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German Pages 68 Year 2011
2., überarb. u. erw. Aufl.
Marco Moder
Supply Frühwarnsysteme Identifikation und Analyse von Risiken in Einkauf und Logistik
Verlag Wissenschaft & Praxis
Marco Moder
Supply Frühwarnsysteme Identifikation und Analyse von Risiken in Einkauf und Logistik 2., überarb. u. erw. Aufl.
Verlag Wissenschaft & Praxis
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-89673-578-2 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2011 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. +49 70 45 93 00 93 Fax +49 70 45 93 00 94 [email protected] www.verlagwp.de © Einbandfoto: Fotolia – Sapsiwai
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Vorwort zur 2. Auflage Es freut uns, dass die vorliegende empirische Studie zu Supply Frühwarnsystemen den Nerv der Zeit getroffen zu haben scheint, so dass eine zweite Auflage notwendig wurde. Während Aufbau der Studie und Ergebnisse naturgemäß unverändert geblieben sind, wurde die Gelegenheit genutzt, um die Ergebnisinterpretation zu aktualisieren und das Buch um ein Kapitel zum Thema Einkaufsstrategie zu erweitern. Auch für die aktualisierte Lektüre hoffen wir, dass Sie zahlreiche Anregungen für Forschung und Praxis mitnehmen können. Dr. Marco Moder
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Vorwort zur 1. Auflage Diese empirische Studie „Supply Frühwarnsysteme“ ist eine Forschungsarbeit des Supply Management Institute SMI™. Ziel dieser Studie ist es, neben der inhaltlichen Aufarbeitung der Resultate, aufzuzeigen, dass praxisnahe und statistisch anspruchsvolle Forschung keine unvereinbaren Perspektiven darstellen. Dieser Research Report analysiert die Risikosituation in Einkauf und Supply Management mit besonderem Fokus auf die Risikoidentifikation und Risikoanalyse. Er bietet Antworten auf Fragen wie: Wieso haben Frühwarnsysteme im Einkauf so stark an Bedeutung gewonnen? Wie kann ein solches Frühwarnsystem aufgebaut werden? Welche Risiken sind überhaupt für das Supply Management relevant? Sind Unterschiede im Supply Risk Exposure zwischen verschiedenen Branchen, zwischen Unternehmen mit unterschiedlichem Lieferantenportfolio oder zwischen Unternehmen in anderen Wertschöpfungsstufen festzustellen? Welche Methoden sind für ein Frühwarnsystem bevorzugt anzuwenden? Überwiegen in der Praxis die Kosten oder der Nutzen bei der Implementierung eines Supply Frühwarnsystems? Gibt es einen messbaren Mehrwert von Aktivitäten des Supply Risk Managements auf die Einkaufsleistung? Wir sind überzeugt davon, dass basierend auf solchen Analysen Praxis und Forschung voneinander profitieren. Die Praxis, da sie statistisch gesicherte Erkenntnisse der Managementforschung auch in der Alltagspraxis anwenden kann; die Managementforschung, da sie Vertrauen und Unterstützung durch die Unternehmen (zurück)gewinnen kann. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen bei der Lektüre dieses SMI™ Research Reports viele Anregungen für die tägliche Unternehmenspraxis. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Marco Moder Prof. Dr. Christopher Jahns Prof. Dr. Evi Hartmann
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Inhaltsverzeichnis 1. Einführung .............................................................................................................9 2. Forschungsmethodik ............................................................................................13 3. Einkauf und Supply Management ...................................................................... 17 4. Frühwarnsysteme in Einkauf und Supply Management......................................21 5. Deskriptive Ergebnisse ........................................................................................25 6. Risiken im Supply Management..........................................................................29 7. Einfluss auf die Supply Performance...................................................................47 8. Zusammenfassung................................................................................................59 Literaturverzeichnis .................................................................................................63
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EINFÜHRUNG
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1. Einführung Die Umgebung der Unternehmung verändert sich in zuvor nicht gekanntem Maße. Die fortschreitende Globalisierung der Geschäftswelt führt nicht nur zu weltweiter Vernetzung von Produktionsstandorten, sondern in Kombination mit sinkenden Logistikkosten auch zu einer Fragmentierung von Lieferketten. Wertschöpfungsketten verteilen sich global und finden sich in ihren einzelnen Stufen jeweils an dem Ort mit dem komparativ größten Gesamtkostenvorteil wieder. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die zunehmende Verfügbarkeit moderner Informationstechnologien, welche die Verknüpfung von Produktionsstandorten durch Logistikdienstleister vereinfachen und somit globale Supply Chain-Strukturen für viele Produkte erst ermöglichen. Die Struktur der Unternehmen ändert sich, ihre Wertschöpfungstiefe sinkt. Damit verbunden ist die steigende Bedeutung von Unternehmensnetzwerken, da eine Firma tendenziell umso abhängiger von ihren Lieferanten ist, je niedriger der Eigenfertigungsanteil ihrer Produkte ist. In einer globalisierten und fragmentierten Geschäftswelt können sich Unternehmen nicht mehr allein, sondern nur noch im Verbund einer Supply Chain gegenüber ihren Konkurrenten Wettbewerbsvorteile erarbeiten (Brindley und Ritchie 2004, S. 3-4; Hallikas und Virolainen 2004, S. 43; Thiemt 2003, S. 265). Neue Konzepte des strategischen Supply Managements haben vor diesem Hintergrund in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen und sind bei Lieferbeziehungen ohne Störungen die wirtschaftlich optimale Lösung zur Realisierung von Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen. Kritisch wird jedoch der Einfluss jedes Mitglieds einer Supply Chain auf die Produktionstätigkeit und somit auch das Ergebnis einer ganzen Kette von Unternehmen, so dass Experten mittlerweile von einem Trade Off zwischen Supply Chain Sicherheit und Kosteneffizienz sprechen (Molitor 2006, S. 84). Insbesondere das Zusammenspiel zwischen Umweltentwicklungen, Veränderungen in der Industrie und der Implementierung von modernen Beschaffungs- und Logistikkonzepten wirkt belastend auf die Anfälligkeit einer Supply Chain. Sie wird zu einem fragilen Gebilde, falls keine geeigneten Kontrollmaßnahmen durchgeführt und Gegenaktivitäten getroffen werden. Daher ist Supply Risk Management in den vergangenen Jahren zu einem relevanten Thema für den Funktionsbereich Einkauf und Supply Management geworden. Während Risikomanagement auf Unternehmensebene jedoch bereits eine starke Bedeutung gewonnen hat, ist es in Einkauf und Supply Management dagegen eine bislang vernachlässigte Größe. Bei einer Wertschöpfungstiefe von weniger als 50 Prozent und somit einem Zukaufteil, der die eigene Wertschöpfung übertrifft, ist das Supply Risk Management jedoch eine für Unternehmen überlebensnotwendige
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EINFÜHRUNG
Größe geworden. Henke und Jahns (2005, S. 57) bilanzieren hierzu: „Unternehmensweites Risikomanagement heißt bei anhaltendem Trend zur Reduzierung der Wertschöpfungstiefe im Wesentlichen Risikomanagement in Einkauf und Supply Management.“ Dieses als Supply Risk Management bezeichnete Risikomanagement konzentriert sich auf die ganzheitliche beschaffungsseitige Identifikation, Analyse, Steuerung und Kontrolle von internen und externen Supply Risiken und läuft üblicherweise in einem Zyklus ab, dessen Startpunkt stets die Risikoidentifikation und Risikoanalyse ist (Abbildung 1). Nicht identifizierte und analysierte Risiken können im weiteren Prozess nicht bearbeitet werden. Aus diesem Grund wird die Identifizierung und Analyse von Risiken häufig als besonders bedeutendes und zugleich schwieriges Element im gesamten Risikomanagementprozess bezeichnet und für das Unternehmen zu einer überlebenswichtigen Einflussgröße. In diesem Research Report wird daher der Bereich der Supply Frühwarnsysteme aufgrund seiner überragenden Bedeutung fokussiert. Insgesamt werden unter einem solchen System alle Techniken, Tools und organisatorischen Regelungen verstanden, die zu den Supply Risk Management-Prozessschritten der Risikoidentifizierung und Risikoanalyse beitragen. Diese Supply Prozesse umfassen „alle systematisch erfolgenden Aktionen der Wahrnehmung, Sammlung, Auswertung und Weiterleitung von Informationen über latent bereits vorhandene [Supply] Risiken [...] in einem so frühen Stadium, dass noch ausreichende Zeit für eine Planung und Realisierung von Reaktionsstrategien und (Gegen-)Maßnahmen verbleibt“ (Loew 1999, S. 23). Abbildung 1: Kreislauf des Risikomanagements 1. Formulierung/ Überarbeitung der Risikostrategie
5. Risik situa otion
2. oRisik ti iden n o fikati
Risikomanagement System R 4. ste isik ue oru ng
3. osik e Ri alys an
EINFÜHRUNG
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Dieser Report fasst die praxisorientierten Ergebnisse einer empirischen Studie des Supply Chain Management Institute (SMI) zusammen, die Ende 2006 durchgeführt wurde. Das praxisorientierte Design der Studie verfolgt das Ziel, Handlungsempfehlungen für eine methodische Ausgestaltung in Unternehmen zum Themenbereich der Supply Frühwarnsysteme anzubieten. Details zur theoretischen Fundierung können der Arbeit von Moder (2008) entnommen werden. Kapitel 2 dieses Reports gibt einen Überblick über die Forschungsmethodik und den Teilnehmerkreis der Studie. Kapitel 3 bietet eine Einführung in den Themenbereich Einkauf und Supply Management. Darauf aufbauend skizziert Kapitel 4 die Grundlagen des Supply Frühwarnmodells, das der empirischen Untersuchung zu Grunde liegt. Die Ergebnisse der Studie werden ab Kapitel 5 erläutert. Hierbei werden in einem ersten Schritt deskriptive Ergebnisse der Studie zur Relevanz von Supply Frühwarnsystemen und zu Kosten- und Nutzenüberlegungen dargestellt. Kapitel 6 fokussiert auf die Relevanz von Supply Risiken und zeigt Unterschiede in der Risikosituation in verschiedenen Unternehmensclustern auf. Schließlich wird der Einfluss von Supply Frühwarnsystemen auf die Einkaufsleistung in Kapitel 7 analysiert. Der Forschungsreport schließt mit einer Zusammenfassung in Kapitel 8.
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FORSCHUNGSMETHODIK
FORSCHUNGSMETHODIK
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2. Forschungsmethodik Für die empirische Untersuchung wurde ein standardisierter Fragebogen entwickelt. Dieser umfasste die folgenden fünf Abschnitte: (1) Allgemeine Einschätzungen: Allgemeine Fragen zur Bedeutung von Supply Management und Supply Risk Management. (2) Aktivitäten und Einflussfaktoren eines Supply Frühwarnsystems: Fragenblöcke zur Messung von Supply Frühwarnsystemen und verschiedenen Umweltkonstrukten. (3) Ergebnisse eines Supply Frühwarnsystems: Fragenblöcke zur Messung von Supply Risk Performance, Supply Performance, Entwicklung hybrider Koordinationsformen und Kosten/Nutzen von Supply Frühwarnsystemen. (4) Häufigkeit und Ausmaß von Supply Risiken: Abfrage der Häufigkeit und Auswirkung von Supply Risiken. (5) Unternehmensdaten: Abfrage verschiedener Unternehmensdaten. Details zum Aufbau des Fragebogens, zu seiner Konzeptualisierung und Operationalisierung sowie durchgeführte Maßnahmen zur Sicherstellung der Validität können der Arbeit von Moder (2008) entnommen werden. Für die empirische Untersuchung wurden Einkaufsleiter aus der deutschen Industrie ausgewählt und ein vollständiger Datensatz bei einem Adresslieferanten von Firmen mit Unternehmensumsatz von über 50 Millionen Euro zugekauft. Insgesamt wurden 2.083 Fragebögen im Dezember 2006 verschickt. Bis Februar 2007 wurden insgesamt 162 Fragebögen zurück gesendet, was einer Antwortquote von 7,7 Prozent entspricht. In der Klassifizierung nach Industrie stechen drei Bereiche besonders heraus (Abbildung 2): 22 Prozent der beteiligten Firmen sind der Maschinen- und Anlagenindustrie zuzurechnen, 22 Prozent der Automobilindustrie und 15 Prozent der Elektro- und Elektronikindustrie. Die weiteren Branchen machen zwischen 2 und 8 Prozent des Anteils aus.
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FORSCHUNGSMETHODIK
Abbildung 2: Industriezweige der teilnehmenden Unternehmen Energie- und Wasserversorgung 3% Elektro- und Elektronikindustrie 15%
Gummi- und Kunststoffwarenindustrie; 6%
Luft- und Raumfahrtindustrie 4% Maschinen- und Anlagenbau 22%
Chemieindustrie 8% Bauelemente 2%
Medizintechnik 4%
Automobilindustrie / Fahrzeugbau 22%
Metallbearbeitung 6% Sonstige (Industrie) 2%
Sonstige (Dienstleistungen) 6%
n = 162
Die Umfrageteilnehmer verteilen sich relativ gleichmäßig über die in Abbildung 3 dargestellten Umsatzklassen. Das durchschnittliche Umsatzvolumen liegt bei 5,1 Milliarden Euro, womit die Zielgruppe deutscher Großunternehmen erreicht wurde. Etwas über ein Viertel der Unternehmen haben ein Umsatzvolumen von unter 100 Millionen Euro, 16 Prozent finden sich in der Umsatzklasse von 100 bis 200 Millionen Euro wieder und 21 Prozent haben einen Umsatz von 200 bis 500 Millionen Euro. In der Umsatzklasse von 0,5 bis eine Milliarde Euro finden sich 8 Prozent der Firmen und von ein bis zehn Milliarden Euro 19 Prozent der teilnehmenden Firmen. Schließlich gibt es die Umsatzklasse mit Firmenumsätzen größer als zehn Milliarden Euro, die neun Prozent der teilnehmenden Firmen umfasst. Sie beinhaltet Firmen mit Umsätzen bis zu 150 Milliarden Euro.
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FORSCHUNGSMETHODIK
Abbildung 3: Umsatz der teilnehmenden Unternehmen 50 Anzahl Firmen
26 %
40
21 %
30
19 %
16 %
20
9% 8%
10 0 < 100
100 - 200
200 - 500
500 1.000
1. - 10.000 > 10.000
Umsatz in Mio. EUR
n = 159
Aus Einkaufsvolumen und Umsatzzahlen lässt sich die Wertschöpfungstiefe der teilnehmenden Unternehmen ableiten, die einen ersten Hinweis auf die Relevanz des Einkaufs darstellt (Abbildung 4). Die überwiegende Mehrzahl (41 Prozent) der teilnehmenden Unternehmen hat eine eigene Wertschöpfungstiefe zwischen 50 und 60 Prozent. Im Umkehrschluss liegt somit für diese Unternehmen der Anteil der durch den Einkauf verantworteten Wertschöpfung zwischen 40 und 50 Prozent. Auch die durchschnittliche Wertschöpfungstiefe über alle Unternehmen liegt mit 55 Prozent in diesem Bereich. Eine Wertschöpfungsquote über 60 Prozent haben 32 Prozent der Unternehmen, während 27 Prozent unter 50 Prozent liegen. Abbildung 4: Wertschöpfungstiefe der teilnehmenden Unternehmen < 100 < 90 < 80 < 70 < 60 < 50 < 40 < 30 < 20 < 10
3 (2%)
% % % % % % % % % %
7 (5%) 15 (10%) 22 (15%) 60 (41%) 17 (12%) 9 (6%) 9 (6%) 3 (2%)
n = 146
1 (1%)
0
10
20
30
40
Anzahl Firmen
50
60
70
16
FORSCHUNGSMETHODIK
Eine Analyse des Hierarchielevels der einzelnen Teilnehmer zeigt, dass die Zielgruppe des oberen Einkaufsmanagements erreicht wurde (Abbildung 5). 53 Prozent aller Teilnehmer sind Einkaufsleiter in ihrem Unternehmen und weitere zehn Prozent Einkaufsverantwortliche einer Unternehmenseinheit. 28 Prozent der Teilnehmer nehmen als Abteilungs- oder Gruppenleiter Führungsaufgaben im Einkauf wahr. Bei drei Prozent der Unternehmen wurden die Fragebögen an definierte Supply Risk Manager weitergeleitet und durch diese ausgefüllt. Nur sechs Prozent der Teilnehmer wählten als Hierarchiegrad eine sonstige Kategorie aus, die einem Einkaufssachbearbeiter entspricht. Abbildung 5: Hierarchielevel der Teilnehmer Anzahl Antwortende 0
20
40
60
Einkaufsverantwortlicher Unternehmenseinheit
16 (10%)
Abteilungsleiter / Gruppenleiter Einkauf
Sonstiges
100 86 (53%)
Einkaufsleiter / CPO
Risikomanager im Einkauf
80
45 (28%)
5 (3%)
9 (6%)
n = 161
Bevor die Ergebnisse der Studie dargestellt werden, werden in den folgenden Kapiteln 3 und 4 kurze Überblicke über die zu Grunde liegenden Modelle von Einkauf und Supply Management sowie Supply Frühwarnsystemen gegeben.
EINKAUF UND SUPPLY MANAGEMENT
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3. Einkauf und Supply Management In den vergangenen Jahrzehnten war mehr und mehr ein Paradigmenwechsel im Einkauf festzustellen (Pechek 2003, S. 23). Von einer „operativen Funktion“ (Arnold 1995, S. 56) hat sich der Beschaffungsbereich zu einem integralen Teil einer ganzheitlichen Unternehmensstrategie entwickelt und übernimmt neben der „Versorgung des Unternehmens mit den (...) erforderlichen Gütern und Leistungen“ auch die strategische Verantwortung für „Geschäftsprozesse wie Logistik, Kostenrechnung, Engineering, Service, Recycling und Beratungsleistungen sowohl unternehmensintern als auch bei den Lieferanten“ (Boutellier und Corsten 2002, S. 20). Hintergrund ist, dass Unternehmen heute in der Regel nur noch Produkte selbst fertigen, bei denen sie Kernkompetenzen vorweisen können (Kastreuz 1994, S. 2). Durch diesen Wandel stellen eingekaufte Produkte mittlerweile in fast allen Unternehmen „den mit Abstand höchsten Kostenblock dar“ (Dommasch 2000, S. 11). Daher ist der Einkauf mittlerweile als vollwertiges Mitglied der Supply Chain akzeptiert und wird mit den anderen Funktionsbereichen gemeinsam optimiert und gesteuert (Klapper 2001, S. 12). Das Konzept einer strategischen Einkaufsfunktion, dem Supply Management, wurde insbesondere durch Arbeiten von Jahns geprägt. Ausgehend von seinen Überlegungen (Jahns 2005a, S. 352) wird in diesem Buch unter dem Supply Chain Management ein Gesamtsystem verstanden, das aus den drei Systembestandteilen Einkauf & Supply Management, Produktions-Management und Marketing/Sales & Service-Management besteht. Diese drei Bestandteile bilden das wertschöpfende Rückgrat der Unternehmung und sind essenzielle strategische Funktionen (Abbildung 6). Sie werden mit beeinflusst durch weitere Systeme wie Logistik, Informationstechnologie, Finanzen und Personal, wobei letztere nach den Anforderungen der drei Hauptsysteme ausgestaltet werden. Die exakte Gestaltung ist hierbei sehr stark branchenabhängig, da in einigen Branchen sicherlich auch eine andere Funktion, wie z. B. die Logistik, wertschöpfende Tätigkeiten übernehmen kann.
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EINKAUF UND SUPPLY MANAGEMENT
Abbildung 6 – Ganzheitliches Supply Chain Management Supply Chain Management
...
...
n
n-1
...
Einkauf & Supply Management
ProduktionsManagement
n+1
Marketing, Sales & Service Management
...
Die Funktion Einkauf & Supply Management wird in diesem Kontext als die „ganzheitliche, integrative beschaffungsseitige Planung, Steuerung und Überwachung der internen und externen Wertschöpfungskette“ (Jahns 2005a, S. 350) verstanden. Sie „setzt auf strategischer Ebene an, um komplexe Wertschöpfungsfragen aus einer Beschaffungsperspektive zu analysieren, zu gestalten, zu koordinieren und nachhaltig zu optimieren (Effektivitätsziel). Die operativen Einkaufsprozesse können auf dieser strategischen Basis unternehmensintern und unternehmensextern abgewickelt und realisiert werden (Effizienzziel)“ (Jahns 2005a, S. 350). Die Bereiche, die durch ein strategisches Supply Management thematisiert werden müssen, sind in Abbildung 7 graphisch dargestellt (abgeleitet von Jahns 2005b, S. 70; Jahns und Henke 2004, S. 12). Dieses Strategieverständnis basiert auf einer modularen Einteilung in strategische Module, Befähiger und die Umsetzung im operativen Geschäft. Die strategischen Module lassen sich durch die Zieldimensionen und Ressourcen darstellen. Zieldimensionen sind langfristig festgelegte Zielkorridore, zumeist Kosten, Qualität und Innovation. Für jede dieser Dimensionen ist auf Basis strategischer Überlegungen genau festzulegen, welche Ziele der strategische Einkauf über einen mittel- bis langfristigen Zeitraum erreichen soll. Die Ressourcen bilden dann die eigentlichen strategischen Überlegungen ab: Wie muss meine Organisation aufgestellt sein? Welche Prozesse muss ich definieren und wie gestalte ich diese? Welche Qualifi-
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EINKAUF UND SUPPLY MANAGEMENT
kation müssen die Mitarbeiter mitbringen und wie baue ich diese gegebenenfalls aus? Welche Interaktionen mit anderen Funktionsbereichen muss ich bedenken und wie lässt sich die Einkaufsstrategie mit den Strategien anderer Bereiche vereinbaren? Abbildung 7 – Einkaufs- & Supply Management-Strategie
Einkaufs- & Supply Management-Strategie ZielDimensionen
RessourcenDimensionen
Befähiger
Umsetzung
Kosten
Organisation
Materialgruppenstrategien
IT Systeme
Qualität
Prozesse
Lieferantenentwicklung
Total-CostAnsätze
Innovation
Menschen
Vertragsgestaltung
Verhandl.Methoden
Interaktionen
Supply Risk Managem.
...
Einkaufen als operatives Geschäft
Befähiger sind Systeme, Methoden und einzelne Tools, die zur Umsetzung der strategischen Ressourcen benötigt werden. Ein Befähiger darf niemals alleine stehen, sondern muss eine klare Wirkung auf mindestens eine Ressource haben. Hiermit wird vermieden, dass Geld und Zeit für Aktivitäten verschwendet werden, die keine strategische Bedeutung für den Einkauf und somit das Unternehmen besitzen. Es gibt hier grundsätzlich einmal keine allgemeingültigen ‚Must-have‘Befähiger, die Auswahl der notwendigen Aktivitäten müssen unternehmensindividuell vorgenommen werden. Supply Risk Management und Supply Frühwarnsysteme agieren in diesem Verständnis als Befähiger. Schließlich beschreibt der Kernprozess ‚Umsetzung‘ den eigentlichen operativen Einkaufsprozess, der Themen der Einkaufsabwicklung beinhaltet (Jahns 2005b, S. 70-71). Der Umsetzungsprozess symbolisiert die operative Tätigkeit des Einkaufens, als die der Einkauf in der Vergangenheit missverstanden wurde. Diese operativen Tätigkeiten ergeben sich aus den Befähigern und strategischen Ressourcen-Dimensionen.
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EINKAUF UND SUPPLY MANAGEMENT
FRÜHWARNSYSTEME IN EINKAUF UND SUPPLY MANAGEMENT
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4. Frühwarnsysteme in Einkauf und Supply Management Wenn das Supply Chain Management wie zuvor beschrieben verstanden wird, besteht das Supply Chain Risk Management aus den drei Systembestandteilen Supply Risk Management, firmeninternes (traditionelles) Risikomanagement (inklusive Produktion) sowie Marketing/Sales & Service Risk Management und ist eine normative Konfiguration der gesamten Supply Chain zur Vermeidung von Supply Chain Risiken. Ein Supply Chain Risk Management kann nicht von einem einzelnen Unternehmen geleistet werden, sondern nur von einer gesamten Kette von Unternehmen, die koordinierte Risikomanagementaktivitäten durchführen oder eine unabhängige koordinierende Instanz schaffen (vgl. Jüttner 2005, S. 100; Kajüter 2003, S. 116). Supply Risk Management konzentriert sich dabei auf die ganzheitliche beschaffungsseitige Identifikation, Analyse, Steuerung und Kontrolle von internen und externen Supply Risiken. Die Schritte der Identifikation und Analyse von Supply Risiken werden unter dem Begriff des Supply Frühwarnsystems zusammengefasst und umfassen alle zugehörigen Techniken, Tools und organisatorischen Regelungen mit dem Ziel der systematischen „Wahrnehmung, Sammlung, Auswertung und Weiterleitung von Informationen über latent bereits vorhandene [Supply] Risiken [...] in einem so frühen Stadium, dass noch ausreichend Zeit für eine Planung und Realisierung von Reaktionsstrategien und (Gegen-)Maßnahmen verbleibt“ (Loew 1999, S. 23). Ein Supply Frühwarnsystem läuft in den in Abbildung 8 dargestellten fünf Schritten ab: 1. Schritt – Supply Risikoidentifikation: Identifikation existierender Risiken bezogen auf alle Lieferanten. 2. Schritt – Supply Risikoanalyse: Auswahl aller Risiken, die der eigenen Organisation gefährlich werden könnten und somit für das Supply Management wesentlich sind. Die Risikoanalyse kann sich auf alle Lieferanten beziehen, ebenso aber auch auf segmentierte Lieferantengruppen. 3. Schritt – Supplier Risikoidentifikation: Identifikation drohender Risiken bei einzelnen Lieferanten oder einer segmentierten Gruppe von Lieferanten. 4. Schritt – Supplier Risikoanalyse: Detailanalyse und Verarbeitung der drohenden Risiken bei einzelnen Lieferanten oder einer kleinen Gruppe von Lieferanten.
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FRÜHWARNSYSTEME IN EINKAUF UND SUPPLY MANAGEMENT
5. Schritt – Supply Frühwarnkontrolle: Maßnahmen der Prämissenkontrolle, Durchführungskontrolle und der strategischen Überwachung im Frühwarnsystem. Abbildung 8: Bezeichnungen der Prozessschritte eines Supply Frühwarnsystems Prozessschritte eines Supply Frühwarnsystems g Supply Frühwarnkontrolle c Supply Risikoidentifikation
Alle Lieferanten
d Supply Risikoanalyse
e Supplier Risikoidentifikation
f Supplier Risikoanalyse
Einzelne Lieferanten
Bei Supply Frühwarnsystemen sind insgesamt drei Ebenen zu identifizieren, die in ein Gesamtkonzept eingebracht werden müssen (vgl. Abbildung 9): 1) Prozessebene (Managementprozess): Die Prozessebene beschreibt den Ablauf eines Supply Frühwarnsystems und somit die idealtypische Vorgehensweise der Identifikation und Analyse von Risiken im Supply Management. 2) Aufgabenebene (Kernprozess): Die Aufgabenebene des Supply Frühwarnsystems beschreibt die relevanten Aufgaben, die in den einzelnen Schritten des Supply Frühwarnmodells durchgeführt werden müssen und gibt somit den Rahmen für die Methoden vor, die zur Erreichung der Frühwarnziele angewandt werden müssen. 3) Methodenebene (Supportprozesse): Die Methodenebene umfasst alle Techniken, Tools und organisatorischen Regelungen, die zur Erreichung der Ziele des Supply Frühwarnsystems dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Beispiele aus der Liste der über 100 zur Verfügung stehenden Methoden sind Brainstorming, Delphi-Techniken, FMEAs, Netzpläne, Sensitivitätsanalysen, SWOTs, Szenariotechniken, Value-at-Risk-Berechnungen etc. (vgl. Moder 2008, S. 64-68).
FRÜHWARNSYSTEME IN EINKAUF UND SUPPLY MANAGEMENT
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Abbildung 9: Drei-Ebenen-Modell eines Supply Frühwarnsystems
Supply Frühwarnsystem Prozessebene
g Supply Frühwarnkontrolle c Supply Risikoidentifikation
d Supply Risikoanalyse
e Supplier Risikoidentifikation
f Supplier Risikoanalyse
Prämissenkontrolle, Durchführungskontrolle, Strategische Überwachung Umfassende Information über existierende Risiken
Beobachtungsbereiche, Frühwarnindikatoren, Sollwerte & Toleranzgrenzen, Klassifizierung & Priorisierung, Graphische Darstellung
Information über kurzfristig drohende Risiken
Scanning-orientierte Methoden
Aufgabenebene
Ursachen, Eintrittswahrscheinlichkeiten, Auswirkungen, Dringlichkeit, Reaktionsstrategien
Monitoring-orientierte Methoden
- Progressive Methoden
- Quantitative Methoden
- Progressive Methoden
- Quantitative Methoden
- Gemischte Methoden
- Qualitative Methoden
- Gemischte Methoden
- Qualitative Methoden
- Retrograde Methoden
- Graphische Methoden
- Retrograde Methoden
- Graphische Methoden
Methodenebene
Umwelt Supply Management
Supply Chain
Externe Umwelt
Vor der Durchführung der empirischen Untersuchung wurde dieses Modell in einer Fallstudie bei der Robert Bosch GmbH getestet. Details zur Implementierung dieses Frühwarnsystems können den folgenden Quellen entnommen werden: Jahns et al. (2006), Moder et al. (2007) sowie Moder und Meyer (2007). Der erfolgreiche Test bei der Robert Bosch GmbH dient als erste Verifizierung des Frühwarnmodells. In den folgenden Kapiteln werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung dargestellt.
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FRÜHWARNSYSTEME IN EINKAUF UND SUPPLY MANAGEMENT
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DESKRIPTIVE ERGEBNISSE
5. Deskriptive Ergebnisse Um die grundlegende Bedeutung des Supply Risk Managements zu erfassen, wurde in einem ersten Schritt der Anteil der Arbeitszeit erfasst, der von den Befragten zur Lösung von Problemen im Supply Management oder der Supply Chain aufgewendet wird. Diese Analyse gibt einen ersten Hinweis auf die Bedeutung des Supply Risk Managements, da durchschnittlich 29 Prozent der Arbeitszeit zur Behebung von Störungen aufgebracht werden. Bei 18 Prozent der Befragten nehmen Störungen sogar mehr als 50 Prozent der Arbeitszeit ein. Mit diesen Daten als Ausgangspunkt stellt sich die Frage nach der Relevanz von Supply Risk Management-Aktivitäten. Insbesondere ein Vergleich zwischen den Werten heute und der Entwicklung in der Zukunft gibt Hinweise, ob eine weitere Verschärfung der Risikosituation erwartet wird. Abbildung 10 zeigt die stark steigende Bedeutung von Einkaufsaktivitäten. Noch stärker als die Relevanz des übergeordneten Supply Managements wird die Bedeutung der drei risikoorientierten Tätigkeiten zunehmen: Supply Risk Management als Überbegriff sowie die Supply Risikoidentifikation und Supply Risikoanalyse als die beiden Hauptkomponenten eines Supply Frühwarnsystems. Es zeigt sich hier eine Steigerung um 1,52 Punkte bei der Supply Risikoidentifikation und um 1,71 Punkte bei der Supply Risikoanalyse. Abbildung 10: Bedeutung von Supply Management und Supply Risk Management Frage: Wie hoch schätzen Sie die Bedeutung der folgenden Funktionen 2006 und 2011 ein? "keine Bedeutung"
"sehr hohe Bedeutung"
4,91
Supply Management Supply Risk Management
4,04
Supply Risikoidentifikation
4,10 3,94
Supply Risikoanalyse 2006
2011
6,12 5,53 5,62 5,65
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DESKRIPTIVE ERGEBNISSE
Noch nicht abgebildet ist die Gefahr von Supply Risiken in den Vergütungen des Einkaufsmanagements. Durchschnittlich gaben die Teilnehmer an, dass nur acht Prozent ihres Einkommens vom Auftreten von Supply Risiken abhängig ist. Die überwiegende Mehrheit (57 Prozent) gab sogar an, dass ihr Einkommen völlig unabhängig vom Auftreten von Risiken ist. Sehr schwierig stellt sich in der Praxis die Beantwortung der Frage nach Kosten und Nutzen von Supply Frühwarnsystemen dar. In der empirischen Untersuchung wurden diese Kategorien explorativ erfasst, um eine erste Kategorisierung anbieten zu können. Abbildung 11 zeigt die Einschätzung der Befragten im Hinblick auf den Gesamtnutzen eines Supply Frühwarnsystems. Eine große Mehrheit von 79 Prozent stimmt der Aussage zu, dass der Nutzen größer ist als die Kosten zur Implementierung eines Supply Frühwarnsystems. Elf Prozent der Befragten sind unentschieden und nur weitere elf Prozent schätzen, dass die Kosten den Nutzen übersteigen. Abbildung 11: Gesamtnutzen eines Supply Frühwarnsystems Aussage: Insgesamt gesehen, ist der Nutzen eines Supply Frühwarnsystems größer als seine Kosten. Trifft voll und ganz zu
19% 29% 31% 11% 7% 4%
Trifft gar nicht zu
0%
n = 161
Die Nutzenanalyse der Supply Frühwarnsysteme zeigt, dass mit deutlichem Abstand die Unternehmung als Ganzes Nutznießer eines Systems ist, z. B. durch die Vermeidung von Kosten, die durch eine Nicht-Belieferung des Kunden anfallen (durchschnittlich 7,38 Punkte). Darüber hinaus werden die Kapitalbindungskosten (6,44 Punkte) wie auch die internen Einkaufskosten (6,28 Punkte) stark reduziert. Nur durchschnittlich fallen die Erträge in der Beschaffungslogistik aus (5,88 Punkte). Deutlich die geringsten Nutznießer sind mit einem Wert von
DESKRIPTIVE ERGEBNISSE
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5,20 Punkten die Lieferanten. Die Analyse der Kostenkategorien zeigte nur geringe Unterschiede zwischen den Kategorien. Aus den statistischen Daten ergeben sich zwei Herausforderungen für die Implementierung eines Supply Frühwarnsystems: (1) Zum einen fallen die Kosten für den Aufbau und Betrieb des Frühwarnsystems weitgehend im Einkauf an. Nutznießer eines solchen Systems sind aber in erster Linie andere Abteilungen im eigenen Unternehmen, sei es durch erhöhte Verfügbarkeit von Liefermaterial oder geringe Lagerbestände aufgrund des abnehmenden Risikopotenzials. Während also die Ressourcen für ein solches System kostenwirksam im Einkauf aufgewendet werden müssen, sind die Einsparungen im Einkauf selbst, z. B. durch Firefighting, nur als durchschnittlich zu bezeichnen. Die Entwicklung eines übergreifenden Supply Risk Management-Systems, das kosten- und nutzenwirksam für das gesamte Unternehmen gestaltet wird und in ein ganzheitliches Zielsystem eingeordnet werden sollte, ist somit eine wichtige Herausforderung für die Unternehmenspraxis. (2) Eine zweite Herausforderung ergibt sich aus dem geringen Nutzenwert des Lieferanten. Obgleich der Lieferantennutzen immer noch höher als seine Kosten liegt, ergibt sich der primäre Nutzen im einkaufenden Unternehmen. Der Nutzen des Lieferanten, z. B. durch den Entfall von Vertragsstrafen bei Nichtlieferung wurde als eher unterdurchschnittlich eingeschätzt. Gleichzeitig ergibt sich bei einem Supply Frühwarnsystem die Notwendigkeit, Lieferanten aktiv einzubeziehen, da Risiken in der Lieferkette nur gemeinsam identifiziert und analysiert werden können. Die Aufrechterhaltung von Motivation und Bereitschaft von Lieferanten zur Teilnahme an Aktivitäten des Supply Risk Managements muss somit für jedes Unternehmen von Interesse sein, das ein Supply Frühwarnsystem durchführt. Der, auch finanzielle, Nutzen eines Supply Frühwarnsystems muss in der Zukunft deutlicher werden, als dies heute der Fall ist und gegebenenfalls mit geeigneten Anreizsystemen hinterlegt werden.
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DESKRIPTIVE ERGEBNISSE
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
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6. Risiken im Supply Management (1) Aufstellung der wichtigsten Risiken Für die Aufstellung der wichtigsten Supply Risiken wurden neben einer ausführlichen Literaturanalyse und der Fallstudie bei der Robert Bosch GmbH zwei viertägige Fokusgruppen mit zehn deutschen Großunternehmen durchgeführt. Insgesamt erwiesen sich die 36 in Tabelle 1 dargestellten Risiken als relevant für das Supply Management. Tabelle 1: Ausgewählte Supply Risiken Risikoname
Beschreibung des Risikos
Abhängigkeit
Das Risiko, dass die einkaufende Firma abhängig von Lieferanten ist, z. B. Monopol, technologisches Alleinstellungsmerkmal, Patente, vertragliche Vereinbarungen.
Arbeitskämpfe
Das Risiko, dass Arbeitskämpfe im Supply Netzwerk zu Störungen führen, z. B. Streik, soziale oder kulturelle Unzufriedenheit, politische Konflikte mit Arbeitern, Tarifkonflikte.
Beschaffungs-logistik
Das Risiko, dass ein Thema der externen Beschaffungslogistik negative Auswirkungen hat, z. B. fehlerhafte Planung, unzureichende Zusammenarbeit mit Logistikdienstleister, häufige Sonderfahrten, Single Carrier.
Betrug
Das Risiko, dass durch Untreue oder Betrug Mitglieder der Supply Chain nachhaltig geschädigt werden, z. B. Korruption, Bestechungsgelder.
Disposition
Das Risiko, dass durch interne Dispositionsthemen die Erfolgssituation der Supply Chain negativ beeinträchtigt wird, z. B. zu hohe kapitalintensive Lagerhaltung, unzureichender Abgleich mit dem Produktionsprogramm, lange Zeiträume zur Programmaktualisierung.
Firmenstruktur
Das Risiko, dass durch Veränderungen in der Firmenstruktur von Lieferanten Vereinbarungen oder Absichtserklärungen nicht mehr eingehalten werden, z. B. Verkauf durch Mutterfirma, An- und Verkauf von Standorten, Änderung strategischer Geschäftsfelder, Verlagerungen, Eigenkapitaländerungen, Börsengang.
Flexibilität
Das Risiko, dass ein Mitglied der Supply Chain nicht die notwendige Flexibilität aufbringt, die Produkte qualitäts-, mengen- oder zeitmäßig an die Kundenanforderung anzupassen, z. B. durch hohe Produktionsauslastung, lange Zykluszeiten, fehlende Werkzeuge, fehlende Vormaterialversorgung.
Fluktuation
Das Risiko, dass eine hohe Fluktuation im Management oder bei Fertigungsmitarbeitern zu Störungen in der Supply Chain führt, z. B. Know-how-Verlust, ungenügendes Projektmanagement, Nicht-Einhalten getroffener Absprachen, Verlust aufgebauter persönlicher Kontakte.
Geistiges Eigentum
Das Risiko, dass geistiges Eigentum nicht respektiert wird, z. B. Nichtbeachtung von Patenten, Weitergabe von Betriebsgeheimnissen, Mitnahme von Know-how zu neuem Arbeitgeber, Plagiate.
Global Sourcing
Das Risiko, dass durch das Sourcing in anderen (Low Cost-)Ländern negative Auswirkungen in der Supply Chain verursacht werden, z. B. durch erhöhte Fluktuation, kulturelle Barrieren, fehlende Infrastruktur.
30
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
Risikoname
Beschreibung des Risikos
Import- oder Export-Kontrollen
Das Risiko, dass Import- oder Exportkontrollen zu negativen Auswirkungen führen, z. B. neue Zollanforderungen, Local Content-Vorschriften.
Investitionen
Das Risiko, dass unzureichende Investitionen in Forschung & Entwicklung oder Maschinen & Anlagen durchgeführt werden, z. B. durch anstehenden Börsengang, finanzielle Schwierigkeiten, unzureichende Zukunftsausrichtung.
IT-Systeme
Das Risiko, dass ein IT-bezogenes Thema zu Supply Risiken führt, z. B. Einführung oder Veränderung eines IT-Systems oder von Schnittstellen, Beschädigungen durch Viren.
Katastrophe
Das Risiko eines Schadens durch höhere Gewalt, d. h. eine Naturkatastrophe, die zu negativen Auswirkungen im Supply Netzwerk führt, z. B. Schäden durch Feuer, Hagel, Erdbeben, Sturm, Kälte, Hitze, Lawine, Bergrutsch, Dammbruch, Felssturz, Flut, Pandemien.
Krieg oder Terrorismus
Das Risiko, dass eine terroristische Aktivität oder Krieg in einem Supply Land zu Beeinträchtigungen der Supply Chain führt.
Lieferantenauswahl
Das Risiko, dass aufgrund unzureichender Informationen ein falscher Lieferant ausgewählt wurde, z. B. bewusstes Verschweigen von Tatsachen durch Lieferanten, fehlende Zeit zum intensiven Screening, keine Beschaffungsmarktforschung.
Liquidität
Das Risiko, dass eine kritische finanzielle Situation zu negativen Auswirkungen führt, z. B. fehlende Investitionen, Zahlungsunfähigkeit, Insolvenz.
Marktpreise
Das Risiko, dass Preisänderungen die Wettbewerbsfähigkeit von Mitgliedern des Supply Netzwerk herausfordern, z. B. durch Rohmaterialknappheit, Monopolsituationen, neue strategische Ausrichtungen, neue Eigentumsverhältnisse, Produktlebenszyklus, veränderte Nachfragesituation.
Moralische Standards
Das Risiko, dass moralische Standards im Supply Netzwerk nicht eingehalten werden, z. B. Kinderarbeit, Mindestvergütungen, Gesundheitsschutz, Umweltschutz.
Nachfrageänderungen
Das Risiko, dass Veränderungen in der Kundennachfrage zu Störungen im Supply Netzwerk führen, z. B. Lieferant kann erhöhte Nachfrage nicht befriedigen, Unflexibilität in der einkaufenden Firma, Planungs- und Kommunikationsfehler in der Vertriebsabteilung.
Personalrisiko
Das Risiko, dass durch Handlungen von Mitarbeitern Störungen in der Supply Chain ausgelöst werden, z. B. unzureichende Kommunikationsfähigkeiten, fehlende Fachkenntnisse, fehlendes Commitment, Überlastung, mangelndes Projektmanagement.
Politik
Das Risiko, dass politische Entscheidungen die Zusammenarbeit mit Lieferanten beeinträchtigen, z. B. Steuer, Zoll, Embargos, Infrastruktur- und Umweltthemen, Local Content-Anforderungen.
Produkthaftung
Das Risiko, dass durch Schäden beim Kunden ein Produkthaftungsfall in der Supply Chain auftritt, z. B. Rückrufaktionen durch mangelnde Qualität, Schadensersatzforderungen aufgrund später Lieferung.
Produktivität
Das Risiko, dass eine abnehmende Produktivität zu Störungen in der Supply Chain führt, z. B. abnehmender Output beim Lieferanten, schlechte Maschinenbelegungsplanung, Know-how Situation, unzureichende Wartung.
Prozesse
Das Risiko, dass instabile Prozesse zu Störungen in der Supply Chain führen, z. B. schlechte Ausbeute, qualitativ schlechter Output, fehlendes Stabilisierungs-Know-how, fehlendes Verständnis für Komplexität.
Ramp-Up
Das Risiko, dass durch den Neuanlauf von Serienprodukten Störungen in der Supply Chain verursacht werden, z. B. neue Prozesse, nicht-abgesicherter Neuanlauf, knappe Terminplanung, unzureichende Spezifikation, späte Designänderungen.
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
31
Risikoname
Beschreibung des Risikos
Reserveteile
Das Risiko, dass fehlende Reserveteile zu Anlagenstörungen in der Supply Chain führen, z. B. bei veralteten Maschinen, fehlende Vorratshaltung bei Einzelteilen, Insolvenz des Anlagenbauers.
Risikomanagement
Das Risiko, dass ein Mitglied im Supply Netzwerk nur unzureichende Risikomanagementfähigkeiten hat, z. B. kleine Lieferanten, fehlende Prozessbeschreibungen, kein strategischer Einkauf.
Rohmaterial
Das Risiko, dass Rohmaterial nicht in der benötigten Qualität oder Menge vorliegt, z. B. durch Preissteigerungen, China-Boom, Allokationsperioden, fehlende spezifizierte Alternativmaterialien.
Single Source
Das Risiko, dass die Entscheidung für eine Single Source Situation für die Supply Chain mit sich bringt, z. B. fehlende Second Source im Fall weiterer Supply Risiken, nur ein Produktionsstandort für ein Produkt.
Technologische Wettbewerbsfähigkeit
Das Risiko, dass ein Mitglied im Supply Netzwerk technologisch nicht wettbewerbsfähig ist, z. B. unzureichende Investitionsplanung, mangelhafte Know-how-Situation, schlechte finanzielle Situation, unterdimensionierte Forschungs- und Entwicklungsabteilung.
Veralterung
Das Risiko, dass neue Technologien zur Veralterung bestehender Technologien führen, z. B. Abkündigung bei noch laufenden Nachlieferverpflichtungen, kürzere Produktlebenszyklen, Nachfragerückgang im Markt.
Vertrag
Das Risiko, dass vertragsbezogene Fragestellungen zu Lieferstörungen führen, z. B. Vertragsbruch, fehlende Adaptierung an kulturelle Unterschiede, fehlendes Commitment zu Risk-Sharing oder Risk-Transfer Modellen, fehlende Garantie der Mutterfirma.
Volkswirtschaft
Das Risiko, dass durch langfristige volkswirtschaftliche Besonderheiten Störungen in der Supply Chain verursacht werden, z. B. unzureichende Qualifikation von Mitarbeitern, fehlendes Humankapital, schlechte Rahmenbedingungen.
Währung
Das Risiko, dass Währungsschwankungen zu finanziellen Schäden in der Supply Chain führen, z. B. Verluste durch Veränderungen im Euro-Dollar- oder Dollar-Yuan-Kurs.
Zusammen-arbeit
Das Risiko, dass durch unzureichende Zusammenarbeit Störungen in der Supply Chain entstehen, z. B. späte Erkennung von Änderungen, späte Kommunikation von Nachfrageschwankungen, Vertragsaufkündigungen, unzureichende Nutzung des Innovationspotenzials von Lieferanten.
(2) Bewertung von Eintrittshäufigkeit und Schwere der Risiken Zur deskriptiven Analyse der Risiken im Supply Management wurden als erstes die Mittelwerte über alle 36 Supply Risiken gebildet und jeweils die Eintrittshäufigkeit und die Auswirkungen bei Eintritt dargestellt (Abbildung 12). Die Eintrittshäufigkeit dieser Studie hat besondere Praxisrelevanz, da die Befragten aufgefordert waren, die konkrete Eintrittshäufigkeit der vergangenen zwölf Monate zu bewerten – wie häufig haben die dargestellten Risikoquellen in den vergangenen zwölf Monaten zu Störungen in der eigenen Supply Chain geführt – und nicht eine abstrakte Einschätzung zur Relevanz von Supply Risiken abgefragt wurde.
32
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
Abbildung 12: Eintrittshäufigkeit und Schwere von Supply Risiken Eintrittshäufigkeit Platzhalter 0
1
1
2
3 2
1
0,23 0,23
1,38 3,30 1,78
0,09 Betrug 0,09
1,30
2,34
Disposition
2
1,64
1,14 1,14
Firmenstruktur
1,45 53
2,53
Flexibilität 1,29
Fluktuation
1,29
1,94 1,41
0,42 0,42
1,91
1,07 1,07
Global Sourcing
1,66
0,930,93
Import- oder Export-Kontrollen
1,47
0,850,85
Investitionen
1,87
0,910,91
IT-Systeme Katastrophe
1,58
0,40 0,40
1,80
0,09 Krieg oder Terrorismus 0,09
1,70
1,36
Lieferantenauswahl
1,26
Liquidität
1,36
1,59
1,26
1,41 2,65
2,65
Marktpreise 0,07 Moralische Standards 0,07
1,97 1,50 1,54
0,72 0,72
2,17
0,820,82
Produktivität
1,74
1,43
Prozesse
1,43
1,61
Ramp-Up
1,77
1,61
2,10
0,890,89
Reserveteile
1,26
Risikomanagement
1,61
1,26
1,41
1,99
Rohmaterial
1,99
1,91
Single Source
1,91
0,62 0,62
Techn. Wettbewerbsfähigkeit
1,82
0,65 0,65
Vertrag
1,78 1,76 1,78
0,70 0,70
Veralterung
Zusammenarbeit
1,72
0,51 0,51
Produkthaftung
Währung
53
2,53 1,72
Personalrisiko
Volkswirtschaft
1,83 1,22
Nachfrageänderungen
Politik
4
2
1,86
3,30
Beschaffungslogistik
Geistiges Eigentum
3
2,68
2,68
Abhängigkeit Arbeitskämpfe
Auswirkungen 4
1,64
0,12 0,12
1,63
0,56 0,56
1,58
1,55
1,55
1,65
3
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
33
Als erstes fällt auf, dass die Varianz der Eintrittshäufigkeit deutlich größer ausgeprägt ist als es bei den möglichen Auswirkungen der Fall ist. Dieses Ergebnis stimmt überein mit den Ergebnissen der Operationalisierung der Supplier Risikoanalyse, die in Moder (2008) durchgeführt wird. Wenn im Mittel Supply Risiken eine vergleichbare Schwere beim Auftreten haben, so ist die Bewertung dieser Schwere für das weitere Risikomanagement überflüssiger Ballast. Unternehmen sollten es aus ökonomischen Gründen daher bei einer Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit belassen. Die Analyse der Eintrittshäufigkeit zeigt drei relativ klar abgetrennte Klassen von Supply Risiken. Hierzu wurde der Mittelwert über die normalisierte Eintrittshäufigkeit gebildet. Die Eintrittswahrscheinlichkeit wurde aus den empirischen Rohdaten anhand der Anzahl des Auftretens berechnet. Sie bezieht sich hierbei immer auf das Supply Management als Ganzes – wie wahrscheinlich ist es, dass in einem Jahr bei einem beliebigen Lieferanten dieses Risiko mindestens einmal für die Einkaufsorganisation relevant sein wird. In der dritten Klasse finden sich Supply Risiken mit einem Mittelwert von unter 0,5. Am wenigsten häufig wurde das Supply Management durch die Verletzung moralischer Standards betroffen, was sich in einem Wert von 0,07 zeigt. Über alle 162 Antwortenden hinweg gab es im vergangenen Jahr nur 11 Fälle dieses Risikos, was einer globalen Eintrittswahrscheinlichkeit von 6 Prozent entspricht. Ebenfalls minimal erweisen sich Risiken durch Betrug (Mittelwert 0,09; Eintrittswahrscheinlichkeit 7 %) sowie durch Krieg oder Terrorismus (0,09; 6 %). Schließlich sind volkswirtschaftliche Risiken mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 6 Prozent (0,12; 6 %) als unkritisch für das Supply Management zu beurteilen. Zu der Klasse unkritischer Risiken zählen des Weiteren noch Arbeitskämpfe (0,23; 15 %), Katastrophen (0,40; 25 %) und die Verletzung geistigen Eigentums (0,42; 20 %). Bei letzterem Risiko sieht man, dass die Realität mit der Wahrnehmung häufig nicht übereinstimmt. Gerade Risiken geistigen Eigentums standen in den vergangenen Jahren zahlreich im Zentrum der Aufmerksamkeit. Unter den Befragten der empirischen Untersuchung gaben jedoch nur 20 % an, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal von einem solchen Risiko betroffen gewesen zu sein. Diese Zahl sowie die Überlegungen dieses Abschnitts müssen vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass die befragten Unternehmen im Durchschnitt ein Portfolio von 3.500 Lieferanten haben. Die Gesamtsumme der Lieferanten über alle befragten Unternehmen lag bei 538.439 Lieferanten. Das Risiko der Verletzung geistigen Eigentums trat in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt 102 Mal auf; dies würde eine Eintrittswahrscheinlichkeit bei einem einzelnen Lieferanten von etwa 0,02 Prozent bedeuten.
34
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
Die mittlere Klasse von Supply Risiken erstreckt sich auf einen Wertebereich von 0,5 bis 1,8 und umfasst insgesamt 21 Risiken. Hier sollen nur einige Risiken näher beleuchtet werden. Häufig im Fokus stehen Währungsrisiken, die jedoch nur bei 23 Prozent der Befragten zu Problemen geführt haben (0,56; 23 %); die Auswirkungen waren durchschnittlich. Sehr kritisch sind jedoch Risiken aus Produkthaftung zu beurteilen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit liegt zwar nur bei 38 Prozent (0,72; 38 %), jedoch geht die höchste Schwere beim Auftreten mit diesem Risiko einher. Die Produkthaftung wird daher mit zu der höchsten Klasse von Top Supply Risiken gezählt, auf die später gesondert eingegangen wird. Nur mittel eingestuft wurden Liquiditätsrisiken im Supply Management (1,26; 63 %), was ebenso der Wahrnehmung in Theorie und Praxis widerspricht, wenn die hohe Anzahl an Veröffentlichungen zu diesem Thema als Maßstab genommen wird. Auch die Auswirkungen von Liquiditätsrisiken sind als unterdurchschnittlich zu beurteilen. Für das Ramp-Up-Risiko (1,61; 59 %) entspricht die Einschätzung der Produkthaftung. Einem mittleren Risiko steht hier eine sehr hohe Schwere bei Auswirkung gegenüber, wodurch dieses Risiko ebenfalls in die höchste Risikoklasse überführt wird. Schließlich gibt es die höchste Risikoklasse, die im Folgenden als Top Supply Risiken bezeichnet werden. Sie besteht aus Risiken mit einem Mittelwert > 1,8 sowie aus dem Produkthaftungs- und dem Ramp-Up-Risiko, die beide eine mittlere Auftretenswahrscheinlichkeit haben, deren Auswirkungen sich jedoch als sehr kritisch erweisen. Risiken mit Mittelwert von über 1,8 sind das Single Source-Risiko (1,91; 72 %), das Rohmaterial-Risiko (1,99; 68 %), das Dispositionsrisiko (2,34; 72 %), das Flexibilitätsrisiko (2,53; 82 %), das Nachfrageänderungs-Risiko (2,53; 83 %), das Marktpreis-Risiko (2,65; 85 %), das Abhängigkeits-Risiko (2,68; 88 %) und mit der kritischsten Bewertung das Beschaffungslogistik-Risiko (3,30; 91 %). Diese insgesamt zehn Top Supply Risiken decken alle Bereiche der Supply Chain ab. So ist das Rohmaterial-Risiko teilweise von Vorlieferanten abhängig, das Flexibilitäts-Risiko weitgehend vom direkten Lieferanten zu beeinflussen, Beschaffungslogistik und Disposition in der externen und internen Logistikkette zu finden, das Single Source-Risiko als Entscheidung im eigenen Supply Management zu charakterisieren und das Nachfragerisiko sowohl beim internen als auch externen Kunden identifizierbar. Ein breites Verständnis von Supply Risk Management ist somit unabdingbar. Alle 36 Supply Risiken sind in einer Klassenübersicht in Tabelle 2 dargestellt.
35
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
Tabelle 2: Relevanzklassen von Supply Risiken Risikoklasse 1
Risikoklasse 2
Risikoklasse 3
Top Supply Risiken Häufigkeit > 1,8 oder Auswirkung > 2,0
Relevante Risiken
Irrelevante Risiken
Häufigkeit > 1,0
Häufigkeit < 1,0
Abhängigkeit Beschaffungslogistik Disposition Flexibilität Marktpreise Nachfrageänderungen Produkthaftung
Firmenstruktur Fluktuation Global Sourcing Lieferantenauswahl Liquidität Personalrisiko Prozesse
Import-/Export Investitionen IT-Systeme Politik Produktivität Reserveteile Veralterung
Ramp-Up Rohmaterial
Risikomanagement Zusammenarbeit
Vertrag Währung
Single Source
Häufigkeit < 0,5 Arbeitskämpfe Betrug Geistiges Eigentum Katastrophen Krieg / Terrorismus Moral. Standards Volkswirtschaft
Wettbewerbsfähigkeit
(3) Bewertung der zehn Top-Risiken Die zehn Top Supply Risiken werden im Folgenden genauer analysiert. Zu dieser Analyse wird ein Box-Whisker-Plot genutzt, der genauere Informationen zu zentralen Daten numerischer Verteilungen geben kann. Auf diese Weise lassen sich Median (⎯), die beiden mittleren 25%-Quartile (), Min-/Max-Werte der Whisker (⊥) sowie Ausreißer (Ο) und Extremwerte (∗) übersichtlich darstellen. Abbildung 13 zeigt den Box-Whisker-Plot für die definierten zehn Top Supply Risiken. Der Box-Whisker-Plot lässt drei Arten von Supply Risiken erkennen. Vier der zehn Risiken haben in der gesamten Breite der Untersuchung eine hohe Eintrittshäufigkeit, sind also für alle Befragten als relevant zu beachten (Abhängigkeit, Beschaffungslogistik, Flexibilität, Marktpreise). Für diese Klasse muss es darum gehen, insbesondere Strategien zur Minimierung der Eintrittswahrscheinlichkeit zu entwickeln. Für fünf Risiken ist eine mittlere bis hohe Eintrittshäufigkeit zu konstatieren, die jedoch nicht bei allen Befragten gleich ausgeprägt zu beobachten ist (Disposition, Nachfrageänderungen, Ramp-Up, Rohmaterial, Single Source). Diese Risiken zeigen also eine sehr inhomogene Struktur, was sich graphisch in den längeren 25%-Quartilen beobachten lässt. Schließlich lässt sich eine dritte Klasse von Supply Risiken identifizieren, bei der einer geringen Eintrittswahrscheinlichkeit eine hohe Schwere bei Eintritt gegenüber steht (Produkthaftung). Im Box-Whisker-Plot erkennt man sehr gut, dass sich hier Ausreißer und sogar Extremwerte identifizieren lassen, die sich bei den anderen Risiken nicht nachweisen lassen. Für die dritte Klasse von Risiken muss das Ziel eine Reduktion der Auswirkung bei Eintritt sein.
36
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
Abbildung 13: Box-Whisker-Plot-Analyse der Top Supply Risiken 5
Eintrittshäufigkeit
4
3
2
1
0 Abhängigkeit Disposition Marktpreise Produkthaftung Rohmaterial Beschaffungslogistik Flexibilität Nachfrageänderungen Ramp-Up Single Source
Diese Risikostruktur lässt sich auch in der gesamten Stichprobe über alle 36 Risiken erkennen. Ein Box-Whisker-Plot lässt erkennen, dass insgesamt 15 Risiken zur ersten Klasse zu zählen sind (davon 4 mit hoher Eintrittshäufigkeit; 11 mit mittlerer Eintrittshäufigkeit), 7 Risiken zur zweiten Klasse und 9 Risiken zur dritten Klasse. Aufgrund geringer Relevanz wurden 5 Supply Risiken keiner Klasse zugeteilt. Die genaue Zuteilung der einzelnen Risiken ist in Tabelle 3 dargestellt. Tabelle 3: Strukturierung der Supply Risiken Strukturklasse 1
Strukturklasse 2
Strukturklasse 3
-
Hohe oder mittlere Häufigkeit, bei allen Befragten vergleichbar
Unterschiedliche Häufigkeit
In Einzelfällen relevant
Sehr geringe Relevanz
Abhängigkeith
IT-Systemem
Disposition
Geistiges Eigentum
Arbeitskämpfe
Beschaffungslogistikh
Lieferantenauswahlm
Nachfrageänderungen
Katastrophe
Betrug
Firmenstrukturm
Liquiditätm
Personalrisiko
Politik
Krieg / Terrorismus
Marktpreiseh
Ramp-Up
Produkthaftung
Moralische Stand.
Fluktuationm
Prozessem
Rohmaterial
Produktivität
Volkswirtschaft
Global Sourcingm
Reserveteilem
Single Source
Wettbewerbsfähigk.
Import- / Exportm
Risikomanagem.m
Zusammenarbeit
Veralterung
Flexibilität
h
m
Investitionen
Vertrag Währung
h
: hohe Eintrittshäufigkeit : mittlere Eintrittshäufigkeit
m
37
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob neben dem bereits erwähnten Produkthaftungsrisiko die weiteren acht Risiken der dritten Klasse auch das Verhalten zeigen, dass einer hohen Auswirkung eine geringe Eintrittshäufigkeit entgegensteht oder auch eine hohe Eintrittshäufigkeit bei geringer Auswirkung zu beobachten ist. Abbildung 14 zeigt, dass nur bei sechs der 36 Risiken (~17 %) eine Abweichung zu erkennen ist, 30 Risiken finden sich im normierten dunklen Bereich wieder. Nur das Supply Risiko „Beschaffungslogistik“ hat eine sehr hohe Eintrittshäufigkeit bei gleichzeitig relativ geringer Auswirkung, neben der Produkthaftung zeigen die Supply Risiken „Katastrophen“, „Geistiges Eigentum“, „Krieg & Terrorismus“ und „Volkswirtschaft“ eine sehr geringe Eintrittshäufigkeit bei relativ gesehen hoher Auswirkung. Das Risiko „Beschaffungslogistik“ ist ein sehr operativ geprägtes Risiko, welches auf die Logistikflüsse in der Supply Chain abzielt. Abbildung 14: Abweichungsanalyse bei Supply Risiken
Eintrittshäufigkeit
5
4 Beschaffungslogistik
⊗
3
2 Katastrophen Geistiges Eigentum ⊗ Produkthaftung
1
⊗⊗ ⊗⊗
0 1
Volkswirtschaft
Krieg / Terrorismus 2
3
Auswirkung
(4) Abgrenzung von Organisations-, Netzwerk- und Umweltrisiken Interessant hier ist jedoch vor allem, dass sich im unteren rechten Bereich insbesondere Umweltrisiken wieder finden. In der Literatur ist eine Aufteilung von Supply Risiken in Organisations-, Netzwerk- und Umweltrisiken gängig (Jüttner et al. 2003, S. 201; Peck et al. 2003, S. 43). Die nachfolgende Abbildung 15 zeigt, dass sich zwischen Organisations- und Netzwerkrisiken auf der einen und Um-
38
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
weltrisiken auf der anderen Seite ein drastischer Abfall der Eintrittshäufigkeit bei gleichzeitig fast identischen Auswirkungen (jeweils im Mittelwert über alle Befragten) aufzeigen lässt. Somit haben Umweltrisiken zwar im Verhältnis zu ihrer Eintrittshäufigkeit stärkere Auswirkungen, nicht jedoch im Verhältnis zur Gesamtheit der Supply Risiken. Es sei hier noch einmal daran erinnert, dass für diese Untersuchung nicht eine Relevanzeinschätzung vorgenommen wurde, sondern eine Abfrage der tatsächlich eingetretenen Risiken in den vergangenen zwölf Monaten und die Daten somit eine hohe Praxisrelevanz aufweisen. Für das Supply Risk Management im Unternehmen bedeutet dies die Notwendigkeit einer Konzentration auf interne Risiken sowie Risiken in der Supply Chain. Externe Risiken können in der Praxis weitgehend vernachlässigt werden. Abbildung 15: Unterschiede zwischen Risikoklassen 2
2 Eintrittshäufigkeit
1,36
1,67
1,62
Auswirkung
Eintrittshäufigkeit
Auswirkung 1,72
1,35
1
0,43 1
0 Organisationsrisiken
Netzwerkrisiken
Umweltrisiken
Dieses Ergebnis hat durchaus Sprengkraft, denn gerade externe Risiken werden von der Öffentlichkeit häufig als stark bedrohlich wahrgenommen. Unterbrechungen von Supply Chains durch terroristische Aktivitäten oder Naturkatastrophen sind allgemein befürchtete Ereignisse. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass solche Risiken in der Praxis so gut wie nie eintreten. Darüber hinaus haben sie, wenn sie denn eintreten, auch nicht gravierendere Auswirkungen als rein operative Risiken wie das der Beschaffungslogistik. Als fast völlig irrelevant erweist sich ausgerechnet das Risiko der Verletzung moralischer Standards, obgleich es in jüngerer Zeit durch die steigende Bedeutung von Compliance in der Unternehmensrealität
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
39
besondere Aufmerksamkeit genossen hat. Einzelne Fälle in Großunternehmen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Risiko in einer Gesamtwürdigung vernachlässigbar ist; so ist es im zwölfmonatigen Untersuchungszeitraum nur bei sechs Prozent überhaupt aufgetreten und dann im Durchschnitt auch nur 1½-Mal pro Unternehmen. Bei durchschnittlich 3.500 Lieferanten pro Unternehmen liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit in einer ausgewählten Lieferantenbeziehung bei den 162 Teilnehmern dieser Studie somit bei gerade einmal 0,00002 Prozent. Insofern ist der Fokus vieler Veröffentlichungen in Praxis und Theorie zu Themenbereichen wie Betrug, Naturkatastrophen oder Terrorismusrisiken zwar eingängig und zumeist spannend zu lesen, jedoch für die Unternehmenspraxis weitgehend irrelevant. Ressourcen, welche durch eine strategische Einkaufsabteilung in das Risikomanagement von externen Risiken gesteckt werden, sind daher für die Identifikation und Analyse von Supply Risiken in der eigenen Organisation und im eigenen Netzwerk deutlich besser aufgehoben. Umwelt-Risiken sind in der Unternehmensrealität nicht nur extrem selten, sondern von ihren Auswirkungen auch nicht so stark gefährdend, dass sich die Durchführung spezieller Maßnahmen als lohnend erweist. Die Wahrscheinlichkeit, dass gerade Umwelt-Risiken plötzlich von extremer Relevanz sind, ist gering – der Fokus eines erfolgreichen Supply Risk Managements liegt im eigenen Supply Management und in der eigenen Supply Chain. (5) Untersuchung von Strukturvariablen Die bisherigen Analysen wurden auf Basis des vollständigen Datensatzes durchgeführt. Es wurden also alle Unternehmen gleichzeitig betrachtet. Die Strukturklassen haben jedoch gezeigt, dass je nach Risiko größere oder kleinere Abweichungen (Streuung) in der Relevanz von Supply Risiken zu beobachten sind. Es stellt sich die Frage nach der Existenz von Strukturvariablen: Existieren unterschiedliche Supply Risk Exposures (Stärke der Risiken in Unternehmensgruppen) zwischen Unternehmen und worauf sind diese zurückzuführen? Es wurden insgesamt zehn Strukturvariablen überprüft, von denen sich vier als relevant erwiesen haben und im Folgenden näher betrachtet werden. (a) Branche Die Branche der beteiligten Unternehmen erweist sich als relevant für die Stärke des Supply Risk Exposures. Abbildung 16 zeigt alle Branchen, aus denen mindestens fünf ausgefüllte Fragebögen vorliegen. Es wird deutlich, dass die Luft- und Raumfahrtindustrie die mit Abstand kritischste Supply Risikoposition einnimmt. Eine geringere Exposition zeigt sich in der Energie- und Wasserversorgungsindustrie, der Chemieindustrie sowie der Medizintechnik.
40
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
Abbildung 16: Darstellung des Supply Risk Exposures nach Branche Eintrittshäufigkeit nach Industrie 0
1
2 2,0
Luft- und Raumfahrt 1,3
Elektro und Elektronik
1,3
Automobil- und Fahrzeugbau
1,3
Maschinen- und Anlagenbau
1,2
Metallbearbeitung
1,1
Gummi und Kunststoff Medizintechnik
0,9
Chemie
0,9
Energie- und Wasserversorgung
3
0,7
Darstellung der Branchen mit n > 5 Beteiligten
Eine Detailanalyse zeigt die Abweichungen nach Industrie auf (Tabelle 4). Interessant ist, dass in sechs der neun Industrien nur relativ wenige Abweichungen vom Durchschnittswert zu beachten sind. Dies ist ein Hinweis, dass die Mehrzahl der Supply Risiken eine umfassende Bedeutung aufweisen und die industriellen Supply Chains zu einem Gebilde mit einer vergleichbaren Risikoexposition geworden sind. In der Energie- und Wasserversorgungsindustrie sowie der Medizintechnik zeigen sich, trotz insgesamt unterdurchschnittlichen Supply Risk Exposures, zwei Risiken als besonders relevant. Während für die Medizintechnik insgesamt acht Risiken eine deutlich unterdurchschnittliche Bedeutung beizumessen ist, erweist sich das Import-/Export-Risiko als deutlich kritischer als in anderen Branchen. Ein besonders stark abweichendes Supply Risk Exposure zeigt auch die Energie- und Wasserversorgungsindustrie. Während insgesamt 16 von 36 Supply Risiken das mögliche Minimum von 0,0 erreichen (bei allen anderen Industrien ist dies höchstens viermal der Fall), zeigt sich insbesondere das in der Gesamtuntersuchung beinahe irrelevante Katastrophenrisiko als sehr bedeutend. Die Relevanz ist erklärbar, da die stark internationale und weitgehend auf Rohmaterialien beruhende Lieferstruktur dieser Industrie anfällig für Katastrophenrisiken ist. Schließlich ist die Luft- und Raumfahrtindustrie zu fokussieren: Während 21 von 36 Supply Risiken hier eine stark überdurchschnittliche Relevanz aufweisen, hat nicht ein einziges Risiko eine im Vergleich zum Durchschnitt schwache Relevanz aufzuweisen. Über alle Risiken wurde hier nie das Minimum von 0,0 erreicht, was auf eine starke Anfälligkeit der Luft- und Raumfahrt-Supply Chain hinweist.
41
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
Tabelle 4: Durchschnittliche Supply Risk Exposures nach Risiko und Branche Branche Risiko Abhängigkeit Arbeitskampf Beschaffungslogistik Betrug Disposition Firmenstruktur Flexibilität Fluktuation Geistiges Eigentum Global Sourcing Import-/Export Investitionen IT-Systeme Katastrophe Krieg / Terrorismus Lieferantenauswahl Liquidität Marktpreise Moralische Standards Nachfrageänderungen Personalrisiko Politik Produkthaftung Produktivität Prozesse Ramp-Up Reserveteile Risikomanagement Rohmaterial Single Source Wettbewerbsfähigkeit Veralterung Vertrag Volkswirtschaft Währung Zusammenarbeit
Automobil
Chemie
Elektro
Energie
Gummi / Kunst.
Luftfahrt
Maschinenbau
Medizin
Metall
2,7 0,4 3,6 0,1 2,5 1,6 2,0 1,4 0,5 1,2 0,7 0,8 0,8 0,5 0,1 1,5 2,1 2,6 0,1 2,2 1,9 0,6 0,8 1,4 1,8 1,9 0,9 1,4 2,0 2,0 0,9 0,9 0,9 0,1 0,5 1,7
2,8 0,1 2,8 0,0 1,4 0,8 2,3 1,5 0,2 0,8 0,9 0,2 0,5 0,5 0,5 0,5 0,8 2,3 0,1 2,5 1,3 0,3 0,6 0,2 0,5 0,8 0,8 0,8 2,5 1,9 0,1 0,1 0,2 0,1 0,3 1,0
2,7 0,3 3,7 0,1 2,9 1,1 3,2 1,5 0,7 1,7 1,1 1,3 1,2 0,5 0,0 1,4 1,0 2,7 0,1 2,9 1,5 0,4 0,6 0,5 1,6 2,4 0,8 1,6 2,0 2,3 0,8 1,1 0,4 0,1 0,5 1,8
2,6 0,0 3,3 0,0 2,0 0,6 2,4 1,2 0,0 0,0 0,0 0,2 1,6 1,2 0,0 0,4 1,4 2,8 0,0 1,6 1,2 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,6 0,4 0,4 0,8 0,0 0,0 0,6 0,0 1,0 0,0
1,9 0,3 3,8 0,0 3,3 0,5 2,0 1,0 0,5 1,3 1,0 0,3 1,6 0,3 0,0 1,1 1,3 2,5 0,0 2,1 0,6 0,3 0,4 0,9 1,6 1,4 0,9 1,4 1,4 1,8 0,4 0,4 1,1 0,0 0,6 1,4
3,5 0,7 3,7 0,5 3,5 2,0 3,5 2,7 0,2 0,7 2,0 2,8 2,2 0,2 1,0 1,8 1,8 2,8 0,2 2,8 3,2 1,7 1,5 2,3 3,2 3,3 1,7 1,8 2,5 3,2 1,5 1,2 1,2 0,2 2,3 2,7
3,1 0,2 3,5 0,0 2,3 1,2 3,1 1,1 0,5 1,2 1,0 0,8 0,7 0,3 0,0 1,7 1,2 3,2 0,0 3,1 2,1 0,6 0,6 0,6 1,5 1,6 1,0 1,5 2,5 1,6 0,4 0,9 0,6 0,1 0,5 1,8
2,2 0,2 1,8 0,0 1,5 1,0 1,5 1,0 0,7 0,0 2,0 0,8 0,5 0,2 0,0 1,5 1,2 1,2 0,0 1,3 1,2 0,7 1,2 0,8 1,3 0,8 0,5 0,5 1,5 2,2 0,8 0,3 0,8 0,3 1,2 1,2
2,1 0,1 3,2 0,1 2,7 0,9 2,7 1,4 0,2 0,9 0,8 1,2 0,9 0,2 0,0 0,8 0,9 2,6 0,0 3,3 1,6 0,2 1,0 0,8 0,9 1,4 0,8 0,8 2,2 2,4 1,0 0,5 0,9 0,3 0,5 1,5
42
(b)
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
Wertschöpfungstiefe
Ebenfalls relevant für die Stärke des Supply Risk Exposures erweist sich die Wertschöpfungstiefe der Unternehmen. Für die Analyse wurden fünf Klassen gebildet, welche jeweils Unternehmen in einem 20 %-Quintil zusammenfassen. Es wird deutlich (Abbildung 17), dass für die Mehrzahl der Unternehmen im Wertschöpfungsbereich zwischen 20 und 80 Prozent keine nennenswerten Abweichungen im Supply Risk Exposure zu beobachten sind. Unternehmen mit einer eigenen Wertschöpfungstiefe unter 20 Prozent und somit einem Zukaufanteil von über 80 Prozent sind jedoch sehr anfällig für Supply Risiken, was sich in einem erhöhten Supply Risk Exposure darstellt. Unternehmen mit einer Wertschöpfungstiefe von über 80 Prozent haben eine stark reduzierte Anfälligkeit für Supply Risiken, was durch den geringen Zukaufanteil erklärbar ist. Wie in der Einleitung dargestellt, geht der Trend hin zu einer Reduzierung der Wertschöpfungstiefe und somit einer Erhöhung des Zukaufanteils. Die Analyse zeigt, dass ein Zukaufanteil von 80 Prozent eine kritische Grenze darstellt, oberhalb dessen das Supply Risk Exposure deutlich ansteigt. Eine Überschreitung dieser Grenze ist daher nur empfehlenswert, wenn im Unternehmen ein professionelles Supply Risk ManagementSystem implementiert ist. Abbildung 17: Darstellung des Supply Risk Exposures nach Wertschöpfungstiefe Eintrittshäufigkeit nach Wertschöpfungstiefe 1,5
1,44 1,29
1,25
1,25
0,87
0,5
0 bis 20 %
20 bis 40 %
40 bis 60 %
60 bis 80 %
80 bis 100 %
43
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
(c)
Stellung in der Wertschöpfungskette
Das Supply Risk Exposure wird ebenfalls durch die Stellung in der Wertschöpfungskette beeinflusst. Wichtiger noch als die eigene Position in der Kette stellt sich die Stärke der Verbindung in einem übergreifenden Produktionsfluss dar. Während Endprodukthersteller (OEM), Lieferanten der 1. Stufe (Tier 1, Modul/Systemlieferanten), Lieferanten der 2. Stufe (Tier 2, Einzelteilelieferanten) und Rohstofflieferanten noch ein vergleichbares Supply Risk Exposure haben, fällt dieses bei Lieferanten von indirekten Materialien & Dienstleistungen sowie Handelsunternehmen deutlich ab (Abbildung 18). Supply Risk Management ist also insbesondere für Unternehmen von starker Relevanz, die in eine produktionsorientierte Supply Chain eingebunden sind, da die Produkte einer vorgelagerten Wertschöpfungsstufe für alle nachgelagerten Stufen von hoher Relevanz sind. Innerhalb dieser eigentlichen Supply Chain zeigt sich, dass die Lieferanten der 1. Stufe das kritischste Supply Risk Exposure haben. Hier spricht man häufig auch von einer Sandwich-Position, da der Preisdruck der Endprodukthersteller sowie die Preisforderungen insbesondere von Rohmaterialseite sich in dieser Stufe konzentrieren und ein Grund für die zunehmende Branchenkonsolidierung sind. Abbildung 18: Darstellung des Supply Risk Exposures nach Stellung in der Wertschöpfungskette Eintrittshäufigkeit nach Stellung in der Supply Chain 1,5 1,22
1,31
1,14
1,14 0,94
0,93
Handel
Indirekte Materialien
0,5
OEM
Tier 1
Tier 2
Rohstoff
Bei einer Detailanalyse fallen insbesondere die Rohstofflieferanten auf, deren in der Breite eher unauffällige Gesamtposition insbesondere durch drei hochkritische Risiken negativ beeinflusst wird. Es zeigen sich das Abhängigkeits-, Marktpreisund das Rohmaterialrisiko als besonders relevant. Der Zusammenhang dieser drei
44
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
Risiken ist verständlich, da die Unternehmen der Roh- und Halbzeugindustrie häufig eine sehr einseitig ausgerichtete Lieferantenstruktur haben. So weist diese Untersuchung für Unternehmen dieser Wertschöpfungsstufe einen Zukaufanteil von durchschnittlich 61 Prozent für Rohmaterialien aus. Der Rohmaterialmarkt ist sehr stark internationalisiert und starken Verfügbarkeits- und Preisschwankungen unterworfen. Lieferanten der Roh- und Halbzeugindustrie müssen daher insbesondere die kritischen Abhängigkeitsrisiken managen. (d)
Lieferantenstruktur
Als viertes erweist sich die Lieferantenstruktur relevant für die Höhe des Supply Risk Exposures. Es wurde für die Auswertung ein Cut-Off-Punkt von 30 Prozent für die Kategorien Rohmaterial & Energie, Elektronische Bauteile, Mechanische Komponenten, Chemische Erzeugnisse, Indirekte Materialien & Dienstleistungen sowie Handelswaren gewählt. Eine Warengruppe wurde für die Unternehmen somit als entscheidend definiert, wenn über 30 Prozent des Einkaufsvolumens des jeweiligen Unternehmens auf diese Warengruppe entfällt. Dies trifft für diese Untersuchung für 52 Unternehmen bei der Warengruppe Rohmaterial & Energie, für 35 bei elektronischen Bauteilen, für 65 bei mechanischen Komponenten, für 9 bei chemischen Erzeugnissen, für 25 bei indirekten Materialien und für 4 bei Handelsware zu. Abbildung 19 zeigt, dass außer bei chemischen Erzeugnissen und Handelswaren tatsächlich Unterschiede im Supply Risk Exposure erkennbar sind. Abbildung 19: Darstellung des Supply Risk Exposures nach Lieferantenstruktur Eintrittshäufigkeit nach Lieferantenstruktur Anteil < 30 % 1,5
1,27
1,34 1,08
1,15
1,12
1,29
Anteil > 30 % 1,20 1,16
1,0
1,26
1,20 1,15 0,91
0,5
0,0
Rohmaterial & Elektronische Mechanische Chemische Energie Bauteile Komponenten Erzeugnisse
Indirekte Materialien
Handelsware
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
45
Die empirische Auswertung bestätigt statistisch nicht signifikante Unterschiede für die Warengruppen Chemie und Handelsware, ebenfalls jedoch für den Bereich Rohmaterial & Energie. Statistisch signifikant sind die Unterschiede im Supply Risk Exposure für die Warengruppen Mechanische Komponenten, Elektronische Bauteile sowie Indirekte Materialien. Dies zeigt den Einfluss der Lieferantenstruktur auf die Stärke der Risiken im Supply Management. Unternehmen, die große Mengen elektronischer oder mechanischer Komponenten zukaufen, haben entsprechend eine signifikant höhere Gefährdung durch Supply Risiken als Unternehmen, die nur einen geringen Anteil dieser Produktbereiche zukaufen. Das Gegenteil ist der Fall bei indirekten Materialien. Hier haben Unternehmen mit einem hohen Zukaufteil indirekter Materialien und Dienstleistungen eine signifikant niedrigere Gefährdung durch Supply Risiken als Unternehmen, die nur wenige indirekte Materialien einkaufen. Es lässt sich also feststellen, dass Supply Risk Management insbesondere für Unternehmen der produzierenden Industrie eine hohe Relevanz hat, da gerade Lieferanten für elektronische und mechanische Komponenten das Supply Risk Exposure vergrößern. (e)
Weitere Strukturvariablen
Weitere sechs Strukturvariablen wurden ebenfalls anhand eines Mittelwertvergleiches auf Unterschiede im Supply Risk Exposure überprüft. Es wurden für die Strukturvariablen Umsatz, Anteil strategischer Lieferanten, funktionale Verankerung eines Supply Risk Managers, Einkaufsstrategie (kosten- versus qualitätsorientiert), Lieferantenstrategie (marktbasiert versus relational) und Risikokultur (sicherheits- versus risikoorientiert) keine relevanten Abweichungen im Supply Risk Exposure zwischen den Unternehmen festgestellt. Im Ergebnis kann davon ausgegangen werden, dass diese sechs Variablen keinen Einfluss auf das Supply Risk Exposure von Unternehmen haben.
46
RISIKEN IM SUPPLY MANAGEMENT
47
EINFLUSS AUF DIE SUPPLY PERFORMANCE
7. Einfluss auf die Supply Performance Für den dritten Teil der Untersuchung wurde das in Abbildung 20 dargestellte Forschungsmodell vorbereitet, das mit den Daten empirisch geprüft wurde. Zentral im Modell ist der durchgängige Pfad vom Supply Frühwarnsystem zur Supply Performance. Sollten alle Einzelpfade signifikant positiv bestätigt werden, so ist ebenfalls die Hypothese positiv bestätigt, dass ein Supply Frühwarnsystem einen statistisch nachweisbaren positiven Einfluss auf die Einkaufsleistung hat. In diesem Research Report wird die statistische Vorgehensweise nur am Rande gestreift. Alle Ergebnisse finden sich detailliert in Moder (2008). Abbildung 20: Forschungsmodell der Untersuchung zu Supply Frühwarnsystemen Supply Management Umwelt Faktorspezifität Komplexität Dynamik
Supply Frühwarnsystem
Supply Risk Fähigkeit
Vorvertragliche Unsicherheit Nachvertragliche Unsicherheit
Supply Risk Performance
Supply Performance
Zukünftige Nutzung hybrider Koordinationsformen
Abbildung 21 zeigt die zentralen Ergebnisse (Bestimmtheitsmaße, Pfadkoeffizienten, Signifikanzen) aus der Analyse in einem Überblick. Die Analyse der Bestimmtheitsmaße zeigt schwache bis substanzielle R2-Werte zwischen 0,04 und 0,72. Die Supply Risk Fähigkeit mit R2=0,72 wird weitgehend durch die Aktivitäten von Supply Frühwarnsystemen erklärt, d. h. ein Supply Frühwarnsystem definiert in seiner Gesamtheit mehr als 70 Prozent der Varianz des gesamten Risikomanagement-Prozesses im Supply Management von Unternehmen. Die Supply Risk Performance zeigt ein Bestimmtheitsmaß von 0,37, was insgesamt ein guter
48
EINFLUSS AUF DIE SUPPLY PERFORMANCE
Wert ist. Die Umweltfaktoren sowie die Supply Risk Fähigkeit erklären somit mehr als ein Drittel der Varianz der Supply Risk Performance. Da es sich bei dieser Untersuchung um ein Partialmodell handelt, das schon von seinem Forschungsdesign her nicht alle Einflussdimensionen der Supply Performance abbilden soll, sind die R2-Werte für die verschiedenen Supply PerformanceDimensionen mit Werten zwischen 0,04 und 0,13 niedriger ausgeprägt. Die Pfadkoeffizienten zeigen im Gesamtmodell Werte zwischen 0,00 und 0,51. Die Analyse der Pfadkoeffizienten wird im Folgenden blockweise durchgeführt und die praktischen Implikationen anhand der Beantwortung von Hypothesen abgeleitet. Abbildung 21: Statistische Auswertung des Strukturgleichungsmodells
Faktorspezifität
Supply Risikoidentifikation
0,03n
0,00n
Supply Risikoanalyse
Supplier Risikoidentifikation
Vorvertragliche Unsicherheit
Komplexität
0,13**
Nachvertragliche Unsicherheit
-0,05n
-0,15**
Cost Performance 0,20***
R2=0,04
0,36****
Quality Performance
0,36****
0,05n
Supply Risk Fähigkeit R2=0,72
0, 51****
R2=0,13
Supply Risk Performance R2=0,37
0,33****
Time Performance
0,32*** Supplier Risikoanalyse
Supply Frühwarnkontrolle
-0,25**** 0,21**
0,23***
R2=0,11
Flexibility Performance Hybride Koordination
R2=0,05
R2=0,06 n nicht signifikant * signifikant auf dem 10%-Level ** signifikant auf dem 5%-Level *** signifikant auf dem 1%-Level **** signifikant auf dem 0,1%-Level
EINFLUSS AUF DIE SUPPLY PERFORMANCE
49
Hypothese 1: Die Supply Risk Fähigkeiten werden positiv beeinflusst durch die Implementierung eines Supply Frühwarnsystems. Das Supply Frühwarnsystem wurde in der empirischen Untersuchung durch seine fünf Bestandteile Supply Risikoidentifikation, Supply Risikoanalyse, Supplier Risikoidentifikation, Supplier Risikoanalyse und Supply Frühwarnkontrolle konstruiert. Die beiden Dimensionen der Risikoidentifikation zeigen keine signifikante Verbindung zu den Supply Risk Fähigkeiten der Unternehmung. Die beiden Dimensionen der Risikoanalyse sowie die Frühwarnkontrolle zeigen signifikante Pfadkoeffizienten zur Supply Risk Fähigkeit. Die Breite der Methoden eines Frühwarnsystems kommt in der Risikoanalyse zum Ausdruck, daher kann die Hypothese insgesamt bestätigt werden. Für die Unternehmenspraxis bedeutet dies, dass die Implementierung eines Supply Frühwarnsystems die entscheidende Komponente in der Implementierung eines Supply Risk Management Systems ist. Die Varianz des Supply Risk Prozesses wird zu 72 Prozent durch die Konstrukte eines Supply Frühwarnsystems beeinflusst. Somit kann die in der Einleitung getätigte Aussage bestätigt werden: Ein Supply Frühwarnsystem ist das wichtigste Element eines Supply Risk Management-Systems. Da Supply Risikoidentifikation und Risikoanalyse einen sehr stark unterschiedlichen Einfluss auf den Gesamtprozess haben, wird im Folgenden in einer Matrix die ‚Performance‘ der Unternehmen in den verschiedenen Dimensionen dem Einfluss der Aktivitäten (‚Impact‘) gegenüber gestellt. Das entstehende ‚ImpactPerformance-Portfolio‘ gibt einen sehr guten Überblick für die Praxis, wo Verbesserungspotenzial zu erkennen ist (Abbildung 22). Aktivitäten im unteren linken Feld haben keinen signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable und werden von den Unternehmen auch nur bedingt umgesetzt. Solche Aktivitäten können weitgehend ignoriert werden und benötigen auch in der Zukunft nur wenig Beachtung. Aktivitäten im oberen linken Feld zeigen einen nicht-signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable, werden von Unternehmen jedoch intensiv umgesetzt. Die Durchführung solcher Aktivitäten kann als Ressourcenverschwendung bezeichnet werden, da den hier eingesetzten Ressourcen kein entsprechender Benefit gegenüber steht. Aktivitäten im unteren rechten Feld haben einen signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable, Unternehmen setzen die Aktivitäten jedoch nur bedingt um. Hier ist ein deutlich intensiverer Ressourceneinsatz empfohlen, um die mit den Aktivitäten verbundenen Potenziale zu heben. Eine Empfehlung kann lauten, Ressourcen aus dem oberen linken Feld in das untere rechte Feld umzulenken. Schließlich haben Aktivitäten im oberen rechten Feld einen signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable und werden von Unternehmen auch umgesetzt. Hier muss es darum gehen, das erreichte Niveau zu
50
EINFLUSS AUF DIE SUPPLY PERFORMANCE
halten (Martensen und Gronholdt 2003, S. 143-144). Wichtig ist, dass sich die Bewertung bei solch einer Portfoliomethode nicht strikt nach der Einstufung in einem Quadranten richten darf, vielmehr muss die genaue Position der Aktivität mit betrachtet werden. Das schraffierte Feld in Abbildung 22 von unten links nach oben rechts gibt einen Hinweis auf den insgesamt als ‚gut‘ zu beurteilenden Bereich, da hier Unternehmensperformance und Impact übereinstimmen. Abbildung 22: Impact-Performance-Portfolio
Performance
7,0
Ressourcenverschwendung
Hohes Niveau halten
Niedriges Niveau beibehalten
Mehr Ressourcen investieren
3,5
1,0
0,00
x nicht signifikante signifikante ... Pfadkoeffizienten / Gewichte
1,00
Impact
In einem ersten Schritt wird die Umsetzung der Aktivitäten eines Supply Frühwarnsystems überprüft. Abbildung 23 zeigt die Positionen der Aktivitäten. Die empirische Untersuchung hat gezeigt, dass Aktivitäten der Supply Risikoanalyse den stärksten Einfluss auf das Supply Risk Management-System aufzeigen, vor den Aktivitäten der Supplier Risikoanalyse und der Supply Frühwarnkontrolle. In der Unternehmenspraxis am stärksten umgesetzt sind aber die nicht signifikanten Aktivitäten der Supply Risikoidentifikation und der Supplier Risikoidentifikation.
51
EINFLUSS AUF DIE SUPPLY PERFORMANCE
Abbildung 23: Impact-Performance-Portfolio eines Supply Frühwarnsystems 4,5
Performance
⊗ Supply Risikoidentifikation Supplier
⊗ Risikoidentifikation 3,5
Supplier Risikoanalyse
⊗
⊗
Supply Frühwarnkontrolle
⊗
Supply Risikoanalyse 2,5
0,00
0,15
0,25
0,50
Impact Unternehmen fokussieren heute also genau auf die falschen Aktivitäten. Während Aktivitäten der Risikoidentifikation einen relativ starken Umsetzungsgrad haben, zeigen die Frühwarnkontrolle und die Supplier Risikoanalyse nur ein mittleres und die Supply Risikoanalyse als vom Einfluss her wichtigste Aktivität gar nur ein niedriges Level. Ein Grund hierfür kann sein, dass für die Risikoidentifikation häufig relativ weiche und somit einfache Methoden wie Brainstorming (Kienzle 2000, S. 332) oder Risikochecklisten vorgeschlagen werden (Schubert 2004, S. 165). Bei der Risikoanalyse hingegen kommen häufig anspruchsvolle Methoden wie Monte-Carlo-Simulation (Deleris und Erhun 2005) oder FMEA (Schubert 2004, S. 235) zur Nutzung. Das Know-how zur Nutzung dieser Aktivitäten könnte in Unternehmen noch nicht so weit verbreitet sein. Ein weiterer Grund kann sein, dass die gesetzlichen Forderungen an das Risikomanagement eine Identifikation der Risiken erfordert, bei der Analyse der Risiken jedoch häufig eine qualitative Einschätzung nach Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungen der Risiken ausreichend ist. Daher wird der Prozess noch vor der eigentlichen Risikominderung gestoppt. Insgesamt ist es für die Unternehmenspraxis dringend angeraten, die Ressourcen von Aktivitäten der Risikoidentifikation umzuwidmen, hin zu den Aktivitäten der Risikoanalyse.
52
EINFLUSS AUF DIE SUPPLY PERFORMANCE
Das Impact-Performance-Portfolio für die Supply Risikoanalyse in Abbildung 24 zeigt, dass die einzelnen Aktivitäten alle signifikant sind und in der Einflussdimension einen relativ gleichen Level ausweisen. Für die Aktivitäten der Beobachtungsbereiche, die Klassifizierung und die Priorisierung sollte das erreichte Level gehalten werden, während es noch Verbesserungspotenzial bei der Bestimmung von Sollwerten und Toleranzgrenzen sowie in der graphischen Darstellung der Supply Risikosituation gibt. Auch hier zeigt sich wieder, dass es Nachholbedarf an anspruchsvolleren Methoden gibt, da gerade die Bestimmung der Sollwerte aufgrund der Unternehmens- und Umweltkomplexität hohe Anforderungen an das Supply Management stellt. Wenn die entsprechenden Ergebnisse vorliegen, sollte auch die Visualisierung der Ergebnisse in der Unternehmenspraxis vorangetrieben werden, um somit die Gefährdung den beteiligten Supply Managern deutlicher vor Augen zu führen, als es heute der Fall ist. Abbildung 24: Impact-Performance-Portfolio der Supply Risikoanalyse Bestimmung Beobachtungsbereiche
4,0
Performance
⊗ Klassifizierung und Priorisierung Frühwarnindikatoren
⊗
⊗
3,5
und ⊗Sollwerte Toleranzgrenzen Graphische Darstellung
⊗ 2,0
0,00
0,15
0,35
0,70
Impact
Das Impact-Performance-Portfolio für die Supplier Risikoanalyse in Abbildung 25 zeigt, dass auch hier Ressourcen in der Unternehmenspraxis falsch eingesetzt werden. Die stärksten Ressourcen werden für die Suche nach Ursachen von Risiken eingesetzt, jedoch sollte ein Supply Risk Management in die Zukunft gerichtet
53
EINFLUSS AUF DIE SUPPLY PERFORMANCE
sein und nicht für bereits eingetretene Risiken die in der Vergangenheit liegenden Ursachen analysieren. Das Aufzeigen von Reaktionsstrategien ist ebenfalls nicht Aufgabe eines Supply Frühwarnsystems und muss zu einem späteren Zeitpunkt im Risikomanagementprozess durchgeführt werden. Nachholbedarf gibt es bei der Supplier Risikoanalyse insbesondere bei der Bewertung von Querverbindungen zwischen verschiedenen Supply Risiken. Auch hier zeigt sich wieder, dass die komplexeste Aktivität in der Unternehmenspraxis den geringsten Widerhall gefunden hat. Das Aktivitätsniveau in der Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Aufbereitung von Informationen ist dagegen noch zufriedenstellend. Abbildung 25: Impact-Performance-Portfolio der Supplier Risikoanalyse
Performance
4,5
⊗
Suche nach Ursachen
⊗
Aufzeigen von Reaktionsstrategien
Aufbereitung von Informationen
⊗
3,75
⊗
Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit Bewertung von Querverbindungen ⊗ 3,0
0,0
0,15
0,35
0,70
Impact Schließlich gilt es das Impact-Performance-Portfolio der Supply Frühwarnkontrolle in Abbildung 26 zu analysieren. Es zeigt sich, dass die Planfortschrittskontrolle in der Unternehmenspraxis bereits sehr stark implementiert wurde. Wenn Supply Risiken also einmal als relevant erachtet und Maßnahmen definiert worden sind, wird die Maßnahmendurchführung detailliert überprüft. Nachholbedarf gibt es insbesondere bei der Ergebniskontrolle. Hier scheint es Unternehmen schwer zu fallen, die grundsätzlichen Ergebnisse eines Supply Frühwarnsystems zu erfassen. Die Umsetzung der Prämissenkontrolle hat einen mittleren Wert. In Hinblick auf ihren sehr hohen Impact-Faktor ist auch hier zu empfehlen, dass die Aktivitäten in diesem Bereich verstärkt werden sollten.
54
EINFLUSS AUF DIE SUPPLY PERFORMANCE
Abbildung 26: Impact-Performance-Portfolio der Supply Frühwarnkontrolle 4,0
Performance
⊗
Planfortschrittskontrolle
3,5
⊗
Ergebniskontrolle
Prämissenkontrolle
⊗ 3,0
0,00
0,15
0,35
0,70
Impact Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass eine große Unsicherheit in der Unternehmenspraxis existiert, welche Methoden zielführend sind und wirklich zu nachhaltigen Verbesserungen der Einkaufsperformance führen. Insbesondere komplexe Aktivitäten der Durchführung eines Supply Frühwarnsystems werden in der Unternehmenspraxis nur in Ausnahmefällen angewandt. Gerade solche Methoden bringen jedoch einen echten Mehrwert, wie die empirische Untersuchung zeigen konnte. 36 Prozent der Umfrageteilnehmer haben angegeben, heute bereits einen Supply Risk Manager benannt zu haben. Im Hinblick auf die anzuwendenden Methoden wird die Notwendigkeit der Benennung einer solchen Funktion für die Unternehmenspraxis mehr als deutlich und wird auch in der Theorie als Zeichen einer integrierten und internationalen Beschaffungsstrategie gesehen (Monczka und Trent 1992, S. 17-18). Hypothese 2: Die Supply Risk Performance wird positiv beeinflusst durch die Supply Risk Fähigkeiten. Die Supply Risk Fähigkeiten zeigen einen hochsignifikanten Pfadkoeffizienten von 0,51 auf die Supply Risk Performance. Risikomanagement-Aktivitäten im Unternehmen führen also in der Unternehmensrealität im Ergebnis tatsächlich zu einer besseren Supply Risk Performance. Somit kann Hypothese 2 bestätigt werden.
55
EINFLUSS AUF DIE SUPPLY PERFORMANCE
Für die Unternehmenspraxis bedeutet dies, dass die Implementierung eines ganzheitlichen Supply Risk Management-Systems tatsächlich dazu beiträgt, die Häufigkeit und die Schwere der Auswirkung von Supply Risiken zu reduzieren. Supply Risk Management verursacht somit also nicht nur Aufwand, sondern bringt auch einen Benefit. Dieses Ergebnis erweist sich insbesondere vor dem Hintergrund als relevant, als dass eine Erfolgsmessung auf individueller Unternehmensbasis häufig sehr schwierig ist, wie die Ausführungen zu Hypothese 1 (‚Ergebniskontrolle‘) noch einmal bestätigt haben. Auch für die Supply Risk Fähigkeiten lässt sich ein Impact-Performance-Portfolio mit Blick auf die Unternehmenspraxis aufspannen, da das Konstrukt formativ konzeptualisiert wurde. Abbildung 27 zeigt, dass die Top Management Attention bereits sehr hoch ausgebildet ist und eine ebenfalls sehr starke Bedeutung besitzt. Die Supply Risk Awareness bei den Mitarbeitern besitzt ebenfalls eine starke Ausprägung bei mittlerer Bedeutung. Den stärksten Impact bei gleichzeitig jedoch geringer Umsetzung in der Unternehmenspraxis zeigen die Supply Risk Management Prozesse. Offenbar ist das Thema Supply Risk Management also in der Praxis angekommen und erlangt eine hohe Aufmerksamkeit bei Führungskräften wie bei Mitarbeitern; die Prozessstruktur zur Umsetzung wurde jedoch noch nicht geschaffen. Es wird auch hier wieder deutlich, dass die angewandte Managementforschung insbesondere inhaltlich den Prozess einer Supply Frühwarnung und eines Supply Risk Managements für die Praxis entwerfen muss. Abbildung 27: Impact-Performance-Portfolio der Supply Risk Fähigkeit 4,0 Top Management
⊗ Attention Performance
⊗
Supply Risk Awareness 3,5
Supply Risk Management Prozesse ⊗ 3,0
0,0
0,15
0,35
Impact
0,70
56
EINFLUSS AUF DIE SUPPLY PERFORMANCE
Hypothese 3: Die Supply Performance wird positiv beeinflusst durch eine positive Supply Risk Performance. Die Pfadkoeffizienten von der Supply Risk Performance zur Supply Performance zeigen durchweg positive Werte. Der stärkste Einfluss liegt bei der Supply Quality Performance mit hochsignifikanten 0,36. Ebenfalls hochsignifikant ist die Supply Time Performance bei einem Wert von 0,33. Auch die Supply Flexibility Performance (0,23) und die Supply Cost Performance (0,20) zeigen stark signifikante Werte. Die Supply Risk Performance zeigt somit einen starken und signifikanten Einfluss auf alle Dimensionen der Einkaufsleistung. Somit kann Hypothese 3 bestätigt werden. Darüber hinaus zeigen die durchweg signifikanten Pfade vom Supply Frühwarnsystem über die Fähigkeiten und die Supply Risk Performance bis hin zur Supply Performance, dass die zu Grunde liegende Annahme bestätigt werden kann, dass ein Supply Frühwarnsystem einen positiven Einfluss auf die Einkaufsleistung ausübt. Hiermit ist ein wichtiger Schritt zur Akzeptanz von Supply Frühwarnsystemen in der betrieblichen Praxis gelungen. Empirisch kann somit die Aussage bestätigt werden: Ein im Supply Management implementiertes Frühwarnsystem verbessert die Einkaufsleistung. Ein Blick auf die Detailergebnisse zeigt, dass der Einfluss in den vier Dimensionen unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Diese Unterschiede lassen sich inhaltlich erklären. Der stärkste Einfluss des Supply Risk Managements ist auf die Qualitätsleistung des Einkaufs zu erwarten. Da die Qualitätsdimension (wie auch die anderen Performance-Dimensionen) reflektiv konzeptualisiert wurde, kann hier leider nicht der Einfluss einzelner Qualitätsdimensionen untersucht, sondern nur die Qualitätsdimension als Ganzes beurteilt werden. Der starke Einfluss kann darauf zurückzuführen sein, dass Qualitätsmängel am besten noch im eigenen Unternehmen entdeckt und abgestellt werden können (z. B. durch eine Wareneingangsprüfung). Gerade auch im Bereich des Qualitätswesens gibt es zahlreiche Kennzahlen, die für ein Supply Frühwarnsystem eingesetzt werden können, um die aktuelle Qualitätsleistung und eine Qualitätsentwicklung als Zukunftsleistung zu prognostizieren (z. B. die Bestimmung von ppm-Werten, Auswertung von cpk-Werten, Pareto-Analysen etc.). Ein Frühwarnsystem auf Basis solcher Kennzahlen gibt dem Supply Management eine starke Möglichkeit, die Supply Quality Performance zu verbessern. Ein ebenfalls sehr starker Einfluss kann auf die Supply Time Performance konstatiert werden. Dieser kann darauf zurückzuführen sein, dass es bei Verletzung der Zeitvorgaben des einkaufenden Unternehmens häufig noch Möglichkeiten gibt, die Waren trotzdem im vorgegebenen Zeitfenster der Produktion zur Verfügung zu
EINFLUSS AUF DIE SUPPLY PERFORMANCE
57
stellen (z. B. durch Sonderfahrten). So tragen Aktivitäten des Supply Risk Managements dazu bei, eine bessere Supply Time Performance zu erreichen. Einen geringeren, wenngleich auch signifikanten, Einfluss haben die Aktivitäten des Supply Risk Managements auf die Supply Flexibility Performance. Gründe hierzu liegen in den häufig statischen Ursachen einer mangelnden Flexibilitätsleistung. Wenn zusätzliche Produktionsanlagen nicht zur Verfügung stehen oder statisch miteinander verknüpft sind, kann nicht flexibel auf die Anforderungen des Kunden reagiert werden. Ein Supply Frühwarnsystem kann hier also nur teilweise eine Verbesserung erreichen, der Fokus muss auf eine langfristige Betrachtung und Planung der Kapazitäten gerichtet sein. Ebenfalls geringeren Einfluss haben Aktivitäten des Supply Risk Managements auf die Supply Cost Performance. Dieser Zusammenhang ist direkt ersichtlich, da die zusätzlichen Aktivitäten nicht nur einen Nutzen mit sich bringen, sondern auch Kosten verursachen. Es bestätigt sich durch die vorliegende Signifikanz auch hier, dass der Nutzen eines Systems höher ist als seine Kosten, jedoch sind die Wirkungen auf die anderen drei Einkaufsdimensionen stärker. Jedoch fallen gerade beim Aufbau eines Systems Kosten in beträchtlichem Umfang an. Da viele Unternehmen gerade erst ein Risikomanagementsystem einführen, ist die Kostendimension auch aus diesem Grund relativ niedrig positiv beeinflusst. Es lässt sich ein stärkerer positiver Einfluss auf die Kostendimension erwarten, nachdem sich Supply Risk Management-Systeme in der Praxis durchgesetzt haben. Hypothese 4: Die Supply Risk Performance wird negativ beeinflusst durch transaktionsspezifische Umweltfaktoren im Supply Netzwerk. Der Einfluss transaktionsspezifischer Umweltkonstrukte auf die Supply Risk Performance, der auch in dieser Untersuchung geprüft wurde, zeigt ein widersprüchliches Bild. Faktorspezifität (nicht signifikant bei 0,03) und vorvertragliche Unsicherheit (nicht signifikant bei -0,05) zeigen keinen Einfluss auf die Supply Risk Performance. Die Dynamik musste während der Operationalisierung aus dem Modell eliminiert werden. Die nachvertragliche Unsicherheit zeigt mit einem signifikanten Wert von -0,15 das erwartete Verhalten: Je höher die nachvertragliche Unsicherheit ausgeprägt ist, desto geringer ist die Supply Risk Performance. Dagegen zeigt die Komplexität einen positiven und signifikanten Pfadkoeffizienten von 0,13 zur Supply Risk Performance. Die Daten der empirischen Untersuchung weisen also aus, dass bei hoher Komplexität auch die Supply Risk Performance besser wird. Insgesamt kann Hypothese 4 somit nicht bestätigt werden, da von den fünf Unterhypothesen nur Hypothese 4e zur nachvertraglichen Unsicherheit den erwarteten Einfluss aufweist.
58
EINFLUSS AUF DIE SUPPLY PERFORMANCE
Hypothese 5: Die zukünftige Nutzung hybrider Koordinationsformen im Supply Netzwerk wird negativ beeinflusst durch die Supply Risk Performance. Abschließend zeigt sich ein hochsignifikanter negativer Zusammenhang zwischen der Supply Risk Performance und der zukünftigen Nutzung hybrider Koordinationsformen. Unternehmen mit Schwierigkeiten in der Supply Risk Performance tendieren in der Zukunft daher stärker zu hybriden Koordinationsformen als es bei Unternehmen mit einer guten Supply Risk Performance der Fall ist. Somit kann Hypothese 5 bestätigt werden. Im Detail wurde das Konstrukt am stärksten durch die beiden Indikatoren Entwicklungsleistung und Spot-Beschaffung (invertiert) gebildet. Unternehmen mit einer schlechten Supply Risk Performance versuchen daher vor allem, durch die Abnahme von rein marktbasierten Austauschvorgängen und durch eine Stärkung von Entwicklungskooperationen ihre Supply Risk Performance wieder zu verbessern. Diese Tendenz lässt sich gut begründen, da Entwicklungskooperationen die erste Möglichkeit einer hybriden Koordinationsform sind, die eine wirklich enge Zusammenarbeit beider Kooperationspartner mit sich bringt. Jahresverträge und Langzeitvereinbarungen dagegen sind noch immer weitgehend vom einkaufenden Unternehmen gesteuert. Durch die enge Zusammenarbeit in Form einer Entwicklungskooperation jedoch wird gerade der Frühwarnaspekt gestärkt und aus der Sicht der Unternehmen somit effektiv zu einer Verbesserung der Supply Risk Performance beigetragen.
ZUSAMMENFASSUNG
59
8. Zusammenfassung Dieser Research Report hat die praxisorientierten Ergebnisse einer empirischen Studie des Supply Chain Management Institute zusammengefasst. Die zentralen Inhalte werden abschließend noch einmal stichpunktartig anhand der fünf empirischen Highlights zusammengefasst: (1) Ein Supply Frühwarnsystem als entscheidendes Element des Supply Risk Managements trägt dazu bei, die Häufigkeit und Schwere der Auswirkung von Supply Risiken zu reduzieren und verbessert die Einkaufsleistung in allen vier Dimensionen Kosten, Qualität, Zeit und Flexibilität. Die empirische Analyse zeigt, dass die Implementierung eines ganzheitlichen Supply Risk Management-Systems tatsächlich dazu beiträgt, die Häufigkeit und die Schwere der Auswirkung von Supply Risiken zu reduzieren und die Einkaufsleistung in allen Dimensionen (Kosten, Qualität, Zeit, Flexibilität) signifikant zu verbessern. Es zeigen sich durchweg signifikante Pfade vom Supply Frühwarnsystem über die Fähigkeiten und die Supply Risk Performance bis hin zur Supply Performance, so dass die zu Grunde liegende Annahme bestätigt werden kann, dass ein Supply Frühwarnsystem einen positiven Einfluss auf die Einkaufsleistung ausübt. Hierbei ist der Einfluss auf die Qualitätsleistung am stärksten, gefolgt von der Zeit-, Flexibilitäts- und Kostenleistung. Supply Risk Management verursacht somit also nicht nur Aufwand, sondern bringt auch einen mit dieser Untersuchung nachgewiesenen Benefit. Innerhalb des Supply Risk Managements zeigt die Analyse des Strukturgleichungsmodells, dass die Implementierung eines Supply Frühwarnsystems die entscheidende Komponente des gesamten Supply Risk Management Systems ist. Die überragende Bedeutung von Supply Frühwarnsystemen wird empirisch bestätigt. Ein im Supply Management implementiertes Frühwarnsystem verbessert messbar die Einkaufsleistung. (2) Unternehmen fokussieren heute bei der Implementierung von Supply Frühwarnsystemen auf die falschen Aktivitäten. Bei der Implementierung von Supply Frühwarnsystemen fokussieren Unternehmen heute genau auf die falschen Aktivitäten: Statt sich auf Aktivitäten der Risikoanalyse und Frühwarnkontrolle zu konzentrieren, wird von der Mehrzahl der Unternehmen nur die Risikoidentifikation umgesetzt, die sich jedoch als nicht signifikant erwiesen hat. Detailergebnisse zu Aktivitäten der einzelnen Konstrukte sowie Empfehlungen für die Unternehmenspraxis wurden aufgestellt. Es ist fest-
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zuhalten, dass eine große Unsicherheit in der Unternehmenspraxis existiert, welche Methoden zielführend sind und wirklich zu nachhaltigen Verbesserungen der Einkaufsperformance führen. Insbesondere komplexe Aktivitäten bei der Durchführung eines Supply Frühwarnsystems werden in der Unternehmenspraxis nur in Ausnahmefällen angewandt. Gerade solche Methoden bringen jedoch einen echten Mehrwert für die Einkaufsleistung. (3) Es lassen sich drei Relevanzklassen von Supply Risiken unterscheiden, insgesamt zehn Risiken sind als Top Supply Risiken in Klasse 1 einzuteilen. Die Analyse der Supply Risiken zeigt drei relativ klar abgetrennte Klassen. Risiken der dritten Klasse zeigten sich in der empirischen Untersuchung als weitgehend irrelevant für die Praxis, hierzu sind die Risiken ‚Moralische Standards‘, ‚Betrug‘, ‚Krieg oder Terrorismus‘, ‚Volkswirtschaft‘, ‚Arbeitskämpfe‘, ‚Katastrophen‘ und ‚Geistiges Eigentum‘ zu zählen. Supply Risiken der mittleren Klasse haben eine mittlere Eintrittswahrscheinlichkeit. Ausgewählte Risiken umfassen ‚Währung‘, ‚Produktivität‘, ‚Liquiditätsrisiken‘ und das ‚Firmenstruktur-Risiko‘. Schließlich gibt es die höchste Risikoklasse, die als Top Supply Risiken bezeichnet werden. Sie besteht aus Risiken mit einem Mittelwert über 1,9 sowie aus dem Produkthaftungs- und dem Ramp-Up-Risiko, die beide eine mittlere Auftretenswahrscheinlichkeit haben, deren Auswirkungen sich jedoch als sehr kritisch erweisen. Die Top Supply Risiken umfassen (mit zunehmender Relevanz) ‚Produkthaftung‘, ‚Ramp-Up‘‚ ‚Single Source‘, ‚Rohmaterial‘, ‚Disposition‘, ‚Flexibilität‘, ‚Nachfrageänderungen‘, ‚Marktpreise‘, ‚Abhängigkeit‘ und ‚Beschaffungslogistik‘. Diese zehn Risiken decken alle Bereiche der Supply Chain ab, so dass ein breites Verständnis von Supply Risk Management unabdingbar ist. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Wahrnehmung in Wissenschaft und Praxis häufig fehlerhaft ist. Dies umfasst zum einen die zahlreichen Untersuchungen zu Themen wie Betrug, geistigem Eigentum oder Arbeitskämpfen, die sich jedoch in der Praxis als irrelevant erweisen. Ebenfalls ist hier der Fokus vieler Veröffentlichungen auf Umweltrisiken zu nennen, da Risiken für das Supply Management vor allem von beschaffungsseitigen Risiken ausgehen und nur sehr selten von externen Ereignissen wie Katastrophen oder volkswirtschaftlichen Risiken. (4) Die Strukturvariablen Lieferantenstruktur, Branche, Stellung in der Wertschöpfungskette und Wertschöpfungstiefe sind relevante Einflussfaktoren für das Supply Risk Exposure von Unternehmen. Den stärksten Einfluss auf die Risikosituation im Supply Management hat die Lieferantenstruktur des einkaufenden Unternehmens: Unternehmen, die große Men-
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gen elektronischer oder mechanischer Komponenten zukaufen, haben eine signifikant höhere Exposition zu Supply Risiken als Unternehmen, die nur einen geringen Anteil in diesen Produktbereichen zukaufen. Das Gegenteil ist der Fall bei indirekten Materialien. Hier haben Unternehmen mit einem hohen Zukaufanteil indirekter Materialien und Dienstleistungen eine signifikant niedrigere Exposition. Ebenfalls relevant zeigt sich die Branche: Insbesondere die Luft- und Raumfahrtindustrie hat eine sehr kritische Supply Risk Situation, während in der Medizintechnik, der Chemieindustrie sowie in der Energie- und Wasserversorgungsindustrie ein unterdurchschnittliches Supply Risk Exposure aufgezeigt werden kann. Als drittes wurde die Stellung in der Wertschöpfungskette als Einflussfaktor identifiziert: Insbesondere Lieferanten der 1. Stufe (Tier 1 bzw. Modul- & Systemlieferanten) weisen eine kritische Supply Risk Situation auf. Deutlich geringere Risiken gibt es dagegen bei Produzenten von indirekten Materialien und Dienstleistungen sowie bei Handelsunternehmen. Abschließend erweist sich die Wertschöpfungstiefe relevant: Eine sehr niedrige Wertschöpfungstiefe von unter 20 Prozent erhöht die Verletzbarkeit der Unternehmen stark, während eine sehr hohe Wertschöpfungstiefe von über 80 Prozent diese senkt. (5) Bei der Analyse von Kosten und Nutzen eines Supply Frühwarnsystems erweisen sich die Nutzenverteilung im eigenen Unternehmen und die Nutzenverteilung zwischen Abnehmer und Lieferant als zentrale Herausforderungen. Kosten für den Aufbau und Betrieb des Frühwarnsystems fallen weitgehend im Einkauf an. Nutznießer eines solchen Systems sind aber in erster Linie andere Abteilungen im eigenen Unternehmen. Die Entwicklung eines übergreifenden Supply Risk Management-Systems, das kosten- und nutzenwirksam für das gesamte Unternehmen gestaltet und in ein ganzheitliches Zielsystem eingeordnet wird, ist somit eine wichtige Empfehlung für die Praxis. Darüber hinaus ist der Nutzwert eines Supply Frühwarnsystems für Lieferanten kritisch zu beurteilen. Der Notwendigkeit der Integration von Lieferanten in die Aktivitäten eines Supply Frühwarnsystems steht ein nur geringer Nutzenwert für den Lieferanten gegenüber. Es ergibt sich die Notwendigkeit, aktiv die Motivation und Bereitschaft von Lieferanten zur Teilnahme an Aktivitäten des Supply Risk Managements herzustellen. Der, auch finanzielle, Nutzen eines Supply Frühwarnsystems für den Lieferanten muss in der Zukunft deutlicher werden, als dies heute der Fall ist und gegebenenfalls mit geeigneten Anreizsystemen hinterlegt werden.
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Der Autor Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dr. Marco Moder war sechs Jahre im strategischen Einkauf eines führenden internationalen Automobilzulieferers beschäftigt. Seine Tätigkeitsschwerpunkte lagen in den Bereichen Einkaufsstrategie, Risikomanagement in der Supply Chain, Materialkostenreduzierung und dem Einkauf in Niedrigkostenstandorten. Hierbei war er von 2004 bis 2007 als Projektleiter für die Konzeption eines Supply Risk Management-Systems sowie die Implementierung und den Roll-Out des integrierten Supply Frühwarnsystems verantwortlich. Heute ist er als Unternehmensberater bei einer international tätigen Topmanagement-Beratung tätig.