen vgl. Kap. 2.8. 23 Hierzu Kap. 8.3.2. 24 Die bisweilen befürwortete »Europäisierung« der Verfassungsgeschichte greift ebenfalls zu kurz, da die Verfassungsgeschichte der Vereinigten Staaten von Amerika ein wichtiger Bestandteil einer »atlantischen Verfassungsgeschichte« sein muss. Mit Blick auf die Freiheitssymbolik sind die Austauschprozesse nachgezeichnet worden (Kap. 2.5, 2.6  ; Kap. 7.2.1). 25 Zum Ende der politischen Symbolik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts  : Elisabeth Fehrenbach, Über die Bedeutung der politischen Symbole im Nationalstaat, in  : Historische Zeitschrift, Bd.  213 (1971), S. 296 (356 f.). 26 Natürlich gab und gibt es weiterhin Pressezeichnungen und politische Karikaturen  ; ihr Gegenstand ist aber kaum je das Grundgesetz (vgl. etwa die Übersicht zur unmittelbaren Nachkriegszeit in dem vom Journalistenverband Württemberg-Baden herausgegebenen Ausstellungskatalog »Die deutsche Pressezeichnung 1951«). 27 Vgl. etwa die 5-DM-Münze »25 Jahre Grundgesetz« oder die von der Deutschen Post herausgegebene Medaillenserie »60 Jahre Grundgesetz«. 28 Die Monnaie de Paris edierte in den letzten Jahren etwa die Siegel der Ersten und der Zweiten Republik oder im Rahmen des »Bicentenaire« der Französischen Revolution Medaillen auf die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, aber keine Medaillen auf die französische Verfassung. 29 Hierbei handelt es sich um ein Geschenk der »Hauptstadt des Rechts« an das Bundesverfassungsgericht zu dessen 50-jährigem Bestehen  ; zur Konzeption des Künstlers  : Jochen Gerz, Platz der Grundrechte Karlsruhe. Ein Autorenprojekt, 2006  ; Claudia Pohl, »Ich bin das Instrument, das einen Ausdruck findet«. Der »Platz der Grundrechte« in Karlsruhe von Jochen Gerz, in  : Kunst und Architektur in Karlsruhe. Festschrift für Norbert Schneider, 2006, S. 169 ff.

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Anmerkungen

30 Abb. unter http://ka.stadtwiki.net/Sehensw%C3%BCrdigkeit_in_Wagh%C3%A4usel [abgerufen am  : 12.01.2017]. 31 Abb. in  : 1848. Aufbruch der Freiheit, S. 251. 32 Zu den Gründen vgl. Hans-Georg Soeffner, Überlegungen zur Soziologie des Symbols und des Rituals, in  : Christoph Wulf/Jörg Zirfas (Hg.), Die Kultur des Rituals, 2004, S. 149 (170 f.)  ; Arnold Rabbow, Symbole der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Niedersachsen, 1980, S. 7 (hier wird eine »Symbolmüdigkeit« wegen der missbräuchlichen Verwendung von Symbolen zur Indoktrination der Bevölkerung im Dritten Reich konstatiert). 33 Max Lerner, Constitution and Courts as Symbols, in  : Yale Law Review, Bd. 46 (1937), S. 1290 (1299, 1302)  ; Jürgen Gebhardt, Verfassung und Symbolizität, in  : Gert Melville (Hg.), Institutionalität und Symbolisierung, 2001, S. 585 ff.

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Nicht aufgeführte Abbildungen entstammen dem privaten Bildarchiv des Verfassers. Abb. 3  : British Museum, Registrations-Nr. R.7687 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 4  : British Museum, Registrations-Nr. 1860,0328.124 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb.  5  : Münzkabinett der staatlichen Museen zu Berlin, Objekt-Nr. 18204674  ; Abb. 6  : British Museum, Registrations-Nr. 1864,1128.294 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  7  : Reproduziert aus  : Harald Ingholt (Hrsg.), Centennial Publication of the American Numismatic Society, New York 1958, nach S. 320 (plate xx)  ; Abb. 8  : Universitätsbibliothek Heidelberg, C 5456 A RES, S. 293, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ripa1603/0314  ; Abb. 9  : Bayerische Staatsbibliothek München, 4  L.eleg.m.  176, S.  313, urn  :nbn  :de  :bvb  :12bsb10522866-7  ; Abb. 10  : Münzkabinett der staatlichen Museen zu Berlin, ObjektNr.  18221653  ; Abb.  11  : Bayerische Staatsbibliothek München, 2  Germ g  35, Frontispiz, urn  :nbn  :de  :bvb  :12-bsb10143279-8  ; Abb.  12  : Universitätsbibliothek Heidelberg, B  1079 Folio RES, S.  144, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/lucke1620/0174  ; Abb.  14  : Bayerische Staatsbibliothek München, 4  Biogr. 121  r-1, Abb.  2, urn  :nbn  :de  :bvb  :12-bsb10887490-5  ; Abb.  15  : Universitätsbibliothek Heidelberg, B 1079 Folio RES, S.  265, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/lucke1620/0295  ; Abb. 18  : Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. RP-P-OB-80.751  ; Abb.  19  : Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr.  RP-P-OB-85.094  ; Abb.  20  : Rijks­museum Amsterdam, Objekt-Nr. RP-P-OB-85.407  ; Abb. 21  : Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr.  RP-P-OB-85.391  ; Abb.  22  : Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr.  RP-P-OB-85.390  ; Abb.  23  : Rijksmuseum Amsterdam, ObjektNr.  RP-P-OB-85.553  ; Abb.  24  : Koninklijke Bibliotheek, Den Haag, Signatur 1056 C 5  ; Abb. 25  : British Museum, Registrations-Nr. 1896,1230.134 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 26  : British Museum, Registrations-Nr. G3,FD.381 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  27  : British Museum, RegistrationsNr. G3,EM.116 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 28  : British Museum, Registrations-Nr. M.7725 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 29  : British Museum, Registrations-Nr.  1906,1103.355 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  30  : British Museum, Registrations-Nr.  1868,0808.3561 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  31  : British Museum, Registrations-Nr.  1870,1008.2253 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  33  : British Museum, RegistrationsNr.  1868,0808.4413 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  34  : British Mu551

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seum, Registrations-Nr.  1868,0808.9765 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb. 35  : British Museum, Registrations-Nr. 1867,1012.90 (© Trustees of the British Museum)   ; Abb.  36   : British Museum, Registrations-Nr.  1868,0808.9873 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 37  : Library of Congress, RegistrationsNr.  LC-DIG-ppmsca-37771  ; Abb.  38  : Yale University Art Gallery, ZugangsNr. 1946.9.941  ; Abb. 39  : Library of Congress, Registrations-Nr. LC-USZ62-57840  ; Abb.  40  : Courtesy, American Antiquarian Society  ; Abb.  41  : British Museum, Registrations-Nr. 1868,0808.4444 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 42  : Library of Congress, Registrations-Nr. LC-DIG-ppmsca-05479  ; Abb. 43  : Library of Congress, Registrations-Nr. LC-DIG-ppmsca-34047   ; Abb.  44   : Courtesy, American Antiquarian Society   ; Abb.  45   : British Museum, RegistrationsNr.  1868,1212.9 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  46  : Courtesy of the John Carter Brown Library at Brown University, Zugangs-Nr. 31573  ; Abb.  47  : British Museum, Registrations-Nr. 1868,0808.4946 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 48  : British Museum, Registrations-Nr. 1848,1221.109 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 49  : Library of Congress, Registrations-Nr. LC-DIGppmsca-24328  ; Abb. 50  : Courtesy, Winterthur Museum, Handkerchief by Henry Gardiner, 1792, Wandsworth, England, Cotton, Gift of Henry Francis du Pont, 1959.957  ; Abb.  51  : British Museum, Registrations-Nr.  1868,0808.4547 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb. 52  : Courtesy of the John Carter Brown Library at Brown University, Zugangs-Nr.  31576  ; Abb.  53  : British Museum, Registrations-Nr. 1862,0208.24 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 54  : Yale University Art Gallery, Objekt-Nr.  2001.87.1793  ; Abb.  55  : British Museum, Registrations-Nr. TC,p77.7.Syr (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 56  : Bayerische Staatsbibliothek München, 4  Helv.  410, Frontispiz, urn  :nbn  :de  :bvb  :12bsb10362043-0  ; Abb. 57  : © Christoph Gihring, Foto und Filmproduktion Freiburg  ; Abb.  58  : Historisches Museum Basel, Inv.-Nr.  1965.431 (Fotographie  : A. Seiler)  ; Abb. 59  : Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG, Osnabrück/Lübke & Wiedemann, Stuttgart  ; Abb. 60  : Bayerische Staatsbibliothek München, Belg. 2301, Frontispiz, urn  :nbn  :de  :bvb  :12-bsb10276274-1  ; Abb.  61  : Münzkabinett der Staatlichen Museen Berlin, Objekt-Nr. 18202075  ; Abb. 62  : Bayerische Staatsbibliothek München, 47.321-1/2, Bd.  1, Frontispiz, urn  :nbn  :de  :bvb  :12-bsb107038821  ; Abb. 63  : Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, urn  :nbn  :de  :hbz  :061  :2566-p0009-8   ; Abb.  64   : Staatsbibliothek Berlin  – Preußischer Kulturbesitz, Inv.-Nr. YB 9740 kl  ; Abb. 65  : © Christoph Gihring, Foto und Filmproduktion Freiburg  ; Abb.  66  : Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, Inv.-Nr.  MK 8242 (Fotographie  : Franziska Schneider, Landesmuseum Württemberg)  ; Abb.  67  : Münzkabinett der staatlichen Museen zu Berlin, Objekt-Nr. 18202077  ; Abb. 68  : Münzkabinett der staatlichen Museen zu Berlin, Objekt-Nr. 18214499  ; Abb. 69  : Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle  ; Abb. 70  : Bibliothèque 552

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nationale de France, ID/Cote   : QB-1 (1789-07-15)-FOL, MFILM M-98853   ; Abb. 71  : Reproduziert aus  : Michel Hennin, Histoire numismatique de la Révolution française, 1826, Bd.  2, Nr.  296  ; Abb.  72  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b69429065  ; Abb. 73  : Reproduziert aus  : Michel Hennin, Histoire numismatique de la Révolution française, 1826, Bd. 2, Nr. 74, 75  ; Abb. 74  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b8411203k  ; Abb.  75  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b8410635m  ; Abb.  76  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b69482946  ; Abb. 77  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b6949899n  ; Abb. 78  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b69488481  ; Abb. 79  : Bibliothèque nationale de France, GallicaID  : btv1b69503090  ; Abb. 80  : Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur 378.7 Theol. 2°  ; Abb.  81  : Bibliothèque nationale de France, ID/Cote  : AA-3 ­(LAURENT, Louis)  ; Abb.  82  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b84113547  ; Abb.  83  :  Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b69505622  ; Abb.  84  : Bibliothèque nationale de France, ID/Cote  : 8-LC22319-FRONTISPICE  ; Abb.  85  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b6948109h  ; Abb.  86  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b6945049r  ; Abb. 87  : © Christoph Gihring, Foto und Filmproduktion Freiburg  ; Abb.  88  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b69440963  ; Abb.  90  : Fritz Rudolf Künker GmbH  & Co. KG, Osnabrück/Lübke & Wiedemann, Stuttgart  ; Abb. 91  : Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG, Osnabrück/ Lübke & Wiedemann, Stuttgart  ; Abb. 93  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b7700400z  ; Abb. 94  : Wikimedia Commons  ; Abb. 95  : © Christoph Gihring, Foto und Filmproduktion Freiburg  ; Abb. 97  : Bayerische Staatsbibliothek München, Res/Ph.pr. 1033, Frontispiz, urn  :nbn  :de  :bvb  :12-bsb10041709-3/Bibliothèque nationale de France, ID/Cote  : bpt6k202715b.f3  ; Abb.  98  :  © Musée Carnavalet/Roger-Viollet  ; Abb. 99  : © Musée Carnavalet/Roger-Viollet  ; Abb. 100  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b6948005h  ; Abb. 101  : British Museum, Registrations-Nr. 1892,0714.708 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb. 102  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b84114320  ; Abb. 103  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b6947610k  ; Abb. 104  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b6948132r  ; Abb.  105  : Library of Congress, Registrations-Nr. LC-USZC2-3561  ; Abb.  106  : ©  Museums Victoria/ CC BY (Fotographie  : Justine Philip, Museums Victoria)  ; Abb. 107  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b84119564  ; Abb. 108  : Archives nationales  ; Abb. 109  : Archives nationales  ; Abb. 110  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b6948033t  ; Abb.  111  : ©  Museums Victoria/CC BY (Fotographie  : Justine Philip, Museums Victoria)  ; Abb.  112  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b69504226  ; Abb.  113  : British Museum, Registrations-Nr. 1925,0701.96 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 114  : Bibliothèque natio553

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nale de France, Gallica-ID  : btv1b6948023f  ; Abb. 115  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b6953598m  ; Abb. 116  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b8412643s  ; Abb. 117  : Bibliothèque nationale de France, ID/Cote  : QB-1 (1794)-FOL  ; Abb.  118  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b53009792k  ; Abb.  119  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b8412483m  ; Abb.  120  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b8412593b  ; Abb.  121  : Bibliothèque nationale de France, ID/Cote  : QB-1 (1797-09-04)-FOL  ; Abb.  124  : Reproduziert aus  : Marie-Colette Depierre, Les faïences patriotiques du Musée de Picardie, Bd. 2, Amies 1989, S. 112  ; Abb. 125  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b84110709  ; Abb. 126  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b69481884  ; Abb. 127  : Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Signatur Franz.G.oct.1395  ; Abb.  128  : The Morgan Library & Museum, MA 6875 (Fotographie  : The Pierpont Morgan Library, New York)  ; Abb.  129  : Bayerische Staatsbibliothek München, P. o. germ. 1442 ug-1796, Abb. 3 urn  :nbn  :de  :bvb  :12-bsb10121215-1  ; Abb. 130  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : 12148/btv1b6948854r  ; Abb. 131  : Stadtmuseum Zweibrücken, Inv.-Nr. 45  ; Abb. 132  : Bayerische Staatsbibliothek München, Rar. 4119-1792  ; Abb.  133  : Bayerische Staatsbibliothek München, Geneal. 3  s-1793, Frontispiz, urn  :nbn  :de  :bvb  :12-bsb10427882-7  ; Abb. 134  : Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur Graph. Res A  :69  ; Abb. 135  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b8411439w  ; Abb. 137  : Musée historique de Lausanne  ; Abb.  138  : Reproduziert aus  : Museum der Kulturen Basel u. a. (Hg.), Basel 1798. Vive la République Helvétique, Basel 1998, S.  96  ; Abb.  139  :  Staatsarchiv BaselStadt, Signatur BILD Falk. A 536  ; Abb. 140  : Wikimedia Commons  ; Abb. 141  : Amsterdam Museum, Inv.-Nr. PA 670  ; Abb. 142  : British Museum, RegistrationsNr. 1925,0701.38 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  143  : Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr.  RP-P-1936-38  ; Abb.  144  : Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr.  RP-P-OB-86.579  ; Abb.  145  : Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. RP-P-OB-47.773  ; Abb. 146  : Museo Napoleonico Rom, Inv.-Nr. MN 2121 (© Comune di Roma – Sovraintendenza Beni Culturali – Museo Napoleonico)  ; Abb. 148  : Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG, Osnabrück/Lübke & Wiedemann, Stuttgart  ; Abb. 151  : Museo Centrale del Risorgimento, Rom, Signatur Ved. 1b (169)  ; Abb. 152  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b6948851h  ; Abb. 153  : Istituto per la Storia del Risorgimento italiano, Segnatura corrente Ved1b (168)  ; Abb. 154  : British Museum, Registrations-Nr. 1987,0516.28 (© The Trustees of the British Museum)  ; Abb.  155  : Museo Centrale del Risorgimento, Rom, Signatur Ved. 1a (8)  ; Abb. 156 – 159  : © Christoph Gihring, Foto und Filmproduktion Freiburg  ; Abb.  160  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b6954302b  ; Abb. 161  : © Musée Carnavalet/Roger-Viollet  ; Abb. 164  : British Museum, Registrations-Nr. 1861,1012.300 (©  The Trustees of the British Museum)  ; Abb.  165  : 554

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Reproduziert aus  : John Grand-Carteret, L’histoire – la vie – les mœurs et la curiosité par l’image, le pamphlet et le document (1450–1900), Bd.  4, Paris 1928, Abb. 449  ; Abb. 166   : © Christoph Gihring, Foto und Filmproduktion Freiburg  ; Abb.  167  :  Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b530065507  ; Abb.  169  :  Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b53006276m  ; Abb.  170  : Wikimedia Commons  ; Abb.  171  : Staatliche Münzsammlung München  ; Abb.  172  : Staatliche Münzsammlung München  ; Abb.  173  : Wikimedia Commons   ; Abb.  174   : Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, Inv.-Nr.  MK 12846 (Fotographie  : P. Frankenstein/H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg)  ; Abb.  175  : Stadtmuseum Kassel  ; Abb.  176  : Staatliche Münzsammlung München  ; Abb.  177  : ©  Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie (Fotographie  : Andres Kilger)  ; Abb. 178  : © Rijin/Wikimedia Commons/CC BY-SA 4.0  ; Abb.  179   : Staatliche Graphische Sammlung München, Inv.-Nr.  227556 D   ; Abb.  180  : Staatliche Münzsammlung München  ; Abb.  181  : Stadtarchiv Lahr  ; Abb. 182  : Landesarchiv Berlin, Signatur F Rep 310, 3391 b  ; Abb. 183  : © Christoph Gihring, Foto und Filmproduktion Freiburg  ; Abb. 184  : Speyer, Historisches Museum der Pfalz, Inv.-Nr.  HM 0/2341  ; Abb.  185  : Bibliothèque nationale de France, ID/Cote  : FOL-LC2-1328  ; Abb.  187  :  Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b530191737  ; Abb.  188  :  © Musée Carnavalet/Roger-Viollet  ; Abb.  189  :  Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b53014241r  ; Abb. 190   : © Christoph Gihring, Foto und Filmproduktion Freiburg  ; Abb. 191  : Universitätsbibliothek Heidelberg, R 1609 Folio RES  :  :18.1849,01-06  : Jan–Juni, [S. 215], http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/charivari1849/0219  ; Abb.  194  : Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (Fotographie  : Jean Christen)  ; Abb.  195  : Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Signatur D  4900_78 00084-3_R 44443/Signatur D 4901_78 00084-3_R 44444  ; Abb. 196  : Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, Signatur S 13/1763  ; Abb. 197  : historisches museum frankfurt (Fotographie  : Horst Ziegenfusz)  ; Abb.  199  : Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (Fotographie  : Jean Christen)  ; Abb. 200  : Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Signatur Einbl. YB  16686 kl   ; Abb.  201   : Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Signatur Za 90064-2.1849   ; Abb. 204  : Klassik Stiftung Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Signatur F 2210  ; Abb. 205  : Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (Fotographie  : Jean Christen)   ; Abb. 206   : © Christoph Gihring, Foto und Filmproduktion Freiburg   ; Abb.  207  : Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (Fotographie  : Jean Christen)  ; Abb.  208  : Universitätsbibliothek Heidelberg, G 5442-3-5 Folio RES  :  :1.184849,Nr 1–12, nach S. 18, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/satyr1848_1849/0044  ; Abb.  209  : Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur Graph. C  :239  ; Abb.  210  : Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (Fotographie  : Jean Christen)  ; Abb.  211  : Bundesarchiv Koblenz, Signatur ZSg 8-515  ; Abb.  212  : Institut für 555

Abbildungsnachweise

Stadtgeschichte Frankfurt am Main, Signatur S7Z1848/128  ; Abb. 213  : Universitätsbibliothek Heidelberg, G 5442-3-5 Folio RES  :  :1.1848-49,Nr. 1–12, nach S. 26, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/satyr1848_1849/0059  ; Abb.  214  : Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Inv.-Nr. YB 16867 kl  ; Abb. 215  : © Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Inv.-Nr. HB 15850 (Fotographie  : Annette Kradisch)   ; Abb.  216   : Universitätsbibliothek Heidelberg, G 5442-3 Folio RES  :  :4.1851, [S.  188], http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kla1851/0188  ; Abb. 217  : Staatsbibliothek Bamberg, Signatur MvO C I 113 (Fotographie  : Gerald Raab)  ; Abb. 218  : © Christoph Gihring, Foto und Filmproduktion Freiburg  ; Abb. 219  : Staatliche Münzsammlung München  ; Abb. 220  : Staatsbibliothek Bamberg, Signatur MvO C I 83 (Fotographie  : Gerald Raab)  ; Abb. 221  : Universitätsund Landesbibliothek Düsseldorf, urn  :nbn  :de  :hbz  :061  :2-329  ; Abb. 222  : Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, urn  :nbn  :de  :hbz  :061  :2-566-p0011-6  ; Abb. 223  : Bayerische Staatsbibliothek München, 2 Im.mort. 7  ; Abb. 224  : © The Fitzwilliam Museum, Cambridge  ; Abb.  225  : British Museum, RegistrationsNr.  1851,0901.472 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  226  : British Museum, Registrations-Nr.  1872,0413.201 (©  Trustees of the British Museum)   ; Abb. 227  : British Museum, Registrations-Nr. 1868,0808.10342 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb.  228  : British Museum, Registrations-Nr.  1987,0516.11 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  229  : British Museum, RegistrationsNr. J,3.12 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 230  : British Museum, Registrations-Nr.  J,4.50 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  231  : British Museum, Registrations-Nr.  1851,0901.643 (©  Trustees of the British Museum)   ; Abb.  232  : British Museum, Registrations-Nr.  1851,0901.921 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  233  : British Museum, Registrations-Nr.  1868,0808.6345 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  234  : British Museum, RegistrationsNr. 1893,0106.39 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 235  : British Museum, Registrations-Nr.  1862,1217.369 (©  Trustees of the British Museum)  ; Abb.  236  : National Numismatic Collection, National Museum of American History/Wikimedia Commons  ; Abb. 237  : Courtesy of Heritage Auctions  ; Abb. 238  : National Numismatic Collection, National Museum of American History/Wikimedia Commons  ; Abb. 239  : Wikimedia Commons  ; Abb. 240  : Wikimedia Commons  ; Abb.  241  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b7700402s  ; Abb.  242  : Reproduziert aus  : William Murrell, A History of American Graphic Humor, Bd. I, New York 1933, S. 35  ; Abb. 243  : Courtesy of the John Carter Brown Library at Brown University, Zugangs-Nr. 29875  ; Abb.  244  : Metropolitan Museum of Art, New York, Zugangs-Nr. 83.2.159  ; Abb. 245  : Architect of the Capitol  ; Abb. 246  : Architect of the Capitol  ; Abb. 247  : Library of Congress, RegistrationsNr. LC-USZ62-45513  ; Abb. 248  : Archivo General de la Nación Argentina/Wikimedia Commons  ; Abb. 250  : Wikimedia Commons  ; Abb. 251 – 254  : © Christoph 556

Abbildungsnachweise

Gihring, Foto und Filmproduktion Freiburg  ; Abb.  256  : Universitätsbibliothek Heidelberg, Truebner 1  :  :2, [S. 92], http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ caricatures1870_1871bd2/0098  ; Abb. 257  : Universitätsbibliothek Heidelberg, Truebner 3, [S. 15], http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/grelot1872/0015  ; Abb. 258  : © Musée Carnavalet/Roger-Viollet  ; Abb. 259  : Bibliothèque nationale de France, Gallica-ID  : btv1b90170816  ; Abb.  261  : WikiArt  ; Abb.  262  : Reproduziert aus  : Bernd Müller, Der Berliner Reichstag im Spiegel seiner Medaillen und Plaketten, Siegburg 2008, Nr.  26  ; Abb.  263  : akg-images  ; Abb.  265  : Staatsarchiv Bremen, Signatur 10,B-Kartei-2345 Nr. 4 (Fotographie  : Hermann Kippenberg)  ; Abb. 267  : akg-images  ; Abb.  268  : British Museum, Registrations-Nr.  1955,0420.7 (© Trustees of the British Museum)  ; Abb. 269  : akg-images  ; Abb. 271  : Universitätsbibliothek Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/wj1891/0223  ; Abb.  272  : Universitätsbibliothek Heidelberg, ZST 4579 C RES::1903, 429–454, S.  4107, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/wj1903/0179  ; Abb. 273  : Yale University Art Gallery, Objekt-Nr.  2001.87.22788  ; Abb.  274  : Yale University Art Gallery, Objekt-Nr. 2001.87.26025  ; Abb. 275 – 278  : © Christoph Gihring, Foto und Filmproduktion Freiburg  ; Abb.  280  : Universitätsbibliothek Heidelberg, G  5442-3 Folio:  :81.1928, [S.  511], http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kla1928/0510  ; Abb. 281  : Universitätsbibliothek Heidelberg, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/lachenlinks1925/0381  ; Abb.  282  : Universitätsbibliothek Heidelberg, Signatur G 5442-3 Folio RES  :  :82.1929, [S.  501], http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ kla1929/0501  ; Abb.  283  : Universitätsbibliothek Heidelberg, http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/lachenlinks1926/0372  ; Abb.  285  : Klassik Stiftung Weimar u. a. (Hrsg.), Simplicissimus 1896 bis 1944 (Online-Edition), http://www.simplicissimus.info/uploads/tx_lombkswjournaldb/1/35/35_05_049.jpg  ; Abb.  286  : Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt a.  M.; Abb.  287  : Klassik Stiftung Weimar u. a. (Hrsg.), Simplicissimus 1896 bis 1944 (Online-Edition), http://www.simplicissimus.info/uploads/tx_lombkswjournaldb/1/37/37_50_ 589.jpg Alle Links der Abbildungsnachweise abgerufen am  : 12.01.2017.

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Literatur

Die Literaturnachweise beschränken sich, nach Kapitel geordnet, auf häufig zitierte Publikationen. 1. Kapitel Fernand Braudel, Histoire et Sciences sociales. La longue durée, in  : Annales, Bd. 13 (1958), S. 725 Klaus Herding/Rolf Reichardt, Die Bildpublizistik der Französischen Revolution, 1989 Dirk Hülst, Symbol und soziologische Symboltheorie, 1999 Rolf Reichardt, Politische Druckgraphik in der Französischen Revolution, in  : Jahrbuch des Instituts für Marxistische Studien und Forschungen, Bd.  14 (1988), S. 243 Rolf Reichardt, Interkulturelle Wechselbeziehungen der historischen Bildpublizistik als Forschungsaufgabe, in  : Philippe Kaenel/ders. (Hg.), Interkulturelle Kommunikation in der europäischen Druckgraphik im 18. und 19. Jahrhundert, 2007, S. 3 Bernhard Roeck, Titelkupfer reichspublizistischer Werke der Barockzeit als historische Quellen, in  : Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 65 (1983), S. 329 Rudolf Schlögel/Bernhard Giesen/Jürgen Osterhammel (Hg.), Die Wirklichkeit der Symbole. Grundlagen der Kommunikation in historischen und gegenwärtigen Gesellschaften, 2004 Matthias Schwengelbeck, Die Politik des Zeremoniells. Huldigungsfeiern im langen 19. Jahrhundert, 2007 Michael Stolleis, Das Auge des Gesetzes. Geschichte einer Metapher, 2004 Thomas Würtenberger, Zeitgeist und Recht, 2. Aufl., 1991 2. Kapitel Carence S. Brigham, Paul Revere’s Engravings, 1969 H. T. Dickinson, Caricatures and the Constitution 1760–1832, 1986 Diana Donald, The Age of Caricature. Satirical Prints in the Reign of George III, 1996 559

Literatur

Martina Dlugaiczyk, Der Waffenstillstand (1609–1621) als Medienereignis. Politische Bildpropaganda in den Niederlanden, 2005 Pascal Dupuy, Face à la Révolution et à l’Empire. Caricatures Anglaises (1789– 1815), 2008 E.  McClung Fleming, From Indian Princess to Greek Goddess. The American Image, in  : Winterthur Portfolio, Bd. 3 (1967), S. 37 Dario Gamboni/Georg Germann (Hg.), Zeichen der Freiheit. Das Bild der Republik in der Kunst des 16. bis 20. Jahrhunderts, 1991 Dorothy George, English Political Caricature, 1. Bd., 1959 Frans Grijzenhout, Feesten voor het Vaderland. Patriotse en Bataafse feesten 1780– 1806, 1989 F. Grijzenhout/W. W. Mijnhardt/N. C. F. van Sas (Hg.), Voor vaterland en vryheid, 1987 Edward Hawkins/Augustus W. Franks/Herbert A. Grueber, Medallic Illustrations of the History of Great Britain and Ireland, Bd. 1, 1885, Reprint 1978 Arthur Henkel/Albrecht Schöne (Hg.), Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, 2. Aufl. 2013 John Higham, Indian Princess and Roman Goddess. The First Female Symbols of America, in  : Proceedings of the American Antiquarian Society, Bd. 100 (1991), S. 45 Carol Louise Janson, The Birth of Dutch Liberty. Origins of the Pictorial Image, Diss. phil. University of Minnesota 1982 (Mikrofilm) Yvonne Korshak, The Liberty Cap as a Revolutionary Symbol in America and France, in  : Smithonian Studies in American Art, Bd. 1 (1987), S. 53 Hans-Christof Kraus, Englische Verfassung und politisches Denken im Ancien Régime 1689–1789, 2006 Thomas Maissen, Der Freiheitshut. Ikonografische Annäherungen an das republikanische Freiheitsverständnis in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft, in  : Georg Schmidt/Martin van Gelderen/Christopher Snigula (Hg.), Kollektive Freiheitsvorstellungen im frühneuzeitlichen Europa (1400–1850), 2006, S. 133 Thomas Maissen, Die Geburt der Republic. Staatsverständnis und Repräsentation in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft, 2006 Dieter Metzler, Die Freiheitsmütze und ihre antike Vorgeschichte, in  : Paul Leidinger/ders. (Hg.), Geschichte und Geschichtsbewußtsein. Festschrift für KarlErnst Jeismann, 1990, S. 706 Britta Mischek, Die Konstruktion nationaler Identitäten in der englischen politischsatirischen Druckgraphik zur amerikanischen Revolution 1763–1783, 2008 Amelia Rauser, Death or Liberty  : British Political Prints and the Struggle for Symbols in the American Revolution, in  : Oxford Art Journal, Bd. 21 (1998), S. 153 Nicolaa C. F. van Sas, The Patriot Revolution  : New Perspectives, in  : Margaret C. 560

Literatur

Jacob/Wijnand  W. Mijnhardt (Hg.), The Dutch Republic in the Eighteenth Century, 1992, S. 91 Simon Schama, The Embarrassment of Riches. An Interpretation of Dutch Culture in the Golden Age, 1987 Rosine Trogan/Philippe Sorel, Augstin Dupré (1748–1833). Graveur général des Monnaies de France, 2000 Rainer Vollkommer, Art. Libertas, in  : Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae, Bd. VI/1, 1992, S. 278 Reinhold Walburg, EID MAR  : Die Macht der visuellen Kommunikation. Rezeption eines antiken Motivs, in  : BOREAS. Münstersche Beiträge zur Archäologie, Bd. 30/31 (2007/2008), S. 111 Marcus Wood, Radical Satire and Print Culture 1790–1822, 1994 Frank Zeiler, Visuelle Rechtsverteidigung im Nordamerikakonflikt. Ein Beitrag zur Rezeption der englischen Freiheits- und Verfassungssymbolik in nordamerikanischen Druckgraphiken der Jahre 1765 bis 1783, in  : Signa Ivris, Bd.  13 (2014), S. 317 3. Kapitel Maurice Agulhon, Marianne au combat, 1979 Antoine de Baecque, The Allegorical Image of France, 1750–1800, in  : Representations, Bd. 47 (1994), S. 111 Antoine de Baecque, La Caricature Révolutionnaire, 1988 Jean-Charles Benzaken, De l’effigie de Louis XVI à celle de la République  : Iconographie numismatique du passage de la monarchie constitutionnelle à la République (août 1792–avril 1793), in  : Ian Germani/Robin Swales (Hg.), Symbols, Myths and Images of the French Revolution, 1998, S. 149 Serge Bianchi, La révolution culturelle de l’an II. Elites et peuple (1789–1799), 1982 Harvey Chisick, The Production, Distribution and Readership of a Conservative Journal of the Early French Revolution  : The Ami du Roi of the Abbe Royou, 1992 Wolfgang Cilleßen/Rolf Reichardt (Hg.), Revolution und Gegenrevolution in der europäischen Bildpublizistik 1789–1889, 2010 Christoph Danelzik-Brüggemann/Rolf Reichardt (Hg.), Bildgedächtnis eines welthistorischen Ereignisses, 2001 Klaus Herding/Rolf Reichardt, Die Bildpublizistik der Französischen Revolution, 1989 Gerd van den Heuvel, Der Freiheitsbegriff der Französischen Revolution. Studien zur Revolutionsideologie, 1988 561

Literatur

Lynn Hunt, Symbole der Macht, Macht der Symbole. Die Französische Revolution und der Entwurf einer politischen Kultur, 1989 Hans-Wolf Jäger, Politische Metaphorik im Jakobinismus und im Vormärz, 1971 Annie Jourdan, Les Monuments de la Révolution 1770–1804. Une histoire de représentation, 1997 Reinhart Koselleck/Rolf Reichardt (Hg.), Die Französische Revolution als Bruch des gesellschaftlichen Bewusstseins, 1988 Edmont Launay, Costumes, Insignes, Cartes, Médailles des Députés 1789–1898, Neuauflage 1981 James Leith, Ephemera  : Civic Education through Images, in  : Robert Danton/Daniel Roche (Hg.), Revolution in Print  : The Press in France, 1775–1800, 1989 Hans-Jürgen Lüsebrink/Rolf Reichardt, Die »Bastille«. Zur Symbolgeschichte von Herrschaft und Freiheit, 1990 Claude Mossé, L’Antiquité dans la Révolution française, 1989 Wolfgang Nippel, Die Verabschiedung der Antike durch die Französische Revolution, in  : Klaus Ridder/Steffen Patzold (Hg.), Aktualität der Vormoderne  : Epochenentwürfe zwischen Alterität und Kontinuität, 2013, S. 161 Mona Ozouf, La Fête révolutionnaire 1789–1799, 1976 Laura B. Pfeiffer, The Uprising of June 20, 1792 Rolf Reichardt, Bastille, in  : ders./Hans-Jürgen Lüsebrink (Hg.), Handbuch politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680–1820, Bd. 9, 1988, S. 7 Rolf Reichhardt, Das Blut der Freiheit. Französische Revolution und demokratische Kultur, 2002 Rolf Reichardt, L’imaginaire de la Constitution 1789 à 1830, in  : Natalie Scholz/ Christina Schröer (Hg.), Représentation et pouvoir. La politique symbolique en France (1789–1830), 2007, S. 101 Rolf Reichardt, Politische Druckgraphik in der Französischen Revolution, in  : Institut für marxistische Studien und Forschungen (Hg.), Die Französische Revolution 1789–1989. Revolutionstheorie heute (= Jahrbuch des IMSF, Bd.  14), 1988, S. 243 Rolf Reichardt, Zur visuellen Dimension geschichtlicher Symbole am Beispiel der »Bastille«, in  : Rudolf Schlögl u. a. (Hg.), Die Wirklichkeit der Symbole. Grundlagen der Kommunikation in historischen und gegenwärtigen Gesellschaften, 2004, S. 303 Rolf Reichardt/Hubertus Kohle, Visualizing the Revolution, 2008 Rolf Reichardt/Rüdiger Schmidt/Hans-Ulrich Thamer (Hg.), Symbolische Politik und politische Zeichensysteme im Zeitalter der Französischen Revolutionen (1789–1848), 2005 Jonathan P. Ribner, Broken Tablets. The Cult of the Law in French Art from David to Delacroix, 1993 562

Literatur

Bernard Richard, Les Emblèmes de la République, 2012 Rousseau et la Révolution. Catalogue de l’ exposition à l’ Assemblée nationale, 2012 Thierry Sarmant, La République des médailles, 2003 Wolfgang Schmale, Recht und Verfassung  : Von der alten Monarchie zur Republik, in  : Rolf Reichardt (Hg.), Die Französische Revolution, 1988 Christina Schröer, Republik im Experiment. Symbolische Politik im revolutionären Frankreich (1792–1799), 2014 Katrin Simons, Vom Triumph der Republik zur Apotheose Napoleons, in  : WallrafRichartz Jahrbuch, Bd. 43 (1982), S. 207 Peter Sloterdijk, Sphären, Bd. III  : Schäume, 2004 Barbara Stollberg-Rilinger, Verfassung und Fest, in  : Hans-Jürgen Becker (Hg.), Interdependenzen zwischen Verfassung und Kultur, 2003, S. 32 Hans-Ulrich Thamer, Die Aneignung der Tradition. Destruktion und Konstruktion im Umgang der Französischen Revolution mit Monumenten des Ancien Régime, in  : Rolf Reichardt u. a. (Hg.), Symbolische Politik und politische Zeichensysteme im Zeitalter der Französischen Revolutionen, 2005, S. 101 Rosine Trogan/Philippe Sorel, Augustin Dupré (1748–1833). Graveur général des Monnaies de France, 2000 Michel Vovelle, Französische Revolution und Wandel der Mentalitäten, in  : Helmut Berding u. a. (Hg.), Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, 1989, S. 452 Michel Vovelle (Hg.), Les images de la Révolution Française, 1988 Michel Vovelle, Les Métamorphoses de la fête en Provence de 1750–1820, 1976 Michel Vovelle, La Révolution française. Images et récits, 5 Bde, 1986 Richard Wrigley, Transformations of a Revolutionary Emblem  : The Liberty Cap in the French Revolution, in  : French History, Bd. 11 (1997), S. 131 4. Kapitel Suzanne Anderegg, Der Freiheitsbaum. Ein Rechtssymbol im Zeitalter des Rationalismus, 1968 Jean-Charles Benzaken, Iconographie des monnaies et médailles des républiques sœurs italiennes (1796–1802), in  : Annales historiques de la Révolution française, Nr. 289 (1992), S. 383 Holger Böning, Revolution in der Schweiz. Das Ende der Alten Eidgenossenschaft  : Die Helvetische Republik 1798–1803, 1985 Holger Böning, Der Traum von Freiheit und Gleichheit. Helvetische Revolution und Republik (1798–1803)  – Die Schweiz auf dem Weg zur bürgerlichen Demokratie, 1998 563

Literatur

Christian-Marc Bosséno, La guerre des estampes. Circulation des images et des thèmes iconographiques dans l’Italie des années 1789–1799, in  : Mélanges de l’Ecole française de Rome. Italie et méditerranée, Bd. 102 (1990), S. 367 Christian-Marc Bosséno/Christophe Dhoyen/Michel Vovelle, Immagini della libertà. L’Italia in rivoluzione, 1789–1799, 1988, S. 256 Franz Dumont, Die Mainzer Republik von 1792/93. Studien zur Revolutionierung in Rheinhessen und der Pfalz, 2. Aufl., 1982 Wilfried Ebert, Der frohe Tanz der Gleichheit. Der Freiheitsbaum in der Schweiz 1798–1802, 1996 Frans Grijzenhout, Feesten voor het Vaderland, 1989 Marc H. Lerner, The Helvetic Republic  : An Ambivalent Reception of French Liberty, in  : French History, Bd. 18 (2004), S. 50 Rolf Reichardt, Das Blut der Freiheit, 1998 Rolf Reichardt, Französische Revolutionskultur in Mainz 1792–1801, in  : Die Publizistik der Mainzer Jakobiner und ihrer Gegner, 1993, S. 11 Rolf Reichardt, Kokarden, Freiheitsbäume, Societäten. Revolutionskultur am Rhein 1789–1815, in  : Franz J. Felten (Hg.), Frankreich am Rhein – vom Mittelalter bis heute, 2009, S. 85 Simon Schama, Patriots and Liberators, 1977 Brigitte Schoch-Joswig, Die Französische Revolution im Spiegel der deutschen zeitgenössischen Propagandagraphik, 1989 Harald Siebenmorgen, Illustrationen und Bildkommentare zur Französischen Revolution in der Mannheimer Graphik um 1800, in  : Städel-Jahrbuch, N. F., Bd. 9 (1983), S. 227 Giovanni Spadolini, L’Italia repubblicana  : attraverso i simboli, i dipinti, le foto d’epoca e i documenti rivive una straordinaria storia per immagini dell’idea repubblicana, dalle repubbliche giacobine alla Repubblica italiana, 1988 Manfred Stanjura, Revolutionäre Reden und Flugschriften im rheinisch-pfälzischen Raum (1791–1801), 1997 Wolfgang Hans Stein, Die Ikonographie der rheinischen Revolutionsfeste, in  : Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, Bd. 15 (1989), S. 189 5. Kapitel Susanne Bosch-Abele, La Caricature (1830–1835). Katalog und Kommentar, 2 Bde., 1997 Remigius Brückmann, Fremde Federn. Nachahmung und Kopie englischer und französischer Vorbilder in der deutschen politischen Karikatur des Vormärz und von 1848/49, in  : Philippe Kaenel/Rolf Reichardt (Hg.), Interkulturelle Kom564

Literatur

munikation in der europäischen Druckgrafik im 18. und 19. Jahrhundert, 2007, S. 497 Peter Engels, Kleine Geschichte eines großen Denkmals. Das Ludewigsmonument in Darmstadt, 2006 Hubertus Fischer, Wer löscht das Licht  ? Europäische Karikatur und Alltagswelt, 1994 Walter Grasser, Bayerische Geschichtstaler, 1982 Elise K. Kenney/John M. Merriman, The Pear. French Graphic Arts in the Golden Age of Caricature, 1991 David S. Kerr, Caricature and French Political Culture. Charles Philipon and the Illustrated Press, 2000 Friedrich Kobler, »Charta magna Bavariae«, in  : Hubert Glaser (Hg.), Krone und Verfassung. König Max I. Joseph und der neue Staat, Bd. 3/1, 1980, S. 114 Gisold Lammel, Deutsche Karikaturen, 1995 Klaus Lankheit, Die Leiden der Freiheit. Über einige »Karikaturen« aus der Julimonarchie, in  : La Caricature. Bildsatire in Frankreich, 1980, S. 15 Paul Nolte, Die badischen Verfassungsfeste im Vormärz, in  : Manfred Hettling/ Paul Nolte (Hg.), Bürgerliche Feste. Symbolische Formen politischen Handelns im 19. Jahrhundert, 1993, S. 63 Rolf Reichardt, L’imaginaire de la Constitution 1789 à 1830, in  : Natalie Scholz/ Christina Schröer (Hg.), Représentation et pouvoir. La politique symbolique en France (1789–1830), 2007, S. 101 Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, 2. Bd., 1992 Gerd Unverfehrt (Hg.), La Caricature. Bildsatire in Frankreich 1830–1835, 1980 Ulrich Wagner, Wilhelm Joseph Behr. Eine biographische Skizze, in  : ders. (Hg.), Wilhelm Joseph Behr. Dokumentation zu Leben und Werk eines Würzburger Demokraten, 1985 Katherina Weigand, Gaibach. Eine Jubelfeier für die bayerische Verfassung von 1818  ?, in  : Alois Schmid/Katherina Weigand (Hg.), Schauplätze der Geschichte in Bayern, 2003 Bernhard Wien, Politische Feste und Feiern in Baden 1814–1850, 2001 Martin Wrede, Das Bild des restaurierten Königs oder die Inszenierung Ludwigs XVIII., in  : Ronald G. Asch u. a. (Hg.), Die frühneuzeitliche Monarchie und ihr Erbe. Festschrift für Heinz Duchardt, 2003, S. 235 Thomas Würtenberger, Die Legitimität staatlicher Herrschaft, 1973 Thomas Würtenberger, Zeitgeist und Recht, 2. Aufl. 1991

565

Literatur

6. Kapitel Maurice Agulhon, Von der Republik zum Vaterland, in  : Marie-Louise von Plessen (Hg.), Marianne und Germania 1789–1889, 1996, S. 17 Maurice Agulhon, Marianne au combat, 1979 Wilhelm Bleek, Dahlmann in der Karikatur, in  : Thomas Becker/Wilhelm Bleek/ Tilman Mayer (Hg.), Friedrich Christoph Dahlmann – ein politischer Professor im 19. Jahrhundert, 2012, S. 135 W. A. Coupe, The German Cartoon and the Revolution of 1848, in  : Comparative Studies in Society and History, Bd. 9, Nr. 2, 1967, S. 137 W. A. Coupe, German Political Satires from the Reformation to the Second World War, Bd. 1  : 1500–1848, 1993 Ronald Gosselin, Inspiration Revolution. Die Französische Revolution und ihr Echo in den republikanischen Almanachen der Zweiten Republik, in  : Gudrun Gersmann/Hubertus Kohle (Hg.), Frankreich 1848–1851. Die Französische Revolution in der Erinnerungskultur des Zweiten Kaiserreiches, 1998 Bernd Grote, Der deutsche Michel, 1967 Ute Harms, … und das nennen Sie eine Republik  ?  !  !  !  – Politische Karikatur in Hamburg um 1848, 1992 Ursula  E. Koch, Der Teufel in Berlin. Von der Märzrevolution bis zu Bismarcks Entlassung. Illustrierte politische Witzblätter einer Metropole 1848–1890, 1991 Peter Paret, Kunst als Geschichte, 1990 Martin Rackwitz, Gute Politik  : Friedrich Christoph Dahlmann und die Deutsche Revolution 1848/49 im Spiegel der Karikatur (Landeszentrale für politische Bildung Schleswig-Holstein), 2011 Rolf Reichardt, Expressivität und Wiederholung  : Bildsprachliche Erinnerungsstrategien in der Revolutionsgraphik nach 1789, in  : Astrid Erll/Ansgar Nünning (Hg.), Medien des kollektiven Gedächtnisses, 2004, S. 127 Raimund Rütten, Republik im Exil. Frankreich 1848 bis 1851  : Marie Cécile Goldsmid – Citoyenne und Künstlerin – im Kampf um eine »République universelle démocratique et sociale«, 2012 Ulrike Ruttmann, Wunschbild  – Schreckbild  – Trugbild. Rezeption und Instrumentalisierung Frankreichs in der deutschen Revolution 1848/49, 2001 Michaele Siebe, Von der Revolution zum nationalen Feindbild. Frankreich und Deutschland in der politischen Karikatur des 19. Jahrhunderts, 1995 Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, 2. Bd., 1992 Tomasz Szarota, Der deutsche Michel, 1998

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Literatur

7. Kapitel Fabrice Bensimon, Les Britanniques face à la Révolution française de 1848, 2000 H. T. Dickinson, Caricatures and the Constitution 1760–1832, 1986 H. T. Dickinson, British Radicalism and the French Revolution, 1789–1815, 1985 Diana Donald, The Age of Caricature. Satirical Prints in the Reign of George III, 1996 James Epstein, Understanding the Cap of Liberty. Symbolic Practice and Social Conflict in Early Nineteenth Century England, in  : Past and Present, Bd. 122 (1989) S. 75 E.  McClung Fleming, From Indian Princess to Greek Goddess. The American Image, 1783–1815, in  : Winterthur Portfolio, Bd. 3 (1967), S. 37 David Hackett Fischer, Liberty and Freedom, 2005 Dorothy George, English Political Caricature, 2 Bde., 1959 Karl-Heinz Hesmer, Flaggen und Wappen der Welt, 1992 Yvonne Korshak, The Liberty Cap as a Revolutionary Symbol in America and France, in  : Smithsonian Studies in America, Bd. 1 (1987), S. 53 Bernard Richard, Marianne en Amérique. L’emblématique républicaine en Amérique, nord et sud, 2014, S.  10 ff. (abruf bar unter http://fr.calameo.com/read/ 00365058464e223b2b177 [abgerufen am  : 12.2.2017]) Carl J. Richard, The Founders and the Classics, 1994 Stefan Rinke, Säulen der Republiken  : Frühe Denkmäler und Erinnerungs-Politik in den nachkolonialen Amerikas, in  : Tobler/Waldmann (Hg.), Lateinamerika und die USA im »langen« 19. Jahrhundert, 2009, S. 199 Cornelius Vermeule, Numismatic Art in America, 1971 8. Kapitel Maurice Agulhon, Die Frau mit der phrygischen Mütze – Von der Kommune bis zur Hundertjahrfeier 1871–1989, in  : Raimund Rütten u. a. (Hg.), Die Karikatur zwischen Republik und Zensur, 1991, S. 489 Maurice Agulhon, Marianne au combat, 1979 Reinhard Alings, Monumente und Nation. Das Bild vom Nationalstaat im Medium Denkmal, 1994 William A. Coupe, German Political Satires, Bd. 3, 1985 Walter Crane, An Artist’s Reminiscences, 1907 Jean Garrigues, »Les deux Républiques«, par Alfred Le Petit, Le Grelot, janvier 1872, in  : Parlement[s]. Revue d’histoire politique, Bd. 16 (2011), S. 113 567

Literatur

Klaus-Dieter Pohl, Allegorie und Arbeiter. Bildagitatorische Didaktik und Repräsentation der SPD 1890–1914, 1986 Rolf Reichardt, Expressivität und Wiederholung. Bildsprachliche Erinnerungsstrategien in der Revolutionsgraphik nach 1785, in  : Astrid Erll/Ansgar Nünning [Hg.], Medien des kollektiven Gedächtnisses, 2004, S. 148 Isobel Spencer, Walter Crane, 1976 Reinhard Stupperich, Ein antiker Hauch in der wilhelminischen Maienblüte, in  : Thetis, Bd. 2 (1995), S. 125 Sören Utermark, »Schwarzer Untertan versus schwarzer Bruder«. Bernhard Dernburgs Reformen in den Kolonien Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Togo und Kamerun, Diss. phil. Univ. Kassel, 2012 Frank Zeiler, Der »bonnet rouge« im Wahren Jacob. Erscheinungsformen und Verwendungsweisen eines revolutionären Freiheitssymbols in einem sozialdemokratischen Satiremagazin zur Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik (abruf bar unter  : https  ://www.freidok.uni-freiburg.de/data/11161 [abgerufen am  : 12.01.2017]). 9. Kapitel Werner Frotscher/Bodo Pieroth, Verfassungsgeschichte, 13. Aufl. 2014 Annegret Heffen, Der Reichskunstwart. Kunstpolitik in den Jahren 1920–1933, 1986 Gisbert Laube, Der Reichskunstwart. Geschichte einer Kulturbehörde 1919–1933, 1997 Ralf Poscher, Der Verfassungstag. Reden deutscher Gelehrter zur Feier der Weimarer Reichsverfassung, 1999 Karl Rohe, Das Reichbanner Schwarz Rot Gold. Ein Beitrag zur Geschichte und Struktur politischer Kampfverbände zur Zeit der Weimarer Republik, 1966 Nadine Rossol, Performing the Nation in Interwar Germany. Sport, Spectacle and Political Symbolism 1926–36, 2010 Fritz Schellack, Nationalfeiertage in Deutschland von 1871 bis 1945, 1990 Frank Zeiler, Verfassungsbildsatiren zwischen Republikfeindschaft, Vernunftrepublikanismus und Republiktreue. Eine Darstellung der Bildbeiträge zur Weimarer Verfassung in den Satiremagazinen Kladderadatsch, Simplicissimus, Der Wahre Jacob und Lachen Links, in  : Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte, Bd. 17 (2016), S. 432

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Verzeichnis der Bilddatenbanken und Kataloge

I. Bilddatenbanken Amsterdam Museum  : http://am.adlibhosting.com/amonline/advanced/ [abgerufen am  : 12.01.2017] British Museum Collection Online  : http://www.britishmuseum.org/research/collection_online/search.aspx [abgerufen am  : 12.01.2017] Gallica  : http://gallica.bnf.fr/ [abgerufen am  : 12.01.2017] Münzkabinett der staatlichen Museen zu Berlin  : http://ww2.smb.museum/ikmk/ [abgerufen am  : 12.01.2017] Objektdatenbank des Deutschen Historischen Museums  : http://www.dhm.de/datenbank [abgerufen am  : 12.01.2017] Prometheus-Bildarchiv  : http://prometheus-bildarchiv.de/ [abgerufen am  : 12.01. 2017] Rijksmuseum Amsterdam  : https  : //www.rijksmuseum.nl/en/search/advanced [abgerufen am  : 12.01.2017] II. Kataloge 1. Ausstellungs- und Sammlungskataloge

1848. Auf bruch zur Freiheit. Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums und der Schirn Kunsthalle Frankfurt zum 150jährigen Jubiläum der Revolution von 1848/49, hrsg. von Lothar Gall, Berlin 1998 1848  : Das Europa der Bilder, Bd. 2  : Michels März, Nürnberg 1998 1848/49. Revolution der deutschen Demokraten in Baden, hrsg. vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe, Baden-Baden 1998 Freiheit  – Gleichheit  – Brüderlichkeit. 200  Jahre Französische Revolution in Deutschland, hrsg. von Gerhard Bott, bearb. von Rainer Schoch, Nürnberg 1989 Hambacher Fest 1832  : Freiheit und Einheit, Deutschland und Europa, Kultusministerium Rheinland-Pfalz, 1990 La Caricature. Bildsatire in Frankreich 1830–1835 aus der Sammlung von Kritter, hrsg. von Gerd Unverfehrt, Göttingen 1980 Les constitutions de la France 1791–1992, Catalogue d’exposition, Paris 1992

569

Verzeichnis der Bilddatenbanken und Kataloge

Les révolutions de 1848. L’Europe des images, Paris 1998 Museum der Kulturen Basel u. a. (Hg.), Basel 1798. Vive la République Helvétique, 1998 Mit Zorn und Eifer  : Karikaturen aus der Revolution 1848/49. Der Bestand des Reiss-Museums Mannheim, hrsg. von Hansjörg Probst u. Karin v. Welck, bearb. von Grit Arnscheidt, Mannheim/München/Berlin 1998 Politische Karikaturen des Vormärz (1815–1848). Europäische Kulturtage Karlsruhe 1984, bearb. von Remigius Brückmann, Karlsruhe 1984 Rousseau et la Révolution. Catalogue de l’exposition à l’Assemblée nationale, Paris 2012 2. Münz- und Medaillenkataloge

R. A. G. Carson, Coins of the World, New York 1962 Jean-Pierre Collignon, La médaille française au XIXème siècle et l’histoire, Charleville-Mézières 1989 Jean-Pierre Collignon, Médailles politiques et satiriques, décorations et insignes de la 2e République française  : 1848–1852, Paris u. a. 1984 John S. Davenport, German Church and City Talers, 1600–1700, 2. Aufl., Galesburg 1975 John S. Davenport, German Talers since 1800, Galesburg 1949 Die Jules Fonrobert’sche Sammlung mittel- und südamerikanischer Münzen und Medaillen, bearb. von Adolph Weyl, Abt. II, Berlin 1878 Michel Hennin, Histoire Numismatique de la Révolution Française, 2 Bde., Paris 1826 Hindenburg in nummis, S.  50 (abruf bar unter  : http://www.tempelhofer-muenzenhaus.homepage.t-online.de/downloads/131s.7323-7402.pdf [abgerufen am  : 12.01.2017]) Kurt Jaeger, Die deutschen Münzen seit 1871, 22. Aufl., Regenstauf 2011 Katalog Medaillensammlung Fürst Otto von Bismarck, Münzhandlung Harald Möller, Kassel, Auktion 61 vom 20.11.2012 Gunter W. Kienast, The Medals of Karl Goetz, Cleveland, Ohio 1967 Gerard van Loon, Histoire Métallique Des XVII Provinces Des Pays-Bas, Depuis L’Abdication De Charles-Quint, Jusqu’À La Paix De Bade En MDCCXVI, 5 Bde., La Haye 1732–1737 Standard Catalog of World Coins 1801–1900, hrsg. von Thomas Michael/George S. Cuhaj, 6. Aufl., Iola (WI) 2009 Standard Catalog of World Coins 1901–2000, hrsg. von George S. Cuhaj/Thomas Michael, 40. Aufl., Iola (WI) 2012 570

Verzeichnis der Bilddatenbanken und Kataloge

Wolfgang von Wurzbach, Katalog meiner Sammlung von Medaillen, Plaketten und Jetons, 2 Bde., Zürich/Leipzig/Wien 1943, Nachdruck, Hamburg 1978

571

Personen- und Sachverzeichnis Abundantia 76, 114, 160 Académie des inscriptions 135, 224, 269, 390 Andrea Doria 46 ff. Arbeiterbewegung 429 ff., 434 ff., 469 Arbre de liberté 141, 150 ff., 179, 200, 217, 242, 308 Assignaten 174 ff., 179, 220 Auge des Gesetzes 158 ff., 173, 175 Gottes 158, 160, 250, 374, 391, 463 der Überwachung 159 der Vernunft 158 ff., 179, 182, 208, 250, 256, 463 Babeuf, François N. 206, 212 Baden 286, 293 ff. 297 f. Ballhausschwur 145 ff., 190 Bastillemythos 137 ff., 145, 164, 175, 200 Batavische Republik 245 ff., 250 ff. Bayern 286 ff., 291 ff., 297, 330, 349 ff., 354 ff., 357 Beseler, Georg 341 Bill of Rights 71, 84, 86, 93 f., 369, 371, 383, 388 Brutus 27, 43 f. -symbolik 47 ff., 52 ff., 181, 193, 214, 255 ff., 261, 316, 323 ff., 463 Burke, Edmund 375 Bute, John Stuart Earl of 78 ff., 96, 99 Campe, Johann Heinrich 236 Cham 317 f. Charte constitutionnelle 268 ff., 276 ff., 286, 305 Chodowiecki, Daniel 235 f. Chronos 98, 100 ff., 192, 236 f., 250 Cipriani, Giovanni Battista 54, 76 f. Cisalpinische Republik 254 ff., 266 Columbia 391 ff., 400 ff. Constant, Benjamin 270 Constitution of England 83 ff., 88 Crane, Walter 429 ff., 433 f. Cruikshank George 386 ff. Isaak 367, 373 f., 376

Dadler, Sebastian 57 f. Dahlmann, Friedrich Christoph 341, 343 ff. Daumier, Honoré 280, 308 f., 413 David, Jacques-Louis 27, 136, 142, 146, 196 f. Delacroix, Eugène 284 ff. Denkmäler 134 f., 292 ff., 298, 313 f., 406, 427 ff. Deutscher Michel 328 ff., 343, 348, 354, 357, 359, 458 Diogenes 109 f. Direktorialverfassung 204 ff., 211 f., 215, 218, 255, 262, 416 Dritte Republik 413 ff. Dupré, Augustin 110 ff., 141, 171 ff., 300, 390, 392 f., 394 f., 408, 468 Emblemata 47 ff., 155, 165, 463, 468 Erinnerungsort 33, 226, 464 Erinnerungskultur 93, 389 ff., 396 ff., 469 Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, Symbolik in Frankreich 154 ff., 174 f., 179, 193 ff., 196, 198, 202, 216 den Niederlanden 248, 250 Être Suprème 159 ff., 181 f., 193 f., 198 ff., 202, 208 Feste, revolutionäre 148, 151, 166 ff., 175, 196, 259 Franklin, Benjamin 104, 108 ff., 183, 392, 396 f., 404 Freiheitsbaum Deutschland 227 ff., 232 ff., 348 England 107, 368, 381 Frankreich siehe arbre de liberté Italien 259 ff., 263 Niederlande 246 ff. Schweiz 240 ff. Friedrich der Große 122 ff. Friedrich Wilhelm IV. 325 ff., 330 Gagern, Heinrich von 343 f., 349 f. George III. 78 ff., 96, 377 Germania 29, 119, 321, 346, 359, 362, 436 f., 447, 450, 452

573

Personen- und Sachverzeichnis

Gesetzbuch 121 ff., 127 ff., 130, 313, 409, 425 Gesetzestafel 154 ff., 173, 193, 200, 216, 238, 250, 346 ff., 463 Geusenhut 41, 54 ff., 64 ff., 120, 141, 177, 246, 248 Gillray, James 369 f.. 374, 376 ff., 381 Gleichheit 22, 122, 124, 128, 144, 153, 158 ff., 168, 173, 204, 233, 242, 302, 308, 316, 325, 442 ssymbolik 152 f., 165, 179, 186, 193 ff., 204, 208, 214, 217, 250, 255, 259, 262 ff. soziale 153, 173, 193, 212 Glorious Revolution 70 ff. Goethe, Johann Wolfgang von 228 ff. Goetz, Karl 440 ff. Grundrechte 159, 184, 193, 200, 243, 250, 419, 452, 472 des Deutschen Volkes 346 ff., 354 Gründungsmythos 365, 439, 461 Frankreichs 137 ff., 317 der Schweiz 114 der USA 88, 108, 389, 396 ff., 403 f. Gründungsväter 88, 104, 396 ff. Guillotine 179, 206 ff., 214, 221, 264, 379, 383 Guizot, François 279, 308 Hecker, Friedrich 323, 328, 338, 361 Heinrich II. 50 ff. Herkules 110, 164, 183, 206 ff., 212, 366 -keule 61, 145, 277, 330 Hessen 290 f., 292 f. Hindenburg, Paul von 445, 454 Hobbes, Thomas 70 f. Höchstes Wesen 159, 181 f., 193. 198 ff., 202, 208 Hogarth 78, 86 f. Hollandia 56 ff. Hollis, Thomas 54, 76 Indian Princess 98, 104, 106 f., 112, 391 Jakobiner 144, 160, 185, 190, 206 ff., 212, 230, 255, 260, 366, 374, 383, 386 Mainzer 230 ff., 234 f. Jefferson, Thomas 371, 390, 392, 397, 403 John Bull 105, 381, 383, 403 Julirevolution 151, 267, 277 ff., 283, 297, 305 Juste Milieu 279, 285 Justitia 44, 56, 66, 76, 122 f., 126, 128, 211, 220, 252, 322, 346, 355

574

Kant, Immanuel 120, 296 Kladderadatsch 305, 321. 354, 440, 447, 450, 458 Kommune von Paris 414 ff. Kulturtransfer 389, 467 ff. La Caricature 280 ff. Lachen Links 447, 450, 452 f. Lafayette, Marie-Joseph Marquis de 142, 162 Le Charivari 280 ff., 308, 317, 320 f. Leiden der Freiheit 282 ff. Libertas 41 ff., 46 ff., 51, 72, 111 Lichtsymbolik 110, 166, 220, 265 Lieu de mémoire siehe Erinnerungsort Liktorenbündel 157, 162 f., 172 f., 175, 179, 192 f., 197, 211, 215, 258, 261, 323, 325, 328, 417 Louis Philippe 278 ff., 417 Ludwig XVI. 113, 142, 147, 157, 170 f., 183, 185 ff., 220, 224, 226, 230, 238, 369 XVIII. 254, 268 ff. Ludwig I. von Bayern 330, 355 Magna Charta 76, 83 f., 86, 88 ff., 93 f., 367, 371, 378, 381, 383, 388, 410 Marianne 317, 321, 417 ff., 422, 434 Märzerrungenschaften 333 Minerva 54, 110, 117 f., 164, 176 f., 217, 250, 258, 315, 397, 410 Mirabeau, Honoré Gabriel Comte de 164, 183 ff., 238 Monarchie, konstitutionelle 135, 139, 166 ff., 185 ff., 224, 226, 228, 236 ff., 254, 267 ff., 286 ff., 322, 336 f., 342, , 345, 362 Monneron 175 ff. Montagne 153, 173, 199 f., 316 Montesquieu, Charles-Louis Baron de la Brède 127, 135, 172, 177, 184 Müller Arnold-Affaire 124 f. Münzgeld 20, 39, 41, 134, 389, 390 ff., 405 ff. Batavische Republik 250 f. Deutschland 292, 445 f. Frankreich 171 ff. Rom 41 ff. Südamerika 406, 408 ff. USA 389 ff.

Personen- und Sachverzeichnis

Napoleon I. 241, 256 ff., 269 f., 274 Napoleon III. 320 f., 363, 413 ff. Öffentliche Meinung 80, 86, 97, 134, 317, 366, 369, 381 Oudiné, Eugène-André 394 f., 408, 420, 468 Paine, Thomas 367 ff. Palloy, Pierre-François 138 ff., 144 f., 200 ff. Panthéon 182, 274 Patriotenbewegung Italien 254 ff. Niederlande 60 ff., 69, 94, 245 ff., 253 Schweiz 242 f. Paulskirchenverfassung 307, 343 ff., 349, 358, 423, 469 Paulskirchenversammlung 336 ff., 339 ff., 355, 363 Pitt, William der Ältere 90 der Jüngere 368, 370, 374 ff. Pressefreiheit 80, 84, 255, 319, 333, 349, 355 Preuß, Hugo 450 ff. Preußen 66, 68 f., 121 ff., 128 f., 183, 196, 236, 291, 349 ff. Preußisches Allgemeines Landrecht 121, 236 Privilegien, Auf hebung der 168 ff. Radical Whigs 54, 90, 374, 376 Rechtsstaat 17, 19, 120 ff., 127, 286, 404, 465, 472 ssymbolik 118 ff. Redslob, Edwin 443 ff. Reichsbanner 446, 460 Reichspräsident 443 ff., 454 Reichstag 28, 341, 424 ff., 443, 454 ff. Reichsverfassung des alten Reichs 28 f., 119, 128 von 1871 413, 424 ff., 427 ff. Renaissance 46 ff., 56, 135 Republik bürgerliche 310 ff., 322 ff., 414 f. sozialistische 312 ff., 322 ff., 414 f. Restaurationsepoche 267 ff. Rethel, Alfred 124, 360 ff. Revere, Paul 88, 93 ff., 390 Revolution von 1789 133 ff.

1848/49 309 ff. Robespierre, Maximilien 144, 159, 185, 198 ff., 204 ff., 208, 226, 313 Römische Republik 41 ff. Rössing, Karl 454 f. Rousseau, Jean-Jacques 108, 128, 141, 150, 177 ff., 184, 187, 220, 238 Rowlandson, Thomas 376, 378 f. Sakralisierung 154 ff.., 160, 182, 200, 399 Schiller, Friedrich 119, 354, 424 Setzwaage 160, 165, 186, 193, 197, 204, 208, 214, 250, 308, 369 Simplicissimus 440, 447, 452, 454, 458 Sonnensymbol 145, 220, 235, 327, 405 f., 433 Sons of Liberty 88, 100 Staatssiegel 134, 193 ff., 390 ff., 405 Stamp Act 87, 89 f., 94 ff. Steinlen, Théophile-Alexandre 422 Tea Party 98 ff. Tellenhut 113 ff., 241 f., 245 Terreur 144, 148, 159, 204 ff., 215, 226, 230, 234, 312, 361, 376, 383, 387, 422 Thermidorianer 206 ff. Token 367 ff. Totentanz 124 f., 360 ff. Tuilerien, Sturm auf 113, 142, 153, 190, 197, 236 Tyrannenmord 43 f., 49 ff., 193 Verfassung landständische 287, 299 oktroyierte 262, 267 ff., 289 Verfassungsfest 166 ff., 298, 450 Verfassungstag 443 ff. Verfassungsstaat 19, 108, 120, 365, 462, 464 ff., 469 ff. Volkssouveränität 61, 145, 168, 176 ff., 202 ff., 250, 267, 288, 319, 333, 354, 362, 443 Volonté générale 128, 160, 178, 187 Voltaire, François-Marie Arouet 164, 81 ff., 220, 238 Waage 61, 83 f., 86, 121 ff., 153, 168, 173, 177, 208, 250, 323, 361, 378, 390 f. Wahlen 214, 243, 301, 310, 314, 316, 319, 336 ff., 362, 404

575

Personen- und Sachverzeichnis

Wahlrecht 319, 337 f., 341 ff., 362, 385, 388, 419, 433 f. Wahre Jakob 436, 440, 447, 450, 452, 458 Washington, George 104, 113, 396 f., 399 f. Weiditz, Christoph 46 ff. Weimarer Verfassung 352, 439 ff., 470 Whigs 54, 76, 78, 86, 90, 374 ff., 381

576

Wilhelm I. 419, 427 Wilhelm von Oranien 52, 60, 64, 66, 70 ff. Wilkes, John 78 ff., 89, 93 f., 98 Württemberg 128, 286, 289 f. Zeitgeist 133, 137, 142, 172, 222, 275 f., 299 ff., 303 f., 360