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German Pages 140 [163] Year 1984
HISTORIA ZEITSCHRIFT FÜR ALTE GESCHICHTE · REVUE D’HISTOIRE ANCIENNE · JOURNAL OF ANCIENT HISTORY · RIVISTA DI STORIA ANTICA
EINZELSCHRIFTEN · HEFT 46
GEROLD WALSER
SUMMUS POENINUS BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DES GROSSEN ST. BERNHARD-PASSES IN RÖMISCHER ZEIT
FRANZ STEINER VERLAG WIESBADEN GMBH
GEROLD WALSER SUMMUS POENINUS
CIP-Kurztitelaufnahme derDeutschen Bibliothek Walser, Gerold: Summus Poeninus: Beitr. zurGeschichte d.Grossen
– Wiesbaden:
Steiner, 1984.
St. Bernhard inröm. Zeit / Gerold Walser.
(Historia: Einzelschr.; H.46) ISBN 3-515-04183-4
NE: Historia / Einzelschriften
Alle Rechte vorbehalten Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dasWerk oder einzelne Teile daraus nachzudrucken oder auf photomechanischem Wege(Photokopie, Mikrokopie usw.) zuvervielfältigen. Printed inGermany
© 1984 by Franz Steiner Verlag Wiesbaden
GmbH.
Der hohen philosophischen Fakultät der Universität Bologna gewidmet als bescheidener Dank für diedem Verfasser ehrenvoll verliehene Doktorwürde
VORWORT
Die vorliegende Studie ist aus den Vorarbeiten zumMeilenstein-Corpus (CIL XVII) entstanden. WieMommsen es 1847 vorgeschrieben hatte, gehören zur Bearbeitung der Inschriftsteine nicht nur dieAutopsie, sondern auch dasStudium derBegleitdokumente unddasNachwandern der römischen Strassen. Für die Summus-Poeninus-Strasse konnte ich diese Forderung invielen Besuchen auf demHospiz undan derPassroute während der Jahre 1960– 1980 erfüllen, wobei ich mich dankbar der Hilfe der Patres beim Photographieren erinnere. Besonderen Dank schulde ich demPrior desOrdens, Monseigneur Lovey, ferner demunermüdlichen Ausgräber von Martigny, Herrn F. Wiblé, undderDirektorin desMuseums von Aosta, Signora Mollo Mezzena. Für dieKommentare
der Inschriften genoss ich die selbstlose Hilfe des unvergesslichen Kollegen H. G. Pflaum, welcher noch vor seinem Tode dasManuskript durchsehen konnte. Die Arbeit ist denFreunden von derUniversität Bologna gewidmet, die seit vielen Jahren unseren Bemühungen umdie römischen Strassen nie versagende Hilfe undUnterstützung gewähren. Gerold Walser
INHALTSVERZEICHNIS
I. DieEroberung desGrossen St. Bernhard-Passes Römer
11
durch
die
Die späte Besetzung der Zentralalpen durch die Römer – Die Ziele desaugusteischen Alpenkrieges – DerWiderstand derSalasser – Anlegung derKolonie Aosta – Datum derBesetzung desSummus Poeninus unsicher – Provinzordnung nach demAlpenkrieg – Raetien unddieAlpenprovinz Alpes Graiae et Poeninae – Verwandlung dervorrömischen Stämme inCivitates
II. DieGeographie desGrossen St. Bernhard-Passes
23
III. ZurVerkehrsgeschichte desSummus Poeninus
33
IV. ZumReisewesen derrömischen
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Geopolitische Bedeutung des Passes – Geographische und meteorologische Bedingungen – Winterübergänge verlangen geländekundige Passeure – Brücken auf der Nord- und Südseite desPasses – Topographische Beschreibung: von Ivrea bis Aosta – vonAosta auf die Passhöhe – Abstieg ins Val d’Entremont – Bourg St. Pierre – Liddes – Orsières – Sembrancher – Dranceschlucht vonBovernier – Umweg über denMont Chemin – Martigny – Rhônebrücke vonMassongex – Verlauf derStrasse durch dasUnterwallis
Vorrömischer Handelsverkehr – Keltenzüge über den Grossen St. Bernhard – Caesars Alpenübergänge – DerKleine St. Bernhard alsaugusteischer Fahrweg, derGrosse St. Bernhard als augusteischer Saumpass – Tiberius undCaligula – Ausbau desPassweges durch Kaiser Claudius – Strassenbauten desClaudius nach augusteischen Plänen – DerÜbergang desVitellius im März 69 – Truppendurchzüge 69/70 – Domitian inHelvetien – Traians Alpenreisen – Truppenverschiebungen des 2. Jh. ausserhalb desAlpengürtels – DieTruppenbewegungen der severischen Zeit – Einfall der Alamannen über denGrossen St. Bernhard – Verlagerung der römischen Marschtruppen auf Reiterheere – Uebergang Constantins imJahre 312 – Zerstörung desPassheiligtums durch Theodosius – Ausblick auf die mittelalterliche Passgeschichte: Passübergänge der karolingischen Herrscher – Warenverkehr, Zollkatalog von Aosta des Jahres 960 – Der Grosse St. Bernhard als Pilgerweg – Päpstliche und kaiserliche Privilegien für die Pass-Strasse – Gründung des Hospizes und Schenkungen andasHospiz entlang derRoute vonItalien bisEngland
Kaiserzeit
Die Summus-Poeninus-Route aufdenantiken Itineraren – Tabula Peutingeriana – ungenügende geographische Zeichnung – Stationen undDistanzangaben – Itinerarium Antonini – Stationenregister im Vergleich zurTabula – Die Meilensteine – Liste dererhaltenen Meilensäulen – Steine desClaudius – Steine ausderZeit derTetrarchen undConstantins – Strassensicherheit – Polizei- und Militärüberwachung – Beneficiarierposten – Zollposten – Religiöse Vorkehrungen zur Reisesicherheit – Gelübde und Ex-Votos – Die Ex-Voto-Täfelchen auf demGrossen St. Bernhard – Liste dererhaltenen undseit Auffindung verlorenen Tafeln – Die Ex-Votos als Quelle für denPassverkehr – Militärinschriften gelten nicht Truppendurchzügen, sondern Einzelmissionen – Händler – Einzelreisende – Technik undForm derTafeln
Inhalt
V. Katalog derEx-Voto-Täfelchen desSummus Poeninus VI. Indices
Verzeichnis derTafeln Zitierte Literatur Personen undOrtsnamen Sachregister
Tafeln
9
81 127 127 128 133 139
I. DIE EROBERUNG DES GROSSEN ST. BERNHARD-PASSES DURCH DIE RÖMER
Die späte Besetzung der Zentralalpen durch die Römer, zueiner Zeit als die Legionen schon nach Britannien übergesetzt waren undin Gallien und am Rhein standen, hängt mit demeigentümlichen Charakter des römischen Imperialismus zusammen. Den Zeitgenossen der republikanischen Expansion kam das Wachsen des Reiches noch als Ausfluss der römischen Verfassung und Staatskunst vor. DerHistoriker Polybios nimmt sich vor, nachzuweisen, „ durch welche Mittel der Staatskunst beinahe die ganze bewohnte Welt in nicht ganz 53 Jahren bewältigt und unter die alleinige Herrschaft der Römer gebracht worden ist.“1 Aber späteren Beobachtern erschien derrömische Siegeszug nicht mehr so folgerichtig undorganisch wiePolybios. Appian, Geschichtsschreiber des 2. Jh. n. Chr., wundert sich über die späte Besitzergreifung der Alpen: „Ich wundere mich darüber, dass so viele und grosse römische Heere gegen die Kelten undIberer über dieAlpen zogen unddiese Völker nicht beachtet haben, unddass selbst ein so glücklicher Kriegsheld wie Caius Caesar nicht fertig wurde mit ihnen, als er mit denKelten kämpfte und 10 Jahre lang in ihrem Gebiet überwinterte. Allein es scheint, dass die einen, dem Ziel ihres Marsches zueilend nur an den raschen Uebergang über die Alpen dachten, Caesar aber seine Aufmerksamkeit nur dem Keltenkrieg zuwendete, und als der Bürgerkrieg mit Pompeius unmittelbar darauf folgte, dieVollendung dieser Aufgabe verschob“ 2. Dieneuere Forschung, beginnend mit Theodor Mommsen, hat auch für die grosse Eroberungszeit der Republik dasFehlen einer einheitlichen Expansionspolitik nachgewiesen. Die Römer sind mehr widerwillig unddefensiv als planend undoffensiv in dieKämpfe derhellenistischen Grossmächte hineingerissen worden3. Sicherheits- und Abwehrdenken 1 1,1,5– 6. Die Zeitspanne von53 Jahren wird vonPolybios 3,1,10 undöfter wiederholt. Vgl. dazu den Kommentar vonF. W.Walbank I, 1957. ZumCharakter desrömischen Imperialismus republikanischer Zeit allgemein A.Heuss, Römische Geschichte, 19714, 547 f. 2 Illyr. 15,44. 3 Klassische Abhandlung hierzu M.Holleaux, Rome, laGrèce et lesMonarchies Hellénistiques, 1920. FürdenBeginn derpunischen Kriege A.Heuss, Dererste punische Krieg unddasProblem des römischen Imperialismus, Hist. Zs. 169, 1949, 457– 513 (Abdruck Wiss. Buch.– Ges. Darmstadt).
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war die Maxime derführenden Politiker im 2. Jh. v. Chr., undoft gaben sich die rasch wechselnden Oberbeamten des römischen Staates nicht
Rechenschaft darüber, welche weltpolitischen Konsequenzen ihre Feldzüge brachten. Die eigenmächtigen Unternehmungen dergrossen Führer der späten Republik aber waren auf den innenpolitischen Gewinn des Einzelnen ausgerichtet, nicht auf eine aussenpolitische Planung des Reiches. Noch Julius Caesar steht in derrepublikanischen Tradition der „ Privatkriege“, mit welchen der ehrgeizige Senatsadel das ganze römische Volk verpflichtete, wenn uns auch heute, vom Standpunkt Europas aus, die Besetzung Galliens als weltgeschichtliche Notwendigkeit erscheint4. Zum Teil dürfte die „unorganische“ E xpansion der Römer mit denmangelnden geographischen Vorstellungen vondenLändern an der Nordgrenze zusammenhängen, denn noch lange wirkte die hellenistische Anschauung nach, dass Donau undRhône einem gemeinsamen Quellsee entsprängen5. Noch Caesar glaubte, dass der Rhein durch das Wallis fliesse6. Diese unklaren Begriffe von der Gliederung der Alpen erscheinen unsumso erstaunlicher, alsdieRömer seit dem3. Jh. v. Chr. immer wieder gezwungen waren, sich mit den Alpenpässen als militärischen Einfallspforten nach Italien zu befassen. In den Kriegen gegen die oberitalischen Boier undInsubrer erhielten dieKelten Zuzug von transalpinen Hilfsvölkern7. Bald darauf erfolgte der Einfall Hannibals, dessen geographische Zusammenhänge so ungenügend beobachtet worden sind, dass der Streit um denHannibal-Pass bis auf unsere Tage weiterdauert8. Auch der Einfall der Kimbern undTeutonen trug wenig zur Kenntnis der Alpengeographie bei. Mit den Zügen des Pompeius über die Westalpen nach Spanien unddemUebergang Caesars vonOberitalien an die mittlere Rhône im Jahre 58 v. Chr. stellte sich die Forderung nach dem strategischen Besitz der Alpenübergänge dringend, aber der Versuch desJahre 57 v. Chr., denGrossen St. Bernhard vom 4 Vgl. dazu etwa D. Timpe, lismus, Historia
Caesars gallischer Krieg
14, 1965, 189– 214.
5 Ueber dierömischen
unddasProblem desrömischen
Imperia-
Vorstellungen vonderGeographie derAlpen zuletzt D.vanBerchem, Les Alpes sous la domination romaine, in: Histoire et Civilisations des Alpes, publ. sous la direction deP. Guichonnet, I, 1980, 95 f. 6 bell. Gall. 4,10,3. Dazu vgl. E. Howald-E. Meyer, Die römische Schweiz, 1941, 38 Anm. 4 unddenKommentar vonMeusel-Kraner-Dittenberger I20, 1964, zurStelle. 7 Fabius Pictor zumJahre 225 v. Chr. bei Orosius 4,13,5 = F 19 Jac. (dort auch dieübrigen Hinweise auf dieGaesaten). 8 ZurDiskussion über denHannibalpass vgl. E. Meyer, Hannibals Alpenübergang, Mus.Helvet. 15,1958,227– 241 und 21,1964,99– 102; vgl. aber Kahrstedt’s Warnung (Geschichte der Karthager III,1913,181), der in der Passfrage eine literarische, keine geographische Kontroverse sehen will.
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Unterwallis her zu öffnen, endete mit einer schweren Schlappe für den Prokonsul in Gallien9. Noch Decimus Brutus musste sich im beginnenden Bürgerkrieg um Caesars Erbe nach seinem Sieg bei Mutina die Passage nach Grenoble mit einem hohen Wegzoll an die Gebirgler erkaufen10. Erst Augustus scheint klar erkannt zu haben, dass der Besitz derAlpenpässe als direkte Verbindung zwischen Italien und den Rhône-, Rhein- undDonaulinien eine unaufschiebbare Notwendigkeit derrömischen Reichspolitik bedeutete. Sein Entschluss, den Alpengürtel mit den wichtigen Pässen zu erobern, steht mit demAuftrag anAgrippa in Zusammenhang, dieGeographie derProvinzen durch eine systematische Kartenaufnahme zu klären11. Im Rechenschaftsbericht des Monumentum Ancyranum gibt er in knappen Worten dasResultat derAlpeneroberung an, welche Unternehmung er mit der Sicherheit der Provinzen Gallien, Spanien und Germanien rechtfertigt12. Aber wie bei der übrigen Neuordnung des Reiches gibt die Inschrift nur dasEndergebnis langjähriger Bemühungen bekannt. Die Operationen zum Besitz derAlpenpässe dauerten mehr als 20 Jahre13. 9 bell. Gall. 3, 1– 6. ντα ἐκ 10 Strabo 4,7,205 anlässlich der Salasserbeschreibung: ο ἵ γε καὶ Δέκ ιµον Βρ οῦτον φυ γό Μουτ ί νης ἐ πρ ά ξαντο δρ αχµὴν κατ᾽ ἄνδρα, wobei der Ausdruck der Flucht nach der Schlacht bei Mutina dasspätere Schicksal desBrutus vorwegnimmt. Beim Uebergang über denKleinen St. Bernhard im Juni 43 führte Brutus noch 10 Legionen (Appian 3,97), vondenen
allerdings 4 Einheiten durch die Kämpfe in Mutina geschwächt waren und6 ausRekruten bestanden. Die Kampfkraft dieser grossen Armee muss aber so gering gewesen sein, dass Brutus den Salassern das Passiergeld – vermutlich unter Inanspruchnahme ihrer Säumerdienste – erlegte. 11 Wann die Commentarii geographici niedergeschrieben worden sind, ist unbekannt, unddie Weltkarte am Porticus Vipsaniae scheint erst lange nach demToddesAgrippa ausgestellt worden zu sein (Plin. n. h. 3,17; dazu R. Hanslik, RE IX A Sp. 1270), aber ins Jahr 28 v. Chr. fällt der erste allgemeine Bürgercensus (Mon. Anc. 8), den Octavian gemeinsam mit Agrippa durchführte und der zur statistisch-geographischen Erfassung desReiches gehört. Im folgenden Jahre 27 warder Kaiser selbst in Gallien (Narbo: Liv. epit. 134). Bei derNeuorganisation der Provinzverwaltung dürften auch die Strassenübergänge von Italien nach Gallien studiert worden sein. Lit. dazu bei R. Frei-Stolba, ANRWII 5,1, 351. 12 Mon. Anc. 26: Gallias et Hispanias provincias, item Germaniam, quacingit oceanus a Gadibus ad ostium Albis fluminis, pacavi. Alpes a regione ea, quae proxima est Hadriano mari, usque ad Tuscum pacificavi nulli genti bello per iniuriam inlato. Mommsen, der die Passbewohner als „ Raubgesellen“ betrachtet, interpretiert denPassus so: „ WennderKaiser späterhin in demGesammtbericht über seine Reichsverwaltung erklärt, dass gegen keine dieser kleinen Völkerschaften vonihmzuUnrecht Gewalt gebraucht worden sei, sowirddiesdahin zuverstehen sein, dass ihnen Gebietsabtretungen undSitzwechsel angesonnen wurden undsie sich dagegen zurWehre setzten“ (Röm. Geschichte V9 15). 13 Gesamtdarstellungen über die Alpenkriege: G.Oberziner, Leguerre di Augusto contro i popoli Alpini, Roma 1900. F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 105– 110. D. van Berchem, in: P. Guichonnet, Histoire et Civilisations des Alpes I, 1980, 102– 110.
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Die augusteische Alpeneroberung beginnt mit demSalasserkrieg des
Jahres 25 v. Chr.14. Der Kampf der Römer mit diesem mächtigen und reichen Volksstamm des oberen Aosta-Tales hat eine lange Vorgeschichte. Die Salasser besassen ergiebige Goldgruben, die ihnen eine eigene Münzprägung ermöglichten15, und sie verdienten gut an den Säumerdiensten über die Pässe des Grossen undKleinen St. Bernhard. Der erste Konflikt wird vom Jahre 143 v. Chr. berichtet16, als die Salasser im Streit mit einem Nachbarstamme um die Wasserrechte für die Goldwäscherei an der Dora Baltea die Römer um einen Schiedsspruch anriefen. Das römische Territorium reichte damals bis an den Po. Der Appell an die Ordnungsmacht im Süden entsprach den keltischen diplomatischen Gepflogenheiten, unddie Salasser als Säumer und Besitzer wichtiger Handelsübergänge konnten hoffen, bei den Römern ihren Standpunkt durchzusetzen. Der Consul des Jahres, Appius Claudius Pulcher (Schwiegervater des Tiberius Gracchus) aber spielte ein unredliches Spiel und versuchte, sich selbst am Golde von Ivrea zu beteiligen. Die Salasser wehrten zunächst diesen Handstreich ab, aber der Consul hatte nach einer Intervention von zwei senatorischen Emissären Erfolg, auf Grund dessen er in Rom denTriumph verlangte. Die Mehrheit des Senates, staatsrechtlich gewissenhafter als der Oberbeamte, verweigerte Claudius diese Ehre, weshalb er den Triumphzug eigenmächtig und auf eigene Kosten durchführte. Bei der Feier kam es zum Skandal, da ein Volkstribun den Triumphator vom Wagen reissen wollte. Aber der Consul liess seine Tochter, eine Vestalin, aufsteigen, die ihren Vater mit ihrer unverletzlichen Person zu schützen wusste. Eine Zeit später, nach dem Siege des Marius über die Cimbern, als die Römer mit starken Streitkräften nördlich der Polinie standen, glückte der römische Griff nach dem Salassergold. Im Jahre 100 v. Chr. wurde die Militärkolonie Eporedia (Ivrea) jenseits der italischen Grenze angelegt, die Goldwerke der Salasser enteignet und die Stammesbevölkerung aus demunteren Tal derDora Baltea verdrängt17. Es versteht sich, dass die Gebirgler diese Einbusse nicht gutwillig hin-
14 Ueber den Salasserkrieg desJahres 25 v. Chr. vgl. Oberziner,
a.a.O. 26– 33. Antike Belege bei Philipp, RE IA Sp. 1849, neuere Literatur bei R. Frei-Stolba, ANRW II 5,1, 352 Anm. 229. 15 ZurGoldprägung derSalasser vgl. A.Pautasso, Lemonete attribuite ai Salassi, in: Lemonete preromane dell’ Italia sett., Atti d. centro d. studi preist. edarcheol. 1966, 54– 56. 16 Dio Cassius Frg. 74 Boiss. Münzer, RE III Sp. 2848. 17 Gründung der Kolonie Eporedia durch Veteranen des Marius: Vell. Pat. 1,15,5. Dazu vgl. Mommsen, CIL V (1877) p. 750 f.; J. Corradi, Inscr. It. XI 2 (Eporedia: 1931) p. XII.
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nahmen, sondern die neue Kolonie und den römischen Handelsverkehr durch Ueberfälle und Plünderungen bedrängten. Deshalb kam es in der Folge immer wieder zu Kämpfen mit Rom. Caesar musste 58, beim Beginn desHelvetierkrieges, die kürzeste Verbindung zwischen Oberitalien und Genf vermeiden18. Im folgenden Jahre scheiterte sein Versuch, den Grossen St. Bernhard von Norden zu öffnen, schon amWiderstand der Veragrer imWallis19. 43 erlaubten die Salasser demDecimus Brutus den Zug nach Grenoble nur gegen ein hohes Passiergeld20. Auch 35 wird von Kämpfen im Dora Baltea-Tal berichtet, die C. Antistius Vetus, praetorischer Legat Octavians, führte. DemFeldherrn gelang es, einige Talengen der Durchgangsstrasse zu besetzen und die Salasser durch Sperrung derSalzzufuhr zuVerhandlungen zu bringen21. Aber nach Abzug der römischen Truppen bemächtigten sich dieEinheimischen rasch wieder der Talengen. Da Octavian den Uebergang desKleinen St. Bernhard von Gallien zum illyrischen Kriegsschauplatz dringend benötigte, liess er in denJahren 34/33 durch Valerius Messalla Corvinus erneut die Oeffnung der Passtrasse versuchen, wie es scheint, kaum mit grösserem Erfolg als zwei Jahre vorher. Messalla blieb den Winter über mit einer Abteilung im Kampfgebiet stehen, musste sich aber bequemen, Brennholz bei den Salassern zu kaufen. Für eine grössere militärische Unternehmung war der Zeitpunkt ungünstig, da Octavian alle Kräfte für die Auseinandersetzung mit Marcus Antonius brauchte22. Erst nach dem Sieg Octavians im Bürgerkriege kam es zur Schlussabrechnung mit den Salassern. Kurz nach der berühmten Senatssitzung vom 16. Januar 27 v. Chr., bei welcher der Staatschef mit den Vollmachten des Kaisertums ausgestattet wurde, reiste Augustus nach Gallien. Hier wurde im Zusammenhang mit der administrativen Neuordnung der Provinz die Besitzergreifung und der Strassenausbau des 18 Wie die Salasser an den beiden St. Bernhardrouten leisteten die Völker amMont Genèvre gegen seine Legionen Widerstand, denermühsam brechen musste: bell. Gall. 1,10,4. 19 Bell. Gall. 3,1– 6. 20 Appian, Ill. 17. 21 R. Hanslik, RE VIII A Sp. 142 verwirrt die Angaben Appians: nicht die Salasser sperrten denRömern die Salzzufuhr, sondern umgekehrt die Römer denSalassern. Salz ist denGebirglern wegen derKäserei lebenswichtig. Es kamvomMittelmeer, nicht ausdemAostatal: vgl. I. Beretta, LaRomanizzazione della Valle d’Aosta, 1954, 128 f.
22 Die Berichte von Appian, Ill. 17,49– 51; Strabo 4,205 und Dio 49,38,3 über die Kämpfe des Antistius Vetus und des Valerius Messalla ergeben keine eindeutige Chronologie. W. Schmitthenner, Octavians militärische Unternehmungen in den Jahren 35– 33 v. Chr., Historia 7,1958,234 setzt deshalb die Aktion des Messalla erst nach Actium. Dieser Ansatz nähert die Salasseraktion der gallischen Statthalterschaft an, die Messalla nach demConsulat 31 antrat. J. Prieur, ANRWII 5,2,637: Jahr 28/27 v. Chr.
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Passes durch die Alpes Graiae beschlossen. Mit dem Feldzug gegen die Salasser wurde ein General aus dem engeren Kreise des Herrschers, Aulus Terentius Varro Murena, betraut, der mit überlegenen Kräften von Osten und Westen ins obere Tal der Duria vordrang und allen Widerstand im Sommer 25 v. Chr. brach. Den Besiegten auferlegte der General zunächst eine hohe Kontribution, liess dann aber – angeblich zur Beibringung des Geldes – den grössten Teil der Bevölkerung verhaften undin Eporedia als Sklaven verkaufen. Nach Strabo, dessen Bericht auf den Rapport des siegreichen Heerführers zurückzugehen scheint23, traf dieses Los 36.000 Seelen, davon 6.000 waffenfähige Männer. Die Brutalität des römischen Vorgehens, die freilich nicht ohne Parallelen besteht, dürften dieleitenden Männer mit demBedürfnis nach Strassensicherheit für den wichtigen Passübergang erklärt haben. In seinem Rechenschaftsbericht kleidete Augustus dieses Argument in die Worte, dass er die Alpen befriedet habe, ohne ein Volk zu Unrecht mit Krieg überzogen zu haben24. Wie sehr aber wirtschaftliche Interessen, neben den strategischen, bei derAlpeneroberung mitspielten, zeigen dieNachrichten, dass die salassischen Goldgruben von Bard bei Aosta in die Hand von römischen Publikanen übergingen25 und die an der westlichen Pass-Strasse liegenden Erzvorkommen in den Besitz desC. Sallustius Crispus, eines nahen Freundes des Kaisers26. Er war einer der bekanntesten Millionäre der augusteischen Zeit, Adoptivsohn des Historikers Sallust undEigentümer der berühmten Horti Sallustiani in Rom. Das durch die Vernichtung der Salasser entvölkerte Tal der Dora Baltea besiedelte Augustus mit 3.000 Veteranen seiner Praetorianerkohorten, die er nach der Schlacht bei Actium entlassen hatte. Ihr städtisches Zentrum wurde die Kolonie Augusta Praetoria, Aosta, welche italische Stadt noch heute, wie kaum eine andere, die militärische Präsenz der Römer in den Alpen vor Augen führt. Acker- undWeideflächen des Tales dürften in den Besitz der Veteranen übergegangen sein. Die wenigen Salasserfamilien, welche die Katastrophe überlebt und sich mit den neuen Herren des Landes arrangiert haben, treten später
23 Strabo 4,205; Dio53,25,2– 4.
24 Mon. Ane. 26. Vgl. oben Anm. 12. 25 Strabo 4,7,6 p. 205, wovomVerlust derGoldgruben derSalasser undvomUebergang andie römischen Staatspächter die Rede ist. Vgl. dazu A. G. Canina, Notizie storiche sulle miniere della Valle di Aosta, Rel. XXXI Congr. stor. subalpino, Aosta 1956, II 783– 788. 26 Plin. n. h. 34,2 aurichalcum Sallustianum in Ceutronum Alpino tractu. Vgl. dazuJ. Prieur, ANRWII 5,2,651.
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als Salassi incolae in einer Inschrift auf27. Offenbar haben dierömischen Kolonisten sie veranlasst, ihrem Unterwerfer eine Ehreninschrift zu set-
zen28.
Mit der Besetzung des Kleinen St. Bernhard war den Römern der freie Zugang von Oberitalien nach dem gallischen Zentrum Lugdunumgesichert. Die Strasse ist noch in augusteischer Zeit zumFahrweg ausgebaut und mit Stationen und Rasthäusern für die marschierenden Truppen versehen worden29. Für den direkten Wegvon Oberitalien an den Oberrhein war aber die Strecke über den Grossen St. Bernhard, das Unterwallis und das Helvetiergebiet benutzbar zu machen. Caesar hatte im Jahre 57 die Oeffnung vergeblich versucht. Wann der Summus Poeninus von den Römern in Besitz genommen worden ist, wissen wir nicht sicher. Ein Teil der Forscher nimmt an, dass die Oeffnung nach dem Salasserkrieg mit derjenigen der Alpes Graiae zusammenfällt30. Andere Forscher setzen die Passbesetzung ein Jahrzehnt später an und datieren sie in den Zusammenhang des Räterkrieges der Jahre 15– 12 v. Chr.31 Ein wichtiges Argument für die Frühdatierung ist der Fund von frühaugusteischer Terra sigillata in Vidy, aus welchem Vorkommen auf die Oeffnung des römischen Handels durch den Grossen St. Bernhard schon umdasJahr 25 geschlossen worden ist32. Aber wenn es bei dieser Keramik umHandelsware geht, so dürfte sie eher über den Rhônetransport als auf dem Landwege an den Genfersee gelangt sein. Auch wenn Handelsware nicht ohne Umladen auf Wagen von der unteren Rhône nach Genf kam, wird der lange Saumweg über den SummusPoeninus gerade für zerbrechliches Geschirr kaum derbeste Liefer-
27 Dessau 6753 = Barocelli, Inscr. It. XI 1 n. 6. Vgl. dazu C. Carducci, Epigrafe dei Salassi coloni di Aosta, Rel. XXXI Congr. stor. subalpino, Aosta 1956, I 33; A. M. Cavallaro, L’organizzazione sociale di Augusta Praetoria attraverso le testimonianze epigrafiche, Archeologia in Valle d’Aosta, 1982, 139– 141. 28 Aehnlich dieEhreninschriften derWalliser Stämme fürAugustus CILXII 136 und145. 29 Strabo 4,6,7 p. 205 Fahrstrasse durch dasCeutronengebiet. Die 1968 in Aime-en-Tarentaise gefundene Augustus-Inschrift mit der Datierung trib. pot. XXV (= 1.7.2 – 30.6.3 n. Chr.) bezeichnet die Vollendung des Strassenausbaus (Ann. épigr. 1969/70 n. 332; dazu M. Leglay, Caesarodunum, 1970, 122; J. Prieur, ANRWII 5,2,641). 30 F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 105; C. M. Wells, The German Policy of Augustus, 1972, 39. Zur Diskussion vgl. R. Frei-Stolba, ANRWII 5,1,352; ferner P. Ducrey, Etat derecherche surle Valais romain, Vallesia 33, 1978, 17– 30. 31 P. Goessler, RE XVII (1937) Sp. 1871 s. v. Octodurus, undXXI (1951) Sp. 1159 s. v. Poeninus; E. Meyer, Dieröm. Schweiz, 1941, 196 undHandb. d. Schw. Geschichte I, 1972, 61 f.; G. Walser, Die röm. Strassen i. d. Schweiz, 1967, 23 undMus. Helv. 31, 1974, 170; D.van Berchem, Mus. Helv. 25, 1968, 4 Anm. 17. 32 Wells, a.a.O. 39 f.
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weggewesen sein. Andere Ueberlegungen sprechen noch deutlicher für das spätere Datum 15– 12 v. Chr. der Passeroberung. Wenn der Summus Poeninus schon 25 v. Chr. eröffnet worden wäre, hätte Murena nicht nur die Salasser, sondern auch die Veragrer, die den Abstieg des Passes nach Norden in Händen hatten, erwähnen müssen. Da sie sich 57 erfolgreich gegen Caesar gewehrt hatten, würden sie auch 25 ihre Passrechte nicht kampflos den Römern überlassen haben. Von solchen Kämpfen ist nirgends die Rede, und Murena hätte gewiss nicht versäumt, auf einen Erfolg hinzuweisen, der Caesar versagt geblieben war. Die Veragrer treten erst wieder im Schlussbericht desAugustus über die Eroberung der Alpen auf, in derInschrift desSiegesmonuments von La Turbie, und dort werden sie zusammen mit den übrigen Walliser Stämmen zitiert, wasauf eine gemeinsame undzeitlich zusammengehörende Unterwerfung desWallis zu deuten scheint. Schliesslich weist auch die nach dem Alpenkrieg vom Kaiser verfügte Provinzeinteilung auf das spätere Datum der römischen Besitznahme des Summus Poeninus hin. Die Alpes Graiae, der Uebergang über den Kleinen St. Bernhard, sind nicht unter dieselbe Verwaltung gestellt worden, wie der Grosse St. Bernhard. Dieser Pass ist in den ersten Jahren nach der Eroberung zusammen mit dem rätischen Gebiet verwaltet worden, vermutlich weil seine Besetzung zugleich mit derjenigen derrätischen Pässe geschah und die römische Administration die Tendenz hatte, neu erobertes Gebiet zunächst unter derKriegsverwaltung zu belassen33. Trotz dieser Überlegungen ist keine sichere Datierung derrömischen Besetzung des Summus Poeninus zugewinnen. Dagegen wissen wirüber Daten undAblauf desgrossen rätischen Alpenkrieges indenUmrissen Bescheid. Der strategische Hintergrund der militärischen Operationen, welche zur Besitznahme der Alpenübergänge zwischen Genfersee und Inn führten, ist der Germanenkrieg desAugustus, welches Unternehmen im Jahre 12 v. Chr. begann und die römischen Legionen bis an die Elbe führte34. Eine zusammenhängende zeitgenössische Schilderung des Alpenkrieges ist uns nicht erhalten. Im Rechenschaftsbericht des Kai33 Hauptbeleg sind drei
Statthalter-Inschriften, die als Verwaltungsgebiet zusammen Raeti, Vindolici, vallis Poenina angeben: Ann. ép. 1902, 189 = Dessau 847 (Q. Octavius Sagitta, augusteischer Finanzprocurator unter demersten Provinzgouverneur, bald nach 15 v. Chr.), CIL IX 3044 = Dessau 2689 (Sex. Pedius Lusianus Hirrutus, Praefect der Provinz zu Ende der augusteischen Zeit), CIL V 3936 = Dessau 408 (Q. Caecilius Cisiacus Septicius Pica Caecilianus, Provinzlegat in claudischer Zeit). Zur Datierung der Inschriften vgl. zuletzt R.
Frei-Stolba, ANRW II 5,1,359. 34 H. Dessau, Gesch. der röm. Kaiserzeit I, 1924, 414; E. Ritterling, RE XII Sp. 1225; D. van Berchem, in: Histoire et Civilisations desAlpes, I, 1980, 103.
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sers ist nur das Resultat des Krieges in Verbindung mit dem Vorstoss in den äußersten Norden zu den Cimbern erwähnt35. Strabo undDio Cassius geben Hinweise, dass das römische Heer unter Führung der kaiserlichen Prinzen Tiberius und Drusus in zwei Kolonnen durch das Alpengebiet vorstiess, sich in der Bodenseegegend vereinigte und ein Seegefecht lieferte, bevor es zu denDonauquellen weitermarschierte36. Auf welchen Wegen und zu welchem Zeitpunkt diese Ziele erreicht wurden, ist in der Forschung umstritten37. Aus den Bauinschriften desKaisers Claudius desJahres 46 n. Chr. an der Brennerstrasse ergibt sich, dass sein Vater Drusus durch das Etschtal in Raetien einmar-
schiert ist38. Tiberius dürfte entweder von Gallien her39 oder von Süden über die Bündner Pässe den Hochrhein erreicht haben40. Als Vorspiel zu diesen Operationen muss eine Unternehmung des kaiserlichen Generals P. Silius Nerva schon im Jahre 16 v. Chr. angesehen werden, dessen Feldzug vom Etschgebiet her vielleicht bis in die heutige Ostschweiz führte41. Man hat versucht, aus der Völkerliste des Siegesmonumentes von La Turbie die Heeresbewegungen zu rekonstruieren, aber da die Lokalisierung einzelner Stämme ungewiss unddie Komposition der Völkertafel unklar sind, ist keine deutliche Kriegsgeschichte daraus zu gewinnen42. Gerade die vier Walliser Völkerschaften sind in nicht-geographischer Folge zitiert (die West-Ost-Folge ist Nantuates (um Massongex), Veragri (um Martigny), Seduni (um Sitten), Uberi (um Brig); die Reihe auf der Inschrift lautet: Uberi-NantuatesSeduni-Veragri), sodass nicht erschlossen werden kann, ob dierömische Besetzung vom Genfersee her oder über den Simplonpass erfolgte. So bleibt auch für die Besitznahme des Summus Poeninus die Spanne von 25– 15 v. Chr. bestehen. 35 Mon. Anc. 26. 36 Strabo 4,6,9 p. 206; Dio54,22. Seeschlacht auf demBodensee: Strabo 7,1,5 p. 292. 37 Uebersicht über dieDiskussion bei R. Frei-Stolba, ANRWII 5,1,355 f.
38 CIL V 8002 und 8003: viam Claudiam Augustam quam Drusus pater Alpibus bello patefactis derexerat. 39 So dieältere Meinung bei F. Staehelin, DieSchweiz in röm. Zeit, 19483, 107. 40 E. Meyer, Die röm. Schweiz, 1941, 365. 41 Dio 54,20. Dazu D. vanBerchem, La conquête de la Rhétie, Mus. Helv. 25, 1968, 4 f.; C. M. Wells, The German Policy of Augustus, 1971, 63 f.; dagegen B. Overbeck, Raetien zur Principatszeit, ANRW II, 5,2, 665 f. Zur Diskussion vgl. R. Frei-Stolba, ANRW II, 5,1, 354 f. 42 Fragmente der Inschrift von LaTurbie in CILV 7817, Nachträge bei C.-J. Formige, Comptes rend. Acad. des Inscr. 1910, 76 ff. Wiedergabe der Inschrift bei Plinius n. h. 3, 136 – 137. Dazu E. Meyer, Die röm. Schweiz, 1941, 357 ff. Uebersicht über dieneuere Diskussion zur historischen Auswertung der Inschrift bei R. Frei-Stolba, ANRW II 5,1, 356 f., ferner bei F. E. Koenig, Der Julierpass in römischer Zeit, Jb. Schweiz. Ges. f. Urgesch. 62, 1979, 77–
99.
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DieEroberung desGrossen St. Bernhard-Passes durch die Römer
Seit der Eroberung der Zentralalpen verlief auf der Passhöhe des Summus Poeninus eine neue Grenze. Grundsätzlich war zwar die Alpenkette von den Römern schon früher als Grenze Italiens betrachtet worden, jetzt wardiese Linie tatsächlich erreicht undüberschritten. Das Aostatal mit den beiden Koloniestädten Eporedia und Augusta Praetoria wurde von Augustus zur Transpadana, der XI. Region Italiens geschlagen, während der Nordteil des Grossen St. Bernhard mit dem Wallis der neugeschaffenen Provinz Raetia zugeteilt worden ist. Im Westen grenzte diese Provinz an die Helvetier, die die Römer zumgallischen Verwaltungsgebiet schlugen, imOsten warsie durch den Lauf des Inn von Noricum getrennt. Der kaiserliche Statthalter derProvinz führte seine Geschäfte vonAugsburg aus. Dass er auch fürdasWallis zuständig war, ergibt sich ausseiner Amtsumschreibung Raeti Vindolici Vallis Poenina43. Neuere Beobachter haben daran Anstoss genommen, dass sich Wallis und Raetien ausgeographischen Gründen wenig zurgemeinsamen Verwaltung eigneten, dakeine direkten Strassenverbindungen bestanden. Die Erklärung des seltsamen Gebietszusammenschlusses dürfte weniger in mangelnden geographischen Vorstellungen liegen als in der militärischen Situation vor dem Germanenkrieg. Die Truppen, welche die Alpen besetzt hatten, stiessen wenig später über die Donaulinie nach Norden vor, und während dieser Vorgänge ist die administrative Regelung der Etappenordnung aufgeschoben worden. Wie die definitive Provinzeinteilung Raetiens nach einer erfolgreichen Annexion Germaniens von Augustus geplant war, wissen wir nicht, da der illyrische Aufstand und die Niederlage im Teutoburgerwald dasweitere Ausgreifen der Römer über Rhein und Donau verhindert haben. Manscheint Raetien mit Einschluss desWallis längere Zeit unter provisorischer Militärverwaltung belassen zu haben, so wie auch am Rhein eine administrative Sonderregelung getroffen wurde, welche die gallische Provinz mit exterritorialen Heeresbezirken belastete44. Wann das Wallis vonderraetischen Provinz abgetrennt und mit dem Ceutronengebiet zu einem eigenen Verwaltungsbezirk, welcher die beiden von Aosta ausgehenden Pässe umfasste, zusammengeschlossen worden ist, darüber sind dieMeinungen der Forscher geteilt45. Vieles spricht dafür, dass die Aenderung vonKai43 CIL IX 3044;
Dessau 9007. Zurgemeinsamen Verwaltung von Raetien undWallis zuletzt R. Frei-Stolba, ANRWII 5,1, 359. 44 Vor der Errichtung der beiden germanischen Provinzen durch Domitian gehörten diebeiden Heeresbezirke zur Provinz Gallia Belgica, ihre Kommandanten waren formell legati Augusti propraetore exercitus Germanici inferioris, resp. superioris, nachher legati Augusti pro praetore provinciae Germaniae inferioris, resp. superioris. Prosopographie der Statthalter bei Stein-Ritterling, Fasti desröm. Deutschland, 1932. 45 Uebersicht über die Diskussion bei R. Frei-Stolba, ANRWII 5,1, 362 ff.
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ser Claudius vorgenommen wurde, nachdem schon in tiberischer Zeit die Eroberung Germaniens aufgegeben und die Legionen aus ihren An-
griffsstellungen in Verteidigungslager eingewiesen worden waren46. Die Alpenprovinz wurde nicht mit Legionstruppen belegt; für die Sicherheit der Verbindungsstrassen genügten einzelne Auxilien47, die demProcurator, dem Statthalter des Kaisers, unterstanden. Von diesen Gouverneuren ausdemRitterstand sind insgesamt 15 Namen bekannt48, wobei wir nicht sicher wissen, ob alle beide Passgebiete zusammen verwalteten. Von einem, T. Pomponius Victor (zwischen 161 und 169 n. Chr.) ist dies gewiss, daer imWallis undinderTarentaise Inschriften hinterlassen hat: in Martigny eineWeihung andieGöttin Salus49, inAimeein schönes, an den Gott Silvanus gerichtetes Gedicht50. Die Aufgaben des Statthalters kennen wirnicht imEinzelnen. Gewiss gehörte dieRechtsprechung in den beiden Provinzhauptorten dazu, wie es Pomponius Victor erwähnt51 und die Renovation eines Gerichtssaales in Martigny52 es nahelegt. Kompetenzen in der Provinz muss aber auch der ranghöhere Legat des oberrheinischen Heeres besessen haben, denn unter seinem Kommando stand die Strassenpolizei53 an den Pässen, und er entscheidet eine Grenzstreitigkeit zwischen Ceutronen und der Kolonie Vienna54. Wasdie rechtliche Stellung derBevölkerung betrifft, so sind diealten lokalen Stämme nach der Eroberung wie in den meisten Teilen desrömischen Reiches in peregrine Civitates verwandelt worden. Die vier Civitates der Nantuates (Massongex), Veragri (Martigny), Seduni (Sitten) und Uberi (Oberwallis) scheinen in inneren Dingen eine Quasiautonomie besessen zu haben, welche ausreichte, um Beamte zu wählen und quasi-freiwillige Ehreninschriften für den Kaiser zu errichten. Durch 46 So E. Meyer, Die röm. Schweiz, 1941, 196. Abweichende schen Verwaltung der Vallis Poenina, Mus. Helv.
ANRWII 5,1, 362.
Meinung bei G. Walser, Zurrömi31, 1974, 172; vgl. dazu R. Frei-Stolba,
47 Liste der raetischen Auxilien bei E. Stein, Die kaiserlichen Beamten undTruppenkörper, 1932; W.Schleiermacher, Limesführer, 1959, 227 ff. 48 Fasten der Prokuratoren der poeninischen Provinz bei J. Prieur, L’histoire desrégions alpestres, ANRWII 5,2, 652 ff.
49 Espérandieu n. 20; Howald-Meyer n. 43; G. Walser, Röm. Inschr. i. d. Schweiz n. 271. 50 CILXII 103; vgl. dazu H.-G. Pflaum, Lesprocurateurs équestres, 1950, 310– 316. 51 CILXII 103v. 6: dumiusguberno remq(ue) fungor Caesarum.
52
Meyer-Howald n. 44; F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 491; G. Walser, Röm. Inschr. i. d. Schweiz n. 273. 53 Vgl. die Beneficiarierstationen in Vevey (CIL XII 164 vonder22. Legion desRheinheeres) undSolothurn (CIL XIII 5170: Legio XXII). 54 Terminationsschrift des C. Pinarius Clemens CIL XII 113 = E. Meyer, Die röm. Schweiz, 1941, No. 137 mit Kommentar.
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DieEroberung desGrossen St. Bernhard-Passes durch dieRömer
Claudius erhielt diewichtigste Ortschaft desWallis, Octodorus (Martigny), Marktrecht undnannte sich seither Forum Claudii Augusti oder später Forum Claudii Vallensium im Gegensatz zum Marktflecken im Isèretal Forum Claudii Ceutronum. Mit der Erteilung desMarktrechtes an Martigny scheinen weitere administrative Massnahmen verbunden zu sein: ein organisatorischer Zusammenschluss der 4 Walliser Civitates zu einer neuen religiösen oder politischen Einheitsform und die Gewährung des Ius Latinum an dasForum desTales oder an dievier Civitates. DieNeurömer, die sich durch die tria nomina als römische Bürger zu erkennen geben, sind in der Regel in derTribus Sergia eingeschrieben55. Sie waren im 1. Jahrhundert der Kaiserzeit gewiss noch die Minderheit derWalliser Bevölkerung, die in der Hauptsache peregrin blieb. Aber über das römische Bürgerrecht eröffnete sich ihnen derAufstieg in die bevorrechteten Stände des römischen Reiches, zunächst in den Ritterstand, aus welchem die lokalen Beamten erwählt wurden, später sogar in denSenatorenstand, welcher im Wallis mit verschiedenen Familien vertreten ist56 und der gegenüber Helvetien den hohen Grad der Romanisierung anzeigt. Das römische Bürgerrecht war ausser der direkten Verleihung des Kaisers an Zivilisten auch durch Eintritt in die Armee zu erlangen. Die im Wallis ausgehobenen und in die Hilfstruppen eingereihten Soldaten erhielten spätestens bei ihrer Entlassung die Civität57. Die Zugehörigkeit der Vallis Poenina zur Provinz Alpes Graiae et Poeninae dauerte auch nach derVerwaltungsreform Diokletians weiter. Zusammen mit derneuen Provinz Maxima Sequanorum, dieHelvetien und das südliche Germanien umfasste, gehörte die Alpenprovinz zur Dioecesis Galliarum, wodurch die Verbindung der beiden Alpenübergänge zumgallischen Raum bestätigt worden ist58.
55 E. Meyer, Dieröm. Schweiz, 1941, 198. 56 Vgl. die senatorischen Familien der Nitonii
(Howald-Meyer
66;
Walser
n. 280 und 281),
Campanii (CIL XII 137), Numidü (Walser n. 254), Vinelii (Howald-Meyer 62.63; Walser
nn.278, 279, 291). 57 Militärdiplom von Geiselbrechting CIL XVI 5 vomJahre 64 (Howald-Meyer 471). Ueber die Alae undCohortes Raetorum vgl. E. Stein, Die kais. Beamten undTruppenkörper, 1932, 149. 204 ff.; G.Alföldy, DieHilfstruppen der röm. Provinz Germania inferior, 1968, 68 f. Ein neues Militärdiplom eines raetischen Auxiliarsoldaten hat dasSchweiz. Landesmuseum 1982 erworben.
58 Zur spätantiken
Provinzeinteilung des Alpengebietes vgl. H. Nesselhauf, Die spätrömische Verwaltung der gallisch-germanischen Länder, Abh. Preuss. Akad. 1938, Phil-Hist. Kl. 2, 19; F. Staehelin, DieSchweiz inröm. Zeit, 19483, 270.
II. DIE GEOGRAPHIE DES GROSSEN ST. BERNHARDPASSES Diehistorische Bedeutung desGrossen St. Bernhardweges erklärt sich aus den besonderen geographischen Bedingungen dieses Alpenüberganges1. Ueber den Summus Poeninus führt die kürzeste Landverbindung von Italien nach dem Oberrhein, nach demnordöstlichen Gallien und der Kanalküste. Alle übrigen Alpenpässe verursachen längere Reiserouten zu diesen Zielen. Zwar läuft die Luftlinie zwischen Mailand und London durch die Zentralalpen, und in der Region des modernen Gotthardtunnels durchquerten seit alters verschiedene Saumwege den Alpenwall in der direkten Flucht der Via Aemilia2. Aber diesen Routen stellen sich die doppelten Gebirgsketten entgegen, welche durch die Furchen von Rhône- undRheintal gebildet werden, während derSummusPoeninus die Gebirgsschranke in je einem einzigen Aufstieg und Abstieg überwindet. Der Ausgang des Passes im unteren Wallis leitet ohne Geländeschwierigkeiten zu denDurchgangsstrassen desschweizerischen Mittellandes über. Ausserdem zeichnet sich die Grosse St. Bernhardstrasse durch das Fehlen von Schluchten undanderen gefährlichen Passagen aus. Wenn auch die Gondoschlucht für den Simplon oder die Schöllenen für denGotthard keine unüberwindlichen Sperren bedeuteten, so erschwerten sie doch denPassverkehr erheblich. DieStrasse des Summus Poeninus bot im Anstieg von Süden bis Aosta für Fussgänger undFuhrwerke keine Schwierigkeit, dann folgte der steile, aber in der guten Jahreszeit ungefährliche Aufstieg zur Passhöhe; von hier fiel die Route in mehr oder weniger mählichem Verlauf abwärts bis zumTalboden von Martigny, ohne dass eine besonders zu fürchtende Geländeschwierigkeit passiert werden musste. Auch die kurze Strecke der Dranceschlucht bei Bovernier scheint in der Regel leicht gangbar gewesen zu sein. Diesen grossen Vorzügen der geographischen Bedingungen stehen einige Nachteile gegenüber, welche diePassbenützer in alter undneuerer Zeit zu fühlen bekamen. DerSummus Poeninus gehört mit seiner Schei-
1 Zur geopolitischen
Einreihung des Grossen St. Bernhard vgl. A. Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs I, 1900, 40 ff.; H. Nissen, Italische Landeskunde I, 1883, 159 ff. ZurOrographie der Poeninischen Alpen vgl. J. Früh, Geographie derSchweiz III, 1938, 700 f.; H.Gutersohn, Geographie derSchweiz II, 1, 1961, 97 ff. 2 Ueber römische Begehung der Zentralalpenpässe Simplon, Lötschberg, Albrun, Gries, Brünig, Furka undGotthard vgl. F. Staehelin, DieSchweiz in röm. Zeit, 19483, 376 ff.
24
DieGeographie desGrossen St. Bernhard-Passes
telhöhe von2472 m ü.M.zu denhöchsten Alpenübergängen. DerKleine St. Bernhard erhebt sich nur auf 2188m, der Mont Cenis auf 2083 m, der Mont Genèvre auf 1854 m, der Simplon auf 2005 m. Auf einer Passhöhe von über 2400 m herrscht ein grimmiges Hochgebirgsklima, in welchem der Wanderer extremer Kälte, grossen Schneefällen und heftigen Winden ausgesetzt ist. Die meteorologischen Messungen, die auf dem Hospiz des Grossen St. Bernhard seit 1818 systematisch aufgezeichnet werden, zeigen fast arktische Verhältnisse3: Im Durchschnitt bleiben nur 127 Tage des Jahres ohne Frost; einzig in den Monaten Mai bis September steigt die durchschnittliche Tagestemperatur über den Gefrierpunkt. Noch im Mai beträgt die durchschnittliche Neuschneemenge 99 cm, im Juli und August fällt sie auf 13 cm herab, aber schon im September steigt sie wieder auf 33 cman. Auf demHospiz wird eine jährliche Schneefallmenge vondurchschnittlich 15 m gemessen, so dass die feste Schneedecke vomHerbst bis in den Frühling 4– 6 m beträgt. Auf allen westlichen Alpenpässen ist die Schneefallmenge wesentlich geringer: Der Kleine St. Bernhard verzeichnet (gegenüber den 15 m des Summus Poeninus) nur 6 m, der Mont Cenis 3,5 m, der Mont Genèvre 3m. Dementsprechend wird der Mont Genèvre für den heutigen modernen Fahrverkehr durch das ganze Jahr offen gehalten; die Pässe des Kleinen St. Bernhard unddesMont Cenis stehen wenigstens 23– 30 Wochen im Jahr offen, der Grosse St. Bernhard nur 21 Wochen. Da nicht anzunehmen ist, dass die Klimaverhältnisse in antiker Zeit wesentlich von den heutigen verschieden waren4, muss ein Passübergang im Winter ein risikoreiches Unternehmen gewesen sein. Vor derErbauung desHospizes imMittelalter dürfte diePasshöhe imWinter kaum bewohnt gewesen sein5. Die Reisenden im Winter mussten sich mit Hilfe der einheimischen Passeure, welche ihren Dienst vondenbeiden nächstgelegenen Mansiones im Süden undNorden der Passhöhe ausversahen, mühselig den Wegdurch die Schneewüste bahnen und durften auf dem Kulm keine Hilfe erwarten, wiesie später dieMönche desHeiligen Bernhard boten. Einzig die erfahrenen Säumer und Träger, von denen die Gilde der Marrones in St. Rhémy lange die alten Traditionen bewahrt hat6, führten den antiken Wanderer sicher durch die Lawinengänge und 3 Angaben von B. Janin, Actes du colloque international sur les cols des Alpes, Bourg-enBresse 1969 (1971) 7– 21. 4 Zur Diskussion über die Klimaschwankungen vgl. H. Bengtson,
Einführung
in die Alte
Geschichte, 19798, 43. 5 A. Donnet, Saint Bernard et les origines de l’Hospice duMont Joux, 1942, 109 ff. 6 Vgl. E. Oehlmann, Die Alpenpässe im Mittelalter, Jb. f. Schweiz. Gesch. 3, 1878, A. Schaube, Handelsgeschichte derromanischen Völker, 1906, 337.
255;
DieGeographie desGrossen St. Bernhard-Passes
25
Schneeverwehungen, wo der Ortsunkundige elend zugrunde gehen musste. Bei diesen Klimaverhältnissen waren die oberen Partien der Passstrasse den grössten Teil desJahres unter tiefem Schnee begraben. Der Ausbau der Route zur Fahrstrasse durch Claudius kam also vor allem dem Reiseverkehr auf den unteren Partien desWeges zugute. Mussten grössere Transporte in der schlechten Jahreszeit über den Pass geführt werden, so waren dazu umfangreiche Vorbereitungen nötig wiedasMarkieren des Tracés durch Stangen, Freischaufeln von Lawinengängen, Weghacken vereister Partien. Die Schneeräumung bis auf den Strassengrund ist im Winter unmöglich, noch heute marschieren etwa Militärkolonnen auf der meterdicken, festgestampften Schneedecke. Aber solche Wintertraversen waren zeitraubend und verlustreich und wurden nur unter besonders dringenden Umständen gewagt wieetwa beim Aufmarsch der Rheinarmee des Vitellius im Jahre 69. Zweifellos hat das Strassentracé jedes Jahr durch Schneefall, Lawinen und Schmelzwasser stark gelitten, und es waren ständig – vor allem in derNähe der Passhöhe – Reparaturarbeiten nötig. Mankann annehmen, dass es für diese Bedürfnisse permanente Wegmacherhütten gab wie etwa das Bauwerk „aux Tronchets“ auf halbem Wege zwischen der Passhöhe und Bourg-St. Pierre7, das man sich von Frühjahr bis Herbst besetzt denken möchte. Ammeisten vonWildwasser undSchneeschmelze bedroht waren naturgemäss die Brückenübergänge. Es gehört zurGunst derPassgeographie, dass die Summus-Poeninus-Strasse mit relativ wenigen grösseren Brücken auskommt. Das einzige grössere Werk auf derNordseite ist die Brücke von Orsières über dieDrance, derheutige Pont duChâtelard, wo imJahre 972 derAbt vonCluny, S. Mayeul, vonSarazenen gefangen genommen worden ist8. Von denBrücken der Südrampe sticht noch heute derschöne Bogen desPont St. Martin hervor. Der topographische Verlauf der Römerstrasse von Ivrea über Aosta zur Passhöhe hinauf und durch das Val d’Entremont ins Wallis hinab ist in grossen Zügen bekannt. Systematische archäologische Untersuchungen haben vor allem auf italienischer Seite stattgefunden undsind in dem Werke von Pietro Barocelli (Formae Italiae, Augusta Praetoria, 1948) übersichtlich zusammengestellt. Die Führung der Strasse auf Préhistoire du Valais, Vallesia 5, 1950, 71; L. Blondel, La route romaine du Mont-Joux, Coll. Latomus (Hommages A. Grenier), 1962, 309; A. Planta, Zum römischen Wegüber denGrossen St. Bernhard, Helvetia archaeologica 10, 1979 (= Heft 37), 20. 8 E. Oehlmann, Jb. f. Schweiz. Gesch. 3, 1878, 222 f.; A. Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels I, 1900, 60.
7 M.-R. Sauter,
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DieGeographie desGrossen St. Bernhard-Passes
Schweizer Seite hat der Archäologe Louis Blondel in Latomus LVIII, 1962, beschrieben. Die oberste Partie zwischen Bourg-St. Pierre und der Passhöhe hat in neuester Zeit Armon Planta, Helvetia Archaeologica 10, 1979, Heft 37, untersucht. Zwischen Ivrea und Aosta folgte der römische Wegdemlinken Ufer der Dora Baltea9. Die vomMonte Rosa herabfliessenden Bäche wurden auf steinernen Brücken überschritten, die engen Durchbrüche desTales durch grosse Felsabarbeitungen überwunden. Von diesen Kunstbauten haben sich zahlreiche erhalten wie die berühmte Bogenbrücke von St. Martin10, die Brücken über den Cillan11 unddenMarmore12 unddie Felsenpassage bei Donnaz13. Durch den Augustusbogen14 erreichte die Strasse die Festung Aosta. Von der Koloniestadt Aosta aus stieg die römische Strasse zunächst auf einer Strecke vonca. 6 kmdemGebirgsfluss Buthier entlang nach Norden. Die genaue Linienführung ist unbekannt. Vermutlich verliess der St. Bernhardweg die Stadt durch die Porta principalis sinistra, die erst im Jahre 1894 entdeckt worden ist15, und folgte – wie die moderne Strasse – dem Buthier auf seiner westlichen Seite über Signayes – Variney. Derweitere Verlauf dürfte mit dem modernen Strässchen zusammenfallen, das von der Hauptstrasse bei Variney gegen Valpelline abzweigt undnördlich des Weilers Roven den Bach Artanavoz überquert. Hier erreichte derWegeinen kleinen Talkessel, welcher durch den Zusammenfluss des Artanavoz und des Buthier gebildet und durch einen alten Wachturm „il Castello“ geschützt wird. Nach Promis (1862), der freilich die Porta sinistra der Stadtmauer von Aosta noch nicht kannte, hat die römische Strasse im Aufstieg vom Doratal den Buthier auf seiner linken Seite begleitet16. Diese Strecke auf der linken (östlichen) Seite des Buthier wirdnoch heute voneinem Fahrweg über Porossan – Closellinaz – Roisan in die Valpelline benützt. Inschriften in derKirche vonRoisan17 könnten darauf hinweisen, dass der Ort Strassenstation war. Mankann vermuten, dass es sich bei diesem Strassenstück um den vorrömischen Passweg handelt, der bis 9 P. Barocelli, Augusta Praetoria, 1948, 189 ff. 10 P. Barocelli, a. a. O., 229 f., s. Tafel 2.
11 P. Barocelli, a. a. O., 206, s. Tafel 5. 12 P. Barocelli, a. a. O., 203, s. Tafel 6. 13 P. Barocelli, a. a. O., 229, s. Tafel 3. 14 P. Barocelli, a, a. O., 176 f. 15 P. Barocelli, a. a. O., 130 f. Vgl. dazujetzt: R. Mollo Mezzena, Augusta Praetoria, Riv. Studi Liguri 41– 42, 1975– 1976 (1982), 161 f. 16 P. Barocelli, a. a. O., 64. 17 CIL V 6861, 6862; Inscr. It. XI 1, nn.46, 47; P. Barocelli, a. a. O., 65. Neue Ausgrabungen in Porossan: R. Mollo Mezzena, a. a. O. 237.
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zumAusbau derPoeninusroute durch Claudius denersten Aufstieg vom Doratal ermöglichte. Demnach berührte dieser vor- und frührömische Weg den Platz Aosta gar nicht, sondern bog von den Nordhängen des Doratales bei St. Christophe ohne den Buthier zu überschreiten unmittelbar in die Valpelline ein. Auf der Höhe von Roisan wandte er sich dann in den Kessel von Castello und überquerte den Buthier. Diese Strecke über Roisan bot demReisenden gegenüber der Route auf dem rechten Buthierufer einige Vorteile: sie ist kürzer, überwindet den Buthier nicht am breiten Unterlauf, sondern am schmäleren Oberlauf und vermeidet die Passage des reissenden Artanavoz bei Roven. Zur Zeit, als noch keine Steinbrücken bestanden, dürfte der westliche Weg der sicherere gewesen sein. Die Anlage der Kolonie Aosta scheint vor allem auf die Sicherung der Ost-West-Route zumKleinen St. Bernhard ausgerichtet18, wenn auch die Umgehung der Festung durch die Valpelline auf so kurze Distanz von der römischen Besatzung kontrolliert werden konnte. Aber vor der Besetzung des Wallis durch Augustus war der römische Passverkehr über den Summus Poeninus ohnehin gering. Grössere Bedeutung erhielt der Summus-Poeninus-Uebergang erst seit der claudischen Zeit, als der Pass zur wichtigsten Verbindung zwischen Italien und dem Rheinland wurde. Erst bei diesem Ausbau dürfte die Strecke auf demrechten Ufer des Buthier von der Porta sinistra ausgehend zumnormalen Passweg geworden sein. Nachdem die römische Strasse bis in die Gegend von Roisan-Roven in nördlicher Richtung verlaufen ist, wendet sie sich jetzt gegen Westen. Am linken Steilufer des Baches Artanavoz steigt sie gegen denWeiler Meylan hinauf, dann nach Aiez undAllain und trifft in Etroubles auf die moderne Fahrstrasse. Ein augusteischer Münzfund aus Allain19 zeigt wohl, dass die vorclaudische Passroute, im Gegensatz zur modernen Autostrasse, nördlich des Artanavoz verlief. Die Fortsetzung der Strecke von Etroubles über St. Oyen nach St. Rhémy dagegen dürfte mit der modernen Poststrasse zusammenfallen, da der Steilhang des Pian Puiz kaum eine andere Wegführung zulässt. St. Rhémy wird von den meisten Forschern mit derMansio derPeutingerschen Karte Eudracinum gleichgesetzt, obwohl die angegebenen Distanzen nicht stimmen20. Auch im Mittelalter war St. Rhémy die letzte während des Ivrea-Kleiner St. Bernhard verläuft in der Flucht Porta Praetoria – Porta Der Weg zum Grossen St. Bernhard durch die Porta Principalis Sinistra gibt sich ausdemStadtplan (Vgl. P. Barocelli, a. a. O. Tav. IV; R. Mollo Mezzena, a. a. O.Tav2.) alsAbzweigung zuerkennen. 19 P. Barocelli, a. a. O., 64. 20 Die Tabula gibt die Distanz 25 Meilen (= 36,95 km) nach Aosta, richtig wäre 13 Meilen (= 19,21 km).
18 Die Transitstrasse Decumana.
28
DieGeographie desGrossen St. Bernhard-Passes
ganzen Jahres bewohnte Ortschaft vor der Passhöhe21. Der letzte Anstieg desPassweges von St. Rhémy zur Passhöhe ist durch dasGelände vorgezeichnet. Wo die alte Poststrasse oberhalb des Tunneleinganges in einigen grossen Kehren den Pass-See erreicht, zeigt der noch erhaltene kürzere Saumweg den Verlauf der römischen Strasse. Er zweigt 1,5 km über St. Rhémy – in der Nähe von Pt. 173022 – von der Poststrasse ab, verläuft oberhalb von Pra Gentor und Mgna. Tareda nach Cantina Dogana (2203 m hoch) und von hier in der bisherigen Richtung gegen Mgna. Baus. In den letzten paar hundert Metern beschreibt dasTracé eine weite Rechtskurve zum Passheiligtum hinauf. Von den Abarbeitungen der Strasse im Fels sind zuoberst noch etwa 60 Meter erhalten23. Die Strasse zeigt hier eine Breite von 3– 4 Metern. Systematische Ausgrabungen unter der Leitung von E. Ferrero seit 1888 haben über die Topographie des Jupitertempels, der unweit der vorrömischen Opferstätte lag, und über die Bauten der Mansio Klarheit geschaffen24. Das heutige Hospiz, Gründung des Heiligen Bernhard von Menthon, liegt etwas höher als die römische Kultstätte, unmittelbar an der Passhöhe25. Der Abstieg der Römerstrasse ins Val d’Entremont verläuft weniger steil als der Aufstieg auf der Südseite. Vom alten Weghaben sich einige Partien bei Les Tronchets und beim Hospitalet erhalten26. Etwa 1,5 km nördlich davon passierte die Strasse den Pas de Marengo, genannt nach demnapoleonischen Uebergang von 1800, zogsich dann über Cantine d’enhaut undCantine de Proz amrechten Steilhang derDrance gegen Bourg St. Pierre herab. Unmittelbar vor dem Eintritt in die Ortschaft, welche in der heutigen Hauptstrasse noch den Zug des römischen Tracés bewahrt, überschritt der alte Passweg auf einer festen Brücke dentief eingeschnittenen Bach Le Valsorey27. Die heutige kleine 21 Vgl. z. B. die Reise desAbtes Rudolf vonSt. Trond bei Lüttich imWinter 1128: A. Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels undVerkehrs, 1900, 98. Uebersetzung dieses Berichtes, in: Die grossen Alpenpässe, Reiseberichte aus 9 Jahrhunderten, München 1967, 224.
22 Landeskarte der Schweiz 1:25 000, Blatt 1365 Gd. St. Bernard, Koord. 579 550/77 150,
s. Tafel 7. 23 Vgl. Tafel 8. 24 Referat beiP. Barocelli, a. a, O., 55 f. 25 Ueber dieGründung desHospizes vgl. A. Donnet, Saint Bernard et lesorigines del’Hospice duMont-Joux, 1942; L. Blondel, L’Hospice duGrand St. Bernard, Vallesia 2, 1947, 19– 44. 26 s. Anm. 7. 27 So L. Blondel, La route romaine duMont-Joux, 310. A. Planta, Zumrömischen Wegüber denGrossen St. Bernhard, 16, lässt denrömischen Wegnicht in Verlängerung derheutigen Dorfstrasse laufen, da die Kirche nicht auf ihnausgerichtet sei. Danach wäre diealte Strasse ins Tobel westlich desPont Saint-Charles abgestiegen. Vgl. aber die Orientierungsänderung derKirche durch denNeubau von1739: Anm. 29.
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29
Brücke ist die Nachfolgerin eines Pont St. Charles genannten Steges aus der napoleonischen Zeit, muss aber an der Stelle desrömischen Ueberganges stehen28. Von der einstigen Mansio in Bourg St. Pierre haben sich heute keine Spuren mehr erhalten, aber die Priorei ist älter als dasHospiz auf der Passhöhe und spielte als letzter fester Burgus vor demPass während des Mittelalters eine bedeutende Rolle29. Die verschiedenen römischen Inschriftfragmente30, der Meilenstein Konstantins und eine Anzahl antiker Baustücke scheinen beim Ausbau der mittelalterlichen Festung von der Passhöhe verschleppt worden zu sein. Die Meilensäule muss nach Ausweis der Meilenzahl einst unweit des Passes gestanden sein31.
Von Bourg St. Pierre steigt die Römerstrasse über Liddes nach Orsières ab. Der genaue Verlauf desTracés ist nicht bekannt. Unmittelbar unterhalb Bourg deutet der Name Pt. deTsarvesse, wiebei der Station Tarvessedum am Splügenpass32, auf eine Beziehung zumgallischen Ochsenkarren, wie er für die schweren Transporte des Cursus publicus verwendet worden ist. Münzfunde bei Allèves33 (2,5 km nördlich von Bourg) und Liddes34 sind Hinweise auf denrömischen Strassenverkehr. Das Tráce scheint dann über Fontaine Dessus, Rive Haute undFontaine Dessous Orsières erreicht zu haben35. Der Zugder heutigen Grand’ Rue zumPont deBourgeal ist nach Blondel erst mittelalterlich. Die römische Strasse überschritt die Drance auf demPont duChâtelard, der im Mittelalter von einer starken Befestigung geschützt war36. An dieser Stelle ist 970 der Abt von Cluny gefangen worden. Vom Ortsteil Châtelard, auf dem linken Ufer der Drance, steigt der römische Weg, immer links des Flusses, nach Sembrancher ab. Erst diemoderne Autostrasse wechselt auf dieser Strecke gelegentlich vom einen zum andern Ufer. Das römische Tracé ist in Gestalt der ehemaligen Route Napoléon als Fusspfad noch auf grössere Distanzen erhalten. Bei La Garde, südlich von Sembrancher, hat Blondel 1950 Stützmauern des antiken Strassenkörpers festgestellt37. Wie Bourg St. Pierre verdankt auch Sembrancher 28 S. Tafel 9. 29 Vgl. L. Blondel, L’Eglise et le Prieuré deBourg-St-Pierre, Vallesia 1, 1946, 21– 41. 30 Vgl. M.-R. Sauter, Vallesia 5, 1950, 71. 31 CIL XII 5519; G. Walser, Dieröm. Strassen in derSchweiz, 1967, 24 f. s. Tafel 10. 32 Tarvesede: It. Ant. 278, 5; Tarvessedo: Tab. Peut. zwischen Clavenna undCunuaureu; Tab. Imp. Rom. L 32 (Mediolanum) 131; F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 385. 33 M.-R. Sauter, Vallesia 5, 1950, 103.
34 M.-R. Sauter, Vallesia 5, 1950, 103. 35 L. Blondel, La route romaine duMont-Joux, 310. 36 L. Blondel, Le bourg d’Orsières, seséglises et le Châtelard, Vallesia 10, 1955, 78. 37 L. Blondel, La route romaine duMont-Joux, 311, s. Tafeln 11– 13.
DieGeographie desGrossen St. Bernhard-Passes
30
seinen Grundriss der römischen Strasse: die Route principale entspricht demVerlauf der Römerstrasse38. Ueber die Fortsetzung der Route nach Martigny besteht in der Forschung keine einheitliche Meinung. Nach Blondel folgte die antike Strasse weiterhin dem linken Ufer der Drance durch die Schlucht von Bovernier bis in den Talboden desWallis39, nach Staehelin undanderen überschritt der alte Weg bei Sembrancher den Fluss, stieg über Vens gegen den Col des Planches auf und erreicht Martigny über Chemin – Chemin d’en Bas40. Bei dieser Diskussion spielt sowohl deranepigraphe Meilenstein eine Rolle, der heute vor der Kirche von Vollèges steht41, als die Ortsbezeichnung Etiez, welche als Ableitung von ad octavum lapidem verstanden worden ist42. Beide Belege können aber die Streitfrage der Linienführung nicht entscheiden, da der Meilenstein offensichtlich von seinem ursprünglichen Standort verschleppt worden ist und auch Ortsnamen sich im Gelände verschieben können. Sicherheit könnten Ausgrabungen in der Schlucht der Drance bringen, wenn dieser Durchgang nicht zu wiederholten Malen von grossen Naturkatastrophen verwüstet worden wäre: 1545, 1605 und 1818 sind durch Gletscherabbruch im Val de Bagnes mächtige Sturzfluten entstanden, welche alle menschlichen Bauten in der Dranceschlucht wegschwemmten43. Zweifellos sind solche Katastrophen auch schon in früheren Jahrhunderten eingetreten, und, wenn die Dranceschlucht gesperrt war, blieb nichts anderes übrig als über denMont Chemin auszuweichen. Sobald es aber die Natur wieder erlaubte, werden die Anwohner denkürzeren Wegnach Martigny durch die Schlucht wieder hergestellt haben. In diesem untersten Stück zum Wallis besitzt die Summus-PoeninusRoute demnach zwei Tracés, das kürzere hochwassergefährdete durch die Dranceschlucht, das längere, aber sicherere über denMont Chemin. Während der Wegüber den Mont Chemin direkt in die antike Siedlung Octodurus-Martigny (das heutige Bourg-Martigny) einmündete, überschritt der Wegdurch die Schlucht unmittelbar oberhalb Bourg, bei La 38 L. Blondel, a. a. O., p.311; Le bourg de Sembrancher, Vallesia 16, 1961, 267– 275. 39 L. Blondel, La route romaine duMont-Joux, 312 f. 40 F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 348. 41 G. Walser, Anepigraphe Meilensteine inderSchweiz, Chiron 4, 1974, 458 f. 42 J. Guex, Noms des lieux alpins: Esquisse toponomique du Val de Bagnes, Die Alpen 6, 1930, 27– 39 (übernommen von F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 348 Anm. 7).
43 J.
Früh, Geographie der Schweiz III, 1938, 699; H. Gutersohn, Geographie der Schweiz II, 1, 1961, 93; L. Blondel, La route romaine du Mont-Joux, 313 mit demHinweis, dass 1795 am Eingang der Schlucht der Abt vonSt. Maurice deCocatrix mitsamt seiner Equipage weg-
geschwemmt wurde.
DieGeographie desGrossen St. Bernhard-Passes
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Croix, auf einer Brücke die Drance zu seinem Ziel. Im weiteren Verlauf talabwärts bog der alte Wegum dieFelsnase vonLa Bâtiaz, lief im Talboden der Rhône über St. Maurice (Agaunum) nach Massongex (Tarnaiae), woeine Rhônebrücke auf dieandere Talseite führte44. Die Fortsetzung der St. Bernhardstrasse durch das Unterwallis zum Genfersee ist zumTeil durch Reste des antiken Tracés, zumTeil durch eine Anzahl Meilensteine gesichert45. Wenn man auch bei den Meilensäulen immer mit grösseren oder kleineren Verschleppungen rechnen muss und der Fundort kaum je mit demehemaligen Standort übereinstimmt, dürften die beiden 1978 und 1980 bei Versvey gefundenen Steine doch sehr nahe des alten römischen Weges ansLicht gekommen sein46. Die Neufunde lösen eine Streitfrage der Forschung über die Bedeutung der römischen Genfersee-Süd-Strasse. Sie ist weder in derPeutingerschen Karte noch im Itinerarium Antonini verzeichnet, aber schon Mommsen hat ihr den auf der Südseite des Sees bei Hermance gefundenen Meilenstein zugeteilt47. L. Blondel hat 1939 das Tracé dieser Strasse näher zu bestimmen gesucht48, und nach ihm haben D. van Berchem49 und P. Collart50 das historische Gewicht dieser Verbindung betont. Andere Forscher halten die Genfersee-Südstrasse für einen keltischen Pfad, deraber in römischer Zeit nur die Rolle einer Nebenstrasse spielte und nicht mit Meilensteinen besetzt war. DieMeilensteine von Hermance (CIL XII 5535) und Messery (CIL XII 5532) halten sie für verschleppte Säulen von der Hauptstrasse auf demNordufer, und den 1956 bei Monthey gefundenen Stein für zur Hauptlinie 44 Ueber Massongex-Tarnaiae vgl. D. vanBerchem, Rev. hist. vaud. 52, 1944, 161; F. Staehelin,
Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 127 Anm. 5; Brücke: M.-R. Sauter, Vallesia 5, 1950, 113; L. Blondel, Les thermes romains de Tarnaiae-Massongex, Vallesia 10, 1955, 43– 58. Pfähle der römischen Brücke sind neuerdings gefunden worden: D. Weidmann, Jb. Schweiz. Ges. f. Urgesch. 62, 1979, 138 und65, 1982, 192. 45 Verlauf derStrasse zwischen Massongex undVilleneuve über Bex-Ollon-Aigle-Yvorne-RocheRennaz: D. Viollier, Carte archéol. du Canton de Vaud, 1927, 387 ff.; D. vanBerchem, Le Sanctuaire de Tarnaiae, Rev. hist. Vaud. 52, 1944, 165 = Neudruck 1982, 176; F. Mottas, Milliaires et vestiges desvoies romaines duCanton deVaud, Archäologie d. Schweiz 3, 1980,
164 (Trace zwischen Yvorne undVilleneuve, Einzeichnung der5 Meilensteine). 46 Vgl. F. Mottas, a. a. O. 165. 47 Inscr. Conf. Helv. Lat. 1854, No.320(Genava secundum lacus ripam meridionalem). 48 La Route Romaine de la rive gauche duLac: DeGenève à Veigy, Genava 17, 1939, 63– 73. 49 Observations sur le réseau routier des Allobroges, Bull. Soc. des Antiquaires de France, 1976, 138 = Neudruck 1982, 104: Comme l’indique Strabon dans le même chapitre de sa Géographie, unefoisfranchie la barrière desAlpes, laroute empruntait la rive sudduLéman (IV, 6, 11, qu’il faut rapprocher deIV, 6, 7). Einen Hinweis aufdieSüdroute finde ichaber
in beiden Strabostellen nicht. 50 Laroute romaine duSudduLéman,
Museum Helv.
35,1978, 283– 294.
32
DieGeographie desGrossen St. Bernhard-Passes
bei Bex gehörig51. Die beiden Neufunde von Versvey haben nun nicht nur ein Doppel desClaudiussteines von St. Saphorin52 erbracht, sondern ein eben solches des Tetrarchiesteines von Monthey53. Daraus darf man schliessen, dass auch die Säule vonMonthey zurvonClaudius ausgebauten Hauptstrasse durch dasUnterwallis gehört54.
51 F.
Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 350: Auf demLandwege waren die beiden Enden des Genfersees unter sich verbunden durch eine zukeiner Zeit wichtige Nebenstrasse auf dem südlichen Ufer. Ueber die vomnördlichen Seeufer auf das südliche verschleppten Meilensteine vgl. E. Meyer, Dieröm. Schweiz, 1941, zuNo. 380 (Stein vonMessery CIL XII 5532) und No. 387 (Stein von Hermance CIL XII 5535, mit Hinweis auf Blondels abweichende Meinung). Ueber den Stein von Monthey vgl. Walser, Röm. Strassen i.d. Schweiz, 1967, No. 10 (gegen Collart, Vallesia 15, 1960, 232). 52 F. Mottas, Archäologie der Schweiz 3, 1980, 163. Dazu G. Walser, Historia 19, 1980, 438 f., hier auch derNachweis, dass es sich bei derverlorenen Inschrift CILXII 5528 nicht um einen Meilenstein des Claudius, sondern um eine Dedikationsinschrift an Caligula handelt (verwechselt bei D. van Berchem, Le réseau routier des Allobroges, Neudruck 1982, 108 Anm. 15). 53 Ansprechende Auflösung der verschriebenen Zeilen 8– 10 desSteines vonMonthey bei F. Mottas, Archäologie d. Schweiz 3, 1980, 158– 160. Dieselben Angaben stehen auf dem Neufund (1978)
vonVersvey.
54 Die Distanzzahl auf dem Stein von Monthey (Walser No. 10) lautet XVII, diejenige des Neufundes (1978) von Versvey IXX = 21 Meilen, wodurch sich die beiden Steine als zur selben Serie gehörig erweisen. Ueber die falsche Schreibung IXX = XXI vgl. z.B. CIL XII p. 949 (Index), wo ein Beispiel von IIIXX = XXIII angeführt wird (zuXII 5545). Der 1980 gefundene Claudiusstein von Versvey zählt XXI Meilen von F(orum) C(laudii) A(ugusti), muss also an dergleichen Stelle gestanden haben wiederneue Tetrarchiestein, nach derbekannten römischen Praxis, amselben Ort Meilensäulen verschiedener aufeinander folgender Kaiser nebeneinander zustellen.
III. ZUR VERKERHRSGESCHICHTE DES SUMMUS POENINUS Die Benützung des Grossen St. Bernhardweges geht weit in die schriftlose Zeit der Vorgeschichte zurück. Schon im Neolithicum scheinen Menschen über den Pass gewandert zu sein, denn die archäologischen Funde weisen auf die Verbindung des Entremont-Tales mit dem Val d’Aosta hin1. Ob diese Funde Zeugen einer Völkerverschiebung, des Transitverkehres oder des Nahverkehres von Tal zu Tal sind, lässt sich schwer ausmachen. Jedenfalls sind die Muschel-Armringe und
Steinbeilklingen, die auf beiden Seiten des Passes vorkommen, Vorläufer der keltischen und römischen Handelsgüter2. Während der Bronzeund der Eisenzeit verdichtet sich der Verkehr über den St. Bernhard. Bronze-Armreifen und Spangen, welche aus den Manufakturen des Wallis stammen, finden den Wegdurch dasAostatal nach Oberitalien3. Die frühesten Funde auf der Passhöhe selbst scheinen aus derHallstattzeit zu stammen4. Reichlicher werden die Funde während derLa Tène Periode, da die Durchziehenden Fibeln, Glasperlen und ein typisches La Tène Schwert liegen liessen5. Diese Fundgegenstände weisen recht deutlich auf den frühen Charakter des Passverkehrs hin: es handelt sich zum Teil um Handelswaren, zumTeil umBelege für die kriegerischen Bewegungen über denPass. Dass ein intensiver Handelsverkehr von Italien über die Westalpen in vorrömischer Zeit existierte, wird vor allem durch die griechischen Importstücke belegt, die auf schweizerischem Boden und sonst im nördlichen Alpenvorland gefunden worden sind6. Im Einzelnen ist es oft nicht möglich, die genauen Transportwege anzugeben. Neben den Alpenpässen spielte der Wasserweg der Rhône über Massilia eine grosse
1 M.-R. Sauter, Préhistoire du Valais, Vallesia 5, 1950, 27; L’occupation des Alpes par les populations préhistoriques, in: P. Guichonnet, Histoire et civilisations desAlpes I, 1980, 69. Ueber neolithische undbronzezeitliche Verbindungen zwischen demWallis und Italien vgl. jetzt: A. Gallay-Ph. Olive- R. Carazzetti, Chronologie C 14 dela séquence Néolithique-Bronze ancien duValais, Jb. Schweiz. Ges. f. Urgesch. 66, 1983, 43– 73. 2 M.-R. Sauter, Vallesia 5, 1950, 27 f. 3 M.-R. Sauter, Vallesia 5, 1950, 48; L. Pauli, Die Alpen in Frühzeit undMittelalter, 1980, 37. 4 M.-R. Sauter, Vallesia 5, 1950, 71. 5 M.-R. Sauter, Vallesia 5, 1950, 72. 6 F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 61 ff.
ZurVerkehrsgeschichte desSummus Poeninus
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ZurVerkehrsgeschichte desSummus Poeninus
Rolle7. So sind grosse Prunkgefässe wie die Hydria von Grächwil8 und der Krater von Vix9 in die keltischen Fürstengräber nördlich derAlpen gekommen. In der Gegenrichtung, von Norden nach Süden, ist seit früher Zeit das für die Bronzebereitung unentbehrliche Zinn transportiert worden10. Die Zinnstrassen von den britischen Minen zu den etruskischen und campanischen Bronzemanufakturen liefen seit der Sperrung der Meerenge von Gibraltar durch die Karthager quer durch Gallien11. Der grösste Teil des wertvollen Materials dürfte über die gallischen Wasserwege Italien erreicht haben, aber gewiss haben rührige Händler, um den massaliotischen Zoll zu umgehen, ihre Ware auch auf Saumlasten über die Alpen gebracht. Hier bot sich der Grosse St. Bernhard als die direkteste Nord-Süd-Verbindung an. Von diesem regen keltischen Säumerverkehr über denPass zeugen auch diekeltischen und massaliotischen Münzen, die auf dem Summus Poeninus gefunden worden sind12. Mandarf sie als Vorläufer der römischen ExVoto- T äfelchen betrachten, denn sie sind die Opfergaben, welche der Reisende amAltar desPassgottes niederlegte. Seit den frühesten Zeiten gingen neben den Handelsbewegungen Züge kriegerischer Art über den Grossen St. Bernhard. Im Bericht über die gallische Besiedlung Oberitaliens lässt Livius 5, 35, 2 die Boier und Lingonen über den Poeninus marschieren. Einzelne keltische Söldnerhaufen gelangten bis nach Sizilien, wo sie von Dionysios I von Syrakus in Dienst genommen worden sind13. Sie spielten eine Rolle bei den Kämpfen, die sich die etruskischen Stadtherren lieferten, 7 Staehelin, 8
a.a.O. 61 Anm. 4; D. van Berchem, Duportage au péage. Le rôle des cols transalpins dans l’histoire duValais celtique, Mus. Helv. 13, 1956, 199 ff.; K. Christ, Zurrömischen Okkupation derZentralalpen, Historia 6, 1957, 416 ff. Ueber die Herkunft der Hydria von Grächwil vgl. H. Jucker, Antike Kunst 7, 1964, 3 ff.
(Tarent).
9 Ueber dieHerkunft desKraters vonVixvgl. R. Joffroy, LaTombe deVix, Monuments Piot, 1954; id. Art. Mont-Lassois, in: The Princeton Encyclopedia of Classical Sites, 1976, 593.
10 Ueber den Zinntransport vgl. Ebert, Reallexikon Bd. 14, 536, dort Hinweis auf denFund eines Zinnbarrens beiAeschi über Thun. 11 Sperrung derDurchfahrt vonGibraltar fürdieGriechen um500 v.Chr.: H.Bengtson, Griech. Geschichte, 19775, 142. Ueber die gallischen Zinnwege vgl. C. Jullian, Hist. dela Gaulle II6, 227; A.Grenier, Manuel d’archéol. gallo-romaine II, 1934, 969. 12 DasMuseum im Hospiz beherbergt eine Sammlung vonkeltischen, massaliotischen undrömischen Münzen, von der Teile durch von Duhn undFerrero schon imletzten Jahrhundert publiziert worden sind (vgl. M.-R. Sauter, Vallesia 5, 1950, 72). Eine neuere Bearbeitung sowohl der Sammlung auf demHospiz als der zahlreichen Fundmünzen entlang derSt. Bernhardroute scheint bisheute nicht zuexistieren. 13 Keltische Söldner im Dienste der syrakusanischen Tyrannen: K. F. Stroheker, Dionysios I, 1958, 125 f. 155, 242 Anm. 71.
ZurVerkehrsgeschichte desSummus Poeninus
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und sollen vor Clusium mit den Römern zusammengestossen sein. Am 18. Juli 387 stiess eine keltische Reisläuferschar gegen Rom vor und vernichtete das römische Aufgebot an der Allia. Die damals noch unbefestigte Siedlung von Rom wurde von den Kelten verwüstet, aber die Burg des Kapitols vermochten sie nicht zu erobern. Die gallische Katastrophe veranlasste die Römer zum Bau der ersten Ringmauer, der sogenannten servianischen Mauer. Von weiteren solchen Reisläuferzügen über die Alpen wird im 3. Jh. v. Chr. berichtet. Nach Polybios 2, 22, 1 nahmen die oberitalischen Isombrer undBoier zwei Condottieri – Polyb nennt sie Könige – „in den Alpen und am Rhodanus“ samt ihren Mannschaften vonGaisaten (Speermännern) in Sold, die in der Schlacht bei Telamon (225) gegen die Römer antraten. Der Schlachtbericht des Polybios 2, 29– 30 zeichnet sich durch besonders gute Beobachtung des ethnographischen Details der keltischen Kriegführung aus, schildert die keltischen Kriegshörner und die Bewaffnung der Gaisaten, die über die Alpen zum Solddienst nach Italien aufgebrochen waren14. Der Grosse St. Bernhard dürfte gewiss einer ihrer Marschwege gewesen sein15. Nach einer antiken Ueberlieferung, die freilich – wie oben schon gesagt – von Livius bestritten wird, soll auch die berühmteste Invasion Italiens während der Republik, der Hannibalzug, über den Grossen St. Bernhard geschehen sein. Diese populäre Tradition leitete den Namen des Summus Poeninus von den Poeni, den Karthagern ab16. Aber da die Berichte über den Hannibalmarsch die Isère und Turin nennen, muss derUebergang eines Passes derWestalpen benützt worden sein17. Die neuere Forschung ist sich imallgemeinen darüber einig, dass derGrosse St. Bernhard alsHannibalpass nicht in Frage kommt18. Bis auf Caesar rückt der St. Bernhardweg nicht mehr ins Feld des historischen Interesses. Der Einfall der Kimbern nach Italien geschah über einen östlichen Alpenpass19, unddie Anlage der Kolonie Eporedia durch den Kimbernsieger Marius sperrte seit dem Jahre 100 v. Chr.
14 F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 33. 15 Vgl. dieDiskussion über dieHerkunft undMarschwege derGaisaten bei Staehelin, a.a.O. 16 Liv.21, 38, 6. 17 Polyb. 3, 49, 5. 60, 9,vgl.dazu denKommentar vonF. W.Walbank I, 1957. 18 Vgl. die Uebersicht bei Walbank I, 1957, p. 382 ff. In jüngster Zeit votiert E. Meyer, Hannibals Alpenübergang, Mus. Helv. 15, 1958, 227 ff. fürdenColClapier imMont-Cenis-Massiv, wie vor ihmschon Azan, Dunbabin, Knoflach, Berthelot u.a. (vgl. Walbank, Kommentar I p. 382 f.). Nach U. Kahrstedt bei Meltzer-Kahrstedt, Geschichte derKarthager, III, 1913, 181 handelt es sich bei der Streitfrage nicht um ein topographisches, sondern ein literarisches Problem.
19 Brenner. Vgl. F. Staehelin, DieSchweiz inröm. Zeit, 19483, 59.
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wenigstens den Südausgang des Grossen St. Bernhards nach Italien. Aber mit Caesars Eroberung Galliens ändert sich das Konzept der
römischen Grenzpolitik im Norden des Reiches. Waren von Rom aus bisher die Alpenpässe als lästige Hindernisse des Marschweges nach Spanien undin dieNarbonensis betrachtet worden, die beijedem Durchzug erneut gegen denWiderstand derGebirgler zuöffnen waren, so verlangte nun die Besetzung Galliens und der Rheinlinie eine dauernde und sichere Verbindung mit Italien. Caesar hat deshalb schon im 2. Kriegsjahr 57 v. Chr. die Inbesitznahme des Summus Poeninus befohlen. Die Aktion stand unter der Leitung des Legaten Servius Sulpicius Galba20 undführte nicht zumErfolg, wasauch der Bericht Caesars nicht verschleiern konnte21. Wir erfahren aus diesem Referat, dass der Pass fest in denHänden der einheimischen Stämme war, die für denUebergang bedeutende Zölle erhoben22. Im ersten Vorstoss vcm Genfersee her gelang es zwar Galba, die Klus von St. Maurice zu öffnen und den Platz mit zwei Kohorten zu sichern. Auch das Vorrücken bis Octodurus, Martigny, glückte den Römern, aber der Eingang zur Dranceschlucht und der Anstieg zur Höhe von Vens liessen sich nicht forcieren23. So musste Caesar die Legion aus dem Unterwallis zurückziehen. Er ist im Verlauf desgallischen Krieges nie mehr auf seine Absicht zurückgekommen, wohl weil er grössere Truppenmengen von beiden Seiten desPasses hätte einsetzen müssen, die er in Gallien nicht entbehren konnte. So musste er sich mit dem durch diplomatische Mittel gewonnenen Passübergang des Mont Genèvre für die Verbindung Gallien-
Italien begnügen24.
Erst mit Augustus beginnt die römische Geschichte des Summus In Verbindung mit der Besetzung Germaniens sollte derPass
Poeninus.
20 Ueber ihn vgl. Münzer, RE IV A, Sp. 769 ff. No. 61. Er gehört im Jahre 44 zu denMördern Caesars undwarderUrgrossvater desKaisers Galba. 21 bell. Gall. 3, 6, 4– 5. 22 bell. Gall. 3, 1, 2: causa mittendi fuit, quod iter perAlpes, quo magno periculo magnisque portoriis mercatores ire consueverant, patefieri volebat. 23 bell. Gall. 3, 1– 6. DazuF. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 85 ff. 24 Nach Florus 1, 45, 22, warCaesar im Jahre 52 beim Ausbruch des Vercingetorix-Aufstandesin Ravenna. Er führte sofort Ersatztruppen vonItalien in dieNarbonensis undbegab sich selbst nach Narbo, von wo er die Verbindung mit derdurch denAufstand imNorden blokkierten Armee aufnahm. Als Alpenübergang im frühen Jahr 52 kommt nur der gewohnte Spanienweg desMont Genèvre in Frage, da dieKüstenstrasse, diespätere ViaIulia Augusta, für Truppentransporte noch nicht ausgebaut war. Diediplomatische Befriedung betrifft den Stammeskönig Donnus, nach dessen Sohn Cottius später die Cottischen Alpen genannt werden. Sein Herrschaftsgebiet von 15 Civitates musste im Alpenkrieg desAugustus nicht unterworfen werden und erscheint deshalb nicht auf demSiegesmonument von La Turbie (Plin. nat. hist. 3, 138).
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zweifellos als wichtige Reichsstrasse von Italien nach Norden ausgebaut werden. DieNiederlage imTeutoburgerwald unddieZurücknahme der germanischen Front haben dies vorerst verhindert unddasInteresse ganz auf die Uebergänge nach Gallien gelenkt. Während die Passwege durch die Meeralpen, durch die cottischen und graischen Alpen von Augustus zu Fahrstrassen ausgebaut worden sind, blieben die Verbindungen über die Zentralalpen vorderhand Saumwege25. Das bedeutet nicht, dass der Summus Poeninus für eilige Reisen ganz ausfiel: Alsim Jahre 9 v. Chr. – also noch vor der Varuskatastrophe – derKronprinz Drusus zwischen Saale und Rhein verunglückte, eilte sein Bruder Tiberius auf demkürzesten Wegan dasSterbelager. Augustus undderHof befanden sich beim Eintreffen der Depesche in Ticinum, deshalb wird Tiberius mit seiner Eskorte über denGrossen St. Bernhard geritten sein. Sein Parforceritt ist in der Postgeschichte berühmt, weil er die letzten 200 Meilen (= 295,6 km) über Mainz zum Unglücksort in einem Tag und einer Nacht bewältigt haben soll26. Aus der Zeit vor dem claudischen Passausbau stammt auch das Votivtäfelchen No. 29, das von einem Sklaven Phoebus aus demHausgesinde desTiberius auf derPasshöhe hinterlegt worden ist27. Ueberhaupt wird mansich denrömischen Boten- undDepeschenverkehr über den Summus Poeninus lebhaft vorstellen dürfen, seitdem dieMilitärgrenze amRhein durch Tiberius stabilisiert warundeine Legion in Vindonissa, an der nördlichen Verlängerung der St.Bernhard-Route lag28. Von denKämpfen derRheinlegionen gegen die treverischen Insurgenten unter Iulius Florus im Jahre 21 n. Chr., gegen die Sequaner und Häduer unter Iulius Sacrovir undgegen die aufständischen Friesen im Jahre 28 wird der Kaiser durch Meldereiter über denSummus Poeninus erfahren haben29. Küstenstrasse (Via Iulia Augusta: CIL V 8102, 8103) vgl. Strabo 4, 203; über die Strasse per Alpes Cottias vgl. Ammian. Marc. 15, 10, 2. Der Kleine St. Bernhard (Alpes Graiae) ist seit augusteischer Zeit Fahrstrasse, der Grosse St. Bernhard damals von Wagen unpassierbar: Strabo 4, 205. 26 Valer. Max. 5, 5, 3; dazu Friedländer, Sittengeschichte I10, 1922, 334. Drusus starb am 14. September (Fasti Antiat., Degrassi, Inscr. It. XIII, 329), zuwelcher Jahreszeit derPassrasch
25 Ueber dieligurische
überquert werden konnte.
27 No. 29 = CIL 6884. Phoebus ist Sklave
eines Fuscus, welcher seinerseits Leibeigener desTiberius war. Ueber solche „ Untersklaven“ vgl. H. Chantraine, Freigelassene und Sklaven im Dienste derröm. Kaiser, 1967, 391. 28 Die Legio XIII Gemina ist frühestens 16 n. Chr. in Vindonissa eingerückt undwurde 46 vonderLegio XXI Rapax abgelöst. ZurLagergeschichte vgl. E. Ettlinger, RE IX A, Sp.87 ff. 29 Zur Heeresgeschichte der römischen Rheinarmee vgl. E. Stein, Diekais. Beamten undTruppenkörper, 1932, 91 ff.; H. Nesselhauf, Jb. des Röm.-German. Museums Mainz 7, 1960,
151 ff.
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ZurVerkehrsgeschichte desSummus Poeninus
Vom Nachfolger desTiberius, Caligula, wissen wir, dass er im Jahre gezogen ist. Ursache für denAlpenmarsch wareine grössere militärische Unternehmung gegen Chatten und Chauken, für welchen Krieg derKaiser eine bedeutende Truppenmacht in Mainz konzentrierte30 und auch zwei neue Legionen aushob. DadieMannschaften dieser Einheiten, der Legio XV Primigenia und der Legio XXII Primigenia, zumgrossen Teil in Italien rekrutiert worden sind, mussten siezu ihrem Einsatz die Alpen überqueren31. Es ist anzunehmen, dass Marschkolonnen dieser grossen Streitmacht auch den Summus Poeninus benützten, obwohl wir keine direkten Zeugnisse davon besitzen. DerKaiser selbst mit der Garde brach nach Sueton, Calig. 43 überstürzt von Rom auf und forcierte dasMarschtempo so sehr, dass die Praetorianer ihre mit Medallions beschwerten Feldzeichen nicht selbst tragen konnten, sondern sie auf Saumtiere verluden32. Grund zu dieser Eile dürften Nachrichten über eine Offiziersverschwörung am Rhein gewesen sein, die dann vom Kaiser mit Rücksichtslosigkeit unterdrückt wurde33. Ob der Kaiser unter diesem Druck den kürzesten Wegüber den Grossen St. Bernhard wählte, oder einen bequemeren Uebergang der Westalpen, wissen wir nicht. Andengermanischen Krieg schloss sich im folgenden Jahr eine Demonstration des Kaisers gegen Britannien an, vonwelcher Caligula imMai40 wieder nach Romzurückkehrte34. Von denSt. Bernhardtäfelchen tragen zwei dieNamen vonLegionen, die am Germanenkrieg Caligulas beteiligt waren. No. 23 ist von einem Reiter der 4. makedonischen Legion gestiftet, die 39 von Spanien an den Rhein kommandiert wurde und dort bis zum Jahre 70 blieb. Da
39 über die Alpen
dieser Marschweg nicht über die Alpen führt, kann die Weihung nicht
vom Jahre 39 stammen. Dagegen kann derPrimipilus der Legio XV Primigenia (No. 38) sehr wohl denAlpenmarsch von 39 mitgemacht haben, da diese frisch ausgehobene Einheit damals vomKaiser vonItalien an denRhein geschickt worden ist. Die Regierung des Kaisers Claudius bedeutete für die Grosse St. Bernhardstrasse einen entscheidenden Wendepunkt. Aller Wahrschein-
30 Dazu Ritterling, RE XII Sp. 1244; E. Stein, Die kais. Beamten undTruppenkörper, 1932, 93. Dio59, 22, 1 spricht übertreibend vomZusammenzug von200.000 Mann.
31 Heimatangaben der Soldaten bei Ritterling, RE XII Sp. 1760 und 1819. 32 Ueber die infolge dervielen angehefteten Abzeichen besonders schweren Signa derPraetorianer vgl. M. Durry, RE XXII Sp. 1624. 33 Belege bei M. Gelzer, RE X Sp. 402. Ausführliche Diskussion derGaetulicus-Verschwörung bei J. P. V. D. Balsdon, TheEmperor Gaius, 1934, 66 ff. 34 Balsdon a.a.O. 73 lässt Caligula im Jahre 39 über denGrossen St. Bernhard marschieren. Rückkehr nach Rom nach einem Fragment der Arvalbrüder-Akten Ende Mai40: Balsdon a.a.O. 96.
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lichkeit nach hat Claudius denaugusteischen Saumweg über denPasszur Fahrstrasse erweitern lassen unddasTracé geschaffen, dassich in einigen Partien bis auf den heutigen Tag erhalten hat35. DasDatum dieses Strassenbaues ist durch zwei Meilensteine gesichert, vondenen dereine schon seit dem 17. Jh. in der Kirche von St. Saphorin amGenfersee bezeugt ist, der andere erst 1980 in Versvey im Unterwallis nahe der römischen Strasse entdeckt worden ist36. Beide Steine sind nach ihrer Inschrift in denersten Wochen desJahres 47 n. Chr. aufgestellt worden. Sie geben als Zählpunkt die Station F(orum) C(laudii) A(ugusti) an, die früher Octodurus (Martigny) genannte Ortschaft, welche fortan als Caput viae an derNordrampe desSummus Poeninus fungiert37. Entsprechend wurden die Entfernungen der Meilensteine auf der Südseite des Passes vonAosta ausgemessen38. AusderNamensänderung vonOctodurus zu Forum Claudii Augusti lässt sich der oben beschrieben Wechsel vomkeltischen Vicus zumrömischen Forum, d.h. zumPlatz mit Marktrecht erschliessen. In späterer Zeit wird Martigny Forum Claudii Vallensium genannt, vermutlich zur Unterscheidung vomForum Claudii Ceutronum in der Tarentaise, aber der keltische Name Octodurus ist in der Antike nie verschwunden und wird gelegentlich zusätzlich zur claudischen Forumsbezeichnung benützt39. Der Ausbau der Summus-Poeninus-Route durch Claudius steht im Zusammenhang eines grossen Strassenbauprogrammes dieses Kaisers, das sich von denMeilensteinen verschiedener Provinzen ablesen lässt40. ImJahre 46 ist der Alpenübergang der Via Claudia Augusta vom Po über Augsburg an die Donau gebaut worden. Zwei Meilensteine41 dieses Bauwerks berufen sich ausdrücklich auf denAlpenkrieg desDrusus, 35 s. oben S. 29. 36 St. Saphorin: CIL XII 5528 = Walser, Dieröm. Strassen in der Schweiz, 1967, No. 15; Versvey: F. Mottas, Milliaires et vestiges Romaines ducanton deVaud, Archäologie derSchweiz 3, 1980, 163; dazu G. Walser, Historia 29, 1980, 438 ff. 37 Die Steine geben dasCaput Viae in Abkürzung F CA, welche drei Buchstaben bei derSäule von Versvey ganz erhalten sind, dagegen fehlt bei derjenigen von St. Saphorin die mittlere Letter, sodass Mommsen (Inscr. Helv. Lat. 1854, No. 311) F(orum) A (ugusti) lasunddiese Lesung damit erklärte, dassdaskaiserliche Gentile zuLebzeiten desHerrschers wegfalle. 38 Vgl. z.B. den Meilenstein von Donnaz mit der Zählung XXXVI m.p. von Aosta: P. Barocelli, Forma Italiae, Augusta Praetoria, 1948, 226. 39 Auf den Meilensteinen im Unterwallis steht in der Regel F(orum) C(laudii) Val(lensium): CIL XII 5519, 5521, 5520, 5522 = Walser No. 1, 2, 3, 4; dagegen CIL XII 5523 = Walser, No. 9 F(orum) Cl(audii) Vall(ensium) Oct(odurus). 40 Zusammenstellung der Claudischen Meilensteine bei G. Walser, Die Strassenbau-Tätigkeit vonKaiser Claudius, Historia 29, 1980, 438– 462. 41 CIL V 8002 und 8003. Dazu W. Cartellieri, Die röm. Alpenstrassen über den Brenner, 1926, 52; G. Walser, Historia 29, 1980, 451 f.
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des Vaters desKaisers, derimaugusteischen Feldzug die Reschen-Scheideck-Linie eröffnet hatte. Im gleichen Jahre 47 ist in Dalmatien die Heerstrasse über die dinarischen Alpen nach Bosnien erstellt worden42 und 47/48 die Via Claudia Nova über den Apennin an die Adria zum Uebersetzhafen Aternum (Pescara) nach Salona43. Schon in seinem ersten Regierungsjahre 41 hatte Claudius eine vergleichbare grosse Erneuerung der Via Domitia in der Narbonensis angeordnet44. Alle diese Bauprogramme scheinen nicht mit Feldzügen, welche grosse Truppenbewegungen erforderten, zusammenzuhängen. Claudius ist der gewissenhafte Verwalter des Reiches, der die in den Archiven vorgefundenen Baupläne seiner Vorgänger, vor allem desAugustus, verwirklichte. Der Ausbau der beiden Alpenstrassen ist also gleichsam dieVollendung der augusteischen Alpeneroberung. Die kriegerischen Aktionen des Claudius scheinen die Grosse St. Bernhard-Route wenig berührt zu haben. Bei seiner Inspektion in Britannien im Jahre 43 benützte er nach dem Zeugnis Suetons (Claud. 17,2) die Strecke Marseille-Gesoriacum, vermied also den Alpenübergang. Auf dieser Reise besuchte der Kaiser seinen Geburtsort Lyon und erhielt eine Dedikationsinschrift, die das Datum 43 trägt. Von vielen Forschern ist diese Inschrift vonValbonne als Meilenstein angesehen worden, aber dagegen sprechen sowohl die ungewöhnliche Dativ-Form als dieunvollständige Titulatur, dievonden Meilensteinen der Zeit abweichen. Auch die äussere Gestalt desSteines ist von denClaudiussäulen an denStrassen verschieden45. Während die Regierung Neros auf demSummus Poeninus keine Spuren hinterlassen hat, wird die Passroute nachdrücklich in die Kämpfe des Vierkaiserjahres 69/70 einbezogen. Dieser Bürgerkrieg ist durch denMarsch derRheinlegionen nach Romentfacht worden undhat während derKämpfe grosse Soldatenmengen über denGrossen St. Bernhard geführt, und zwar von Norden nach Süden und in umgekehrter Richtung. Aus den Schilderungen des Tacitus ist bekannt, dass der Usurpa42 CIL III 13329– 13335; dazuWalser, a.a.O. 455 f. 43 CIL IX 5973; dazu Walser, a.a.O. 457. 44 Liste der23 Steine beiWalser a.a.O. 460. 45 Stein vonValbonne: CILXIII 9055. Claudius zeichnet aufallen bekannten Meilensteinen im Nominativ, nicht im Dativ. Die Dativ-Dedikationsform beginnt erst mit Traian. Auf dem Formular vonValbonne fehlt die übliche Akklamationszahl. Ueber weitere Besonderheiten vgl. Walser, Historia 29, 1980, 447. Die Zahl CXIX auf Zeile 6 hat zu vielen Diskussionen Anlass gegeben. Besnier undVillefosse lesen (a) C(olonia sc. Lyon) (milia passum) XIX, dagegen betrachten Hirschfeld und D. van Berchem die Zahl CXIX als Distanz vomKleinen, resp. vomGrossen St. Bernhard (Belege bei Walser, a.a. O. 447, Anm. 35). ImNeuabdruck seines Aufsatzes über das allobrogische Strassennetz hat D. van Berchem (Les Routes et l’Histoire, 1982, 108, Anm. 15) den Hinweis auf den Stein von Valbonne fallen lassen. Dagegen betrifft dieverlorene Inschrift CIL XII 5524 nicht Claudius, sondern Caligula.
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tor Vitellius, der am 1. Januar 69 von derMainzer Garnison zumImperator proklamiert wurde, das Rheinheer in zwei Kolonnen über dieAlpen führte46. Die drei Legionen IV Macedonica (Mainz), XXII Primigenia (Mainz) und XXI Rapax (Vindonissa) überstiegen mitsamt ihren Hilfstruppen im März 69 denSummus Poeninus, während die niedergermanische Streitmacht bestehend aus den Legionen V Alaudae (Xanten), XV Primigenia (Xanten), I (Bonn) und XVI (Neuss) Italien über den Mont Genèvre erreichten. Führer der östlichen Kolonne war der Legat Aulus Caecina, diewestliche Streitmacht, der sich auf ihrem Zuge durch Gallien noch die 8 batavischen Kohorten in Langres47 unddie vonNero neu formierte Legio I Italica in Lyon48 anschlossen, stand unter dem Kommando des Vitellius selbst. Anfang April 69 hatten beide Abteilungen die Alpen überwunden und schlugen die Truppen Kaiser Othos am 14. April bei Bedriacum49. Nach Tacitus, hist. 1,61 betrug die Streitmacht des Vitellius 70.000 Mann, wovon 30.000 Mann über den Summus Poeninus marschierten. Aus welchen Einheiten diese östliche Kolonne ausser denLegionen bestand undwelche Effektivbestände sie umfasste, wissen wirnicht genau. Alle drei Legionen haben einen Teil ihrer Mannschaften in der Garnison zurückgelassen, rückten also nicht mit dem Vollbestand von ca. 5.000 Mann aus. Wenn mandie Legionäre insgesamt mit 12.000 Mann berechnet, so fallen auf dieAuxilien mehr als die Hälfte der 30.000 von Tacitus angegebenen Mannschaften. Wir besitzen kein vollständiges Register der römischen Hilfstruppen; nach den Ziegelstempeln von Vindonissa scheinen vier Cohortes auxiliariae die 21. Legion begleitet zu haben50, was eine Gesamtstärke von 2.000 – 2.500 Mann ausmachen dürfte. Ueber die technischen Details desWinterüberganges von 69, also zur Zeit der grössten Schneehöhe auf dem Pass, besitzen wir keine Berichte. Aber darüber, dass diese Passage eine ganz ungeheure Leistung gewesen sein muss, die nur trainierte Berufssoldaten durchstehen konnten, sind sich alle modernen Berichterstatter einig51. Als vergleichbares Unternehmen ist der Passübergang 46 Tac. hist. 1, 61. Vgl. R. Saxer, Untersuchungen zudenVexillationen, 1967, 14 ff. 47 Tac. hist. 1, 59, 1. DazuH. Heubner imKommentar (1963) zur Stelle. 48 Tac. hist. 1, 59, 2.
49 L. Holzapfel, Römische Kaiserdaten: Otho, Klio 13, 1913, 289– 295. 50 Ueber die Auxilien in Helvetien vgl. E. Ettlinger, RE IX A, Sp. 89. Auxilien in Mainz: K. Decker-W. Selzer, ANRWII 5,1, 457 ff. Ueber die Vorgänge in Helvetien beim Durchmarsch desCaecina G. Walser, DasStrafgericht über dieHelvetier imJahre 69, Schweiz. Zs.f. Gesch. 4, 1954, 260– 270, dazu dieKorrekturen vonH.Heubner im Kommentar (1963). 51 A. v. Domaszewski, Geschichte der röm. Kaiser II, 19142, 91; F. Staehelin, DieSchweiz in röm. Zeit, 19483, 196. Staehelin berechnet die Mannschaft desCaecina auf 22.000 (Tac. hist. 1, 61, 1:30.000).
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Napoleons Mitte Mai 1800 genannt worden, also zu etwas günstigerer Jahreszeit als bei Vitellius. Napoleon hat zumTransport der Kanonen, die auf Schlitten und Schleifwannen befördert wurden, 6.000 Walliser Bauern aufgeboten. Aehnliche Dienste dürften auch die vitellianischen Truppen von den Einheimischen gefordert haben. Freilich bestanden wohl seit Claudius die Stationen desCursus publicus an der Passroute, welche die Vorbereitung des Ueberganges erleichterten. Aber die claudische Fahrstrasse lag unter meterhohem Schnee, auf welchem die Kolonnen marschieren mussten, undnursorgfältig vorbereitete Markierung des Tráces durch die einheimischen Passeure ermöglichte den gefährlichen Gebirgsmarsch. ZurVorbereitung desPassüberganges gehören auch die Vorauspatrouillen und Meldereiter, welche Tacitus gelegentlich erwähnt52. Vielleicht sind damals der Praefekt der V. Asturerkohorte, Iulius Antullus, und der Reiter L. Licinius Severus ausder Legio IIII Macedonica, die beide auf dem Pass ihre Ex-Vototäfelchen hinterlassen haben (NN. 18 und 23), dem Gros vorausgeritten. Man mag bei den geschilderten Verhältnissen ihr Gelübde an den Passgott gut verstehen. Das Gros der vitellianischen Truppen blieb nach der Schlacht bei Bedriacum nicht lange in Italien. Schon vor demMarsch auf Rom mussten die 8 batavischen Hilfskohorten wegen Insubordination über den Grossen St. Bernhard nach Mainz zurückgeschickt werden53. Von dort schlossen sie sich dem Aufstand des Batavers Iulius Civilis an. Die übrige Armee des Vitellius marschierte im Herbst 69 von Rom wieder nach Norden, um den anrückenden Truppen Vespasians entgegenzutreten. Sie erlitten am 29. Oktober gegen die vespasianischen Generäle eine vernichtende Niederlage bei Cremona. Von diesen in der Schlacht stark dezimierten 7 Legionen sind vom Sieger Vespasian 4 Einheiten cum infamia aufgelöst worden (überlebende Mannschaften scheinen in andere Legionen umgeteilt worden zu sein), 2 bekamen neue Quartiere an der Donau angewiesen, kehrten also nicht mehr in ihre rheinischen Standquartiere zurück, einzig die Restmannschaften der Legio XXI Rapax, die mit dem Adler ausgezogen war und die Hauptkraft der Kolonne des Caecina gebildet hatte, durften über den Grossen St. Bernhard nach Vindonissa zurückmarschieren, von wo aber dieEinheit schon 71 unter neue Kommandoverhältnisse am Niederrhein dislozieren musste54. Während des Jahres 70 ist von Vespasian auch ein Teil 52 Tac. hist. 1, 70, 2. 53 Tac. hist. 2, 69, 1. 54 Vgl. über dieGeschichte dereinzelnen Legionen Ritterlings RE-Artikel (RE XII Sp. 1376ff.)
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derjenigen Legionen, welche ihm den Kaiserthron erstritten hatten, nach Norden in Marsch gesetzt worden. Sie wurden imKampf gegen die
aufständischen Bataver unter Iulius Civilis eingesetzt und dürften ihr Marschziel zum Teil über den Summus Poeninus erreicht haben. Das gilt u.a. für die Legion VIII Augusta, die früher in Moesien stand und nach demBataverkrieg in der Garnison Strassburg blieb. Die Legion XI Claudia marschierte mit dem vespasianischen Aufgebot aus Dalmatien nach Italien und wurde nach demBataverkrieg in dasLager Vindonissa versetzt, wo sie bis Traian ihren Dienst tat. Schliesslich gehört zu den von Vespasian aus Italien über die Alpen befohlenen Einheiten die Legio II Adiutrix, die der Kaiser für den Bataverkrieg ausFlottenmannschaften von Ravenna neu formiert hatte. Sie hat nach ihrem ersten Kriegseinsatz Quartier in Britannien erhalten55. Durch die Ereignisse desVierkaiserjahres hat sich die Route über den Grossen St. Bernhard zur grossen Militärader zwischen Italien unddem Oberrhein entwickelt. Riesige Truppenmassen haben sich über denPass bewegt, undes ist zu erwarten, dass sich vondiesen grossen Transporten Spuren erhalten haben. Wienoch zuzeigen sein wird, ist dies aber nicht der Fall. Die Ex-Voto-Täfelchen verraten nur einige wenige Einzelreisende, aber keine Weihungen ganzer Truppeneinheiten56. Nach demSiege Vespasians tritt an derNordfront zunächst eine Zeitlang Ruhe ein. DasRheinheer wurde reorganisiert, fast alle Lager hatten in denKämpfen gelitten undmussten neuaufgebaut werden. DerKaiser selbst scheint das Rheingebiet nie besucht zu haben und ist auch nie nach Helvetien zurückgekommen, woer seine Jugend verbracht hatte57. Die Aufbauarbeit blieb den rheinischen Provinzgouverneuren überlassen, welche auch dasVorrücken derTruppen in dasDekumatland leiteten. Der Mainzer Statthalter Cn. Pinarius Clemens signierte die Bauurkunden der Strasse von Strassburg über den Schwarzwald an die obere Donau58, zu welchen Arbeiten auch die Legion vonVindonissa herangezogen worden ist59. Auch für die Alpenregion scheint dieser Legat zuständig gewesen, denn er legte die Grenze zwischen demKoloniegebiet von Vienna und den Ceutronen in den Alpes Graiae fest60. Für einige Jahre ist die Truppenmacht des Pinarius auf 5 Legionen verstärkt wor55 Ritterling, RE XII Sp. 1438 ff.
56 Vgl. dazuunten S. 77. 57 Suet. Vesp. 1, 3. CIL XIII 5138, dazu D. van Berchem, Un banquier chez les Helvètes, Ktema 3, 1978, 267– 274 = Neudruck 1982, 113– 121. 58 Meilenstein vonOffenburg CILXIII 9082: iter de[rectum abArge]ntorate inR[aetiam]. 59 Belege bei Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 212. 60 CIL XII 113 = Howald-Meyer No. 137.
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den, worauf eine Bauinschrift der Legio VII Gemina hinweist61. Aber diese Verstärkung berührte kaum den Verkehr über die Alpenstrassen. Während Kaiser Titus sich nie über dieAlpen an denRhein begeben hat, ist dies von seinem Nachfolger Domitian mehrfach bezeugt, erstmals anlässlich des Chattenkrieges im Jahre 83. Da der Angriff des Kaisers nach Frontin, strat. 1, 1, 8 von Gallien ausging, dürfte er über einen westlichen Alpenpass, nicht über denSummus Poeninus nach derFront gekommen sein. Vielleicht aber haben die in Italien ausgehobenen Mannschaften der neu formierten Legio I Flavia Minervia den St. Bernhardweg benützt62. 6 Jahre später brach Domitian erneut über die Alpen auf, diesmal unter drängenden Umständen, die einen Ausmarsch der Garde am 12. Januar 89 nötig machten63. Im Spätjahr 88 waren Berichte über die Rebellion des obergermanischen Legaten L. Antonius Saturninus nach Rom gekommen. Mit Hilfe der beiden Mainzer Legionenundin Verbindung mit einer senatorischen Fronde in derHauptstadt dachte Saturninus das Pronunciamento des Vitellius zu wiederholen64.
Der energische Abwehrplan Domitians sah die Sammlung einer Abwehrarmee in Vindonissa vor, zu welcher von Osten die rätischen Auxilien, von Westen die spanische Legion unter Führung des späteren Kaisers Traian und von Süden die Praetorianer stossen sollten. Verstärkt durch die Legio XI Claudia von der Garnison Vindonissa sollte diese kaisertreue Truppenmasse eine Entwicklung, wie sie 69 eingetreten war, verhindern. Dass der Kaiser Vindonissa erreicht hat, scheint durch eine Ehreninschrift bestätigt65, aber sein Marschweg nach Helvetien ist nicht ausdrücklich bezeugt. Die kürzeste Route wäre auch im Winter die St. Bernhardstrasse gewesen, aber der längere Uebergang über die Seealpen oder den Mont Genevre scheint wahrscheinlicher, weil im Rhônetal unschwer die Verbindung mit den anmarschierenden spanischen Truppen hergestellt werden konnte, die Haltung der Vindonissa-Legion als Teil der Saturninusarmee vielleicht lange unsicher war, und der Kaiser eine Blockierung durch diese Legion am Passausgang des Wallis nicht ris61 CIL XIII 11542: [vexillationes legio]num I Adiu[tricis et VII] Gem(inae) Feli[cis]. Vgl. dazu F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 214. Nach Staehelin stammt die Inschrift von Strassen- oder Brückenbau der Legionen. Mankönnte auch an den Bau des Amphitheaters denken: R. Laur, Führer durch Augusta Raurica, 19664, 11 und72. 62 Ritterling, RE XII, Sp. 1420. 63 Acta fratr. Arval. 12. Januar 89: Vota in Capitolio ex s(enatus) c(onsulto) pro salute et vict[oria et reditu] imp. Domitiani. 64 Belege bei G. Walser, Der Putsch des Saturninus gegen Domitian, Provincialia (Festschr. Rud. Laur-Belart), 1968, 497– 507. 65 CIL XIII 11517: Besuch in Vindonissa, vgl. F. Staehelin. Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 236 Anm. 1.
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kieren wollte. Wie Reiseroute und Befehle des Kaisers auch gewesen sein mögen: als Domitian im Frühjahr 89 mit der Entsatzarmee in Mainz ankam, war der Aufstand des Saturninus schon durch den Einsatz der niederrheinischen Legionen zusammengebrochen. Zum Unglück für die Insurgenten blieb der Zuzug der angeworbenen Germanen wegen hohen Eisganges auf dem Rheine aus. Die nach dem Saturninus-Aufstand von Domitian durchgeführte Reorganisation des Rheinheeres berührt die Geschichte des Summus Poeninus insofern, als die beiden Mainzer Legionen an die Donau verlegt und die gesamte Rheinarmee auf 6 Legionen reduziert worden sind66. Das hat die Frequenz der militärischen Passbenützung gewiss vermindert. Die Verlagerung des Truppenschwergewichtes vom Rhein an die Donau geht unter Traian weiter: Die Rheinarmee wurde um zwei weitere Legionen vermindert, da die Donaufront grössere Bestände erforderte. Sicher spielte bei diesem Entschluss auch die politische Absicht mit, die gefährliche Rolle der rheinischen Heereskommandanten einzuschränken67. In die gleiche Bemühung Domitians gehört sein Entschluss, die beiden rheinischen Heeresbezirke in reguläre Provinzen umzuwandeln. Seit etwa demJahre 90 bestehen auf dem Boden der alten belgischen Provinz die beiden consularischen Provinzen Germania superior und Germania inferior, wovon diese von Köln aus, jene von Mainz aus regiert wird. Die Fortsetzung der Summus-Poeninus-Strasse durch Helvetien liegt seither in der obergermanischen Provinz68. Durch die Annexion der sogenannten Decumates Agri69 entstand vor den Legionsgarnisonen ein ausgedehntes militärisches Glacis, das durch die Anlage des Limes mit seinen Auxiliarbesatzungen geschützt wurde70. Die Neuordnung hat für die nächsten Jahre eine Beruhigung derrömischen Nordgrenze erbracht. Einer der ersten Statthalter der obergermanischen Provinz war der spätere Kaiser Traian. Seine Promotion zum Consul 91 dürfte die Belohnung für die Unterstützung Domitians im Saturninus-Aufstand gewesen sein. Wahrscheinlich war Traian bei der Ermordung Domitians, im September 96, in Rom, und trat danach die Legatur in Mainz an71. 66 Ritterling, RE XII Sp. 1277; H. Nesselhauf, Jb. desRöm.-Germ. Zentralmus. 7, 1960, 166.
67 E. Stein, Diekaiserlichen Beamten undTruppenkörper, 1932, 105. 68 Zur Zugehörigkeit desHelvetiergebietes vgl. G. Walser, Röm. Strassen in derSchweiz, 1967, 11 f.; R. Frei-Stolba, ANRWII, 5, 1, 365.
69 Der Name ist nach wievor unerklärt. Zu Tac. Germ. 29 E. Norden, Alt-Germanien, 1934, 149 unddieneueren Germania-Kommentare zurStelle. 70 ZurOrganisation zusammenfassend H.Nesselhauf, Jb. desRöm.-Germ. Zentralmus. 7, 1960,
162 ff. 71 Belege bei R. Hanslik, RE Suppl. X Sp. 1038.
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Sein Weg dorthin wird ihn über den Summus Poeninus geführt haben. Als Kaiser Nerva am 27. Oktober 97 Traian adoptierte undzumNachfolger designierte, reiste eine Senatorengesandtschaft mit dem offiziellen Schreiben nach Mainz. Sowohl diese Botschaft als die Nachricht über Nervas Tod (27. Januar 98) wirdTraian auf demDepeschenweg über den Grossen St. Bernhard erhalten haben72. Dakerkrieg und Orientfeldzug haben Traian in den folgenden Jahren von Germanien und demzugehörigen Alpenpass ferngehalten, undauch vondenNachfolgern Hadrian, Antoninus Pius und Mark Aurel ist kein Uebergang über den Summus Poeninus bezeugt. Truppenverschiebungen vom Rhein an andere Fronten geschehen in der Regel ausserhalb desAlpenraumes. Nur wenn Vexillationen der Rheinarmee in afrikanischen Feldzügen eingesetzt werden, ist die Passage über die Alpen undOberitalien zu erwägen, so etwa beim Maurenkrieg des Antoninus Pius, der Teile der Leg. I Minervia aus Bonn und der Leg. XXII Primigenia aus Mainz nach Süden in Marsch setzte73. Auch die grossen Truppenverschiebungen derseverischen Zeit haben sich ausserhalb desAlpenbogens abgespielt, weil es Septimius Severus gelang, denAngriff seines Konkurrenten Clodius Albinus auf Italien in Lyon abzufangen. Im entscheidenden Jahr 197 liess Severus dasGros seiner Truppen über dieDonau und Raetien nach Gallien marschieren, aber die Alpenpässe wurden von Italien her durch Posten gesichert74. Für Italien brachte dieRegierung desSeptimius Severus nach zwei Jahrhunderten eine Remilitarisierung, denn nicht nur verdoppelte Severus die Gardetruppen der Hauptstadt, sondern er legte auch dieneu ausgehobene Legio II Parthica auf demAlbaner Berg in Sichtweite Roms in
Garnison75. Ohne Zweifel haben sich diese Massnahmen auf den Militärverkehr über die Alpenpässe ausgewirkt, denn bei jedem kriegerischen Konflikt in den Nordprovinzen mussten die Truppen aus Italien fürihren Wegan dieFront dieAlpen übersteigen. So werden gewiss beim Britannienfeldzug des Severus und beim Alamannenfeldzug Caracallas einzelne Einheiten den Summus Poeninus passiert haben, ohne dass die Quellen davon ausdrücklich berichten76.
72 Belege beiR. Hanslik, a. a. O. 1042 f.
73 W.Hüttl. Antoninus Pius I, 1936, 309. ν ‹ µετὰ› δ υνά µεω ς τὸν τὰ στενὰ τῶν 74 Herodian 3, 6, 10: ἔ πεµψε δὲ καὶ στρ ατ ηγό Ἄ λπεων κατ αλη ψ όµ ενον καὶ φρ ουρ ήσοντα τῆςἸ ταλίας τὰς εἰ σβολά ς. 75 Zur Militärpolitik desSeptimius Severus vgl. R. E. Smith, TheArmy Reforms of Septimius Severus, Historia 21, 1972, 481– 500. Weitere Hinweise: G. Walser, ANRWII 2 (1975) 636. 76 Legio II Parthica amAlamannenfeldzug: Ritterling, RE XII Sp. 1479.
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Die Geschichte der römischen Rhein- und Donauprovinzen wird seit der Mitte des 3. Jahrhunderts durch erbitterte Thronkämpfe, den Zusammenbruch derLimesverteidigung unddenAbfall derProvinz Gallien von der Zentralregierung gekennzeichnet. Für die Alpenpässe bedeutet dies, dass die für den römischen Militär und Handelsverkehr ausgebauten Pass-Strassen wieder wie in vorrömischer Zeit vonplündernden Barbarenscharen passiert werden. Wie schon im Jahre 169 einer Gruppe Markomannen ein Vorstoss über denBirnbaumerwald bis Oderzo gelungen war77, scheinen zwischen 250 und 260 reitende Alamannen über die Westalpen bis Mailand vorgedrungen zu sein, wo sie von Kaiser Gallienus zurückgeschlagen worden sind78. Wir wissen aber weder über den Weg79, noch über die Identität dieser Plünderscharen Genaueres. Der Historiker Zosimos nennt dieAngreifer Skythen, hinter welcher Be-
zeichnung sich mancherlei verbergen kann, auch germanische Föderatenaufgebote, die der Kaiser im Kampf gegen gallische Usurpatoren engagiert hat80. Für die Anliegergemeinden der Durchgangsstrassen wog es ohnehin gleichviel, ob sie von römischen Auxilien im Bürgerkrieg oder von des Kaisers ungetreuen Föderaten gebrandschatzt wurden81. Bevölkerung und Regierung beantworteten die neue Unsicherheit der Strasse durch Rückzug in befestigte Plätze. Eine Bauinschrift des Gallienus aus Vindonissa zeigt, dass das alte, seit etwa 100 n. Chr. verlassene Legionslager wieder befestigt worden ist82. Gegen die reitenden Plünderer, ob sie ihre Aktionen im Auftrage eines Gegenkaisers oder auf eigene Rechnung durchführten, schuf Gallienus eine mobile Einsatzarmee, die, in Oberitalien konzentriert, zunächst für den Schutz Italiens gedacht war83. Diese Neuordnung scheint Anstoss für das spät77 Amm. Marc. 29, 6, 1. H.-J. Kellner, Die Römer in Bayern, 19784, 72. 78 Zonar. 12, 24 Dind. M. Christol, ANRWII 2 (1975) 818. 79 L. Schmidt, Die Westgermanen II, 1940, 13 nimmt nach Hortfunden einen Wegquer durch Helvetien nach dem Unterwallis an. Nach ihm so auch F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 260 f. Die Fredegar-Notiz (2, 40) vonderZerstörung vonAventicum kann nach neuen Untersuchungen (vgl. dazu P. Frei, Dasrömische Aventicum bei Fredegar, Mus. Helv. 26, 1969, 107– 112; L. Berger, Zuzwei Problemen der spätrömischen Schweiz, Jb. Schweiz. Ges. f. Urgesch. 59, 1976, 203– 205) nicht durch Brandschichten gestützt werden. Einen späteren Alamanneneinfall lässt Schmidt a. a. O. 14 über denMont Genèvre gehen. 80 Zosim. 1, 38, 1. Germanische Föderaten imDienste desGallienus: Zosim. 1, 30, 3. Wickert, RE XIII Sp. 354 nennt diese Anwerbungen „ein etwas bedenkliches Mittel“. 81 J. Jüthner, Hellenen und Barbaren, 1923, 118 f. weist darauf hin, dass im 4.Jh. von der romanisierten Bevölkerung die Begriffe „Soldat“ und„ Barbar“ synonym gebraucht werden. Von ihrem Sohn im römischen Militärdienst sagt eine ägyptische Mutter (346 n. Chr.) „er sei zudenBarbaren eingerückt“. 82 CIL XIII 5203 = Howald-Meyer No. 294, mit der Bestätigung von Mommsens Datum 260. Zuletzt H. Lieb, Jahresber. Pro Vindonissa 1948/9, 22 ff. 83 M.Christol, ANRW II 2, 826.
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antike Bewegungsheer geworden zu sein84. Für den Passverkehr bedeutet diese Heeresform, dass die schwerfälligen mit Bagage belasteten Infanterietransporte aufhören und den rascheren Kavallerie-Durchzügen Platz machen. Die neue Beweglichkeit des kaiserlichen Heeres hat auch Einfluss auf die Wahl der Pässe: in der Spätantike leben manche keltischen Uebergänge wieder auf, die durch die römischen Fahrstrassen
verdrängt worden waren85. Da die Quellen für die Geschichte der römischen Nordprovinzen seit der Mitte des 3. Jh. zu schwinden beginnen, verzichten wir darauf, die Passchronik des Summus Poeninus in der bisherigen Weise weiter zu verfolgen. Die 60er, 70er und 80er Jahre dieses Jahrhunderts haben sicher noch viele kriegerische Züge über den Pass gesehen, aber die Hortfunde lassen sich nicht in historische Ereignisse umsetzen. Mit der diokletianischen Neuverteilung der kaiserlichen Kompetenzen und Streitkräfte ist jedenfalls der Auszug der Garde von Rom nach Germanien weggefallen, denn die vier Unterkaiser verfügten über ihre eigenen mobilen Truppen. Für den Grossen St. Bernhard bedeutsam erscheint, dass die Alpes Graiae et Poeninae in der Diözesanordnung zu Gallien geschlagen worden sind. Der Alpenübergang zum Rhein blieb also in der Hand des Militärkommandanten von Trier, ähnlich wie dies schon zu Zeiten des Pinarius Clemens gewesen war86. VonTrier ausist Kaiser Constantin im Jahre 312 aufgebrochen, das diokletianische Herrschersystem zu zerstören und das ganze Reich wieder unter eine Hand zu bringen. Es scheint, dass Constantin – wie einst Vitellius – seine Marscharmee in verschiedenen Kolonnen über die Alpen führte87. Auf die Benützung des Mont Genèvre weisen die Eroberung von Segusio und die Kämpfe bei Turin, die der Kaiser persönlich leitete88. Dass der Summus Poeninus in die Bewegung deskaiserlichen Comitatus einbezogen war, geht aus den Reparaturen der Pass-Strasse hervor, wo eine Serie von 8 Meilensteinen die Vorbereitung desAlpenmarsches andeutet89. Die Constantinsteine sind nicht nur der letzte Beleg für eine
84 Ueber die Rolle des Gallienus bei der Schöpfung der spätantiken Bewegungsarmee vgl. D.vanBerchem, L’armée constantinienne et sesantécédents, ANRWIII 1 (1976). (imSatz) 85 Benützung der Klein- und Nebenpässe durch die nach Italien einfallenden Germanen: L. Pauli, DieAlpen in Frühzeit undMittelalter, 1980, 254.
86 Vgl. oben S. 21 87 Vgl. oben S. 43. 88 Paneg. 9, 6, 5; 10, 21, 1. 89 CIL XII 5519 (Bourg St. Pierre), 5520, 5521 (Martigny), 5522, 5522a, 5522b (St. Maurice), Archäol. d. Schweiz 3, 1980, 161 (Versvey), 5526 (Villeneuve), 5529 (Villette). Daseinheitliche Formular deutet aufgleichzeitige Setzung derSteine. AlsDatum bietet sich einTermin nach 310 (Titel: invictus Augustus) undvorderSchlacht anderMilvischen Brücke (28. Okt.
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grössere römische Strassenerneuerung, sondern auch diezeitlich letzten Meilensäulen in derSchweiz. Während in der Spätantike die Passgeschichte des Summus Poeninus undeutlich wird und aus den Quellen immer schwieriger zu erfassen ist, lebt dierömische Strasse selbst weiter. Es gibt für denPassverkehr keine Zäsur zwischen Altertum und Mittelalter, auch nachdem der Tempel des Jupiter Poeninus von Kaiser Theodosius im Jahre 394 zerstört worden ist90. Es sei deshalb gestattet, einen kurzen Ausblick auf die Benützung des claudischen Weges im Mittelalter anzuschliessen undeinige Hauptbenützer des Passes zu nennen. Es sind dies einmal die deutschen Kaiser, welche über den Grossen St. Bernhard nach Rom zogen, ferner die Handelskarawanen, welche Güter zwischen dem Rheinland undItalien und umgekehrt vermittelten, schliesslich die Pilger, welche zum Zentrum derChristenheit in Rom wanderten91. Aus der Karolingerzeit nennt Schulte 8 Uebergänge deutscher Herrscher über den Jupitersberg, wie der Pass noch im Mittelalter genannt worden ist92. Bei seinem Angriff auf die Langobarden in Oberitalien überschritt Karl der Grosse von Genf aus 773 in zwei Kolonnen die Alpen. Er schickte daseine Heer unter Führung seines Oheims Bernhard über den Summus Poeninus undführte die andere Abteilung selbst über den Mont Cenis, nahm also eine Teilung seines Heerzuges vor wieeinst Vitellius. Im Gegensatz zum römischen Usurpator begegnete Karl bei seinem Uebergang keinen Schwierigkeiten der Jahreszeit, denn der Marsch geschah im Sommer. Dagegen waren amAusgang der Pässe die Klausen, die seit der Spätantike bestehenden Sperrforts, zu überwinden, 312. Titel nachher: Maximus Augustus) an. F. Mottas, Arch. d. Schweiz 3, 1980, 162 ein Datum unmittelbar nach der Entscheidungsschlacht gegen Maxentius, also Ende 312 oder Anfang 313, an, weil die Constantin-Inschrift des neugefundenen Steines von Versvey auf einer eradierten Säule derTetrarchie steht undConstantin kaum dieTetrarchieInschriften (mit demNamen desGalerius) vorseinem Siegüber Maxentius habe ausmeisseln lassen. Nunhat Constantin aber eine ganze Reihe vonTetrarchie-Steinen anderselben Strasse vomWallis zumGenfersee stehen lassen (CIL XII 5520; Vallesia 15, 1960, 231; XII 5525, 5527), so dass es sich bei der Erasion von Versvey kaum umeine planmässige Tilgung der Tetrarchienamen handeln kann, sondern umeine lokale Neubeschriftung desSteines. 90 Augustin, civ. dei 5, 26 (nach dem Sieg über Eugenius): Victor autem sicut crediderat et praedixerat, Iovis simulacra ... in Alpibus constituta, deposuit. Dazu F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 348. 91 Zummittelalterlichen Verkehr über dieAlpen vgl. E. Oehlmann, DieAlpenpässe imMittelalter, Jahrb. f. schweiz. Gesch. 3, 1878, 164– 289 (Grosser St. Bernhard 231– 269); 4, 1879, 163– 324; A. Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland undItalien, I, 1900; A. Schaube, Handelsgeschichte derromanischen Völker desMittelmeergebietes, 1906. 92 Schulte I, 56. nimmt
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gegen die fränkische Armee 8 Monate lang Widerstand, während welcher Zeitspanne der fränkische König Zeit fand, an Ostern 774 Papst Hadrian in Rom aufzusuchen93. Nachdem Pavia im Juni 774 gefallen war, kehrte Karl über dieAlpen nach Norden zurück. DenPass desRückmarsches kennen wir nicht. Dagegen hat Karl 2 Jahre später den Summus Poeninus bei der Rückkehr von seiner Intervention in Treviso benützt94 und ebenfalls beim Rückmarsch von der Krönung in Rom, die am Weihnachtstage des Jahres 800 stattfand95. Von einem der Nachfolger Karls des Grossen, Karl dem Kahlen, nennen wir seinen Alpenübergang von 877, weil in den Quellen auch weitere Stationen dieser Reise angegeben sind96: Mit seinem Gefolge, darunter die Kaiserin, und einem grossen Zug reich beladener Saumtiere reiste er über Langres-Pontarlier-OrbeSt. Maurice unddenGrossen St. Bernhard nach Pavia zur Unterstützung von Papst Johann VIII. Diese Route ist die römische Strecke, welche vom Alpenübergang über den Jura ins Rheinland und an die Kanalküste führte. Die Rückkehr Karls von Italien geschah im Spätjahr 877 unter bedrängteren Verhältnissen als die Hinreise. Vor dem von Westen anmarschierenden Heer seines Neffen Karlmann musste Karl Pavia fluchtartig verlassen, wandte sich zunächst nach Tortona, dann gegen den Mont Cenis, auf welcher Reise er in einer Alphütte elend ums Leben kam. Vom mittelalterlichen Warentransport über denGrossen St. Bernhard erfahren wir Näheres aus dem ältesten Zollkatalog von Aosta, der uns erhalten geblieben ist. Er wurde vom Bischof Giso von Aosta im Jahre 960 erlassen und bestimmt den Zoll von Fertigwaren undRohstoffen97. Die Berechnung der Zollgebühr geht nach Saumlasten, was zeigt, dass der römische Fahrweg zum Saumweg herabgesunken ist, und sieht für Fertigwaren wie Schüsseln und Schwerter 1 – 2 Stück pro Ladung, für Rohstoffe wie Blei, Zinn, Eisen oder besondere Güter wie Panzer,
und das stark befestigte Pavia (Ticinum) leistete
93 Ueber denSturz desLangobardenreiches vgl. L. M.Hartmann, Geschichte Italiens imMittelalter. II 2, 1903, 266 ff. 94 Schulte, a.a.O. 56. 95 Schulte, a.a.O. 56. 96 Oehlmann, 1878, 244. 97 Schulte I 68. Die Echtheit des Zolltarifs wird von Schaube, Handelsgeschichte, 1906, 82 Anm. 1 bestritten. Vgl. dazu neuestens H. Hassinger, Die Alpenübergänge vomMont Cenis bis zumSimplon im Spätmittelalter, in: Wirtschaftskräfte undWirtschaftswege, Festschrift
H. Kellenbenz I, 1978, 334. Die südlich Aosta gelegene Zollstation Bardwird in der lombardischen Zollordnung der Honoranciae Civitatis Papiae (MGH Script. Vol. 30, 2, Hannover 1934, 1451) genannt mit genauen Angaben über die Abgaben, welche die Händler zu entrichten haben, undüber dieFreiheiten derPilger. (freundlicher Hinweis vonA.Esch).
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Pferde, Falken, Affen (!) einen Wertzoll von 5,8 % oder mehr vor. Wenn man sich den Ansatz der römischen Quadragesima Galliarum (2 1/2 %) vor Augen hält, erkennt man die Verteuerung des mittelalterlichen Handels gegenüber dem römischen, besonders daAosta ja nur eine Zollstelle unter vielen war, die der Händler vonSüden nach Norden zu passieren hatte. Die Entwicklung des mittelalterlichen Fernhandels über den Grossen St. Bernhard hängt von der Territorialgeschichte der Zubringergebiete ab. Die Besitzer der Süd- undNordausgänge desPasses hatten Interesse, die Warenzüge über ihr Gebiet zu leiten undandere Wege zu blockieren. Nach demZusammenbruch desFrankenreiches waren Wallis undAostatal lange im Besitz der burgundischen Herrscher98 undgingen später an die Savoyer über. Gegen diese Handelslinie favorisierten die Habsburger den Anfang des 13. Jh. eröffneten Gotthardpass, der den Handel zwischen Italien und dem Rheingebiet auf neue Wege lenkte99. Wer die moderne Bedeutung der Gotthardlinie zwischen Italien und Norddeutschland bedenkt, wird erkennen, dass erst der Ausbau der Schöllenenpassage die traditionellen römischen Privilegien der St. BernhardStrasse gebrochen hat. Neben seiner Rolle als Kaiserweg und Handelspass versah der Summus Poeninus seit der Spätantike seine Aufgabe als Pilgerstrasse. Vor allem die Rompilger aus England und Nordfrankreich benützten diese Route, wasz.B. ausdemReisebericht desSigerich vonCanterbury von 990 hervorgeht. Auf dem Rückweg von Rom verzeichnet er die Stationen Piacenza – Pavia – Vercelli – Ivrea – Aosta – St. Rhémy – Bourg St. Pierre – Orsières – St. Maurice – Vevey – Lausanne – Orbe – Pontarlier – Besançon – Langres– Bar sur Aube – Chalons s.M. – Reims – Arras zur Kanalküste, das sind die gleichen Stationen, welche die Kuriere der britannischen Statthalter nach Rom berührten100. Mitten im Winter 1128 reisten der belgische Abt vonSt. Trond undder 98 Ueber das römische Erbe der burgundischen Herrscher vgl. H. C. Peyer, in: Handbuch der Schweizer Geschichte I, 1980, 140: „Dasverkehrsgeographische Gerippe der Königsmacht bildeten die alten Römerstrassen, vor allem die vomGrossen St. Bernhard ausstrahlenden Hauptrouten demGenfersee entlang nach Genf, von Lausanne über die alte, wichtige Königspfalz in Orbe und Pontarlier nach Besançon, von Vevey über Moudon, Payerne, Solothurn, längs derAare bisan denRhein undvon Biel über Moutier-Grandval nach Basel“. 99 Vgl. dazu Schulte I, 169 ff. Zumumstrittenen Datum derEröffnung desGotthard-Passes zuletzt H.C. Peyer, in: Handbuch derSchweizer Geschichte I,1980,176. Ueber dieAenderung
der geographischen Bedingungen des Alpenpass-Verkehrs durch die Einrichtung des Gotthardweges vgl. Schulte I, 32 f. Zur Diskussion über die Wirkungen der Gottharderöffnung vgl.jetzt H. Hassinger, Festschr. Kellenbenz I, 1978, 313 ff. 100 Schulte I, 67.
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Lütticher Bischof Alexander dieselbe Strecke. Ihr Bericht gibt ein anschauliches Bild von den Schwierigkeiten derWinterpassage. Die Reisenden, die Weihnachten in Piacenza, Neujahr in Etroubles amAnstieg des Poeninus feiern, entgehen mit knapper Not einer Lawinenverschüttung in St. Rhémy und verlieren noch vor dem Passübergang 10 ihrer Führer durch einen Lawinenniedergang101. Dass solche Pilgerzüge auch durch Räuber und sarazenische Plünderer gefährdet waren, ist am Beispiel des Abtes von Cluny (972) gezeigt worden102. Auch die zahlreichen Zollstationen behelligten die Pilger, weshalb die an der Strasse interessierten Herrscher anlässlich der Kaiserkrönung Konrads II in Rom (1027) ein Abkommen über den freien Durchgang dergeistlichen Reisenden und Rompilger aushandelten. Partner des Vertrages waren der Landesherr von Burgund, König Rudolf III, und der christliche Herrscher von England, Knut der Grosse von Dänemark103. Der wichtigste Beitrag zur Fürsorge der St. Bernhard-Pilger waraber der Baudes Hospizes auf der Passhöhe durch den Archidiakon von Aosta, den Hl. Bernhard von Menthon (gestorben 1084). Von ihm hat derPass seinen heutigen Namen. Dass das Kloster sich rasch zur unentbehrlichen Passherberge entwickelte, erhellt aus den reichen Stiftungen und Privilegien, mit welchen die Fürsten und der Adel das Hospiz bedachten. Die Schenkungen umfassten nicht nur regelmässige Zahlungen, Renten undImmunitäten an dieMönche auf demSt. Bernhard, sondern auch die Einkünfte aus weit vomPass abgelegenen Gütern, Kirchen und Pfründen104. Jeder grosse Herr, den sein Wegüber denPass nach Italien und zurückführte, dankte den Patres für ihre leibliche und geistliche Fürsorge durch ein angemessenes Geschenk in Land oder Geld. So wurde das Passhospiz im Laufe der Jahre mit einer Kette von Klosterbesitz verbunden, die ein genaues Abbild derZugangsstrassen zumPass von Norden und Süden aufzeigt: Im Anstieg von Süden und Norden bekam dasKloster 1125 dasDroit d’échute, dasBesitzrecht amGut der Verunglückten105. Nach Norden folgen Besitzungen in Bourg St.
101 Die mittelalterlichen
Urkunden, welche den Grossen St. Bernhard betreffen sind von L. Grémaud, Documents relatifs à l’histoire du Valais in: Mémoires et Documents publ. par la Soc. d’hist. de la Suisse romande, Band 19, 1875 ff. in chronologischer Folge publiziert. Bericht des Abtes von Trond = No. 122 (deutsche Uebersetzung im Sammelband, Diegrossen Alpenpässe, Reiseberichte ausneunJahrhunderten, 1967, 224 ff.). 102 Oben S. 29. Grémaud No.64. 103 Grémaud No.81. 104 Zusammenfassung bei Schulte I, 81 ff. 105 Grémaud No. 120 bis.
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Pierre106, Liddes107, Orsières108, Sembrancher109, Martigny110, Aigle111, Roche112, Villeneuve113, Vevey114, Lausanne115, Jougne am Jurapass nahe von Pontarlier116, Salins117, Val Suzon bei Dijon118, Bar-surSeine119, Troyes120, Sézanne121, und über Reims122 geht die Statio-
nenkette bis an die Kanalküste undnach London, woKönig Heinrich II dem Hospiz um 1177 reiche Stiftungen überlassen hatte123. Verbindet man die genannten Orte auf der Karte untereinander, so entsteht, mit nur leichten Verschiebungen, dieSkizze deralten Römerstrasse vonden Alpen zum Kanalhafen Gesoriacum nach Britannien. Auch im Süden desPasses geht der Pilgerweg über das römische Tracé: Alsfrühe Besitzungen werden genannt St. Rhémy124, Etroubles125, Aosta126, Châtillon127, Donnaz128, St. Martin129, Ivrea130, und über Pavia (Ticinum) erreicht der Pilger auf der Via Aemilia Rom. Da die mittelalterlichen Pilgerstrassen auf Rom ausgerichtet waren, haben sie am treusten das römische Verkehrsnetz durch Europa bewahrt.
106 Grémaud No. 156. 107 Grémaud NN. 156, 194. 108 Grémaud NN.156, 194. 109 Grémaud NN. 156, 194. 110 Grémaud NN. 152, 156, 194. 111 Grémaud No. 156. Dazu Schulte I, 82. 112 Grémaud No. 156. DazuSchulte I, 82. 113 Grémaud No. 156. DazuSchulte I, 82. 114 Grémaud No. 156. Dazu Schulte I, 82. 115 Grémaud No. 156. Dazu Schulte I, 82. 116 Gremaud No. 156. DazuSchulte I, 82. 117 Grémaud No. 156. Dazu Schulte I, 82. 118 Grémaud No. 156. Dazu Schulte I, 82. 119 Grémaud No. 156. Dazu Schulte I, 82. 120 Grémaud No. 156. DazuSchulte I, 82. 121 Grémaud No. 209. 122 Grémaud No.530. 123 Schulte I, 82.
124 125 126 127 128 129 130
Grémaud No. 156. Grémaud No. 156. Grémaud No. 156. Grémaud No. 156. Grémaud No. 156. Grémaud No. 156. Grémaud No. 156.
IV. ZUMREISEWESEN DER RÖMISCHEN KAISERZEIT Der Pass über den Grossen St. Bernhard als der wichtigste Reiseweg zwischen Italien und dem Rheinland figuriert in den beiden antiken Itineraren, die uns erhalten sind, in der Tabula Peutingeriana und dem Itinerarium Antonini. Bei der Tabula Peutingeriana handelt es sich um die mittelalterliche Kopie einer spätantiken Strassenkarte desrömischen Reiches, deren Angaben zum Teil auf die augusteische Reichskarte des Agrippa zurückgehen, zum Teil im 3. und 5. Jh. hinzugefügt worden sind1. Aus einer spätantiken Abschrift scheint ein Kopist im 12. oder 13. Jh. die heutige Tafel gezeichnet zu haben. Die Pergament-Schriftrolle, die ursprünglich aus 11 Blättern des Formates 33 x 60 cm zusammengesetzt war, ist seit 1863 wieder in Einzelblätter zerlegt und wird jetzt in der Wiener Staatsbibliothek zwischen Glasplatten aufbewahrt. Von der Geschichte der Handschrift (Codex Vindobonensis 324) wissen wir, dass sie 1507 im Besitz desHumanisten Konrad Celtes war und nach seinem Tode an den Augsburger Ratsschreiber Konrad Peutinger überging. Woher Celtes die Handschrift erworben hatte, ist nicht bekannt, vielleicht aus dem Kloster Reichenau, wo im Bücherinventar des 9. Jh. eine Mappa mundi aufgeführt wird. Möglicherweise war die Reichenauer Karte auch nur die Vorlage der Peutingeriana2. Die Publikation, die sich Peutinger vorgenommen hatte, kamzu seinen Lebzeiten nicht zustande, sondern erst 1598 durch die Bemühung von Marcus Welser. Die Pergamentrolle selbst ging 1720 in den Besitz des Prinzen Eugen von Savoyen über und war bis zu seinem Tode 1737 kostbarer Besitz seiner Bibliothek. Noch im gleichen Jahr kaufte Kaiser Karl VI denBüchernachlass desPrinzen undgliederte auch die Karte in die Bestände der Wiener Hofbibliothek ein3. Seither sind verschiedene Faksimile-Ausgaben der Tabula erschienen, von denen die im Masstab reduzierte Ausgabe von Konrad Miller (Ravensburg 1887/88; nachgedruckt Stuttgart 1962) die grösste Verbreitung erfahren hat. 1 Zur Entstehung der Tabula
Peutingeriana vgl.jetzt die Zusammenfassung vonEkkehard Weber, Kommentar zurFaksimile-Ausgabe 1976, 20 ff. 2 H. Lieb, ZurHerkunft derTabula Peutingeriana, in: DieAbtei Reichenau, Neue Beiträge zur Geschichte undKultur desInselklosters, 1974, 31 ff. 3 Zur Geschichte des Manuskripts vgl. K. Miller, Itineraria Romana, 1916, XIII ff.; E. Weber, Kommentar, 1976, 9 ff.
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Eine neue Faksimile-Ausgabe im Originalformat verdanken wir EkkehardWeber (Faksimile mit Kommentar, 1976). Die Strecke von Eporedia (Ivrea) über den Summus Poeninus bis Viviscus (Vevey) ist in der Tabula in eine geographische Skizze eingebettet, die verrät, dass der Zeichner keine genauen Vorstellungen von
der Alpenregion besass. Diese Eigentümlichkeit desAuseinanderklaffens von physischer Geographie undStrassenzeichnung lässt sich aber in fast allen Abschnitten beobachten und scheint auf die Entstehung der Tabula als einer reinen Strassenkarte hinzuweisen. Diegeographischen Angaben wurden offenbar nachträglich und zufällig in das Strassennetz eingetragen, da sie für den Strassenbenützer nicht erheblich waren4. So überschreitet die Strasse zwischen Eporedia undAugusta Praetoria nach derKarte drei Wasserläufe, die nicht sicher identifiziert werden können: Einen Fluss, welcher vomlacus Clisius in die Dora Baltea herabströmt (falsche Zeichnung für den Lago di Viverone oder den Gebirgsfluss Lys = Lesa?5), einen Wasserlauf, der alsflumem Betuctelum angeschrieben ist und mit dem Lyss des Gressonay-Tales oder dem Torrent de Challant identifiziert worden ist6, schliesslich das vom lacus Henus nach Aosta herabfliessende Gewässer, welches nach der Tabula der Buthier sein müsste, wozu aber der eingezeichnete See nicht stimmt7. Auf der Nordseite des Passes überschreitet die Strasse die Rhône vor Octodurus-Martigny, obgleich für diesen Uebergang die Brücke vonTarnaiae-Massongex angenommen werden muss8. Ueber Aosta hat der Zeichner der Karte die Cenomani angegeben, welcher Volksstamm in Wahrheit in die Gegend von Verona gehört9, und die Rauraci sind fälschlich vonAugst ins Unterwallis versetzt worden10. 4 Vgl. dazu W.Kubitschek, RE X Sp. 2132 ff. „ ..in diefertige Ausführung
eines Itinerars, die
etwa mit den (ohne Fluss- undBergzeichnung mehr oder minder schematisch durchgeführten) Begleit-Karten unserer modernen Post- oder Eisenbahnkursbücher verglichen werden kann, nach irgend einer Welt-Karte nachträglich die Flussläufe eingezeichnet worden sind, undzwar nicht mit dernötigen Sorgfalt undgeographischenKenntnis“ . 5 Hülsen, RE IV Sp. 56; Nissen, Ital. Landeskunde I, 1883, 182; Miller, Itineraria Romana,
6
7
1916, 956.
Hülsen, RE III Sp. 374; Miller, Itineraria Romana, 1916, 387. Miller, Itineraria Romana, 1916, 956: Verwechslung mit derSesia
desAlagna-Tales oder der Dora Baltea. 8 S. oben S. 31. Die Zeichnung könnte allenfalls fürdenUebergang über die Drance nach dem Mont Chemin vor Martigny stimmen, was aber dem eindeutig eingezeichneten Lauf der Rhône widersprechen würde.
9 Miller, Itineraria Romana. 1916, 382: „auf derTabula viel zu weit westlich“. 10 E. Meyer, Dieröm. Schweiz, 1941, 117: „Diese undandere Völkernamen sind aufderTabulainganz falscher Lage eingetragen“.
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Im Gegensatz zu diesen geographischen Angaben ist die Zeichnung der Reisestationen und ihrer Distanzen präziser. Auf der Route von Italien zumGenfersee gibt dieTabula folgende Stationen an: Eporedia (Ivrea) XXI (milia passuum) Utricio (= Vitricium, Verres) XXVIII (m.p.) Augusta Pretoria (Aosta) XXV (m.p.) Eudracinum (St. Rhémy)
XIII (m. p.)
In summo Pennino XXV (m.p.)
(Passhöhe
Gr. St. Bernhard)
Octoduro (Martigny) XII (m.p.) Tarnaias (Massongex) XIIII (m.p.) Pennelucos (En Muraz bei Villeneuve) VIIII (m.p.) Vivisco (Vevey)
Von diesen Distanzangaben stimmt die erste Ziffer XXI Meilen = 31,04 km Ivrea-Vitricium11 genau mit der Entfernung von Ivrea über Pont St. Martin nach Verres auf der modernen Fahrstrasse überein (31 km). Diese Strasse folgt ziemlich genau dem römischen Weg12. Spuren der Mansio Vitricium scheinen bisher nicht gefunden zu sein13. Die in der Karte gegebene Distanz Vitricium-Augusta Praetoria, VerresAosta, von 28 Meilen = 41,38 kmist etwas länger als die entsprechende moderne Strecke (38, 7 km), vermutlich, weil die Autostrasse geradliniger verläuft als derrömische Weg14. Der Aufstieg der römischen Strasse von Aosta auf die Passhöhe des Grossen St. Bernhard wird auf der Tabula durch die Station Eudraci11 Vitricium = Verres: Tab. Imp. Rom. L. 32 (Mediolanum), 145. 12 Strassenbeschreibung Ivrea-Aosta bei C. Promis, Le antichità di Aosta, 1864, 82– 114; P. Barocelli, Augusta Praetoria, 1948, LXVI. 13 Barocelli, a.a.O. 217. 14 Nach der bei Barocelli, a.a.O. 189– 217 gegebenen Beschreibung verlief die Römerstrasse in zahlreichen Partien ziemlich hoch über der heutigen Talstrasse, dagegen gibt dasIt. Anton. 345,3; 347,6; 351,3 fürdenselben Abschnitt Verres-Aosta nur 25 Meilen = 36,95 km.
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num unterbrochen, die mit dem heutigen St. Rhémy gleichgesetzt wird15. Dazu stimmt aber die angegebene Distanz von 25 Meilen = 36,95 km nicht. Die moderne Autostrasse verzeichnet 23 km, was ca. 16 Meilen entsprechen würde. Von Eudracinum auf die Passhöhe rechnet die Karte noch einmal 13 Meilen = 19,21 km, so dass die ganze Strecke Aosta-Passhöhe mit 38 Meilen = 56,16 km berechnet ist. Wie diese zu grosse Distanzangabe zustande gekommen ist, wissen wirnicht. Die moderne Autostrasse Aosta-Passhöhe misst heute 33,9 km (= ca. 23 Meilen)16. Richtiger führt das Itinerarium Antonini 25 Meilen an. Man könnte sich vorstellen, dass die ursprüngliche Strassenvermessung aus der claudischen Zeit sowohl für den Aufstieg vomDoratal auf die Passhöhe als für den Abstieg ins Rhônetal je 25 Meilen rechnete. Die Mansio Eudracinum, wodiePasswanderer üblicherweise Rast machten – auch noch der Abt Rudolf von Trond im Jahre 112917 – mag später dazugekommen sein, und der Kopist der Karte hat die falschen Zahlen
eingefügt. Die Zeichnung des Abstieges derrömischen Strasse von derPasshöhe ins Wallis bietet ähnliche Distanzschwierigkeiten wie der Aufstieg auf der Südseite. Die Tabula gibt als Entfernung von derPasshöhe bisMartigny 25 Meilen = 36,95 km, ohne irgendwelche Zwischenstationen zu nennen. Es ist aber anzunehmen, dass mindstens in Bourg-St. Pierre, vielleicht auch in Orsières, Mansionen bestanden18. Die heutige Gesamtdistanz Passhöhe-Martigny verzeichnen die Autokarten mit 45 km, also etwa 8 km (= 5 1/2 Meilen) mehr als die römische Zählung. Mommsen hat die Differenz damit zu erklären versucht, dass die römische Rechnung nur die römische Fahrstrasse betraf, die vielleicht nur über 25 Meilen im Anstieg von Martigny ausgebaut war und oben als Saumweg auf die Passhöhe lief19, aber eine solche Berechnungsart wäre singulär in der römischen Strassenvermessung. Dazu kommt, dass wir einen Meilenstein mit der Distanzzahl 24 Meilen von Martigny besitzen, der einst unweit der Passhöhe gestanden haben muss20. Offenbar 15 Barocelli, a.a.O. LXV und 63; Tab. Imp. Rom. L. 32 (Mediolanum) 65. 16 So etwa die Carta automobilistica al 200.000 des Touring Club Italiano in der Ausgabe vor demBaudesAutotunnels. 17 S. oben S. 54. Nach dem Bericht von 1129 war St. Rhémy dasStandquartier der Passeure („marones“), welche vermutlich die Reisenden über die gefährlichste Strecke brachten: St. Rhémy (1619 m. üb. M.) – Passhöhe (2473 üb. M.) – Bourg St. Pierre (1611 m. üb. M.). 18 Mansio in Bourg St. Pierre: L. Blondel, Vallesia 1, 1946, 25, in Orsières: L. Blondel, Coll. Latomus LVIII, 1962, 311. 19 Inscr. Conf. Helv. Lat. 1854, p. 65 = CIL XII 5519; gegen diese These E. Meyer, Die röm. Schweiz, 1941, zu No. 372; G. Walser, Röm. Strassen in der Schweiz, 1967, 25. 20 CIL XII 5519 = XVII 2, 108. Ehemaliger Standort „Les Tronchets“: L. Blondel, Latomus LVIII, 1962, 309.
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
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betrug die römische Vermessung Martigny-Passhöhe 25 Meilen, wie auch das Itinerarium Antonini (351,5) angibt, ohne dass wir die Herkunft dieser Zahl genauer erklären können21. Vomrömischen Hauptort des Wallis, der offiziell Forum Claudii Vallensium genannt wird, in den alten keltischen Namen Octodurus Itineraren aber mit dem erscheint22, erreicht die Strasse die Station Tarnaiae, ursprünglich Stammeszentrum der Nantuaten, seit Claudius Brückenpassage über die Rhône23. Die Tabula gibt als Distanz 12 Meilen = 17,73 km, welche Entfernung genau der modernen Messung entspricht (18 km). Wieoben gesagt, zeichnet die Karte denRhôneübergang an falscher Stelle ein. Die Fortsetzung der linksufrigen Strasse über dassüdliche Genferseegestade ist in keinem Itinerar verzeichnet, wird aber in römischer Zeit für den Lokalverkehr benützt worden sein24. Es folgt auf derTabula die Station Pennelucos (It. Ant. 351, 7 Pennelocos; Geogr. Rav. 4, 26 Pennolocus genannt), was nach Auskunft der Keltologen „ Seespitze“ bedeutet25. Die Mansio ist von den Archäologen in der Nähe des heutigen Hotels Byron beim Clos du Moulin auf der Erhebung Muraz zwischen Villeneuve und dem Schloss Chillon angesetzt worden26. Die Entfernung 14 Meilen = 20,69 km von Massongex stimmt mit der modernen Messung über Bex – Aigle – Roche – Villeneuve überein. Die letzte Station, die wir auf dem Strassenverlauf betrachten, Viviscus, das heutige Vevey, lag im oberen Teil der modernen Stadt, zwischen der 21 Erklärungsversuch bei E. Meyer, Die röm. Schweiz, 1941, 321, der die Strasse über den Mont Chemin (zwischen Sembrancher und Martigny) laufen lässt. Diese Route wäre aber gegenüber demWegdurch die Dranceschlucht kaum kürzer. Vgl. dazu oben S. 30. 22 Der offizielle NameForum Claudii Augusti, später Forum Claudii Vallensium findet sich auf den Meilensteinen, aber in derPraxis lebt deralte NameOctodurus weiter, wasausdemMeilenstein des Licinius (CIL XII 5523) vonOllon hervorgeht: (a) F(oro) Cl(audii) Val(lensium) Oct(oduro). Dazu G. Walser, Martigny als römische Strassenstation, Helv. Archaeologica 10, 1979, 153 undunten S. 67. 23 Zur Bedeutung von Tarnaiae vgl. D. van Berchem, Le sanctuaire de Tarnaiae, Rev. hist. vaud. 52, 1944, 161– 176 (abgedruckt in: Les Routes et l’Histoire, 1982, 172– 184). Die Gleichung Tarnaiae = Massongex war lange umstritten, ist aber von E. Meyer, Die röm. Schweiz, 1941, 207 im Sinne van Berchems entschieden worden. So auch F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 127 und Tab. Imp. Rom. L. 32 (Mediolanum) 130. In Massongex befand sich ebenfalls die statio Acaunensis dergallischen Wegsteuer, darüber unten S. 69. Dass die claudische Strasse die Rhône überschritt undamrechten Talhang des Wallis weiterzog, ist durch den Fund des Claudius-Steines bei Versvey (F. Mottas, Milliaires et vestiges des voies romaines du Canton de Vaud, Archäol. d. Schweiz, 3, 1980, 154– 168) bewiesen. 24 Vgl. oben S. 31. 25 Holder, Altceltischer Sprachschatz II 965. 26 D. Viollier, Carte archéologique du Canton de Vaud, 1927, 346; Tab. Imp. Rom. L. 32 (Mediolanum) 106.
62
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
Rue duSimplon unddemBach l’O gnonaz27. Die Distanz von 9 Meilen = 13,30 km zwischen Pennelucos und Viviscus ist in der Karte zu reichlich bemessen (moderne Messung ca. 10 km), dürfte aber der Führung der Römerstrasse am Berghang entsprechen, während die moderne Strasse direkt am Seeufer verläuft. In Vevey teilte sich die römische Strasse in den Zugüber Lausanne nach Genf unddenjenigen über Oron
–
Moudon nach Avenches. Das zweite Hilfsmittel für den spätantiken Reisenden, ausser der Tabula Peutingeriana, ist das Stationenverzeichnis des sog. Itinerarium Antonini. Es stammt nach der Überlieferung von Kaiser Caracalla, welcher vielleicht für seine Orientreise einen Routenplan hatte ausarbeiten lassen28. Inhaltlich ist die Liste nahe mit der Peutingerschen Tafel verwandt und scheint aus einer dieser Karte verwandten Strassenübersicht ausgeschrieben29. Das Itinerar führt die Stationen dergrossen Reichsstrassen in der Reihenfolge Afrika, Italien, Balkan,Orient, Gallien, Spanien, Britannien auf, wobei der Pass des Grossen St. Bernhard in die Fernroute Mailand – Mainz eingereiht wird30. Die Stationen
lauten:
350,4 Item a Mediolano per Alpes Penninas Mogontiacum m.p. CCCCXVIIII, sic: (Mediolano)
m.p. XXXIII
350,6 Novaria
m.p. XVI
27 Viollier, a.a.O. 336; E. Meyer, RE IX A. Sp. 503.
28 Nach D. van Berchem, L’annone militaire dans l’Empire romain au IIIe siècle, Mém. Soc. nat. des Antiqu. de France, 1937, 117– 211, besteht das Itinerar auszeitlich verschiedenen
kaiserlichen Edikten, welche die Vorbereitung von Kaiserreisen durch die Annona militaris regelten (vgl. auch Congr. Frontières romaines, 1972, 301– 307). Die Orientreise Caracallas (214– 217) hat B. Levick in Coll. Latomus, 102, 1969, 426– 446 anhand vonMünzen und Inschriften festzulegen versucht; vgl. dazu aber die Kritik von AnnJohnston, Caracalla’s Path: The Numismatic Evidence, Historia 32, 1983, 58– 76. 29 Verwandtschaft von Peutingeriana und Itinerarium betonen Kubitschek, RE X Sp. 2118 ff. undE. Meyer, Dieröm. Schweiz, 1941, 112.
30 ImKapitel deItalia in Gallias
werden nacheinander aufgeführt:
339,7– 344,2 a Mediolano Arelate per Alpes Cottias 344,3– 346,9 a Mediolano per Alpes Graias Vienna 346,10– 350,3 a Mediolano perAlpes Graias Argentorato 350,4– 355,5 a Mediolano per Alpes Penninas Mogontiacum 356,1– 356,2 a Mediolano perAlpes Cottias Vienna. Darauf folgen dieinnergallischen Strecken.
Zum Reisewesen der römischen Kaiserzeit
350,7
Vercellas m.p. XXXIII 351, 1 Eporedia m.p. XXI 351,2 Vitricio m.p. XXV 351,3 Augusta Praetoria m.p. XXV
351,4 Summo Penino m.p. XXV 351,5 Octoduro m.p. XII 351,6 Tamaias m.p. XIII 351,7 Penne Locos m.p. VIIII 352,1 Vibisco
63
Distanzen der Tabula Peut. zum Vergleich: Eporedia (Ivrea) XXI m.p. Utricio (Verres) XXVIII m.p. Augusta Pretoria (Aosta) XXV m.p. Eudracinum (St. R h émy) XIII m.p. In summo Pennino (Passhöhe) XXV m.p. Octoduro (Martigny) XII m.p. Tarnaias (Massongex) XIIII m.p. Pennelucos (Villeneuve) VIIII m.p. Vivisco (Vevey)
Wie der Vergleich der beiden Listen zeigt, stimmt die Mehrzahl der Stations-Distanzen bei Tabula und Itinerarium überein. Von einander abweichend in der Karte und dem Itinerar wird die Distanz zwischen Verres und Aosta berechnet, wobei die Zahl von 25 Meilen = 36,95 km besser der modernen Entfernung entspricht (38,7 km) als die 28 Mei len (= 41,38 km) der Peutingeriana. Wo der Fehler steckt, ist nicht aus zumachen (Abschreibefehler oder andere Vermessung?). Die zusätzli chen 13 Meilen von Aosta nach St. Rhémy der Tabula dürften, wie oben vermutet, unrichtiger Einschub in die Gesamtstrecke Aosta-Passhöhe von 25 Meilen sein. Entsprechend lässt das Itinerar die Station Eudracinum ganz weg. Bei der Distanz Massongex-Villeneuve weichen Karte und Itinerar um 1 Meile voneinander ab. Die 14 Meilen der Tabula scheinen nach moderner Nachmessung besser begründet, wes halb die fehlende Hasta des Itinerars als Kopistenfehler bezeichnet worden ist31. Auf die übrigen Differenzen zwischen der Tabula und dem Itinerar, wie die unrichtige Anwendung der Leugenrechnung, braucht in unserm Zusammenhang nicht eingegangen zu werden, da das Problem die Summus-Poeninus-Strecke nicht berührt32. 31 So D. van Berchem, Le sanctuaire de Tarnaiae, Abdruck 1 9 8 2 , 176. 32 Vgl. Kubitschek, RE IX, Sp. 2340; G. Walser, Meilen und Leugen, Epigraphica 31, 1969, 95 f.
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ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
Das wichtigste Orientierungsmittel für den Reisenden und die marschierenden Truppen waren die an den römischen Strassen in regelmässigen Abständen aufgestellten Meilensteine. Von diesen übermannshohen Steinsäulen haben sich im ganzen Reich einige tausende bis auf den heutigen Tag erhalten. Sie sind zugleich Baudokumente für dieErrichtung oder Reparatur der Strasse, offizielle Urkunden über den Staatsbesitz des vom Durchgangsweg belegten Bodens, Distanzanzeiger zur nächsten Strassenverwaltungsstelle, zum sogenannten Caput viae, und, in späterer Zeit, Devotionsdokumente der Anliegergemeinde für den regierenden Kaiser. In römischer Zeit folgten sich dieMeilensäulen im Abstand von Meile zu Meile, so dass die Strecke vonIvrea bis Vevey entsprechend der Distanz etwa 130 Säulen enthalten haben dürfte. Dazu kommen noch weitere Steine, welche die Gemeinden zu Ehren eines neuen Kaisers neben die schon stehenden aufstellten. Von dieser grossen Zahl sind nach Ausweis der Liste nur wenige Stücke vollständig mit unversehrter Inschrift erhalten (die NN. 4, 6, 7, 15, 17, 22), einige sind aus Fragmenten rekonstruierbar, einige verlorene aus der Literatur bekannt. Der grösste Teil der antiken Säulen ist im Mittelalter als Baumaterial verbraucht worden. Es ist an dieser Stelle nicht beabsichtigt, eine ausführliche Besprechung derMeilensteine undihrer Probleme vorzulegen. Der interessierte Leser wird sich darüber in der Spezialliteratur orientieren können33. Auf einige Besonderheiten der Liste sei aber hingewiesen. Es muss als besonderer Glücksfall bezeichnet werden, dass sich vom ersten systematischen Strassenausbau durch Kaiser Claudius zwei gleichlautende Miliarien erhalten haben (NN. 18 und 22). Steine des Augustus und des Tiberius fehlen nicht nur in den Alpen, sondern auch in den Tres Galliae, so dass man vermuten könnte, dass erst Claudius die Strassenbaupläne des Agrippa in die Tat umgesetzt hat34. Die beiden Claudiussteine tragen dasFormular desJahres 4735. 33 Die Meilenstein-Inschriften sind in den Bänden des Corpus Inscriptionum Latinarum gesammelt, diejenigen des Aostatales in V (1877) 8074, desWallis in XII (1888) 5518– 5529. Nachträge zu CIL in Inscriptiones Italiae XI 1 (Augusta Praetoria, 1932), XI 2 (Eporedia, 1931). Meilensteine der Schweiz: G. Walser, Die röm. Strassen in der Schweiz, 1967. Nachträge dazu: Chiron 4, 1974, 457– 466; Historia 29, 1980, 438 ff. Eine Neubearbeitung sämtlicher Meilenstein-Inschriften in CIL XVII ist in Vorbereitung. 34 Dazu G. Walser, Die Strassenbautätigkeit desKaisers Claudius, Historia 29, 1980, 438– 462; Bemerkungen zu den gallisch-germanischen Meilensteinen, Zeitschr. f. Papyrol. u. Epigr. 43, 1981, 392 f. Dagegen sind aus der Narbonensis 33 Augustussteine und 24 Tiberiussteine bekannt. Die Statistik für Claudius erbringt folgende Stücke in den verschiedenen Provinzen: 26 Narbonensis, 2 Lugdunensis, 7 Aquitania, 10 Belgica, 2 Alpes Poeninae. 35 7. Tribunicia Potestas = 25. Januar 47 bis 24. Januar 48; 4. Consulat beginnt am 1. Januar 47; 12. Akklamation im Spätjahr 47. Damit sind die beiden Steine in die erste Hälfte 47 datiert. Vgl. dieTafeln 16 und 18.
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
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Ti(berius) Claudius Drusi f(ilius) TI CLAVDIVS DRVSI F Caesar Aug(ustus) Germ(anicus) CAESAR AVG GERM pontif(ex) max(imus) trib(unicia) PONTIF MAXTRIB POT VII
IMP XII P P COS IIII
FCA
XXXVII
pot(estate) VII imp(erator) XII p(ater) p(atriae) co(n)s(ul) IIII (a)F(oro) C(laudii) A(ugusti) (milia passuum) XXXVII
Die auf Claudius folgenden Kaiser des 1. und2. Jh. sind an derPassroute des Summus Poeninus nicht vertreten. Ein verlorener Stein des Claudius oder Traian hat sich als Ehreninschrift für Caligula erwiesen, fällt also aus der Meilensteinliste36. Erst mit der Tetrarchie und Constantin beginnen die Steinsetzungen wieder. Warum diese grosse Lücke in der Kaiserchronologie an einer so stark begangenen Reichsstrasse besteht, ist bisher nicht erklärt worden. An derFortsetzung derSummusPoeninus-Route nach Genf und Augst haben Traian, Hadrian, AntoninusPius, die Severer, Gordian und Gallus Steine hinterlassen37. Mit der Vierkaiserherrschaft Diokletians setzt die Serie wieder ein, wobei zwei der sechs Tetrarchensteine eine schwer verständliche Dedikation an die Herrscher tragen38. Danach folgt eine gleichlautende Serie von 8 Constantinsteinen, an die sich auf der Südseite des Grossen St. Bernhard eine weitere Inschrift Constantins mit reichem Formular anschliesst39.
36 CIL XII 5524; dazu G. Walser, Historia 29, 1980, 440 f. besitzt als einzigen Meilenstein ausdem3. Jh. vor Diocletian dieCarus/CarinusSäule, die im Glockenturm der Abtei St. Maurice eingemauert ist (Collart, Zeitschr. f. Arch. u. Kunstgesch. 1941, No. 22 = Walser, Röm. Strassen i. d. Schweiz No. 7) s. Tafel 14. Uebersicht über die Miliarien in der Schweiz: Walser, a. a. O. S. 98/99. 38 Stein von Monthey (Collart, Vallesia 15, 1960, 231 = Walser, Die röm. Strassen No. 10: Z. 8 (nach den Namen derTetrarchen) qui multa |miliaet m[u]lta |XX nalecla I XVII. Dazu die neue Interpretation von F. Mottas, Arch. d. Schweiz 3, 1980, 156 f. Dieselbe Klausel wie auf demStein vonMonthey findet sich auch aufdemNeufund vonVersvey. 39 DasFormular derConstantinsteine imWallis lautet: Imp(eratori) Caes(ari) Fl(avio) Val(erio) Constantino |p(io) f(elici) inv(icto) Aug(usto) |divi Constanti pii Aug(usti) f(ilio) bono rei pub(licae) nato (NN. 4, 6, 10, 11, 12, 18, 20, 23 mit verschiedener Zeilenverteilung). Die Constantin-Inschrift von Aosta lautet: D(omino) n(ostro) imp(eratori) C[ae]s[ari |Fl(avio)] C[on]s[t]antin[o | ma]ximo p(io) f(elici) I [vict]ori [Aug(usto) I 5pont(ifici) max(imo) trib(unicia) pot(estate) ... I imp(eratori).. co(n)s(uli)..
37 DasWallis
p(atri) p(atriae) proco(n)s(uli) |humanar]um reru[m] |optimo pri[ncipi] |divi Con[tanti Aug(usti)] 10fi lio bono re[i p(ublicae)] nato |(milia passuum) II (Kopie von H. Herzig, Ergänzung nach CIL V 8069 mit demDatum 328).
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ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
Meilensteine
No.
1 2 3 4 5 6 7 8 9
10 1 12 13 14 15 16 17
anderSummus-Poeninus-Strasse
CIL V/XII
V 8074 XII 5519 XII 5521 XII 5520
XII 5522 XII 5522a XII 5522b
XII 5523
18 19 20 21 22 23
CIL XVII 2
108 109 110 111
111a
112 113 114 115 116 117 118
119 120a 120b
XII 5525 XII 5526 XII 5527 XII 5528 XII 5529
121 122 123 124 125
(Ivrea
bis Lausanne)
andere Referenzen
Fundort
Inscr. It. XI 2,64 Inscr. It. XI 1,119 unpubl.
Settimo Vittone
65 Chiron 4, 485 Wiblé 66 Wiblé 67 Wiblé 68 Wiblé 69 Wiblé
Collart 22 Collart 25 Collart, Vallesia
15, 1960, 231
Mottas, Arch. d.Schw.
3,1980, 163
Mottas, Arch.
3,1980,157
d. Schw.
Donnaz
Aosta Bourg St. Pierre Vollèges
F. Jahr
1977 1739? 16. Jh.
Martigny Martigny Martigny Martigny St. Maurice St. Maurice St. Maurice St. Maurice St. Maurice
1779 1884 1973 1779 1885 1896 1901 1898
Monthey St. Triphon
1956 1729
Versvey
1980
Versvey Rennaz Villeneuve Vevey St. Saphorin
1978 1855 1858 1856 1656 1846
Villette
Mehrere gleichlautende Formulare weisen in der Regel auf eine systematische Steinstellung verbunden mit einer Strassenreparatur hin. Möglicherweise liess Diokletian im Zusammenhang seiner Neuordnung der Provinzen auch diePass-Strasse zwischen Italien undderMaxima Sequanorum renovieren, und die zahlreichen Miliarien Constantins scheinen eine gleiche Bemühung zu verraten, vielleicht anlässlich des Alpenüberganges von 31240. Dagegen muss der Stein Constantins von Aosta aus späterer Zeit stammen, als Constantin schon Alleinherrscher war und sich in Oberitalien als MAXIMVS VICTOR und HVMANARVM RERVM OPTIMVS PRINCEPS feiern liess41. Von welchem Kaiser die beiden im Dora Baltea-Tal erhaltenen Steine stammen, auf denen nur die Distanzzahl 41 resp. 36 Meilen vonAosta stehen, ist nicht auszumachen. Vielleicht wardasKaiserformular einst mit Farbe aufgemalt gewe40 Vgl. oben S. 50. 41 S. oben Anm. 39.
ZumReisewesen derrömischen
heut. Standort
Kaiser
Datum
Settimo Vittone Donnaz Aosta Bourg St. Pierre Vollèges Martigny
Martigny
verloren Martigny St. Maurice St. Maurice St. Maurice St. Maurice St. Maurice
Constantinus Constantinus anepigr. Constantinus 1. Tetrarchie 1. Tetrarchie
328 312?
I
312? 298? 298?
Constantinus I Constantinus I Constantinus I Carus/Carinus
?
Monthey Ollon
1.Tetrarchie
Yvorne
Claudius
Yvorne Lausanne Lausanne Vevey St. Saphorin verloren
I I
1. Tetrarchie/
Constantinus 2. Tetrarchie Constantinus 3. Tetrarchie Claudius Constantinus
I
47 298? 312? 305/6 312?
I
47 321?
I
Caput viae
Distanz
(Aug. Praet.) (Aug. Praet.) (Aug. Praet.)
XXXXI XXXVI
F CL VAL FOR CL VA F CL VAL
II
XXIIII
II
[F]OR C[L]VAL
312? 312? 312? 282/3
298? 308/23
Licinius
67
Kaiserzeit
306/7
F CL VAL (F.Cl.Val.)
XII
(F.Cl.Val.)
X
(F.Cl.Val.)
XVII
F CL VALL OCT
F CL VAL F CA
XXI IXX IXX XXVI
F CA
XXXVII
F CA (F.Cl.Val.)
sen42. Wie die Steine zwischen Aosta und Eporedia von Aosta auszählen, so diejenigen zwischen Passhöhe undGenfersee vonMartigny-ForumClaudii aus, undzwar nach Süden undNorden. Derletzte vonForum Claudii ausvermessene Stein an der Seestrasse, derunserhalten ist, steht in St. Saphorin, westlich von Vevey, also auf Helvetiergebiet43. Daraus ersieht man, dass die Zählung über die Provinzgrenze Alpes PoeGallia Belgica, später Germania superior, hinwegging. In derGeninae — gend von Lausanne begann dann die Zählung von Nyon, Colonia Iulia Equestris, zu welcher Rechnung auch die Steine um Genf gehören44.
42 NN1 und 2. Auf Meilensteine aufgemalte Inschriften: A. Grenier, Manuel d’archéologie gallo-romaine II, 1934, 72. 43 Vevey im Helvetiergebiet: E. Meyer, Die röm. Schweiz, 1941, 108 und RE IX A, Sp. 503 rechnet mit F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 71 Viviscus zumWallis. Eine so weite Ausdehnung des Nantuaten-Gebietes nach Westen ist aber zweifelhaft, vgl. dazu G. Walser, Martigny alsrömische Strassenstation, Helvetia archaeologica 10, 1979, 155. 44 Liste der Steine bei G. Walser, Die röm. Strassen i. d. Schweiz, 1967, 98–99.
68
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
Der ganze Parcours von Italien über den Grossen St. Bernhard nach Genf rechnet mit Milien; dasgallische Mass der Leuge, welches seit Septimius Severus auch in Helvetien eingeführt worden ist, beginnt erst
nördlich desGenfersees45. Der Erfolg einer Reise hing für denantiken Menschen aber nicht nur von der Orientierung über die Route undden Wegweisern ab, die ihm das Näherkommen des Zieles anzeigten, sondern auch von der äusseren Sicherheit der Strasse. Durch die ganze antike Literatur zieht sich die Angst der Besitzenden vor Räubern und Briganten. Dass sie berechtigt war, zeigen die reichlich erhaltenen Grabsteine vonauf der Landstrasse Erschlagenen46. Zwar hatte Augustus mit seiner Versetzung der marodierenden Bürgerkriegssoldaten an die Grenzen die Strassensicherheit gewaltig verbessert, aber noch während der sogenannten guten Kaiserzeit wimmelten die italischen Wege vonRäubern, undunter Septimius Severus behauptete sich der Bandenhäuptling Felix Bulla zwei Jahre lang gegen alle Polizei47. Die Gemeinden schützten sich gegen dasRäuberunwesen durch eine eigene städtische Polizei, der Staat versuchte die Sicherheit der Strassen durch Strassenpolizeiposten, die vom Heer abkommandiert waren, zu garantieren. Von beiden Einrichtungen besitzen wir an der Strasse desGrossen St. Bernhard inschriftliche Belege: Aus der Kolonie Nyon am Genfersee sind zwei Inschriften eines praefectus arcendis latrociniis erhalten48, welches Amt offenbar neben demstädtischen Polizeipräsidenten, dem Aedilen, existierte. Man wird annehmen, dass dieser Beamte sich besonders um die Sicherheit im Territorium der Kolonie ausserhalb der eigentlichen Stadt, also auf den Ueberlandstrassen und am Seeufer kümmerte. Ein Posten der staatlichen 45 Vgl. E. Meyer, Die röm. Schweiz, 1941, 319; G. Walser, Meilen und Leugen, Epigraphica 31, 1969, 95 f. 46 Vgl. z. B. CIL III 1579. 8009. 8021. 8242. 14587 (= Dessau 8504); VIII 14608; XIII 2667. 3689. 6429; Dessau 8507. Dazu L. Friedländer, Sittengeschichte I10, 1922, 352 f. 47 Stellen bei Friedländer, a.a.O. 354 ff. Friedländer schätzt die Strassenunsicherheit derklassischen Kaiserzeit aber nicht grösser ein, alsdiejenige des 19. Jahrhunderts: 357 f. Mandarf auch daran erinnern, dass die Reisenden der Gotthard-Post imGebiet desMonte Ceneri um 1860 häufig ausgeraubt worden sind: K. Lüond – K. Iten, Unser Gotthard, 1980, 146 f. den Strassenverhältnissen des Mittelalters ist jedenfalls der Lobpreis der kaiserlichen Sekurität in der Romrede des Aelius Aristides voll anzuerkennen: Jetzt können Hellenen und Barbaren ausserhalb ihres Landes überallhin wandern und ihr Eigentum mit sich führen, als wenn sie aus einer Heimat in die andere gingen, und weder die kilikischen Pforten sindjetzt furchtbar, noch die schmalen, sandigen Wegedurch Arabien und Aegypten, nicht ungangbare Gebirge, nicht unermessliche Ströme, nicht unzugängliche Barbarenstämme; zurSicherheit genügt es, römischer Bürger zusein (Or. 26, 100 K.). 48 CIL XIII 5010 = Walser, Röm. Inschriften i. d. Schweiz No. 47; F. Mottas, Archäologie d. Schweiz 1, 1978, 134 = Walser, a.a.O. No.247. Gegenüber
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
69
Strassenpolizei lag in Vevey, wo ein Gefreiter der 22. Legion dem einheimischen Flurgott Silvanus eine Weihung hinterlassen hat49. Auch die Rhônebrücke von Massongex wardurch einen solchen Militärposten der 22. Legion geschützt, wie wir aus der Weihung des Postenchefs Virius Probus wissen50. Aehnliche Militärkommandos zum Strassenschutz lagen in Genf51 und Solothurn52. Das Netz dieser Benefiziarierposten muss aber viel dichter über die Reichsstrassen verteilt gewesen sein als uns die zufällig erhaltenen Inschriften erweisen53. Für die Reisenden und Warenzüge bedeuteten diese Posten Schutz und Sicherheit, aber – besonders in Kriegszeiten – wohl auch Kontrolle und unerwünschten Aufenthalt. Als lästige Behinderung wurden von den reisenden Händlern gewiss die Zollstationen betrachtet, welche sich an allen Hauptstrassen von Italien in die Provinz befanden. Für die Strasse des SummusPoeninus lag die Zollstelle an der Brücke vonMassongex. Hier wurde für diekaiserliche Kasse diesogenannte Quadragesima Galliarum, die 2 ½ %Ein- undAusfuhrsteuer erhoben54. Die Zolleinnehmer waren in den beiden Inschriften des Wallis je ein kaiserlicher Sklave55, was die direkte Regie der kaiserlichen Verwaltung anzeigt. Bis Ende des 2. Jh. n. Chr. wurden die Zölle verpachtet undvonBeauftragten dieser Pachtgesellschaften eingezogen56. Der eine der beiden Zollsklaven verrät durch den Namen Amaranthus seine orientalische Herkunft57. Die Bezeichnung der Zollstation stat(io) Acaun(ensis) ist später auf dasKloster Acaunum, St. Maurice übergegangen58. In viel grösserem Masse als der moderne Mensch hat der antike das Bedürfnis, seine Götter durch Gelübde günstig zu stimmen. Besonders 49 CIL XII 164 = Walser, Röm. Inschriften i. d. Schweiz No. 59. S. Tafel 17. 50 CIL XII 144 = Walser, Röm. Inschriften i. d. Schweiz No. 258. 51 CIL XII 5878 = Walser, Röm. Inschriften i. d. Schweiz No. 38. 52 CIL XIII 5170 = Walser, Röm. Inschriften i. d. Schweiz No. 130. 53 Zu den Beneficiariern an den Strassen vgl. F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 354 f. 54 Zur Statio Acaunensis vgl. F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 349. E. Meyer, Die röm. Schweiz, 1941, 207: Tarnaiae und der Ort der Zollstation sind identisch. D. van Berchem, Le Sanctuaire de Tarnaiae, Rev. hist. Vaud. 52, 1944, 161 ff. (Neudruck 1982, 181) setzt die Zollstelle beim heutigen St. Maurice an,obwohl dieheutige Rhônebrücke von St.Maurice offensichtlich mittelalterlichen Ursprungs ist und die Inschriften vonSt.Maurice ausTarnaiae verschleppt worden sind (Belege: Neudruck 179f.). S. Tafel 15. 55 Howald-Meyer, NN.54 und55 = Walser, Röm. Inschriften i. d. Schweiz NN. 274 und 275. 56 S. J. de Laet, Portorium, 1949, 151.403 ff.; F. Vittinghoff, RE XXII, Sp. 392 f. 57 Howald-Meyer No. 55. 58 Der Name Acaunum fürSt.Maurice taucht erst seit Ende des5. Jh. auf: Stellen bei Mommsen, CIL XII p. 24. Dass das 3 km von Massongex entfernte Kloster St. Maurice seinen Namen nicht von Tarnaiae, sondern von der Statio Acaunensis abgeleitet hat, magdamit zusammenhängen, dass die Siedlung Tarnaiae die Stürme der Völkerwanderung nicht überlebt hat, wohl aber derfeste Brückenkopf derMilitärstation. Dazu E. Meyer, a.a.O. 208.
70
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit DieVotivtäfelchen desSummus Poeninus No.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51
de Loges 1789 XVII XVIII
Murith
1821 17 14 16
Mommsen
1854
44 38 45 47
Promis
Mommsen
1864
22 9 26 20
1877 6863 6864 6865 6866
Bérard
1881
22 9 26 20
XXII
21
40
16
6867
16
XIV
10
41 30
10 4
6868 6869
10 4
XI XX
18 2
34 48 33
7 25 5
6870 6871 6872
25 5
IX III V VII XV XIII VI
4 1 5 22 13 3 8
49 35 50 51 46 56 31 52
15 6 19 27 30 28 3 21
6873 6874 6875 6876 6877 6878 6879 6880
6 19 27 30 28 3 21
X XIX
6 11 23 47
32 53 39 54
1 23 8 14
6881 6882 6883 6884
1 23 8 14
VIII
7
43
18
6885
18
XII
9
42
11 17
6886 6887
11 17
XXI
12
55
24
6888
24
20
36
15
37 57 59 58
12 13 2 31
6889 6890 6891 6892 6893 6894
12 13
XVI
7
15
2 31
Barocelli
1932 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87
88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
Meyer
1941
89 80 75
72 82 84 76
79
78 85 86 73
88 74
81 83
77
Sauter
Fundjahr
Museum
21 20 19 18 1 9
vor 1789 vor 1789 vor 1790 vor 1766 ca. 1886 vor 1789 1893 vor 1789 1812 ca. 1888 1891 vor. 1789 vor 1789 vor 1766 ca. 1886 1893 vor 1811 vor 1789 vor 1789 vor 1789 vor 1789 vor 1789 vor 1789 vor 1789 ca. 1886 vor 1789 vor 1789 1790 1808 ca. 1886 1891 vor 1789 ca. 1886 1837 vor 1789 1892 vor 1789 1893 1885 ca. 1883 1887 vor 1808 1837 vor 1789 vor 1854 vor 1854 vor 1854 1890 1890 1893 vor 1904
Hospiz Hospiz Hospiz
1950
13b
22
16 36 7 23 5 13 40 10 24 11 4 3 42 43 15 17 32 14 25 26 27 33 38 8 34 28 6 39 29 12 37 35
30
31 45
87
2
Masse
71
mm Text
T. Annius Cissus 51 x 67 M.Apisius A..praef. c.. 65 x 39 pro salute Heli et suorum 104 x 50 P. Blattius Creticus London 60 x 25 M.Calpurn(i)us veteranus Hospiz 100 x 70 Q. Cassius Facundus 80 x 55 Hospiz M.Cassius Festus Hospiz 113 x 55 C. Catullin(i)us Carinus Hospiz 134 x 75 Hospiz 196 x 133 T. Cl. Severus fr. leg. III D. Das[imius Forjtis Hospiz 60 x 60 Hospiz 245 x 145 C. Domitius Carassounus mango Sex. E. . mil. leg. Gemina[e] Hospiz 62 x 65 Felicio et Crispinus fratres Hospiz 120 x 72 Felicio et Terentia Prisca Br.schw. 118 x 96 ... iusHerma. . 65 x 74 Hospiz I. Peonin[o] Iul. Fortunatus Hospiz 83 x 72 Hospiz 100 x 125 Iovi P[oenino] Q. Iu[l.] Alp[inus] Hospiz C. Iulius Antullus praefectus 90 x 59 Hospiz 106 x 55 Poenino C. Iulius Primus Hospiz C. Iul. Rufus (4Versus) 146 x 49 Hospiz 88 x 40 [Poenijno votum [solvit] verloren vor 1862 [ped]isseq(uus) Libonis Hospiz L. Licinius S[eve]rus eques leg. 118 x 60 Hospiz 193 x 94 T. Macrinius Demostratus Hospiz Cn. Noni[u]s votu(m) [pos]uit 135 x 85 Hospiz 243 x 145 L. Paccius L. f. Pal. Nonianus Hospiz M.Papirius Eunus 98 x 22 Bern 80 x 70 Paullus Ve[ttius] Restitu[tus] Hospiz Phoebus Fusci Ti. Caesaris 143 x 78 Hospiz 140 x 120 G. Iulius Dioclis (1.) Primus Hospiz 45 x 25 Puteolanus Sabini Caes. n. Hospiz 157 x 90 Sabineiius Censor Ambianus Hospiz 25 x 7 [S]cribonius Flavus verloren vor 1880 doctor e[quit.]coh. VIII pr. Q. Silvius Perennis tabell(arius) Hospiz 102 x 66 Hospiz 121 x 72 [Iul]ius Speratus verloren seit 1834 M. Sulpic. Marcellus Hospiz C. Vettius Sal... 137 x 68 Hospiz 64 x 46 ... idienus Hospiz [Medio]matricus 165 x 95 Hospiz? verloren vor 1854 verloren vor 1880 Hospiz 83 x 37 Hospiz 82 x 34 Hospiz 45 x 42 heute verloren Hospiz 28 x 57 Hospiz 21 x 3 Hospiz 35 x 4 Hospiz 210 x 67
Frgg. Cen(turio) [leg(ionis)] XXII [le]g.XXX U Silber [coh.] tricensimae [vo]luntariorum
.. am .. solvit l.m. .. NV ..
Frg.
einzelne Buchstaben
zwei Buchstaben ein Buchstabe Iovi Pynino Silber
72
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
den Römern eignet seit alters dieser alttestamentarische Glaube an den verbindlichen Pakt mit der Gottheit, von welcher Auffassung die zahllosen Ex Voto-Inschriften Zeugnis ablegen. Besonders die Reise in ferne Länder und durch gefährliche Gegenden ist Anlass zu solchen Vota pro itu et reditu. Wenn der Kaiser von der Hauptstadt zur Reise oder zum Feldzug aufbricht, begeht das vornehme Collegium der Arvalbrüder regelmässige Vota für die glückliche Rückkehr des Herrschers59. In der Fremde ruft der römische Reisende die lokalen Landesgötter an, etwa der römische Geschirrhändler, welcher seine Ware nach Britannien brachte, die Nehalennia, weil sie seine Fracht vor Schaden bewahrt hat60, oder der römische Procurator T. Pomponius Victor, Statthalter im Wallis und in der Tarentaise, den Silvanus, dem er 1.000 Bäume pflanzen will, wenn er heil nach Italien zurückkommt61. Die meisten Gebete und Gelübde richteten sich an den höchsten Gott Jupiter, den Donner- undWettergott, den man sich auf denBergeshöhen desVesuv, des Apennin, des Libanon, der Alpen heimisch dachte und mit den alten vorrömischen Berggöttern glich62. Dem Jupiter auf dem Grossen St. Bernhard, dem Jupiter Optimus Maximus Poeninus, sind im Laufe derJahrhunderte zahllose Weihungen dargebracht worden, von denen die Altäre aus Stein alle demnachantiken Steinraub zumOpfer gefallen sind, eine Anzahl bronzener Ex-Voto-Täfelchen sich aber erhalten haben63. Die vorstehende Liste gibt eine Uebersicht über die heute noch vorhandenen Stücke und die verlorenen, aber in der Literatur erwähnten. Die meisten davon liegen heute im kleinen Museum des Hospizes. Das erste Inventar der Tafeln stammt von Chrétien de Loges, Arzt aus Montpellier, welcher in den 80er Jahren des 18. Jh. das Hospiz und seine Geschichte studierte64. Nach ihm hat Laurent-Joseph Murith (1742– 1816), Chorherr auf dem Grossen St. Bernhard und Prior von Martigny, die Sammlung der Ta59 Die Arvalbrüder
opfern z.B. pro salute et reditu Neronis (Dessau 230, 35), Vitellii (Dessau 241, 78), Traiani (Dessau 5035, 2). 60 CIL XIII 8793 = Dessau 4751; dazu Friedländer, Sittengeschichte III9, 1920, 176. 61 CIL XII 103 = Dessau 3528; dazu H.G. Pflaum, Lesprocurateurs équestres, 1950, 310 f. 62 Jupiter als Berggott: Jupiter Vesuvius CIL X 3806; Jupiter Appeninus CIL III 12576; VIII 7961; XI 5803 (dazu Wissowa, Religion und Kultus, 1912, 116; K. Latte, Röm. Religionsgeschichte, 1960, 80); Jupiter Heliopolitanus (Wissowa 363); Jupiterheiligtum auf demKleinen St. Bernhard: P. Barocelli, Augusta Praetoria (Forma Italiae), 1948, 3 ff. Zudenzahlreichen Passbezeichnungen Mont Joux – Mont Jovet vgl. D. vanBerchem, Histoire et Civilisations desAlpes I, 1980, 127. 63 Von den 51 bekannten Stücken sind 45 bis heute erhalten. 42 davon liegen in der Vitrine des Hospizmuseums, 3 in auswärtigen Museen. Bei allen Stücken ist das Material Bronze, ausser bei No.51 undNo.43 (verloren) Silber. 64 Chrétien deLoges, Essais historiques surle Mont St. Bernard, 1789.
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
73
fein aufgenommen, die Ausgabe von de Loges korrigiert und erwei-
tert65. Während seines Schweizer Aufenthaltes hat Theodor Mommsen dasHospiz besucht und dieInschriften erneut kritisch aufgenommen66. Seine Lesungen sind in der Inschriftenausgabe von 1854 wiedergegeben67 und in die Ausgabe des CIL V (1877) übernommen worden. Wenige Jahre nach Mommsen hat der italienische Architekt Carlo Promis die Inschriften im Hospiz erneut aufgenommen undin seiner Turiner Akademie-Abhandlung von 1864 publiziert68. DadieAusgrabungen auf der Passhöhe seit den 80er Jahren des 19. Jh. neue Funde erbrachten, sahen sich weitere Gelehrte veranlasst, Editionen derInschriften vorzulegen: E. Bérard69 und im Rahmen der Inscriptiones Italiae P. Barocelli70. Diese letzte Ausgabe bringt zum ersten Malphotographische Abbildungen der auf dem Pass aufbewahrten Stücke. Die hier vorgelegte Ausgabe stützt sich auf Photographien, die ich 1975 auf demHospiz anfertigen durfte. Sie dürfte sich nicht wegen neuer Lesungen rechtfertigen, sondern wegen der Beifügung der auswärts (Bern, Braunschweig, London) verwahrten Täfelchen und eines etwas ausführlicheren Kommentares für dieBesucher desSt. Bernhard-Hospizes71. Werdie Sammlung der St. Bernhard-Tafeln imHinblick auf einen historischen Ertrag durchmustert, muss erkennen, dass die Ex-Votos weniger über die Lebensumstände undDaten ihrer Stifter verraten als zu erwarten wäre. Auf keinem einzigen Täfelchen findet sich ein Datum. In vielen Inschriften hat der Stifter nurseinen Namen hinterlassen, was gewiss für denreligiösen Zweck genügte, unsere historische Neugier aber enttäuscht. Allerweltsnamen wie C. Iulius Primus (No. 19), C. Iulius Rufus (No. 20), T. Annius Cissus (No. 1) kommen in allen römischen 65 Laurent-Joseph Murith, extrait d’un memoire intitulé: médailles, inscriptions, statues et autres antiquités du Valais, Mém. de la soc. royale des antiqu. de France 3, 1821, 502– 536 (posthum erschienen). Murith wareinbedeutender Naturforscher undMitbegründer der Schweizer Naturforschenden Gesellschaft (1815). Er begleitete 1800 Napoleon auf seinem Zugeüber denPassvonMartigny nach Aosta. 66 Anlässlich seiner 14-tägigen Reise ins Wallis im August 1853, vgl. L. Wickert, Theodor Mommsen III, 1969, 230. 67 Inscriptiones Confoederationis Helveticae Latinae, 1854, nn. 30–59. 68 C. Promis, Le antichità di Aosta, Memorie della reale Accad. delle scienze di Torino Ser. II, Tom. XXI, 1864, 61– 82. 69 E. Bérard, Atti della società piemontese di archeologia 3, 1881, 119– 212; 5, 1888, 130– 156. 70 P. Barocelli, Inscriptiones Italiae XI, 1, 1932, nn. 54– 105 (mit 35 Photographien). 71 Die Inschriftensammlungen von E. Meyer und M.-R. Sauter (Vallesia 5, 1950, pp. 73– 77) sind in die Liste aus praktischen Erwägungen eingefügt, obwohl die Lesungen nicht auf Autopsie-Revisionen fussen wiediejenigen der andern Autoren. Einen Teil dervorliegenden Photographien habe ich in Archäologie der Schweiz, 6, 1983, 15– 29 publiziert.
74
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
Provinzen vor und lassen keine namenkundlichen Studien zu. Andere Namen wie M. Papirius Eunus (No. 27) undT. Macrinius Demostratus (No. 24) zeigen durch die griechischen Cognomina die orientalische Herkunft ihrer Träger an. Dort aber, wodieStifter ausser ihrem Namen auch die berufliche Funktion oder militärische Einteilung notiert haben, wird die historische Untersuchung ergiebiger. So lassen sich aus demInschriftenmaterial vier Gruppen von Stiftern unterscheiden: eine erste Gruppe von Trägern römischer oder peregriner Namen ohne nähere Angaben; eine zweite Gruppe von Militärpersonen, die militärische Einheit und Funktion anführen; eine dritte Gruppe vonFreigelassenen und Sklaven im Dienste von römischen Geschäftsleuten oder hochgestellten Beamten; schliesslich eine kleine vierte Gruppe von Reisenden, die in eigenen Geschäften unterwegs zu sein scheinen. 1. Reine Namentäfelchen: Ausser den schon genannten NN. 1, 19, 20, 24 lassen sich aus den Namen P. Blattius Creticus (No. 4), Scribonius Flavus (No. 33), Iulius Speratus (No. 36) kaum nähere Definitionen der Stifter erschliessen. Die beiden Brüder Felicio und Crispinus (No. 13), die nurdiese Cognomina angeben, können Peregine, Freigelassene oder Sklaven gewesen sein. Aber auch ein Veteran (No. 14) signiert nurmit demBeinamen Felicio. 2. Militärpersonen: Diese Gruppe von Stiftern ist die umfangreichste (15 Täfelchen). Die angeführten Chargen reichen vom miles legionis (NN. 7, 12) über den Centurio (NN. 10, 26, 42) biszumTribunus militum (No. 28). Die notierten militärischen Einteilungen sind wichtige Hinweise auf die Datierung der Inschrift, da wir die Geschichte dieser Einheiten in den meisten Fällen kennen. Von Legionen werden genannt: Legio III Italica (No. 9). Diese Legion ist vonKaiser Marcus im Jahre 165 im Zusammenhang mit den Markomannenkriegen aufgestellt und seit 179 in Regensburg garnisoniert worden. Seither teilte sie die Geschicke der rätischen Truppen, machte die severischen Kriege mit, scheint aber nie als Einheit über den Summus Poeninus marschiert zu sein. Wann der Frumentarier T. Claudius Severus denPassüberschritten hat, ist nicht näher bekannt. Vermutlich handelt es sich bei seiner Reise um eine persönliche Mission, was dem Charakter seiner Charge als Agent undGeheimpolizist entsprechen würde. Legio IIII Macedonica (No. 23). Die Legion warseit Claudius Teil des obergermanischen Heeres und lag in Mainz. Sie bildete im Jahre 69 einen Teil der vitellianischen Marscharmee, dieüber denPass nach Italien einfiel, und wurde von Vespasian im Jahre 70 aufgelöst. Deshalb fällt die Inschrift zwischen die Jahre 43 und 70. Der Legionsreiter L. Lici-
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
75
nius S[eve]rus könnte die Inschrift bei der Winterpassage 69 hinterlas-
sen haben undgehörte vielleicht zu den Vorausabteilungen, mit denen derGeneral Caecina denUebergang sicherte. Legio VI (No. 26). Die Legio VI Victrix wurde im Jahre 70 von Spanien an den Rhein verlegt und erhielt anlässlich desSaturninusaufstandes 89 vonDomitian denehrenden Beinamen PiaFidelis. Bis zumJahre 122 lag die Einheit am Niederrhein in Garnison (Novaesium undVetera), danach dislozierte sie nach York in Britannien. Vermutlich geschah die Reise des Centurio L. Paccius Nonianus noch vonGermanien aus, also in den Jahren 89 – 122. Da wir von einer Verlegung derganzen Einheit über den Grossen St. Bernhard nichts wissen, wird es sich bei der Passreise des Centurio um eine persönliche Mission oder eine
Urlaubsfahrt gehandelt haben. Legio X (No. 7). Die Legio X Gemina wurde im Jahre 70 durch Vespasian von Spanien an denNiederrhein kommandiert, wo sie bis 104 im Lager von Nijmegen blieb. Danach wurde sie an dieDonau versetzt. Die Inschrift muss also aus den Jahren 70– 104 stammen. Bei der Reise des Soldaten M. Cassius Festus handelt es sich um eine Einzelmission, von derwirnichts Näheres wissen. Legio XV (No. 38). Die Legio XV Primigenia gehörte 40 – 70 zum Rheinheer (Lager Xanten). Sie war 39 von Kaiser Caligula in Italien ausgehoben und über die Alpen an den Rhein geschickt worden. Dass sie damals den noch nicht zur Fahrstrasse ausgebauten Grossen St. Bernhard benützte, ist wenig wahrscheinlich, da die Bewegung keine besondere Eile erforderte72. Die XV Primigenia schloss sich 69 dem Aufstand desVitellius an.DasGros derEinheit blieb während derExpedition des Usurpators in ihrer Garnison liegen, nur eine Vexillation machte den Marsch mit Fabius Valens mit (Tac. hist. 2,100), marschierte also über den Mont Genèvre, nicht über den Grossen St. Bernhard. Aus diesem Grunde kann die Weihung desPrimipilus C. Vettius nicht aus dem Jahre 69 stammen. Bei den Kämpfen gegen die aufständischen Bataver ist im Jahre 70 die Legion vollständig aufgerieben worden und tritt danach nicht mehr in Erscheinung. Für die Weihinschrift kommt also nur ein Datum zwischen 40 und 69 in Frage, undwirkennendieHintergründe derPassreise desPrimipilus nicht. Legio XXII (No. 42). Die Legio XXII Primigenia gehört zu den Rheinlegionen, welche die Beneficiarierstationen an dennördlichen Zu-
72 Ueber die Alpenpassagen Caligulas vgl. oben S. 40. Ritterling, RE XII Sp. 1758 erwägt, ob Tafel 38 mit derersten Verlegung der Legion nach der Rekrutierung im Jahre 39 zusammenhängt, versieht aber die Vermutung mit Fragezeichen.
76
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
gangsstrassen zumSummus Poeninus gestellt hat73 unddie seit demJahre 40 in rheinischen Garnisonen lag (Mainz und Xanten). Im Jahre 69 geleitete der Adler dieser Legion Vitellius nach Rom, aber eine Vexillation machte den Marsch des Caecina über den Grossen St. Bernhard mit74. Möglicherweise hat damals ein Centurio dieser Legion dasTäfel-
chen gestiftet, von dem nur noch ein kleines Fragment erhalten ist. Aber da die Legion bis ins dritte Jahrhundert am Rhein in Garnison blieb, kann dieWeihung auch ausanderer Zeit stammen. Legio XXX (No. 43). Die Legio XXX Ulpia ist eine Schöpfung Trai-
ans und lag von 119 an bis ins 3. Jh. in Xanten amNiederrhein. Das kleine Fragment, das von der Weihung erhalten blieb, muss von einer nicht weiter bestimmbaren Reise ausdem2. oder 3. Jh. stammen. Von Auxiliareinheiten kommen auf den Täfelchen folgende vor: Cohors tricensima voluntariorum civium Romanorum (No. 44). Die freiwilligen Bürgerkohorten scheinen von Augustus nach der Varuskatastrophe desJahres 9. n. Chr. aus Freigelassenen rekrutiert worden zu sein75. Die 30. solche Formation tat im 2. Jh. Dienst in einem Kastell des germanischen Limes, was eine Inschrift aus Ankara (CIL III 6758) bezeugt. DasFragment desTäfelchens enthält leider weder Namen noch nähere Umstände desStifters. Cohors V Asturum (No. 18). Diese ursprünglich in Spanien ausgehobene Einheit lag in iulisch-claudischer Zeit am Niederrhein, wie der Grabstein eines Signifer aus Bonn bezeugt (CIL XIII 8098). Nach den Kämpfen des Jahres 70 wird die Kohorte nicht mehr genannt, sie könnte also damals wie manche andere Einheit des Rheinheeres aufgelöst worden sein. Danach muss die Inschrift vor dasJahr 70 datiert werden, aber ob der Kohortenpräfekt C. Iulius Antullus denPass mit der Vitelliusarmee oder vorher überschritten hat, wissen wirnicht. Ausser diesen Angehörigen der Legionen und Hilfskohorten haben verschiedene Soldaten der Garde und der Führungsstäbe amRhein den Pass überschritten undWeihungen hinterlassen: Das heute verlorene Täfelchen No. 34 ist von einem C. Se[verus?] Cad[itanus?], mil(es) [ex leg...?], doctor e[quitum?], coh(ortis) VIII pr(aetoriae) gestiftet, also von einem Exerziermeister der Praetorianergarde. Wenn die Ergänzung richtig ist, fällt die Inschrift nach Septimius Severus, der die Rekrutierung der Praetorianer aus den Legionen desFeldheeres eingerichtet hatte. 73 Vgl. oben S. 69. 74 Vgl. oben S. 43. 75 Stein, Die kais. Beamten undTruppenkörper, 1932, 225 ff.; K. Kraft, ZurRekrutierung von Alen undKohorten, 1951,87 ff.; G. Alföldy, Die Hilfstruppen, 1968, 76.
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
77
Tafel No.6 ist voneinem Q. Cassius Facundus gestiftet, deralsFunktion C[om]m(entariensis) co(n)s(ularis) angibt, also Protokollführer im Stabe des consularischen Provinzgouverneurs in Köln oder Mainz. Der Weihung dürfte eine Mission dieses Stabsunteroffiziers zugrunde liegen. Dass die rheinischen Legaten ihre Bürochefs nach Rom schickten, wird
häufig vorgekommen sein76. Auch die Alpenreise des B(ene)f(iciarius) co(n)s(ularis) Iulius Fortunatus (No. 16) wird einer solchen Mission dieses Stabsunteroffiziers zu verdanken sein. Ueber Zeit und Umstände der Mission sagt das Doku-
ment nichts aus. Bei der Durchsicht dieser Soldateninschriften vomSummus Poeninus fällt auf, dass sie die zahlreichen und grossen Truppendurchzüge über den Pass nicht erkennen lassen. Wie sich aus der geschilderten Passgeschichte ergibt, müssen in den ersten drei Jahrhunderten zehntausende von römischen Soldaten, zum Teil unter sehr schwierigen Saisonverhältnissen, die Alpen überschritten haben, die alle Anlass hatten, dem Passgott dankbar zu sein. Warum hören wirvon diesen langen Kolonnen nichts, die sich mühsam mit schwerem Gepäck durch die Steigungen des Gebirgsweges arbeiteten, im Winter Lawinen, im Sommer Steinschlag aushalten mussten, dafür von einzelnen Reitern, Offizieren und Beamten, die ihre Mission zum Passübergang veranlasste? Die Antwort dürfte in der Soldatenpsychologie zu suchen sein. Wer in der Kolonne marschiert, findet beim Kameraden und beim Vorgesetzten Mut und Ansporn zum Durchhalten. Wer allein die Verantwortung für die gefährliche Reise tragen muss, wendet sich gerne an die Hilfe des mächtigen Passgottes, vor allem wenn er weiss, dass er den Uebergang bald ein zweites Mal – auf der Rückreise ins heimische Quartier – erneut durchstehen muss77. 3. Privates Dienstpersonal: Wie die hohen Beamten und Generäle ihre untergebenen Soldaten in militärischen Missionen über den Pass
76 A. v. Domaszewski,
Westd. Zeitschr. 1902, 197 Anm. 289 schliesst ausder Inschrift auf einen dauernden Beneficiarierposten auf der Passhöhe, welche These von Stein, Diekais. Beamten und Truppenkörper, 1932, 83, Anm. 98, P. Goessler, RE XXI, Sp. 1162, und F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 346 Anm. 4, übernommen worden ist. Angesichts der Schneeverhältnisse zur Winterszeit halte ich einen Dauerposten für undenkbar: auch die heutigen Chorherren auf demHospiz reduzieren dieBelegschaft imWinter aufwenige Mann mit Bergführer-Ausbildung. Die Mehrzahl derMönche überwintert in Oberitalien. Ein ständig anwesender Benefiziarier hätte überdies seiner Devotion gegenüber demPassgott in einem steinernen Weihalter Ausdruck gegeben, wie seine Kollegen an den Landstrassen desTieflandes, nicht in einem Weiheplättchen wiedievielen Reisenden. 77 Kollektivweihungen an den Jupiter Poeninus fehlen gänzlich, sind aber in allen Lagerstätten häufig, woganze militärische Einheiten oder bestimmte Soldatengruppen andieGottheiten unddenKaiser Votivaltäre errichten.
78
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
schickten, so sandte der Kaiser und andere Hochgestellte ihr privates Personal über die Alpen. Von solchen Botengängen sind uns einige Täfelchen erhalten. Tafel 29 ist die Weihung desPhoebus, eines Untersklaven ausder Familia Caesaris des Tiberius. Die schöne, aufwendige Ausstattung dieser Tafel zeigt den reichen Herrn ausdemkaiserlichen Gefolge. Manmöchte annehmen, dass der Passübergang desPhoebus mit einem derGermanenkriege desKronprinzen zu tunhat. Ein verwandtes Dokument ist Tafel 31, auf der ein kaiserlicher Untersklave namens Puteolanus seine Weihung an den Passgott darbringt. Der Name des Stifters verrät seine Herkunft vomSklavenmarkt in Puteoli. In welcher Kaiserfamilie Puteolanus lebte, ist nicht auszumachen. Ein schon im 19. Jh. verlorenes Täfelchen (No. 22) ist voneinem Pedisequus = Begleitsklaven gestiftet, von dessen Herrn nurnoch dasCognomen Libo erhalten ist. Der Beiname Libo kommt bei vielen vornehmen Geschlechtern vor, und der Vertreter eines solchen magseinen vertrauten Diener in einer Mission über denPass geschickt haben. Eine verwandte Weihung könnte manin No. 3 sehen, auf welcher der Sklave Apriclus für die glückliche Reise seines Herrn Helius ein Gelübde niederlegt. 4. Private Händler: Dass die privaten Händler für den Schutz ihrer Person und ihrer kostbaren Ware den Passgott in Anspruch nahmen, wird z.B. durch Tafel No. 11 bewiesen, auf welcher der helvetische Sklavenhändler C. Domitius Carassounus sein Gelübde belegt. Da entlassene Soldaten sich in derProvinz oft denHandelsgeschäften zuwandten, möchte ich auch die Veteranen-Inschriften NN. 5, 8, 14 solchen Reiseumständen zurechnen. Auch die beiden Inschriften des Sabineius Censor (No. 32) und des M. Sulpicius Marcellus (No. 37) dürften von reisenden Händlern gestiftet sein, denn beide verzeichnen ihre heimatliche Civitas, der eine stammt aus Amiens, der andere aus Köln. Gerade bei den ausserhalb ihrer engeren Heimat Handel Treibenden war es üblich, die Herkunft anzugeben, wie etwa beim Mitglied der Alpen-Händler-Zunft (Corpus splendidissimum Cisalpinorum et Transalpinorum) in Lyon, M. Sennius Metilis aus Trier (CIL XIII
2029).
Schon eine flüchtige Durchmusterung dererhaltenen Tafeln zeigt, dass sie sich in der äusseren Form, in derQualität desBronzebleches, in der Schreibtechnik und Sorgfalt der Schrift stark von einander unterscheiden. Die Grundform der Tabula ansata ist zwar vorherrschend, was ermöglichte, die Ex-Votos an der Tempelwand mit zwei Nägeln zu befestigen, aber sonst verrät die technische Ausführung den Geldbeutel des
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
79
Stifters, die vorbedachte Bestellung der Tafel in der Offizin desGraveurs oder den raschen Auftrag an denbescheidenen Schriftkünstler an der Pass-Strasse. Die zum Teil unsorgfältig gepunzten und mit Schreibfehlern durchsetzten Schriften auf dünnem Blech dürften wohl auf dem Pass selbst angefertigt sein, während die sorgfältig geschnittenen Platten
wie die der kaiserlichen Sklaven (No. 29), des Centurio Nonianus (No. 26), desSklavenhändlers Carassounus (No. 11), vermutlich ausWerkstätten in Aosta oder Martigny stammen. Der Aufwand für diese Platten macht wahrscheinlich, dass die Stifter nicht nur einmal über den Pass gezogen sind, sondern sich mit der teuren Stiftung dasWohlwollen des Passgottes fürlängere Zeit sichern wollten. Was die Dedikationsformel angeht, so bestand offenbar auf dem Passheiligtum keine feste Regel über die Reihenfolge und die Wahl der notwendigen Wörter. Wie auf den Votivaltären variiert die Formel fast von Stück zu Stück, und man könnte sich fragen, ob die Reisenden ihre Weiheformel aus ihrer Heimat mitgebracht haben. Der Passgott wird entweder Poeninus (ohne Zusatz, z.B. NN. 10, 14, 28, 29, 33) genannt, für welchen Namen auch die Schreibungen Peoninus (No. 16), Pyninus (No. 51), Puoeninus (No. 13), Phoeninus (No. 23) vorkommen78, oder Jupiter Poeninus (z.B. NN. 6, 26) oder häufiger Jupiter Optimus Maximus Poeninus (z.B. NN. 8, 9, 11, 24, 37). Der Stiftername steht manchmal am Anfang der Formel (z.B. NN. 10, 14, 28, 29, 33), oft aber auch in der Mitte der Inschrift. In der Regel schliesst die Inschrift mit den Initialen der Weiheformel v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito), die aber auch durch votum solvit (No. 21) oder posuit ex voto (No. 44) ersetzt werden kann. Tafel 5 ist an diedominae gerichtet und in Tafel 32 werden ausser demJupiter Poeninus die Numina Augustorum angesprochen. Auf einigen Tafeln deponiert der Stifter nurseinen Namen ohne jeden Zusatz (z.B. NN. 1, 31), während auf einigen das Gelübde ausdrücklich pro itu et reditu eingelöst wird (z.B. NN. 17, 19). Einige Reisende schliessen mit der Formel pro salute auch Angehörige oder Patrone in dasGelübde ein (z.B. No. 30). So verraten die vielfältigen Dedikationsformeln auch die Vielfalt der sozialen Herkunft der Stifter. Als bedeutende historische Quelle für denPassverkehr müssen die auf der Passhöhe undlängs der Pass-Strasse gefundenen Münzen betrachtet werden. Sie sind aus verschiedenen Gründen in den Boden gekommen: auf der Passhöhe als Opfermünzen nach dem alten, vorrömischen 78 Ueber die Schreibung des Poeninus-Namens vgl. P. Goessler, RE XXI, Sp. 1157 und H. v. Petrokovits, RE XXI, Sp. 1155.
80
ZumReisewesen derrömischen Kaiserzeit
Brauch, der Passgottheit alsDank für densicheren Uebergang eine Münze zu deponieren, längs der Strasse als zufällig verlorenes Geld oder – besonders in der Spätantike – als vergrabener Münzschatz, dender Besitzer vor Soldaten oder Räubern verbergen wollte. Entsprechend gehen die Münzfunde zeitlich vondenmassaliotischen Prägungen undden keltischen Stücken der vorrömischen Zeit bis in die Spätantike. Ein zusammenfassender Münzkatalog aller Stücke existiert bis heute noch nicht, obwohl schon im Jahre 1818 der gelehrte Prior des Hospizes, Laurent-Joseph Murith einen handschriftlichen Katalog von 480 Stükken hinterlassen hat79. Zu dieser Sammlung kamen ausdenAusgrabungen der 90er Jahre durch E. Ferrero noch einmal 100 gallische und300 römische Münzen dazu80. Ueber die Streumünzen auf der Südseite des Passes berichtet P. Barocelli in Forma Italiae, Augusta Praetoria, 194881, und die Münzfunde desNordabstieges ins Wallis sind bei M.-R. Sauter, Préhistoire duValais, registriert82. Da eine umfassende Studie über die Münzen des Grossen St. Bernhard vorbereitet wird, soll an dieser Stelle derPublikation nicht vorgegriffen werden83.
79 Mém. dela Soc. Royale desAntiqu. deFrance 3, 1821, 503. 80 Berichte über die Ausgrabungen Ferreros in Notizie degli scavi 1890, 294 ff.; 1892, 63 ff., 440 ff.; 1894, 33 ff. Kurze Zusammenfassung desrömischen Münzbestandes bei F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit, 19483, 347. 81 Barocelli 54 ff. Münzschatz gefunden 1853 bei Allein (S. 64), bei Mendej (S. 66), bei Fenis (S. 200); Salassermünzen bei Verres (S. 217); 40 Antoniniani bei Corliod (S. 218). DasMu-
seum vonAosta birgt eine reiche Münzsammlung. 82 Vallesia 5, 1950, 72 (Passhöhe); 71 (Bourg St. Pierre); 103 (Liddes); 109 (Martigny). 83 Der Münzkatalog ist von Mlle. Anne Geiser, Lausanne, angezeigt. Bis heute sind die keltischen Münzen vom Summus Poeninus zusammengestellt undnach Herkunft kartiert, vgl. F. Wiblé, Forum Claudii Vallensium. La ville romaine de Martigny (Guides archéologiques de la Suisse 17), 1981, 10 fig. 13 & 15.
KATALOG
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Katalog der Ex-Voto-Täfelchen des Summus Poeninus
1 (= CIL V 6863, Inscr. It. XI,1 n.55, Sauter n. 21). Kleine Tabula ansata mit gepunzten Buchstaben, gefunden vor dem Jahre 1789, heute im Museum des Hospizes. Masse: 67 x 51 mm. T(itus) |Annius |Cissus. Ein schon im 18. Jh. verlorenes Täfelchen nannte nach C. Promis, Le antichità di Aosta 1862, 74, denselben Namen mit dem Zusatz C = C(enturio). Vielleicht handelt es sich um den gleichen Offizier, der für seinen Dienst die Reise über die Alpen mehrmals unternehmen musste. Annius ist derGentilname der Familie vonKaiser Marcus, während dasCognomen Cissus aufkeltische Abkunft seines Trägers deutet. Der Name erinnert an den keltischen Mercurius Cissonius, der im Rheinland, in Avenches und im Bergell vorkommt (F. Staehelin, Die Schweiz in röm. Zeit 19483, 553 mit Belegen; W. Schulze, Zur Gesch. lat. Eigennamen 1904, 305; A. Mocsy, Nomenclator 1983, 80).
Katalog der Ex-Voto-Täfelchen des Summus Poeninus
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2 (= CIL V 6864, Inscr. It. XI,1 n.56, Sauter n.20) Rechts abgebrochene Tabula ansata mit getriebenen, fast völlig korrodierten Buchstaben, gefunden vor dem Jahre 1789, heute im Museum desHospizes. Masse 65 x 39 mm. M(arcus) Apisius A[–– – ] |praef(ectus) c [oh(ortis) v(otum) s(olvit) l(ibens) [m(erito)].
– – ]|
Der Familienname Apisius kommt in Mittelitalien verschiedentlich vor. Schulze, Lat. Eigennamen 71 leitet ihn ausdemEtruskischen ab. AlsKohortenpraefekt muss Apisius Ritterrang besessen haben. NameundNummer derKohorte fehlen. Es magsich um eine der Hilfsformationen des rheinischen Heeres gehandelt haben (Zusammenstellung der rheinischen Kohorten bei E. Stein, Diekais. Beamten 1932, 158–233; G. Alföldy, Die Hilfstruppen 1968).
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Katalog der Ex-Voto-Täfelchen des Summus Poeninus
3 (= CIL V 6865, Inscr. It. XI,1 n.57, Sauter n.19) Tabula ansata mit gepunzten Buchstaben, gefunden vor dem Jahre 1790, heute im Museum des Hospizes. Masse: 104 x 50 mm. I(ovi) O(ptimo) M(aximo) Poeni |noprosalute |Heli et suorum vus) eius |5dedit donum |voto s(olvit) l(ibens) m(erito).
In
Zeile
5 hat der Metallarbeiter
|Apriclus (ser-
fälschlich voto anstatt votum eingepunzt.
Der Stifter desTäfelchens Apriclus (= derkleine Eber) warSklave desHelius und hinterlegte sein Ex-voto für die gute Reise seines Herrn im Passheiligtum. Auch Helius dürfte ein Sklave gewesen sein, denn sein Name ist häufig alsEigenname hochgestellter Leibeigener bezeugt, und es ist nicht selten, dass Sklaven deskaiserlichen Hofes oder reicher Familien selbst Leibeigene besitzen. DerKämmerer Aktes, der Konkubine Kaiser Neros, hiess Helius undandere Leibeigene dieses Namens sind als Rechnungsführer bezeugt (Dessau ILS 1742, 1771, 7300 b).
Katalog der Ex-Voto-Täfelchen des Summus Poeninus
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4 (= CIL V 6866, Inscr. It. XI,1 n.58, Sauter n.18). Kleine, links abgebrochene Tabula ansata mit gepunzten Buchstaben, gefunden vor 1766. DasStück kam, vielleicht als Geschenk derPatres, in den Besitz von Sir William Hamilton (1730– 1803), der als englischer Gesandter in Neapel eine grosse Kunstsammlung anlegte. AusderPublikation dieser Sammlung durch Hancarville (1766) hat Mommsen die Inschrift in seine Ausgabe derSchweizer Inschriften (1854) übernommen (ICH n.47). Bei der Rückkehr nach England im Jahre 1800 verlor Hamilton einenTeil seiner Sammlung durch Schiffbruch, aber dasTäfelchen wurde gerettet und kam nachher ins Britische Museum, wo es heute noch aufbewahrt wird. Masse: 55 x 24 mm. Poenino sa |crum P(ublius) Blattius |Creticus. Hancarville hat in seiner Nachzeichnung die Form der Tafel richtig wiedergegeben, aber die Inschrift fälschlich auf zwei Zeilen verteilt. Mommsen, der die Inschrift nicht selbst gesehen hat, kopierte diesen Fehler und die nachfolgenden Ausgaben ebenfalls. Die drei Inschriftzeilen sind aber deutlich erkennbar.
Der Name Blattius oder Blassius ist in Unteritalien heimisch. Ein Blattius veranlasste im Jahre 210 v. Chr. den Uebergang seiner apulischen Heimatstadt Salapia von Hannibal zu den Römern (Liv. 26, 38, 6). In der Kaiserzeit heisst
ein Speculator (Nachrichten-Unteroffizier) derLegio VII Claudia in Viminacium Blassius (Dessau 2378), undein Blattius derCivitas Vocontiorum (Narbonensis) beteiligt sich 245 an einem Taurobolium (Inschrift von Die: Dessau 4140).
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5 (= Inscr. It. XI,1 n.59,
Sauter n.1) Allseitig abgebrochene Tafel mit erhabenen, getriebenen Buchstaben, gefunden ca. 1886, heute im Museum des Hospizes. Masse: 100 x 70 mm.
[– – ] M(arcus) Calpurnus |[– – ] veteranus |[– – ] dominapus |(v)otum) s(olvit) l(ibens) m(erito). Der Gentilname Calpurnus ist wohl ausCalpurnius verschrieben. DasCognomen scheint in Zeile 2 ausgefallen. Die Weihung an denPassgott ist verbunden mit derjenigen andieMatres –Matronae deskeltorömischen Pantheons. ZumKult der Matrones vgl. Staehelin, Schweiz in röm. Zeit 19483, 520.
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6 (= CIL V 6867, Inscr. It. XI,1 n.60, Sauter n.9) Links abgebrochene Tabula ansata mit eingravierten Buchstaben, gefunden vor 1789, heute im Museum des Hospizes. Masse: 80 x 55 mm. [Io]vi Poe|nino Q(uintus) | Cassius |Facundus s(ularis) |[v(otum) s(olvit)] l(ibens) m(erito).
| 5c[om] m(entariensis) co(n)
A commentariis oder commentariensis wird der Protokollführer in verschiedenen staatlichen Ämtern genannt. Beim hier auftretenden Commentariensis consularis handelt es sich umdenProtokollführer imStabe eines consularischen Provinzgouverneurs, vermutlich des Legatus Augusti pro praetore einer der
Rheinprovinzen. Wie die meisten Beamten des statthalterlichen Officiums stammt der Commentariensis aus dem Unteroffiziersstand. Stein, Die kais. Beamten 1932, 83 schliesst aus der Inschrift auf einen permanenten Unteroffiziersposten auf dem Großen St. Bernhard. Eher dürfte das Ex-voto-Täfelchen von einem durchreisenden Beamten stammen, dervon Italien zu seinem Amtssitz in Köln oder Mainz unterwegs war. Über die Charge desCommentariensis vgl. Domaszewski-Dobson, Rangordnung, 1967, 31 f.
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7 (=
Inscr. It. XI,1 n.61, Sauter n.13 bis) Tabula ansata mit eingravierten Buchstaben, gefunden 1893, heute im Museum desHospizes. Masse: 113 x 55 mm.
M(arcus) Cassius |Festus s(olvit) l(ibens) m(erito).
|miles leg(ionis) X c(enturiae) Iu[li] |Rufi |5v(otum)
Die Legio X Gemina wurde imJahre 70 durch Kaiser Vespasian vonSpanien zur Unterdrückung desCivilis-Aufstandes andenNiederrhein kommandiert. Sieblieb hier bis zumJahre 104, zu welchem Zeitpunkt sie andieDonau verlegt worden ist. Das Ex-Voto des Festus muss aus der Zeit zwischen 70 und 104 stammen. Die näheren Umstände der Passreise des Festus undauch der Centurio Iulius Rufus, unter welchem derSoldat Dienst tat, sindunbekannt. Zur Geschichte der Legion X Gemina vgl. E. Ritterling, RE XII Sp. 1681.
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8 (= CIL V 6868, Inscr. It. XI,1 n.62, Sauter n.22) Tabula ansata mit gravierten Buchstaben, gefunden vor demJahre 1789, heute im Museum desHospizes. Masse: 134 x 75 mm. I(ovi) O(ptimo) M(aximo) Poenino |C(aius) Catullinus Aug(usti) n(ostri) v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito).
|Carinus
vet(eranus)
|
Der Familienname Catullinus, abgeleitet vom keltischen Präfix Catu- (vgl. Caturix, Catugnatus) ist kein richtiges römisches Gentile. Ein M. Catullinius Paternus kommt in Köln vor (CIL XIII 8216). Dass bei der Angabe Veteranus Augusti nostri die militärische Einheit fehlt, deutet auf einen ehemaligen Soldaten der Römer Stadtgarnison hin, also z.B. der Praetorianerkohorten (vgl. CIL VI 2426, 2457, 2460, 2463), der cohortes urbanae (VI 2879, 2896), der equites singulares (VI 2992 B, 3217, 3231, 3242), der Leg. II Parthica (VI 3368, 3369).
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9 (= CIL V 6869, Inscr. It. XI, 1 n.63, Sauter n.16) Tabula ansata mit erhabenen Buchstaben, gefunden 1812, heute im Museum desHospizes. Masse 196 x 133 mm. Iovi Op(timo) M(aximo) |Poenino |T(itus) Cl(audius) Severus |fr(umentarius) leg(ionis) III |5ltalic(ae) v(otum) s(olvit) |l(ibens) m(erito). Frumentarii sind ursprünglich Unteroffiziere für die Heeresversorgung. Seit dem 2. Jh. n. Chr. werden sie auch fürverschiedene Spezialdienste verwendet, als Kuriere, Nachrichtenagenten und Geheimpolizisten. Die Legio III Italica ist von Kaiser Marcus imJahre 165 imZusammenhang mit denGermanenkriegen ander Donau aufgestellt worden. Sie lagseit 179 in Regensburg in Garnison, nahm aber auch an den severischen Kriegen, z.B. amAlamannenfeldzug Caracallas imJahre 213 teil. Vielleicht ist damals der Frumentarier Severus über denPass gereist. Ueber die Charge der Frumentarier vgl. Fiebiger, RE VII Sp. 122 f.; Stein, Beamte, 85; Domaszewski-Dobson, 1967,34. Ueber die Legio III Italica vgl. Ritterling, RE XII Sp. 1536; Stein, Beamte, 115.
10 (= Inscr. It. XI,1 n.64, Sauter n.36) Rechts abgebrochenes Täfelchen mit eingravierten Buchstaben, gefunden 1888, heute im Museum desHospizes. Masse 60 x 60 mm. D(ecimus) Dasi[mius For] | tis c(enturio) [leg(ionis) – – ] |Poenino [votum] | p(romissum) q(ue) s(olvit) [l(ibens) m(erito)].
Die Ergänzung desNamens stammt von Ferrero. DasGentile Dasimius undDasumius scheint aus Messapien zu stammen (vgl. Schulze, Lat. Eigennamen, 44; Münzer, RE IV Sp. 2218). Auch die Auflösung vonZeile 4 ist unsicher: wenn es sich nicht umeine Erweiterung derüblichen Formel V.S.L.M. handelt, hat der Handwerker
dieBuchstaben verschnitten.
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11(= Inscr. It. XI,1 n.65, Sauter n.7) Tabula ansata, rechts abgebrochen, gefunden 1891, heute im Museum des Hospizes. Masse 245 x 145 mm. Schön gravierte Schrift.
I(ovi) O(ptimo) M(aximo) Poenino |C(aius) Domitius |Carassounus |Hel(vetius) mango |5v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito).
DerSklavenhändler (mango) mit demaristokratischen Namen Domitius gibt seine keltische Herkunft durch dasCognomen Carassounus zu erkennen: Cara- ist Bestandteil vieler keltorömischer Namen (Caratacus, Caratillus). Wieandere reisende Kaufleute im römischen Reich gibt Domitius nach demNamen sein Geschäftsgebiet mit der Heimatsbezeichnung an. Ob er Sklaven vonNorden nach Süden oder in umgekehrter Richtung transportiert hat, geht aus der Inschrift nicht hervor. Obwohl die Sklaverei in der Kaiserzeit infolge desAufhörens der Eroberungskriege allgemein zurückging, waren auf den traditionellen Sklavenmärkten im nahen Osten und – in beschränktem Masse – auch an den nördlichen Reichsgrenzen noch Leibeigene zu kaufen. Ueber das Sklavenwesen der Kaiserzeit vgl. Westermann, RE Suppl. VI Sp. 994 ff.; Sklaven in Helvetien: Howald-Meyer 409 (Index s.v. Sklaven).
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12 (= CIL V 6870, Inscr. It. XI,1 n.66, Sauter n.23) Oben und rechts abgebrochenesTäfelchen mit gepunzten Buchstaben, gefunden vor demJahre 1789, heute imMuseum desHospizes. Masse 65 x 62 mm. Sex(tus) E[–– ] |mil(es) le[g(ionis) m(erito).
––] | Gemina[e] |v(otum)
s(olvit) l(ibens)
Die Legionsziffer ist nicht erhalten. Von den Legiones Geminae, welche am Rhein Dienst taten, kommen folgende in Frage: Legio VII Gemina war in den Jahren 73/74 Bestandteil desniederrheinischen Heeres undvielleicht unter Alexander Severus 235 amMittelrhein, Legio X Gemina war70 – 104 amNiederrhein, Legio XIII Gemina lag9 – 17 in Mainz und 17 – 45 in Vindonissa, Legio XIV Gemina lag 13 – 43 und 71 – 92 in Mainz. Alle Legionsgeschichten bei Ritterling, RE XII s. v. Legio und Stein, Beamte,
87 ff.
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Inscr. It. XI,1 n.67, Sauter n.5) Tabula ansata mit erhabenen Buchstaben, gefunden vor dem Jahre 1789, heute im Museum des Hospizes.
13(= CIL V 6871, Masse
120 x 72 mm.
Felicio et m(erito).
| Crispinus fra |tres
Da die beiden
Puoenin
lverunt |l(ibentes) |o votum so |5
Brüder Felicio undCrispinus keine tria nomina angeben, dürften sie Peregrine oder Sklaven gewesen sein. EinSklave desTrimalchio heisst Felicio (Petron, sat. 60). Die Schreibung Puoeninus zeigt die Schwierigkeit, denkeltischen ersten Vokal desNamens wiederzugeben (über dieverschiedenen Namensformen desPoeninus vgl. v. Petrikovits, RE XXI Sp. 1155).
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14 (= CIL V 6872, Inscr. It. XI,1 n.68, Sauter n. 13) Links undrechts abgebrochene Tafel, gefunden vor dem Jahre 1766. Vom Grossen St. Bernhard kamdas Stück, wieNo.4 in die Sammlung Hamilton nach Neapel, woHancarville eskopiert und 1766 veröffentlicht hat. Ausder Sammlung Hamilton scheint es auf Umwegen in den Besitz der Herzöge vonBraunschweig-Wolfenbüttel gekommen zu sein, wasMommsen in der Inschriftenausgabe von 1854 notiert (No. 33). Im Herzog-Anton-Ulrich-Museum vonBraunschweig galt dieTafel nach dem2. Weltkrieg zuerst alsverloren, kamdann aber wieder bei derNeuordnung derBestände zumVorschein. Masse 118 x 96 mm.Photo Museum Braunschweig.
|et Terentia |Prisca MIGM (?) |ex leg(ione) XIIII Gem(inae) |5Poenino v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito). Dievier Buchstaben amEnde derZeile 3 MIGMerklärt Mommsen alsVerschreibung ausm(issus) h(onesta) m(issione), mitwelchem Ausdruck üblicherweise die
Felicio
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Entlassung ausdemrömischen Heer angegeben wird. Wennessich bei Felicio um einen Legionsveteranen handelt, bleibt unverständlich, dass er nicht die tria nomina des römischen Bürgers angibt und dazu noch seine Frau Terentia Prisca nennt. E. Meyer (Die röm. Schweiz 216) sucht dasFehlen des römischen Namens dadurch zu erklären, dass in den südlichen Alpen zahlreiche Peregrine in dieLegionen rekrutiert worden sindunddasBürgerrecht diesen Veteranen geraumeZeit nach derEntlassung erteilt worden sei. DerName Felicio kommt auch auf Tafel 13 vor. Die Legio XIV Gemina lagvonAugustus bis40, unddannwieder70 –90 n. Chr. in Mainz.
15 (= Inscr. It. XI,1 n.69; Sauter n. 40) Links und rechts abgebrochenes Täfelchen, umdasJahr 1886 gefunden, gepunzte Buchstaben, heute imMuseum des Hospizes aufbewahrt. Masse 74 x 65 mm. [– – ]ius Herma [– – ] | [v(otum) s(olvit)] l(ibens) m(erito) |[p]ro |[– – ]io Sabino [– – ] 15[et] s(uis).
DieFormel dieses Ex-votos gehört zumTypus votum solvit proaliquo et suis wie n. 30. DasCognomen desStifters magHermagoras, Hermaios, Hermaphroditus, Hermas oder ähnlich gelautet haben, wasauf einen Freigelassenen griechischer Herkunft weist.
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16(= Inscr. It. XI,1 n.70; Sauter n.10) Guterhaltene Tafel miterhabenen Buchstaben, gefunden 1893, heute imMuseum desHospizes. Masse: 83 x 72 mm. I(ovi) Peonin[o] | Iul(ius) Fortu|natus b(ene)f(iciarius) tum) s(olvit) l(ibens) m(erito).
| co(n)s(ularis) | 5v(o-
Der letzte Buchstabe von Zeile 1 ist seit der Auffindung des Stückes 1893 abgebrochen undverloren (vgl. Barocelli Inscr. It. XI,1 Abb. 4). Peonino anstatt Poenino ist Verschreibung ähnlich wiein n.13. Der Beneficiarius consularis hat den Rang eines Stabsgefreiten bei einem consularischen Beamten, d.h. beim Legatus Augusti pro praetore der ober- oder niedergermanischen Provinz (Amtssitz Mainz resp. Köln), welche Gouverneure ihre Aemter nach demKonsulat, alsviri consulares, antraten.
Ueber die Beneficiarii consulares vgl. Stein, Beamte, 78 (hier der Hinweis auf Hist. Aug. Hadr. 2,6, als der Statthalter in Mainz, Servianus, im Jahre 98 einen seiner Beneficiarier als Kurier nach Köln zu Traian sendet, um den Tod Nervas zumelden); dazujetzt Domaszewski-Dobson, Rangordnung, 1967, 32. DerBeneficiarier Fortunatus war vielleicht ebenfalls in einer Kurier-Mission über den Grossen St. Bernhard unterwegs.
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17 (= CIL V 6873; Inscr. It. XI,1 n.71: Sauter n.24) Linke Seite einer Tabula ansata mit schön gravierten Buchstaben, gefunden zwischen 1808 und 1811, heute imMuseum desHospizes. Masse 100 x 125 mm. Iovi P[oenino] |Q(uintus) Iu[lius] |Alp[inus] |proi[tu] et] |5re[ditu] |v(otum) s(olvit) [l(ibens) m(erito)].
Vom Cognomen des Stifters sind nur 3 Buchstaben ALP erhalten. Mommsen hatte in seiner Ausgabe von1854 ALTgelesen, in derAusgabe vonCILV (1877) aber die Lesung vonPromis (1862) ALP angenommen. Die Ergänzung ALP zu ALPINVS ist plausibel, denn der Beiname – und davon abgeleitet das Gentile ALPINIVS – kommt in Gallien verschiedentlich vor (Vgl. Index zu CIL XIII;
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dazu A. Mocsy, Nomenclator, 1983, 14). Derberühmteste Vertreter desNamens ist der Helvetier Iulius Alpinus, derimJahre 69 denWiderstand gegen dieArmee des Vitellius organisiert hatte unddeshalb vonCaecina hingerichtet worden ist (Tac. hist. 1,68). Ueber die Legenden, die sich an die Figur deshelvetischen Freiheitshelden angeschlossen haben, vgl. F. Staehelin, Schweiz in röm. Zeit, 19483, 191.
18 (= CIL V 6874; Inscr. It. XI.1 n.72; Sauter n.11) Rechteckiges Plättchen mit gepunzten Buchstaben, gefunden vor dem Jahre 1789, heute im Museum des Hospizes. Masse 90 x 59 mm. C(aius) Iulius An|tullus prae|fectus cohort|is
VAsturum |5Poenino
v(otum) sol(vit).
Von den drei Stufen der ritterlichen Offizierslaufbahn wardie Präfektur einer Auxiliarkohorte die erste Stelle, auf welcher später das Legionstribunat unddie Präfektur einer Reiterala folgten. Die ursprünglich in Asturien ausgehobene Cohors V Asturum war in iulisch-claudischer Zeit Hilfstruppe derunterrheinischen Legionen. Ein Signifer dieser Einheit liegt in Bonn begraben (CIL XIII 8098). In den Kämpfen bei der Thronerhebung Vespasians scheint die Cohorte aufgelöst worden zu sein, denn sie wird später nie mehr genannt. Demnach ist die Inschrift vor dem Jahre 70 zu datieren. Ueber die Coh. V. Asturum vgl. Stein, Beamte, 165; G. Alföldy, Die Hilfstruppen, 1968, 44. ZumCognomen desPraefekten, Antullus, vgl. I. Kajanto, The Latin cognomina, 1965, 38.
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19 (= CIL V 6875; Inscr. It. XI,1 n.73; Sauter n.4) Links abgebrochene Tabula ansata mit schönen, erhabenen Buchstaben, gefunden vor demJahre 1789, heute imMuseum desHospizes. Masse 106 x 55 mm. Poenino m(erito).
|pro itu et reditu |C(aius)
Iulius Primus
|v(otum)
s(olvit) l(ibens)
C. Iulius Primus ist ein häufiger Name im gallisch-germanischen Gebiet. Ein Mann dieses Namens hat in Jülich einen Matronen-Altar gestiftet (CIL XIII 8222), ein anderer ausTrier in Avenches eine Weihung andieDeaAventia (CIL XIII 5071). Dader Reisende über denSt. Bernhard keine näheren Angaben über seinen Beruf undseine Stellung macht, wissen wirnicht, ob er Soldat, Veteran oder Händler war.
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20 (= CIL V 6876; Inscr. It. XI,1 n.74; Sauter n.3) Tabula ansata, bei welcher die Henkel auf beiden Seiten fehlen. Die in feinen Buchstaben gepunzte Inschrift enthält in Zeile 1 den Namen des Stifters, in Zeile 2–5 zwei Distichen. GefundenvordemJahre 1789, heute imMuseum desHospizes, Masse 146 x 49 mm. C(aius) Iul(ius) Rufus Poenino v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito) |at tua templa lubens vota suscepta peregi |accepta ut tibi sint numen adoro tuum |inpensis non magna quidem te sancte precamur |5maiorem saculo nostrum animum accipias.
Der Stifter desVerstäfelchens trägt einen häufigen Namen. Ein C. Iulius Rufus warunter Kaiser Antoninus PiusProcurator patrimonii, d.h. kaiserlicher Vermögensverwalter (H.-G. Pflaum, Les Carrières procuratoriennes 1960, 315 n. 129) undeinManngleichen Namens reparierte in Vidy dieWasserleitung aufseine Kosten (CIL XIII 5028). Frei übersetzt könnte mandieVerse folgendermassen wie-
dergeben: „Bei deinem Tempel erfüll’ ich voll Freude versprochnes Gelübde, nimmesmirgnädig an,flehe dein Walten ich an: Klein zwar anWert ist die Gabe, doch schätze du,Heil’ger, ich bitte, schwerer alsunseren Sack dendich verehrenden Sinn.“
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21 (= CIL V 6877, Inscr. It. XI,1 n.75; Sauter n. 42) Fragment eines Ex-Voto-Täfelchens mit guten eingravierten Buchstaben, gefunden vor 1789, heute im Museum desHospizes. Masse 88 x 40 mm.1789 lasdeLoges noch mehr Buchstaben alsheute erhalten sind. [Poeni]no votum [solvit] |[–– pro se suis] que [––].
Sicher zu lesen ist heute nur noch in Zeile 1 [POENI] NOVOTVM. Nach de Loges lautete die Inschrift des Fragmentes Poenino votum |Latinius seqved, was die späteren Herausgeber verschieden ergänzen. Sicherheit über den ursprünglichen Text ist nicht zugewinnen.
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22 (= CIL V 6878;
Inscr. It. XI,1 n.76; Sauter n.43) Rechte Hälfte eines Täfelchens, welches vor 1789 gefunden worden ist und das Murith im Jahre 1808 noch gesehen hat. Kurz danach muss es verloren oder ausderSammlung weggenommen worden sein, denn schon Haller hat die Inschrift 1811 nicht mehrvorgefunden. Die späteren Herausgeber zitierten denText vonde Loges undMurith.
Text bei de Loges (1789): INO ... US ... ... ISSEQ
...
LIBONI
MSER
Text bei Murith (1808): ////// INO ////// VS ////// ISSEQ ////// LIBONIS ////// L MSER
[Iovi Poen]ino |[– – ]us |[ped]isseq(uus) |[– – ] Libonis |5[– – ] im ser(vus).
DerWeihende warein Pedisequus, d.h. einBegleitsklave eines vornehmen Herrn, vondessen Namen nur dasCognomen Libo erhalten ist. Dieser Beiname kommt bei vielen vornehmen Familien wie den Anniern, denScriboniern, denStatiliern unddenVibiern vor.
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23 (= CIL V 6879; Inscr. It. XI,1 n.77; Sauter n.15) Oben undrechts abgebrochenes Täfelchen mit erhabenen Buchstaben, gefunden vor demJahre 1789, heute im Museum desHospizes. Masse 118 x 80 mm. L(ucius) Licinius S[eve] |rus eques l[eg(ionis)] |IIII Mac(edonicae Phoeni[no] v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito).
|
Der Weihende gehörte zu demkleinen Reiterdetachement, dasjede Legion für denMelde- undVerbindungsdienst besass. Dieeigentliche Kavallerie befand sich in den Alen der Hilfstruppen. Die Legio IV Macedonica befand sich seit Claudius im obergermanischen Heer und hatte seit ca. 43 n. Chr. in Mainz Quartier. Sie erklärte sich im Jahre 69 fürVitellius, zogmitihmüber dieAlpen nach Rom und warauch beim Untergang dieses Kaisers in der Schlacht von Verona gegen Vespasian dabei. Ihre Loyalität gegen denneuen Kaiser waraber so schwankend, dass Vespasian sie nach seinem Siegauflöste. DieInschrift fällt also zwischen 43 und70. PHOENI (NO) in Zeile 4 ist Verschreibung ähnlich wiein dennn. 16 und51.
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24 (= CIL V 6880; Inscr. It. XI,1 n.78; Sauter n.17) Gut erhaltene Tabula ansata mit schön gravierten Buchstaben, gefunden vor demJahre 1789, heute im Museum desHospizes. Masse 193 x 94 mm. I(ovi) O(ptimo) M(aximo) Poenino s(olvit) l(ibens) m(erito).
|T(itus)
Macrinius De|mostratus |v(otum)
Da Rang undEinteilung desWeihenden nicht angegeben sind, wissen wirnicht, ob es sich umeinen Soldaten handelt. Der Familienname Macrinius kommt bei hohen ritterlichen und senatorischen Beamten des 2. und3. Jh. vor. DasCognomen Demostratus scheint griechischer Herkunft zu sein: Δ ηµόστρ ατος heissen verschiedene athenische Archonten, einKomödiendichter undeinhellenistischer Bildhauer.
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25 (= Inscr. It. XI,1 n. 79; Sauter n.32) Stark zerstörtes, rechteckiges Täfelchen mit gepunzten, schlecht geschriebenen Buchstaben, gefunden ca. 1886, heute imMuseum desHospizes. Masse 135 x 85 mm. Cn(aeus) Noni[u]s [pos]uit.
|votu(m)
s(uum) libe(n)s s(olvit) |Poinino s(acrum)
|libe(n)s
DieLesung ist wegen derschlechten Schreibung unddesErhaltungszustandes unsicher. Barocelli liest C.NPION///////S |VOTV.LIBIIS. S |OININO.S |LIBIIS. ///////VIT. Der Familienname Nonius ist in Italien undGallien verbreitet. Der berühmteste Vertreter des Namens, L. Nonius Asprenas, Consul des Jahres 6 n. Chr., war ein Vertrauter desAugustus. Umeinen vornehmen Mann kann es sich bei unserem Nonius bei dergeringen Qualität desEx-voto nicht gehandelt haben. Im Wort LIBIIS (Zeilen 2 und 4) lese ich die Doppelhasta als E, häufigeForm in späteren Inschriften.
26 (= CIL V 6881; Inscr. It. XI,1 n.80; Sauter n.14)
Guterhaltene Tabula ansata
mit erhabener, sorgfältiger Schrift, gefunden vor demJahre 1789, heute imMuseum desHospizes. Masse 243 x 145 mm.
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Iovi Poenino |L(ucius) Paccius L(uci) f(ilius) Pal(atina tribu) |Nonianus | Fundis |5c(enturio) leg(ionis) VI victricis p(iae) f(idelis) |ex voto.
Die Familie derPaccii stammt ursprünglich ausdemOskischen undist in republikanischer Zeit in Latium und Campanien verbreitet. DasCognomen Nonianus ist vom Gentile Nonius abgeleitet, wie bei Adoptionen in eine andere Familie üblich. Die Heimatangabe Fundi (südlich von Terracina) stimmt mit dieser Herkunft überein, aber die Stadt warin die Tribus Aemilia eingeschrieben. Die Familie desCenturio muss also nach Fundi eingewandert sein, vielleicht vonRom, denn diePalatina wareine derhauptstädtischen Tribus. Die Legio VI Victrix lagvon70 bis 122 amNiederrhein, zuerst in Neuss, dann in Xanten. Da siebeim Usurpationsversuch desProvinzlegaten Antonius Saturninus zu Kaiser Domitian hielt, bekam sie denEhrentitel Pia Fidelis Domitiana. Nach demSturz dieses Kaisers hat siedenletzten Teil desEhrentitels wieder abgelegt. DasEx-Voto wird ausden Jahren 89 bis 122 stammen, alsdie Legion amRhein stand. Ueber die Geschichte der 6. Legion vgl. Ritterling, RE XII Sp. 1602 ff.
27 (= CIL V 6882; Inscr. It. XI,1 n. 81; Sauter n.25) Kleine Tabula ansata mit sorgfältig eingravierten Buchstaben, gefunden vor 1789, heute imMuseum desHospizes. Masse 98 x 22 mm. M(arcus) Papirius Eu|nus
ex voto.
DiePapirii gehören zudenvornehmsten römischen Adelsgeschlechtern derRepublik, die sich im 1. Jh. v. Chr. viel Mühe gaben, ihre Familiengeschichte historisch auszugestalten. Cicero belehrt einen ihmbefreundeten L. Papirius Pastus, derein Bonvivant undEpikuräer gewesen sein muss, in einem ausführlichen Brief (fam.
9,21) über dessen Familien traditionen. Derhier auftretende Papirius warschwerlich ein vornehmer Mann, sondern, wie dergriechische Sklavenname Eunus (Ε ὔνους) zeigt, vermutlich einFreigelassener derFamilie. Ueber diePapirii vgl.Münzer, RE XVIII Sp. 1002 f.
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28 (= CIL V 6883; Inscr. It. XI,1 n. 82; Sauter n.26) Rechts abgebrochenes Plättchen mit deutlichen gepunzten Buchstaben, gefunden am 21. Juli 1790 von Franz Ludwig Haller, dem damaligen Leiter des Berner Münzkabinetts. Er behielt es in seinem Besitz, vonwoes an dasBernische Historische Museum überging(Inventarno. 14295). Masse 70 x 80 mm. Paullus Vet[tius] |Restitu[tus] | trib(unus) mi[l(itum) tum) [s(olvit) l(ibens) m(erito)].
– – ] |Poen[ino] |5v(o-
Die Schreibung des Vornamens auf der Inschrift ist PAVLLVS mit Doppel-L. Haller, Helvetien unter den Römern II2, 1812, 516 gibt die übliche Namen-
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form PAVLVS wieder, was die späteren Ausgaben abgeschrieben haben. Die Ergänzung von Familien- und Beinamen stammt vonPromis 1862: die Vettier sind eine vielverbreitete Italikerfamilie, das Cognomen Restitutus ist häufig. In welcher Einheit der Weihende Dienst getan hat, ist nicht erhalten. Es kann sich um eine Legion, eine Kohorte derhauptstädtischen Garnison oder umeine Auxiliarkohorte handeln, welche letztere zumTeil auch vonMilitärtribunen befehligt worden sind.
29 (= CIL 6884; Inscr. It. XI,1 n.83; Sauter n.27)
Guterhaltene Tabula ansata, der linke Henkel ist abgebrochen. Klare eingravierte Schrift. Gefunden zwischen 1790 und1808, heute imMuseum desHospizes. Masse 143 x 78 mm.
Phoebus Fusci
|Ti(berii)
Caesaris |Poenino v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito).
Der Weihende mit demgriechischen Namen Phoebus ist Sklave eines Fuscus gewesen, der seinerseits Leibeigener desTiberius Caesar war. Tiberius, derspätere Kaiser, heisst Caesar, seit er im Jahre 4 n. Chr. von Augustus in die Gens Iulia adoptiert worden ist. Nach der Thronbesteigung ist sein offizieller Titel Tiberius Caesar Augustus. Damit ist die Inschrift in die Jahre zwischen 4 und 14 n. Chr. datiert undgehört zu den frühesten Zeugnissen desrömischen Passverkehrs. Warum der Angehörige des kaiserlichen Hausgesindes über die Alpen gereist ist, wissen wir nicht, aber es lassen sich viele eilige Missionen denken, etwa im Zusammenhang mit dem Aufenthalt des Prinzen in Germanien 4–6 n. Chr. oder nach der Varusniederlage des Jahres 9, als Tiberius die Führung der Rheintruppen wieder übernahm. Ueber die kaiserlichen „ Untersklaven“ vgl. H. Chantraine, Freigelassene und Sklaven imDienste derröm. Kaiser, 1967, 391.
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30 (=
Inscr. It. XI,1 n.84; Sauter n.33) Stark zerstörtes Bronzetäfelchen mit gepunzten Buchstaben, um 1886 gefunden. Dielinke obere Ecke ist erst 1968 aufgefunden und angefügt worden. Heute im Museum desHospizes. Masse: 140 x
120 mm.
G(aius) Iulius Dioclis (libertus) |Primus pr[o salute sua] v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito).
Die früheren
|et suorum Poenino |
Ausgaben lasen [...] CIVS DIOCLIS. Nachdem nun derNamevollständig vorliegt, handelt es sich bei demStifter umeinen Gaius Iulius Primus, der Freigelassener eines Iulius Diocles war. DerPatronus mit demgriechischen Namen Diocles (Διοκ λῆς) scheint selbst einst Sklave gewesen zu sein, wie der kaiserliche Sklave Diocles bei Dessau 1802.
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31 (=
Inscr. It. XI,1 n.85; Sauter n.38) Guterhaltene Tabula ansata mit gravierten Buchstaben, gefunden 1891, heute im Museum des Hospizes. Masse 45 x 25
mm.
Puteolanus |Sabini |Caes(aris) n(ostri). Puteolanus ist Sklave desSabinus, derseinerseits Leibeigener oder Freigelassener des Kaisers ist. Puteoli warbis ins 2. Jh. n. Chr. derwichtigste Orienthafen, wo man auch aus demOrient eingeführte Sklavenkinder kaufte. Der Stifter desExVoto-Täfelchens hat diese Station seines Lebens als Eigennamen bewahrt. Er ist wiePhoebus in n.29 ein kaiserlicher Untersklave. DerSinn derInschrift ist demnach Puteolanus Sabini (servus) Caes(aris) n(ostri) (servus). Die Formel Caesar noster kann den Kaiser, aber auch einen kaiserlichen Familienangehörigen bedeuten. Ueber diese Formel vgl. H. Chantraine, Freigelassene und Sklaven im Dienst derröm. Kaiser, 1967, 193.
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32 (= CIL V 6885; Inscr. It. XI,1 n.86; Sauter n.8) Guterhaltene rechteckige Tafel mit deutlichen, erhabenen Buchstaben. Die beiden Henkel sind abgebrochen. Gefunden vor dem Jahre 1789, heute im Museum desHospizes. Masse: 157 x 90 mm. Numinib(us) Aug(ustorum) |Iovi Poenino 5v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito).
|Sabineiius
Censor
|Ambianus |
Die Dedikation an das Numen eines Kaisers in Verbindung mit einer Gottheit ist auch auf Steininschriften häufig. Die Mehrzahlform für die Kaiser bedeutet entweder eine kaiserliche Samtherrschaft wiediedesMarcus Aurelius undVerus oder die kaiserliche Familie allgemein, wie Domus Divina. Sabineius als Gentilname, abgeleitet vom Cognomen Sabinus, kommt in Gallien verschiedentlich vor. Das Doppel-i dürfte Verschreibung sein. Censor als Cognomen, nicht als Amtsbezeichnung, ist auch bei einem von Postumus ernannten Konsul belegt (CIL VII 287 = Collingwood-Wright n.605: Lancaster). Häufiger sind die abgeleiteten Beinamen-Formen Censorinus und Censorina. Ambianus bezeichnet die Herkunft desStifters ausAmiens, derHauptstadt derAmbiani.
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33 (= Inscr. It. XI,1 n.87; Sauter n.34) Längliches, oben links beschädigtes Plättchen mit deutlichen gepunzten Buchstaben, gefunden 1886, heute im Museum desHospizes. Masse 70 x 25 mm. [•S]cribonius Flavus |Poenino v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito).
In derlinken
verlorenen Ecke kann noch die Initiale desVornamens gestanden sein. Die Scribonii sind ein altes römisches Adelsgeschlecht, dasauch in derKaiserzeit noch senatorische Beamte hervorbrachte. Ein C. Scribonius Genialis war im 2. Jh. n. Chr. Legionslegat am Niederrhein (CIL XIII 12036), ob aber der Stifter desTäfelchens mit diesen vornehmen Scriboniern verwandt war, ist nicht
bekannt.
34 (= CIL V 6886;
Inscr. It. XI,1 n.88; Sauter n.28) Auf der rechten Seite abgebrochenes Täfelchen mit gepunzten Buchstaben, 1837 gefunden, danach imMuseum desHospizes, wo es Mommsen 1853 nicht vorfand, dagegen 10 Jahre später der italienische Architekt Promis, welcher es in seiner Ausgabe beschreibt. Seit 1864 ist dieInschrift wieder verschollen.
Text nach Promis (1864): C SE///////// CAD/////////// MIL////////////
DOCTOR I/// COH•VIII •PR
V S •L •M
C(aius) Se[–– – ] I Cad[–– – ] | mil(es) [– – – ] |doctor pr(aetoriae) |v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito).
i[–– – ] I 5coh(ortis)
VIII
Die Weihung an Jupiter Poeninus fehlt und scheint auch nicht über Zeile 1 gestanden zu haben, denn nach Promis warder Tafelrand auf drei Seiten erhalten (oben, links, unten). Für die Zeilen 1–2 schlägt Promis als Ergänzung vor C SE [VERVS] | CAD[ITANVS], waseinen Severus ausGades bedeuten würde. Vorzuziehen wäre in Zeile 1 dieErgänzung zu einem Nomen wie Sennius, Sentius,
Sergius; in Zeile 2 ein Cognomen wieCadmus, Cadmeius, Caducus. Die Zeilen 4 und 5 bezeichnen die Charge des Stifters: Doctor Cohortis VIII Praetoriae ist Exerziermeister der 8. Praetorianer Kohorte. Die einzelne Hasta nach DOC-
TOR gehört vielleicht zur Spezifizierung der Charge: doctor e[qu(itum)], denn die Praetorianer besassen Reiterei. In Zeile 3 wird der Exerziermeister seine frühere Legionseinteilung angegeben haben, da die Garde seit Septimius Severus aus den Legionen rekrutiert worden ist. Ueber die Exerziermeister der Praetorianertruppe vgl.Domaszewski-Dobson, Rangordnung, 1967, 26; M. Durry, RE XXII Sp. 1617.
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35 (= CIL V 6887;
Inscr. It. XI,1 n.89; Sauter n.6) Tabula ansata mit klar eingravierten Buchstaben, gefunden vor den 70er Jahren des 18. Jh., zu welcher Zeit der Alpenforscher Horace Bénédict de Saussure die Inschrift sah. Heute imMuseum desHospizes. Masse 102 x 66 mm.
Iovi Poenino | Q(uintus) Silvius Peren|nis tabell(arius) colon(iae) | Sequanor(um)
|5v(otum)
s(olvit) l(ibens) m(erito).
Tabellarius ist ein Briefbote. Quintus Silvius Perennis war Kurier der Sequanerkolonie, d.h. der Stadt Besançon. Da die direkte Verbindung vonVesontio nach Italien über die Strasse Pontarlier-Orbe– Lausanne-Martigny– Grosser St. Bernhard führt, ist es verständlich, dass der Gemeindekurier von Besançon auf der Reise über die Alpen dem Passgott opfert. – Schwierigkeiten bereitet der Titel der Stadt Besançon, die üblicherweise Civitas Sequanorum genannt wird, aber keinen Kolonierang besass. Ferner waren die Tabellarii imallgemeinen unfreien Standes. Der römische Bürger Silvius Perennis dürfte sein Bürgerrecht voneinem reichen Provinzialen wie dem Titus Silvius Similis aus Yverdon (CIL XIII 5056) erhalten haben. Ueber die amtliche Stellung von Besançon vgl. Lerat, RE VIII A Sp. 1698 s. v. Vesontio.
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36 (= Inscr. It. XI,1 n.90; Sauter n.39) Stark zerstörtes Täfelchen mit gepunzten Buchstaben, gefunden 1892, heute im Museum des Hospizes. Masse: 121 x 72 mm. Po[en]ino | [sac]rum |[– – – ]ius Speratus |[v(otum) s(olvit)] l(ibens) m(erito). Vorname und Beginn des Gentile des Stifters sind nicht erhalten. DasCognomen Speratus kommt häufig in Soldateninschriften vor (z.B. CIL V 8660; XIII 6458, 7264, 7412, 7679, 7822).
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37 (= CIL V 6888; Inscr. It. XI,1 n.91; Sauter n.29) Ex-voto-täfelchen, das vor dem Jahre 1789 gefunden worden ist und um 1834 verloren ging. Text nach De Loges (1789) und Murith (1808), dendie späteren Ausgaben übernommen haben.
I O M P O E N IN O M SVLPIC MAR CELLVS ACNIP
VS L M
| Poenino s(olvit) l(ibens) m(erito).
I(ovi) O(ptimo) M(aximo)
(?) |5v(otum)
| M(arcus)
Sulpic(ius) Mar|cellus Acnip
Das Gentile Sulpicius ist dasjenige Kaiser Galbas. Vielleicht hat die Familie des Stifters das Bürgerrecht von Galba erhalten. Das unverständliche ACNIP in Zeile 4 wird von Promis und Mommsen mit AGRIP = Agrip(pinensis) verbessert. Es könnte sich also umeinen MannausKöln handeln.
38 (= Inscr. It. XI,1 n.92;
Sauter n.12) Rechteckiges Täfelchen ohne Henkel mit 1893, heute im Museum des
schwach eingravierten Buchstaben, gefunden Hospizes. Masse 137 x 68 mm.
C(aius) Vettius m(erito).
Sal[–– ]|p(rimi)
p(ilus) leg(ionis)
XV |v(otum)
s(olvit) l(ibens)
DieVettier sind ein alt-mittelitalisches Geschlecht, ausdemeiner derFührer des Bundesgenossenkrieges des Jahres 90 v. Chr. stammte (P. Vettius Scato). Das
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verstümmelte Cognomen könnte zu Salinator, Salvinus, Salutaris oder ähnlich ergänzt werden. Primi pilus bezeichnet den ranghöchsten Centurio in der Legion. Es ist ein Grad, welcher im Avancement auch den einfachen Legionären möglich ist. Bei der genannten Legion XV muss es sich umdie Legio XV Primigenia handeln, die von 40– 70 zum Rheinheer gehörte, aber in den Kämpfen gegen die aufständischen Bataver vollständig aufgerieben worden ist. Damit ist die Inschrift in die Jahre 40– 70 n. Chr. datiert. Die Legio XV Apollinaris kann nicht gemeint sein, da diese Einheit in Pannonien und im Orient garnisoniert war, ihre Angehörigen also kaum den Summus Poeninus benützten.– Zur Stellung des Primipilus vgl. Domaszewski-Dobson, Rangordnung, 1967, Index 321; ferner B. Dobson, Die Primipilares, 1978. Ueber die Geschichte der Legion XV
vgl. Ritterling, RE XII Sp. 1758 f.
39 (= Inscr. It. XI,1 n.93; Sauter n.37) Fragment eines Täfelchens mit schlechter gepunzter Schrift, gefunden im Jahre 1885, heute im Museum des Hospizes. Masse: 65 x 42 mm. [– – – ]idienus |v(otum) s(olvit) l(ibens) [m(erito) |I(ovi) O(ptimo)] M(aximo) Po[enino].
Auf der ersten Zeile sindPraenomen undGentile abgebrochen unddurch Korrosion des Metalls verloren gegangen. Vom Cognomen ist noch IDIENVS übriggeblieben, was als Aufidienus (Barocelli), Salvidienus, Calidienus ergänzt werden
mag.
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Katalog der Ex-Voto-Täfelchen des Summus Poeninus
40 (= Inscr. It. XI,1 n.94; Sauter n.35)
Fragment mit Teilen der beiden untersten Inschriftzeilen eines Täfelchens. Deutliche gravierte Buchstaben. Gefunden 1883, heute imMuseum desHospizes. Masse: 165 x 96 mm.
[– – – ] nus |[– – ] matricus. Die Votiv-Formel, Praenomen undNomen desStifters sind weggebrochen. Vom Cognomen blieb noch ...nus. Die letzte Zeile wird von den Herausgebern [MEDIO]MATRICVS ergänzt, was die Herkunft des Mannes aus der Civitas Mediomatricorum = Divodurum, Metz, bedeuten dürfte.
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41 (=
Inscr.
It. XI,1 No.95) Neun kleine
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Fragmente eines gebogenen Bronzestrei-
fens mit erhabenen Buchstaben, gefunden 1887. Die Stücke sollen im Museum des Hospizes aufbewahrt werden, wo ich sie aber nicht gefunden habe. Höhe der Buchstaben nach Ferrero 12 mm. Text nach Ferrero, Notizie degli scavi 1889, 234:
NT S V
LE G III M ..A V
Der Text der Fragmente 4–6 enthält die Buchstaben LEG III = c(enturio) leg(ionis) III, was Grad und Einteilung des Stifters bedeuten dürfte. Vermutlich handelt es sich um die Legio III Italica (wie in Tafel 9), die seit 179 in Regensburg lag. Aufwelchem Objekt dieInschrift stand, ist unklar.
42 (= CIL V 6889; Inscr. It. XI,1 n.96;
Sauter n.30) Fragment eines Bronzetäfelchens mit denResten vonzwei Inschriftzeilen, gefunden vordemJahre 1808, imLaufe des19. Jh. verloren gegangen. Text nach Murith (1808).
CEN XXII
[– – – ] |Cen(turio)
[leg(ionis)] |XXII [primig(eniae)].
Der Ergänzungsvorschlag stammt vonMommsen. Die22. Legion lagin claudischneronischer Zeit in Mainz, machte 69 denMarsch desVitellius nach Rommit undrückte in Flavischer Zeit wieder in das alte Lager am Mittelrhein ein. – Ungewöhnlich ist, dass der Stifter seinen Rang Cen(turio) in abgekürzter Form angibt und nicht das übliche Zeichen dafür verwendet wiein n.26. Die volle Schreibung centurio kommt aber auf Inschriften auch vor(z.B. CIL XIII
()
17.1854.3088.3592.7707.8290).
43 (= CIL V 6890; Inscr. It. XI,1 n.97) Fragment eines Silberplättchens mit den Resten von zwei Inschriftzeilen, gefunden 1837, ist seit ca. 1862 verschollen. Text nach Promis (1862).
G XXXV L M [–– | ––le]g(ionis) XXX V(lpiae) [V(ictricis) |v(otum) s(olvit)] l(ibens) m(erito).
Vom Text der Inschrift ist nur die militärische Einteilung des Stifters unddas Ende derVotivformel erhalten. DieLegio XXX Ulpia ist eine Gründung Traians, die in den Dakerkriegen den zusätzlichen Titel Victrix bekommen hatte. Seit demJahre 119 hat sie Garnison in Xanten amNiederrhein.
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44 (= CIL V 6891; Inscr. It. XI,1 n.98; Sauter n.31) Rechte untere Ecke eines gut gravierten Täfelchens mit denResten vonvier Inschriftzeilen, gefunden vordem Jahre 1789, heute imMuseum desHospizes. Masse: 81 x 32 mm. [– – – ivi–– |coh(ortis)] tricensimae |[vo]luntariorum |[p]osuit ex voto. Der Name des Stifters ist verloren. Seine Einheit war die 30. Freiwilligen-Kohorte, einer der über 30 Cohortes voluntariorum civium Romanorum, welche nach der Varuskatastrophe im Jahre 9 n. Chr. ausgehoben worden sind. Diese Bürgerkohorten dienten neben den peregrinen Auxiliartruppen in den Limeskastellen Germaniens. Das Lager der 30. Cohorte ist nicht bekannt. Vgl. W. Schleiermacher, derröm.Limes in Deutschland, 1959, 211.
45 (= CIL V 6892; Inscr. It. XI,1 n.99; Sauter n.45) Kleine, fast völlig korrodierte Tabula ansata, von der der linke Henkel fehlt, gefunden zu unbestimmter Zeit, heute imMuseum desHospizes. Masse: 80 x 35 mm.
[––– |–– ]am[–– votum] |solvit l(ibens m(erito). Ausser
derVotivformel ist vomText nichts mehr erhalten.
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46 (= CIL V 6893; Inscr. It. XI,1 n.100) Kleines Fragment eines Bronzetäfelchens, aufbewahrt im Museum des Hospizes. Es enthält nur noch zwei Buchstaben der Inschrift. Masse: 45 x 42 mm.
[– – – ]nus [s–– – ]. 47 (= CIL V 6894; Insr. It. XI,1 n.101) Kleines Fragment eines Bronzetäfelchens mit vier Buchstaben. Mommsen hat es 1853 noch gesehen und beschrieben, seither ist esverloren gegangen. Lesung Mommsen:
D
ETI
48 (= Inscr. It. XI,1 n.102) Kleines
Fragment eines Votivtäfelchens mit vier erhaltenen Buchstaben, gefunden 1890, heute im Museum des Hospizes. Masse:
28 x 57 mm.
49 (=Inscr. It. XI,1 n.103) Kleines Fragment, 1890 gefunden, heute im Museum des Hospizes aufbewahrt. Vom Text sind nur zwei Buchstaben erhalten, gepunzte Schrift. Masse: 3 x 21 mm.
50(= Inscr. It. XI,1 n.104)
Kleines Fragment, gefunden 1893, heute imMuseum desHospizes aufbewahrt. VomText ist nureinBuchstabe erhalten in erhabener Schrift. Masse 4 x 35 mm.
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51 (Inscr. It. XI,1 n.105; Sauter n.2) Dünne Silberfolie mit den Konturen eines Baumes. Amunteren Ende ist eine Tabula ansata mit 5 Inschriftzeilen eingetrieben. Gefunden zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen 1880 und 1904. heute imMuseum desHospizes aufbewahrt. Masse: 210 x 63 mm,Schriftrahmen 36 x 30 mm.
Iovi Py|nino e |xvoto |G I P |5v(otum) s(olvit) l(ibens) l(aetus) (merito).
Vom Stifternamen sind nur die Initialen angegeben, die Ernst Meyer zu G. I(ulius) P ergänzt (No. 87). Die fehlerhafte Schreibung Pynino fürPoenino gehört zu den Namenvarianten wie Phoeninus (n.23) oder Puoeninus (n.13), die von der verschiedenen Wiedergabe des Diphthongs in der ersten Silbe herrühren (vgl. dazu E. Meyer, Die röm. Schweiz, 214; H. v. Petrikovits, RE XXI Sp. 1155). Verwandte Edelmetallfolien in Baum- oder Blätterform als Weihgaben sind typisch für den Kult des Iupiter Dolichenus undanderer orientalischer Götter. DasMuseum Bern bewahrt eine 1926 imTempelbezirk Allmendingengefundene Goldfolie von ähnlichen Umrissen, aber ohne Inschrift, auf(Vgl. O. Tschumi, Urgeschichte des Kantons Bern, 1953, 370 mit Tafel 95). Ein verwandtes Silberplättchen mit Relief des Iupiter Dolichenus ist in Niederösterreich (Mauer an der Url) gefunden worden (Abbildung bei M.P. Speidel, Jupiter Dolichenus. Der Himmelsgott auf dem Stier, Schriften des Limesmuseums Aalen 1980, Abb. 40). Zum Typus dieser Weihgaben allgemein: E. Will, Le relief cultuel greco-romain, 1955, 39 ff. (Plaquettes enforme defeuille descultes de Jupiter Dolichenien et d’autres dieux). Ob der Stifter ein orientalischer Soldat war– z.B. ausder AlaParthorum oder auseiner Cohors Ituraeorum, die beide Teile des Rheinheeres waren – oder ein einheimischer Anhänger eines orientalischen Kultus, ist nicht zuerraten. Die vorliegende Photographie zusammen mit einer neuen Abbildung der Folie von Allmendingen habe ich in Archäologie der Schweiz 6, 1983, 87– 89 publiziert. Zum Typus der Ex-Voto-Folien vgl. jetzt auch H.-J. Kellner – G. Zahlhaas, Derrömische Schatzfund vonWeissenburg, 1983, 13– 17.
...
VERZEICHNIS DER TAFELN Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel
1: Statuette desJupiter Poeninus imMuseum desPasses. 2: DerPont S. Martin imAostatal. 3: DieFelsenpassage bei Bard-Donnaz. 4: AusdemFels gehauener Meilenstein mit der Ziffer XXXVI bei Bard-Donnaz. 5: Reste derrömischen Brücke über denBach Cillan bei S. Vincent. 6: Reste derrömischen Brücke über denBach Marmore in Châtillon. 7: Anstieg derrömischen Strasse südlich derPasshöhe. 8: Felsabarbeitungen derrömischen Strasse südlich desHospizes. 9: Dersog. Pont St.-Charles oberhalb vonBourg-St.-Pierre. 10: DerMeilenstein Constantins in Bourg-St.-Pierre. 11: Spuren desrömischen Weges zwischen Orsières undSembrancher. 12: Spuren desrömischen Weges zwischen Orsières undSembrancher. 13: Spuren desrömischen Weges zwischen Orsières undSembrancher. 14: Meilenstein imGlockenturm vonSt.-Maurice. 15: Inschrift desZollbeamten derStatio Acaunensis (Massongex). 16: 1980 gefundener Meilenstein desClaudius vonVersvey (Gemeindehaus Yvorne). 17: Inschrift desBeneficiarierpostens vonVevey. 18: Meilenstein desClaudius in St. Saphorin.
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PERSONEN- UNDORTSNAMEN Aare 53
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Acaunensis statio 61, 69 Actium 15, 16 Adria 42 Agaunum 31 Agrippa 13, 56, 64
68, 76, 97, 108, 112 49, 62, 82, 101
Avenches
Aiez 27
Aigle 31, 55, 61 Aime-en-Tarentaise (Axima)
Akte 84
17, 21
Alagna-Tal 58 Alamannen 48, 49, 91 Albaner Berg 48 Albrun 23 Alexander, Bischof vonLüttich 54 Allain 27 Allèves 29 Allia 37 Allmendingen 126 Allobroger 31 Alpes Cottiae 38, 39, 62 Alpes Graiae 16, 17, 18, 22, 39, 45, 50, 62 Alpes Maritimae 39, 46 Alpinius 99 Amaranthus 69 Ambianus 115 Amiens 78, 115 Ankara 76 Annii 104 T. Annius Cissus 73, 82 C. Antistius Vetus 15 Antoninus Pius, Kaiser 48, 65, 102 Antonius, Marcus 15 L. Antonius Saturninus 46, 47, 75, 110 Augusta Praetoria (Aosta) passim Apennin 42 M.Apisius 83 Appius Claudius Pulcher 14 Apriclus 78, 84 Aquitania 64 Arelate 62 Argentorate 62 Arras 53 Artanavoz 26, 27 Astures 100 Aternum 42
Bar-s.-Aube Bar-s.-Seine
Bard 16, 52
53, 55 55
Barocelli, Piero 73, 80 Basel 53 Bataver 43, 44, 45, 75, 121 La Bâtiaz 31 Bedriacum 43, 44 Bérard, E. 73 Bergell 82
Bern 73, 111
Bernhard v. Menthon 28, 54 Bernhard, Oheim Karls d. Gr. Besançon 53, 118 Betuctelum flumen 58
51
Bex 31,32,61
Biel 53
Birnbaumer Wald 49 Blassius 85 P. Blattius Creticus 74, 85 Bodensee 19 Boier 12, 36, 37
Bonn 43, 48, 76 Bosnien 42 Bourg-Martigny Bourg-St. Pierre
30
25, 26, 28, 29, 50, 53, 54, 60, 66, 67, 80 Bovernier 23, 30 Braunschweig 73, 96 Brenner-Pass 19, 37 Brig 19
Britannien 11, 40, 42, 45, 48, 55, 62, 72, 75
Brünig
23
Brutus, Decimus 13, 15 Burgund 53, 54 Buthier 26, 27, 58
Q. Caecilius Cisiacus Caecilianus 18 Caecina, Aulus 43, 44, 75, 76,100 Caligula, Kaiser
32, 40, 42, 65, 75
134
Personen-
M.Calpurn(i)us 86 Campanien 100 Campanii 22 Cantina Dogana 28 Cantine d’enhaut 28 Cantine deProz 28 Caracalla, Kaiser 48, 62, 91 Carinus, Kaiser 65, 67 Carus, Kaiser 65, 67 Q. Cassius Facundus 77, 87 M.Cassius Festus 75, 88 Castello 26, 27, 77 C. Catullin(i)us Carinus 89 M.Catullinius Paternus 89 Celtes, Konrad 56 Cenomani 58 Censorinus 115 Ceutrones 16, 20, 21, 45 Challant, Torrent de 58 Chalons-s.-M. 53 Châtillon 55 Chatten 40, 46 Chauken 40 Chemin 30 Chillon 61 Cillan 26 Claudius, Kaiser 19, 21, 22, 25, 27, 32, 40, 41, 42, 44, 61, 64, 65, 67, 74, 105
Claudius, Appius Cl. Pulcher 14 T. Claudius Severus 74, 91 Clavenna, Chiavenna 29 Clisius lacus 58 Clodius Albinus, Kaiser 48 Closellinaz 26 Cluny, Abt von 29, 54 Clusium 37 deCocatrix, AbtvonSt. Maurice Col Clapier 37 Col des Planches 30 Colonia Iulia Equestris 67
30
Cottius 38 Cremona 44
Crispinus 74, 95 la Croix 31
Dalmatien 42, 45, 91 D. Dasi[mius For]tis 91 Decimus Brutus 13, 15
Dekumatland, Decumates agri
Dijon 55
undOrtsnamen Domitian, Kaiser 20, 46, 47, 75, 110 C. Domitius Carassounus 78, 79, 93 Donau 12, 19, 20, 41, 44, 45, 47, 48, 75, 88, 91 Donnaz 26, 41, 66 Donnus 38 Dora Baltea (Duria) 14, 15, 16, 26, 27, 58, 60, 66 Drance 23, 25, 28, 29, 30, 31, 38, 58, 61 Drusus 19, 39, 41
Elbe 18
Entremont Vald’ 33 Eporedia (Ivrea) 14, 16, 20, 25, 26, 37, 53,
55, 58, 59, 63, 64, 67
Etiez 30 Etroubles 27, 54, 55 Etsch 19
Eudracinum 27, 59, 60, 63 Eugen vonSavoyen 56
Fabius Valens 75 Felicio 74, 95, 96 Felix Bulla 68 Ferrero, E. 80 Fontaine dessous 29 Fontaine dessus 29 Forum Claudii Augusti, Forum Claudii Vallensium (Octodurus, Martigny) passim Forum Claudii Ceutronum 22, 41 Franken 53 Friesen 39 Fundi 110 Furka 23 Fuscus 39, 112 Gaetulicus 40 Gaisaten 12 Galba, Kaiser 38, 120 Gallia Belgica 20, 47, 64, 67 Gallien passim Gallienus, Kaiser 49, 50 Gallus, Kaiser 65 La Garde 29 Geiselbrechting 22 Genf, Genfersee 17, 18, 19, 31, 41, 51, 53,
59, 61, 62, 65, 67, 68, 69
45, 47
dinarische Alpen 42 Diokletian, Kaiser 22, 50, 65, 66 Dionysios I vonSyrakus 36
Germanien passim Gesoriacum 42, 55 Gibraltar 36 Giso, Bischof vonAosta Gondoschlucht 23 Gordian, Kaiser 65
52
Personen-
Gotthardpass 23, 53, 68 Gracchus, Tiberius 14 Grächwil, Hydria von 36 Grenoble 13, 15 Gressonay 58 Griespass 23 Habsburger 53 Hadrian, Kaiser 48, 65 Hadrian, Papst 52 Haeduer 39 Haller, Franz Ludwig 111 Hamilton, Sir William 85, 96 Hancarville 85, 96 Hannibal 12, 37, 85 Heinrich II 55 Helius 78, 84 Helvetier, Helvetien 15, 17, 20, 22, 45, 46,
47, 67, 68, 93, 100
Henus lacus 58 Hermance 31 Hermas 97 Horti Sallustiani Hospitalet 28
16
Illyrien 15, 20 Inn 18, 20 Insubrer
12
Johann VIII, Papst 52 Jougne 55
Isère 22, 37 Isombrer 37 Jülich 101 Jupiter Poeninus passim Iulius Alpinus 99, 100 C.ulius I Antullus 44, 76, 100 C. Iulius Caesar 11, 12, 15, 17, 37, 38 Iulius Civilis 44, 45, 88 Iulius Diocles 113 Iulius Florus 39
Iulius Fortunatus 77, 98
C.ulius I Primus 73, 101, 113 C. Iulius Rufus 73, 88, 102 Iulius Sacrovir 39 Iulius Speratus
Jura 52
74
14, 16, 20, 25, 26, 37, 53, 55, 58, 59, 63, 64, 67
Ivrea (Eporedia)
Kapitol 37
Karl d. Grosse 51, 52 Karl d. Kahle 52 Karl VI 56
135
undOrtsnamen Karlmann Karthager
52 36, 37
Kelten 11, 12 Kimbern 12, 14, 19, 37 Klausen 51 Kleiner St. Bernhard 15, 17, 24, 27 Knut d. Grosse 54
Köln 47, 77, 78, 87, 89, 98, 120
Konrad II 54 Konstantin, Kaiser
29, 50, 65, 66, 67
Langobarden 51, 52 Langres 43, 52, 53 Latium 110 LaTurbie 18, 19, 38 Lausanne 53, 55, 62, 67,
Lesa 58 Libo 78, 104
118
Licinius, Kaiser 61, 67 L. Licinius Severus 44, 74, 105
Liddes 29, 55, 80 Lingonen 36 deLoges, Chretien 72 Lötschberg 23 London 23, 55, 73 Lugdunum (Lyon) 17, 42, 48, 78 Lugdunensis 64
Lys 58
T. Macrinius Demostratus 74, 107 Mailand (Mediolanum) 23, 49, 62 Mainz (Mogontiacum) 39, 40, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 62, 74, 76, 77, 87, 94, 97, 98, 105, 123
Marius
14, 37
Mark Aurel, Kaiser 48, 74, 82, 91, 115
Markomannen 49, 74 Marmore 26 Martigny (Forum Claudii, Octodurus) passim Massilia 33, 36, 42, 80 Massongex (Tarnaiae) 15, 19, 21, 31, 58, 59,
61, 63, 69
Mauer a. d. Url Mauren 48
126
Maxentius, Kaiser 51 Maxima Sequanorum 22, 66 S. Mayeul, AbtvonCluny 25, 29, 54 Mediomatrici 122 Meeralpen (Alpes Maritimae) 39, 46 Mercurius Cissonius 82 Messapien 91 Messery 31
Metz 122
136
Personen-
Meylan 27 Milvische Brücke 50 Moesien 45 Mommsen, Theodor 73 Mont Cenis 24, 51, 52 Mont Chemin 30, 58, 61 Mont Genèvre 15, 24, 38, 43, 46, 49, 50, 75 Montagna Baus 28 Montagna Tareda 28 Monte Ceneri 68 Monte Rosa 26
Monthey 31, 32, 65, 66 Moudon 53, 62 Moutier-Grandval 53 enMuraz 59, 61 Murena, Aulus Terentius Varro Murith, Laurent-Joseph 72, 80 Mutina 13
16, 18
Nantuates 19, 21, 61, 67 Napoleon 29, 44, 73 Narbo, Narbonensis 38, 42, 64, 85 Neapel 85, 96 Nehalennia 72 Nero, Kaiser 42, 43, 72, 84 Nerva, Kaiser 48, 98 Neuss 43, 110 Nijmegen 75 Nitonii 22 Cn. Noni[us] 108 L. Nonius Asprenas 108 Noricum 20 Novaesium 75 Novaria 62 Numidii 22
Nyon 67, 68
Octavianus 15 Q. Octavius Sagitta 18 Octodorus (Forum Claudii, Martigny) passim Oderzo 49 Offenburg 45 Ognonaz 62 Ollon 31, 61
Orbe 52, 53, 118 Oron 62 Orsières
25, 29, 53, 55, 60 43
Otho, Kaiser
L. Paccius Nonianus 75, 79, 110 M. Papirius Eunus 74, 110 L. Papirius Pastus 110 Pasde Marengo 28
undOrtsnamen Pavia (Ticinum)
39, 52, 53, 55
Payerne 53 Sex. Pedius Lusianus Hirrutus Pennelucos 59, 61, 62, 63 Pescara 42 Peutinger, Konrad 56 Phoebus 39, 78, 112 Piacenza (Placentia) 53, 54
18
Pian Puiz 27 C. Pinarius Clemens 21, 45, 50 Po (Padus) 14, 41
Poeninus (Schreibformen) 79 Pompeius Magnus 11, 12 T. Pomponius Victor 21, 72 Pont deBourgeal (Orsières) 29 Pont duChâtelard (Orsières) 25, 29 Pont St. Charles 28, 29 Pont St. Martin 25, 26, 59 Pontarlier 52, 53, 55, 118 Porossan 26 Postumus, Kaiser 115 PraGentor 28 Promis, Carlo 73 Puteolanus 78, 114 Puteoli 78, 114
Räter, Rätien 17, 18, 19, 20, 21, 48
Rauraci 58 Ravenna 38, 45 Regensburg 74, 91, 123 Reichenau, Kloster 56 Reims 53, 55 Rennaz 31, 66 Reschen-Scheideck 42 Rhein, Rheinland passim Rhône passim Rive Haute 29 Roche 31, 55, 61 Roisan 26, 27 Roven 26, 27 Rudolf III v. Burgund 54 Rudolf v. Trond 28, 60
Saale 39 Sabineiius Censor 78, 115 Sabinus 97, 114 Salapia 85 Salassi 13– 18 Salassi incolae 17 Salins 55 C. Sallustius Crispus 16 Salona 42 Salus 21
Personen-
Sarazenen 25, 54 Sauter, M.-R. 80 Savoyen 53 Schöllenen 23, 53 Schwarzwald 45 Scribonii 104 Scribonius Flavus 24, 117 C. Scribonius Genialis 117 Seduni 19, 21 Segusio 50 Sembrancher 29, 30, 55, 61 M.Sennius Metilis 78 Sequani 39, 118 Servianus 98 Sesia 58 Settimo Vittone 66 Severer, Kaiser 65 Severus Alexander, Kaiser 94 Septimius Severus, Kaiser 48, 68, Sézanne 55 Sigerich v. Canterbury 53 Signayes 26 Simplon 19, 23, 24, 52 P. Silius Nerva 19 Silvanus 21, 69, 72 Q. Silvius Perennis 118 T. Silvius Similis 118
Telamon 37 Terentia Prisca 96 A. Terentius Varro Murena 16, 18 Terracina 110 Tetrarchie 32, 51, 65, 67 Teutoburger Wald 20, 39 Teutonen 12 Theodosius, Kaiser 51 Tiberius, Kaiser 19, 21, 39, 40, 64, 65, 78,
112
Ticinum (Pavia) 39, 52, 53, 55 Titus, Kaiser 46 Tortona 52 Traian, Kaiser 42, 45, 46, 47, 48, 65, 72, 76,
98, 123
76, 117
Sitten 19, 21
Sizilien 36 Skythen 49 Solothurn 21, 53, 69 Spanien 12, 13, 38, 40, 62, 75, 76, 88 Speratus 119
Splügen 29
Statilii 104
St. Bernhard, Kleiner 14, 15, 17, 24, 27 St. Bernhard v. Menthon 28, 54
St. Christophe 27 St. Martin 55 St. Maurice 31, 38, 50, 52, 53, 65, 66, 69 St. Oyen 27 St. Rhémy 24, 27, 28, 53, 54, 55, 59, 60, 63 St. Saphorin 32, 41, 66, 67 St. Triphon 66 St. Trond (Lüttich) 28, 53
Strassburg 45 Serv. Sulpicius Galba 38 M.Sulpicius Marcellus 78, 120
Tarentaise 21, 41, 72 Tarnaiae (Massongex)
63, 69
Tarvessedum
29
137
undOrtsnamen
15, 31, 58, 59, 61,
Transpadana 20 Treverer 39 Treviso 52 Trier 50, 78, 101 Trimalchio 95
lesTronchets 25, 28, 60
55 29
Troyes
Tsarvesse
la Turbie 18, 19, 38 Turin 37, 50 Uberi
19, 21 59, 63
Utricium
ValdeBagnes 30 Vald’Entremont 25, 28 ValSuzon 55
Valbonne 42 Valerius Messalla Corvinus 15 Valpelline 26, 27 le Valsorey 28 Variney 26 Varus, Quinctilius 39, 76, 112, 124 Veigy 31
Vens 30, 38 Veragri
15, 18, 19, 21
Vercelli 53, 63 Vercingetorix 38 Verona 58, 105 Verres 59, 63 Versvey 31, 32, 41, 50, 51, 61, 65, 66 Verus, Kaiser 115 Vesontio (Besançon) 53, 118 Vespasian, Kaiser 44, 45, 74, 75, 88, 100,
105
Vetera 75 Vettii 112 C. Vettius 75, 120
138
Personen-
111 P. Vettius Scato 120 Vevey (Viviscus) 21, 53, 55, 58, 59, 61, 62, 63, 64, 66, 67, 69 Vibii 104 Vidy 17, 102 Vienna 21, 45, 62 Villeneuve 31, 50, 55, 59, 61, 63, 66 Villette 50, 66 Viminacium 85 Vindolici 18, 20 Vindonissa 39, 43, 44, 45, 46, 49, 94 Vinelii 22 Paullus Vet[tius] Restitu[tus]
Virius Probus 69 Vitricium 59, 63 Vitellius, Kaiser 25, 43, 44, 46, 50, 51, 72,
74, 75, 76, 100, 105, 123
undOrtsnamen Viverone, lago di 58 Viviscus (Vevey) 21, 53, 55, 58, 59, 61, 62,
63, 64, 66, 67, 69 Vix, Krater von36 Vocontii 85 Vollèges 30, 66, 67 Wallis passim Welser, Marcus
56
Xanten 43, 75, 76, 110, 123
York 75
Yverdon 118 Yvorne 31, 67
SACHREGISTER aedilis 68 alaParthorum 126 Akklamation, kaiserliche 64 Alpengeographie 11, 12, 23 Alpenhändler 78 Alpenkrieg 13, 14, 18 annona militaris 62 Arvalbrüder 40, 72 Augustusbogen Aosta 26
Beneficiarier 21, 69, 75, 77, 98 Bewegungsheer 50 Bronzemanufakturen 33, 36 Bronzezeit 33 Brücken 25, 69 Bürgerrecht, römisches 22
capita viae 41, 64 centurio 74, 75, 76, 79, 82, 88, 91, 110,
121, 123
centuria 88 cohors Ituraeorum 126 cohors V Asturum 44, 76, 100 cohors tricensima voluntariorum civium Romanorum 76, 124 cohors VIII praetoria 117 cohortes auxiliariae 83 cohortes auxiliariae, Mainz 43 cohortes auxiliariae, Raetien 22, 46 cohortes auxiliariae, Vindonissa 43 cohortes Batavorum 43, 44 cohortes praetoriae 46, 76, 89 cohortes urbanae 89 comitatus 50 commentariensis 77, 87 cursus publicus 29, 44 Dedikationsformel dioecesis Galliarum doctor 76, 117 dominae 79, 86 domus divina 115 Droit d’échute 54 Eisenzeit 33 eques legionis
105
79
22
equites singulares 89 Expansion, römische 11 familia Caesaris 78 Föderatentruppen 49 frumentarius 74, 91 Gaisaten 37 Genfersee-Strassen 31 Gletscherabbruch 30 geographische Vorstellungen Goldgruben 14, 16 griechischer Import 33
derRömer 12
Händler 33, 36, 78 Hallstattzeit 33 Heeresreform, spätantike 50 Hilfstruppen, römische 22 Hortfunde 49, 50 Hospiz, Gr. St. Bernhard 24, 28, 29, 36, 54,
55, 72, 73, 77, 80
Imperialismus, römischer 11 Itinerarium Antonini 31, 56, 60, 61, 62, 63 Jupiter Dolichenus 126 Jupiter Poeninus passim
Jupitertempel 28 IusLatinum imWallis
22
keltischer Handel 33, 36 keltische Söldnerzüge 36, 37 Klima 24, 25 Konsulat 64
LaTène-Zeit 33 Lawinen 24, 25, 54, 77 Legio I Flavia Minervia
46, 48 I Italica 43 II Adiutrix 45 II Parthica 48, 49, 89 III Italica 74, 91, 123 IV Macedonica 40, 43, 44, 74, 105 V Alaudae 43 VI Victrix 75, 100 VII Claudia 85 VII Gemina 46, 94
140
Sachregister
VIII Augusta 45
X Gemina 75, 88, 94 XI Claudia 45, 46 XIII Gemina 39, 94 XIV Gemina 94, 96, 97 XV Apollinaris 121 XV Primigenia 40, 43, 75, 120, 121 XVI 43 XXI Rapax 39, 43, 44 XXII Primigenia 40, 43, 48, 69, 75, 123 XXX Ulpia 76, 123 Leugen 63, 68 libertus 114 limes 47, 49 mango 93 Marktrecht 22 marrones 24 Meilensteine 29, 30, 31, 32, 41, 42, 45,
51, 60, 61, 64– 68 milia 68 milites 74
Monumentum Ancyranum
Münzen
29, 36, 62, 79, 80
Neolithicum 33 numina Augustorum
50,
13, 16
79, 115
Pachtgesellschaften 16, 69 Passeure 24, 44 pedisequus 78, 104 Peregrine 97
Pilgerzüge
51, 52, 53, 54, 55
praefectus arcendis latrociniis 68 praefectus cohortis 76, 83, 100 Praetorianer Kohorten 16, 40, 46, 76, 89,
117
primipilus 40, 75, 120, 121 Privatkriege, römische 12 procurator Augusti 21 procurator patrimonii 102 Provinzeinteilung 18, 20
quadragesima Galliarum
53, 61, 69
Salzzufuhr in denAlpen 15 Schneemengen 24, 25, 43 Senatoren imWallis 22 servianische Mauer inRom 37 Sicherheitsdenken, römisches 12 signifer 76, 100 Sklaven 16, 74, 84, 95, 104, 110, 112, 113 Sklaven, kaiserliche 39, 69, 78, 79, 84, 112,
114
Sklavenhändler 78, 93 speculator 85 Strassenpolizei 21, 68, 69 Strassenräuber 68 Strassensicherheit 68
tabellarius 118 Tabula Peutingeriana 27, 31, 56, 57, 61, 62,
63
terra sigillata 17 tribunicia potestas 64 tribunus militum 74, 100, 111 tribus Aemilia 110 tribus Palatina 110 tribus Sergia 22 Veteranen 16, 74, 78, 89, 97 viaAemilia 23, 55 viaClaudia Augusta 41 viaClaudia Nova 42 via Domitia 42 viaIulia Augusta 38, 39 Votivaltäre 79 Warentransport Weiheformular Winterpassagen
17, 29, 69 79
25, 43, 53, 54, 75
Zinntransport 36 Zölle 38, 54, 69 Zolltarife 52, 53, 69
TAFELN
Tafel
1:
Statuette des Jupiter Poeninus im Museum des Hospizes
Tafel
2:
Der Pont S. Martin im Aostatal
Tafel
3:
Die Felsenpassage bei Bard-Donnaz
Tafel 4:
Aus dem Fels gehauener Meilenstein mit derZiffer XXXVI bei Bard-Donnaz
Tafel
5:
Reste der römischen Brücke über den Bach Cillan bei S. Vincent
Tafel 6:
Reste der römischen Brücke über den Bach Marmore in Châtillon
Tafel 7:
Abstieg der modernen Autostrasse (von 1903) von der Passhöhe des Grossen St. Bernhard gegen Aosta. Der römische Wegist als weisse Linie, welche die Strassenschlaufen schneidet, zuerkennen.
Tafel 8:
Felseinschnitt der römischen Strasse über den Grossen St. Bernhard, unmittelbar
südlich des Hospizes
Tafel
9:
Die römische Strasse zwischen Bourg-St. Pierre und der Passhöhe des Grossen St. Bernhard. Das römische Pflaster liegt unter dem Wiesenweg, über welchen noch Napoleon im Jahre 1800 marschiert ist. Die Brücke ist neueren Datums.
Tafel 10:
Meilenstein Kaiser Constantins
in Bourg-St.-Pierre
Die Inschrift lautet: Imp(eratori) Caesari Constantino | p(io) f(elici) invicto Aug (usto) divi | Constanti pii Aug(usti) filio bono | rei public(a)e nato | 5(a) F(oro) C(laudii) Val(lensium) | (milla passuum) XXIIII. Das Datum liegt zwischen 308 und 312 n. Chr. Die Distanz von 24 Meilen = 35,47 km rechnet von Martigny aus.
Tafel 11:
Spuren des römischen Weges zwischen Orsières und Sembrancher
Tafel
12:
Spuren des römischen Weges zwischen Orsières und Sembrancher
Tafel 13:
Spuren des römischen Weges zwischen Orsières und Sembrancher
Tafel 14:
Meilenstein der Kaiser Carus und Carinus vom Jahre 282 n. Chr. von der Strasse des Grossen St. Bernhards nach dem Genfersee. Die Säule wurde im Mittelalter in den Glockenturm der Abtei St.-Maurice verbaut.
Tafel
15:
Inschrift des Zollbeamten der Statio Acaunensis (Massongex): [N]um(inibus) Aug(ustorum) | (et) Mercurio sacr(um) | Montanus Aug(ustorum)| n(ostrorum) vern(a) a(gens) v(ices) v(ilici) stat(ionis) | 5Acaun(ensis) XXXX Gal [l(iarum)] |aedem vetustate |[c]onlabsam res |tituit. Dem göttlichen Walten der Kaiser und dem Mercurius geweiht. Montanus, Haussklave unserer Kaiser, Stellvertreter des Verwalters des Postens Acaunum für den 21/2 prozentigen gallischen Zoll, hat das vor Alter verfallene Heiligtum wiederhergestellt.
Tafel 16:
Meilenstein des Kaisers Claudius 1980 in Versvey bei Yvorne gefunden. Die Inschrift lautet wie diejenige von St. Saphorin: Ti(berius) Claudius Drusi f(ilius) | Caesar Aug(ustus) Germ(anicus) | pontif(ex) max(imus) trib(unicia) pot (estate) VII | imp(erator) XII p(ater) p(atriae) co(n)s(ul) IIII |5(a) F(oro) C(laudii) A(ugusti) |(milia passuum) XXI. Die Distanz von 21 Meilen = 31,03 km entspricht der Entfernung von Martigny.
Tafel
17:
Weihung des Beneficiarierpostens in Vevey. Deo Silvano | L(ucius) Sper(atius) Ursu[lus] | benefic(iarius) le[g(ionis) XX |II
pr(imigeniae) p(iae) f(idelis) d(onum) d(edit)]. Dem Gotte Silvanus hat Lucius Speratius Ursulus, Gefreiter genia, derloyalen und treuen Einheit, dies geschenkt.
der Legio XXII Primi-
Tafel 18:
Meilenstein des Kaisers Claudius in der Kirche von St. Saphorin. Die Inschrift lautet: Ti(berius) Claudius Drusi f(ilius) | Caesar Aug(ustus) Germ (anicus) I pontif(ex) max(imus) trib(unicia) pot(estate) VII | imp(erator) XII p(ater) p(atriae) co(n)s(ul) IIII |5(a) F(oro) [C(laudii)] A(ugusti) |(milia passuum) XXXVII. Der Stein muss nach Angabe des Regierungsjahres (Tribunicia Potestas) und der imperatorischen Akklamation (XII) Anfang 47 gestellt worden sein. Die
Distanzzahl
37 Meilen = 54,68 km entspricht der Entfernung von Martigny.
HISTORIA-EINZELSCHRIFTEN
Herausgegeben von Heinz Heinen, Karl Stroheker und Gerold Walser
1. Gerold Walser: Caesar und die Germanen. Studien zur politischen Tendenz römischer Feldzugsberichte. 1956. XI, 104 S., kt. DM28,ISBN 3– 515– 00250–2 2. Edmund Buchner: Der Panegyrikos des Isokrates. Eine historisch-philologische UnterISBN 3– 515– 00251– 0 suchung. 1958. IX, 170 S., kt. DM24,3. Wolf Steidle: Sallusts historische Monographien. Themenwahl undGeschichtsbild. 1958. IX, 112 S., kt. DM 28,ISBN 3– 515– 00252– 9 4. Ulrich Kahrstedt: Die wirtschaftliche Lage Großgriechenlands in der Kaiserzeit. 1960. VII, 133 S., 1 Faltkte., kt. DM 28,-
ISBN 3– 515– 00253– 7
133 S., kt. DM 28,-
ISBN 3– 515– 00254– 5
5. Dieter Timpe: Untersuchungen zur Kontinuität des frühen Prinzipates. 1962. VIII, 6. Hatto H. Schmitt: Untersuchungen zur Geschichte Antiochos’ des Großen und seiner ISBN 3– 515– 00255– 3 Zeit. 1964. XII, 320 S. m. 9 Ktn., 1 Taf., kt. DM 68,7. Gerold Walser, Hrsg.: Neuere Hethiterforschung. 1964. VII, 144 S., 17 Abb., 6 Taf., kt. DM38,ISBN 3– 515– 00256– 1 8. Joseph Vogt: Sklaverei und Humanität. Studien zur antiken Sklaverei und ihrer Erforschung 2. erweiterte Aufl. 1972. XII, 170 S., kt. DM42,- ISBN 3– 515– 00257– X 9. Eberhard Ruschenbusch: SOLONOS ΝΟΜΟΙ. Die Fragmente des solonischen Gesetzeswerkes mit einer Text- und Überlieferungsgeschichte. (vergriffen) ISBN 3– 515– 00258– 8 10. Jakob Seibert: Historische Beiträge zu den dynastischen Verbindungen inhellenistischer Zeit. 1967. 138 S., kt. DM38,ISBN 3– 515– 00259– 6 11. Robert E. A. Palmer: The King and The Comitium. A Study of Rome’s Oldest Public ISBN 3– 515– 00260– X Document. 1969. XIII, 55 S., 5 Taf., kt. DM 24,12. Richard Alexander Bauman: The Duumviri in the Roman Criminal Law and in the ISBN 3– 515– 00261–8 Horatius Legend. 1969. IV, 35 S., kt. DM12,13. Donal W. Knight: Some Studies in Athenian Politics in the Fifth Century B. C. 1970. ISBN 3– 515– 00262– 6 IV, 44 S., kt. DM 14,14. Joachim Szidat: Caesars diplomatische Tätigkeit im Gallischen Krieg. 1970. VIII, 162 S., kt. DM34,ISBN 3– 515– 00263– 4 15. Kenneth Hugh Waters: Herodotos on Tyrants and Desports. A Study in Objectivity. ISBN 3– 515– 00264– 2 1971. VI, 100 S., kt. DM28,16. Charles W. Fornara: The Athenian Board of Generals from 501 to 404. 1971 X, 84 S., kt. DM34,ISBN 3– 515– 00265– 0 17. Justus Cobet: Herodots Exkurse und die Frage nach der Einheit seines Werkes. 1971. X, 207 S., kt. DM38,ISBN 3– 515– 00266– 9 18. Gerold Walser, Hrsg.: Beiträge zur Achämenidengeschichte. 1972. VI, 107 S., kt. DM26,ISBN 3– 515– 00267– 7 19. Peter J. Bicknell: Studies in Athenian Politics and Genealogy. 1972. VIII, 112 S., kt. DM28,ISBN 3– 515– 00268– 5 20. Heinz Heinen: Untersuchungen zur hellenistischen Geschichte des 3. Jahrhunderts v. Chr. Zur Geschichte der Zeit des Ptolemaios Keraunos und zum Chremonideischen Krieg. 1972. XII, 229 S., kt. DM48,ISBN 3– 515– 00269– 3 21. Edmund Bloedow: Alcibiades reexamined. 1973. VI, 90 S., kt. DM24,ISBN 3– 515– 00270– 7 22. Derek J. Mosley: Envoys and Diplomacy in Ancient Greece. 1973, Χ, 97 S., kt. DM ISBN 3– 515– 01194– 3 14,23. Philip Tyler: The Persian Wars of the 3rd Century A. D. and Roman Imperial Monetary Policy, A. D. 253–68. 1975. VI, 118 S., 3 Taf. u. zahlreiche Tab., kt. DM24,ISBN 3– 515– 01915– 4
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FRANZ STEINER VERLAG WIESBADEN GMBH ISSN 0341 – 0056