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German Pages 144 [148] Year 1975
KOEHN-SYLT
Meiner Schwester GERTRUD gewidmet
HENRY KOEHN
SYLT E I N F Ü H R E R D U R C H DIE I N S E L W E L T
5. Auflage, bearbeitet von Dr. Manfred Wedemeyer
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WALTER DE GRUYTER . BERLIN • NEW YORK 1975
Mit 45 Abbildungen (Sylter Ardiiv 22, Wilhelm Bartscher 13, Henry Koehn 8, Werner M. Horst 1, S. Muschner 1)
© Copyright 1951 by Cram, de Gruyter & Co., Hamburg 13 Copyright 1974 by Walter de Gruyter & Co., vormals G.J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer—Karl J. Trübner—Veit & Comp., Berlin 30 — Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.— Satz und Druck: Franz Spiller, Berlin — Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin—Printed in Germany ISBN 3 11 004396 3
Vorwort zur 5. Auflage Auch in der neuen Auflage ist der Charakter dieses Buches trotz aller Ergänzungen unverändert. Die Darstellung von Henry Koehn umzugestalten, hatte der Herausgeber um so weniger Veranlassung, als die Sylt-Forschung der letzten Jahre das Bild der inselfriesischen Geschichte nicht wesentlich gewandelt hat. Dennodi ist der Text revidiert und an zahlreichen Stellen sachlich ergänzt worden. Dieser bewährte Sylt-Führer kann nur kurze Hinweise auf Natur und Geschichte der Insel geben. Mehr als eine Anregung ist in einem solchen Rahmen nicht möglich. Das beigefügte Literaturverzeichnis möchte den interessierten Leser auf Spezialwerke aufmerksam machen. Weitere Kenntnisse vermittelt auch die umfangreiche Monographie „Die Nordfriesischen Inseln" (5. Auflage 1961) von Henry Koehn. Als Beauftragter der Landesregierung für Naturschutz und Landsdiaftspflege hat Henry Koehn vorbildlich und selbstlos x 3 Jahre lang, von 1950 bis zu seinem Lebensende 1963, für die Erhaltung der ursprünglichen Naturlandschaft der Insel gekämpft. Dabei betonte er immer wieder, daß die Naturlandschaft den Ruf Sylts als Erholungsund Ferieninsel begründet hat. In ihrer Erhaltung sah er zugleich die Existenzgrundlage und die Zukunftssicherung der Insel. Bei der Neubearbeitung dieses Buches haben zahlreiche Helfer durdi Auskünfte mitgewirkt. Ihnen allen sei hiermit herzlich gedankt, insbesondere Herrn Peter Schmidt-Eppendorf, Nordstrand, und Frau Eva Koehn, Kampen. Morsum/Sylt, im September 1974 D R . MANFRED WEDEMEYER
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Aus dem Vorwort zur 3.
Auflage
Der Verfasser dieser Abhandlung stammt mütterlicherseits vom 18. Jahrhundert her von der westfriesischen Insel Vlieland. Er lernte Sylt zuerst im Jahre 1 9 1 2 kennen. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt nadi dem ersten Weltkrieg im Innern von J a v a gab ihm 1922 das Werk von Oswald Spengler „Der Untergang des Abendlandes" den Anstoß zum Studium der Kulturgeschichte. Die persönliche Verbindung mit Spengler währte bis zu dessen Tod 1936. Vier Jahre kulturmorphologischer Arbeiten waren von 1923 ab im Forschungsinstitut von Leo Frobenius der Völkerkunde von Afrika gewidmet. Es folgten danach Studien mit eigenen Reiseunternehmen in verschiedenen europäischen Ländern, und zwar vornehmlich im Norden unseres Erdteiles. Von 1928 bis 1939 wurden die Nordfriesischen Inseln systematisch durchforscht. Es war der Versuch, ein in sich geschlossenes Gebiet allseitig im Zusammenhang zu erfassen. Unter dem Titel „Die Nordfriesischen Inseln. Die Entwicklung ihrer Landschaft und die Geschichte ihres Volkstums" erschien 1939 ein Niederschlag dieser Arbeit. Im Jahre 1961 konnte bereits die j . erneuerte Auflage dieses Werkes veröffentlicht werden. Die Sinngebung des kleinen Buches besteht darin, daß es ein Hinweis auf all die vielen Werte sein soll, die die Inselwelt in den Bereichen ihrer Natur und Kultur besitzt. Möge diese geistige Erschließung mit dazu beitragen, daß alle Kräftte eingesetzt werden, die der Erhaltung dieser Werte dienen können. Die Beschreibung von Sylt ist nicht in Form eines sonst üblichen Reiseführers erfolgt. Es schien dem Verfasser sinnvoller und für den Leser nützlicher, sie nadi stofflichen Gesichtspunkten zu gruppieren. Das beigefügte Sach- und Personenverzeichnis ermöglicht ein leichtes Auffinden des Gewünschten im Text. Auf einer beigegebenen Karte sind die wichtigsten örtlichkeiten verzeichnet. H E N R Y KOEHN
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I N H A L T S V E R Z E I C H N I S
Vorwort zur 5. Auflage Aus dem Vorwort zur 3. Auflage Inhaltsverzeichnis Einleitung
. . . .
y 6 7 9
NATUR Inselraum • Allgemeines Inselraum • Erdgeschichte Meeresraum Luftraum Pflanzenwelt Tierwelt
10 17 23 3j 44 jo
KULTUR Vorgeschichte Geschichte Hausbau Tracht und Schmuck Sprache Seefahrt Landwirtschaft Geistesleben Literatur- und Quellenverzeichnis Personen- und Sachregister Abbildungen
. . . .
60 65 71 74 76 79 8j 89 98 104 113
Einleitung Die nordfriesisdien Uthlande weisen je nach Insel und Hallig bestimmte Landschaftstypen auf. Je öfter man die Inseln bereist und je aufmerksamer man sie beobachtet und durchforscht, desto deutlicher spürt man ihre Eigennote. Lage, Größe und Gestalt von Sylt lassen schon auf der Karte die besondere Eigenart der Insel erkennen. Diese Landschaft ist ursprünglich und einfach, alt und jung, in sich ruhend und beweglich, friedlich und gewaltsam, kleinförmig und großräumig. Ubergänge aller Art stehen neben schroffen Gegensätzen, Verbindungen neben Vernichtungen. Jahrmillionen der Erdgeschichte und die Spuren von Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte liegen offen vor Augen. So erklärt sich die oftmals gewiß unbewußte Anziehungskraft, die Sylt, abgesehen vom Badeleben, das auch andere Seebäder bieten, f ü r viele Menschen besitzt. Dem Zauber und den Reizen der Insel ist mancher Besucher verfallen, ohne genau sagen zu können, worin die Verzauberung besteht. Eine ganz besondere Wirkung der Insellandschaft ist nach den treffenden Worten eines Sylt-Kenners darin zu sehen, „daß sie ihre Besucher dem Gewohnten völlig entrückt. Man glaubt in ultima Thüle zu sein, am Ende der Welt oder in der Sahara (wie die Ausdrücke dafür lauten), so wenig domestiziert wirkt die Landschaft, so urig und - zunächst - fremdartig. Ja, man kann Sylt eine Landschaft der Extreme nennen, in vieler Hinsicht." Es müßte das Anliegen und der Reiz eines jeden Reisenden sein, das Eigenwesen dieser Landschaft zu erfassen, damit sie ihm zum Erlebnis wird. Hierzu bedarf es keiner wissenschaftlichen Studien, im Grunde genommen nur der Aufgeschlossenheit und Einfühlung. Die Vorbereitung an H a n d von Literatur verstärkt und vertieft den Eindruck. Diesem Zweck mögen die folgenden Ausführungen über die N a t u r und Kultur auf Sylt dienen.
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NATUR Inselraum • Allgemeines Aus den Vertikalkräften der Erdkrustenbewegungen und den Horizontalkräften der Wassermassen ergibt sich das vielgestaltige Bild, das die Uthlande heute nach Lage, Form, Größe, Höhe, Bodenbeschaffenheit und Alter zeigen. Diese Faktoren bestimmen auch das Leben auf den Inseln. Die Nordfriesischen Inseln setzen sich zusammen aus den drei großen, tertiären Geestinseln Sylt, Amrum und Föhr im Norden, aus den nacheiszeitlichen, alluvialen beiden großen Marschinseln Nordstrand und Pellworm (ursprünglich Altnordstrand) im Süden und den zehn jungen, erst seit dem Mittelalter (nach 1362) bestehenden kleinen Marscheilanden der Halligen, die sich kreisförmig um Pellworm herumziehen. Sylt ist die größte der Nordfriesischen Inseln und der Lage nadi die nördlichste. Der Ellenbogen, der nördliche Ausläufer des Listlandes, ist das nördlichste Grenzgebiet von Deutschland, List der nördlichste Ort der Bundesrepublik. Die Insel erstreckt sich zwischen 54 0 44' und j j ° 0 3 ' nördlicher Breite sowie zwischen 8 ° i 6 ' und 8°3o' östlicher Länge. Sie liegt damit auf annähernd gleicher Höhe wie Königsberg und wie Newcastle in England. Die Insel ist der Westküste von SchleswigHolstein in einer Entfernung vorgelagert, deren geringster Abstand 8 km (Nössespitze-Lübke-Koog) und deren weitester 27,5 km (Hörnum-Dagebüll-Nord) mißt. Die Entfernung zur englischen Ostküste beträgt in Höhe der Humbermündung etwa 580 km. Wie erreicht man die Insel Sylt? Mit der Bundesbahn über den Hindenburgdamm bis zum Bahnhof Westerland, mit dem Auto ab Niebüll im Autozug ebenfalls über den Hindenburgdamm. Von Havneby auf der dänischen Insel Rom, die durch einen Damm mit dem Festland verbunden ist, kann man sich mit dem Auto auf einem Fährschiff der Lindinger-Reederei in 40 Minuten nach List auf Sylt übersetzen lassen. Während der Saison fahren Schiffe der Hadag Seetouristik und Fährdienst A G von Hamburg über Helgoland nach Hörnum und zurück. Kreuzfahrten ab Hörnum durch die nordfriesische Inselwelt 10
und nach Helgoland veranstaltet die Wyker Dampfschiffs-Reederei. Ausflugsfahrten der Fischkutter nach Dänemark und zu den Seehundsbänken sind ab List möglich. Auch auf dem Luftweg kommt man nach Sylt. Die Maschinen mehrerer Luftfahrtgesellschaften sowie Privatmaschinen fliegen den Flugplatz Westerland an. Die Zahl der Urlauber, die mit dem Flugzeug auf die Insel kommen, ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Der öffentliche Personenverkehr auf der Insel wird von Ruy Prahl ehemals Sylter Verkehrsgesellschaft betrieben. Die Inselbahn hat 1970 aus wirtschaftlichen Gründen ihren Betrieb eingestellt. Der letzte Zug war am 2 9 . 1 2 . 1 9 7 0 eingesetzt. Jetzt fahren Omnibusse nach allen Inselorten (außer Morsum). Außerdem finden Inselrundfahrten statt. Die Sylter Westküste von Ellenbogen bis Hörnum-Odde hat eine Länge von 38,5 km. Die Breite der Insel schwankt zwischen 400 m (am Königshafen - Listland) bzw. 600 m (beim Rantum-Becken und südlich Rantum-Burgtal) und 12,6 km (Westerland-Süd bis Nösse-Ostspitze). Die gesamte Uferlänge beträgt nach Feststellung durch das Katasteramt Niebüll 107 km, für Föhr 37 und für Amrum 34 km. Die Westküste verläuft von Hörnum bis Westerland annähernd Nord-Süd und weicht von dort bis zum Ellenbogen um etwa 19° nach Osten ab. Westerland bildet somit einen Scheitelpunkt. Er ist dadurch bedingt, daß verschiedene Hauptströmungen der Nordseegezeiten sich vor der Sylter Westküste vereinigen, der Hauptstrom auf Westerland stößt und sich hier so teilt, daß je ein Küstenstrom nach Nord und Süd an der Insei entlangstreicht. Dieser Küstenstrom ist für das Wattenmeer zugleich Flut- und Ebbstrom. Die Abweichung der nördlichen Inselhälfte ist hauptsächlich durch den vorherrschenden Südwestwind verursacht, der hier in stärkerem Maße Abbruch bewirkt. Auf der Höhe des Königshafens bei Profil 32 ist der Abbruch am größten. Hier sind von 1870 bis 1966 im ganzen 418 m, also pro Jahr durchschnittlich 4,37 m Inselboden verlorengegangen. Der Flächeninhalt der Insel beträgt laut Katasteramt nach dem Stand vom 1. 1. 1973 99,14 qkm (einschließlich Rantum-Becken). Für die einzelnen Gemeinden ergeben sich folgende Flächengrößen: Hörnum - 713,4538 ha, Kampen - 868,7542 ha, List - 1917,9775 ha, Rantum - 937,3611 ha, Wenningstedt - 636,5631 ha, Westerland 11
i 0 4 i , i j09 ha und Sylt-Ost - 3795,1728 ha, wovon auf Archsum 678,7178 ha, Keitum 1040,2582ha, Morsum 1163,8769 ha und Tinnum 912,3199 ha entfallen. Das ergibt eine Gesamtgröße von 9914,4334 ha. Abbruch und Anlandung bewirken jedoch ständige Veränderungen. Die höchste Erhebung der Bodenoberfläche beträgt nach der Landesaufnahme von 1953/54 27,2 m ü. N . N . Auf ihr, südlich von Kampen, wurde 1855 ein Leuchtturm von 3 8 m Höhe errichtet. Die höchste Dünenerhebung ist mit 52,5 m ü. N . N . die Uwe-Düne bei Kampen, die dem hier etwa noch 25 m hohen Roten Kliff aufgelagert ist. Sie liegt südlich des Gebietes, auf dem früher das Kurhaus stand. Weitere größere Dünenerhebungen sind von Nord nach Süd: Jensmetten Berg westlich List 30,4 m; Sand Berg westlich List 34,7 m; Sütterknoll im Südwesten von List 36,9 m; die große Wanderdüne (etwa 1 km lang) bei den Norder Strandtälern inmitten des Listlandes 26,4 m; Düne westlidi Blidselbucht 30,9 m; Düne im Nordosten von Klappholttal 34,3 m; die Stranddünen beim Denghoog von Wennigstedt 42,8 m. Auf dem Südhaken erreichen die höchsten Dünen und die Thörnhörndüne südlich Puan Klent 23 m; der Budersandberg im Norden von Hörnum 32 m; die sonstigen Dünen bei Hörnum bis zu 27 m. Der Raum der Nordfriesischen Inseln bildet landschaftskundlidi eine Wattenmeer-Kliffküste. Auf Sylt finden wir alle Charakteristika dieser Landschaftsform. Die Insel wird nach Westen durch die offene Nordsee, nach Osten durch das Wattenmeer begrenzt. Die Gestalt des Inselkörpers ist durch die erdgeschichtlidien Veränderungen der letzten Jahrtausende, vor allem aber durch die Wirksamkeit von See und Watt, vornehmlich seit dem Mittelalter geformt worden und unterliegt auch heute noch steter Veränderung. Wind und Wasser sind die Hauptwirkungselemente der Natur. Von allen Nordseeinseln ist Sylt beiden am stärksten ausgesetzt. In dem mit vielen Karten ausgestatteten Werk von Caspar Danckwerth „Newe Landesbeschreibung der zwey Herzogthümer Sdileswidi und Holstein" aus dem Jahr 1652 sind mehrere Darstellungen von Sylt aus jener Zeit enthalten. Die Karte von 1240 kann nicht als zuverlässig gelten. Die Wiedergabe der Insel auf dem Blatt „Das Ambt Tondern Anno 1648" entspricht im Prinzip den heutigen Verhältnis12
sen. Aus den Bestätigungen auch anderer Überlieferungen wissen wir, daß im Mittelalter und noch danach zahlreidie Inselorte dem Meer und dem Sandflug zum Opfer gefallen sind. Hierüber seien nur einige Angaben gemacht. Inmitten der Dünen westlich des heutigen Ortes List hat einstmals ein Listum gelegen, das vermutlich in der großen Flut von 1362 (Rungholtflut) untergegangen ist. Heute noch erhaltene Kulturspuren dieser Stätte sind uns bekannt. Der erste Ort List soll vom Meer verschlungen worden sein. Das jetzige Blidsel leitet seinen Namen von einem früheren Ort Blidsum oder Blydum ab, von dem Reste, wie der Chronist C. P. Hansen schreibt, um 1859 in den dortigen Dünen noch nachzuweisen waren. Vor Winnigstedt hat der Überlieferung nach das vermutlich wie AltList ebenfalls 1362 in den Fluten versunkene Wendingstadt gelegen, von dem aus nach der Sage die Angelsachsen die Überfahrt nach England angetreten haben. Westerland führt seine Entstehung auf den Ort Eidum zurück, der einst im Südwesten des heutigen Stadtgebietes lag. Er war aber schon ein Nachfolgeort eines gleichnamigen Ortes, der noch weiter westwärts gelegen hatte. Das zweite Eidum wurde in der Allerheiligenflut von 1436 zerstört. C. P. Hansen berichtete 1868 über die Entstehung von Westerland folgendes: „Die (seit Allerheiligen 1436) übrig gebliebenen Eidumer baueten sich mehrenteils jetzt nordöstlicher, auf einer höheren, ehemaligen Haidegegend voller altheidnischer Grabhügel wieder an, nannten diese neuen Dorftheile die Hedigen (Hedken), nemlich Südhedig, Osthedig, Nordhedig und Westhedig, verschmäheten aber, ihr Kirchspiel noch nach dem treulosen und rachsüchtigen heidnischen Meeresgotte (Eigir) Eidum zu nennen, sondern nannte dasselbe von nun an stets Westerland, so daß von 1450 an der alte Kirchspielname aufhörte." Ein ähnliches Schicksal erlebte Rantum. C. P. Hansen führt auf seiner „Antiquarischen Karte der friesischen Bergharden" einschließlich des heutigen Ortes vier Stätten dieses Namens auf. Alt-Rantum, der dritte Ort, fiel 1801 dem Sandflug zum Opfer. In jenem Jahr staute sich der Dünensand bereits bis zu den Fenstern der Kirche hinauf. Vom Abbruch der Insel bei Rantum im 18. Jahrhundert schreibt der Sylter Schiffskapitän und Chronist Henning Rinken ( 1 7 7 7 - 1 8 6 2 ) : „Wie es in der Gegend bei Rantum abgenommen hat, kann aus Folgendem
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beurtheilt werden: 1 7 2 5 stand die vorletzte Kirdie noch i62/a Ruthen von den Dünen entfernt; von dem Westkirchhofwall bis zu den nächsten Dünen w a r noch ein schönes Stück Grasland vorhanden; dennoch mußte diese Kirdie wegen Untergang v o m Sande 1 / 5 7 abgebrochen werden, und in selbigem J a h r e wurde die letzte Kirdie gebaut (südöstlich von der früheren). — Also waren innerhalb 32 Jahren die Dünen i62/s Ruthen oder 100 Schritte nach Osten fortgerückt. (Die Häuserzahl w a r in derselben Zeit aus ähnlichen Ursachen von 40 auf 26 vermindert worden.) - 1794, den 26. Januar, mit einem starken Sturm und hoher Flut nahmen die Sanddünen geradezu neben Rantum in ihrer Breite 36 Schritte ab (die See hatte während des Sturmes 36 Schritte oder 100 Fuß von der Westseite der Dünen weggespült), und es blieben nur 24 Schritte Dünenbreite übrig. M i t diesem Sturm kam der alte Kirchhof zum Vorschein. Ein schauderhafter Anblick! Die H ä l f t e von der Länge der Gräber w a r über das sogenannte Kliff hinabgestürzt. Die Wellen hatten die Asche der Todten aus den Gräbern gespült, und so konnte man unter die gewölbten Grabeshügel von Westen hineinsehen, w o die Vorväter dereinst zur Ruhe hinabgesenkt waren. Der alte Schwibbogen der Kirche, aus Feldsteinen und K a l k gemauert, kam außer der obersten Rundung unter den Dünen hervor. Ich ging diesen Winter zur Confirmation nadi Westerland und hatte jeden T a g diesen Anblick. 1795 brachen meine Eltern unser Haus in Rantum ab und zogen nach Westerland." A m Weststrand von Rantum kann man an sandfreien Stellen gelegentlich noch Siedlungsspuren wie Brunnenringe aus Soden, in den festen Kleiboden eingedrückte Spuren von Rinderhufen, Wagenrädern und anderes sehen. D a s Wattenmeer der Nordfriesisdien Inseln zeigt an vielen Stellen, teils über weite Flächen hin, Spuren vergangener Tage. Viele gehen auf die Flut von 1634 zurück, als Altnordstrand unterging, aber auch auf die Flutkatastrophe von Rungholt im J a h r 1 3 6 2 ; andere Spuren reichen bis in die Vorzeit zurück. D a ß Sylt alle typischen Landschaftsformen einer Geestinsel zwischen Wattenmeer und offener See besitzt, wurde bereits gesagt. Sie bestehen aus den Stränden und Wattufern, der Geest und Marsch, den Dünen und Heiden, den Flachländern und Hügelzonen und schließlich
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den Kliffs. Wer diese Vielfalt der Formen an einer Stelle der Insel sehen will, findet sie bei Kampen. Auf einer Wegstrecke von zweieinhalb Kilometern vom Meer bis zum Watt sieht er hier Strand, Kliff, Dünen und Heiden, Wattwiesen und schließlich das Wattufer. Die höchste Erhebung der Insel ermöglicht nach allen Seiten hin die verschiedensten Fernblicke. Nadi Norden hin fällt sie zum einstigen Kliffrand des Geestkörpers bei Kliffende ab und geht in das Dünengebiet des Listlandes über. Der prachtvolle Ausblick von der hohen Uwe-Düne auf den Norden der Insel mit seiner seltsamen Hakenbildung des Ellenbogens, die künstlerische Formung und Tönung einer scheinbar aller Erdenschwere ledigen, zwischen zwei Wassern schwimmenden Dünenlandschaft steigert sich hier ins Überwirklidie. Der Eindruck wird noch durch den ständigen Wechsel der atmosphärischen Stimmung verstärkt. Sind die Sandberge der Dünen Wogenbildungen des Windes, so haben die Kräfte der Eiszeit durch Ablagerung und Auswaschung (Erosion) der Oberfläche von Sylt auch ein Relief, eine Dünung gegeben. Vom Mittelrücken der Insel verlaufen Schmelzwassertäler nach allen Seiten. Sie bilden reizvolle Schluchten im Gelände, wie die Wuldeschlucht bei Kampen, das weiter südlich gelegene Puktal, die Talung zum Hafen von Munkmarsch hinunter, das Apdeel bei Wenningstedt und andere mehr. Die Geest, in der vorletzten Eiszeit vor etwa 180 ooo Jahren durch Ablagerung von Gesdiiebelehm geschaffen, die beiden Hakenbildungen im Norden und Süden aus jüngerer Zeit sowie die Marschländereien und Anwachswiesen haben das Bild der Insel geprägt. Die langwelligen Hügelzüge der Geestkuppen, die früher alle von Heide überzogen waren, ergeben in ihrem Verlauf, wenn man sie aus den Niederungen betrachtet, durch die Berührung mit Wasser und Himmel reizvolle Horizonte. Dort, wo die weiten Heideflächen noch erhalten sind, ist das eiszeitliche Geschehen noch unmittelbar erkennbar. Wenn man vom östlichen Kliffrand beim Puktal im Süden von Kampen in das bergige Heideland blickt, fühlt man sich an Landschaften auf Island erinnert. Die zum Teil noch unverfälschte, großflächige Sylter Naturlandschaft mit den urtümlichen Heidegebieten, den Kliffufern und viel-
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fältigen Dünenformen gilt es in ihrem ursprünglichen Zustand zu bewahren. Für den Fremdenverkehr ist sie von großer Anziehungskraft. Die Naturlandschaft ist das wichtigste Kurmittel, das Sylt seinen Besuchern neben den bioklimatischen Heilkräften der Seewasserund Sonnenbäder und der Inhalation staubfreier Meeresluft zu bieten hat. Deshalb hängt die künftige Entwicklung der Insel im wesentlichen davon ab, wie die Aufgaben des Natur- und Umweltschutzes erfüllt und welche Maßnahmen zur Verhütung der Verunreinigung der Landschaft, des Wassers sowie zur Ordnung des Verkehrs und zur Bauplanung ergriffen werden. Um den Erholungswert Sylts auf lange Sicht zu erhalten, ist heute von rund i o o o o h a Inselfläche etwa ein Drittel als Naturschutzgebiet gesichert. Dazu gehören Nord-Sylt (1790 ha, seit 1923), Morsumkliff und Morsumheide (43 ha, 1923), Kampener Vogelkoje (10 ha, 1935), Rantum-Becken (560ha, 1962), Hörnum-Odde ( 1 5 7 h a , 1972) und Rantumer Dünen (453 ha, 1973). Der übrige Teil der Insel ist - mit Ausnahme der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Flugplatzes Westerland - als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Somit ist fast die gesamte freie Landschaft Sylts naturschutzrechtlich gesichert. Die Insel ist damit ein bedeutender Teil im geplanten Nationalpark „Nordfriesisches Wattenmeer", der von der nördlichen Landesgrenze bei List bis zur Nordküste von Eiderstedt reichen soll. Für die Erhaltung der Naturlandschaft hat sich der 1923 von Ferdinand Avenarius, Knud Ahlborn und Ferdinand Goebel gegründete „Verein Naturschutz Insel Sylt", Kampen, tatkräftig eingesetzt. Aus den bisher vorliegenden Jahresberichten dieses Vereins gewinnt man ein eindrucksvolles Bild seines Einsatzes für die Natur und Landschaft Sylts. Avenarius hatte bereits 1 9 1 3 die Erhaltung der urtümlichen Landschaft in seinem programmatischen Artikel „Schutz für Sylt" gefordert. Den Schutz des Morsumkliffs hatte er schon 19x1 angeregt. Heute ist ein Beauftragter der Landschaftspflegebehörde für die Angelegenheiten des Naturschutzes auf Sylt zuständig. Entsprechende Bestimmungen enthält das „Gesetz für Naturschutz und Landschaftspflege" (Schleswig-Holsteinisches Landschaftspflegegesetz vom 16. April 1973).
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Inselraum • Erdgeschichte Die Oberfläche der Erde besteht zu 70,8 °/o aus Wasser, zu 29,2 % aus Land. Mächte aus dem Innern und Kräfte aus dem Kosmos haben in vereinter Wirkung bei stetem Wandel durch lange Zeiträume das Gesicht der Erde so gezeichnet, wie es heute vor uns liegt. Das gilt auch für das Bild der Landschaft: es trägt die Züge seines Werdeganges in sich. Dort, wo Aufschlüsse vorliegen, geologische Profile und Grenzhorizonte (Bildungsstufen) vorhanden sind, wird dies besonders deutlich, z . B . in Bodenformen wie Marsch und Geest. Hierfür bildet gerade Sylt ein besonders anschauliches Beispiel. Vorgänge, die bei der Gestaltung unseres Erdbildes im großen wirksam waren, wie die des amphibischen Urzustandes, der Erdkrustenbewegungen, der Niveauveränderungen des Meeresspiegels, der Gezeitenwirkungen, des Klimawechsels, sind in der Geologie und Geophysik des nordfriesischen Inselraumes im kleinen auch nachweisbar. Das Interesse von Forschern und Naturfreunden an der Ergründung der vielen, noch ungeklärten Fragen ist überaus rege. Die Literatur über dieses Gebiet ist so reichhaltig wie sonst wohl über keinen zweiten deutschen Landschaftsraum dieser Größe. Tief im Untergrund von Sylt liegt ein Gebirge der Zechsteinzeit, das die Gebirgszüge von Mitteldeutschland und Skandinavien miteinander verbindet. Die Zechsteinzeit fällt in das Perm, in die jüngste Periode der Altzeit unserer Erde. Davor hatte sich das Nordseebecken gebildet, das durch das Zechsteinmeer ausgefüllt wurde und somit als Urnordsee gelten kann. Von der Zechsteinzeit bis zum Jungtertiär haben sich die Meere des Nordseebeckens in verschiedenen Zeitaltern neunmal verändert. Eine kartographische Darstellung davon hat K . Gripp 1937 veröffentlicht. Die ältesten auf der Insel Sylt zutage tretenden Formationen sind Miozän und Pliozän des Jungtertiärs (am Morsumkliff). Aus dem Alttertiär (Eozän) stammt der Bernstein, der zuweilen Einschlüsse von Insekten und Pflanzenteilen enthält und in früheren Zeiten, vor allem während der Bronzezeit (1600-450 v. Chr.), aber auch noch im vergangenen Jahrhundert reichlich gefunden wurde. Bei günstigen Wind- und Wasserverhältnissen wird er auch jetzt noch in einzelnen Stücken an den Strand gespült.
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Die Geestrücken auf Sylt, Föhr und Amrum sind eiszeitliche Ablagerungen. Auf Sylt bildet das Dreieck der Gemarkungen Kampen, Westerland und Keitum das Hauptgebiet der Geest, im Osten schließen sich dann die Bodenerhebungen bei Archsum und Morsum an. Fährt man auf der Landstraße von Keitum über Archsum nach Morsum, kann man die sich zwar nur schwach, aber doch deutlich von den dazwischenliegenden Marschländereien abhebenden Geländewellen erkennen. Auf ihnen haben sich naturgemäß die Menschen schon in vorgeschichtlicher Zeit angesiedelt, und auf ihnen sehen wir heute noch die zumeist auf Warften errichteten Bauernhäuser liegen. Auf der höchsten Bodenerhebung von 23,165 m am Morsumkliff liegt im Nordwesten der Gaststätte Nösse der Grabhügel Munkhoog. Auf der höchsten Pleistozänerhebung der Insel von 27,2 m ist der Kampener Leuchtturm errichtet worden. Die drei pleistozänen Skeletteile sind in holozäner, d. h. nacheiszeitlicher Zeit durch Ablagerung von Marschland miteinander verbunden worden und haben in noch jüngerer Zeit die beiden Hakenbildungen mit ihren Dünenauflagerungen im Norden zum Listland und im Süden nach Hörnum hin erhalten. Der Aufbau und die Entstehung der Insel sind an den Kliffen von Morsum, Braderup und Kampen-Wenningstedt vom Miozän und Pliozän, d. h. vom Ende des Tertiärs an bis in das jüngere Pleistozän, also bis in die letzte Eiszeit unseres Quartärzeitalters zu erkennen. Es ist ein Zeitraum, den die Forschung auf über zwei Millionen Jahre beziffert. Das Morsumkliff zeigt die ältesten Schichten von Sylt, und zwar in der Bildung einer eiszeitlichen Umlagerung. Es ist das einzige Vorkommen in Deutschland, an dem die Grenzschichten zwischen Miozän und Pliozän zutage liegen. Wegen seiner geologischen Bedeutung wurde es im Jahr 1923 zum Naturschutzgebiet erklärt. In dreifacher Schichtung lagerten ursprünglich schwarzer miozäner Glimmerton, brauner pliozäner Limonitsandstein und weißer pliozäner Kaolinsand übereinander. Diese horizontale Ablagerung ist durch Gletscherschub während der letzten Eiszeit infolge Quetschung und Faltung so umgelagert worden, daß die drei Erdreiche durch Verschuppung jetzt nebeneinander liegen, und zwar sogar in dreimaliger Folge in einer Länge von nahezu 2 km. J e nach dem Angriff des Meeres ändert das 18
Kliff oftmals sein Aussehen. Dadurch wechseln die geologischen Beobachtungsmöglichkeiten. So waren die tertiären Schichten nach der Sturmflut vom 17. 2. 1962 hier besonders gut einzusehen (C. Dietz, 1963). Das MorsumklifT gehört zu den reizvollsten Landschaften Sylts. In der Zeit des miozänen Glimmertons war das Klima sehr viel wärmer als heute. Sumpfzypressen, Lorbeer und Magnolien gehörten zu der damaligen reichen Waldvegetation. Überschwemmungen führten zur Vermoderung des Waldes und damit zur Bildung von Braunkohle. Auch das Meer war wärmer als die heutige Nordsee. Es hatte zeitweilig unmittelbare Verbindung mit dem Mittelmeer. Der Glimmerton ist eine Schlammbildung jenes Meeres. Pollenuntersuchungen des miozänen Glimmertons von U. Rein (1961) und des Glimmertons und humoser Einlagerungen im Kaolinsand von F.-R. Averdieck (1961) liegen vor. An tierischen Uberresten aus jener Zeit finden wir Schnecken, Muscheln, Krebse, Zähne von Haifischgebissen und Gehörsteine von Knochenfischen sowie Wirbel von Walen. Als besonders bemerkenswerter Fund ist ein Backenzahn des noch dreizehigen Zebras Hipparion gracile Kaup zu nennen. Dieser Fund des Pferdes aus dem Glimmerton, der nördlichste dieser Gattung in Europa, deutet darauf hin, daß in nicht allzu weiter Entfernung Land gewesen sein muß. Er ging 1943 bei der Zerstörung des Mineralogisch-Geologischen Museums in Hamburg, wo er verwahrt wurde, verloren. Im Miozän war Sylt Meeresgrund, im Pliozän, zur Zeit des Limonitsandsteins, zog sich das Meer aus dem Bereich der Insel allmählich zurück. Die Strandablagerungen wurden z. T. grobklastischer, Eisenlösungen durchtränkten und verkitteten sie zu dem sog. Limonitsandstein. Dieser Sandstein ist in höheren Lagen feinkörnig, mürbe und rostbraun gefärbt. Bestimmte Schichten bergen eine reichhaltige Muschel- und Schneckenfauna. Als sich dann der Kaolinsand ablagerte, war Sylt bereits Land. Der Kaolinsand beginnt in einer Geröllage, die vereinzelte, verkieselte Silurkalke und Granite mit zersetzten Feldspäten enthält. Sonst ist der Sand fein- bis mittelkörnig. Wenn uns auf Sylt die Geologie im allgemeinen statisch entgegentritt, erleben wir hier ein Bild voller Dy19
namik. Aus der Ablagerung des Kaolinsandes ersehen wir, daß der Eisschub sich von Nordosten kommend nach Südwesten hin auswirkte. Das Profil des Kaolinsandes zeigt außerdem Schrägschichtungen, die nach verschiedenen Richtungen verlaufen. Der Kaolinsand ist eine Ablagerung eines weitverzweigten Stromsystems, von dem er nach H . Illies aus Mittelskandinavien zum Nordseebecken befördert wurde. Illies hat am Roten Kliff, bei Braderup und bei Keitum Schrägschichtenmessungen (Diagonalschichtung, Rippelschichtung, bogige Schrägschiditung) vorgenommen, die von dem geologischen Geschehen damaliger Zeit ein unmittelbares Bild geben und Entstehung und Aufbau der Insel eindrucksvoll und lebendig veranschaulichen. Bei Braderup besteht das Kliff östlich des Dorfes aus Kaolinsand. Südöstlich von Braderup am Feldweg, der nach Munkmarsch führt, sind zwei große und tiefe Kaolinsandgruben durch Ausschachtung für Bauzwecke entstanden. Sie geben guten Einblick in die Zusammensetzung der Kaolinsandschicht, die vom Morsumkliff zum Roten Kliff unter dem Gesdiiebelehm durch die ganze Insel hindurchstreicht. Der Kaolinsand enthält u. a. versteinerte Schwämme und Korallen sowie lavendelblaue Hornsteine aus dem Silur, die aus Estland oder Schweden hierher verfrachtet wurden. Unter den vorkommenden Halbedelsteinen nennt W. Wolff Achate, Rauchquarze und Amethyste. Bei schweren Sturmfluten, zumeist im Herbst, wird durch örtliche Unterspülung des Fußes die Steilwand des Roten Kliffs im ganzen Profil freigelegt. Auch dort tritt der Kaolinsand in Erscheinung, der sonst durch Regeneinwirkung von oben her mit Lehm überlagert ist. Ebenso führt im Winter die Bildung von Frostspalten an der Abbruchkante zu nachfolgenden Abbrüchen des Geschiebelehms. Von Zeit zu Zeit wird durch Unterspülung am Roten Kliff bei der Buhne 31 eine mehrere Meter mächtige humose, z. T. faulschlammhaltige Schicht, auch Saprohumolith genannt, freigelegt. Diese humose Schicht ist in den Kaolinsand am Fuß des Roten Kliffs linsenförmig eingebettet. Eine gleiche Ablagerung ist am Kliff nördlich, vom Bahnhof Morsum im Kaolinsand zeitweilig zu finden. Der Grenzhorizont von Kaolinsand und Geschiebelehm im Bereich des Roten Kliffs zwischen Wenningstedt und Kampen wird wie ein mit dem Lineal gezogener, nahezu horizontal verlaufender Tren20
nungsstrich sichtbar. Südlich Wenningstedt sinkt der Kaolinsand ab, und das Kliff verliert an Höhe. Bei der Seenotstelle nördlich von Westerland erhebt es sich nur noch etwa einen Meter über den angrenzenden Strandsand. In den Schichten des Morsumkliffs sind Fossilien (Versteinerungen) und andere Überreste pflanzlicher und tierischer Art aus dem Miozän und dem Pliozän erhalten geblieben. Eine reichhaltige Sammlung solcher Funde, die von dem Chronisten der Insel, C. P. Hansen, stammt, verwahrt das Sylter Heimatmuseum in Keitum. Diese Einschlüsse haben vor allem K . Gripp und D. Wirtz wissenschaftlich bearbeitet. Wirtz (1949) führt allein an Mollusken aus dem Glimmerton 29 Arten und aus dem Limonitsandstein 28 bestimmbare und 8 nicht näher zu bestimmende Arten auf. Forschungen auf Grund von Bohrungen durch K . Gripp unter Mitarbeit von W. G. Simon und W. Becker, fußend auf älteren Arbeiten von Meyn, Mager, Wolff, Solger, Braun, Ordemann, Jessen, Kolumbe u. a., haben unsere Kenntnis vom Aufbau und von der Entstehung Sylts weiter entwickelt und fundiert. W. Wolff (1938) hat in seiner kleinen Schrift „Die Entstehung der Insel Sylt" eine sehr anschauliche Darstellung davon gegeben. Im Jahr 1952 erschien von C. Dietz eine alle geologischen Einzelfragen behandelnde Veröffentlichung über Sylt, die eine Gesamtschau der Erdgeschichte der Insel vermittelt. Dieser Arbeit sind zwei Blätter Sylt-Nord und Sylt-Süd im Maßstab 1 : 2 5 000 beigegeben, die die Gegebenheiten im Kartenbild anschaulich machen. In der vorletzten Eiszeit, vor etwa 180000 Jahren, kam es dann zur Ablagerung der obersten Bodenschicht der Sylter Inselkerne, der des Geschiebelehms, dessen Mächtigkeit am Steilhang des Roten Kliffs zutage tritt. Gesteine aller Art, wie Granite und Gneis aus Schweden, Rhombenporphyr aus dem Oslogebiet von Norwegen, Rapakiwi von den Aland-Inseln, aus Finnland u. a. wurden dabei in allen Größen bis zu den riesigen Decksteinen des Denghoog, des jungsteinzeitlichen Ganggrabes bei Wenningstedt, mit hertransportiert. Die höchste Erhebung des Roten Kliffs liegt dort, wo früher das Kurhaus Kampen stand, und beträgt 25 m. Nach Norden und Süden flacht das Kliff allmählich ab. Die Gesamtlänge des Kliffs von Kliffende bei Kampen bis 21
zur Nordseeklinik nördlich Westerland bzw. bis zum Buhnenhauptwerk 4 mißt 4,4 km. Auch Brodelboden tritt im Anschnitt der Oberfläche des Roten Kliffs in Erscheinung. Die Oberfläche selbst ist übersät mit kleinen Geschieben aller Art. Unter ihnen findet man sogenannte Windkanter, das sind vom eiszeitlichen Sandschliff ein- oder mehrkantig geformte Steine. Die letzte Vereisung, die sidi vor etwa 18 ooo Jahren zurückbildetete, drang über die Ostsee, den Mittelrücken Schleswig-Holsteins, nördlich um das Husumer Massiv (K. Picard 1958) noch eben bis zur Insel Sylt vor. Geringmächtige Ablagerungen aus diesem Zeitraum sind in der flachen Erhebung beim Ausflugslokal „Schauinsland" zwischen Wenningstedt und der Nordseeklinik erhalten. Die Zwischeneis- oder Warmzeiten waren infolge der Eisschmelze jeweils von einer „Landsenke" bzw. einem Anstieg des Wasserspiegels begleitet. Nach der vorletzten Vereisung umspülte audi das zwischeneiszeitliche Eem-Meer das Gebiet, in dem heute die Nordfriesischen Inseln liegen. Über den Ablagerungen dieses Meeres liegen Reste der jüngsten Vereisung. Ferner trat nach der letzten Eiszeit, im Altholozän (5500 bis 4000 v. Chr.), eine starke „Landsenkung" ein, die als Corbula-Transgression oder allgemein als flandrische Transgression bezeichnet wird. Sie fällt zeitlich mit der Litorinasenkung des Ostseeraumes zusammen. Der südlidie Teil der Nordsee bis etwa zur 40-m-Tiefenlinie (Doggerbank-Skagen), der vorher Land war, wurde Meer. E. Dittmer berichtet in diesem Zusammenhang, daß am Ende dieser Periode die Nordsee den Geestrand in Dithmarschen, die Heverinsel und den Kern von Sylt erreicht hat. Während des anschließenden Mittelholozäns (4000 bis 2000 v. Chr.), das vorgeschichtlich mit der jüngeren Steinzeit (3J00 bis 1800 v. Chr.) zusammenfällt, drang die Nordsee auch nach Nordfriesland vor. Hier bildete sich ein Wattenmeer. In der nachchristlichen Zeit kam eine weitere Überflutung, die sogenannte Dünkirchener Transgression, die sich von Sylt bis Calais erstreckte. Wann Sylt zur Insel geworden ist, läßt sich mit Bestimmtheit nicht sagen. Die Geologen nehmen an, daß wahrscheinlich schon vor Christi Geburt dieses Gebiet vom Festland abgetrennt war. In schriftlichen Überlieferungen ist von Sylt als Insel verhältnismäßig spät die 22
Rede. Erst im 12. Jahrhundert ist urkundlich bestätigt, daß Sylt zu den nordfriesischen Uthlanden, den Inseln vor der Westküste, gehört. Wie sich die Westküste Schleswig-Holsteins erdgeschichtlich entwickelt hat, ist im Nissenhaus, dem Nordfriesischen Museum unter Leitung von E. Wohlenberg in Husum, anschaulich dargestellt. Für diese Ausstellung sind teilweise natürliche Bodenstoffe verwendet.
Meeresrmm Die langgestreckte, hagere Gestalt von Sylt läßt erkennen, daß die Insel dem Meereseinfluß in besonderer Weise ausgesetzt ist. Sie ist von einer Zweiwasserwelt umgeben. Nach Westen breitet sich bis an den fernen Horizont die freie Nordsee aus. Im Osten liegt wie ein Binnenmeer, begrenzt durch die Festlandküste und geteilt durch den Hindenburgdamm, das Wattenmeer. Durch schmale Arme von den Nachbarinseln im Norden und Süden getrennt, umspült und umpulst das Meereswasser die Insel. Die Meereswirkung auf Sylt ergibt sich aus dreierlei Strömungen: aus der Gezeitenströmung, die durch Ebbe und Flut verursacht wird, aus dem durch den Wind hervorgerufenen Driftstrom und aus dem Reststrom. Wegen seiner geringen Wirkung ist der Reststrom nur bedingt als Strömung anzusehen. E r besteht aus Teilen des Golfstromes, die durch den Kanal und von den Shetlandinseln her in den Nordseeraum gelangen und von der Gezeitenströmung und dem Driftstrom aufgenommen und mitverfrachtet werden. Als Gezeiten bezeichnet man das Steigen (Flut) und Fallen (Ebbe) des Meeresspiegels, die damit verbundenen waagerechten Bewegungen des Meeres werden Gezeitenströme genannt. Dieser regelmäßige Bewegungsablauf beruht in der Hauptsache auf der Anziehungskraft des Mondes, in schwächerem Maße auf dem Einfluß der Sonne. Auf Grund der breiten Verbindung, die die Nordsee zum Atlantik hat (im Gegensatz zur Ostsee), nimmt sie an seinen Gezeitenbewegungen teil. Man spricht daher auch von Mitschwingungszeiten. Die aus dem Nordostatlantischen Ozean in die Nordsee eindringende Gezeitenwelle nimmt ihren Lauf um Schottland herum, läuft an 23
der Ostküste von England südwärts bis zu den Hoofden und schwenkt dann ostwärts auf die Deutsche Bucht und die Westküste von Schleswig-Holstein zu. Die einströmenden Wassermassen stauen sich am meisten im südlichen Teil, so daß dort auch die höchsten Pegelstände (Wasserstandsmessungen) verzeichnet werden. Nach Beobachtungen in einem Zeitraum von 19 Jahren weisen die mittleren Werte des Tidenhubs (Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser) für die nachfolgenden Orte jeweils für die Spring- und Nippzeit (Zeit des Voll- und Neumondes bzw. Zeit des ersten und letzten Mondviertels) folgende Zahlen auf: Wilhelmshaven 4.01 bis 2.99; Cuxhaven 3.20 bis 2.45; Helgoland 2.60 bis 1.90; Sylt-Hörnum 2.13 bis 1.96, Sylt-List 1.8 x bis 1.60. Standort und Gestalt von Sylt bedingen an seiner West- und Ostküste erhebliche Gezeitenunterschiede. Bei Munkmarsch tritt das Hochwasser 2 Stunden und 13 Minuten und das Niedrigwasser 1 Stunde und 6 Minuten später als bei Westerland ein. Der normale Salzgehalt der Weltmeere beträgt etwa 3,5 °/o, der Nordsee etwa 3,4 °/o. Die Ostsee hat demgegenüber im westlichen Teil nur etwa 1,5 °/o und im mittleren nur 0,7 °/o Salzgehalt. Die stärkste Brandung im Bereich der Nordsee steht auf der Küste von Sylt. Die vom Westen her auf die Insel zulaufenden Strömungen teilen sich bei Westerland nach Norden und Süden. Westerland wird dadurch zu einem Scheitelpunkt. Die Gefahr der Zerstörung ist hier besonders groß und der Küstenschutz entsprechend vordringlich. Die Stromteilung läßt je einen Küstenstrom nordwärts und südwärts an der Westküste entlangfließen, der sich noch bis auf 4 Seemeilen Abstand vom Land bemerkbar macht. Mit der Flut strömen die ankommenden Wassermassen um den Ellenbogen durch das Lister Tief und um Hörnum-Odde durch das Vortrapp-Tief in das Wattenmeer ein und kehren zur Ebbezeit auf demselben Weg zurück. Eine kurze Erklärung sei hier für die Entstehung des Watts (von „waten"), den Meeresraum zwischen der Ostküste von Sylt und dem Festland, eingefügt. Es ist durch den zweimal täglich eintretenden Gezeitenwechsel aufgebaut worden. Der Flutstrom hat eine größere Geschwindigkeit als der Ebbstrom. Sand, Sdilick und abgestorbenes Plankton, die der Flutstrom von der Küste, aber auch aus dem tiefe24
ren Nordseebecken in das Watt gebracht hat, können sich beim Stillstand des Wassers zwischen Flut und Ebbe ablagern, und der schwächere Ebbstrom reißt sie nicht wieder mit fort. Die Ausscheidungen der im Watt lebenden Tiere verfestigen die feinen mineralischen Teile. Zwischen den ungleichmäßigen Schlickanlandungen entstehen Priele, in denen sich der Ebbstrom sammelt und abfließt. Dort, wo das Seichtwassergebiet in die tiefe See übergeht, bilden sich Tiefs, im Norden der Insel das Lister Tief, im Süden das Hörnumer Tief. Die Wattflächen können nach den Untersuchungen des Ozeanographen Schott nicht über Normalnull anwachsen, da ab 0,10 m über Normalnull der Ebbstrom stärker ist als der Flutstrom. Eine Ausnahme bilden küstennahe Gebiete und strömungsfreie Buchten, wo Schlickablagerungen bis zur Höhe des mittleren Hochwassers möglich sind. Die reißende Strömung an den Enden hat das an engster Stelle zweieinhalb Kilometer breite Lister Tief bis zu 44 m Tiefe und das Hörnum-Tief bis zu 23 m Tiefe ausgefurcht. Die Stärke der Strömung tritt besonders deutlich an der NW-Ecke des Ellenbogens (Ostindienfahrer-Huk) und an dessen Ostende in Erscheinung. Die Strudel des Ellenbogens sind ein beliebter Aufenthaltsort der nahrungsuchenden Eiderenten. Die beiden Tiefs verzweigen sich wurzelartig mit Wasserrinnen im Wattenmeer. Das Lister Tief gliedert sich in das Hoyer-Tief und das Lister-Ley, das sich seinerseits wieder in das Wester-Ley und das Pander-Tief verzweigt. Das Vortrapp-Tief setzt sich fort im Hörnum-Tief, von dem aus die Rantum-Lohe, das Eidum-Tief sowie das Oster-Ley und nochmals ein Wester-Ley ausstrahlen. Die den übrigen Wattenmeerraum ausfüllenden Gründe, Sande usw. erreichen bei mittlerem Springniedrigwasser nur bis gegen 1 Meter Tiefe. Infolge der Strömungen im Wattenmeer verändern sich die Bodenverhältnisse ständig. Vom Sedimenttransport des Flutstroms zeugen die Anlandungen am Festland; der Ebbstrom bewirkt Abtragung (Erosion). Die Zustände im Wattenmeer werden laufend durch Vermessungen überprüft. An dieser Stelle sei auf die wissenschaftlichen Veröffentlichungen über das Wasserwesen an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste von Friedrich Müller und Otto Fischer hingewiesen.
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Bei normalen Bedingungen wurden am Westerländer Strand mit ziemlicher Regelmäßigkeit 9 ( ± i) Brandungswellen pro Minute festgestellt. Bei Ostwind erhöht sich gegenüber der Brandung bei Westwind die Zahl der Wellen auf 15 pro Minute. Die unterschiedliche Stärke der einzelnen Wellen läßt einen Gruppenrhythmus der Meereswellen erkennen. Eine Folge der Brandung ist die Bodenunruhe am Strand und im Inselinnern. Neben den bereits genannten Kräften beeinflußt auch das Sandriff, das im Abstand von 230 bis 430 m parallel zum Weststrand verläuft, die Wirkung des Meeres auf den Inselkörper. Von der unterschiedlichen Oberflächengeschwindigkeit des Wassers kann die Messung vom 22.7. 1941 im Hoyer-Tief, östlich von List auf 5 5 ° i ' 5 i " nördlicher Breite und 8"29' 1 8 " östlidier Länge eine Vorstellung geben. Unter den damaligen Messungen wies sie die höchsten Geschwindigkeiten auf. Für den Ebbstrom wurde die Maximalgeschwindigkeit um 4 Uhr M E Z mit 108 cm/sec gleich 3,88km/std und für den Flutstrom um 9 Uhr 35 mit 135 cm/sec gleich 4,86 km/std gemessen. Die Wassergeschwindigkeit ist außer vom Tidenhub auch von der Tiefe des Wassers, von der Bodengestaltung, insbesondere vom Küstenverlauf der Insel, sowie von den Winden abhängig. Vor der Seeseite der Insel beträgt der Gezeitenstrom etwa 1 bis 1,5 sm/h ( = i8$2m/std). Infolge Sandverfrachtung an der Westküste wachsen die Enden, so daß die Insel langsam, aber stetig an Länge zunimmt. Bei tiefer Ebbe sieht man in 200 bis j o o m Entfernung parallel zum Strand auf weite Strecken hin eine Brandungserscheinung. Sie wird durch das bereits erwähnte Sandriff hervorgrufen, das stellenweise, wie z . B . südlich der Kurpromenade von Westerland, sogar sichtbar wird. J e nach der Jahreszeit und anderen Umständen bildet sich an der Hochwasserlinie auf dem Strand durch Ablagerung von Meeresgut, das schwimmend herantreibt oder vom Grund des Vorstrandes her angespült wird, ein Flutsaum. Pflanzliche und tierische Substanzen verschiedenster Art werden durch die Brandungswellen aus näherer oder weiterer Entfernung hierher verfrachtet. Auch aus ferneren Regionen, aus dem Atlantischen Ozean, vom Kanal und der Ostküste Englands und weiter auf den Bahnen der genannten Strömungen wer26
den Gegenstände aller Art herantransportiert. Einen Beleg für die unter Winden von der englischen Küste herströmenden Wasser sind die im Gewicht sehr leichten, teils noch mit Gasen gefüllten Schlackestücke der britischen Hochöfen, die man oftmals am Strand finden kann. Flaschen und Kistenholz mit holländischen und englischen Aufschriften sind häufig anzutreffen. Hin und wieder kommt auch einmal eine Flaschenpost auf den Strand. Am 28. Januar 1958 fand der Verfasser am Weststrand von Kampen bei Buhne 31 n. eine Flasche mit einem Schreiben des englischen Seemannes B. Cowling, die dieser fünf Meilen nordöstlich von Oxfordness, d. h. östlidi Ipswich in Suffolk, ins Meer geworfen hatte. Die Entfernung zwischen beiden Orten beträgt 600 km Luftlinie. Da das Absendedatum nicht angegeben war und nidit mehr ermittelt werden konnte, war die Zeit, die die Flasche zur Überquerung der Nordsee benötigte, leider nicht festzustellen. Vielleicht blieb der Verfasser auf seine Anfrage nach dem Absendedatum deshalb ohne Antwort, weil der Seemann seinen Zeilen nach hoffte, daß die Flasche von einem „nice girl" gefunden würde, das er um einen Brief bat. Es mögen nun einige Angaben über die Nordsee folgen. Sie hat eine durchschnittliche Tiefe von nur 40 Metern. Ihre größte Tiefe in den südlichen Zweidritteln mißt 99 Meter. Bei der Doggerbank flacht das Wasser bis zu 13 Metern ab. Erst von der Höhe Aberdeen-Stavanger, d. h. vom Fladen Grund ab bis zu den Shetland-Inseln hinauf, wird die Nordsee tiefer, aber auch nur bis zu 140 Metern. Die Weltmeere haben eine mittlere Tiefe von 3800 Metern. Die 10-m-Tiefenlinie liegt bei Sylt (außer vor dem nördlichen Listland) bei Westerland und an der Südspitze in nur etwa 2 km Entfernung vom Weststrand, während z. B. bei Amrum und Rom noch bis auf 8 und 9 km nach Westen fladiliegende Sande vorgelagert sind. Der in früherer Zeit vielleicht einmal bis zu dieser Grenze von 2 km reichende tertiäre Geestkern ist somit dem Meer zum Opfer gefallen. Bei Sturmwetter können die Wellen in der Nordsee eine Höhe von 4 bis 6 Metern erreichen. Im Atlantischen Ozean betragen sie bis zu 14 und 16 Metern. Für die Seefahrt früherer Tage, d. h. für die reine Segelschiffahrt sind solche Stürme immer gefährlich gewesen. Die Küste von Sylt, vor allem der südliche Teil, die Hörnumhalbinsel, 27
und das anschließende Gebiet von Amrum mit den vorgelagerten Sandplatten ist manchem Schiff zum Verhängnis geworden. Außer den Mannschaften der gestrandeten Schiffe haben auch viele Insulaner bei der Bergung ihr Leben lassen müssen. Über den Rettungsdienst an den deutschen Küsten folgen im Abschnitt „Seefahrt" einige Angaben. Die letzte große Sturmflut an der deutschen Nordseeküste und ihren Flußmündungen, von der auch Sylt stark betroffen wurde, brach am 16./17. 2. 1962 ein. Wenn man den höchstmöglichen Füllungsgrad bei Hochwasserstand mit 1 0 0 % ansetzt, so wurden bei dieser Flut an 16 von 22 Pegelständen der Deutschen Bucht sowie der Flußmündungen von Elbe, Weser und Ems über 1 0 0 % gemeldet: Helgoland hatte den höchsten Wert mit 173 °/o, Sylt mit 152 °/o. Von allen Sturmfluten an der Nordseeküste seit 1900 erreichte die Flutkatastrophe vom Februar 1962 den höchsten Wasserstand. Dementsprediend waren auch die Schäden auf Sylt. Am gesamten Weststrand wurde die Vordüne zerstört und die Randdüne stark angegriffen und weiter abgetragen. An einigen Stellen wurde die Dünenkette auf einer Breite von 20 bis 90 m durchbrochen. In Westerland bestand die unmittelbare Gefahr des Durchbruches in die Wohngebiete der Stadt. Schwere Brecher ergossen ihr Wasser über die Küstenschutzanlagen und überschwemmten die tiefer liegenden Gebiete. Die Strandmauer wurde von ihrer Südseite her unterspült. In Hörnum wurde die Wassermanndüne stark angegriffen, so daß ein Cafe geräumt und abgebrochen werden mußte. Vor der Kersig-Siedlung wurde die Randdüne restlos zerstört und das dahinterliegende Tal überflutet. In Rantum standen einige Häuser an der Wattseite bis zu o,j m unter Wasser. Ein gewaltiges Schauspiel mit gefährlichen Folgen bieten die Vereisungen der Nordsee, wie wir sie in den Wintermonaten der Jahre 1946/47 und 1962/63 auf Sylt erlebt haben. In strengen Wintern konnte vor dem Bau des Hindenburgdammes im Jahr 1927 der Verkehr zwischen der Insel und dem Festland nur mit einem Eisboot aufrecht erhalten werden, mit dem neben der Post wenigstens das Notwendigste an Medikamenten usw. befördert wurde. Als Eisboot diente ein Ruderboot, das von einigen Männern vielfach weite Strecken lang über das Eis geschoben werden mußte. 28
Über die beiden bisher größten Vereisungen dieses Jahrhunderts gab das Deutsche Hydrographische Institut in Hamburg den folgenden Bericht: „Der Winter 1962/63 war im Hinblick auf die Dauer der Vereisung des Wattenmeeres nach dem Winter 1946/47 der zweitstärkste dieses Jahrhunderts. Berücksichtigt man aber die bedrohlichen Auswirkungen der Vereisung auf die Schiffahrt (Tage mit Schiffahrtsschluß), dann brachte der Winter 1962/63 zeitweise schwierigere Eisverhältnisse als der Vergleichswinter 1946/47, wie am Beispiel für das Lister Tief der folgenden Aufstellung entnommen werden kann. Zusammenstellung über die Eisverhältnisse im Lister Tief 1962/63 1946/47 Beginn der Vereisung 29. 12. 6. 1. Ende der Vereisung 6.3. 3-4Anzahl der Tage mit Eis 68 77 Anzahl der Tage mit lockerem Treibeis 10 21 Anzahl der Tage mit dichtem Treibeis 64 13 Anzahl der Tage mit Packeis oder Eispressung 0 34 Anzahl der Tage mit Schiffsbehinderung 54 35 Anzahl der Tage mit Schiffahrtsschluß 17 3° Die Eisverhältnisse des Winters 1962/63 lassen sich für das Lister Tief folgendermaßen aufgliedern: 29. 1 2 . - 6. 1.: lockeres Treibeis 7. 1 . - 1 8 . 1 . : lockeres Treibeis 19. 1. - 10. 2.: Packeis oder Eispressung 11. 2. : dichtes Treibeis 12. 2 . - 2 2 . 2 . : lockeres Treibeis 23. 2.— 5 . 3 . : Packeis oder Eispressung 6. 3. : lockeres Treibeis Die Perioden mit Packeis und mit Schiffahrtsschluß (24. 1 . - 11. 2., 23. 2 . - 5. 3.) fallen weitgehend zusammen. Im Seegebiet westlich von Sylt befand sich in der Zeit vom 1 6 . 1 . - 2 1 . 1 . und vom 2 8 . 1 . - 10. 2. sowie am 13. und 21. 2. ein mehr oder weniger breiter Treibeisgürtel,
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der etwa am 6. 2. mit ungefähr 1 j sm seine größte Breite aufwies. Im gleichen Winter waren in der Nähe des Hindenburgdammes zeitweilig Fahrverkehr und Fußwanderungen zwischen Festland und Insel möglich." A n dieser Stelle sei auf die wichtigen Aufgaben des Küstenschutzes hingewiesen, die vom A m t für Land- und Wasserwirtschaft (früher Marschenbauamt), Husum, wahrgenommen werden. Hier wird über die Gefahren gewacht, die dem Bestand der Insel Sylt durch den vereinten Ansturm von Wind und Meer drohen. Beide Gewalten haben den Abbruch des tertiär-pleistozänen Inselkörpers verursacht, der, wie bereits erwähnt, einst vielleicht bis zur heutigen 10-m-Tiefenlinie, also etwa bis 2 km westlich des Weststrandes gereicht hat. Mit dem Küstenschutz durch Bau von Buhnen wurde in den Jahren 1869-1871 begonnen. Man errichtete damals zunächst Steinpfahlbuhnen. Reste von ihnen sind heute noch vorhanden und zeugen von ihrer Dauerhaftigkeit. Material und Bauart haben sich im Laufe der Zeit dennoch als unzweckmäßig erwiesen. Deshalb ging man 1927 dazu über, Eisenbuhnen zu bauen. Wegen Sandschliffs, Rostbildung und teilweiser Verlagerung haben auch sie sich nicht bewährt. Man hat sie dann, von Westerland ausgehend, durch Stahlbetonpfahlbuhnen ersetzt. Doch auch diese A r t des Schutzbaus wurde schließlich wieder aufgegeben. Zur Sicherung der Westerländer Promenade und des weiteren K ü stenbereichs ist ab 1958 nach holländischem Vorbild ein Versuch mit sogenannten „Flundern", d. h. mit langen und breiten, flachen Steinschüttbuhnen gemacht worden. Neuerdings sind vor der Strandmauer Tetrapoden als Schutz aufgestellt worden. Das sind sechs Tonnen schwere, vierbeinige Betonkonstruktionen, von denen drei Beine auf dem Boden ruhen und eines senkrecht emporragt, so daß bei Umsturz durch die Brandung das geometrisdie Gebilde immer gleich wieder auf drei Beinen steht. Diese Vierbeiner sind in der französischen Versuchsanstalt für Küstenschutz in Grenoble erfunden worden. Ihre Aufgabe besteht darin, den Abbruch der Küste zu verhindern. Bisher wurde der Strand vor Westerland in einer Breite von 1300m durch Tetrapoden gesichert. A m Weststrand vor Hörnum ist eine Tetrapodensicherung in einer Länge von 1200 m entstanden. 3°
Im Anschluß an das Nordende der Westerländer Strandmauer ist 954l55 nach einem neueren Verfahren ein Uferdeckwerk gebaut worden. Es besteht aus Basaltsteinen, die so untereinander vergossen und in flachem Böschungswinkel angelegt sind, daß die ankommende Brandungswoge auslaufen kann. Zur Zersplitterung der Wassermassen sind die Steine außerdem verschieden hoch gestellt. Von gleichgroßer Wichtigkeit wie der Buhnenbau ist für die Erhaltung der Insel die Sicherung des Vorstrandes und der Stranddünen. Sandfangzäune in einer Länge von 30 km und Halmbepflanzungen von 6-8 m Breite werden jährlich erneuert. Zu den neuen Maßnahmen des Küstenschutzes gehört die Sandvorspülung vor Westerland im Jahr 1972. Für rund 6,3 Millionen D M wurden aus dem Rantumer Watt Sandmassen in einer Rohrleitung an die Westerländer Küste gepumpt, die die Fußsicherung der Küstenschutzwerke (Ufermauer, Uferdeckwerk, Tetrapoden) gewährleisten sollen. Man erwartet, daß dadurch die Küste mindestens für 6 Jahre geschützt bleibt. Das Ergebnis dieses Versuchs wird für künftige Maßnahmen der Küstensicherung von wesentlicher Bedeutung sein. Die Erhaltung der Nordfriesischen Inseln ist eine Vorbedingung für die Sicherung der Festlandküste. Sylt ist den Elementargewalten am meisten ausgesetzt. Seine hagere Gestalt zeugt davon. Den Hauptangriffspunkt bildet, wie bereits erwähnt, Westerland. Seine Ortslage ist zum Scheitelpunkt der Abtragung geworden. Von einem möglichen Durchbruch des Meeres sind Gebiete westlich des Königshafens, bei Kliffende, bei der Seenotstelle von Westerland und nördlich von Rantum beim Seeheim gefährdet. Neben dem unaufhaltsamen Abbruch der Westküste, der durch Buhnenbau nur verlangsamt, nicht aber aufgehalten werden kann, macht sich seit Jahren auch an der Ostküste ein Abbruch bemerkbar, vor allem am Keitumkliff. Hier ist im Südosten des Dorfes der hohe Hang ein einer Stelle bereits angeschnitten. Eine Ufersicherung wurde 1968/69 begonnen. Das Vorland im Norden des Dorfes hat allein während der Zeit von 1930 bis 1950 um 30 m abgenommen. Außer bei Keitum zeigen sich auch andernorts heute schon sehr bedenkliche Gefahrenpunkte des Abbruchs an der Ostküste: bei List, an der Bucht südlich Blidsel, bei der Kampener Vogelkoje, der Kampener WuldeI
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marsch, bei Munkmarsch, am Archsum Anwachs, am Morsumkliff und am Südufer bei Nösse Odde. Nachdem die Gefahren des Meeres für die Insel und ihre Bewohner genannt sind, ist nun die Rede von seinen positiven Kräften, insbesondere den Heilkräften. Unter allen Kurgebieten Deutschlands steht Sylt wegen der Wirksamkeit seiner Heilfaktoren mit an führender Stelle. Meer, Luft und Ursprünglidikeit der Insellandschaft bestimmen die Heilfaktoren, die Körper und Seele regenerieren. Zur Erforschung der Sylter Kurmittel wurde 1936 neben der Nordseeklinik das „Institut für Bioklimatologie und Meeresheilkunde der Universität Kiel in Westerland" eröffnet, das jetzt unter der Leitung von E. Witzleb steht. Schwimmen und Baden in der Brandung sind allgemein das erste Ziel eines Urlaubs- und Erholungsaufenthalts auf Sylt. Der plötzliche Wärmeentzug, der durch die intensive Bewegung ausgeglichen wird, sowie die nachträgliche Erwärmung im Sonnenbad oder durch ein kurzes Nachbad im geheizten Meerwasser-Wellenbad dienen, wenn sie den Kräften und der körperlichen Disposition des Kurgastes entsprechend geübt werden, in hohem Maße der Abhärtung und Kräftigung. Aber auch ohne ein Bad im Meer empfindet der Kurgast am Strand oder bei Strandwanderungen die heilsame Wirkung der Brandung. Seit 1964 ermöglicht das Meerwasser-Wellenbad im Kurmittelhaus in Westerland Brandungsbaden zu jeder Jahreszeit. In einem 35 m langen und 1 5 m breiten Bedien wird biologisch reines Nordseewasser mit ständigem Zufluß auf 24 0 gehalten. Die Lufttemperatur in der Halle beträgt 2 j ° . Eine „Wellenmaschine" erzeugt im halbstündigen Rhythmus für die Dauer von jeweils xo Minuten 80 cm hohe Brandungswellen. In Keitum wurde 1969 ebenfalls ein Meerwasserschwimmbad eingerichtet. Zur Wirkung des Meeres auf den Menschen soll hier noch kurz eine Besonderheit erwähnt werden. Bei den Bewohnern unserer Küsten besteht seit altersher der Glaube an einen Zusammenhang zwischen den Gezeiten einerseits und Geburt und Tod andererseits. Es gilt als Volksregel, daß die Geburten durch die Flut beeinflußt werden oder mit der Flut zusammenfallen und daß eine entsprechende Verbindung audi zwischen den Todesfällen und der Ebbe besteht. Nachprüfungen 32
von Ärzten und anderen Wissenschaftlern haben bisher noch zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt. Daß der kosmisch-planetarische Vorgang der Gezeiten, der die Meere in Bewegung setzt, auch den Menschen beeinflussen kann, ist nicht auszuschließen. Davon mögen vor allem Menschen betroffen sein, die in engem Kontakt mit dem Meer als Umwelt stehen und für die Aufnahme solcher Einflüsse besonders empfänglich sind. Sehr alt ist die Erkenntnis, daß das Meerwasser auch medizinisch von heilsamer Wirkung ist. Wir kennen Berichte von Hippokrates, Plinius und anderen, die es bezeugen. Chemische Analysen zeigen, daß das Meerwasser außerordentlich vielfältig zusammengesetzt ist. Wattenberg nennt 10 Hauptbestandteile und 28 Spurenelemente. Dazu zählen vornehmlich Chlor (18,97 g/kg) und ein Salzgehalt von insgesamt 34,33 %o. Die Zusammensetzung des Meerwassers zeigt eine große Ähnlichkeit mit der des Blutserums und der Zell- und Gewebesäfte des Menschen. Die naturwissenschaftliche Annahme, daß alles Leben aus dem Meere kommt und das erste Leben sich mutmaßlich im feucht-warmen Schlamm der Meeresküste gebildet hat, findet durch die Ergebnisse der Analyse eine Stütze. Die heilsame Wirkung des Meerwassers bezieht sich sowohl auf äußerlichen wie innerlichen Gebrauch. Bei äußerlicher Anwendung macht sich besonders die hautfreundliche und reinigende Wirkung bemerkbar, die eine bessere Hautdurchblutung bewirkt und bestimmte Hauterkrankungen heilt. Bei Küstenbewohnern, Fischern und Seefahrern ist es von jeher Brauch gewesen, Meerwasser zu Heilzwecken zu trinken. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts hat die Wissenschaft in Europa der MeerwasserTrinkkur erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Im Jahr 1 9 3 1 gründete das Nordseeheilbad Westerland als erstes deutsches Unternehmen dieser Art das „Westerländer Kurwasser-Werk" zur Herstellung und Abgabe von Meerwasser für Trinkkuren. Heute ist dieses Werk im Besitz der Firma „Biomaris" in Bremen. Die „Biomaris-Atlantik", das betriebseigene Schiff, fährt allwöchentlich in die Gewässer zwischen Helgoland und Borkumriff-Grund, um dort aus 20 m Tiefe 50000 Liter klares Wasser an Bord zu pumpen. Nach entsprechender Aufbereitung, Feinfiltration, Verdünnung (Mineral- und Metallsalzgehalt 33
in der Konzentration des Blutwassers von ca. 0,9 v. H.) ist das Meerwasser als Kurmittel genießbar. Es wirkt heilend auf die Schleimhäute der Verdauungswege, wobei bestimmte Bestandteile, vor allem Spurenelemente, auch über den Magen-Darm-Trakt in die Blutbahn eindringen. Eine Trinkhalle für Kurgäste steht auf der Westerländer Kurpromenade zur Verfügung. Wenningstedt hat eine Trinkkurhalle im Kurmittelhaus, List in der Kurstrandhalle am Weststrand. Auch in allen anderen Orten der Insel ist Meerwasser für eine Trinkkur erhältlich. Bei stärkerer Brandung zerstäubt ein Teil der Meereswoge und reichert die Luft am Strand, wie bei den Gradierwerken der Solbäder, mit feinen Salzkristallen und Gasen an. Der Strand erscheint dann zuweilen wie in Dunst gehüllt. Dieser Gehalt der Meeresluft, Aerosol genannt, ist von besonderer Heilwirkung auf die Atmungsorgane. Seine Intensität nimmt jedoch zum Inneren der Insel hin rasch ab. Der Salzgehalt der Luft kann bei starkem Sturm aus westlichen Richtungen aber noch so stark sein, daß die Fenster der Häuser mitten auf der Insel einen Belag zeigen. Der Seewind übt außerdem durch seine frottierende Wirkung einen günstigen Einfluß auf die Haut aus, indem er ihre Reaktionsfähigkeit steigert und sie abhärtet. Die relative Reinheit und der hohe Gehalt an Feuchtigkeit in der Luft an der Seeküste sowie die ständigen Temperaturschwankungen wirken ähnlich. Neben den bereits genannten Trinkkurhallen bieten die Kurmittelhäuser in Westerland und Wenningstedt noch folgende meerische Kurmittel: warme Seebäder (Solbäder), Schlickbäder und Schlickpackungen sowie Meerwasser-Inhalationen. In seiner Schrift „Westerland als Heilbad" schreibt H. Pfleiderer über den Sylter Schlick, daß er „dank seiner physikalischen Beschaffenheit und dem Gehalt an chemischen Stoffen (u. a. Schwefel, Kalium, Kieselsäure) besonders hochwertig" ist. Westerland und Wenningstedt sind wegen ihrer Kurmittelhäuser mit Kur-Liegehalle staatlich anerkannte Heilbäder. Wyk auf Föhr hat sich wegen seines milden Meeresklimas im Laufe der Zeit zu einem besonderen Kurort für Kinder mit ganzjährigem Betrieb entwickelt. Auch auf Sylt sind in größerer Zahl an verschiedenen Orten Kinder- und Jugendheime entstanden. In Klappholttal, inmitten der Dünen auf der Höhe der Vogelkoje von Kam34
pen, gründete K . Ahlhorn im Jahr 1919 ein Kindererholungsheim, das „Nordseeheim Klappholttal". Unter den weiteren Jugendstätten sind zu nennen das »Hamburger Jugenderholungsheim Puan Klent" und das „Fünf-Städte-Heim" in Hörnum, das Kindererholungsheim der Arbeitsgemeinschaft Deutsches Schleswig in Rantum, das Kindererholungsheim Vogelkoje, das Jugendseeheim des Landkreises und der Stadt Kassel in Kampen sowie das Kinderkurheim der Landesversidierungsanstalt Hamburg in Westerland.
Luftraum Bei der Betrachtung einer Landschaft werden Himmelsraum und Wetterkunde im allgemeinen zu wenig berücksichtigt. Dennoch spielen Licht und Klima und ihr Zusammenwirken eine bedeutende, vielfach ausschlaggebende Rolle. Boden und Klima - und auf Sylt selbstverständlich das Meer - sind die Grundelemente der Umwelt. Für die Entstehung von Sylt und für das Leben auf der Insel sind die klimatischen Verhältnisse von jeher bedeutsam gewesen. Im Miozän, als sich das Morsumkliff bildete, ist das Klima wärmer als heute gewesen. Die Miozänstufe des Tertiärs fällt zeitlich mit der Braunkohlenformation zusammen. In Skandinavien wuchsen damals Palmen. Die Nordsee hatte zeitweise unmittelbare Verbindung mit dem Mittelmeer, aus dem subtropische Lebewesen in den Raum des heutigen Sylt einwanderten. Die Eiszeiten und Warmzeiten im anschließenden Quartär verursachten einen völligen Wandel. Die sogenannten Windkantersteine, die wir heute auf der alten Bodenoberfläche der Insel finden, geben uns eine Vorstellung von der Schärfe und Dauer der Winde, die damals über diesen Raum hinweggegangen sind. Die reiche Kultur der Bronzezeit (1600-450 v. Chr.) ist durch das damals wärmere Klima mit begünstigt worden, das den Pflanzenwudis und die Waldbildung förderte und damit die Lebensbedingungen für die Menschen jener Zeit erleichterte. Allein an Hand des klimatisch bedingten Pflanzenwuchses, den in Marsch und Watt versunkene Moore und Baumstämme aus früheren 35
Jahrtausenden belegen und der durch pollenanalytische Untersuchungen am Tuul (Seetorf) nachgewiesen ist, ließe sich eine Geschichte der Entstehung von Sylt bildlich und textlich darstellen. Auf Grund seiner Lage und Höhe unterliegt Sylt extremen Verhältnissen. In erster Linie sind die Winde „bildhauerisch" und „zeichnerisch" tätig. Im Abschnitt „Meeresraum" wurde die Wirkung des Driftstromes auf die Küstengestaltung beschrieben. Die langen Dünenhaken im Norden und Süden mit der erstaunlichen Masse der Sandberge sind ein Erzeugnis der Winde. Auch der Pflanzenwuchs auf der Insel steht unter ihrem Einfluß. Dies beweisen das niedrige Wachstum und die Windwüdisigkeit der Sträucher und Bäume, die der vorherrschende Westwind abschert. Die Bauweise des friesischen Hauses in West-Ost-Richtung, Grundriß und Raumgestaltung des Hauses, selbst die Staffelung der Soden auf dem First von West nach Ost und die Einfriedigung der Gärten und Gewese mit Friesenwällen sind klimatisch bedingt. Das Sylter Meeresküstenklima ist für den Fremdenverkehr von großer Bedeutung. Die Motive zur Wahl eines Ferienaufenthaltes am Meer sind zwar keineswegs einheitlich, aber die meisten Kurgäste kommen wegen des Meeres und des Klimas auf die Insel. Die Frische der sommerlichen Meeresluft ist für die Feriengäste von besonderer Anziehungskraft. Sonne und Wind bilden die Hauptfaktoren des Inselklimas. Die Erfrischung des Körpers an der Seeluft und die Bräunung der Haut durch Sonnenbestrahlung gehören zu den Anliegen des Kurgastes. Im Sommer fehlen auf Sylt Hitzeperioden, die den Organismus stark belasten. Auch der Winter ist hier milder als auf dem Festland, weil sich Ausläufer des Golfstroms auswirken. Die Eigenarten des Sylter Klimas sind aus einem Bericht zu erkennen, den R. Reidat vom Meteorologischen Institut in Hamburg zur Verfügung stellte. Uber den Sonnenschein ist darin folgendes gesagt: „Im Jahresmittel weist Westerland 1600 Stunden Sonnenschein gegenüber nur 1400 Sonnenscheinstunden in Hamburg auf. Der Inselfriese erhält also eine jährliche Sonnenscheinzuteilung, die um I J °/o größer ist als die des Großstädters an der Niederelbe. Der Sonnenschein verteilt sich auf die Jahreszeiten folgendermaßen:
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Westerland Hamburg
Winter 146 109
Frühling J20 459
Sommer 646 564
Herbst 288 267
Jahr 1600 1381
Besonders groß ist der Sonnenüberschuß der Insel in den Monaten Mai bis Juli, die zusammen in Westerland 116 Stunden Sonne mehr aufweisen als in der Hansestadt." Nicht nur der langandauernde Sonnenschein ist für das Inselklima charakteristisch, sondern auch die große Strahlungsintensität, die die Sonnenstrahlung in Meeresnähe hat. Der besonders für die Bräunung der Haut so wichtige ultraviolette Strahlungsanteil ist in der Dunstglocke über unseren Städten um mindestens 1 o % geringer als in der reinen Seeluft der Nordfriesischen Inseln. Sand und Meer verstärken außerdem die Strahlenintensität noch durch ihre Reflexion. Über den Wind sagt Reidat: „Ermittelt man aus einer mehrjährigen Beobachtungsreihe von Sylt und Hannover die Prozentzahl der Tage, an denen windschwaches oder stürmisches Wetter herrschte, so ergibt sich folgende Häufigkeitsverteilung:
List auf Sylt Hannover
schwachwindig mäßiger Wind starker Wind 0-2 Beaufort 3 - j Beaufort 6 u. mehr Beaufort 26% 57% 170/0 49% 48 °/o 3%
Schwachwindiges Wetter herrscht im Küstengebiet nur halb so oft wie im Harzvorland. Starke bis stürmische Winde sind dagegen auf Sylt fast sechsmal so häufig wie im Binnenland. An rund 2/3 aller Tage wehen die Winde auf Sylt von der Nordsee her und führen eine von Staubtrübungen und industriellen Abgasen freie Meeresluft heran. Auch die bei Südost- bis Nordostwinden vom Festland herangetragene Luft ist bei der landwirtschaftlichen Struktur Schleswig-Holsteins frei von industriellen Verunreinigungen." Zur Erläuterung der beigefügten Tabelle mit den für die Klimatologie charakteristischen Mittelwerten sollen nun die Besonderheiten des Inselklimas noch kurz erörtert werden, wie sie sich im Jahreslauf in großen Zügen ergeben. Reidat schreibt hierzu: 37
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