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German Pages 250 [252] Year 2007
Dagmar Hofmann
Suizid in der Spätantike Seine Bewertung in der lateinischen Literatur
Altertumswissenschaft Franz Steiner Verlag
Altertumswissenschaftliches Kolloquium 18
Suizid in der Spätantike
Altertumswissenschaftliches Kolloquium ---------------------------------Interdisziplinäre Studien zur Antike und zu ihrem Nachleben In Verbindung mit Walter Ameling, Michael Erler, Angelika Geyer, Jürgen Hammerstaedt, Gerlinde Huber-Rebenich, Elisabeth Koch, Christoph Markschies, Norbert Nebes, Tilman Seidensticker, Dietrich Simon und Helmut G. Walther herausgegeben von Jürgen Dummer und Meinolf Vielberg Band 18
Dagmar Hofmann
Suizid in der Spätantike Seine Bewertung in der lateinischen Literatur
Franz Steiner Verlag Stuttgart 2007
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-09139-8 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. © 2007 Franz Steiner Verlag, Stuttgart Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Druck: Druckhaus Nomos, Sinzheim Printed in Germany
INHALTSVERZEICHNIS
I.
VORWORT ........................................................................................................
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EINLEITUNG ................................................................................................
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1. EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK.................................................................... 9 1.1 Suizid in der Antike – Suizid heute ...................................................... 10 1.2 Suizid in der Spätantike ........................................................................ 14 2. EINGRENZUNG DES THEMAS ........................................................................ 2.1 Definition von Suizid............................................................................ 2.2 Materialauswahl.................................................................................... 2.3 Fragestellung und Thesen .................................................................... 2.4 Gliederung der Arbeit ........................................................................... II.
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DIE THEORETISCHE AUSEINANDERSETZUNG MIT DEM SUIZID IN DER SPÄTANTIKE ................................................. 23 1. VORBEDINGUNGEN: SUIZID IN DER KLASSISCHEN ANTIKE ........................... 24 2. SUIZID IM NEUPLATONISMUS ....................................................................... 35 3. SUIZID IM CHRISTENTUM ............................................................................. 3.1 Die christliche Bewertung der Selbsttötung vor Augustinus................ 3.2 Augustins Auseinandersetzung mit der Selbsttötung ........................... 3.3 Suizid in der christlichen Literatur nach Augustinus............................
42 42 52 60
4. SUIZID IN DER GESETZGEBUNG .................................................................... 65 4.1 Suizid im römischen Recht ................................................................... 65 4.2 Suizid im kirchlichen Recht.................................................................. 74 5. ZUSAMMENFASSUNG.................................................................................... 79 III. DIE LITERARISCHE DARSTELLUNG VON SUIZID IN DER SPÄTANTIKE.......................................................... 81 1. EXEMPLA MAIORUM: DIE SPÄTANTIKE REZEPTION BERÜHMTER SUIZIDE ..... 83 1.1 Patientia: Die heidnischen exempla im Kontext des Martyriums ........ 85 1.2 Magnitudo animi: Cato und der Philosophentod.................................. 95 1.3 Pudicitia: Lucretia und die Tugend der Keuschheit .............................105 1.4 Zusammenfassung ................................................................................117
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Inhaltsverzeichnis
2. PERSECUTIONES: MÄRTYRER ODER SELBSTMÖRDER?................................. 2.1 Martyres voluntarii: Ein Unterscheidungsproblem ............................. 2.2 Martyres veri: Die heiligen Jungfrauen und Asketen.......................... 2.3 Martyres falsi: Die Donatisten ............................................................ 2.4 Zusammenfassung ...............................................................................
119 119 124 136 150
3. IMPERATORES: SUIZIDE VON KAISERN UND HERRSCHERN ........................... 3.1 Nero: Der Suizid eines heidnischen Kaisers im spätantiken Bild ....... 3.2 Die Christenverfolger: Suizide heidnischer Kaiser aus christlicher Sicht..... 3.3 Valentinian II.: Diskussionen um den Tod eines christlichen Kaisers ......... 3.4 Zusammenfassung ...............................................................................
153 154 161 168 179
4. OPPRESSI ET VICTI: SUIZIDE VON UNTERDRÜCKTEN UND BESIEGTEN.............. 4.1 Die Unterlegenen: Suizid nach mißlungenen Machtkämpfen ............. 4.2 Die Besiegten: Suizid im Verlauf und als Folge eines Krieges ........... 4.3 Die Unterdrückten: Herrscherwillkür und gesellschaftliche Ächtung ....... 4.4 Zusammenfassung ...............................................................................
181 181 190 199 206
IV. ERGEBNISSE UND AUSBLICK ................................................................. 209 V.
BIBLIOGRAPHIE......................................................................................... 213 1. ZITIER- UND ABKÜRZUNGSHINWEISE ......................................................... 1.1 Bemerkungen zur Zitierweise .............................................................. 1.2 Abkürzungen........................................................................................ 1.2.1 Zeitschriften und Reihen............................................................. 1.2.2 Quelleneditionen und Corpora.................................................... 1.2.3 Lexika und weitere Hilfsmittel ...................................................
213 213 213 213 214 215
2. QUELLENEDITIONEN UND ÜBERSETZUNGEN ............................................... 2.1 Inschriften ........................................................................................... 2.2 Rechtsquellen und Konzilsakten.......................................................... 2.3 Literarische Quellen.............................................................................
216 216 216 217
3. SEKUNDÄRLITERATUR ................................................................................ 227 VI. INDICES........................................................................................................ 237 1. STELLENREGISTER ...................................................................................... 1.1 Inschriften ............................................................................................ 1.2 Rechtsquellen und Konzilsakten.......................................................... 1.3 Bibelstellen .......................................................................................... 1.4 Literarische Quellen............................................................................. 2. PERSONEN-, ORTS- UND SACHINDEX ..........................................................
237 237 237 238 238 247
VORWORT Die Selbsttötung ist ein anthropologisches Phänomen, das gerade in seiner moralischen Bewertung immer wieder diskutiert wird. Die Auseinandersetzung mit der Suizidethik ist auch heute selten unabhängig von religiöser Prägung, kultureller Tradition oder ethnischer Mentalität, von deren Einflüssen und Auswirkungen man sich auch mit dem Anspruch größtmöglicher wissenschaftlicher Distanz nicht völlig befreien kann. Allein mein Bewußtsein über diese grundlegende Schwierigkeit kann die Ergebnisse dieser Studie vielleicht als ‚unabhängige‘ Resultate rechtfertigen, die sich nicht immer, aber doch bisweilen von dem unterscheiden, was ich selbst erwartet hatte, als auch von dem, was man nach den bisherigen Forschungsansätzen hätte erwarten können. Eine weitere Schwierigkeit für die wissenschaftliche Untersuchung ergibt sich durch die Präsenz der Thematik in vielfachen Disziplinen: Der Suizid beschäftigt heute gleichermaßen Bereiche wie Philosophie, Theologie, Medizin, Psychologie und Soziologie. Diese Studie konzentriert sich vornehmlich auf den historischen Ansatz, d.h. auf die Frage nach dem Vorhandensein und der historischen Einordnung einer Suizidethik im lateinischen Westen der Spätantike, so daß sie, auch wenn gerade philosophische und theologische Argumentationen des öfteren einbezogen werden müssen, sicher nicht allen Blickrichtungen der Suizidforschung gerecht werden kann. Das vorliegende Buch ist eine geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die in den Jahren 2004 bis 2007 im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkollegs „Leitbilder der Spätantike“ in Jena entstand und im April 2007 der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena vorlag. Die Entstehung, Entwicklung und der Abschluß einer solchen Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne vielfältige Hilfe, die mir von vielen Seiten zuteil wurde und für die ich mich an dieser Stelle bedanken möchte: Mein erster und ganz besonderer Dank gilt meinem Betreuer, Herrn Prof. Walter Ameling (Jena), der meine Arbeit mit wertvollen Ratschlägen und konstruktiver Kritik begleitete und dessen Unterstützung mich manche Schwierigkeit überwinden und manchen Fehler vermeiden ließ. Herrn Prof. Jens-Uwe Krause (München), von dessen Kompetenz im Bereich der Spätantike ich schon während meines Studiums profitieren konnte, danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens und für viele nützliche Hinweise. Herr Prof. Jürgen Dummer und Herr Prof. Meinolf Vielberg (Jena) boten mir die Gelegenheit, dieses Buch in der vorliegenden Reihe zu publizieren. Letzterem bin ich zudem dankbar für die Aufnahme als Stipendiatin in das Graduiertenkolleg „Leitbilder der Spätantike“. Die Einbindung meines Projekts in das Jenaer Graduiertenkolleg ermöglichte einen wissenschaftlichen und interdisziplinären Austausch, der meiner Arbeit in vielerlei Hinsicht zugute kam. Allen beteiligten Professoren, Kollegiaten und Assoziierten des Kollegs, die meine Studien in den
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Vorwort
Jahren in Jena begleiteten und bereicherten, gilt dafür mein herzlicher Dank. Für viele fruchtbare Gespräche sei stellvertretend den Herren Prof. Rainer Thiel, Dr. Christof Kraus, PD Dr. Matthias Perkams und PD Dr. Klaus Zimmermann gedankt. Besonderen Dank schulde ich Herrn Prof. Christian Tornau, der mit immenser Sorgfalt die kritische Durchsicht des Manuskriptes übernahm. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich ferner für die finanzielle Förderung, die mir im Rahmen des Graduiertenkollegs zuteil wurde. Die Herren Prof. em. Géza Alföldy (Heidelberg), Prof. Angelos Chaniotis (Oxford) und Prof. Christian Witschel (Heidelberg) ermöglichten mir während meiner Forschungsaufenthalte am Seminar für Alte Geschichte und Epigraphik in Heidelberg die besten Arbeitsbedingungen und gaben mir ferner Gelegenheit, mein Thema im Rahmen eines Vortrages im Forschungskolloquium des Seminars zur Diskussion zu stellen. Für die stets freundliche und warme Atmosphäre sei ihnen sowie allen Mitarbeitern des Seminars mein herzlicher Dank. Den Herren Prof. Veit Rosenberger, Prof. Ioannis Mylonopoulos und Frau Dr. Katharina Waldner (alle Erfurt) danke ich für ihre Einladung zu einem Vortrag im Rahmen des Kolloquiums für Kultur- und Religionsgeschichte an der Universität Erfurt. Frau PD Dr. Katharina Greschat (Mainz, Berlin) war mir mit ihrem fachkundigem Rat und der kritischen Lektüre einiger Kapitel eine große Hilfe. Herrn Dr. Anton van Hooff (Nijmegen) verdanke ich neben anregenden Gesprächen auch eine Fülle an bibliographischen Hinweisen. Allen lieben Freunden und Freundinnen, die mir mit fachlichem und freundschaftlichem Rat zur Seite standen, schulde ich Dank, der hier kaum in angemessener Weise ausgedrückt werden kann. Manfred Dippel (Grebenau), Angela Frauenhuber (Neuendettelsau), Anngret Lieb (Jena) und Felicia Rüger (Oberaula) besorgten die sprachlichen Korrekturen. Martin Borchert (Jena), Markus Frauenhuber (Neuendettelsau), Marcus Heckenkamp (Münster) und Nils Rücker (Dresden) halfen mit philologischem Rat. Irene Berti (Heidelberg), Volker Buschmann (Berlin), Isabelle Deflers (Heidelberg), Marta García Morcillo (Dresden), Francisca Feraudi-Gruénais, Elisabeth Huwer (beide Heidelberg), Bettina Lienhard (Berlin), Claudia Sachße, Eftychia Stavrianopoulou und Achim Wendt (alle Heidelberg) haben mit fachlichen Ratschlägen, vor allem aber durch ihre freundschaftliche Anteilnahme und Ermunterung viel zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Meiner Familie danke ich nicht zuletzt für ihre Unterstützung während meines Studiums, besonders meinem Vater und meinem Bruder, auf deren Verständnis und Hilfe ich immer zählen konnte. Meiner Mutter, die ging und meine Arbeit nicht begleiten konnte, und meiner Großmutter, die blieb und all ihre Kraft, Geduld und Liebe spendet, ist dieses Buch in Dankbarkeit gewidmet. Caritas numquam excidit sive prophetiae evacuabuntur sive linguae cessabunt sive scientia destruetur. 1 Cor 13, 8
I. EINLEITUNG Der Selbstmord ist ein Ereignis der menschlichen Natur, welches, mag auch darüber schon so viel gesprochen und gehandelt sein, als da will, doch einen jeden Menschen zur Teilnahme fordert, in jeder Zeitepoche wieder einmal verhandelt werden muß. J.W. von Goethe, Dichtung und Wahrheit, 13. Buch 1
1. EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK Qui se occidit, homicida est – wer sich selbst tötet, ist ein Mörder lautet die häufig zitierte Formel, mit der Augustinus in De civitate Dei den Suizid verurteilt.2 Noch heute folgen wir, ob bewußt oder unbewußt, in unserer Wortwahl ‚Selbstmord‘ dieser Einschätzung und verbinden die Selbsttötung mit dem Makel einer Straftat. Auf die Frage, wo die Wurzeln dieser Stigmatisierung und der langen Tabuisierung der Thematik liegen, sucht man die Antwort stets in der Spätantike, konkreter im frühen Christentum, das mit seiner gegenüber der klassischen Antike veränderten Haltung hinsichtlich der Selbsttötung und mit seiner Ablehnung des Suizids als Sünde die Grundlagen für die moralische Pejoration gelegt habe.3 Augustinus nimmt in dieser Antwort eine Schlüsselrolle ein: Die theologische Autorität seiner Schriften prägte maßgeblich die Entwicklung der Kirche im Mittelalter, so daß auch seine konsequent ablehnende Position gegenüber der Selbsttötung ihren Einfluß auf die spätere Bewertung hatte.4 1 2
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Goethe Poetische Werke, Autobiographische Schriften I (Berliner Ausgabe 13), Berlin 1976, 626f. Aug. civ. 1, 17: Nam utique si non licet privata potestate hominem occidere vel nocentem, cuius occidendi licentiam lex nulla concedit, profecto etiam qui se ipsum occidit homicida est, et tanto fit nocentior, cum se occiderit, quanto innocentior in ea causa fuit, qua se occidendum putavit. Vgl. auch u. S. 54f. Vgl. etwa A. VAN HOOFF, Autothanasia, XV: „The Christian taboo on self-murder, which gets its classical formulation by St. Augustine, emerges only in late antiquity. The concept of suicidium, which was to have such a formidable impact on mentality as well as reality in Christian Europe, is an instance of an idea which descends from the high level of the discours to the layers of mentality and reality. (...) Disapproval gets the upper hand only in late antiquity when the idea of self-murder takes shape.“ Vgl. auch Y. GRISÉ, Le suicide, 285f. Vgl. Y. GRISÉ, Le suicide, 287: „La réprobation chrétienne trouva au IVe siècle ap. J.-C., son expression dogmatique dans les écrits de saint Augustin, en particulier dans un long passage de la Cité de Dieu où l’auteur se livre à une démonstration péremptoire contre toutes les formes de suicide, et fixe ainsi pour l’avenir la position de l’Église sur cette question.“ A. VAN HOOFF, Autothanasia, 197: „So it was Augustine who defined the Christian doctrine that would find its way into the regulations of canonical law. In the centuries that followed Augustine, Church councils would make his theological and moral views the rules for the prac-
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I. Einleitung
Beide Thesen – sowohl diejenige von der Spätantike als Wendepunkt als auch diejenige von der Sonderstellung Augustins in der Beurteilung der Selbsttötung – haben durchaus ihre Berechtigung, und dennoch sollten sich weitere Fragen anschließen: In welchem Kontext befinden sich die Aussagen Augustins, welchen Intentionen folgt seine Ablehnung, und ist diese neu in seiner Zeit, oder gibt es theoretische Grundlagen, auf die er seine Argumentation baut? Ist ferner die spätantike Bewertung der Selbsttötung auf Augustinus zu reduzieren? Entspricht seine Ablehnung der allgemeinen christlichen Haltung seiner Zeit? Unterscheidet sich diese christliche Position wiederum von der in der nichtchristlichen Literatur greifbaren Einstellung? Und wie steht schließlich der theoretischen Diskussion die literarische Darstellung von Suizidfällen gegenüber? Welche Kriterien machen hier die Bewertung des Suizids aus? Läßt sich ein Wandel in der Darstellung der Selbsttötung und damit im Umgang mit ihr erkennen? – Kurzum: Werden Selbstmörder in der Spätantike wirklich als Mörder, als homicidae angesehen? Diesen Fragen wird die vorliegende Untersuchung nachgehen, die zugleich eine erste – wenn auch aufgrund des Ausgangspunktes der augustinischen Haltung auf den lateinischen Westen konzentrierte – Gesamtdarstellung des Umgangs mit der Selbsttötung in der Spätantike sein wird. 1.1 Suizid in der Antike – Suizid heute Die antike Sichtweise und Bewertung der Selbsttötung unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der modernen. Unsere Zeit ist neben einem sich erst in den letzten Jahrzehnten entwickelnden Wandel in der rechtlichen und ethischen Beurteilung5 vor allem geprägt vom wissenschaftlichen Umgang mit dem Phänomen,
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tical behaviour of the church: attempted suicide was punished by ecclesiastical sanctions and suicides were only accorded a ‚dog’s burial‘.“ A.J. DROGE – J.D. TABOR, A Noble Death, 3: „On the subject of suicide the modern West is still the intellectual heir of Augustine, who slammed the door shut on the right of individuals to kill themselves by condemning the act as a form of murder and therefore an unpardonable sin.“ Die Verurteilung der Selbsttötung ist bis ins 20. Jahrhundert hinein sowohl im profanen als auch im kirchlichen Recht zu greifen: Noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sah die Gesetzgebung in Frankreich, Preußen und Österreich vor, daß Selbstmördern ein christliches Begräbnis verweigert und ihr Vermögen konfisziert wurde; in England wurde die Bestrafung des Selbstmordversuches, obwohl nur noch äußerst selten vollzogen, erst 1961 abgeschafft. Vgl. dazu O. BERNSTEIN, Die Bestrafung; A. WACKE, ZRG (Rom) 97, 1980, 29–31; zur Entwicklung in Deutschland ferner K.A. GEIGER, AKathKR 65, 1891, 3–36. Auch die katholische Kirche mäßigte ihre Haltung im 20. Jh.: Das noch im Codex iuris canonis von 1917 festgelegte christliche Bestattungsverbot für Selbstmörder (CIC can. 1240 §1 Nr. 3: Ecclesiastica sepultura privantur, nisi ante mortem aliqua dederint poenitentiae signa [...] qui se ipsi occiderint deliberato consilio) taucht im CIC von 1983 nicht mehr auf, während aber nach wie vor diejenigen, die einen Selbstmordversuch unternommen haben, von der Priesterweihe ausgeschlossen sind, vgl. CIC 1917, can. 985, 5: Sunt irregulares ex delicto: [...] qui seipsos vel alios mutilaverunt vel sibi vitam adimere tentaverunt; und ähnlich CIC 1983, can. 1041, 5: Ad recipiendos ordines sunt irregulares [...] qui seipsum vel alium graviter et dolose mutilaverit vel sibi vitam adimere tentaverit; [...].
1. Einführung in die Thematik
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wobei neben die theologische und ethisch-philosophische Auseinandersetzung nun vermehrt vor allem auch die soziologische und medizinisch-psychologische Betrachtung tritt. Ohne die vielfältigen Disziplinen im einzelnen zu analysieren, läßt sich allgemein zusammenfassen, daß Suizid in unserer Zeit vorrangig nicht mehr als eine Straftat, sondern als Ausdruck von Krankheit behandelt wird. So legt etwa die Psychologie besonderes Augenmerk auf die Suizidprävention, erforscht die Soziologie soziale und gesellschaftliche Ursachen anhand empirischer Studien und Statistiken und beschäftigen sich schließlich Philosophie und Theologie vorrangig mit der ethischen Vertretbarkeit der Suizidbeihilfe bzw. der Euthanasie.6 Selbst die katholische Kirche, die im von Johannes Paul II. 1992 approbierten Katechismus den Suizid als unnatürliche Neigung des Menschen ablehnt und als Sünde gegen das 5. Gebot bewertet, räumt den Selbstmördern verminderte Verantwortlichkeit ein, wenn u.a. psychische Störungen vorliegen.7 Dieser sich erst in den letzten Jahrzehnten entwickelnde ‚Mentalitätswandel‘ in Hinsicht auf die Selbsttötung äußert sich auch im Umgang mit Begriffen. Die stigmatisierende und auf eine Straftat hinweisende deutsche Bezeichnung Selbstmord wird nun häufiger zugunsten des Begriffes Suizid als Terminus technicus für die wissenschaftliche Betrachtung zurückgedrängt.8 Wer sich im Bemühen um Neutralität und wissenschaftliche Distanzierung des Terminus Suizid bedient, bedenkt selten, daß dieser einer lateinischen, wenn auch Römern selbst völlig fremden Konstruktion suicidium entstammt und wohl in Analogie zu homicidium (Mord), fratricidium (Brudermord), parricidium (Verwandtenmord) u.ä. gebildet wurde. Bemerkenswert ist aber, daß der Begriff suicidium, der an eine Kontraktion von ‚Sich-Töten‘ (se caedere) und Mord (homicidium) denken läßt, weder im antiken noch im spätantiken Sprachgebrauch
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Einen Überblick über die verschiedenen Bereiche der Suizidforschung gibt der Sammelband von L.D. HANKOFF – B. EINSIDLER (Hgg.), Suicide. Neben einer Fülle an neuerer und neuester Literatur zur Bioethik vgl. zur ethischen Diskussion um Suizid und Euthanasie in Philosophie und Theologie etwa P. BIET, Suizidalität als Problem christlicher Ethik; A. LEIST (Hg.), Um Leben und Tod; W. WOLBERT, Du sollst nicht töten (zur Selbsttötung bes. 13–24); J. MCMAHAN, The Ethics of Killing (zu Suizid und Euthanasie bes. 455ff.); K.-M. KODALLE, in: DERS. (Hg.), Das Recht auf ein Sterben in Würde, 11–28. Zur soziologischen und psychologischen Behandlung C. BRAUN, Selbstmord; P.R. WELLHÖFER, Selbstmord und Selbstmordversuch. Zur Suizidprävention bspw. K. THOMAS, Handbuch der Selbstmordverhütung. KKK 3, 2, 2, 5, 2280–2283, bes. 2281f.: Suicidium naturali creaturae humanae contradicit inclinationi ad eius vitam conservandam et perpetuandam. Graviter iusto sui ipsius amori contrarium est. Pariter amorem offendit proximi, quia iniuste solidarietatis frangit vincula cum societatibus familiari, nationali et humanae, erga quas obligati permanemus. Suicidium amori Dei viventis est contrarium. (2282) Suicidium, si intentione committitur ut exemplo sit, praesertim iuvenibus, gravitatem etiam sumit scandali. Cooperatio voluntaria ad suicidium est legi morali contraria. Graves perturbationes psychicae, angustia vel gravis timor probationis, doloris vel cruciatus responsabilitatem se ipsum interficientis possunt imminuere. Vgl. dazu W. WOLBERT, Du sollst nicht töten, 13–24. Zur Entwicklung der deutschen Termini vgl. D. DAUBE, PPA 1, 1972, 414f. 429–431. 437: „In German, where Selbstmord has never been replaced in ordinary speech, in modern academic, psychological literature Suizid serves as a more detached, milder designation, (...).“
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I. Einleitung
auftaucht, sondern offenbar eine mittelalterliche Erfindung ist.9 Eine Vorlage für eine solche Kontraktion könnte vielleicht Hieronymus geboten haben, der Frauen, die beim Versuch, eine Fehlgeburt herbeizuführen, ihr eigenes Leben verloren, als homicidae sui anklagt.10 Die lateinische Sprache kannte lange keinen eigenständigen Terminus für die Selbsttötung, sondern formulierte das Phänomen zumeist mit Komposita wie mors voluntaria/spontana, exitus/finis voluntarius oder mit Verbalkonstruktionen wie se occidere, excedere e vita und ähnlichem.11 Der Sprachgebrauch ist wie heute auch hier ein Spiegel der Mentalität: Das antike Denken verband die Selbsttötung offenbar vordergründig mit keiner ethischen Bewertung, sondern bezeichnete sie direkt, meist mit Verbalkonstruktionen, in der Form des Vorgangs: Man durchbohrte sich mit dem Schwert (gladio transfigere), erhängte sich mit einem Strick (laqueo suspendere), man stürzte sich in den Abgrund (se praecipitare), man tötete sich (se occidere/interficere) oder beendete schlicht sein Leben (vitam finire), um nur einige Beispiele zu nennen.12 Das in unserer Zeit wachsende Interesse an der wissenschaftlichen Untersuchung des Suizids schlägt sich auch in zahlreichen historischen Arbeiten zum Thema nieder. Gerade die römische Antike, vornehmlich die römische Republik und die frühe Kaiserzeit, fand in den letzten Jahren besondere Aufmerksamkeit.13 Die römische Antike, darin sind sich alle diesbezüglichen Studien einig, zeichnet 9
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Der früheste bisher bekannte Beleg für den Begriff suicid* stammt aus den Jahren 1177/1178: Walter v. St. Victor bezeichnet in Contra Quatuor labyrinthos Franciae 4, 2 Seneca, Nero, Sokrates und Cato als suicidae. Vgl. A. VAN HOOFF, RomF 102, 1990, 255–259, zu dieser Stelle bes. 258f. sowie DERS. in: R.W. MARIS al. (eds.), Comprehensive Textbook, 109. Danach taucht das Wort erst wieder im 17. Jahrhundert auf, vgl. ebd. und schon zuvor DERS., Autothanasia, 136–141. Zur Entwicklung des Begriffes suicidium im europäischen Sprachraum vgl. auch DERS., in: G.J.M. BARTELINK al. (éds.), Eulogia, 373–375; B. ALAIMO, Antonianum 31, 1956, 189–214; D. DAUBE, PPA 1, 1972, 387–437, bes. 413–429. Hier. epist. 22, 13: Nonnullae, cum se senserint concepisse de scelere, aborti venena meditantur et frequenter etiam ipsae commortuae trium criminum reae ad inferos perducuntur, homicidae sui, Christi adulterae, necdum nati filii parricidae. Im gleichen Zusammenhang mit fast identischem Wortlaut später auch Caes. Arel. serm. 51, 4 (dazu u. S. 124, Anm. 411). Vgl. auch Sen. rhet. contr. exc. 8, 4: homicida in se. Davon abgesehen gibt es m.W. keinen weiteren Beleg für homicid* sui/ae oder gar suicid* in der spätantiken lateinischen Literatur. Zum antiken Sprachgebrauch ausführlich D. DAUBE, PPA 1, 1972, 387–437, bes. zum griechischen ebd. 399–411, zum lateinischen ebd. 411–413. Eine Auflistung der gebräuchlichsten Formulierungen in der griechischen und lateinischen Sprache bietet A. VAN HOOFF, Autothanasia, 243–250; vgl. auch DERS., in: A.P. ORBÁN – M.G.M. VAN DER POEL (eds.), Ad litteras, 143–161. Die römischen Rechtstexte verwenden als häufigste Ausdrücke mortem sibi con-/adsciscere, manus sibi in-/afferre, mors voluntaria, vitam finire, se interficere, se occidere, se praecipitare, vgl. dazu mit zahlreichen Belegen A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 472, Anm. 3; zur lateinischen Terminologie ferner Y. GRISÉ, Le suicide, 21–28. Vgl. neben zahlreichen Aufsätzen zu Einzelthemen vor allem die umfassenden Arbeiten von Y. GRISÉ, Le suicide; J.D. EHRLICH, Suicide; A. VAN HOOFF, Autothanasia, sowie die sich vor allem auf die spätrepublikanische und frühkaiserzeitliche Literatur konzentrierende Untersuchung von T.D. HILL, Ambitiosa Mors. Zur Behandlung des Suizids in der griechischen Antike ferner u.a. E.P. GARRISON, Groaning Tears; DIES., TAPA 121, 1991, 1–34; S. MACALISTER, Dreams and Suicides; R. GARLAND, The Greek Way, bes. 95–99.
1. Einführung in die Thematik
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sich sowohl in der Literatur und Philosophie als auch in der Gesetzgebung durch eine weitgehend liberale, offene und bisweilen sogar lobende Einstellung zum Suizid aus; wenn er nicht mit Wertschätzung bedacht wird, so wird er doch zumeist toleriert.14 Dieses Urteil geht einerseits aus der unter bestimmten Bedingungen eindeutig positiv besetzten, in römischer Zeit vor allem durch Seneca vertretenen Haltung der Stoa hervor und wird andererseits durch die zahlreichen und meist anerkennend beschriebenen Suiziddarstellungen vermittelt. Als Grundlage seiner Untersuchung erstellte A. VAN HOOFF ein Profil der antiken Selbsttötung, das aus der Anzahl von 960 gesammelten Fällen den Großteil gerade der späten Republik (164) und frühen Kaiserzeit (255) zuweist, während die spätere Kaiserzeit ab 192 n. Chr. mit nur 51 Fällen einen weit geringeren Anteil hat.15 Die Bewertung der Selbsttötung ist aber auch in der früheren römischen Antike vielschichtiger. So spielen, wie A. VAN HOOFF in derselben Studie gezeigt hat, vor allem die Motive, die zur Tat führen, wie auch die Todesart, die für den Suizid gewählt wurde, eine bedeutende Rolle für eine positive oder negative Beurteilung.16 Gerade die causae moriendi, die VAN HOOFF aufgrund der antiken Terminologie (vorrangig für die causae iustae in den juristischen Quellen) auswählt, machen deutlich, daß die Motive, die in der Antike die Selbsttötung provozierten, nicht immer mit den heute ‚üblichen‘ Gründen übereinstimmen.17 Es ist also festzuhalten, daß sich die Antike in ihrer Behandlung und Bewertung des Phänomens Suizid maßgeblich von der heutigen Zeit unterscheidet. Eine historische Untersuchung der Thematik, zumal es sich dabei um ein mentalitätsgeschichtliches Phänomen handelt, sieht sich daher vor die Aufgabe gestellt, diese Unterschiede auch in der Methodik zu berücksichtigen, um nicht Gefahr zu laufen, antike Sichtweisen durch die Verwendung moderner Kategorisierungen zu verzerren.
14 Etwa Y. GRISÉ, Le suicide, 286: „Positive et dynamique, morale et libérale, pragmatique et conservatrice, telle a été la conception romaine du suicide jusqu’à la fin du Haut-Empire.“ Vgl. auch A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, bes. 486. 15 A. VAN HOOFF, Autothanasia, 234. Zur Häufigkeit des Suizids in römischer Zeit auch Y. GRISÉ, Latomus 39, 1980, 17–46; DIES., Le suicide, 31–57. Die außergewöhnlich zahlreichen Suiziddarstellungen in der spätrepublikanischen und frühkaiserzeitlichen Literatur hatten schon R. HIRZEL, ARW 11, 1907, 463 dazu veranlaßt, von einer „selbstmordgierigen Zeit“ zu sprechen. 16 Zu den causae moriendi vgl. A. VAN HOOFF, Autothanasia, 79–132; zu den modi moriendi ebd. 40–78, sowie zu ihrer Bedeutung für die Bewertung des Suizids bes. 77f. Über die Methoden der Selbsttötung in der Antike ferner auch Y. GRISÉ, Le suicide, 93–123. 17 Während man sich für taedium vitae, dolor oder impatientia vielleicht moderne Entsprechungen denken kann, fällt dies doch weitaus schwerer bei Gründen wie devotio, fides, necessitas oder exsecratio. Zur Schwierigkeit der Übertragung moderner Kategorisierungen auf antike Fälle vgl. A. VAN HOOFF, Autothanasia, 79–82.
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I. Einleitung
1.2 Suizid in der Spätantike Vorsicht ist besonders angeraten gegenüber Statistiken, die antike Suizidfälle in Zahlen oder gar Prozentsätzen darstellen. Das Erstellen und Auswerten von Suizidstatistiken, das seit der grundlegenden Studie von E. DURKHEIM im Jahre 1897 einen wichtigen Teil der soziologischen Erforschung des Suizids ausmacht,18 ist in seiner Anwendung auf die Antike problematisch, was allein schon der Umstand nahelegt, daß uns nicht für jede Epoche ein gleichermaßen thematisch ausgewogenes Quellenmaterial zur Verfügung steht. Das von A. VAN HOOFF aufgestellte Profil zählt, wie erwähnt, für die späte Kaiserzeit (ab 192 n. Chr.) 51 Fälle.19 Es steht außer Frage, daß diese Zahl weder die historische Suizidrate der Spätantike wiedergibt noch auf einer Auswertung des gesamten spätantiken Quellenmaterials basiert.20 Tatsächlich stammen aber, was über den antiken Umgang mit Suizid vielleicht mehr aussagt als Zahlen, gerade die berühmten und heute noch bekannten Suizidfälle (wie etwa Lucretia, Cato, Seneca, Nero) nicht aus der hohen und späten Kaiserzeit. Beide Beobachtungen – die quantitative Überlegenheit von Suiziddarstellungen in früherer Zeit wie auch ihre auffällige und bis heute nachwirkende Rezeption – bedeuten jedoch nicht, daß es in der Spätantike weniger Suizide gegeben hat, erst recht nicht, daß die Selbsttötung in der spätantiken Literatur keine Rolle mehr spielte: Es finden sich, wie diese Untersuchung zeigen wird, sowohl zahlreiche spätantike Darstellungen in der heidnischen und christlichen Literatur als auch eine teils ausführlich geführte theoretische Suiziddiskussion. Dennoch widmete sich die Forschung dieser Epoche bisher kaum. Die einschlägigen Untersuchungen des Suizids in der Antike behandeln die Spätantike meist am Rande oder in Form von Ausblicken.21 Darüber hinaus findet die spätantike Auseinandersetzung mit der Selbsttötung einerseits Berücksichtigung in übergreifenden Zusammenhängen, etwa in allgemeinen Überblicken über die Geschichte des Suizids oder der Entwicklung seiner Bewertung,22 andererseits wird 18 E. DURKHEIM, Der Selbstmord (orig. Le suicide). Zur Entwicklung der soziologischen Untersuchung des Suizids nach DURKHEIM vgl. P. BAUDRY, Conc(D) 21, 1985, 173–179; S. TAYLOR, Durkheim and the Study of Suicide mit weiterer Literatur. 19 Eine obere zeitliche Grenze seines Untersuchungszeitraumes gibt er leider nicht an, einige Belegstellen (etwa Ammianus, Euseb oder Orosius) lassen aber den Schluß zu, daß das 4. und das 5. Jahrhundert inbegriffen sind. Die Komplexität und Fülle des sich auf die gesamte Antike erstreckenden Materials macht es freilich nahezu unmöglich, eine vollständige, das gesamte Quellenmaterial der griechisch-römischen Antike umfassende Liste zu erstellen; zur Methode seiner Materialsammlung A. VAN HOOFF, Autothanasia, 3f. 20 Bei Ammianus Marcellinus etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, finden sich 20 Suiziderwähnungen, davon 17 spätantike Suizidfälle, die bis auf einen (oppressi a Probo, Amm. 30, 5, 6, dazu u. S. 203f.) nicht in VAN HOOFFS Liste (ebd. 198–232) erscheinen. 21 Neben den bereits erwähnten Monographien von A. VAN HOOFF, Autothanasia, Y. GRISÉ, Le suicide, J.D. EHRLICH, Suicide und T.D. HILL, Ambitiosa Mors sind v.a. noch der ältere, aber an Material reiche Aufsatz von R. HIRZEL, ARW 11, 1907, 75–104. 243–284. 417–476 und die übergreifende Studie von A. GEIGER, Der Selbstmord zu nennen. 22 Im Rahmen eines historischen Überblicks vgl. etwa G. MINOIS, Geschichte des Selbstmords (orig. Histoire du suicide 1995), 43–69; in Hinblick auf die ethische Bewertung des Suizids
1. Einführung in die Thematik
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die Thematik im Kontext spezieller Einzelthemen behandelt: So gibt es vereinzelte Studien zur Haltung zum Suizid bei Augustinus oder Hieronymus oder Untersuchungen der Suiziddarstellung in der Historia Augusta.23 Nicht ganz zu Unrecht steht die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Selbsttötung in der Spätantike ferner häufig im Zusammenhang mit Analysen des christlichen Martyriums bzw. der Frage nach einer Unterscheidung von Martyrium und Suizid.24 A.J. DROGE und J.D. TABOR etwa folgern in ihrer Untersuchung der antiken Bewertung, die nicht nur die spätantiken Ansätze untersucht, sondern von Platon bis Augustinus reicht und besonderes Augenmerk auf die jüdische und christliche Tradition legt, daß „voluntary death“ ähnlich wie in der früheren Antike weitgehend als „noble death“ angesehen wurde und – abgesehen von ersten Ansätzen bei Clemens v. Alexandria – erst durch „the Augustinian reversal“ eine explizite christliche Ablehnung der Selbsttötung und damit eine Abgrenzung derselben vom Martyrium erfolgte.25 E.J. LARSON und D.W. AMUNDSEN wiederum kommen in ihrer Untersuchung der frühen christlichen Literatur bis Augustinus zu einem genau entgegengesetzten Ergebnis, nämlich daß das Christentum von Beginn an Suizid und Martyrium unterschieden habe, die originär christliche Ablehnung von Suizid durchaus von historischer Kontinuität zeuge und Augustinus diese Ablehnung mit weiteren, gewichtigeren Argumenten erweitert habe.26 Die unterschiedlichen Ergebnisse zweier Studien, die mit ähnlicher Fragestellung das gleiche Material auswerten, wie auch die deutliche (und teils zu Polemik neigende) Kritik, die LARSON/AMUNDSEN an DROGE/TABOR üben, lassen erkennen, daß sich offenbar gerade in der Frage der antiken christlichen Haltung zum Suizid die Geister scheiden.27 Trotz allen Respekts gegenüber der wissenschaftlichen Quel-
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beschäftigt sich ein Kapitel bei A. BAYET, Le suicide et la morale, bes. 221–263 mit der spätantiken christlichen Haltung. Zu Hieronymus: P. LAURENCE, Orpheus 17, 1996, 50–69; zur Historia Augusta: T. ARAND, Das unverdiente Ende; J.-L. VOISIN, in: F. PASCHOUD (ed.), Historiae Augustae Colloquium Genevense, 301–316. Bisher gibt es leider keine umfassende Arbeit zu Augustins Auseinandersetzung mit dem Suizid, verschiedene Aufsätze bzw. Kapitel in umfassenderen Monographien haben aber bereits teils nützliche Vorarbeit geleistet: J. BELS, RHR 187, 1975, 147– 180; P. BAUDET, in: P. RANSON (éd.), Saint Augustin, 125–152; D.W. AMUNDSEN, in: B.A. BRODY (ed.), Suicide and Euthanasia, 123–141; A.J. DROGE – J.D. TABOR, A Noble Death, 167–180; E.J. LARSON – D.W. AMUNDSEN, A Different Death, 116–123. So z.B. bei G.W. BOWERSOCK, Martyrdom and Rome, bes. 59–74; A.R. BIRLEY, in: R. V. HAEHLING (Hg.), Rom und das himmlische Jerusalem, 97–123; C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, bes. 90–147. A.J. DROGE – J.D. TABOR, Noble Death. E.J. LARSON – D.W. AMUNDSEN, A Different Death, deren Untersuchung den Suizid (dazu bes. 102–123) im Kontext der Euthanasie in der christlichen Tradition betrachtet. Zum gleichen Ergebnis kommt AMUNDSEN auch schon zuvor in einem Aufsatz: D.W. AMUNDSEN, in: B.A. BRODY (ed.), Suicide and Euthanasia, 77–153, bes. 116–147, zu Augustinus 123–141. Die Kritik (vgl. E.J. LARSON – D.W. AMUNDSEN, A Different Death, 19f. 26f.) richtet sich vor allem gegen die bei DROGE/TABOR fehlende bzw. bewußt vermiedene Unterscheidung von Martyrium und Suizid, die sie dazu führe, etwa den Suizid des Judas nicht vom freiwilligen Tod Jesu unterscheiden zu können (ebd. 20). Vgl. mit ähnlicher Kritik auch die Rezension von B.E. DALEY, AS 24, 1993, 157–162, der ebd. 161f. zusammenfaßt: „This book, in virtue
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I. Einleitung
lenarbeit, die beide Studien aufweisen, drängt sich der Verdacht auf, daß sich in den unterschiedlichen Ergebnissen aus der Untersuchung einer antiken Thematik vor allem eine moderne Diskussion um die Tradition christlicher Ethik widerspiegelt. Tatsächlich hat gerade das Märtyrertum immer wieder zu Debatten über den Grad seiner Freiwilligkeit bzw. über die Nähe der christlichen Todesbereitschaft zum Suizid geführt.28 Die Problematik der Unterscheidung von Suizid und Martyrium muß auch in dieser Arbeit thematisiert werden. Die Ergebnisse werden den Schlußfolgerungen beider Positionen zum Teil entsprechen, zum Teil widersprechen. Das Thema Suizid in der Spätantike sollte sich jedoch weder allein auf die christliche Haltung noch ausschließlich auf die theoretische Auseinandersetzung mit der Selbsttötung beschränken: Auch aus der Spätantike gibt es (wenn auch quantitativ sicher weniger als in der späten Republik und frühen Kaiserzeit) genügend sowohl heidnische als auch christliche Darstellungen von Suizidfällen, die Rückschlüsse auf die spätantike Bewertung zulassen. Dieser Bereich, der den
of its own slippery use of the language of „voluntary death“ to merge together phenomena and moral judgments that really deserve to be carefully distinguished, does no service to contemporary moral reflection, and does little to clarify our understanding of the origins of our moral and religious traditions.“ Die Kritik an der häufig fehlenden Differenzierung ist durchaus berechtigt, jedoch beruht die Definition dessen, was DROGE/TABOR als voluntary death bezeichnen, auf E. DURKHEIMS Begriffsbestimmung (s.u. S. 18) und lautet in ihrer Übertragung (A.J. DROGE – J.D. TABOR, Noble Death, 4): „By this term we mean to describe the act resulting from an individual’s intentional decision to die, either by his own agency, by another’s, or by contriving the circumstances in which death is the known, ineluctable result.“ Die Definition, die E.J. LARSON – D.W. AMUNDSEN, A Different Death, 29 zugrunde legen, folgt einem modernen Wörterbuch: „A standard dictionary definition of suicide is ‚the act or an instance of intentionally killing oneself‘.“ Indem sie also nicht die Durheimsche Definition verwenden, sondern die Selbsttötung allein auf den Akt des „intentionally killing oneself“ begrenzen, schließen LARSON/AMUNDSEN das Märtyrertum aus ihrem Untersuchungsbereich aus, das bei DROGE/TABOR inbegriffen ist. Was LARSON/AMUNDSEN suicide nennen, bezeichnen DROGE/TABOR als voluntary death, wobei letztere aus rein sprachlicher Sicht der antiken Ausdrucksweise (mors voluntaria) sicher näher kommen. 28 Zur Thematik der ‚freiwilligen Märtyrer‘ und der Abgrenzung von Suizid und Martyrium vgl. etwa R. LANE FOX, Pagans and Christians, 442–444; G.E.M. DE STE. CROIX, P&P 26, 1963, 6–38, bes. 21–24 (s. jetzt auch in: DERS., Christian Persecution, 105–152); W. TABBERNEE, Colloquium 17, 1985, 33–44; A.R. BIRLEY, in: R. V. HAEHLING (Hg.), Rom und das himmlische Jerusalem, 97–123; G.W. BOWERSOCK, Martyrdom, 99–74; V. LENZEN, Selbsttötung, bes. 124–137. Gegen die Annahme einer Suizidbereitschaft bzw. einer ‚Martyriumssucht‘ im frühen Christentum v.a. C. BUTTERWECK, Martyriumssucht. Deutlich ist auch die Haltung von D.W. AMUNDSEN, in: B.A. BRODY (ed.), Suicide and Euthanasia, 80: „In spite of the misconceived preconceptions and hence the erroneous, heuristic conclusions of some modern scholars who see the early Christian community as prone to suicide, there is absolutely no evidence in the corpus of Christianity for the first 250 years of the Christian era of any Christian under any circumstances committing suicide for any reason.“ Demgegenüber treffen in ihrer Ausgabe ausgewählter das Martyrium betreffender Texte J.W. VAN HENTEN – F. AVEMARIE, Martyrdom and Noble Death, 5 keine Unterscheidung zwischen Martyrium und Suizid: „We also include passages on suicide in this book, since unlike modern people the ancients did not distinguish between glorious ways of suicide and other violent deaths.“
1. Einführung in die Thematik
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Hauptteil der vorliegenden Untersuchung bildet, wurde bisher in der Forschung fast völlig vernachlässigt;29 zu Unrecht, wie mir scheint, denn ein Gesamtbild der Bewertung von Suizid in der Spätantike läßt sich nur unter Einbeziehung sowohl der theoretischen Ansätze als auch des literarischen Umgangs mit Suizidfällen herstellen. Gerade die literarische Darstellung von Selbsttötungen liefert Hinweise auf Motive, Ursachen und Mittel und kann so wichtige Einblicke in die spätantike Einordnung des Phänomens geben.
29 Die einzigen mir bekannten Ausnahmen sind T. ARAND, Das unverdiente Ende und J.-L. VOISIN, in: F. PASCHOUD (ed.), Historiae Augustae Colloquium Genevense, 301–316, die beide die Suiziddarstellung in der Historia Augusta betrachten.
2. EINGRENZUNG DER THEMATIK 2.1 Definition von Suizid Die erste Frage, die sich hinsichtlich der Eingrenzung des Themas stellt, ist diejenige nach der Definition von Suizid. Die häufig herangezogene Begriffsbestimmung von E. DURKHEIM lautet: Man nennt Selbstmord jeden Todesfall, der direkt oder indirekt auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die vom Opfer selbst begangen wurde, wobei es das Ergebnis seines Verhaltens im voraus kannte. Der Selbstmordversuch fällt unter dieselbe Definition, bricht die Handlung aber ab, ehe der Tod eintritt.30
Durch die relativ offene Gestaltung der Durkheim’schen Definition, die weder in direkter und indirekter Einwirkung der Handlung noch in der Unterlassung einer Handlung einen Unterschied für das Ergebnis sieht, läßt sie sich auf alle in dieser Arbeit vorgestellten Fälle anwenden. Hierunter fallen auch Beispiele, die in unserer heutigen Vorstellung nicht immer zweifelsfrei als Suizid aufgefaßt werden, wie der ‚erzwungene Suizid‘ (etwa des Sokrates) oder eben auch die ‚freiwilligen Märtyrer‘, weswegen die Definition zwar durchaus epocheübergreifend übertragbar ist, es ihr aber im Einzelfall an konkreten Eingrenzungen fehlt.31 Dennoch scheint mir eine Begrenzung der Begriffsbestimmung von Suizid auf eine den Tod beabsichtigende, aktive Handlung gerade für die Antike wiederum zu eng gefaßt.32 Ein Hauptmerkmal für die antike Definition von Suizid, das sich schon im lateinischen Sprachgebrauch (v.a. in den häufig verwendeten Ausdrükken mors voluntaria und mors spontana) artikuliert, scheint das Kriterium der Freiwilligkeit zu sein. Es gibt durchaus Beispiele, wie gerade Sokrates und die ‚freiwilligen Märtyrer‘ zeigen, in denen auch die Unterlassung einer Handlung oder eine indirekte Handlung zum freiwilligen Tod führten oder umgekehrt eine aktiv herbeigeführte Selbsttötung nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf äußeren Druck hin erfolgte. Solche Grenzfälle gibt es auch in der Spätantike; gerade das Phänomen des ‚erzwungene Suizid‘ wird uns häufig begegnen, wobei, so paradox es klingen mag, oft gerade die Freiwilligkeit des Todes es dem Opfer ermöglichte, seine Würde zu bewahren.33 Es wird daher notwendig sein, im Einzelfall zu über30 E. DURKHEIM, Der Selbstmord, 27. 31 Die Übertragung der Durheimschen Definition „wobei es [das Opfer] das Ergebnis im voraus kannte“ durch A.J. DROGE – J.D. TABOR, Noble Death, 4 „by contriving the circumstances in which death is the known, ineluctable result“ dient ihnen etwa dafür, Sokrates ebenso wie die Märtyrer unter voluntary death zu subsimieren, dazu schon o. S. 15f., Anm. 27. 32 Vgl. E.J. LARSON – D.W. AMUNDSEN, A Different Death, 29: „(...) the act or an instance of intentionally killing oneself”. 33 Ein Beispiel ist etwa Kaiser Maximianus Herculius, der von Constantin I. in den Suizid gezwungen wurde (s.u. S. 165–167). Mit dem Paradoxon des erzwungenen, freiwilligen Todes spielt die Historia Augusta, wenn sie über Hadrian berichtet, er habe Polyaenus und Marcel-
2. Eingrenzung der Thematik
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prüfen, inwiefern solche Grenzfälle (unabhängig von unserer heutigen Einordnung) im damaligen Denken als Suizide galten und welche Rolle dabei der Grad der Freiwilligkeit spielte.34 2.2 Materialauswahl Ein weiteres Kriterium zur Eingrenzung der Thematik betrifft den zeitlichen und räumlichen Rahmen und damit die Materialauswahl. Die Vorgaben hierfür liefert die eingangs vorgeführte Fragestellung. Für die zeitliche Einordnung bedeutet dies zunächst, daß sie sich nicht an (ohnehin stets mit Diskussionen verbundenen) Epochengrenzen orientiert, sondern durch den Ausgangspunkt unserer Fragestellung bestimmt wird: In deren Zentrum steht die Haltung Augustins zum Suizid, womit sich die Untersuchung besonders auf seine Epoche, auf die Zeit vor und nach ihm sowie räumlich und sprachlich auf den lateinischen Westen konzentrieren sollte. Dies schließt zugleich die Untersuchung der Suizidthematik im griechischen Osten aus, da man für die Ostkirche eine gerade nicht von Augustinus beeinflußte oder geprägte Haltung annehmen kann.35 Es ergibt sich also eine Eingrenzung des Materials auf die lateinische Literatur des 4. und 5. Jahrhunderts. Eine Ausweitung über diese Eingrenzung hinaus ist dann nötig, wenn es einzelne Fragestellungen erfordern: So ist beispielsweise für das Verständnis der theoretischen Auseinandersetzung mit Suizid in der Spätantike ein Überblick über die klassische Philosophie bzw. über ihr Weiterleben und ihre Fortführung in der großteils griechischen neuplatonischen Literatur zu diesem Thema vonnöten oder verlangt die Problematik der ‚freiwilligen Märtyrer‘ auch einen Blick auf die früheren Märtyrerakten und auf die Apologeten des 3. Jahrhunderts. Ferner sind etwa in Hinblick auf die Rechtsentwicklung auch Ausblicke über das 5. Jahrhundert hinaus angeraten oder schließlich in bezug auf Beschreibungen exemplarischer Figuren weitere Vergleiche mit Darstellungen jenseits der Materialgrenze hilfreich. Von solchen im Kontext erforderlichen Erweiterungen abgesehen, wird sich die Materialauswahl weitgehend auf den vorgegebenen Rahmen beschränken. Eine Beschränkung freilich, die kaum diesen Namen verdient, denn die aus dieser Zeit auf uns gekommene lateinische Literatur ist nicht nur quantitativ beträchtlich, sondern auch vielfältiger Natur. Neben der lateinischen Patristik, die mit Augustinus, Ambrosius, Hieronymus oder Laktanz ihre wichtigsten Vertreter in eben dieser Epoche hat, bietet auch die spätantike Historiographie ein reichhaltiges Quellus in den Suizid getrieben, Hist. Aug., Hadr. 15, 3: Polaenum et Marcellum ad mortem voluntariam coegit. Dazu sowie zur Frage, ob ein ‚erzwungener Suizid‘ als mors voluntaria aufgefaßt wurde, A. VAN HOOFF, Autothanasia, 94–96. 34 Zu Sokrates u. S. 25f.; zu den ‚freiwilligen Märtyrern‘ u. Kap. III 2.1; zum ‚erzwungenen Suizid‘ u. S. 167. 184f. 35 Nichtsdestotrotz wäre eine umfassende Analyse der Bewertung von Suizid in der griechischen Literatur der Spätantike, die bisher nicht vorgenommen wurde, sinnvoll und wünschenswert.
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I. Einleitung
lenmaterial. Dabei kann es etwa aufschlußreich sein, Suiziddarstellungen in der christlichen Geschichtsschreibung (wie Rufinus, Orosius oder Sulpicius Severus) mit denjenigen der heidnisch geprägten Historiographen und Epitomatoren (wie Ammianus Marcellinus, Aurelius Victor oder dem/n Verfasser/n der Historia Augusta) gegenüberzustellen. Das reichhaltige Material der apologetischen, theologischen, hagiographischen, historiographischen und philosophischen Literatur wird ergänzt durch die spätantiken heidnischen und christlichen Dichter (wie Ausonius, Paulinus von Nola, Prudentius, Claudianus oder Sidonius Apollinaris), die jedoch zumeist nur sporadisch einzelne Exempla behandeln. Schließlich werden auch die Rechtsquellen trotz teilweise bereits erfolgter Untersuchungen nochmals berücksichtigt, da gerade die Gegenüberstellung profaner und konziliarer Bestimmungen für die Einordnung des christlichen Suizidverbots aufschlußreich ist.36 Verzichtet wird bis auf wenige kontextgebundene Ausnahmen auf die Auswertung epigraphischen und archäologischen Materials, das für die Fragestellung ohnehin nur von dürftiger Aussagekraft ist. In Hinsicht auf die Quantität des Quellenmaterials ist zu bemerken, daß es nicht Ziel dieser Arbeit sein kann, dem Anspruch der Vollständigkeit gerecht zu werden. Dennoch erfolgt die Auswahl der die Selbsttötung betreffenden Zeugnisse, die in der vorliegenden Untersuchung behandelt werden, aufgrund eines ausführlichen Quellenstudiums und einer breiten Materialsammlung, deren Ergebnisse erlauben, das vorgetragene Material als einen Spiegel des Gesamtbildes vorzuführen. 2.3 Fragestellung und Thesen Es ist an dieser Stelle sinnvoll, bereits erste Überlegungen und (Hypo-) Thesen zu den eingangs aufgeworfenen Fragen zu formulieren, die der folgenden Untersuchung die Richtung weisen und in ihr zu überprüfen sind: 1. Es ist zu erwarten, daß die Auseinandersetzung mit der Selbsttötung grundsätzlich kontextgebunden ist, d.h., daß schon allein die Beschäftigung mit dem Thema entweder auf historische Ereignisse selbst oder auf eine argumentative Stellungnahme zu einer zeitgenössischen Problematik zurückzuführen ist. Sollte sich diese These bestätigen, muß dies eine generell auf ethische Sichtweisen zurückzuführende Bewertung des Suizids relativieren, insofern es eine allgemein verbindliche „Suizidethik“ nicht gegeben hat, sondern eine moralische Beurteilung der Selbsttötung nur kontextgebunden abzuleiten ist. 2. Hinsichtlich der Frage, inwiefern die Ablehnung des Suizids maßgeblich von Augustinus und vom spätantiken Christentum beeinflußt wurde, muß unter36 Zum Suizid im römischen Recht vgl. A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 471–516. J.-C. GENIN, in : Mélanges L. FALLETTI, 233–293; A. WACKE, ZRG (Rom) 97, 1980, 26–77; P. VEYNE, Latomus 40, 1981, 217–268. Die Selbsttötung im kirchlichen Recht hat, abgesehen von einem älteren Aufsatz von K.A. GEIGER, AKathKR 61, 1889, 225–232, nur sporadisch innerhalb umfassenderer Untersuchungen Berücksichtigung gefunden.
2. Eingrenzung der Thematik
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sucht werden, ob sich durch den Wandel der Zeit und durch geänderte historische Gegebenheiten in der Spätantike neue, resp. originär christliche Stellungnahmen entwickelten oder ob die Positionen auf traditionellen Vorgaben basierten und lediglich eine Weiterführung bereits vorhandener Theorien darstellen. Gerade in der Auseinandersetzung mit dem Suizid in der klassischen Philosophie finden sich bereits zahlreiche Ansätze einer Ablehnung, so daß man erwarten kann, daß die Verurteilung des Suizids keine Folge der allein auf christlichem Denken beruhenden Werte ist, sondern vielmehr aus einer christlichen Rezeption traditioneller Werte resultiert. Die Haltung Augustins zum Suizid verdient hierbei besondere Aufmerksamkeit. Seine Argumentation bedarf ebenfalls einer genauen Einordnung sowohl in Hinsicht auf seine Rezeption früherer theoretischer Ansätze als auch in Beziehung zu seinen christlichen und heidnischen Zeitgenossen. Nimmt er gegenüber seinen Zeitgenossen eine Sonderstellung ein, bedeutet dies, daß seine Haltung weder eine allgemeine christliche Ablehnung repräsentiert noch dem spätantiken Gesamtbild entspricht. 3. Daran schließt sich die Frage an, ob denn die Selbsttötung in der Spätantike überhaupt generell verurteilt wurde. Während die theoretische Auseinandersetzung dies zumindest erwarten läßt, wird gerade die bisher selten zu Rate gezogene Darstellung von Suiziden in der spätantiken lateinischen Literatur ein überraschend heterogenes Bild liefern. Die Darstellungen von Selbsttötung finden sich in heidnischer wie in christlicher Literatur gleichermaßen negativ wie positiv gefärbt. Bedeutend ist für diese Betrachtung, nach welchen Kriterien derartige Färbungen erfolgen. Auch hier ist ähnlich wie für die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid eine Gebundenheit an den historischen oder den argumentativen Kontext zu erwarten. 4. Die Kontextgebundenheit sowohl der theoretischen Bewertung als auch der Darstellung von Selbsttötung läßt eine Instrumentalisierung des Phänomens Suizid vermuten, die eine auf einer allgemein verbindlichen Moral basierende Beurteilung wiederum relativieren muß. Eine literarische Instrumentalisierung von Suizid kann nur erfolgen, wenn allgemein bekannte Assoziationen vorhanden sind; diese Assoziationen berufen sich jedoch nicht auf eine moralische Bewertung des Suizids an sich, sondern auf andere Kriterien, allen voran die Motive, die zur Tat führten, oder die Art, wie sie ausgeführt wurde. Auf solche Weise mit Assoziationen verknüpft kann der Suizid die Rolle eines literarischen Mittels, einer Fiktionalisierungstechnik einnehmen, die dazu dient, die Darstellung eines Ereignisses oder einer Person in die eine oder andere Richtung zu deuten. Diesem Phänomen einer „gedeuteten Realität“37 werden wir in der literarischen Darstellung der Selbsttötung oft gegenüberstehen und entsprechend Rechnung tragen müssen, wobei bisweilen die Deutung auch weit über die Realität hinausgeht, daß man von reiner Fiktion sprechen muß.
37 Vgl. H. BRANDT (Hg.), Gedeutete Realität, bes. DERS., 9–11. 141f.
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I. Einleitung
2.4 Gliederung der Arbeit Aufbauend auf die gerade formulierten Thesen, gliedert sich die Arbeit in zwei Hauptteile: Der erste Teil widmet sich der theoretischen Auseinandersetzung mit Suizid, wobei es vor allem darum gehen wird, die Entwicklung der Einstellung zur Selbsttötung in der Spätantike zu beleuchten und entsprechend Kontinuitäten oder Veränderungen herauszuarbeiten. Ein besonderes Augenmerk wird sich dabei auf die Haltung des Augustinus richten, dessen Theorie ausführlich ausgewertet und sodann in den Kontext seiner Zeit eingeordnet wird. Der zweite, größere Hauptteil stellt der Theorie die literarische Darstellung von Suiziden gegenüber. In vier Kategorien (exempla, persecutiones, imperatores und oppressi), die den Quellenbefund widerspiegeln, werden beispielhaft sowohl rezipierte klassische als auch zeitgenössische spätantike Suizidfälle betrachtet, die Einblicke in die Suizidmotive und die entsprechenden literarischen Deutungen liefern. Die abschließende gegenüberstellende und zugleich ineinandergreifende Betrachtung der theoretischen Ansätze und der literarischen Darstellungen soll ein repräsentatives Gesamtbild von der spätantiken Bewertung der Selbsttötung entstehen lassen.
II. DIE THEORETISCHE AUSEINANDERSETZUNG MIT SUIZID IN DER SPÄTANTIKE Die folgende Darstellung dient der Einführung in die Hintergründe der antiken Bewertung von Suizid und bildet zugleich die theoretische Grundlage für die im zweiten Teil folgende Untersuchung der literarischen Darstellung von Suizid in der Spätantike. Als Hinführung zur spätantiken Auseinandersetzung mit der Selbsttötung werden zunächst in Form eines weitgehend chronologischen Überblicks die Diskussion in der antiken, griechischen Philosophie sowie deren Einflüsse und Weiterführung in der römischen Republik und Kaiserzeit behandelt. Es schließt sich die Thematisierung der Suizidfrage im Neuplatonismus an, die das philosophische Bindeglied zwischen den antiken Theorien und der christlichen Auseinandersetzung mit dem Thema bildet. Die darauf folgende Untersuchung der theoretischen Bewertung der Selbsttötung im Christentum wird in drei Abschnitte gegliedert sein. Die Auseinandersetzung Augustins mit dem Thema steht dabei im Zentrum, da seine Aussagen sowohl in Hinsicht auf ihre Quellen als auch bezüglich ihres Wirkens auf die Folgezeit besondere Beachtung verdienen. Schließlich gilt ein letztes Kapitel der Behandlung der Selbsttötung in den juristischen Quellen. Hier wird vor allem interessant sein, in welchen Kontexten der Suizid auftaucht, in welchen Bereichen sich Entwicklungen sowohl im profanen als auch im kirchlichen Recht ausmachen lassen, und ob schließlich Verbindungen zwischen den gesetzlichen Regelungen und der theoretischen Diskussion erkennbar sind.
1. VORBEDINGUNGEN: SUIZID IN DER KLASSISCHEN ANTIKE Wenn es dich nun auch erfreut, mit Griechen zusammenzuleben, verkehre mit Sokrates, mit Zenon: der eine wird dich zu sterben lehren, wenn es notwendig sein wird, der andere, bevor es notwendig sein wird.38
Mit dieser Bemerkung referiert L. Annaeus Seneca die beiden zentralen philosophischen Theorien zur Selbsttötung der griechischen Antike, nämlich diejenigen Platons und der Stoa, die nachhaltig auch die römische Philosophie und Literatur beeinflußten. Aus philosophischer Sicht war für die Griechen wie für die Römer die Erlaubtheit des Suizids ein Problem, das nie definitiv gelöst werden konnte, das aber immer wieder diskutiert wurde. Generell kann man von einer relativen, aber „reellen Toleranz“ sprechen, wenn man bedenkt, daß keine Lehre den Suizid völlig verdammte, allerdings auch keine ihn vorbehaltlos billigte.39 Auch bei der deutlichsten Ablehnung der Selbsttötung sind immer Ausnahmen zugelassen. In der griechischen Philosophie sind im allgemeinen zwei Strömungen festzustellen: Zum einen die philosophischen Schulen, die wegen ihrer mystischen Tendenz den Suizid eher negativ bewerteten, wobei sie religiöse Motive zu Kritik veranlaßten; hierzu sind besonders die Pythagoreer und Platon zu zählen. Zum anderen die Schulen, die ihr Urteil vom jeweiligen Fall abhängig machten und ihre Bewertung auf eher rationale Begründungen stützten: so die Kyrenaiker, Epikureer und schließlich besonders die Stoiker.40 Es ist nicht Zweck dieser Untersuchung, alle philosophischen Theorien in Ausführlichkeit erneut zu behandeln, so daß im folgenden nur diejenigen Schulen und Gedanken aufgegriffen werden, die für die Behandlung der spätantiken Bewertung der Selbsttötung bedeutend sind.41 Die Pythagoreer übten heftige Kritik am Selbstmord, die auf der Theorie von der Trennung von Seele und Körper basierte. Sie gründet auf dem religiösen Argument, daß die Seele im Diesseits Reinheit erlangen müsse, bevor sie aus dem Gefängnis des Körpers entfliehen könne. Die Existenz im Körper wird als Strafe 38 Sen. epist. 104, 21: [...] Quod si convivere etiam Graecis iuvat, cum Socrate, cum Zenone versare: alter te docebit mori si necesse erit, alter antequam necesse erit. 39 Vgl. Y. GRISÉ, Le suicide, 167, die für die griechische Philosophie feststellt: „En vérité, les discussions philosophiques des Grecs font état d’une réelle tolérance à l’égard du suicide, si l’on veut bien considérer le fait qu’aucune doctrine n’approuve ni ne condamne absolument cet acte.“ 40 Zu dieser Einordnung vgl. Y. GRISÉ, Le suicide, 168. 41 Wegen der Beschränkung auf die für unsere Untersuchung notwendigen philosophischen Gedankenansätze sei zudem auf die zahlreichen ausführlicheren Publikationen verwiesen, u.a.: G. GARRISSON, Le suicide, bes. 11–23; K.A. GEIGER, Der Selbstmord; R. HIRZEL, ARW 11, 1907, 75–104. 243–284. 417–476, zur theoretischen Beurteilung von Suizid bes. 255ff.; A. BAYET, Le suicide et la morale; G. SCHERER, Das Problem des Todes; F. HAMMER, Selbsttötung; Y. GRISÉ, Le suicide, bes. 167–185; A. VAN HOOFF, Autothanasia, bes. 179–197; E.P. GARRISON, TAPA 121, 1991, 1–34, bes. 14–20; T.D. HILL, Ambitiosa Mors.
1. Vorbedingungen: Suizid in der klassischen Antike
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Gottes angesehen, von der sich der Mensch nicht eigenwillig lösen könne. Damit lehnen die Pythagoreer Suizid als Ungehorsam gegenüber der göttlichen Autorität ab.42 In der platonischen Auseinandersetzung mit dem Suizid geht es zunächst um die grundlegende Frage, ob ein Philosoph sich, um die endgültige Katharsis zu erlangen, selbst töten solle. Im Phaidon läßt Platon Sokrates kurz vor seinem Tod die Theorie der Pythagoreer von der im Körper gefangenen Seele aufgreifen und postuliert, der Philosoph solle den Tod suchen, um die Seele von den Leidenschaften zu befreien, dennoch sei es nicht recht, sich selbst Gewalt anzutun.43 Auf die Frage des Kebes, warum dies nicht recht sei, führt Sokrates zwei Gründe an, die gegen die Selbsttötung sprechen: 1. Die Seele dürfe dem Gefängnis des Körpers nicht ohne weiteres entfliehen (dies entspricht dem Ansatz der Pythagoreer). 2. Der Mensch sei Besitz Gottes und dürfe sich nicht töten ohne Zeichen von Gott.44 Der zweite Punkt ist für die platonische Argumentation von großer Wichtigkeit und wird von Sokrates etwas später nochmals formuliert: Demnach ist es also vielleicht doch nicht so widersinnig, daß man sich selbst nicht eher töten soll, als bis Gott irgendeine Notwendigkeit verhängt hat, wie die, die jetzt für uns besteht.45
Dieses Argument, mit dem Sokrates den Freunden zugleich auch seinen eigenen Tod erklärt, läßt sich auch positiv formulieren: Suizid ist dann erlaubt, wenn die Notwendigkeit, die ἀνάγκη dazu gegeben ist, die wiederum von Gott angezeigt wird. Die Stelle zeigt auch, daß Platon offenbar den Tod des Sokrates, obgleich dieser genötigt wurde, den Schierlingsbecher zu leeren, als Suizid auffaßte, der durch die ἀνάγκη legitimiert werden mußte.46 Daß die Verurteilung zum freiwil-
42 Vgl. Plat. Phaid. 61d; dazu R. HIRZEL, ARW 11, 1907, 278; Y. GRISE, Le suicide, 168. Neben der religiösen Erklärung begründen sie die Ablehnung des Suizids auch philosophisch auf dem Argument der Zahl (vgl. ebd. 168f. mit weiterer Literatur). Die Beziehung von Seele und Körper scheint von der zahlenmäßigen Beziehung geleitet zu werden, deren Harmonie durch die Selbsttötung gestört würde. Der gleiche Ansatz ist (vgl. ebd. 169f.) auch später bei Macr. somn. 1, 13 zu finden. 43 Plat. Phaid. 62a–e. Dazu ausführlich J. WARREN, JHS 121, 2001, 91–106. Vgl. J.C.G. STRACHAN, CQ 20, 1970, 216–220, der meint, daß das im Phaidon formulierte Suizidverbot nicht auf eine pythagoreische Theorie, sondern auf die orphische Mythologie zurückgehe. 44 Plat. Phaid. 62b: [...] οὐ μέντοι ἀλλ᾿ ἴσως γ᾿ ἔχει τινὰ λόγον. ὁ μὲν οὖν ἐν ἀπορρήτοις λεγόμενος περὶ αὐτῶν λόγος, ὡς ἔν τινι φρουρᾷ ἐσμεν οἱ ἄνθρωποι καὶ οὐ δεῖ δὴ ἑαυτὸν ἐκ ταύτης λύειν οὐδ᾿ ἀποδιδράσκειν, μέγας τέ τίς μοι φαίνεται καὶ οὐ ῥᾴδιος διιδεῖν· οὐ μέντοι ἀλλὰ τόδε γέ μοι δοκεῖ, ὦ Κέβης, εὖ λέγεσθαι, τὸ θεοὺς εἶναι ἡμῶν τοὺς ἐπιμελουμένους καὶ ἡμᾶς τοὺς ἀνθρώπους ἐν τῶν κτημάτων τοῖς θεοῖς εἶναι. 45 Plat. Phaid. 62c: [...] ῎Ισως τοίνυν ταύτῃ οὐκ ἄλογον μὴ πρότερον αὑτὸν ἀποκτεινύναι δεῖν, πρὶν ἀνάγκην τινὰ θεὸς ἐπιπέμψῃ, ὥσπερ καὶ τὴν νῦν ἡμῖν παροῦσαν. Übers. v. B. ZEHNPFENNIG, in: Platon, Phaidon. 46 Vgl. R. HIRZEL, ARW 11, 1907, 245 m. Anm. 2, der es für eine auffallende Tatsache hält, daß Sokrates an dieser Stelle unter die Selbstmörder gerechnet wird. Zur Bewertung des Todes von Sokrates vgl. auch A.J. DROGE – J.D. TABOR, A Noble Death, 17–51 (zur Darstellung bei Platon bes. 20–22), die aber nicht auf diese Auffälligkeit hinweisen, sondern das Ende des Sokrates nach der Definition ihres Untersuchungsgegenstandes unter „voluntary death“ (vgl.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
ligen Tod, bzw. das Einräumen der freien Wahl der Todesart, in der Antike durchaus als Suizid verstanden wurde, wird uns auch in der Spätantike begegnen, so wie auch der Tod des Sokrates immer wieder als Paradigma zur Rechtfertigung anderer Suizide oder des freiwilligen Todes diente.47 Die Theorie von der ἀνάγκη erscheint dabei wie eine Art „loophole“,48 durch das die Selbsttötung, die grundsätzlich abgelehnt wird, wieder eine zulässige Handlung werden kann. In den Nomoi widmet Platon der Selbsttötung einen Abschnitt, der auf die Gesetze über den Mord und den Verwandtenmord folgt. Drei Gründe führt Platon er hier an, die den Suizid legitimieren: 1. Die Auferlegung der Selbsttötung als Strafe durch den Staat; 2. eine schmerzvolle und ausweglose Zwangslage; 3. eine schwerwiegende, unerträgliche Schande. Diejenigen aber, die aus keinem dieser Gründe, sondern aus unmännlicher Furchtsamkeit ihr Leben gewaltsam beendeten, sollten ruhm- und ehrlos bestattet werden.49 Auch hier in der Formulierung als gesetzliche Regelung sind also Ausnahmen vom Suizidverbot zu erkennen. Daß zu diesen Ausnahmen auch die Verurteilung durch den Staat gezählt wird, bestärkt die Annahme, daß ein solcher Tod wie der des Sokrates von Platon als Suizid aufgefaßt wurde. Neben der Anzeige einer Notwendigkeit durch Gott scheint damit die hauptsächliche Legitimierung von Suizid das Handeln zum Wohle des Staates zu sein.50
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ebd. 4) subsimieren. Auf die ethische Problematik der Definition von Suizid weist anhand dieses Beispiels auch M. RIST, Stoic Philosophy, 234f. hin. Vgl. etwa A. RONCONI, s.v. exitus illustrium virorum, RAC 6, 1966, 1258: „Daß sich von hier ein echter literarischer Topos herleitet, kann man erkennen, wenn man mit der Darstellung Platons den Tod des Cato Uticensis vergleicht, den uns Plutarch nach stoischen Quellen überliefert (...)“. Vgl. auch C. GNILKA, Chresis 9, 188–192. So M. RIST, Stoic Philosophy, 235 und A.J. DROGE – J.D. TABOR, A Noble Death, 21. Plat. Lg. 873c–d: Τὸν δὲ δὴ πάντων οἰκειότατον καὶ λεγόμενον φίλτατον ὃς ἂν ἀποκτείνῃ, τί χρὴ πάσχειν; λέγω δὲ ὃς ἂν ἑαυτὸν κτείνῃ, τὴν τῆς εἱμαρμένης βίᾳ ἀποστερῶν μοῖραν, μήτε πόλεως ταξάσης δίκῃ, μήτε περιωδύνῳ ἀφύκτῳ προσπεσούσῃ τύχῃ ἀναγκασθείς, μηδὲ αἰσχύνης τινὸς ἀπόρου καὶ ἀβίου μεταλαχών, ἀργίᾳ δὲ καὶ ἀνανδρίας δειλίᾳ ἑαυτῷ δίκην ἄδικον ἐπιθῇ. τούτῳ δὴ τὰ μὲν ἄλλα θεὸς οἶδεν ἃ χρὴ νόμιμα γίγνεσθαι περὶ καθαρμούς τε καὶ ταφάς, ὧν ἐξηγητάς τε ἅμα καὶ τοὺς περὶ ταῦτα νόμους ἐπανερομένους χρὴ τοὺς ἐγγύτατα γένει ποιεῖν αὐτοῖσιν κατὰ τὰ προσταττόμενα· τάφους δ᾿ εἶναι τοῖς οὕτω φθαρεῖσι πρῶτον μὲν κατὰ μόνας μηδὲ μεθ᾿ ἑνὸς συντάφου, εἶτα ἐν τοῖς τῶν δώδεκα ὁρίοισι μερῶν τῶν ὅσα ἀργὰ καὶ ἀνώνυμα θάπτειν ἀκλεεῖς αὐτούς, μήτε στήλαις μήτε ὀνόμασι δηλοῦντας τοὺς τάφους. Vgl. E.P. GARRISON, TAPA 121, 1991, 16–18. In der Politeia argumentiert Sokrates gegen die Anwendung der Heilkunst bei aussichtsloser Krankheit bzw. völlig verdorbener Konstitution, weil ein verlängertes, elendes Dasein dem Gemeinwohl nicht von Nutzen sei: Plat. R. 407c–e: Οὐκοῦν ταῦτα γιγνώσκοντα φῶμεν καὶ ᾿Ασκληπιὸν τοὺς μὲν φύσει τε καὶ διαίτῃ ὑγιεινῶς ἔχοντας τὰ σώματα, νόσημα δέ τι ἀποκεκριμένον ἴσχοντας ἐν αὑτοῖς, τούτοις μὲν καὶ ταύτῃ τῇ ἕξει καταδεῖξαι ἰατρικήν, φαρμάκοις τε καὶ τομαῖς τὰ νοσήματα ἐκβάλλοντα αὐτῶν τὴν εἰωθυῖαν προστάττειν δίαιταν, ἵνα μὴ τὰ πολιτικὰ βλάπτοι; τὰ δ᾿ εἴσω διὰ παντὸς νενοσηκότα σώματα οὐκ ἐπιχειρεῖν διαίταις κατὰ σμικρὸν ἀπαντλοῦντα καὶ ἐπιχέοντα μακρὸν καὶ κακὸν βίον ἀνθρώπῳ ποιεῖν, καὶ ἔκγονα αὐτῶν, ὡς τὸ εἰκός, ἕτερα τοιαῦτα φυτεύειν, ἀλλὰ τὸν μὴ δυνάμενον ἐν τῇ καθεστηκυίᾳ περιόδῳ ζῆν μὴ οἴεσθαι δεῖν θεραπεύειν, ὡς οὔτε αὑτῷ οὔτε πόλει λυσιτελῆ; Ähnlich ist wohl auch die Empfehlung in den Gesetzen zu deuten, der unheilbar kranke, wahnhafte Religionsfrevler solle das Leben verlassen: Plat. Lg. 854b–c: ὅταν
1. Vorbedingungen: Suizid in der klassischen Antike
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Auch Aristoteles lehnt den Suizid auf der Basis seiner Herrschaftstheorie auf sozialer Ebene ab.51 Der Mensch kann nicht gegen sich selbst Unrecht tun, sondern nur gegen den Staat. In dieser Hinsicht wird der Suizid nicht als Unrecht gegen den Menschen, der sich ja freiwillig tötet,52 sondern als Vergehen gegen die Polis gewertet, weil der Mensch ihr durch seine Selbsttötung einen Bürger raubt.53 Damit wird aber nicht der Suizid als Tat abgelehnt, sondern die Handlungsweise und die Intention des Selbstmörders, die sich gegen das Interesse der Polis richten. Demgegenüber lobt Aristoteles etwa diejenigen, die freiwillig ihr Leben für die Freunde oder für das Vaterland geben.54 Bei den Epikureern ist die Haltung zum Suizid geprägt von ihrer Einstellung zum Leben. Als das einzige Mittel, auf das Ende zu warten, sehen sie die Freude der Seele an.55 Diese Freude kann nur durch die Zufriedenheit des Geistes erlangt werden, die wiederum durch zurückgezogenes Leben herbeigeführt wird. Den Tod beschreiben sie als einen Zustand der Empfindungslosigkeit, so daß sie diejenigen kritisieren, die paradoxerweise die Furcht vor dem Tode in den Suizid treibe.56 In seinen Epistulae fast Seneca diese Auffassung zusammen:
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σοι προσπίπτῃ τι τῶν τοιούτων δογμάτων, ἴθι ἐπὶ τὰς ἀποδιοπομπήσεις, ἴθι ἐπὶ θεῶν ἀποτροπαίων ἱερὰ ἱκέτης, ἴθι ἐπὶ τὰς τῶν λεγομένων ἀνδρῶν ὑμῖν ἀγαθῶν συνουσίας, καὶ τὰ μὲν ἄκουε, τὰ δὲ πειρῶ λέγειν αὐτός, ὡς δεῖ τὰ καλὰ καὶ τὰ δίκαια πάντα ἄνδρα τιμᾶν· τὰς δὲ τῶν κακῶν συνουσίας φεῦγε ἀμεταστρεπτί. καὶ ἐὰν μέν σοι δρῶντι ταῦτα λωφᾷ τι τὸ νόσημα· εἰ δὲ μή, καλλίω θάνατον σκεψάμενος ἀπαλλάττου τοῦ βίου. Zur aristotelischen Haltung vgl. Y. GRISÉ, Le suicide, 172–175. Unter den Berichten über Aristoteles’ Ende findet sich auch derjenige, er habe sich im Alter von 70 Jahren mit dem Schierlingstrank vergiftet, vgl. D.L. 5, 6. Vgl. Arist. EN 1136a. 1113b. Arist. EN 1138a.: Πότερον δ᾿ ἐνδέχεται ἑαυτὸν ἀδικεῖν ἢ οὔ, φανερὸν ἐκ τῶν εἰρημένων. τὰ μὲν γάρ ἐστι τῶν δικαίων τὰ κατὰ πᾶσαν ἀρετὴν ὑπὸ τοῦ νόμου τεταγμένα, οἷον οὐ κελεύει ἀποκτιννύναι ἑαυτὸν ὁ νόμος, ἃ δὲ μὴ κελεύει, ἀπαγορεύει. ἔτι ὅταν παρὰ τὸν νόμον βλάπτῃ μὴ ἀντιβλάπτων ἑκών, ἀδικεῖ, ἑκὼν δὲ ὁ εἰδὼς καὶ ὃν καὶ ᾧ· ὁ δὲ δι᾿ ὀργὴν ἑαυτὸν σφάττων ἑκὼν τοῦτο δρᾷ παρὰ τὸν ὀρθὸν λόγον, ὃ οὐκ ἐᾷ ὁ νόμος· ἀδικεῖ ἄρα. ἀλλὰ τίνα; ἢ τὴν πόλιν, αὑτὸν δ᾿ οὔ; ἑκὼν γὰρ πάσχει, ἀδικεῖται δ᾿ οὐδεὶς ἑκών. διὸ καὶ ἡ πόλις ζημιοῖ, καί τις ἀτιμία πρόσεστι τῷ ἑαυτὸν διαφθείραντι ὡς τὴν πόλιν ἀδικοῦντι. Vgl. dazu R. HIRZEL, ARW 11, 1907, 264. 271. Vgl. Arist. EN 1169a. Epic. ep. Men. 128f. (= D.L. 10, 128f.): [...] Τότε γὰρ ἡδονῆς χρείαν ἔχομεν, ὅταν ἐκ τοῦ μὴ παρεῖναι τὴν ἡδονὴν ἀλγῶμεν· οὐκέτι τῆς ἡδονῆς δεόμεθα. Καὶ διὰ τοῦτο τὴν ἡδονὴν ἀρχὴν καὶ τέλος λέγομεν εἶναι τοῦ μακαρίως ζῆν· ταύτην γὰρ ἀγαθὸν πρῶτον καὶ συγγενικὸν ἔγνωμεν, καὶ ἀπὸ ταύτης καταρχόμεθα πάσης αἱρέσεως καὶ φυγῆς καὶ ἐπὶ ταύτην καταντῶμεν ὡς κανόνι τῷ πάθει πᾶν ἀγαθὸν κρίνοντες. Καὶ ἐπεὶ πρῶτον ἀγαθὸν τοῦτο καὶ σύμφυτον, διὰ τοῦτο καὶ οὐ πᾶσαν ἡδονὴν αἱρούμεθα, ἀλλ᾿ ἔστιν ὅτε πολλὰς ἡδονὰς ὑπερβαίνομεν, ὅταν πλεῖον ἡμῖν τὸ δυσχερὲς ἐκ τούτων ἕπηται· καὶ πολλὰς ἀλγηδόνας ἡδονῶν κρείττους νομίζομεν, ἐπειδὰν μείζων ἡμῖν ἡδονὴ παρακολουθῇ πολὺν χρόνον ὑπομείνασι τὰς ἀλγηδόνας. Zur epikureeischen Haltung zum Suizid vgl. u.a. T.D. HILL, Ambitiosa Mors, 73–85. Vgl. Epic. ep. Men. 125–127 (= D.L. 10, 125–127). Auch Sokrates betont seine Unwissenheit über die Beschaffenheit des Todes und bemerkt, er werde niemals etwas fürchten oder fliehen, von dem er nicht wisse, ob es gut oder übel sei, vgl. Plat. Ap. 29a: τὸ γάρ τοι θάνατον δεδιέναι, ὦ ἄνδρες, οὐδὲν ἄλλο ἐστὶν ἢ δοκεῖν σοφὸν εἶναι μὴ ὄντα· δοκεῖν γὰρ εἰδέναι
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid Epikur macht denen Vorwürfe, die den Tod herbeiwünschen, wie denen, die ihn fürchten, und sagt: „Lächerlich ist es, aus Überdruß am Leben in den Tod zu eilen, da du durch deine Lebensverhältnisse dafür gesorgt hast, daß du in den Tod eilen mußtest.“ Ebenso sagt er an anderer Stelle: „Was ist so lächerlich, wie den Tod zu wünschen, obwohl du dir das Leben ruhelos gemacht hast durch die Furcht vor dem Tode?“57
Diese negative Haltung gegenüber dem Suizid aus Lebensüberdruß oder aufgrund der Furcht vor dem Tod bedeutet freilich keine konsequente Ablehnung der Selbsttötung, sondern läßt vielmehr schließen, daß auch den Epikureern der Suizid unter bestimmten Umständen durch Notwendigkeit legitim erschien. Die positive Haltung gegenüber dem Suizid brachte aber ohne Zweifel am deutlichsten die Stoa zum Ausdruck.58 Auf der Grundlage, daß Leben und Tod moralisch weder als gut noch als schlecht bewertet, sondern als indifferentia behandelt werden,59 ist auch die Selbsttötung nicht grundsätzlich schlecht oder gut. Dem Prinzip des secundum naturam vivere folgend, basiert alles auf dem λóγος und dem angemessenen Grund. Der Suizid kann demnach durch Vernunft begründet und mit guten Argumenten gerechtfertigt, ja sogar gefordert sein. Das vernunftgemäße Austreten aus dem Leben (εὔλογος ἐξαγωγή) ist durch angemessene Gründe legitimiert. Die Stoa sage, so überliefert Diogenes Laertius, der Weise mache seinem Leben ein Ende für das Vaterland, für die Freunde, bei unerträglichen Schmerzen, Verstümmelung oder unheilbarer Krankheit.60 Die zulässigen Gründe für Suizid sind denen der platonischen Theorie ähnlich, im Unterschied zu ihr ist aber für die stoische Lehre die Selbsttötung eines Individuums, wenn sie
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ἐστὶν ἃ οὐκ οἶδεν. οἶδε μὲν γὰρ οὐδεὶς τὸν θάνατον οὐδ᾿ εἰ τυγχάνει τῷ ἀνθρώπῳ πάντων μέγιστον ὂν τῶν ἀγαθῶν, δεδίασι δ᾿ ὡς εὖ εἰδότες ὅτι μέγιστον τῶν κακῶν ἐστι. Sen. epist. 24, 22f.: [...] Obiurgat Epicurus non minus eos qui mortem concupiscunt quam eos qui timent, et ait: ‚ridiculum est currere ad mortem taedio vitae, cum genere vitae ut currendum ad mortem esset effeceris‘. Item alio loco dicit: ‚quid tam ridiculum quam adpetere mortem, cum vitam inquietam tibi feceris metu mortis?‘ Übers. hier wie im folgenden nach M. ROSENBACH, in: L. Annaeus Seneca. Daß Seneca selbst diese Haltung übernimmt, belegt v.a. epist. 70, 8: Aliquando tamen, etiam si certa mors instabit et destinatum sibi supplicium sciet, non commodabit poenae suae manum: sibi commodaret. Stultitia est timore mortis mori: venit qui occidat, expecta. Quid occupas? quare suscipis alienae crudelitatis procurationem? utrum invides carnifici tuo an parcis? Zu Seneca vgl. ausführlicher auch u. S. 31–33. Als Vorstufe zur positiven Haltung der Stoa gelten die Kyniker. Laut Diogenes Laertius riet Diogenes von Sinope nicht nur dem Speusipp (D.L. 4, 3), sondern auch seinem Lehrer Antisthenes (D.L. 6, 18) zur Selbsttötung. Vgl. R. HIRZEL, ARW 11, 1907, 279f. mit weiteren Stellen. M. RIST, Stoic Philosophy, 238 weist dagegen darauf hin, daß „although the Cynics advocated, and sometimes practised, suicide for a variety of reasons, they did not attach great importance to it. It is indeed a matter of indifference.“ Zur kynischen Haltung ferner K.A. GEIGER, Der Selbstmord, 10f.; Y. GRISÉ, Le suicide, 178–180. Dazu E. HOFFMANN, Leben und Tod; E. BENZ, Das Todesproblem. Zeno, SVF III frg. 157 (= D.L. 7, 130): [...] Εὐλόγως τέ φασιν ἐξάξειν ἑαυτὸν τοῦ βίου τὸν σοφὸν καὶ ὑπὲρ πατρίδος καὶ ὑπὲρ φίλων, κἂν ἐν σκληροτέρᾳ γένηται ἀλγηδόνι ἢ πηρώσεσιν ἢ νόσοις ἀνιάτοις. Zur stoischen Haltung zum Suizid vgl. u.a. M.M. VON BAUMHAUER, Peri tes eulogou exagoge; J.M. RIST, Stoic Philosophy, 238–255.
1. Vorbedingungen: Suizid in der klassischen Antike
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dem Gemeinwohl dient, nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtend.61 Aus der rationalen Begründung des Suizids kann sich so unter Umständen auch eine moralische Verpflichtung ergeben, d.h.: Suizid ist nicht nur in manchen Fällen, erlaubt, sondern kann unter Umständen auch eine sittliche Pflicht sein. Die Bewertung des Suizids als ehrenhafte und moralische Verpflichtung spiegelt sich besonders in der römischen Literatur und dem in ihr gerade in der späten Republik und frühen Kaiserzeit häufigen Auftreten von Suiziddarstellungen wider.62 Das Bild, das große Teile der römischen Literatur in ihrer Suiziddarstellung vermitteln, ist gewissermaßen eine Fortsetzung der stoischen Reflexion. Es drückt sich in Respekt und Bewunderung aus, manchmal auch in Indifferenz und Schweigen, niemals aber oder zumindest nur sehr selten in direkter Ablehnung. Der Grad der Anerkennung ist, der stoischen Theorie folgend, abhängig von den Umständen, Gründen und Motiven, die zur Tat führten. Unter den literarischen Quellen der römischen Zeit überwiegen die Suiziddarstellungen vor allem in der Historiographie, wobei das Phänomen des exitus illustrium virorum als rhetorisches Mittel keine unbedeutende Rolle gespielt haben wird.63 Die Selbstmörder fungieren in diesen Darstellungen oft als Modell der nobilitas, der dignitas und vor allem des stoischen und römisch-republikanischen Ideals der libertas und werden so als exempla vorgeführt. Dargestellt ist oft ein prestigehaftes Bild heroischer Figuren, die sich töten, um das Vaterland zu schützen, ihre Ehre zu bewahren, einer Verbannung oder einer Niederlage zu entgehen, während andererseits unehrenhafte Motive wie Feigheit oder schlechtes Gewissen zu negativen Darstellungen der Figur und ihrer Tat führen.64 Daraus wird ersichtlich, daß für die römische, weitgehend stoisch geprägte Denkweise allein das Motiv, das zur Tat führt, nicht die Tat selbst zählt. Das berühmteste Beispiel für einen solchen Suizid stellt Cato Uticensis dar.65
61 Vgl. J.M. RIST, Stoic Philosophy, 254, der zusammenfassend feststellt, es gebe „no single Stoic theory of suicide, though we can recognize a number of largely unformulated assumptions common to many of the Stoics.“ M. GRIFFIN, G&R 33, 1986, 72, schreibt der Parallele zur platonischen Haltung größere Bedeutung zu: „They seem to have revered the view of Socrates, and their doctrine can be described as an internalization of Socrates’ divine necessity so that it becomes a dictate of man’s own reason, which tells him when life according to nature is no longer possible.“ Die moralische Verpflichtung zur Selbsttötung wird erst mit Seneca deutlich formuliert, s.u. S. 31–33. 62 Vgl. A. VAN HOOFF, Autothanasia, 234, von dessen 960 gesammelten antiken Fällen der Großteil in die Zeit der späten Republik (164) und frühen Kaiserzeit (255) fällt. Vgl. auch die Zusammenstellung bei Y. GRISÉ, Latomus 39, 1980, 17–46 und DIES., Le suicide, 31–57. 63 Besonders viele Beispiele finden sich bei Tacitus, Valerius Maximus, Velleius Paterculus sowie in der griechischsprachigen Geschichtsschreibung v.a. bei Cassius Dio und Plutarch. Vgl. dazu die umfangreiche Aufstellung bei A. VAN HOOFF, Autothanasia, 198–232. Zum Begriff exitus illustrium virorum vgl. Plin. epist. 5, 3; 8, 12 und zu dieser Erscheinung A. RONCONI, s.v. exitus illustrium virorum, RAC 6, 1966, 1258–1268, der die Entwicklung bis unter die christlichen Autoren verfolgt. Dazu kritisch auch C. GNILKA, Chresis 9, 188 m. Anm. 3. 64 Vgl. bspw. die Suiziddarstellungen des Sex. Papinius in Tac. ann. 6, 49 (dazu u. S. 200, Anm. 662) oder des Tigellinus in Tac. hist. 1, 72. 65 Zu Cato ausführlich u. Kap. III 1.2.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
Trotz des starken stoischen Einflusses auf die Darstellung des Suizids in der römischen Literatur gibt es aber auch Anlehnungen an die platonische Theorie im Phaidon. Cicero etwa vergleicht in den Disputationes Tusculanae Catos Suizid mit dem des Sokrates und verbindet dabei das „Schlupfloch“ der ἀνάγκη mit dem vernunftgemäßen Grund, den die Stoiker zur Legitimierung von Suizid fordern: Cato aber ist derart aus dem Leben geschieden, daß er sich freute, eine Ursache des Sterbens gefunden zu haben. Denn der in uns regierende Gott verbietet es, ohne seinen Befehl von hier aus wegzuwandern. Wenn aber die Gottheit selbst eine gerechte Ursache gegeben hat, wie damals dem Sokrates, später dem Cato, oftmals vielen, dann wird, bei Gott, der Weise heiter aus dieser Finsternis in jenes Licht übergehen; er wird nicht die Ketten des Gefängnisses zerbrechen, denn dies verbieten die Gesetze, sondern wie von der Behörde oder einer anderen gesetzlichen Macht, so wird er, von Gott aufgerufen und entlassen, aus dem Leben scheiden.66
Die gerechte Ursache (causa iusta) wird nach Cicero also durch jenen Gott in uns (ille in nobis deus) angezeigt, ohne dessen Befehl (iniussu) Suizid nicht erlaubt sei. Ganz ähnlich formuliert Cicero dies auch im Somnium Scipionis, wo er Scipios Vater zu seinem Sohn, der den Tod herbeisehnt, sagen läßt: Nur wenn dich der Gott, dem dieser ganze Tempel gehört, den du schaust, aus diesem Kerker des Körpers befreit, kann dir der Zugang hier offen stehen. Die Menschen nämlich sind unter dem Gesetz gezeugt, daß sie jenen Ball, den du in diesem Tempel in der Mitte siehst, Erde genannt, schützen sollen, und es ist ihnen Geist gegeben aus jenen ewigen Feuern, die ihr Gestirne und Sterne heißt, die kugelförmig und rund mit göttlichem Geist beseelt, ihre Kreise und Bahnen mit wunderbarer Schnelligkeit erfüllen. Daher müßt ihr, Publius, und alle Frommen, den Geist in dem Kerker des Körpers zurückhalten und dürft nicht ohne Geheiß dessen (iniussu eius), von dem er euch gegeben wurde, aus dem Leben der Menschen gehen, damit ihr nicht die menschliche Aufgabe, die euch von Gott bestimmt wurde, zu fliehen scheint.67
66 Cic. Tusc. 1, 74: Cato autem sic abiit e vita, ut causam moriendi nactum se esse gauderet. Vetat enim dominans ille in nobis deus iniussu hinc nos suo demigrare; cum vero causam iustam deus ipse dederit, ut tunc Socrati, nunc Catoni, saepe multis, ne ille me Dius Fidius vir sapiens laetus ex his tenebris in lucem illam excesserit, nec tamen ille vincla carceris ruperit – leges enim vetant – sed tamquam a magistratu aut ab aliqua potestate legitima, sic a deo evocatus atque emissus exierit. Tota enim philosophorum vita, ut ait idem, commentatio mortis est. Übers. v. O. GIGON, in: Cicero, Gespräche in Tusculum. Vgl dazu T.D. HILL, Ambitiosa Mors, 54–57. Zum Verhältnis Ciceros zu Platon vgl. H. DÖRRIE (Hg.), Die geschichtlichen Wurzeln des Platonismus, 483ff., sowie im speziellen zum Verhältnis des ersten Buches der Tusculanen zu Platons Phaidon, ebd. 506–509. 67 Cic. rep. 6, 15: [...] nisi enim cum deus is, cuius hoc templum est omne quod conspicis, istis te corporis custodiis liberaverit, huc tibi aditus patere non potest. homines enim sunt hac lege generati, qui tuerentur illum globum, quem in hoc templo medium vides, quae terra dicitur, iisque animus datus est ex illis sempiternis ignibus quae sidera et stellas vocatis, quae globosae et rotundae, divinis animatae mentibus, circos suos orbesque conficiunt celeritate mirabili. Quare et tibi, Publi, et piis omnibus retinendus animus est in custodia corporis, nec iniussu eius a quo ille est vobis datus, ex hominum vita migrandum est, ne munus humanum adsignatum a deo defugisse videamini. Übers. v. K. BÜCHNER, in: Cicero, Der Staat. Über Ciceros Haltung zum Suizid, die sicherlich mehr Aufmerksamkeit verdient, als ihr hier zuteil werden kann, vgl. ausführlich T.D. HILL, Ambitiosa Mors, 31–71.
1. Vorbedingungen: Suizid in der klassischen Antike
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Das Bild vom Tod als Befreiung des Menschen aus dem Gefängnis des Körpers ist offensichtlich platonisch; das Zeichen für die Selbstbefreiung aus diesem Gefängnis mittels der Selbsttötung, das nach Platon von Gott angezeigt werden müsse, wird bei Cicero zu einem Befehl. Durch die Forderung einer causa iusta und durch das gleichzeitige Verbot, das Leben ohne Befehl Gottes eigenmächtig zu beenden, laufen aber in Ciceros Bewertung des Suizids die platonische und stoische Position zusammen.68 Diese Gedankenansätze werden gerade in der spätantiken Auseinandersetzung mit der Selbsttötung bedeutend: Macrobius wird sich in seinem Kommentar zum Somnium Scipionis aus neuplatonischer Sicht damit auseinandersetzen. Augustinus wird sowohl die causa iusta als auch den Befehl des deus in nobis für seine Argumentation gegen den Suizid wieder aufgreifen. Als Inbegriff der Stoa in der römischen Kaiserzeit gilt der Philosoph L. Annaeus Seneca, und zugleich ist sein Suizid einer der bekanntesten aus der römischen Kaiserzeit. Die Einzelheiten darüber Tod kennen wir vor allem durch die detailreiche Schilderung in Tacitus’ Annalen.69 Einige Details in der Beschreibung des Tacitus, besonders das Gespräch mit den Freunden, Senecas lange und ruhige Vorbereitung auf sein Ende und schließlich auch die Forderung, ihm das Gift zu reichen, das die zum Tode Verurteilten in Athen trinken mußten, lassen vermuten, daß Seneca offenbar das Modell des Sokrates imitiert.70 Trotz dieser offenbar bewußten Stilisierung nach dem platonischen Vorbild ist der Tod Senecas eher eine Widerspiegelung seiner stoischen Haltung zum Suizid.71 In seinem philosophischen Werk lassen sich eine Reihe Aussagen bezüglich seiner theoretischen Auseinandersetzung mit der Selbsttötung finden. Zahlreiche Briefe an Lucilius zeugen von Senecas Auffassung, man solle den Tod nicht fürchten72 und müsse bereit sein, das Leben unter Umständen selbst zu beenden, wobei die Gründe, die den Suizid rechtfertigen, vielfältig sind. Als Grund tritt vor allem die Unmöglichkeit 68 Vgl. ähnlich auch A.J. DROGE – J.D. TABOR, A Noble Death, 33f. 69 Vgl. Tac. ann. 15, 60–64 und auch die kritischere Darstellung bei D.C. 62, 25. Zum Tod des Seneca u.a. M. GRIFFIN, Seneca, 367–383 (zur Darstellung der Sterbeszene bes. 369–372); P. VEYNE, Seneca, 157–172; T.D. HILL, Ambitiosa Mors, 180–182. 70 Tac. ann. 15, 64, 3: [...] orat provisum pridem venenum, quo dnati publico Atheniensium iudicio extinguerentur, promeret. Zur Anspielung auf die Sterbeszene des Sokrates in der Darstellung des Tacitus vgl. M. GRIFFIN, Seneca, 369f.; vgl. ebd. auch über die Parallelen zwischen Senecas Tod und dem Suizid des Thrasea Paetus; ferner dazu R. MACMULLEN, Enemies, 75f. und A. RONCONI, s.v. exitus illustrium virorum, RAC 6, 1966, 1259, der (ebd. 1260) bemerkt, Tacitus färbe seine Berichte im Sinne der Topik der „Exitus-illustrium-virorum-Literatur“. 71 Zu Senecas Haltung zum Suizid vgl. v.a. N. TADIC-GUILLOTEAUX, AC 32, 1963, 541–551; J.M. RIST, Stoic Philosophy, 246–250 sowie die teilweise kritische Auseinandersetzung mit RISTS Ergebnissen bei M. GRIFFIN, Seneca, bes. 383–388; ferner ausführlich auch T.D. HILL, Ambitiosa Mors, 145–182; W. EVENEPOEL, AncSoc 34, 2004, 217–243. 72 Vgl. etwa Sen. epist. 4. 24. 30. 55. 70. 77. 82; bes. epist. 70, 9 wo wieder Sokrates als exemplum für einen ehrenvollen Tod ohne Furcht angeführt wird. M. GRIFFIN, Seneca, 384 meint, Seneca interessiere nicht so sehr der Suizid an sich, sondern vielmehr die Furcht vor dem Tode: „If we look at the context, we find, in an overwhelming number of cases, that what concerns Seneca is not suicide per se but the fear of death.“ Seneca habe den Suizid vor allem dazu benutzt, die Todesverachtung zu lehren, vgl. ebd. 386.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
hervor, ein sittlich und vernünftig gutes Leben zu führen, so gilt der Suizid etwa als ein Heilmittel in einer unerträglichen Lebenslage.73 Für Seneca zählen aber nicht nur unausweichliche Notsituationen zu den legitimen Gründen für Suizid, sondern auch weniger dringende Gründe.74 Besonders verächtlich beschreibt Seneca allein die Torheit dessen, der sich aus Furcht vor dem Tode töte.75 Senecas Diskussion dreht sich also eigentlich nicht um die Frage, ob Suizid generell erlaubt sei oder nicht, sondern eher darum, auf welche Weise und aus welchen Gründen man sein Leben beenden solle. Der Weise soll immer wohlüberlegt handeln und, ohne den Tod zu fürchten, abwägen, ob er sein Leben auf ehrenvolle Art beenden kann, was dann gegeben ist, wenn er durch den Tod der Gefahr entgeht, schlecht zu leben.76 Zu den Dingen, ohne die man zwar leben könne, doch ohne die es besser sei zu sterben, zählt Seneca in De beneficiis die Freiheit (libertas), den Anstand (pudicitia) und den guten Charakter (mens bona) des Philosophen.77 Auch die körperliche Krankheit stellt für ihn einen legitimen Grund dar, sich das Leben zu nehmen.78 Der Suizid ist damit für Seneca in erster Linie ein Mittel der Befreiung aus schlechten oder unwürdigen Lebenssituationen, so daß er denjenigen Philosophen, die den Suizid für Gotteslästerung hielten, erwi-
73 Vgl. Sen. epist. 77, 18: C. Caesar [i.e. Caligula], cum illum transeuntem per Latinam viam unus ex custodiarum agmine demissa usque in pectus vetere barba rogaret mortem, ‚nunc enim‘ inquit ‚vivis?‘ Hoc istis respondendum est quibus succursura mors est: ‚mori times: nunc enim vivis?‘. Vgl. auch epist. 70, 4: Idem evenire nobis puta: alios vita velocissime adduxit quo veniendum erat etiam cunctantibus, alios maceravit et coxit. Quae, ut scis, non semper retinenda est; non enim vivere bonum est, sed bene vivere. Itaque sapiens vivit quantum debet, non quantum potest. 74 Sen. epist. 77, 4: Iter inperfectum erit si in media parte aut citra petitum locum steteris: vita non est inperfecta si honesta est; ubicumque desines, si bene desines, tota est. Saepe autem et fortiter desinendum est et non ex maximis causis; nam nec eae maximae sunt quae nos tenent. Im folgenden stellt Seneca exempla für derartiges tugendhaftes Verhalten angesichts des Todes vor. Ähnlich auch epist. 70, 5: Si multa occurrunt molesta et tranquillitatem turbantia, emittit se; nec hoc tantum in necessitate ultima facit, sed cum primum illi coepit suspecta esse fortuna, diligenter circumspicit numquid illic desinendum sit. 75 Sen. epist. 70, 8: s.o. S. 28, Anm. 57. 76 Vgl. etwa Sen. epist. 70, 6: Citius mori aut tardius ad rem non pertinet, bene mori aut male ad rem pertinet; bene autem mori est effugere male vivendi periculum. Vgl. auch epist. 58, 34: At si inutile ministeriis corpus est, quidni oporteat educere animum laborantem? et fortasse paulo ante quam debet faciendum est, ne cum fieri debebit facere non possis; et cum maius periculum sit male vivendi quam cito moriendi, stultus est qui non exigua temporis mercede magnae rei aleam redimit. 77 Sen. benef. 1, 11, 4: Proxima ab his sunt, sine quibus possumus quidem vivere, sed ut mors potior sit, tamquam libertas et pudicitia et mens bona. 78 Seneca berichtet dem Lucilius, wie ihn die eigene Krankheit zu wiederholten Suizidversuchen drängte und ihn allein die Rücksicht auf seinen hochbetagten Vater abgehalten habe; epist. 78, 2: Saepe impetum cepi abrumpendae vitae: patris me indulgentissimi senectus retinuit. Zur Krankheit als ein Suizidgrund vgl. auch epist. 70, 15: Ego expectem vel morbi crudelitatem vel hominis, cum possim per media exire tormenta et adversa discutere? Hoc est unum, cur de vita non possimus queri: neminem tenet. Zu Senecas Überlegung, aus Altersschwäche den Suizid zu wählen, vgl. ferner epist. 58, 32–34.
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dert, sie behinderten mit ihrem Reden die Freiheit.79 Als ein solches Mittel der Befreiung erscheint auch Senecas eigener Tod. Nichts steht im Wege, auszubrechen und wegzugehen, wenn man will: in offenem Gefängnis bewacht uns die Natur. Wem es seine Situation gestattet, sehe sich nach einem sanften Ende um; wem mehr zur Hand ist, sich damit in Freiheit zu setzen, der wähle und überlege, wie er sich am besten befreie: wer schwer Gelegenheit findet, der ergreife gerade die nächste Gelegenheit anstelle der besten, sei sie unerhört, sei sie noch nie dagewesen. Ein Einfall zum Tode wird nicht fehlen, wenn der Mut nicht fehlt.80
Senecas Einstellung zum Suizid basiert auf der Theorie der Stoa, er geht zugleich aber über die hellenistische Tradition hinaus: Die Selbsttötung ist für ihn nicht nur durch vernünftige Gründe legitimiert, sondern eine ehrenvolle und unter Umständen verpflichtende Handlung, die für jeden Menschen gilt, dessen Leben unwürdig ist.81 Die Theorien des späten Stoikers Epiktet stellen wiederum eine gewisse Mischung aus platonischen und stoischen Gedankenansätzen dar. Mit Verweis auf Sokrates in Platons Phaidon fordert er, es müsse eine göttliche Anweisung zum Suizid vorhanden sein.82 Die göttliche Anweisung ist allerdings allein durch die Vernunft des Menschen zu erkennen; damit fordert Epiktet zugleich die stoische εὔλογος ἐξαγωγή, d.h., er akzeptiert vernunftgemäße Gründe, die den freiwilligen Tod legitimieren.83 Auffällig ist auch für Epiktet, daß er die Selbsttötung keiner moralischen Bewertung unterzieht. Eine Differenzierung der moralischen Bewer79 Sen. epist. 70, 14: Invenies etiam professos sapientiam, qui vim adferendam vitae suae negent et nefas iudicent ipsum interemptorem sui fieri: expectandum esse exitum quem natura decrevit. Hoc qui dicit non videt se libertatis viam cludere. Offenbar spielt Seneca hier auf Sokrates und die platonische Theorie an. 80 Sen. epist. 70, 24: Nihil obstat erumpere et exire cupienti: in aperto nos natura custodit. Cui permittit necessitas sua, circumspiciat exitum mollem; cui ad manum plura sunt per quae sese adserat, is dilectum agat et qua potissimum liberetur consideret: cui difficilis occasio est, is proximam quamque pro optima arripiat, sit licet inaudita, sit nova. Zum Tod als Befreiung vgl. auch Sen. epist. 70, 19–22; cons. Marc. 20, 2–3. 81 Vgl. J.M. RIST, Stoic Philosophy, 249, der trotz Senecas Aussage, es sei falsch, das Leben zu sehr zu hassen (vgl. Sen. epist. 24, 24), feststellt, daß es gerade Senecas Haß auf das Leben sei, der ihn zu seiner Haltung motiviere: „(...) his own view is based on a hatred of life, and the older theory of suicide, which has nothing to do with such hatred, only pulls him up short when he begins to wonder about his own motivation. Fundamentally Seneca’s wise man is in love with death.“ 82 Epict. 1, 9, 16: ἐμὲ δ᾿ ἐν τῷ λέγειν ὅτι ἄνθρωποι, ἐκδέξασθε τὸν θεόν. ὅταν ἐκεῖνος σημήνῃ καὶ ἀπολύσῃ ὑμᾶς ταύτης τῆς ὑπηρεσίας, τότ᾿ ἀπολύεσθε πρὸς αὐτόν· ἐπὶ δὲ τοῦ παρόντος ἀνάσχεσθε ἐνοικοῦντες ταύτην τὴν χώραν, εἰς ἣν ἐκεῖνος ὑμᾶς ἔταξεν. Vgl. 1, 9, 22–26; Plat. Phaid. 28e. 29c. Zum Einfluß des Sokrates bei Epiktet K. DÖRING, Exemplum Socratis, 42–79. Zu Epiktet über den Suizid ausführlich auch A. BONHÖFFER, Die Ethik, 29– 39 und kurz A.J. DROGE – J.D. TABOR, A Noble Death, 36–38. 83 Vgl. etwa Epict. 4, 10, 27: ἀλλ᾿ οὐχ ἕξω φαγεῖν. εἰ οὕτως τάλας εἰμί, λιμὴν τὸ ἀποθανεῖν. οὗτος δ᾿ ἐστὶν ὁ λιμὴν πάντων, ὁ θάνατος, αὕτη ἡ καταφυγή. διὰ τοῦτο οὐδὲν τῶν ἐν τῷ βίῳ χαλεπόν ἐστιν. ὅταν θέλῃς, ἐξῆλθες καὶ οὐ καπνίζῃ. Epict. 1, 25, 18: καπνὸν πεποίηκεν ἐν τῷ οἰκήματι; ἂν μέτριον, μενῶ· ἂν λίαν πολύν, ἐξέρχομαι. τούτου γὰρ μεμνῆσθαι καὶ κρατεῖν, ὅτι ἡ θύρα ἤνοικται. Dazu A. BONHÖFFER, Die Ethik, 30f.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
tung erfolgt erst bei genauerer Betrachtung der Motive für den Suizid, wobei allein Motive, die nicht der Vernunft des Philosophen entsprechen, zu einem negativen Urteil führen, wie Suizid aus Leidenschaft, Weichlichkeit, falschem Schamgefühl oder Feigheit.84 Mit einer ähnlichen Einschätzung folgt ihm schließlich auch Kaiser Marc Aurel, der seinen Lehrer zitierend den freiwilligen Tod als einen Ausweg sieht, wenn die Umstände ein vernunftgemäßes Leben nicht mehr ermöglichen.85
84 Vgl. v.a. Epict. 1, 29, 29: μόνον μὴ ἀλογίστως, μόνον μὴ μαλακῶς, μὴ ἐκ τῆς τυχούσης προφάσεως. πάλιν γὰρ ὁ θεὸς οὐ βούλεται· χρείαν γὰρ ἔχει κόσμου τοιούτου, τῶν ἐπὶ γῆς ἀναστρεφομένων τοιούτων. ἐὰν δὲ σημήνῃ τὸ ἀνακλητικὸν ὡς τῷ Σωκράτει, πείθεσθαι δεῖ τῷ σημαίνοντι ὡς στρατηγῷ. Vgl. ferner A. BONHÖFFER, Die Ethik, 36f. mit weiteren Stellen. 85 M. Ant. 5, 29: ῾Ως ἐξελθὼν ζῆν διανοῇ, οὕτως ἐνταῦθα ζῆν ἔξεστιν· ἐὰν δὲ μὴ ἐπιτρέπωσι, τότε καὶ τοῦ ζῆν ἔξιθι, οὕτως μέντοι, ὡς μηδὲν κακὸν πάσχων. καπνὸς καὶ ἀπέρχομαι· τί αὐτὸ πρᾶγμα δοκεῖς; μέχρι δέ με τοιοῦτον οὐδὲν ἐξάγει, μένω ἐλεύθερος καὶ οὐδείς με κωλύσει ποιεῖν, ἃ θέλω· θέλω δὲ κατὰ φύσιν τοῦ λογικοῦ καὶ κοινωνικοῦ ζῴου. Vgl. Epict. 1, 25, 18; 4, 10, 27 (s.o. Anm. 83). M. Ant. 11, 3: Οἵα ἐστὶν ἡ ψυχὴ ἡ ἕτοιμος, ἐὰν ἤδη ἀπολυθῆναι δέῃ τοῦ σώματος, καὶ ἤτοι σβεσθῆναι ἢ σκεδασθῆναι ἢ συμμεῖναι. τὸ δὲ ἕτοιμον τοῦτο, ἵνα ἀπὸ ἰδικῆς κρίσεως ἔρχηται, μὴ κατὰ ψιλὴν παράταξιν [ὡς οἱ Χριστιανοί] ἀλλὰ λελογισμένως καὶ σεμνῶς καὶ ὥστε καὶ ἄλλον πεῖσαι, ἀτραγῴδως. Der Vergleich mit den Christen, sofern er nicht eine spätere Ergänzung ist (vgl. dazu C.R. HAINES, in: Marcus Aurelius, 383–385), macht deutlich, daß Marc Aurel den freiwilligen Tod der frühen Märtyrer als Selbsttötung betrachtete. Vgl. auch M. Ant. 3, 1: ἐὰν γὰρ παραληρεῖν ἄρξηται, τὸ μὲν διαπνεῖσθαι καὶ τρέφεσθαι καὶ φαντάζεσθαι καὶ ὁρμᾶν καὶ ὅσα ἄλλα τοιαῦτα οὐκ ἐνδεήσει· τὸ δὲ ἑαυτῷ χρῆσθαι καὶ τοὺς τοῦ καθήκοντος ἀριθμοὺς ἀκριβοῦν καὶ τὰ προφαινόμενα διαρθροῦν καὶ περὶ αὐτοῦ τοῦ, εἰ ἤδη ἐξακτέον αὑτὸν, ἐφιστάνειν καὶ ὅσα τοιαῦτα λογισμοῦ συγγεγυμνασμένου πάνυ χρῄζει, προαποσβέννυται. χρὴ οὖν ἐπείγεσθαι οὐ μόνον τῷ ἐγγυτέρω τοῦ θανάτου ἑκάστοτε γίνεσθαι, ἀλλὰ καὶ διὰ τὸ τὴν ἐννόησιν τῶν πραγμάτων καὶ τὴν παρακολούθησιν προαπολήγειν.
2. SUIZID IM NEUPLATONISMUS Die philosophische Auseinandersetzung mit dem Suizid findet ihre Fortsetzung in der Spätantike vor allem im Neuplatonismus. Sein Einfluß gerade auch auf die spätantike lateinische Literatur und Philosophie, vor allem auf Augustinus, ist nicht zu unterschätzen. Grundlegend für die neuplatonische Position gegenüber dem Suizid ist die auf Platon zurückgehende Unterscheidung und Trennung von Seele und Leib. Laut Porphyrios gebe es dieser Trennung entsprechend auch zwei Formen des Todes, zum einen den als solchen anerkannten, wenn der Körper von der Seele gelöst wird, zum anderen denjenigen des Philosophen, wenn sich die Seele vom Körper löst.86 Im Vordergrund steht damit die Frage, ob der Philosoph den Suizid für seine Vervollkommnung anstreben müsse, während die Frage der Zulässigkeit eines aus Notwendigkeit berechtigten Suizids in den Hintergrund tritt.87 Das Ziel des Philosophen ist sein asketischer Tod, der laut Porphyrios von Tyros nicht mit Gewalt zu erreichen sei: Mit Gewalt freilich wird der Philosophierende sich nicht aus dem Leben führen. Denn wenn er sich Gewalt antut, bleibt er nichtsdestoweniger dort, von wo mit Gewalt wegzugehen er sich zwingen will.88
Wenn der Tod mit Gewalt hervorgerufen wird, kann der Körper die Seele nicht freigeben, die Bindung des Körpers an die Seele bleibt bestehen. Sie kann sich nur durch die Vervollkommnung der Seele mittels kathartischer und theoretischer Tugenden auflösen.89 Schon vor Porphyrios hatte Plotin im Traktat über das vernunftgemäße Scheiden aus dem Leben (περὶ εὐλόγου ἐξαγωγῆς) argumentiert: Du sollst die Seele nicht gewaltsam befreien, damit sie nicht hinausgeht; denn dann wird sie hinausgehen mit etwas (Körperlichem) behaftet, nur so kann sie überhaupt hinausgehen, das Hinausgehen ist ja ein Übergehen an einen andern Ort; sondern du sollst warten, daß der Leib gänzlich von ihr sich entfernt, bis dann also, wenn sie nicht mehr den Ort zu wechseln braucht, sondern schon ganz und gar außen ist. Auf welche Weise entfernt sich denn der Körper? Dann wenn kein Stück der Seele mehr an ihn gebunden ist; denn der Körper kann sie dann nicht mehr mitbinden, wenn seine harmonische Fügung nicht mehr besteht, in deren Besitz er die Seele besaß. Wenn nun aber jemand es bewerkstelligt, daß der Körper sich auflöst?
86 Porph. sent. 9: Ὁ θάνατος διπλοῦς, ὁ μὲν οὖν συνεγνωσμένος λυομένου τοῦ σώματος ἀπὸ τῆς ψυχῆς, ὁ δὲ τῶν φιλοσόφων λυομένης τῆς ψυχῆς ἀπὸ τοῦ σώματος· καὶ οὐ πάντως ὁ ἕτερος τῷ ἑτέρῳ ἕπτεται. Zur Trennung von Seele und Körper vgl. auch Porph. sent. 7. 8; dazu R. THIEL, A&A 47, 2001, 21–40. 87 R. THIEL, A&A 47, 2001, 28. 88 Porph. abst. 1, 38, 2: Βίᾳ μὲν τοίνυν ἑαυτὸν ὁ φιλοσοφῶν οὐκ ἐξάξει· βιαζόμενος γὰρ οὐδὲν ἧττον ἐκεῖ μένει, ὅθεν ἀπελθεῖν βιάζεται. Vgl. ähnlich auch Porph. abst. 1, 47. 89 Porph. abst. 2, 47, 1: Ἐπεὶ γὰρ ψυχὴ φαύλη καὶ ἄλογος, ἣ τὸ σῶμα ἀπέλειπε βίᾳ συληθεῖσα, προσμένει τούτῳ, ὅπου γε καὶ τῶν ἀνθρώπων αἱ τῶν βίᾳ ἑαυτὸν ἐξάγειν ἦν κωλυτικόν· [...]. Vgl. dazu R. THIEL, A&A 47, 2001, 31.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid Dann wendet er Gewalt an und hat sich eigenmächtig entfernt, und der Körper hat die Seele nicht freigegeben.90
Im folgenden greift Plotin die platonische ἀνάγκη auf und bemerkt, daß der Suizid unter die „Notmittel“ (ἀναγκαῖον) zu rechnen sei, für die man sich nur unter gewissen Umständen (ἐκ περιστάσεως), nicht aber schlechthin, zu entscheiden habe. Ferner, wenn die Zeit, die jedem gewährt ist, schicksalsbestimmt ist, so ruht kein Segen darauf, vorher sich zu entleiben, es sei denn, wie gesagt, eine Zwangslage. Wenn ferner jeder je nach dem Zustande, in dem er aus dem Leibe tritt, einen entsprechenden Rang in der oberen Welt erhält, so darf man also nicht sich entleiben, solange noch Zunahme und Fortschreiten möglich ist.91
Diese Beurteilung durch Plotin ist nicht nur allein ein Wiederaufgreifen der platonischen Aussagen zum Suizid, sondern gewissermaßen auch eine Reaktion auf die stoische Position. Vordergründig akzeptiert er die vernunftgemäßen Gründe, die der Stoa zufolge den Suizid legitimieren, er zeigt aber gleichzeitig auf, daß die Selbsttötung selbst unvernünftig ist, solange das Schicksal den Todeszeitpunkt nicht vorgegeben hat und für den Philosophen noch eine Möglichkeit des Fortschritts zum Guten besteht. Ein späterer anonymer Kommentator bemerkt in einem Fragment, Plotin akzeptiere keinen der fünf stoischen Gründe für Suizid,92 90 Plot. enn. 1, 9: Οὐκ ἐξάξεις, ἵνα μὴ ἐξίῃ· ἐξελεύσεται γὰρ ἔχουσά τι, ἵνα καὶ ἐξέλθῃ, τό τε ἐξελθεῖν ἐστι μεταβῆναι εἰς ἄλλον τόπον. ᾿Αλλὰ μένει τὸ σῶμα ἀποστῆναι πᾶν αὐτῆς, ὅτε μὴ δεῖται μετελθεῖν, ἀλλ᾿ ἔστι πάντη ἔξω. Πῶς οὖν ἀφίσταται τὸ σῶμα; ῞Οταν μηδὲν ἔτι δεδεμένον ᾖ τῆς ψυχῆς, ἀδυνατοῦντος ἔτι τοῦ σώματος συνδεῖν, τῆς ἁρμονίας αὐτοῦ οὐκέτ᾿ οὔσης, ἣν ἔχον εἶχε τὴν ψυχήν. Τί οὖν, εἰ μηχανήσαιτό τις λυθῆναι τὸ σῶμα; Ἢ ἐβιάσατο καὶ ἀπέστη αὐτός, οὐκ ἐκεῖνο ἀφῆκε· καὶ ὅτε λύει, οὐκ ἀπαθής, ἀλλ᾿ ἢ δυσχέρανσις ἢ λύπη ἢ θυμός· δεῖ δὲ μηδὲν πράττειν. Εἰ οὖν ἀρχὴν αἴσθοιτο τοῦ ληρεῖν; Ἢ τάχα μὲν οὐ περὶ σπουδαῖον· εἰ δὲ καὶ γένοιτο, τάττοιτ᾿ ἂν ἐν τοῖς ἀναγκαίοις τοῦτο καὶ ἐκ περιστάσεως αἱρετοῖς, οὐχ ἁπλῶς αἱρετοῖς. Καὶ γὰρ ἡ τῶν φαρμάκων προσαγωγὴ πρὸς ἔξοδον ψυχῆς τάχα ἂν ψυχῇ οὐ πρόσφορος. Καὶ εἰ εἱμαρμένος χρόνος ὁ δοθεὶς ἑκάστῳ, πρὸ τούτου οὐκ εὐτυχές, εἰ μή, ὥσπερ φαμέν, ἀναγκαῖον. Εἰ δέ, οἷος ἕκαστος ἔξεισι, ταύτην ἴσχει ἐκεῖ τάξιν, εἰς τὸ προκόπτειν οὔσης ἐπιδόσεως οὐκ ἐξακτέον. Übers. R. HARDER, in: Plotins Schriften. Zum Titel vgl. R. THIEL, A&A 47, 2001, 28, Anm. 23. 91 Plot. enn. 1, 9. 92 An. (Elias), Prolegom. 6, 15: Ὁ μέντοι Πλωτῖνος περὶ εὐλόγου ἐξαγωγῆς γράφει μονόβιβλον καὶ οὐδένα τῶν πέντε τρόπων τούτων ἀποδέχεται· φησὶ γὰρ ὥσπερ ὁ θεὸς οὐκ ἀφίσταται ἡμῶν προνοούμενος, ἀλλ᾿ ἡμεῖς ἑαυτοὺς ποιοῦμεν ἀνεπιτηδείους καὶ νομίζομεν τὸν θέον πόρρω εἶναι ἀφ᾿ ἡμων ἀεὶ παρόντα πᾶσιν ἐπίσης, ὡς δηλοῦσιν οἱ καθαροὶ τὸν βίον, αὐτόπται τοῦ θείου καὶ συνομιληταὶ γινόμενοι· ὥσπερ καὶ ὁ ἥλιος χορηγεῖ ἐπίσης τὸ φῶς, ἀλλ᾿ αἱ νυκτερίδες ἀνεπιτήδειοι οὖσαι ἀποφεύηουσιν αὐτὸν καὶ οὐ φωτίζονται ἐξ αὐτοῦ, ἀλλὰ σκότος αὐτὸν νομίζουσιν ιναι πηγὴν φωτὸς ὑπάρχοντα· οὕτος δεῖ καὶ τὸν φιλόσοφον μιμούμενον θεὸν καὶ ἥλιον μὴ ἀμελεῖν πάντη τοῦ σώματος δἰ ἐπιμέλειαν τῆς ψυχῆς, ἀλλὰ τὴν προσήκουσαν αὐτοῦ ποιεῖσθαι πρόνοιαν, ἕως οὗ ἐκεῖνο ἀνεπιτήδειον γενόμενον διαστήσοι ἑαυτὸ τῆς πρὸς τὴν ψυχὴν κοινωνίας· ἄτοπον γὰρ τὸ πρὸ καιροῦ ἐξάγειν ἑαυτόν, πρὸ οὖ λύσῃ ὁ δήσας. Vgl. dazu J.M. RIST, Plotinus, 175f. m. Anm. 18; ferner L.G. WESTERINK, ByzZ 57, 1964, 26, der zu dem Schluß kommt, die Darstellung des Anonymos stamme nicht, wie dieser selbst angegeben habe, von Plotin, sondern sei wohl eher (über Olympiodor) von Proklos übernommen.
2. Suizid im Neuplatonismus
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seine Kurzzusammenfassung der plotinischen Aussagen zum Suizid ist aber nicht ganz korrekt: In der schon erwähnten Enn. 1, 9 nennt Plotin etwa den Schwachsinn, der in den Suizid treiben könne, wenngleich ein Weiser wohl kaum in diese Lage gerate, womit er offenbar den rational begründeten (εὔλογος), unter Umständen (ἐκ περιστάσεως) notwendigen Suizid anerkennt.93 An anderer Stelle zählt er auch Gefangenschaft und lange, schwere Krankheit zu legitimen Gründen.94 Schließlich erinnert auch eine Szene, die Porphyrios in der Vita Plotini überliefert, an eine stoische Haltung: Und mir, dem Porphyrios, merkte er es eines Tages an, daß ich mit dem Gedanken umging, mich zu entleiben; da trat er, während ich in seinem Hause war, einmal plötzlich zu mir her und sagte, diese Absicht komme nicht aus einer geistbedingten Verfassung, sondern aus einer bestimmten Art krankhafter Melancholie, und gebot mir fortzureisen.95
Es scheint, daß Plotin aus den beiden Theorien, der stoischen und der platonischen, seinen eigenen Standpunkt formuliert: Die Seele ist fähig, rational für oder gegen Suizid zu entscheiden, die gute Seele aber wird sich dagegen entscheiden.96 Eng an diesen Vorgaben der frühen Neuplatoniker bleibt auch Macrobius in seinem Kommentar zu Ciceros Somnium Scipionis. Die bereits erwähnte Stelle bei Cicero zitierend, beginnt Macrobius eine Diskussion um die Erlaubtheit von Suizid.97 Zur Ablehnung der Selbsttötung greift er die Argumentation von Porphyrios und Plotin auf: 1. Basierend auf der Trennung von Seele und Körper und der Unterscheidung von zwei Formen des Todes, sei der Suizid unzulässig, weil die Seele durch ihn an den Körper gebunden werde.98 2. Die Lebenszeit sei für die Vervollkommnung vorgesehen und dürfe daher nicht vorzeitig beendet werden.99 93 Plot. enn. 1, 9: Εἰ οὖν ἀρχὴν αἴσθοιτο τοῦ ληρεῖν; Ἢ τάχα μὲν οὐ περὶ σπουδαῖον· εἰ δὲ καὶ γένοιτο, τάττοιτ᾿ ἂν ἐν τοῖς ἀναγκαίοις τοῦτο καὶ ἐκ περιστάσεως αἱρετοῖς, οὐχ ἁπλῶς αἱρετοῖς. 94 Plot. enn. 1, 4, 7f.: [...]Kαὶ πολλοὶ δὴ καὶ ἄμεινον αἰχμάλωτοι γενόμενοι πράξουσι. Καὶ ἐπ᾿ αὐτοῖς δὲ βαρυνομένοις ἀπελθεῖν· ἢ μένοντες ἢ εὐλόγως μένουσι καὶ οὐδὲν δεινόν, ἢ ἀλόγως μένοντες, δέον μή, αὑτοῖς αἴτιοι. [...] (8) Τὸ δὲ τῶν ἀλγηδόνων αὐτοῦ, ὅταν σφοδραὶ ὦσιν, ἕως δύναται φέρειν, οἴσει· εἰ δὲ ὑπερβάλλουσιν, ἐξοίσουσι. [...] Ἀλλ᾿ εἰ μὴ παρακολουθοῖ, ἢ παρατείνοι τὸ ἀλγεῖν ἐπὶ τοσοῦτον αἰρόμενον, ὥστε ἐν τῷ σφοδροῷ ὅμως μὴ ἀποκτιννύναι; Ἀλλ᾿ εἰ μὲν παρατείνοι, τί χρὴ ποιεῖν βουλεύσεται· οὐ γὰρ ἀφῄρεται τὸ αὐτεξούσιον ἐν τούτοις. 95 Porph. Plot. 11: Καί ποτε ἐμοῦ Πορφυρίου ᾔσθετο ἐξάγειν ἐμαυτὸν διανοουμένου τοῦ βίου· καὶ ἐξαίφνης ἐπιστάς μοι ἐν τῷ οἴκῳ διατρίβοντι καὶ εἰπὼν μὴ εἶναι ταύτην τὴν προθυμίαν ἐκ νοερᾶς καταστάσεως, ἀλλ᾿ ἐκ μελαγχολικῆς τινος νόσου, ἀποδημῆσαι ἐκέλευσε. Übers. von R. HARDER, in: Plotins Schriften. Vgl. dazu bes. F. CUMONT, REG 32, 1919, 113–120. 96 Zum plotinischen Standpunkt vgl. auch J.M. RIST, Plotinus, 175–177. 97 Macr. somn. 1, 13; vgl. Cic. rep. 6, 15 (o. S. 30). Als seine Quellen gibt Macrobius selbst einerseits Platons Phaidon, andererseits Plotins Enneade 1, 9 an, dazu R. THIEL, A&A 47, 2001, 32f. Zur Diskussion um Macrobius’ Quellen auch P.W. VAN DER HORST, VChr 25, 1971, 286f. 98 Macr. somn. 1, 13, 6: Homo enim moritur cum anima corpus relinquit solutum lege naturae. Mori etiam dicitur cum anima, adhuc in corpore constituta, corporeas illecebras philosophia docente contemnit, et cupiditatum dulces insidias reliquasque omnes exuitur passiones. Et hoc est quod superius ex secundo virtutum ordine, quae solis philosophantibus aptae sunt, e-
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
Interessanterweise führt Macrobius das Thema des göttlichen Befehls (Cicero) bzw. Zeichens (Platon) nicht weiter aus. Der göttliche Wille erscheint lediglich in Form der Erlaubnis, in den Himmel einzutreten, die nur den von Leidenschaften völlig Reinen zuteil werde.100 Damit erweitert er die neuplatonische Theorie um das Argument, daß der Suizid des Philosophen auch nach erreichter Vollkommenheit abzulehnen sei, weil die in der Selbsttötung inne liegende Hoffnung auf Glückseligkeit selbst eine getrübte Hoffnung sei, welche die Glückseligkeit seiner Seele mindern müsse.101 Diese Argumentation hat zur Folge, daß in Macrobius’ Interpretation auch keinerlei „Schlupfloch“ mehr bleibt. In dieser Hinsicht ist er also unbedingter in der Ablehnung des Suizids als die Platoniker und Stoiker und konsequenter auch als seine neuplatonischen Vorbilder.102 In seinem Kommentar zu Platons Phaidon geht auch Olympiodor auf die Suizidfrage ein. Nachdem er einleitend die Worte und das Suizidverbot des Sokrates im Phaidon durch zwei Argumente (mythisch-orphisch und dialektisch-philosophisch) zusammengefaßt hat,103 ergänzt er diese um drei weitere Argumente: 1. venire signavimus. Vgl. auch ebd. 1, 13, 9: Haec Platonicae sectae semina altius Plotinus exsequitur. Oportet, inquit, animam post hominem liberam corporeis passionibus inveniri. Quam qui de corpore violenter extrudit, liberam esse non patitur. Qui enim sibi sua sponte necem comparat, aut pertaesus necessitatis aut metu cuiusquam ad hoc descendit aut odio, quae omnia inter passiones habentur. Ergo etsi ante fuit his sordibus pura, hoc ipso tamen quod exit extorta, sordescit. Deinde mortem debere ait animae a corpore solutionem esse, non vinculum; exitu autem coacto animam circa corpus magis magisque vinciri. Ähnlich auch ebd. 1, 13, 14. Vgl. Porph. sent. 9 (o. S. 35, Anm. 86). 99 Macr. somn. 1, 13, 15f.: Hanc quoque superioribus adicit rationem non sponte pereundi: cum constet, inquit, remunerationem animis illic esse tribuendam pro modo perfectionis ad quam in hac vita unaquaeque pervenit, non est praecipitandus vitae finis cum adhuc proficiendi esse possit accessio. (16) Nec frustra hoc dictum est. Nam in arcanis de animae reditu disputationibus fertur in hac vita delinquentes similes esse super aequale solum cadentibus, quibus denuo sine difficultate praesto sit surgere; animas vero ex hac vita cum delictorum sordibus recedentes aequandas his qui in abruptum ex alto praecipitique delapsi sint, unde numquam facultas sit resurgendi. Ideo ergo utendum concessis vitae spatiis ut sit perfectae purgationis maior facultas. 100 Macr. somn. 1, 13, 19: ‚Nisi enim cum deus‘, inquit, ‚istis te corporis custodiis liberaverit, huc tibi aditus patere non potest‘, quia scit, iam receptus in caelum, nisi perfectae puritati caelestis habitaculi aditum non patere. Pari autem constantia mors nec veniens per naturam timenda est, nec contra ordinem cogenda naturae. 101 Macr. somn. 1, 13, 17: Ergo, inquies, qui iam perfecte purgatus est, manum sibi debet inferre, cum non sit ei causa remanendi, quia profectum ulterius non requirit qui ad supera pervenit. Sed hoc ipso quo sibi celerem finem spe fruendae beatitatis arcessit, inretitur laqueo passionis, quia spes, sicut timor, passio est, sed et cetera quae superior ratio disseruit incurrit. 102 Anders meinen das A.J. DROGE – J.D. TABOR, A Noble Death, 42: „According to Macrobius, the only exception to the prohibition against dying voluntarily is the explicit command of God to do so. Despite eight centuries of philosophical debate, the Socratic loophole has not been closed (...)“. R. THIEL, A&A 47, 2001, 33 sieht darin eine „unwesentliche aber merkliche Erweiterung der Plotinischen Argumentation, die man sich gern in einer auf Plot. 1, 9 zurückgehenden Porphyrischen Schrift vorstellen mag.“ In Hinsicht auf die theoretische Bewertung von Suizid scheint mir diese Erweiterung nicht so unwesentlich zu sein. 103 Olymp. in Phaid. 1, 1. Die Erläuterung folgt ausführlicher in 1, 3–6 (mythisch-orphische Argumentation) und 1, 7 (philosophische Argumentation). Auch der Phaidonkommentar des Da-
2. Suizid im Neuplatonismus
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Wie sich bei Gott Vorsehung und Selbstbetrachtung nicht ausschließen, sollen beim Philosophen als Nachahmer Gottes die Sorge für die Welt und die Befreiung vom eigenen Körper zusammengehen. 2. So wie die Auswirkung der immer überall gleichmäßigen Tätigkeit der Gottheit von dem empfangenden Objekt abhängig ist, so solle sich die Seele des Philosophen dem Körper nicht entziehen, weil ihre Wirkung durch die Lebensfähigkeit des Körpers begrenzt werde. 3. Die freiwillige Fesselung an den Körper dürfe freiwillig gelöst werden, die unfreiwillige nur unfreiwillig. Das heißt, daß man vom natürlichen Leben, das unfreiwillig ist, nur unfreiwillig befreit werden dürfe, während man sich vom affektiven Leben, das gewählt ist, durch Reinigung entfernen solle.104 Die beiden letzteren Punkte sind weitgehend in Anlehnung an Porphyrios formuliert. Punkt eins geht aber darüber hinaus, indem Olympiodor das „FürsorgePrinzip“ mit dem Suizidverbot verbindet: Der Philosoph muß, wenn er Gott gleich werden will, wie dieser sowohl erkennend nach oben als auch fürsorglich nach unten blicken, er muß also auch für seinen Leib und sein Umfeld Fürsorge tragen, ohne dabei den Zustand der Apatheia zu verlassen.105 Nach der anschließenden Ausführung der beiden sokratischen Argumente gegen den Suizid gibt Olympiodor, der Dialektik folgend, die Argumente wieder, die für die Erlaubtheit von Suizid sprechen und auf Platon, Plotin und der Stoa basieren:106 Erstens habe Platon in seiner Formulierung die Möglichkeit des Suizids aus Notwendigkeit (ἀνάγκη)
maskius ist auf ähnliche Weise geordnet, jedoch fehlt bei ihm eine vergleichbare eigenständige Diskussion der Suizidproblematik, die sich möglicherweise im verlorenen Anfangsteil befunden haben könnte; vgl. L.G. WESTERINK, in: The Greek Commentaries 2, 26. 104 Olymp. in Phaid. 1, 2 Ἡμεῖς δὲ πρὸ τῆς λέξεως φέρε οἰκείοις ἐπιχειρήμασι τοῦτο αὐτὸ δείξωμεν, ὅτι οὐ δεῖ ἐξαγαγαεῖν ἑαυτοὺς. Εἰ τοῦ θεοῦ διττὰς ἔχοντος δυνάμεις, ἀναγωγούς τε καὶ προνοητικάς, μὴ ἐμποδίζονται αἱ προνοητικαὶ τῶν δευτέρων δυνάμεις ὑπὸ τῶν ἀναγωγῶν καὶ αὐτεπιστρόφων, ἀλλ᾿ ἅμα κατὰ ἐνεργεῖ, οὕτως οὖν καὶ τὸν φιλοῃσοφον μιμητὴν ὄντα θεοῦ (ὁμοίωσις γὰρ θεῷ ἡ φιλοσοφία) οὐδὲν κωλύει [ἐνεργεῖν] ἅμα καὶ γενεσιουργῶς ἐνεργεῖν καὶ προνοητικῶς τῶν δευτέρων, οὐ μὴν ἀλλὰ καὶ καθαρτικῶς. χορισθέντα μὲν γὰρ τοῦ σώματος μετὰ τὸν θάνατον οὐδὲν μέγα καθαρτικῶς ζῆν, ἐν δὲ τῷ σώματι κατεχόμενον γενναῖόν ἐστιν ἀντέχεσθαι τῆς καθάρσεως. Δεύτερον ἐπιχείρημα· ὥσπερ τὸ θεῖον ἀεὶ πᾶσι πάρεστι, καὶ τὰ μὲν αὐτοῦ δι᾿ οἰκείαν ἐπιτηδειότητα ἢ ἀνεπιτηδειότητα μᾶλλον ἢ ἧττον μετέχει, οὕτως καὶ τὴν ψυχὴν δεῖ παρεῖναι τῷ σώματι καὶ μὴ χωρίζειν ἑαυτήν, τοῦτο δὲ δι᾿ οἰκείαν ἐπιτηδειότητα ἢ ἀνεπιτηδειότητα μεθέξει αὐτῆς ἢ οὐ μεθέξει. [...] Τρίτον ἐπιχείρημα· τὸν μὲν ἑκούσιον δεσμὸν ἑκουσίως δεῖ λύειν, τὸν δὲ ἀκούσιον ἀκουσίῳ λύσει λυτέον καὶ μὴ ἀναμίξ· τὴν μὲν οὖν φυσικὴν ζωὴν ἀκούσιον οὖσαν ἀκουσίῳ λύσει λυτέον τῷ φυσικῷ, τὴν δὲ μετ᾿ ἐμπαθείας ζωὴν, ἣν ἡμεῖς κατὰ προαίρεσιν ᾑρησάμεθα, ἑκουσίῳ λύσει λυτέον τῇ καθάρσει. Zur Frage des Einflusses des Proklos- bzw. Damaskiuskommentars sowie des Olympiodor auf die späteren Kommentatoren Elias, David und Pseudo-Elias vgl. L.G. WESTERINK, ByzZ 57, 1964, 26–32 und DERS., in: The Greek Commentaries 1, 38. 105 Zu diesem Argumentationsmuster und seinem Ursprung in der neuplatonischen Tugendlehre vgl. R. THIEL, A&A 47, 2001, 34f., dem zufolge (ebd. 35) es sicher kein Zufall sei, daß die beiden aus der Spätantike erhaltenen Philosophenbiographien (Plotinvita des Porphyrios und Proklosvita des Marinos), neben der asketischen Abwendung von der Welt und der theoretischen Zuwendung zum Intelligiblen auch die tätige Fürsorge für die Welt stark betonen. 106 Olymp. in Phaid. 1, 8.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
offengelassen,107 zweitens drei Gruppen unter verschiedenen Motivationen vom Suizidverbot ausgenommen,108 drittens lasse Plotins Überschrift (περὶ εὐλόγου ἐξαγωγῆς) schließen, daß es einen berechtigten Suizid gebe;109 viertens schließlich gebe es nach der Stoa fünf Gründe, die für die Selbsttötung sprächen.110 Alle Argumente abwägend, schließt Olympiodor: Suizid ist verboten in Hinsicht auf den Körper, dem durch die Selbsttötung Schaden zugefügt wird, aber er kann gerechtfertigt sein aufgrund eines höheren Gutes, das die Seele erlangen kann, wenn sie etwa vom Körper behindert wird.111 Die späteren Neuplatoniker und Schüler des Olympiodor (Anonymus (Elias), David, Ps.-Elias) übernehmen weitgehend diese Argumente, wobei sie allerdings die stoische Haltung sowie die platonische ἀνάγκη deutlicher zurückweisen, was als Indiz dafür gelten kann, daß sie im Gegensatz zu Olympiodor Christen waren.112 Zumindest läßt sich in ihren Ausführungen eine konsequentere Auslegung von Platons Phaidon erkennen, die nicht zwingend eine christliche Interpretation sein muß, diese aber auch keinesfalls ausschließt. Auffällig ist, daß unter den neuplatonischen Kommentatoren im Zusammenhang mit Platons Phaidon immer wieder Kleombrotus genannt wird, der sich einem kallimachischen Epigramm zufolge nach der Lektüre des Phaidon von einer Mauer in den Tod stürzte.113 Die 107 Ebd.: Πρῶτον μὲν ὅτι ἐν αὐτῇ τῇ νῦν προκειμένῃ λέξει, ἐν ᾗ κατασκευάζει ὁ Πλάτων ὅτι οὐ δεῖ ἐξάγειν ἑαυτούς, ἔμφασιν δίδωσι καὶ τοῦ ἀντικειμένου, πρῶτον μὲν λέγων ᾿οὐ μέντοι ἴσως βιάσεται ἑαυτόν᾿, τὸ γὰρ ᾿ἴσως᾿ ὑπόνοιαν δίδωσιν ὅτι ποτὲ καὶ δεῖ ἐξάγειν ἑαυτούς· καὶ πάλιν ἐφεξῆς φησιν ὅτι οὐ δεῖ ἐξάγειν ἑαυτούς, ᾿εἰ μὴ μεγάλην ὁ θεὸς ἀνάγκην ἐπιπέμψοι, οἵαν τὴν νῦν παροῦσαν᾿. Vgl. Plat. Phaid. 61c. 62c. 108 Olymp. in Phaid. 1, 8: Εἰ αὐτὸς ὁ Πλάτων φησὶν ὅτι ἐξάγειν ἑαυτὸν ἐπιτρέπει καὶ τῷ σπουδαίῳ καὶ τῷ μέσῳ καὶ τῷ πολλῷ καὶ φαύλῳ ἀνθρώπῳ. Vgl. Plat. R. 407d–e und Lg. 854a–c (o. S. 26, Anm. 49f.). 109 Olymp. in Phaid. 1, 8: [...] εἰ Πλωτίνῳ γέγραπται ᾿περὶ εὐλόγου ἐξαγωγῆς᾿· δεῖ ἄρα ποτὲ ἐξάγειν ἑαυτόν. Vgl. Plot. enn. 1, 9 (o. S. 36, Anm. 90). Offenbar war Olympiodor nur die Überschrift bekannt, dazu L.G. WESTERINK, in: The Greek Commentaries 1, 49. 110 Olymp. in Phaid. 1, 8: [...] εἰ οἱ Στωϊκοὶ πέντε τρόπους ἔλεγον εὐλόγου ἐξαγωγῆς. [...] Vgl. Zeno, SVF III frg. 157 (= D.L. 7, 130), o. S. 28, Anm. 60; L.G. WESTERINK, in: The Greek Commentaries 1, 48f. 111 Olymp. in Phaid. 1, 9: [...] Τὶ οὖν ἡμεῖς φαμεν; εἰς ἀντίφασιν γὰρ περιέστη ὁ λόγος· πῶς γὰρ καὶ ἀθέμιτον τὸ ἐξάγειν ἑαυτὸν καὶ εὔλογον; ἢ οὐ δεῖ μὲν ἐξάγειν ἑαυτὸν ὅσον ἐπὶ τῷ σώματι, πρὸς κακοῦ γάρ ἐστι τοῦτο τῷ σώματι· ἀλλὰ καὶ εὔλογον ἐξάγειν ἑαυτοὺς διὰ μεῖζον ἀγαθὸν συντελοῦν τῇ ψυχῇ, οἷον ὡς ἡνίκα βλάπτεται ὑπὸ τοῦ σώματος. ὥσπερ γὰρ ὁ βουλευόμενος ἐκεῖνα αἱρεῖται οἷς ἐλάσσονα μὲν κακὰ ἕπεται, μείζω δὲ ἀγαθά, καὶ ὥσπερ ἀνόσιον μὲν φίλῳ τυπτομένῳ μὴ ἀμύνειν, εἰ δὲ τύπτοιτο ὑπὸ πατρὸς, οὐκ εὔλογον ἀμύνειν, οὕτω καὶ ἐνταῦθα καὶ ἀθέμιτον ἐξάγειν ἑαυτὸν διὰ τὸ σῶμα εὔλγόν ποτε διὰ τὴν ψυχήν, λυσιτελοῦντος αὐτῇ ποτὲ τούτου. [...] 112 So R. THIEL, A&A 47, 2001, 37; vgl. auch L.G. WESTERINK, in: The Greek Commentaries 1, 47. Die maßgebliche Stellen der späteren Neuplatoniker sind: An. (Elias) in Porph. 12, 3 – 16, 8 (CAG 18, 1); David in Porph. 29, 12 – 34, 12 (CAG 18, 2) sowie mit diesem großteils identisch Ps.-Elias in Porph. Vgl. zu diesen Stellen auch L.G. WESTERINK, ByzZ 57, 1964, 26–32. 113 Ammon. in Isag. 4, 27 (CAG 4, 3); An. (Elias) in Isag. 14, 1–13 (CAG 18, 1); David in Porph. 31, 27–32 (CAG 18, 2). Vgl. Anth. Graec. 7, 471: Εἴπας ῞Ηλιε, χαῖρε᾿ Κλεόμβροτος ῾Ωμβρακιώτης / ἥλατ᾿ ἀφ᾿ ὑψηλοῦ τείχεος εἰς ᾿Αίδην, / ἄξιον οὐδὲν ἰδὼν θανάτου κακόν, ἀλλὰ Πλάτωνος / ν τὸ περὶ ψυχῆς γράμμ᾿ ἀναλεξάμενος. H. BECKBY, in: Anthologia
2. Suizid im Neuplatonismus
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Assoziation des sich tötenden Kleombrotus mit der Diskussion um den Suizid im Phaidon ist bereits bei Cicero verarbeitet,114 also zu einem philosophischen ‚Schlagwort‘ geworden, dessen sich interessanterweise auch gerade die späteren, vermutlich christlich geprägten Neuplatoniker bedienen und das auch in der lateinischen christlichen Literatur begegnet.115
Graeca 2, 590 sieht in dem Epigramm eine Reaktion auf die „Selbstmordepidemie“ des 3. Jh. v. Chr. Zum kallimachischen Epigramm vgl. S.A. WHITE, TAPA 124, 1994, 135–161; zur Rezeption des Kleombrotus ferner G.D. WILLIAMS, CQ 45, 1995, 154–169. 114 Cic. Tusc. 1, 84: Callimachi quidem epigramma in Ambraciotam Theombrotum est, quem ait, cum ei nihil accidisset adversi, e muro se in mare abiecisse lecto Platonis libro. 115 Vgl. G.D. WILLIAMS, CQ 45, 1995, 161–163, der die neuplatonische Rezeption (ebd. 161163) für eine Reaktion auf die christliche Anklage, Platon habe Kleombrotus zum Suizid veranlaßt, hält; vgl. Lact. inst. 3, 18, 10 (u. S. 59, Anm. 177); Hier. epist. 39, 3, 5 (u. S. 97, Anm. 307); Aug. civ. 1, 22 (u. S. 57, Anm. 170); Greg. Naz. or. 4, 70 (PG 35, 588).
3. SUIZID IM CHRISTENTUM 3.1 Die christliche Bewertung der Selbsttötung vor Augustinus Die Bibel kennt die Diskussion um die Zulässigkeit von Suizid nicht. Weder im Alten noch im Neuen Testament finden sich direkte Aussagen, welche die Selbsttötung legitimieren oder verbieten. Im Alten Testament werden einige Suizide beschrieben, niemals aber mit einer konkreten Bewertung. Samson, der die Säulen des Hauses umstieß, um sich selbst zusammen mit den Philistern, die mit ihm Späße trieben, unter den Trümmern zu begraben, wird mit Anerkennung bedacht, gleiches gilt auch für den im zweiten Makkabäerbuch besonders detailreich beschriebenen Suizid des Razis.116 Nirgends erscheint eine Kritik an der Selbsttö116 Zu Samson: Jdc 16, 27–30 (Vulg.): Domus autem plena erat virorum ac mulierum et erant ibi omnes principes Philisthinorum ac de tecto et solario circiter tria milia utriusque sexus spectabant ludentem Samson. at ille invocato Domino ait Domine Deus memento mei et redde nunc mihi pristinam fortitudinem Deus meus ut ulciscar me de hostibus meis et pro amissione duorum luminum unam ultionem recipiam. Et adprehendens ambas columnas quibus innitebatur domus alteramque earum dextera et alteram leva tenens ait moriatur anima mea cum Philisthim concussisque fortiter columnis cecidit domus super omnes principes et ceteram multitudinem quae ibi erat multoque plures interfecit moriens quam ante vivus occiderat. Zu Razis: 2 Makk 14, 37–46 (Vulg.): Razias autem quidam de senioribus ab Hierosolymis delatus est Nicanori vir amator civitatis et bene audiens qui pro adfectu pater Iudaeorum appellabatur. Hic multis temporibus continentiae propositum tenuit in iudaismo corpusque et animam tradere contentus pro perseverantia. volens autem Nicanor manifestare odium quod habebat in Iudaeos misit milites quingentos ut eum conprehenderent. Putabat enim si illum decepisset se cladem maximam Iudaeis inlaturum. Turbis autem inruere domum eius et ianuam disrumpere atque ignem admovere cupientibus cum iam conprehenderetur gladio se petit. Eligens nobiliter mori potius quam subditus fieri peccatoribus et contra natales suos indignis iniuriis agi. Sed cum per festinationem non certo ictu plagam dedisset et turbae intra ostia inrumperent recurrens audenter ad murum praecipitavit semet ipsum viriliter in turbas, quibus velociter locum dantibus casui eius venit per mediam cervicem. Et cum adhuc spiraret accensis animis surrexit cum et sanguis eius magno fluxu deflueret saucius cursu turbam pertransiit. Et stans super petram quandam praeruptam et iam exsanguis effectus conplexus intestina sua utrisque manibus proiecit super turbas invocans Dominatorem vitae ac spiritus ut haec illi iterum redderet atque ita vita defunctus est. Auch die Selbsttötung Sauls, der sich nach verlorener Schlacht selbst das Schwert gibt, läßt eher auf die Anerkennung einer ehrenvollen Tat schließen, vgl. 1 Sam 31, 3–5 (vgl. 1 Chr 10, 3–5) (Vulg.): Totumque pondus proelii versum est in Saul et consecuti sunt eum viri sagittarii et vulneratus est vehementer a sagittariis, dixitque Saul ad armigerum suum evagina gladium tuum et percute me ne forte veniant incircumcisi isti et interficiant me inludentes mihi et noluit armiger eius fuerat enim nimio timore perterritus arripuit, itaque Saul gladium et inruit super eum. Quod cum vidisset armiger eius videlicet quod mortuus esset Saul inruit etiam ipse super gladium suum et mortuus est cum eo. Zur Anweisung an den Waffenträger, seinen Herrn zu töten, vgl. auch Jdc 9, 52–57. Bewundernd klingt auch der Bericht über Eleazar (2 Makk 6, 18–20), der sich freiwillig der Marter und dem Tod auslieferte, um den Verzehr von verbotenem Fleisch zu vermeiden.
3. Suizid im Christentum
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tung als Tat oder an den Motiven, die dazu führten; eine negative Bewertung findet höchstens hinsichtlich der Handlungen im Leben statt, woraus sich eventuell Schlüsse auf die Angemessenheit oder Unangemessenheit des Lebensendes ziehen ließen.117 Ähnliches gilt auch für den einzigen Fall im Neuen Testament: Nicht Judas’ Suizid erscheint im Evangelium des Matthäus als Frevel, sondern vielmehr sein Verrat, den er bereut und mit dem Tod bezahlt.118 Von einer Ablehnung des Suizids als jüdische bzw. christliche Sünde sind wir auf der Ebene der Heiligen Schrift also noch weit entfernt, freilich ebenso weit von einer Ermunterung oder Aufforderung zur Selbsttötung.119 Die im Christentum zentrale Idee vom ewigen Leben und vom glückseligen Jenseits hat aber auch unweigerlich die Frage nach dem freiwilligen Ausgang aus dem Leben zur Folge (wie sie das Sterben als Ziel des Philosophen auch bei den Neuplatonikern provozierte). In den Paulinischen Schriften kommt die Todes-
117 So etwa Ahitophel (2 Sam 17, 23), der zu einem Überfall gegen David geraten hatte und sich, nachdem sein Plan nicht gelungen war, erhängte – aber dennoch eine feierliche Bestattung erfuhr. Ähnlich auch Zamri (1 Reg 16, 18–19), der sich gegen seinen Herrn Ela verschwor, ihn tötete und an seiner Statt König von Juda wurde. Nachdem seine grausame Herrschaft beendet und die Stadt durch Omri eingenommen wurde, verbrannte sich Zamri im Haus des Königs und starb so in peccatis suis. Zur Behandlung des „voluntary death“ im Alten Testament vgl. A.J. DROGE – J.D. TABOR, A Noble Death, 53–84; zum Suizid in biblischen Texten ferner J. T. CLEMONS, QR 14, 1994, 17–28; V. LENZEN, BiKi 47, 1992, 87–93; DIES., Selbsttötung, bes. 69–107; R. HIRZEL, ARW 11, 1908, 473 m. Anm. 2. 118 Mt 27, 3–5 (Vulg.): Tunc videns Iudas, qui eum tradidit quod damnatus esset paenitentia ductus rettulit triginta argenteos principibus sacerdotum et senioribus dicens: peccavi tradens sanguinem innocentem. at illi dixerunt: quid ad nos? tu videris! et proiectis argenteis in templo recessit et abiens laqueo se suspendit. Vgl. auch Apg 1, 15–20, wo die Selbsttötung nicht erwähnt wird. Vgl. die durchaus schlüssige Einordnung durch C.F. WHELAN, LTP 49, 1993, 505–522, die die Verurteilung des Judas-Suizids für eine Folge der augustinischen Rezeption (vgl. u. S. 54) hält, während die Darstellung bei Matthäus der antiken Tradition folge. Die Frage der Historizität des Suizids ist in der Forschung lange diskutiert worden und wird wohl auch in Zukunft nicht zu klären sein, vgl. etwa H.-J. KLAUCK, Judas, 121–123 mit weiterer Literatur; ebd. 123: „Über das weitere Schicksal des Judas, insbesondere über seinen Tod, wissen wir also historisch gesehen nichts. Ich sehe nicht recht, wie man aufgrund der Texte, die uns zur Verfügung stehen, zu einem anderen Urteil kommen will.“ Dennoch hält KLAUCK selbst ein „undramatisches Lebensende“ (ebd.) für möglich, während er vermutet, die Schilderung des Erhängens in Mt 27, 3–5 sei als verachtete Todesart dem Wunsch zu verdanken, „die göttliche Strafe möglichst umgehend und sichtbar zum Zuge kommen zu lassen“. Hinsichtlich der antiken Assoziation des Erhängens mit Schuld und Reue (vgl. bes. u. S. 189f.) ist dies durchaus denkbar, wobei aber die Betonung vor allem auf dieser Todesart liegen sollte; der Suizid an sich erfährt zumindest im Matthäusevangelium keine moralische Bewertung. Zu Judas’ Suizid vgl. ferner V. LENZEN, Selbsttötung, 90–93; A.J. DROGE – J.D. TABOR, A Noble Death, 113f.; zur späteren Rezeption auch P. DINZELBACHER, Judastraditionen, 46–52. 119 Obwohl er zunächst betont, daß Suizid im Neuen Testament an keiner Stelle diskutiert werde, verwendet D.W. AMUNDSEN, in: B.A. BRODY (ed.), Suicide and Euthanasia, 81–96 mehrere Seiten darauf, aufzuzeigen, daß die Aussagen nirgends eine Befürwortung der Selbsttötung anklingen lassen.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
sehnsucht teilweise deutlich zum Ausdruck.120 So wägt Paulus etwa im Philipperbrief zwischen Leben und Tod ab: Denn Christus ist mein Leben und Sterben ein Gewinn. Wenn ich aber weiterleben soll im Fleisch, so dient mir das dazu, mehr Frucht zu schaffen; und so weiß ich nicht, was ich wählen soll. Denn es setzt mir beides hart zu: Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein, was auch viel besser wäre; aber es ist nötiger, im Fleisch zu bleiben, um euretwillen.121
Die Betonung der Aufgabe des Menschen, im Leben seine Pflicht zu erfüllen, die vom Wunsch zu sterben abhält, erinnert sehr an die Worte Ciceros in den Tusculanen wie auch im Somnium Scipionis und damit an die auf Platon zurückführende antike Suizidtheorie.122 Es ist daher nicht verwunderlich, daß diese vielzitierte Paulusstelle zu einigen Diskussionen darüber anregte, ob der Apostel in seinen Worten die Selbsttötung erwäge und inwiefern er aus der philosophischen Auseinandersetzung um den Suizid schöpfte.123 Das Problem, das diese Diskussion stets begleitet, liegt darin, daß man die von der antiken Philosophie geprägte Argumentation im Philipperbrief mit einer Toleranz des Paulus gegenüber dem Suizid gleichsetzt, weil man davon ausgeht, daß die antike Philosophie, allen voran der Zeitgenosse des Paulus, Seneca, die Selbsttötung lobte. Wenn der Apostel aber zwischen Leben und Tod abwägt und dabei die ihm bekannte philosophische Auseinandersetzung reflektiert, bedeutet dies nicht gleichsam, daß er Suizid be-
120 Vgl. etwa Kol 3, 5; Röm 12, 1. Vgl. auch hierzu D.W. AMUNDSEN, in: B.A. BRODY (ed.), Suicide and Euthanasia, 81–96, die gleich zu behandelnde Paulus-Stelle (Phil. 1, 21–26) berücksichtigt er leider nicht. 121 Phil 1, 21–24 (Vulg.): Mihi enim vivere Christus est et mori lucrum, quod si vivere in carne hic mihi fructus operis est et quid eligam ignoro. coartor autem e duobus desiderium habens dissolvi et cum Christo esse multo magis melius, permanere autem in carne magis necessarium est propter vos. 122 Vgl. Plat. Phaid 62a–e (o. S. 25f.), bes. 62a: [...]ἔστιν ὅτε καὶ ις βέλτιον τεθνάναι ἢ ζῆν [...]; ap. 40a–c; Cic. rep. 6, 15; Tusc. 1, 75–76 (o. S. 30); Att. 3, 19, 1: [...] nusquam facilius hanc miserrimam vitam vel sustentabo vel, quod multo melius, abiecero. Für weitere Parallelstellen in der antiken Literatur vgl. NW II 1, 655–666; S. VOLLENWEIDER, ZNW 85, 1994, 91–115. 123 Vgl. D.W. PALMER, NT 17, 1975, 203–218, der eine explizite Verbindung der paulinischen Stelle zum griechisch-römischen Topos nicht ziehen kann, aber dennoch zum Schluß kommt: „(...) if the idea of death as a gain is a commonplace, the usual reason may be assumed in the Philippian context, provided that such a reading is consistent with other indications in the letter“ (ebd. 217). A.J. DROGE, NT 30, 1988, 263–286 stellt die fragliche Stelle direkt den antiken Theorien (von Platon bis zu Paulus’ Zeitgenossen Seneca) gegenüber und hält sie für eine Folge der Paulus vorausgehenden und begleitenden philosophischen Suiziddiskussion: „(...) we will suggest that it is best interpreted as his (Paulus’) reflection on that ‚only truly serious philosophical problem‘ suicide“ (ebd. 274, vgl. auch 283–285). Vgl. ähnlich auch A.J. DROGE – J.D. TABOR, A Noble Death, 117–125. Gegen die Thesen von PALMER und DROGE argumentiert N. C. CROY, JBL 122, 2003, 517–531 auf der Basis des Kontexts von Phil. 1: „The pervasive mood of joy in Philippians hardly seems compatible with the contemplation of suicide“ (ebd. 523); und: „(...) Paul’s rejection of the alternative to ‚depart and be with Christ‘ is fully in accord with the primary time of his letter to the Philippians“ (ebd. 531).
3. Suizid im Christentum
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fürwortet.124 Da Paulus allerdings an keiner Stelle explizit von Selbsttötung spricht, muß diese Debatte, obwohl die gedankliche Nähe zu den antiken Theorien nicht zu übersehen ist, stets im Bereich der Spekulation bleiben. Sicher läßt sich allein sagen, daß der Apostel einen Todeswunsch, eine christliche Todessehnsucht, thematisiert und daß er dabei wohl weniger die christliche Bewertung der Selbsttötung unserer Zeit reflektiert, sondern sich eher an die Traditionen und Einflüsse anlehnt, die seine eigene Zeit prägten. Die von Paulus eindrücklich dargestellte christliche Todessehnsucht ist eine Folge der christlichen Jenseitsvorstellung und erklärt damit auch die Grundlage, auf der die theoretische Auseinandersetzung des antiken Christentums mit der Selbsttötung basiert: Die Todessehnsucht mit der gleichzeitigen Leidensbereitschaft ist es, die oft die christlichen Märtyrer auszeichnet,125 so daß die Verteidigung und Rechtfertigung des Martyriums den hauptsächlichen Kontext darstellt, in dem sich der Suizid unter den frühen christlichen Autoren diskutiert findet. Die Problematik der ‚freiwilligen Märtyrer‘ wird später noch ausführlich zu behandeln sein (Kap. III 2.1); vorausgeschickt werden soll hier lediglich, daß die Unterscheidung von Martyrium als das Erleiden von äußerer Gewalt bis in den Tod und Suizid als der gewaltsame Tod durch eigene Hand m.E. allzu modern ist. Die Grenzen in den antiken Darstellungen sind oft fließend. Die Freiwilligkeit, mit der die Zeugen Christi in den Tod gingen, fehlt in keiner Märtyrerbeschreibung. Schon Ignatius von Antiochia betont in seinem berühmten Brief, daß er freiwillig für Gott sterbe und durch die Zähne der wilden Tiere zu Gott gelange.126 Der Problematik des Freiwilligkeitsgrades waren sich offenbar auch die spätantiken Autoren bewußt. Sie findet sich gerade dann thematisiert, wenn der Vorwurf der Todessehnsucht von gegnerischer Seite laut wird, indem entweder zum Martyrium aufgerufen oder umgekehrt, wenn möglich, zur 124 Vgl. N. C. CROY, JBL 122, 2003, 530f. CROY bemerkt zunächst mit Recht, daß die antiken Sichtweisen „by no means approval“ waren, hält es aber dennoch für eine Gefahr, Paulus durch die platonische oder stoische Brille zu lesen, weil es keinen Beleg gebe, „that he was open to self-destruction on philosophical ground“ (ebd. 530). 125 Zur Todes- und Leidensbereitschaft als wichtiger Aspekt frühchristlichen Selbstverständnisses vgl. u.a. J. PERKINS, The Suffering Self, bes. 15–40. 126 Ign. Rom. 4, 1–3: ᾿Εγὼ γράφω πάσαις ταῖς ἐκκλησίαις καὶ ἐντέλλομαι πᾶσιν ὅτι ἐγὼ ἑκὼν ὑπὲρ θεοῦ ἀποθνήσκω, ἐάνπερ ὑμεῖς μὴ κωλύσητε. Παρακαλῶ ὑμᾶς, μὴ εὔνοια ἄκαιρος γένησθέ μοι. ῎Αφετέ με θηρίων εἶναι βοράν, δι᾿ ὧν ἔστιν θεοῦ ἐπιτυχεῖν. Σῖτός εἰμι θεοῦ καὶ δι᾿ ὀδόντων θηρίων ἀλήθομαι, ἵνα καθαρὸς ἄρτος εὑρεθῶ τοῦ Χριστοῦ. Μᾶλλον κολακεύσατε τὰ θηρία, ἵνα μοι τάφος γένωνται καὶ μηθὲν καταλίπωσι τῶν τοῦ σώματός μου, ἵνα μὴ κοιμηθεὶς βαρύς τινι γένωμαι. Τότε ἔσομαι μαθητὴς ἀληθῶς ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ, ὅτε οὐδὲ τὸ σῶμά μου ὁ κόσμος ὄψεται. Λιτανεύσατε τὸν Χριστὸν ὑπὲρ ἐμοῦ, ἵνα διὰ τῶν ὀργάνων τούτων θεῷ θυσία εὑρεθῶ. Οὐχ ὡς Πέτρος καὶ Παῦλος διατάσσομαι ὑμῖν. ᾿Εκεῖνοι ἀπόστολοι, ἐγὼ κατάκριτος· ἐκεῖνοι ἐλεύθεροι, ἐγὼ δὲ μέχρι νῦν δοῦλος. ᾿Αλλ᾿ ἐὰν πάθω, ἀπελεύθερος γενήσομαι ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ καὶ ἀναστήσομαι ἐν αὐτῷ ἐλεύθερος. Νῦν μανθάνω δεδεμένος μηδὲν ἐπιθυμεῖν. Vgl. Eus. h.e. 3, 36, 6–9. Eine Bemerkung im Brief des Ignatius an die Smyrnäer (Ign. Smyrn. 4, 2) vermittelt den Eindruck, daß Ignatius sich selbst ausgeliefert hat: τί δὲ καὶ ἐμαυτὸν ἔκδοτον δέδωκα τῷ θανάτῳ πρὸς πῦρ, πρὸς μάχαιραν, πρὸς θηρία. Dazu A.R. BIRLEY, in: R. V. HAEHLING (Hg.), Rom und das himmlische Jerusalem, 100 wie zuvor schon C. TREVETT, Ignatius of Antioch, 61–64.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
Flucht gemahnt wird.127 Der Drang zum Martyrium wurde besonders den Montanisten immer wieder unterstellt, obwohl das sogenannte ‚freiwillige Martyrium‘ auch außerhalb derartiger Bewegungen festzustellen ist.128 In seinen späteren, vom Montanismus beeinflußten Schriften ruft Tertullian immer wieder zur militia Christi auf und wendet sich gegen die Flucht.129 Ähnlich klingen die Ermahnungen auch in der Exhortatio ad martyrium des Origenes: Warum also zögern und schwanken wir, abzulegen den hinderlichen vergänglichen Leib, der die Seele beschwert, das den vielsinnenden Geist belastende irdische Zelt, und uns loszulösen von den Fesseln und abzufahren aus den Wogen des irdischen Seins?130
Im Gegensatz zu Tertullian und Origenes erkennt Cyprian von Karthago, der selbst während der decischen Verfolgung ins Exil ging (250/251), unter Valerian verbannt (257) und schließlich hingerichtet wurde (258), die Flucht als legitimen
127 Zum heidnischen Vorwurf der christlichen Todessehnsucht vgl. C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, 90–111. Dazu auch u. S. 122f. 128 W. TABBERNEE, Colloquium 17, 1985, 33–44 wendet sich gegen die bis dahin vorherrschende Forschungsmeinung (vgl. ebd. 33), daß die Montanisten zum freiwilligen Martyrium neigten, indem er aufzeigt, daß einerseits auch die orthodoxen Christen vergleichbare Beispiele für freiwilliges Martyrium liefern (ebd. 34–36) und daß andererseits einige der in der Forschung angeführten Fälle montanistischer ‚Freiwilliger‘ (wie etwa Quintus in Mart. Polycarp. 4 oder Agathonike Act. Carp. 45) nicht zweifelsfrei als Montanisten zu identifizieren sind (ebd. 38– 43); vgl. auch schon G.E.M. DE STE CROIX, P&P 26, 1963, 21: „Contrary to what is usually said, voluntary martyrdom was by no means confined mainly to heretical or schismatic sects such as Montanists and Donatists, but was a good deal more common among the orthodox than is generally admitted.“ Dazu auch C. TREVETT, Montanism, bes. 123–129. Von Interesse für unsere Untersuchung ist nicht so sehr die Frage, ob gerade die Montanisten zum Martyrium drängten, sondern vielmehr, daß es das Phänomen der ‚freiwilligen Märtyrer‘ überhaupt gegeben hat und man sich damit nicht so sehr in den Märtyrerakten selbst, sondern vor allem in der späteren christlichen Literatur auseinanderzusetzen hatte, vgl. dazu u. Kap. III 2. 129 Vgl. bes. Tert. fug. 5, 3; 9; 10, 2. In den früheren Schriften rät Tertullian noch zur Flucht (vgl. z.B. Tert. uxor. 1, 3), mahnt aber auch zur militia Christi (Tert. mart. 3, 1; apol. 50, 1 s.u. S. 85, Anm. 264). Vgl. aber auch T.D. BARNES, Tertullian, 183, der das Fluchtmotiv für unabhängig von Tertullians montanistischer Position hält. Über Tertullians Haltung zu Flucht und Selbstauslieferung vgl. auch W. BÄHNK, Von der Notwendigkeit des Leidens, bes. 176–193. Zu Tertullians Auseinandersetzung mit dem Montanismus und dessen Reflexion in seinem Werk ferner C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, 116–120. 130 Or. mart. 47: τί τοίνυν ὀκνοῦμεν καὶ διστάζομεν ἀποθέμενοι τὸ ἐμποδίζον ‚φθαρτὸν σῶμα‘, βαρῦνον ψυχὴν, βρῖθον ‚νοῦν πολυφρόντιδα‘, ‚γεῶδες σκῆνος‘, ἀπολυθῆναι τῶν δεσμῶν καὶ ἀναλῦσαι ἀπὸ τῶν μετὰ σαρκὸς καὶ αἵματος κυμάτων; Übers. v. P. KOET2 SCHAU, in: BKV 48. Vgl. Mt 5, 17; Röm 10, 4. 13, 10. Vgl. auch Or. mart. 22, wo er die Märtyrer, die freiwillig in den Tod gehen, preist und das Beispiel des Eleazar (vgl. 2 Makk 6, 18–20) hervorhebt: τίς δ᾿ ἂν οὕτως εὐλόγως ἐπαινοῖτο τεθνηκὼς ὡς ὁ αὐτοπροαιρέτως τὸν θάνατον ὑπὲρ εὐσεβείας ἀναδεξάμενος; ὁποῖος ἦν ὁ ᾿Ελεάζαρος ‚τὸν μετ᾿ εὐκλείας θάνατον μᾶλλον ἢ τὸν μετὰ μύσους βίον ἀναδεξάμενος καὶ αὐτοπροαιρέτως ἐπὶ τὸ τύμπανον προάγων‘, ὅστις λογισμὸν ἀστεῖον ἀναλαβὼν ἄξιον τῆς ἐνενηκονταετοῦς αὐτοῦ ἡλικίας καὶ τῆς τοῦ γήρως ὑπεροχῆς καὶ τῆς ἐπικτήτου καὶ ἐπιφανοῦς πολιᾶς καὶ τῆς ἐκ παιδὸς καλλίστης ἀνατροφῆς μᾶλλον δὲ τῆς ἁγίας καὶ θεοκτίστου νομοθεσίας. Zur Ermahnung zum Martyrium bei Origenes vgl. C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, 166–177.
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Ausweg aus der Verfolgung an.131 Obwohl seine Schriften Aufforderungen zum Martyrium anklingen lassen,132 sieht er in der Flucht weder einen Verrat noch einen Glaubensabfall, sondern eine Prüfung, die dem Martyriums ebenbürtig ist.133 Seine eigene Flucht rechtfertigt Cyprian, indem er die bischöfliche Fürsorgepflicht betont.134 Im letzten seiner erhaltenen Briefe gibt er konkrete Anweisungen zum Verhalten in Verfolgungszeiten: Niemand solle Aufruhr unter den Brüdern erregen oder sich freiwillig den Heiden ausliefern, denn nur wer ergriffen werde, müsse sich öffentlich als Christ bekennen.135 Eine erste theoretische Auseinandersetzung mit der Unterscheidung von Martyrium und Suizid und mit dessen Erlaubtheit liefert Clemens Alexandrinus, der sich in den Stromata um eine philosophische Begründung des Christentums bemüht. Das Martyrium beschreibt er als eine Vollendung, nicht weil der Mensch dadurch ein Ende seines Lebens gefunden, sondern weil er ein vollkommenes
131 Davon zeugen vor allem Cyprians Briefe aus dem Exil vgl. etwa Cypr. ep. 7; 8. 132 Allerdings nur dann, wenn der Tod schon unausweichlich ist, vgl. Cypr. ep. 58, 3: [...] Si mortem possemus evadere, merito mori timeremus. Porro autem cum mortalem mori necesse sit, amplectamur occasionem de divina promissione et dignatione venientem et fungamur exitum mortis cum praemio inmortalitatis nec vereamur occidi, quos constet quando occidimur coronari. 133 Cypr. ep. 58, 4, 2: Et si fugientem in solitudine ac montibus latro oppresserit, fera invaserit, fames aut sitis aut frigus adflixerit, vel per maria praecipiti navigatione properantem tempestas ac procella submerserit, spectat militem suum Christus ubicumque pugnantem et persecutionis causa pro nominis sui honore morienti praemium reddit quod daturum se in resurrectione promisit. Nec minor est martyrii gloria non publice et inter multos perisse, cum pereundi causa sit propter Christum perire. Sufficit ad testimonium martyris sui testis ille qui probat martyras et coronat. 134 Vgl. Cypr. ep. 20, 1: 2 Nam sicut domini mandata instruunt, orto statim turbationis inpetu primo, cum me clamore violento frequenter populus flagitasset, non tam meam salutem quam quietem fratrum publicam cogitans interim secessi, ne per inverecundam praesentiam nostram seditio quae coeperat plus provocaretur. 135 Cypr. ep. 81, 4: Vos autem, fratres carissimi, pro disciplina quam de mandatis dominicis a me semper accepistis et secundum quod me tractante saepissime didicistis, quietem et tranquillitatem tenete, nec quisquam vestrum aliquem tumultum fratribus moveat aut ultro se gentilibus offerat. Apprehensus enim et traditus loqui debet, siquidem deus in nobis positus illa hora loquatur, qui nos confiteri magis voluit quam profiteri. Nach den Acta Proconsularia Cypriani weigerte sich Cyprian während seiner Anhörung durch den Prokonsul Aspasius Paternus, die Namen der Kleriker Karthagos zu nennen, indem er das Argument anführte, die christliche Lehre verbiete es, sich freiwillig auszuliefern, vgl. Act. Cypr. 1, 5: [...] et cum disciplina prohibeat nostra ne quis se ultro offerat et tuae quoque censurae hoc displiceat, ne offerre se ipsi possunt, sed a te exquisiti invenientur. Eine Distanzierung von der Martyriumssehnsucht klingt auch in Pionius’ Worten an, Mart. Pion. 5, 4f.: ὁ δὲ πρὸς αὐτούς· Κἀγὼ λέγω ὅτι καλόν ἐστι τὸ ζῆν, ἀλλ᾿ ἐκεῖνο κρεῖσσον ὃ ἡμεῖς ἐπιποθοῦμεν· καὶ τὸ φῶς, ἀλλ᾿ ἐκεῖνο τὸ ἀληθινόν. καὶ ταῦτα μὲν οὖν ἅπαντα καλά· καὶ οὐχ ὡς θανατιῶντες ἢ μισοῦντες τὰ ἔργα τοῦ θεοῦ φεύγομεν, ἀλλ᾿ ἑτέρων μεγάλων ὑπερβολῇ τούτων καταφρονοῦμεν ἐνεδρευόντων ἡμᾶς. Vgl. auch Mart. Pion. 4, 7: ᾿Εγὼ γὰρ τῷ ἐμῷ διδασκάλῳ πειθόμενος ἀποθνήσκειν αἱροῦμαι μᾶλλον ἢ παραβαίνειν τοὺς λόγους αὐτοῦ, καὶ ἀγωνίζομαι μὴ ἀλλάξαι ἃ πρῶτον ἔμαθον, ἔπειτα καὶ ἐδίδαξα. τίνων οὖν καταγελῶσιν οἱ ᾿Ιουδαῖοι ἀσυμπαθῶς; εἰ γὰρ καὶ ἐχθροὶ αὐτῶν ἐσμεν, ὥς φασιν, ἀλλὰ ἄνθρωποι ἔτι ἀδικηθέντες.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
Werk der Liebe gezeigt habe.136 Er tadelt aber diejenigen, die sich selbst in den Tod stürzen. Es gibt nämlich einige, welche nicht zu uns gehören, außer daß sie denselben Namen mit uns tragen, welche sich aus Abscheu vor dem Schöpfer auszuliefern sich beeilen, die Unseligen, die so todeslustig sind. Wir sagen, daß diese sich selbst ohne Märtyrertum ums Leben bringen, ob sie auch von Staats wegen bestraft werden. Denn sie bewahren nicht den Charakter des gläubigen Märtyrertums, weil sie den wahrhaft seienden Gott nicht anerkennen, sondern geben sich einem nichtigen Tode hin, wie auch die Gymnosophisten der Inder einem eitlen Feuer.137
Die Ablehnung des bewußt gesuchten Märtyrertodes begründet Clemens mit Platons Forderung, man müsse um der Harmonie der Seele willen für den Leib sorgen (was auch an das neuplatonische Fürsorge-Prinzip erinnert).138 Clemens lehnt damit allein den unnötigerweise gesuchten Tod ab, nicht aber die Bereitschaft für die Wahrheit Gottes in den Tod zu gehen. Er führt gar die stoische εὔλογος ἐξαγωγή an, um die Bekehrung der Seele zum Besseren zu verdeutlichen: So gestatten denn auch die Philosophen dem edlen Manne einen vernunftgemäß begründeten Austritt aus dem Leben, wenn er der Möglichkeit, frei zu handeln, beraubt wird, so daß ihm nicht einmal die Hoffnung auf Handlung übrig geblieben ist.139
In Clemens’ christlicher Interpretation bedeutet dies, „daß wir, wenn der Herr uns dazu erzieht, in gnostischer Weise um der Liebe zu Gott willen den Tod gering achten sollen“. Die wahren Märtyrer sind damit definiert durch die Formel: „Se-
136 Clem. strom. 4, 4, 14, 3: αὐτίκα τελείωσιν τὸ μαρτύριον καλοῦμεν οὐχ ὅτι τέλος τοῦ βίου ὁ ἄνθρωπος ἔλαβεν ὡς οἱ λοιποί, ἀλλ᾿ ὅτι τέλειον ἔργον ἀγάπης ἐνεδείξατο. 137 Clem. strom. 4, 4, 17 ψέγομεν δὲ καὶ ἡμεῖς τοὺς ἐπιπηδήσαντας τῷ θανάτῳ· εἰσὶ γάρ τινες οὐχ ἡμέτεροι, μόνου τοῦ ὀνόματος κοινωνοί, οἳ δὴ αὑτοὺς παραδιδόναι σπεύδουσι τῇ πρὸς τὸν δημιουργὸν ἀπεχθείᾳ, οἱ ἄθλιοι θανατῶντες. τούτους ἐξάγειν ἑαυτοὺς ἀμαρτύρως λέγομεν, κἂν δημοσίᾳ κολάζωνται. οὐ γὰρ τὸν χαρακτῆρα σῴζουσι τοῦ μαρτυρίου τοῦ πιστοῦ, τὸν ὄντως θεὸν μὴ γνωρίσαντες, θανάτῳ δὲ ἑαυτοὺς ἐπιδιδόασι κενῷ, καθάπερ καὶ οἱ τῶν ᾿Ινδῶν γυμνοσοφισταὶ ματαίῳ πυρί. ἐπεὶ δ᾿ οἱ ψευδώνυμοι οὗτοι τὸ σῶμα διαβάλλουσι, μαθέτωσαν ὅτι καὶ ἡ τοῦ σώματος εὐαρμοστία συμβάλλεται τῇ διανοίᾳ πρὸς τὴν εὐφυΐαν. Übers. (auch im folgenden) F. OVERBECK, in: Klemens von Alexandria, Die Teppiche. D. WYRWA, Die Christliche Platonaneignung, 228f. vermutet, Clemens spiele hier auf die Markioniten an, er meint aber auch, daß Clemens darüber hinausgehe, indem er allgemein leichtfertigen Martyriumseifer anklage. Dagegen nimmt C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, 115f. an, Clemens denke bei der Anspielung an die Montanisten. Zumindest findet hier eine Abgrenzung der wahren von falschen Märtyrern statt, wie sie analog auch Augustinus später in der Auseinandersetzung mit den Donatisten vornimmt, vgl. u. Kap. III 2.3. 138 Clem. strom. 4, 4, 18, 1: δι᾿ ὃ ἐν τῷ τρίτῳ τῆς Πολιτείας ὁ Πλάτων εἶπεν, ὃν μάλιστα ἐπιβοῶνται μάρτυρα τὴν γένεσιν κακίζοντες, ἐπιμελεῖσθαι σώματος δεῖν ψυχῆς ἕνεκα ἁρμονίας, δι᾿ οὗ βιοῦν τε ἔστι καὶ ὀρθῶς βιοῦν καταγγέλλοντα τῆς ἀληθείας τὸ κήρυγμα· διὰ γὰρ τοῦ ζῆν καὶ τῆς ὑγείας ὁδεύοντες ἐκμανθάνομεν τὴν γνῶσιν. Vgl. Plat. R. 410c. Zur Verwendung von Platonzitaten bei Clemens in Hinsicht auf seine Martyriumsdefinition D. WYRWA, Die Christliche Platonaneignung, 225–250. 139 Clem. strom. 4, 6, 28, 3: αὐτίκα εὔλογον ἐξαγωγὴν τῷ σπουδαίῳ συγχωροῦσι καὶ οἱ φιλόσοφοι, εἴ τι τοῦ πράσσειν [αὐτὸν] οὕτω στερήσειεν αὐτόν, ὡς μηκέτι ἀπολελεῖφθαι αὐτῷ μηδὲ ἐλπίδα τῆς πράξεως·[...].
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lig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden“.140 Diese formelhafte Definition des wahren Märtyrers wird später bei Augustinus und seiner Unterscheidung des wahren und falschen Märtyrers wieder begegnen. Im Vordergrund des Martyriums steht stets das Bekenntnis zu Gott, so daß die Flucht, wenn möglich, vorzuziehen ist. Der Wortlaut zur Fluchtfrage ist es wert, genau betrachtet zu werden: Wenn nun der Herr wiederum sagt: ‚Wenn sie euch verfolgen in dieser Stadt, so fliehet in eine andere‘ (Mt 10, 23), so mahnt er zur Flucht, nicht als wäre die Verfolgung ein Übel, noch verordnet er, daß man, als fürchte man sich vor dem Tode, sich ihm durch die Flucht entziehen solle, sondern er will, daß wir niemandem gegenüber schuldig, noch Mitschuldige an irgendeinem Übel werden, an uns selbst und dazu an dem, der uns verfolgt, und an dem, der uns tötet. Er befiehlt nämlich in einer gewissen Weise, vor dem Tod auszuweichen; wer aber nicht gehorcht, ist verwegen und stürzt sich selbst in Gefahr. Wenn nun, wer einen ‚Menschen Gottes‘ tötet, gegen Gott sündigt, so wird auch für den, der ihn tötet, verantwortlich, wer sich selbst dem Gerichte ausliefert; so tut, wer sich der Verfolgung nicht entzieht und sich durch Tollkühnheit fangen läßt. Ein solcher wird, soviel an ihm ist, zum Beförderer der Schlechtigkeit seines Verfolgers; reizt er ihn aber außerdem, so ist er vollends schuldig, weil er das Tier herausfordert.141
Auch wenn Clemens sich nicht direkt gegen Selbsttötung, sondern lediglich gegen Selbstauslieferung und Provokation wendet, wirft er mit diesen Worten eine Möglichkeit der christlichen Argumentation gegen den Suizid auf, nämlich das Argument der Versündigung gegen das 5. Gebot „Du sollst nicht töten“. Er geht allerdings nicht so weit, den Suizid selbst unter dieses Gebot zu stellen, sondern argumentiert über die Schuld des Mörders, an der das Opfer durch seine Provokation teilhat.
140 Clem. strom. 4, 6, 41, 1f.: Κεφάλαιον δ᾿, οἶμαι, πάσης ἀρετῆς κύριος παιδεύων ἡμᾶς τὸ δεῖν γνωστικώτερον δι᾿ ἀγάπην τὴν πρὸς τὸν θεὸν θανάτου καταφρονεῖν· ᾿μακάριοι᾿, φησίν, ᾿οἱ δεδιωγμένοι ἕνεκεν δικαιοσύνης, ὅτι αὐτοὶ υἱοὶ θεοῦ κληθήσονται,᾿ ἢ ὥς τινες τῶν μετατιθέντων τὰ εὐαγγέλια· ᾿μακάριοι᾿, φησίν, ᾿οἱ δεδιωγμένοι ὑπὲρ τῆς δικαιοσύνης, ὅτι αὐτοὶ ἔσονται τέλειοι. καὶ μακάριοι οἱ δεδιωγμένοι ἕνεκα ἐμοῦ, ὅτι ἕξουσι τόπον ὅπου οὐ διωχθήσονται.᾿ ᾿καὶ μακάριοί ἐστε, ὅταν οἱ ἄνθρωποι μισήσωσιν ὑμᾶς, ὅταν ἀφορίσωσιν, ὅταν ἐκβάλωσι τὸ ὄνομα ὑμῶν ὡς πονηρὸν ἕνεκα τοῦ υἱοῦ τοῦ ἀνθρώπου·᾿ ἐὰν μὴ βδελυσσώμεθα δηλονότι τοὺς διώκοντας καὶ ὑπομένωμεν τὰς παρ᾿ αὐτῶν τιμωρίας, μὴ μισοῦντες αὐτούς, βράδιον ἢ προσεδοκήσαμεν πεπειρᾶσθαι διανοούμενοι, ἀλλὰ κἀκεῖνο γινώσκοντες πρόφασιν εἶναι μαρτυρίου τὸν ὁντινοῦν πειρασμόν. Vgl. Mt 5, 10. Zur Definition des Martyriums anhand der Evangelien vgl. auch Clem. strom. 4, 9, 70. 141 Clem. strom. 4, 10, 76, 1 – 77, 1: ᾿Επὰν δ᾿ ἔμπαλιν εἴπῃ ‚ὅταν διώκωσιν ὑμᾶς ἐν τῇ πόλει ταύτῃ, φεύγετε εἰς τὴν ἄλλην‘, οὐχ ὡς κακὸν τὸ διώκεσθαι παραινεῖ φεύγειν οὐδ᾿ ὡς θάνατον φοβουμένους διὰ φυγῆς ἐκκλίνειν προστάττει τοῦτον· βούλεται δὲ ἡμᾶς μηδενὶ αἰτίους μηδὲ συναιτίους κακοῦ τινος γίνεσθαι, σφίσιν τε αὐτοῖς πρὸς δὲ καὶ τῷ διώκοντι καὶ τῷ ἀναιροῦντι· τρόπον γάρ τινα παραγγέλλει αὐτὸν περιίστασθαι, ὁ δὲ παρακούων τολμηρὸς καὶ ῥιψοκίνδυνος. εἰ δὲ ὁ ἀναιρῶν ᾿ἄνθρωπον θεοῦ᾿ εἰς θεὸν ἁμαρτάνει, καὶ τοῦ ἀποκτειννύντος αὐτὸν ἔνοχος καθίσταται ὁ ἑαυτὸν προσάγων τῷ δικαστηρίῳ· οὗτος δ᾿ ἂν εἴη ὁ μὴ περιστελλόμενος τὸν διωγμόν, ἁλώσιμον διὰ θράσος παρέχων ἑαυτόν. οὗτός ἐστι τὸ ὅσον ἐφ᾿ ἑαυτῷ ὁ συνεργὸς γινόμενος τῇ τοῦ διώκοντος πονηρίᾳ, εἰ δὲ καὶ προσερεθίζοι, τέλεον αἴτιος, ἐκκαλούμενος τὸ θηρίον. Vgl. Mt 10, 23.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
Direkt in Beziehung zum 5. Gebot wird der Suizid erstmals von Laktanz gebracht: Es ist eine alte Vorschrift, nicht zu töten; dies darf man nicht so auffassen, als würde uns nur geboten, die Hände vom Menschenmord zu lassen, der auch durch die staatlichen Gesetze geahndet wird, sondern durch das Einschalten dieses Gebotes wird es auch nicht erlaubt sein, Todesgefahr durch ein Wort herbeizuführen, einen Säugling umzubringen oder auszusetzen oder sich selbst zum freiwilligen Tode zu verurteilen.142
In den Divinae institutiones bringt Laktanz innerhalb seiner Polemik gegen die Philosophen, die durch Suizid Ruhm erlangt hatten, das Suizidverbot auf die Formel: Wenn ein Mörder sündig ist, weil er zum Vernichter eines Menschen wird, ist ebenso mit Frevel belastet, wer sich selbst tötet, weil er einen Menschen tötet“.143
Die Basis aber, auf die Laktanz sein christliches Argument hier stellt, um die heidnische Philosophie zurückzuweisen, ist die platonische: Denn wie wir nicht aus unserem Willen ins Leben kommen, so können wir wiederum aus der Wohnung des Körpers, der uns zum Bewahren zugeschrieben ist, auf dessen Befehl zurückbeordert werden, der uns in diesen Körper hineingeführt hat, damit wir ihn solange bewohnen, bis er uns befiehlt, ihn zu verlassen.144
Im Gegensatz zu seiner Einordnung des Suizids in Hinblick auf die heidnischen Philosophen wertet Laktanz das christliche Martyrium nicht einmal in seiner Freiwilligkeit als Frevel. Den heidnischen Christenverfolgern, denen er vorwirft, die Christen gegen ihren Willen durch Abschwören vor dem Tod retten zu wollen, führt er den Selbstmörder vor, den man von seinem Vorhaben ebenso nicht abhalten könne: Oder wenn jemand, da ihn Übel bedrängen, sich gezwungen sieht, sich in den Tod zu flüchten, kannst du dann etwa, wenn du ihm entweder das Schwert entwindest oder den Strick zerreißt oder ihn vom Steilhang zurückzerrst oder sein Gift ausschüttest, dich als Bewahrer eines Menschen aufspielen, wenn der, den du bewahrt zu haben glaubst, dir nicht dankt, sondern der Meinung ist, du hättest ihm übel mitgespielt, weil du ihn am erwünschten Tod gehindert hast, weil du ihn zum Ende, weil du ihn zur Ruhe vor den Übeln nicht hast gelangen lassen?
142 Lact. epit. 59, 5: Vetus praeceptum et non occidere; quod non sic accipi debet, tamquam iubeamur ab homicidio tantum, quod etiam legibus publicis vindicatur, manus abstinere, hac iussione interposita nec verbo licebit periculum mortis inferre nec infantem necare aut exponere nec se ipsum voluntaria morte damnare. Übers. hier wie im folgenden nach E. HECK – G. SCHICKLER, in: Lactantius, Göttliche Unterweisungen. Gegenüber dem Hauptwerk (vgl. Lact. inst. 6, 20, 15–25) ist dieser Abschnitt zum Tötungsverbot stark verkürzt, das Suizidverbot aufgrund des 5. Gebotes ist jedoch nur hier hinzugefügt. 143 Lact. inst. 3, 18, 6: Nam si homicida nefarius est, quia hominis extinctor est, eidem sceleri obstrictus est qui se necat, quia hominem necat. 144 Lact. inst. 3, 18, 7: Nam sicut in hanc vitam non nostra sponte venimus, ita rursus ex hoc domicilio corporis, quod tuendum nobis adsignatum est, eiusdem iussu recendendum est, qui nos in hoc corpus induxit tamdiu habitaturos, donec iubeat emitti. Vgl. ähnlich auch Lact. epit. 34, 8-12 (u. S. 96 u. Anm. 302): Vgl. Plat. Phaid. 62b-c (o. S. 25, Anm. 44f.) und Plot. enn. 1, 9 (o. S. 36, Anm. 90).
3. Suizid im Christentum
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Eine gute Tat darf nämlich nicht aufgrund der Beschaffenheit der Sache, sondern muß aufgrund der inneren Einstellung dessen, der sie empfängt, gewogen werden.145
Die Position des Laktanz ist offenbar ein erster Versuch, ein Suizidverbot durch christliche Argumente, d.h. durch die Heilige Schrift zu begründen. Durch die Formulierung eines Suizidverbots anhand des 5. Gebots wird die Selbsttötung zugleich zur christlichen Sünde. Das freiwillige Martyrium ist dem gegenüber durch die innere Einstellung des Märtyrers als eine gute Tat legitimiert. Trotz seiner christlichen Argumentation greift aber auch Laktanz noch auf eine platonische Idee zurück, indem er den Willen und die Gewalt über das Ende des menschlichen Lebens allein Gott zuschreibt. Sowohl der Bezug zum 5. Gebot als auch der Befehl Gottes als alleinige Legitimation für das Verlassen des Körpers wird auch Augustinus ausführlicher beschäftigen. Es ist hier zunächst wichtig festzuhalten, daß diese Kriterien bereits in Laktanz’ Argumentation eine bedeutende Rolle spielen. Abgesehen von Laktanz, der das 5. Gebot als christliches Argument gegen den Suizid ins Feld führt (daneben aber auch auf platonische Argumente zurückgreift), stellen die theoretischen Ansätze bis hin zu Augustinus stets Wiederaufnahmen und Rezeptionen der antiken Theorien dar, die in ein christliches Gewand gekleidet werden. Auf die Frage hin, wozu die Menschen am Leben hingen, in dem sie mit um so größerer Sünde beladen würden, je länger sie lebten, kommentiert noch Ambrosius das Paulus-Zitat „Denn Christus ist mein Leben und Sterben ein Gewinn“ folgendermaßen: Christus ist nämlich unser König. Was aber der König befiehlt, das können wir nicht im Stiche lassen und gering schätzen. Wie viele Menschen gibt es, die auf Befehl eines irdischen Herrschers in fremden Ländern ihr Leben verbringen unter dem Vorwande einer Ehrung oder eines Amtes wegen! Verlassen diese etwa ihren Posten, ohne den Herrscher befragt zu haben? Wieviel ruhmvoller ist es, den göttlichen Geboten zu gehorchen als den menschlichen!146
Ambrosius, der sich der Königsmetapher bedient, um den göttlichen Befehl in seiner Geltung zu unterstreichen, macht offenbar den platonischen Gedanken des Gottesbefehls und das neuplatonische Fürsorge-Prinzip zum christlichen Argument. Auch erinnert seine Argumentation auch an die aristotelische Herrschaftstheorie, auf deren Grundlage Aristoteles den Suizid auf sozialer Ebene ablehnte, 145 Lact. epit. 48, 8–9: Quae stultitia est consulere velle nolenti? an si aliquis prementibus malis ad mortem confugere cogatur, num potes, si aut gladium extorseris aut laqueum ruperis aut praecipitio retraxeris aut venenum effuderis, conservatorem te hominis gloriari, cum ille, quem servasse te putas, nec gratias agat et te male secum arbitretur egisse, quod mortem sibi prohibueris optatam, quod ad finem, quod ad requiem malorum pervenire non siveris? (9) Beneficium enim non ex qualitate rei debet, sed ex animo eius qui accipit ponderari. Cur pro beneficio imputes, quod mihi maleficium est? 146 Ambr. bon. mort. 2, 7: Christus enim rex noster est: ideo quod rex iubet deserere non possumus et contemnere. Quantos imperator terrae huius in peregrinis locis aut honoris specie aut muneris alicuius causa iubet degere! Numquid hi inconsulto imperatore discedunt? Et quanto amplius est divinis placere quam humanis! Vivere ergo sancto Christus est et mori lucrum. Übers. v. J. HUHN, in: Ambrosius, De bono mortis.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
da der Mensch dem Wohl des Staates unterworfen sei und seinen ihm zugewiesenen Posten nicht aus eigenem Antrieb verlassen dürfe.147 Die Frage, ob es für Christen legitim sei, in Notsituationen Hand an sich zu legen, blieb auch über die Christenverfolgungen hinaus lebendig. Gerade die heiligen Jungfrauen, die sich bei drohender Schändung zur Erhaltung ihrer Keuschheit das Leben genommen hatten, sorgten im 4. und 5. Jahrhundert immer wieder für literarische Diskussionen mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. Ambrosius bejaht in De virginibus die Frage, ob sich eine Jungfrau zur Erhaltung ihrer Keuschheit das Leben nehmen dürfe, da dies einem vorbildlichen Martyrium entspreche.148 Auch Hieronymus sieht in der Keuschheit die einzige Legitimation für die Selbsttötung; Jona 1, 12 zitierend, schließt er: Es kommt uns nämlich nicht zu, den Tod an uns zu reißen, wohl aber ihn bereitwillig anzunehmen, wenn er uns von anderen zugefügt wird. Daher ist es auch bei Verfolgungen nicht erlaubt, durch eigene Hand umzukommen – abgesehen von dem Fall, daß die Keuschheit in Gefahr ist – wohl aber dem Henker den Hals hinzuhalten.149
Diese Bewertungen sind aber, wie aus den beiden Beispielen bereits ersichtlich wird, keine vordergründigen Theorien über den Suizid, sondern Reflexionen, die aus konkreten Umständen oder aktuellen Anlässen resultieren; sie müssen daher auch in ihrem eigenen Kontext erneut und ausführlicher betrachtet werden.150 3.2 Augustins Auseinandersetzung mit der Selbsttötung Die Theorie des Augustinus zum Suizid und seine betont ablehnende Haltung sind vor allem durch seine Ausführungen im ersten Buch von De civitate Dei bekannt und kommen besonders in der Formulierung: […] qui se ipsum occidit, homicida est zum Ausdruck.151 Seine Auseinandersetzung mit der Selbsttötung steht aber ebenfalls stets im Zusammenhang der zeitgenössischen Ereignisse. Im ersten Buch seiner durch den Fall Roms veranlaßten Apologie kommt der Kirchenvater auf die während des Goteneinfalls (410 n. Chr.) verübten Verbrechen zu sprechen. 147 Zu Aristoteles vgl. o. S. 27. 148 Ambr. virg. 3, 7, 32: Et quidem de virginibus in necessitate custodiae constitutis enodem habemus assertionem, cum martyrii exstet exemplum. Mit enthusiastischen Worten schildert er anschließend das Beispiel der Antiochenerin Pelagia, die sich auf der Flucht vor ihren Verfolgern in den Tod gestürzt habe. Vgl. dazu u. S. 128–130. 149 Hier. in Ion. 1, 12 (419–423): Tollite me et mittite in mare: non est enim nostrum mortem arripere, sed illatam ab aliis libenter excipere. Unde et in persecutionibus non licet propria perire manu absque eo ubi castitas periclitatur, sed percutienti colla submittere. Übers. v. S. RISSE, in: Hieronymus, Commentarius. Vgl. dazu P. LAURENCE, Orpheus 17, 1996, 60. 150 Vgl. u. Kap. III 2.2. 151 Aug. civ. 1, 17 (s.o. S. 9, Anm. 2 und u. S. 54). Vgl. Quint. inst. 7, 3, 7: Diversum est genus cum controversia consistit in nomine quod pendet ex scripto, nec versatur in iudiciis nisi propter verba quae litem faciunt: an qui se interficit homicida sit, an qui tyrannum in mortem compulit tyrannicida, an carmina magorum veneficium. Vgl. auch Sen. rhet. contr. exc. 8, 4: ‚Homicida‘ inquit ‚est, quia se occidit‘.
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Den konkreten Anlaß seiner Reflexionen über den Suizid geben ihm die Vergewaltigungen an römischen Frauen und die Frage, ob es ihnen erlaubt sei oder gar von Seelengröße zeuge, sich aus Furcht oder Scham zu töten. In den anschließenden Ausführungen über die Selbsttötung (civ. 1, 16–27) geht es um eine eher theoretische Behandlung der Zulässigkeit des (Sich-)Tötens überhaupt, stets mit dem Bemühen, das christlich wahre Verhalten dem heidnisch-traditionellen, das als für den Verfall verantwortlich dargestellt wird, gegenüberzustellen. Das Hauptargument, das Augustinus gegen den Suizid anführt, ist das der Schuld bzw. der Sünde. Am Beispiel der Lucretia, die sich, nachdem sie vergewaltigt worden war, das Leben nahm, um sich und ihre Familie von ihrer Schuld zu reinigen, und zum Symbol des römischen tugendhaften Suizids schlechthin wurde,152 zeigt Augustinus auf, daß innocentia und Suizid nicht miteinander einhergehen können. Nicht die Vergewaltigung oder der Verlust ihrer Keuschheit erlege den Geschändeten Schuld auf, denn sie willigten nicht in die Gewalttat ein, sondern erst ihre Selbsttötung lasse sie schuldig werden: So ist denn nichts geschehen, was eine Frau durch freiwilligen Tod sühnen müßte, wenn ihr wider Willen und durch fremden Frevel Gewalt angetan wurde, und erst recht nicht, ehe die Übeltat vollbracht ward.153
Derselbe Gedanke findet sich auch schon in De mendacio aus den Jahren 394/ 395 in Hinblick auf die Überlegungen zum freien Willen des Menschen. Die Frage, ob Christen lieber den Götzen Weihrauch streuen sollten, als ihren Leib schänden zu lassen, also mit einer Lüge ihrer Schändung entgehen dürften, beantwortet Augustinus damit, daß das Erleiden der Schändung selbst keine Schuld auferlege, solange es ohne Einwilligung erfolge: Wenn eine solche Einwilligung als Handlung zu gelten habe, dann seien diejenigen Mörder, die sich lieber haben töten lassen als falsches Zeugnis abzulegen, und zwar seien diese Selbstmörder: et quod est homicidium gravius, in se ipsos.154 Entsprechend verurteilt er auch den einzigen Suizid aus dem Neuen Testament: 152 Zu Lucretia vgl. ausführlich u. Kap. III 1.3. Zur Schilderung der Lucretia bei Augustinus vgl. bes. D. TROUT, JECS 2, 1994, 53–70. 153 Aug. civ. 1, 18: Quam ob rem non habet quod in se morte spontanea puniat femina sine ulla sua consensione violenter oppressa et alieno conpressa peccato; quanto minus antequam hoc fiat! Die Übersetzung folgt hier wie im folgenden mit teils leichten Änderungen W. THIMME, in: Augustinus, Vom Gottesstaat. 154 Aug. mend. 9, 13: In qua propositione ista sunt, quae merito quaeri possunt: utrum talis consensio pro facto habenda sit; aut utrum consensio dicenda sit, quae non habet adprobationem; aut utrum adprobatio sit, cum dicitur: expedit hoc pati potius quam illud facere; et utrum recte ille fecerit turificare quam stuprum pati; et utrum mentiendum esse potius, si ea condicio daretur, quam turificandum. sed si talis consensio pro facto habenda est, homicidae sunt etiam, qui occidi maluerunt quam falsum testimonium dicere, et quod est homicidium gravius, in se ipsos. Umgekehrt könne ein Mensch, der bereits der Sünde verfallen ist, sich auch durch seinen freien Willen nicht davon befreien. Diesen Gedanken verdeutlicht Augustinus im Enchiridion (de fide spe et caritate) wiederum am Beispiel des Selbstmörders, Aug. ench. 9, 30 : [...] Nam libero arbitrio male utens homo et se perdidit et ipsum. Sicut enim qui se occidit utique vivendo se occidit, sed se occidendo non vivit nec se ipsum poterit resuscitare cum occiderit, ita cum libero peccaretur arbitrio victore peccato amissum est et liberum
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid Mit Recht verabscheuen wir doch die Tat des Judas, und die Wahrheit urteilt, daß er, als er den Strick nahm, den Frevel seines Verrats nicht gesühnt, sondern nur noch vergrößert hat, weil er sich, indem er Gottes Erbarmen durch die Verzweiflung unheilvoll mißbilligte, keinen Raum ließ für heilsame Reue. (...) Denn als Judas sich tötete, tötete er wohl einen Frevler, doch sein Selbstmord bewirkte bloß, daß er nun nicht nur am Tode Christi, sondern auch an seinem eigenen schuldig ward, denn sein erster Frevel ward Anlaß zu seinem zweiten.155
Anders als Judas, anders als Lucretia und anders als alle anderen heidnischen exempla, die Augustinus in De civitate Dei anführt, hätten die christlichen Frauen nicht so gehandelt: Obwohl sie ähnliches erduldet, leben sie weiter und rächen nicht fremde Untat an sich selber, um den Freveln anderer nicht noch eigene hinzuzufügen. (...) Denn sie wollen nicht von der Richtschnur des göttlichen Gesetzes abweichen, (...).156
In Ermangelung eines konkreten Suizidverbots in den biblischen Schriften leitet Augustinus das diesbezügliche göttliche Gesetz vom 5. Gebot non occides ab: neque enim qui se occidit, aliud quam hominem occidit.157 Diese Begründung für die Beurteilung von Suizid anhand des göttlichen Gebotes ist, wie oben schon gezeigt wurde, nicht ganz neu: Bereits Laktanz hatte in den Divinae Institutiones eine ähnliche Formulierung gewählt und in der Epitome das vetus praeceptum mit der Selbsttötung in Zusammenhang gebracht.158 An dem Rückgriff auf das 5. Gebot zeigt sich auch, daß Augustinus zwischen Töten und Selbsttötung zunächst keine konkrete Unterscheidung trifft, sondern beide Begriffe vielmehr gleichgesetzt werden. Erst auf dieser Basis ist es möglich, beide in gleicher Weise als homicidium zu bezeichnen: Denn wenn es nicht erlaubt ist, eigenmächtig einen Menschen, der Schaden zufügen will, zu töten, falls kein Gesetz dazu Befugnis gibt, so ist auch ohne Frage, wer sich selbst umbringt,
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arbitrium. Auch in Augustins früher Abhandlung De libero arbitrio wird der Suizid auf ähnliche Weise thematisiert, vgl. Aug. lib. arb. 3, 76–84, bes. 83f.: Quod autem quietum est non est nihil, immo etiam magis est quam id quod inquietum est. Inquietudo enim variat adfectiones ut altera alteram perimat, quies autem habet constantiam in qua maxime intellegitur quod dicitur est. Omnis itaque ille adpetitus in voluntate mortis non ut qui moritur non sit sed ut requiescat intenditur. (84) Ita cum errore credat non se futurum, natura tamen quietus esse, hoc est, magis esse desiderat. Quapropter sicut nullo pacto fieri potest ut non esse aliquem libeat, ita nullo pacto fieri oportet ut ex eo quod est quisque bonitati creatoris ingratus sit. Die Nähe der Argumentation in De libero arbitrio zum neuplatonischen Ansatz betont P. BAUDET, in: P. RANSON (éd.), Saint Augustin, 136–145. Aug. civ. 1, 17: Nam si Iudae factum merito detestamur eumque veritas iudicat, cum se laqueo suspendit, sceleratae illius traditionis auxisse potius quam expiasse commissum, quoniam Dei misericordiam desperando exitiabiliter paenitens nullum sibi salubris paenitentiae locum reliquit: quanto magis a sua nece se abstinere debet, qui tali supplicio quod in se puniat non habet! Iudas enim cum se occidit, sceleratum hominem occidit, et tamen non solum Christi, verum etiam suae mortis reus finivit hanc vitam, qua licet propter suum scelus alio suo scelere occisus est. Zu Judas’ Tod vgl. Mt 27, 3–5 (o. S. 43, Anm. 118). Aug. civ. 1, 19 (Text und Einordnung der Stelle u. S. 115, Anm. 384). Aug. civ. 1, 20. Lact. inst. 3, 18, 6; epit. 59, 5. Vgl. o. S. 50, Anm. 142f.
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ein Mörder und lädt dadurch um so größere Schuld auf sich, je unschuldiger er an dem Anlaß war, der ihn dazu trieb, sich zu töten.159
Auch die Märtyrerfrage bzw. die Unterscheidung von Martyrium und Suizid beschäftigt Augustinus. Die Definition der wahren Märtyrer formuliert er an vielen Stellen seines Werkes mit den Worten: Christi martyrem non facit poena, sed causa – nicht das Leiden, sondern der Grund macht den Märtyrer.160 Ähnlich wie schon Clemens Alexandrinus konkretisiert er diese Aussage durch den Satz aus der Bergpredigt: Veri autem martyres illi sunt, de quibus dominus ait: Beati, qui persecutionem patiuntur propter iustitiam.161 Damit ist die causa iusta, also der Grund, welcher der Gerechtigkeit Gottes dienen muß, ausschlaggebend für die Unterscheidung des wahren Märtyrers vom Selbstmörder. Diese Unterscheidung führt Augustinus besonders in seinem Kampf gegen die Donatisten ins Feld, deren Todesbereitschaft und Selbststilisierung als Märtyrer ihm immer wieder Anlaß gibt, den Suizid zu thematisieren.162 In diesem Zusammenhang diskutiert er auch die Möglichkeit der Flucht. Obwohl der eigentliche Auslöser dieser Diskussion, die großen Christenverfolgungen, zur Zeit Augustins nicht mehr gegeben ist, erscheint das Argument der Fluchtmöglichkeit als ein wichtiges Kriterium und steht auch bei ihm, wieder ähnlich wie bei Clemens Alexandrinus, in engem Zusammenhang mit dem Willen Gottes.163 Über Samson schreibt er: Indem er sich selbst mit den Feinden [den Philistern] tötete, als er das Haus über sich und jenen niederriß, wollte er gemeinsam mit jenen den Tod haben, den er bald von diesen erdul159 Aug. civ. 1, 17, s.o. S. 9, Anm. 2. 160 Meist findet sich diese Formel bei Augustinus mit Hinweis auf die Donatisten, die keine wahren Märtyrer seien, weil sie die causa iusta nicht erfüllten, vgl. etwa Aug. Cresc. 3, 47, 51: [...] acceptatum est, rescriptum est, quid aliud, nisi quod pars Donati iam sciret se ad illam poenam aurariam cum ceteris haereticis pertinere, cum quibus propter communionem talis persecutionis aut communem se deputet habere iustitiam aut, si non deputat, non se ideo iactet iustam, quia ea poena coercetur, qua coerceri et eas haereses videt quas concedit iniustas, et tandem intellegat, quod Christi martyrem non facit poena sed causa, [...]; fast wortgleich auch Aug. en. Ps. 34, 2, 13: [...] Itaque martyres non facit poena, sed causa. Ferner Aug. correct. (ep. 185) 9: [...] ideo in psalmo vox illa intelligenda est verorum martyrum, volentium se discerni a martyribus falsis: Iudica me, deus, et discerne causam meam de gente non sancta; non dixit, ‚discerne poenam meam‘, sed ‚discerne causam meam‘. 161 Aug. correct. (ep. 185), 9; ähnlich auch Aug. c. Don. 17, 22; vgl. Mt 5, 10; Clem. strom. 4, 6, 41, 1f. (o. S. 48f., Anm. 140). Zu Augustins Definition des Martyriums und dessen Abgrenzung zum Suizid vgl. J. BELS, RHR 187, 1975, bes. 154–156, der zwar die historische Notwendigkeit einer Differenzierung für Augustinus m.E. richtig einschätzt, die bereits vorhanden Ansätze (vor allem die Ähnlichkeit der Formulierung mit Clemens’ Definition) aber etwas unterbewertet. Über Augustinus und das Martyrium vgl. u.a. C. STRAW, s.v. Martyrdom, AthrA, 538–541; DIES., in: W.E. KLINGSHIRN – M. VESSEY (eds.), The Limits of Ancient Christianity, 250–266; M.G.ST.A. JACKSON, StPatr 33, 1997, 105–113; J. DEN BOEFT, in: A.A.R. BASTAENSEN al. (éds.), Fructus Centesimus, 115–124. Zur Problematik des Märtyrerkultes in Nordafrika und zu dessen Reform durch Augustinus vgl. ausführlich V. SAXER, Morts, martyrs, reliques. 162 Dazu ausführlich u. Kap. III 2.3. 163 Vgl. Clem. strom. 4, 10, 76, 1 – 77, 1 (o. S. 49, Anm. 141).
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid det haben würde, weil er nicht fliehen konnte. Was er freilich nicht aus eigenem Antrieb getan hat, sondern dem Geist Gottes zugeschrieben werden muß, der von ihm benutzt wird (...).164
Der Befehl Gottes sei es auch gewesen, der Abrahams Tat, seinen eigenen Sohn zu opfern, als Gehorsam erscheinen ließ (quod Deo iubente fuit oboedientia).165 Und auch im Falle der heiligen Jungfrauen, die sich während der Verfolgungszeiten das Leben nahmen, um ihre Keuschheit zu bewahren, bewertet Augustinus ihre Tat als Gehorsam gegenüber dem göttlichen Befehl. Wer also um das Verbot, sich selbst zu töten, weiß, mag es dennoch tun, wenn der es befohlen hat, dessen Befehle niemand verachten darf, aber er sehe wohl zu, ob dieser Befehl auch keinen Zweifeln ausgesetzt ist. Wir können nur urteilen nach dem, was wir hören, ein Urteil über verborgene Dinge dürfen wir uns nicht anmaßen. ‚Niemand weiß, was im Menschen ist außer des Menschen Geist, der in ihm ist‘.166
Trotz seiner konsequenten Ablehnung des Suizids muß also auch Augustinus Ausnahmen von der Regel zulassen:
164 Aug. c. Gaud. 1, 31, 39: [...] nam illud quod cum inimicis occidit et se ipsum, quando super se atque illos deiecit domum, mortem quam mox ab eis fuerat perpessurus communem voluit cum illis habere, quia non posset evadere. Quod quidem non sua sponte fecit, sed hoc spiritui dei tribuendum est, qui usus est eo, ut faceret quando illi adfuit, quod facere non poterat quando idem spiritus defuit. 165 Aug. c. Gaud. 1, 31, 39: sicut Abrahae factum, quando filium voluit immolare, quod Deo iubente fuit oboedientia, Deo non iubente quid fuisset nisi dementia? Im Traktat gegen Gaudentius argumentiert Augustinus mit diesen Beispielen, um den Donatisten vorzuhalten, ihnen sei im Gegensatz zu Razis, den sie als Vorbild ihres Martyriums anführen, immer noch die Flucht möglich, ihre Todesbereitschaft sei also nicht gerechtfertigt (vgl. dazu u. S. 146f.). Die Beispiele Samson und Abraham erscheinen auch im ersten Buch von De civitate Dei, wo sie (mit der gleichen Argumentation) der Begründung der Ausnahmen vom Suizidverbot dienen, vgl. civ. 1, 21: [...] et Abraham non solum non est culpatus crudelitatis crimine, verum etiam laudatus est nomine pietatis, quod voluit filium nequaquam scelerate, sed oboedienter occidere; et merito quaeritur utrum pro iussu Dei sit habendum, quod Iephte filiam, quae patri occurrit, occidit, cum id se vovisset immolaturum Deo, quod ei redeunti de proelio victori primitus occurrisset; nec Samson aliter excusatur, quod se ipsum cum hostibus ruina domus oppressit, nisi quia Spiritus latenter hoc iusserat, qui per illum miracula faciebat – his igitur exceptis, quos vel lex iusta generaliter vel ipse fons iustitiae Deus specialiter occidi iubet, quisquis hominem vel se ipsum vel quemlibet occiderit, homicidii crimine innectitur. Und civ. 1, 26: Quid si enim hoc fecerunt, non humanitus deceptae, sed divinitus iussae, nec errantes, sed oboedientes? Sicut de Samsone aliud nobis fas non est credere. Cum autem Deus iubet seque iubere sine ullis ambagibus intimat, quis oboedientiam in crimen vocet? quis obsequium pietatis accuset? Sed non ideo sine scelere facit, quisquis Deo filium immolare decreverit, quia hoc Abraham etiam laudabiliter fecit. 166 Aug. civ. 1, 26: Qui ergo audit non licere se occidere, faciat, si iussit cuius non licet iussa contemnere; tantummodo videat utrum divina iussio nullo nutet incerto. Nos per aurem conscientiam convenimus, occultorum nobis iudicium non usurpamus. ‚Nemo scit quid agatur in homine nisi spiritus hominis, qui in ipso est.‘ (1 Kor 2, 11). Zu Augustins Bewertung der heiligen Jungfrauen s.u. S. 133–136.
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Die Fälle also nehmen wir aus, in denen entweder im allgemeinen ein gerechtes Gesetz oder Gott, der Quell aller Gerechtigkeit, im besonderen zu töten befiehlt.167
Diese ‚Ausnahmeregelung’ und ihre Formulierung bei Augustinus sollte in zweierlei Hinsicht genauere Aufmerksamkeit verdienen: Daß Augustinus gerade am Ende seines Exkurses die Selbsttötung der heiligen Jungfrauen als Martyrium rechtfertigt, macht deutlich, daß die Thematisierung des Suizids auch hier nicht allein auf einem theoretischen Problem basiert, sondern offenbar auf die bereits erwähnte zeitgenössische Diskussion in ihrem historischen Kontext verweist. Die Tatsache, daß sich auch während des Goteneinfalls gottgeweihte Jungfrauen das Leben nahmen, bringt den Kirchenvater in seiner Gegenüberstellung von Christen und Heiden, von Gut und Böse, in eine gewisse Erklärungsnot. Seine Einschränkung, über verborgene Dinge (nämlich die Selbsttötung aufgrund einer inneren, göttlichen Anweisung) nicht urteilen zu können, erscheint in dieser Hinsicht als eine der Erklärung dienende Notlösung. Positiv kann man auch formulieren, daß der gesamte Exkurs über den Suizid – eingerahmt von der Problematik der Jungfrauen (1, 16 u. 1, 26) – als Versuch zu werten ist, die Thematik an die Diskussionen seiner Zeit anzupassen und gleichzeitig mit einer zeitgemäßen christlichen Argumentation zu beurteilen.168 Daran schließt sich ein weiterer Gedanke an, den wir zunächst als Frage formulieren sollten: Ist die Argumentation des Kirchenvaters ausschließlich christlich fundiert? Sicher kann das für das Hauptkriterium der Sünde und für den Rückgriff auf das (schon von Laktanz angeführte) 5. Gebot wie auch für das (mit Mt 10, 23 bekräftigte) Flucht-Argument gelten. Ein entgegengesetzter Verdacht drängt sich jedoch gerade bei dem schon als Notlösung unterstellten Befehl Gottes auf: Die von Gott angezeigte Notwendigkeit als einzige legitime Ausnahme zur Rechtfertigung der Selbsttötung erscheint schon in Platons Phaidon.169 Augustinus selbst erwähnt in seinem Suizid-Exkurs den in einem kallimachischen Epigramm Kleombrotus genannten Theombrotus, der sich nach der Lektüre des Phaidon das Leben nahm, wobei Ciceros Beschreibung desselben im ersten Buch der Tusculanae sicher dem Kirchenvater als Quelle diente.170 Im selben Buch hatte Cicero auch eine gerechte Ursache (causa iusta) gefordert, die durch jenen Gott in uns (deus in nobis ille) erfüllt werde, ohne dessen Befehl (iniussu) der Suizid nicht erlaubt sei.171 Es scheint daher, daß Augustinus Platon nicht nur als Zeugen 167 Aug. civ. 1, 21: His igitur exceptis, quos vel lex iusta generaliter vel ipse fons iustitiae Deus specialiter occidi iubet, quisquis hominem vel se ipsum vel quemlibet occiderit, homicidii crimine innectitur. 168 Zur Argumentationsstruktur des ersten Buches von De Civitate Dei vgl. ausführlich C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 156–204. 169 Plat. Phaid. 62c–e s.o. S. 25f. 170 Aug. civ. 1, 22: Quam ob rem si magno animo fieri putandum est, cum sibi homo ingerit mortem, ille potius Theombrotus in hac animi magnitudine reperitur, quem ferunt lecto Platonis libro, ubi de inmortalitate animae disputavit, se praecipitem dedisse de muro atque ita ex hac vita emigrasse ad eam, quam credidit esse meliorem. Vgl. Cic. Tusc. 1, 84 (o. S. 41, Anm. 114); Anth. Graec. 7, 471 (o. S. 40, Anm. 113). 171 Cic. Tusc. 1, 74, o. S. 30f.
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für das Suizidverbot aufruft, um die Seelengröße der heidnischen Selbstmörder zu widerlegen,172 sondern eben dessen Argument von Gottes Befehl auch als einzige legitime Ausnahme der Selbsttötung für Christen übernimmt. Dabei muß nicht einmal notwendigerweise eine Platon-Lektüre durch Augustinus vorausgesetzt werden, sondern lediglich die sehr wahrscheinliche Kenntnis Ciceros, zumal dieser gar vom deus in nobis spricht, den Augustinus im Falle der Heiligen Jungfrauen in ein christliches Gewand kleidet und als einzige Möglichkeit anführt, die Zweifel hinsichtlich des Befehls, sich zu töten, auszuräumen: Nemo scit quid agatur in homine nisi spiritus hominis, qui in ipso est.173 Eine neuplatonische Rezeption durch Augustinus ist trotz des Paulus-Zitats, das die christliche Sicht des deus in nobis beschreibt, doch gerade an diesem „Schwachpunkt“ seiner Argumentation gegen die Selbsttötung nicht auszuschließen. Die Diskussion um die Legitimität des Suizids wurde, wie oben aufgezeigt, im Neuplatonismus geführt, und die für die heidnisch-christliche Gegenüberstellung erforderliche (ob über Cicero führende oder direkte) Beschäftigung mit der klassischen wie neuplatonischen Suizid-Ethik konnte Augustinus durchaus eine Grundlage bieten, diejenigen Kriterien, die für seine Argumentation von Nutzen waren, zu übernehmen. Die Auseinandersetzung Augustins mit Porphyrios wird in De civitate Dei (12–14) deutlich, und, wie schon P. VAN DER HORST aufgezeigt hat, lassen sich argumentative Gemeinsamkeiten mit Macrobius’ Kommentar zum Somnium Scipionis nachweisen.174 Den nicht zu vernachlässigenden Unterschied sieht er in Augustins Sünden-Motiv, das seine Argumentation christlich färbe und wesentlich mehr wiege, als daß man wie R. HIRZEL sagen könne, die christlichen Autoren seien nicht wesentlich über Platon hinausgekommen.175 172 Aug. civ. 1, 22, s.u. S. 97, Anm. 306; vgl. Plat. Lg. 873c o. S. 26. 173 Aug. civ. 1, 26; vgl. 1. Kor. 2, 11. Zu Augustins ‚Innensicht‘ in Hinsicht auf die Vergewaltigungsproblematik im ersten Buch von De civitate Dei vgl. C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 200, der auch auf Augustins auffällig häufiges Zitieren dieser Paulus-Stelle hinweist (ebd. Anm. 367). Daß Augustinus Ciceros Tusculanae für seine Suiziddiskussion herangezogen hat, belegt auch ep. 155, 1, 3, wo der Kirchenvater auf Cicero verweist, um darzulegen, daß der Weise sich den ärgsten Schlägen füge, und nur auf solche Weise unterliege, daß er gezwungen werde, an sich selbst einen Mord zu begehen: Est apud Ciceronem in extrema, ut scis, parte quinti Tusculanarum libri locus propter hoc, quod dico, animadvertendus. cum enim de caecitate corporis ageret atque adfirmaret etiam caecum beatum esse posse sapientem, multa dixit, quae per aures percipiendo gauderet, itemque si surdus esset, ea, quibus oblectaretur, ad oculos transtulit; si autem utroque sensu privaretur et caecus surdusque fieret, non est ausus hinc ferre sententiam eumque beatum dicere, sed addidit etiam dolores gravissimos corporis, qui eum si non interemerint, ipse se interimat et ad portum non sentiendi hac liberatus virtute perveniat. cedit igitur sapiens immanissimis cladibus atque succumbit in tantum, ut eis cogatur et in se ipsum homicidium perpetrare. cui iam parcat, ut illis careat malis, qui sibi ipse non parcit? Vgl. Cic. Tusc. 5, 117. 174 P.W. VAN DER HORST, VChr 25, 1971, 282–288. Als Quelle für Macrobius vermutet er die Schrift des Porphyrius De regressu animae, die auch Augustinus sicher kannte. Zur Argumentation des Macrobius s.o. S. 37f. 175 P.W. VAN DER HORST, VChr 25, 1971, 287. Vgl. R. HIRZEL, ARW 11, 1908, 473f.: „Weder Josephus noch Lactanz oder Augustin sind wesentlich über das hinausgekommen, was der griechische Philosoph sie gelehrt hat, Juden und Christen zehren am Ende von den platoni-
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Zur christlichen Färbung der augustinischen Argumentation muß man m.E. aber auch ihre Nähe zu der schon oben erwähnten Passage in den Divinae institutiones des Laktanz beachten. Dessen Forderung eines Gottesbefehls erinnert ebenso an Platons Phaidon,176 und er unterstellt ebenfalls dem griechischen Philosophen, daß er Theombrotus und Cato vom Suizid abgeraten hätte.177 Man kann daher vermuten, daß beide Cicero gelesen haben und ihn auf christliche Weise im Kontext ihrer Zeit rezipieren. Darüber hinaus finden sich aber auch das aus dem 5. Gebot resultierende Suizidverbot wie auch das Sündenmotiv schon bei Laktanz.178 Nimmt man an, daß die Wurzeln beider doch, auf welchen Wegen auch immer, auf Platon zurückgehen, müßte man R. HIRZEL recht geben. Es gibt nicht nur vor, sondern einschließlich Augustinus keine wirklich neuen Argumente für oder gegen den Suizid: Augustinus war weder neu in seiner auf Platon zurückgehenden Forderung eines Gottesbefehls, noch war er es, vergleicht man ihn mit Laktanz, in der Formulierung des 5. Gebots als Suizidverbot und der daraus folgenden Verurteilung des Suizids als christliche Sünde, noch, stellt man ihm auch Clemens Alexandrinus gegenüber, in der Unterscheidung von Martyrium und Suizid. Den entscheidenden Unterschied zu seinen Vorgängern macht damit auch nicht die christliche Färbung seiner Argumentation, sondern allein die konsequente Formulierung und rhetorische Einbindung in die Problematik seiner Zeit. Augustinus wirkt aufgrund seiner theologischen Autorität und seiner starken Rezeption im Mittelalter weit stärker nach als Clemens Alexandrinus oder Laktanz.179 Mit Blick auf die Argumente muß man sich aber fragen, ob sie so augustinisch sind, daß sie ausreichen, in Hinsicht auf seine Suizidtheorie von einem „Augustinian Reversal“ zu sprechen.180
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schen oder durch Platon überlieferten Gedanken und bedienen sich sogar der platonischen Worte.“ Lact. inst. 3, 18, 7 (s.o. S. 50, Anm. 144), wobei der Wortlaut sogar noch stärker an Platon orientiert ist, vgl. Plat. Phaid. 62b-c (o. S. 25). Lact. inst. 3, 18, 10: Quodsi scisset Plato atque docuisset a quo et quomodo et quibus et quae ob facta et quo tempore inmortalitas tribuatur, nec Theombrotum inpegisset in mortem voluntariam nec Catonem, sed eos ad vitam et iustitiam potius erudisset. Vgl. Aug. civ. 1, 22 (o. S. 57, Anm.170) und Cic. Tusc. 1, 84 (o. S. 41, Anm. 114). Vgl. Lact. inst. 3, 18, 6; epit. 59, 5, dazu o. S. 50. Vgl. P. BAUDET, in: P. RANSON (éd.), Saint Augustin, 135f., der betont, daß sich die augustinische Doktrin in bezug auf den Suizid besonders gut für die mittelalterliche Rezeption eignete: „Son caractère organique et sa vigueur d’expression la recommandaient aux médiévaux autant que l’autorité de l’évêque d’Hippone, encore que des éléments s’en trouvent avant lui dans Clément par exemple, ou dans Lactance.“ Vgl. A.J. DROGE – J.D. TABOR, A Noble Death, 167–180, die zwar den Vergleich der augustinischen Argumentation mit den platonischen Gedanken (ebd.) anstellen und auch schlußfolgern, daß Augustinus nicht der erste Autor war, der eine christliche Ablehnung formulierte (ebd. 167), sie räumen aber Laktanz keinen Platz in ihrer Untersuchung ein und übersehen folglich auch die auffälligen Gemeinsamkeiten.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
3.3 Suizid in der christlichen Literatur nach Augustinus Im ausgehenden 5. und im 6. Jahrhundert herrscht, was theoretische Reflexionen zur Suizidfrage angeht, ein großes Schweigen. Es scheint, als sei aus christlicher Sicht das Thema Selbsttötung, das seit den ersten Märtyrern diskutiert wurde, mit Augustinus beendet worden. Dieser Eindruck ist sicher auch dem Umstand zu schulden, daß uns aus dieser Zeit kaum noch etwas an vergleichbarer theologischer Literatur in lateinischer Sprache überliefert ist, und entsteht damit zwangsläufig durch die veränderte Quellenlage. Das Schweigen mag aber auch inhaltlich begründet sein: Man muß annehmen, daß sich die theoretische Auseinandersetzung mit dem Suizid bis hin zu Augustinus hauptsächlich aus der Problematik des Martyriums bzw. aus den Folgen der großen Christenverfolgungen speiste und die Abwesenheit dieser Thematik in späterer Zeit auch die Diskussion um die Selbsttötung verstummen ließ. Auch Augustins Suiziddiskussion steht, sowohl in bezug auf die heiligen Jungfrauen, deren Suizide nach den Greueltaten während der Einnahme Roms 410 wieder diskutiert wurden, als auch hinsichtlich der Definition des wahren Martyriums gegenüber den Donatisten noch in diesem thematischen Kontext. So haben vermutlich nicht zuletzt das Ende der Christenverfolgungen, die Etablierung des Christentums als „Staatsreligion“ und letztlich die Konsolidierung der Kircheneinheit Sorge dafür getragen, daß auch die christliche Debatte über die Selbsttötung verebbte. Daß dieser Umstand durch den Wandel der Zeit hervorgerufen wird, zeigt sich auch in einer geänderten Thematik: Das blutige Martyrium wird durch die Askese abgelöst.181 Überlegungen zum Suizid finden sich hier allenfalls noch in der Warnung vor übertriebener Askese. Es werden keine Märtyrerakten mehr verfaßt, sondern Heiligenviten, in denen der Heilige zwar stets todesbereit und in Todesnähe dargestellt wird, aber nie sich selbst tötend.182 181 Petrus Chrysologus etwa predigt im 5. Jh, man solle Gott Opfer bringen, aber keine blutigen Opfer, weil Gott den Glauben, nicht den Tod fordere, Petr. Chrys. serm. 108, 5: Deus fidem, non mortem quaerit; votum, non sanguinem sitit; placatur voluntate, non nece. Hoc probat Deus, ad hostiam Abrahae sancti filium cum poscit. Nam quid aliud Abraham quam corpus suum inmolabat in filio? Quid aliud deus quam fidem requirebat in patre, qui filium, sicut offerri iussit, sic non permisit occidi? Tali ergo, homo, confirmatus exemplo offer corpus tuum, et non solum macta, sed etiam seca per omnia virtutum membra, quia totiens tibi vitiorum artus moriuntur, quotiens a te deo viscera fuerunt inmolata virtutum. Offer fidem, ut perfidia sit punita; inmola ieiunium, ut voracitas cesset; sacrifica castitatem, ut moriatur libido; inpone pietate, ut deponatur inpietas; invita misericordiam, ut avaritia deleatur; et ut consumatur stultitia, semper te sanctitatem convenit inmolare. Sic fiet corpus tuum tua hostia, si nullo peccati iaculo fuerit sauciata. Vivit corpus tuum, homo, vivit, quotiens a te deo virtutum vita vitiorum mortibus inmolatur. Non potest mori, qui vitali gladio meretur occidi. 182 Vgl. O. KAMPERT, Das Sterben der Heiligen, bes. 68–72. 269–317. Vgl. auch Sulp. Sev. Mart. 8, 1-3, wo der Heilige Martin den Selbstmörder Lupicinus wieder zum Leben erweckt: [...] Ad quam cum sollicitus adstitisset et quis esset hic fletus inquireret, indicatur unum ex familia servulum laqueo sibi vitam extorsisse. Quo cognito, cellulam, in qua corpus iacebat, ingreditur, exclusisque omnibus turbis superstratus corpori aliquantisper oravit. (3) Mox vivescente vultu, marcentibus oculis in ora illius defunctus erigitur; lentoque conamine enisus adsurgere, adprehensa beati viri dextera in pedes constitit, atque ita cum eo usque ad vestibulum domus, turba omni inspectante, processit.
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Selbst mit den Christenverfolgungen vergleichbare Ereignisse rufen nun keine entsprechende Diskussion über die Selbsttötung mehr hervor. Während der Eroberung Nordafrikas durch die Vandalen unmittelbar nach dem Tod des Augustinus starben viele Katholiken den Märtyrertod, wie es Victor von Vita in seiner in stark hagiographischem Charakter abgefaßten Historia persecutionis Africanae provinciae beschreibt. Der Mut und die Leidensbereitschaft der Katholiken werden von Victor ebenso betont wie der aus den frühen Märtyrerakten bekannte Topos der freudigen Erwartung des Todes, und sogar von Ermunterungen zum Martyrium weiß der Bischof zu berichten.183 Nirgends aber findet sich eine vergleichbare Reaktion auf die Ereignisse in Form einer Diskussion der Suizidfrage oder der Unterscheidung von Martyrium und Suizid. Ob sich darin bereits der Einfluß Augustins bemerkbar macht, ist allein aufgrund dieses argumentum e silentio nicht nachzuweisen, es ist aber auch nicht ausgeschlossen. Auffällig ist zumindest, daß die theoretische Diskussion um den Suizid nach Augustinus offenbar nicht fortgesetzt wurde. Die Zeit zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert ist ferner geprägt durch die Konsolidierung religiöser Lebensformen wie des Mönchtums, das nun auch im Westen zu einer dominierenden Rolle fand.184 Die Werke des Johannes Cassianus, der um 415 in Marseille zwei Klöster gegründet hatte, waren die ersten theoretischen Schriften zum Mönchtum in lateinischer Sprache. Ein hartes Urteil fällt Johannes über den Mönch Hero, der nach übertriebener Askese, vom Teufel be183 Ein Martyrium in Form aktiver Beteiligung (wie etwa im Fall der Perpetua, der Agathonike oder der Pelagia) kommt im gesamten Werk nicht vor. Zwei Brüder aus Aqua Regia, die sich gegenseitig schworen, ihre Peiniger aufzufordern, ihnen die gleichen Qualen aufzuerlegen, könnten unter Umständen als Selbstauslieferer verstanden werden, zumindest ermunterte ihr Beispiel der Erduldung von Folter viele Nachahmer, vgl. Vict. Vit. 3, 28: Apud Tambaiensem quoque civitatem gesta quis queat certamina martyrum explicare? Ubi duo germani Aquisregiensis civitatis sibi securi de domino invicem iuraverunt, ut rogarent tortores, ut una poena parique supplicio torquerentur. Et dum primo suspendio molibus lapidum pedibus alligatis tota die penderent, unus illorum petiuit sese deponi et sibi indutias dari. Cui frater alius metuens ne fidem negaret, et de suspendio clamabat: ‚noli, noli frater; non ita iuravimus Christo: accusabo te, cum ante thronum eius terribilem venerimus, quia super corpus et sanguinem eius iuravimus, ut pro eo invicem patiamur‘. [...] Quantis iam lamminis ignitits adusti sunt, qualibus ungulis exarati, quibus cruciatibus torti, ipsa res docet, quod eos ipsi tortores a sua facie proiecerunt dicentes: ‚istos imitatur universus populus, ut nullus ad nostram religionem penitus convertatur‘; [...]. Die Todesbereitschaft der katholischen Märtyrer kommt auch in den an die Verfolger gerichteten Worten des Victorianus zum Ausdruck, vgl. Vict. Vit. 3, 27: [...] securus de deo et Christo domino meo dico quae regi dicatis: subrigat ignibus, adigat bestiis, excruciet generibus omnium tormentorum: si consensero, frustra sum in ecclesia catholica baptizatus. Nam si haec praesens vita sola fuisset et aliam, quae vere est, non speraremus aeternam, nec ita fecissem ad modicum atque temporaliter gloriari et ingratus existere, qui suam fidem mihi contulit, creditori. Der katholische Bischof Habetdeum fordert in einem Brief an Hunericus, er solle denjenigen, die er verbannt habe, wenigstens den „Genuß der Tiere“ gönnen, vgl. Vict. Vit. 3, 53: [...] quid vobis cum exilio nostro, quid vobis cum egenis in saeculo, quorum est vita semper in Christo? Liceat saltem gaudere consortio bestiarum eis, quos abiecistis a facie omnium populorum. 184 Vgl. dazu wie zum folgenden N. ZEDDIES, in: G. SIGNORI (Hg.), Trauer, Verzweiflung und Anfechtung, 55–90.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
sessen (illusione diabolica), sich in einem Brunnen zu Tode gestürzt hatte. Nur mit Mühe konnte der Abt Pafnutius aufgrund Heros hohen Alters und mit dem Verweis auf seine Verdienste davon abgehalten werden, den Mönch unter die Selbstmörder (inter biothanatos) zu zählen und ihn damit der memoria und der oblatio für unwürdig zu erklären.185 Auch Judas’ Suizid erfährt in den Schriften des Johannes eine gesteigerte Ablehnung. Judas wird nicht mehr allein seines Verrates wegen angeklagt, sondern auch wegen seines Selbstmordes verachtet. Johannes wählt für den Suizid des Judas (wie auch für Hero) die auffällige Formulierung: ...eamque (vitam) biothanati morte conclusit: Judas aber, welcher das Geld wieder an sich ziehen wollte, dem er vorher, als er sich Christus angeschlossen hatte, entsagt hatte, fiel nicht nur so tief, daß er seinen Herrn verriet und der Würde des Apostolates verlustig ging, sondern hat es auch nicht verdient, sein Leben auf gewöhnliche Weise zu beenden, und es durch den Tod eines ‚biothanatus‘ beschlossen.186
185 Cassian. conl. 2, 5, 3–5: [...] qua praesumptione deceptus angelum Satanae velut angelum lucis cum summa veneratione suscipiens eiusque praeceptis prono oboediens famulatu semet ipsum in puteum, cuius profunditatem oculorum non adtingit intuitus, praecipitem dedit, de angeli videlicet sui sponsione non dubitans, qui eum pro merito virtutum ac laborum suorum nequaquam posse firmaverat ulli iam discrimini subiacere. Cuius rei fidem ut experimento suae sospitatis evidentissime conprobaret, supra dicto se puteo nocte intempesta inlusus iniecit, magnum scilicet virtutis suae meritum probaturus, cum inde exisset inlaesus. De quo cum paene iam exsanguis ingenti fratrum labore fuisset extractus, vitam die tertia finiturus, quod his deterius est, ita in deceptionis suae obstinatione permansit, ut ei ne experimento quidem mortis suae potuerit persuaderi, quod fuisset daemonum calliditate delusus. Quamobrem pro meritis laborum tantorum et annorum numerositate qua in heremo perduravit hoc miseratione et humanitate summa ab his qui eius conpatiebantur exitio vix a presbytero abbate Pafnutio potuit obtineri, ut non inter biothanatos reputatus etiam memoria et oblatione pausantium iudicaretur indignus. Zur Verbindung des Todessturzes aus der Höhe mit dem diabolus vgl. die Episode von der Versuchung Christi Mt 4, 5–7. Ähnlich ist wohl auch die an den Asketen Symeon gerichtete Ermahnung eines Priestervorstehers zu verstehen, der laut Theodoret von Cyrus den gewaltsamen Tod (τὸν βίαιον θάνατον) nicht für eine Tugend, sondern für das größte und erste Verbrechen hielt, vgl. Thdt. h. rel. 26, 7: ᾿Εν ταύτῃ μικρὸν οἰκίσκον εὑρὼν τρία καθειργμένος διετέλεσεν ἔτη· αὔξειν δὲ ἀεὶ τῆς ἀρετῆς τὸν πλοῦτον φιλονεικῶν ἐπεθύμησε Μωϋσῇ καὶ ᾿Ηλίᾳ τοῖς θείοις ἀνθρώποις παραπλησίως τεσσαράκοντα ἡμέρας ἄσιτος διαμεῖναι. Καὶ πείθει τὸν θαυμάσιον Βάσσον, ὃς τηνικαῦτα πολλὰς περιώδευε κώμας τοῖς κατὰ κώμην ἱερεῦσιν ἐπιστατῶν, μηδὲν μὲν ἔνδον καταλιπεῖν, πηλῷ δὲ καταχρῖσαι τὴν θύραν. Τοῦ δὲ καὶ τὴν δυσκολίαν τοῦ πράγματος ὑπαγορεύοντος καὶ παραινοῦντος μὴ νομίζειν ἀρετὴν εἶναι τὸν βίαιον θάνατον – κατηγορία γὰρ αὕτη καὶ μεγίστη καὶ πρώτη· ‚Ἀλλὰ σύ γε, ἔφη, ὦ πάτερ, δέκα μοι ἄρτους καὶ στάμνον ὕδατος ἀπόθου, κἂν ἴδω τὸ σῶμα τροφῆς δεόμενον, μεταλήψομαι τούτων‘. 186 Cassian. inst. 7, 14, 2: [...] Iudas autem volens resumere pecunias, quas antea Christum secutus abiecerat, non solum ad proditionem domini lapsus apostolatus gradum perdidit, sed etiam vitam ipsam communi exitu finire non meruit eamque biothanati morte conclusit, [...]. A. ABT, in: BKV1 25, 161 überträgt biothanati morte mit „zweifachem Mord“, vielleicht in Anlehnung an die etymologische Erklärung des Begriffes durch Isidor von Sevilla, Isid. H. etym. 10, 31: biothanatus, quod est bis mortuus, der also bio- nicht vom griechischen Substantiv βία, sondern vom lateinischen Praefix bi- herleitet (vgl. S.A. BARNEY – W.J. LEWIS – J.A. BEACH, in: The Etymologies of Isidore, 215). Nach dieser Definition müßte die Übertra-
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Die Wortwahl biothanatus, die, dem griechischen βίαιος θάνατος entlehnt, zunächst lediglich den gewaltsamen Tod meint, bezeichnet in der Verwendung der lateinischen Literatur der Spätantike sehr oft den Suizid.187 Damit bringt der Begriff genau die Verbindung der Selbsttötung mit homicidium zum Ausdruck, die sich erst viel später in dem Begriff suicidium niederschlägt.188 An anderer Stelle führt Johannes Cassianus den Suizid des Judas auf seine desperatio zurück, die eine besonders verachtenswerte Art der tristitia sei,189 eine Krankheit, die sich „gleich dem Wurm, der das Holz zerstört, in das Herz des Menschen frißt“.190
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gung aber zunächst „zweifach gestorben“ lauten (nach christlicher Auffassung vielleicht also sowohl für die diesseitige Welt als auch für das Jenseits (durch die Sünde des Suizids) gestorben). Mit „Mord“ kann man nur übersetzen, wenn man bereits die gewaltsame Art des Todes, also die ursprüngliche griechische Bedeutung von βίαιος θάνατος einschließt, so daß Johannes in bezug auf Judas vielleicht von dem Mord an sich selbst sowie von dem Mord an Christus durch Judas’ Verrat spricht. So oder so ist eine textnahe Übersetzung in diesem Fall sicher angeraten, die: „...und hat das Leben durch den Tod eines gewaltsam Gestorbenen beschlossen“ lauten und mit dem Hinweis auf den Bedeutungsgehalt von biothanatus erfolgen sollte. – Der Kontext, in dem Johannes den Suizid des Judas erwähnt, ist seine Kritik an der Habgier (philargia), wozu er neben Judas auch weitere Beispiele anführt. Vgl. N. ZEDDIES, in: G. SIGNORI (Hg.), Trauer, Verzweiflung und Anfechtung, 74, Anm. 72, die vermutet, daß das sogenannte „Eselsbegräbnis“, das nach Jer 22, 19 den Geizigen treffe und seit dem späten Mittelalter für Selbstmörder belegt sei, auf dieser Verbindung beruhe. Die Assoziation von biothanatus mit Suizid in der spätantiken Literatur ist zumindest auffällig und offenbar nicht spezifisch christlich, vgl. neben Cassian. inst. 7, 14, 2 (Judas); conl. 2, 5 (Hero) auch Hist. Aug., Heliog. 33, 2f. in bezug auf Elagabal: Et praedictum eidem erat a sacerdotibus Syris biothanatum se futurum. Paraverat igitur funes blatta et serico et cocco intortos, quibus, si necesse esset laqueo, vitam finiret. Ferner Filastr. 57 (85), 2 in bezug auf die Circumcellionen (Circuitores): Quidam autem ex his veluti biothanati moriuntur sese dantes ad praecipitium, diversumque subeunt calamitatis interitum. Tert. anim. 57, 3: Itaque invocantur quidem ahori et biaeothanati sub illo fidei argumento, quod credibile videatur eas potissimum animas ad vim et iniuriam facere quas per vim et iniuriam saevus et immaturus finis extorsit, quasi ad vicem offensae. Auch Servius scheint in seinem Vergilkommentar im Gebrauch von biothanatus die Selbsttötung mitgedacht haben, zumindest handelt er vom gewaltsamen Tod der Dido, vgl. Serv. Aen. 4, 386: [...] dicunt physici biothanatorum animas non recipi in originem suam, nisi vagantes legitimum tempus fati compleverint. Vgl. G.W.H. LAMPE, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1995, 297, der neben der Bedeutung des gewaltsamen Todes auch die Verwendung des Begriffs im negativen Sinne für Verbrecher und im lateinischen Sprachgebrauch vor allem für Suizid festhält; ähnlich auch A. SOUTER, A Glossary of Later Latin to 600 AD, Oxford 1964, 30; F. CUMONT, Lux Perpetua, 332; A. VAN HOOFF, Autothanasia, 139. Für weitere Belege des Begriffes, welche die Bedeutung Suizid beinhalten können, s. TLL 3, s.v. biothanatus, 1999. Zur negativen Konnotation des Begriffs und seiner religiösen Bedeutung vgl. J. BAYET, in: DERS., Croyances et rites, 130–176; F. CUMONT, Lux Perpetua, 332–342. Zur Entstehung des Begriffes suicidium vgl. A. VAN HOOFF, Autothanasia, 139, sowie insbes. auch DERS. RomF 102, 1990, 255–259. Vgl. dazu o. S. 12. Cassian. inst. 9, 9: Est etiam aliud detestabilius tristitiae genus, quod non correctionem vitae nec emendationem vitiorum, sed perniciosissimam desperationem animae inicit delinquenti: quod nec Cain fecit post fratricidium paenitere nec Iudam post proditionem ad satisfactionis remedia festinare, sed ad suspendium laquei sua desperatione pertraxit. Cassian. inst. 9, 2f. Zur desperatio und tristitia im Mönchtum vgl. N. ZEDDIES, in: G. SIGNORI (Hg.), Trauer, Verzweiflung und Anfechtung, 71–78 mit weiterer Literatur.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
Die konsequente Härte im Umgang mit Selbstmördern war allerdings nicht allgemein kennzeichnend für diese Epoche, sie erscheint bei Johannes vielmehr als ein Phänomen asketischer Disziplin, wobei dieses Phänomen nicht als ein klösterliches Suizidverbot aufzufassen ist, sondern lediglich eine Invektive gegen übertriebene Askese darstellt.191 Die auch im 5. und 6. Jh. durchaus noch zahlreichen Suiziddarstellungen bei Sulpicius Severus, Gregor von Tours oder auch bei Orosius sind meist ohne moralisierende Wertung formuliert oder stehen in weiteren Zusammenhängen, die noch zu untersuchen sind. Offenbar blieb damit die Ablehnung der Selbsttötung, soweit wir sie auf theoretischer Ebene in den aus dieser Zeit auf uns gekommenen lateinischen Quellen überhaupt greifen können, zunächst auf den klösterlichen bzw. asketischen Bereich beschränkt. Auch das Suizidverbot im kirchlichen Recht, das schließlich auch die Laien betrifft, entwikkelt sich zunächst nur langsam und gründet sich zum einen auf bereits im römischen Recht vorhandene Ansätze und ist zum anderen stets an den historischen Kontext gebunden.
191 Vgl. N. ZEDDIES, in: G. SIGNORI (Hg.), Trauer, Verzweiflung und Anfechtung, 74.
4. SUIZID IN DER GESETZGEBUNG 4.1 Suizid im römischen Recht Bis ins zweite Jahrhundert hinein kannte das römische Recht keine Maßnahmen gegen Suizid.192 Das älteste Zeugnis einer Zurückweisung der Selbsttötung, der Bericht, König Tarquinius habe Leichname von Selbstmördern der Schändung aussetzen lassen, ist offenbar fiktiver Art.193 Bis zum Ende des 1. Jh. v. Chr. wurde der Suizid von rechtlicher Seite wenn nicht anerkannt, so wenigstens toleriert.194 Die ersten gesetzlichen Regelungen, welche die Selbsttötung einschränkten, betrafen angeklagte Verbrecher, die durch den Suizid die nach ihrer Verurteilung drohende Konfiskation ihres Vermögens durch den Staat zu verhindern suchten.195 Die Vermögenskonfiskation als Folge der Todesstrafe oder lebenslanger Verbannung scheint bis in die frühe Kaiserzeit durch Suizid umgangen worden zu sein.196 Ein anschauliches Beispiel bietet der Fall des Cn. Calpurnius Piso, der im 192 Zum Suizid im römischen Recht vgl. A. GEIGER, Der Selbstmord, 63–76; A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 471–516. J.-C. GENIN, in: Mélanges L. FALLETTI, 233–293; A. WAKKE, ZRG (Rom) 97, 1980, 26–77; P. VEYNE, Latomus 40, 1981, 217–268 ; Y. GRISÉ, Le suicide, 247–281; N. ZEDDIES, in: G. SIGNORI (Hg.), Trauer, Verzweiflung und Anfechtung, 61– 63. Die Wurzeln der römischen Bestrafung des Suizids werden allgemein in der griechischen Antike gesehen, vgl. dazu R. HIRZEL, ARW 11, 1908, 244–255; A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 475–477. 193 Zu dieser Legende und ihrer religiösen Bedeutung A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 477–481; Y. GRISÉ, Le suicide, 127–131; DIES., in: Mélanges d’études anciennes, 267–281. Die Episode wird von Plinius d.Ä. überliefert, Plin. nat. 36, 15, 24 (107): Cum id opus Tarquinius Priscus plebis manibus faceret, essetque labor incertum maior an longior, passim conscita nece Quiritibus taedium fugientibus, novum, inexcogitatum ante posteaque remedium invenit ille rex, ut omnium ita defunctorum corpora figeret cruci spectanda civibus simul et feris volucribusque laceranda. Vgl. auch Serv. Aen. 12, 603, der die Geschichte im Zusammenhang mit dem bei Vergil als informe letum bezeichneten Suizid der Amata durch Erhängen (dazu u. S. 200, Anm. 662) erwähnt: Cassius autem Hemina ait, Tarquinium Superbum, cum cloacas populum facere coegisset, et ob hanc iniuriam multi se suspendio necarent, iussisse corpora eorum cruci affigi. Tunc primum turpe habitum est mortem sibi consciscere. Zur fälschlichen Identifikation des Tarquinius als Superbus bei Servius vgl. A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 477, Anm. 2. 194 Vgl. A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 481–486. 195 Zur üblichen Vermögenskonfiskation der wegen maiestas Verurteilten vgl. TH. MOMMSEN, Strafrecht, 1005ff; M. FUHRMANN, s.v. publicatio bonorum, RE XXIII 2484–2515; W. WALDSTEIN, s.v. bona damnatorum, RE Suppl. X 96–119; F. MILLAR, Emperor, 163–174. Zu den Suizid betreffenden Regelungen bezüglich der Vermögenskonfiskation vgl. v.a. J.-C. GENIN, in : Mélanges L. FALLETTI, bes. 250–277. 196 Für die Zeit des Tiberius belegt dies etwa Tac. ann. 6, 29, 1: At Romae caede continua Pomponius Labeo, quem praefuisse Moesiae rettuli, per abruptas venas sanguinem effudit; aemulataque est coniunx Paxaea. Nam promptas eius modi mortes metus carnificis faciebat, et quia damnati publicatis bonis sepultura prohibebantur, eorum qui de se statuebant humaban-
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
Jahre 20 n. Chr. wegen zahlreicher Verbrechen als Statthalter von Syrien und seiner Auseinandersetzungen mit Germanicus, dem Caesar und Adoptivsohn von Kaiser Tiberius, der maiestas angeklagt wurde und der sich während des laufenden Prozesses das Leben nahm, offenbar um die Folgen des Prozesses für seine Söhne zu mindern.197 Die spätere Entwicklung sollte Pisos Handlungsweise recht geben: Das in der Baetica aufgefundene senatus consultum de Cn. Pisone vom 10. Dezember 20 n. Chr.198 stellt nach der Erläuterung des Tatbestandes fest, daß Piso durch seinen Suizid nicht die der Schuld entsprechende Strafe an sich vollzogen habe, sondern ihm weitere Strafen auferlegt würden.199 Neben dem Verbot der Trauer und der Anordnung, die Statuen und Porträts des Piso zu entfernen sowie seinen Name auf der Inschrift unter der Statue des Germanicus zu tilgen, wurde auch bestimmt, daß sein gesamtes Vermögen (bis auf einen saltus im Illyricum) vom Staat eingezogen werde und in den Besitz des populus Romanus übergehe.200
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tur corpora, manebant testamenta, pretium festinandi. Vgl. auch Tac. ann. 2, 31f.; 4, 19f.; D.C. 58, 15, 4 und dazu A.R. HANDS, PACA 5, 1962, 27–31; W. ECK – A. CABALLOS – F. FERNÁNDEZ, Das senatus consultum, 191 (m. weiterer Literatur): „In der tiberischen Zeit scheinen freilich die Konsequenzen, die sich aus einem freiwilligen Tod, aus der mors voluntaria, während des Prozesses (...) ergaben, noch nicht in völliger Klarheit entwickelt gewesen zu sein (...)“. So vermuten wahrscheinlich richtig W. ECK – A. CABALLOS – F. FERNÁNDEZ, Das senatus consultum, 191f.: „Indem er sich selbst tötete, konnte Piso pater hoffen, eine Situation zu schaffen, die die Folgen, die mit seiner Verurteilung verbunden gewesen wären, für die Söhne milderte, womit er im Endergebnis auch Recht hatte.“ Die Einstellung seines Verfahrens bzw. eine geringere Bestrafung habe Piso also wohl nach seinem Suizid nicht erwarten können, wie der Prozeß des Libo Drusus im Jahre 16 n. Chr. als Präzedenzfall zeige: Auch Libo Drusus hatte sich während eines maiestas-Prozesses das Leben genommen, das Verfahren wurde jedoch fortgesetzt und die Strafe postum verhängt, wozu auch die Vermögenskonfiskation gehörte, vgl. Tac. ann. 2, 31, 3; 2, 32, 1–2. CIL II2 5, 900, im folgenden zitiert nach W. ECK – A. CABALLOS – F. FERNÁNDEZ, Das senatus consultum, 138–51; vgl. dazu auch die ausführliche Rezension von M. GRIFFIN, JRS 87, 1997, 249–263. Bis zum Auftauchen der Inschrift in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts waren Einzelheiten über den Prozeß gegen Piso nur aus Tac. ann. 3, 10–18 bekannt; zu den Divergenzen und Kongruenzen der unterschiedlichen Quellen vgl. C. DAMON, AJPh 120, 1999, 143–161; R.J.A. TALBERT, AJPh 120, 1999, 89–96; W.D. LEBEK, ZPE 128, 1999, 183– 211. Zu den Fundumständen der Bronzetafeln vgl. W. ECK – A. CABALLOS – F. FERNÁNDEZ, Das senatus consultum, 1–6. SC de Pis., Z. 71–73: Quas ob res arbitrari senatum non optulisse eum se de┌b┐itae poenae, sed maiori et quam inmin┌e┐re sibi ab pietate et severitate iudicantium intellegeba{n}t subtraxisse; itaq(ue) iis poenis, quas a semet ipso exegisset, adicere: [...]. Vgl. W. ECK – A. CABALLOS – F. FERNÁNDEZ, Das senatus consultum, 190: „Diese Aussage grenzt den Fall Pisos gegen die grundsätzliche Praxis ab, daß mit dem Tod eines Beschuldigten üblicherweise ein Prozeß in sich zusammenfiel.“ SC de Pis., Z. 73f. (Trauerverbot), Z. 75–82 (Entfernung der Bildnisse und Tilgung des Namens), sowie zur Vermögenskonfiskation Z. 84–90: utiq(ue) bona Cn. Pisonis patris publicarentur excepto saltu, qui esset in Hillyrico; eum saltum placere Ti. Caesari Augusto principi nostro, [...]. Zur Rückgabe des saltus im Illyricum an Tiberius vgl. W. ECK – A. CABALLOS – F. FERNÁNDEZ, Das senatus consultum, 202–207. Tac. ann. 3, 17–18 erwähnt als Strafen nur die Vermögenskonfiskation und die Tilgung seines Namens auf öffentlichen Denkmälern, vgl. J. BODEL, AJPh 120, 1999, 43–60.
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Bemerkenswert ist aber, daß der Senat im Anschluß an diese offizielle Konfiskation des Vermögens erklärt, daß er jeweils die Hälfte an die beiden Söhne des Piso zurückgebe, ein Vorgang, der bei einer Verurteilung des Piso pater zu dessen Lebzeiten kaum zu erwarten gewesen wäre.201 Auf die Problematik der Vermögenskonfiskation gründen sich zunächst auch die ersten gesetzlichen Regelungen zum Suizid, so die Bestimmung aus der Regierungszeit Hadrians, welche die Trauer untersagt für Feinde, verurteilte Hochverräter ebenso wie für Erhängte (suspendiosi) oder andere, welche die Hand gegen sich richteten und deren Motivation nicht „Lebensmüdigkeit“ (taedium vitae), sondern ein schlechtes Gewissen (mala conscientia) gewesen sei.202 In dieser Passage finden sich gleich mehrere Ansätze, die für die Beurteilung und die gesetzliche Regelung von Suizid in römischer Zeit von Bedeutung sind: Zum einen wird nach Gründen, welche die Selbsttötung hervorriefen, unterschieden. Es gibt also Gründe, die den Suizid legitimieren, wobei hier taedium vitae als ein solcher angeführt wird. Die Betonung der mala conscientia als illegitimer Grund verweist auf die Auffassung, die auch spätere Gesetze widerspiegeln, daß der Suizid eines Angeklagten einem Schuldeingeständnis gleichkommt, was auch seine Gleichsetzung mit den hostes und den damnati perduellionis begründet.203 Zum anderen werden in dieser Bestimmung offenbar auch die Methoden der Selbsttötung unterschieden. Auffälligerweise wird gerade der Tod durch den Strick, das Erhängen, gesondert erwähnt, was eine Assoziation zum Vorschein bringt, die uns auch in 201 SC de Pis., Z. 90–105: Item senatum, memorem clementiae suae iustitiaeq(ue) animi magnitudinis, quas virtutes {quas} a maioribus suis accepisset, tum praecipue ab divo Aug(usto) et Ti. Caesare Aug(usto) principibus suis didicisset, ex bonis Cn. Pisonis patris publicatis aequom humanumq(ue) censere, filio eius Pisoni maiori, de quo nihil esset dictum, qui principis nostri q(uaestor) fuisset, quem Germanicus quoq(ue) liberalitate sua honorasset, qui complura modestiae suae posuisset pignora, ex quibus sperari posset, dissimillumum eum patri suo futurum, donari nomine principis et senatus bonorum partem dimidiam eumq(ue), cum tanto benificio obligaretur, recte atque ordine facturum, si praenomen patris mutasset; [...]. Vgl. W. ECK – A. CABALLOS – F. FERNÁNDEZ, Das senatus consultum, 192, Anm. 536: „Es ist kaum vorstellbar, daß Marcus Piso bei einer Verurteilung des Vaters zu dessen Lebzeiten ohne Strafe ausgegangen wäre; zumindest ist aber eine vollständige ‚Rückgabe‘ des Vermögens ausgeschlossen.“ 202 Dig. 3, 2, 11, 3 (Ulpianus): Non solent autem lugeri, ut Neratius ait, hostes vel perduellionis damnati nec suspendiosi nec qui manus sibi intulerunt non taedio vitae, sed mala conscientia: si quis ergo post huiusmodi exitum mariti nuptum se collocaverit, infamia notabitur. Die Digesten führen diesen Abschnitt, der Ulpian zugeordnet wird, unter dem Titel „De his qui notantur infamia“. Zum taedium vitae als Suizidgrund vgl. A. VAN HOOFF, Autothanasia, 122f. Hier. chron. (ed. R. HELM), p. 165, 11–15 berichtet von Atratinus, der sich aufgrund von Krankheit und taedium das Leben genommen habe: Atratinus, qui septemdecim natus annos Caelium accusaverat, clarus inter oratores habetur et ad extremum morborum taedio in balneo voluntate exanimatus heredem reliquit Augustum. 203 Eine Ausnahme ist offenbar für einen Vater formuliert, der des Mordes an seinem Sohn angeklagt ist und dessen Vermögen nach der Selbsttötung nicht konfisziert werden soll, vgl. Dig. 48, 21, 3, 5 (Marcianus): Videri autem et patrem, qui sibi manus intulisset, quod diceretur filium suum occidisse, magis dolore filii amissi mortem sibi irrogasse et ideo bona eius non esse publicanda divus Hadrianus rescripsit. Zur Geständnisvermutung nach versuchtem Selbstmord vgl. A. WACKE, ZRG (Rom) 97, 1980, 62–65.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
der Spätantike sehr häufig begegnen wird: Das Erhängen wird, auch wenn die Methode des Suizids in späteren Gesetzen keine besondere Rolle mehr spielen wird, offenbar im Denken der Römer mit Schuld assoziiert.204 Schließlich weist die Regelung, die zunächst auf die Sicherung der Konfiszierung des Vermögens verurteilter Verbrecher zielt, voraus auf einen Themenbereich, der auch im kanonischen Recht immer wieder behandelt wird: die Bestattungsregelung für Selbstmörder.205 Hier steht das Verbot der Trauer in direktem Zusammenhang mit dem Schuldeingeständnis, das durch den Suizid des Angeklagten erfolgt ist, und stellt, ähnlich wie es das senatus consultum im Falle des Cn. Piso bestimmte, eine postume Bestrafung des Verbrechers dar.206 Die Bestimmungen in bezug auf die Vermögenskonfiskation im Falle des Suizids von Verbrechern wurden nach Hadrian weitergeführt.207 Zu betonen ist, daß nirgends der Suizid an sich verboten oder gar moralisch bewertet wird. Die Konfiszierung des Vermögens ist keine Bestrafung der Selbsttötung per se, sondern, wie im Falle des Piso, eine postume Bestrafung des Verbrechers, der durch
204 A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 489f. 498. Zur Assoziation des Erhängens mit Schuld und Reue des Selbstmörders vgl. u. S. 151. 189f. 207. 205 Vgl. v.a. Conc. Aurel. II, can. 15, s.u. S. 76, Anm. 242. 206 Auch Platon forderte in Lg. 873d die ruhmlose Bestattung für diejenigen, die ihr Leben aus Feigheit beendet haben (o. S. 26). Interessant ist in dieser Hinsicht auch eine ebenfalls aus hadrianischer Zeit stammende Inschrift eines Begräbnisvereins von Lanuvium (CIL XIV 2112 = FIRA III 35). In der lex collegii funeraticii Lanuvini wurde festgelegt, daß die collegia funeraticii, die für Arme, Sklaven und Alleinstehende die Aufgabe des Begräbnisses übernahm, dies verweigerte, wenn der Betreffende sich selbst das Leben genommen hatte, col. II, 5–6: Item placuit quisquis ex quacumque causa mortem sibi adsciveri[t] eius ratio funeris non habebitur. Über die Hintergründe für diese Bestimmung, die ja keine Einschränkungen in Hinsicht auf Suizidmotive macht, kann man nur spekulieren. A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 509–511 und ihm folgend Y. GRISÉ, Le suicide, 155f. nehmen an, daß die Bestimmung allein auf die Sklaven abziele (denen überhaupt der Großteil der Regelungen der lex gilt) und im Interesse der domini formuliert worden sei, die bei der Konstitution der collegia eine wichtige Rolle spielten und mit dieser Klausel den frühzeitigen Verlust ihrer Sklaven verhindern wollten. Man kann sich allerdings fragen, warum die Sklaven dann in dieser Passage gerade nicht ausdrücklich erwähnt werden. Die These, daß zuerst ein finanzielles Interesse des Vereins die Klausel bedingte, widerlegt Y. GRISÉ (ebd. 155) mit dem Argument, daß im übrigen Text keine ähnliche Bemühung zu erkennen sei und etwa den Kranken die Aufnahme in den Verein nicht verweigert werde. In Anbetracht der unpräzisen Formulierung läßt sich keine der bisher gemachten Thesen (vgl. ebd. 154f.) sicher bestätigen. 207 Vgl. bspw. Dig. 48, 21, 3, 1f.; 48, 21, 3, 4 (Marcianus): 1. Ut autem divus Pius rescripsit, ita demum bona eius, qui in reatu mortem sibi conscivit, fisco vindicanda sunt, si eius criminis reus fuit, ut, si damnaretur, morte aut deportatione adficiendus esset. 2. Idem rescripsit eum, qui modici furti reus fuisset, licet vitam suspendio finierit, non videri in eadem causa esse, ut bona heredibus adimenda essent, sicuti neque ipsi adimerentur, si compertum in eo furtum fuisset. 4. Si quis autem taedio vitae vel impatientia doloris alicuius vel alio modo vitam finierit, successorem habere divus Antoninus rescripsit. Cod. Iust. 9, 6, 5 (a. 238): Defunctis reis publicorum criminum, sive ipsi per se ea commiserunt sive aliis mandaverunt, pendente accusatione, praeterquam si sibi mortem consciverint, bona successoribus eorum non denegari notissimi iuris est.
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den Suizid seiner Verurteilung zu entgehen versucht,208 wobei der Suizid gleichzeitig als Schuldeingeständnis aufgefaßt wird. Dies gilt zudem nur, wenn der Angeklagte aufgrund seiner ihm zur Last gelegten Verbrechen die Todesstrafe bzw. Verbannung zu erwarten hatte, die in der Regel mit der Konfiszierung seines Besitzes einhergingen.209 Folgerichtig findet sich die Angst vor der Bestrafung (metus poenae) als illegitime causa für Suizid aufgeführt.210 Daß es in den Bestimmungen nicht um die Bestrafung der Selbsttötung an sich geht, belegen gerade die im römischen Recht dargelegten legitimen Ausnahmen, die causae iustae für Suizid.211 Dem in der hadrianischen Bestimmung erwähnten Ausnahmegrund taedium vitae wird zunächst unerträglicher Schmerz (impatientia doloris/valetudinis) hinzugefügt, schließlich auch Raserei (furor), Geisteskrankheit (insania mentis) und drückende Schulden (pudor aeris alieni).212 Darüber hinaus sind diese Sui208 So auch A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 494. 209 Vgl. o. S. 65, Anm. 195. 210 Vgl. Cod. Iust. 3, 26, 2 (a. 207): Non animadvertimus, cur causam ad officium procuratorum nostrorum pertinentem ad proconsulis notionem advocare velis. nam cum hoc quaeratur, an pater tuus mortem sibi consciverit metu alicuius poenae ac propterea bona fisco debeant vindicari, iam non de crimine aut poena mortui, sed de bonis quaerendum est. Vgl. Cod. Iust. 9, 50, 1 (a. 212): Eorum demum bona fisco vindicantur, qui conscientia delati admissique criminis metuque futurae sententiae manus sibi intulerint. Eapropter fratrem vel patrem tuum si nullo delato crimine, dolore aliquo corporis aut taedio vitae aut furore aut insania aut aliquo casu suspendio vitam finisse constiterit, bona eorum tam ex testamento quam ab intestato ad successores pertinebunt. Dig. 48, 21, 3 pr. (Marcianus): Qui rei postulati vel qui in scelere deprehensi metu criminis imminentis mortem sibi consciverunt, heredem non habent. Papinianus tamen libro sexto decimo digestorum responsorum ita scripsit, ut qui rei criminis non postulati manus sibi intulerint, bona eorum fisco non vindicentur: non enim facti sceleritatem esse obnoxiam, sed conscientiae metum in reo velut confesso teneri placuit. ergo aut postulati esse debent aut in scelere deprehensi, ut, si se interfecerint, bona eorum confiscentur. Cod. Iust. 6, 22, 2 (a. 290): Si is, qui tecum uxorem tuam heredem scripsit, quando testamentum ordinavit, sanae mentis fuerit nec postea alicuius sceleris conscientia obstrictus, sed aut impatiens doloris aut aliqua furoris rabie constrictus se praecipitem dedit, eiusque innocentia liquidis probationibus commendari potest a te, adscitae mortis obtentu postremum eius iudicium convelli non debet. Quod si futurae poenae metu voluntaria morte supplicium antevenit, ratam voluntatem eius conservari leges vetant. Vgl. auch Cod. Iust. 9, 2, 12 (a. 293): Factum sponte se praecipitantis innocenti criminis periculum adferre non potest. Zu den Bestimmungen unter Diokletian und Maximianus vgl. ausführlich A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 500–503; J.-C. GENIN, in : Mélanges L. FALLETTI, 280–285. 211 Vgl. Dig. 48, 21, 3, 8 (Marcianus): De illo videamus, si quis conscita morte nulla iusta causa praecedente in reatu decesserit, an, si parati fuerint heredes causam suscipere et innocentem defunctum ostendere, audiendi sint nec prius bona in fiscum cogenda sint, quam si de crimine fuerit probatum: an vero omnimodo publicanda sunt. sed divus Pius Modesto Taurino rescripsit, si parati sint heredes defensiones suscipere, non esse bona publicanda, nisi de crimine fuerit probatum. 212 Vgl. Cod. Iust. 9, 50, 1 (a. 212), o. Anm. 210; Dig. 49, 14, 45, 2 (Paulus): Eius bona, qui sibi mortem conscivit, non ante ad fiscum coguntur, quam prius constiterit, cuius criminis gratia manus sibi intulerit. eius bona, qui sibi ob aliquod admissum flagitium mortem conscivit et manus intulit, fisco vindicantur: quod si id taedio vitae aut pudore aeris alieni vel valetudinis alicuius impatientia admisit, non inquietabuntur, sed suae successioni relinquuntur. Dig. 28, 3, 6, 7 (Ulpianus) zählt zu den Gründen gar noch die Ruhmsucht: iactatio, ut quidam phi-
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
zidgründe nicht exklusiv gültig, weitere Motive werden zusammenfassend durch aut aliquo casu oder alio modo aufgeführt.213 Eine vom Juristen Marcianus aufgezeichnete Bestimmung fordert jedoch die generelle Anwesenheit von Gründen: Et merito, si sine causa sibi manus intulit, puniendus est: qui enim sibi non pepercit, multo minus alii parcet.214 Diese Passage wurde in der Forschung als (einziger) Beleg für die Strafbarkeit des Suizids (bzw. Suizidversuchs) im römischen Recht gewertet. Da sie in ihrer Aussage gegenüber den übrigen Behandlungen des Suizids im römischen Recht der klassischen Zeit isoliert stehe, wurde sie für verfälscht, also für eine später hinzugefügte Formulierung gehalten.215 Es gibt aber keinen Grund, den Paragraphen außerhalb seines Kontexts in der Marcianischen Bestimmung zu interpretieren.216 In diesem Zusammenhang kann von einer Bestrafung des Suizidversuchs keine Rede sein,217 vielmehr drückt sich hier die gleiche Auffassung aus, die auch in den übrigen die Selbsttötung während eines Verfahrens betreffenden Regelungen formuliert ist: Der Suizid sine causa eines Angeklagten wird seinem Schuldeingeständnis gleichgesetzt und dieses hat eine postume Bestrafung (des Verbrechens, nicht des Suizids) in Form der Vermögenskonfiszierung zur Folge. Der fragliche sechste Abschnitt regelt das gleiche für den Suizidversuch: Auch dieser wird als Schuldgeständnis angesehen (quasi de se sententiam tulit, im folgenden Satz noch unterstrichen durch die Worte qui enim sibi non pepercit, multo minus alii parcet) und hat die gleichen Konsequenzen wie die geglückte Selbsttötung. Die nächsten beiden Abschnitte handeln folgerichtig von dem Fall eines natürlichen Todes während der Untersuchung, der keine Konfiszierung des Vermögens nach sich zieht,
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losophi, womit offenbar auf eine gewisse Todessehnsucht der Philosophen angespielt wird: [...] nec huius igitur testamentum irritum fiet, priusquam princeps de eo supplicium sumendum rescripserit: proinde si ante decesserit, utique testamentum eius valebit, nisi mortem sibi conscivit. nam eorum, qui mori magis quam damnari maluerint ob conscientiam criminis, testamenta irrita constitutiones faciunt, licet in civitate decedant: quod si quis taedio vitae vel valetudinis adversae impatientia vel iactationis, ut quidam philosophi, in ea causa sunt, ut testamenta eorum valeant. Vgl. Cod. Iust. 9, 50, 1 (a. 212), o. Anm. 210. Dig. 48, 21, 3, 4 (Marcianus), o. Anm. 207. Dig. 48, 21, 3, 6 (Marcianus): Sic autem hoc distinguitur, interesse qua ex causa quis sibi mortem conscivit: sicuti cum quaeritur, an is, qui sibi manus intulit et non perpetravit, debeat puniri, quasi de se sententiam tulit. nam omnimodo puniendus est, nisi taedio vitae vel impatientia alicuius doloris coactus est hoc facere. et merito, si sine causa sibi manus intulit, puniendus est: qui enim sibi non pepercit, multo minus alii parcet. Vgl. auch Dig. 48, 21, 3, 8, (o. Anm. 211): [...] si quis conscita morte nulla iusta causa praecedente [...]. E. VOLTERRA, RSDI 6, 1933, 405f.; A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 503f.; J.-C. GENIN, in : Mélanges L. FALLETTI, 255. 269, Anm. 34. 285–291. Wie schon die ältere Forschung schlüssig dargelegt hat: vgl. K.G. WÄCHTER, NAC 10, 1828/ 1829, 240–250; A. GEIGER, Der Selbstmord, 73f., denen auch A. WACKE, ZRG (Rom) 97, 1980, 63f. folgt, während sie von E. VOLTERRA, A. VANDENBOSSCHE und J.-C. GENIN (wie Anm. 215) offenbar nicht berücksichtigt wurden. Das belegt schon allein die fehlende Festlegung eines Strafmaßes, so A. WACKE, ZRG (Rom) 97, 1980, 63.
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sowie von der Möglichkeit der Erben in einem Suizidfall sine causa die Unschuld ihres Erblassers zu beweisen.218 Zum in der Forschung viel diskutierten sechsten Abschnitt der Marcianischen Bestimmung bemerkt A. VANDENBOSSCHE, den Kirchenvätern möge die Formulierung „sine causa“ nicht befremdlich gewesen sein, und tatsächlich erinnert die Bestimmung in den Digesten an Augustins Forderung der causa iusta für wahre Märtyrer.219 Es gibt aber keinen Anlaß, den Paragraphen aufgrund seiner Formulierung in die Spätantike zu datieren, wie es J.-G. GENIN tut. Da sich seine Behauptung, das spätantike römische Recht bestrafe mit der Vermögenskonfiskation den Suizid selbst, allein auf die besagte Stelle bei Marcianus stützt, ist seine Argumentation m.E. sehr fraglich.220 Abgesehen von dieser Bestimmung, die GENIN aufgrund ihres Formulars ins 6. Jahrhundert verlegt, besitzen wir keinerlei Belege für einen Wandel in der rechtlichen Beurteilung des Suizids in der Spätantike. Alle den Suizid betreffende Regelungen stammen aus dem 2. und 3. Jahrhundert. Das argumentum e silentio kann eine veränderte Haltung im 4. und 5. Jahrhundert zwar nicht ausschließen, macht sie aber auch nicht wahrscheinlich. Ein weiterer Themenbereich, den die juristischen Quellen zum Suizid hervorbringen, betrifft das Militär.221 Der Suizidversuch eines Soldaten wurde nach ähnlichen Motiven wie derjenige der angeklagten Verbrecher beurteilt und darüber hinaus in Kategorien der Bestrafung unterteilt: Lagen als Gründe für den Suizidversuch impatientia doloris aut taedio vitae aut morbo aut furore aut pudore vor, wurde der Soldat unehrenhaft entlassen; war keiner dieser Gründe ersichtlich, traf ihn die Todesstrafe; war seine Handlung schließlich auf den Mißbrauch von Wein 218 Dig. 48, 21, 3, 7f. (Marcianus): Si qui autem sub incerto causae eventu in vinculis vel sub fideiussoribus decesserint, horum bona non esse confiscanda mandatis cavetur. (8) De illo videamus, si quis conscita morte nulla iusta causa praecedente in reatu decesserit, an, si parati fuerint heredes causam suscipere et innocentem defunctum ostendere, audiendi sint nec prius bona in fiscum cogenda sint, quam si de crimine fuerit probatum: an vero omnimodo publicanda sunt. Sed divus Pius Modesto Taurino rescripsit, si parati sint heredes defensiones suscipere, non esse bona publicanda, nisi de crimine fuerit probatum. Diese m.E. völlig schlüssige Einordnung der fraglichen Stelle führt schon A. GEIGER, Der Selbstmord, 73f. aus. 219 A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 503, Anm. 2. Zu Augustins Formulierung der causa iusta in Hinsicht auf die Definition der wahren Märtyrer vgl. o. S. 55, sowie in Anwendung auf die Donatisten u. S. 140ff. 220 J.-C. GENIN, in : Mélanges L. FALLETTI, 285–291, bes. 285: „A l’époque postclassique, la confiscation est devenue le moyen de punir, peut-être même en dehors de toute procédure engagée, un coupable malgré son suicide. Mais ce n’est pas encore la punition du suicide proprement dit. Au Bas-Empire, au contraire, une véritable théorie du suicide sine causa se constitue : cette théorie va permettre une répression véritable du suicide et peut-être de la tentative de suicide. Toutefois elle n’apparaît guère que dans un texte attribué à Marcien (D., 48, 21, 3, 6).“ Eine spätere Datierung der Stelle aufgrund ihres Formulars vermuten auch E. VOLTERRA, RSDI 6, 1933, 405f.; A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 503–505. 221 Zur rechtlichen Regelung der Selbsttötung im Militär vgl. A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 505–509; A. WACKE, ZRG (Rom) 97, 1980, 65f.; Y. GRISÉ, Le suicide, 270–276; J.-L. VOISIN, in: Les légions de Rome sous le Haut-Empire, 730f. Zur strengen Ahndung von Vergehen gegen die disciplina militaris vgl. auch G. WESCH-KLEIN, Soziale Aspekte des römischen Heerwesens, 147–156, zur Selbstverstümmelung und zum Suizidversuch bes. 149f.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
oder auf Zügellosigkeit zurückzuführen, wurde er dazu verurteilt, die militärische Einheit zu wechseln.222 Im Falle einer „geglückten“ Selbsttötung wurde auf den Soldaten, der ein militärisches Verbrechen begangen hatte, das gleiche Recht angewendet wie auf die unter Anklage stehenden Zivilisten: sein Vermögen wurde konfisziert;223 lag für seinen Suizid aber eine der causae iustae vor, ging sein Vermögen an die Erben oder an die Legion des Verstorbenen.224 Gesonderte Regelungen betrafen ferner auch die Sklaven,225 wobei die Rechtsquellen vor allem die Haftungsfrage behandeln. Bei Selbstverstümmelung oder Suizid seines Sklaven konnte der Herr den Wertverlust nicht absetzen, denn, wie es in einem Text lautet, auch einem Sklaven sei es von Natur aus erlaubt, gegen seinen Körper zu wüten (licet enim etiam servis naturaliter in suum corpus saevire).226 Diese Formulierung macht mehr als deutlich, daß die Selbsttötung an sich nicht als Vergehen beurteilt wurde, nicht bei Freien und auch (etiam) nicht bei Sklaven. Eine andere Regelung bestimmt, daß ein Munizipalbeamter nach dem Suizid eines gepfändeten Sklaven für den Wertverlust nicht haften müsse, während er zur Haftung sonstiger gepfändeter Sachen verpflichtet sei.227 Schließ222 Dig. 49, 16, 6, 7 (Arrius Menander): Qui se vulneravit vel alias mortem sibi conscivit, imperator Hadrianus rescripsit, ut modus eius rei statutus sit, ut, si impatientia doloris aut taedio vitae aut morbo aut furore aut pudore mori maluit, non animadvertatur in eum, sed ignominia mittatur, si nihil tale praetendat, capite puniatur. Per vinum aut lasciviam lapsis capitalis poena remittenda est et militiae mutatio irroganda. 223 Dig. 29, 1, 34 pr. (Papinianus): Eius militis, qui doloris inpatientia vel taedio vitae mori maluit, testamentum valere vel intestati bona ab his qui lege vocantur vindicari divus Hadrianus rescripsit. 224 Dig. 28, 3, 6, 7 (Ulpianus): [...] Quam distinctionem in militis quoque testamento divus Hadrianus dedit epistula ad Pomponium Falconem, ut, si quidem ob conscientiam delicti militaris mori maluit, irritum sit eius testamentum: quod si taedio vel dolore, valere testamentum aut, si intestato decessit, cognatis aut, si non sint, legioni ista sint vindicanda. 225 Vgl. dazu A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 509–516; A. WACKE, ZRG (Rom) 97, 1980, 70–76; Y. GRISÉ, Le suicide, 276–281; P. VEYNE, Latomus 40, 1981, 217–268. 226 Dig. 15, 1, 9, 7 (Ulpianus): Si ipse servus sese vulneravit, non debet hoc damnum deducere, non magis quam si se occiderit vel praecipitaverit: licet enim etiam servis naturaliter in suum corpus saevire. Sed si a se vulneratum servum dominus curaverit, sumptuum nomine debitorem eum domino puto effectum, quamquam, si aegrum eum curasset, rem suam potius egisset. Diese den Sklaven schützende Regelung ist bemerkenswert besonders in Hinsicht auf andere Delikte, insbesondere Diebstähle, die der Besitzer durchaus an seinem Sklaven geltend machen kann, vgl. Dig. 15, 1, 9, 6 (Ulpianus): Sive autem ex contractu quid domino debeat sive ex rationum reliquis, deducet dominus. Sed et si ex delicto ei debeat, ut puta ob furtum quod fecit, aeque deducetur. Sed est quaestionis, utrum ipsa furti aestimatio, id est id solum quod domino abest, an vero tantum, quantum, si alienus servus commisisset, id est cum furti poenis? Sed prior sententia verior est, ut ipsa furti aestimatio sola deducatur. 227 Dig. 9, 2, 29, 7 (Ulpianus): Magistratus municipales, si damnum iniuria dederint, posse Aquilia teneri. nam et cum pecudes aliquis pignori cepisset et fame eas necavisset, dum non patitur te eis cibaria adferre, in factum actio danda est. Item si dum putat se ex lege capere pignus, non ex lege ceperit et res tritas corruptasque reddat, dicitur legem Aquiliam locum habere: quod dicendum est et si ex lege pignus cepit. Si quid tamen magistratus adversus resistentem violentius fecerit, non tenebitur Aquilia: nam et cum pignori servum cepisset et ille se suspenderit, nulla datur actio.
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lich ist auch die Anstiftung eines Sklaven zum Suizid von der Haftung wegen Diebstahls ausgenommen.228 Alle diese Bestimmungen beruhen offenbar auf der Auffassung, daß die Selbsttötung auch eines Sklaven auf dessen eigenen Entschluß zurückzuführen ist, der Besitzer also dafür nicht verantwortlich gemacht werden kann. Daß der Suizidversuch eines Sklaven aber offenbar seinen Wert minderte, zeigt die Vorschrift, nach welcher der Verkäufer deklarieren mußte, ob der zum Verkauf stehende Sklave einen Suizidversuch unternommen hatte,229 wobei im Rechtstext genau unterschieden wird, ob ein Sklave ein fugitivus oder ein Suizidkandidat ist: ein Sklave, der mit der Absicht entlaufen war, sich in den Abgrund zu stürzen, wird nicht unter die fugitivi gerechnet, sehr wohl aber derjenige, der seinem Herrn entlief und später entschied, sich zu töten.230 Eine weitere Regelung weist auch auf die Notwendigkeit der Deklarationsvorschrift hin: Ein Sklave, der sich selbst etwas antut, ist auch fähig, gegen andere gewalttätig zu werden und stellt damit eine Gefahr dar.231 Damit dient die Deklarationspflicht dem Schutz des Käufers, der dadurch sowohl auf die Gefahr als auch auf den daraus resultierenden verminderten Wert des Sklaven hingewiesen wird. Als einzige Ausnahme, die keine Wertminderung des Sklaven zur Folge hat, gilt, wenn körperliche Schmerzen (dolor corporis) den Grund für den Suizidversuch darstellen; als illegitime Gründe werden Nachlässigkeit (nequitia), schlechte Sitten (mali mores) und schändliches Vergehen (flagitium) aufgezählt.232
228 Dig. 47, 2, 36 pr. (Ulpianus): Qui servo persuasit, ut fugeret, fur non est: nec enim qui alicui malum consilium dedit, furtum facit, non magis quam si ei persuasit, ut se praecipitet aut manus sibi inferret: haec enim furti non admittunt actionem. 229 Dig. 21, 1, 1, 1 (Ulpianus): [...] Item si quod mancipium capitalem fraudem admiserit, mortis consciendae sibi causa quid fecerit, inve harenam depugnandi causa ad bestias intromissus fuerit, ea omnia in venditione pronuntianto: ex his enim causis iudicium dabimus. Hoc amplius si quis adversus ea sciens dolo malo vendidisse dicetur, iudicium dabimus. 230 Dig. 21, 1, 17, 4. 6 (Ulpianus): (4) [...] Ne eum quidem fugitivum esse, qui in hoc progressus est, ut se praecipitaret (ceterum etiam eum quis fugitivum diceret, qui domi in altum locum ad praecipitandum se ascendisset), magisque hunc mortem sibi consciscere voluisse. Illud enim, quod plerumque ab imprudentibus, inquit, dici solet, eum esse fugitivum, qui nocte aliqua sine voluntate domini emansisset, non esse verum, sed ab affectu animi cuiusque aestimandum. [...] (6) Caelius quoque scribit, si servum emeris, qui se in Tiberim deiecit, si moriendi dumtaxat consilio suscepto a domino discessisset, non esse fugitivum, sed si fugae prius consilium habuit, deinde mutata voluntate in Tiberim se deiecit, manere fugitivum. Eadem probat et de eo, qui de ponte se praecipitavit. haec omnia vera sunt, quae Caelius scribit. 231 Dig. 21, 1, 23, 3 (Ulpianus): Excipitur et ille, qui mortis consciscendae causa quid fecerit. Malus servus creditus est, qui aliquid facit, quo magis se rebus humanis extrahat, ut puta laqueum torsit sive medicamentum pro veneno bibit praecipitemve se ex alto miserit aliudve quid fecerit, quo facto speravit mortem perventuram, tamquam non nihil in alium ausurus, qui hoc adversus se ausus est. Diese Annahme galt offenbar nicht nur im Falle des Suizidversuchs eines Sklaven, sondern generell, vgl. Dig. 48, 21, 3, 6, o. Anm. 214. 232 Dig. 21, 1, 43, 4 (Paulus): Mortis consciscendae causa sibi facit, qui propter nequitiam malosque mores flagitiumve aliquod admissum mortem sibi consciscere voluit, non si dolorem corporis non sustinendo id fecerit.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
Insgesamt fällt auf, daß alle den Suizid betreffenden gesetzlichen Regelungen die Gründe und Motive betonen, die zur Selbsttötung geführt haben. Nach dieser Kategorisierung nach Gründen richtet sich die jeweilige Beurteilung der Fälle; dies gilt in gleicher Weise für Sklaven, wie für Soldaten und angeklagte Verbrecher. Neben dem vordergründigen Interesse des Staates, durch die Regelungen konkrete Mißstände zu verhindern oder deren Auswirkungen zu vermindern (den Verlust des Vermögens eines verurteilten Verbrechers, die Desertion oder Gehorsamsverweigerung eines Soldaten, die Flucht oder Unfolgsamkeit eines Sklaven), bringt dieses Phänomen auch einen anderen Zusammenhang zum Vorschein: In der Betonung der legitimen Gründe für Suizid und ihrer Unterscheidung von den illegitimen Gründen spiegelt sich auch der theoretische Hintergrund wider, den die philosophische Tradition, allen voran die Stoa, welche die vernunftgemäßen Gründe für die εὔλογος ἐξαγωγή forderte, hervorgebracht hat.233 Die Festlegung der causae iustae in den juristischen Quellen zeigt, daß die theoretische Diskussion um den Suizid in der antiken Philosophie ihren Weg ins profane Recht gefunden hat. 4.2 Suizid im kirchlichen Recht Ähnlich wie die antike Philosophie sich im profanen Recht widerspiegelt, reflektiert sich auch die christliche Diskussion um die Erlaubtheit von Suizid im kirchlichen Recht.234 Die frühesten Konzilien, welche die Selbsttötung erwähnen, scheinen direkt auf die Märtyrerproblematik und auf den Vorwurf der zu großen Todessehnsucht zu reagieren. So beschloß das Konzil von Guadix (Elvira) um 300, daß diejenigen nicht unter die Märtyrer zu rechnen seien, die getötet wurden, während sie heidnische Idole zerstörten. Dies hätten weder die Apostel erlaubt, noch empfehle es das Evangelium.235 Auf dem ersten Konzil von Karthago im Jahr 348 wurde erstmals denjenigen das Martyrium aberkannt, die sich im Wahn (insania) oder aus anderen persönlichen Gründen in den Tod stürzten. Die Laien, die den Glanz der Märtyrer zu Unrecht mit Schande befleckten, sollten zur Reue gerufen, 233 Ähnlich auch A. VANDENBOSSCHE, AIPhO 12, 1952, 487: „(...) nous voulons parler de l’influence de doctrines philosophiques grecques qui admettent le suicide dans certaines circonstances, mais le réprouvent dans d’autres. Les sources littéraires et juridiques reflètent cette pénétration des idées helléniques chez les Romains. Ce courant intellectuel se manifeste notamment dans le soin qu’apportent les auteurs à distinguer, quant au suicide, les causes tolérées des causes répréhensibles.“ 234 Zum Suizid im kirchlichen Recht vgl. K.A. GEIGER, AKathKR 61, 1889, 225–232; N. BLASQUEZ, Conc(D) 21, 1985, 205–212; N. ZEDDIES, in: G. SIGNORI (Hg.), Trauer, Verzweiflung und Anfechtung, bes. 66–71. 235 Conc. Elib., can. 60: De his, qui destruentes idola occiduntur: Si quis idola fregerit et ibidem fuerit occisus, quatenus in Evagelio scriptum non est neque invenitur sub Apostolis unquam factum, placuit in numero eum non recipi martyrum. Vgl. N. BLASQUEZ, Conc(D) 21, 1985, 210, der die Stelle jedoch unkorrekt wiedergibt; N. ZEDDIES, in: G. SIGNORI (Hg.), Trauer, Verzweiflung und Anfechtung, 66; C.J. HEFELE, Conciliengeschichte 1, 148ff. (zu Conc. Elib.) sowie zu can. 60 ebd. 183.
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die Kleriker nach Ermahnung und Untersuchung der Ehre beraubt werden.236 Dieser Beschluß steht offenbar in direktem Zusammenhang mit der Donatistenproblematik und richtete sich vor allem gegen die Todesbereitschaft und -suche der Circumcellionen.237 Die Unterscheidung von „wahren“ und „falschen“ Märtyrern wurde auch auf dem Konzil von Laodicea (365) festgehalten.238 Can. 34 verbietet, Märtyrer zu verehren, die nicht der orthodoxen Kirche angehörten. Veranlassung dazu gaben hier wohl die montanistischen Märtyrer Phrygiens.239 Ein kirchliches Verbot des Suizids ist all dies freilich noch nicht, und auch das fünfte Jahrhundert zeigt hierin noch keine weitere Entwicklung. Das zweite Konzil von Arles (um 452) verurteilte den Sklaven, der sich diabolico furore selbst mordete (se percusserit), wofür er seines eigenen Blutes wegen angeklagt würde.240 Eine christliche Wertung läßt sich in diesem Beschluß allerdings nicht ausmachen. In dem Kanon geht es darum, daß der Sklave, der sich selbst tötet, als reus und als überführt zu gelten habe, während den Besitzer des Sklaven keine Schuld treffe. Die Bestimmung nimmt also keine moralische Bewertung der Selbsttötung vor, sondern ist vielmehr eine Weiterführung der Regelung, die auch im profanen Recht die Suizidabsichten eines Sklaven behandelt.241 236 Conc. Carth. I, can. 2: [...] Martyrum dignitatem nemo profanus infamet, neque ad passiva corpora quae sepulturae tantum propter misericordiam ecclesiasticam commendari mandatum est redigant, ut aut insania praecipitatos aut alia ratione peccati discretos, non ratione vel tempore competenti, quo martyria celebrantur, martyrum nomine appellent, aut si quis ad iniuriam martyrum claritati eorum adiungat insanos; placeat eos, si laici sunt, ad paenitentiam redigi, si autem sunt clerici, post commonitionem et post cognitionem honore privari. 237 Vgl. W.H.C. FREND, Martyrdom 462f. 556; N. ZEDDIES, in: G. SIGNORI (Hg.), Trauer, Verzweiflung und Anfechtung, 66; C.J. HEFELE, Conciliengeschichte 1, 633. Zur Selbsttötung im Zusammenhang mit den Donatisten vgl. ausführlich u. Kap. III 2.3. Man vermutet aufgrund der Formulierung im Konzilskanon (insania praecipitatos) einen Zusammenhang mit dem Tod des donatistischen Bischofs Marculus, der nach der Passio Marculi von kaiserlichen Soldaten in den Abgrund gestürzt wurde, nach katholischer Meinung, sich selbst von einer Klippe stürzte, vgl. dazu M. GADDIS, Religious Violence, 109f.; L. GRIG, Making Martyrs, 57f.; zu Marculus ferner u. S. 137f. 238 Das Verbot für Mitglieder der Kirche, sich in die sogenannten Märtyrerkapellen der Häretiker zu begeben, legt Conc. Laod., can. 9 fest: Περὶ τοῦ μὴ συγχωρεῖν εἰς τὰ κομητήρια ἢ εἰς τὰ λεγόμενα μαρτύρα πάντων τῶν αἱρετικῶν ἀπίεναι τοὺς τῆς ἐκκλησίας εὐξῆς ἢ θεραπείας ἕνεκα, ἀλλὰ τοὺς τοιούτους, ἐὰν ὦσι πιστοὶ, ἀκοινωνήτους γίνεσθαι μέχρι τινός, μετανοοῦντας δὲ καὶ ἐξομολογουμένους ἐσφάλθαι παραδέχεσθαι. 239 So C.J. HEFELE, Conciliengeschichte 1, 768. Vgl. Conc. Laod., can 34: ὃτι οὐ δεῖ πάντα Χριστιανὸν ἐγκαταλείπειν μαρτύρας Χριστοῦ καὶ ἀπίεναι πρὸς τοὺς ψευδομάρτυρας, τοῦτ ἔστιν αἱρετικῶν, ἢ αὐτοὺς πρὸς τοὺς προειρημένους αἱρετικοὺς γενομένους. Οὗτοι γὰρ ἀλλότριοι τοῦ Θεοῦ τυγχάνουσι. ἔστωσαν οὖν ἀνάθεμα οἱ ἀπερχόμενοι πρὸς αὐτοὺς. Spätestens seit der Synode von Ikonium (230/35) galten die Montanisten als Häretiker, vgl. dazu J.A. FISCHER, AHC 6, 1974, 241–273, 267–271; C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, 121. Zum ‚freiwilligen Martyrium‘ bei den Montantisten vgl. o. S. 46 m. Anm. 128. 240 Conc. Arelat. II, can. 53: Si quis famulorum cuiuslibet conditionis aut generis, quasi ad exacerbandam domini districtionem, se diabolico repletus furore percusserit, ipse tantum sanguinis sui reus erit, neque ad dominum sceleris alieni pertinebit invidia. Zur Datierung vgl. C.J. HEFELE, Conciliengeschichte 2, 298. 241 Vgl. o. S. 72f.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
Im Jahr 533 beschloß das Konzil von Orléans, daß die Oblationen derjenigen, die wegen eines Verbrechens getötet werden, angenommen werden dürften, außer wenn sie sich den Tod mit eigener Hand beigebracht hätten.242 Aus diesem Oblationenverbot meinte K.A. GEIGER ableiten zu können, daß die Selbstmörder noch um einen Grad tiefer gestellt würden als jene, die wegen ihrer Verbrechen hingerichtet wurden.243 Die Ursache für das Oblationenverbot für Selbstmörder liegt aber vielmehr darin, daß die Verbrecher sich durch ihren Suizid ihrer Bestrafung, also ihrer Sühne durch die Hinrichtung entzogen haben. Zugleich gilt der Suizid hier als Schuldeingeständnis, d.h. daß ein Selbstmörder genauso behandelt wird wie derjenige, der eines Verbrechens schuldig gesprochen wurde. Auch hier sind die Parallelen zu den entsprechenden Erlassen im profanen Recht unübersehbar.244 Bei den sich erst ab der Mitte des 6. Jahrhunderts auffällig häufenden Sanktionen gegen die Selbsttötung stand stets die Frage der Bestattung im Vordergrund. Das später noch oft zitierte Konzil von Braga (561 n. Chr.) legte fest, daß denjenigen, die durch das Schwert, durch Gift, durch Herabstürzen, durch den Strang oder sonst wie sich selbst gewaltsam den Tod beigefügt haben, keine Totenmesse und kein feierliches Leichenbegräbnis unter Psalmengesang gehalten wird. Das gleiche gilt auch für diejenigen, die für ihre Verbrechen (mit dem Tode) bestraft worden sind.245
Der nachgeschobene Satz, die gleiche Bestattungsregel habe auch für verurteilte Verbrecher zu gelten, erinnert stark an das Verbot, Verbrecher zu betrauern, aus der Regierungszeit Hadrians;246 die Gleichsetzung der Selbsttötung mit der Überführung bzw. dem Schuldeingeständnis des Verbrechers wird auch hier greifbar. Allerdings sind die Selbstmörder nun, auch wenn sie gleichzeitig mit den verurteilten Verbrechern genannt werden, nicht mehr direkt mit diesen zu identifizieren, sondern bilden eine eigene Gruppe. Auffällig ist auch, daß hier zwar das schon in profanen Rechtstexten greifbare Betrauerungsverbot aufgegriffen wird, aber keine Ausnahmeregelungen, keine causae iustae formuliert werden. Erstmals ist hier also eine postume Bestrafung des Suizids an sich festzustellen. Die Bestattungsregelungen nehmen auch im Konzil von Auxerre (zwischen 561 und 605 n.
242 Conc. Aurel. II, can. 15: Oblationem defunctorum, qui in aliquo crimine fuerint interempti, recipi debere censuimus, si tamen non sibi ipsi mortem probentur propriis manibus intullisse. Zur Tradition des Begriffes oblatio vgl. H.B. MEYER, s.v. Oblation, LMA 6, 1338. 243 K.A. GEIGER, AKathKR 61, 1889, 228. 244 Vgl. o. S. 68–71. 245 Conc. Bracar. I, can. 16: De his qui se ipsos interficiunt. De his qui sibi quaecumque violentia mortem inferunt ut earum commemoratio in oblatione non fiat, similiter et e his qui pro suis sceleribus puniuntur. Item placuit, ut hi qui sibi ipsis aut per ferrum, aut per venenum, aut per praecipitium, aut suspendium, vel quolibet modo violentiam inferunt mortem, nulla illis in oblatione commemoratio fiat, neque cum psalmis ad sepulturam eorum cadavera deducantur; multi enim hoc sibi per ignorantiam usurpavunt. Similiter et de his placuit, qui pro suis sceleribus puniuntur. Parallel versagte man auch den ungetauften Katechumenen das Begräbnis, ihnen gilt der folgende Kanon, Conc. Bracar. I, can. 17. 246 Vgl. o. S. 67f.
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Chr.247), das sich ausführlich mit Regeln und Pflichten für Laien und Geistliche beschäftigt, einen großen Raum ein (can. 12–15), wobei auch wiederum die Selbstmörder bedacht werden.248 Bis zum Ende des 6. Jahrhunderts ist damit die Behandlung der Selbsttötung vor allem auf der rituellen Ebene der Bestattungsfrage zu greifen, wobei die Motive und Gründe für die Selbsttötung offenbar nicht mehr interessieren. Mit dem grundsätzlichen Bestattungsverbot für Selbstmörder, wie es erstmals im Konzil von Braga formuliert wird, geht die Ablehnung des Suizids im kirchlichen Recht deutlich über die Behandlung der Selbsttötung in der römischen Gesetzgebung hinaus. Es stellt sich unmittelbar die Frage, wie es zu dieser Steigerung der Ablehnung kommt. Haben wir es hier mit einer konsequenten Weiterentwicklung des bereits in der römischen Gesetzgebung vorhandenen Betrauerungsverbot für unter Anklage stehende Selbstmörder zu tun, das bereits im Konzil von Orléans mit dem Oblationenverbot für sich selbst tötende Verbrecher aufgegriffen wurde und nun ohne Einschränkung auf alle Selbstmörder angewendet werden sollte? Oder spiegelt sich in dieser Entwicklung der Einfluß der augustinischen Argumentation zum christlichen Suizidverbot wider, das über einhundert Jahre später seinen Weg ins kirchliche Recht gefunden hat? Leider läßt sich keine der beiden Thesen mit Sicherheit belegen (und ebenso wenig ein Zusammenspiel beider Einflüsse), da einerseits die profanen Rechtstexte dieser Zeit keine Aussagen mehr liefern, die vielleicht eine Wechsel- oder Rückwirkung dieser Entwicklung belegen ließen, und andererseits die Formulierungen der entsprechenden Konzilsbeschlüsse keine Hinweise auf eventuelle moraltheologische Hintergründe geben, aus denen man auf den Einfluß des Augustinus schließen könnte. Erst Ende des 7. Jahrhunderts findet im spanischen Westgotenreich auf dem 16. Konzil von Toledo eine christlich begründete moralische Ablehnung der Selbsttötung ihren deutlichen Ausdruck, die aber wiederum nicht direkt mit der augustinischen Theorie in Verbindung gesetzt werden kann, sondern vielmehr in einem konkreten historischen Kontext steht: Im Zentrum der Synode, die von König Egica einberufen worden war, standen politische Belange des Herrschers, unter anderem die Ahndung von Verschwörungen rebellierender Adliger gegen den König.249 Der vierte Kanon fordert die Einführung einer Buße, durch die das Geschwür der Verschwörung herausgeschnitten werden solle. Die Verzweiflung habe einige, die zur Satisfaktion ihrer Vergehen der Buße unterworfen wurden, so sehr befallen, daß sie durch Erhängen, das Schwert oder durch andere Todesarten danach trachteten, sich das Leben zu nehmen:
247 C.J. HEFELE, Conciliengeschichte 2, 42–47 favorisiert eine Datierung in das Jahr 585. 248 Conc. Autiss., can. 17: Quicumque se propria voluntate aut in aqua iactaverit aut collum ligaverit aut de arbore praecipitaverit aut ferrum percusserit aut qualibet occasione voluntate se morte tradiderit, istorum oblata non recipiatur. 249 Dazu und zur „staatskirchlichen“ Struktur des Westgotenreiches als erstes frühmittelalterliches regnum vgl. N. ZEDDIES, in: G. SIGNORI (Hg.), Trauer, Verzweiflung und Anfechtung, 69f. mit weiterer Literatur.
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid (...) weil wir daher beabsichtigen, diesem nichtsnutzigen Zureden ein Ende zu setzen und für ein passendes Mittel für eine derartige Krankheit Sorge zu tragen, entscheidet die heiligste Vereinigung unserer Zusammenkunft, daß, wer auch immer in solchen Schlingen verstrickt ist und dem Tod entgangen ist, für zwei Monate von der katholischen Gemeinschaft und vom Körper und heiligen Blut Christi entfernt wird und auf alle Art unzugehörig verbleibt; denn es ist nötig, daß durch die Maßnahme der Buße demjenigen die ursprüngliche Hoffnung wieder zurückgegeben wird, der seine Seele durch die Verzweiflung versuchte, mit dem Teufel zu verbinden.250
Die desperatio diente bereits im karthagischen Konzil der Diffamierung der Circumcellionen, und dem furor diabolicus schrieb man im Konzil von Arles den Suizid eines Sklaven zu.251 Beides erinnert auch an Johannes Cassianus, der Judas und Hero mit diesen frevelhaften Einflüssen in Verbindung gebracht hatte.252 Dennoch stellt sich die Frage: Sollte man, wenn man einen Niederschlag der christlichen und Augustinus folgenden Ablehnung der Selbsttötung im kanonischen Recht erwartet, diese Motive nicht viel gehäufter und viel konkreter auf den Suizid angewendet finden, als daß man bis ins 7. Jahrhundert gehen müßte, bis man auf Bußverordnungen für Suizidversuche stößt?253 Die bei Laktanz und Augustinus formulierte Gleichsetzung der Selbsttötung mit Mord taucht im kanonischen Recht gar erst im 12. Jahrhundert auf: Im Decretum Gratiani werden die spätantiken christlichen Aussagen, allen voran diejenigen des Augustinus, zusammengetragen und kanonisiert.254
250 Conc. Tolet. XVI, can. 4: [...] Quorundam etenim hominum tam grave inolevit disperationis contagium, ut dum fuerint pro qualibet neglegentia aut disciplinae censura multati aut pro sui purgatione sceleris sub poenitentiae satisfactione custodia[e] mancipati, incumbente / disperationis incommodo se ipsos malunt [a]ut laquei suspendio enecari aut ferro vel aliis mortiferis casibus interimere, et nisi praebenti cuiuslibet rei occasione suam nihil-hominus(!) diabolus in eis perficit volumtatem(!); proinde huic nequissimae suadellae cupientes ponere finem et malagmam congruam talius aegrimoniae providere, coetus nostri decernit sacratissima unio, ut quicumque de talibus decipulis inretitus interemtionis evaserit casus, duorum mensium spatio et a catholicorum collegio et a corpore ac Christi sanguine sacro manebit omnimode alienus; quia oportet ut per poenitentiae censuram pristinae reddatur spei atque saluti qui animam suam per desperationem conabatur diabolo sociari. 251 Conc. Carth. I, can. 2 (o. S. 75, Anm. 236); Conc. Arelat. II, can. 53 (o. S. 75, Anm. 240). 252 Cassian. conl. 2, 5, 3–5 (o. S. 61f., Anm. 185). 253 Lediglich als Ausblick sei auch noch auf die frühmittelalterlichen Bußbücher verwiesen, die, so N. ZEDDIES, in: G. SIGNORI (Hg.), Trauer, Verzweiflung und Anfechtung, 78 „im Vergleich zur Haltung der Konzile nicht nur bemerkenswert mild, sondern auch sehr differenziert“ erscheinen und sich vorrangig mit den Reinigungsvorschriften im Falle eines Suizidversuchs beschäftigen. Vgl. etwa das sogenannte „Bußbuch des Theodor von Canterbury“ aus dem späten 7. oder beginnenden 8. Jh.; dazu ebd., 78–85. 254 CIC(L) II. pars, caus. 23, qu. 5, can. 9–12: Se ipsum autem perimere nulla legis auctoritate alicui permittitur. Can. 9: Qui Deo auctore bella gesserunt, preceptum non occidendi nequaquam transgressi sunt. Can. 10: Nimini licet sibi manus inicere. Can. 11: De eodem. Can. 12: Nulla fiat pro illis oblatio, qui se ipsos interficiunt. Zu jedem der Kanones werden Augustinus (civ. 1, 17ff. zu can. 9; c. litt. Pet. 2, 49 zu can. 10), Hieronymus (in Ion. 1 zu can. 11) sowie das Konzil von Braga (zu can. 12) zitiert.
5. ZUSAMMENFASSUNG Die theoretische Auseinandersetzung mit der Selbsttötung ist stets an bestimmte Themenbereiche gebunden und steht im Zusammenhang mit bestimmten Fragestellungen. Im Bereich der antiken und spätantiken Philosophie wird sie meist durch die Diskussion um den Tod hervorgerufen und provoziert die Frage, ob sich der weise Philosoph zur Erlangung der endgültigen Reinigung selbst töten solle. Die christliche Theologie beschäftigt sich mit der Selbsttötung fast ausschließlich im Kontext des Martyriums, wobei oft die Verteidigung gegen den heidnischen Vorwurf der christlichen Todessehnsucht im Vordergrund steht. Diese sehr unterschiedlichen Ansätze fordern durch die Jahrhunderte immer wieder Stellungnahmen zum Suizid heraus. Eine generelle Ablehnung des Suizids läßt sich in allen philosophischen Ansätzen erkennen, so wie sich gleichzeitig ebenfalls in allen Theorien Ausnahmen vom Suizidverbot feststellen lassen, die entweder durch eine göttliche Anweisung (Platon) oder durch vom logos bestimmte Gründe (Stoa) legitimiert werden. Die christlichen Positionen erscheinen häufig als spätantike Rezeption der antiken, philosophischen Theorien, allen voran derjenigen Platons, der in direkter oder indirekter Weise oft herangezogen wird. Als neuer Ansatz und ursprünglich christliches Argument läßt sich die Berufung auf das 5. Gebot greifen. Die auf diesem Argument beruhende christliche Ablehnung der Selbsttötung taucht in Ansätzen bereits bei Clemens Alexandrinus auf, wird in Form eines Suizidverbots konkret erstmals von Laktanz als christliche Lehre formuliert und schließlich von Augustinus aufgegriffen und konsequent in den theologischen und historischen Kontext seines Opus eingebunden. Daneben sind aber sowohl bei Laktanz, der den Befehl und Willen Gottes über das Bewohnen und Verlassen des menschlichen Körpers als Argument gegen den Suizid anführt, als auch bei Augustinus, der eine durch göttliche Anweisung begründete Ausnahme vom Suizidverbot zulassen muß, Rückgriffe auf platonisches Gedankengut erkennbar. Dieses Ergebnis relativiert zum einen die bisher angenommene und in der Forschung betonte Eigenheit des Augustinus in Hinsicht auf die christliche Ablehnung der Selbsttötung, obgleich diese Relativierung allein auf seine Argumente, die keineswegs neu waren, zielt, nicht aber seine Sonderrolle hinsichtlich der rhetorischen Einbindung der Suizidthematik in seiner Theologie und deren Auswirkungen betrifft. Zum anderen führt dieses Resultat zu der allgemeinen Schlußfolgerung, daß die christliche Auseinandersetzung mit der Selbsttötung (zumindest bis und einschließlich Augustinus) noch sehr eng mit den antiken philosophischen, also heidnischen Anschauungen verbunden war. Auch auf der juristischen Ebene läßt sich dieses Phänomen fassen: Die Konzilsbeschlüsse, welche die Selbsttötung betreffen, haben häufig ihre Parallelen im römischen Recht. Darüber hinaus findet der Suizid in den konziliaren Beschlüssen oft dann Erwähnung, wenn es der historische Kontext erfordert, d.h., wenn eine
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II. Die theoretische Auseinandersetzung mit Suizid
konkrete Personengruppe von den Maßregelungen betroffen ist – etwa die Donatisten und Montanisten oder auch die Verschwörer gegen Egica im Konzil von Toledo. Das christliche Bestattungsverbot gilt (offenbar den Bestimmungen für angeklagte Verbrecher im römischen Recht folgend) zunächst gleichermaßen für Verbrecher und Selbstmörder und wird erstmals im Konzil von Braga explizit für die Selbstmörder (aber immer noch neben den Verbrechern) festgelegt. Abgesehen vom generellen Bestattungsverbot – das für einen Christen freilich schwer wiegen mußte – ist eine moralische Bewertung in den Konzilien bis Braga allein anhand zweier, kurzer Hinweise (Conc. Carth.: insania; Conc. Arelat.: diabolico furore) ausmachen, die auch in der christlichen Literatur zunächst relativ spärlich und später auch nur für den klösterlichen Bereich formuliert wurden. Wie dieser Befund zu erklären ist, läßt sich aufgrund fehlender Hinweise nicht sicher feststellen und ist wohl eine Frage der Gewichtung der augustinischen Autorität: War die moralische Einordnung der Selbsttötung als christliche Sünde nach Augustinus selbstverständlich und bedurfte deshalb keiner weiteren Ausführung? Oder war der christliche Standpunkt im 5. und 6. Jahrhundert trotz Augustinus noch nicht so gefestigt, daß eine ethische Bewertung durchweg erkennbar wäre, sondern befand sich diese noch in einer Entwicklung, die erst im Mittelalter abgeschlossen wurde? Letztere Annahme ist vielleicht insofern wahrscheinlicher, als daß sich die Formulierungen und Bestimmungen gegen Selbstmörder in den folgenden Jahrhunderten verschärften (greifbar im Konzil von Toledo) und schließlich erst im 12. Jh. kanonisiert wurden. Ein konkretes christliches Suizidverbot im kanonischen Recht ist also bis ins Mittelalter hinein nicht zu fassen. Da eine moralische Bewertung in der Regelung dienenden Gesetzestexten ohnehin nicht unbedingt zu erwarten ist, sollten diese aber wohl auch nur mit großer Vorsicht als Belege herangezogen werden, die auf eine Bewertung des Suizids schließen lassen. Zusammenfassend läßt sich sagen: Die ethische Bewertung der Selbsttötung in der Spätantike ist auf der Ebene der theoretischen Auseinandersetzung eine philosophische und christlich rezipierende Weiterführung der antiken Philosophie. Die Gebundenheit der einzelnen Stellungnahmen an ihren historischen bzw. argumentativen Kontext macht es jedoch schwierig, die theoretischen Ansätze als eine ausschließlich den Suizid betreffende Ethik herauszufiltern. Es erscheint daher sinnvoll, über die theoretische Diskussion der Suizidfrage hinauszugehen und ihr eine ausführlichere Untersuchung der Darstellung von Suizid in der lateinischen Literatur der Spätantike gegenüberzustellen.
III. DIE LITERARISCHE DARSTELLUNG VON SUIZID IN DER SPÄTANTIKE Wenn im folgenden Teil dieser Studie nun die Darstellungsweise von Suizidfällen in der spätantiken, lateinischen Literatur untersucht werden soll, ist dabei zuerst zu bedenken, daß die Beschreibung von Ereignissen stets an die Darstellungsweise des Autors gebunden ist. Darstellung ist immer intentionale Darstellung und kann von einer Beschreibung der historischen Realität weit entfernt sein (muß es aber nicht notwendigerweise). Die Historizität einer Darstellung ist häufig nicht mehr festzustellen, und nur selten hilft sie uns, wenn es sich um Fragen eines mentalitätsgeschichtlichen Phänomens wie der Beurteilung von Suizid handelt. Vielmehr ist es gerade die in der Darstellung zutage tretende Einstellung des Autors selbst, die Rückschlüsse auf die Einschätzung des Suizids zu seiner Zeit erlaubt. Die Feststellung der Historizität bestimmter Suizidberichte ist daher nicht das vorrangige Ziel dieser Untersuchung: Es geht in der folgenden Analyse der spätantiken Texte nicht darum, aufzuzeigen, daß es in der Spätantike weniger oder anders gearteten Suizid als in der römischen Republik oder Kaiserzeit gab, sondern darum, wie die Selbsttötung dargestellt wird, welche Positionen ihr gegenüber eingenommen werden, und was dies für die spätantike Bewertung gegenüber den theoretischen Stellungnahmen bedeutet. Die Untersuchung der Suizidfälle erfolgt in den Kategorien exempla, persecutiones, imperatores und oppressi. Die Gruppe der exempla ist den klassischen Suizidvorbildern und ihrer spätantiken Rezeption gewidmet. Der Abschnitt persecutiones behandelt die Problematik der Unterscheidung von Selbstmördern und Märtyrern im Rahmen der christlichen Auseinandersetzung mit den großen Christenverfolgungen. Anhand der Beispiele der heiligen Jungfrauen und der Donatisten wird auch die spätere Diskussion um Suizid und Martyrium innerhalb des Christentums untersucht, die Aufschluß über den christlichen Umgang mit der Selbsttötung in den eigenen Reihen gibt. Die imperatores und oppressi stellen diesem die weltliche Seite gegenüber. Die Suizide von Herrschern und Kaisern werden anhand der in den Quellen am auffälligsten hervortretenden Beispielen behandelt, während der Abschnitt über die oppressi die häufigsten Situationen untersucht, in denen die Suizide der Unterlegenen, Besiegten und Unterdrückten in der spätantiken Literatur dargestellt werden. Die Einordnung der verschiedenen Suiziddarstellungen in diese Kategorien ist in vielerlei Hinsicht sinnvoll: Zum einen spiegeln sie den Quellenbefund wider, der, von wenigen Ausnahmen abgesehen, eben diese Kategorien zum Vorschein bringt, zum anderen bieten die Suizidgruppen einen Querschnitt durch die spätantike Geschichte und Gesellschaft, wodurch sich die Beispiele untereinander vergleichen lassen, indem etwa die Motive oder bewertenden Darstellungen in unterschiedlichen Situationen einander gegenübergestellt werden. Das sich daraus ergebende Bild erlaubt Rückschlüsse auf die spätantike Bewertung von Suizid so-
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
wie auf die Kriterien, die diese Bewertung beeinflussen, was zugleich auch eine Gegenüberstellung der literarischen Darstellungsweise mit der theoretischen Behandlung ermöglicht. Die zentralen Fragen, die unter diesen Blickpunkten gestellt werden, sind: Welche Aussagen lassen sich anhand der literarischen Darstellung von Suizidfällen über die spätantike Bewertung der Selbsttötung treffen? Auf welchen Kriterien beruht diese Bewertung? Gibt es Unterschiede zwischen heidnischer und christlicher Darstellungsweise, und lassen sich daraus Rückschlüsse auf die jeweilige moralische Bewertung des Phänomens ziehen? Und schließlich: Inwiefern spiegelt die Darstellung von Suizid die theoretische Auseinandersetzung wider?
1. EXEMPLA MAIORUM: DIE SPÄTANTIKE REZEPTION BERÜHMTER SUIZIDE Die berühmten Suizidfälle der Antike, die uns heute noch geläufig sind, stammen fast ausnahmslos gerade nicht aus der Spätantike. Das bedeutet nicht, daß es in der Spätantike keine, nicht einmal unbedingt, daß es weniger Suizide als in der früheren Antike gegeben hat. Dennoch ist die häufige Erwähnung der klassischen Suizidfälle auffällig. Selbstmörder wie Cato, Cleopatra oder Lucretia sind nicht nur heutzutage als berühmte Suizidfälle bekannt, sie waren es auch in der Spätantike. Dieser Umstand ist nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, daß die Verwendung der exempla historiae als Beweismittel der klassischen Redekunst auch in der Spätantike Bestandteil des Rhetorikunterrichts war und sich dadurch auch unter den christlichen Autoren einer beliebten Anwendung erfreute.255 Die Berufung auf historische oder fiktionale Autoritäten stellte ein wirkungsvolles Überzeugungsmittel dar, wobei gerade die Schilderung des Todes ein wichtiges Kriterium der Darstellung bildete.256 Der großen Beliebtheit der Verwendung von exempla trugen zahlreiche Geschichtsabrisse und Beispielsammlungen Rechnung,257 und diese Begeisterung für Geschichtsüberblicke und Exemplasammlungen nahm in der Spätantike noch zu.258 Vor diesem Hintergrund erstaunt es kaum, daß auch die christlichen Autoren die exempla maiorum als rhetorisches Überzeugungsmittel anerkannten, was sie nicht nur, aber doch oft ihrer traditionellen rhetorischen Erziehung schuldeten. Neben dem Rückgriff auf die eigene Überlieferung durch die Anführung von Exempla des Alten und Neuen Testaments war das Zitieren heidnischer Beispiele weder für die christlichen Autoren ungewöhnlich, noch dürfte es den spätantiken 255 Vgl. U. EIGLER, Lectiones vetustatis; A. FELMY, Die römische Republik, bes. 54–64. 256 Zur Erscheinung des „exitus illustrium virorum“ als literarischer Topos vgl. A. RONCONI, s.v. exitus illustrium virorum, RAC 6, 1966, 1258–1268 sowie zuvor schon DERS. SIFC N.S. 17, 1940, 3–32. Zur christlichen Verwendung der heidnischen Topoi in Hinblick auf die Todesdarstellung vgl. auch C. GNILKA, Chresis 9, 188–192. 257 Zu den Exempla-Sammlungen und dem Konzept des exemplum in der Literatur vgl. u.a. H.W. LITCHFIELD, HSCP 25, 1914, 1–71; A. LUMPE, s.v. exemplum, RAC 6, 1966, 1229–1257 und jetzt für die spätrepublikanische Literatur ausführlich auch F. BÜCHER, Verargumentierte Geschichte. Die Sammlung des Valerius Maximus in den Facta et Dicta memorabilia erwähnt auffällig viele Suizide, allein im Abschnitt de fortitudine führt er zwölf exempla auf, die ihr Leben mit eigener Hand beendeten. Speziell zur Exempla-Sammlung des Valerius vgl. M. FLECK, Untersuchungen zu den Exempla des Valerius Maximus; G. MASLAKOV, in: ANRW 2, 32, 1, 437–496. 258 Man denke etwa an die Epitomai und Breviarien des 4. Jahrhunderts, wie Eutrops Breviarium ab urbe condita, den Liber de Caesaribus des Aurelius Victor oder die Epitome de Caesaribus. Zu letzterer und zur Mode der Geschichtsabrisse in der Spätantike vgl. J. SCHLUMBERGER, Die Epitome de Caesaribus, 1f.; ferner U. EIGLER, Lectiones vetustatis, bes. 192–204. Zum Gebrauch der exempla in der lateinischen Literatur der Spätantike ferner A. FELMY, Die römische Republik, 35–77.
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Leser befremdet haben, dem aus demselben Grund die klassischen exempla vertraut waren. Die christlichen Autoren erkannten den Wert der exempla maiorum für ihre Argumentation, und gerade im Zusammenhang mit dem Martyrium bildete sich in der frühen Apologetik eine Tradition der Argumentation mit exempla heraus.259 Tertullian, der durch seine häufige Verwendung der exempla saecularia auffällt, betont die Notwendigkeit der Heranziehung heidnischer Literatur für seine Argumentation.260 Hieronymus bringt seine christliche Position gegenüber den heidnischen exempla in einem Brief an Flavius Magnus zum Ausdruck. Die Frage seines Adressaten, warum er bisweilen heidnische Literatur zitiere, beantwortet Hieronymus, indem er darauf hinweist, daß auch Moses, Salomon, die Propheten und vor allem Paulus die litterae saeculares benutzt hätten.261 Auch Augustinus erkennt den Nutzen der heidnischen Rhetorik und Geschichtsschreibung an, betont jedoch ihre Verwendung als Hilfsmittel der christlichen Verkündung und zum Verständnis der Heiligen Schrift.262
259 Zur Tradition der exempla in der christlichen Literatur vgl. u.a. A. LUMPE, s.v. exemplum, RAC 6, 1966, 1242–1252; M.L. CARLSON, CPh 43, 1948, 93–104; S. REBENICH, RQA 87, 1992, 31f.; H. INGLEBERT, REAug 40, 1994, 305–325, bes. 308–323; U. EIGLER, Lectiones vetustatis, bes. 216–224; zur apologetischen Exempeltradition im Vergleich mit Augustinus ferner R. HONSTETTER, Exemplum, 195–198; F.G. MAIER, Augustin, 89–91. 260 Tert. coron. 7, 2f.: Video igitur et curiosius et plenius agendum ab originibus usque ad profectus et excessus rei. Litterae ad hoc saeculares necessariae; de suis enim instrumentis saecularia probari necesse est. Vgl. dazu H. PÉTRÉ, L’exemplum chez Tertullien, 52–54. 261 Hier. epist. 70, 2: Quod autem quaeris in calce epistulae, cur in opusculis nostris saecularium litterarum interdum ponamus exempla et candorem ecclesiae ethnicorum sordibus polluamus, breviter responsum habeto: numquam hoc quaereres, nisi te totum Tullius possideret, si scripturas sanctas legeres, si interpretes earum omisso Volcatio evolveres. Quis enim nesciat et in Moysi ac prophetarum voluminibus quaedam adsumpta de gentilium libris et Salomonem philosophis Tyri et proposuisse nonnulla et aliqua respondisse? [...]. Zu dieser Stelle C. GNILKA, Chresis 1, 128 m. Anm. 332; sowie S. REBENICH, RQA 87, 1992, 35f., der darauf hinweist, daß dieser Vorbildcharakter nichtchristlicher Beispiele nur dann anerkannt werde, wenn ihre Aussage mit einem christlichen Postulat kongruent sei. Einen gewissen Gegensatz zu dieser Aussage des Hieronymus stellt die berühmten Passage über sein Traumgesicht dar, nach welcher der Kirchenvater eine Stimme vernahm: Ciceronianus es, non Christianus, woraufhin er den heiligen Eid schwor, der heidnischen Literatur für immer zu entsagen, vgl. Hier. epist. 22, 30, 5: Domine, si umquam habuero codices saeculares, si legero, te negavi. REBENICH (ebd. 36f.) erklärt diesen Gegensatz m.E. richtig anhand der unterschiedlichen Intentionen der Briefe an Magnus bzw. Eustochium. Zu Hieronymus’ Verwendung heidnischer Suizidexempla vgl. auch P. LAURENCE, Orpheus 17, 1996, 58f. 69: „(...) ces exempla lui apparaissent comme des absolus dont son tempérament n’éprouvera jamais le besoin de remettre en cause le bien-fondé.“ 262 Vgl. etwa Aug. doctr. chr. 2, 28, 42: Quicquid igitur de ordine temporum transactorum indicat ea quae appellatur historia, plurimum nos adiuvat ad libros sanctos intelligendos, etiamsi praeter ecclesiam puerili eruditione discatur. Dazu U. EIGLER, Lectiones vetustatis, 200. Zur Frage, inwiefern Augustinus (bes. in De civitate dei, dazu auch u. S. 94, m. Anm. 297) in der apologetischen Tradition der Nutzung von exempla steht, vgl. C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 304. 321f. Zur Verwendung heidnischer und christlicher Exempla bei Augustinus ferner A. KESSLER, s.v. exemplum, AL 2, 1996, 1174–1181.
1. Exempla maiorum: Die spätantike Rezeption berühmter Suizide
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Bemerkenswert in Hinsicht auf die spätantike Verwendung der exempla ist vor allem ihre Konzentration auf Geschichtsbeispiele der Republik und frühen Prinzipatszeit. Gerade die ‚alte Römische Geschichte‘ ist es, welche die Autorität für beispielhaftes Handeln und Verhalten in der Spätantike besitzt und entsprechend ihre Vorbildfunktion auch in der christlichen Rhetorik ausübt.263 Da gerade die Literatur dieser Zeit ein beträchtliches Reservoir an Suiziddarstellungen hervorbringt, das nicht zuletzt dem Phänomen des exitus illustrium virorum als literarischer Topos zu verdanken ist, tauchen entsprechend viele Suiziddarstellungen auch in ihrer spätantiken Rezeption wieder auf. Interessant ist für unsere Fragestellung diese Einbindung der exempla maiores gerade in Hinblick auf die christliche Literatur, da man aufgrund der allgemein angenommenen Ablehnung der Selbsttötung durch die Christen eigentlich mit einer Abwertung oder zumindest mit einer Umwertung rechnen sollte. Der Blick wird sich daher in der folgenden Betrachtung in erster Linie auf die christliche Rezeption heidnischer Selbstmörder richten. Besonders auffällig ist die Erwähnung heidnischer Suizide in Form sogenannter Exemplakataloge. In verschiedenen Zusammenhängen werden von den christlichen Autoren katalogartig heidnische Beispiele aufgezählt und ihr Verhalten den christlichen Werten gegenübergestellt. Schon der frühe Apologet Tertullian bediente sich des öfteren dieses Mittels, um die paganen Vorbilder den christlichen Märtyrern gegenüberzustellen und die Christen zur Überflügelung der traditionellen Werte anzuregen. Gerade im Kontext des Martyriums sollte seine Bewertung der Suizidexempla daher, auch wenn er jenseits der Materialgrenze dieser Untersuchung liegt, ausführlich berücksichtigt werden. Laktanz dient der Vergleich mit den exempla seiner Philosophenkritik in den Divinae Institutiones, die einen weiteren auch bei anderen christlichen Autoren zu untersuchenden Themenkomplex bildet. Schließlich finden sich bei Hieronymus wie ebenfalls schon bei Tertullian solche Exemplakatalog vorwiegend im das Martyrium ablösenden Themenbereich der christlichen Enthaltsamkeit und Askese. 1.1 Patientia: Die heidnischen exempla im Kontext des Martyriums Hinsichtlich des christlichen Martyriums, das Tertullian in seinem Werk immer wieder als Kriegsdienst für Gott preist, liegt der Vergleich mit den exempla historiae, die sich aus höheren Gründen opferten und freiwillig in den Tod gingen, nahe.264 In der Schrift Ad martyras spricht Tertullian den während der Verfolgungszeiten in den Gefängnissen ihres Verhörs oder ihres Todes harrenden Christen
263 Vgl. U. EIGLER, Lectiones vetustatis, 91–96. 264 Zur militia Christi bei Tertullian vgl. etwa Tert. mart. 3, 1: Vocati sumus ad militiam Dei vivi iam tunc, cum in sacramenti verba respondimus; Tert. apol. 50, 1: Ergo, inquitis, cur querimini, quod vos insequamur, si pati vultis, cum diligere debeatis, per quos patimini quod vultis? plane volumus, verum eo more, quo et bellum miles. Zum Bild der militia Christi im Neuen Testament vgl. etwa 1 Kor 10, 3–5; 1 Tim 1, 18. 6, 12; vgl. A. V. HARNACK, Militia Christi.
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Trost zu und ermuntert sie zur Erlangung des Martyriums, indem er unter den heidnischen exempla auch zahlreiche berühmte Selbstmörder anführt:265 Es würde zu weit führen, die einzelnen alle aufzuzählen, die sich aus eigenem Antrieb mit dem Schwert umbrachten. Von den Frauen fällt mir sogleich Lucretia ein, welche, gewaltsam geschändet, sich angesichts ihrer Verwandten mit dem Messer erstach, um für ihre Keuschheit Ruhm zu erlangen.266 Mucius verbrannte seine rechte Hand auf dem Opferaltar, damit diese seine Tat berühmt würde.267 Nicht weniger taten die Philosophen: Heraklit, der sich den Leib mit Kuhmist bestrich und sich hinrichtete,268 ebenso Empedokles, der in die Flammen des Berges Ätna hinabsprang,269 und Peregrinus, der vor nicht langer Zeit sich dem Scheiterhaufen überlieferte; 270 da ja auch schon Frauen die Feuerflammen geringschätzten, nämlich Dido, als sie, nachdem sie einen anderen geliebt, zum Heiraten gezwungen wurde,271 und die
265 Tert. mart. 4, 4–6: [...] Longum est, si enumerem singulos, qui se gladio confecerint, animo suo ducti. De feminis ad manum est Lucretia, quae vim stupri passa cultrum sibi adegit in conspectu propinquorum, ut gloriam castitati suae pareret. Mucius dexteram suam in ara cremavit, ut hoc factum eius fama haberet. Nec minus fecerunt philosophi: Heraclitus, qui se bubulo stercore oblitum excussit; item Empedocles, qui in ignes Aetnaei montis desiluit; et Peregrinus, qui non olim se rogo immisit, cum feminae quoque contempserint ignes: Dido, ne post virum dilectissimum nubere cogeretur; item Asdrubalis uxor, quae iam ardente Carthagine, ne maritum suum supplicem Scipionis videret, cum filiis suis in incendium patriae devolavit. Regulus, dux Romanorum, captus a Carthaginensibus, cum se unum pro multis captivis Carthaginensibus compensari noluisset, maluit hostibus reddi et in arcae genus stipatus undique extrinsecus clavis transfixus, tot cruces sensit. Bestias femina libens appetiit, et utique aspides, serpentes tauro vel urso horridiores, quas Cleopatra immisit sibi, ne in manus inimici perveniret. Übers. nach K.A.H. KELLNER, in: BKV2 7, leicht geändert. 266 Zur Legende um Lucretia vgl. v.a. Liv. 1, 57–60 sowie u. Kap. III 1.3. 267 Mucius Scaevola ließ, weil sein Anschlag auf den Etruskerkönig in Porsenna mißlang, seine rechte Hand auf dem Brandaltar verbrennen, um seine Furchtlosigkeit zu demonstrieren, woraufhin ihn der König freiließ und man ihm in Rom den Beinamen Scaevola (Linkshänder) gab. Die Legende um Mucius nimmt bei Val. Max. 3, 3, 1 die erste Stelle des Kapitels de patientia ein; vgl. auch Liv. 2, 12, 9: et facere et pati fortia Romanum est. 268 Über den Tod Heraklits waren verschiedene Legenden im Umlauf, von drei Versionen berichtet D.L. 9, 1, 4. Vgl. H. PÉTRÉ, L’exemplum chez Tertullien, 76f. 269 Vgl. Hor. ars 464–466: deus immortalis haberi dum cupit Empedocles, ardentem frigidus Aetnam insiluit. Zur Darstellung bei Tertullian und seiner eventuellen Mißinterpretation der Schilderung bei Diogenes (D.L. 9, 1, 3) vgl. H. PÉTRÉ, L’exemplum chez Tertullien, 77. 270 Vgl. Luc. Peregr. 20–36. 271 Vgl. Verg. Aen. 4, 642ff. Tertullian folgt in seiner Schilderung des Todes der Dido offenbar nicht der vergilischen Tradition, sondern der Darstellung in Iust. 18, 6, 5–8: Hoc dolo capta diu Acherbae viri nomine cum multis lacrimis et lamentatione flebili invocato ad postremum ituram se, quo sua et urbis fata vocarent, respondit. In hoc trium mensium sumpto spatio, pyra in ultima parte urbis instructa, velut placatura viri manes inferiasque ante nuptias missura multas hostias caedit et sumpto gladio pyram conscendit atque ita ad populum respiciens ituram se ad virum, sicut praeceperint, dixit vitamque gladio finivit. Quamdiu Karthago invicta fuit, pro dea culta est. Vgl. H. PÉTRÉ, L’exemplum chez Tertullien, 77f. Den Suizid der Dido durch Selbstverbrennung kennt auch Dracontius, laud. dei 3, 512–517: Dives Dido fugax extincti coniugis ultrix / urbis Elissaeae perfectis moenibus amplae / ipsa pyram manibus propriis construxit ut aram, / quam pedibus furiata suis conscendit et arsit. / Impulit ad flammas accurrere funera viva / aut amor Aeneae, veniens aut terror Iarbae. Dazu R. SIMONS, Dracontius, 143f., zum Exempelgebrauch bei Dracontius allgemein ebd. 115–154; zur Rezeption der Dido in der spätantiken Dichtung I. OPELT, Paradeigmata Poetica Christiana, 126–129.
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Gattin des Hasdrubal, welche, als Karthago schon in Flammen stand, mit ihren Kindern in das Feuermeer ihrer brennenden Vaterstadt eilte, um nicht ihren Mann vor Scipio als einen um Gnade Flehenden sehen zu müssen.272 Regulus, der von den Karthagern gefangene römische Feldherr, wollte nicht als einzelner gegen viele kriegsgefangene Karthager ausgetauscht werden, sondern zog es vor, sich den Feinden zurückgeben zu lassen, und erduldete, in eine Art Kasten gepreßt und von außen allseitig mit Nägeln durchbohrt, ebenso viele Kreuzesqualen.273 Was die wilden Tiere anlangt, so hat eine Frau sehr danach begehrt und noch nach schlimmeren als Stier und wilder Bär, nämlich Nattern, welche Cleopatra sich ansetzte, um nicht in die Hände ihres Feindes zu fallen.274
Auch wenn die Christen die heidnischen exempla freilich übertreffen sollen, hat Tertullian offenbar keinerlei Probleme damit, Selbstmörder als Vorbilder für fortitudo und patientia anzuführen und zur Nacheiferung aufzurufen. Besonders im 272 Vgl. Val. Max. 3, 2, ext. 8: Verum ut aeque populo Romano inimicae urbis excidium referam, Carthagine capta uxor Hasdrubalis, exprobrata ei impietate, quod a Scipione soli sibi impetrare vitam contentus fuisset, dextra laevaque communes filios mortem non recusantes trahens, incendio se flagrantis patriae obiecit. Zur Verbindung mit Dido vgl. Oros. hist. 4, 23, 4: Uxor Hasdrubalis se duosque filios secum virili dolore et furore femineo in medium iecit incendium, eundem nunc mortis exitum faciens novissima regina Carthaginis, quem quondam prima fecisset. Die Gattin Hasdrubals als weibliches exemplum für fortitudo findet auch Erwähnung bei Hier. epist. 123, 7, 2 ( u. S. 111, Anm. 367). Zu ihrer Darstellung bei Tertullian vgl. auch Tert. nat. 2, 9, 13, der bemerkt, daß sie, indem sie sich todesmutig ins Feuer stürzte, den Aeneas an Tugend übertroffen habe: Ac si hoc verum nolunt, Aenea certe patria flagrante dereliquit socios, feminae Punicae subiciendus, quae maritum Hasdrubalem, Aeneae timiditate in his supplicantem hosti, non comitata, raptis se cum filiis formam et patrem sibi habere non in fugam sapit, sed in ignes ardentis Carthaginis ut in amplexus patria pereuntis incubuit. Zusammen mit Regulus, Cleopatra und Dido wird sie auch in Tert. nat. 1, 18, 3 aufgeführt: Crucis vero novitatem numerosae, abstrusae, Regulus vester libenter dedicavit; regina Aegypti bestiis suis usa est; ignes post Carthaginensem feminam Asdrubale marito in extremis patriae constantiorem docuerat invadere ipsa Dido. 273 Zur Entwicklung der Legende um den Tod des M. Atilius Regulus und seine Verwendung als exemplum historicum vgl. E.R. MIX, Marcus Atilius Regulus; A. KLOTZ, Hermes 44, 1909, 206–208; K. ZIMMERMANN, Rom und Karthago, 30–33. Mit seiner Ausdrucksweise lehnt sich Tertullian (vgl. auch Tert. nat. 1, 18, 3 (vorhergehende Anm.) und apol. 50, 6: Regulus, ne unus pro multis hostibus viveret, toto corpore cruces patitur) offenbar an die Beschreibungen bei Seneca und Valerius Maximus an, vgl. bes. Sen. epist. 98, 12: Dic tibi ‚ex istis quae terribilia videntur nihil est invictum‘. Singula vicere iam multi, ignem Mucius, crucem Regulus, venenum Socrates, exilium Rutilius, mortem ferro adactam Cato [...]; Sen. de prov. 3, 9: [...] Figunt cutem clavi et, quocumque fatigatum corpus reclinavit, vulneri incumbit; in perpetuam vigiliam suspensa sunt lumina: quanto plus tormenti, tanto plus erit gloriae. Sen. tranqu. an. 16, 4: [...] aut Regulum quod tot clavis configitur, [...]; Sen. epist. 67, 7: [...] Reguli arca [...]. Val. Max. 2, 9, 8: [...] per summos cruciatus expirare quam fallere Carthaginienses satius esse duxerat. Val. Max. 9, 2 ext. 1: Carthaginienses Atilium Regulum palpebris resectis machinae, in qua undique praeacuti stimuli eminebant, inclusum vigilantia pariter et continuo tractu doloris necaverunt, tormenti genus indignum passo, auctoribus dignissimum. Vgl. dazu auch H. PÉTRÉ, L’exemplum chez Tertullien, 79. Zur Darstellung des Regulus bei Augustinus vgl. auch u. S. 92f. 274 Zum Suizid der Cleopatra vgl. v.a. Plut., Ant. 84–86; Hor. carm. 1, 37. Für die Quellen zum Tod der berühmten ägyptischen Königin vgl. die neue Zusammenstellung von J.P. JONES, Cleopatra, 180–204. Tertullian erwähnt Cleopatra im gleichen Zusammenhang auch in nat. 1, 18, 3: [...] regina Aegypti bestiis suis usa est [...].
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Falle der Philosophen, vor allem des Peregrinus, wie auch für Cleopatra ist das doch etwas überraschend, weil diese zwar für (auch in der Spätantike) bekannte Suizide stehen, im traditionellen Exemplakanon aber nicht erscheinen, keineswegs den tugendhaften Opfertod symbolisierten und im allgemeinen schon gar nicht für ihre fortitudo oder ihre patientia gelobt wurden.275 Der Bezug zu den Märtyrern wird hier offensichtlich durch die Todesarten hergestellt: Peregrinus, Dido und die Frau Hasdrubals starben den Feuertod, wie ihn auch die Märtyrer erleiden mußten. 276 Cleopatra nahm sich durch das Gift der Schlangen das Leben, noch schlimmeren Tieren, wie Tertullian betont, als Stier und wilder Bär, die Tiere also, denen die Märtyrer in den Arenen ausgeliefert waren. Bei der Schilderung des Opfertodes des römischen Konsuls M. Atilius Regulus klingt sogar deutlich die Parallele zu Jesu Tod am Kreuz an: Von allen Seiten mit Nägeln durchbohrt, habe er Kreuzesqualen gelitten (tot cruces sensit). 277 Das Kriterium, dem Tertullians Auswahl heidnischer Selbstmörder folgt, scheint damit nicht in den einzelnen Motiven zu liegen, die ihren Tod hervorriefen, sondern vielmehr in ihren Todesarten, die sich gut mit denjenigen der Märtyrer verbinden lassen.278 275 Lukian, der mit seiner Karikatur des Peregrinus Kritik an den Kynikern übt, bringt den frühen Peregrinus mit den Christen in Verbindung. Als Christ sei er gefangengenommen, aber sofort wieder freigelassen worden, da der Statthalter das vernunftlose Begehren des Peregrinus nach dem Tod nicht einmal einer Strafe für wert befunden habe, vgl. Luc. Peregr. 14: Πλὴν ἀλλ’ ὁ Περεγρῖνος ἀφείθη ὑπὸ τοῦ τότε τῆς Συρίας ἄρχοντος, ἀνδρὸς φιλοσοφίᾳ χαίροντος, ὃς συνεὶς τὴν ἀπόνοιαν αὐτοῦ καὶ ὅτι δέξαιτ’ ἂν ἀποθανεῖν ὡς δόξαν ἐπὶ τούτῳ ἀπολίποι, ἀφῆκεν αὐτὸν οὐδὲ τῆς κολάσεως ὑπολαβὼν ἄξιον. Es verwundert doch, daß Tertullian gerade diese Figur in seiner Aufzählung erwähnt, erst recht mit dem Blick auf das von Lukian geschilderte Verhalten der Christen, „die den Tod verachten und sich freiwillig aufgeben“, Luc. Peregr. 13: [...] πεπείκασι γὰρ αὑτοὺς οἱ κακοδαίμονες τὸ μὲν ὅλον ἀθάνατοι ἔσεσθαι καὶ βιώσεσθαι τὸν ἀεὶ χρόνον, παρ᾿ ὃ καὶ καταφρονοῦσιν τοῦ θανάτου καὶ ἑκόντες αὑτοὺς ἐπιδιδόασιν οἱ πολλοί. Zur Bewertung der Christen in Lukians Peregrinus vgl. u.a. C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, 97–101. Die Erwähnung des Peregrinus im ExemplaKatalog Tertullians sticht auch dadurch hervor, daß er das einzige Beispiel aus der hohen Kaiserzeit darstellt, was vielleicht durch den erwähnten Bezug zur Christenverfolgung unter Marc Aurel zu erklären ist. 276 Vgl. etwa das Martyrium der Agathonike (Act. Carp. 6) oder der Apollonia (Eus. h.e. 6, 41, 7), dazu u. S. 121f. 277 Dieses Bild ist allerdings nicht neu bei Tertullian, sondern offensichtlich von Valerius und/ oder Seneca übernommen, vgl. o. Anm. 273. 278 Vgl. T.D. BARNES, Tertullian, 227f., der auf die „inappropriate touches“ der ausgewählten exempla hinweist und die Unstimmigkeiten mit der (im Vergleich zum Apologeticum) frühen Abfassung erklärt. Vgl. auch BARNES’ Gegenüberstellung des Katalogs mit dem späteren im Apologeticum (ebd. 218f.), deren Unterschiede er zunächst im angesprochenen Publikum sieht. Darüber hinaus unterscheidet sich aber auch die Intention der exempla-Kataloge in beiden Werken: In Ad martyras steht das Lob der Martyriumsbereitschaft im Vordergrund, während der Katalog am Ende des Apologeticum zunächst die Kritik an den heidnischen Philosophen hervorhebt. Zur Diskussion um die Einordnung des Kataloges am Ende des Apologeticum vgl. auch C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 391f. Die Betonung der Todesarten noch vor den Motiven ist nicht ungewöhnlich; häufig finden sich Vergleiche mit den Märtyrern, die ähnliche und schlimmere Todesweisen erdulden mußten, vgl. etwa Aug. disc. chr. 12, 13: [...] non potest male mori, qui bene vixerit. Iam tu dicis tibi: ‚non multi iusti nau-
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Das übergreifende Motiv tritt erst am Ende des Katalogs in Erscheinung: Nach der Aufzählung weiterer Beispiele für die Erduldung von Folterqualen kommt Tertullian zu der Schlußfolgerung, daß es den Christen eine Freude sein müsse, für die Erlangung der himmlischen Herrlichkeit ebensolche Qualen zu erleiden wie jene heidnischen Beispiele für die Erlangung irdischen Ruhms: Ist eine gläserne Perle so viel wert wie eine echte? Wer sollte also nicht mit der größten Freude für die echte ebenso viel bezahlen können als andere für eine unechte?279
Damit dient die Gegenüberstellung der heidnischen Vorbilder nicht allein der Rechtfertigung und der Ermunterung zum Martyrium, sondern sie bringt auch zum Ausdruck, daß die Christen die Großen der heidnischen Vergangenheit durch ein lohnenderes Ziel und die größere Leidensbereitschaft übertreffen. Mit diesem Argument reagiert der Apologet auch auf den Vorwurf der Todessuche der Märtyrer: Die Heiden verehrten ihre Vorbilder mit Standbildern und Ehrentiteln, weil sie durch ihr Handeln menschlichen Ruhm erlangt hätten, während sie die Märtyrer, die für Gott litten, für Narren hielten.280 Auch in Ad nationes weist Tertullian den von heidnischer Seite aufgebrachten Vorwurf der übertriebenen Todesverachtung der Christen zurück. Dabei führt er einen ganz ähnlichen Katalog von todesverachtenden exempla an, um aufzuzeigen, daß die pagane Welt im Falle ihrer Vorfahren als Heldentat verehrte, was sie in der Gegenwart den Christen vorwerfe. 281 Auch hier spielen die Todesarten der
fragio perierunt?‘ Certe non potest male mori, qui bene vixerit. Non multos iustos gladius peremit hostilis? Certe non potest male mori, qui bene vixerit. non multos iustos latrones occiderunt? Non multos iustos bestiae laniaverunt? Certe non potest male mori, qui bene vixerit. et ego respondeo: Haec enim tibi videtur mors mala? Naufragio perire, gladio percuti, a bestiis laniari, mors mala tibi videtur? Nonne istas mortes martyres subierunt, quorum natalitia celebramus? Quod genus mortis non subierunt? Et tamen si christiani sumus, si in domo disciplinae nos esse meminimus, vel cum hic sumus, vel cum hic audimus, si exeuntes hinc non obliviscimur, si meminimus quod hic audimus, nonne martyres beatificamus? 279 Tert. mart. 4, 9: Si tanti vitreum, quanti verum margaritum? Quis ergo non libentissime tantum pro vero habet erogare, quantum alii pro falso? 280 Tert. apol. 50, 10f.: O gloriam licitam, quia humanam, cui nec praesumptio perdita nec persuasio desperata reputatur in contemptu mortis et atrocitatis omnimodae, cui tantum pro patria, [pro agro,] pro imperio, pro amicitia permissum est, quantum pro Deo non licet! Et tamen illis omnibus et statuas defunditis et imagines inscribitis et titulos inciditis in aeternitatem! Quantum de monumentis potestis scilicet, praestatis et ipsi quodammodo mortuis resurrectionem. Hanc qui veram a Deo serat, si pro Deo patiatur, insanus est! 281 Tert. nat. 1, 18, 1–5: Reliquum obstinationis in illo capitvlo collocatis, quod neque gladios neque cruces neque bestias vestras, non ignem, non tormenta ob duritatem ac contemptu mortis animo recusemus. Atenim haec omnia apud priores maioresque vestros non contemni modo, sed etiam magna laude pensari a virtute didicerunt. Gladius quot et quantos viros voluntarios! Piget prosequi. Crucis vero novitatem numerosae, abstrusae, Regulus vester libenter dedicavit; regina Aegypti bestiis suis usa est; ignes post Carthaginensem feminam Asdrubale marito in extremis patriae constantiorem docuerat invadere ipsa Dido. Sed et tormenta mulier Attica fatigavit tyranno negans, postre, ne cederet corpus et sexus, linguam suam pastam expuit, totum edicatae confessionis ministerium. Sed vestris ista ad gloriam, nostris ad dtiam deputatis. Destruite nunc gloriam maiorum, quo nos quoque
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ausgewählten exempla eine wichtige Rolle. Der Vorwurf der Heiden, so Tertullian, richte sich dagegen, daß die Christen weder das Schwert noch das Kreuz noch wilde Tiere noch das Feuer noch die Folter scheuten, wobei er die gleiche Reihenfolge wie schon in Ad martyras verwendet.282 Jedoch seien eben diese Todesarten unter ihren eigenen Vorfahren nicht nur nicht verachtet, sondern sogar in großen Ehren gehalten worden. Im Anschluß zählt der Apologet die bekannten Beispiele eben dieser Todesarten auf: Dabei steht Regulus für die Folterqualen am Kreuz; Cleopatra für den Tod durch wilde Tiere; die Gattin Hasdrubals und ihre karthagische Vorfahrin Dido für den Feuertod; die athenische Prostituierte283 schließlich für das Erdulden unerträglicher Folterqualen. Die Hervorhebung der Todesarten führt dazu, daß Tertullian keinerlei moralische Auseinandersetzung mit der Ehren- oder Unehrenhaftigkeit der Selbsttötung zeigt. Weder die Suizide selbst noch die einzelnen Motive, welche die exempla zur Selbsttötung veranlaßt haben, werden von ihm einer Kritik unterzogen. Das Leiden und die Erduldung von Todesqualen stehen im Vordergrund, wobei das Ziel der Christen (Erlangung der himmlischen Ewigkeit) das Ziel der paganen Helden (Erlangung von Ruhm in der Nachwelt) übertrifft. An diesem irdischen Ziel der heidnischen exempla übt er Kritik, nicht aber an ihrer Bereitschaft, sich selbst zu töten, noch an der Selbsttötung an sich. Bereits bei Tertullian wird damit deutlich, daß die Beurteilung der klassischen Suizidfälle einem „höheren Nutzen“ untergeordnet wird, den ihre Erwähnung verfolgt. Der Apologet greift heidnische Suizidexempla auf, die vom angesprochenen Publikum positiv aufgefaßt werden, um so den noch höheren Wert der christlichen Todesbereitschaft hervordeatis! Contenti estote detrahere etiam laudi parentum ad prae, ne nobis locum detis! 282 Ebd. Vgl. Tert. mart, 4, 2: Timebit forsitan caro gladium gravem, et crucem excelsam, et rabiem bestiarum, et summam ignium poenam, et omne carnificis ingenium in tormentis. Dazu auch H. PÉTRÉ, L’exemplum chez Tertullien, 74f., die bemerkt, daß Tertullian alle Beispiele dieser Klassifikation unterordnet (ebd. 75): „Cette classification, du reste assez artificielle, conduit Tertullien à entremêler exemples romains, carthaginois ou grecs, exemples masculins ou féminins. Le plus simple pour les étudier en détail est de suivre l’ordre de l’Ad martyres.“ Einzig im Apologeticum (apol. 49, 3: gladiis et ignibus et crucibus et bestiis) wird die Reihenfolge wie auch die Ausführung im Exempla-Katalog (apol. 50, 5–9) verändert. Vgl. auch Tert. patient. 13, 8: At cum hoc dominus de carne dicit, infirmam pronuntians, quid ei firmandae opus sit ostendit, patientia scilicet adversus omnem subvertendae fidei vel puniendae paratura, ut verbera ut ignem ut crucem bestias gladium constantissime toleret quae prophetae, quae apostoli sustinendo vicerunt. 283 Vgl. Tert. apol. 50, 8: Attica quaedam meretrix carnifice iam fatigato postremo linguam suam comesam in faciem tyranni saevientis exspuit, ut expelleret et vocem, ne coniuratos confiteri posset, etiam si victa voluisset; mart. 4, 7: [...] Itaque cessit carnifici meretrix Atheniensis? Quae conscia coniurationis cum propterea torqueretur a tyranno, et non prodidit coniuratos et novissime linguam suam comestam in faciem tyranni exspuit, ut nihil agere in se sciret tormenta, etsi ultra perseverarent. Die Prostituierte könnte mit der bei Paus. 1, 23 erwähnten, unter Hippias hingerichteten Leaena identisch sein. Vgl. auch Lact. inst. 1, 20, 3: Exemplum scilicet Atheniensium in ea figuranda Romani secuti sunt, apud quos meretrix quaedam nomine Leaena cum tyrannum occidisset, quia nefas erat simulacrum constitui meretricis in templo, animalis effigiem posuerunt cuius nomen gerebat.
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zukehren. Dies verdeutlicht zum einen, daß weder der Autor noch die angesprochene Leserschaft, ob Christen oder Heiden, den Suizid als verwerfliche Tat sehen, sondern ihnen im Gegenteil die „klassische“ Wertschätzung bekannt und vertraut ist. Zum anderen wird daraus ersichtlich, daß der Suizid für eine christliche Argumentation instrumentalisiert wird, in der seine moralische Beurteilung eine untergeordnete Rolle spielt. Die Folgerung, daß Tertullian keine Kritik an der Selbsttötung als verwerflicher Handlung übt, wird noch dadurch gestärkt, daß er sich in seiner Auswahl auch auf jene exempla virtutis hätte beschränken können, die sich nicht selbst töteten. Die ‚alten Römer‘ lieferten durchaus genügend Beispiele für patientia, die nicht mit Suizid endeten, wie die von ihm auch aufgeführten Mucius Scaevola und M. Regulus. Minucius Felix etwa wählt genau diese aus. Im Dialog Octavius stellt er den freiwilligen Märtyrern Mucius Scaevola, Manius Aquilius Nepos und M. Regulus gegenüber, die für ihr Leid nicht den gleichen Lohn wie die Christen erhalten hätten: (...) Ihr selbst erhebt ja Unglücksmänner zum Himmel: den Mucius Scaevola, der bei den Feinden zugrunde gegangen wäre, nachdem er sich im König getäuscht hatte, hätte er nicht seine rechte Hand geopfert. Aber wie viele von uns haben nicht nur ihre Rechte, sondern ihren ganzen Körper ohne irgendein Wehklagen versengen und verbrennen lassen, obwohl es in ihrer Macht stand, Freilassung zu erlangen. Was vergleiche ich Männer mit Mucius oder Aquilius oder mit Regulus? Bei uns spotten Knaben und schwache Frauen der Kreuze und Foltern, der wilden Tiere und aller Schrecknisse der Hinrichtung mit himmlischer Ausdauer im Schmerz. Und doch seht ihr nicht ein, ihr Unseligen, daß es niemanden gibt, der grundlos eine Strafe ertragen will oder Martern ohne göttliche Hilfe aushalten kann?284
Die Gegenüberstellung der exempla mit den Märtyrern geht bei Minucius ähnlich wie auch bei Tertullian von einer generell positiven Bewertung der heidnischen Vorbilder aus, die Abgrenzung der Christen ensteht dadurch, daß sie eine höhere Leidensfähigkeit besäßen und darüber hinaus das bessere Ziel, nämlich der Lohn im Jenseits, sie leite. Die Herabsetzung der exempla erfolgt allein durch diesen Vergleich: sie werden von den Christen übertroffen; ihre Tugend aber, Leid zu ertragen, ihre patientia, wird nicht per se in Zweifel gezogen oder einer Kritik ausgesetzt. 284 Min. Fel. Oct. 37, 2–6: Nemo enim praemium percipit ante experimentum. Et imperator tamen quod non habet non dat: non potest propagare vitam, potest honestare militiam. (3) At enim dei miles nec in dolore deseritur nec morte finitur. Sic Christianus miser videri potest, non potest inveniri. Vos ipsi calamitosos viros fertis ad caelum: Mucium Scaevolam, qui, cum errasset in regem, perisset in hostibus, nisi dexteram perdidisset. (4) Et quot ex nostris non dextram solum, sed totum corpus uri cremari sine ullis eiulatibus pertulerunt, cum dimitti praesertim haberent in sua potestate. (5) Viros cum Mucio vel cum Aquilio aut Regulo comparo? Pueri et mulierculae nostrae cruces et tormenta, feras et omnes suppliciorum terriculas inspirata patientia doloris inludunt. (6) Nec intellegitis, o miseri, neminem esse, qui aut sine ratione velit poenam subire aut tormenta sine deo possit sustinere? Übers. v. A. MÜLLER, in: BKV2 14, leicht geändert. Vgl. dazu M.L. CARLSON, CPh 43, 1948, 96. M’ Aquilius Nepos, mit Marius Konsul im Jahr 129 v. Chr., wurde 90 v. Chr. nach der römischen Niederlage gegen Mithridates grausam gefoltert und schließlich getötet, indem man ihm geschmolzenes Gold in den Mund goß, (App. Mith. 21).
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Anders ist das bei Laktanz, der die gleichen exempla wie Minucius Felix zum Vergleich mit den verfolgten Christen heranzieht, wobei er aber eine deutliche Kritik an dem Verhalten der heidnischen Vorbilder zum Ausdruck bringt: Regulus habe sich töten lassen, weil er sich der Gefangenschaft schämte (quod captivum puduit vivere); Mucius habe seine Hand geopfert und dadurch eine unverdiente Gnade erhalten (eaque poena veniam quam non meruerat accepit).285 Die Christen überträfen sie alle durch ihre patientia, durch ihre Fähigkeit, Leid zu ertragen.286 Darüber hinaus litten die Christen nicht aus Notwendigkeit, denn sie könnten fliehen, wenn sie wollten, sondern aus freiem Willen (voluntate), weil sie auf Gott vertrauten. Den heidnischen Vorbildern unterstellt Laktanz, daß sie den Tod nur vorzögen, um Unsterblichkeit durch das Ansehen unter ihren Mitbürgern zu erlangen.287 Damit unterstellt er den exempla maiorum die gleiche Motivation wie Tertullian: sie suchten den Tod, um dem Wohl des Staates zu dienen und so durch ihre Todesverachtung irdischen Ruhm zu gewinnen. Auch Augustinus nutzt dieses Argument, um im fünften Buch von De civitate Dei die Opferbereitschaft der heidnischen Vorväter den Märtyrern gegenüberzustellen, die für die himmlische Ewigkeit die Qualen williger ertrugen. Dazu zählt er zahlreiche berühmte Beispiele auf, die große Opfer für ihr Vaterland erbrachten. Auffälligerweise führt auch er hier nur exempla an, die nicht selbst (oder nur indirekt) Hand an sich legten, unter anderem Mucius Scaevola, Curtius, die Decier und Marcus Regulus.288 Die Todesverachtung des Regulus erfährt auch schon im Suizidexkurs des ersten Buches eine positive Wertung,
285 Lact. inst. 5, 13, 12–14: Latrones et robusti corporis viri eiusmodi lacerationes perferre non queunt, exclamant et gemitus edunt, vincuntur enim dolore, quia deest illis inspirata patientia: nostri autem, ut de viris taceam, pueri et mulierculae tortores suos taciti vincunt et exprimere illis gemitum nec ignis potest. Eant Romani et Mucio glorientur aut Regulo, quorum alter necandum se hostibus tradidit, quod captivum puduit vivere, alter ab hostibus deprehensus cum videret mortem se vitare non posse, manum foco iniecit, ut pro facinore suo satisfaceret hosti quem voluit occidere, eaque poena veniam quam non meruerat accepit: ecce sexus infirmus et fragilis aetas dilacerari se toto corpore urique perpetitur non necessitate, quia licet vitare si velint, sed voluntate, quia confidunt Deo. 286 Auch Laktanz betont wie Minucius Felix im Octavius besonders die Frauen und Jungen. 287 Lact. inst. 3, 12, 22: Nam illi qui pro salute civium voluntariae se neci optulerunt, sicut Thebis Menoeceus, Athenis Codrus, Romae Curtius et Mures duo, numquam mortem vitae commodis praetulissent, nisi se inmortalitatem opinione civium consequi putavissent. Qui tamenetsi nescierunt inmortalitatis viam, res eos tamen non fefellit. Vgl. zu dieser Stelle M.L. CARLSON, CPh 43, 1948, 99. 288 Aug. civ. 5, 18. [...] Si M. Regulus, ne crudelissimos hostes iurando falleret, ad eos ab ipsa Roma reversus est, quoniam, sicut Romanis eum tenere volentibus respondisse fertur, postea quam Afris servierat, dignitatem illic honesti civis habere non posset, eumque Carthaginienses, quoniam contra eos in Romano senatu egerat, gravissimis suppliciis necaverunt: qui cruciatus non sunt pro fide illius patriae contemnendi, ad cuius beatitudinem fides ipsa perducit?
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(...) bewies er doch dadurch, daß er (das Leben) lieber den wütenden Feinden zur Tötung unter beliebigen Martern preisgab, statt es eigenmächtig zu beenden, daß er es ohne Frage für ein großes Unrecht hielt, Selbstmord zu begehen.289
Gerade daß Regulus sich nicht selbst tötete, als er in Gefangenschaft der schon besiegten Feinde geriet und ihrer Folter ausgeliefert war, sondern standhaft blieb, unterscheide ihn von Cato, der sich, schon selbst besiegt, Caesar nicht unterwerfen wollte.290 Es ist seine patientia, durch die sich Regulus auszeichnet,291 die ihn allein als heidnisches Vorbild ausweist.292 Trotz dieser Anerkennung ist aber bei Augustinus auch eine Kritik am Motiv des Regulus zu vernehmen: die cupiditas laudis humanae veranlaßte ihn wie die anderen aufgezählten exempla zu seinen Taten.293 Die Christen überträfen ihn dadurch, daß sie sich aus ihrem Verlangen nach dem himmlischen Vaterland nicht selbst töteten, sondern die Gewalt als Prüfung oder Läuterung erduldeten.294 Es ist auch bei Augustinus wieder das höhere
289 Aug. civ. 1, 24: Tantus itaque vitae huius contemptor, cum saevientibus hostibus per quaslibet poenas eam finire quam se ipse perimere maluit, magnum scelus esse, si se homo interimat, procul dubio iudicavit. 290 Zur Synkrisis Cato – Regulus vgl. R. HONSTETTER, Exemplum, 143f. 291 Aug. civ. 1, 24: Proinde servavit et sub Carthaginiensium dominatione patientiam et in Romanorum dilectione constantiam, nec victum auferens corpus ab hostibus nec invictum animum a civibus. 292 Ebd.: Inter omnes suos laudabiles et virtutis insignibus inlustres viros non proferunt Romani meliorem, quem neque felicitas corruperit, nam in tanta victoria mansit pauperrimus; nec infelicitas fregerit, nam ad tanta exitia revertit intrepidus. Vgl. auch schon zuvor Aug. civ. 1, 15; sowie 2, 23, wo Augustinus Regulus als guten Römer dem Marius gegenüberstellt. Zur vorrangig positiven Darstellung des Regulus bei Augustinus vgl. F.G. MAIER, Augustin, 87– 89, der bemerkt, daß die anerkennende Formulierung wohl mehr seiner engen Anlehnung an antike Quellen geschuldet sei als seiner eigenen Überzeugung (ebd. 88f.). A. FELMY, Die römische Republik, 170–185 folgert aus der weitgehend positiven Darstellung des Regulus eine „persönliche Anteilnahme“ (ebd. 184) Augustins am Schicksal des Regulus. Dagegen erklärt R. HONSTETTER, Exemplum, 126–132 die positive Darstellung des Regulus anhand ihrer den Beweiszielen dienenden Funktion (ebd. 131f.). Vgl. auch C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 173–181, der (ebd. 174) betont, daß Augustinus den Regulus mit Lob bedenke, „um ihn am Ende mit dem Einsatz der Christen für ihre himmlische Heimat überbieten zu können“ und er damit letztendlich der traditionellen Apologetik folge. 293 Aug. civ. 5, 18: [...] ‚Vincit amor patriae laudumque inmensa cupido‘. [Vgl. Verg. Aen. 6, 820ff.] Haec sunt duo illa, libertas et cupiditas laudis humanae, quae ad facta compulit miranda Romanos. Si ergo pro libertate moriturorum et cupiditate laudum, quae a mortalibus expetuntur, occidi filii a patre potuerunt: quid magnum est, si pro vera libertate, quae nos ab iniquitatis et mortis et diaboli dominatu liberos facit, nec cupiditate humanarum laudum, sed caritate liberandorum hominum, non a Tarquinio rege, sed a daemonibus et daemonum principe, non filii occiduntur, sed Christi pauperes inter filios computantur? Noch deutlicher civ. 5, 12: Ista ergo laudis aviditas et cupido gloriae multa illa miranda fecit, laudabilia scilicet atque gloriosa secundum hominum existimationem. 294 Aug. civ. 1, 24: Quanto magis Christiani, verum Deum colentes et supernae patriae suspirantes, ab hoc facinore temperabunt, si eos divina dispositio vel probandos vel emendandos ad tempus hostibus subiugaverit, quos in illa humilitate non deserit, qui propter eos tam humiliter altissimus venit, praesertim quos nullius militaris potestatis vel talis militiae iura constringunt ipsum hostem ferire superatum.
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Motiv der Märtyrer, der himmlische Ruhm und das ewige Leben, das die heidnischen Vorbilder in den Schatten stellt: (...) Aber da diese nur dem irdischen Staat angehörten und kein anderes Ziel für all ihre Bemühungen in seinem Dienst kannten als sein Wohlergehen, also nicht ein himmlisches, sondern nur ein irdisches Reich, kein ewiges Leben, sondern nur den Abgang und Zugang solcher, die jetzt sterben und künftig sterben werden, was sollten sie da anderes lieben als den Ruhm, durch den sie auch nach ihrem Tode im Munde ihrer Lobredner gewissermaßen weiterzuleben gedachten?295
Die augustinische Argumentation steht damit offensichtlich in der apologetischen Tradition, sie geht aber zugleich auch über sie hinaus: Das Hauptanliegen Tertullians oder auch des Minucius Felix und des Laktanz bestand darin, durch die Anführung der heidnischen exempla die Christen im Erleiden des Martyriums zu bestärken und ihre Leidensfähigkeit höher zu bewerten. Augustins Betonung liegt jetzt, da die Zeit der Christenverfolgungen vorüber ist, auf der „Vermeidung von Versündigung durch superbia“. 296 Mit dieser zunächst auf die historische Entwicklung zurückzuführenden, veränderten Argumentation ergibt sich auch ein veränderter Blick auf die exempla: Sie erklärt, daß Augustinus im ersten Buch bis auf Regulus sämtliche für ihre virtus gerühmten exempla, allen voran Lucretia, demontiert, da irdische Motive sie dazu führten, Suizid zu begehen. Und sie erklärt auch, warum Augustinus im fünften Buch gerade diejenigen exempla virtutis auswählt, die keinen Suizid begingen: Auch ihre Tugend ist nichts wert, da sie allein auf irdische Werte bezogen ist, während die wahre, christliche Tugend auf Gott als das höchste Gut ausgerichtet ist.297 295 Aug. civ. 5, 14: Hos secuti sunt martyres, qui Scaevolas et Curtios et Decios non sibi inferendo poenas, sed inlatas ferendo et virtute vera, quoniam vera pietate, et innumerabili multitudine superarunt. Sed cum illi essent in civitate terrena, quibus propositus erat omnium pro illa officiorum finis incolumitas eius et regnum non in caelo, sed in terra; non in vita aeterna, sed in decessione morientium et successione moriturorum: quid aliud amarent quam gloriam, qua volebant etiam post mortem tamquam vivere in ore laudantium? 296 C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 322. 297 Vgl. C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 322, der in dieser Argumentationsstruktur a maiore ad minus von civ. 5, 18 eine genaue Umkehrung der apologetischen Exempla-Nutzung a minore ad maius sieht, die eine zumindest partielle Anerkennung der altrömischen Handlungsweisen nicht mehr notwendigerweise voraussetze. Besonders anschaulich wird diese auch in Augustins sermo 38 (de continentia et sustinentia, vgl. H.R. DROBNER, in: Augustinus, Predigten zum Buch der Sprüche, 183–207), s. 38, 6: [...] Multi multa patiuntur propter pecuniam perituram, et tu non vis pati propter vitam mansuram? [...] Quanta patiuntur pro sua iniquitate latrones, quanta patiuntur pro suis sceleribus perditi, pro sua nequitia luxoriosi, pro sua avaritia negotiatores mare transmeantes ventis tempestatibusque corpus et animam committentes, sua relinquentes, ad ignota currentes! Iudex si pronuntiet exilium, poena est. Avaritia iubet exilium, et laetitia est. Quid ergo tibi magnum imperat sapientia, quod non posset imperare et avaritia? Et tamen cum imperat avaritia, facis. Et cum feceris quod imperat avaritia, quid habebis? Plenam domum auro et argento. Dazu C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 323. Der Tugendwert der in civ. 5, 18 aufgezählten exempla liege nach Augustinus „in ihrem materialen Gehalt und ist von der cupido gloriae zu abstrahieren, die als Motiv keineswegs besser ist als die iniquitas oder avaritia der Predigt und (...) das allen diesen Handlungen die Richtung gebende Ziel ist“ (ebd. 324); vgl. Aug. civ.
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1.2 Magnitudo animi: Cato und der Philosophentod In engem Zusammenhang mit der Rechtfertigung des christlichen Martyriums befindet sich die Kritik an der heidnischen Philosophie. Auch hier stehen häufig Suizidexempla im Mittelpunkt, die durch das Argument, ihr Begehren sei allein, durch Todesverachtung irdischen Ruhm zu gewinnen, dem Vergleich mit den Christen nicht standhalten. Der Inbegriff des „philosophischen Märtyrers“ ist Sokrates, dessen Ende in der Philosophie immer wieder als Paradigma für einen ehrenvollen, furchtlosen Tod angeführt wurde.298 Dieses Bild muß sich zwangsläufig in der christlichen Literatur ändern.299 Tertullian ergänzt seine Exemplakataloge auffälligerweise mit einer Reihe Philosophensuizide, um die christliche patientia über die magnitudo animi der Philosophen zu stellen. Das Beispiel des Sophisten Anaxarchos, der mit dem Stößel eines Gerstenmörsers zerstampft wurde, zi5, 19: [...] dum illud constet inter omnes veraciter pios, neminem sine vera pietate, id est veri Dei vero cultu, veram posse habere virtutem, nec eam veram esse, quando gloriae servit humanae; eos tamen, qui cives non sint civitatis aeternae, quae in sacris litteris nostris dicitur civitas Dei, utiliores esse terrenae civitati, quando habent virtutem vel ipsam, quam si nec ipsam. Ein Ansatz dieser augustinischen Argumentationsweise ist, so läßt sich ergänzen, vielleicht doch bereits bei Tertullian zu hören, vgl. Tert. mart. 4, 9, s.o. S. 89 u. Anm. 279. 298 Vgl. o. S. 25f. 299 Zum Bild des Sokrates in der christlichen Literatur des lateinischen Westens vgl. I. OPELT, in: H.-D. BLUME – F. MANN (Hgg.), Platonismus und Christentum, 192–207 (mit weiterer Literatur), der feststellt, daß die Ablehnung des exemplum Socratis etwa bei Tertullian, Minucius Felix und Laktanz nicht dominierend blieb; Orosius etwa hält den Tod des Sokrates für ungerecht, vgl. Oros. hist. 2, 17, 16: Sed adeo hoc idem placitum inter ipsa paene placiti verba corruptum est ut vix intercedente biennio Socrates ille clarissimus philosophorum adactus malis veneno sibi apud eos vitam extorserit, deinde vix quadraginta annis intervenientibus, ut alia sileam, idem Athenienses adempta sibi penitus libertate sub Philippo Macedonum rege servierint. Vgl. ferner K. DÖRING, Exemplum Socratis, 143–161, der (ebd. 146) die Gleichstellung von Christus und Sokrates in den Acta Apollonii (Act. Apoll. 38–41) als eine Ausnahme in der frühchristlichen Literatur sieht, obwohl sich eine ähnliche „erkennbare Tendenz“ in der Berufung auf Sokates auch an anderen Stellen feststellen lasse. Auffällig sei etwa (ebd. 149) das Iustinus Martyr zwar ebenfalls die Analogie von Christus und Sokrates beschreibe (vgl. Iust. Mart. apol. 1, 5, 2–4), dabei aber den Prozeß und den Tod Jesu selbst ausspare, um durch die Parallelisierung die Andersartigkeit Jesu nicht zu verlieren. In den Acta Pionii antwortet Pionius dem Rufinus, der ihn für einen Narren hält, weil er bereit ist zu sterben, mit einem Vergleich mit Sokrates (neben anderen griechischen Philosophen), Mart. Pion. 17, 2: Καὶ πρὸς αὐτὸν ῾Ρουφῖνός τις παρεστὼς τῶν ἐν τῇ ῥητορικῇ διαφέρειν δοκούντων εἶπεν· Παῦσαι, Πιόνιε, μὴ κενοδόξει. ὁ δὲ πρὸς αὐτόν· Αὗταί σου αἱ ῥητορεῖαι; ταῦτά σου τὰ βιβλία; ταῦτα Σωκράτης ὑπὸ ᾿Αθηναίων οὐκ ἔπαθεν. νῦν πάντες ῎Ανυτοι καὶ Μέλητοι. ἆρα Σωκράτης καὶ ᾿Αριστείδης καὶ ᾿Ανάξαρχος καὶ οἱ λοιποὶ ἐκενοδόξουν καθ᾿ ὑμᾶς ὅτι καὶ φιλοσοφίαν καὶ δικαιοσύνην καὶ καρτερίαν ἤσκησαν; ὁ δὲ ῾Ρουφῖνος ἀκούσας οὕτως ἐσιώπησεν. Als sokratisches Motiv erscheint auch Mart. Pion. 4, 7 (o. S. 47, Anm. 135). Auch Johannes Chrysostomos vergleicht die christlichen Märtyrer mit Sokrates, und betont, daß sie ihn in ihrer Leidensbereitschaft und Freiwilligkeit überträfen; vgl. Chrys. hom. in I. Cor. 4, 4 (PG 61, 35): ᾿Αλλὰ καὶ παρ᾿ αὐτοῖς, φησὶ, πολλοὶ θανάτου καταφρονοῦντες γεγόνασι. Τίνες, εἰπέ μοι; ἆρα ὁ τὸ κώνειον πιών; ᾿Αλλ᾿ εἰ βούλει, τοιούτους μυρίους ἀπὸ τῆς ᾿Εκκλησίας παράσχωμαι. Εἰ γὰρ ἐνῆν, διωγμοῦ καταλαβόντος, κώνειον πιόντας ἀπελθεῖν, πάντες ἂν ἐκείνου λαμπρότεροι γεγόνασι.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
tierend, ruft der Apologet sarkastisch aus: „Welche Seelengröße des Philosophen, der über einen solchen Tod noch scherzte!“.300 Während die Gegenüberstellung des heidnischen Philosophentodes und des christlichen Martyriums bei Tertullian ebenso wie in seinen anderen Katalogen keine explizite Suizidbewertung einschließt, wird bei Laktanz das Suizidverbot, das er als erster christlicher Autor formulierte,301 zum konkreten Argument gegen die heidnischen Philosophen: Und sind wohl jene stärkeren Geister mehr zu loben, die, um den Ruf der Todesverachtung zu erlangen, freiwillig Hand an sich gelegt haben, wie Zeno, Empedokles, Chrysippus, Kleanthes, Demokrit und ihr Nachahmer Cato, und die nicht gewußt haben, daß nach göttlichem Recht und Gesetz das Verbrechen des Mordes auf dem lastet, der sich selbst das Leben nimmt? Gott nämlich hat uns in dieses Gehäuse, das unser Fleisch ist, hineingebracht, er hat uns eine zeitliche Wohnung in Form unseres Leibes gegeben, damit wir ihn bewohnen, solange eben er es will. Als Frevel muß es folglich angesehen werden, ohne Gottes Befehl abwandern zu wollen.302
Hier artikuliert sich eine Verbindung seiner Theorie über die Erlaubtheit von Suizid mit der Anwendung derselben auf die gegebene Argumentation: Wenn Suizid ein Frevel gegen Gott ist, ist auch die Selbsttötung der Philosophen als solcher zu werten. In den Institutiones Divinae bezeichnet Laktanz alle diese Philosophen als Mörder (homicidae), wie auch diejenigen, die ihren Beispielen folgten. Er führt Cato und Kleombrotus303 als negative exempla an, die durch die Lektüre von Platons Phaidon zu ihrer Tat veranlaßt worden seien. Wenn Platon gewußt hätte, so Laktanz, von wem, für wen, für welche Taten und zu welcher Zeit die Unsterblichkeit verliehen werde (d.h. wenn Platon Christ gewesen wäre), hätte er weder Kleombrotus noch Cato in den Suizid getrieben, sondern sie eher in Leben und in Gerechtigkeit unterwiesen.304 300 Tert. apol. 50, 7: Anaxarchus cum in exemplum ptisanae pilo contunderetur: ‚tunde, tunde,‘ aiebat, ‚Anaxarchi follem, Anaxarchum enim non tundis‘. O philosophi magnanimitatem, qui de tali exitu suo etiam iocabatur! 301 Vgl. o. S. 50f. 302 Lact. epit. 34, 8–12: An illi fortiores magis sunt probandi, qui ut mortem contempsisse dicerentur, voluntariam necem sibi intulerunt, Zeno Empedocles Chrysippus Cleanthes Democritus et hos imitatus Cato, nec scierunt homicidii crimine teneri secundum ius legemque divinam eum, qui se interfecerit? Deus enim nos in hoc domicilium carnis induxit, ille nobis temporale corporis habitaculum dedit, ut incolamus quamdiu idem voluerit. Nefas igitur habendum est sine dei iussu velle migrare. Non est ergo vis adhibenda naturae. Scit ille, quemadmodum opus suum resolvat. Cui operi si quis manus impias adhibuerit ac divini opificii vincla diruperit, deum conatur effugere, cuius sententiam nec vivus quisquam nec mortuus poterit evadere. Vgl. auch Lact. inst. 3, 18, 7, dazu o. S. 50. 303 Zu Kleombrotus vgl. o. S. 40f. 304 Lact. inst. 3, 18, 8–10: Homicidae igitur illi omnes philosophi et ipse Romanae sapientiae princeps Cato, qui antequam se occideret, perlegisse Platonis librum dicitur qui est scriptus de aeternitate animarum, et ad summum nefas philosophi auctoritate conpulsus est. Et hic tamen aliquam moriendi causam videtur habuisse, odium servitutis. (9) Quid Ambraciotes ille, qui cum eundem librum perlegisset, praecipitem se dedit nullam aliam ob causam nisi quod Platoni credidit? Execrabilis prorsus ac fugienda doctrina, si abigit homines a vita. (10) Quodsi scisset Plato atque docuisset a quo et quomodo et quibus et quae ob facta et quo tem-
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Es ist bemerkenswert, daß Laktanz an dieser Stelle seine Kritik an Platon in gewisser Weise zurücknehmen muß, offenbar weil die Begründung seines Suizidverbots gerade auf der platonischen Theorie basiert.305 Gleiches tut, wie schon die Untersuchung der theoretischen Auseinandersetzung zeigte, auch Augustinus, indem er zunächst Kleombrotus’ Suizid verurteilt, zu dem ihn kein Unglück gedrängt, sondern lediglich die Lektüre Platons veranlaßt habe, und anschließend Platon selbst entschuldigt: Doch daß diese Tat mehr groß als gut war, hätte ihm Plato selbst, den er studierte, bezeugen können. Denn dieser hätte es sicherlich allen voraus selbst getan, ja auch dazu aufgefordert, hätte er nicht mit demselben Geiste, mit dem er die Unsterblichkeit der Seele schaute, erkannt, daß man dies nicht tun dürfe, ja es verhindern müsse.306
Schließlich nimmt auch Hieronymus den platonischen Gedanken zu Hilfe, wenn er im Epistel 39 an Paula diese ermahnt, ihre Askese nicht bis in den Tod zu treiben, und Christus zu ihr die Worte sprechen läßt: Du versagst dir die Nahrung nicht aus Eifer des Fastens, sondern im Eifer des Schmerzes. Solche Enthaltsamkeit schätze ich nicht. Die in dieser Weise fasten, sind meine Feinde. Ich nehme keine Seele auf, die sich wider meinen Willen vom Körper trennt. Eine törichte Philosophie mag solche Märtyrer haben, einen Zenon, einen Kleombrotus oder einen Cato.307
Das Argument für dieses Suizidverbot ist kein ursprünglich christliches, aber es ist am besten christlich interpretierbar: Der Wille Gottes, der maßgeblich über das Ende des Lebens entscheidet, verbietet es, sich selbst zu töten. Die platonische Theorie über die Selbsttötung wird nirgends widerlegt, sondern als christliche Anschauung ausgegeben. So richtet sich die Kritik der christlichen Autoren an der philosophischen Haltung hinsichtlich der Selbsttötung nicht gegen den Platonismus, sondern vornehmlich gegen die Stoiker und die durch ihre Lehre begründeten vernunftgemäßen Gründe für den Ausgang aus dem Leben. M. Porcius Cato,
pore inmortalitas tribuatur, nec Theombrotum inpegisset in mortem voluntariam nec Catonem, sed eos ad vitam et iustitiam potius erudisset. 305 In Lact. inst. 3, 19 kritisiert er in anderem Kontext Platons Theorien über die Unsterblichkeit. 306 Aug. civ. 1, 22: Quod tamen magne potius factum esse quam bene testis ei esse potuit Plato ipse, quem legerat, qui profecto id praecipue potissimumque fecisset vel etiam praecepisset, nisi ea mente, qua inmortalitatem animae vidit, nequaquam faciendum, quin etiam prohibendum esse iudicasset. 307 Hier. epist. 39, 3, 5: Cibum tibi denegas non ieiuniorum studio, sed doloris. Non amo frugalitatem istam; ieiunia haec adversarii mei sunt. nullam animam recipio, quae nolente me separatur a corpore. tales stulta philosophia martyres habeat: Zenonem, Cleombrotum vel Catonem. Vgl. P. LAURENCE, Orpheus 17, 1996, 52f. der bemerkt, daß die Verwendung einer fiktiven Rede Christi Hieronymus gerade in Hinsicht auf fehlende Aussagen in den Heiligen Schriften als gutes Argument diene, und auch auf die Anlehnung an die heidnische Philosophie hinweist. Zu diesem Brief und der Beziehung zwischen Hieronymus und Paula vgl. ferner C. KRUMEICH, Hieronymus, 80–91; D. ZITTEL, in: T. SPÄTH – B. WAGNER-HASEL (Hgg.), Frauenwelten, 426–437 m. weiterer Literatur.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
der stets als Inbegriff der stoischen Tugend und als „römischer Sokrates“ galt, wird damit zum ersten Ziel des christlichen Angriffes.308 Catos Suizid in Utica im April 46 v. Chr. ist bis in die Details, wie die lange Vorbereitung auf den Tod, das letzte Mahl, das philosophische Gespräch mit den Freunden, die Lektüre des Phaidon und schließlich die Tat mit dem Schwert, bekannt geblieben, vermutlich gerade weil er durch seinen Tod zum „Märtyrer der römischen Bürgerfreiheit“ wurde.309 In dieser Hinsicht stellt Cicero in den Disputationes Tusculanae Cato als römischen Nachfolger des Sokrates (tunc Socrati, nunc Catoni) dar.310 Die verlorene Lobrede Ciceros auf Cato wie auch der „AntiCato“ Caesars trugen dazu bei, die Figur Catos zu einem Mythos werden zu lassen.311 Auch die Kaiserzeit zeugt weitgehend von Anerkennung, die sich sowohl in der Dichtung und Epik312 als auch in der Historiographie313 artikuliert.
308 Vgl. Lact. inst. 3, 18, 5, der die aus seiner Sicht falsche Philosophie der Pythagoreer und Stoiker über die Unsterblichkeit der Seele mit den Suizidexempla Kleanthes, Chrysippus, Zeno und Empedocles belegt und Cato als imitator vanitatis Stoicae anschließt. Die Lesung dieser Stelle ist allerdings problematisch. Alle Handschriften bieten Socraticae statt Stoicae. Einige Herausgeber wie H. BRANDT (CSEL 19, 237) konjizieren aus inhaltlichen Gründen Stoicae, während J.-P. MIGNE (PL 7, 407f.) mit Verweis auf die Platon-Lektüre Catos (Lact. inst. 3, 18, 8) Socraticae vorzieht. Mit Blick auf die inhaltliche Argumentation des Laktanz sollte m.E. Stoicae favorisiert werden, denn die Formulierung (Cato, qui fuit in omni sua vita S[...] vanitatis imitator) läßt vermuten, daß eine imitatio Catos gemeint ist, der er sein ganzes Leben widmete und nicht allein kurz vor dem Tod folgte. Ferner richtet sich die Argumentation des gesamten Kapitels gegen die Pythagoreer und Stoiker, nicht gegen die Platoniker; Platons Position zum Suizid wird in diesem Zusammenhang eher noch gerechtfertigt. Die stoische Neigung zum Suizid ahmt Cato nach, nicht den Sokrates, der zudem nicht in dieser Aufzählung erscheint. Daß Cato von Platons Phaidon zum Suizid veranlaßt wurde, folgt erst im übernächsten Abschnitt (inst. 3, 18, 8), steht also nicht in direkter Verbindung zur fraglichen Stelle. Laktanz schien selbst sehr wohl zu wissen, daß die platonische Haltung zum Suizid seiner ähnlich ist. Seine Kritik richtet sich daher vornehmlich gegen die stoische Position und deswegen auch gegen Cato, der einen Grund zu sterben suchte, nicht um Caesar zu entfliehen, quam ut Stoicorum decretis obtemperaret (inst. 3, 18, 11). Obwohl die inhaltlichen Gründe für Stoicae sprechen, fehlt freilich der Beweis eines formalen Fehlers in den Handschriften. 309 Vgl. R. MACMULLEN, Enemies, 3–5. 19. 67; M. GRIFFIN, G&R 33, 1986, 75. 195, die in der Rezeption von Catos Suizid im 1. Jh. n. Chr. „the Stoic form of martyrdom par excellence“ sieht und meint, die Selbstidentifizierung Catos mit Sokrates habe zu dieser Stilisierung beigetragen (ebd. 195). Vgl. auch C. EDWARDS, Economy and Society 34, 2005, 200– 222 und zuletzt A. V. ZADOROJNYI, CQ 57, 2007, 216–230. 310 Cic. Tusc. 1, 74 (s.o. S. 30). Vgl. M. GELZER, in: DERS., Kleine Schriften, 257. 311 Vgl. Tac. ann. 4, 34, 4. 312 Vgl. etwa Hor. carm. 1, 12, 1f. 35f.; 2, 1, 21–24 und seine berühmte Wendung Catonis nobile letum in carm. 1, 12, 33; vgl. auch Lucan, bell. civ., wo Cato neben Caesar und Pompeius eine Hauptrolle einnimmt; zu Lucan J.H. BROUWERS, in: A.A.R. BASTAENSEN al. (éds.), Fructus Centesimus, 49–60 mit weiterer Literatur. Die Bemerkungen bei Vergil sind meist indirekt, aber ebenfalls positiv, vgl. dazu R.J. GOAR, Cato Uticensis, 25–27. Allein Martial läßt Kritik am Märtyrercharakter Catos vernehmen, vgl. Mart. epigr. 1, 78: [...] Hanc mortem fatis magni praeferre Catonis / fama potest: huius Caesar amicus erat. Mart. epigr. 6, 32: [...] sit Cato, dum vivit, sane vel Caesare maior: / dum moritur, numquid maior Othone fuit? 313 Vell. 2, 35; Val. Max. 3, 2, 14; 6, 2, 5.
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Der bekannteste Verehrer und Nachahmer Catos ist sicherlich der Stoiker Seneca d.J., der ihn als Verkörperung der stoischen Weisheit sieht und oft gemeinsam mit Sokrates zum Märtyrer stilisiert.314 Bis ins 3. Jahrhundert hinein findet man weitgehend lobende Worte für das nobile letum Catonis, und gilt der Stoiker als exemplum virtutis.315 Dies ändert sich erst mit den christlichen Autoren. Tertullian ist in seiner Beurteilung nicht klar. Einerseits kritisiert er im Apologeticum Cato als leno seiner Frau Marcia, die er mit Hortensius teilte.316 Im Rahmen seiner Argumentation, daß die heidnischen Götter von Menschen zu solchen gemacht würden, während die Heiden ihre großen Vorbilder nicht zu Göttern erhoben, bewertet er andererseits Cato aber neben anderen exempla als größer und weiser als die heidnischen Götter: quis ex illis deis vestris gravior et sapientior Catone.317 Diese knappe Bemerkung zeigt, daß Tertullian Cato offenbar generell als exemplum anerkennt. Es ist aber bemerkenswert, daß der Apologet in den Exemplakatalogen, in denen er vergleichbare Suizide durchaus anerkennend aufzählt, stets die Erwähnung Catos unterläßt. Es scheint, als ob er gerade Catos Suizid, das nobile letum, in seinen Aufzählungen vermeidet. R. J. GOAR versucht eine Erklärung dadurch, daß Catos exemplum zu mächtig gewesen sei und sein Vorbild eine zu starke Wirkung auf die verfolgten Christen gehabt habe, als daß Tertullian es für klug erachtet haben könne, ihn in seine von gewisser Bewunderung zeugenden Exemplaliste aufzunehmen.318 Der Einfluß, den Cato als exemplum noch unter den Christen hatte, ist sicher anzuerkennen, es scheint mir aber, daß Tertullian mit der 314 Vgl. etwa Sen. ad Helv. 13, 4f.; de prov. 3, 12–14; cons. sap. 7, 1, sowie zahlreiche Stellen in den Epistulae ad Lucilium, etwa epist. 24, 7f.; 13, 14; 104, 27. Vgl. dazu R.J. GOAR, Cato Uticensis, 35–41; T.D. HILL, Ambitiosa Mors, 179f. 315 Vgl. Tac. ann. 16, 22, 2; Plut., Cat. Min. 64–68, dessen ausführliche Schilderung der letzten Stunden Catos der Legende ihre letztendliche Form verlieh. Zur Darstellung von Catos Suizid bei Plutarch vgl. B. SCARDIGLI – M. AFFORTUNATI, in: B. KÜHNERT al. (Hgg.), Prinzipat und Kultur, 238–241 und A. V. ZADOROJNYI, CQ 57, 2007, 216–230, der die platonischen Elemente in Plutarchs Schilderung hervorhebt. Zur Rezeption des Suizids Catos unter seinen Zeitgenossen und in der Kaiserzeit ferner R. J. GOAR, Cato Uticensis. 316 Tert. apol. 39, 12f.: Omnia indiscreta sunt apud nos praeter uxores. In isto loco consortium solvimus, in quo solo ceteri homines consortium exercent, qui non amicorum solummodo matrimonia usurpant, sed et sua amicis patientissime subministrant, ex illa, credo, maiorum et sapientiorum suorum disciplina, Graeci Socratis et Romani Catonis, qui uxores suas amicis communicaverunt, quas in matrimonium duxerant liberorum causa et alibi creandorum. Nescio quidem an invitas: quid enim de castitate curarent, quam mariti tam facile donaverant? O sapientiae Atticae, o Romanae gravitatis exemplum: leno est philosophus et censor! Bei der Verwechslung mit Cato Censoris handelt es sich vielleicht um eine bewußte Anspielung. Zur Parallele mit Sokrates vgl. D.L. 2, 26; zur Einordnung des Sokrates bei Tertullian ferner K. DÖRING, Exemplum Socratis, 155–160, zu dieser Stelle bes. 156f. 317 Tert. apol. 11, 14–16: Illorum est honor consecratio coaequalium! Sed, ut omittam huius indignitatis retractatum, probi et integri et boni fuerint! Quot tamen potiores viros apud inferos reliquistis! aliquem de sapientia Socratem, de iustitia Aristiden, de militia Themistoclem, de sublimitate Alexandrum, de felicitate Polycraten, de copia Croesum, de eloquentia Demosthenen! Quis ex illis deis vestris gravior et sapientior Catone, iustior et militatior Scipione? Quis sublimior Pompeio, felicior Sylla, copiosior Crasso, eloquentior Tullio? 318 R.J. GOAR, Cato Uticensis, 79.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Auswahl der heidnischen Beispiele in seinen Katalogen eben diesen Effekt erzielen wollte, der ihn GOAR zufolge davon abhielt, Cato zu erwähnen: Es war ihm gerade daran gelegen, noch zu seiner Zeit bekannte und anerkannte exempla vorzustellen. Die Auswahl der exempla in Ad Martyras erfolgt nach keinem Kriterium, das eine Erklärung für das Auslassen Catos bieten würde, außer dem oben festgestellten Kriterium der Todesarten.319 Das Selbstmordinstrument Catos, das Schwert, hätte ihn demnach neben (oder anstelle von) Lucretia erscheinen lassen müssen, Tertullian aber wählt sie und nicht Cato und erreicht damit sogar noch einen stärkeren Effekt: auch vermeintlich schwache Frauen haben den heidnischen Märtyrertod erlitten.320 Wieder ist es Laktanz, der als erster das heidnische exemplum virtutis an christlichen Maßstäben mißt und bezüglich Catos Suizid zu einer deutlich negativen Beurteilung gelangt. Er unterstellt Cato, er habe nach einem Grund für seinen Tod gesucht, nicht so sehr um Caesar zu entgehen, sondern um dem stoischen Grundsatz der εὔλογος ἐξαγωγή zu folgen und so seinen Namen durch eine große Tat berühmt zu machen. Cato, der erste der römischen Weisheit (Romanae sapientiae princeps), habe sich nach der Lektüre von Platons Phaidon das Leben genommen und sei von der Autorität des Philosophen zum höchsten Frevel getrieben worden, auch wenn er im odium servitutis einen Grund zu sterben gefunden zu haben schien.321 Diesen Grund für Catos Tod, sein Entfliehen aus der Knechtschaft Caesars, akzeptiert Laktanz nicht, denn mit seiner clementia habe Caesar nichts anderes gewollt, als den Anschein zu geben, sich um das Wohl des Staates verdient gemacht zu haben, indem er seine beiden besten Bürger Cicero und Cato verschonte.322 Der angedeutete Vergleich mit Cicero ist rhetorisch geschickt: Laktanz unterstellt damit, daß Cato nicht aus einer ausweglosen Situation in den Tod geflohen sei (so daß die platonische ἀνάγκη nicht erfüllt war), sondern wie Cicero (47 v. Chr., nur ein Jahr vor Catos Tod) Begnadigung durch Caesar hätte erhalten können.323 Das Ansehen, das Cato für seine Lebensführung wie für sein Lebensende 319 Vgl. o. S. 88. 320 Vgl. R.J. GOAR, Cato Uticensis, 78, der bemerkt, daß Tertullian, hätte er denn Cato in der Aufzählung erwähnt, „would presumably, have displayed the same disapproval of Cato’s act that Lactantius, Jerome and Augustine did.“ Diese Annahme muß m.E. reine Spekulation bleiben und ist darüber hinaus in Hinsicht auf die Intention der Exempla-Kataloge in Tertullians Werk sogar eher unwahrscheinlich. 321 Lact. inst. 3, 18, 8 (s.o. S. 96, Anm. 304). 322 Lact. inst. 3, 18, 11–12: Nam mihi Cato videtur causam quaesisse moriendi non tam ut Caesarem fugeret, quam ut Stoicorum decretis obtemperaret, quos sectabatur, suumque nomen grandi aliquo facinore clarificaret: cui quid mali potuerit accidere, si viveret, non invenio. (12) Gaius enim Caesar ut erat clemens, nihil aliut efficere volebat etiam in ipso belli civilis ardore, quam ut bene mereri de re publica videretur duobus optimis civibus Cicerone et Catone servatis. 323 Für Cicero selbst war Cato jedoch gerade im Tod ein Vorbild, vgl. etwa Cic. epist. 9, 18, 2; 7, 3, 4; an anderer Stelle bemerkt er gar, sich schuldig zu fühlen, selbst noch am Leben zu sein, epist. 4, 13, 2 (vom August 46 v. Chr.): Quamquam enim nulla me ipsum privatim pepulit insignis iniuria nec mihi quicquam tali tempore in mentem venit optare quod non ultro mihi
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zuteil wurde, ist demnach unberechtigt, sein Suizid beruht allein auf dem Bestreben, der Stoa, einer Laktanz zufolge falschen Philosophie, nachzufolgen und dadurch Ruhm zu erlangen.324 In Hinsicht auf Catos Suizid ist Laktanz’ Urteil folgerichtig: er war ein Mörder (homicida), seine Tat göttliches Unrecht (nefas) und sein Motiv (odium servitutis) nur ein scheinbares. Diese Beurteilung des „stoischen Märtyrers“ mag aus heidnischer Sicht, wie J. GOAR meint, „unfair“ erscheinen, sie ist aber sicherlich nicht „absurd“,325 sondern ergibt sich aus Laktanz’ Argumentation: Laktanz spricht Cato nicht die exempla-Funktion aufgrund seiner römischen Tugendhaftigkeit (romanae sapientiae princeps, optimus civis326) ab, sondern verurteilt seinen Suizid. Auch wenn das christliche Suizidverbot direkt oder indirekt auf die platonische Lehre zurückgeht, betont Laktanz es an dieser Stelle ausführlich am Beispiel Catos, gerade weil er die heidnische Philosophie und ihren Anspruch auf Weisheit und Tugendhaftigkeit mit christlichen Argumenten zurückweisen will. Augustinus kommt in seiner Beurteilung Catos zum selben Ergebnis, obwohl er zunächst auf einer persönlicheren Ebene argumentiert: Ich wüßte nicht, was ich zu seiner Tat anderes sagen sollte, als daß seine Freunde, gleichfalls gebildete Männer, ihm, klüger als er, abrieten und urteilten, diese Tat sei eher ein Beweis verzagten als tapferen Geistes, verrate weniger ehrenhaften Sinn, der Schimpfliches meidet, als Schwäche, die Unglück nicht ertragen kann.327
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Caesar detulerit, tamen nihil iis conficior curis ut ipsum quod maneam in vita peccare me existimem. Wertschätzung für den Suizid Catos klingt auch in Cic. off. 1, 112 deutlich an: Atque haec differentia naturarum tantam habet vim ut non numquam mortem sibi ipse consciscere alius debeat, alius in eadem causa non debeat. Num enim alia in causa M. Cato fuit, alia ceteri, qui se in Africa Caesari tradiderunt? Atqui ceteris forsitan vitio datum esset si se interemissent, propterea quod lenior eorum vita et mores fuerant faciliores; Catoni cum incredibilem tribuisset natura gravitatem, eamque ipse perpetua constantia roboravisset, semperque in proposito susceptoque consilio permansisset, moriendum potius quam tyranni vultus aspiciendus fuit. Vgl. M. GRIFFIN, G&R 33, 1986, 196; zu Ciceros Bemerkungen über Cato, die, abgesehen von seiner Kritik in Pro Murena (29, 61ff.), durchweg des Lobes sind, ferner R. J. GOAR, Cato Uticensis, 13–15 sowie ausführlich T.D. HILL, Ambitiosa Mors, 64–71. Zur problematischen Lesung imitator vanitatis Stoicae bzw. Socraticae in Lact. inst. 3, 18, 5 vgl. oben S. 98, Anm. 308. Vgl. R. J. GOAR, Cato Uticensis, 81: „The unfairness to both Plato and Cato, and the special pleading in this passage are so obvious as to require very little comment. To suggest that Cato needed further training in iustitia, for which he was famous is grotesque; to assert that Cato committed suicide out of slavish devotion to the decrees of the Stoics, and to make a great name for himself – when he already had a great name – is absurd.“ Lact. inst. 3, 18, 8. 12. Vgl. auch inst. 3, 19, 8, wo er Cato als tugendhaftes Vorbild den Vorzug vor Catilina gibt: Quod igitur erit discrimen virtutis ac sceleris, si nihil interest utrumne Aristides sit aliquis an Phalaris, utrum Cato an Catilina? Aug. civ. 1, 23: De cuius facto quid potissimum dicam, nisi quod amici eius etiam docti quidam viri, qui hoc fieri prudentius dissuadebant, inbecillioris quam fortioris animi facinus esse censuerunt, quo demonstraretur non honestas turpia praecavens, sed infirmitas adversa non sustinens? Als Unterstreichung dieses Arguments zieht Augustinus (ebd.) auch Torquatus als exemplum heran, der sogar Anerkennung dafür erhalten habe, daß er seinen Sohn mit dem
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Daß die Flucht vor Caesar in den Tod nicht der wahre Grund für die Tat sein könne, begründet Augustinus damit, daß Cato selbst seinem Sohn vom Suizid abgeraten habe. (...) Auf keinen Fall konnte Cato es für schmachvoll halten, unter dem siegreichen Caesar zu leben, sonst hätte er mit seinem eigenen, des Vaters Schwert, den Sohn vor der Schmach gerettet. Es kann sich also um nichts anderes handeln, als daß er ebensosehr, wie er seinen Sohn liebte, welchen Caesar – so hoffte und wünschte er – verschonen sollte, dem Caesar, der sich bereit erklärt haben soll, ihn zu verschonen, diesen Ruhm mißgönnte, oder daß er, um mich milder auszudrücken, sich dessen schämte.328
Man könne, so argumentiert der Kirchenvater gegen die philosophische Haltung zum Suizid, Selbstmörder vielleicht wegen Seelengröße (animi magnitudine) bewundern, nicht aber wegen einsichtiger Vernunft (sapientiae sanitate) loben. Bei sorgfältiger Untersuchung könne man aber auch nicht von Seelengröße reden, wenn jemand Suizid begehe, um einem harten Geschick oder fremden Unrecht zu entgehen, denn dies zeuge eher von einem schwachen Geist.329 So verwirft Augustinus die vernunftgemäßen Gründe der Stoa, die den selbst gewählten Tod legitimierten. An späterer Stelle betont er dies mit dem gleichen Argument nochmals ausdrücklich: So groß ist in diesen Menschen, die sich einreden, sie besäßen schon jetzt das höchste Gut und erreichten aus eigener Kraft die Glückseligkeit, der törichte Hochmut, daß ihr Weiser, das heißt der von ihnen in seltsamer Verblendung sogenannte Weise, auch wenn er blind, taub und stumm wird, auch wenn er an den Gliedern gelähmt, von Schmerzen gepeinigt und von allen irgend aussprech- und ausdenkbaren Übeln überfallen wird, so daß er sich gezwungen sieht, selbst Hand an sich zu legen, sich trotzdem nicht schämt, ein von solchen Übeln überschwemmtes Leben glückselig zu nennen. Wahrlich, ein schönes glückseliges Leben, das, um nur zu Ende zu kommen, den Tod zu Hilfe ruft!330
Tode bestraft habe, weil er gegen seinen Befehl gekämpft hatte. Zum Versuch der Freunde und des Sohnes, Cato vom Suizid abzuhalten, vgl. Plut., Cat. Min. 68. 328 Aug. civ. 1, 23: An turpius erat contra imperium esse victorem, quam contra decus ferre victorem? Nullo modo igitur Cato turpe esse iudicavit sub victore Caesare vivere; alioquin ab hac turpitudine paterno ferro filium liberaret. Quid ergo, nisi quod filium quantum amavit, cui parci a Caesare et speravit et voluit, tantum gloriae ipsius Caesaris, ne ab illo etiam sibi parceretur, ut ipse Caesar dixisse fertur, inuidit, ut aliquid nos mitius dicamus, erubuit? 329 Aug. civ. 1, 22: Et quicumque hoc in se ipsis perpetraverunt, animi magnitudine fortasse mirandi, non sapientiae sanitate laudandi sunt. Quamquam si rationem diligentius consulas, ne ipsa quidem animi magnitudo recte nominabitur, ubi quisque non valendo tolerare vel quaeque aspera vel aliena peccata se ipse interemerit. Mit zynischem Unterton gesteht Augustinus anschließend Kleombrotus Seelengröße zu, weil er sich ohne Bedrängung durch ein Unglück in den Tod gestürzt habe (ebd., s.o. S. 57, Anm. 170). 330 Aug. civ. 19, 4: Tantus autem superbiae stupor est in his hominibus hic se habere finem boni et a se ipsis fieri beatos putantibus, ut sapiens eorum, hoc est, qualem mirabili vanitate describunt, etiamsi excaecetur obsurdescat obmutescat, membris debilitetur doloribus crucietur et, si quid aliud talium malorum dici aut cogitari potest, incidat in eum, quo sibi mortem cogatur inferre, hanc in his malis vitam constitutam eum non pudeat beatam vocare. o vitam beatam, quae ut finiatur mortis quaerit auxilium! si beata est, maneatur in ea. Das Beispiel des blinden Weisen hat Augustinus offenbar von Cic. Tusc. 5, 117 übernommen, wie Aug. ep. 155, 1, 3 belegt (o. S. 58, Anm. 173). Augustins Kritik an der stoischen Haltung zum Tod äu-
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Der Suizid Catos zeugt daher nach Augustinus nicht von Seelengröße, er ist nicht Ausdruck seiner Tugend, seiner fortitudo, sondern entblößt seine Schwäche und seine impatientia. Hat, ich bitte euch, jener Cato sich aus Geduld oder Ungeduld selbst umgebracht? Er hätte es gewiß nicht getan, hätte er Caesars Triumph dulden können. Wo ist da die Tapferkeit?331
Verstärkt wird der Vorwurf der impatientia im ersten Buch noch durch den Vergleich mit M. Regulus, denn Cato habe sich, von Caesar besiegt, nicht unterwerfen wollen, sondern den Tod gesucht, während Regulus sich auslieferte, als er bereits den Sieg über die feindlichen Punier davongetragen hatte.332 In anderem Zusammenhang fällt Augustins Bewertung der virtus Catonis positiver aus: Im fünften Buch von De civitate Dei referiert der Kirchenvater Sallusts Lob auf Caesar und Cato in De coniuratione Catilinae. Die Gegenüberstellung Caesars und Catos aufgrund der entsprechenden Passage bei Sallust auswertend, kommt Augustinus zum Schluß, Catos Tugend sei höher zu bewerten als diejenige Caesars:
ßert sich hier besonders deutlich, vgl. ep. 155, 1, 2: [...] unde in errorem absurdissimum lapsi sunt, ut, cum adseverant etiam in Phalaridis tauro beatum esse sapientem, cogantur fateri vitam beatam aliquando esse fugiendam. Exaggeratis enim malis corporis cedunt atque in eorum molestiis gravissimis abscedendum ex hac vita esse decernunt. Ubi nolo dicere, quantum sit nefas se ipsum hominem occidere insontem, cum omnino non debeat vel nocentem, unde in primo libro trium illorum, quos benignissime et studiosissime perlegisti, multa iam diximus. Sed certe consideretur nec superbe sed sobrie iudicetur, quo modo vita beata sit, qua non sapiens retenta fruitur, sed inlatis sibi manibus carere compellitur. 331 Aug. civ. 19, 4: Utrum, obsecro, Cato ille patientia an potius inpatientia se peremit? Non enim hoc fecisset, nisi victoriam Caesaris inpatienter tulisset. Ubi est fortitudo? [...]. Auch Augustinus kann indes nicht umhin, Situationen anzuerkennen, welche die Selbsttötung ehrenwert erscheinen lassen, etwa als Ausweg, um nicht Feinden in die Hände zu geraten. Cato, dem genau diese ehrenvolle Motivation zugeschrieben wurde, führt er dabei nicht an, sondern weist sämtliche exempla, welche die Heiden vorbringen, mit dem Auftreten der christlichen Vorbilder zurück, vgl. Aug. civ. 1, 22: At enim multi se interemerunt, ne in manus hostium pervenirent. Non modo quaerimus utrum sit factum, sed utrum fuerit faciendum. Sana quippe ratio etiam exemplis anteponenda est, cui quidem et exempla concordant, sed illa, quae tanto digniora sunt imitatione, quanto excellentiora pietate. Non fecerunt patriarchae, non prophetae, non apostoli, quia et ipse Dominus Christus, quando eos, si persecutionem paterentur, fugere admonuit de civitate in civitatem, potuit admonere ut sibi manus inferrent, ne in manus persequentium pervenirent. Porro si hoc ille non iussit aut monuit, ut eo modo sui ex hac vita emigrarent, quibus migrantibus mansiones aeternas praeparaturum esse se promisit, quaelibet exempla proponant gentes, quae ignorant Deum, manifestum est hoc non licere colentibus unum verum Deum. 332 Aug. civ. 1, 24: Cato enim numquam Caesarem vicerat, cui victus dedignatus est subici et, ne subiceretur, a se ipso elegit occidi: Regulus autem Poenos iam vicerat imperioque Romano Romanus imperator non ex civibus dolendam, sed ex hostibus laudandam victoriam reportaverat; ab eis tamen postea victus maluit eos ferre serviendo quam eis se auferre moriendo. Zum Vergleich Cato/Regulus bei Augustinus und seiner positiven Beurteilung des M. Regulus o. S. 92f., dazu R. HONSTETTER, Exemplum, 143f.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid Wenn also zu jener Zeit zwei Römer durch Tüchtigkeit hervorragten, Caesar und Cato, scheint doch die Tugend Catos dem, was in Wahrheit Tugend ist, weit näher gekommen zu sein.333
Diese Bewertung des Cato im fünften Buch ist jedoch nicht ohne den argumentativen Zusammenhang zu verstehen. 334 Der Cato-Caesar-Vergleich steht vor dem Hintergrund der Frage, ob die altrömische virtus, die, wie Augustinus schon im ersten Buch anhand der Lucretia ausgeführt hatte,335 zum einzigen Ziel die cupido gloriae habe, auch abgesehen von diesem Zweck positiv beurteilt werden kann. Die Autorität Sallusts dient Augustinus dazu, diese Frage zunächst im innerrömischen Rahmen zu behandeln, und auf dieser Ebene befindet sich auch sein Urteil über die virtus Catos. Während Caesar nach Augustins Urteil scharfe Kritik erhält, weil seine virtus nicht nur das falsche Ziel (die Gier nach Ruhm) verfolgt, sondern er auch die Mittel bedenkenlos wählt,336 ist Cato positiver zu bewerten, weil er einer auf sich selbst bezogenen, menschlichen virtus folgt.337 Der von Sallust entliehene Cato-Caesar-Vergleich dient der Gegenüberstellung zweier nicht christlicher Arten der virtus (die ‚altrömische‘ Caesars und die ‚philosophische‘ Catos) mit dem christlichen Tugendbegriff. Innerhalb des römischen Tugendbegriffs erhält Cato den Vorzug vor Caesar, gegenüber der christlichen Tugend werden aber beide exempla negativ beurteilt, denn die wahre, christliche virtus ist weder auf ein weltliches Gut (Caesar) noch auf die philosophische Selbstgenügsamkeit (Cato), sondern auf Gott als das höchste Ziel gerichtet.338 Auffälligerweise erscheint Cato trotz des eingeschränkten Lobs im Vergleich mit Caesar nicht auf der etwas später im fünften Buch folgenden Liste der exempla virtutis.339 Da keines der hier
333 Aug. civ. 5, 12: Sed cum illa memoria duo Romani essent virtute magni, Caesar et Cato, longe virtus Catonis veritati videtur propinquior fuisse quam Caesaris. Im Anschluß paraphrasiert Augustinus Sallusts Urteil über Cato nach Sall. Catil. 52. 334 Zum Hintergrund der Sallust-Paraphrase und zu ihrer Einbindung in den Argumentationskontext bei Augustin vgl. ausführlich C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 305–317. 335 Dazu unten S. 115. 336 Aug. civ. 5, 12: Ita fiebat in votis virorum virtute magnorum, ut excitaret in bellum miseras gentes et flagello agitaret Bellona sanguineo, ut esset ubi virtus eorum enitesceret. Hoc illa profecto laudis aviditas et gloriae cupido faciebat. Dazu C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 309f. 337 Aug. civ. 5, 12: Melius laudatus est Cato. De illo quippe ait: ‚Quo minus petebat gloriam, eo illum magis sequebatur.‘ Quando quidem gloria est, cuius illi cupiditate flagrabant, iudicium hominum bene de hominibus opinantium; et ideo melior est virtus, quae humano testimonio contenta non est nisi conscientiae suae. Unde dicit apostolus: ‚Nam gloria nostra haec est: testimonium conscientiae nostrae;‘ [...] (s. 2 Kor 1, 12). Vgl. C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 314f. Die Bewertung, zu der Augustinus gelangt, muß nicht mit derjenigen Sallusts übereinstimmen; dazu und zur in der Forschung diskutierten Frage, wem (Caesar oder Cato) Sallust den Vorzug gebe, vgl. ebd., 307. 309. 338 Aug. civ. 5, 12: Neque enim est vera virtus, nisi quae ad eum finem tendit, ubi est bonum hominis, quo melius non est. Vgl. C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 316. 339 Aug. civ. 5, 18, dazu o. S. 92.
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aufgezählten exempla sein Leben durch eigene Hand beendete, drängt sich die Vermutung auf, daß Cato gerade wegen seines Suizids nicht erwähnt wird.340 Auf die Ambivalenz der Persönlichkeit Catos in der christlichen Bewertung ist gelegentlich hingewiesen worden, sie zeigt sich allerdings nicht in der Beurteilung seines Suizids. Cato ist hier als ein typisches „Opfer“ der Instrumentalisierung der exempla historiae zu sehen. Es sind durchaus auch positive Klänge in Hinsicht auf seine Person und Tugend zu hören,341 wann immer er aber in Bezug auf seinen Suizid erwähnt wird, erscheint er stets als negatives exemplum. Der Grund dafür liegt vielleicht in der Unmöglichkeit, ihn als Märtyrer anzuerkennen. Seine imitatio Socratis und die auch später immer wieder rezipierte Gleichstellung mit Sokrates als dem philosophischen Märtyrer par excellence mögen eine positivere Bewertung verhindert haben. Ein politisches wie auch ein philosophisches Motiv konnte den Christen nicht als legitim für den Märtyrertod gelten: Tales stulta philosophia martyres habeat: Zenonem, Cleombrotum vel Catonem.342 1.3 Pudicitia: Lucretia und die Tugend der Keuschheit Eine andere Thematik offenbart die Instrumentalisierung des exemplum Catos noch stärker: In Hinsicht auf die Marcia-Hortensius-Geschichte erfährt er von den christlichen Autoren stets einen Tadel, weil er entgegen der christlichen Enthaltsamkeit seine Frau mit Hortensius geteilt habe.343 Dieselbe Thematik bringt aber auch Lob gegenüber den exempla hervor, die ihre Keuschheit verteidigten, indem sie sich selbst töteten. Markanterweise ist gerade diejenige Figur, die als Verkörperung der weiblichen Tugend und Keuschheit schlechthin galt, eine Selbstmörderin: Lucretia, die sich nach ihrer Vergewaltigung durch Sextus Tarquinius, den Sohn des letzten römischen Königs Tarquinius Superbus, mit dem Schwert das Leben genommen hatte, steht mit ihrer Tat am Beginn der römischen Republik, so wie Catos Suizid das Ende derselben markiert. Am Morgen nach der Schändung habe, wie von Livius beschrieben, Lucretia ihre Familie und Freunde zu sich gerufen, die Ereignisse der Nacht erklärt und die Bestrafung des Ehebrechers gefordert.344 Obwohl sie 340 Ähnliches vermutet auch R.J. GOAR, Cato Uticensis, 97: „Perhaps Augustine feels that he has said enough about Cato for the time being – but one suspects that it is because of the suicide that he is absent from this list. This is only conjecture, of course; but the absence of Cato’s name is surprising after all that has been said about his virtus.“ 341 Etwa Tert. apol. 11, 14–16 (o. S. 99, Anm. 317); Lact. inst. 3, 18, 8 (Romanae sapientiae princeps), ferner Hier. adv. Rufin. 1, 12; adv. Pelag. 1, 28 sowie die gerade besprochene Stelle Aug. civ. 5, 12. 342 Hier. epist. 39, 3, 5, vgl. o. S. 97 u. Anm. 307. 343 Tert. apol. 39, 12f. (o. S. 99, Anm. 316); vgl. Hier. adv. Iovin. 1, 46: Marciam Cato non virginem; sed Marcia inter Hortensium Catonemque discurrit, et sine Catone vivere Marcia potuit; ferner Aug. c. Iul. 5, 12, 46; f. et op. 1, 207; b. coniug. 1, 18. 344 Liv. 1, 57–60 liefert die ausführlichste Beschreibung des Ereignisses; seine Schilderung bildete wohl die Grundlage für die Entstehung des Mythos und für sein Überdauern in den folgenden Jahrhunderten. Die Legende um Lucretia, die auf einem historischen Kern beruhen
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
selbst die Reinheit ihres Geistes beteuert und auch ihre Familie sie von jeder Schuld freispricht (unde consilium afuerit, culpam abesse), beendet sie ihr Leben mit dem Schwert nach den Worten: Ich kann mich zwar von der Sünde freisprechen, der Strafe aber will ich mich nicht entziehen; und es soll künftig keine unkeusche Frau unter Berufung auf das Exempel Lucretia weiterleben.345
Der Mythos erlebte über die Spätantike und das Mittelalter hinaus bis heute eine lange Rezeption, meist in der Darstellung der Lucretia als Verkörperung der Keuschheit und römischen Tugendhaftigkeit. 346 Alle römischen Autoren feiern Lucretia als den Inbegriff der römischen Tugend.347 Valerius Maximus nennt sie an erster Stelle der römischen Keuschheit und lobt ihre männlich starke Gesinnung, die nur durch einen Irrtum des Schicksals einen weiblichen Körper erhalten habe. Durch ihren so mutigen Tod habe sie dem römischen Volk den Grund geliefert, die Königsherrschaft mit der Regierung der Konsuln zu vertauschen.348 Auch
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könnte, fand freilich schon früher Erwähnung; vgl. dazu u.a. F. PRESCENDI, in: T. SPÄTH – B. WAGNER-HASEL (Hgg.), Frauenwelten, 217; D. TROUT, JECS 2, 1994, 55f., Anm. 10 mit weiterer Literatur. Liv. 1, 58, 6–12: Sp. Lucretius cum P. Valerio Volesi filio, Collatinus cum L. Iunio Bruto venit, cum quo forte Romam rediens ab nuntio uxoris erat conventus. Lucretiam sedentem maestam in cubiculo inveniunt. Adventu suorum lacrimae obortae quaerentique viro ‚Satin salue?‘ ‚Minime‘ inquit; ‚quid enim salui est mulieri amissa pudicitia? vestigia viri alieni, Conlatine, in lecto sunt tuo; ceterum corpus est tantum violatum, animus insons; mors testis erit. Sed date dexteras fidemque haud impune adultero fore. Sex. est Tarquinius, qui hostis pro hospite priore nocte vi armatus mihi sibique, si vos viri estis, pestiferum hinc abstulit gaudium.‘ Dant ordine omnes fidem; consolantur aegram animi avertendo noxam ab coacta in auctorem delicti: mentem peccare, non corpus, et unde consilium afuerit, culpam abesse. ‚Vos‘ inquit ‚videritis, quid illi debeatur: ego me etsi peccato absolvo, supplicio non libero; nec ulla deinde inpudica Lucretiae exemplo vivet.‘ Cultrum, quem sub veste abditum habebat, eum in corde defigit, prolapsaque in vulnus moribunda cecidit. Conclamat vir paterque. Zu Darstellung und Interpretation der Lucretia bei Livius und ihrer Einordnung in die Wertediskussion der augusteischen Zeit vgl. D. TROUT, JECS 2, 1994, 56–61; J. FOLLAK, Lucretia, 30–33; H. GELDNER, Lucretia und Verginia, 36. 38–59 sowie zu Lucretia bei Livius und Ovid F. CORSARO, in: E. LEFÈVRE – E. OLSHAUSEN (Hgg.), Livius, 107–123; F. PRESCENDI, in: T. SPÄTH – B. WAGNER-HASEL (Hgg.), Frauenwelten, 217–227. Zur Rezeption des Lucretiamythos vgl. H. GALINSKY, Der Lucretia-Stoff; I. DONALDSON, Lucretia; J. FOLLAK, Lucretia; H. GELDNER, Lucretia und Verginia; M.M. MATTHES, The Rape of Lucretia; R. KLESCZEWSKI, in: E. LEFÈVRE – E. OLSHAUSEN (Hgg.), Livius, 313–335; S. JED, Chaste Thinking; C.J. SAUNDERS, in: S. DEACY – K.F. PIERCE (eds.), Rape in Antiquity, 243–266. Vgl. auch die Untersuchung der Lucretia-Abbildungen auf etruskischen Urnen von J.P. SMALL, AJA 80, 1976, 349–360. Vgl. u. a. Cic. rep. 2, 46; Ov. met. 13, 479f.; Ov. fast. 2, 685–865 (zur Darstellung der Lucretia bei Ovid vgl. A.G. LEE, G&R 22, 1953, 107–118); Sen. cons. Marc. 16, 1–2; Flor. epit. 1, 7, 10f.; 1, 9, 1. 3; 1, 10, 8; Plut., Publ. 1, 3; D.C. 11, 13–19. Val. Max. 6, 1, 1: Dux Romanae pudicitiae Lucretia, cuius virilis animus maligno errore fortunae muliebre corpus sortitus est, a Sex. Tarquinio regis Superbi filio per vim stuprum pati coacta, cum gravissimis verbis iniuriam suam in concilio necessariorum deplorasset, ferro se, quod veste tectum adtulerat, interemit, causamque tam animoso interitu imperium consulare pro regio permutandi populo Romano praebuit. Die Männlichkeit in ihrem Tod wird v.a.
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die spätantike Rezeption lebt vom Exempelcharakter der Lucretia. Ihre Tat findet Lob und Anerkennung in allen Literaturgattungen sowohl durch heidnische Autoren als auch in der christlichen Darstellung. Claudianus besingt Serena, die Nichte Theodosius’ I. und Ehefrau Stilichos, für ihre Nachahmung Lucretias.349 Paulinus von Nola vergleicht in einem Brief an Ausonius in Versform seine Ehefrau mit der Römerin.350 Die meisten Historiographen drücken sich anerkennend und lobend aus.351 Besonders eindrücklich für den Exempelcharakter der Lucretia ist auch die Verwendung des Stoffes in der Rhetorik, die sich zwar teilweise auf frühere Tradition zurückführen läßt,352 aber vollends erst in der Spätantike durch Emporius ausgeführt wurde. Die relativ unbekannte oder zumindest selten in der Forschung berücksichtigte Behandlung des Lucretia-Stoffes bei Emporius ist gerade in Hinsicht auf die spätantike Bewertung von Suizid interessant.353 Im Praeceptum demonstrativae materiae führt Emporius Lucretia unter den Frauen auf, deren Taten als besonders ehrenvoll gelten, weil man diese eigentlich von Männern erwartet hätte.354 Der folgende Abschnitt, De deliberativa materia bearbeitet die Elemente des Lucretia-Stoffes, indem Emporius anhand dieses Beispiels die Argumentation einer beratenden Rede erläutert und in einzelnen Schritten Anklagen (intentiones)
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durch die Wahl des Selbstmordinstruments deutlich, sie wählt nicht die „weibliche“ Schlinge zum Erhängen, sondern das „männliche“ Schwert, vgl. A. VAN HOOFF, Autothanasia, 47–54. 64–72; DERS., Laverna 3, 1992, 142–172 (zu den für Frauen typischen Todesweisen bes. 148– 155); N. LORAUX, Tragische Weisen, 26–51. Claud. carm. 30 (laus Serenae), 153–158: Et gravis incumbens casto Lucretia ferro, / vulnere quae proprio facinus testata tyranni / armavit patriae iustos in bella dolores: / exule Tarquinio memorandaque concidit uno / ulta pudicitiam libertatemque cruore. Vgl. auch Claud. in Eutrop. 1, 446. Dazu R. HONSTETTER, Exemplum, 110–112; J. FOLLAK, Lucretia, 40–44. Auch zwei anonyme Epigramme loben Lucretia, vgl. PLM IV 545; PLM IV 549 (= Anth. lat., rec. A. RIESE, 787). Paul. Nol. carm. 10, 189: Ne me igitur, venerande parens, his ut male versum increpites studiis neque me vel coniuge carpas vel mentis vitio; non anxia Bellerophontis mens est nec Tanaquil mihi, sed Lucretia coniunx. Oros. hist. 2, 4; Eutr. 1, 8, 1f.; 1, 9, 2; 1, 10, 1f.; Ps. Aur. Vict. vir. ill. 9, 11; Hier. chron., p. 104a; Ioh. Mal. chron. 180, 23 (ed. I. THURN). Vgl. Sen. rhet. contr. 1, 5, 3; contr. exc. 6, 8; Quint. inst. 5, 11, 10; Ps. Quint. decl. 3, 11 (s.u. S. 112, Anm. 373). Zur Verwendung des Lucretia-Stoffes in der Rhetorik vgl. H. GELDNER, Lucretia und Verginia, 147–153. Zu Emporius’ Deutung der Lucretia vgl. J. FOLLAK, Lucretia, 44–48; H. GELDNER, Lucretia und Verginia, 150–153. Leider ist über seine Lebenszeit nichts Genaues bekannt. In der sehr spärlichen und ausschließlich älteren Forschungsliteratur zu Emporius wurden zur Datierung, wenn überhaupt, nur vage Aussagen (5. bis 6. Jh.: H.G. BRZOSKA, s.v. Emporius, RE V, 2535f.) formuliert (keinerlei Angaben machen M. SCHANZ – K. HOSIUS, HAW 8, 4, 2, 266f. und T. STANGL, Philologus 54 N.F. 8, 1895, 353). Empor. (ed. C. HALM), p. 570, 17–22: Itaque sicut in Hercule, in Catone potest pueritia laudari, in qua virtutum suarum rudimenta conlocarunt, sicut in Nestore, in Priamo senectus, quos a bello nec anni ultimi semoverunt, sicut in Penthesilea, in Didone, in Camilla, in Cloelia, in Lucretia valet locus sexus, quod illius infirmitatem factis fortioribus supergressae sint: ita in ceteris personis, quae sunt dissimiles, non valebunt.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
und Zurückweisungen der Schuld (depulsiones) gegenüberstellt. 355 Zunächst rät Emporius, alles Individuelle und Persönliche bezüglich des Falles beiseite zu lassen, und argumentiert auf einer allgemeinen Ebene. Als Allgemeines der Selbsttötung nennt er den äußerst gräßlichen und schwierigen Plan und blinden Entschluß von Zorn, für den er Medea und Ajax als parallele Beispiele anführt.356 Diese Erörterung führt Emporius zur allgemeinen Frage, ob eine vornehme und keusche Frau wegen der ihr zugefügten Schmach und Ungerechtigkeit, wenn sie sich gegen den Urheber ihres Schmerzes wegen dessen Macht nicht anders rächen kann, sehr wohl etwas für die Befriedigung ihres Schmerzes wagen soll.357
Vom Allgemeinen wieder zum Eigentlichen zurückkehrend, fragt er weiter, ob die Verletzung der Keuschheit erträglich ist, wenn zur Keuschheit ein gutes Gewissen genügt, und nicht der Lust zugeschrieben werden kann, was einer (Frau) gegen ihren Willen geschehen ist.358
Interessant ist, daß Emporius einen ganz ähnlichen Ansatz zur Bewertung ihres Suizids liefert, wie ihn Augustinus in seiner noch zu untersuchenden Behandlung der Lucretia im ersten Buch von De civitate Dei vornimmt; indem Emporius anschließend den Blick auf die Person und das Innere Lucretias wendet, fragt er: Muß eine römische Frau, Lucretia, die Tochter des Tricipitinus, die sogar in ihrer weiblichen Gestalt einen männlichen Geist trägt und alle Frauen sowohl durch ihre Keuschheit als auch durch die völlige Reinheit ihres Charakters übertroffen hat, die ihr vom Königssohn zugefügte Gewalt nicht ertragen? Oder andersherum: Entspricht gerade dies ihrer Standhaftigkeit und der Größe ihres Geistes, mit gleichmütigem Sinn das Unrecht einer von außen zugefügten Gewalttat zu ertragen, besonders da sie erklärt, daß nichts freiwillig, sondern alles unter Zwang geschehen sei durch die Zügellosigkeit jenes Mannes, der ihre Keuschheit entehrte.359
So führe dies den Redner zur eigentlichen Frage, ob es keinen anderen Ausweg oder Trost als den Suizid für eine so große Schmach, die einer Frau angetan worden ist, gebe.
355 Empor., p. 572, 26–574, 30. 356 Empor., p. 573, 2–5: Sed et mortis voluntariae generale est atrox et difficile consilium et sine ulla exceptione praeceps impetus indignationis; sub hoc enim animi motu et Medea de parricidio cogitat et Aiax de caede Agamemnonis atque Ulixis. 357 Empor., p. 573, 6–12: [...] ‚An ob inlatam sibi contumeliam atque iniuriam femina nobilis et pudica, cum se in auctorem doloris sui ob ipsius potentiam aliter non possit ulcisci, nihil non debeat pro satisfactione sui doloris audere‘: vel e diverso: ‚an ulla tanta sit iniuria vel contumelia, ut sapienti feminae sine respectu sui deliberandum sit‘. 358 Empor., p. 573, 21f.: [...] ‚An tolerabilis sit iniuria pudicitiae, cum sufficiat castitati bona conscientia, nec libidini possit adscribi, quod acciderit invitae‘. 359 Empor., p. 573, 24–30: [...] ‚An Romana mulier et Lucretia, Tricipitini filia, quae virilem animum etiam in muliebri figura gerat quaeque omnes feminas et castitate et omni morum sanctitate superaverit, vim sibi a filio regis inlatam ferre non debeat‘: vel e diverso: ‚an id ipsum congruat constantiae eius atque animi magnitudini, aequiore animo pati iniuriam sceleris alieni, praesertim cum nihil voluntate, sed omnia accidisse necessitate declaret illius impotentia, qui temeraverit castitatem‘. Vgl. Aug. civ. 1, 18, dazu u. S. 114f.
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An dieser Stelle muß man wieder allgemein davon sprechen, daß der Tod entweder überhaupt eigentlich etwas Gutes ist oder zumindest mit Sicherheit kein Übel ist, daß das Leben nicht geführt werden kann, wenn die eigene Ehrbarkeit nicht gesichert ist, daß insbesondere viele tapfere und vornehme Frauen dieses Leben für ihren Ruhm preisgegeben haben, um durch das Sterben Unrecht und Schande zu vermeiden, und daß man nicht befürchten muß, daß eine Frau mit so großem Mut nur aus Eitelkeit Selbstmord begeht.360
Es kann durchaus sein, daß Augustinus für seine eigene Argumentation auf diese rhetorische Darlegung der Argumente zum Suizid Lucretias zugegriffen hat, allerdings ist es, da wir die genaue Abfassungszeit von Emporius’ Rhetorik nicht kennen, ebenfalls möglich, daß Emporius sich bei Augustinus bedient hat (was vielleicht auch erklären könnte, warum er gerade Lucretia ausführlicher behandelt als andere exempla). Es gibt allerdings in den erhaltenen Passagen keinen Hinweis darauf, daß Emporius Christ war, zumindest sind alle von ihm angeführten exempla heidnischer Natur, was freilich auch der rhetorischen Tradition geschuldet sein kann. Es ist wohl vor allem Lucretias Funktion als exemplum im Kontext der Enthaltsamkeit und der Ehe, die für ihre breite Rezeption unter den christlichen Autoren verantwortlich ist. Konkrete Kritik am Suizid der Römerin wurde dabei vor Augustinus nirgends geübt. In Ad martyras hatte Tertullian Lucretia, die sich durch ihren Suizid die gloria castitatis bewahrt habe, bereits an den Anfang seines Exemplakatalogs gestellt.361 In De monogamia erhebt er Lucretia neben Dido gar zur Richterin über die Christen: Ihr (Dido) wird eine römische Matrone beisitzen, die zwar nur durch nächtliche Gewalttat, aber immerhin mit einem anderen Mann in Berührung gekommen war, diesen Makel ihres Leibes mit ihrem Blute abwusch, um so die monogamia für sich in Anspruch zu nehmen.362
Ähnlich wie in Tertullians Exemplakatalogen zum Martyrium wird der Suizid hier in keiner Weise als schimpflich angesehen, im Gegenteil: Lucretia erscheint gera-
360 Empor., p. 573, 35 – 574, 5: Quo loco est rursum generaliter dicendum, mortem aut omnino bonum esse aut certe malum non esse, et vitam non nisi salva honestate esse ducendam, et specialiter multas hoc fortes et nobiles feminas dedisse gloriae suae, ut iniuriam aut infamiam moriendo vitarent, et verendum non esse, ne tanti mulier animi temptata morte deficiat; [...]. 361 Tert. mart. 4, 4: De feminis ad manum est Lucretia, quae vim stupri passa cultrum sibi adegit in conspectu propinquorum, ut gloriam castitati suae pareret. H. GELDNER, Lucretia und Verginia, 154f. meint, Tertullian lege hier den Grundstein für die christliche Kritik an Lucretias Tod, indem er ihr zusammen mit den anderen exempla einen geringfügigen Anlaß (terrena gloria) für ihren Suizid unterstellt. Die Kritik richtet sich aber bei Tertullian, wie oben aufgezeigt, nicht gegen den Suizid als unchristliche Handlung, sondern allein gegen das Motiv der Erlangung irdischen Ruhmes (s.o. S. 89). 362 Tert. monog. 17, 2: Exsurget regina Carthaginis et decernet in Christianas, quae profuga et in alieno solo et tantae civitatis cum maxime formatrix, cum regis nuptias ultro optasse debuisset, ne tamen secundas eas experiretur, maluit e contrario uri quam nubere. Assidebit et illi matrona Romana, quae etsi per vim nocturnam nihilominus experta alium virum maculam carnis suo sanguine abluit, ut monogamiam in semetipsam vindicaret. Zu Tertullians Darstellung der Dido, die wohl Iustin folgt, o. S. 86, Anm. 271.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
de durch diese Tat als besonderes Vorbild, weil sie dadurch den Makel der Unreinheit beseitigt habe. Auch in seinem Werk De exhortatione castitatis werden Dido und Lucretia als exempla saecularia363 für die Keuschheit angeführt; über Lucretia schreibt er: (...) oder jene Lucretia, die, obwohl sie gewaltsam und gegen ihren Willen einen anderen Mann hatte erdulden müssen, dennoch mit ihrem eigenen Blut ihren befleckten Leib gereinigt hat, um nicht weiterleben zu müssen in dem Bewußtsein, einem anderen Manne angehört zu haben.364
Die Reinigung des befleckten Leibes als Motiv für Lucretias Suizid wird an dieser Stelle mehr als deutlich. Gegenüber der Betonung der Todesarten im Kontext des Martyriums ist es im Kontext der pudicitia das Motiv, das hervorgekehrt wird, um in Tertullians Argumentation die Tugend der heidnischen Vorbilder als echtes Argument auch für Christen gelten zu lassen. Allerdings wird hier gerade das Motiv der Reinigung als lobenswert betont, nicht die Tat selbst, die er sogar distanziert betrachtet. Diese Distanzierung wird durch den Vergleich mit den Christen noch gesteigert: Noch mehr Beispiele könntest du bei aufmerksameren Vorgehen auch aus der Zahl der Unsrigen ausfindig machen, die bedeutender sind als die anderen, da es größer ist, in Keuschheit zu leben als für sie zu sterben. Leichter könntest du dein Leben preisgeben, weil du dieses Gut verloren hast, als daß du durch Weiterleben das bewahrst, für dessen Erhaltung du eher dein Leben hingeben möchtest.365
Der Ruhm, den die exempla durch ihren Suizid erlangten, wird von Tertullian dem Ruhm, den die keuschen Christen im Leben erreichen könnten, untergeordnet. Indem er den Christen den höheren Ruhm durch ihre Keuschheit im Leben zuschreibt, verschweigt oder übersieht Tertullian allerdings, daß auch Lucretia ja bis zu ihrer gewaltsamen Schändung in Keuschheit gelebt hatte. Fast zweihundert Jahre später beschäftigt sich Hieronymus in mehreren Briefen und Schriften ausführlich mit derselben Thematik. Teilweise in direkter Anlehnung an Tertullian ruft auch er die heidnischen Frauen zu Zeuginnen und Mahnerinnen für enthaltsames Leben auf. In einem Brief aus dem Jahre 409 n. Chr. ermahnt er die junge gallische Witwe Geruchia, sich nicht ein weiteres Mal zu vermählen: 363 Vgl. Tert. castit. 13, 1: Ad hanc meam cohortationem, frater dilectissime, accedunt etiam saecularia exempla, quae saepe nobis etiam in testimonium posita sunt, cum quid bonum et deo placitum ab extraneis quoque agnoscitur et testimonio honoratur. 364 Tert. castit. 13, 3: Erunt nobis in testimonium et feminae quaedam saeculares ob univiratus obstinationem famam consecutae: aliqua Dido, quae profuga in alieno solo, ubi nuptias regis ultro optasse debuerat, ne tamen secundas experiretur, maluit e contrario uri quam nubere, vel illa Lucretia, quae etsi semel per vim et invita alium virum passa est, sanguine suo maculatam carnem abluit, ne viveret iam non sibi univira. Übers. (hier wie im folgenden) H.-V. FRIEDRICH, in: Tertullian, De exhortatione. Mit ähnlicher Formulierung auch Tert. monog. 17, 2 (o. S. 109, Anm. 362). 365 Tert. castit. 13, 3: Plura exempla, curiose, si vis, de nostris invenias, et quidem alteris tanto potiora, quam maius est vivere in castitate quam pro ea mori. Facilius animam ponas, quia bonum amiseris, quam vivendo serves id, quod emori malis.
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Was freilich sogar die Heidenwelt beachtet, führt zu unserer Verurteilung, wenn die Wahrheit Christus das nicht gewährt, was die Lüge dem Teufel erweist, der eine verdorbene Keuschheit ersonnen hat.366
Die Beispiele, die Hieronymus im Anschluß anführt, sind die gleichen wie bei Tertullian: Priester und Jungfrauen griechischer und römischer Götter, Dido, die Gattin Hasdrubals und Lucretia.367 Schließlich fügt er seiner Aufzählung noch die Frauen der von Marius in Gallien besiegten Teutonen an. Die Frauen hatten sich mit Stricken erdrosselt, nachdem ihr Wunsch, im Tempel der Ceres und der Venus Dienste verrichten zu dürfen, nicht erhört worden war, und sie fremden Männern als Kriegsbeute überlassen werden sollten. 368 Der Kirchenvater beendet seine Aufzählung mit der rhetorischen Frage: Sollte eine matrona nobilis daher tun, was der Keuschheit der Barbaren nicht einmal die Gefangenschaft anhaben konnte?369
Ähnlich wie Tertullian dienen dem Hieronymus die heidnischen exempla als Ermahnungen. Er grenzt jedoch die christliche Tugend und Wahrheit von der Tu366 Hier. epist. 123, 7, 1: Quod quidem observat et gentilitas in condemnationem nostri, si hoc non exhibeat veritas Christo, quod tribuit mendacium diabolo, qui et castitatem repperit perditricem. Zum Namen der Gallierin Geruchia bzw. Ageruchia vgl. S. REBENICH, Hieronymus, 285, Anm. 530. Zur Intention und Einordnung des Briefes ebd. 285–289; C. KRUMEICH, Hieronymus, 174–176. 367 Hier. epist. 123, 7, 2: Stringam breviter reginam Carthaginis, quae magis ardere voluit quam Iarbae regi nubere, et Hasdrubalis uxorem, quae adprehensis utraque manu liberis in subiectum se praecipitavit incendium, ne pudicitiae damna sentiret, et Lucretiam, quae amissa gloria castitatis noluit pollutae conscientiae supervivere. Vgl. Tert. monog. 17, 2; castit. 13, 1 (o. Anm. 362f.), die Hieronymus vermutlich vielfach benutzte, wofür zahlreiche Anklänge sowohl in diesem Brief als auch in der Streitschrift Adversus Iovinianum sprechen. Das Beispiel der Gattin Hasdrubals erscheint bei Tertullian (mart. 4, 5; nat. 2, 9, 13 s.o. S. 86, Anm. 265 u. S. 87, Anm. 272) allerdings nicht im Zusammenhang der Enthaltsamkeit. Offenbar hat sich Hieronymus zwar der Exempla-Kataloge Tertullians bedient, die einzelnen exempla aber, wie im Fall der Gattin Hasdrubals, zu seinen Zwecken umgedeutet. 368 Hier. epist. 123, 7, 2f.: [...] unum tantum, quod in patria tua gestum est, repetam, ut scias pudicitiam etiam barbaris ac feris et sanguinariis gentibus esse venerabilem. Gens Teutonum ex ultimis oceani atque Germaniae profecta litoribus omnes Gallias inundavit saepiusque caesis Romanis exercitibus apud Aquas Sextias Mario oppugnante superata est. Quorum trecentae matronae, cum aliis se viris captivitatis condicione tradendas esse didicissent, primo consulem deprecatae sunt, ut templo Cereris ac Veneris in servitium traderentur. Quod cum non inpetrarent submovente eas lictore, caesis parvulis liberis mane mortuae sunt repertae suffocatis laqueo faucibus et mutuis conplexibus se tenentes. Vgl. Val. Max. 6, 1, ext. 3: Teutonorum vero coniuges Marium victorem orarunt ut ab eo virginibus Vestalibus dono mitterentur, adfirmantes aeque se atque illas virilis concubitus expertes futuras, eaque re non impetrata laqueis sibi nocte proxima spiritum eripuerunt. Auch Orosius berichtet noch von diesem Ereignis: Oros. hist. 5, 16, 13: Mulieres eorum constantiore animo quam si vicissent consuluere consulem ut si inviolata castitate virginibus sacris ac diis serviendum esset, vitam sibi reservarent. Itaque cum petita non inpetravissent, parvulis suis ad saxa conlisis, cunctae sese ferro ac suspendio peremerunt. Haec de Tigurinis et Ambronibus gesta sunt. Vgl. auch 5, 16, 17f. 369 Hier. epist. 123, 8, 1: Quod igitur barbarae castitati non potuit inferre captivitas, hoc matrona nobilis faciet et experietur alterum virum, quae priorem aut bonum perdidit aut malum experta est, ut rursum contra iudicium dei facere nitatur?
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
gend des falschen Glaubens der Vorfahren deutlicher ab. Sicher rät Hieronymus der matrona nobilis Geruchia nicht dazu, sich in einer ähnlichen Zwangslage selbst zu töten, zumal sie sich nicht in einer solchen Lage befindet, sondern durch ihren eigenen Willen eine Wiederverheiratung verhindern kann. Und doch sind es gerade diese Notsituationen, die Hieronymus seiner Adressatin vor Augen hält und die ihr, wenn nicht aus eigener Erfahrung bekannt, so doch – mit den Germaneneinfällen vor ihrer Haustür – selbst vor Augen gestanden haben könnten und mit denen sich die christliche Tugend der Enthaltsamkeit besonders anschaulich fordern läßt. Es scheint daher auch kein Zufall zu sein, daß der Kirchenvater gerade die unbeugsamen Frauen der Teutonen als Vergleich heranzieht, weil dieses Ereignis, wie er selbst schreibt, in der Heimat der Geruchia stattgefunden habe.370 In seiner Streitschrift Adversus Iovinianum wendet sich Hieronymus gegen Iovinians Auffassung, daß Ehe, Witwenschaft und Jungfräulichkeit gleichwertig und vor Gott gleichermaßen verdienstvoll seien. Um seine Argumente zu festigen, interpretiert er zunächst ausführlich verschiedene neutestamentliche Stellen und bemüht dann wiederum einen ganzen Katalog an heidnischen exempla. Mehrere Kapitel lang zählt er mythische und historische Beispiele von Jungfrauen und verheirateten Frauen wie Männern auf, die sich der Wiederverheiratung verweigerten; nicht alle der erwähnten Figuren beendeten ihr Leben mit eigener Hand, die Fülle an Suiziden fällt jedoch sofort ins Auge. Lucretia hebt Hieronymus besonders hervor, indem er sie nicht nur an die erste Stelle der römischen Frauen stellt, sondern gleich zweifach erwähnt: Ich gehe zu den römischen Frauen über; und als erste sollte ich Lucretia anführen, die, weil sie die geschändete Keuschheit nicht überleben wollte, den Makel ihres Körpers mit ihrem Blut tilgte.371
Auch im Exemplakanon des Valerius Maximus wird Lucretia als dux Romanae pudicitiae betont an erster Stelle genannt. 372 Die Darstellung ihres Suizids als Reinigung des Körpers vom Makel der Schändung kommt aber so weder bei Valerius Maximus noch in der ausführlichen Version bei Livius vor. Einen Anklang dieses Motivs könnte man in der livianischen Unterscheidung von Lucretias corpus violatum und ihrem animus insons erkennen; 373 tatsächlich findet sich das 370 Hier. epist. 123, 7, 3 (s. S. 111, Anm. 368). Zur patria der Geruchia, Aquae Sextiae in der Narbonensis, und die Hinweise des Hieronymus auf Germaneneinfälle in Gallien zu dieser Zeit vgl. S. REBENICH, Hieronymus, 285. 371 Hier. adv. Iovin. 1, 46: Ad Romanas feminas transeam; et primam ponam Lucretiam, quae violatae pudicitiae nolens supervivere, maculam corporis cruore delevit. 372 Val. Max. 6, 1, 1 (o. S. 106, Anm. 348). 373 Vgl. Liv. 1, 58, 7: [...] ceterum corpus est tantum violatum, animus insons; mors testis erit. Auf dieselbe Antithese spielt wohl auch eine Ps.-Quintilianische Deklamation an, die zu Lucretia bemerkt, sie habe durch ihren Tod die verdiente Strafe an sich vollzogen und ihren keuschen Geist (pudicus animus) vom befleckten Körper (a polluto corpore) getrennt; vgl. Ps. Quint. decl. 3, 11: Dicam nunc ego praecipuam semper curam Romanis moribus pudicitiae fuisse? Referam Lucretiam, quae condito in viscera sua ferro poenam a se necessitatis exegit et, ut quam primum pudicus animus a polluto corpore separaretur, se ipsa percussit, quia corruptorem non potuit occidere?
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Motiv der Reinigung aber nur bei Tertullian und in leicht abgeänderter Weise bei Hieronymus, so daß man an dieser Stelle wohl sicher von einer christlichen Interpretation der Lucretia bzw. ihres Suizids sprechen kann.374 Daß auch Hieronymus den Suizid der Lucretia nicht als verwerflich erachtet, wird an einer anderen Stelle desselben Werkes deutlich, wo er ein weiteres Mal auf Lucretia zu sprechen kommt: Es gibt kein größeres Unheil der Gefangenschaft, als zu einer fremden Begierde gezwungen zu werden. Der Konsulat verleiht den Männern Glanz; die Eloquenz bringt ewiges Ansehen; militärischer Ruhm und Triumph machen eine unbedeutende gens unsterblich. Die Tugend der Frauen ist im eigentlichen Sinne die Keuschheit. Diese hat Lucretia dem Brutus gleichgestellt, möglicherweise hat sie ihn sogar übertroffen: weil Brutus von einer Frau die Unmöglichkeit, Sklave zu sein, gelernt hat. Dies stellt Cornelia dem Gracchus gleich und Porcia dem anderen Brutus.375
Wie schon Valerius Maximus betont Hieronymus damit, daß Lucretias Keuschheit sie an Tugend einem Mann gleichstellt; ihr Suizid aber läßt sie diesen übertreffen, denn die Selbsttötung als letzter Ausweg zur Reinigung des Körpers steht offenbar höher als die Enthaltsamkeit allein: Lucretia lehrt den Brutus erst, sich und das römische Volk aus der Sklaverei zu befreien: durch was sonst als durch ihren Suizid?376 Das ist nicht nur eine Akzeptanz der Selbsttötung, um dem heidnischen exemplum eine christliche Geltung zu verschaffen, sondern offensichtlich auch eine höhere Bewertung. Natürlich ist auch in diesem Zusammenhang fraglich, ob Hieronymus wirklich zur Selbsttötung bei Gefahr, der Enthaltsamkeit verlustig zu gehen, mahnt, aber doch stellt er Lucretia gerade durch ihren Suizid den Christen als Vorbild vor.377 Die Reinigung, die durch ihren Tod erlangt wird, drängt gar den Vergleich mit Christus selbst auf, der für die Reinigung der Welt sein eigenes Blut vergossen und die Menschen dadurch aus der Sklaverei geführt habe.378 374 Vgl. Tert. castit. 13, 3: [...] vel illa Lucretia, [...] sanguine suo maculatam carnem abluit, [...] und Hier. adv. Iovin. 1, 46: [...] et primam ponam Lucretiam, [...] maculam corporis cruore delevit. Zum Suizid der Lucretia als Reinigung vgl. auch I. DONALDSON, The Rapes of Lucretia, 25: „The ultimate act of physical violence administered by the woman to herself is intended to cancel the earlier act of physical violence, administered to her by another: an act which can apparently be digested or countered in no other way. Like a religious sacrifice, the suicide seems to cleanse the effects of pollution, and to restore lost purity and innocence.“ 375 Hier. adv. Iovin. 1, 49: Captivitatis nulla maior calamitas est, quam ad alienam libidinem trahi. Viros consulatus illustrat; eloquentia in nomen aeternum effert; militaris gloria triumphusque novae gentis consecrat. Multa sunt, quae praeclara ingenia nobilitent. Mulieris virtus proprie pudicitia est. Haec Lucretiam Bruto aequavit, nescias an et praetulerit: quoniam Brutus non posse servire a femina didicit. Haec aequavit Corneliam Graccho: haec Porciam alteri Bruto. Zur Frage, inwiefern Hieronymus aus Senecas verlorener Abhandlung De matrimonio zitiert, vgl. H. HAGENDAHL, Latin Fathers, 150–154; A. FELMY, Die römische Republik, 121, Anm. 122. 376 Unterstrichen wird diese Aussage erst recht durch die beiden folgenden Frauen, Cornelia und Porcia, die ihren Männern gleichgestellt sind, sie aber nicht übertreffen. 377 Vgl. S. REBENICH, RQA 87, 1992, 41f. 378 Vgl. Hier. in Eph. 1, 1, 7 (zu Eph 1, 7): Iesus Christus filius Dei proprium sanguinem dedit, et nos de servitute eripiens libertate donavit. Et revera si historiis gentilium credimus, quod Codrus, et Curtius, et Decii Mures pestilentias urbium, et fames, et bella suis mortibus represse-
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Eine völlig andere Wertung erfährt Lucretia durch Augustinus. Im Rahmen des Suizidexkurses im ersten Buch von De civitate Dei diskutiert er ihren Tod auf die Frage hin, ob es Frauen erlaubt sei, sich bei drohender Schändung das Leben zu nehmen.379 Ähnlich wie bei seiner Beurteilung Catos nimmt Augustinus auch bei Lucretia eine Untersuchung ihrer persönlichen Motive vor, indem er vor allem die Äußerung Lucretias bei Livius aufgreift: „Nur mein Körper ist geschändet, mein Geist ist unschuldig, der Tod wird es beweisen.“380 Diese Innensicht erlaubt Augustinus, in der Schändung und dem Verlust der Keuschheit erst dann eine Sünde zu sehen, wenn das Opfer innerlich in die Tat einwilligte. Die Sünde liege daher nicht im Verlust der Keuschheit, denn die Geschändeten willigten ja nicht in die Tat ein, sondern allein in der Selbsttötung.381 Lucretia hätte sich demnach, so die Meinung des Kirchenvaters, nicht töten müssen, weil sie sich gar nicht des Ehebruchs schuldig gemacht habe, da sie in die Schändung nicht eingewilligt hatte: „War sie Ehebrecherin, warum rühmt man sie, war sie aber keusch, warum tötete sie sich?“382 Als eigentliche Schuld der Lucretia sieht er statt dessen einzig ihren Suizid an, der (wie bei Cato) auch bei ihr kein Zeichen ihrer fortitudo, sondern ihrer Schwäche sei: Wenn sie sich also, obwohl selbst keine Ehebrecherin, das Leben nahm, weil sie sich des Ehebrechers nicht erwehren konnte, so tat sie es nicht aus Liebe zur Keuschheit, sondern aus schwächlichem Schamgefühl. Denn sie schämte sich der fremden Schandtat, die gegen ihren
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rint, quanto magis hoc in Dei filio possibile iudicandum est, quod cruore suo, non urbem unam, sed totum purgarit orbem! Zur Thematik der Keuschheit, Ehe und Sexualität bei Augustinus vgl. ausführlich E.A. CLARK, St. Augustine on Marriage; E. SCHMITT, Le mariage chrétien; P. BROWN, Die Keuschheit, 395–437. Zur Einordnung dieser Thematik in den Zusammenhang des ersten Buches von De civitate Dei vgl. D. TROUT, JECS 2, 1994, 66f. Liv. 1, 58, 7: [...] ceterum corpus est tantum violatum, animus insons; mors testis erit. Vgl. das ähnliche Urteil ihrer Familie (ebd. 1, 58, 9): consolantur aegram animi avertendo noxam ab coacta in auctorem delicti: mentem peccare, non corpus, et unde consilium afuerit, culpam abesse. Zu Livius als vornehmliche Quelle von Augustins Lucretia-Darstellung vgl. S. ANGUS, The Sources, 28; H. HAGENDAHL, Augustine and the Latin Classics 1, 195–206. 2, 650–666; D. TROUT, JECS 2, 1994, 55f. Aug. civ. 1, 18: Quam ob rem non habet quod in se morte spontanea puniat femina sine ulla sua consensione violenter oppressa et alieno conpressa peccato; quanto minus antequam hoc fiat! Ne admittantur homicidium certum, cum ipsum flagitium, quamvis alienum, adhuc pendet incertum. Zur Innensicht bei Augustinus vgl. S. 58 m. Anm. 173 u. S. 134f. Die Unterscheidung der inneren Gesinnung und der körperlichen Gewalt wird auch in einem Brief an Honoratus im Zusammenhang der Frage, ob in Verfolgungszeiten die Flucht erlaubt sei, aufgegriffen, vgl. Aug. ep. 228, 7: [...] magis timeamus, ne lapides vivi extinguantur deserentibus nobis, quam ne lapides et ligna terrenorum aedificiorum incendantur praesentibus nobis; magis timeamus, ne membra corporis Christi destituta spiritali victu necentur, quam ne membra corporis nostri oppressa hostili impetu torqueantur, non quia ista non sunt vitanda, cum possunt, sed quia potius ferenda sunt, quando vitari sine impietate non possunt, nisi forte quisquam contenderit non esse ministrum impium, qui tunc subtrahit ministerium pietati necessarium, quando magis est necessarium. Aug. civ. 1, 19: Sed ita haec causa ex utroque latere coartatur, ut, si extenuatur homicidium, adulterium confirmetur; si purgatur adulterium, homicidium cumuletur; nec omnino invenitur exitus, ubi dicitur: ‚Si adulterata, cur laudata; si pudica, cur occisa?‘
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Willen an ihr begangen ward, und fürchtete als allzu ehrgeizige Römerin, wenn sie lebend ertrüge, was ihr lebend widerfuhr, man möchte glauben, sie habe es sich nicht ungern, sondern gern gefallen lassen.383
Mit der Bezeichnung Lucretias als Romana mulier laudis avida nimium erfolgt ihre Einordnung wie zuvor bei Regulus und anschließend bei Cato aufgrund des gleichen Motivs: es ist eigentlich die Gier nach (irdischem) Ruhm, die sie zum Suizid trieb. Und ebenso wie den exempla Regulus und Cato werden auch Lucretia die Christen gegenübergestellt. Die christlichen Frauen hätten nicht so gehandelt, sondern zeichneten sich durch christliche patientia aus: Obwohl sie ähnliches erduldet haben, leben sie weiter und rächen nicht fremde Untat an sich selber, um den Freveln anderer nicht noch eigene hinzuzufügen. Haben die Feinde an ihnen aus Gier Notzucht verübt, scheuen sie sich doch, nun aus Scham Selbstmord zu verüben. Inwendig haben sie den Ruhm der Keuschheit, das Zeugnis reinen Gewissens. (...) Denn sie wollen nicht von der Richtschnur göttlichen Gesetzes abweichen, um in übler Weise dem Anstoß menschlichen Verdachts auszuweichen.384
In seiner Bewertung der Lucretia und ihrer Einordnung in die Thematik des ersten Buches von De civitate Dei ist Augustinus sehr konsequent, in seiner negativen Beurteilung steht er aber in der gesamten Literatur alleine.385 Er ist nicht nur neu in seiner Ablehnung gegenüber der heidnischen Tradition der Lucretia, sondern auch gegenüber der christlichen Wertung ihrer Person in bezug auf Ehe und Keuschheit.386 Abgesehen von einer eher angedeuteten Distanzierung bei Tertullian, wird ihr Suizid sonst als Bewahrung der Keuschheit oder gar als Reinigung vom Makel der Schändung gelobt, anerkannt oder zumindest kritiklos toleriert. Augustins „revolutionärer“ Umgang mit den Suizidexempla ist jedoch auch hier nicht allein einer konsequenteren Anwendung christlicher Werte auf die Suizidfrage zu schulden, sondern zuerst als Reaktion auf die historischen Ereignisse und die daraus folgende zeitgenössische Diskussion zu sehen. Die Frage, ob sich eine Frau zur Bewahrung ihrer Keuschheit das Leben nehmen dürfe, stellte sich nicht nur in Zeiten der Christenverfolgung, sondern lebte gerade wieder nach dem Go383 Aug. civ. 1, 19: Quod ergo se ipsam, quoniam adulterum pertulit, etiam non adultera occidit, non est pudicitiae caritas, sed pudoris infirmitas. Puduit enim eam turpitudinis alienae in se commissae, etiamsi non secum, et Romana mulier, laudis avida nimium, verita est ne putaretur, quod violenter est passa cum viveret, libenter passa si viveret. 384 Aug. civ. 1, 19: Non hoc fecerunt feminae Christianae, quae passae similia vivunt tamen nec in se vltae sunt crimen alienum, ne aliorum sceleribus adderent sua, si, quoniam hostes in eis concupiscendo stupra commiserant, illae in se ipsis homicidia erubescendo committerent. Habent quippe intus gloriam castitatis, testimonium conscientiae; habent autem coram oculis Dei sui nec requirunt amplius, ubi quid recte faciant non habent amplius, ne devient ab auctoritate legis divinae, cum male devitant offensionem suspicionis humanae. 385 Vgl. D. TROUT, JECS 2, 1994, 55: „But Re-textualizing Lucretia was equally an act of radical discourse: by effacing a public symbol still current more than four hundred years after it was canonized in Livy’s mo[n]umental history of Rome, Augustine intended to confront contemporaries with the culturally subversive implications of a Christian understanding which discounted the values that symbol had so long denoted.“ 386 Vgl. D. TROUT, JECS 2, 1994, 67, der auch auf die Darstellung der „underlying assumptions of Lucretia’s story“ in hagiographischen Texten verweist.
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teneinfall 410 n. Chr. auf, der den Anlaß zur Abfassung des ersten Buches von De civitate Dei gab. 387 Auf welch unterschiedliche Weise die christlichen Autoren diese Frage beantworteten, wird im folgenden Kapitel untersucht werden (Kap. III 2.2). Die Folgen der augustinischen Reaktion auf diese zeitgenössische Diskussion für das exemplum Lucretia scheinen zumindest in Hinsicht auf ihren Suizid deutlich. Orosius, der in Historiarum adversum paganos zahlreiche heidnische Suizide beschreibt, verzichtet gerade bei Lucretia auf diesen, erwähnt wohl aber ihre Schändung.388 Der am Ende des 5. Jh. schreibende Dichter Dracontius ist direkter in der Verurteilung des Suizids der Lucretia, er erkennt aber durchaus ihr Motiv, die castitas, als ehrenwert an.389 Die Veränderung in der Haltung gegenüber Lucretia liegt dennoch, wie auch I. DONALDSON zu Recht betont, nicht in erster Linie in der christlichen Einstellung gegenüber dem Suizid (denn diese basiert weitgehend auf klassischen Argumenten), sondern in den Motiven, die sie zu ihrer Tat veranlaßten.390 Das Motiv der Scham, wie es die meisten früheren Quellen darstellen, verwandelt sich in der Spätantike in das Motiv der Schuld. In der christlichen Darstellung ist Lucretia nicht mehr rühmenswert für ihren Stolz gegenüber ihrer Familie, sondern für die Reinigung ihres schuldig gewordenen Körpers. Daß sie durch ihren Suizid selbst Schuld auf sich lädt und dafür in der Folgezeit (wie vor allem Dracontius zeigt) negativ betrachtet wird, ist allein auf die konsequente Weiterführung dieses Arguments durch Augustinus zurückzuführen. Ihren Vorbildcharakter in bezug auf ihre Keuschheit hat Lucretia aber nie verloren. Christliche Darstellungen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit beschreiben sie als christliche Figur, auf mittelalterlichen Malereien ist sie als christliche Märtyrerin dargestellt und noch in neuzeitliche Dramen lebt diese „christianisierte“ Lucretia weiter.391
387 Zum Goteneinfall als Motivation zur Abfassung von De civitate Dei vgl. Aug. retr. 2, 43. Zur Reflexion und Reaktion Augustins vgl. O. ZWIERLEIN, in: DERS., Lucubrationes 2, 437–458. 388 Oros. hist. 2, 4, 12: Tarquinii Superbi regnum occisi soceri scelere adsumptum, habita in cives crudelitate detentum, flagitio adulteratae Lucretiae amissum, [...]. Vgl. dazu kurz D. TROUT, JECS 2, 1994, 70, Anm. 74, der auch die Weglassung Lucretias in Prosper Tiros verkürzter Chronik des Hieronymus auf die Auswirkung der augustinischen Umwertung zurückführt, was, da er Schüler des Augustinus war, als wahrscheinlich gelten kann. 389 Drac. laud. dei 3, 518–523: Quid formosa nurus populo spectante pudica / post maculam thalami Lucretia casta peregit, / quam tulit infelix alieni poena furoris? / Ut rea procubuit nullo surgente reatu, / concidit ense suo mansitque superstes adulter / qui solus feriendus erat mercede pudoris. Vgl. dazu R. SIMONS, Dracontius, 144. 390 Vgl. I. DONALDSON, The Rapes of Lucretia, 33f. 391 Vgl. mit zahlreichen Beispielen I. DONALDSON, The Rapes of Lucretia, 26–28. Zur bildlichen Darstellung in der abendländischen Malerei ferner N. BRYSON, in: S. TOMASELLI – R. PORTER (eds.), Rape, 152–266; zu Albrecht Dürers ‚Lucretia‘ L. HULTS, Signs 16, 1991, 205–237.
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1.4 Zusammenfassung Wie kaum anders zu erwarten, finden sich die von christlichen Autoren aufgegriffenen exempla in christlichem Kontext wieder. Das christliche Martyrium bzw. die Askese, Enthaltsamkeit und Keuschheit sowie die Auseinandersetzung mit der heidnischen Philosophie erforderten und ermöglichten die Diskussion der traditionell tugendhaften exempla maiorum. Die langen Exemplakataloge Tertullians wie auch die über mehrere Kapitel führenden Aufzählungen des Hieronymus scheinen dabei noch ganz der Aussage Ciceros: plena exemplorum est historia zu folgen und damit auch dem traditionellen, antiken Geschichtsverständnis zu entsprechen.392 Obwohl die christliche Vergangenheit mit biblischen Gestalten, Märtyrern und Heiligen sicher ebenso viele Beispiele lieferte,393 griff man daneben auch lehrbuchmäßig auf die heidnische Geschichte zurück, um der Gegenwart ein positives oder negatives Beispiel an die Hand zu geben. Es erscheint damit folgerichtig, daß z.B. in bezug auf das Martyrium gerade diejenigen exempla auftauchen, die bei den Heiden die fortitudo symbolisierten (etwa Porcia oder die Gattin Hasdrubals), im Kontext der Enthaltsamkeit eben jene, die mit pudicitia in Zusammenhang gebracht wurde, nämlich Lucretia. Daß der Großteil der in diesen Kontexten Genannten ihr tugendhaftes Leben mit dem Suizid beendete, konnte, mußte aber nicht immer ein Stein des Anstoßes sein. Tertullian scheint in beiden aufgezeigten Kontexten (Martyrium und weibliche Keuschheit) den Suizid vorwiegend positiv zu konnotieren. Bei Hieronymus begegnen wir einer indifferenten Haltung: Lucretias Selbsttötung wird zwar deutlich positiv dargestellt, gleichzeitig lehnt er aber als Warnung vor übertriebener Askese den Suizid als törichte Philosophie ab. Konkrete Akzeptanz und Zustimmung scheint der Suizid als letzter Ausweg bei ihm allein in bezug auf die Bewahrung der Keuschheit zu finden.394 Laktanz benutzt Philosophensuizide, um die heidnische Philosophie in ein schlechtes Licht zu rücken. Die deutlichste Umwertung der heidnischen Beispiele für Suizid ist zweifellos bei Augustinus festzustellen. Bei ihm wie auch schon bei Laktanz erscheint der Suizid selbst als Argument gegen die heidnische Tradition; die bereits vorhandenen Theorien zum Verbot des Suizids werden konsequent christlich interpretiert, wie auch alle heidnischen Suizidfälle zu negativen exempla transformiert werden. Hinsichtlich der schon in der Einleitung gestellten Frage, ob denn die Ablehnung und konsequente Verurteilung des Suizids erst durch die dem Christentum inne liegenden Werte erfolgen konnte und mußte, sollte die Antwort nach der Untersuchung der exempla maiorum im christlichen Kontext m.E. negativ ausfallen. Gleiches wie für die Übertragung der platonischen Gedanken zum Suizid in ein christliches Suizidverbot gilt auch für die Verwendung heidnischer exempla und 392 Cic. div. 1, 50. Vgl. so auch S. REBENICH, RQA 87, 1992, 29. 393 Vgl. etwa Aug. civ. 1, 22 (o. S. 103, Anm. 331); Hier. adv. Iovin. 1, 39f. 394 So auch P. LAURENCE, Orpheus 17, 1996, 68: „L’opinion de Jérôme sur le suicide comporte donc de nombreuses nuances.“ und ebd. „(...) le panégyriste de la virginité trouve en celle-ci le seul motif légitime du suicide.“
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ihre Einbindung in den jeweiligen christlichen Kontext: Die überlieferte Haltung gegenüber der Selbsttötung wird nicht generell abgelehnt und neugestaltet, sondern vielmehr lediglich christlich rezipiert. Diese Rezeption kann in manchen Zusammenhängen durchaus auch zu einem positiven Urteil über den Suizid führen. Es ist daher nicht nur ein einfaches Aufgreifen, das die exempla maiorum in der christlichen Literatur so auffällig macht, sondern gerade auch die Erweiterungen (z.B. Lucretias Tat als Reinigung vom Makel der Schändung), die Umwertungen (wie Cato oder Lucretia bei Augustinus) oder auch die Aussparungen (etwa das Fehlen Catos in Tertullians Exemplakatalogen). So ist es ohne Frage eine Folge christlicher Rezeption, daß einmal Lucretias Suizid als Reinigung des Leibes von der Schändung „christianisiert“ wird und ein anderes Mal Catos Tod nicht mehr als Zeichen seiner magnitudo animi gerühmt, sondern als Ausdruck seiner impatientia verurteilt wird.
2. PERSECUTIONES: MÄRTYRER ODER SELBSTMÖRDER? Wenn im folgenden Kapitel die Darstellung von Suiziden in den christlichen Reihen behandelt wird, taucht immer wieder zuerst die Frage nach der Unterscheidung von Martyrium und Suizid auf. Die Diskussion um die Abgrenzung von Martyrium und Selbsttötung ist auf theoretischer Ebene schon früh unter den Christen geführt worden.395 Sie ist zentral in Hinsicht auf die christliche Bewertung von Suizid. Recht unproblematisch scheint das zuerst zu nennende Unterscheidungskriterium zu sein, daß nämlich das Martyrium eine Verfolgungssituation voraussetzt, d.h., daß der Märtyrertod durch die Verfolger herbeigeführt wird. Abgesehen davon, daß, wie das folgende Kapitel zeigen wird, auch dieses Prinzip Ausnahmen hat, betrifft die Problematik der Unterscheidung von christlichem Martyrium und Suizid aber in erster Linie das Kriterium der Freiwilligkeit: Diese erscheint als unerläßliches Merkmal für die Definition von Suizid,396 sie taucht aber ebenso stets im Zusammenhang mit dem christlichen Martyrium auf. Weil die Übergänge zwischen Martyriumsdrang, Provokation und Selbsttötung oft fließend sind, müssen gerade die Märtyrer innerhalb dieses Grenzbereiches berücksichtigt werden. Sie sollen im Rahmen dieses Kapitels nicht nur interessieren, wenn sie den Quellen zufolge selbst den Tod herbeiführten, sondern auch gerade dann, wenn ihre Erwähnung Einblicke in die Abgrenzung von Martyrium und Suizid liefert. Die Unterscheidungsproblematik wird im folgenden anhand der sogenannten freiwilligen Märtyrer untersucht. Anschließend wird die spätantike Auseinandersetzung mit der Problematik an zwei Beispielen, den heiligen Jungfrauen und den Donatisten, näher beleuchtet. 2.1 Martyres voluntarii: Ein Unterscheidungsproblem Alle Märtyrer während der großen Christenverfolgungen können grundsätzlich als freiwillige angesehen werden, insofern sie die Gefahr für ihr Leben durch die Verweigerung von paganen Kulthandlungen kannten.397 Davon abgesehen, vergißt aber auch keine Märtyrerbeschreibung, auf die Bereitwilligkeit, mit der die 395 Dazu oben S. 45–51. 396 Vgl. o. S. 18f. 397 Vgl. die Nebenbemerkung von A. WYPUSTEK, VChr 51, 1997, 281: „‚voluntary martyrdom‘ is not the best term as almost every Christian martyrdom in the Roman Empire was voluntary“. Zur Thematik der ‚freiwilligen Märtyrer‘ vgl. ferner R. LANE FOX, Pagans and Christians, 442–444; G.E.M. DE STE CROIX, P&P 26, 1963, 6–38, bes. 21–24 (s. jetzt auch in: DERS., Christian Persecution, 105–152); W. TABBERNEE, Colloquium 17, 1985, 33–44; A.R. BIRLEY, in: R. V. HAEHLING (Hg.), Rom und das himmlische Jerusalem, 97–123; G.W. BOWERSOCK, Martyrdom, 99–74 mit weiteren Beispielen. Zur Problematik der Abgrenzung von Suizid und Martyrium ferner V. LENZEN, Selbsttötung, bes. 124–137.
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Nachfolger Christi ihren Tod angenommen haben, explizit hinzuweisen. Der Gedanke der Freiwilligkeit nach dem Vorbild der Passion Jesu Christi findet sich sehr häufig in den Passiones und Acta martyrum, wenn er auch meist erst auftritt, wenn die Ereignisse bereits im Gange sind und der Tod unausweichlich erscheint. Dennoch gibt es neben den Protagonisten, die dem Tod willig entgegengingen oder denselben der Verleugnung Gottes vorzogen, auch solche, die sich selbst auslieferten oder ihre Verhaftung provozierten. Im Jahr 304 bspw. rief den Acta Eupli zufolge in Catania ein Mann namens Euplus vor der Amtsstube des Statthalters: „Ich will sterben, denn ich bin ein Christ“.398 Schließlich werden auch solche Fälle, in denen sich Märtyrer den Tod mit eigener Hand beibrachten, in den Märtyrerakten überliefert. Ein bekanntes Beispiel findet sich in der Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis: Perpetua habe, so heißt es dort, schon vom Schwert getroffen, laut aufgeheult, dann aber die zitternde Rechte des ungeschulten Gladiators selbst an ihre eigene Kehle geführt.399 Vielleicht, so lautet der Text 398 Act. Eupl. 1: Τοῖς κυρίοις ἡμῶν Διοκλιτιανῷ τὸ ἔννατον καὶ Μαξιμιανῷ τὸ ὀγδóον ὑπάτοις, τῇ πρὸ τριῶν καλανδῶν Μαΐων ἐν τῇ ἐπιφανεστάτῃ Κατάνῃ ἐν σικριταρίῳ πρὸ βήλου, ὡς ἔκραξεν Εὖπλος αὐτοῖς εἶπεν· ᾿Αποθανεῖν θέλω, Χριστιανὸς γάρ εἰμι. Die recensio latina identifiziert Euplus als diaconus und gibt als Datum des Ereignisses den 12. August statt 29. April an: Diocletiano novies et Maximiano octies consulibus pridie idus augusti in Catanensium civitate, cum esset extra velum secretarii, Euplius diaconus proclamavit, dicens: Christianus sum, et pro Christi nomine mori desidero. Zu den unterschiedlichen Überlieferungen vgl. H. MUSURILLO, in: Christian Martyrs, XLV; F. CORSARO, Orpheus 4, 1957, 33–62. Vgl. auch die sechs Selbstauslieferer in Eus. m.P. 3, 2: [...] τὰ ἐπὶ τούτοις τίς ἰδὼν οὐκ ἐθαύμασεν, ἢ καὶ ἀκοῇ μαθὼν οὐκ ἐξεπλάγη; πάνδημον γάρ τοι τῶν ἐθνῶν ἑορτὴν καὶ συνήθεις θέας ἀγόντων, μετὰ τῶν ἄλλως αὐτοῖς σπουδαζομένων καὶ τοὺς ἀρτίως θηρίοις κατακριθέντας πολὺς ἦν ὁ λόγος ἐπιδείξεσθαι τὸν ἀγῶνα. αὐξούσης δῆτα καὶ πλεοναζούσης παρὰ πᾶσι τῆς φήμης, νεανίαι τὸν ἀριθμὸν ἕξ, ὧν ὁ μὲν Ποντικὸς τὸ γένος ἦν, ὄνομα Τιμόλαος, ὁ δ᾿ ἐκ Τριπόλεως τῆς Φοινίκης, Διονύσιος ἐκαλεῖτο, ἕτερος δ᾿ αὐτῶν τῆς ἐν Διοσπόλει παροικίας ὑποδιάκονος, ῾Ρωμύλος ἦν καὶ τούτῳ προσηγορία, δύο τε ἐπὶ τούτοις Αἰγύπτιοι, Πάησις καὶ ᾿Αλέξανδρος, καὶ ἄλλος τούτῳ συνώνυμος ᾿Αλέξανδρος τῶν ἀπὸ Γάζης, ἐπὶ τὸ κυνηγέσιον ἀνιέναι μέλλοντι τῷ Οὐρβανῷ, ἐνδήσαντες πρότερον τὰς αὐτῶν χεῖρας, ὡς ἂν τὴν ἄγαν σημήνειαν περὶ τὸ μαρτύριον προθυμίαν, δρομαῖοι προσίασιν, Χριστιανοὺς σφᾶς ὁμολογοῦντες διά τε τῆς πρὸς πάντα τὰ δεινὰ παρατάξεως, ὅτι μηδὲ τὰς τῶν θηρίων ἐπιβολὰς οἱ τὴν εἰς τὸν τῶν ὅλων θεὸν εὐσέβειαν αὐχοῦντες κατεπτήχασιν, ἐπιδεικνύμενοι. Die Selbstauslieferung und das Hindrängen zum Martyrium durch Provokation wurde besonders immer wieder den Montanisten unterstellt; vgl. dazu o. S. 46 m. Anm. 128 und G.E.M. DE STE CROIX, P&P 26, 1963, 21–23; W. TABBERNEE, Colloquium 17, 1985, 33–44; C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, 111–122; A. WYPUSTEK, VChr 51, 1997, 276–297; C. TREVETT, Montanism, bes. 121–129; A.R. BIRLEY, in: R. V. HAEHLING (Hg.), Rom und das himmlische Jerusalem, 105–108. 399 Pass. Perp. 21, 9: Perpetua autem, ut aliquid doloris gustaret, inter ossa conpuncta exululavit, et errantem dexteram tirunculi gladiatoris ipsa in iugulum suum transtulit. Zur Passio Perpetuae vgl. H. DELEHAYE, Les passions des martyrs, 49–55; R. LANE FOX, Pagans and Christians, 439f.; A. PETTERSEN, VChr 41, 1987, 139–153; B.D. SHAW, P&P 139, 1993, 3– 45. Zur Sterbeszene der Perpetua ferner P. HABERMEHL, Perpetua, 211f. 226, der zu Recht darauf hinweist, daß Perpetuas Verhalten sowohl in der Nachfolge römischer Heroinnen (Arria, Lucretia) als auch in der Tradition der Protagonistinnen der griechischen Tragödie (Antigone, Polyxena) stehe; auch Perpetua ergreife (ebd. 212) „die Initiative und entscheidet sich bewußt und aus freien Stücken für den Tod, über den sie so die Herrschaft, die Kontrolle ge-
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weiter, hätte sie auf andere Weise nicht getötet werden können, außer daß sie selbst es gewollt hätte: fortasse tanta femina aliter non potuisset occidi, quae ab immundo spiritu timebatur nisi ipsa voluisset.400 Zahlreiche weitere Beispiele ließen sich für die Bereitwilligkeit, Freiwilligkeit und gar Begeisterung und Freude, mit der die Märtyrer in den Tod gingen oder ihn durch ihr Zutun herbeiführten, anführen.401 Dieses Motiv muß als Topos in der Märtyrerdarstellung verstanden werden. Eine Kritik am freudigen Verlangen des Todes ist in der christlichen Literatur nicht zu erwarten, da gerade die Freiwilligkeit seines Todes den Märtyrer als Nachfolger Christi auszeichnete und seine Verehrung als Heiligen ermöglichte. Eine distanzierte Haltung läßt sich vereinzelt allenfalls gegenüber Selbstauslieferern feststellen.402 Darüber hinaus ist aber eine Distanzierung vom provozierten oder selbst ausgeführten Märtyrertod kaum auszumachen und wäre wohl nicht deutlicher als durch Verschweigen der Tat zum Ausdruck gebracht worden. Ein Beispiel dafür könnte man etwa darin sehen, daß der in der griechischen Version des Μαρτύριον τῶν Ἀγίων Κάρπου, Παπύλου, καὶ Ἀγαθονίκης beschriebene, freiwillige Flammensturz der Agathonike in der lateinischen Fassung ausgespart ist. Ob es sich bei dieser Aussparung in der sicher späteren lateinischen Version um eine beabsichtigte Auslassung handelt, ist wohl winnt. In der Umkehr vom Erleiden zum Annehmen wird ihr Sterben wirklich zu ihrem eigenen. Ein letztes Mal beweist Perpetua wahrhaft ‚männliche‘ Qualitäten.“ J.E. SALISBURY, Perpetua’s Passion, 146f. führt ihr Verhalten auf die (letztlich auf Dido zurückgehende) karthargische Tradition des „sacrificial suicide“ zurück (vgl. ebd. 49–57). 400 Pass. Perp. 21, 9. Vgl. A. PETTERSEN, VChr 41, 1987, 140f., der in dieser Ausdrucksweise eine explizite Identifizierung Perpetuas mit dem Tod Christi erkennt und die Stelle mit Joh 10, 18 in Beziehung setzt, wo Jesus sagt: Nemo tollit eam [vitam] a me, sed ego pono eam a meipso. Ähnlich „aktiv“ muß man wohl auch das Verhalten der Apollonia einordnen, die freiwillig ins Feuer sprang und verbrannte; vgl. Rufin. hist. 6, 41, 7: Sed et admirandam virginem longaevae aetatis Apolloniam nomine cum corripuissent, dentes primo ei omnes effoderunt congestis deinde lignis extruxerunt rogum comminantes vivam se eam incensuros, nisi cum ipsis pariter impia verba proferret. At illa ut rogum vidit esse succensum, paululum quid in semet ipsa molitur, repente vero se e manibus proripuit impiorum atque in ignem, quem minabantur, sponte prosiluit, ita ut perterrerentur etiam ipsi crudelitatis auctores, quod promptior inventa est ad mortem femina quam persecutor ad poenam. 401 Auffällig ist dieses Phänomen abgesehen von den Märtyrerakten vor allem in den Darstellungen des Euseb, vgl. etwa Eus. m.P. 2: Romanus v. Antiochien, der ausruft: „Wo bleibt das Feuer?“; m.P. 6, 5: Agapius bietet sich willig den Bären preis; h.e. 4, 15, 5f.: Germanicus reizt das wilde Tier, ihn zu töten; h.e. 6, 41, 7: Apollonia springt ins Feuer (vgl. Rufin., Anm. 400); h.e. 8, 6, 6: Die Nicomeder springen mit Begeisterung auf den Feuerhaufen; h.e. 8, 12, 2: Die Antiochener stürzen sich, ehe sie in die Gewalt der Gegner fallen, von den Dächern hoher Häuser, den Tod als Gewinn ansehend. Ferner berichten Prud. perist. 7 und Greg. Tur. Franc. 1, 35, Quirinus habe die Hilfe der Freunde abgelehnt, ihn aus den Fluten zu retten. 402 Vgl. etwa Act. Cypr. 1, 5 (o. S. 47, Anm. 135). Ähnlich klingt auch die Kritik an Quintus in Mart. Polycarp. 4: Εἷς δὲ ὀνόματι Κόϊντος, Φρύξ, προσφάτως ἐληλυθὼς ἀπὸ τῆς Φρυγίας, ἰδὼν τὰ θηρία ἐδειλίασεν. οὗτος δὲ ἦν ὁ παραβιασάμενος ἑαυτόν τε καί τινας προσελθεῖν ἑκόντας. τοῦτον ὁ ἀνθύπατος πολλὰ ἐκλιπαρήσας ἔπεισεν ὀμόσαι καὶ ἐπιθῦσαι. διὰ τοῦτο οὖν, ἀδελφοί, οὐκ ἐπαινοῦμεν τοὺς προσιόντας ἑαυτοῖς, ἐπειδὴ οὐχ οὕτως διδάσκει τὸ εὐαγγέλιον. Zur Frage, ob Quintus, der als Φρύξ bezeichnet wird, der montanistischen Bewegung angehörte vgl. W. TABBERNEE, Colloquium 17, 1985, 41.
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nicht mehr zu beantworten. Eine bewußte Gestaltung kann man schon in Hinblick auf die auch sonst teils maßgeblich differierende Darstellung wohl annehmen; es ist jedoch nicht auszuschließen, daß die Selbsttötung der Agathonike einer radikalen Kürzung der Schilderung zum Opfer gefallen ist, so daß man nicht notgedrungen in dem Verschweigen ihres Flammensturzes eine Ablehnung ihres Verhaltens erkennen muß.403 Abgesehen vom Topos der Freiwilligkeit, liefern die Märtyrerberichte – gleich ob sie von ermordeten oder sich selbst tötenden Opfern der Christenverfolgungen berichten – für die Bewertung von Suizid aus christlicher Sicht keine weiteren Aufschlüsse. Daß auch sich selbst tötende Märtyrer die entsprechende Verehrung unter den Christen erfuhren, muß nicht verwundern. Einschränkungen in dieser Haltung kann und muß man erst erwarten, wenn die Kritik von anderer, besonders heidnischer Seite laut wird. Ein anschauliches Zeugnis der heidnischen Kritik an der christlichen Todessehnsucht liefert Tertullian, dem zufolge der Prokonsul Arrius Antonius (vermutlich 188/9 n. Chr.404) den Christen, die sich vor seinem Tribunal ausgeliefert hatten, zurief: „Ihr Elenden, wenn ihr sterben wollt, so habt ihr doch Abhänge und Stricke!“.405 Das Unverständnis von heidnischer 403 Act. Carp. 45: [...] εἶπεν δὲ ἡ μακαρία Ἀγαθονίκη· Θεὸν ἔχει τὸν δυνάμενον αὐτὸν ἐλεῆσαι, ὅτι αὐτός ἐστιν ὁ πάντων προνοητής. ἐγὼ δὲ ἐφ` ὃ πάρειμι. καὶ ἀποδυσαμένη τὰ ἱμάτια αὐτῆς, ἀγαλλιωμένη ἐφήπλωσεν ἑαυτὴν ἐπὶ τὸ ξύλον. Vgl. die recensio latina 6, 4f.: Cumque fuisset perducta ad locum, expoliavit vestimenta sua et tradidit ministris. (5) Videns autem turba pulchritudinem eius, dolentes lamentaverunt eam. Suscipientes autem eam ministri suspenderunt in ligno. Et supposito igne exclamavit trina voce famula dei dicens: Domine Iesu Christe, tu me adiuva, quoniam propter te ista sustineo. Et cum haec dixisset, tradidit spiritum. Nach Eus. h.e. 4, 15, 48 ist ihr Martyrium unter Marc Aurel zu datieren, vgl. H. MUSURILLO, in: Christian Martyrs, XV; die sicher jüngere lateinische Rezension datiert das Ereignis unter Decius. Zum Verhältnis der lateinischen zur griechischen Version vgl. H. LIETZMANN, in: Festgabe K. MÜLLER, 46–57. H. MUSURILLO, in: Christian Martyrs, XV hält es für möglich, daß die lateinische Version „merely an abridgement of a primitive Greek form with some editorial additions“ sei. Zur besagten Stelle über Agathonikes Tod bemerkt er (ebd. XVI): „We are forced to conclude that either the Greek text had a lacuna, or that the Latin redactor was attempting to colour the facts for a later age. In any case, however she may have actually died, the Greek author perhaps intended the precise impression with which he leaves us.“ Zu den Unterschieden in den beiden Darstellungen der Agathonike vgl. H. LIETZMANN, in: Festgabe K. MÜLLER, 53f. und dazu W. TABBERNEE, Colloquium 17, 1985, 40, der entgegen LIETZMANN (ebd. 54) meint, daß man allein aus dem Umstand, daß Agathonike das freiwillige Martyrium suche, nicht schließen könne, sie gehöre der montanistischen Bewegung an: „If the Greek text is accurate in its present form (...) Agathonike must have been a voluntary martyr – but this on its own is insufficient reason to call her a Montanist or to consider the Greek original ‚Montanistic‘“. 404 So A.R. BIRLEY, in: R. V. HAEHLING (Hg.), Rom und das himmlische Jerusalem, 109; zur Identifizierung des Arrius Antoninus vgl. auch C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, 107 m. Anm. 102. 405 Tert. Scap. 5, 1: Arrius Antoninus in Asia cum persequeretur instanter, omnes illius civitatis Christiani ante tribunalia eius se manu facta obtulerunt. Tum ille, paucis duci iussis, reliquis ait: Ὦ δειλοί, εἰ θέλετε ἀποθνήσκειν, κρημνοὺς ἢ βρόχους ἔχετε. Zur Episode mit Arrius Antoninus vgl. A.R. BIRLEY, in: R. V. HAEHLING (Hg.), Rom und das himmlische Jerusalem, 109f.; G.W. BOWERSOCK, Martyrdom, 59; G.E.M. DE STE CROIX, P&P 26, 1963, 22f.; C.
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Seite gegenüber der Todessuche der Christen formuliert sich auch an anderen Stellen.406 C. BUTTERWECK, die in ihrer Untersuchung das Martyrium in heidnischer Sicht betrachtet, kommt zu dem Schluß, daß es sich bei der heidnischen Position um ein stereotypes Vorurteil handele.407 Ob Vorurteil oder nicht, es scheint, daß die Heiden den freiwilligen Tod der Christen nicht als Martyrium, sondern als Suizid ansahen. Im Zusammenhang unserer Fragestellung interessiert es nicht so sehr, ob es eine „Martyriumssucht“ der Christen gegeben hat, sondern vielmehr, wie die Christen auf den Vorwurf der übertriebenen Todessehnsucht bzw. –suche reagierten und wie sie selbst den freiwilligen oder sogar selbst herbeigeführten Tod darstellten. Die Reaktion der Christen auf die heidnische Kritik findet nicht durch eine Rechtfertigung statt, indem sie etwa die Freiwilligkeit zurücknehmen oder widerlegen, sondern auf zweierlei Weise: erstens durch die Gegenüberstellung mit vergleichbaren heidnischen Beispielen und eine Höherbewertung der christlichen Ziele (gesehen an den exempla, vgl. Kap. II 1); zweitens durch die Betonung einer Notsituation, die den Suizid als Martyrium legitimiert oder ihn sogar fordert. Eine weitere Problematik, welche die Frage der Unterscheidung von Martyrium und Suizid aufwirft, besteht schließlich in der Abgrenzung der wahren Märtyrer von den falschen, die sich etwa darin äußert, daß Häretikern Todesbereitschaft als Suizid unterstellt wird. Letzteres verweist auf die Diskussion, wer oder was den wahren Glauben ausmache, stellt also weniger eine Reaktion auf Kritik von außen dar, sondern spiegelt vielmehr eine innerchristliche Debatte wider, die sich nach dem Ende der Christenverfolgungen und der Etablierung des Christentums entwickelte. Sowohl die Legitimierung des Martyriums in Notsituationen als auch die Unterscheidung der wahren von den falschen Märtyrer erfordern eine genauere Definition des wahren Martyriums, die sich auch in der theoretischen AuseinandersetBUTTERWECK, Martyriumssucht, 107. W.H.C. FREND, Martyrdom, 293 erwähnt diese Stelle im Zusammenhang mit den Montanisten; dagegen ähnlich wie schon in bezug auf Agathonike W. TABBERNEE, Colloquium 17, 1985, 41. 406 Vgl. etwa Lact. mort. pers. 11, 3, dem zufolge Diokletian geäußert habe, daß die Christen gerne zu sterben pflegten: illos libenter mori solere. Auch der von Origenes in Contra Celsum widerlegte Celsus bringt diese Kritik an der christlichen Todessehnsucht mehrfach zum Ausdruck, vgl. etwa Or. Cels. 8, 54f. 8, 64. Vgl. auch C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, 90– 106, die Aussagen von Epictet, Marc Aurel, Lucian und Galen untersucht. In Hinsicht auf die stoische Haltung (vgl. v.a. Epict. 1, 9, 16f.) stellt sie fest, daß „die christliche Todesbereitschaft in scharfem Kontrast zu einem von Gott bzw. der Natur geforderten und darum vernünftig begründbaren Selbstmord“ stehe. „Die bloße Zugehörigkeit zu einer Gruppe, dokumentiert im Bekenntnis Christianus sum, ist ihnen keine einleuchtende Begründung dafür, sich töten zu lassen, und läßt als nicht situationsadäquates Verhalten eher auf geistige Verwirrung schließen.“ Zu Marc Aurel vgl. o. S. 34 Auch die Kritik Kaiser Iulians in einem fragmentarischen Brief an einen Priester ist offenbar gegen die Todessuche der Christen gerichtet; vgl. Iul. ep. 89b (288A): [...] ὑφ᾿ ὧν οἱ πολλοὶ παροιστρούμενοι πρὸς τὸν οὐρανόν, ὅταν ἀπορρήξωσι τὴν ψυχὴν βιαίως. 407 C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, bes. 104f. mit Verweis auf neuere soziologische Studien. Vgl. auch ebd. 145, wo sie zusammenfaßt, „daß die Heiden das christliche Martyrium ihrem Vorurteil entsprechend nicht anders denn als einen sinnlosen, überflüssigen, selbstgesuchten Tod verstehen konnten.“
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zung artikuliert und an die hier kurz erinnert sein soll: Augustinus fordert für die Erfüllung des wahren Martyriums das Vorhandensein der causa iusta; wahre Märtyrer seien nur jene, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt würden.408 Vor diesem Hintergrund werden im folgenden die beiden oben genannten christlichen Rechtfertigungsweisen anhand der Beispiele der heiligen Jungfrauen und der Donatisten untersucht. 2.2 Martyres veri: Die heiligen Jungfrauen und Asketen Die Problematik der christlichen Bewertung von Suizid und dessen Abgrenzung vom Martyrium wird besonders am Beispiel der Frauen deutlich, die sich das Leben nahmen, um ihre Keuschheit zu bewahren. Für die Christen hatte die sexuelle Enthaltsamkeit, insbesondere die Ehelosigkeit von Beginn an eine herausragende Bedeutung, die sich nach und nach zum christlichen Ideal der Jungfräulichkeit ausformte.409 Zahlreiche Abhandlungen und Schriften des 4. und 5. Jahrhunderts bezeugen die besondere Symbolik der virginitas bzw. castitas für das Selbstverständnis der Kirche in Abgrenzung zur weltlichen Sphäre.410 Da diese Symbolik in erster Linie auf körperlicher Unversehrtheit beruhte, mußte die angedrohte oder vollzogene Schändung für Christinnen schwer wiegen, so daß die Abwägung zwischen Verlust der Keuschheit und Selbsttötung auf die Frage hinauslaufen mußte, was als das kleinere Übel anzusehen sei. Gerade in Hinsicht auf die Christenverfolgungen fällt die Abwägung zwischen körperlicher Unreinheit und Tod in der christlichen Literatur meist zugunsten der Keuschheit und gegen das Leben aus. Konkret hat dies Hieronymus im Kommentar zum Propheten Jona auf die Formel gebracht: „Während der Verfolgungen ist es nicht erlaubt, durch eigene Hand zu sterben, außer wenn die Keuschheit bedroht wird“.411 Interessant ist, daß diese Formulierung des Hieronymus aus einer Zeit stammt, in der die großen Christenverfolgungen vorüber sind. In Zeiten ohne Verfolgung gewinnt die Askese zu408 Vgl. dazu oben S. 55; und vor Augustinus schon Clemens Alexandrinus, o. S. 48f. 409 Die biblische Grundlage für die Hochschätzung der virginitas bildet 1 Kor 7. Zur Entwicklung der Keuschheit als christliche Tugend vgl. vor allem die ausführliche Untersuchung von P. BROWN, Die Keuschheit. 410 Eine große Anzahl von Schriften de virginitate sowohl in der lateinischen als auch der griechischen Patristik (Ambrosius, Hieronymus, Johannes Chrysostomos, Gregor v. Nyssa u.a.) zeugen von dieser Bedeutung. 411 Hier. in Ion. 1, 12 (o. S. 52, Anm. 149). Vgl. auch Hier. epist. 22, 13, wo der Kirchenvater „falsche“ Jungfrauen anklagt, die, um ihre Ehre zu retten, eine Fehlgeburt einleiteten, dabei selbst zu Tode kämen und sich so dreier Verbrechen schuldig machten: [...] trium criminum reae ad inferos perducuntur, homicidae sui, Christi adulterae, necdum nati filii parricidae. Mit ähnlichem Wortlaut später auch Caes. Arel. serm. 51, 4: Et quia aliquae mulieres, dum per sacrilegas potiones filios suos in seipsis occidere conantur, etiam ipsae pariter moriuntur, efficiuntur trium criminum reae: homicidae suae, Christi adulterae, necdum nati filii parricidae. Zum Jungfräulichkeitsideal und zur Askese bei Hieronymus ausführlich B. FEICHTINGER, Apostolae apostolorum. Zur seiner Auseinandersetzung mit dem Suizid in Hinsicht auf die pudicitia vgl. ferner P. LAURENCE, Orpheus 17, 1996, 50–69.
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nehmend an Bedeutung; damit übernimmt die Keuschheit zugleich die Rolle des Martyriums, der Märtyrertod wird durch asketisches Leben gleichsam nachvollzogen.412 Die Erlaubtheit des Suizids zur Bewahrung des höchsten Gutes, der Keuschheit, erscheint in dieser Hinsicht als ein Reflex der gewandelten Zeiten ist. Welche Bedeutung der körperlichen Reinheit zukam, belegt etwa das Beispiel einer Nonne von Tabenna, über die Palladius von Helenopolis berichtet, daß sie sich allein auf die Verleumdung einer Mitschwester hin, sie sei mit einem Mann in Kontakt gekommen, in einen Fluß gestürzt habe.413 Mehr noch wird die Bedeutung der Keuschheit am Umstand deutlich, daß sich vor die Frage, ob bei Verlust der Reinheit der Tod vorzuziehen sei, nicht nur Frauen, sondern auch männliche Asketen gestellt sahen. Hieronymus schildert in der Vita Malchi, wie der Mönch Malchus durch eigene Schuld in die Gewalt von Räubern gerät und gezwungen werden soll, seine asketische Keuschheit preiszugeben, indem er eine Mitsklavin heiraten soll. Angesichts dieser Drohung erwägt Malchus den Suizid: Da erst spürte ich wahrhaft meine Gefangenschaft, und, auf den Boden geworfen, begann ich, das Mönchtum, das ich verlieren würde, zu beklagen und sagte: ‚Hierfür bin ich Elender aufbewahrt worden? Dahin haben mich meine Verbrechen geführt, daß ich mit schon ergrauendem Haar als Jungfrau ein Bräutigam werde? (...) Was wollen wir, (meine) Seele? Gehen wir zugrunde oder siegen wir? Erwarten wir die Hand des Herrn oder werden wir durch die eigene mit dem Schwert durchbohrt? Wende die Klinge gegen dich; dein eigener Tod muß mehr
412 Vgl. P. LAURENCE, Orpheus 17, 1996, 62f.: „(...) certes, l’ère des grandes persécutions est passée; mais, aux des Pères du quatrième siècle, le moine remplace le martyre par les pratiques ascétiques; et puisque la chasteté est considérée par les défenseurs de la virginité comme la vertu première du mode de vie monastique, ou veut voir dans les vierges chrétiennes les soeur des vierges martyres.“ 413 Pallad. hist. mon. 33: Τούτοις ἔστι καὶ μοναστήριον γυναικῶν ὡς τετρακοσίων, τὴν αὐτὴν ἔχον διατύπωσιν, τὴν αὐτὴν πολιτείαν, ἐκτὸς τῆς μηλωτῆς· καὶ αἱ μὲν γυναῖκες πέραν τοῦ ποταμοῦ, οἱ δὲ ἄνδρες ἀντιπέρα. ῞Οταν οὖν τελευτήσῃ παρθένος, ἐνταφιάσασαι αὐτὴν αἱ παρθένοι φέρουσι καὶ τιθέασι παρὰ τὴν ὄχθην τοῦ ποταμοῦ· περάσαντες δὲ οἱ ἀδελφοὶ μετὰ πορθμείου, μετὰ βαΐων καὶ κλάδων ἐλαιῶν, μετὰ ψαλμῳδίας φέρουσιν αὐτὴν εἰς τὸ πέραν, θάπτοντες εἰς τὰ ἴδια μνήματα. Παρεκτὸς μέντοι τοῦ πρεσβυτέρου καὶ τοῦ διακόνου οὐδεὶς περᾷ εἰς τὸ μοναστήριον τῶν γυναικῶν, καὶ τοῦτο κατὰ κυριακήν. ᾿Εν τούτῳ τῷ μοναστηρίῳ τῶν γυναικῶν συνέβη πρᾶγμα τοιοῦτον· ῥάπτης κοσμικὸς περάσας κατὰ ἄγνοιαν ἐζήτει ἔργον· καὶ ἐξελθοῦσα νεωτέρα μία, ἔρημος γάρ ἐστιν ὁ τόπος, συνέτυχεν αὐτῷ ἀκουσίως καὶ δέδωκεν αὐτῷ ἀπόκρισιν ὅτι ῾Ημεῖς ἔχομεν ἡμετέρους ῥάπτας. ῎Αλλη ἑωρακυῖα τὴν συντυχίαν, χρόνου παρελθόντος καὶ γενομένης μάχης, ἐξ ὑπονοίας διαβολικῆς ἀπὸ πολλῆς πονηρίας καὶ ζέσεως θυμοῦ, ἐσυκοφάντησε ταύτην ἐπὶ τῆς ἀδελφότητος· ᾗ συνέδραμον καὶ ἄλλαι ὀλίγαι τῇ κακίᾳ. ᾿Απολυπηθεῖσα οὖν ἐκείνη ὡς ὑποστᾶσα τοιαύτην συκοφαντίαν τὴν μήτε εἰς ἔννοιαν αὐτῆς ἐλθοῦσαν, καὶ μὴ ἐνεγκοῦσα ἔβαλεν ἑαυτὴν εἰς τὸν ποταμὸν λάθρα καὶ ἐτελεύτησεν. Nach dem Tod der Nonne bereut die Mitschwester und nimmt sich ebenfalls das Leben durch Erhängen; vom Priester wird später veranlaßt, daß ihr kein Opfer dargebracht werden dürfe und die übrigen Mitschuldigen auf sieben Jahre von den Mysterien ausgeschlossen bleiben sollten: Οὕτως ἡ συκοφαντήσασα, γνοῦσα ὅτι ἐσυκοφάντησεν ἀπὸ πονηρίας καὶ εἰργάσατο τὸ ἄγος τοῦτο, λαβοῦσα ἀπήγξατο καὶ αὐτὴ μὴ στέξασα τὸ πρᾶγμα. ᾿Ελθόντι οὖν τῷ πρεσβυτέρῳ ἀνήγγειλαν τὸ πρᾶγμα αἱ λοιπαὶ ἀδελφαί· καὶ ἐκέλευσε τούτων μὲν μηδὲ μιᾶς προσφορὰν ἐπιτελεσθῆναι· τὰς δὲ μὴ εἰρηνευσάσας αὐτάς, ὡς συνειδυίας τῇ συκοφαντησάσῃ καὶ πιστευσάσας τοῖς εἰρημένοις, ἑπταετίαν ἀφώρισεν ἀκοινωνήτους ποιήσας.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid gefürchtet werden als der deines Leibes. Auch die bewahrte Keuschheit hat ihr Martyrium. Mag der Zeuge Christi unbestattet in der Wüste liegen. Ich selbst werde mir zugleich Verfolger und Märtyrer sein!‘414
Auch wenn es Malchus selbst schließlich doch gelingt, der Ehe mit der Mitsklavin durch Verstellung und gemeinsame Flucht zu entgehen,415 sind die Worte des Mönches eindeutig: Wenn der Verlust der Keuschheit unvermeidlich ist, muß die Selbsttötung vorgezogen werden. Die Tatsache, daß Malchus ein Weiterleben in Unkeuschheit nicht einmal in Erwägung zieht, sondern die Selbsttötung als Konsequenz und ohne weitere Abwägung als Lösung in Betracht kommt, macht deutlich, daß der christliche Asket, zumindest wenn die pudicitia servata als causa im Hintergrund steht, keinerlei moralische Bedenken gegenüber dem Suizid hat.416 Einige Fälle von Suizid zur Bewahrung der Keuschheit berichtet auch Eusebios: Im Jahre 305 n. Chr. hätten sich während der Verfolgung einige Antiochenerinnen, ehe sie in die Gewalt der Gegner fielen, von den Dächern hoher Häuser gestürzt, „den Tod als Gewinn ansehend gegenüber der Bosheit der Gottlosen“.417 Eine antiochenische Mutter habe sich gemeinsam mit ihren Töchtern in die Fluten des Flusses gestürzt: Angesichts der hilflosen Lage, in der sie sich mit den Töchtern befand, setzte die Mutter alle die Gefahren auseinander, die von seiten der Menschen drohten, und sprach sich und den Mädchen Mut zu, es nicht dahin kommen zu lassen, die unerträglichste aller Gefahren, die Drohung mit Entehrung, auch nur flüchtig mit Ohren hören zu müssen. Die Seele der Knecht-
414 Hier. v. Malchi. 6: Tunc vere sensi captivitatem meam; prostratusque humi monachum coepi plangere, quem perdebam, dicens: Huccine miser servatus sum? ad hoc me mea scelera perduxerunt, ut incanescente iam capite, virgo maritus fierem? Quid prodest parentes, patriam, rem familiarem contempsisse pro Domino, si hoc facio, quod ne facerem, illa contempsi: nisi quod forte propterea haec sustineo, quia patriam desideravi. Quid agimus, anima? perimus, an vincimus? Exspectamus manum Domini, an proprio mucrone confodimur? Verte in te gladium; tua magis mors timenda est, quam corporis. Habet et servata pudicitia suum martyrium. Iaceat insepultus Christi testis in eremo, ipse mihi ero et persecutor et martyr! 415 Zum Ausgang der Geschichte um Malchus vgl. auch Pallad. hist. mon. 8, wonach Amun eine Scheinehe einging und gemeinsam mit seiner Frau beschloß, die Ehe nicht zu vollziehen. 416 Vgl. P. LAURENCE, Orpheus 17, 1996, 54–56, bes. 56: „(...) la mort n’est plus un simple risque plus ou moins conscient, elle est l’objet d’un réel désir, puisque Malchus est prêt à attenter à ses jours pour préserver la chasteté.“ 417 Eus. h.e. 8, 12, 2: [...] ὧν τινες τὴν πεῖραν φεύγοντες, πρὶν ἁλῶναι καὶ εἰς χεῖρας τῶν ἐπιβούλων ἐλθεῖν, ἄνωθεν ἐξ ὑψηλῶν δωμάτων ἑαυτοὺς κατεκρήμνισαν, τὸν θάνατον ἅρπαγμα θέμενοι τῆς τῶν δυσσεβῶν μοχθηρίας. Vgl. Rufin. hist.: Apud Antiochiam vero quomodo recordabor craticulas prunis inpositas, quibus Christiani superpositi torrebantur? Sed inter haec nobilium duorum iuvenum factum memorabile silere aequum non puto. Qui cum conprehensi simulacris immolare cogerentur, aiunt: ‚ducite nos ad aras‘. Et cum fuissent adducti, manus suas ardenti igni superponentes, ‚si subtraxerimus‘, inquiunt, ‚sacrificasse nos credite‘. Et quo adusque caro omnis in ignem deflueret, immobiliter perdurarunt. Alii cum ad sacrificandum quaererentur, sacrilegam pollutionem vitantes vitam praecipitio finierunt, minore quidem tolerantiae fiducia, sed conservandae fidei maiore cautela.
2. Persecutiones: Märtyrer oder Selbstmörder?
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schaft der Dämonen preiszugeben, sagte sie, sei schlimmer denn alle Todesarten und jeglicher Untergang (...).418
An anderer Stelle lobt Euseb eine vornehme, verheiratete Römerin, die sich, um der Schändung durch Kaiser Maxentius zu entgehen, in einem unbemerkten Augenblick das Schwert in die Brust gestoßen habe.419 Hier läßt Euseb sogar eine 418 Eus. h.e. 8, 12, 3–4: καί τις ἱερὰ καὶ θαυμασία τὴν τῆς ψυχῆς ἀρετήν, τὸ δὲ σῶμα γυνὴ καὶ τὰ ἄλλα τῶν ἐπ᾿ ᾿Αντιοχείας πλούτῳ καὶ γένει καὶ εὐδοξίᾳ παρὰ πᾶσι βεβοημένη, παίδων ξυνωρίδα παρθένων τῇ τοῦ σώματος ὥρᾳ καὶ ἀκμῇ διαπρεπουσῶν θεσμοῖς εὐσεβείας ἀναθρεψαμένη, ἐπειδὴ πολὺς ὁ περὶ αὐτὰς κινούμενος φθόνος πάντα τρόπον ἀνιχνεύων λανθανούσας περιειργάζετο, εἶτ᾿ ἐπ᾿ ἀλλοδαπῆς αὐτὰς διατρίβειν μαθὼν πεφροντιςμένως ἐπὶ τὴν ᾿Αντιόχειαν ἐκάλει δικτύων τε ἤδη στρατιωτικῶν εἴσω περιβέβληντο, ἐν ἀμηχάνοις ἑαυτὴν καὶ τὰς παῖδας θεασαμένη καὶ τὰ μέλλοντα ἐξ ἀνθρώπων δεινὰ τῷ λόγῳ παραθεῖσα τό τε πάντων δεινῶν καὶ ἀφορητότερον, πορνείας ἀπειλήν, μηδὲ ἄκροις ὠσὶν ὑπομεῖναι δεῖν ἀκοῦσαι ἑαυτῇ τε καὶ ταῖς κόραις παρακελευσαμένη, ἀλλὰ καὶ τὸ προδοῦναι τὰς ψυχὰς τῇ τῶν δαιμόνων δουλείᾳ πάντων ὑπάρχειν θανάτων καὶ πάσης χεῖρον ἀπωλείας φήσασα, μίαν τούτων ἁπάντων εἶναι λύσιν ὑπετίθετο τὴν ἐπὶ τὸν κύριον καταφυγήν, κἄπειτα ὁμοῦ τῇ γνώμῃ συνθέμεναι τά τε σώματα περιστείλασαι κοσμίως τοῖς περιβλήμασιν, ἐπ᾿ αὐτῆς μέσης γενόμεναι τῆς ὁδοῦ, βραχύ τι τοὺς φύλακας εἰς ἀναχώρησιν ὑποπαραιτησάμεναι, ἐπὶ παραρρέοντα ποταμὸν ἑαυτὰς ἠκόντισαν. Übers. P. HAEUSER, in: Eusebius, Kirchengeschichte. Rufinus beschreibt diese Szene noch ausführlicher und setzt die Überlegungen der Mutter in wörtliche Rede um, vgl. Rufin. hist.: Sed cum perurgentibus militibus vehiculo impositae iter agerent, talibus religiosa et pudica mater ad filias utitur verbis: ‚Scitis, dulcissimae mihi filiae, quomodo vos in disciplina dei educaverim, scitis, quod a parvulis vobis deus pater, deus nutritor, deus institutor extiterit, et quod pudicitiae et castitatis bonum ita mecum pariter dilexistis, ut ne oculus quidem vester unquam, sicut vobis conscia sum, lasciviore fuerit maculatus aspectu. Quid igitur nunc agimus? Videtis, quod ista omnis vis aut a Deo nos studet aut a pudicitia separare. Prostituentur ergo publicis lupanaribus membra, quae aer paene ipse publicus habuit incognita? Ne, quaeso, filiae, quia nec tam parva nobis in Deo fides est, ut mortem pertimescamus, nec tam despecta pudicitia, ut vivere etiam cum turpitudine cupiamus. Quin potius, si placet, quod in omnibus tenetis, etiam in hoc sequimini matris exemplum. Praeveniamus impuras carnificum manus et impudicorum praeripiamus incursus mundumque hunc, qui nos ad impuram et impudicam compellit ac pertrahit vitam, pura et pudica morte damnemus‘. Ein bekanntes Beispiel einer sich selbst tötenden Jungfrau ist auch Apollonia, die, weil sie sich weigerte, Gott zu lästern, selbst in das ihr bereitete Todesfeuer sprang, vgl. Eus. h.e. 6, 41, 7 (transl. Rufin. o. S. 121, Anm. 400). 419 Eus. h.e. 8, 14, 17: ὡς γὰρ ἐπιστάντας τῷ οἴκῳ τοὺς τὰ τοιαῦτα τῷ τυράννῳ διακονουμένους ἐπύθετο (Χριστιανὴ δὲ καὶ αὕτη ἦν), τόν τε ἄνδρα τὸν αὐτῆς, καὶ ταῦτα ῾Ρωμαίων ὄντα ἔπαρχον, τοῦ δέους ἕνεκα λαβόντας ἄγειν αὐτὴν ἐπιτρέψαντα, ἐς βραχὺ ὑποπαραιτησαμένη, ὡς ἂν δὴ κατακοσμηθείη τὸ σῶμα, εἴσεισιν ἐπὶ τοῦ ταμιείου καὶ μονωθεῖσα ξίφος καθ᾿ ἑαυτῆς πήγνυσιν, θανοῦσά τε παραχρῆμα, τὸν μὲν νεκρὸν τοῖς προαγωγοῖς καταλιμπάνει, ἔργοις δ᾿ αὐτοῖς ἁπάσης φωνῆς γεγωνοτέροις, ὅτι μόνον χρημάτων ἀήττητόν τε καὶ ἀνώλεθρον ἡ παρὰ Χριστιανοῖς ἀρετὴ πέφυκεν, εἰς πάντας ἀνθρώπους τούς τε νῦν ὄντας καὶ τοὺς μετὰ ταῦτα γενησομένους ἐξέφηνεν. Dieselbe Frau ist auch in Eus. v.C. 1, 33–34 erwähnt. Euseb scheint mit ihr eine christliche Lucretia abzubilden. Die translatio des Rufinus, der die Römerin Sophronia nennt, ist wiederum ausführlicher und präziser, vgl. Rufin. hist. 14, 16–17: [...] Sed in his relationibus positum silere aequum non puto etiam nobilissimae feminae in urbe Roma mirabile factum, Sofroniae, cuius vir praefectus urbis Romae sub Maxentio tyranno agebat. Qui cum de supra dictae feminae pulchritudine cognovisset, ut ei mos erat, missis stuprorum ministris deduci ad se feminam iubet. Illa rem ad maritum detulit. Qui cum conperisset, multa se cum volvens, ad ultimum altius ingemiscens: ‚et
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Haltung durchscheinen, nach der die Tat der Römerin bewundernswerter ist als das Verdienst jener Opfer des Maxentius, deren Verweigerung des Geschlechtsverkehrs Mißhandlungen und schließlich die Hinrichtung zur Folge hatte.420 Nun sind es aber genau diese Fälle, die eindeutig eine Überschneidung von Martyrium und Suizid darstellen. Durften diese Frauen, die sich offenbar selbst Gewalt antaten, als heilige Märtyrerinnen verehrt werden? Am Ende seiner an seine Schwester Marcellina gerichteten Schrift über die Jungfrauen De virginibus diskutiert Ambrosius diese Frage: Wo ich nun schon zum Ende der Rede hin die Segel setze, legst du mir, heilige Schwester, mit Recht noch die Frage nahe, was vom Verdienst derer zu halten ist, die sich von der Höhe herabgestürzt oder sich in einem Fluß ertränkt haben, um nicht in die Hände der Verfolger zu fallen, obwohl es die Heilige Schrift dem Christen verbietet, sich selbst Gewalt anzutun. 421
In Hinsicht auf die Jungfrauen, die sich in einer Notlage befänden, bejaht Ambrosius die Frage, weil ein exemplum martyrii vorliege.422 Er führt darauf seine Argumentation am Beispiel der Antiochenerin Pelagia aus,423 die er im Angesicht der drohenden Schändung die folgenden Worte sagen läßt:
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quid‘, inquit, ‚faciemus, quibus aut haec toleranda sunt aut anima ponenda?‘ Tum illa, ut maritum vidit metu mortis perterritum prodidisse pudicitiam suam: ‚paululum‘, ait his qui missi fuerant, ‚expectate, donec conposita, ut decet, et adornata procedam‘. Dehinc ingressa cubiculum, cum prius defixis genibus orasset, tamquam pudicitiam suam deo immolatura, pectus ac viscera correpto mucrone transverberat, extremos huiusmodi nuntios ad tyrannum per adsistentes famulas mittens: ‚tales‘, ait, ‚magis placeant Christianae feminae tyranno‘. Dehinc ingressa cubiculum, cum prius defixis genibus orasset, tamquam pudicitiam suam deo immolatura, pectus ac viscera correpto mucrone transverberat, extremos huiusmodi nuntios ad tyrannum per adsistentes famulas mittens: ‚tales‘, ait, ‚magis placeant Christianae feminae tyranno‘. Die Ausweitungen der Geschichte durch Rufinus wie auch die Komposition in wörtlicher Rede (s.o. Anm. zuvor) verdeutlicht die von L. GRIG, Making Martyrs herausgestellte, erst ab dem 4. Jh. erfolgende Konstruktion des Märtyrerbildes; vgl. etwa ebd. 40–42, wo GRIG dieses Phänomen am Beispiel der Passio Fructuosi und ihrer Umformung bzw. Weiterentwicklung in den Sermones Augustins aufzeigt. Vgl. bes. Eus. h.e. 8, 14, 16: μυρίαι δὲ ἄλλαι πρὸς τῶν κατ᾿ ἔθνος ἀρχόντων, πορνείας ἀπειλὴν μηδ᾿ ἀκοῦσαι δεδυνημέναι, πᾶν εἶδος βασάνων καὶ στρεβλώσεων καὶ θανατηφόρου κολάσεως ὑπέστησαν. θαυμασταὶ μὲν οὖν καὶ αὗται, ὑπερφυῶς γε μὴν θαυμασιωτάτη ἡ ἐπὶ ῾Ρώμης εὐγενεστάτη τῷ ὄντι καὶ σωφρονεστάτη γυνὴ πασῶν αἷς ἐμπαροινεῖν ὁ ἐκεῖσε τύραννος Μαξέντιος, τὰ ὅμοια Μαξιμίνῳ δρῶν, ἐπειρᾶτο. Ambr. virg. 3, 7, 32: Iam ad finem orationis vela pandenti bene suggeris, soror sancta, quid super eorum meritis aestimandum sit qui se praecipitavere ex alto vel in fluvium demerserunt, ne persecutorum inciderent manus, cum scriptura divina vim sibi Christianum prohibeat inferre. Ebd.: Et quidem de virginibus in necessitate custodiae constitutis enodem habemus adsertionem, cum martyrii extet exemplum. Sie ist nicht identisch mit jener Pelagia, die als Schauspielerin und Prostituierte in Antiochia lebte und deren Bekenntnis zum Christentum und Abwendung vom weltlichen Leben in zahlreichen späteren Viten gepriesen wurde. Zur Tradition und Rezeption der letzteren vgl. v.a. P. PETITMENGIN al., Pélagie; L.L. COON, Sacred Fictions, 77–84. Zu den verschiedenen Traditionen H. DELEHAYE, Les légendes hagiographiques, 186–195. Die Ereignisse um die von Ambrosius erwähnte Pelagia fallen in die Zeit der diokletianischen Verfolgung.
2. Persecutiones: Märtyrer oder Selbstmörder?
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Es verlangt dich einerseits zu sterben, es bangt dir andererseits davor, weil hier der Tod nicht entgegenzunehmen, sondern herbeizuführen ist. Laßt uns sterben, wenn es angeht, ja laßt uns sterben, selbst wenn man es nicht angehen lassen will! Gott wird durch das Rettungsmittel nicht beleidigt, und der Glaube erleichtert die Tat. Fürwahr, wenn wir die Bedeutung des Begriffes bedenken, was für eine ‚freiwillige Gewalt‘ [d.h. die Gewalt gegen sich selbst] liegt hier vor? Es ist weit eher Gewalt, sterben zu wollen und nicht zu können. (...) Gibt es denn jemanden, der sterben will und es nicht kann? (...) Zu keiner Sünde will ich dem Fleisch Gelegenheit lassen. Mir braucht auch nicht zu bangen, daß es an einem Schwert gebricht. Wir können mit unseren eigenen Waffen den Tod herbeiführen, können ohne Hilfe des Henkers sterben im Schoß der Mutter.424
Im Anschluß an diese Erwägungen der Pelagia beschreibt Ambrosius, wie sie sich mit Brautschmuck gekleidet habe, so daß man hätte meinen können, sie sei nicht auf dem Weg zum Tod, sondern zu ihrem Bräutigam.425 Nachdem die Verfolger anschließend auch ihrer Mutter und ihren Schwestern nachstellten, hätten diese sich in den strömenden Fluß gestürzt und seien so in den Tod geflohen. Auf welche Weise Pelagia selbst ihrem Leben ein Ende setzte, erwähnt Ambrosius auffälligerweise nicht – daß sie sich von einem Dach stürzte, ist allein in seinen allgemein gehaltenen, einleitenden Worten quid super eorum meritis aestimandum sit qui se praecipitavere ex alto vel in fluvium demerserunt angedeutet.426 Statt dessen betont der Kirchenvater eigens die Todesart durch Ertrinken und läßt die Verwandten der Pelagia ausrufen: (...) Auch das ist eine Taufe, nach welcher niemand mehr sündigt. Möge das Wasser uns aufnehmen, das die Wiedergeburt zu bewirken pflegt! Möge das Wasser uns aufnehmen, das
424 Ambr. virg. 3, 7, 33: Sancta Pelagia apud Antiochiam quondam fuit annorum fere quindecim, soror virginum et ipsa virgo. Haec primo domi classico persecutionis inclusa cum se a praedonibus fidei vel pudoris circumsederi videret, absente matre et sororibus vacua praesidio, sed deo plenior, ‚Quid agimus‘, inquit, ‚nisi prospicias, captiva virginitas? Et votum est et metus est mori, quia mors non excipitur, sed adsciscitur. Moriamur, si licet, vel si nolunt licere, moriamur. Deus remedio non offenditur et facinus fides ablevat. Certe si vim ipsam nominis cogitemus, quae vis voluntaria? Illa magis est vis mori velle nec posse. Nec difficultatem veremur. Quis enim est qui vult mori et non possit, cum sint ad mortem tam proclives viae? Iam enim sacrilegas aras praecipitata subvertam et accensos focos cruore restinguam. Non timeo, ne dextera deficiens non peragat ictum, ne pectus se dolore subducat: nullum peccatum carni relinquam. Non verebor, ne desit gladius: possumus mori nostris armis, possumus mori sine carnificis beneficio matris in gremio‘. 425 Ambr. virg. 3, 7, 34: Fertur ornasse caput, nuptialem induisse vestem, ut non ad mortem ire diceres, sed ad sponsum. Ast ubi detestandi persecutores ereptam sibi viderunt praedam pudoris, matrem et sorores coeperunt quaerere. 426 Diese Andeutung wird aber bestätigt durch die Ausführungen des Johannes Chrysostomos in der im Anschluß zu behandelnden Homilia enc. in S. Martyrem Pelagiam Antiochenam (pan. Pelag. Ant., PG 50, 579–585). Auch die oben beschriebene Antiochenerin in der Darstellung des Euseb (h.e. 8, 12, 4, s.o. S. 127, Anm. 418) hatte sich in den Fluten eines Flusses ertränkt, während sich andere (h.e. 8, 12, 2) von Dächern gestürzt hatten. Die bei Euseb namenlosen Jungfrauen werden mit den von Johannes Chrysostomos in einer anderen Homilie (pan. Bernik.: PG 50, 629–640) geehrten Bernike, Prosdoke und Domnina identifiziert. Die Übereinstimmung der Beschreibungen des Ambrosius mit der des Euseb läßt vermuten, daß ersterer die beiden Fälle (der Antiochenerin einerseits, der namenlosen Jungfrauen andererseits) vermischt bzw. zu einer Episode ergänzt hat.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid Jungfrauen macht! Möge das Wasser uns aufnehmen, das den Himmel öffnet, die Wehrlosen deckt, den Tod birgt, Märtyrer schafft.427
Mit dem Motiv des Wassers stellt Ambrosius den Bezug zur Taufe her und ebnet damit den Weg zur Rechtfertigung der Selbsttötung als wahres Martyrium.428 In einem Brief an Simplicianus aus dem Jahr 386 stellt Ambrosius die imitatio Christi der Pelagia noch deutlicher heraus, indem er ihr ganz ähnliche Worte in den Mund legt, wie sie Christus nach Joh 10, 18 sprach: „Ich sterbe willentlich, keiner wird Hand an mich legen“.429 Johannes Chrysostomos widmete dem Tod der Pelagia eine Homilie, die er vermutlich in seiner Zeit als Priester in Antiochia (um 386) verfaßte. Das zentrale Thema seiner Predigt ist, Pelagias Tat zu erklären und zu ihrer Verehrung als Märtyrerin aufzurufen. Um die christliche Legitimation eines Jungfrauen-Suizids am Beispiel der Pelagia nachzuvollziehen, ist es sinnvoll, seine Predigt genauer zu untersuchen und sie den Ausführungen des Ambrosius gegenüberzustellen. Zu Beginn der Homilie stellt Johannes den Bezug zwischen den Jungfrauen und Christus her, der von einer Jungfrau geboren wurde und der Furcht vor dem Tod ein Ende gab, so daß sich sogar junge Mädchen über den Tod lustig machen konnten. Deswegen habe sich auch Pelagia beeilt, den Tod mit so großem Vergnügen zu erlangen.430 Johannes betont, daß Pelagia sich nicht tötete, um Folter und Stra427 Ambr. virg. 3, 7, 34: ‚Quid veremur?‘, inquiunt, ‚ecce aqua: quis nos baptizari prohibet? Et hoc baptisma est, quo peccata donantur, regna quaeruntur. Et hoc baptisma est, post quod nemo delinquit. Excipiat nos aqua, quae regenerare consuevit, excipiat nos aqua, quae virgines facit, excipiat nos aqua, quae caelum aperit, infirmos tegit, mortem abscondit, martyres reddit. Te, rerum conditor, precamur, deus, ne exanimata spiritu corpora vel unda dispergat, ne mors separet funera, quarum vita non separavit affectus. Sit una constantia, una mors, una etiam sepultura‘. 428 Der Tod in den Fluten eines Flusses dient häufig dieser Symbolik; vgl. etwa Greg. Tur. Franc. 1, 35 und Prud. perist. 7 (Quirinus) und die schon oben erwähnte Nonne von Tabenna in Pallad. hist. mon. 33. Die Kritik Gregors von Nazianz (or. 5, 14) am Wunsch Kaiser Julians, ins Wasser zu gehen und dadurch Ruhm zu erlangen, ist vielleicht derselben Symbolik geschuldet; vgl. dazu u. S. 162. 429 Ambr. epist. 7 (Maur. 37), 38: Quid autem sublimius sancta Pelagia, quae vallata a persecutoribus, priusquam tamen in eorum conspectum veniret, aiebat: ‚Volens morior, nemo me continget manu‘, nemo oculo protervo violabit, virginem, mecum feram pudorem, mecum incolumem verecundiam, nullum praedones lucrum suae capient insolentiae. Pelagia Christum sequitur, libertatem nemo auferet, nemo captivam videbit liberam fidem insignemque pudicitiam et prosapiam prudentiae. Quod servum est, hic manebit, nullos in usus debitum. Magna igitur piae virginitatis libertas, quae saepta agminibus persecutorum inter maxima pericula integritatis et vitae nequaquam inclinata est. Vgl. Joh 10, 18: Nemo tollit eam [vitam] a me, sed ego pono eam a meipso und A. PETTERSEN, VChr 41, 1987, 140f., der diese Stelle mit der Todesschilderung Perpetuas in Beziehung setzt, vgl. o. S. 121. m. Anm. 400. 430 Joh. Chrys. pan. Pelag. Ant. 1: Εὐλογητὸς ὁ Θεός· καὶ γυναῖκες θανάτου λοιπὸν καταπαίζουσι, καὶ κόραι καταγελῶσι τελευτῆς, καὶ παρθένοι κομιδῇ νέαι καὶ ἀπειρόγαμοι εἰς αὐτὰ σκιρτῶσι τοῦ ᾅδου τὰ κέντρα, καὶ οὐδὲν πάσχουσι δεινόν. Ταῦτα δὴ πάντα διὰ τὸν ἐκ παρθένου Χριστὸν γέγονεν ἡμῖν τὰ ἀγαθά· μετὰ γὰρ τὰς μακαρίας ὠδῖνας ἐκείνας, καὶ τὸν φρικωδέστατον τόκον ἐξελύθη τοῦ θανάτου τὰ νεῦρα, παρελύθη ἡ τοῦ διαβόλου δύναμις, καὶ λοιπὸν οὐκ ἀνδράσι μόνον, ἀλλὰ καὶ γυναιξὶν εὐκαταφρόνητος γέγονε, καὶ οὐ γυναιξὶ μόνον, ἀλλὰ καὶ κόραις. Καθάπερ γάρ τις ποιμὴν ἄριστος λέοντα ἐκφοβοῦντα τὰ
2. Persecutiones: Märtyrer oder Selbstmörder?
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pazen zu entfliehen, sondern um die Krone der Jungfräulichkeit nicht zu zerstören. Hätte sie ihre Jungfräulichkeit bewahren und zugleich auch die Märtyrerkrone erlangen können, indem sie wie die anderen Christen vor Gericht ging und dort ihren Mut zur Schau stellte, hätte sie dies sicher getan. Da aber beides zugleich nicht möglich war, sei sie nicht bereit gewesen, zu einem Spektakel für gierige Blicke zu werden oder räuberischen Augen die Gelegenheit zu bieten, sich am Anblick ihrer Erscheinung zu ergötzen und diesen heiligen Körper grob zu schänden.431 Man müsse Pelagia für ihren Mut loben, denn gerade weil sie keine Foltern erlitten hatte, mochte ihr der Tod auch nicht als Befreiung erscheinen. Die Frau, die noch nichts dieser Art erfahren hat, aber einen unberührten Körper besitzt und noch nicht Schmerz erlitten hat, bedarf einer großen und edlen Entschlossenheit, wenn sie sich selbst durch einen gewaltsamen Tod das gegenwärtige Leben nehmen soll.432
Durch eine Täuschung der Soldaten gelang es ihr, sich in den Tod zu stürzen, den Verfall gegen Redlichkeit einzutauschen, den Tod gegen Unsterblichkeit.433 Das Hauptmotiv, mit dem Johannes Chrysostomos die Selbsttötung im Fall Pelagias legitimiert, ist die Hilfe Gottes bzw. seine Präsenz bei dem Ereignis. Gottes Einfluß auf den Sturz der Jungfrau wird die gesamte Homilie hindurch betont.
θρέμματα καὶ τῇ ποίμνῃ πάσῃ λυμαινόμενον λαβὼν, καὶ τοὺς ὀδόντας ἐκκόψας, καὶ τοὺς ὄνυχας ἐκτεμὼν, καὶ τὴν κόμην ἀποκείρας, εὐκαταφρόνητον καὶ καταγέλαστον ποιεῖ, καὶ παιδίοις ποιμενικοῖς καὶ κόραις παραδίδωσι καταπαίζειν λοιπόν· οὕτω δὴ καὶ ὁ Χριςτὸς τὸν θάνατον φοβερὸν ὄντα τῇ φύσει τῇ ἡμετέρᾳ καὶ φοβοῦντα τὸ γένος ἡμῶν ἅπαν λαβὼν, καὶ τὸν φόβον αὐτοῦ διαλύσας ἅπαντα παρέδωκεν, ὥστε καὶ παρθένους καταπαίζειν αὐτοῦ. Διὰ τοῦτο καὶ ἡ μακαρία Πελαγία μετὰ τοσαύτης ἐπ᾿ αὐτὸν ἔδραμεν ἡδονῆς ὡς μηδὲ ἀναμεῖναι δημίων χεῖρας, μηδὲ εἰς δικαστήριον εἰσελθεῖν, ἀλλὰ τῇ τῆς οἰκείας προθυμίας ὑπερβολῇ φθάσαι τὴν ἐκείνων ὠμότητα. 431 Joh. Chrys. pan. Pelag. Ant. 1: Παρεσκεύαστο μὲν γὰρ καὶ πρὸς βασάνους, καὶ κολαστήρια, καὶ ἅπαν τιμωριῶν εἶδος, ἀλλ᾿ ἐδεδοίκει, μὴ τὸν τῆς παρθενίας ἀπολέσῃ στέφανον. Καὶ ἵνα μάθῃς ὅτι τὴν τῶν ἀσεβῶν ἀσέλγειαν ἐδεδοίκει, προλαμβάνει, καὶ τῆς ἀσχήμονος ὕβρεως ἑαυτὴν προεξαρπάζει· ὃ ἀνθρώπων οὐδεὶς οὐδέποτε τοιοῦτον οὐδὲν ἐπεχείρησεν, ἀλλ᾿ ἠκολούθησαν ἅπαντες εἰς τὸ δικαστήριον, κἀκεῖ τὴν ἀνδρείαν ἐπεδείξαντο· γυναῖκες δὲ διὰ τὸ τῆς φύσεως εὐεπηρέαστον, τοῦτον ἐπενόησαν ἑαυταῖς τὸν τρόπον τῆς τελευτῆς. Εἰ μὲν γὰρ ἦν καὶ τὴν παρθενίαν διασώσασθαι, καὶ τῶν τοῦ μαρτυρίου στεφάνων ἐπιτυχεῖν, οὐκ ἂν παρῃτήσατο τὴν εἰς τὸ δικαστήριον εἴσοδον· ἐπειδὴ δὲ ἀνάγκη θατέρου πάντως ἦν ἐκπεσεῖν, ἐσχάτης ἐνόμιζεν εἶναι ἀνοίας, παρὸν ἑκατέρας αὐτῇ τῆς νίκης ἐπιτυχεῖν, ἐξ ἡμισείας στεφανωθεῖσαν ἀπελθεῖν. Διὰ τοῦτο οὐκ ἠθέλησεν εἰς τὸ δικαστήριον ἀπελθεῖν, οὐδὲ γενέσθαι θέατρον ἀκολάστοις ὀφθαλμοῖς, οὐδὲ παρασχεῖν ἀσελγέσιν ὄμμασιν ἐντρυφῆσαι τῇ τῆς οἰκείας ὄψεως θεωρίᾳ, καὶ τὸ ἅγιον ἐκεῖνο καθυβρίσαι σῶμα· ἀλλ᾿ ἀπὸ τοῦ θαλάμου καὶ τῆς γυναικωνίτιδος ἐφ᾿ ἕτερον ἦλθε θάλαμον, τὸν οὐρανόν. 432 Joh. Chrys. pan. Pelag. Ant. 1: [...] ἡ δὲ μηδὲν μηδέπω παθοῦσα τοιοῦτον, ἀλλὰ ἀκέραιον ἔτι τὸ σῶμα ἔχουσα, καὶ μηδεμιᾶς ὀδύνης αἰσθομένη μηδέπω, μεγάλου τινὸς καὶ γενναίου φρονήματος δεῖται, εἰ μέλλοι βιαίῳ θανάτῳ τῆς παρούσης ἑαυτὴν ἐξάγειν ζωῆς. ῞Ωστε ὅταν θαυμάζῃς ἐκείνους τῆς καρτερίας, θαύμασον ταύτην τῆς ἀνδρείας· ὅταν ἐκπλαγῇς ἐκείνους ὑπὲρ τῆς ὑπομονῆς ἐκπλάγηθι καὶ ταύτην ὑπὲρ τοῦ γενναίου φρονήματος ὅτι κατετόλμησε τελευτῆς τοιαύτης. 433 Das Motiv von der Täuschung der Wächter erscheint wiederholt auch bei Euseb, vgl. Eus. h.e. 8, 12, 4; 8, 14, 17 (o. S. 127, Anm. 418f.).
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Ihr Entschluß und ihre Kraft, diesen in nur einem Moment auszuführen,434 sowie der Umstand, daß die Tat überhaupt gelang, seien auf die Hilfe Gottes zurückzuführen: Es scheint, daß viele Frauen sich von einer Klippe stürzen oder ins Meer gehen oder mit einem Schwert ihre Brust durchbohren oder sich erhängen. Diese Zeit war voll von zahlreichen Tragödien dieser Art. Aber Gott blendete die Herzen der Soldaten, so daß sie die Täuschung nicht bemerkten.435
Die Art des Todes, Pelagias Sturz vom Dach ihres Hauses konnte offenbar nicht ohne weiteres als tugendhaftes Ende angesehen. Das zeigt sich vor allem darin, daß der Vorgang selbst fast nirgends konkret ausgesprochen und das Ereignis stets mit entsprechenden Metaphern umschrieben wird.436 Zudem erklärt Johannes (an der einzigen Stelle, die den Sturz vom Dach expressiv verbis nennt), daß gerade anhand der Art ihres Todes Gottes Wirken zu erkennen sei: Viele, die von einem hohen Dach fielen, ist nichts Schlimmes passiert; andere haben noch lange nach dem Sturz gelebt. Aber im Fall der heiligen Jungfrau erlaubte Gott keine dieser Möglichkeiten. Im Gegenteil, er befahl dem Körper, die Seele sofort freizulassen, indem er sie aufnahm als eine, die genug Todesqual erduldet und alles vollendet hatte. Der Tod wurde nämlich nicht durch den Sturz verursacht, sondern durch Gottes Befehl.437
Damit begründet Chrysostomos, daß der Tod der Pelagia eben kein Suizid, sondern ein wahres Martyrium gewesen sei, denn er erfolgte mit und durch Gottes 434 Joh. Chrys. pan. Pelag. Ant. 1: τὸ δὲ εἰς πέρας ἅπαντα ταῦτα ἐλθεῖν, τῆς τοῦ Θεοῦ βοηθείας ἐγίγνετο καὶ τῆς ἄνωθεν εὐνοίας· ὥστε καὶ θαυμάζειν αὐτὴν καὶ μακαρίζειν ἄξιον· μακαρίζειν μὲν ὑπὲρ τῆς τοῦ Θεοῦ συμμαχίας, θαυμάζειν δὲ ὑπὲρ τῆς οἰκείας προθυμίας. 435 Joh. Chrys. pan. Pelag. Ant. 2: [...] πολλαὶ γὰρ ἴσως καὶ εἰς κρημνὸν ἑαυτὰς ἀφῆκαν, καὶ εἰς πέλαγος ἔῤῥιψαν, καὶ ξίφος διὰ τοῦ στήθους ἤλασαν, καὶ βρόχον ἀνῆψαν, καὶ πολλῶν τοιούτων δραμάτων ὁ καιρὸς ἔγεμεν ἐκεῖνος· ἀλλ᾿ ὁ Θεὸς τὴν καρδίαν αὐτῶν ἐτύφλωσεν, ὥστε μὴ συνιδεῖν τὸν δόλον. Vgl. auch ebd. 3: Καὶ ἵνα μάθῃς ὅτι οὐκ ἀθεεὶ ταῦτα ἐγίγνετο, μάλιστα μὲν καὶ ἐξ αὐτοῦ τοῦ παραστήματος τῆς προθυμίας δῆλον, καὶ τοῦ μὴ συνιδεῖν τοὺς στρατιώτας τὸν δόλον, καὶ τοῦ δοῦναι τὴν χάριν, καὶ τοῦ πρὸς τέλος τὸ ἔργον ἐλθεῖν. 436 Während die Täuschung der Soldaten konkret wiedergegeben wird, vergleicht Johannes die Selbsttötung der Pelagia mit der Flucht des Wildes vor den Jägern, sie rannte auf die „Zinnen des Himmels“, wo es für die Jäger unmöglich war, sie weiter zu verfolgen, Joh. Chrys. pan. Pelag. Ant. 2: καὶ καθάπερ ἔλαφος εἰς αὐτὰς τῶν θηρατῶν ἐμπεσοῦσα τὰς χεῖρας, εἶτα ἐκεῖθεν διαφυγοῦσα πρὸς κορυφὴν ὄρους δύσβατον καὶ ποσὶ θηρατῶν καὶ ἀφέσει βελῶν ἀνέφικτον, ἵσταται τοῦ δρόμου λοιπὸν, καθορῶσα μετὰ ἀδεῖας τοὺς ἐπιβουλεύσαντας αὐτῇ πρότερον· οὕτω δὴ καὶ αὕτη εἰς αὐτὰς τῶν θηρατῶν ἐμπεσοῦσα τὰς χεῖρας, καὶ καθάπερ δικτύοις τοῖς τοίχοις ἔνδον ἐναπειλημμένη, ἀνέδραμεν οὐκ εἰς ὄρους κορυφὴν, ἀλλ᾿ εἰς αὐτὴν τοῦ οὐρανοῦ τὴν κορυφὴν, ἔνθα λοιπὸν οὐκ αὐτοὺς ἔτι προσελθεῖν δυνατὸν ἦν. 437 Joh. Chrys. pan. Pelag. Ant. 3: Πολλοὶ γοῦν ἐξ ὑψηλοῦ κατενεχθέντες στέγους, οὐδὲν ἔπαθον δεινόν· καὶ ἕτεροι δὲ πάλιν μέλη τινὰ τοῦ σώματος πηρωθέντες, πολὺν μετὰ τὸ πτῶμα ἐπέζησαν χρόνον· ἐπὶ δὲ τῆς μακαρίας ἐκείνης, οὐδὲν τούτων ἀφῆκεν ὁ Θεὸς συμβῆναι, ἀλλ᾿ εὐθέως ἐκέλευσεν ἀφεῖναι τὸ σῶμα τὴν ψυχὴν, ὡς ἀρκούντως ἀγωνισαμένην δεξάμενος, καὶ τὸ πᾶν πληρώσασαν. Οὐ γὰρ τῆς φύσεως τοῦ πτώματος ὁ θάνατος ἦν, ἀλλὰ τῆς τοῦ Θεοῦ προσταγῆς.
2. Persecutiones: Märtyrer oder Selbstmörder?
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Hilfe. Die offenbare Notwendigkeit einer Rechtfertigung ihrer Todesart wird erst recht daran deutlich, daß Johannes auch den Umstand erklären muß, daß Pelagias toter Körper auf dem Boden der Straße lag: Denn die Beleidigungen, die wir um Christi Willen erhalten, verschaffen uns eine Fülle von Ehren. Daher lag dieser jungfräuliche Körper, reiner als alles Gold, auf dem Pflaster, auf der Straße.438
Pelagia ist demnach eine wahre Märtyrerin, sie trage, so Chrysostomos, zudem ein zweifaches Purpurgewand, das der Jungfräulichkeit, die sie durch ihren Suizid bewahrte, und das des Martyriums, das sie durch die Nachfolge Christi und mit Gottes Hilfe erfüllte. Schließlich ermahnt Johannes seine Zuhörer, dem Beispiel der Märtyrerin durch bescheidenen Lebenswandel nachzufolgen: So wie sie das Leben gering schätzte, sollten die Antiochener den Luxus und die Trunkenheit verachten.439 Diese Ermahnung stellt zusammen mit dem anschließenden Aufruf, Pelagia als Märtyrerin zu verehren, den Abschluß der Predigt dar und zeigt, daß der aktuelle Bezug der Homilie (abgesehen vom wahrscheinlichen Anlaß des Feiertages der Pelagia) offenbar darin besteht, Kritik am lasterhaften und unkeuschen Leben der Antiochener zu üben und sie zur Ausübung der traditionellen Märtyrerfeste zurückzuführen.440 Ambrosius und Johannes Chrysostomos rufen Pelagia als christliches exemplum martyrii auf, um zu enthaltsamem Leben zu ermahnen. In dieser Intention artikuliert sich die wachsende Bedeutung der Askese und Keuschheit ihrer Zeit, die von Hieronymus schließlich in der oben erwähnten Formel auf den Punkt gebracht wird. Eine Generation später trifft Augustinus auf eine noch konkretere Situation. Offenbar waren auch während des Goteneinfalls im Jahre 410 Vergewaltigungen an Frauen verübt worden, was den Kirchenvater dazu veranlaßte, die Frage der Erlaubtheit des Suizids in solchen Fällen erneut zu diskutieren. Wie schon früher ausgeführt wurde, lehnt Augustinus in De civitate Dei den Suizid konsequent ab. Er verurteilt entsprechend alle heidnischen exempla, die ihr Leben mit eigener Hand beendeten, und stellt ihnen die Christinnen gegenüber, die nicht so gehandelt hätten.441 Wie sieht es aber mit dieser Konsequenz im Falle der heiligen Jungfrauen aus?
438 Joh. Chrys. pan. Pelag. Ant. 3: Δι᾿ αὐτὸ μὲν οὖν τοῦτο μάλιστα τὸ κεῖσθαι ἐπὶ ἐδάφους τιμιώτερον ἦν ἐκεῖνο τὸ σῶμα· αἱ γὰρ διὰ τὸν Χριστὸν ὕβρεις πλεονασμὸν ἡμῖν παρέχουσι τιμῆς. ῎Εκειτο τοίνυν ἐπ᾿ ἐδάφους, ἐπὶ τοῦ στενωποῦ τὸ παρθενικὸν ἐκεῖνο καὶ παντὸς χρυσίου καθαρώτερον σῶμα. 439 Joh. Chrys. pan. Pelag. Ant. 3: Μιμησώμεθα τοίνυν αὐτὴν κατὰ δύναμιν τὴν ἡμετέραν κατεφρόνησεν ἐκείνη ζωῆς, καταφρονήσωμεν ἡμεῖς τρυφῆς, καταγελάσωμεν πολυτελείας, ἀποστῶμεν μέθης, ἀδηφαγίαν φύγωμεν. 440 Joh. Chrys. pan. Pelag. Ant. 3: Οὐχ ἁπλῶς ταῦτα λέγω νῦν, ἀλλ᾿ ἐπειδὴ πολλοὺς ὁρῶ, μετὰ τὸ λυθῆναι τὸ πνευματικὸν τοῦτο θέατρον ἐπὶ μέθην καὶ καπηλείαν, καὶ τὰς ἐν πανδοχείοις τραπέζας, καὶ τὴν ἄλλην ἀσχημοσύνην τρέχοντας. Διὰ τοῦτο δέομαι καὶ παρακαλῶ διὰ παντὸς ἐν μνήμῃ καὶ διανοίᾳ τὴν ἁγίαν ταύτην ἔχειν, καὶ μὴ καταισχῦναι τὴν πανήγυριν, μηδὲ τὴν ἐκ τῆς ἑορτῆς ταύτης ἐγγινομένην ἡμῖν παῤῥησίαν ἀφελέσθαι. 441 Aug. civ. 1, 19, s.o. S. 115, Anm. 384.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Wie erwähnt, stellt die Vergewaltigung von Frauen den Rahmen des Suizidexkurses im ersten Buch von De civitate Dei dar. Bereits zu Beginn des Abschnittes weist Augustinus auf die Vergewaltigung gottgeweihter Jungfrauen hin, womit er offenbar auf die Verbrechen der jüngsten Vergangenheit anspielt, und leitet damit seine Überlegungen zum Thema Vergewaltigung und Suizid ein.442 Erst nachdem seine Argumentation abgeschlossen ist, kommt der Kirchenvater auf den historischen Hintergrund zu sprechen: die Diskussion um die von der Kirche bestätigten heiligen Märtyrerinnen, die sich während der Verfolgungszeiten selbst das Leben nahmen. Da er weder seiner vorangegangen Argumentation widersprechen noch das Verhalten der heiligen Jungfrauen als Sünde ablehnen kann, was der Häresie gleichkäme, enthält er sich hier einer Bewertung: „Über sie wage ich kein unbesonnenes Urteil abzugeben.“443 Es bleibt nur, sie zu den schon zuvor erwähnten Ausnahmen zu zählen und ihre Tat als (mit einem Fragezeichen bedachten) Gehorsam gegenüber dem göttlichen Befehl zu bewerten: „Wie wenn sie es getan hätten, nicht von Menschen getäuscht, sondern von Gott geheißen, nicht irrend, sondern gehorsam?“444 Indem er Samson und Abraham, die beide auf Gottes Befehl hin handelten (der eine tötete sich selbst, der andere opferte seinen Sohn), sowie einen Soldaten, der auf Befehl hin töte, anführt, zeigt er Beispiele für solchen Befehlsgehorsam auf.445 Hinsichtlich der Selbsttötung bleibt die Anwesenheit dieses Befehls von oben jedoch für Außenstehende verborgen: Wir können nur urteilen nach dem, was wir hören, ein Urteil über verborgene Dinge dürfen wir uns nicht anmaßen. ‚Niemand weiß, was im Menschen ist, außer des Menschen Geist, der in ihm ist‘.446
Damit wendet Augustinus im Falle der heiligen Jungfrauen dasselbe Prinzip der Innensicht auf die Selbsttötung an, das ihn auch in der Beurteilung der Vergewal442 Aug. civ. 1, 16: Magnum sane crimen se putant obicere Christianis, cum eorum exaggerantes captivitatem addunt etiam stupra commissa, non solum in aliena matrimonia virginesque nupturas, sed etiam in quasdam sanctimoniales. Hic vero non fides, non pietas, non ipsa virtus, quae castitas dicitur, sed nostra potius disputatio inter pudorem atque rationem quibusdam coartatur angustiis. Zur Beziehung zwischen den Verbrechen während der Christenverfolgungen und den Vergewaltigungen während des Goteneinfalls vgl. C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 181f. 443 Aug. civ. 1, 26: Sed quaedam, inquiunt, sanctae feminae tempore persecutionis, ut insectatores suae pudicitiae devitarent, in rapturum atque necaturum se fluvium proiecerunt eoque modo defunctae sunt earumque martyria in catholica ecclesia veneratione celeberrima frequentantur. De his nihil temere audeo iudicare. 444 Aug. civ. 1, 26: Quid si enim hoc fecerunt, non humanitus deceptae, sed divinitus iussae, nec errantes, sed oboedientes? Vgl. die schon zuvor formulierte Ausnahme vom Suizidverbot in Aug. civ. 1, 21, o. S. 57, Anm. 167. 445 Die beiden biblischen Beispiele treten auch schon mit ähnlicher Interpretation in der „Ausnahmeregelung“ in civ. 1, 21 auf, wo sie die Erwähnung in civ. 1, 26 rhetorisch vorbereiten: [...] et Abraham non solum non est culpatus crudelitatis crimine, verum etiam laudatus est nomine pietatis, quod voluit filium nequaquam scelerate, sed oboedienter occidere; [...] nec Samson aliter excusatur, quod se ipsum cum hostibus ruina domus oppressit, nisi quia Spiritus latenter hoc iusserat, qui per illum miracula faciebat [...]. 446 Aug. civ. 1, 26 (s.o. S. 56, Anm. 166).
2. Persecutiones: Märtyrer oder Selbstmörder?
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tigungsproblematik leitete.447 Wenn die Märtyrerinnen das Suizidverbot verletzt haben, dann muß das darauf zurückzuführen sein, daß sie eine Anweisung von Gott erhalten haben, und zwar von jenem deus in nobis, der nach dem PaulusWort allein dem menschlichen Geist offenbar wird: Nemo scit quid agatur in homine nisi spiritus hominis, qui in ipso est.448 Die Abwägung zwischen körperlicher Schändung und Selbsttötung läuft nach der Argumentation des Augustinus darauf hinaus, daß das Erdulden einer Gewalttat der Sünde, die durch den Suizid erfolgt, vorzuziehen sei, womit er sich von den bisherigen Stimmen zur Problematik unterscheidet. Maßgeblich ist dabei die augustinische ‚Innensicht‘, die es erlaubt, den Verlust der körperlichen Keuschheit als nichtig anzusehen, solange die Reinheit der Gesinnung nicht beeinträchtigt ist: Wir wollen mehr fürchten, daß die innere Gesinnung verdorben werde und so die Reinheit des Glaubens verloren gehe, als daß Frauen am Leibe geschändet werden. Denn durch eine Gewalttat wird die Keuschheit nicht verletzt, wenn sie im Herzen bewahrt wird; ja selbst die leibliche Keuschheit wird nicht verletzt, wenn eine Person, die so etwas erleidet, nicht mit eigenem Willen ihren Leib in schändlicher Weise mißbraucht, sondern ohne Einwilligung erduldet, was eine andere Person tut.449
Indem er die christliche Keuschheit ins geistige Innere verlegt, kann Augustinus auch in Hinsicht auf Notsituationen auf dem Suizidverbot beharren. Damit wendet er sich nicht nur gegen die heidnische Tradition, die ein Verhalten gleich der Lucretia von den Frauen forderte, sondern relativiert auch das dieser Tradition folgende Lob der heiligen Jungfrauen unter seinen christlichen Zeitgenossen. Die Heiligen, die sich selbst das Leben nahmen, kann Augustinus freilich nicht wie die heidnischen Exempla einer begangenen Sünde bezichtigen, so daß er ihre Tat auf eine Weisung Gottes zurückführt. In dieser Hinsicht argumentiert er ähnlich wie Johannes Chrysostomos im Falle der Pelagia. Ein Unterschied liegt jedoch in der Betonung Augustins, mit der er auf die Verborgenheit eines göttlichen Befehls und dessen innere Wirksamkeit hinweist, während Gott bei Johannes „äußerlich“ wirkt: er blendet die Soldaten und führt den körperlichen Tod herbei. Um diese Weisung, die für Außenstehende nicht sichtbar ist, wissen Augustinus zufolge nur die Heiligen selbst und die Kirche, die möglicherweise aufgrund würdiger Zeugnisse zur Feier ihres Andenkens veranlaßt wurde.450 Augustinus legitimiert das Verhalten der Jungfrauen allein mit dem Kriterium der Unwissenheit über Gottes Willen und vermeidet gleichzeitig, sie expressis verbis als Märtyre447 Vgl. o. S. 58, Anm. 173 u. angewendet auf Lucretia o. S. 114. 448 Aug. civ. 1, 26 (S. 56, Anm. 166); vgl. 1 Kor 2, 11 und dazu schon o. S. 56. 58; sowie zum deus in nobis bei Cicero o. S. 30f. 449 Aug. ep. 228, 7: [...] magis timeamus, ne sensu interiore corrupto pereat castitas fidei, quam ne feminae violenter constuprentur in carne, qua violentia non violatur pudicitia, si mente servatur, quoniam nec in carne violatur, quando voluntas patientis sua turpiter carne non utitur, sed sine consensione tolerat, quod alius operatur; [...]. Übers. v. A. HOFFMANN, in: BKV2 30. 450 Aug. civ. 1, 26: Utrum enim ecclesiae aliquibus fide dignis testificationibus, ut earum memoriam sic honoret, divina persuaserit auctoritas, nescio; et fieri potest ut ita sit.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
rinnen zu bezeichnen,451 was Ambrosius und Chrysostomos im Falle der Pelagia deutlich zum Ausdruck gebracht hatten. Augustinus nimmt damit gegenüber den Jungfrauen gerade noch die Distanz ein, die, ohne der Häresie verdächtige Kritik zu üben, möglich ist. Auffälligerweise verwendet Augustinus zur Legitimation der heiligen Jungfrauen nicht das Kriterium der causa iusta, das er zur Unterscheidung der wahren und falschen Märtyrer stets heranzieht. Die Auslassung dieses Arguments läßt sich wohl damit erklären, daß er als causa iusta im Falle der Jungfrauen ihre Bewahrung der Keuschheit hätte anführen müssen. Diese aber als legitimen Grund für ihren Suizid anzuerkennen, hätte Augustins gesamte Argumentation zu Vergewaltigung und Suizid im ersten Buch von De civitate Dei ad absurdum geführt, da er ja zuvor schon argumentiert hatte, daß die Heiligkeit des Leibes bei unfreiwilliger Schändung nicht verlorengehe, und damit etwa der Suizid der Lucretia nicht gerechtfertigt sei.452 Das „loophole“453 der göttlichen Weisung, durch die der Suizid der Jungfrauen eine Legitimation erfährt, entspringt damit zuerst einem argumentativen Dilemma: auf der einen Seite ist es aufgrund der augustinischen Argumentation notwendig, die Bewahrung der Keuschheit als causa iusta für die Selbsttötung der Jungfrauen abzulehnen, auf der anderen Seite ist es ihm unmöglich, die von der Kirche approbierten Märtyrerinnen als Selbstmörderinnen zu diffamieren. 2.3 Martyres falsi: Die Donatisten Im folgenden sollen uns weiterhin vorwiegend Texte des Augustinus beschäftigen. Seine Äußerungen zum Suizid stehen zum Großteil nicht im Themenkomplex der Keuschheit, sondern werden im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Donatismus formuliert, jener schismatischen Bewegung, die sich nach den letzten großen Christenverfolgungen zu Beginn des 4. Jahrhunderts in Nordafrika herausgebildet hatte und über ein Jahrhundert maßgeblichen Einfluß auf die afrikanische Kirche nahm.454 Der Grund für die Thematisierung der Selbsttötung im Kontext der Donatisten liegt in deren allgemeinem Drang zum Martyrium, der sich anhand der Rezeption des Christentums in Nordafrika erklären läßt, wo be451 Von einem Martyrium der Jungfrauen spricht er nur in Hinblick darauf, daß die Kirche sie als Märtyrer feiere, womit er sie freilich zugleich ausdrücklich anerkennt; vgl. Aug. civ. 1, 26: [...] eoque modo defunctae sunt earumque martyria in catholica ecclesia veneratione celeberrima frequentantur. 452 Vgl. Aug. civ. 1, 18: Absit hic error et hinc potius admoneamur ita non amitti corporis sanctitatem manente animi sanctitate etiam corpore oppresso, sicut amittitur et corporis sanctitas violata animi sanctitate etiam corpore intacto. Quam ob rem non habet quod in se morte spontanea puniat femina sine ulla sua consensione violenter oppressa et alieno conpressa peccato; quanto minus antequam hoc fiat! Ne admittantur homicidium certum, cum ipsum flagitium, quamvis alienum, adhuc pendet incertum. 453 Vgl. o. S. 26. 454 Zur Geschichte der donatistischen Bewegung vgl. v.a. ausführlich W.H.C. FREND, The Donatist Church; J.-P. BRISSON, Autonomisme; E. TENGSTRÖM, Donatisten und Katholiken.
2. Persecutiones: Märtyrer oder Selbstmörder?
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sonderer Wert auf die Selbstheiligung durch Askese und durch Martyrium gelegt wurde.455 Neben den Märtyrern der großen Christenverfolgungen, die in donatistisch gefärbten Märtyrerberichten besonders herausgestellt wurden,456 feierten die Donatisten auch die Opfer aus ihren eigenen Reihen als Märtyrer. Die Passio Marculi berichtet von der Verfolgung des donatistischen Bischofs Marculus, der nach dem Verbannungsedikt des Constans im Jahre 347 von den Soldaten der kaiserlichen Gesandten Macarius und Paulus von einer Klippe gestürzt worden sei und in der Folgezeit von den Donatisten als Märtyrer gefeiert wurde.457 Bemer455 Zum Märtyrerkult in Nordafrika vgl. u.a. W.H.C. FREND, in: T. KLAUSER (Hg.), Jenseitsvorstellungen, 154–167; DERS., in: A.H. MERILLS (ed.), Vandals, Romans and Berbers, 259–269; zur Entwicklung des donatistischen Selbstverständnisses vgl. v.a. M.A. TILLEY, JECS 5, 1997, 21–35. 456 Zu den donatistischen Märtyrerakten vgl. P. MASTANDREA, AnBoll 113, 1995, 39–88 (bes. zur Passio Marculi und zur Passio Isaac et Maximiani); M.A. TILLEY, in: Donatist Martyr Stories, bes. XI–XXXVI; L. GRIG, Making Martyrs, 36. 47–51. Bei der Episode um Secunda, die sich der Passio Maximae, Donatillae et Secundae zufolge von einem Balkon stürzte, um der Ehe zu entgehen und Maxima und Donatilla im Martyrium zu folgen (Pass. Maximae 4), handelt es sich offenbar um eine donatistische Schilderung, vgl. H. DELEHAYE, AnBoll 54, 1936, 298–300, der die Secunda-Geschichte für eine spätere Hinzufügung zum Zwecke der donatistischen Propaganda hält. Auch von Victoria, die sich von einem Felsen stürzte, um der Ehe zu entgehen (Pass. Abit. 17), gibt es eine donatistische und eine (spätere) katholische Version, deren Abweichungen allerdings gering sind. Der karthagische Bischof Cyprian, der 258 den Märtyrertod erlangte und auf dessen Haltung zur Häretikertaufe und zur Wiederaufnahme der „Gefallenen“ (vgl. v.a. Cypr. de lapsis) sich die Donatisten beriefen, erfuhr von Donatisten wie von Katholiken besondere Verehrung (zur Haltung Cyprians zum ‚freiwilligen‘ Martyrium vgl. o. S. 46f.); vgl. Aug. s. 313E (MiAg 1, 28), der die Verehrung Cyprians durch die Donatisten zurückweist, bes. s. 313E, 2: Hac fide plenus erat sanctus Cyprianus: hac fide implentur non falsi sed veri Christiani, qui ex toto corde et fide inconcussa deo credunt. Haeretici autem et Donatistae, qui se ad Cyprianum falso iactant pertinere, si episcopatum eius attenderent, non se separarent; si martyrium, non se praecipitarent. Non est omnino discipulus Christi, non est comes Cypriani, haereticus in haeresi separatus, aut Donatista in morte praecipitatus. 457 Pass. Marcul. 12: Tunc immanissimus carnifex, qui, duplici crudelitate et praecipitio armatus et ferro, geminam mortem gestabat in manibus, crudeli dextera in praeceps impulit martyrem et eum in taetrum chaos demersisse credidit cui caelorum sublimitas debebatur. Sed enim sacrosanctum corpus, terrae soliditate subducta, a celsitudine ad ima descendens per vacua liquidi aeris spatia ferebatur neque quicquam offensionis in illa inanitate reperiens velocitatem sui cursus ipso impetu duplicabat. Qua pernicitate itineris spatio vertigo nutrita est inter commoti aeris concitos strepitus. Tanta divinitus moderatio procurata est ut immunia cunctis asperitatibus membra supra ispam saxorum duritiam, velut super mollissimos toros ac sinus placidissimos ponerentur. Tunc victrix anima naturali cursu velocius caelum petit quam descenderat corpus ad terram ut scilicet, passione perfecta, utraque substantia antiquissimis originis suae principiis redderetur, omnipotentis dei manibus circa totum martyrem suum clementer operantibus, qui et spiritum eius, adiuvantibus angelis, ad aeternas sedes iussit imponi et corpus intactum, auris blandientibus cinctum, a famulantibus ventis leniter supportatum, in media petrarum crepidine collocari. Zur Verehrung des Marculus unter den Donatisten vgl. die Darstellung in Pass. Marcul. 13–16; ferner auch Aug. c. litt. Pet. 2, 14 , 32, dem zufolge die Donatisten Marculus und Donatus Propheten nannten: [...] attendite, quanto labore impenso nullo modo probaturi sitis, quod Donatus et Marculus prophetae fuerint aut sapientes aut scribae, quia non fuerunt. Zur Passio Marculi und der Bedeutung des Marculus für die
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
kenswert ist, daß von katholischer Seite das Gerücht in Umlauf gebracht wurde, Marculus habe sich selbst von der Klippe gestürzt.458 Darin zeigt sich nicht nur die offenbar vorhandene Erklärungsnot von katholischer Seite, eine innerchristliche Verfolgung, die nicht nur die Verbannung der Schismatiker, sondern auch ihren Tod zur Folge hatte, zu rechtfertigen, sondern auch eine Parallele zu den paganen Christenverfolgern, die in der Todesbereitschaft der Märtyrer nichts anderes als wahnhaften Suizid sehen konnten.459 Heftige Kritik erfährt die donatistische Martyriumsbereitschaft vor allem durch Augustinus, der gerade die besonders gewaltbereiten Anhänger der Donatisten, die Circumcellionen, für ihre Suizidsuche verurteilt.460 Sie hätten pagane Kultfeste gestört, mit der Absicht, ihre Donatisten vgl. L. GRIG, Making Martyrs, 54–58. Der Märtyrerkult für Marculus ist auch archäologisch belegt: In einer offenbar donatistischen Basilika in Vegesela (heute Ksar-elKelb) fand man die Inschrift (AE 1935, 121): Memoria do/mni Marchuli, vgl. dazu P. CAYREL, MAH 51, 1934, 133–136; H. DELEHAYE, AnBoll 53, 1935, 81–89; Y. DUVAL, Loca sanctorum, 1, 158–160. 2, 705; V. SAXER, Afrique latine, in: Hagiographies 1, 68–70. 458 Vgl. Aug. Cresc. 3, 49, 54: [...] nam de Marculo quod se ipse praecipitaverit audivi. quod profecto est credibilius quam hoc aliquam potestatem Romanam iubere potuisse Romanis legibus nimis insolitum, cum hoc malum inter tot haereses sub christiano vocabulo errantes proprium sit haeresis vestrae. unde quid prodest, quod conciliis suis hoc vestri episcopi prohibuisse et damnasse se iactant, sicut ipse commemorasti, cum tot rupes et abrupta saxorum ex Marculiano illo magisterio cotidie funestentur? dixi ergo, quid de Marculo audierim et unde hoc credibilius possit videri, quid autem verum sit deus noverit. Ähnlich auch Aug. Io. eu. tr. 11, 15: Proferunt nobis nescio quos in persecutione suos martyres. Ecce Marculus de petra praecipitatus est! Ecce Donatus bagaiensis in puteum missus est! Quando potestates romanae talia supplicia decreverunt, ut praecipitarentur homines? quid autem respondent nostri? Quid sit gestum nescio; tamen quid tradunt nostri? Quia ipsi se praecipitaverunt; et potestates infamaverunt. Dicunt nostri illos se praecipitasse; si non sunt ipsi discipuli ipsorum qui se modo de saxis nullo persequente praecipitant, non credamus; [...]. Vgl. auch Optat. c. Parm. 3, 6, 1: [...] et ex ipsis nominibus contra unitatem inconsiderate rabida latrat invidia et aspernantes aliqui accusandam aut fugiendam aestimant unitatem, quod Marculus et Donatus dicantur occisi et mortui. Die Bestimmung des Konzils von Karthago gegen diejenigen Märtyrer, die sich im Wahn in den Tod stürzten (insania praecipitatos), nur ein Jahr nach dem Tod des Marculus, steht offenbar in diesem Zusammenhang; vgl. Conc. Carth. I, can. 2 (o. S. 75, Anm. 236). Vgl. dazu M. GADDIS, Religious Violence, 109f.; L. GRIG, Making Martyrs, 57f. 459 Vgl. v.a. Tert. Scap. 5, 1, dazu oben S. 122f. m. Anm. 405. 460 Zur Gewaltbereitschaft der Circumcellionen vgl. u.a. Aug. ep. 88, 8: Non solum autem non fecistis, sed peiora mala nobis vestri nunc faciunt. Non tantum nos fustibus quassant ferroque concidunt, verum etiam in oculos exstinguendos calcem mixto aceto incredibili excogitatione sceleris mittunt. Domus nostras insuper compilantes arma sibi ingentia et terribilia fabricarunt, quibus armati per diversa discurrunt comminantes atque anhelantes caedes rapinas incendia caecitates. [...] Vivunt ut latrones, moriuntur ut Circumcelliones, honorantur ut martyres; et tamen nec latrones aliquando audivimus eos, quos depraedati sunt excaecasse; occisos auferunt luci, non vivis auferunt lucem. c. Don. 17, 22: [...] nam quanta mala nostris fecerint furiosissimi clerici et Circumcelliones partis Donati, nostis et vos. incensae sunt ecclesiae, missi in flammas codices sancti, incensae etiam privatae domus, rapti homines de sedibus suis. Ihre Suizidbereitschaft und Selbststilisierung zu Märtyrern kritisiert Augustinus häufig, ausführlich etwa Aug. correct. (ep. 185) 11–15; haer. 69, 4: Ad hanc haeresim in Africa et illi pertinent qui appellantur Circumcelliones, genus hominum agreste et famosissimae audaciae, non solum in alios immania facinora perpetrando, sed nec sibi eadem insana feritate
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Tötung zu provozieren, um als Märtyrer verehrt zu werden.461 Das Bild, das uns von den Circumcellionen überliefert wird, ist leider nur einseitig aus katholischer Sicht nachzuvollziehen, so daß die Einordnung ihrer Verhaltensweisen wie auch die Bewertung ihrer Todessuche als „ritueller Selbstmord“ schwierig ist. Einerseits kann man die Quellen diesbezüglich nicht allein auf katholische Polemik zurückführen, denn es erscheint naheliegend, daß die starke Betonung des Martyriums von Außenstehenden durchaus als Suizid aufgefaßt werden mußte (wie auch schon die heidnische Reaktion auf die christlichen Märtyrer zeigt).462 Andererseits liefert uns selbst die katholische Darstellung der Donatisten nirgends ein Beispiel eines „echten“ Suizids. Ihre aktive Beteiligung am Tod beschränkt sich stets auf die Provokation ihrer Verfolger oder auf die Androhung der Selbsttötung für den Fall, daß sie zum Glaubensabfall gezwungen werden sollten.463 Diese Problematik parcendo. Nam per mortes varias, maximeque praecipitiorum et aquarum et ignium, seipsos necare consuerunt, et in istum furorem alios quos potuerint sexus utriusque seducere, aliquando ut occidantur ab aliis, mortem, nisi fecerint, comminantes. Vgl. auch Aug. c. litt. Pet. 2, 84, 184, wo er den Donatisten vorwirft: [...] cum vivatis ut latrones, mori vos iactatis ut martyres. Vgl. auch Filastr. 57 (85), 1f.: Alii sunt in Africa Circuitores qui ita dicuntur. Hi circumeunt terram, et quos inveniunt in via, cogunt eos ut interficiantur ab illis, dicentes se desidare pati martyrium, et sub causa hac multi latro cinantur interdum. Quidam autem ex his veluti biothanati moriuntur sese dantes ad praecipitium, diversumque subeunt calamitatis interitum. Qui cum sine causa perire ita properant, honestae mortis sustinent detrimenta, et iudicio dei futuro se potius inplicant quam solunt. Optat. c. Parm. 3, 4, 8: Sic invenit Donatus Bagaiensis unde contra Macarium furiosam conduceret turbam. Ex ipso genere fuerant qui sibi percussores sub cupiditate falsi martyrii in suam perniciem conducebant. Inde etiam illi qui ex altorum montium cacuminibus viles animas proicientes se praecipites dabant. Zu den Circumcellionen, deren Identifizierung und Charakterisierung seit langem diskutiert wird, vgl. ferner W.H.C. FREND, The Donatist Church, bes. 172–177; M. OVERBECK, Chiron 3, 1973, 457–563; G. GOTTLIEB, AHC 10, 1978, 1–15; M.-J. CONGAR, in: BAug 28, 32–37; C. LEPELLEY, in: DERS., Aspects de l’Afrique Romaine, 161–175; J.E. ATKINSON, Historia 41, 1992, 488–499; C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, 123–140; M. GADDIS, Religious Violence, 111–119; B.D. SHAW, in: A.H. MERILLS (ed.), Vandals, Romans and Berbers, 227– 258; B.D. SHAW, in: H.A. DRAKE (ed.), Violence in Late Antiquity, 179–196. 461 Aug. correct. (ep. 185) 12: [...] maxime, quando adhuc cultus fuerat idolorum, ad paganorum celeberrimas sollemnitates ingentia turbarum agmina veniebant, non ut idola frangerent, sed ut interficerentur a cultoribus idolorum. nam illud si accepta legitima potestate facere vellent, si quid eis accidisset, possent habere qualemcumque umbram nominis martyrum; sed ad hoc solum veniebant, ut integris idolis ipsi perimerentur; nam singuli quique valentissimi iuvenes cultores idolorum, quot quis occideret, ipsis idolis vovere consueverant. Vgl. dazu C. LEPELLEY, in: DERS., Aspects de l’Afrique Romaine, 161–175, der die paganen Kulte als die iuvenalia und die Waffenträger, welche die Circumcellionen töten, als Angehörige der Gemeinschaft der iuvenes identifiziert. Mit Recht weist LEPELLEY auch darauf hin, daß sich diese Art des provozierten Suizids an das Martyrium annähere, da die Opfer der heidnischen Christenverfolger häufig im Verlauf religiöser Zeremonien getötet wurden (ebd. 165). 462 Vgl. M. GADDIS, Religious Violence, 112, der diesbezüglich C. BUTTERWECK, Martyriumssucht, 123–140 kritisiert, welche die Berichte über Suizide der Circumcellionen allein auf eine Erfindung katholischer Polemik zurückführt. 463 Vgl. M. GADDIS, Religious Violence, 114f.: „All of the Donatist ‚suicides‘ known to us in any individual detail were people who either expected that they would be killed anyway, or saw death as the only alternative to forced apostasy. Circumcellions who jumped from cliffs or
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
zeigt, welche Bedeutung es für beide Seiten gehabt haben muß, eine Abgrenzung von Martyrium und Suizid herzustellen. Daß Augustinus in seinem literarischen Kampf gegen die Donatisten deren Martyrium nicht als solches anerkennt, verwundert nicht. Doch zwingt ihn wohl gerade diese Auseinandersetzung, eine genauere Unterscheidung zwischen Martyrium und Selbsttötung zu treffen.464 Sie äußert sich dadurch, daß die wahren Märtyrer von den falschen nicht durch den Grad ihres Leidens, sondern durch den Grund zu unterscheiden seien, welcher der Gerechtigkeit Gottes dienen müsse, martyrem verum causa iusta facit.465 Indem Augustinus diese Argumentation auf die Donatisten anwendet, erreicht er zweierlei: Zum einen verurteilt er ihre Häresie und vor allem den Frevel der besonders gewaltbereiten Circumcellionen. Zum anderen rechtfertigt Augustinus auf diese Weise die Verfolgung der Donatisten, die mit dem Edikt des Honorius im Jahre 405 vom Kaiser legitimiert war, als eine der Kircheneinheit dienende Notwendigkeit.466 Diejenigen, schreibt der Kirchenvater in einem Brief an den Bischof Bonifatius, die sich kaiserlichen Gesetzen widersetzten, die gegen die Wahrheit Gottes gerichtet seien, würden verehrt, diejenigen, die sich den Gesetzen, die der Gerechtigkeit und der Wahrheit Gottes dienten, widersetzten, würden verdammt.467 Damit weist er zugleich auch den Vorwurf der Donatisten zurück, die katholische Kirche könne sich nicht als wahre Kirche verstehen, weil sie Verfolgung betreibe,468 denn auch die Verfolgung
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threw themselves into lakes may well have had imperial soldiers pursuing them. (...) In no case did the Circumcellion die by his own hand. Instead he threw himself, sometimes literally, into a situation where an external force, be it the rocks at the bottom of the cliff or the swords of the apparitores, would do the actual killing.“ Vgl. J. BELS, RHR 187, 1975, 147–180, der nicht zu Unrecht betont (bes. 154–156), daß erst die Auseinandersetzung mit den Donatisten eine Unterscheidung von Martyrium und Suizid notwendig gemacht habe, während für die früheren Kirchenväter keine Notwendigkeit bestanden habe, eine präzise Definition des Martyriums zu entwickeln. Dennoch sind Ansätze dazu bereits bei Clemens Alexandrinus zu finden (vgl. o. S. 47-49). S. o. S. 55. Zu den gesetzlichen Maßnahmen gegen die Donatisten im Jahre 405 vgl. u.a. Cod. Theod. 16, 5, 37f.; 16, 6, 4f.; 16, 11, 2: Danach wurden die Donatisten zu Häretikern erklärt, ihre Besitzungen gingen in die Hand der katholischen Kirche über, die Abhaltung von Versammlungen und Gottesdiensten waren ihnen verboten, der donatistische Klerus wurde überdies mit Exil bestraft. Die Todesstrafe wurde nicht verhängt, Pächtern und Gutsverwaltern, auf deren Besitz Gottesdienste durchgeführt wurden, drohten jedoch Prügel mit der Bleiknute (Cod. Theod. 16, 6, 4, 1). Zu den Bestimmungen von 405 vgl. auch W.H.C. FREND, The Donatist Church, 261–274, der darauf hinweist, daß die Hand Augustins in den wichtigsten Klauseln zu erkennen sei (ebd. 264 m. Anm. 2–3), vgl. etwa Cod. Theod. 16, 6, 4 mit Aug. Cresc. 2, 4, 5f.; ep. 105, 3, 12. Nach der Konferenz von Karthago (411) wurde das Edikt zu Beginn des Jahres 412 erneuert; vgl. dazu u. S. 144, Anm. 479. Aug. correct. (ep. 185) 8: [...] quicumque ergo legibus imperatorum, quae contra dei veritatem feruntur, obtemperare non vult, adquirit grande praemium; quicumque autem legibus imperatorum, quae pro dei veritate feruntur, obtemperare non vult, adquirit grande supplicium. Dieser Vorwurf wird etwa angedeutet in Aug. correct. (ep. 185) 10: Si autem putant, quod nemo possit iuste aliquem persequi, sicut in conlatione dixerunt illam esse veram ecclesiam, quae persecutionem patitur, non quae facit, omitto dicere, quod superius commemoravi, quia,
2. Persecutiones: Märtyrer oder Selbstmörder?
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durch die wahre Kirche diene der Gerechtigkeit.469 Die Kirche sei selig, wenn sie um der Gerechtigkeit willen verfolgt werde, sie selbst aber verfolge im Geist der Liebe, sie könne zurechtweisen, vom Fehler bekehren und schließlich die Feinde verfolgen und festsetzen, bis sie in ihrer Meinung schwach würden und zur Wahrheit umkehrten.470 Die Selbsttötung der Donatisten hingegen geschehe nicht um der Gerechtigkeit willen; sie liebten den Mord (amantes homicidia) so sehr, daß sie ihn an sich selbst begingen, wenn sie ihn nicht an anderen verüben könnten. In dem Maße, wie die christliche Nächstenliebe der Kirche bemüht ist, sie auf solche Art von dieser Verworfenheit zu befreien, daß niemand sterben muß, so ist ihr Wahnsinn bemüht, uns entweder zu morden, um ihren Hunger nach Grausamkeit zu stillen, oder sogar sich selbst zu töten, damit es nicht scheint, daß sie die Macht, Menschen zu töten, verloren haben.471
Die Unterscheidung, die Augustinus hier zwischen wahrem Martyrium und der Suizidbereitschaft der Donatisten trifft, basiert also wiederum auf dem Kriterium der causa iusta, durch das der donatistische Anspruch auf das Martyrium zurückgewiesen wird.472 Bemerkenswert ist dabei, daß es nicht die Selbsttötung, sondern das Töten an sich ist, das, wenn es nicht der Gerechtigkeit dient, abgelehnt und, wenn es der Einheit Christi dient, akzeptiert wird. So kann Augustinus durch die causa iusta nicht nur das wahre Martyrium vom Suizid der Donatisten unterscheiden, sondern mit demselben Argument auch ihre Verfolgung legitimieren, indem er den Psalm 18 zitiert: „Ich will meinen Feinden nachjagen und sie ergreifen und nicht umkehren, bis ich sie umgebracht habe.“473 Mit dieser Argumentation fällt es denn leicht, die Donatisten aus der Definition der wahren Märtyrer auszuschließen, allein dadurch, daß es zur Zeit Augustins keine Christenverfolgung mehr gibt und damit die causa iusta (d.h. die Verfolgung um der Gerechtigkeit willen) nicht mehr gegeben ist.
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si ita est, ut dicunt, Caecilianus ad veram ecclesiam pertinebat, quando eum maiores illorum usque ad imperatoris iudicium accusando persequebantur. Aug. correct. (ep. 185) 11: [...] est persecutio iniusta, quam faciunt impii ecclesiae Christi, et est persecutio iusta, quam faciunt impiis ecclesiae Christi. Aug. correct. (ep. 185) 11: Ista itaque beata est, quae persecutionem patitur propter iustitiam, illi vero miseri, qui persecutionem patiuntur propter iniustitiam. proinde ista persequitur diligendo, illi saeviendo, ista ut corrigat, illi ut evertant, ista ut revocet ab errore, illi ut praecipitent in errorem; denique ista persequitur inimicos et comprehendit, donec deficiant in vanitate, ut in veritate proficiant, [...]. Aug. correct. (ep. 185) 11: Illi autem retribuentes mala pro bonis, quia eis consulimus ad aeternam salutem, etiam temporalem nobis conantur auferre, sic amantes homicidia, ut in seipsis ea perficiant, quando in aliis perpetrare non possunt. Sicut enim caritas laborat ecclesiae sic eos ab illa perditione liberare, ut eorum nemo moriatur, sic eorum laborat furor aut nos occidere, ut suae crudelitatis pascant libidinem, aut etiam se ipsos, ne perdidisse videantur occidendorum hominum potestatem. Vgl. auch Aug. ep. 204, 4: Iam enim nescio quotiens disputando et scribendo monstravimus non eos posse habere martyrum mortem, quia christianorum non habent vitam, cum martyrem non faciat poena sed causa. Aug. correct. (ep. 185) 11: [...] deinde quaero, si boni et sancti nemini faciunt persecutionem, sed tantum modo patiuntur, cuius putant esse in psalmo vocem, ubi legitur: Persequar inimicos meos et comprehendam illos et non convertar, donec deficiant. Vgl. Ps 18, 38.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Diese augustinische Argumentation zeigt sich in allen Auseinandersetzungen mit den Donatisten, resp. seinen Kommentaren oder Widerlegungen von Schriften donatistischer Wortführer wie Parmenianus, Petilianus, Cresconius oder Gaudentius. Im Traktat Contra Gaudentium zitiert und kommentiert Augustinus zwei Antwortbriefe des donatistischen Bischofs Gaudentius von Timgad auf ein Schreiben des tribunus et notarius Dulcitius, der vom Kaiser mit der Wiederherstellung der Kircheneinheit betraut worden war.474 Interessant ist vor allem das erste Buch dieses Traktates, weil uns durch die beiden in ihm zitierten Briefe des Gaudentius auch die donatistische Sichtweise in ihrem Wortlaut vorliegt.475 Damit ist eine beispielhafte Gegenüberstellung der beiden Positionen und ihrer jeweiligen Unterscheidung von Martyrium und Suizid möglich.476 Im ersten, kürzeren Brief an Dulcitius legt Gaudentius zusammenfassend seine Argumente für die Martyriumsbereitschaft der Donatisten dar: Wenn du (i.e. Dulcitius) uns aber für Unschuldige hältst, was du auch selbst gesagt hast, freuen wir uns, gefestigt im Glauben Christi den Verfolgern standzuhalten. In dieser Kirche aber, in welcher der Name Gottes und seines Christus, wie du auch selbst gesagt hast, in Wahrhaftigkeit immer vielfach gefeiert wird, verbleiben wir entweder am Leben, solange es Gott gefällt, oder wir setzen, wie es der Familie Gottes würdig ist, dem Leben innerhalb der Festung Gottes ein Ende, unter dieser Bedingung freilich: (nur) wenn Gewalt (an uns) verübt worden ist, dann wird dies geschehen können. Niemand nämlich ist so verrückt, daß er, von keinem angetrieben, in den Tod eilt. Ich mache Gott und alle seine Sakramente zum Zeugen
474 Zu Gaudentius L.J. VAN DER LOF, Augustiniana 17, 1967, 5–13; S. LANCEL, s.v. Gaudentius, AL 3, 95-96. Zur Entstehungsgeschichte von Contra Gaudentium vgl. P. MONCEAUX, Histoire littéraire 6, 198–202. In den Jahren 418 oder 419 legte der tribunus et notarius Dulcitius in zwei Edikten die Gesetze und Maßnahmen dar, die den Donatisten nach der Konferenz von Karthago im Jahre 411 auferlegt worden waren. In einem anschließenden Brief an den thamugadischen Bischof Gaudentius ermahnt Dulcitius diesen und seine Anhänger nochmals, zur katholischen Kirche zurückzukehren. Daraufhin schreibt Gaudentius zwei Antwortbriefe an Dulcitius, eben diese, die Augustinus später in Contra Gaudentium zitiert, nachdem Dulcitius sie ihm hatte zukommen lassen mit der Bitte, die donatistischen Argumente zu widerlegen. Vor der Abfassung der erbetenen Abhandlung schreibt auch Augustinus an Dulcitius zurück (Aug. ep. 204). Die beiden Bücher Contra Gaudentium schließlich entstehen in den Jahren 420 und 421, wobei das erste Buch die beiden Briefe zitiert und kommentiert, das zweite Buch auf ein weiteres Antwortschreiben des Gaudentius reagiert. Vgl. auch S. LANCEL, s.v. Gaudentium Donatistarum episcopum, AL 3, 90-95; zur Datierung ferner E. LAMIRANDE, in: BAug 32, 502. 475 Für die Authentizität der Briefe spricht zum einen die Betonung Augustins, sie wortgetreu wiedergegeben zu haben, vgl. c. Gaud. 1, 1, 1: [...] ita ergo scripta eius opitulante domino institui refutare, ut etiam qui sunt ingenio tardiores ad omnia me respondisse non dubitent. nam prius verba eius ponam, deinde nostra subiungam non sic, quemadmodum feci, cum Petiliani litteris responderem. Zum anderen tritt die sprachliche Einheitlichkeit der Briefe, wenn man sie rekonstruiert und zusammenhängend betrachtet, deutlich zutage, vgl. P. MONCEAUX, Histoire littéraire 5, 329–333; DERS., RPh 31, 1907, 111–133. 476 Eine Untersuchung des Traktates Contra Gaudentium in Hinsicht auf Augustins Haltung zum Suizid hat auch J. BELS, RHR 187, 1975, 147–180 (zu C. Gaud. bes. 158–166) vorgenommen, der sich aber auf die theologische Argumentation des Kirchenvaters beschränkt.
2. Persecutiones: Märtyrer oder Selbstmörder?
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dafür, daß ich diejenigen, die mit uns sind, immer ermahnt habe und immer wieder überredet habe, daß, wer den Willen habe hinauszugehen, es gefahrlos öffentlich bekenne.477
Bereits in diesem kurzen Brief wird deutlich, daß Gaudentius sich und seine Anhänger zu Märtyrern stilisiert. Er stellt eine Beziehung zur Verfolgung her und liefert damit auch den Grund für die Martyriumsbereitschaft: die Standhaftigkeit gegenüber den Verfolgern, womit er im Hinblick auf die schon erwähnte Definition des Augustinus die causa des Martyriums als gegeben ansieht. Mit derselben Begründung schafft Gaudentius auch eine Abgrenzung zum grundlosen, wahnhaften Selbstmord: Nur wenn Gewalt an ihnen verübt wird, sind sie bereit zu sterben, niemand sei nämlich so verrückt, daß er ohne Antrieb in den Tod eile. Abgesehen von der Erfüllung der causa erinnert auch das Wortmaterial, das Gaudentius wählt, an die Beschreibung der Märtyrer in den Akten. Sowohl die Betonung der Freiwilligkeit (voluntas) als auch der Ausdruck der Freude, mit der die Donatisten ihren Verfolgern standhalten (gaudemus sustinere), wie erst recht der Hinweis auf das Zeugnis Gottes (testem Deum) machen die bewußt gesuchte Nähe zu den Märtyrern deutlich. Mit diesen Hinweisen auf eine existente Verfolgung und die Parallele zu den Märtyrern der Christenverfolgungszeiten kann Gaudentius Anklage gegen die katholische Kirche erheben: Sie sei es, die in der Gegenwart des Gaudentius verfolge, die mit Gewalt gegen den „wahren Glauben Christi“ vorgehe, und damit mache sie sich schließlich auch schuldig am Tod der Donatisten. Ein ähnliches Argumentationsmuster findet sich auch in dem längeren zweiten Brief des Gaudentius, hier nun weiter ausgeführt und anhand von biblischen Beispielen und Sprüchen belegt. Es seien nur wenige Stellen herausgegriffen: In Hinsicht auf die Verfolgung geht es um die Frage der Flucht, zu der Dulcitius den Donatisten geraten hatte. Gaudentius hält es für besser, als Hirte das Leben für die
477 Aug. c. Gaud. 1, 5, 6 – 7, 8: (6) Verba epistolae: Si vero innocentes putas, inquit, quod etiam ipse dixisti, persecutores nos in fide Christi constituti sustinere gaudemus. [...] (7) Verba epistolae: In hac autem ecclesia, inquit, in qua dei nomen et Christi eius, ut etiam ipse dixisti, in veritate semper est frequentatum, nos aut vivi, quamdiu deo placuerit permanemus aut, ut dignum est dei familia, intra dominica castra vitae exitum terminamus, sub ea scilicet conditione, quia, si vis fuerit operata, tunc id poterit evenire. nemo enim tam demens est, ut nullo impellente festinet ad mortem. [...] (8) Verba epistolae: Eos autem qui nobiscum sunt, inquit, testem deum facio eiusque omnia sacramenta, quod exhortatus sum et impensissime persuasi, ut, qui haberet voluntatem egredi, securus publice fateretur. nec nos enim invitos retinere possumus, qui didicimus ad dei fidem nullum esse cogendum. Die Auslassungszeichen stehen jeweils für die eingeschobenen Bemerkungen des Augustinus, der den Brief Satz für Satz mit der Einleitung „verba epistolae: [...] inquit [...]“ zitiert und anschließend kommentiert. Ein gewisses rhetorisches Geschick des Gaudentius läßt sich an der Formulierung qui haberet voluntatem egredi erkennen, die vielleicht bewußt in zweifacher Lesbarkeit gestaltet ist: egredi kann einerseits das Herausgehen aus der Kirche (die im Paragraphen zuvor erwähnt ist) meinen, andererseits aber auch ein „aus dem Leben Schreiten“ bezeichnen; egredi e vita ist eine sehr häufige Wendung auch noch in der Spätantike für das würdevolle und freiwillige Hinausschreiten aus dem Leben. Zur Theologie des Gaudentius, wie sie im Traktat des Augustinus erscheint, vgl. auch L.J. VAN DER LOF, Augustiniana 17, 1967, 5–13.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Schafe zu opfern, anstatt vor dem Wolf zu fliehen.478 Den Unterschied zu den früheren Christenverfolgungen sieht er darin, daß es für die Donatisten der Gegenwart keine Orte mehr gebe, an denen sie aufgenommen würden: Welche Orte wird es dann geben, die in diesem Sturm der Verfolgung die Priester, die von allen Seiten bestürmt werden, aufnehmen, um sie in Ruhe gleichsam wie in einem Hafen zu bewahren, wie der Herr gesagt hat: ‚Wenn sie beginnen, euch in dieser Stadt zu verfolgen, flieht in eine andere‘. Gefahrlos flohen damals die Apostel, weil der Kaiser um ihretwillen keinen zu proskribieren befahl. Jetzt aber sind diejenigen, die die Christen aufnehmen, durch die Proskriptionen in Schrecken versetzt, sie fürchten die Gefahr, und sie nehmen sie nicht nur nicht auf, sondern ängstigen sich auch, diejenigen zu sehen, die sie in Stille verehren.479
Auch im zweiten Brief fällt die Wortwahl ins Auge, mit der die Nähe zum freiwilligen und freudig erwarteten Martyrium hergestellt wird;480 jedoch geht Gaudentius hier hinsichtlich seiner Selbststilisierung als Märtyrer noch einen Schritt weiter: Er identifiziert sich und seine Anhänger ausdrücklich als Angehörige jener Märtyrer, die in der Johannesapokalypse angekündigt werden, und stellt sich so in die direkte Nachfolge der ersten Märtyrer.481 Um schließlich dem Vorwurf des Suizidverhaltens zu entgegnen und auch die offensichtlich aktive Todesbereitschaft der Donatisten als Martyrium gelten zu lassen, führt Gaudentius Razis aus dem zweiten Makkabäerbuch als Beispiel zur Nachahmung für die Märtyrer an. 478 Aug. c. Gaud. 1, 16, 17: Verba Epistolae: Fugam mihi, inquit, quasi ex lege persuades, sed factor legis tantum debet audiri, quia Paulus apostolus dicit: non auditores legis iusti sunt apud deum, sed factores legis iustificabuntur [vgl. Röm 2, 13]. nam audi et dominum dicentem, quia pastor bonus animam suam ponit pro ovibus suis, mercenarius autem et cuius non sunt oves propriae, videt lupum venientem et fugit et lupus rapit eas et dispergit [vgl. Joh 10, 11–12]. 479 Aug. c. Gaud. 1, 18, 19: Verba Epistolae: Deinde, inquit, quae loca erunt, quae in hac persecutionis procella, undique perturbatos tranquillitati servandos tamquam in portum recipiant sacerdotes, quando dominus dixerit: cum vos persequi coeperint in hac civitate, fugite in aliam [civitatem]. tute tunc fugiebant apostoli, quia neminem pro eis proscribi iusserat imperator. nunc vero christianorum receptores proscriptionibus territi pericula formidantes non solum non recipiunt, verum etiam videre timent quos tacite venerantur. [...] Mit dieser Schilderung der Zustände scheint Gaudentius direkten Bezug auf die aus der Konferenz von Karthago im Jahre 411 folgenden Proskriptionen der Donatisten zu nehmen, die im Januar 412 in einem kaiserlichen Edikt festgelegt wurden; vgl. Cod. Theod. 16, 5, 52. Die Verfolgung, welche die Donatisten erlitten, beinhaltete diesem Edikt zufolge ihre Verbannung und Separierung, die Konfiszierung ihres Besitzes (der an die Katholiken überging) sowie Geld- oder Prügelstrafen für diejenigen, die dem Donatismus nicht abschworen oder seine Anhänger unterstützten. Vgl. dazu W.H.C. FREND, The Donatist Church, 275–289, zum Edikt von 412 besonders 288f. Diese Sanktionen wiederholen weitgehend die Bestimmungen von 405 (s.o. S. 140, Anm. 466). 480 Vgl. etwa Aug. c. Gaud. 1, 26, 29: Verba Epistolae: Odio, inquit, saeculi gaudemus. in eius pressuris non succumbimus, sed laetamur. 481 Aug. c. Gaud. 1, 27, 30: Verba Epistolae: Sed etsi persecutio conquiescat, inquit, unde martyrum numerus adimpletur, Iohanne dicente: vidi, inquit, animas occisorum sub ara dei exclamantium et dicentium: quamdiu, domine, non iudicas et vindicas sanguinem nostrum de iis qui habitant super terram? Et acceperunt singuli stolas albas, et dictum est eis, ut requiescerent adhuc paucum tempus, donec impleatur numerus fratrum ipsorum qui incipient interfici sicut et ipsi. [...]. Vgl. Apk 6, 9–11.
2. Persecutiones: Märtyrer oder Selbstmörder?
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Ist es nicht eine Verfolgung, die so viele tausend unschuldige Märtyrer in den Tod drängt? Die Christen haben nämlich gemäß dem Evangelium mit willigem Geist aber mit schwachem Fleisch die vorteilhafte Abkürzung der Brennöfen482 gefunden, um ihre Seelen dem Sakrileg zu entreißen, womit sie das Beispiel des Presbyters Razis in den Makkabäerbüchern nachahmen, und sie fürchten sich nicht umsonst. Wer auch immer nämlich in ihre Hände gefallen ist, ist nicht entkommen. Aber sie mögen tun, wieviel sie wollen, dieses ist sicher: daß sie nicht mit Gott sein und gegen Gott handeln können.483
Der Presbyter Razis hatte sich durch seinen äußerst blutigen und im zweiten Makkabäerbuch detailreich beschriebenen Suizid den Händen seiner Feinde entzogen.484 Die Situation, in der sich die Donatisten befinden, ist nach der Beschreibung des Gaudentius ebenso ausweglos, ihr freiwilliges Martyrium entspricht dem Opfertod aus einem höheren Grund. Direkt im Anschluß daran kommt Gaudentius auf diesen höheren Grund seiner Martyriumsbereitschaft zu sprechen: Das eine ist, meine ich, unerschütterliche Wahrheit, etwas anderes ein Abbild der Wahrheit, weil die Wahrheit durch ihre Stärke beständig fortbesteht, ein Abbild oder ein Götzenbild ist, was die menschliche Einbildung zu Unrecht dem Wahren ähnlich macht; dennoch kann die Lüge der Wahrheit niemals vorgreifen. Götzenverehrer nenne ich die, die nicht an der Wahrheit festhalten; denjenigen, der sich selbst schafft, was er verehrt, den halte ich unter einer fremden Bezeichnung für einen Heiden.485
Das Martyrium der Donatisten ist nach der Argumentation des Gaudentius also nicht nur durch ihre Verfolgung, die causa, legitimiert, sondern erst recht dadurch, daß sie an der „unerschütterlichen Wahrheit“ festhalten, sie also für die causa iusta sterben. Im Hintergrund dieser Argumentation steht natürlich der Ursprung und der Kern des Schismas der afrikanischen Kirche, nämlich die Diskussion um die lapsi, die Abtrünnigen, während der Christenverfolgungen; d.h., die causa iusta besteht für Gaudentius und seine Anhänger in der Unmöglichkeit des (erneuten) Abfalls vom wahren Glauben. Sieht man von diesem Hintergrund aber einmal ab, vertritt Gaudentius die gleiche Definition von Martyrium wie Augustinus, auch für Gaudentius gilt: martyrem verum causa iusta facit.486
482 Gemeint ist der vorteilhafte, weil schnellere Tod. 483 Aug. c. Gaud. 1, 28, 32: Verba Epistolae: An non ista, inquit, persecutio est, quae tot milia innocentum martyrum artavit ad mortem? christiani enim secundum evangelium spiritu prompti, sed carne infirmi a sacrilega contaminatione caminorum reperto compendio suas animas rapuerunt, imitati presbyteri Raziae in Machabaeorum libris exemplum, nec frustra timentes. quisquis enim in eorum manus inciderit, non evasit. sed quantum velint faciant: quod certum est, dei esse non possunt qui faciunt contra deum. 484 Vgl. 2 Makk 14, 37–46. Zur donatistischen Rezeption Razis vgl. auch M.A. TILLEY, The Bible, 167f. 485 Aug. c. Gaud. 1, 38, 42: Verba Epistolae: Sed quoniam prudentiam tuam, inquit, exsecutoris officium non decebat, quaeso paucis adverte. alia est ut reor solida veritas, alia effigies veritatis. quoniam veritas robore suo firmata constat, idolum sive simulacrum est quod in iniuriam veri simile fecerit humana praesumptio; numquam tamen potest praeiudicare veritati fallacia. simulacrorum cultores dico, qui non tenent veritatem; sub alieno vocabulo gentilem existimo, qui facit sibi quod colat. [...] 486 Mit dieser Definition des wahren Märtyrers stehen Gaudentius und Augustinus freilich nicht alleine; schon Clemens Alexandrinus hatte sich zur Abgrenzung des Martyriums auf Mt 5, 10
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Lassen wir aber nun Augustinus selbst zu Wort kommen: Wie zu erwarten, kann er die Todesbereitschaft der Donatisten im Rahmen seiner Polemik gegen das Schisma nicht als Martyrium anerkennen. Zunächst muß Augustinus auf den Vorwurf, die katholische Kirche betreibe eine Verfolgung, reagieren. Man halte sich aber fern davon, diese Verfolgung eine (Verfolgung) der Menschen zu nennen, weil sie eher eine Verfolgung der Fehler ist, um die Menschen zu befreien, wie sie auch die Fürsorge der Ärzte an den Kranken vollzieht.487
Statt der persecutio, von der Gaudentius sich betroffen fühlt, führt Augustinus also die correctio ins Feld: man wolle die Donatisten nicht töten, sondern ihre Fehler „korrigieren“, wie ein Arzt die Kranken heile. Weigerten sie sich, geheilt zu werden, müßten sie ins Exil gehen, um die Gesunden nicht mit dem Übel zu infizieren. Dulcitius, dem die Ausführung der kaiserlichen Gesetze übertragen wurde, sei es nicht, der den Tod der Donatisten wünsche, sondern diese selbst.488 Um das biblische exemplum Razis als Argument für die Donatisten zu widerlegen, betont Augustinus den Umstand, daß Razis seinen Feinden nicht entfliehen konnte.489 Den Donatisten sei anders als allen biblischen Beispielen, die sie als nachahmenswert anführen mögen, immer noch die Flucht möglich. Er ermahnt also Gaudentius und seine Anhänger zur Flucht:
berufen. Interessanterweise ist es gerade die causa iusta, die auch in den römischen Rechtstexten den Suizid legitimiert; s. dazu Kap. II 4.1. 487 Aug. c. Gaud. 1, 5, 6: [...] absit autem ut ista persecutio dicenda sit hominum, cum sit potius pro hominibus liberandis persecutio vitiorum, qualem facit aegris etiam diligentia medicorum. [...] 488 Aug. c. Gaud. 1, 11, 12: [...] iste autem tribunus ad quem scribis, cui legum pro unitate latarum cura mandata est, usque adeo vult ut vivas, ut timeat ne ipse te occidas. ecce constitue tibi ante oculos ipsum et te ipsum! ipse te in Christi pace vult vivere, tu in parte Donati te quaeris occidere: quis vestrum sit tuus persecutor agnosce. 489 Zur Widerlegung des exemplum Razis als Vorbild für die Donatisten vgl. auch Aug. ep. 204, 6–8. Hier argumentiert Augustinus auf zweifache Weise: Zum einen stellt er die Autorität der Schrift selbst in Frage; vieles, was dort erzählt werde, sei nicht mehr der Zeit angemessen, wozu auch Razis gehöre (ep. 204, 6: [...] si autem sunt illic plurima eorum quoque hominum, qui litterarum illarum veritate laudati sunt, vel huic iam tempori non convenientia vel etiam illo tempore non recte facta, tale etiam hoc est, quod in se ipsum Raxius(!) iste commisit). Zum anderen kritisiert der Kirchenvater das Verhalten Razis selbst, das auch im zweiten Makkabäerbuch nicht nur gelobt werde, und bewertet seinen Suizid als stolze Selbstüberhebung und als keineswegs lobenswert; ebd.: [...] et propter haec idem Raxius(!) Iudaeorum pater appellaretur, quid mirum est, si tamquam homini elatio superba subrepsit, ut mallet manu propria perimi quam post illam in suorum aspectibus celsitudinem sustinere indignam in hostium manibus servitutem? Und ep. 204, 8: [...] quod gladio cum implere non posset, de muro se praecipitem dedit et sic adhuc vivus abruptam cucurrit ad petram atque ibi iam exanguis intestina sua produxit, quae utraque manu dissipata spargebat in populum, ac deinde postea defessus occubuit. magna sunt haec nec tamen bona; non enim bonum est omne, quod magnum est, quoniam sunt magna etiam mala. deus dixit: Innocentem et iustum ne occidas. si ergo iste innocens et iustus non fuit, cur proponitur imitandus? si autem innocens et iustus fuit, quare interfector innocentis et iusti, id est ipsius Raxii insuper putatur esse laudandus?
2. Persecutiones: Märtyrer oder Selbstmörder?
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Und dennoch sagst du: „Ist das nicht eine Verfolgung, die so viele tausend Unschuldige in den Tod drängt?“ Zeigt, auf welche Weise ihr Unschuldige seid, die ihr Christus „zerteilt“490 und euch tötet. Zeigt, wie ihr in den Tod gedrängt werdet, deren Flucht von Gott befohlen und vom Menschen gewährt wird. Zeigt, auf welche Weise ihr durch die vorteilhafte Abkürzung der Brennöfen eure Seelen von der Befleckung entreißt, die ihr vielmehr durch das Sakrileg der Öfen gleich wie durch ein teuflisches Opfer auf das äußerste befleckt habt. Fragt Christus: er befiehlt euch zu fliehen; fragt den Tribun: er erlaubt euch zu fliehen; wenn ihr selbst Razis fragen könntet, würde er euch antworten: „Ich habe nicht fliehen können“. Ihr also habt weder Christus als Retter, noch den Tribun als Verfolger, noch Razis als Gewährsmann.491
Die Frage, ob ein Christ in Verfolgungszeiten fliehen solle oder sich im Gegenteil sogar selbst ausliefern müsse, findet sich schon in den Märtyrerakten thematisiert, und auch die frühen Kirchenväter beteiligten sich an der Diskussion.492 Augustinus bedient sich hier dieses Argumentes vor allem, um deutlich zu machen, daß sich die Donatisten, indem sie nicht fliehen, sondern sich töten, selbst an ihrem Tod schuldig machten.493 Damit kommt wieder das gleiche zentrale Argument zum Vorschein, das auch in De civitate Dei zur Verurteilung der heidnischen Selbstmörder führt,494 nämlich der Gedanke, daß Unschuld und Selbsttötung nicht miteinander einhergehen können: Wenn ihr auch noch so sehr Unschuldige wäret, von diesem Punkt an (also in dem Moment, in dem die Donatisten sich selbst töten) würdet ihr als Schuldige hervorgehen, weil ihr wünscht, daß Unschuldige sterben. Diejenigen, die versuchen zu behaupten, daß sie Unschuldige seien und dennoch ihr eigenes Leben nicht verschonen wollen, wessen sonst werden diese überführt, als daß sie Unschuldige (nämlich sich selbst) töten?495
490 Gemeint ist offenbar die Spaltung der Kirche durch den Donatismus. 491 Aug. c. Gaud. 1, 31, 40: [...] et tamen dicis: an non est ista persecutio, quae tot milia innocentum artavit ad mortem? ostendite, quomodo sitis innocentes, qui Christum dividitis et vos occiditis. ostendite, quomodo artemini ad mortem, quibus fuga et divinitus iubetur et humanitus relaxatur. ostendite, quemadmodum caminorum compendio animas vestras a contaminatione rapiatis, quas potius caminorum sacrilegio tamquam diabolico sacrificio contaminatissimas facitis. interrogate Christum: iubet vos fugere; interrogate tribunum: permittit vos fugere; si et ipsum Razian interrogare possetis, responderet vobis: ‚ego non potui fugere‘. Vos ergo nec Christum salvatorem nec tribunum persecutorem nec Raziam auctorem habetis. Damit ignoriert Augustinus freilich das Argument des Gaudentius, es gebe für die Donatisten keine Orte mehr, wo sie Zuflucht fänden; vgl. Aug. c. Gaud. 1, 18, 19 (S. 144 o. Anm. 479). 492 Von Polykarp bspw. wird berichtet, daß er zunächst in eine andere Stadt floh, um seinen Verfolgern zu entgehen. Nachdem ihn diese dort aber aufspürten, harrte er seiner Verhaftung und unterließ eine weitere Flucht, vgl. Mart. Polycarp. 7, 1: καὶ ὀψὲ τῆς ὥρας συνεπελθόντες ἐκεῖνον μὲν εὗρον ἔν τινι δωματίῳ κατακείμενον ἐν ὑπερῴῳ κἀκεῖθεν δὲ ἠδύνατο εἰς ἕτερον χωρίον ἀπελθεῖν ἀλλ᾿ οὐκ ἠβουλήθη εἰπών, ‚Τὸ θέλημα τοῦ θεοῦ γενέσθω‘. Zur Fluchtdiskussion unter den Kirchenvätern o. Kap. II 3.1 passim. 493 Vgl. auch Clem. strom. 4, 10, 76f., dazu o. S. 49. 494 Im Hinblick auf Lucretia o. S. 114. 495 Aug. c. Gaud. 1, 5, 6: [...] quamvis etsi essetis innocentes, hinc efficeremini nocentes, quia occidere cupitis innocentes. Qui enim se innocentes conantur asserere et tamen vitae suae nolunt parcere, quid aliud quam innocentes convincuntur occidere? Vgl. Aug. civ. 1, 17: Cur autem homo, qui mali nihil fecit, sibi malefaciat et se ipsum interficiendo hominem interficiat
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Damit können die Donatisten keine wahren Märtyrer sein, denn diese töteten sich nicht selbst, sondern wurden getötet.496 Die selbstmörderische Raserei (furor) der Donatisten aber sei ein Werk des Teufels: Zu jenem diabolus, der auch Jesus in Versuchung geführt hatte, sich von den Zinnen des Tempels zu stürzen, gehörten auch die Donatisten, da sie die drei Todesarten des Teufels – Wasser, Feuer und das Hinabstürzen aus der Höhe – häufig gebrauchten.497 In Hinsicht auf die Unterscheidung von Martyrium und Suizid zeigt das Beispiel der Briefe des Gaudentius und der augustinischen Antwort, daß beide Bischöfe, obwohl sie gegensätzliche Auffassungen von der Bewertung der donatisti-
innocentem, ne alium patiatur nocentem, atque in se perpetret peccatum proprium, ne in eo perpetretur alienum? 496 Aug. c. Gaud. 1, 27, 31: [...] Sed cum post apostolum Iohannem, qui futura illa conscripsit, tanta strages martyrum interficientibus impiis usque quaque in tam multis gentibus facta sit, quid sibi volunt isti suarum animarum extortores et alienarum tortores, ut, quod de martyribus sanctis legunt esse praedictum, de se iactent esse completum? Zum Hapax legomenon extortor animae suae vgl. A. VAN HOOFF, in: G.J.M. BARTELINK al. (éds.), Eulogia, 370. Daß Gaudentius droht, sich und seine Anhänger zu verbrennen, kommt Augustins Argumentation hier entgegen. Die Notwendigkeit der donatistischen Suizidbereitschaft für die katholische Argumentation erklärt vielleicht auch die von Augustin bekräftigte Version über den Suizid des Marculus, der nach dem donatistischen Märtyrerbericht von römischen Soldaten in den Tod gestürzt wurde (vgl. dazu o. S. 137f.). 497 Aug. c. Gaud. 1, 27, 30f.: Si sub ara Christi martyres esse velletis, non vos ipsos incendendo sacrificium diabolo faceretis. Quis enim gaudet de isto furore vestro nisi diabolus, qui eum vobis inspirat, et qui sunt ex parte illius? Ipse est, qui illum puerum, de quo in evangelio legimus, mittebat aliquando in aquam, aliquando in ignem, ipse et illum gregem porcorum praecipitem fluctibus mersit, ipse, ut se de pinna templi praecipitaret, etiam ipsi domino audacissima temptatione suggessit. Ad diabolum sine dubio pertinetis, cum tria genera mortis, aquam ignem praecipitium, in vestris mortibus frequentatis. Vgl. Mt 4, 5–6. Den Todessturz aus der Höhe als typisch für die Donatisten betont Augustinus auch in einer Predigt zum Feste Cyprians (serm. 313E = MiAg 1, 28). Weil sie der Versuchung des Teufels folgten, seien sie nicht nur falsche, sondern gar keine Christen, vgl. serm. 313E, 4: Videamus autem et de martyrio quid dicit dominus; commemorare debemus, et propter Donatistas, qui se praecipitant, magisterium commendandum est domini. Ait enim diabolus domino, cum eum temptaret – temptabatur autem dominus, ut nos disceremus resistere temptatori – dixit ergo ei diabolus: si filius dei es, mitte te deorsum. Assumserat enim eum super pinnam templi; dominum suum non agnoscebat, et tamquam hominem praecipitium docebat. Hoc nesciens in vero Christo temptabat, quod falsis Christianis persuadere praeparabat. Donatistae enim non falsi Christiani, sed omnino Christiani non sunt, qui quod suggestum est a diabolo audiunt, quod responsum est a Christo non audiunt. Den Bezug zwischen den Todesarten und dem Wirken des diabolus stellt Augustinus auch in c. litt. Pet. 2, 49, 114 her; hier betont er vor allem das Erhängen und das Hinabstürzen von Felsen, das nicht dem Martyrium entspreche, sondern die typische Todesweise der Donatisten sei: [...] deinde vellem mihi diceres, confessores illi vestri quando se ipsos praecipitant, cui ducunt martyrium, utrum Christo qui talia suggerentem diabolum reppulit, an potius ipsi diabolo qui talia Christo facienda suggessit. Duae sunt maxime viles atque usitatae mortes eorum qui se ipsos interimunt, laqueus et praecipitium. Vielleicht ignoriert Augustinus hier die Todesart durch Wasser bewußt, um nicht die Assoziation zur Taufe und damit zum von den Donatisten beanspruchten wahren Martyrium zu erregen. Zum Tod durch Wasser und seiner Assoziation mit der Taufe vgl. das Beispiel der Pelagia und ihrer Verwandten in der Darstellung des Ambrosius, virg. 3, 7, 34; dazu o. S. 129f.
2. Persecutiones: Märtyrer oder Selbstmörder?
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sche Todesbereitschaft vertreten, dennoch dem gleichen Kriterium für ihre Definition von Martyrium folgen: martyrem verum causa iusta facit. Das Hauptargument der donatistischen Position besteht in ihrer Identifizierung mit den Märtyrern, die durch das Vorhandensein der causa iusta begründet ist; das Ziel der Argumentation des Augustinus ist, den Donatisten genau diesen Märtyrercharakter abzusprechen und ihre Todesbereitschaft als Suizid zu stigmatisieren. Der Dialog zwischen Gaudentius und Augustinus erinnert von seinem Charakter her in gewisser Hinsicht an die Befragungen der Christen durch die Statthalter in den Märtyrerakten. Auf seiten der Märtyrer steht Gaudentius, der sich als von der katholischen Kirche verfolgt sieht und als martyriumsbereiten, wahren Christen charakterisiert; auf der anderen Seite steht Augustinus, der durch die Martyriumsbereitschaft der Donatisten in die Rolle des Statthalters gedrängt wird und mit einer rechtfertigenden Haltung reagieren muß: Die katholische Kirche wolle nicht den Tod der Donatisten, sondern durch ihre Bekehrung die Einheit der Kirche wiederherstellen; wenn sie sich dennoch töten, muß Augustinus dies als wahnhaften Selbstmord bewerten.498 Mit der Gegenüberstellung der Donatisten und der Märtyrer der großen Christenverfolgungen kommt noch ein weiteres Phänomen zum Vorschein, das über die Instrumentalisierung des Suizids im historischen und argumentativen Kontext hinausgeht. Der Suizid läßt sich hier in soziologischer Hinsicht als ein Machtinstrument bzw. als Druckmittel fassen: Die Todesbereitschaft bzw. Suizidandrohung gibt den vermeintlich Schwächeren (den Verfolgten) ein Mittel an die Hand, das die vermeintlich Mächtigeren (die Verfolger) in Erklärungs- und Rechtfertigungsnot versetzt. Damit ist der Suizid zugleich auch ein Macht- oder zumindest ein Druckmittel, erst recht dann, wenn die Selbsttötung öffentlich vollzogen oder angedroht wird.499 Dieses soziologische Phänomen spiegelt sich auch in der literarischen Auseinandersetzung zwischen Gaudentius und Augustinus wider.500
498 Vgl. die Reaktion des Arrius Antoninus in Tert. Scap. 5, 1, o. S. 122. 499 Zur „performance“ der Märtyrerhinrichtungen: D.G. KYLE, Spectacles, 243–248; D. POTTER, in: R. SCODEL – W.J. SLATER (ed.), Theatre and Society, 53–88; G. CLARK, Christianity, 41– 47; die Bedeutung dieses Phänomens in Nordafrika und Augustins Reaktion untersucht L. GRIG, Making Martyrs, 42–47; zur Öffentlichkeitssuche der Circumcellionen in bezug auf die iuvenalia vgl. C. LEPELLEY, in: DERS., Aspects de l’Afrique Romaine, 161–175. 500 Der Vergleich mit der aktuellen Problematik fundamentalistischer Selbstmordattentäter ist in Hinblick auf ihre offenbaren Mordabsichten sicher überzogen, doch reflektieren gerade sie die Ohnmacht gegenüber dem Druckmittel Suizid sowie die gegensätzlichen Bewertungen durch die unterschiedlichen Positionen, die sie bald als Märtyrer verehren, bald als Mörder verfolgen. Zum Phänomen der Selbstmordattentäter am Beispiel der Hamas vgl. z.B. M. JUERGENSMEYER, Terror in the Mind of God, bes. 69–78; zur Transformation des christlichen Märtyrerbegriffes im Islam auch T. SEIDENSTICKER, in: W. AMELING (Hg.), Märtyrerakten, 137–148. Zum soziologischen Phänomen der Machtwidersetzung durch Suizidandrohung ferner H. POPITZ, Phänomene der Macht, 52–60, der im Attentäter und im Märtyrer die „Symbolfiguren des radikalen Widerstandes“ (ebd. 58) gegen die vollkommene Macht sieht, ersterer indem er sich aggressiv gegen den Machthaber wende, letzterer indem er den Gehorsam bis in den Tod verweigere (ebd. 58f.).
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Die großen Christenverfolgungen hatten zur Zeit Augustins und seiner Auseinandersetzung mit den Donatisten bereits ihr Ende gefunden, das Christentum war zur „Staatsreligion“ geworden, und auf der Suche nach der Einheit etablierte sich die katholische Kirche als die mächtigere, wenn auch in Afrika wohl gerade wegen der Hartnäckigkeit der donatistischen Bewegung etwas langsamer. Diese Situation ist nicht zuletzt verantwortlich dafür, daß die Todesbereitschaft der Donatisten als Selbstmord diskreditiert werden mußte. 2.4 Zusammenfassung Die Problematik der Unterscheidung von Martyrium und Suizid wurde an zwei einschlägigen Beispielen untersucht, deren Vergleich in Hinsicht auf die Bewertung der Selbsttötung sehr aufschlußreich ist. Der Fall der heiligen Jungfrauen zeigt zunächst, daß der Suizid generell kein Kriterium ist, das gegen ihre Verehrung als Märtyrer spricht; im entgegengesetzten Fall hätte man ihnen das Martyrium im nachhinein aberkennen müssen, wie es etwa im Fall der Montanisten erfolgte.501 Dies ist freilich in Hinsicht auf die Märtyrerverehrung, die in einigen Fällen seit Generationen gefestigt war, schwerlich vorstellbar bzw. überhaupt kaum durchführbar. Es scheint daher eher umgekehrt so zu sein, daß die Frage, ob jemand als Märtyrer zu gelten hatte oder nicht, sich nach kirchenpolitischen Belangen richtete, und damit die Selbsttötung einmal im Falle approbierter Märtyrer gerechtfertigt, ein anderes Mal im Falle der Häretiker als Selbstmord verdammt wurde. In dieser Hinsicht ist wohl auch der Canon des ersten Konzils von Karthago einzuordnen, demzufolge denjenigen das Martyrium aberkannt wurde, die sich im Wahn oder aus anderen persönlichen Gründen in den Tod stürzten, und von dem offenbar zuerst die Donatisten betroffen waren.502 Das Beispiel der Jungfrauen macht ferner deutlich, daß ihr Suizid trotz ihrer zweifelsfreien Anerkennung als Märtyrerinnen einer (nachträglichen) Legitimation bedurfte. Ambrosius rechtfertigt, wie es auch Hieronymus fordert, den Suizid der Pelagia als Rettungsmittel zur Bewahrung der Keuschheit, er akzeptiert den Erhalt der Jungfräulichkeit also als causa iusta. Johannes Chrysostomos interpretiert ihre Tat ähnlich, betont aber vor allem das Wirken Gottes, das Pelagia die doppelte Ehre des Martyriums und der Jungfräulichkeit verschaffte. Augustinus schließlich muß sich gerade in Hinsicht auf die Jungfrauen eines Urteils enthalten. Er kann im ersten Buch von De civitate Dei aus argumentativen Gründen die Bewahrung der Keuschheit als causa iusta nicht akzeptieren. Obwohl er sich in diesem Punkt gegen die Haltung des Ambrosius und Hieronymus wendet, muß aber auch er die Jungfrauen als Märtyrerinnen anerkennen und verweist als Rechtfertigung auf eine nur den Märtyrerinnen selbst und der Kirche ersichtliche Weisung Gottes.
501 Conc. Laod. can. 9. can. 34; vgl. oben S. 75. 502 Conc. Carth. I, can. 2; vgl. oben S. 74f.
2. Persecutiones: Märtyrer oder Selbstmörder?
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Die causa iusta, die Augustinus in De civitate Dei hinsichtlich der Jungfrauen nicht anwenden kann, erscheint in seiner Auseinandersetzung mit den Donatisten als Hauptargument, mit dem er ihren Suizid vom Märtyrertod unterscheidet. Die Untersuchung des donatistischen Standpunktes zeigte aber, daß es das gleiche Argument ist, das auch die Donatisten als Legitimation ihrer Todesbereitschaft anführen. Es ist in diesem Fall also nicht eine Frage des Argumentes, das Martyrium von Suizid unterscheidet, sondern eine Frage des Standpunktes. Beide Seiten instrumentalisieren das Phänomen Suizid zur Unterstreichung ihrer Position: Augustinus verwendet den Suizid, um die Donatisten zu diffamieren und ihnen das Martyrium abzuerkennen, diese selbst stilisieren sich zu Märtyrern und gebrauchen die Suizidandrohung als Druckmittel, um ihre Interessen durchzusetzen. Die Frage des Standpunktes als Kriterium für die Unterscheidung von Martyrium und Suizid wird auch am Fall der heidnischen Suizidexempla im Vergleich mit den heiligen Jungfrauen deutlich: Die im ersten Buch von De civitate Dei sorgfältig aufgebaute Argumentation gegen den Suizid der heidnischen exempla kann Augustinus im selben Buch nicht ohne weiteres auf die Jungfrauen übertragen, da dies bedeutete, sie einer Sünde zu bezichtigen. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen in den hier ausgewählten Beispielen auch die Todesarten. Der Tod durch Ertrinken in den Fluten eines Flusses scheint für die christliche Legitimation der Jungfrauensuizide angemessener als der Sturz aus der Höhe oder das Erhängen. Ambrosius bringt die Assoziation des Todes durch Ertrinken mit der Taufe und so dem Martyrium direkt zum Ausdruck. Den Sturz der Pelagia hingegen ignoriert er, während Johannes Chrysostomos ihn eigens rechtfertigt. Besonders anschaulich wird die unterschiedliche Bewertung der Todesarten am Beispiel der Nonnen von Tabenna: Die zu Unrecht verleumdete Nonne ertränkt sich im Fluß, während die Verleumderin selbst aus Reue den Tod durch den Strick wählt, wobei die Parallele zu Judas unüberhörbar ist. Bedenkt man das häufige Auftreten der Todesart Ertrinken im Zusammenhang mit den Jungfrauen, scheint sie den Tod der Unschuldigen darzustellen, während das Erhängen den Tod der Schuldigen symbolisiert. Auch Augustinus macht sich diese offenbar vorhandenen Assoziationen zunutze, wenn er das Erhängen und den Sturz aus der Höhe (laqueum et praecipitium) den Donatisten als die für sie typischen Todesarten vorhält.503 503 Vgl. Aug. c. litt. Pet. 2, 49, 114 (o. S. 148, Anm. 497). Interessant ist in dieser Hinsicht auch Aug. s. 313E (= MiAg 1, 28): Augustinus unterstellt hier den Donatisten, daß sie als Todesart das Hinabstürzen wählten, nicht aber das Erhängen, weil sie das Werkzeug eines Verräters (Judas) nicht gebrauchen wollten, und kann sie so mit ihrem Verrat an der Einheit der Kirche in Verbindung bringen: s. 313E, 4: Quaerimus ab eis, et dicimus: Si mors voluntaria vos delectat, et pulcrum putatis nullo urguente inimico, nullo adversario occidente sponte mori, quare ad praecipitium cito curritis, ad laqueum numquam? Est in facili alia mors, magisque suspendium laquei servat integra membra morientis, quam praecipitium quod eligitis: cur ergo non vos in laqueo suspenditis, quando mori vultis? Respondent: Absit a nobis, anathema sit laqueus; Iudas enim traditor laqueo se suspendit. O miseri et infelices, quae est ista dementia, nolle facere quod traditor fecit, et facere quod magister traditoris diabolus eos docuit? Vgl. aber auch Aug. c. Gaud. 1, 27, 30 (o. S. 148, Anm. 497), wo der gleiche Bezug zu
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Die in diesem Kapitel behandelten Beispiele haben einmal mehr deutlich gemacht, daß sowohl die Thematisierung von Suizid als auch seine Bewertung an den historischen Kontext gebunden ist. Die Diskussion um die Selbsttötung scheint in Hinsicht auf die aufgezeigten Kontexte ein Ausdruck sowohl des Wandels als auch der Konsolidierung eines Märtyrerbildes in der Zeit nach den großen Verfolgungen zu sein: Die wachsende Bedeutung der Askese führt zu einer positiven Bewertung des Suizids für die servata pudicitia. Die Etablierung der Kircheneinheit und die gleichzeitige Notwendigkeit der Abgrenzung zu haeretischen und schismatischen Bewegungen führen gleichzeitig zur negativen Bewertung des Suizids als ein ‚falsches‘ Martyrium. Die entgegengesetzten Ergebnisse in der Bewertung unterstreichen die von den jeweiligen Kontexten abhängige Instrumentalisierung von Suizid. Nach der Untersuchung sowohl der heidnischen als auch der christlichen Vorbilder und ihrer Suiziddarstellungen aus christlicher Sicht wird sich der Blick im folgenden auf den profanen Bereich richten. Die Selbsttötung im Rahmen der Todesdarstellung von Kaisern und Herrschern wird weiteren Einblick in die Instrumentalisierung des Suizids und in die Abhängigkeit seiner Bewertung vom historischen und/oder argumentativen Kontext liefern.
den Todesarten des Teufels hergestellt wird und unter insgesamt drei Arten auch das Wasser genannt wird.
3. IMPERATORES: SUIZIDE VON KAISERN UND HERRSCHERN In seiner Nerovita berichtet Sueton über den Tod Neros: Nachdem der Kaiser die Nachricht erhalten hatte, daß der Senat ihn zum Staatsfeind erklärt habe und er nach Art der Vorväter – nackt, mit dem Kopf in eine Gabel gesteckt und zu Tode gepeitscht – hingerichtet werden solle, ergriff er hastig zwei Dolche, die er mitgenommen hatte, und prüfte, ob sie scharf genug seien, steckte sie unter der Begründung wieder ein, die Stunde, in der sich sein Schicksal erfülle, sei noch nicht gekommen. Bald forderte er Sporus auf, die Totenklage anzustimmen, bald bat er darum, es möge ihm doch einer beim Selbstmord zur Hand gehen, indem er es ihm vormache.504
Schließlich, so Sueton weiter, kamen die Reiter, die ihn festnehmen und von seiner Zufluchtsstätte außerhalb Roms in die Stadt zurückführen sollten, und Nero „stieß sich mit Hilfe seines Sekretärs Epaphroditus den Dolch in die Kehle.“505 Die Beschreibung vom Ende Neros bei Sueton spiegelt schon an der Grenze zum Sarkasmus den Charakter des Iulio-Claudiers. Es ist nicht der Suizid als Tat, der in Suetons Beschreibung als Negativum erscheint, sondern der Kaiser selbst, der gerade durch die Furcht vor der Bestrafung, durch seine fehlende Entschlußkraft und erst recht durch das Hinauszögern des eigenen Todes in seiner Lächerlichkeit karikiert wird.506 Der direkte Bezug zwischen Todesdarstellung und Leben und Charakter des Kaisers ist typisch für die Biographie Suetons. Dasselbe Phänomen findet sich auch in der Spätantike, bspw. bei Ammianus Marcellinus, der die Todesschilderung stets in engen inhaltlichen Zusammenhang zu dem zuvor geschilderten Leben und Charakter einer Figur treten läßt. Die Historia Augusta folgt
504 Suet., Nero 49, 2f.: Inter moras perlatos a cursore Phaonti codicillos praeripuit legitque se hostem a senatu iudicatum et quaeri, ut puniatur more maiorum, interrogavitque quale id genus esset poenae; et cum comperisset nudi hominis cervicem inseri furcae, corpus virgis ad necem caedi, conterritus duos pugiones, quos se cum extulerat, arripuit temptataque utriusque acie rursus condidit, causatus nondum adesse fatalem horam. (3) Ac modo Sporum hortabatur ut lamentari ac plangere inciperet, modo orabat ut se aliquis ad mortem capessendam exemplo iuvaret; [...]. 505 Suet., Nero 49, 5: [...] ferrum iugulo adegit iuvante Epaphrodito a libellis. 506 Vgl. die inhaltlich ähnliche Beschreibung bei Cassius Dio 63, 29, 2: καὶ οὕτως ἐκεῖνος προσιόντας αὐτοὺς αἰσθόμενος προσέταξε τοῖς παροῦσιν ἑαυτὸν ἀποκτεῖναι. ἐπεί τε οὐχ ὑπήκουσαν, ἀνεστέναξέ τε καὶ ἔφη ‚ἐγὼ μόνος οὔτε φίλον οὔτε ἐχθρὸν ἔχω‘. κἀν τούτῳ πελασάντων αὐτῷ τῶν ἱππέων αὐτὸς ἑαυτὸν ἀπέκτεινε, τὸ θρυλούμενον ἐκεῖνο εἰπών, ‚ὦ Ζεῦ, οἷος τεχνίτης παραπόλλυμαι‘. καὶ αὐτὸν υσθανατοῦντα ὁ ᾿Επαφρόδιτος προσκατειργάσατο. Und dazu die Gegenüberstellung mit Sueton bei K. HEINZ, Das Bild Kaiser Neros, 61–65, der trotz der überraschend vielen Kongruenzen eine direkte Abhängigkeit ablehnt (ebd. 65). In bezug auf die Suiziddarstellung findet sich ein wichtiger Unterschied bei Cassius Dio, der den Suizid als selbständige Tat des Kaisers hinstellt und damit die bei Sueton deutlicher betonte Feigheit des Kaisers abmildert.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
demselben Prinzip,507 und auch die spätantiken Epitomai und Breviarien weisen erstaunliche Ausführlichkeit hinsichtlich der Todesumstände von Herrschern auf.508 Der Suizid erfüllt dabei eine ganz besondere Funktion, indem er den Charakter und das Leben der Kaiser reflektiert. Auch die christlichen Autoren waren sich dieser Bedeutung der Todesschilderungen sicher bewußt, und es ist zu erwarten, daß sie sich einer so markanten Todescharakterisierung wie dem Suizid, wenn möglich, bedient haben. Das folgende Kapitel soll daher der Rolle der Suiziddarstellung und ihrer Bedeutung für die Charakterisierung und Wertung von Herrschern und Kaisern gewidmet sein. 3.1 Nero: Der Suizid eines heidnischen Kaisers im spätantiken Bild Nero ist sicherlich das berühmteste Beispiel eines sich selbst tötenden Kaisers.509 Es wurde auch in der Spätantike gerne zitiert, teils nahe an den klassischen Vorlagen mit den vor allem durch Sueton, Cassius Dio und Tacitus bekannten Motiven wie etwa der Brandstiftung, der Flucht vor Galba, dem Senatsbeschluß und schließlich der Selbsttötung; darüber hinaus werden die Gerüchte über Neros Tod aber auch in Form christlicher Legendenerzählung mythisiert, und er selbst wird zum Vorläufer des Antichrist bzw. zur Verkörperung desselben stilisiert.510 Entsprechend werden in den unterschiedlichen Todes- bzw. Suiziddarstellungen Veränderungen und Umwertungen vorgenommen. Aurelius Victor stellt in seinem Liber de Caesaribus Nero als von allen verlassen dar, der nicht einmal Hilfe bei der Ausführung seines Suizids findet. Einzig ein Eunuche, den der Kaiser in eine Frau hatte umwandeln lassen wollen, bleibt bis zum Ende bei ihm.511 Victor übernimmt zwar die Geschichte der Kastration, er nennt den Eunuchen aber nicht mit Namen, wie er auch die übrigen Begleiter Ne-
507 Dies hat v.a. T. ARAND, Das unverdiente Ende aufgezeigt. Zu den Vorbildern der Historia Augusta und ihrer Tendenz, mit der Todesschilderung oft eine Wertung der Person einhergehen zu lassen, vgl. bes. ebd. 9–14. 508 Vgl. z.B. zur Todesbeschreibung Neros bei den spätantiken Historiographen C. SCHUBERT, Nerobild, 370. 509 Das belegen die zahlreichen Darstellungen in der Kaiserzeit und Spätantike; neben den im folgenden erwähnten sind Suizidbeschreibungen v.a. in den Chroniken zu finden, vgl. Hier. chron., p. 185, 23 – 186, 2; Prosp. chron. 427; Cassiod. chron. 69; andere Todesarten neben oder anstelle von Suizid kennen u.a.: Plut., Galba 2, 7; Hist. Aug., Avid. 8, 4; Lact. mort. pers. 2, 7; eine Auflistung der Todesversionen zu Nero bei T. ARAND, Das schmähliche Ende, 322. 510 Ausführlich zum Nero-Bild in der Spätantike vgl. W. JAKOB-SONNABEND, Nero-Bild sowie die Diskussion und Ergänzung ihrer Arbeit bei C. SCHUBERT, Nerobild, 366–370; ferner J. ROUGÉ, Latomus 37, 1978, 73–87. 511 Aur. Vict. Caes. 5, 16: Verum eius adventu desertus undique nisi ab Spadone, quem quondam exsectum formare in mulierem tentaverat, semet ictu transegit, cum implorans percussorem diu ne ad mortem quidem meruisset cuiusquam officium. Der Eunuche war Sueton bereits als Sporus bekannt, der Nero neben anderen auch auf der Flucht begleitet. Zur Entmannung des Sporus vgl. Suet., Nero 28, 1; zur Begleitung Neros ebd. 48, 1.
3. Imperatores: Suizide von Kaisern und Herrschern
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ros, die Sueton aufführt, beiseite läßt.512 Das Ende Neros erhält aber gerade durch diese Änderungen, vor allem durch die betonte Verlassenheit des Kaisers und sein langes, vergebliches Bitten um Hilfe eine viel stärkere Färbung. Es charakterisiert Nero als einen im Tod schwächlichen und verlassenen Menschen, dem nicht einmal mehr Hilfe für sein Ende zuteil wurde. Ein schlechter Kaiser kann nur auf solche Weise sterben. Auch in Eutrops Breviarium ab urbe condita findet sich Nero am Ende seines Lebens von der ganzen römischen Welt verflucht und zugleich von allen verlassen.513 In seiner Beschreibung des Kaisers zeigt sich zunächst eine enge Anlehnung an die suetonische Darstellung, bei genauerer Betrachtung gerade der Todesbeschreibung ergeben sich jedoch gravierende Unterschiede. Die Art der vom Senat beschlossenen Hinrichtung übernimmt Eutrop von Sueton, ergänzt sie aber um die Vorführung in den Straßen Roms und den Sturz vom (Tarpeischen) Felsen.514 Ein wichtiger Unterschied besteht auch im Zeitpunkt von Neros Flucht: Eutrop setzt die Flucht nach der hostis-Erklärung durch den Senat an, bei Sueton wird Nero von dem Senatsbeschluß erst an seinem Zufluchtsort in Kenntnis gesetzt. 515 Beide Details wirken sich durchaus auf die Bewertung Neros aus, die insgesamt sehr ungünstig ausfällt. Der Suizid selbst wird zwar nicht expressis verbis als schlechte Tat bewertet, sondern ohne weitere Ausmalungen (nur der Landsitz und seine Entfernung zu Rom sind wie sonst auch angegeben) konstatiert (se interfecit); 512 W. JAKOB-SONNABEND, Nero-Bild, 24f. wundert sich über die Auslassung der übrigen Begleiter. Zudem wendet sie sich gegen die Überlegungen P. DUFRAIGNES, in: Aurelius Victor, Livre de Césars, 84 hinsichtlich einer Bemühung um Originalität der Epitomatoren und möchte statt dessen an einen zweiten Quellenstrang denken, der von der suetonischen und dionischen Tradition abweiche (W. JAKOB-SONNABEND, Nero-Bild, 25). Zur Abhängigkeit sowohl der Epitome de Caesaribus als auch Victors von einer verlorenen Vorlage vgl. schon A. COHN, Quibus ex fontibus und A. ENNMANN, Philologus Suppl. 4, 1884 337–501, sowie die Diskussion ihrer und späterer Theorien bei J. SCHLUMBERGER, Epitome, 9–16. Die Abhängigkeit von einer verlorenen Quelle muß nicht notwendigerweise die Freiheit des Verfassers in der Gestaltung ausschließen. Welcher der beiden Umstände aber die einzelnen Änderungen, in diesem Fall die Auslassung der Fluchtbegleiter Neros, gegenüber Sueton und Cassius Dio bewirkten, ist ohne die verlorene Vorlage nicht nachzuweisen. 513 Eutr. 7, 15: Per haec Romano orbi execrabilis ab omnibus simul destitutus est et a senatu hostis iudicatus; cum quaereretur ad poenam, quae poena erat talis ut nudus per publicum ductus, furca capiti eius inserta, virgis usque ad mortem caederetur atque ita praecipitaretur a saxo, e Palatio fugit et in suburbano liberti su,i quod est inter Salariam et Nomentanam viam ad quartum urbis miliarium, se interfecit. [...] Obiit tricesimo et altero aetatis anno, imperii quarto decimo, atque in eo omnis Augusti familia consumpta est. 514 Eutr. 7, 15: [...] per publicum ductus [...] atque ita praecipitaretur a saxo. Vgl. W. JAKOBSONNABEND, Nero-Bild, 49, die sich nicht darüber äußert, ob dieser Zusatz aus Eutrops eigener Feder oder aus seiner Quelle stammt. Bereits A. COHN, Quibus ex fontibus, 38 hatte auch in diesem Fall die o.g. verlorene Quelle als Vorlage vermutet. Vgl. auch C. SCHUBERT, Nerobild, 370, der darauf hinweist, daß in Eutrops Nerovita einem Kapitel der Lebensbeschreibung ein weiteres ganzes Kapitel zu den Todesumständen gegenüberstehe. Die Funktion sieht er darin, daß sich „im Tode der wahre Charakter des Menschen am reinsten ausspreche“, und in der Absicht Eutrops, den „Haß des Senats augenfällig zu machen und Nero in der Nachfolge senatorischer Geschichtsschreibung als warnendes Beispiel vorzustellen“. 515 Eutr. 7, 15; vgl. Suet., Nero 48. 49, 2.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
dennoch erscheint die Selbsttötung gerade als Endpunkt von Neros schändlicher Flucht vor der gerechten Strafe auch bei Eutrop als der entsprechende Tod für einen schlechten Kaiser. Die Epitome de Caesaribus kennt ebenfalls den Senatsbeschluß über die Bestrafung Neros more maiorum, nach dem er mit dem Kopf in eine Gabel gesteckt und zu Tode gepeitscht werden sollte.516 Anders als Aurelius Victor und Eutrop erwähnt der Verfasser der Epitome wie Sueton vier Begleiter Neros, ja er benennt sogar einen mehr mit Namen.517 Die enge Anlehnung der Todesdarstellung in der Epitome an die Vorbilder wird aber besonders in dem Ausspruch Neros Ita ne nec amicum habeo nec inimicum? deutlich, den auch Sueton und Cassius Dio fast wortgleich dem Kaiser in den Mund legen, als dieser niemanden fand, durch dessen Hand er sterben konnte.518 Der zweite Teil des in der Epitome erwähnten neronischen Zitats (dedecorose vixi, turpius peream) hat jedoch keine Entsprechung – weder bei Sueton noch bei Cassius Dio – und ist einem gewissen, auch an anderen Stellen zu beobachtenden Hang des Autors zur Dramatik zuzuschreiben, der die Abhängigkeit von einer weiteren Quelle oder auch den eigenen Gestaltungswillen des Verfassers widerspiegelt.519
516 Ps. Aur. Vict. epit. 5, 7: Ubi adventare Nero Galbam didicit senatusque sententia constitutum, ut more maiorum collo in furcam coniecto virgis ad necem caederetur, desertus undique noctis medio egressus urbe sequentibus Phaone Epaphrodito Neophytoque et spadone Sporo, quem quondam exsectum formare in mulierem temptaverat, semet ictu gladii transegit adiuvante trepidantem manum impuro, de quo diximus, eunucho, cum sane prius nullo reperto, a quo feriretur, exclamaret: ‚Ita ne nec amicum habeo nec inimicum? dedecorose vixi, turpius peream‘. Periit anno aetatis tricesimo secundo. Allgemein zur Nerovita in der Epitome de Caesaribus vgl. J. SCHLUMBERGER, Epitome, 37–41. Die Übereinstimmung mit Aur. Vict. Caes. 5, 16 (s.o. S. 154, Anm. 511) in der Formulierung (desertus undique... quem quondam exsectum formare) läßt auf ihn als Vorlage oder auf eine gemeinsame Quelle schließen. 517 Ps. Aur. Vict. epit. 5, 7; vgl. Suet., Nero 48, 1 (Phaon und Sporus). 49, 3 (Epaphroditus). Neophytus wird sonst von keinem antiken Autor erwähnt, vgl. dazu W. JAKOB-SONNABEND, NeroBild, 37 m. Anm. 93. 518 Suet., Nero 47, 5: Verum clausis omnium foribus, respondente nullo, in cubiculum rediit, unde iam et custodes diffugerant, direptis etiam stragulis, amota et pyxide veneni; ac statim Spiculum myrmillonem vel quemlibet alium percussorem, cuius manu periret, requisiit et nemine reperto: ‚Ergo ego‘, inquit, ‚nec amicum habeo nec inimicum?‘ D.C. 63, 29, 3: καὶ οὕτως ἐκεῖνος προσιόντας αὐτοὺς αἰσθόμενος προσέταξε τοῖς παροῦσιν ἑαυτὸν ἀποκτεῖναι. ἐπεί τε οὐχ ὑπήκουσαν, ἀνεστέναξέ τε καὶ ἔφη ᾿ἐγὼ μόνος οὔτε φίλον οὔτε ἐχθρὸν ἔχω᾿. 519 Gerade die Todesdarstellungen in den Kurzviten der Epitome weisen des öfteren eine Tendenz zur Dramatisierung auf. Zur Nerovita stellt J. SCHLUMBERGER, Epitome, 38 u. Anm. 91 (mit weiteren Verweisen) fest, „daß die Epitome vermutlich im Gefolge ihrer Quelle um eines effektvollen Aufbaus ihrer Kurzviten willen gelegentlich die historische Wahrheit – nachprüfbar etwa am Verhältnis zur Urquelle Sueton – sehr zu dehnen bereit ist“. Die Tendenz zum Sensationellen und zur Ausweitung im Vergleich zur Originalquelle Sueton, die gerade in Hinsicht auf die Todesdarstellungen sowohl in der Epitome als auch bei Aurelius Victor deutlich erkennbar ist, lasse, so J. SCHLUMBERGER, ebd. 34, die gemeinsame Abhängigkeit von derselben verlorenen Quelle evident zutage treten (vgl. o. Anm. 516). Vgl. auch W. JAKOB-SONNABEND, Nero-Bild, 38, die in diesem Fall zustimmt, daß dieses Resümee Neros durchaus auch aus der eigenen Feder des Verfassers der Epitome stammen könne.
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In Hinsicht auf eine Bewertung mittels der Suiziddarstellung geht die Epitome damit noch weit über Aurelius Victor und Eutrop hinaus: sie läßt Nero selbst seinen Tod als elender noch als sein Leben bewerten. Freilich ist Neros Ausspruch nicht direkt auf seinen Suizid bezogen, sondern vielmehr darauf, daß er am Ende seines Lebens weder Freund noch Feind hat, der ihm beisteht, und doch zwingt ihn gerade dieser Umstand dazu, die Tat selbst auszuführen, und damit zu dem vom Verfasser der Epitome angefügten Ausruf: „Schändlich habe ich gelebt, noch schmählicher sterbe ich“. Die Beschreibung von Neros Ende bei Orosius erscheint ebenfalls als eine stark komprimierte Form der suetonischen Darstellung.520 Die Verbrechen und der schändliche Charakter Neros wurden bereits zuvor wortreich ausgemalt, der Suizid wird demgegenüber nur knapp erwähnt und ähnlich wie schon bei Eutrop als passender Abschluß der schimpflichen Flucht dargestellt.521 Bis auf wenige kleinere Details, die allenfalls die Färbung gewisser Einzelheiten verändern, bleiben die bisher untersuchten Quellen nahe an ihren Vorlagen, wodurch sich auch die Beschreibung des Suizids nur in Nuancen verändert. Eine gravierende Umwertung erfährt Neros Ende erst durch die christliche Darstellung, wobei Orosius – wie gerade gesehen – für das 4. und 5. Jahrhundert eine Ausnahme bildet. Die Legendenbildung um Neros Tod und seine Stilisierung zum Antichristen sind Orosius sicher bekannt gewesen. Daß er keine Nachricht darüber verlauten läßt, sondern sich streng an die historiographischen Vorgaben hält, ist wohl in erster Linie dem Einfluß des Augustinus auf die Auftragsschrift zu verdanken, der das Antichrist-Motiv ablehnt.522
520 Oros. hist. 7, 7, 13: At vero Nero postquam Galbam in Hispania imperatorem creatum ab exercitu cognovit, totus animo ac spe concidit. Cumque incredibilia perturbandae, immo! subruendae reipublicae mala moliretur, hostis a senatu pronuntiatus et ignominiosissime fugiens, ad quartum ab Vrbe lapidem sese ipse interfecit, atque in eo omnis Caesarum familia consumpta est. Dazu W. JAKOB-SONNABEND, Nero-Bild, 74f. 521 Oros. hist. 7, 7, 13. Eine Parallele zu Eutr. 7, 15 (s.o. S. 155, Anm. 513) findet sich auch im abschließenden Satz: atque in eo omnis Caesarum familia consumpta est, der ebenfalls schon bei Suet., Galba 1, 1 belegt ist; vgl. auch Hier. chron., p. 186, 2f.: atque in eo omnis Augusti familia consumpta est. 522 Vgl. dazu W. JAKOB-SONNABEND, Nero-Bild, 75f., die auch (ebd., 83) darauf hinweist, daß Orosius es ganz bewußt vermieden habe, „Nero irgendwelche dämonischen Züge zu verleihen“, und ihn in eine Reihe mit Caligula stelle, „wohl um zu demonstrieren, daß es sich bei Nero um einen zwar verbrecherischen, aber ansonsten ‚ganz normalen‘ Menschen handelte, der mit dem Mythos des Antichrists nichts zu tun hatte.“ Zu Augustins Zurückweisung des Antichrist-Motivs vgl. Aug. civ. 20, 19: Quidam putant hoc de imperio dictum fuisse Romano, et propterea Paulum apostolum non id aperte scribere voluisse, ne calumniam videlicet incurreret, quod Romano imperio male optaverit, cum speraretur aeternum; ut hoc quod dixit: ‚Iam enim mysterium iniquitatis operatur‘, Neronem volverit intellegi, cuius iam facta velut Antichristi videbantur. Unde nonnulli ipsum resurrecturum et futurum Antichristum suspicantur; alii vero nec occisum putant, sed subtractum potius, ut putaretur occisus, et vivum occultari in vigore ipsius aetatis, in qua fuit, cum crederetur extinctus, donec suo tempore reveletur et restituatur in regnum. Sed multum mihi mira est haec opinantium tanta praesumptio. Zur augustinischen Haltung vgl. auch J. ROUGÉ, Latomus 37, 1978, 77–79.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Nero als erster Christenverfolger und die Verknüpfung seiner Regierungszeit mit der Hinrichtung von Paulus und Petrus sind die bedeutenden Motive, die in der Beschreibung des Kaisers in der christlich-theologischen Literatur den größten Raum einnehmen. 523 Die christliche Mythisierung Neros als Antichrist bzw. als Vorläufer des Antichrist hat aber auch Auswirkungen auf die Darstellung seines Todes: Laktanz beschreibt in De mortibus persecutorum das Ende Neros als eine gerechte Strafe Gottes, wendet sich aber gegen diejenigen, die an der AntichristThese festhielten, wobei er überraschenderweise die Version der Selbsttötung verschweigt: Herabgeschleudert also vom Gipfel der Macht und von der Spitze gestürzt, war der ohnmächtige Tyrann plötzlich nirgends mehr zu sehen, so daß sich nicht einmal eine Grabstätte des so bösen wilden Tieres auf Erden fand. Daher glaubten einige Wirrköpfe, er sei entrückt und am Leben erhalten worden gemäß dem Spruch der Sibylle, der ‚Muttermörder werde auf der Flucht von den Grenzen der Erde kommen‘, damit der Mann, der als erster verfolgte, ebenso
523 Zur Tradition und der Entwicklung des Antichrist-Motivs und des ‚Nero redivivus‘ vgl. W. JAKOB-SONNABEND, Nero-Bild, 133–152. Die direkte Identifizierung Neros mit dem Antichrist verschiebt sich später zu einer Vorläuferfunktion, dazu v.a. R. KONRAD, in: K. SCHNITH (Hg.), Festiva Lanx, 1–15. Der Antichrist-Mythos Neros spiegelt sich bereits in den jüdischen Sibyllen und spielte auch in den frühen Apokalypsenkommentaren eine zentrale Rolle: Vgl. Victorin. Petav. in apoc. c. 17, 3 (s.u. Anm. 527); Comm. apol. 927–936: Inde tamen pergit victor in terra Iudaea, / Quem ipsi Iudaei expectant vincere Roma / Multa signa facit, ut illi credere possint, / Ad seducendos eos quoniam est missus iniquus; / Quem tamen e caelo increpat vox reddita Summi. / De Persida homo inmortalem esse se dicit. Nobis Nero factus Antichristus, ille Iudaeis; Isti duo semper prophetae sunt in ultima fine. / Urbis perditio Nero est, hic terrae totius; / De quo pauca tamen suggero, quae legi secreta. Ambrosiast. in ep. ad Thess. 2, 2, 7: Nam mysterium iam operatur iniquitatis, tantum ut qui nunc tenet, teneat, quoadusque de medio fiat. Mysterium iniquitatis a Nerone coeptum est, qui zelo idolorum et apostolos interfecit instigante patre suo diabolo, usque ad Diocletianum et novissime Iulianum, qui arte quadam et subtilitate coeptam persecutionem implere non potuit, quia desuper concessum non fuerat. Quodv. prom. 8, 15: Octavum igitur regum, quem dicit Antichristum, quidam Neronem intelligi volunt, ut ipse sit bestia quae fuit et non est et iterum ventura est. Sed sive ipsius formam et speciem corporis sumat et in ea appareat, – sicut e contrario angelus sanctus in Tobi libro speciem ac similitudinem Azariae, Annaniae magni, suscepit – sive in alterius specie appareat Antichristus, ipsius tamen Neronis luxuriem et spurcitiam saevitiamque morum habiturum Danihel propheta testatur: Quae in sequenti capitulo demonstranda sunt. Sulp. Sev. dial. 2, 14, 1–4: Ceterum cum ab eo de fine saeculi quaereremus, ait nobis, Neronem et Antichristum prius esse venturos: Neronem in occidentali plaga subactis decem regibus imperaturum, persecutionem ab eo eatenus exercendam, ut idola gentium coli cogat. Ab Antichristo vero primum Orientis imperium esse capiendum, qui quidem sedem et caput regni Hierosolymam esset habiturus: ab illo et urbem et templum esse reparandum. Illius eam persecutionem futuram, ut Christum Deum cogat negari, se potius Christum esse confirmans, omnesque secundum legem circumcidi iubeat: ipsum denique Neronem ab Antichristo esse perimendum, adque ita sub illius potestate universum orbem cunctasque gentes esse redigendas, donec Christi adventu impius opprimatur. Non esse autem dubium, quin Antichristus malo spiritu conceptus iam natus esset et iam in annis puerilibus constitutus, aetate legitima sumpturus imperium. Quod autem haec ab illo audivimus, annus octavus est: vos aestimate, quam iam in praecipiti consistant, quae futura metuuntur. Und Sulp. Sev. chron. 2, 29, 3 (s.u. Anm. 526).
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auch als letzter verfolge und der Ankunft des Antichrist vorangehe; das darf man aber nicht glauben.524
Es erstaunt, daß Laktanz, gerade wenn er den Aberglauben zu widerlegen bestrebt ist, nicht auf den Suizid Neros, der ihm wohl bekannt gewesen sein dürfte, eingeht. Es mag sich aus der Rhetorik ergeben, daß er die Selbsttötung Neros als argumentum e silentio bewußt verschweigt (die anderen glauben so, obwohl doch jeder weiß, daß er sich selbst tötete), andererseits ist dieses Schweigen doch gerade für Laktanz’ Todesarten der Verfolger auffällig, da er die christenverfolgenden Kaiser gerne im Suizid enden läßt, ja gar Selbsttötungen oder Hinweise darauf hinzudichtet, auch wenn sie nicht der historischen Realität entsprechen.525 Mit der eschatologischen Auslegung Neros und mit seinen Todesumständen beschäftigt sich auch Sulpicius Severus im Chronicon: Nero sei aus schlechtem Gewissen seinen Verbrechen gegenüber sich selbst verhaßt gewesen, doch sei es ungewiß, ob er Suizid begangen habe; sicher sei nur, daß sein Leichnam nicht gefunden wurde. Daher glaube man, daß er sich mit dem Schwert zwar erstochen habe, er aber von der Wunde genesen sei und am Ende der Zeiten wiederkehren werde.526 Er scheint hier der Annahme Victorinus von Pettaus zu folgen, der Nero mit dem apokalyptischen Tier identifiziert, dessen Todeswunde geheilt wird.527 Es ist doch auffällig, daß gerade dann, wenn die Antichrist-Legende zum Vorschein kommt, der Suizid angezweifelt oder wie bei Laktanz gar ganz verschwiegen wird. Da eine Unkenntnis der Neroschilderung Suetons unter den christlichen Autoren des 4. und 5. Jahrhunderts unwahrscheinlich ist, muß man wohl von einem bewußten Ignorieren der Selbsttötung ausgehen.528 Tatsächlich taucht m.W. mit Ausnahme der angesprochenen „Wunderheilung“ bei Victorinus und Sulpicius Severus in keiner Erwähnung des Kaisers sein Suizid in Verbindung mit dem An524 Lact. mort. pers. 2, 7f.: Nec tamen habuit impune. Respexit enim deus vexationem populi sui. Deiectus itaque fastigio imperii ac devolutus a summo tyrannus impotens nusquam repente comparuit, ut ne sepulturae quidem locus in terra tam malae bestiae appareret. (8) Unde illum quidam deliri credunt esse translatum ac vivum reservatum Sibylla dicente matricidam profugum a finibus esse venturum, ut qui[a] primus persecutus est, idem etiam novissimus persequatur et antichristi praecedat adventum; fas est credere; [...]. Übers. hier wie im folgenden nach A. STÄDELE, in: Laktanz, De mortibus persecutorum. Zu dieser Stelle vgl. W. JAKOB-SONNABEND, Nero-Bild, 145–147. Vgl. auch Lact. inst. 7, 16, 3f. 7, 17, 2f., wo er von einem apokalyptischen König des Nordens spricht, der vom Antichristen, einem König aus Syrien, besiegt wird. 525 Dazu unten S. 163–166. 526 Sulp. Sev. chron. 2, 29, 3: Interim Nero iam etiam sibi pro conscientia scelerum invisus, humanis rebus eximitur, incertum an ipse sibi mortem consciverit, certe corpus illius non repertum. Unde creditur, etiam si se gladio ipse transfixerit, curato vulnere eius servatus, secundum illud, quod de eo scriptum est: et plaga mortis eius curata est, sub saeculi fine mittendus, ut mysterium iniquitatis exerceat. Vgl. Sulp. Sev. dial. 2, 14, 1–4 (s.o. Anm. 523). Damit scheint er einem Quellenstrang zu folgen, der auf Tacitus zurückführt; eindeutig ‚Suetonisches‘ sei bei ihm nicht auszumachen, so W. JAKOB-SONNABEND, Nero-Bild, 82. 527 Victorin. Petav. in apoc. c. 17, 3: Unum autem de capitibus occisum in mortem et plaga mortis eius curata est (Apk 13, 3): Neronem dicit. Constat enim, cum eundem insequeretur equitatus missus a senatu, ipsum sibi gulam succidisse. 528 Vgl. W. JAKOB-SONNABEND, Nero-Bild, 150.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
tichrist-Motiv auf. Auch in der spätantiken Dichtung, die verstärkt die AntichristLegende aufgreift, findet sich, abgesehen von einem einzigen Vers bei Ausonius, der zudem in einem anderen Kontext steht, keine Erwähnung der Selbsttötung.529 Es scheint, als ob die eschatologische Auslegung Neros und seine negative „Erhöhung“ zum Widersacher des Messias, der vor dem Weltgericht wieder erscheinen wird, die Suizidversion unmöglich macht. Damit erweist sich im umgekehrten Schluß die Selbsttötung – zumindest aus christlicher bzw. eschatologischer Sicht – als etwas rein Menschliches. Erst die rätselhaften Umstände seines Todes erlaubten die Dämonisierung Neros.530 Die Verbindung zwischen Antichrist-Legende und Verschweigen bzw. Anzweifeln des Suizids wird auch daran deutlich, daß sich die Suizidversion später wiederfindet, sobald die Dämonisierung hinter andere Motive zurück und die Ereignisgeschichte in den Vordergrund tritt. Gregor von Tours kennt – neben den erwähnten christlichen Hauptmotiven der Christenverfolgung und dem Martyrium der Apostel – auch wieder die Selbsttötung des Kaisers: Nero aber war voll Zorn gegen Petrus und Paulus, weil sie Christus den Sohn Gottes predigten und die Götzen nicht anbeten wollten, und er ließ Petrus am Kreuze und Paulus durch das Schwert töten. Aber auch sich selbst tötete er mit eigener Hand, als er vor einer selbstverschuldeten Empörung fliehen wollte, beim vierten Meilenstein von der Stadt.531
Die Antichrist-Legende und, damit einhergehend, die Anzweiflung seines Todes bzw. seines Suizids halten sich – trotz vehementer Gegenstimmen schon in der Spätantike532 – bis ins Mittelalter hinein. Dabei überwiegt das religiöse Interesse, 529 Auson. Caes. 35: Matricida Nero proprii vim pertulit ensis. Vgl. C. SCHUBERT, Nerobild, 371–396, der das entsprechende Material auswertet. Obwohl er festhält, daß die Gestalt Neros für die spätantike Dichtung in der Regel kein Thema sei (ebd., 371), findet er immerhin bei zehn Dichtern teils aussagekräftige Stellen. Todesdarstellungen und Suizidbeschreibungen fehlen dabei, abgesehen von Ausonius, aber durchweg. 530 Die Tradition der unklaren Todesumstände und die Gerüchte um einen falschen Nero reichen in die klassische Antike zurück und bilden neben Sueton einen zweiten Überlieferungsstrang; vgl. D.Chr. or. 21, 9f.; Tac. hist. 1, 2; D.C., 66, 19, 3 und dazu W. JAKOB-SONNABEND, NeroBild, 147–150. 531 Greg. Tur. Franc. 1, 25: Hunc elisum per apostolus Domini Petrum atque Paulum, commotus contra eos, cur Christum, filium Dei, praedicarent et idola adorare contempnerent, Petrum crucem, Paulum gladio iubet interfice. Ipse quoque excitatam super se seditionem fugire temptans, quarto ab Urbe lapide propria se manum interfecit. Übers. nach W. GIESEBRECHT – R. BRUNNER, in: Gregor, Zehn Bücher. 532 Neben Laktanz (mort. pers. 2, 7) und Augustinus (civ. 20, 19, s.o. S. 157, Anm. 322) wendet sich auch Hieronymus gegen die Identifizierung Neros mit dem Antichrist. Hier. in Dan. 4, 11, 29: [...] haec autem sub Antiocho Epiphane in imagine praecesserunt: ut rex sceleratissimus qui persecutus est populum Dei, praefiguret Antichristum qui Christi populum persecuturus est – unde multi nostrorum putant, ob saevitiae et turpitudinis magnitudinem, Domitium, Neronem, Antichristum fore. Vgl. auch Hier. epist. 121, 11, 12: Quodque sequitur: iam enim mysterium iniquitatis operatur, tantum ut, qui tenet nunc, teneat, donec de medio fiat, et tunc revelabitur ille iniquus, hunc habet sensum: multis malis atque peccatis, quibus Nero, inpurissimus Caesarum, mundum premit, antichristi parturitur adventus et, quod ille operaturus est postea, in isto ex parte conpletur, tantum ut Romanum imperium, quod nunc universas gentes tenet, recedat et de medio fiat.
3. Imperatores: Suizide von Kaisern und Herrschern
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während das historische Wissen über den Kaiser im Mittelalter eher in den Hintergrund tritt.533 Die Überlieferung läßt Nero bis heute als geisteskranken Herrscher mit dämonischen Zügen erscheinen, freilich auch immer als sich selbst tötenden Kaiser, da das Phänomen des Nero redivivus nicht mehr zur Diskussion steht.534 3.2 Die Christenverfolger: Suizide heidnischer Kaiser aus christlicher Sicht Neben der Erkenntnis, daß der Suizid in Neros Fall offenbar als „menschliche Todesart“ erscheint, hat sein Beispiel deutlich gemacht, daß auch in der spätantiken Historiographie die Todesumstände des Herrschers eine wichtige Rolle spielten und sich einzelne, manchmal auch nur geringfügige Veränderungen auf die Bewertung eines Charakters auswirken können. In dieser Hinsicht kann der Suizid die Funktion eines literarischen Gestaltungsmittels einnehmen, das dazu dient, den Kaiser zu charakterisieren und/oder ihn in Bezug zu seinen Lebensumständen oder zu den ihn umgebenden Personen einzuordnen. Er kann ihn je nach Umständen und Intention der Verfasser sowohl als schlechten Herrscher, der durch feige Flucht aus dem Leben seine kaiserlichen Pflichten vernachlässigt, als auch als guten Kaiser, der sein Leben für die römische Sache opfert, kennzeichnen. Obwohl man nicht unbedingt von einer Regel ausgehen kann, sind dabei gewisse Tendenzen zu erkennen: Es scheint genauso wie in der früheren auch in der spätantiken Literatur Einigkeit darüber zu herrschen, daß ein guter Herrscher sich nicht selbst tötet, während ein schlechter Herrscher selbst in seinem Suizid noch unwürdig erscheint. Ob nun wiederum ein Kaiser als schlecht oder gut gilt, hängt häufig von der Sichtweise und Intention des Verfassers ab – und nicht zuletzt davon, ob er der paganen Tradition oder christlichen Werten und Wertungen folgt. Das Beispiel Kaiser Iulians veranschaulicht dieses Phänomen sehr deutlich: Ammianus Marcellinus läßt Iulianus kurz vor seinem Tod folgende Worte äußern: Ich schäme mich nicht zu bekennen: Schon längst habe ich durch einen Spruch des Schicksals erfahren, daß ich durch das Schwert umkommen werde. Aus dem Grunde verehre ich die ewige Gottheit, weil ich nicht wie ein Verurteilter abtrete, sondern mitten im glänzenden Ruhmeslauf diesen strahlenden Fortgang aus der Welt verdient habe. In gleicher Weise ist nämlich der als furchtsam und feige anzusehen, der den Tod herbeisehnt, ohne daß eine Notwendigkeit vorliegt, wie der, der ihn flieht, wenn es an der Zeit ist zu sterben.535
533 Vgl. R. KONRAD, in: K. SCHNITH (Hg.), Festiva Lanx, 1–15, der neben eschatologisch gefärbten Erwähnungen Neros auch seine Rolle in der Streitschriftenliteratur hervorhebt (ebd. 9–12). 534 Vgl. ähnlich auch W. JAKOB-SONNABEND, Nero-Bild, 152. 535 Amm. 25, 3, 19: Nec fateri pudebit: interiturum me ferro dudum didici fide fatidica praecinente. Ideoque sempiternum veneror numen, quod non clandestinis insidiis nec longa morborum asperitate vel damnatorum fine decedo, sed in medio cursu florentium gloriarum hunc merui clarum ex mundo digressum. Aequo enim iudicio iuxta timidus est et ignavus, qui, cum non oportet, mori desiderat, et qui refugiat, cum sit opportunum. Übers. der Ammianstellen hier wie im folgenden nach W. SEYFARTH, in: Ammianus, Römische Geschichte.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Die Schilderung von Iulians Tod bei Ammianus hat offenbar die Sterbeszene des Sokrates zum Vorbild und bringt die Ehrenhaftigkeit der Todesbereitschaft eines würdigen Kaisers zum Ausdruck.536 Die Betonung dieser Todesbereitschaft geht soweit, daß Ammian an anderer Stelle Iulian sich selbst mit den republikanischen Suizidexempla vergleichen läßt: Wenn aber das schwankende Glück mich irgendwo in einer Schlacht dahinstreckt, wird es mir genügen, mich für den römischen Erdkreis geweiht zu haben wie die alten Curtier und Mucier und die berühmten Geschlechter der Decier.537
Dieser Verehrung des heidnischen Kaisers durch eine angemessene Todesschilderung steht eine weitaus kritischere, christliche Darstellung gegenüber, die allein bei Gregor von Nazianz in seiner zweiten Rede gegen Iulian bezeugt ist: Noch etwas muß aus der Geschichte Julians erwähnt werden, weil es besonders klar seine Verkommenheit erkennen läßt. Er lag schwer verwundet am Ufer des Flusses. Weil er nun wußte, daß vor ihm viele übermenschlich geehrt wurden, indem man sie künstlich dem menschlichen Leben entrückte und so für Götter erklärte, wurde er von der Gier nach gleichem Ruhm ergriffen. Da er aber wegen seiner Unüberlegtheit eines ruhmlosen Todes sterben sollte, was ersann er nun, was tat er in seiner schändlichen Lage? Mit seinem Leben erlosch nicht zugleich auch seine Bosheit. Er versuchte sich mit Hilfe von Getreuen, welche in die Geheimnisse eingeweiht waren, in den Fluß zu stürzen. Hätte nicht ein Eunuche des Königs die Sache bemerkt, darüber berichtet und aus Ekel vor dem Frevel den Versuch verhindert, so wäre aus dem Unglück für die Dummen ein neuer Gott geworden. Julians Regierung und Heeresführung entsprach der Abschluß seines Lebens.538
536 Zur Anlehnung an Platons Phaidon vgl. auch Amm. 25, 3, 15–23: Iulian führt in seinen letzten Stunden Gespräche mit den Neuplatonikern Priscus und Maximus über die Erhabenheit der Seele. Vgl. ferner auch Lib. or. 18, 272, der die Sterbeszene Iulians ähnlich schildert und sie direkt mit dem Tod des Sokrates vergleicht: ῎Ιδοι δ᾿ ἄν τις αὐτοῦ τὴν ἀρετὴν κἀκ τῶν τελευταίων ῥημάτων. ἁπάντων γὰρ τῶν περιεστηκότων εἰς θρῆνον πεπτωκότων καὶ οὐδὲ τῶν φιλοσοφούντων δυναμένων καρτερεῖν ἐπετίμα τοῖς τε ἄλλοις καὶ οὐχ ἥκιστα δὴ τούτοις, εἰ τῶν βεβιωμένων αὐτὸν εἰς Μακάρων νήσους ἀγόντων οἵδε ὡς ἀξίως Ταρτάρου βεβιωκότα δακρύοιεν. ἐῴκει δὴ ἡ σκηνὴ μὲν τῷ δεξαμένῳ δεσμωτηρίῳ τὸν Σωκράτην, οἱ παρόντες δὲ τοῖς ἐκείνῳ παροῦσιν, ἡ πληγὴ δὲ τῷ φαρμάκῳ, τὰ ῥήματα δὲ τοῖς ῥήμασι, τῷ δὲ μὴ δακρύσαι τὸν Σωκράτην μόνον τὸ μηδὲ τοῦτον. Dazu mit weiterer Literatur G. FATOUROS – T. KRISCHER – W. PORTMANN, in: Libanios Kaiserreden, 256, m. Anm. 308. Zum Tod Iulians ferner T. BÜTTNER-WOBST, Philologus 51, 1892, 561–580; M. GIEBEL, Kaiser Iulian, 181–192; K. BRINGMANN, Kaiser Iulian, 182–186; sowie zuletzt auch K. ROSEN, Kaiser Julian, 31–33. 365f. Die Historia Augusta (Hist. Aug., Aur. 28, 1–10) bemerkt für Marc Aurel eine ähnliche Todesbereitschaft, vgl. bes. Hist. Aug., Aur. 28, 3–5: Deinde abstinuit vi potuque mori cupiens auxitque morbum. (4) Sexta die vocatis amicis et ridens res humanas, mortem autem contempnens ad amicos dixit: ‚quide me fletis et non magis de pestilentia et communi morte cogitatis?‘ (5) Et cum illi vellent recedere, ingemescens ait: ‚si iam me dimittitis, vale vobis dico vos praecedens‘. 537 Amm. 23, 5, 19: Adero ubique vobis adiumento numinis sempiterni, imperator et antesignanus et conturmalis ominibus secundis, ut reor. At si fortuna versabilis in pugna me usquam fuderit, mihi vero pro Romano orbe memet vovisse sufficiet ut Curtii Muciique veteres et clara prosapia Deciorum. 538 Greg. Naz. or. 5 (contr. Iul. II), 14: ῎Αξιον δὲ μηδὲ τοῦτο παραδραμεῖν τοῦ ἀνδρός, μεγίστην τῆς ἐκείνου κακοδαιμονίας ἐπὶ πολλοῖς ἔχον ἀπόδειξιν. ῎Εκειτο μὲν ἐπὶ τῇ ὄχθῃ τοῦ
3. Imperatores: Suizide von Kaisern und Herrschern
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Aus der heidnischen Todesbereitschaft des Philosophenkaisers, der durch Ammians Darstellung in die platonische und republikanische Tradition gestellt ist, wird in der christlichen Beschreibung ein Suizidversuch, der mit der Ruhmgier eines christenfeindlichen Kaisers begründet wird. Dabei liegt die Betonung jedoch nicht auf dem Suizidversuch, sondern auf dem Frevel der „Selbstdivinisierung“: Daß Iulian durch seinen Versuch, in den Fluten zu verschwinden und so sein Leben gleichsam „den Augen der Menschen entrückt“ zu beenden, anstrebt, unter die Götter erhoben zu werden, ist sein eigentlicher Frevel.539 Das Beispiel Iulians zeigt, daß es, obwohl der Suizid gerade dann „erscheint“ (also nachträglich erfunden wird), wenn ein Herrscher diskreditiert wird, nicht der Suizid an sich ist, der zur negativen Bewertung führt, sondern das Motiv, das ihn zu seiner Handlung treibt. Der Suizid (hier ein Suizidversuch) ist in dieser Hinsicht vielmehr ein rhetorisches Instrument, das der Unterstreichung schlechter Motive dient. Während bei Gregor die erfundene Suizidabsicht hinter den Frevel der ‚Selbstdivinisierung‘ zurücktritt, ist das nachträgliche „Anhängen“ eines Suizids als Charakterisierung heidnischer Kaiser in Laktanz’ De mortibus persecutorum weit aufποταμοῦ καὶ πονηρῶς εἶχε τοῦ τραύματος· πολλοὺς δὲ εἰδὼς τῶν πρὸ αὐτοῦ δόξης ἠξιωμένων, ὡς ἂν ὑπὲρ ἄνθρωπον νομισθεῖεν, τέχναις τισὶν ἐξ ἀνθρώπων ἀφανισθέντας καὶ διὰ τοῦτο θεοὺς νομισθέντας, ἔρωτι τῆς αὐτῆς δόξης ἑαλωκὼς καὶ ἅμα τῷ τρόπῳ τῆς τελευτῆς διὰ τὸ τῆς ἀβουλίας ἄδοξον αἰσχυνόμενος, τί μηχανᾶται καὶ τί ποιεῖ, οὐδὲ γὰρ τῷ βίῳ συναναλίσκεται πονηρία; Ῥίψαι κατὰ τοῦ ποταμοῦ πειρᾶται τὸ σῶμα καὶ πρὸς τοῦτο ἐχρῆτό τισι τῶν πιστῶν ἑαυτοῦ συνεργοῖς καὶ μύσταις τῶν ἀπορρήτων. Καὶ εἰ μὴ τῶν βασιλικῶν εὐνούχων τις, τὸ πρᾶγμα αἰσθόμενος καὶ τοῖς ἄλλοις καταμηνύσας, μίσει τοῦ κακουργήματος τὴν ὁρμὴν διεκώλυσε, κἂν ἐφάνη τις ἄλλος τοῖς ἀνοήτοις θεὸς νέος ἐξ ἀτυχήματος. ᾿Αλλ᾿ ἐκεῖνος οὕτω μὲν βασιλεύσας, οὕτω δὲ στρατηγήσας, οὕτω καὶ καταλύει τὸν βίον. Übers. v. P. HAEUSER, in: BKV2 59. Als Grund für die Verwundung weiß Gregor (or. 5, 13) mehrere Versionen zu berichten. Zur Apotheose Iulians vgl. J. STRAUB, Gymnasium 69, 1962, 310–326, sowie zur Einordnung der erfundenen Szene am Tigris bes. ebd. 313– 316; L. LUGARESI, in: Gregorio di Nazianzo, 201f. Zu Iulians Tod aus christlicher Sicht ferner N.H. BAYNES, JRS 27, 1937, 22–29. 539 Vgl. J. STRAUB, Gymnasium 69, 1962, 314, der auch auf frühere Beispiele einer solchen „Entrückung“ wie Romulus oder Aeneas, besonders aber auf die Parallele zu einer Legende über Alexander (vgl. Arr. An. 7, 27, 3) verweist. Die Bedeutung der Schilderung sieht er wohl mit Recht im heidnisch-christlichen Konflikt nach der Regierungszeit Iulians: „Wir dürfen uns nicht mit der Feststellung begnügen, daß wir es eben mit einem in der Kaisergeschichte öfter erlebten Vergleich zu tun haben, daß um der polemischen Absicht willen einem typischen Anspruch die Rechtfertigung durch einen fragwürdigen Tod entzogen werden sollte. Die rhetorische Invention des Kirchenvaters ist vielmehr auf eine durchaus ernst zu nehmende Gefahr gerichtet: wenn wir uns vergegenwärtigen, daß sogar Kyrill von Alexandrien sich noch veranlaßt sah, eine umfangreiche Schrift gegen Julian zu verfassen, wenn wir uns daran erinnern, daß in der byzantinischen Literatur das Andenken des Apostaten mit unversöhnlichem Haß verfolgt wurde, ist doch wohl zu vermuten, daß dem scheinbar so rasch erledigten Versuch einer heidnischen Restauration eine nachhaltige Wirkung beschieden war. Die literarische Fehde um die Apotheose Julians vermittelt uns daher einen aufschlußreichen Eindruck von der heidnischen Oppositionsbewegung, mit der sich in Ost und West der universale Geltungsanspruch der christlichen Staatskirche auseinanderzusetzen hatte.“ Auch Iulian wurde indes wie üblich offiziell divinisiert, vgl. Eutr. 10, 16, 2 und zur Konsekration Iulians ferner M. CLAUSS, Kaiser und Gott, 208f.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
fälliger. Der Tod des Caesars Maximinus Daia beispielsweise wird allein hier als Folge eines Giftsuizids dargestellt: Als Maximinus, in Tarsus eingeschlossen, „auf kein Entkommen mehr hoffen durfte, suchte er in seiner Angst und Furcht Zuflucht beim Tod, als sei dies das Heilmittel gegen die Übel, die Gott auf sein Haupt häufte.“ Der Caesar habe Gift genommen, dessen Wirkung aber nach einem üppigen Mahl von dem vollgestopften Magen zurückgewiesen wurde, „so daß sich sein Leben in die Länge zog und er die Qualen länger spüren mußte“. Das lange Leiden und die schließliche Bekehrung schildert Laktanz ausführlich und geradezu mit einem Hang zum Schauerlichen. Maximinus sei von unerträglichem Schmerz in den Wahnsinn getrieben worden, so daß er tagelang mit Heißhunger Erde verschlang, nach vielen schweren Qualen seinen Kopf gegen die Wände stieß und schließlich seine Augen aus den Höhlen sprangen. Mit dem Verlust des Augenlichts habe er endlich Gott gesehen und, wie durch Foltern dazu gebracht, ein Geständnis seiner Verbrechen abgelegt.540 Diese detailreiche und schauerliche Darstellung des Todes infolge eines Suizidversuchs erscheint allein bei Laktanz.541 Darüber hinaus ist in keiner anderen Quelle überhaupt von einer Krankheit des Caesars die Rede: Die Historiographen stellen meist sehr lakonisch seinen Tod bei Tarsos fest, ebenso halten sich die christlichen Autoren, obwohl sie ihn stets als üblen Christenverfolger darstellen, von ausführlichen Todesbeschreibungen fern.542 Die genauen Ursachen der abweichenden Darstellung bei Laktanz sind nicht mit Bestimmtheit zu klären, und doch gibt gerade die Intention seines Werkes, die sich schon im Titel ausdrückt, nämlich die Todesarten der Verfolger zu beschreiben, einen Hinweis. Alle Todesarten der Christenverfolger werden stets in grausigen Farben ausgemalt und als gerechte Strafe Gottes dargstellt. Von den zehn in seinem Werk beschriebenen, an Chri540 Lact. mort. pers. 49, 2–7: Ibi cum iam terra marique premeretur nec ullum speraret refugium, angore animi ac metu confugit ad mortem quasi ad remedium malorum, quae deus in caput eius ingessit. (3) Sed prius cibo se infersit ac vino ingurgitavit, ut solent ii qui hoc ultimo se facere arbitrantur, et sic hausit venenum. Cuius vis referto stomacho repercussa valere non potuit in praesens, sed in languorem malum versum est pestilentiae similem, ut diutius protracto spiritu cruciamenta sentiret. (4) Iam saevire in eum coeperat virus. Cuius vi cum praecordia eius furerent, insustentabili dolore usque ad rabiem mentis elatus est, adeo ut per dies quattuor insania percitus haustam manibus terram velut esuriens devoraret. (5) Deinde post multos gravesque cruciatus cum caput suum parietibus infligeret, exilierunt oculi eius de caveis. Tunc demum amisso visu deum videre coepit candidatis ministris de se iudicantem. (6) Exclamabat ergo sicut ii, qui torquentur, solent, et non se, sed alios fecisse dicebat. Deinde quasi tormentis adactus fatebatur Christum subinde deprecans et implorans, ut suimet misereretur. (7) Sic inter gemitus, quos, tamquam cremaretur, edebat, nocentem spiritum detestabili genere mortis efflavit. 541 Euseb schildert zwar ebenfalls die Krankheit, den Verlust des Augenlichts (Eus. v.C. 1, 59) und die anschließende Bekehrung als Folge einer Strafe Gottes (Eus. h.e. 9, 10, 6), jedoch findet sich hier kein Wort von der Gifteinnahme, weder in Hinsicht auf eine Suizidabsicht des Maximinus noch als Ursache seines Siechtums. 542 Vgl. Aur. Vict. Caes. 41, 1 (apud Tarsum perit); Eutr. 10, 4, 4 (non multo deinceps in Oriente quoque adversum Licinium Maximinus res novas molitus vicinum exitium fortuita apud Tarsum morte praevenit); Ps. Aur. Vict. epit. 40, 8 (morte simplici periit); Oros. hist. 7, 28, 17 (apud Tarsum ... interiit); Hier. chron., p. 229, 20–22 (apud Tarsum moritur).
3. Imperatores: Suizide von Kaisern und Herrschern
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stenverfolgungen beteiligten Herrschern findet kein einziger ein natürliches bzw. „leichtes“ Ende, für vier von ihnen hat Laktanz einen Suizid bereit.543 Diese vier (Diokletian, Maximian, der erwähnte Maximinus Daia und Severus) sind auffälligerweise genau diejenigen, denen der Autor den größten Anteil an der diokletianischen Verfolgung zuschreibt, also dem Ereignis, das seine Gegenwart maßgeblich prägte und ihn zu seinem Werk veranlaßt hat: Diokletian, so Laktanz, habe sich während schmerzvoller Krankheit Schlaf und Speise verweigert, bis er sich schließlich vor Hunger und Gram verzehrte.544 Severus sei durch seine Selbstauslieferung zumindest noch der sanfte Tod durch Öffnen der Adern zuteil geworden.545 Auch Maximianus Herculius sei die freie Wahl des Todes gestattet worden, und er habe sich selbst an der Schlinge aufgeknüpft.546 Diese Wahl der schändlichsten Art, sich selbst zu töten, welche die Kaiserzeit kannte, 547 greift Laktanz, kunstvoll in ein vergilisches Zitat gekleidet, auf und setzt es mit dem unwürdigen 543 Bis hin zu Constantin I. werden (abgesehen von Nebenpersonen) die Todesarten dargestellt von: Nero, Domitian, Decius, Valerian und Aurelian, sowie ausführlicher (weil in Laktanz’ Gegenwart reichend) die Herrscher der diokletianischen Verfolgung: Diokletian, Maximian, Galerius, Severus und Maximinus Daia. Licinius erscheint abschließend als Rächer, der mit der Hinrichtung sämtlicher Familienmitglieder der Verfolger dem Bösen ein Ende setzt. 544 Lact. mort. pers. 42, 2–3: (2) Itaque cum videret vivus, quod nulli umquam imperatorum acciderat, duplici aegritudine adfectus moriendum sibi esse decrevit. Iactabat se huc atque illuc aestuante anima per dolorem nec somnum nec cibum capiens. Suspiria et gemitus, crebrae lacrimae, iugis volutatio corporis, nunc in lecto, nunc humi. (3) Ita viginti annorum felicissimus imperator ad humilem vitam deiectus a deo et proculcatus iniuriis atque in odium vitae deductus postremo fame atque angore confectus est. Vgl. T. ARAND, Das schmähliche Ende, 211f., der in dieser Beschreibung die Darstellung eines vorgeblich würdigen Selbstmords sieht, der stoischen Mustern folge. Das Motiv, das Laktanz für den Hungersuizid des Kaisers anführt, nämlich daß Constantin Maximians und Diokletians Bildnisse hatte entfernen lassen, spricht aber deutlich für eine negative Bewertung seines Todes: Laktanz spielt hier zwar auf das stoische Todesideal (wie es etwa auch Marc Aurel in Hist. Aug., Aur. 28, 1–10 (vgl. o. S. 162, Anm. 536) vertritt) an, doch kombiniert er es mit der verwerflichen Eitelkeit eines heidnischen Kaisers; Laktanz verwendet somit das gleiche Muster, das Gregor von Nazianz nachdrücklicher für Kaiser Iulian anwendet. Eine Suizidversion mit negativem Anklang kennt für das Ende Diokletians auch Ps. Aur. Vict. epit. 39, 7: Morte consumptus est, ut satis patuit, per formidinem voluntaria. 545 Lact. mort. pers. 26,10–11: (10) Qui cum videret futurum, ut Maximiano traderetur, dedidit se ipse vestemque purpuream eidem, a quo acceperat, reddidit. (11) Quo facto nihil aliud impetravit nisi bonam mortem. Nam venis eius incisis leniter mori coactus est. Zum ‚erzwungenen Suizid‘ vgl. A. VAN HOOFF, Autothanasia, 94–96. Dieses Detail von Severus’ Tod ist ähnlich wie die Gifteinnahme des Maximinus nur Laktanz bekannt; die Historiographen und Chronisten erwähnen sonst – ebenso wie im Fall des Maximinus – lediglich die Flucht nach Ravenna und seine Ermordung: Eutr. 10, 2, 4; Ps. Aur. Vict. epit. 40, 3; Aur. Vict. Caes. 40, 7; Oros. hist. 7, 28, 8; Hier. chron., p. 229, 4f.; Prosp. chron. 980; Zos. 2, 10, 2. 546 Lact. mort. pers. 30, 5–6: [...] Postremo datur ei potestas liberae mortis, ac nodum informis leti trabe nectit ab alta. (6) Ita ille Romani nominis maximus imperator, qui post longum temporis intervallum cum ingenti gloria viginti annorum vota celebravit, eliso et fracto superbissimo gutture vitam detestabilem turpi et ignominiosa morte finivit. 547 Vgl. A. VAN HOOFF, Autothanasia, 64–72; das Erhängen erscheint auch in römischen Rechtstexten stets als „niedere“ Todesart, vgl. ebd. 69f.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Leben des Tetrarchen in Relation: „So beendete jener hochbedeutende Kaiser (...) sein verabscheuungswürdiges Leben mit einem schmählichen, schändlichen Tod.“548 Abgesehen von Maximianus, gibt es nur einen weiteren Kaiser, von dem der Tod durch Erhängen bekannt ist, nämlich Gordian I. Dieser machte, so berichtet Ammianus Marcellinus, aus Verzweiflung „seinem Leben durch Erdrosseln ein Ende, nachdem er von Unruhe über die herannahenden Gefahren überwältigt war.“549 Die Historia Augusta gibt als Grund für die Selbsttötung Gordians neben der politischen Niederlage auch die Verzweiflung und die Trauer über den Verlust seines Sohnes an550 und betont an anderer Stelle, daß die Art seines Suizids, nämlich durch Erhängen, unverdient und seiner vorbildlichen Lebensführung nicht angemessen gewesen sei.551 Der Tod durch den Strick ist in antiker Sicht (und erst recht durch die christliche Assoziation des Erhängens mit dem Tod des Judas) ein unehrenhafter Tod, der eines guten Kaisers nicht würdig ist. Die Historizität des Suizids Maximians ist nicht gesichert, obwohl ihn mindestens drei weitere Quellen erwähnen.552 Auch Euseb wertet das Ende Maximians
548 Lact. mort. pers. 30, 6 (o. Anm. 546). Vgl. Verg. Aen. 12, 603 und zur Formulierung informe letum auch u. S. 200, Anm. 662. 549 Amm. 26, 6, 20: [...] In Africa superior Gordianus in imperium raptus adventantium periculorum angoribus implicatus vitam laqueo spiritu intercluso profudit. Vgl. ferner Hdn. 7, 9, 4 und 7, 9, 9f.: ἕτεροι δέ φασιν, ὡς δὴ ταῦτα οἴκοι μεμενηκότι διὰ γῆρας τῷ πρεσβύτῃ Γορδιανῷ ἀπηγγέλη ὅ τε Καπελιανὸς εἰσελαύνων εἰς τὴν Καρχηδόνα ἐδηλώθη, ἐν ἀπογνώσει δὴ πάντων γενόμενος, εἰσελθὼν μόνος εἰς τὸν οἰκίσκον ὡς δὴ καθευδήσων, ἐξαρτήσας ἧς ἐπεφέρετο ζώνης τὸν τράχηλον ἐν βρόχῳ, τοῦ βίου ἀνεπαύσατο. τοιούτῳ μὲν δὴ τέλει Γορδιανὸς ἐχρήσατο, βιώσας τὰ πρῶτα εὐδαιμόνως, ἐν εἰκόνι τε βασιλείας τελευτήσας· ὁ δὲ Καπελιανὸς εἰς Καρχηδόνα εἰσελθὼν πάντας τε τοὺς πρωτεύοντας ἀπέκτεινεν, εἴ τινες καὶ ἐσώθησαν ἐκ τῆς μάχης, ἐφείδετό τε οὔτε ἱερῶν συλήσεως οὔτε χρημάτων ἰδιωτικῶν τε καὶ δημοσίων ἁρπαγῆς. 550 Hist. Aug., Gord. 16, 3: haec ubi comperit senior Gordianus, cum in Africa nihil praesidii et a Maximino multum timoris et fides Punica perurgueret, et acerrime Capelianus instaret, luctus deinde mentem atque animum fatigaret, laqueo vitam finivit. Vgl. H. BRANDT, Kommentar zur Vita Maximi et Balbini, 143, der im Sprachgebrauch laqueo vitam finivit einen weiteren Anhaltspunkt für die Spätdatierung der Historia Augusta sieht, da die Wendung eine eindeutig spätantike Eigenart sei. Zur häufigen Verwendung dieser Formulierung in der Spätantike s. auch u. S. 174 u. Anm. 584 mit weiteren Belegen. Zur Suiziddarstellung Kaiser Gordians in der Historia Augusta ausführlich T. ARAND, Das unverdiente Ende, 47–52. 551 Hist. Aug., Gord. 7, 1: Sed boni mores nihil ei profuerunt. ha[e]c enim vita[e] venerabilis, cum Platone semper, cum Aristotele, cum Tullio, cum Vergilio ceterisque veteribus agens alium quam merebatur exitum passus est. Obwohl diese Stelle nicht direkt Bezug auf einen Tod des Kaisers durch Suizid nimmt, steht sie aber offensichtlich im Zusammenhang mit den anderen Suiziddarstellungen (Hist. Aug., Gord. 16, 3. 20, 3f. 22, 6; Maximin. 19, 2; Max. Balb. 4, 2f.), so daß das Bedauern des Verfassers über das unwürdige Ende Gordians wohl nur in bezug auf sein Erhängen gemeint sein kann. Vgl. T. ARAND, Das unverdiente Ende, 49, der bemerkt, daß „dem Bedauern des Autors jedoch nicht der Selbstmord als Tat, sondern nur die Art der Ausführung zugrunde liegt“, was der kaum zufällige Verweis auf die Philosophen, die sich alle mit der Selbstmordfrage beschäftigt haben, belege. 552 Zur Diskussion um den Tod des Maximian vgl. W. HUSS, Latomus 37, 1978, 719–725.
3. Imperatores: Suizide von Kaisern und Herrschern
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durch Erhängen als Strafe Gottes,553 während die Epitome berichtet, der Kaiser sei durch die Art des Todes (fractis laqueo cervicibus) bestraft worden.554 Die Selbsttötung des Herculiers ist ferner auch in dem anonymen Panegyricus vom Jahre 310 auf Konstantin vorhanden,555 in welchem der Redner den Suizid damit begründet, daß Maximian zu dem Schluß gekommen sei, er verdiene aufgrund seiner Taten das Leben nicht mehr.556 Die Auswertung dieser Zeugnisse führt W. HUSS zu dem Schluß, „daß der Tod des Maximianus keineswegs ein Freitod im eigentlichen Sinn gewesen ist, sondern vielmehr auf einen Willensakt des Constantinus zurückzuführen ist, (...)“.557 Die antike Sichtweise erlaubte aber oder forderte es sogar, einen ‚erzwungenen Suizid‘ eben auch als ‚Freitod‘ anzuerkennen: Die Möglichkeit, den Tod zu wählen, bedeutet in dieser Hinsicht nichts anderes als die Freiheit, die Todesart selbst zu bestimmen und einer Hinrichtung oder Ermordung damit einen humaneren und ehrenvolleren Schein zu verleihen.558 Im Fall des Maximianus begünstigt damit die Erwähnung seines Freitodes zugleich die Rolle des Constantinus I. So lassen sich die Gegensätze in den Todesschilderungen des Herculius (Ermordung oder Suizid) gut durch die unterschiedlichen Wertungen Constantins I. erklären. 559 Dies wird gerade an der Todesbeschreibung bei Laktanz deutlich, durch die er einerseits die Milde Constantins, der dem Maximian die freie Wahl des Todes gestattet, und andererseits zugleich die Verworfenheit des Maximian, der den Strick als Todesart wählt, hervorhebt. Der einzige unter den von Laktanz beschriebenen Herrschern aus der Zeit der diokletianischen Verfolgung, der nicht mit einem Suizid in Verbindung gebracht wird, ist Kaiser Galerius. Dieser habe, an einem Krebsgeschwür leidend, sich zu Gott bekannt und schon auf dem Totenbett ein Edikt (das im April 311 in Nikomedia erlassene Toleranzedikt) erlassen, mit dem sich die Kerker für die Christen
553 Eus. h.e. 8, App. 3: ὁ δὲ τὰ δεύτερα [i.e. Maximianus] αὐτοῦ φέρων ἀγχόνῃ τὴν ζωὴν ἀπορρήξας, κατά τινα δαιμονίαν προσημείωσιν τοῦτο παθὼν διὰ πλείστας αὐτῷ τετολμημένας ῥᾳδιουργίας. Auf die Schändlichkeit seines Todes verweist Eus. h.e. 8, 13, 15 (αἰσχίστῳ καταστρέφει θανάτῳ); ähnlich auch Eus. v.C. 1, 47. 554 Ps. Aur. Vict. epit. 40, 5: Maximianus Herculius a Constantino apud Massiliam obsessus, deinde captus, poenas dedit mortis genere postremo, fractis laqueo cervicibus. 555 Paneg. lat. 7, 14, 5: [...] et postremo ipsi voluntarium ferret exitium. 556 Paneg. lat. 7, 20, 3: nec se dignum vita iudicavit. 557 W. HUSS, Latomus 37, 1978, 722. Durch das Adverb postremo in der Formulierung des Suizids in Paneg. lat. 7, 14, 5 möchte er (ebd. 721) folgern, daß der Tod des Maximianus an sich nicht freiwillig war, er aber den Grund, der zu seinem Tod führte, in freier Entscheidung bejahte. Anders und m.E. mit Recht sieht B. MÜLLER-RETTIG, in: Der Panegyricus des Jahres 310, 203 in postremo den Ausdruck einer rein zeitlichen Gegenüberstellung. Vgl. auch die ähnliche Verwendung des Begriffs in Ps. Aur. Vict. epit. 40, 5 (s.o. Anm. 554). 558 A. VAN HOOFF, Autothanasia, 94. 559 Dabei fällt auf, daß nur eine nicht christliche Quelle, nämlich die Epitome, den Suizid anführt, während nur zwei christliche Autoren einen Mord beschreiben: Oros. hist. 7, 28, 10 (in fugam versus Massiliae oppressus et interfectus est); Hier. chron., p. 229, 6–9 (Massiliae fugiens occiditur). Ferner kennen die Mordversion: Aur. Vict. Caes. 40, 22 (iure tandem interierat); Eutr. 10, 3, 2 (poenas dedit iustissimo exitu); ebenso Prosp. chron. 983; für weitere Stellen vgl. ferner B. MÜLLER-RETTIG, in: Der Panegyricus des Jahres 310, 204.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
öffneten.560 Zwar erlangte der Kaiser laut Laktanz auch durch dieses Edikt keine Vergebung für seine Verbrechen bei Gott und wurde „von der schrecklichen Fäulnis dahingerafft“,561 aber doch, mag man hinzufügen, ersparte ihm seine Umkehr und der Erlaß des Ediktes zumindest das schändliche Ende durch einen Suizid.562 Die ausführlichste Todesdarstellung in Laktanz’ De mortibus persecutorum ist die oben erwähnte des Maximinus Daia, und sie setzt markanterweise auch das Ende seiner Todesschilderungen.563 Die einzigartige Erfindung der Gifteinnahme zeigt ebenso wie die anderen Suizidschilderungen, die nicht notgedrungen der historischen Realität entsprechen, ein Bewußtsein über die Bedeutung und den Effekt einer Selbsttötung innerhalb einer Todesdarstellung: Der Suizid ist ein unwürdiger Tod, der einen nicht-christlichen Kaiser als gerechte Strafe Gottes trifft oder sein ohnehin unwürdiges Leben zu einem angemessenen Abschluß bringt. Dieser bewußte Umgang mit dem Suizid für die Wertung eines Kaisers in der christlichen Literatur gleicht derjenigen der heidnischen Darstellungen, wie wir ihn schon für Nero festgestellt haben: Gleichermaßen ist die Selbsttötung Merkmal eines schlechten Kaisers. Einzig welcher Kaiser mit einem Suizid „bedacht“ wird, hängt von der Intention der jeweiligen Beschreibungen ab. Es wird damit deutlich, daß in den Todesbeschreibungen der Herrscher der historische Wahrheitsgehalt oft eine untergeordnete Rolle spielt, während der Suizid als Instrument der intentional gefärbten Charakterisierung dient. 3.3 Valentinian II.: Diskussionen um den Tod eines christlichen Kaisers Nach dem Sieg über Maximus im Jahre 388 hatte Theodosius den westlichen Reichsteil an den 17-jährigen Valentinian zurückgegeben. Als Theodosius selbst im Jahre 391 in den Osten zurückkehrte, ließ er seinen fränkischen Heermeister 560 Lact. mort. pers. 33: ausführliche Beschreibung seiner Krankheit; 34: Wortlaut des Edikts. Die Datierung gibt Laktanz selbst (mort. pers. 35, 1) an. 561 Lact. mort. pers. 35, 3. Nec tamen ille hoc facto veniam sceleris accepit a deo, sed post dies paucos commendatis Licinio coniuge sua et filio atque in manum traditis, cum iam totius corporis membra diffluerent, horrenda tabe consumptus est. Im Vergleich zur vorangehenden, verhältnismäßig langen Beschreibung des Krankheitsbildes (mort. pers. 33) vor dem Edikterlaß erscheint sein Tod nach der Deklaration kurz und schmerzlos. 562 Anders Oros. hist. 7, 28, 13, der Galerius an der Pein verzweifeln und sich selbst das Leben nehmen läßt: [...] ipse autem cruciatus non sustinens vim vitae suae adtulit. Er ist der einzige, der für Kaiser Galerius einen Suizid überliefert, die übrigen Darstellungen erwähnen lediglich die Krankheit in unterschiedlichen Interpretationen: Eus. h.e. 8, App. 1: [...] καὶ οὐκ εἰς μακρὸν τῶν ἀλγηδόνων ἀπαλλαγεὶς μεταλλάττει τὸν βίον. Aur. Vict. Caes. 40, 9: [...] vulnere pestilenti consumptus est. Eine trotz der Kürze konkretere Krankheitsbeschreibung liefert wieder einmal die Epitome, Ps. Aur. Vict. epit. 40, 4: Galerius Maximianus consumptis genitalibus defecit. Ein Geschwür an den Geschlechtsteilen erwähnen auch Lact. mort. pers. 33 und Eus. h.e. 8, 16; v.C. 1, 57. Weitere Schilderungen bei Prosp. chron. 987; Zos. 2, 11, 1; Hier. chron., p. 229, 17. 563 In den abschließenden Kapiteln (50–51) beschreibt Laktanz noch die Hinrichtungen der Kinder und Verwandten durch Licinius.
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Arbogast als Reichsverwalter und Vormund des jungen Kaisers zurück. Am 15. Mai des folgenden Jahres starb Valentinian II., um dessen Tod sich in der Folgezeit viele Gerüchte rankten.564 Die Frage, ob der junge Kaiser Suizid begangen hatte oder ein Mordopfer seines Vormundes und des eigentlichen Machthabers im Westen, Arbogast, wurde, beantworteten schon die spätantiken Quellen auf unterschiedliche Weise, und sie wurde auch in der modernen Forschung bisher nicht zufriedenstellend geklärt.565 Letztere sieht sich vor allem vor das Problem gestellt, daß der unmittelbare Zeitgenosse des Ereignisses, Ambrosius, sich in seiner Leichenrede auf Valentinian II. (De obitu Valentiniani) mit Äußerungen über die genauen Todesumstände zurückhält und spätere Quellen sowohl Suizid als auch Mord, manchmal gar beides als mögliche Todesursache des Kaisers nennen. Es ist hier wie in vielen Fällen nicht Intention der Quellen, uns die historischen Tatsachen mitzuteilen, vielmehr liefern sie, so viel sei vorweggenommen, einen Beleg dafür, wie delikat die Verbindung eines Herrschers mit dem Suizid für die Zeitgenossen sein mußte. Die folgende Untersuchung der Quellen zum Tod Valentinians erfolgt daher nicht mit dem Ziel, den historischen Tatbestand zu klären, sondern soll vielmehr einen Einblick in die Bewertung und Instrumentalisierung eines Suizidfalls geben, die vordergründig nicht an christlichen vs. heidnischen Stellungnahmen festgemacht werden können. Die Leichenrede des Ambrosius auf Valentinian II. ist die zeitlich dem Ereignis am nächsten stehende Quelle, sie enthält aber keinen expliziten Hinweis auf die Art, wie der Kaiser ums Leben kam.566 Dennoch ist immer wieder versucht wor564 Zum durch Epiph. mens. 20 belegten und in der Forschung akzeptierten Todesdatum vgl. zuerst O. SEECK, Geschichte des Untergangs 5, 537. 565 Große Uneinigkeit herrscht in der Forschung noch immer über die Todesumstände, wobei zumeist Befürworter einer Mordthese Vertretern der Suizidversion gegenüberstehen. Vgl. vor allem B. CROKE, Historia 25, 1976, 235–244, der die Selbstmordversion favorisiert, und dagegen P. GRATTAROLA, RIL 113, 1979, 359–370, sowie F. PASCHOUD, in: Zosime II, 2, 455–458; B. SCHMITT, Ambrosius, 63–82. 97f. Sie stellen damit eine Fortführung der beiden auch in der früheren Forschung erhobenen Meinungen dar. Die Selbstmordthese wurde zuerst von O. SEECK, Geschichte des Untergangs 5, 241–243. 537 vertreten, dem u.a. J.F. MATTHEWS, Western Aristocracies, 238f.; A. PIGANIOL, L’empire Chrétien, 288f.; A. DEMANDT, Spätantike, 134 m. Anm. 37 folgen; H. LEPPIN, Theodosius der Große, 205f. hält die Suizidversion für wahrscheinlicher, ähnlich auch schon N.B. MCLYNN, Ambrose, 336f. A. SOLARI, AC 1, 1932, 273–276 sieht in der Mordthese eine offizielle, der dynastischen Propaganda für Theodosius dienliche Version. Für Mord als Todesart sprachen sich aus: G. RAUSCHEN, Jahrbücher, 362f.; W. ENSSLIN, s.v. Valentinianus II, RE VII A 2228f.; A. GÜLDENPENNING – J. IFLAND, Theodosius, 209–213; H. KLEE, Exitu, 8–17; S. RUIZ, Investigationes, 75; T.A. KELLY, in: Sancti Ambrosii Liber de consolatione, bes. 35–41, sowie, diesem folgend, zuletzt B. SCHMITT, Ambrosius, bes. 63–82. Unentschieden äußerten sich etwa E. STEIN, Histoire au Bas Empire, 1, 210f.; H. VON CAMPENHAUSEN, Ambrosius, 245; J. STRAUB, s.v. Eugenius, RAC 6, 1966, 861f.; M. BIERMANN, Leichenreden, 156; E. DASSMANN, Ambrosius, 175–180. Zur Forschungsgeschichte vgl. ferner W. ENSSLIN, s.v. Valentinianus II, RE VII A 2228f.; T.A. KELLY, in: Sancti Ambrosii Liber de consolatione, 40f.; B. SCHMITT, Ambrosius, 82–100. 566 M. BIERMANN, Leichenreden, 156, Anm. 20 fragt hinsichtlich fehlender Hinweise auf die genauen Todesumstände, ob der Kirchenvater in einer christlichen Leichenrede die Möglichkeit, auf einen Suizid anzuspielen, „auch nur ins Auge hätte fassen können. Aufgrund politischer
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den, zwischen den Zeilen Anspielungen des Kirchenvaters zu entdecken, die für oder gegen eine der beiden Versionen sprechen. B. SCHMITT bspw. kommt in seiner Untersuchung der Rede zu dem Schluß, „daß Ambrosius von einem gewaltsam herbeigeführten Ende Valentinians überzeugt war“ und der Kirchenvater „persönlich der Ansicht zuneigte, daß Valentinian ermordet wurde“.567 Bei kritischer Betrachtung seiner Argumente, zeigt sich jedoch, daß alle für Mord sprechenden Andeutungen ebenso gut auf die Verschleierung eines Suizids hinweisen könnten: Schon zu Beginn der Rede ist deutlich die Bemühung des Kirchenvaters zu erkennen, Valentinians Ende zu einem Opfertod zu stilisieren. Als der junge Kaiser von Barbareneinfällen in den italischen Alpen gehört habe, habe er es vorgezogen, sich lieber selbst der Gefahr auszusetzen (maluit periclitari se), indem er Gallien verließ, als uns in unserer gefahrvollen Not im Stich zu lassen. Als ein schweres Verbrechen des Kaisers erkennen wir nun, daß er dem römischen Reiche zur Hilfe eilen wollte. Allen Lobes wert ist diese Ursache seines Todes.568
Abgesehen davon, daß aus diesen Worten des Kirchenvaters nicht hervorgeht, wie genau der Barbareneinfall in Italien für den Tod des Kaisers verantwortlich war, ist die Leichenrede auch der einzige Beleg für die Bedrohung durch Barbaren im Frühjahr 392 überhaupt.569 Es ist unwahrscheinlich, daß Ambrosius einen solchen Barbarenangriff in einer Rede vor zeitgenössischem Publikum erfinden konnte; dennoch könnte die Betonung auf der Opferbereitschaft des Kaisers als Ursache seines Todes in der Bemühung begründet liegen, von den wahren Todesumständen abzulenken. Ob der Kirchenvater allerdings die Kritik am unehrenhaften Suizid des Kaisers durch Erhängen abwenden oder in seinen Zuhörern eine Assoziation
Rücksichten konnte er genausowenig deutlich von Mord reden“. Diese beiden Erklärungen für das Schweigen des Ambrosius, der rhetorische und liturgische Anspruch der Leichenrede einerseits, die unklaren politischen Verhältnisse im Westen und die gleichzeitig enge Verbindung des Bischofs zum jungen Kaiser andererseits, machen es trotz ihrer zeitlichen Nähe zum Ereignis unmöglich, die Quelle als verläßlich in der Frage nach der Todesart des Kaisers gelten zu lassen. Anders B. SCHMITT, Ambrosius, 64: „Gerade die überaus zahlreichen, häufig in das unverdächtige Gewand eines Bibelwortes gekleideten, vorsichtigen Anspielungen und subtilen Allusionen, denen sich Ambrosius in seiner Rede bedient, vermögen wichtige Aufschlüsse über Hintergründe und Art des Todes Valentinians zu vermitteln, läßt sich Ambrosius doch von Anfang an von der Absicht leiten, der Nachwelt etwas über ‚de ultimis Valentiniani iunioris‘ kundzutun, was dahin verstanden werden muß, daß Ambrosius von den letzten Tagen im Leben des jungen Kaisers sprechen will.“ Daß eine Gelegenheitsschrift, wie es die consolatio des Ambrosius ist, eine solche Intention bewußt verfolgte, scheint mir doch sehr fraglich. 567 B. SCHMITT, Ambrosius, 74. In seiner Argumentation (ebd. 67–74) wie seinem Ergebnis folgt er weitgehend T.A. KELLY, in: Sancti Ambrosii Liber de consolatione, 36–38. 568 Ambr. obit. Valent. 2: Sed ille non passus, cum audiret Alpes Italiae hoste infestari barbaro, maluit periclitari se, si Gallias derelinqueret, quam nostro deesse periculo. magnum crimen agnoscimus imperatoris, quod Romano subvenire voluit imperio! haec causa mortis, quae plena laudis! Übers. hier wie im folgenden B. SCHMITT, Ambrosius von Mailand. 569 Dazu M. BIERMANN, Leichenreden, 159 m. Anm. 27. Ambrosius erwähnt die Barbaren noch ein zweites Mal in obit. Valent. 22.
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wecken wollte, die Arbogast als Verantwortlichen auswies, läßt sich anhand dieser Stelle nicht nachweisen. Die Darstellung von Valentinians Ende als Opfertod findet ihre Fortsetzung im später folgenden Vergleich mit dem Tod Christi, der gebetet habe, daß sein Tod die Sünden der Welt beseitige, und der auch uns lehrte, zu beten, damit wir nicht in Versuchung gerieten, das heißt, daß wir nicht der Sünde verfielen. Denn dies ist die Versuchung für den Christen, wenn er um seiner Seele willen in Gefahr gerät; den Tod aber zu fürchten, ist kein Zeichen der Vollkommenheit.570
Auch wenn der Bezug zum Opfertod Christi nur mittelbar in Verbindung zur Situation Valentinians steht, ist die Art des Vergleichs doch aufschlußreich. Ambrosius spielt auf die Vermeidung der Sünde an, wobei die Sünde hier gerade nicht der freiwillige Tod ist, sondern ihre Vermeidung durch eben diesen erfolgt. Den Opfertod Christi als einen nicht nur freiwilligen, sondern gewollten Tod darzustellen, ist durchaus üblich. Augustinus etwa betont in der Auslegung des Johannesevangeliums, daß Christus die Stunde seines Todes durch seinen Willen selbst gewählt habe; er also starb, weil es sein Wille war.571 Umgekehrt ist es gerade die Furcht vor dem Leben, die oft als Kriterium für die Verurteilung des Selbstmörders angeführt wurde. Augustinus etwa wirft Cato vor, daß er durch seinen Freitod lediglich die Schmach durch Caesars Triumph vermeiden wollte und seine Tat eher ein Beweis verzagten als tapferen Geistes sei.572 Freilich ist das häufig auftretende christliche Motiv der willigen Bereitschaft, in den Tod zu gehen, noch kein (und schon gar kein ausreichender) Beleg dafür, daß der Opfertod Valentinians durch eigene Hand erfolgte, erst recht nicht, wenn man die folgenden Ausführungen des Ambrosius über die Vergebung der Verfolger Christi als Hinweis auf die Mörder versteht.573 Die Worte allerdings, die Am570 Ambr. obit. Valent. 33: Docuit autem, ut vigilemus et oremus, ne ingrediamur in temptationem, hoc est, ne incidamus in peccatum. haec est enim temptatio Christiani si in suae animae periculum prolabatur: mortem autem timere non est perfectionis. 571 Aug. Io. eu. tr. 31, 5: Quaerebant ergo eum apprehendere, et nemo misit in illum manus, quia nondum venerat hora eius; hoc est, quia nolebat. Quid est enim: nondum venerat hora eius? Non enim Dominus sub fato natus est. Hoc nec de te credendum est, nedum de illo per quem factus es. Si tua hora voluntas est illius, illius hora quae est, nisi voluntas sua? Non ergo horam dixit qua cogeretur mori, sed qua dignaretur occidi. Tempus enim exspectabat quo moreretur, quia et tempus exspectavit quo nasceretur. Vgl. auch Aug. c. Faust. 22, 36: [...] cuius rei prior exemplum praebuit. nam cum potestatem haberet ponendi animam suam nec eam poneret, nisi cum vellet, in Aegyptum tamen infans portantibus parentibus fugit. Et ad diem festum non evidenter, sed latenter ascendit, cum alias palam loqueretur Iudaeis irascentibus et inimicissimo animo audientibus nec tamen valentibus in eum mittere manus, quia nondum venerat hora eius: non cuius horae necessitate cogeretur mori, sed cuius horae oportunitate dignaretur occidi. Zu Christi Willen vgl. auch Joh 10, 18, dazu (in bezug auf die Todesdarstellung der Perpetua) o. S. 121, Anm. 400 sowie (hinsichtlich der Darstellung der Pelagia bei Ambrosius) o. S. 130. 572 Aug. civ. 1, 23 vgl. o. S. 101, Anm. 327, vgl. auch Aug. civ. 19, 4, o. S. 103, Anm. 331. 573 Ambr. obit. Valent. 34: Rogare autem quis debeat et pro inimicis suis, orare etiam pro persequentibus, sicut ipse dominus orabat dicens: ‚pater, dimitte illis, non enim sciunt, quid faciunt‘. Vide clementiam magnam: illi suum persequebantur auctorem, ipse adversariis etiam
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brosius im Anschluß daran wieder direkt auf Valentinian bezogen formuliert, lassen durchaus eine Anspielung auf eine Selbsttötung erkennen: Was soll ich darüber sagen, daß er (Valentinian) den Tod nicht fürchtete? Ja, er gab sich selbst (se obtulit) für alle hin, als er sagte, daß Unschuldige grundlos dem Haß ausgeliefert würden, daß seinetwegen andere ohne Grund in Gefahr gerieten, und lieber wünschte er sich selbst den Tod (sibi ... mortem optabat), als daß er anderen zum Grund ihres Todes werde. (...) Und so erlitt er den Tod (occidit) für alle, die er liebte, er, für den seine Freunde es als ein Geringes erachteten, wenn sie alle zugrunde gingen.574
Als eine ähnliche Anspielung könnten die Worte einige Kapitel später zu lesen sein, wo der Bischof die Schwestern des Kaisers anspricht: Wenn Ihr Euren Bruder durch Euren Tod zurückkaufen könntet, so würde er es doch nicht wollen, durch Eure Todespein zum Leben wiedererweckt zu werden, glaubte er doch, daß er besser in Euch lebe, und wünschte er sich lieber selbst zu sterben (optavit potius se ipsum mori), als an Euch irgendein Unrecht zu sehen, er, der mit Freuden bereit war, sich für Euch hinzugeben.575
Ein wichtiges Indiz, das gegen den Suizid Valentinians spricht, sieht die Forschung darin, daß Ambrosius den Kaiser nach dem Tod als ins ewige Paradies eingegangen beschreibe und mit Gewißheit von seiner Erlösung spreche, obwohl dieser nicht einmal die Taufe erhalten hatte. 576 Im Falle einer Selbsttötung habe Ambrosius niemals solche Äußerungen verlauten lassen und dem Kaiser erst recht nicht nachträglich die Taufe zukommen lassen können, da der Suizid nach christli-
gravia peccata donabat; quin etiam ignorantiae velamine excusabat admissum dicens, quia ‚nesciunt quid faciunt‘. 574 Ambr. obit. Valent. 35: Quid illud, quod mori non timuit? Immo pro omnibus se obtulit dicens, quod frustra innoxii in invidiam vocarentur, quod frustra propter se alii periclitarentur, sibique potius mortem optabat, ne ipse aliis causa mortis esset. Hoc est illud evangelicum domini in ipsa sui captione dicentis: si me quaeritis, sinite hos ire. Occidit itaque pro omnibus, quos diligebat, pro quo amici sui parum putabant, si omnes perirent. Vgl. E. DASSMANN, Ambrosius, 177, der ebenfalls anhand dieser Stelle vermutet, Ambrosius selbst scheine an Selbsttötung gedacht zu haben. Demgegenüber hält B. SCHMITT, Ambrosius, 67, Anm. 37 (T.A. KELLY, in: Sancti Ambrosii Liber de consolatione, 36, Anm. 132 zitierend und ergänzend) occidit in obit. Valent. 33 (Ecce in primo vitae occidit cursu.) für einen Begriff, der subtil eine Implikation gegen Arbogast enthalte. In beiden Fällen, in denen das Wort auftaucht (obit. Valent. 33 und 35), ist aber ohne Zweifel Valentinian Subjekt, nicht Arbogast, was also ebenso gut einen Suizid implizieren kann. Ähnliches gilt für die Formulierung cito excessit e vita (obit. Valent. 43, vgl. B. SCHMITT, Ambrosius, ebd.), die häufig für Beschreibungen von Suiziden verwendet wird, vgl. z.B. Amm. 14, 5, 8 über Martinus: hocque deformi genere mortis excessit e vita iustissimus rector ausus miserabiles casus levare multorum. 575 Ambr. obit. Valent. 50: Si fratrem vestro redimere possetis exitio, nollet tamen ille vestra adflictione resuscitari, qui se melius vivere credit in vobis, qui optavit potius se ipsum mori quam vestram videre iniuriam, qui pro vobis se libenter fuit paratus offerre, qui ipso nostri doloris die dicitur hanc solam emisisse vocem: ‚vae miseris sororibus meis!‘ itaque magis vestram destitutionem quam suam mortem dolebat. 576 Vgl. Ambr. obit. Valent. 51. 71–87. Zur Bedeutung der Leichenrede auf Valentinian II. als erster Beleg für eine Begierdetaufe vgl. z.B. E. DASSMANN, Ambrosius, 178f.; D. SATTLER, s.v. Begierdetaufe, LThK 2, 19943, 143f.
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cher Moral als Sünde gegolten habe.577 Dieser Überlegung ist entgegenzuhalten, daß zu dieser Zeit ein christliches Suizidverbot noch nicht kanonisiert war, geschweige denn die Folgen wie Begräbnisverweigerung oder Ausschluß aus der christlichen Gemeinde für Selbstmörder festgelegt waren. Sämtliche Konzilsbeschlüsse, die Selbstmördern die Oblationen bzw. ein christliches Begräbnis verweigern, sind frühestens ins 6. Jahrhundert zu datieren. 578 Ferner befindet sich auch die Diskussion darüber, ob die Selbsttötung für die Christen als Sünde anzusehen sei, im 4. Jahrhundert noch in Bewegung. Trotz der deutlichen Formulierung eines Suizidverbots bei Laktanz 579 gibt es unter den christlichen Schriftstellern durchaus auch noch solche, die dem Suizid nicht ablehnend gegenüberstanden. Ambrosius selbst äußert sich im Falle der heiligen Jungfrauen keinesfalls kritisch, sondern hält es für legitim, wenn sich Christen in Notsituationen das Leben nehmen, um damit ein größeres Übel (im Falle der Pelagia den Verlust der Keuschheit) zu vermeiden. 580 Der Überlegung, daß Ambrosius einem Valentinian, der sich selbst getötet hatte, keine nachträgliche Taufe habe erteilen können, könnte man ebenso mit der Frage entgegnen: Was hätte Ambrosius im Falle eines Suizids und angesichts seiner eigenen, offenbar kritisierten Rolle in den letzten Tagen vor dem Tod anderes tun sollen, als in seiner Rede diesen Suizid in verschleierter Form zu rechtfertigen und dem Kaiser alle Ehren zukommen zu lassen, die ihm zustanden?581 Im Hinblick auf die Bewertung eines Suizids im nachhinein sollte man die Autorität des Bischofs nicht unterschätzen, erst recht nicht, wenn man Ambrosius’ Haltung im Falle der heiligen Jungfrauen, die sich zur Erhaltung ihrer Keuschheit das Leben genommen hatten, berücksichtigt. Mit dieser Entgegnung auf die Hauptargumente der Forschung sollte nicht der Eindruck erweckt werden, die Leichenrede des Ambrosius sei als ein Beleg für den Suizid Valentinians aufzufassen. Es ist mir mehr daran gelegen, darauf hinzuweisen, daß alle Anspielungen auf die Todesumstände, die man mehr oder minder subtil in der Rede finden kann, sehr wohl auch für Suizid sprechen können. Die sprachlichen Formulierungen des Kirchenvaters lassen m.E. sogar eher an einen 577 Vgl. bes. B. SCHMITT, Ambrosius, 65f. Ähnlich auch schon T.A. KELLY, in: Sancti Ambrosii Liber de consolatione, 35 und F. PASCHOUD, in: Zosime II, 2, 456: „Comme le suicide est dans la morale chrétienne un très grave péché, il est en tout cas certain, quelle que soit par ailleurs l’ambiguïté des termes de cette oraison, qu’Ambroise, en 392, n’admet pas la version du suicide.“ Aus demselben Gedanken entstand auch die Vermutung O. SEECKS, Geschichte des Untergangs 5, 242, Ambrosius sei anfangs vom Mord überzeugt gewesen, weshalb er die nachträgliche Taufe akzeptiert habe, er habe später aber seine Meinung hin zu Suizid geändert, da Valentinian in der Rede auf Theodosius einige Jahre später keine Erwähnung mehr finde. Vgl. zu dieser Problematik auch A. PIGANIOL, L’Empire Chrétien, 289; F. PASCHOUD, in: Zosime II, 2, 456f.; T.A. KELLY, in: Sancti Ambrosii Liber de consolatione, 37f.; M. BIERMANN, Leichenreden, 156 m. Anm. 20; sowie B. SCHMITT, Ambrosius, 65–67 mit weiterer Literatur. 578 Dazu oben S. 76f. 579 Lact. inst. 3, 18; epit. 34, 8–12; epit. 59, 5. Dazu o. S. 50f. 580 Vgl. Ambr. virg. 3, 7, 32–38, dazu o. S.128-130. 581 Zur Rolle des Ambrosius und seinem auffälligen Versuch, mit der Leichenrede sein eigenes Verhalten zu rechtfertigen, vgl. M. BIERMANN, Leichenreden, 160–164; N.B. MCLYNN, Ambrose, 330–341.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Suizid als an einen Mord denken, auch wenn die Andeutungen nicht ausreichen, um letztendlich sicher eine Selbsttötung anzunehmen, während die wenigen Anspielungen auf die Zwistigkeiten zwischen Valentinian und Arbogast nicht hinreichen, von einer Ermordung auszugehen. Man muß sich fragen, ob Ambrosius die Tatsachen überhaupt bekannt gewesen sein konnten. Vielleicht wußte er über die Todesumstände lediglich, daß Valentinian erhängt aufgefunden wurde und man vermutete, er habe sich selbst getötet, entweder auf Betreiben des Arbogast oder aber aus freien Stücken. Die Leichenrede liest sich vor diesem Hintergrund sodann als eine Bemühung der Rehabilitierung des Kaisers, der aufgrund seines schändlichen Todes durch Erhängen der Vernachlässigung seiner kaiserlichen Pflicht beschuldigt werden konnte. In dieser Rehabilitierung post mortem scheint das Hauptanliegen der Rede zu liegen.582 Für die Annahme, daß die genauen Todesumstände bereits kurz nach dem Ereignis verschleiert wurden, sprechen auch die differenten, teils widersprüchlichen Darstellungen in den späteren Quellen. Rufinus überliefert nur wenige Jahre nach dem Tod Valentinians, und damit sicher auch dem Ereignis nahe stehend, den Suizid des Kaisers, der aus unbekannten Gründen sein Leben mit dem Strick beendet habe (laqueo vitam finivit). Die Gerüchte über die Gründe, die Valentinian zu seiner Tat veranlaßt hatten, gibt Rufinus im Anschluß wieder: Für einige sei es durch eine List des Arbogast geschehen, woran die öffentliche Meinung am meisten festhielt; andere meinten, daß es zwar nicht der Frevel des Arbogast gewesen sei, aber die Tatsache, daß dieser den jungen Kaiser seine Amtsgewalten nicht habe ausüben lassen, Valentinian zu seiner Tat getrieben habe.583 An dem Tatbestand des Suizids selbst läßt Rufinus also keinen Zweifel; einzig darüber, ob er in den Suizid gezwungen wurde oder ihn mehr freiwillig wählte, streite die öffentliche Meinung.584 Seine beiden Möglichkeiten der Begründung lassen zwei gegensätzli-
582 Anders M. BIERMANN, Leichenreden, 160–169, der als Intention die Rechtfertigung des Kirchenvaters in eigener Sache als Intention hervorhebt. 583 Rufin. hist. 11, 31: Interea Valentinianus in occiduis partibus animis, quantum aetas patiebatur, ardentibus rem publicam gerens causis etiam nunc latentibus laqueo vitam finivit. Sed hoc quidam dolo ducis sui Arbogastis factum confirmabant, idque quam maxime publica tenebat opinio. Alii a conmissi quidem scelere ducem alienum dicebant, sed causas praestitisse, quibus in hoc adulescens animi indignatione cogeretur, quod minus ei tamquam per aetatem nondum valido libera de omnibus indulgeret imperia. 584 Die Forschung interpretierte diese Stelle bisher weitgehend als eine Beschreibung beider Versionen (Suizid und Mord), vgl. etwa B. SCHMITT, Ambrosius, 75f.; W. ENSSLIN, s.v. Valentinianus II, RE VII A 2228; F. PASCHOUD, in: Zosime II, 2, 455f.; anders aber ohne weiteren Kommentar A. DEMANDT, Spätantike, 134 m. Anm. 37. Rufinus geht hier jedoch m.E. durchaus von einem Suizid durch Erhängen aus: laqueo vitam finivit ist eine Formulierung, die sicher auch ohne ein betonendes se ipse oder sua manu üblicherweise als Selbsttötung verstanden wurde; vgl. dieselbe Wendung etwa bei Pol. Silv. laterc. 1, 74 (MGH AA 9, 1, ebenfalls für Valentinian II); Ps. Aur. Vict. epit. 42, 8 (Decentius); Oros. hist. 7, 29, 13 (Magnentius); Greg. Tur. Franc. 5, 32 (eine bretonische Frau); Hist. Aug., Maximin. 19, 2; Max. Balb. 4, 3 (Gordian I.) oder auch zahlreiche Beschreibungen des Judas, z.B. Lucif. non parc. 26, 24. Allein über die Gründe für die Selbsttötung ist Rufinus nicht sicher und referiert dazu die beiden herrschenden Meinungen (quidam... alii...), die Arbogasts Rolle am Tod Valentinians unter-
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che Bewertungen des Arbogast in der Öffentlichkeit durchblicken. Je nach Bewertung des magister militum verändert sich auch dessen Rolle hinsichtlich des Todes des jungen Kaisers und variiert ferner auch der Grad der Freiwilligkeit, mit der sich Valentinian das Leben nahm. Die Darstellung des Rufinus klingt, gerade weil er beteuert, die genauen Gründe für die Selbsttötung nicht zu kennen, durchaus glaubwürdig, was durch die Gerüchte über die Todesumstände noch unterstrichen wird, da sie die schwierigen politischen Verhältnisse widerspiegeln.585 Die Suizidversion bzw. die These einer durch Arbogast ‚erzwungenen Selbsttötung‘ ist von einigen späteren Quellen über- oder wenigstens angenommen worden. 586 Ebenso beliebt war aber auch die Mordversion: Hieronymus (in einem Brief an Heliodor aus dem Jahre 396) und Orosius berichten unabhängig voneinander, Valentinian sei erst getötet und anschließend mit einem Strick aufgehängt worden. 587 Noch ausführlicher und anschaulicher schildert der griechische Kirchenhistoriker Philostorgios diese Variante: Valentinian sei, als er sich nach dem Mittagsmahl an den Ufern der Rhône erging, von Soldaten des Arbogast stranguschiedlich werten. Was B. SCHMITT u.a. (wie oben) für die Mordversion bei Rufinus halten, hat dieser selbst vielleicht eher als einen von Arbogast ‚erzwungenen Suizid‘ aufgefaßt. 585 Zur Einschätzung der Darstellung bei Rufinus vgl. auch B. CROKE, Historia 25, 1976, 238f., der den Quellenwert der Leichenrede des Ambrosius als nicht nützlich einstuft (ebd. 239: „Ambrose too, (...) gives nothing away“) und an seiner Stelle Rufinus zur „nearest historical source to the death“ erklärt. Damit ignoriert er nicht nur Ambrosius (was mit Recht von P. GRATTAROLA, RIL 113, 1979, 359–370; B. SCHMITT, Ambrosius, 97f. kritisiert wurde), sondern auch Hieronymus, epist. 60, 15, 4 (u. Anm. 587). 586 Einen Suizid als Todesart überliefern neben Rufinus auch Sidon. carm. 5, 354–357; Prosp. chron. 1197; Pol. Silv. laterc. 1, 74 (MGH AA 9, 1); Cassiod. chron. 1154, sowie Sozomenos mit einer Suizid- neben einer Mordversion, Soz. h.e. 7, 22, 2–3: Καὶ ὁ μὲν Θεοδόσιος ἐν εἰρήνῃ τὴν πρὸς ἕω ἀρχομένην ἰθύνων ἐν τούτοις ἐσπούδαζεν καὶ ἐπιμελῶς μάλα τὸ θεῖον ἐθεράπευεν. ἐν τούτῳ δὲ ἀγγέλλεται Οὐαλεντινιανὸς ὁ βασιλεὺς ἀγχόνῃ ἀπολωλέναι. ἐλέγετο δὲ ταύτην αὐτῷ καττῦσαι τὴν τελευτὴν διὰ τῶν θαλαμηπόλων εὐνούχων ἄλλους τέ τινας τῶν ἀμφὶ τὰ βασίλεια καὶ ᾿Αρουαγάστην τὸν ἐπὶ τῶν αὐτοῦ στρατευμάτων τεταγμένον, καθότι πατρῴζοντα τὸν νέον εὗρον περὶ τὴν ἀρχὴν καὶ πρὸς πολλὰ τῶν ἐκείνοις δοκούντων χαλεπαίνοντα. οἱ δὲ αὐτὸν ἡγοῦνται αὐτόχειρα ἑαυτοῦ γενέσθαι, ὡς ἐπιχειροῦντά τισιν οὐ δέον ἐν τῷ ζέοντι τῆς ἡλικίας καὶ κωλυόμενον καὶ τούτου χάριν οὐ καταξιώσαντα ζῆν, ὅτι βασιλεύων μὴ συγχωροῖτο ποιεῖν ἃ βούλεται. Rufinus (s.o. Anm. 583) ist sehr wahrscheinlich als Sozomenos’ Quelle anzusehen, vgl. G.C. HANSEN, in: Sozomenos (GCS N.F. 4), XLVIII, der die „direkte Benutzung dieser lateinischen Quelle (als Jurist besaß Sozomenus natürlich gute Lateinkenntnisse!)“ aufgrund teilweise wörtlicher Übersetzungen als erwiesen ansieht; vgl. auch G. SCHOO, Die Quellen, 28–31; ferner G. DOWNEY, GRBS 6, 1965, 66, der darauf hinweist, daß Sozomenos gerade in Hinsicht auf sein Interesse für die Ereignisse im westlichen Teil des Reiches über Socrates hinausgehe; H. LEPPIN, Von Constantin dem Großen zu Theodosius II, bes. 244–252. 587 Hier. epist. 60, 15, 4: Adulescens Valentinianus et paene puer post fugam, post exilia, post recuperatum multo sanguine imperium haut procul ab urbe fraternae mortis conscia necatus est et cadaver exanimis infamatum suspendio. Oros. hist. 7, 35, 10: Igitur Valentinianus iunior regno restitutus, extincto Maximo eiusque filio Victore, quem imperatorem Gallis Maximus reliquerat, ipse in Galliam transiit; ubi cum tranquilla republica in pace ageret, apud Viennam dolo Arbogastis comitis sui, ut ferunt, strangulatus atque, ut voluntariam sibi conscivisse mortem putaretur, laqueo suspensus est.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
liert und anschließend, um einen Suizid des jungen Kaisers vorzutäuschen, an seinem eigenen Halstuch aufgehängt worden.588 Die Version der Ermordung Valentinians mit anschließendem Aufhängen zum Zweck der Suizidvortäuschung bringt zum Ausdruck, daß die Todesumstände nach dem Ereignis nicht nur unklar waren, sondern vielleicht auch bewußt verschleiert werden sollten, ob nun im Interesse des Arbogast oder von seiten des Theodosius. Gleichzeitig bildet sie gewissermaßen eine Kombination aus den beiden offenbar kursierenden Meinungen, die auch Rufinus referierte: Man kannte den Bericht über die Erdrosselung durch Arbogast bzw. seine Helfer und ebenso die Gerüchte über einen Suizid des Herrschers. Auch die Mordversion wird von mehreren späteren Quellen favorisiert: Die Epitome de Caesaribus etwa unterstellt dem Eugenius die Hauptschuld an der Tat. Claudianus macht Arbogast und Eugenius gleichermaßen verantwortlich. 589 Die Schilderung Claudians, der als Hofdichter in den Diensten des Kaisers Honorius stand, mag vielleicht die offizielle Version des theodosianischen Hofes wiedergeben, die auch bei den griechischen Historikern und in den späteren Chroniken noch überwiegt.590 588 Philost. h.e. 11, 1: [...] Καὶ γὰρ ἐπερωτήσαντι τῆς τοσαύτης ὁρμῆς τὴν αἰτίαν ἑαυτὸν διαχρήσασθαι Οὐαλεντινιανὸς ὑπεκρίνατο, διότι βασιλεύων οὐδὲν ὦν ἂν βούλοιτο πράττει. ὁ δὲ Αρβαγάστης, οὐδὲν πλέον τότε πολυπραγμονήσας, ὕστερον ἐν Βιέννῃ τῆς Γαλλίας ἠριστηκότα τὸν βασιλέα καὶ μεσούσης ἡμέρας κατὰ τὰ ἔρημα τῶν βασιλείων ἐπὶ τὸν ποταμὸν τὸ χεῖλος οἷς ἐματαιοσποὺδει καλινδούμενον θεσάμενος, πέμπει τινὰς κατ’ αὐτοῦ τῶν ὑπασπιστῶν. οἱ δὲ τὸν δείλαιον χειρῶν ἰσχύϊ καὶ γνώμης ἀποπνίγουσιν ἀγριότησιν, οὐδὲ τῶν ὑπηρετουμένων τῷ βασιλεῖ τινος παρόντος. ὁ γὰρ καιρὸς αὐτοὺς ἀριστᾶν μετεπέμπετο. οἱ μέντοι γε τοῦτον ἀποπνίξαντες, ἵνα μὴ τὸ παραυτίκα πρὸς ζήτησίν τινες χωρήσωσι τῶν ἐργασαμένων, τὸ ἡμιτύβιον αὐτοῦ τῷ τραχήλῳ βρόχου τρόπον περιελίξαντες ἀναρτῶσιν, ὡς δι᾿ αὐτοῦ γε τῇ οἰκείᾳ γνώμῃ ἀπαγξαμένου. 589 Ps. Aur. Vict. epit. 48, 7: [...] Hic etenim Eugenius, confisus viribus Arbogastis, postquam apud Viennam Valentinianum exstinxerat regnum invasit; [...], ebenso auch Iord. Rom. 317. Claud. paneg. Hon. IV cos. 72–76: Per varium gemini scelus erupere tyranni / tractibus occiduis: hunc saeva Britannia fudit, / hunc sibi Germanus famulum delegerat exul. / Ausus uterque nefas, domini repersus uterque / insontis iugulo. 590 Philost. h.e. 11, 1; Zos. 4, 54; Hyd. chron. 22 (MGH AA 11, 2); Marcell. chron. 4, 2; 5, 1 (MGH AA 11, 2); Iord. Rom. 317; consul. Constant. a. 391, 1; chron. Gall. 650f.; narr. de Impp. Val. et Theod. 1, 4. Die ausführlichste Mordbeschreibung überliefert Zosimos, was in Hinsicht auf seine kritische Haltung gegenüber Theodosius eher überrascht: Zos. 4, 54, 3f.: Ἐπεὶ δὲ ἔπεισεν, ἄμεινον ἔχειν ᾠήθη Οὐαλεντινιανὸν ἐκποδὼν πρότερον καταστῆσαι καὶ οὕτως Εὐγενίῳ παραδοῦναι τὴν μοναρχίαν· τῷ βασιλεῖ τοίνυν ἐν Βιέννῃ Κελτικῇ πόλει τὰς διατριβὰς ποιουμένῳ καὶ περὶ τὸ ταύτης τεῖχος ἅμα τισὶ τῶν στρατιοτῶν παιδιαῖς ἐνασχολουμένῳ καὶ μηδὲν τοιοῦτον ἔχοντι κατὰ νοῦν ἐμπεσὼν παίει καιρίαν καὶ διαφθείρει. Πάντων δὲ σιωπῇ τὸ τολμηθὲν ἐνεγκόντων διά τε τοῦ ἀνδρὸς τὸ ἀξίωμα καὶ τὴν ἐν πολέμοις ἀνδρείαν, καὶ προσέτι γε ὅτι πολλὴν αὐτῷ διὰ τὸ χρημάτων ὑπερορᾶν οἱ στρατιῶται συνεισέφερον εὔνοιαν, ἀναδείκνυσιν Εὐγένιον βασιλέα, πᾶσιν ἐπ` αὐτῷ χρηστὰς ἔχειν δεδωκὼς ἐλπίδας διὰ τὰ τῷ ἀνδρὶ προσόντα πλεονεκτήματα. Als Quelle des Zosimos wurde stets Eunapios angesehen, der (Eun. frg. 9, 58, 2) ebenfalls vom Erschlagen des Valentinian durch Arbogast berichtet. Der Anfang dieses bei Iohannes von Antiochien (Ioh. Ant. frg. 187) überlieferten Fragments ist jedoch sicher nicht von Eunapios, während das gesamte Fragment durch eine weitere Quelle, die wiederum einen christlichen Autoren zusammen mit Eunapios verwendete, auf Zosimos gekommen ist; vgl. dazu R.C. BLOCKLEY, in:
3. Imperatores: Suizide von Kaisern und Herrschern
177
Der Abgleich der unterschiedlichen Quellen und Varianten kann und wird wohl kein Licht in die schon lang diskutierte Frage bringen. Man muß vielmehr sogar vermuten, daß den Verfassern unserer Quellen selbst die genauen Todesumstände nicht bekannt waren.591 Wie anfangs betont wurde, ist es jedoch nicht Ziel dieser erneuten Untersuchung der Quellen zum Tode Valentians, die tatsächlichen Begebenheiten festzustellen. Es gibt ein auffälliges Detail in der Todesdarstellung, das in weitgehend allen Quellen offenbar außer Frage steht, nämlich das Mordbzw. Suizidinstrument: der Strick.592 Es ist aber gerade dieses Detail, das bei der Frage nach der Bewertung innerhalb der unterschiedlichen Todesbeschreibungen zuerst aufhorchen lassen sollte: Ein christlicher Kaiser erhängte sich? Wie schon erwähnt wurde, galt das Erhängen als die mit Abstand unehrenhafteste Todesart. Allein dieser Umstand könnte schon ausgereicht haben, daß die öffentliche Meinung sich über die Gründe für einen solchen Tod nicht einig war. Derselbe Umstand erklärt es vielleicht auch, daß der Mordversion gerne eine Suizidvortäuschung hinzugefügt wurde, während umgekehrt die schmähliche Art des Suizids vielleicht dafür gesorgt haben könnte, daß er mit einem Mord „geschönt“ wurde. Vielleicht haben wir es hier mit einem antiken Uwe-Barschel-Fall zu tun.593 Auch wenn ein solcher Vergleich zunächst plakativ wirkt, weist der Fall Valentinians sowohl durch die nicht zu klärenden Umstände, die möglichen Versuche der Verschleierung und die Verstrickung politischer Größen durchaus Parallelen zu jenem auf. Wie F. PASCHOUD völlig richtig bemerkt hat, sind die politischen Umstände, die den Tod des Kaisers begleiteten, sehr obskur: Auf seiten von Arbogast und Eugenius hätte man durchaus ein Interesse haben können, einen Mord als Suizid zu verschleiern; auf seiten des Theodosius hätte man einen Vorteil daraus ziehen
The Fragmentary Classicising Historians 2, 143f., Anm. 117. Ioh. Ant. frg. 187 verlegt den Todesort fälschlicherweise nach Italien, und unwahrscheinlich ist auch die Behauptung des Zosimos, Eugenius sei bereits vor dem Tod des Valentinian zum Gegenkaiser erhoben worden. 591 Auch Augustinus bemerkt seine Unkenntnis darüber, Aug. civ. 5, 26: Mox tyranni Maximi extinctor Valentinianum puerum imperii sui partibus, unde fugatus fuerat, cum misericordissima veneratione restituit, eoque sive per insidias sive quo alio pacto vel casu proxime extincto alium tyrannum Eugenium, qui in illius imperatoris locum non legitime fuerat subrogatus, accepto rursus prophetico responso fide certus oppressit, contra cuius robustissimum exercitum magis orando quam feriendo pugnavit. 592 Mit nur zwei Ausnahmen (Eun. frg. 9, 58, 2 = Ioh. Ant. frg. 187 und Zos. 4, 54: Ermordung durch Schwert) erwähnen alle Quellen, die überhaupt Angaben zu einem (Selbst-) Mordinstrument machen, Erhängen bzw. Erdrosseln als Todesart: Hier. epist. 60, 15, 4; Oros. hist. 7, 35, 10; Pol. Silv. laterc. 1, 74 (MGH AA 9, 1); Prosp. chron. 1197; Cassiod. chron. 1154; Marcell. chron. 4, 2. 5, 1 (MGH AA 11, 2); chron. Gall. 650f.; Narr. de Impp. Val. et Theod. 1, 4; Epiphan. de mensur. 20; Socr. h.e. 5, 25; Soz. h.e. 7, 22, 2–3; Philost. h.e. 11, 1; Sidon. carm. 5, 355f. (guttura fregit post in se vertenda manus). Undeutlich drückt sich Claud. paneg. Hon. IV cos. 75f. aus: Ausus uterque [i.e. Eugenius u. Arbogast] nefas, domini repersus uterque insontis iugulo. 593 Die Todesumstände des ehemaligen Ministerpräsidenten, der am 10. Oktober 1987 vergiftet in einer Badewanne eines Genfer Hotels aufgefunden worden war, wurden trotz mehrerer Untersuchungsausschüsse nicht geklärt. Bis heute ranken sich zahlreiche Gerüchte um seinen Tod.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
können, einen Suizid als Mord auszugeben.594 Besonders augenscheinlich wird die politische Brisanz der Todesumstände an der Darstellung Claudians, der, indem er Arbogast und Eugenius gemeinsam für den Tod Valentinians II. verantwortlich macht, gleichsam die offizielle Version des theodosianischen Hofes wiedergibt. Wahrscheinlich ist ferner, daß beide Versionen bereits kurz nach dem Tod Valentinians gleichermaßen kursierten, was sich schon aus den zeitlich nächsten Überlieferungen (Hieronymus für die Ermordung, Rufinus nur wenig später für den Suizid) ersehen läßt. Dafür spricht auch die Tatsache, daß ein Zusammenhang zwischen der Entscheidung für eine der beiden Varianten und den Intentionen der jeweiligen Quellen, wie wir ihn für Nero oder die Christenverfolger erkennen konnten, für die Todesdarstellung Valentinians nicht nachzuweisen ist, sondern die unterschiedlichen Schilderungen wohl eher aus der Unkenntnis über die Tatsachen und/oder aus politischen Faktoren resultieren. Die christlichen Darstellungen überwiegen deutlich, kommen aber zu solch unterschiedlichen Ergebnissen, daß sich keine Linien oder Tendenzen ausmachen lassen. Eine solche wäre etwa auffällig, wenn man eine einheitliche Bemühung, den Suizid (als christliche Sünde) zu unterschlagen, feststellen könnte. Umgekehrt sprechen die beiden einzigen heidnischen Quellen (die Epitome de Caesaribus und Zosimos) von einer Ermordung, was besonders im Falle des Zosimos erstaunlich ist, weil er als Gegner des Theodosius wohl kaum eine Version vertreten hätte, die diesem zuspielte.595 Obwohl also keine direkte Unterscheidung in der Bewertung des Suizids durch Christen und Heiden zu erkennen ist, zeigt die spätantike Diskussion um die Todesumstände Valentinians dennoch, daß der Tod durch Erhängen offenbar für eines Kaisers nicht würdig erachtet wurde. Das Ende durch den Strick ist sowohl für Heiden als auch für Christen ein schändliches, das, selbst wenn die Umstände unklar waren, Erklärungen bedurfte. Dieses Phänomen wird umso deutlicher, wenn man sich das Ende des fränkischen Heermeisters Arbogast vor Augen führt, der sich nach der Niederlage gegen Theodosius den Tod mit dem Schwert beibrachte, ein Suizid, der in der Literatur keineswegs diskutiert wurde, und dessen Tod (neben dem des Eugenius) von Orosius als Ende eines unblutigen Bürgerkrieges gefeiert wird.596 Einen Unterschied macht in der Bewertung des Todes von Arbogast wohl auch die Tatsache, daß er im Machtkampf mit Theodosius der Unterlegene
594 F. PASCHOUD, in: Zosime II, 2, 456: „Du côté d’Arbogast et d’Eugenius, on pouvait avoir avantage à déguiser un assassinat en suicide; du côté de Théodose, on pouvait avoir avantage à déguiser un suicide en assassinat.“ 595 B. CROKE, Historia 25, 1976, 243 betrachtet die Darstellung des Zosimos als die offizielle Version, deren Verbreitung Theodosius am Hofe gefördert habe. Vgl. dagegen B. SCHMITT, Ambrosius, 80. Wahrscheinlicher ist, wie oben bereits bemerkt wurde, daß Claudians Schilderung diese offizielle Version wiedergibt. 596 Oros. hist. 7, 35, 19: Prospexit sibi humanae conscientiae pavor: nam continuo sese parva suorum manu fusa victori Theodosio hostilis prostravit exercitus; Eugenius captus atque interfectus est; Arbogastes sua sese manu perculit. Ita et hic duorum sanguine bellum civile restinctum est, absque illis decem milibus Gothorum quos praemissos a Theodosio Arbogastes delesse funditus fertur: quos utique perdidisse lucrum et vinci vincere fuit. Über den Suizid des Arbogast berichten auch Soz. h.e. 7, 24; Socr. h.e. 5, 25; Zos. 4, 58, 6.
3. Imperatores: Suizide von Kaisern und Herrschern
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ist – ein Unterschied, der es sinnvoll erscheinen läßt, den Kaisern und Herrschern die Suizidfälle der Unterlegenen und Besiegten gegenüberzustellen. 3.4 Zusammenfassung Die Untersuchung einiger ausgewählter Beispiele an Darstellungen kaiserlicher Suizide hat folgende Ergebnisse herausgestellt: Mit Ausnahme der Todesschilderungen Gordians in der Historia Augusta597 wird in allen behandelten Fällen die Auffassung deutlich, daß ein guter Kaiser sich nicht selbst tötet, bzw. der Suizid einen Herrscher als unwürdig ausweist. In dieser Auffassung unterscheidet sich weder die kaiserzeitliche von der spätantiken (wie am Fall Neros erkennbar) noch die heidnische von der christlichen (wie am Beispiel der Christenverfolger zu sehen) Literatur. Eine ähnliche Übereinstimmung läßt sich auch für die Vorstellung, daß ein guter Kaiser für seine Pflichterfüllung bereitwillig sein Leben opfert, feststellen: Die bei Ammian oder in der Historia Augusta betonte Todesbereitschaft Iulians oder Marc Aurels findet sich ebenso auch in Ambrosius’ Leichenrede auf Valentinian wieder, dort in Anlehnung an die Sterbeszene des Sokrates, hier in Form einer Gleichstellung mit dem Opfertod Christi. Die Bewertung des Lebens und Charakters eines Kaisers anhand seiner Todesart zeigt den Suizid in den meisten Fällen als negatives Kriterium, ob er nun explizit als unehrenhafter Tod formuliert wird oder einer nachträglichen Rechtfertigung bedarf. Die Selbsttötung scheint dabei in den kaiserlichen Todesdarstellungen eine rhetorische Funktion einzunehmen, durch die einerseits der Kaiser selbst in seinem Wesen charakterisiert oder andererseits seine Kontrahenten oder Nachfolger in ein günstigeres Licht gerückt werden können. Auch die christlichen Autoren machen sich diese Funktion bewußt zunutze. Die in den vorangegangenen Kapiteln dargelegte Diskussion um den Suizid innerhalb des Christentums führte in keiner Weise dazu, daß die Selbsttötung in den kaiserlichen Todesdarstellungen keine Rolle mehr spielte.598 Gerade Laktanz, der als erster ein christliches Suizidverbot formu597 Das auffällige und gehäufte Auftreten von Suizidbeschreibungen in der Historia Augusta wurde bereits eingehend von T. ARAND, Das unverdiente Ende untersucht, der zu dem Ergebnis kommt, daß die Bewertung des Suizids hier weder zustimmender noch ablehnender Natur sei: „Die Anzahl der unterschiedlichen Bewertungen ist ausgewogen, das Bild diffus“ (ebd. 79). Die Selbsttötung nehme in dem Werk unterschiedliche literarische Funktionen ein (vgl. ebd. 70–72) und werde dem Verfasser zu einer „in alle Richtungen frei formbaren Verfügungsmasse einer jeweiligen Bewertungstendenz“ (ebd. 80). 598 Anders sieht das T. ARAND, Das schmähliche Ende, 212f., der, abgesehen von Laktanz und Euseb, die zeitlich und kulturell noch mehr der klassischen paganen Periode verbunden seien, keine besondere Berücksichtigung von Suiziden unter christlichen Autoren feststellen kann. Gerade bei Orosius, den ARAND als Beispiel anführt, zeigt sich jedoch eine auffällige Häufung von Suizidbeschreibungen, wenn auch seine Beispiele aus der republikanischen Zeit deutlich überwiegen. Auch ARANDS Nebenbemerkung, daß sich „spätere Kaiser, einem allgemeinen Trend folgend, seltener umgebracht haben mögen“, läßt sich schon rein quantitativ nicht belegen: Für die nahezu dreihundert Jahre der Prinzipatszeit sind für vier Kaiser Suizide belegt (Nero, Otho, Gordian I. und Quintillus), während für zwei weitere (Vitellius und Maximinus
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
lierte,599 verwendete den Suizid in auffälliger Weise zur Stigmatisierung heidnischer Christenverfolger. Ob und wie Suizide in der spätantiken Literatur dargestellt werden, hängt daher nicht allein oder in erster Linie davon ab, wie der Suizid selbst bewertet wurde, sondern folgt unterschiedlichen Kriterien, allen voran der Intention des Verfassers bzw. seines Werkes. Auch wenn die negative Konnotation der sich tötenden Herrscher implizit eine zumindest argwöhnische Haltung gegenüber der Selbsttötung voraussetzt, ist es doch zunächst der Kaiser, der in seiner Position durch ein solches Ende charakterisiert wird. Dadurch lassen sich sowohl die Erfindungen als auch das Verschweigen von Selbsttötungen einzelner Kaiser erklären, so daß man für die Regel „ein Suizid deutet auf einen schlechten Kaiser“ wohl eher die Reihenfolge in „ein schlechter Kaiser deutet auf Suizid“ umkehren muß.
Thrax) spätantike(!) Suizidversionen existieren. Allein die Historia Augusta wartet mit einer Häufung von – teilweise fiktiven – Usurpatorensuiziden v.a. für das 3. Jh. auf (Bonosus, Clodius Albinus, Firmus, Ingenuus, Iulius Alexander, Priscianus); dazu neben ARAND auch J.-L. VOISIN, in: F. PASCHOUD (ed.), Historiae Augustae Colloquium Genevense, 301–316. Demgegenüber stehen allein für das 4. Jahrhundert fünf Suizide oder Suizidversionen (Diokletian, Maximianus Herculius, Maximinus Daia, Severus und Valentinian II.) sowie mindestens drei Usurpatoren, die sich das Leben nahmen (Magnentius, Decentius, Firmus, dazu u. S. 183–185). Über die Bewertung von Suizid, geschweige denn über die christliche Ablehnung der Selbsttötung sagt dies freilich nichts aus. 599 Vgl. o. S. 50f.
4. OPPRESSI ET VICTI: SUIZIDE VON UNTERDRÜCKTEN UND BESIEGTEN Die Selbsttötung eines Herrschers sorgte stets für öffentliches Interesse und literarische Diskussionen. Obwohl sie oft kein vergleichbares Aufsehen provozierten, sind die Suizide der Gegenseite, der Beherrschten, Unterlegenen oder in Kriegen Besiegten weitaus zahlreicher. Als grundlegende Motive der zu dieser Gruppe zählenden Figuren treten die desperatio und der pudor hervor, die Anlässe und Ursachen im Einzelfall sind jedoch vielfältiger Art.600 So konnte etwa finanzielle Not oder Krankheit Anlaß zur desperatio geben, wie pudor häufig aus der Situation entstand, sich dem siegreichen Gegner ausliefern und unterwerfen zu müssen. Der berühmteste Suizid dieser Art ist sicher derjenige Catos, dessen Freitod in der Kaiserzeit als Befreiung aus der Abhängigkeit von der clementia Caesaris angesehen wurde.601 Da solche exempla teilweise eine Umwertung in der Spätantike erfuhren (Kap. III 1) und sowohl die zahlreichen innerrömischen Machtkämpfe als auch die zunehmend häufigen kriegerischen Auseinandersetzungen innerhalb wie außerhalb der Reichsgrenzen gerade derartige Zustände erwarten lassen, erscheint es angebracht, entsprechende Situationen in der spätantiken Darstellung näher zu beleuchten. In den folgenden Abschnitten werden drei exemplarische Situationen behandelt, in deren Kontext sich besonders häufig Suizidschilderungen finden: Zunächst soll sich der Blick auf die innerrömischen Machtkämpfe richten, indem im Anschluß an die Kaiser und Herrscher die Usurpatoren und kaiserfeindlichen Machthaber gegenübergestellt werden. Ferner sind Kriege bzw. gewalttätige Auseinandersetzungen besonders häufig als Situationen auszumachen, die zum Suizid veranlaßten. Schließlich soll ein letzter Abschnitt den verschiedenen Formen sozialer Bedrängnis gewidmet sein, wobei vor allem gesellschaftliche Ächtung, Herrscherwillkür und finanzielle Not als Ursachen für Selbsttötung hervortreten. 4.1 Die Unterlegenen: Suizid nach mißlungenen Machtkämpfen Die Unterscheidung der schon behandelten Herrscher und Kaiser, die sich selbst töteten, von denjenigen, die, nachdem ihr Herrschaftsstreben mißlungen war, Suizid begingen, ist nicht immer klar zu treffen. Auch Nero brachte sich letztendlich um, weil er in der Auseinandersetzung mit Galba unterlegen war. Dieses Problem betrifft jedoch weniger die Suizidthematik als vielmehr die Unterscheidung zwi600 Zur Kategorisierung der antiken Suizidmotive, die er aufgrund der causae iustae im römischen Recht (vgl. o. Kap. II 4.1) vollzieht, vgl. A. VAN HOOFF, Autothanasia, 83–85; seiner Statistik zufolge (ebd. 85) sind desperatio und pudor die am häufigsten auftretenden Motive; zu diesen im speziellen vgl. ebd. 85–94. 107–120. 601 Zu Cato vgl. o. S. 98ff.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
schen Usurpator bzw. Gegenkaiser und rechtmäßigem Kaiser.602 In Hinsicht auf die Selbsttötung werden daher im folgenden nicht nur Usurpatoren und Gegenkaiser behandelt, sondern auch in jeglicher Form Beteiligte an kaiserfeindlichen Aktionen, die scheitern. Eine von den Herrschern getrennte Behandlung dieser Fälle ist trotz der Unterscheidungsproblematik angeraten, da die Bewertung der Usurpatoren und Unterlegenen sowie ihre Einordnung in die geschichtlichen Ereignisse auch eine sich von den Herrschern unterscheidende Wertung des Lebensendes erwarten läßt: Wenn sich ein Suizid für einen pflichterfüllenden Herrscher nicht ziemt, ist er dann auch für den Unterlegenen eine schmähliche Tat? Die Erhebung gegen den rechtmäßigen Kaiser galt als Hochverrat und hatte im Falle des Mißlingens für die Akteure drastische Konsequenzen. Äußerst selten starben Usurpatoren eines natürlichen Todes, und der Tod im direkten Kampf muß in dieser Hinsicht noch als das ‚angenehmste‘ Ende angesehen werden. Neben der Hinrichtung (häufig durch Enthauptung oder Erdrosselung) wurden die Leichen der hingerichteten oder gefallenen Hochverräter verstümmelt, und auch die Familien und Anhänger der Usurpatoren wurden zur Rechenschaft gezogen.603 In Anbetracht dieser Folgen verwundert es nicht, daß einige Usurpatoren den Tod durch eigene Hand vorzogen, um einer qualvollen Ermordung oder unehrenhaften 602 Vgl. E. FLAIG, in: F. PASCHOUD – J. SZIDAT (Hgg.), Usurpationen in der Spätantike, 15–34, der eine Konzeptionalisierung des Begriffes ‚Usurpation‘ versucht und zur Bestimmung gelangt (ebd. 19): „Die Kategorie ‚Usurpation‘ ist zu bestimmen als die Herausforderung des amtierenden Herrschers durch einen Rivalen.“ Diese Definition gehe über MOMMSENS Annahme (vgl. TH. MOMMSEN, Staatsrecht 2, 2, 842f.), daß ein Usurpator im römischen Prinzipat ebenso ‚legitim‘ wie ein Herrscher sei (und damit prinzipiell alle Kaiser Usurpatoren waren) hinaus, indem die Kategorie Usurpation nicht mehr allein nach staatsrechtlichen, sondern nach politologischen Kriterien bestimmt werde. Mit der Definition lassen sich viele Unterscheidungsprobleme lösen (etwa Nero und Galba), es bleiben aber Schwierigkeiten, wie bspw. im Fall des Maximianus Herculius, der sich nach der erneuten Abdankung (308) gegen Constantin empörte (zur Historizität von Maximians Suizid vgl. o. S. 166f.). 603 Zu den Folgen für die Usurpatoren, deren Sturzvorhaben mißlang, vgl. S. ELBERN, Usurpationen, 131–143. ELBERN (ebd. 132) zählt insgesamt fünf spätrömische Usurpatoren auf, die sich selbst töteten: Maximianus Herculius, Firmus, Magnentius, Decentius sowie den afrikanischen Usurpator Iulianus (Ps. Aur. Vict. epit. 39, 4: Hoc tempore Charausio in Galliis, Achilleus apud Aegyptum, Iulianus in Italia imperatores effecti diverso exitu periere. E quibus Iulianus acto per costas pugione in ignem se abiecit. Vgl. aber auch Aur. Vict. Caes. 39, 22: Eodem tempore Orientem Persae, Africam Iulianus ac nationes Quinquegentanae graviter quatiebant. Dazu D. KIENAST, Kaisertabelle, 277 und PLRE 1, s.v. Iulianus, 468, die vermuten, dem Epitomator sei eine Verwechslung mit dem/den Usurpator/en unter Carinus unterlaufen). Die Historia Augusta liefert für das 2. und 3 Jh. noch weitere Beispiele an Usurpatoren, über die sie zumindest Suizidversionen zu berichten weiß: Cornelius Priscianus (Hist. Aug., Pius 7, 4), Iulius Alexander (Hist. Aug., Comm. 8, 3), Clodius Albinus (Hist. Aug., Alb. 9, 1–4), Ingenuus (Hist. Aug., trig. tyr. 9, 4), Bonosus (Hist. Aug., quattr. tyr. 15, 1–2) und der von Aurelian besiegte (vermutlich fiktive) Firmus (Hist. Aug., quattr. tyr. 5, 2, dazu u. S. 185f.); vgl. T. ARAND, Das unverdiente Ende, insb. 53–55 (zu Bonosus); 58–60 (zu Clodius Albinus); 60 (zu Ingenuus); 60f. (zu Firmus); zur Suiziddarstellung in der Historia Augusta ferner J.-L. VOISIN, in: F. PASCHOUD (ed.), Historiae Augustae Colloquium Genevense, 301–316 sowie zur Darstellung der Usurpatoren F. PASCHOUD, in: DERS. – J. SZIDAT (Hgg.), Usurpationen in der Spätantike, 87–98.
4. Oppressi et victi: Suizide von Unterdrückten und Besiegten
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Hinrichtung zu entgehen, und bisweilen gar ihre Familienangehörigen mit in den Tod nahmen, um das auch ihnen drohende schlimmere Schicksal zu verhindern.604 Abgesehen von dieser offenkundigen Bedeutung des Suizids als Vermeidung der Folgen einer Niederlage sind in den Darstellungen aber auch weitere Bewertungskriterien auszumachen. Zuerst ist auf die Rolle des siegreichen Kaisers hinzuweisen, die – wie schon das Beispiel des Maximianus in bezug zu Constantin I. zeigte605 – Einfluß auf die Darstellung des Suizids nimmt. Die Bedeutung der Selbsttötung eines unterlegenen Usurpators in Hinsicht auf die Rolle des Siegers wird besonders am Beispiel des mauretanischen Gegenkaisers Firmus (372–374/5) deutlich.606 Ammianus Marcellinus berichtet, wie Firmus, der in mehreren Gefechten von Theodosius, comes Valentinians I. und Vater des gleichnamigen Kaisers, besiegt worden war, zum Stamm der Isaflenser floh. Als er erfuhr, daß ihn der dortige König Igmazen ausliefern wolle, habe Firmus beschlossen, sich zu töten. Mit Wein habe er die Wächter trunken gemacht, so daß er sich nachts unbemerkt davonschleichen, mit einem Strick, den er zufällig fand, sein Leben beenden konnte und so ohne qualvolle Verzögerung seine Seele aushauchte.607 Die ausführliche Beschreibung von der Täuschung der Soldaten bis hin zur Ausführung der Tat läßt den Usurpator in 604 So etwa Magnentius (Socr. h.e. 2, 32; Soz. h.e. 4, 7; Philost. h.e. 3, 26) und Gerontius (Soz. h.e. 9, 13), der nach Orosius von seinen Soldaten getötet wurde, vgl. Oros. hist. 7, 42, 4: Iam hinc, ut de catalogo tyrannorum quam brevissime loquar, Constantem Constantini filium Gerontius comes suus, vir nequam magis quam inprobus, apud Viennam interfecit atque in eius locum Maximum quendam substituit; ipse vero Gerontius a suis militibus occisus est. 605 Vgl. o. S. 167. 606 Zu Firmus vgl. PLRE 1, s.v. Firmus 3, 340; S. ELBERN, Usurpationen, 26, m. Anm. 186. Firmus wurde laut Amm. 29, 5, 3 (... e quibus unus torquem pro diademate capiti imposuit Firmi.) und Zos. 4, 16, 3 (Διὰ ταῦτα καὶ Λίβυες, οὐκ ἐνεγκόντες τὴν Ῥωμανοῦ πλεονεξίαν τοῦ τὴν στρατιωτικὴν ἔχοντος ἐν Μαυρουσίοις ἀρχήν, Φίρμῳ τὴν ἀλουργίδα δόντες ἀνέδειξαν βασιλέα) zum Augustus ausgerufen, nach Ps. Aur. Vict. epit. 45, 7 (... apud Mauritaniam regnum invadens exstinguitur) und Oros. hist. 7, 33, 5 (Interea in Africae partibus Firmus sese excitatis Maurorum gentibus regem constituens Africam Mauretaniamque vastavit) wurde er zum König erhoben; gegen O. SEECK, s.v. Firmus 8, RE VI, 2, 1909, 2383f., der eine Inschrift aus Calama in Numidien (heute Guelma, CIL VIII 5338 = 17488 = ILAlg I 253) als Beleg für den Augustustitel des Firmus anführt, vgl. T. KOTULA, AAntHung 18, 1970, 137–146; C. LEPELLEY, Les cités de l’Afrique 2, 96, Anm. 20; A. CHASTAGNOL, Antiquitas 18, 1993, 45–50. Die in den beiden eradierten Zeilen erkennbaren Buchstabenreste VLIANI weisen wohl eher auf Kaiser Iulian; vgl. ILAlg 1, 253 und C. LEPELLEY, Les cités de l’Afrique 2, 96, Anm. 20, die ergänzen: [[[Aeter]n[itati? / d(omini) n(ostri) I]uliani]] / perpetui victo/ris semper Aug(usti) / ordo Kalamensis / splendidus cum / Basil(io) Cirreniano Res/tituto sacerdotali p(rovinciae) A(fricae) / cur(ator) rei p(ublicae) dedicavit. Augustinus zufolge unterstützte Firmus die Donatisten, vgl. Aug. c. litt. Pet. 2, 83, 184; c. ep. Parm. 1, 11, 17 und dazu M.-J. CONGAR, in: BAug 28, 729f., Anm. 21. 607 Amm. 29, 5, 54: Et quoniam obscurius gesta didicerat per Masillam, in extremis rebus unum remedium superesse contemplans calcare vivendi cupiditatem voluntaria statuit morte vinoque consulto distentis et crapulentis silenti nocte oppressis altiore somno custodibus pervigil ipse impendentis aerumnae terrore insonis gradibus relicto cubili manibus repens et pedibus longius sese discrevit repertumque funiculum, quem finiendae vitae paravere casus, de clavo parieti affixo suspendit, ubi collo inserto animam absque moris cruciabilibus exhalavit.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
einem relativ positiven Licht erscheinen; nicht einmal der Umstand, daß Firmus sich erhängte, scheint bei Ammianus zu einer Abwertung zu führen. Im Anschluß an diese Szene berichtet Ammian weiter, Igmazen sei über den Suizid empört gewesen, weil er Firmus nun nicht mehr lebendig ausliefern konnte, so daß er den Leichnam persönlich auf einem Lastesel (iumentum) zu Theodosius gebracht habe.608 Abgesehen davon, daß durch die Selbsttötung des Usurpators dem Isaflenser König versagt blieb, aus der zuvor vereinbarten Auslieferung Nutzen zu ziehen, zeigen seine Empörung über die Tat und seine Reaktion auch, welche Bedeutung es hatte, dem besiegten Usurpator eine schmähliche Strafe zukommen zu lassen. Durch den Suizid entzieht sich der Unterlegene nicht nur einem qualvollen Tod, sondern auch der Verfügungsgewalt des Siegers. So ist vielleicht auch die viel kürzere Bemerkung des Orosius zum Tod desselben Firmus zu deuten: „Den zu Boden geworfenen und bezwungenen Firmus selbst nötigte er (Theodosius d.Ä.) zum Suizid.“609 Damit formuliert Orosius lakonisch und direkt, was bei Ammianus Igmazen symbolisch durch den Transport der Leiche auf einem Esel zum Ausdruck bringt: Über das Ende des Unterlegenen bestimmt letztendlich der Sieger. Daß der Sieger den Besiegten in den Suizid zwingt, ist ein Motiv, das häufig auftritt, wenn der Unterlegene sich durch Selbsttötung der Vergeltung des Siegers entzogen hat, dessen Rolle aber hervorgehoben werden soll.610 Dieser Anteil am Suizid muß nicht notgedrungen als direkte Anweisung verstanden werden, sondern kann auch allein durch den Sieg selbst begründet sein, durch den der Besiegte in aussichtslose Position und damit in den Suizid gezwungen wird. Auf diese Weise ist vielleicht die kurze Bemerkung bei Aurelius Victor zu interpretieren, der Constantius II. zuschreibt, die Brüder Magnentius und Decen-
608 Amm. 29, 5, 55f.: Quod dolenter ferens Igmazen ereptamque sibi gloriam gemens, quia non contigerat ad castra Romana vivum ducere perduellem, interposita fide publica per Masillam ipse camelo necati cadaver impositum ferens, cum tentoria exercitus adventaret ad Subicarense castellum locata, in iumentum transtulit sarcinale et Theodosio obtulit exsultanti. (56) Qui convocatis armatis simul atque plebeiis interrogatisque, an agnoscerent vultum, cum eiusdem esse sine ulla didicisset ambage, ibi paulisper moratus Sitifim triumphanti similis redit aetatum ordinumque omnium celebrabili favore susceptus. 609 Oros. hist. 7, 33, 6: [...] ipsum Firmum afflictum et oppressum coegit ad mortem. 610 Wie etwa im Fall Constantins I., der nach Laktanz dem Maximianus Herculius die freie Wahl des Todes gestattete (Lact. mort. pers. 30, 5–6, vgl. o. S. 165, Anm. 546). Nach Aurelius Victor hatte Septimius Severus die beiden Usurpatoren Pescennius Niger und Clodius Albinus in den Tod gezwungen, vgl. Aur. Vict. Caes. 20, 8f.: Pescennium Nigrum apud Cyzicenos, Clodium Albinum Lugduni victos coegit mori; quorum prior Aegyptum dux obtinens bellum moverat spe dominationis, alter Pertinacis auctor occidendi, cum eo metu in Britannos, quam provinciam a Commodo meruerat, transmittere niteretur, in Gallia invaserat imperium. Die Historia Augusta berichtet, daß Geta nach seinem Mord an Caracalla auch Laetus in den Tod getrieben habe, Hist. Aug., Carac. 3, 4: Laetum ad mortem coegit misso a se veneno: ipse enim inter suasores Getae mortis primus fuerat, qui et primus interemptus est; vgl. auch Hist. Aug., Hadr. 15, 3: Polaenum et Marcellum ad mortem voluntariam coegit (i.e. Hadrianus). Für weitere Beispiele (v.a. bei Tacitus und Cassius Dio) von durch den Herrscher erzwungen Suiziden vgl. J.D. EHRLICH, Suicide, 73–86; A. VAN HOOFF, Autothanasia, 94–96.
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tius in den Freitod gezwungen zu haben, während sämtliche anderen Darstellungen keine direkte Beteiligung des Constantius am Suizid der Brüder erwähnen.611 Neben der Bekundung der Verfügungsgewalt liegt ein weiterer Grund für das Bestreben des Siegers, über das Ende des Unterlegenen zu bestimmen, auch darin, Vergeltung für den Hochverrat zu üben. Das Motiv der Vergeltung kommt vor allem in der Todesdarstellung des an der afrikanischen Erhebung beteiligten Bruders des Firmus, Mazuca, zum Ausdruck, der in einem der Gefechte verwundet und gefangengenommen wurde. Danach wurde laut Ammian verfügt, ihn nach Caesarea zu schicken, wo er schändliche Spuren seiner Taten hinterlassen hatte; aber er riß seine Wunde auf und fand auf diese Weise den Tod. Dennoch wurde ihm der Kopf abgeschnitten, während der übrige Leichnam unangetastet blieb, und zur großen Freude der Zuschauer in die zuletzt genannte Stadt getragen.612
Das Bestreben des überlegenen Kaisers, den Aufständischen zur Rechenschaft zu ziehen und sein Ende als Ausdruck imperatorischer Macht zu stilisieren, zeigt auch eine vermutlich fiktive Episode in der Historia Augusta über die Erhebung des Firmus von Seleukia (273). Das Gerücht, der unterlegene Firmus habe sein Leben mit dem Strick beendet, widerlege ein Erlaß Aurelians: Dieser ließ nämlich nach seinem Sieg über Firmus folgendes Edikt in Rom anschlagen: (...) nach Befriedung des gesamten Erdkreises (...) haben wir den ägyptischen Banditen Firmus (...) in die Flucht gejagt, belagert, gemartert und getötet.613
611 Aur. Vict. Caes. 42, 10: Ipsi inter se acrioribus proeliis per triennium congressi; ad extremum Constantius fugientem in Galliam persecutus vario ambos supplicio semet adegit interficere. Vgl. Ps. Aur. Vict. epit. 42, 5–8: Dehinc cum se Magnentius in Italiam recepisset, apud Ticinum plures fudit incautius et, ut in victoria solet, audacius persequentes. (6) Nec multo post, apud Lugdunum coangustatus, gladio occulte proviso ictum pulsu parietis iuvans transfosso latere, ut erat vasti corporis, vulnere naribusque et ore cruorem effundens, mense imperii quadragesimo secundo, aetatis prope quinquagesimo anno exspiravit. [...] (8) Eius morte audita, Decentius laqueo fascia composito vitam finivit. Eutr. 10, 12, 2: Orienti mox a Constantio Caesar est datus patrui filius Gallus, Magnentiusque diversis proeliis victus vim vitae suae apud Lugdunum attulit imperii anno tertio, mense septimo, frater quoque eius Senonis, quem ad tuendas Gallias Caesarem miserat. Oros. hist. 7, 29, 13: Magnentius tamen victus aufugit ac non multo post apud Lugdunum propria se manu interfecit. Decentius quoque, frater eiusdem, quem Caesarem Galliis praefecerat, apud Senonas laqueo vitam finivit. Vgl. ferner auch Socr. h.e. 2, 32: Soz. h.e. 4, 7; Philost. h.e. 3, 26. Zur späteren Darstellung bei Johannes Zonaras (Zonar. 13, 9, 1–5) im Vergleich mit der Epitome de Caesaribus vgl. kurz B. BLECKMANN, in: H. BRANDT (Hg.), Gedeutete Realität, 98–101. 612 Amm. 29, 5, 41f.: Et proelio atroci commisso ferocientibus barbaris ultra modum aciem rotundo habitu figuratam opponit adeoque Isaflenses pondere catervarum ingentium inclinati sunt, ut plurimi caderent et ipse Firmus ferox et saepe in suam perniciem praeceps equo auferretur in fugam per saxa et rupes discurrere citius assueto, Mazuca vero frater eius caperetur letaliter saucius. (42) Qui Caesaream mitti dispositus, ubi saeva inusserat monumenta facinorum pessimorum, dilatato vulneris hiatu discessit. Caput tamen eius avulsum residuo integro corpore cum magno visentium gaudio urbi illatum est ante dictae. 613 Hist. Aug., quattr. tyr. 5, 2f.: Multi dicunt laqueo eum vitam finisse: aliud dictis suis ostendit . Namque cum eum vicisset, tale edictum Romae proponi iussit: ‚Aman-
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Gerade die anzunehmende Fiktivität dieses Ereignisses kehrt das Bemühen des Kaisers um Selbstdarstellung durch die Herabsetzung des Usurpators hervor. Ähnlich ist es auch als Trachten des Herrschers, seine uneingeschränkte Macht durch die Verfügungsgewalt über das Leben seiner Feinde zu unterstreichen, zu werten, wenn Constantius zwei Leibwächter mit der Verbannung bestraft, weil sie angeblich dem Marinus, der bei einem Trinkgelage aufrührerische Reden gegen den Kaiser geführt hatte, nach seiner Verhaftung Gelegenheit zur Selbsttötung verschafft hätten.614 Die dargelegten Exempel führen uns wieder auf eine „überhistorische“, soziologische Ebene, die, wie schon das Beispiel der Donatisten zeigte, den Suizid als Machtmittel oder als Mittel gegen die Macht ausweist. Insofern sich die vollkommene Macht durch die Macht über das Leben des anderen definiert, untergräbt der Unterlegene durch seinen Suizid diese Überlegenheit des Siegers.615 „Eine letzte Bewährung persönlicher Freiheit ist der Entschluß, sich selbst das Leben zu nehmen. Wer sicht selbst tötet, entzieht sich aller Unterwerfung.“616 So kann auch die Leichenschändung, wie im Fall Mazucas, als Machtausübung des Überlegenen über den Tod hinaus verstanden werden. Die Bedeutung des Lebensendes eines Usurpators für den siegreichen Herrscher hat ohne Frage auch Auswirkung auf die literarische Umsetzung der Todesbeschreibung. Je nach dem, wie die Position des Verfassers zum beschriebenen Kaiser gelagert ist, kann sich danach auch die Darstellung des Suizids des Gegentissimo sui populo Romano Aurelianus Augustus salutem dicit. (3) pacato undique gentium toto, qua late patet, orbe terrarum Firmum etiam latronem Aegyptium, barbaricis motibus aestuantem et feminei propudii reliquias colligentem, ne plurimum loquar, fugavimus, obsedimus, cruciavimus et occidimus.‘ [...]. Übers. v. E. HOHL, in: Historia Augusta. Zur Darstellung des Firmus in der Historia Augusta und zur Fiktion der Episode vgl. A.K. BOWMAN, JRS 66, 1976, 158; F. PASCHOUD, in: DERS. – J. SZIDAT (Hgg.), Usurpationen in der Spätantike, 88–91; ferner auch T. ARAND, Das unverdiente Ende, 60f., bes. 61, Anm. 399: „Es hieß wohl, die Raffinesse der HA zu verkennen, wollte man ihr lediglich plumpe Fälschungsabsicht unterstellen. Es scheint dem Gesamtcharakter der Schrift mehr die Annahme zu entsprechen, daß der Leser durch das Erkennen von Fälschungen oder literarischen Anspielungen zur Reflexion über Kategorien der literarischen wie historischen Wahrheit und Fiktion angeregt werden sollte.“ 614 Amm. 15, 3, 10f.: [...] Sed ubi ventum est Aquileiam, Marinus tribunus ex campidoctore eo tempore vacans, auctor perniciosi sermonis et alioqui naturae ferventis, in taberna relictus, dum parantur itineri necessaria, lateri [...] cultrum casu repertum impegit statimque extractis vitalibus interiit. (11) Residui ducti Mediolanum excruciatique tormentis et confessi inter epulas petulanter se quaedam locutos iussi sunt attineri poenalibus claustris sub absolutionis aliqua spe licet incerta. Protectores vero pronuntiati vertere solum exsilio ut Marino isdem consciis mori permisso veniam Arbitione meruere precante. 615 Vgl. H. POPITZ, Phänomene der Macht, 52–60. Als Beispiel führt POPITZ (ebd. 55) einen Befehl im Konzentrationslager Dachau von 1933 an, nach dem der Suizidversuch der Gefangenen mit schwerer, demütigender Strafe geahndet wurde. Die Motivation zur Kriminalisierung der Selbsttötung sieht POPITZ in zweierlei Hinsicht: zum einen werde dem Gefangenen die letzte Eigenentscheidung genommen, zum anderen werde der Akt des Tötens als Monopol, als Privileg der Machthaber beansprucht. 616 H. POPITZ, Phänomene der Macht, 59.
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kaisers und seiner Anhänger richten. Dieses Phänomen läßt sich besonders gut am Tod des Andragathius veranschaulichen, der bei Orosius und Zosimos in unterschiedlicher Färbung überliefert wird. Wie schon erwähnt, erhält der Tod des Arbogast in der Beschreibung des Orosius einen positiven Einschlag.617 Ähnlich klingt bei ihm auch das Ende des Andragathius, comes des Gegenkaisers Maximus (383–388), der von Theodosius I. besiegt und getötet wurde.618 Nachdem Andragathius von der Tötung des Maximus erfahren hatte, stürzte er sich kopfüber aus dem Schiff in die Wellen und ertrank. Theodosius empfing durch die Fürsorge Gottes einen unblutigen Sieg. Seht, auf welche Weise unter christlichen Herrschern und in christlichen Zeiten unvermeidliche Bürgerkriege abgeschlossen werden! Es kam zum Sieg, die Stadt wurde eingenommen, der Tyrann ergriffen.619
Anders als etwa Laktanz im Fall der Christen verfolgenden Kaiser vernachlässigt es Orosius, die Selbsttötung des Andragathius als eine Strafe Gottes für unchristliches Verhalten zu beschreiben. Ihm ist ähnlich wie in seiner Darstellung von Arbogasts Tod mehr daran gelegen, gerade den unblutigen Ausgang eines Bürgerkrieges durch die Hilfe Gottes in christlicher Zeit zu betonen. Der Suizid als unblutige Beendigung des Krieges erfährt damit eine positive Bewertung, wodurch aber, und das wiegt wohl noch mehr, vor allem die Rolle des Theodosius hervorgehoben wird, der als christlicher Kaiser einen Bürgerkrieg auf unblutige Weise beendet. Eine andere Gewichtung erhält die Darstellung desselben Ereignisses bei dem heidnischen Historiker Zosimos: Als die Nachrichten vom Tode des Maximus zu Andragathios, der die Gebiete um das Ionische Meer abpatrouillierte, gelangten, da war er sich bewußt, daß endlose Leiden ihm bevorstünden, und so wartete er die Angreifer gar nicht erst ab, sondern bestrafte sich selbst, indem er sich ins Meer stürzte und es vorzog, sich lieber der See als seinen Todfeinden auszuliefern.620
Der Suizid des Andragathius wird von Zosimos als Flucht vor den kaiserlichen Gegnern dargestellt. Zum einen gilt für ihn das Ende des Andragathius, der Gratian, den Bruder Valentinians II., ermordet hatte, als (Selbst-)Bestrafung seiner 617 Oros. hist. 7, 35, 19. Vgl. o. S. 178, Anm. 596. 618 Zu Andragathius vgl. PLRE 1, s.v. Andragathius, 362f., demzufolge er magister equitum war (Zos. 4, 35, 6: ἵππαρχον), als comes bezeichnet ihn nur Orosius; vgl. auch Rufin. hist. 11, 14 (dux); Soz. h.e. 7, 13, 8; Socr. h.e. 5, 11, 7 (στρατηγός). 619 Oros. hist. 7, 35, 5–6: (5) Valentinianus recepto Italiae potitus imperio est. Andragathius comes, cognita Maximi nece, praecipitem sese e navi in undas dedit ac suffocatus est. Theodosius incruentam victoriam Deo procurante suscepit. (6) Ecce regibus et temporibus Christianis qualiter bella civilia, cum vitari nequeunt, transiguntur: ad victoriam perventum est, inrupta est civitas, correptus tyrannus; [...]. Übers. (auch im folgenden) nach A. LIPPOLD, in: Orosius, Die antike Weltgeschichte. Zum Suizid des Andragathius ferner Zos. 4, 47 (s. Anm. 620); Soz. h.e. 7, 14, 6; Socr. h.e. 5, 14, 2; Ioh. Ant. frg. 186. 620 Zos. 4, 47, 1: [...] τούτων ἀπαγγελθέντων Ἀνδραγαθίῳ τὰ περὶ τὸν Ἰόνιον διερευνωμένῳ πορθμόν, ὅτι μυρίοις περιπεσεῖται κακοῖς ἐπιστάμενος, οὐκ ἀναμείνας τοὺς ἐπιθησομένους αὐτὸς ἑαυτῷ την τιμωρίαν ἐπέθηκεν, καθεὶς εἰς τὴν θάλασσαν τὸ σῶμα καὶ ταύτῃ μᾶλλον ἐκδοῦναι τὰ καθ᾿ ἑαυτὸν ἢ τοῖς ἐχθίστοις ἑλόμενος. Übers. v. O. VEH – S. REBENICH, in: Zosimus, Neue Geschichte.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Verbrechen, was er aber eher nebenbei bemerkt; ein direkter Bezug der Bestrafung zum Mord an Gratian wird nicht hergestellt.621 Auch wird sein Suizid nicht entsprechend negativ gezeichnet, sondern klingt vielmehr nach einem würdevollen Tod, gerade weil er sich durch die Selbsttötung den Feinden nicht auslieferte. Da gerade Gratian in der Darstellung des Zosimos als Abtrünniger vom rechten Glauben der Alten Kritik erfährt, ist die Reduzierung von Andragathius’ Verbrechen auf eine Nebenbemerkung nicht unbedingt verwunderlich.622 Zum anderen wird gerade dadurch, daß in der Szene der Blick auf das Innere des Andragathius gerichtet ist, auch die Rolle des Theodosius am Ausgang der Auseinandersetzung mit Maximus abgewertet. Während Orosius darauf bedacht ist, die Suizidszene kurz zu halten, um Theodosius, den christlichen Kaiser, der mit Gottes Hilfe einen unblutigen Sieg errang, hervorzuheben, tritt bei Zosimos Andragathius ins Zentrum der Episode, während Theodosius’ Soldaten zu Todfeinden (ἐχθίστοι) werden, deretwegen ihm, wenn er sich auslieferte, große Leiden bevorstünden (μυρίοις περιπεσεῖται κακοῖς ἐπιστάμενος). Die kaiserkritische Haltung des Zosimos scheint sich damit auch in diesem Detail der Suiziddarstellung widerzuspiegeln. Die beiden hervortretenden Suizidmotive, die Selbsttötung als Vergeltung für den Hochverrat und als Ausweg aus aussichtsloser Lage, unterscheiden sich bei den unterlegenen Usurpatoren und Kaiserfeinden nicht maßgeblich von den Herrschern (wie die Beispiele Neros und der Christenverfolger gezeigt haben). Gleiches gilt für die Motivation zum Suizid durch Furcht vor drohender Gefangenschaft, vor Ermordung und/oder einem anderen schlimmeren, unehrenhaften Ende. Diese Motive werden aber häufig ergänzt durch Rache und Reue. Das entsprechende Suizidinstrument ist auffällig oft der Strick. Besonders anschaulich wird der Zusammenhang von Vergeltung, Reue und der Todesart des Erhängens an Palladius und Remigius, die Ammianus zufolge beide an der sog. RomanusAffäre in Afrika beteiligt waren.623 Erst Jahre nach der Affäre sollten die Beteilig621 Zur Ermordung Gratians vgl. Zos. 4, 35, 6, sowie u.a. Oros. hist. 7, 35, 1; Rufin. hist. 11, 14; Socr. h.e. 5, 11. Vgl. bes. auch Soz. h.e. 7, 14, 6, der den Suizid des Andragathius direkt als Vergeltung für die Ermordung Gratians beschreibt: [...] ᾿Ανδραγάθιος δὲ ὁ Γρατιανὸν ἀνελών, ὡς τάδε ἔγνω, σὺν αὐτοῖς ὅπλοις εἰς ποταμὸν παραρρέοντα ἥλατο καὶ διεφθάρη. τοῦ δὲ πολέμου τοῦτον διαλυθέντος τὸν τρόπον, ἐπεὶ τὰ εἰκότα Γρατιανῷ τιμωρήσας ἧκεν εἰς ῾Ρώμην, καὶ ἐπινίκιον πομπὴν ἅμα Οὐαλεντινιανῷ ἐπετέλεσε καὶ τὰ περὶ τῆς ἐν ᾿Ιταλίᾳ ἐκκλησίας εὖ διέθηκε. Dieselbe Verbindung zwischen dem Suizid und der gerechten Strafe wird auch von Socr. h.e. 5, 14, 2 angedeutet: ᾿Ανδραγάθιος δὲ ὁ τοῦ βασιλέως Γρατιανοῦ φονεὺς τῆς ἥττης αἰσθόμενος, εἰς τὸν παρακείμενον ποταμὸν ῥίψας ἑαυτὸν ἀπεπνίγη. 622 Zur Kritik des Zosimos an Gratian vgl. bes. Zos. 4, 36, 5, wo er berichtet, Gratian habe die Kleidung des pontifex abgelehnt: Τῶν οὖν ποντιφίκων κατὰ τὸ σύνηθες προσαγαγόντων Γρατιανῷ τὴν στολὴν ἀπεσείσατο τὴν αἴτησιν, ἀθέμιτον εἶναι Χριστιανῷ τὸ σχῆμα νομίσας· τοῖς τε ἱερεῦσι τῆς στολῆς ἀναδοθείσης φασὶ τὸν πρῶτον ἐν αὐτοῖς τεταγμένον εἰπεῖν ‚εἰ μὴ βούλεται ποντίφεξ ὁ βασιλεὺς ὀνομάζεσθαι, τάχιστα γενήσεται ποντίφεξ μάξιμος.‘ 623 Romanus (vgl. PLRE 1, s.v. Romanus 3, 768) hatte laut Ammian als comes Africae in den Jahren 364–368 in Nordafrika sein Unwesen getrieben und die Provinzen ausgeplündert (vgl. Amm. 27, 9, 1f.); nach mehreren Beschwerden der Einwohner und Versuchen, beim Kaiser
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ten zur Rechenschaft gezogen werden, woraufhin sich sowohl Palladius als auch Remigius das Leben nahmen: Palladius habe sich „voller Gedanken über die zahlreichen Verbrechen, die er begangen hatte“, mit einer Schlinge um den Hals erhängt.624 Remigius legte sich „eine Schlinge um den Hals und fand so den Tod, weil ihn das Gewissen wegen seiner üblen Taten bedrückte oder weil die Furcht vor Hofintrigen seinen Verstand lähmte“.625 Bei letzterem tritt zum schlechten Gewissen wieder das Motiv der Angst vor Bestrafung hinzu, beide jedoch beendeten aus Reue angesichts ihrer zahlreichen Verbrechen ihr Leben mit dem Strick. Die Häufigkeit der Todesart durch Erhängen unter den Unterlegenen ist auffällig, und ihre Symbolik sicher nicht anders zu deuten, als wir es bereits für die Herrscher erkannt haben: Das Erhängen befindet sich stets in der Assoziation mit Reue und Sühne für schuldiges Vergehen. Dabei ist es unerheblich, ob die Verbindung des Motivs Schuldbewußtsein und/oder Reue mit der Todesart Erhängen lediglich ein Klischee in der literarischen Darstellung wiedergibt oder die Häufung dieser Verbindung in der Literatur auf eine historische Realität hinweist: Die Hilfe zu erlangen (28, 6, 7–9.16), wurde schließlich der tribunus et notarius Palladius (28, 6, 12) zur Untersuchung des Falles nach Afrika geschickt. Durch eine List gelang es Romanus jedoch, Palladius dazu zu bewegen, seine Verbrechen zu decken (28, 6, 17–21). Der magister officiorum Remigius war mit Romanus verschwägert und an seinen Räubereien beteiligt (28, 6, 8). Erst als Theodosius d.Ä. Jahre später nach Afrika kam, um gegen den Usurpator Firmus zu ziehen, kamen die Betrügereien und Räubereien ans Licht (28, 6, 25–30). Laut Zos. 4, 16, 3 (o. S. 183, Anm. 606) war Romanus’ Habgier die Ursache für die Usurpation des Firmus. 624 Amm. 28, 6, 26–27: (26) Et cum Theodosius, ductor exercituum ille magnificus, oppressurus Firmum perniciosa coeptantem venisset in Africam, proscripti Romani rem mobilem, ut iussum est, scrutaretur, inter chartas eius inventa est et Meteri cuiusdam epistula id continens ‚domino patrono Romano Meterius‘ et in fine post multa nihil ad rem pertinentia: ‚salutat te Palladius proiecticius, qui non aliam ob causam dicit se esse proiectum, nisi quod in causa Tripolitanorum apud aures sacras mentitus est.‘ (27) His litteris ad comitatum missis et lectis Valentiniani iussu Meterius raptus suam esse confitetur epistulam ideoque Palladius exhiberi praeceptus cogitans, quas criminum coxerit moles, in statione primis tenebris observata custodum absentia, qui festo die Christiani ritus in ecclesia pernoctabant, innodato gutture laquei nexibus interiit. Er ist nur aus Ammians Bericht bekannt; PLRE 1, s.v. Palladius 10, 659. 625 Amm. 30, 2, 10–12: Remigius, quem populanti provincias rettulimus comiti favisse Romano, postquam Leo in eius locum magister esse coepit officiorum, a muneribus rei publicae iam quiescens negotiis se ruralibus dedit prope Mogontiacum in genitalibus locis. (11) Quem ibi morantem securius praefectus praetorio Maximinus reversum ad otium spernens, ut solebat dirae luis ritu grassari per omnia, laedere modis, quibus poterat, affectabat, utque rimaretur plura, quae latebant, Caesarium antehac eius domesticum, postea notarium principis, raptum, quae Remigius egerit vel quantum acceperit, ut Romani iuvaret actus infandos, per quaestionem cruentam interrogabat. (12) Quibus ille cognitis cum esset, ut dictum est, in secessu, conscientia malorum urgente vel rationem formidine superante calumniarum innodato gutture laquei nexibus interiit. Zu Remigius vgl. auch Amm. 28, 6, 30; 29, 5, 2. PLRE 1, s.v. Remigius, 763. Die mit der Darstellung des Palladius (Amm. 28, 6, 27, s. Anm. 625) fast übereinstimmende Wortwahl für die Todesszene (innodato gutture laquei nexibus interiit) fällt ins Auge, ob sich daraus jedoch auch eine bewußt parallel gestaltete Darstellung folgern läßt, ist fraglich, denn die betreffenden Stellen stehen zu weit auseinander; daß beide sich erhängten, nachdem sie sich ähnlicher Verbrechen in derselben Affäre schuldig gemacht hatten, läßt aber zumindest die Möglichkeit einer bewußten Gestaltung offen.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Assoziation des Erhängens mit Schuld und Reue ist offenbar im antiken Denken fest verankert.626 Die Gegenüberstellung der Herrscher und Kaiser mit den unterlegenen Usurpatoren haben hat viele Gemeinsamkeiten in ihren Motiven aufgezeigt. Ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Kategorien ist aber durch die getrennte Behandlung ihrer Suiziddarstellungen deutlich hervorgetreten: Der Suizid eines Herrschers ist in erster Linie Ausdruck seiner Schwäche und charakterisiert den schlechten Kaiser; für einen Usurpator aber ist der Suizid ein Zeichen seines gerechten Endes. 4.2 Die Besiegten: Suizid im Verlauf und als Folge eines Krieges Die Selbsttötung im Verlauf oder als Folge eines Krieges ist ein vor allem in der früheren römischen Literatur häufig auftretendes Phänomen. Neben den besiegten Usurpatoren und Feldherren, die nach ihrer Niederlage Suizid begingen, gehören dazu ebenso Soldaten und Zivilisten. Unter den römischen Soldaten und Heerführern galt der Suizid nach verlorener Schlacht oder in aussichtsloser Lage meist als ein ehrenvolles Ende, weil dadurch die Gefangenschaft und die Preisgabe militärischer Vorhaben vermieden wurden.627 Auch die devotio, der freiwillige Opfertod auf dem Schlachtfeld, mag dabei eine Rolle gespielt haben.628 Für die Gegenseite wird der Suizid nach verlorener Schlacht aus Sicht der römischen Historiographie oft als Ausdruck ihrer desperatio und ihrer Unterlegenheit geschildert.629 Gleichzeitig werden häufig gerade die Barbaren als besonders todeswütig dargestellt, und es gibt mehrere Zeugnisse darüber, daß sie sich ebenfalls in Form einer devotio dem Tod weihten.630 626 Und zwar nicht erst in der Spätantike, vgl. A. VAN HOOFF, Autothanasia, 64–72. Zum Erhängen in Assoziation mit Schuld vgl. auch u. S. 204f. 627 Vgl. A. VAN HOOFF, Autothanasia, 87f. 219f. mit zahlreichen Beispielen. Zum Suizid, um Gefangenschaft zu vermeiden, bes. 109–111. 628 Zur devotio bzw. fides als Ursache für Suizid unter Soldaten vgl. A. VAN HOOFF, Autothanasia, 127f.; J.-L. VOISIN, in: Y. LE BOHEC – C. WOLFF (éds.), Les légions de Rome sous le Haut-Empire, 727–732, der das Beispiel des unter Trajan in dacische Gefangenschaft geratenen Longinus anführt, der sich mit Gift tötete, um dem Feind keine Gelegenheit zu bieten, ihn auszuhorchen (vgl. D.C. 68, 12, 1–3). Die „Archetypen“ der Selbstweihung sind die Decier, vgl. dazu H.S. VERSNEL, in: J. RUDHARDT – O. REVERDIN (éds.), Le sacrifice dans l’antiquité, 135–185, sowie seine Ergebnisse in der Diskussion ebd. 186–194. 629 J.-L. VOISIN, in: Y. LE BOHEC – C. WOLFF (éds.), Les légions de Rome sous le Haut-Empire, 728 weist darauf hin, daß auf der Trajanssäule die Darstellung des Suizids des Longinus fehle, aber drei Suizide der unterlegenen Dacier zu sehen seien: „Dans la représentation de ces trois scènes se lit le désir d’avoir voulu identifier défaite et mort volontaire. Mieux, avec une série de vases de la Graufesenque signés du potier L. Cosius et datés des années 117–130, la propagande impériale, dans sa transcription populaire, fait connaître une version caricaturée du suicide de Décébale.“ Vgl. auch A. VAN HOOFF, Autothanasia, 88f. mit weiteren Beispielen. 630 Von einer devotio bzw. der Gefolgschaft der Barbaren im Krieg berichten etwa Caes. Gall. 3, 22, 2 (Soldurier); Tac. Germ. 14 (Germanen); Val. Max. 2, 6, 11; Plut., Sert. 14, 4 (Keltibe-
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In der spätantiken Darstellung von Suiziden im Kontext des Krieges überwiegt jedoch das Motiv der desperatio. Die Schilderung solcher Szenen in der spätantiken Literatur kennzeichnet weniger den Heldenmut und die Standhaftigkeit der Besiegten als ihre Furcht vor Gewalt, Folter, Gefangenschaft oder Versklavung, und sie ist häufiger Ausdruck der Not, die der Krieg hervorruft.631 Bei einer Belagerung Amidas durch die Perser im Jahre 359 haben sich Ammian zufolge Teile der Verteidiger aus Furcht vor den Kriegsmaschinen (machinarum metu) in die Tiefe gestürzt: Ein Teil von diesen fiel schwer verwundet hin, andere stürzten aus Furcht vor den schwirrenden Maschinen kopfüber in die Tiefe und fanden mit zerbrochenen Gliedern den Tod.632
Auch das Motiv, die Wildheit und Roheit der Barbaren durch ihre Bereitschaft zum Suizid darzustellen, kommt bei Ammianus vor: In einer Beschreibung der alten Stämme Thrakiens erwähnt er neben anderen die Odrysae, die als besonders wild zu fürchten gewesen seien und sich auch ohne Not selbst Verletzungen zugefügt hätten.633 Abgesehen von solchen vereinzelten Beschreibungen der Barbaren aber unterscheidet sich ihr Verhalten im Krieg nicht von dem der Römer. Daß die Kriegsnot offenbar keinen Unterschied zwischen Römern und Nicht-Römern rer). Zur Darstellung barbarischer Suizide aus römischer Sicht vgl. auch A. VAN HOOFF, Autothanasia, 111, u. ebd. 14: „(...) Other ‚exact‘ figures were recorded by historians who looked upon the self-destruction by barbarians from the point of view of Graeco-Roman civilization; as argued before, their records give more evidence about the society which is looking on, than about the culture outside the oikoumene being observed.“ 631 Diese Beobachtung stimmt mit den Ergebnissen von J.-L. VOISIN, in: Y. LE BOHEC – C. WOLFF (éds.), Les légions de Rome sous le Haut-Empire, 727–732 überein, der aufzuzeigen versucht, daß der ehrenvolle Suizid im Militärbereich im Laufe des 2. Jh. an Bedeutung verlor und er stattdessen als Fehler und als Ausdruck der desperatio der Unterlegenen dargestellt wurde. 632 Amm. 19, 5, 6: Inter incertos nos et ancipites, quibus occurri deberet, instantibus supra an multitudini transcensu scalarum iam propugnacula ipsa prensanti, dividitur opera et translatae leviores quinque ballistae contra turrim locantur, quae ocius lignea tela fundentes nonnumquam et binos forabant, e quibus pars graviter vulnerati ruebant, alii machinarum metu stridentium praecipites acti laniatis corporibus interibant. Vgl. auch die Schilderung in der Vita Symeonis Stylitis, nach der sich im Jahre 540 bei einem Persereinfall zahlreiche Antiochener in den Tod stürzten, Ant. Hag. v. Sym. Styl. 57: Τὰ μὲν οὖν τῆς θείας ὀπτασίας ἐν τούτοις ἦν, ἐπηκολούθησε δὲ αὐτῇ καὶ τὸ ἔργον οὐκ εἰς μακράν. Συνέβη γὰρ τὴν πόλιν πολιορκηθεῖσαν ὑπὸ τῶν ᾿Ασσυρίων παραληφθῆναι καὶ ἐμπρησθῆναι μέν ἀπὸ πύλης εἰς πύλην, οὐ πᾶσαν δὲ κατακαῆναι· καὶ οἱ μὲν ἔρριπτον ἑαυτοὺς ἀπὸ τοῦ τείχους, ἄλλοι δὲ τῶν δύο πυλῶν ἀνεῳχθεισῶν τῆς κατὰ νότον καὶ μεσημβρίαν ἔφυγον. Zu diesem Ereignis vgl. P. VAN DEN VEN, in: La vie ancienne de S. Syméon 1, 114*. 2, 63; G. DOWNEY, A history of Antioch, 533–546. 633 Amm. 27, 4, 9: [...] e quibus praeter alios ut immaniter efferati timebantur Odrysae ita humanum fundere sanguinem assueti, ut, cum hostium copia non daretur, ipsi inter epulas post cibi satietatem et potus suis velut alienis corporibus imprimerent ferrum. Vgl. auch Amm. 16, 12, 60, wo er berichtet, nach der Aufgabe des Alamannenkönigs Chnodomar hätten 200 comites die Gefolgschaft bewiesen, indem sie sich freiwillig stellten: [...] comitesque eius ducenti numero et tres amici iunctissimi flagitium arbitrari post regem vivere vel pro rege non mori, si ita tulerit casus, tradidere se vinciendos.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
macht, zeigt vor allem, daß Ammianus auch von den Persern gleiches Verhalten wie von den Verteidigern Amidas zu berichten weiß. Während der blutigen Einnahme der Stadt Maiozamalcha durch Iulian (363), bei der seine wütenden Soldaten alles umbrachten, worauf sie im ersten Ansturm stießen, hätten viele der Einwohner keinen anderen Ausweg gesehen, als sich selbst in den Tod zu stürzen: Andere Einwohner stürzten sich, da von der einen Seite her Feuer, von der anderen die Schwerter sie in die Enge trieben, aus Furcht vor dem drohenden Tod und unter Tränen über ihr Ende freiwillig kopfüber von den Mauern. Mit zerschmetterten Gliedern schleppten sie noch ein Weilchen, bis man sie erschlug, ihr Leben dahin, das furchtbarer war als der Tod.634
Als Grund für den Todessturz der Maiozamalchi gibt Ammian ihre Furcht vor einem schlimmeren, schmerzvolleren Tod (timor exitii imminentis) an; daß die Einwohner nach ihrem mißlungenen Todessprung noch eine Weile am Leben blieben, das noch unheilvoller als der Tod (vitam morte funestiorem) war, bringt deutlich zum Ausdruck, daß Ammian in der Selbsttötung alles andere als heldenhaften Todesmut erkennt. Eine ähnliche Furcht vor den drohenden Gefahren nach der Niederlage habe auch den Gotenkönig Ermanarich veranlaßt, sich das Leben zu nehmen,635 und während der Auseinandersetzung des Constantius mit den sarmatischen Limigaten stürzten sich Barbaren wie römische Soldaten blindwütig und selbstmörderisch in die Schlacht.636 Als Ausdruck einer ausweglosen Notlage im Krieg ist der Suizid der Besiegten in seiner literarischen Darstellung als ein toposartiges Motiv zu erkennen. Er spiegelt sowohl die Verzweiflung über das Elend einer besonders blutigen oder langen Schlacht als auch die Furcht der Besiegten vor ihrem zukünftigen Schick634 Amm. 24, 4, 25: Tandem nudata reseratis aditibus multis lapsura invaditur civitas et sine sexus discrimine vel aetatis, quidquid impetus repperit, potestas iratorum absumpsit, alii exitii imminentis timore, cum hinc ignis, inde mucrones urgerent, ultimum flentes e muris acti sua sponte praecipites membrisque omnibus infirmati vitam morte funestiorem paulisper, dum caederentur, egerunt. 635 Amm. 31, 3, 2: Qui vi subitae procellae perculsus, quamvis manere fundatus et stabilis diu conatus est, impendentium tamen diritatem augente vulgatius fama magnorum discriminum metum voluntaria morte sedavit. Vgl. dagegen Iord. Get. 24, 129f., der im 6. Jh. über Ermanarich berichtet, er sei hochbetagt im Alter von 110 Jahren an einer Krankheit gestorben. 636 Amm. 19, 11, 13. 15: (13) Mox autem audito, quod ad ultimum paene tractus exitium in abrupto staret adhuc imperator, antiquissimum omnium exercitus ratus eum iuvare – nondum enim exemptum periculis aestimavit salutis – fastu fidentior licet ob procursionem subitam semitectus sonorum et Martium frendens barbarorum mori obstinatorum catervis semet immersit. [...] (15) Urgebantur enim rebelles aliis trucidatis, aliis terrore disiectis, quorum pars spem vitae cassis precibus usurpando multiplicatis ictibus caedebantur, postque deletos omnes in receptum canentibus lituis nostri quoque licet rari videbantur exanimes, quos impetus conculcaverat vehemens aut furori resistentes hostili lateraque nudantes intecta ordo fatalis absumpsit. Vom Todesmut der Limigantes zeugt auch schon ihr Verhalten während ihrer Umsiedelung und dem anschließenden Blutbad, das Constantius anrichten ließ, vgl. Amm. 17, 13, 11: Nec eorum quisquam inter diversa supplicia veniam petit aut ferrum proiecit aut exoravit celerem mortem, sed arma iugiter retinentes licet afflicti minus criminis aestimabant alienis viribus potiusquam conscientiae suae iudicio vinci mussantesque audiebantur interdum fortunae non meriti fuisse quod evenit. ita in semihorae curriculo discrimine proeliorum emenso tot procubuere subito barbari, ut pugnam fuisse sola victoria declararet.
4. Oppressi et victi: Suizide von Unterdrückten und Besiegten
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sal. Daß der Suizid in dieser Hinsicht als Topos verstanden und angewendet wurde, belegen vor allem die diesbezüglich immer wieder herangezogenen Vergleiche mit der Vergangenheit. Ammianus greift einen solchen Vergleich auf, bevor er von Verbrechen und Greueltaten in Rom durch den Praetorianerpräfekten Maximinus aus der Regierungszeit Valentinians I. berichtet.637 Zahlreiche Senatoren seien in diesen Jahren verleumdet, wegen Ehebruchs und anderer Anschuldigungen gefangengenommen, angeklagt und, wenn sie nicht zuvor ihr Leben selbst beendet hatten, hingerichtet worden. Seine ausführliche Darstellung der Greueltaten in Rom leitet der Historiograph durch einen Vergleich mit Milet ein, deren Bewohner sich nach der Eroberung ihrer Stadt durch die Perser im Jahre 494 v. Chr. selbst getötet hatten: Als die Perser im ersten Perserkrieg Asien verheerten und Milet mit großer Macht belagerten, drohten sie den Verteidigern einen martervollen Tod an und trieben die Eingeschlossenen in die Zwangslage, daß sie alle, von der Größe der Leiden überwältigt, ihre eigenen Familien umbrachten, dann ihre ganze bewegliche Habe ins Feuer warfen und sich selbst im Wetteifer auf den gemeinsamen Scheiterhaufen der untergehenden Vaterstadt stürzten, um so den Tod in den Flammen zu finden.638
Dieses Ereignis, so Ammian weiter, sei später von Phrynichos auf die Bühne gebracht worden, was die Athener empört habe, weil sie annahmen, daß der Dichter sie vorwurfsvoll an das Unglück der befreundeten Stadt habe erinnern wollen, der sie nicht zu Hilfe geeilt waren.639 Abgesehen davon, daß Ammian durch den Einschub dieser Szene sein eigenes Vorgehen, die Verbrechen in Rom zu schildern, gegen eventuelle Vorwürfe rechtfertigen will, ist der Vergleich mit einer Kriegsszene aus der Vergangenheit offenbar bewußt gewählt: Auch die Verhältnisse in Rom sieht Ammian als Kriegszustand, die ausdrücklich in Analogie zu den Perserkriegen stehen;640 die Not forderte viele Opfer und hatte auch Suizid zur Fol-
637 Amm. 28, 1. Zum Werdegang des Maximinus Amm. 28, 1, 5–7; vgl. PLRE 1, s.v. Maximinus 7, 577f. 638 Amm. 28, 1, 3: Bello Medico primo, cum diripuissent Asiam Persae, obsidentes Miletum molibus magnis minantesque defensoribus cruciabiles neces iniecere clausis necessitatem, ut omnes magnitudine malorum afflicti peremptis caritatibus propriis proiectoque in ignem mobili censu arsuros se certatim congererent in communem pereuntis patriae rogum. 639 Amm. 28, 1, 4: Hoc argumentum paulo postea digestum tumore tragico Phrynichus in theatrum induxerat Athenarum paulisperque iucunde auditus, cum coturnatius stilus procederet lacrimosus, indignatione damnatus est populi arbitrati non consolandi gratia, sed probrose monendi, quae pertulerat amabilis civitas nullis auctorum adminiculis fulta, hos quoque dolores scaenicis adnumerasse fabulis insolenter. Erat enim Atheniensium colonia Miletus deducta inter Ionas alios per Nileum filium Codri, qui fertur pro patria bello se Dorico devovisse. Sed ad proposita veniamus. Zur Aufführung des Dramas über die Eroberung von Milet und die Reaktionen der Athener vgl. Hdt. 6, 21 und dazu W. SEYFARTH, ADAW(S) 2, 1962, 63f. 640 Vgl. Amm. 28, 1, 1: Dum apud Persas, ut supra narravimus, perfidia regis motus agitat insperatos et in eis tractibus bella rediviva consurgunt, anno sexto decimo et eo diutius post Nepotiani exitium saeviens per urbem aeternam urebat cuncta Bellona ex primordiis minimis ad clades excita luctuosas, quas obliterasset utinam iuge silentium, ne forte paria quandoque temptentur plus exemplis generalibus nocitura quam delictis.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
ge.641 Der Vergleich mit dem historischen Ereignis in Milet dient Ammian also der rhetorischen Präsentation seiner Zeitgeschichte. Die Selbsttötung erscheint dabei als Ausdruck der desperatio und stellt innerhalb der Verwendung eines Exempels aus der Vergangenheit gewissermaßen eine Klimax des Elends dar. Auch im Geschichtswerk des Orosius, das auffällig viele Suizidbeschreibungen liefert, fällt auf, daß die weit größere Anzahl der Fälle in die republikanische Epoche fällt und darüber hinaus meist im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen steht.642 Dieser Umstand läßt keineswegs auf eine reale Suizidstatistik schließen, die weniger Suizidfälle für die Spätantike als für die frühere Zeit feststellen würde. Vielmehr spiegelt sich darin die Absicht des Orosius, eine „negative Weltgeschichte“ zu verfassen, indem er alles Negative der Vergangenheit zusammenträgt und so das Elend der Gegenwart relativiert. Der Suizid nimmt dabei wieder seine Rolle als rhetorisches Mittel ein, indem die Selbsttötung nicht etwa als schlechte Tat, die unter ebenso schlechten Heiden üblich war, vorgestellt wird, sondern indem sie das Elend, das die Menschheitsgeschichte lange vor den Christen durchzog, fokussiert und pointiert. Besonders auffällig sind die Massensuizide, d.h. gemeinschaftliche Selbsttötungen besiegter Stämme oder belagerter Städte, für die gerade die Republik und Kaiserzeit zahlreiche Beispiele liefert.643 So weiß Orosius etwa zu berichten, am Ende des bellum Numantinum (133 v. Chr.) hätten die besiegten Numantiner ihre Stadt angezündet und seien so alle zusammen durch Waffen, Gift und Feuer umgekommen.644 Die von Q. Marcius (118 v. Chr.) unterworfenen Stoeni (ein gallischer Stamm in den Westalpen) hätten zuerst ihre Frauen getötet und sich dann selbst in die Flammen gestürzt.645 Die von Augustus (26/25 v. Chr.) auf dem Berg Medulius belagerten Gallizier hätten sich aus Furcht vor der Knechtschaft zum Tod zusammengeschlossen.646 Vergleicht man die Schilderung dieser Ereignisse 641 Vgl. Amm. 28, 1, 47, dazu u. S. 201, Anm. 664. 642 Von insgesamt 32 bei Orosius beschriebenen Suizidschilderungen (darunter auch ‚erzwungener Suizid‘) stammen 18 Beispiele aus republikanischer Zeit. 643 Vgl. J. BAYET, in: DERS. Croyance, 130–176; J.D. EHRLICH, Suicide, 2–33 mit weiteren Beispielen. Zu den Massensuiziden im militärischen Bereich ferner J.-L. VOISIN, in: Y. LE BOHEC – C. WOLFF (éds.), Les légions de Rome sous le Haut-Empire, 729; zum Phänomen des Kollektivselbstmordes in unterschiedlichen Epochen und Kulturen vgl. ferner die Untersuchung von U. SINGER, Massenselbstmord. 644 Oros. hist. 5, 7, 16f.: Novissima spe desperationis in mortem omnes destinati clausam urbem ipsi introrsum succenderunt cunctique pariter ferro veneno atque igne consumpti sunt. (17) Romani nihil ex his penitus habuere victis praeter securitatem suam; neque enim eversa Numantia vicisse se magis Numantinos quam evasisse duxerunt. 645 Oros. hist. 5, 14, 5f.: Q. Marcius consul Gallorum gentem sub radice Alpium sitam bello adgressus est; qui cum se Romanis copiis circumsaeptos viderent belloque inpares fore intellegerent, occisis coniugibus ac liberis in flammas sese proiecerunt. (6) Qui vero praeoccupantibus Romanis peragendae tunc mortis suae copiam non habuerant captique fuerant, alii ferro, alii suspendio, alii abnegato cibo sese consumpserunt, nullusque omnino vel parvulus superfuit, qui servitutis condicionem vitae amore toleraret. 646 Oros. hist. 6, 21, 8f.: Itaque ubi se gens hominum trux natura et ferox neque tolerandae obsidioni sufficientem neque suscipiendo bello parem intellegit, ad voluntariam mortem servitutis timore concurrit: (9) nam se paene omnes certatim igne, ferro ac veneno necaverunt.
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bei Orosius mit früheren Darstellungen, fallen doch Unterschiede in der Betonung und Färbung der Suizide auf. In den oft nicht ohne rhetorisches Pathos einhergehenden Darstellungen der Epitomae de Tito Livio des Florus steht die Selbsttötung in Verbindung mit der Aufopferungsbereitschaft und dem Heldenmut der belagerten oder besiegten Stämme. Die Numantiner verleideten durch ihren Tod dem Sieger den Triumph,647 die Gallizier vermieden durch die Selbsttötung ihre Gefangenschaft.648 Während bei Florus eine römische Anerkennung für den Mut der Unterworfenen anklingt, dient der Suizid bei Orosius dazu, das Elend hervorzuheben, um so gerade das Rom der früheren Zeiten in schlechtem Licht erscheinen zu lassen. In dieser Hinsicht erstaunt es vielleicht nicht, daß der Flammensturz des Alpenvolkes der Stoeni allein von Orosius überliefert wird.649 Ein rhetorisches Pathos, um die Verhältnisse der früheren Zeiten besonders schlimm zu zeichnen, ist auch in diesen Darstellungen des Orosius nicht zu übersehen. Die Selbstverbrennung der Saguntiner während der Belagerung und Einnahme der Stadt durch Hannibal im zweiten Punischen Krieg ist ein weiteres bekanntes Beispiel eines Massensuizids und macht die christliche Rezeption derartiger Ereignisse noch deutlicher: Im dritten Buch von De civitate Dei breitet Augustinus unter anderem auch diesen Fall aus, um das Unheil aufzuzeigen, von dem Rom auch in Zeiten des blühenden Götterkultes zu leiden hatte: „Doch unter all dem Unheil, das der zweite Punische Krieg mit sich brachte, war keines jämmerlicher und bejammernswerter als der Untergang der Saguntiner“.650 Auch Augustinus versagt sich nicht, das Elend der hispanischen Stadt auf pathetische Weise wiederzugeben: Zunächst verschmachtete sie fast vor Hunger, denn es wird berichtet, daß manche Einwohner die Leichen der eigenen Angehörigen verzehrten. Sodann, von allen Mitteln entblößt, errichtete man, um nicht gefangen in Hannibals Hände zu fallen, auf einem freien Platz einen ge-
647 Flor. epit. 1, 34, 18, 15: Itaque deplorato exitu in ultimam rabiem furoremque conversi, postremo Rhoecogene duce se, suos, patriam, ferro, veneno, subiecto undique igni premerunt. Macte [esse] fortissimam et meo iudicio beatissimam in ipsis malis civitatem! Adservit cum fide socios, populum orbis terrarum viribus fultum sua manu aetate tam longa sustinuit. Novissime maximo duce oppressa civitas nullum de se gaudium hosti reliquit. Unus enim vir Numantinus non fuit qui in catenis duceretur; praeda, ut de pauperrimis, nulla: arma ipsi cremaverunt. Triumphus fuit tantum de nomine. Vgl. auch Liv. per. 59, 1: Numantini fame coacti ipsi se per vicem traicientes trucidaverunt [...]. 648 Flor. epit. 2, 33, 50: [...] captum tamen postremo fuit Medulli montis obsidio, quem perpetua quindecim milium fossa conprehensum undique simul adeunte Romano postquam extrema barbari vident, certatim igne, ferro inter epulas venenoque, quod ibi volgo ex arboribus taxeis exprimitur, praecepere mortem, seque pars maior a captivitate, quae morte gravior ad id tempus indomitis videbatur, vindicaverunt. 649 Liv. per. 62, 1 berichtet keine Selbsttötung: Q. Marcius cos. Stynos, gentem Alpinam, expugnavit. Die anderen Quellen (Strab. 4, 204; Plin. nat. 3, 134) erwähnen nicht einmal die Auseinandersetzung. 650 Aug. civ. 3, 20: Sed in his omnibus belli Punici secundi malis nihil miserabilius ac miserabili querella dignius quam exitium Saguntinorum fuit.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid waltigen Scheiterhaufen, zündete ihn an und ließ sich selbst nebst allen Angehörigen, zuvor mit dem Schwert durchbohrt, von den Flammen verzehren.651
In dieser Darstellung hat Augustinus sich offenbar direkt an die Schilderung des Florus angelehnt, wie viele, teils wörtliche Übernahmen belegen.652 Der Kirchenvater macht sich das Pathos des Florus zunutze und bedient sich zugleich des Motivs der Selbsttötung, um die Leserschaft zunächst in ein Mitfühlen mit dem Leid der Saguntiner zu versetzen.653 Dieses Pathos kehrt er schließlich aber für seine eigene Argumentation wieder um in eine Distanz, die sich durch eine Gegenüberstellung mit dem Verhalten der Christen in gleicher Situation ergibt: Nun wäre es doch töricht, zu glauben, Rom sei dem siegreichen Hannibal dank der Verteidigung durch jene Götter nicht erlegen, die die Stadt Sagunt nicht vor dem Untergang, den ihr die Freundestreue eintrug, schützen konnten. Wenn das Volk der Saguntiner christlich gewesen wäre und für den evangelischen Glauben etwas Ähnliches erduldet hätte – obgleich es sich weder mittels des Schwertes noch durch Feuer selbst zerstört hätte – aber dennoch: wenn es den Untergang um seines evangelischen Glaubens willen erlitten hätte, dann hätte es ihn erlitten in der Hoffnung, mit der es an Christus geglaubt hatte, nicht auf einen kurzzeitigen Lohn, sondern auf die unendliche Ewigkeit.654
Durch den Vergleich der Saguntiner mit den Christen weckt Augustinus bewußt die Assoziation mit den christlichen Märtyrern, deren Lohn für ihr Leid der größe651 Aug. civ. 3, 20: Primo fame contabuit; nam etiam suorum cadaveribus a nonnullis pasta perhibetur. Deinde omnium fessa rerum, ne saltem captiva in manus Hannibalis perveniret, ingentem rogum publice struxit, in quem ardentem ferro etiam trucidatos omnes se suosque miserunt. Interessanterweise erwähnt Orosius die Selbstverbrennung der Saguntiner nicht, vgl. Oros. hist. 4, 14, 1: Anno ab Vrbe condita DXXXIIII Hannibal Poenorum imperator Saguntum florentissimam Hispaniae civitatem, amicam populi Romani, primum bello inpetitam, deinde obsidione cinctam et fame excruciatam omniaque fortiter contemplatione fidei, quam Romanis devoverat, digna indignaque tolerantem octavo demum mense delevit. 652 Vgl. Flor. epit. 1, 22, 6: interim iam novem mensibus fessi fame, machinis, ferro, versa denique in rabiem fide inmanem in foro excitant rogum, tum desuper se suosque cum omnibus opibus suis ferro et igne corrumpunt. Vgl. auch Liv. 21, 14, 1: Ad haec audienda cum circumfusa paulatim multitudine permixtum senatui esset populi concilium, repente primores secessione facta priusquam responsum daretur argentum aurumque omne ex publico privatoque in forum conlatum in ignem ad id raptim factum conicientes eodem plerique semet ipsi praecipitaverunt. Zu den Parallelen der augustinischen Darstellung Sagunts mit Florus (epit. 1, 22) vgl. C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 244, Anm. 527. Zur Verwendung des Florus bei Augustinus generell H. HAGENDAHL, Augustine and the Latin Classics 1, 176–179. 2, 663–666; S. ANGUS, The Sources, 136f. 653 Vgl. C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 242, der den Grund für die Übernahmen darin sieht, „daß die pathetische Redeweise des Florus Augustins Argumentationszielen an den betreffenden Stellen besonders entgegenkam“ und deren „Übertragung auf die gegenwärtige Sprechsituation zur Stützung der apologetischen Argumentationsziele“ dient (ebd. 243). 654 Aug. civ. 3, 20: [...] nunc vero quam stulte creditur, diis illis defensoribus Romam victore Hannibale non perisse, qui Saguntinae urbi non potuerunt, ne pro eius periret amicitia, subvenire! Si Saguntinorum Christianus populus esset et huius modi aliquid pro fide evangelica pateretur, quamquam se ipse nec ferro nec ignibus corrupisset, sed tamen si pro fide evangelica excidium pateretur: ea spe pateretur, qua in Christum crediderat, non mercede brevissimi temporis, sed aeternitatis interminae.
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re sei.655 Zugleich zieht er aber auch die schon aus dem ersten Buch bekannte Abgrenzung, indem er in einer Parenthese einfügt, daß Christen sich weder durch Schwert noch durch Feuer selbst getötet hätten. Es ist sicher kein Zufall, daß gerade hier im fünften Buch, zum Ende des Kapitels, wieder das exemplum Regulus ins Spiel gebracht wird, den Augustinus im ersten Buch, gerade weil er sich nicht selbst tötete, als einziges ehrenwertes exemplum der Vergangenheit hatte gelten lassen.656 Auch er wird jedoch später der Kritik unterzogen, sich für das falsche Motiv, nämlich die cupiditas laudis humanae, aufgeopfert zu haben;657 die Parallele mit den Saguntinern ist damit gerechtfertigt und kommt an dieser Stelle Augustins Argumentation entgegen: Die Christen erdulden den gewaltsamen Tod ebenso tapfer, wenn nicht noch tapferer, da sie sich nicht selbst töten, und sie erleiden ihn nicht umsonst, sondern in Hoffnung auf das ewige Leben.658 Der Suizid als rhetorisches Mittel zur Erzeugung von Pathos ist gerade im Kontext der Kriegsschilderung der christlichen apologetischen Argumentation dienlich. In diesen Rahmen läßt sich auch das in der Antike häufig zitierte Beispiel des Soldaten des Pompeius einordnen, der nach einer Schlacht im Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla erkannte, daß er seinen Bruder getötet hatte. Orosius verwendet diesen Fall, um das Unheil der republikanischen Bürgerkriege zu betonen: Besteht auch angesichts der Unkenntnis nur wenig Schuld, so wußte der, der nicht wußte, daß es sich um den Bruder handelte, ohne Zweifel, daß es ein Bürger war. So war der Sieger noch unglücklicher als der Besiegte, sobald er den Körper des Bruders und seinen Verwandtenmord erkannte. Er verfluchte die Bürgerkriege, durchschlug seine Brust mit dem Schwert, warf sich, zugleich Tränen und Blut vergießend, über den brüderlichen Leichnam.659
655 Vgl. C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 246, der darauf hinweist, daß Augustinus an dieser Stelle nicht allein auf das christliche Martyrium anspiele, sondern auch auf die Möglichkeit, daß solches Leid jederzeit, gerade auch in der Gegenwart Augustins drohe, wo das Christentum wieder in der heidnischen Kritik stehe: „Augustinus erweckt die Vorstellung, daß, wie seinerzeit in Sagunt und wie mehr als hundert Jahre zuvor in der Verfolgungszeit, bald wieder die Scheiterhaufen brennen könnten.“ 656 Vgl. o. S. 92f. 657 Vgl. Aug. civ. 5, 18. 658 Vgl. C. TORNAU, Zwischen Rhetorik und Philosophie, 247: „Mit diesem Argument aber – so könnte man etwas überspitzt formulieren – hat Augustinus die pathetische miseratio über den Fall Sagunts zu einer christlichen exhortatio ad martyrium transformiert.“ 659 Oros. hist. 5, 19, 12f.: Postera die, cum permixtim corpora ad sepulturam discernerentur, miles Pompeianus fratris sui, quem ipse interfecerat corpus agnovit: in concursu enim utrique cognitionem vultus galea; considerationem furor ademerat, – quamvis parum sit culpae circa ignorantiam, ut videatur nescisse de fratre quem non ambigitur scisse de cive. (13) Itaque victor victo infelicior, ubi et fratris corpus agnovit et parricidium suum, exsecratus bella civilia ilico pectus suum gladio transverberans simulque lacrimas et sanguinem fundens, super fraternum sese cadaver abiecit. Weitere Darstellungen dieser Episode geben Val. Max. 5, 5, 4, der den Soldaten unter den Beispielen für Bruderliebe verzeichnet, die Verurteilung der Bürgerkriege erwähnt er nicht; Tac. hist. 3, 51: Nam proelio, quo apud Ianiculum adversus Cinnam pugnatum est, Pompeianus miles fratrem suum, dein cognito facinore se ipsum interfecit, ut Sisenna memorat: tanto acrior apud maiores, sicut virtutibus gloria, ita flagitiis paenitentia fuit. Gran. Lic. 35, 24–26: Bello, quod inter Pompeium et Sertorium fuit, miles Pom-
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Daß sich gerade dieses Beispiel für die christliche Argumentation besonders gut eignet, zeigt auch seine Verwendung bei Augustinus: Wie schlecht müssen solche Götter sein, und wie erbärmlich geht es bei ihnen zu! Wenn sie aber den Kampf nur vorgespiegelt haben, was sonst kann ihre Absicht dabei gewesen sein, als daß die Römer sich einbilden sollten, sie begingen im Bürgerkrieg kein Verbrechen, da sie ja nur dem göttlichen Beispiel folgten? Denn schon hatten die Bürgerkriege ihren Anfang genommen und war in mehreren greulichen Schlachten ein fluchwürdiges Blutbad angerichtet. Schon hatte es viele erschüttert, daß einmal ein Soldat, als er dem erschlagenen Gegner die Waffen auszog, in dem nackten Leichnam seinen Bruder erkannte und unter Verwünschung der Bürgerkriege über dem Leibe seines Bruders sich selbst das Leben nahm.660
Ähnlich wie die Beispiele der Massensuizide nutzen Orosius und Augustinus das exemplum des Soldaten als Beleg dafür, daß auch die heidnischen Götter das Elend nicht verhindern konnten; und wieder ist es der Suizid, der dieses Elend pointiert. Wir treffen in allen erwähnten Beispielen auf eine besonders auffällige literarische Instrumentalisierung von Suizid, die zunächst nur in ihrer Funktion als Klimax der Darstellung besonders großen Elends dient, darüber hinaus aber ihre Bedeutung aufgrund der hintergründigen Argumentation erfährt. Daß diese Instrumentalisierung zunächst frei von einer Bewertung des „Tatbestandes“ Suizid ist, belegt die Heranziehung solcher historischer Verzweiflungssuizide sowohl in der christlichen (Orosius) als auch der heidnischen (Ammianus) Geschichtsschreibung. Der Suizid fokussiert gleichermaßen Furcht und Elend im Kontext des Krieges, er kann jedoch innerhalb der jeweiligen Argumentation auf verschiedene Weise rhetorisch instrumentalisiert werden: Ammianus dient das Beispiel der Miletier zur rhetorischen Präsentation der unheilvollen Zustände seiner eigenen Zeit in Rom, Orosius und Augustinus verwenden bekannte Suizidexempla in Kriegssituationen, um das Elend der Vergangenheit besonders drastisch zu zeichnen. Damit eine solche rhetorische Instrumentalisierung sowie die Erzeugung des Pathos beim Leser funktionieren kann, muß nicht unbedingt eine Bekanntheit des Beispiels selbst vorausgesetzt werden, sondern vor allem auch eine generelle Assoziation von Kriegselend mit dem Phänomen Suizid vorhanden sein. Diese offenbar im Denken des Lesers existente Assoziation kann einerseits auf einen reapei, dum spoliat hostem, ignobilis quidam, fratrem agnovit. Exstructo rogo dum iusta persolvit, multa inprecatus gladio se traiecit. Maximumque omnibus praeiudicium belli civilis casus hic attulit mentesque mutavit nec quisquam omnium a lacrimis potuit temperare. Liv. per. 79, 2, wo der getötete Bruder ein Soldat des Cinna ist: In quo bello duo fratres, alter ex Pompei exercitu, alter ex Cinnae, ignorantes concurrerunt, et cum victor spoliaret occisum, agnito fratre ingenti lamentatione edita, rogo ei extructo, ipse se supra rogum transfodit et eodem igne consumptus est. 660 Aug. civ. 2, 25: [...] consideretur tamen quae sit talium deorum vel malitia vel miseria: si autem se pugnasse finxerunt, quid aliud egerunt, nisi ut sibi Romani bellando civiliter tamquam deorum exemplo nullum nefas admittere viderentur? Iam enim coeperant bella civilia, et aliquot nefandorum proeliorum strages execranda praecesserat. Iam multos moverat, quod miles quidam, dum occiso spolia detraheret, fratrem nudato cadavere agnovit ac detestatus bella civilia se ipsum ibi perimens fraterno corpori adiunxit. Zur „Geisterschlacht“, auf die Augustinus hier anspielt, vgl. Plut., Sull. 27.
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len, (über-)zeitgeschichtlichen Zustand hinweisen, insofern sie einen Reflex auf das häufig vorkommende Phänomen der Suizide im Krieg darstellt, das sich wiederum in der literarischen Darstellung widerspiegelt; andererseits kann die Assoziation aber auch erst eine Folge der literarischen Darstellung sein, was jedoch bedeutete, daß man der spätantiken Historiographie, die tatsächlich gerade in ihren Suizidschilderungen eine pathetische Ausdrucksweise selten vermissen läßt, jeglichen historischen Quellenwert abspräche. Die Frage nach Ursache und Wirkung sowie nach der Gewichtung des historischen Wahrheitsgehalts gegenüber dem schriftstellerischen Gestaltungswillen wird, sofern man eine gewisse Wechselwirkung nicht als ausreichende Erklärung annimmt, offen bleiben. Wichtig in Hinsicht auf unsere Fragestellung nach der Bewertung von Suizid in der Spätantike ist allein, daß erst aus der Einordnung der Suiziddarstellung in den Argumentationskontext ihre Funktion abzulesen ist. Die Umwertungen des heroischen Opfertodes von Soldaten oder der Massensuizide der früheren Zeit und die rhetorische Funktion des Suizids als Klimax des Elends basieren auf diesen unterschiedlichen Argumentationen. Eine moralische Bewertung der Selbsttötung als „Tatbestand“ findet im Kontext des Krieges nicht statt. 4.3 Die Unterdrückten: Herrscherwillkür und gesellschaftliche Ächtung Die Verzweiflung über Unglück und Elend als Auslöser der Selbsttötung wird uns auch im folgenden Abschnitt interessieren. Nicht nur der Krieg, sondern auch die Willkür eines Machthabers und andere Arten gesellschaftlichen und sozialen Drucks konnten ausweglose Situationen hervorrufen, die Suizid zur Folge hatten. Ammianus Marcellinus berichtet aus der Regierungszeit des von ihm sehr negativ dargestellten Constantius II. von dessen Härte und Überheblichkeit. Unter seinen Schmeichlern habe sich ein gewisser notarius Paulus besonders vieler Verbrechen schuldig gemacht, indem er äußerst hart gegen die Anhänger des Magnentius in Britannien vorging und dabei auch Unschuldige verfolgte. Den dortigen Statthalter Martinus, der sich für die Verfolgten einsetzte, habe er, in Ketten gefesselt, an den Kaiserhof schleppen lassen. Hierüber empört, drang Martinus, nun selbst von unmittelbarer Gefahr bedroht, mit dem Schwert auf Paulus ein. Seine gelähmte Rechte vermochte jedoch diesen nicht tödlich zu treffen, und so stieß er das schon gezogene Schwert sich selbst in die Seite. Durch einen so ehrlosen Tod (deformi genere mortis) fand ein höchst gerechter Statthalter sein Ende (excessit e vita), weil er es gewagt hatte, vielen Menschen ihre Lage zu erleichtern.661
661 Amm. 14, 5, 8: [...] quo percitus ille exitio urguente abrupto ferro eundem adoritur Paulum. Et quia languente dextera letaliter ferire non potuit, iam destrictum mucronem in proprium latus impegit. Hocque deformi genere mortis excessit e vita iustissimus rector ausus miserabiles casus levare multorum.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
Die Formulierung deformi genere mortis wurde in der älteren Forschung als Beleg herangezogen, daß Ammian den Suizid an sich als schimpflich verurteilt.662 Schon im Hinblick auf die doch zahlreichen übrigen Suiziddarstellungen im Werk des Geschichtsschreibers, die nirgends ein solches Urteil andeuten, ist aber m.E. eine solche Bewertung auszuschließen. Die Betonung der Todesart durch Suizid erfüllt auch hier in erster Linie eine literarische Funktion, indem sie das lobenswerte Verhalten des Martinus noch erhöht, wobei der ehrlose Tod direkt dem äußerst gerechten Magistraten (iustissimus rector) gegenübersteht. Entsprechend bringt die Formulierung deformi genere mortis die Unangemessenheit eines so elenden Todes für einen Magistraten zum Ausdruck, der durch die Willkür des Paulus herbeigeführt wird. Sicher ist, daß der Suizid im Kontext der Unterdrückung hier nicht als Ehrentat, sondern als Ausdruck des Elends erscheint und in dieser Funk662 Vgl. K.A. GEIGER, Selbstmord, 35 und R. HIRZEL, ARW 11, 1908, 468 m. Anm. 1 der meint, hier werde der gleiche Ausdruck, der sonst nur eine einzelne, besonders schimpfliche Art des Selbstmordes bezeichne (Verg. Aen. 12, 603 zum Suizid der Amata durch Erhängen: informe letum; Tac. ann. 6, 49 zum Suizid des Sex. Papinius: informem exitum delegit), auf den Selbstmord überhaupt angewendet. Vgl., diesen Einschätzungen folgend, zuletzt auch noch T. ARAND, Das unverdiente Ende, 45 (m. Anm. 328): „Doch auch vor dem endgültigen kirchlichen Selbstmordverbot durch die Konzile von Orléans und Braga bezeugen selbst heidnische Quellen (mit Verweis auf Ammianus und Macrobius) eine überwiegende Ablehnung des in der frühen und mittleren Kaiserzeit noch so beliebten Selbstmordes“. Abgesehen davon, daß man in den Regelungen der Konzile von Orléans und Braga schwerlich ein endgültiges Selbstmordverbot sehen kann (vgl. Kap. II 4.2), kann diese eine Stelle bei Ammian allein wohl kaum für eine „überwiegende Ablehnung“ in der heidnischen Darstellung von Suizid stehen (Macrobius’ Haltung ist philosophischer Art, vgl. o. S. 37f.), zumal mit Tacitus und Vergil ja Parallelen aus der früheren Zeit gegeben sind. Ich sehe kein Problem darin, die Formulierung Ammians ähnlich wie diejenigen des Tacitus und des Vergil auf den Kontext zu beziehen, nicht aber auf eine Bewertung des Suizids an sich: Vergil (Aen. 12, 603) verurteilt den Tod der Amata, welche die schändliche Todesart durch Erhängen wählte; vgl. dazu auch Serv. Aen. 12, 603: Et nodum informis leti alii dicunt, quod Amata inedia se interemerit. Sane sciendum quia cautum fuerat in pontificalibus libris, ut qui laqueo vitam finisset, insepultus abiceretur: unde bene ait ‚informis leti‘, quasi mortis infamissimae. Ergo cum nihil sit hac morte deformius, poetam etiam pro reginae dignitate dixisse accipiamus. Cassius autem Hemina ait, Tarquinium Superbum, cum cloacas populum facere coegisset, et ob hanc iniuriam multi se suspendio necarent, iussisse corpora eorum cruci affigi. Tunc primum turpe habitum est mortem sibi consciscere. Et Varro ait, suspendiosis, quibus iusta fieri ius non sit, suspensis oscillis, veluti per imitationem mortis parentari. Docet ergo Vergilius secundum Varronem et Cassium, quia se laqueo induerat, leto perisse informi. Tac. ann. 6, 49 schildert den Tod des Sex. Papinius negativ, weil dieser verdächtigt wurde, mit seiner Mutter in Blutschande gelebt zu haben; Ammianus schließlich zeichnet durch den unwürdigen Opfertod des Martinus, dem es nicht gelang, den Verursacher des Elends zu töten, die Verbrechen des Paulus besonders drastisch. Die Formulierung informe letum läßt sich an drei weiteren Stellen in der spätantiken Literatur finden, wo sie ebenfalls in Verbindung mit der Todesart des Erhängens steht: Von Judas sprechen in dieser Hinsicht Hier. epist. 58, 1, 3, der Verg. Aen. 12, 603 zitiert: Iudas [...] nodum informis leti trabe nectit ab alta. Sowie Leo M. tract. 54, 3: Unde scelestior omnibus, Iuda, et infelicior extitisti, quem non paenitentia revocavit ad Dominum, sed desperatio traxit ad laqueum. Expectasses consummationem criminis tui, et donec sanguis Christi pro omnibus peccatoribus funderetur, informis leti suspendium distulisses. Über die freie Wahl des Strickes durch Maximianus auch Lact. mort. pers. 30, 5 (o. S. 165, Anm. 546).
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tion den Notzustand des Martinus und der von Paulus Verfolgten widerspiegelt. Damit erfährt die Selbsttötung eine ganze ähnliche Einordnung, wie sie schon für die Kriegsschilderungen erkennbar war. Wie schon erwähnt, vergleicht Ammianus auch die Greueltaten des Prätorianerpräfekten Maximinus in Rom mit einer Kriegssituation. Zahlreiche Senatoren und angesehene Familien wurden Opfer von Verleumdungen und unrechtmäßiger Hinrichtungen.663 Unter dem Eindruck derartiger und ähnlicher Vorfälle ereignete es sich, daß eine Matrone, Hesychia, die einem Gerichtsdiener wegen einer gegen sie gerichteten Beschuldigung in Gewahrsam gegeben war, aus Furcht vor vielen Grausamkeiten sich in dessen Haus mit dem Federbett, auf dem sie ruhte, das Gesicht bedeckte und so den Tod durch Erstickung fand.664
Das Beispiel der sonst unbekannten Hesychia, die sich aus Furcht vor der Verfolgung selbst erstickte, belegt einmal mehr, wie die Suiziddarstellung der Akzentuierung des Elends dient, erst recht wenn es sich wie in diesem Fall um eine Frau der Nobilität handelt.665 Die Anklage wegen Ehebruchs oder auch nur der erhobene Verdacht war offenbar ein häufiges Suizidmotiv. Welche Bedeutung die körperliche Unversehrtheit und eheliche Treue gerade für die Christen hatte, machten bereits die Beispiele der heiligen Jungfrauen und Asketen deutlich. Abgesehen von den Christenverfolgungen waren es gerade oft kriegerische oder gewalttätige Phasen, die Opfer von Schändungen hervorbrachten.666 Die Gefangennahme durch den Sieger ging dabei oft auch mit der körperlichen Inbesitznahme des Besiegten einher.667 Abge663 Vgl. Amm. 28, 1. 664 Amm. 28, 1, 47: His in hunc modum ac talibus actitatis Hesychia quaedam matrona ob intentatum crimen in domo apparitoris, cui custodienda est tradita, multa pertimescens et saeva fulcro plumeo vultu contracto incubuit et animam occluso narium spiramento effudit. 665 Eine ähnliche Betonung des aus Herrscherwillkür entstandenen Unheils ist es wohl auch, wenn Gregor von Tours berichtet, daß sich viele Untertanen des Chilperich, nachdem dieser sie teilweise durch Kerkerhaft zwingen wollte, seine Tochter nach Spanien zu begleiten, mit dem Strick das Leben nahmen, da sie fürchteten, von ihren Angehörigen getrennt zu werden; vgl. Greg. Tur. Franc. 6, 45: Ipse vero iam regressus Parisius, familias multas de domibus fiscalibus auferre praecepit et in plaustris conponi; multus quoque flentes et nolentes abire in custodia retrudi iussit, ut eos facilius cum filia transmittere possit. Nam ferunt, multos sibi ob hanc amaritudinem vitam laqueo extorsisse, dum de parentibus propriis auferre metuebant. 666 Vgl. P. BROWN, Keuschheit, 206, der für die Verfolgung des 3. Jahrhunderts sexuelle Gewalt gegen Jungfrauen bzw. die Androhung, sie zum Bordell zu verdammen, als üblich anerkennt und auf Beispiele bei Euseb (vgl. etwa Eus. h.e. 6, 5, 2; m.P. 8, 5) verweist. Zu den Vergewaltigungen im Kontext kriegerischer Gewalt vgl. demnächst auch das Kapitel „Gewalt gegen Frauen“ in dem noch in Arbeit befindlichen Dissertationsprojekt von A. FRAUENHUBER (Jena), Kriegerische Gewalterfahrungen im Gallien des 5. Jahrhunderts, die besonders auch die rechtlichen Folgen einer Vergewaltigung in dieser Zeit betrachtet. 667 G. DOBLHOFER, Vergewaltigung, 23–28: „Im antiken Rechtsempfinden wie in der Praxis bedeutete Gefangennahme im Krieg, daß der Sieger auch sexuell über die gefangene Person verfügen durfte.“ Einen literarischen Eindruck davon, daß Frauen den Suizid der Schändung vorzogen, liefert der Roman Aithiopika Heliodors: Charikleia (Hld. 1, 8, 3) will sich lieber erhängen, als die Schändung zuzulassen; schon zuvor hatte sie gedroht, sich mit dem Dolch zu erstechen, wenn man sie von ihrem Geliebten trenne (Hld. 1, 4, 1).
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
sehen von der körperlichen Gewalt war mit der Vergewaltigung zugleich ein gesellschaftliches Stigma verbunden, der erzwungene Geschlechtsverkehr kam dem Ehebruch gleich.668 Frauen wurden durch die körperliche Schändung nicht nur ihrer Ehre beraubt, sondern hatten auch schlimmste Konsequenzen zu tragen, die sich in verschiedenen Formen der gesellschaftlichen Ächtung äußerten: Ehefrauen liefen Gefahr, von ihren Männern verstoßen zu werden, vergewaltigte Mädchen hatten keine Aussicht auf eine spätere Heirat, eventuell bei der Vergewaltigung gezeugte Kinder wurden ausgesetzt; darüber hinaus galten Ehebrecherinnen als unrein und waren von der Teilnahme an rituellen Handlungen ausgeschlossen.669 Die Selbsttötung als Konsequenz ist nicht nur, wie das exemplum der Lucretia vermittelte, ein Ausdruck weiblicher Tugend, sondern scheint oft auch schlicht der letzte Ausweg gewesen zu sein, sowohl nach bereits erfolgter Schändung als auch zur Vermeidung derselben.670 Auch unabhängig von Christenverfolgungen oder Kriegszeiten blieben der Ehebruch und die versehrte Keuschheit Suizidmotive. Gregor von Tours berichtet in seinem Geschichtswerk von einem solchen Fall aus dem Jahre 579. Eine bretonische Frau sei in Verdacht geraten, ihren Ehemann betrogen zu haben, woraufhin die beiden Familien der Eheleute in heftigen Streit gerieten. Der Frankenkönig Chilperich habe die Familien zur Klärung der Sache an den Bischof verwiesen, „die Ehefrau aber hat einige Tage später, als sie vor Gericht zitiert wurde, ihr Leben mit dem Strick beendet“.671 Zwar ist dieses Ereignis kein Beispiel eines 668 Vgl. G. DOBLHOFER, Vergewaltigung, 76. Zur Entwicklung der Ahndung des Ehebruchs und den gesellschaftlichen Folgen vgl. J.-U. KRAUSE, Kriminalgeschichte, 176–180, zum stuprum ebd. 181–183. 669 Vgl. G. DOBLHOFER, Vergewaltigung, 64–79, der großteils mythische oder fiktive Beispiele anführt, aber darauf hinweist, daß die Geschichten doch zeigten, „welche Werte sie propagieren wollten: für die Unberührtheit und Keuschheit der Ehefrauen und Töchter sollte kein Opfer zu groß sein“ (ebd. 69). Die Ursachen für diese rigorosen Maßnahmen lagen nicht nur im Tugendideal, sondern gehen auch auf die gesellschaftliche Rolle der Frau zurück, „legitime Nachkommen hervorzubringen (...). Wer dafür nicht in Frage kam, hatte auch kein Anrecht auf den dafür vorgesehenen Platz in der Gesellschaft“ (ebd. 79). 670 Vgl. G. DOBLHOFER, Vergewaltigung, 64–69 mit mehreren Beispielen sowie ebd., 69ff. zu den Folgen für die Opfer, falls sie nicht den Ausweg in der Selbsttötung suchten. 671 Greg. Tur. Franc. 5, 32: Apud Parisius autem mulier quaedam ruit in crimine, adserentibus multis, quasi quod, relicto viro, cum alio misceretur. Igitur parentes illius accesserunt ad patrem, dicentes: ‚Aut idoneam redde filiam tuam, aut certe moriatur, ne stuprum hoc generi nostro notam infligat‘. ‚Novi‘, inquit pater, ‚ego filiam meam bene idoneam; nec est verum verbum hoc, quod mali homines proloquuntur. Tamen ne crimen consurgat ulterius, innocentem eam faciam sacramento‘. Et illi: ‚Si‘, inquiunt, ‚est innoxia, super tumulum hoc beati Dionisi martyris sacramentis adfirma‘. ‚Faciam‘, inquit pater. Tunc inito placito ad basilicam martyris sancti conveniunt; elevatisque pater manibus super altarium, iuravitque, filiam non esse culpabilem. E contrario vero periurasse eum, alii a parte viri pronuntiant. His ergo altercantibus, evaginatis gladiis in se invicem proruunt atque ante ipsum altarium se trucidantur. Erant enim maiores natu et primi apud Chilpericum regem. Saucianturque multi gladiis, respergitur sancta humano cruore basilica, ostia iaculis fodiuntur et ensibus, atque usque ad ipsum sepulcrum tela iniqua desaeviunt. Quod dum vix mitigatur, locus officium perdidit, donec ista omnia ad regis notitiam pervenirent. Hi vero properantes ad praesentiam principis, non recipiuntur in gratia; sed et ad episcopum loci illius remissi, iussum est, ut, si de hoc fa-
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Opfers willkürlicher Machtausübung, wie es die Hesychia bei Ammianus darstellt, doch zeigt der Fall der bretonischen Frau, wie sozialer Druck und gesellschaftliche Ächtung offenbar als so schwerwiegend betrachtet wurden, daß sie zum Suizid führten. Daß in diesem Zusammenhang wieder die Todesart des Erhängens auftaucht, ist sicher kein Zufall; ob sie in diesem Fall nun die tatsächliche Schuld der Ehefrau belegt oder lediglich als Ausdruck der Verzweiflung über den Gegenstand der Anklage verstanden werden muß, bleibt offen.672 Noch deutlicher als am Ehebruch läßt sich der Zusammenhang zwischen Schuld und Suizid an finanzieller Not erkennen. Drückende Schulden als Grund für die Selbsttötung sind nicht nur ein häufiges Motiv bei den östlichen Kirchenvätern, sondern finden sich auch in der lateinischen Literatur in verschiedener Weise thematisiert.673 Ammianus berichtet eindrücklich von den Opfern des Prätorianerpräfekten Probus, der in der Regierungszeit Valentinians I. die Bevölkerung von Carnuntum, ob arm ob reich, ausgepreßt habe, um sich selbst zu bereichern: Daher entstanden schwierige Lagen für die Untertanen. Verderbliche Schuldforderungen aus den vorgesehenen Steuertiteln vernichteten bereits geschwächte Vermögen, gleich ob mächtige oder geringe; denn ein triftiger Vorwand jagte den andern, und die lange geübte Gewohnheit fand Gelegenheit, jeden zu ruinieren. Schließlich setzte er durch die Steuerlasten und wiederholte Vermehrung der Abgaben sogar Angehörige der höchsten Kreise in Furcht vor dem Äußersten und veranlaßte sie dazu, ihren Wohnsitz zu verlegen. Andere wurden durch die unerbittlichen Forderungen der Steuerbeamten völlig ausgepreßt und waren Dauermieter der Gefängnisse, da ihnen nichts blieb, was sie noch hätten hergeben können. Von ihnen
cinus culpabiles non inveniebantur, sociarentur communioni. Tunc ab episcopo Ragnimodo, qui Parisiacae ecclesiae praeerat, componentes quae male gesserant, in communione ecclesiastica sunt recepti. Mulier vero non post multis diebus, cum ad iudicium vocaretur, laqueo vitam finivit. 672 Für die Schuld der Frau spricht, daß sie sich dem Bericht Gregors zufolge unmittelbar vor der Gerichtsverhandlung das Leben nimmt. Dazu paßt auch, daß nach römischem Recht die Selbsttötung eines Angeklagten vor Ende des Prozesses als dessen Schuldeingeständnis gewertet wurde, von einer nachträglichen Verurteilung wurde in diesen Fällen abgesehen, vgl. Dig. 24, 1, 32, 7 (Ulpianus); Dig. 49, 14, 45, 2 (Paulus), o. S. 69, Anm. 212; Cod. Iust. 3, 26, 2 (a. 207); Dig. 48, 21, 3 pr. (Ulpianus), beide o. S. 69, Anm. 210; dazu T. MOMMSEN, Strafrecht, 438f. m. Anm. 8. Zur Selbsttötung als Schuldeingeständnis Kap. II 4.1. Daß aber auch ein unbegründeter Vorwurf des Ehebruchs Anlaß zum Suizid gegeben haben könnte, lassen die Beispiele der Hesychia oder auch der Nonne von Tabenna (s.o. S. 125) vermuten. 673 Zu den Praktiken der Geldverleiher und den Folgen für Schuldner im Spiegel der östlichen Kirchenväter vgl. I. MILEWSKI, MBAH 20, 2001, 1, 96–113, bes. 105. Basilius d. Gr. etwa berichtet, während er die Geldverleiher kritisiert, von Schuldnern, die sich aus Scham erhängt hatten, Bas. hom. II in Psalm. 14, 4, 58 (PG 29, 277): Σὺ δὲ τοὺς μὲν πλουτήσαντας βλέπεις, τοὺς δὲ ἀπαγξαμένους οὐκ ἀριθμεῖς, οἳ, τὴν ἐπὶ ταῖς ἀπαιτήσεσιν αἰσχύνην μὴ φέροντες, τὸν δι᾿ ἀγχόνης θάνατον τοῦ ἐπονειδίστως ζῇν προετίμησαν. Auch die lateinische Kirchenväterliteratur beschäftigt sich mit dieser Problematik, vgl. dazu J.-U. KRAUSE, Gefängnisse, 156f. mit weiteren Belegen.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid wählten manche, wenn sie des Lebens und des Tageslichts überdrüssig geworden waren, als letzten Ausweg den Tod durch Erhängen.674
Zwei Punkte, die uns schon zuvor begegneten, lassen sich auch an der Schilderung der Probus-Episode festmachen: Zum einen nimmt der Suizid wieder die rhetorische Funktion einer Klimax ein. Die oppressi sahen sich nicht nur gezwungen, ihre Wohnungen zu verlassen, und wurden, wenn sie ihre Schulden nicht begleichen konnten, inhaftiert, sondern suchten als letzten Ausweg den Tod. Zugleich wird durch diese Pointierung der Charakter des Probus besonders negativ gezeichnet, was noch dadurch unterstrichen wird, daß gerade auch die angesehenen und reichen Familien von der Steuerauspressung betroffen waren. Der Kaiser wird der Untaten seines Präfekten erst gewahr, als er nach dem einen oder anderen der angesehenen Leute fragt und durch den Philosophen Iphikles darüber unterrichtet wird, daß der eine sich erhängt habe, ein anderer über das Meer geflohen sei, ein dritter sich den Tod beigebracht habe (conscivisse sibi mortem) und wieder ein anderer den Schlägen mit der Bleiknute erlag.675 Zum anderen tritt hier wieder das Erhängen als Todesart hervor: Zwar ist der Tod durch den Strick im Bericht des Iphikles nur eine unter verschiedenen Folgen für die oppressi des Probus, doch wird der Zusammenhang von Erhängen und Schulden auch an anderen Stellen deutlich.676 Von der christlichen Thematisierung der Schulden als Motiv für Suizid abgesehen, sticht vor allem der humorvolle Umgang damit ins Auge: Ausonius beschreibt in einem Epigramm einen Schuldner, der, als er sich gerade mit einem Strick erhängen wollte, einen Goldschatz fand. Der lebensmüde Schuldner habe an dem Ort, wo er das Geld fand, den Strick vergraben, und den Schatz an anderer Stelle versteckt. Als aber derjenige, der den Schatz vergraben hatte, später an derselben Stelle den Strick wieder-
674 Amm. 30, 5, 6: Unde graves oboedientium casus. Exitialia provisorum nomina titulorum iuxta opulentas et tenues eneruatas succidere fortunas argumentis aliis, post validioribus aliis, usu laedendi repperiente longaevo. Denique tributorum onera vectigaliumque augmenta multiplicata optimatum quosdam ultimorum metu exagitatos mutare compulit sedes et flagitantium ministrorum amaritudine quidam expressi, cum non suppeteret, quod daretur, erant perpetui carcerum inquilini; e quibus aliquos, cum vitae iam taederet et lucis, suspendiorum exoptata remedia consumpserunt. Die Schuldhaft, die Inhaftierung in privaten, später häufig in staatlichen Gefängnissen war zur Durchsetzung der Ansprüche von Gläubigern üblich, ebenso sind die Folter, die Plünderung des Besitzes inhaftierter Schuldner und sogar die Behinderung der Beisetzung verstorbener Schuldner als Mittel zur Geldeintreibung in der Literatur belegt. Vgl. dazu J.-U. KRAUSE, Gefängnisse, 152–169, zu den Maßnahmen zur Schuldeintreibung und den Folgen für die Schuldner bes. 156f. mit zahlreichen spätantiken Belegen. Oft standen fromme Christen den Schuldnern bei, indem sie entweder das erforderliche Geld zur Verfügung stellten oder die Inhaftierten mit Nahrung versorgten; vgl. ebd. 158. 675 Amm. 30, 5, 10: Quo ille verbo tamquam telo perculsus actus eius ut sagax bestia rimabatur genuino percunctando sermone, quod noscitabat, ubinam ille esset verbi gratia honore ante suos cellens et nomine vel ille dives aut alius ordinis primus. Cumque disceret perisse aliquem laqueo, abisse alium trans mare, consciuisse sibi alium mortem aut plumbo vita erepta exstinctum, in immensum excanduit urente irarum nutrimenta [...]. 676 Neben Basilius Magnus (o. Anm. 673) vgl. auch Lib. or. 57, 30 und Ioh. Mosch. prat. 207 (PG 87, 3, 3097), die beide von Suizid durch Erhängen aufgrund von Schulden berichten.
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fand, habe er sich diesen um den Hals gelegt.677 Ausonius kombiniert das Erhängen mit den Motiven Schuld(en) und Verzweiflung zu einer humorvollen Episode und erweitert so den schmählichen Tod durch den Strick um die Komponente der Lächerlichkeit. Der scherzhafte Umgang mit dieser Todesart mag wohl gerade darauf zurückzuführen sein, daß das Erhängen zuerst mit Verzweiflung, mit Scham und Schuldempfinden in Zusammenhang gebracht wird und dann durch die Karikatur der Opfer ihr unehrenhaftes Ende überzeichnet wird.678 Darüber hinaus ist die Verbindung von Schulden und Suizid nicht nur ein literarischer Ausdruck von Verzweiflung oder Scham der Schuldner, sondern findet sich konkret auch in der römischen Gesetzgebung: Nach einem Erlaß in den Digesten wurden unter anderem (taedium vitae, dolor, furor, insania mentis) auch drückende Schulden (pudor aeris alieni) unter die causae iustae gezählt, also als entschuldbare Suizidgründe anerkannt, und in diesem Fall wurde von der Konfiszierung des Besitzes durch den Fiskus abgesehen.679 Dies kann darauf hinweisen, daß die Selbsttötung aufgrund von Schulden kein seltenes Phänomen war. Die spätantike Gesetzgebung zeigte sich bemüht, die besonders drastischen Zwangsmaßnahmen zur Schuldeneintreibung zu beschränken; ein Gesetz aus dem Jahr 320 untersagt die Bestrafung mit Bleipeitschen.680 Die Erneuerung des Erlasses rund 30 Jahre später könnte aber darauf hindeuten, daß diese Regelung offenbar nicht wirklich griff.681 Wenn es dem Schuldner vielleicht auch nicht mehr möglich war, durch seinen Tod die Schulden zu begleichen, so mögen ihn dazu doch zumindest die Vermeidung von Gefängnishaft und Folter veranlaßt haben.
677 Auson. epigr. 23 (= Anth. Pal. 9, 44): Qui laqueum collo nectebat, repperit aurum / thesaurique loco deposuit laqueum; / at qui condiderat, postquam non repperit aurum, / aptavit collo quem reperit laqueum. 678 Weitere Beispiele für die humorvolle Darstellung des Erhängens bietet der Philogelos des Hierokles und Philagrios, 109; 112; 183; 231; 248, keine der Episoden steht jedoch im Zusammenhang mit Schulden. Vgl. dazu auch A. VAN HOOFF, Autothanasia, 71 m. Anm. 69. 679 Vgl. bes. Dig. 28, 3, 6, 7 (Ulpianus); Dig. 49, 14, 45, 2 (Paulus), beide o. S. 69, Anm. 212; Dig. 29, 5, 1, 23 (Ulpianus): Si quis non metu criminis imminentis, sed taedio vitae vel impatientia doloris sibi manus intulit, eius testamentum aperiri et recitari mortis casus non impedit. Die Vermögenskonfiskation als Folge der Todesstrafe oder lebenslanger Verbannung scheint bis in die frühe Kaiserzeit durch Suizid umgangen worden zu sein; vgl. dazu o. S. 65f. m. Anm. 196. Die Bestimmungen in den Digesten scheinen genau auf diese Problematik zu zielen. Zur Entwicklung der Problematik im römischen Recht vgl. A. WACKE, ZRG (Rom.) 97, 1980, 52–61; ausführlich auch P. VEYNE, Latomus 40, 1981, 217–268, zu den causae iustae des Suizids bes. 235–240. Zu den causae iustae als legitime Suizidgründe sowie zu den gesetzlichen Regelungen der Vermögenskonfiskation bei Suizidfällen vgl. ferner o. Kap. II 4.1. 680 Cod. Theod. 11, 7, 3 (= Cod. Iust. 10, 19, 2). 681 Cod. Theod. 11, 7, 7 (aus dem Jahre 353 oder 346?). Vgl. zu diesen Regelungen J.-U. KRAUSE, Gefängnisse, 163f.
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III. Die literarische Darstellung von Suizid
4.4 Zusammenfassung Unter der Kategorie der oppressi et victi wurden unterschiedliche Situationen vorgeführt, die besonders oft Suizidfälle aufweisen bzw. in deren Zusammenhang häufig Selbsttötungen in der Literatur geschildert werden. Das Motiv der Verzweiflung tritt in allen diesen Bereichen (innere Machtkämpfe, Kriegszeiten und soziale Notlagen) deutlich hervor. In dieser Hinsicht erscheint der Suizid geradezu als Topos für eine ausweglose Notlage, er ist gewissermaßen die Klimax für die Darstellung besonders großen Elends. Ob dieser Topos rein literarischer Art ist oder zuerst bzw. zugleich auf ein existentes Handlungsmodell verweist, ist dabei sekundär; wichtig ist allein, daß die Assoziation einer ausweglosen Notlage mit der Selbsttötung abrufbar war. Daß eine solche generelle Assoziation auch auf ‚überhistorischer‘ Ebene vorhanden war, belegt vor allem die humorvolle Episode vom Schuldner bei Ausonius, die sich auf keinen konkreten historischen Fall bezieht und deren Effekt ohne die Verwendung des Topos durch den Autor und ohne das Wachrufen der entsprechenden Gedankenverknüpfung beim Leser nicht funktionieren würde. Die Untersuchung der Usurpatoren und Unterlegenen in Machtkämpfen hat ihre Todesdarstellungen als Gegenpol zur Darstellung der Kaiser aufgezeigt: Während der Suizid sich für einen guten Herrscher nicht ziemt, ist er für den Unterlegenen Ausdruck seines gerechten Endes. Ähnlich wie wir es schon für die Kaiser und Herrscher festgestellt haben, ist es auch auf der Gegenseite zunächst die besiegte Person, die durch die Todesweise charakterisiert wird. Darüber hinaus kommt in der Todesschilderung auch noch der Einfluß des Siegers zum Tragen, dessen Rolle für die Bewertung des Suizides in der literarischen Darstellung maßgeblich scheint. Die Verfügungsgewalt des siegreichen Herrschers über den Besiegten, der sich ihr durch seinen Suizid des Zugriffs entzieht, spiegelt sich in der Darstellung, etwa indem dem Herrscher Anteil an der Selbsttötung zugesprochen wird (coegit mori) oder indem der Suizid als gerechte Strafe und als Vergeltung für den Hochverrat gedeutet wird, die durch direkten Eingriff des Siegers nicht mehr vollzogen werden kann. Die literarische Darstellung richtet sich an dieser Konstellation aus und zeigt die jeweilige Position der Verfasser. So kann die Schilderung eines Suizids derselben Person zu ganz unterschiedlichen Darstellungen führen, wie etwa der Fall des Andragathius in der Wiedergabe des Orosius und des Zosimos gezeigt hat. Eine moralische Bewertung des Suizids ist dabei jedoch an keiner Stelle zu erkennen, die Färbung der Todesbeschreibung ergibt sich offenbar allein aus der Bewertung der beteiligten Figuren. Gleiches läßt sich auch für die literarischen Darstellungen von Suizid in den beiden anderen aufgezeigten Kontexten feststellen. Das Erhängen als Todesart fällt durch seine Häufigkeit in den Suiziddarstellungen der oppressi besonders auf. Die schon an anderer Stelle konstatierte Assoziation der Todesart mit Schuldempfinden, Reue und Vergeltung zeigt sich auch an den hier aufgeführten Beispielen. Offenbar riefen gerade auch die materielle Schuld und finanzielle Not diese Assoziation hervor: Fast sämtliche Suizidfälle
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aufgrund von Schulden erfolgten mit dem Strick.682 Darüber hinaus ist dieses Suizidinstrument aber auch ein anschauliches Mittel, um durch den Tod die drückende Not der oppressi als besonders drastisch zu zeichnen.683 Die vorgeführten Suizidfälle der Spätantike unterscheiden sich weder in ihren Anlässen und Motiven (Suizid als Ausweg aus einer Notlage, aus Furcht vor schlimmerem Ende, aufgrund sozialen Drucks oder auch das Phänomen des Massensuizids) noch in ihrer Darstellung maßgeblich von den Suiziden der Kaiserzeit und Republik.684 Auf der Ebene der historischen Realität kann man also nicht von einer Veränderung in der Spätantike sprechen, weder in bezug auf eine statistische Suizidrate (die sich ohnehin nur unter großen Abstrichen erstellen läßt) noch in Hinsicht auf die Situationen, in denen die Selbsttötung als letzter Ausweg gewählt wurde. Nirgends findet eine Bewertung der Tat selbst statt, die eine Veränderung hin zur moralischen Verurteilung des Suizids erkennen lassen könnte. Die Darstellungen von Suizid als schimpflichem Ende der oppressi, wie etwa die Todesschilderung des Martinus bei Ammianus als deforme genus mortis, lassen sich durch ihre Einordnung in den literarischen Kontext erklären. Es sind auch keine Unterschiede in den christlichen Positionen auszumachen, die zweifelsfrei auf eine Neubewertung in der christlichen Literatur schließen lassen oder in Hinsicht auf die moralische Bewertung einen Gegensatz zur heidnischen Sichtweise aufweisen. Im Gegenteil: Gerade die exemplarische Verwendung historischer Suizidfälle etwa zur Verdeutlichung des Elends im Krieg bei Ammianus, Augustinus und Orosius zeigen, daß alle gleichermaßen, auch wenn sie die Fälle in unterschiedliche Argumentationskontexte einbauen, sich der Wirkung des Suizids als rhetorisches Mittel bewußt sind und es entsprechend anzuwenden wissen.
682 Die einzige mir bekannte Ausnahme ist Amm. 30, 5, 10 (s.o. S. 204, Anm. 675), hier ist aber das Erhängen als eine der Folgen des von Probus ausgelösten Schuldendrucks erwähnt. 683 Vgl. das Beispiel der Untertanen Chilperichs, die in ihrer Notlage (ob hanc amaritudinem) ihr Leben mit dem Strick beendeten, weil sie fürchteten, von ihren Angehörigen getrennt zu werden, Greg. Tur. Franc. 6, 45, s.o. S. 201, Anm. 665. 684 Vgl. viele, unter diesen Kriterien untersuchten Fälle bei A. VAN HOOFF, Autothanasia.
IV. ERGEBNISSE UND AUSBLICK Der Umstand, auf den in der Einleitung hingewiesen wurde, daß der Begriff suicidium eine Ausdrucksweise ist, die erst im Mittelalter ihren Ursprung hat, bringt die Ergebnisse dieser Arbeit zugespitzt auf den Punkt: Die spätantike Beurteilung der Selbsttötung ist näher an den Vorstellungen der klassischen Antike, als daß sie auf die Stigmatisierung als suicidium oder als Selbstmord im Mittelalter und in der Neuzeit vorausweist. Die enge Bindung an das antike Denken zeigt sich vor allem in der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema. Der Großteil der spätantiken Theorien baut auf den Ansätzen der griechisch-römischen Philosophie auf und rezipiert diese in einem aktualisierten historischen oder argumentativen Kontext. Allgemein gesehen läßt sich in der spätantiken Theorie die gleiche generelle Ablehnung der Selbsttötung mit ähnlichen Ausnahmen vom Suizidverbot feststellen, lediglich der Kontext und die Ausdrucksweise ist eine andere. Die christlichen Stellungnahmen, die meist im Kontext des Martyriums stehen, begründen das Suizidverbot durch das 5. Gebot, und auch wenn die Selbsttötung durch Laktanz und schließlich konkreter durch Augustinus auf der Basis dieser Begründung als Sünde im christlichen Sinne eingestuft wird, muß eben auch die christliche Argumentation Ausnahmen zulassen; und diese Ausnahmen wiederum erfolgen nach ähnlichen Kriterien, wie sie ebenfalls schon in der antiken Philosophie auftauchten: Die Notwendigkeit (also die auf Platon zurückführende ἀνάγκη) bzw. die causa iusta (die sich im weiteren Sinne in der stoischen εὔλογος ἐξαγωγή wiederfinden läßt) muß von Gott angezeigt werden, d.h., die Selbsttötung ist nur dann legitim, wenn sie auf eine Anweisung Gottes hin erfolgt. Eine ähnliche Fortführung antiker Ansätze läßt sich auch für die Gesetzgebung feststellen. Viele Regelungen in den Konzilsakten haben ihre Vorläufer oder Parallelen im römischen Recht, wobei gerade in den konziliaren Bestimmungen immer wieder die Gebundenheit an den historischen Kontext, etwa die Abgrenzung häretischer Selbstmörder von wahren Märtyrern, hervortritt. Auch in der literarischen Darstellung von Suizid äußert sich die Rezeption der antiken Vorgaben, wie vor allem die Behandlung der heidnischen Suizidexempla deutlich machte. Abgesehen von Augustinus zeugt die christliche Rezeption teils sogar von anerkennender Bewunderung für die heidnischen Selbstmörder oder stört sich zumindest nicht an dem Umstand, daß die herangezogenen exempla Suizid begingen, so lange sie nur der christlichen Argumentation dienen: Meist werden sie ohne eine Diskussion über die moralische Bewertung ihrer Tat in den argumentativen Kontext eingepaßt. Entsprechend ist auch das Bild, das die literarische Darstellung von der spätantiken Haltung gegenüber der Selbsttötung vermittelt, weder einheitlich positiv noch einheitlich negativ, noch läßt sich eine stringente Entwicklung von dem einen zu dem anderen ausmachen. Vielmehr ergibt sich die
210
IV. Ergebnisse und Ausblick
jeweilige Einstellung und Bewertung erst aus dem Kontext, in dem sich die Darstellung befindet. Gerade in den unterschiedlichen Suizidschilderungen hat die Untersuchung der lateinischen Literatur immer wieder eine Instrumentalisierung des Phänomens zum Vorschein gebracht, die den Selbstmörder einmal positiv ‚stilisierend‘, ein anderes Mal negativ ‚stigmatisierend‘ zeigt. In der Untersuchung der exempla maiorum wurde dies an den Beispielen der Lucretia und Catos deutlich. Beide werden in einen christlichen Kontext gestellt, Lucretia in den Zusammenhang der Askese und der pudicitia servata, Cato in denjenigen der Auseinandersetzung mit der heidnischen Philosophie, woraus eine unterschiedliche Bewertung folgt: Während Lucretias Tat bei allen christlichen Autoren (wieder ist die einzige Ausnahme Augustinus) als Reinigung vom Makel der verlorenen Keuschheit gelobt wird, erscheint Cato in Hinsicht auf seinen stoischen Freitod stets als negatives exemplum. Noch deutlicher treten die Instrumentalisierung von Suizid und ihre Gebundenheit an den Kontext in der Unterscheidungsproblematik zwischen Martyrium und Suizid hervor. Gerade die Gegenüberstellung der heiligen Jungfrauen mit den Donatisten belegt, daß es offenbar nicht eine Frage eines vorgegebenen moralischen Kriteriums war, mit dem wahre Märtyrer von falschen, also von Selbstmördern, unterschieden wurden, sondern eine Frage des Standpunktes und der Argumentation. Damit Suizid überhaupt instrumentalisierbar ist, müssen mit seiner Erwähnung Wertungen und Assoziationen einhergehen, die allgemein bekannt oder zumindest nachvollziehbar sind. Solche Wertungen und Assoziationen haben vor allem die in den letzten beiden Kategorien (imperatores und oppressi et victi) untersuchten Fälle aufgezeigt. Ein Ergebnis ist hier, daß sich die Bewertung eines Suizids nicht nach der Tat an sich richtet, sondern vordergründig nach den Motiven, nach den Todesarten und nicht zuletzt nach der betreffenden Person und ihrem Charakter. In Hinsicht auf die Motive haben sich in allen Beispielen durchgängig die gleichen Bewertungen herausgestellt: Gute Motive wie die Todesbereitschaft für das Vaterland (etwa in Form einer devotio) oder die Vermeidung der Gefangenschaft gehen mit einer positiven Bewertung des Suizids einher, während die Selbsttötung aus Feigheit eine negative Beurteilung erfährt und der Freitod aus Schuldempfinden oder schlechtem Gewissen schließlich als gerechte Strafe dargestellt wird. In der Bewertung dieser Motive unterscheiden sich christliche und heidnische Darstellungen nicht, allein welchen Personen welche Motive zugeschrieben werden, macht offenbar den Unterschied in der Beurteilung aus. Für einen guten Herrscher ist der Suizid unwürdig, für einen schlechten Kaiser ein passendes Lebensende, für einen unterlegenen Usurpator wiederum stellt er meist einen gerechten Tod dar. Der Suizid wird damit über den Weg vorhandener Assoziationen rhetorisch instrumentalisiert: bald pointiert er den Charakter und die Lebensweise der betreffenden Personen, bald dient er toposartig als Klimax der Darstellung von Not und Elend. Als wichtiges Kriterium für die Beurteilung eines Suizids haben sich die Todesarten herausgestellt, die wiederum auf Assoziationen im spätantiken Denken treffen und auf diesem Wege zu Bewertungen der Suizidmotive führen. Die Asso-
IV. Ergebnisse und Ausblick
211
ziation der Todesart durch den Strick mit dem Motiv der Schuld und Reue ist dabei ebenso auffällig wie die Verbindung des Todes durch Ertränken im Wasser mit der Divinisierung bzw. der christlichen Taufe. Diese Verknüpfung der Todesweise mit Motiven und damit einhergehenden Bewertungen machen sich die christliche und die heidnische Literatur gleichermaßen zunutze, indem sie die offenbar vorhandenen Assoziationen abrufen. Dabei ist es zunächst zweitrangig, ob sich die Mehrzahl der Schuldigen wirklich erhängte oder die Mehrzahl der verfolgten Jungfrauen tatsächlich ins Wasser ging: Vorhandene Assoziationen im Zusammenhang mit Suizid werden der Aussage des Kontextes gemäß eingesetzt. Daß bei dieser rhetorischen Instrumentalisierung der Selbsttötung die Deutung auch über die Realität hinausgehen kann, belegen vor allem nachträglich hinzugefügte und erfundene Suiziddarstellungen, wie sie etwa Laktanz zur Stigmatisierung der christenverfolgenden Kaiser einsetzt. Von einer konsequenten moralischen Ablehnung der Selbsttötung, von der die spätantike lateinische Literatur geprägt ist, kann keine Rede sein, schon gar nicht von einem generellen und allgemein gültigen Verbot. Dies gilt für alle in dieser Arbeit untersuchten Bereiche und gleichermaßen für heidnische wie für christliche Positionen. Die bedeutende und einzige Ausnahme ist Augustinus. Als Ausnahme kann er zwar nicht in Hinblick auf seine Argumentation gelten: Die Ablehnung des Suizids ist auch bei ihm in einen argumentativen bzw. historischen Kontext eingebunden, auch bei ihm ist die Instrumentalisierung des Suizids in Form der Stigmatisierung heidnischer oder donatistischer Selbstmörder zu erkennen, und überdies greift auch seine gesamte theoretische Argumentation auf bereits vorhandene Kriterien und Überlegungen zurück. Allerdings ist Augustinus in seiner Argumentation weit konsequenter als seine Zeitgenossen und in dieser Hinsicht sehr wohl eine Ausnahme. Er wendet das Suizidverbot umfassend auf alle Christen an, was ihm in seiner Polemik gegen die Donatisten von großem Nutzen ist, bei der Behandlung der heiligen Jungfrauen jedoch Probleme verursacht, so daß er in ihrem Fall nun doch wieder eine Ausnahmeregelung treffen muß. Die Sonderrolle des Augustinus scheint damit auf seine konsequente Ausdrucksweise, das einflußreiche Nachwirken seiner theologischen Autorität und, da sein Einfluß auf die Suizidfrage in der Spätantike selbst nur bedingt zu greifen ist, vor allem auf die Rezeption seiner Theologie im Mittelalter beschränkt werden zu müssen. Daß gerade seine Gleichsetzung der Selbsttötung mit Mord im Decretum Gratiani des 12. Jahrhunderts zitiert wird, während auffälligerweise Laktanz, der dieselbe Gleichsetzung formulierte, nicht erwähnt wird, läßt vermuten, daß das Mittelalter in der Suizidfrage offenbar Augustinus rezipierte, nicht aber die spätantike Haltung generell.685 Auch Thomas von Aquin beruft sich in der Summa theologica zur Frage, ob es erlaubt sei, sich zu töten, ausdrücklich auf Augusti685 CIC(L) II. pars, caus. 23, qu. 5, can. 9: Si non licet privata potestate alicui hominem occidere innocentem, cuius occidendi licentiam lex nulla concedit, profecto etiam qui se ipsum occidit homicida est, et tanto fit nocentior, cum se occiderit, quanto innocentior in ea causa fuit, qua se occidendum putavit. Vgl. Aug. civ. 1, 17 (s.o. S. 54f. und S. 9); Lact. inst. 3, 18, 6; epit. 59, 5 (s.o. S. 50, Anm. 142).
212
IV. Ergebnisse und Ausblick
nus.686 Diese Beispiele können jedoch nur als Ausblick dienen: Eine ausführliche Untersuchung der Rezeption der augustinischen Suizidtheorie im Mittelalter und ihres Einflusses auf die moderne Haltung gegenüber der Selbsttötung wäre sicher eine sinnvolle Aufgabe einer zukünftigen Arbeit. In Rückblick auf die in der Einführung dieser Untersuchung gestellten Fragen können wir diese nun beantworten: Die spätantike Bewertung der Selbsttötung sollte nicht auf Augustinus reduziert werden, gerade weil er in der Konsequenz seiner Ablehnung eine Ausnahme bildet und eine auf ihn beschränkte Betrachtungsweise das Gesamtbild verzerrt. Die spätantike Einstellung zur Selbsttötung ist in der theoretischen Diskussion eine Fortführung der antiken philosophischen Auseinandersetzung: Suizid wird generell abgelehnt und ist nur in Ausnahmen zulässig. Damit kann auch die Verurteilung des Suizids im Christentum kein Produkt der allein auf christlichem Denken beruhenden Werte sein, sondern resultiert aus der (natürlich auch christlichen) Rezeption traditioneller Werte und deren Instrumentalisierung in historischen Situationen. Die Bewertung der Selbsttötung in der literarischen Darstellung einzelner Fälle hat ein eher heterogenes Bild zum Vorschein gebracht: Sie richtet sich nicht nach der Tat selbst, sondern ergibt sich aus den weiteren Zusammenhängen (wie den Motiven, den beschriebenen Figuren oder den Todesarten) und kann damit sowohl positiv als auch negativ ausfallen. Ein Unterschied zwischen heidnischer und christlicher Bewertung des Suizids ist auch hier zunächst nicht auszumachen. In den Darstellungen von Suiziden ergeben sich Unterschiede nur dann, wenn die Bewertung kontext- oder argumentationsbezogen eine bestimmte Person oder Personengruppe treffen soll. So kann die immer wieder beobachtete Instrumentalisierung der Selbsttötung einen Selbstmörder sowohl zum Helden stilisieren als auch als Frevler stigmatisieren. Ob der Selbstmörder in der Spätantike tatsächlich als homicida sui betrachtet wird, hängt also von vielen Faktoren ab – der Suizid allein weist ihn jedoch niemals als homicida aus.
686 Vgl. Thom. Aqu. s. th. 2, 2, qu. 64, 5. Direkte Bezugnahme auf Aug. civ. 1, 20 etwa in qu. 64, 5, s.c.: Sed contra est quod Augustinus dicit, in I de Civ. Dei, restat ut de homine intelligamus quod dictum est, non occides. Nec alterum ergo, nec te. Neque enim aliud quam hominem occidit qui seipsum occidit. Ferner qu. 64, 5 arg. 4–5 über Samson und Razis sowie die Erwiderungen dazu qu. 64, 5, ad 4–5 mit Verweis auf Aug. civ. 1, 21–23.
V. BIBLIOGRAPHIE 1. ZITIER- UND ABKÜRZUNGSHINWEISE 1.1 Bemerkungen zur Zitierweise Die in den Fußnoten angeführten Quellen werden nach dem Indexband des TLL, ed. alt. (lat. Autoren), H.G. LIDDLE – R. SCOTT, A Greek-English Lexicon, Oxford 1996 und G.W.H. LAMPE, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1995 (gr. Autoren) sowie nach der TRE 19942 (Bibelstellen) abgekürzt. Die Abkürzungen für das Opus des Augustinus folgen den Maßgaben des AL. Monographien werden mit Kurztiteln, Zeitschriftenartikel und Sammelbeiträge direkt mit Verweis auf die entsprechende Ausgabe zitiert. Lexikonartikel und enzyklopädische Einträge sind in der Bibliographie nicht gesondert aufgeführt. Die deutschen Übersetzungen der griechischen und lateinischen Quellen sind, sofern in den Fußnoten nicht anders angegeben, eigene Übertragungen.
1.2 Abkürzungen 1.2.1 Zeitschriften und Reihen: A&A AAntHung AC ADAW(S)
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ByzZ Colloquium Conc(D) CPh
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214
V. Bibliographie
CQ G&R GRBS HAW
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Hermes HSCP JBL JAC JECS JHS Latomus Laverna
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LTP MAH NAC NT Orpheus P&P PACA PPA QR REAug REG RHR RIL
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TAPA VChr
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ZNW
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1.2.2 Quelleneditionen und Corpora BAug BAW BKV1 BKV2 CAG CCL CIC CIC(L)
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Bibliothèque Augustinienne, éd. bilingue œuvres de St Augustin, Paris 1947ff. Bibliothek der Alten Welt, Zürich – Stuttgart – München 1949ff. Bibliothek der Kirchenväter, Kempten 1869–1888. Bibliothek der Kirchenväter, Kempten 1911ff. Commentaria in Aristotelem Graeca, Berlin 1882ff. Corpus Christianorum. Series Latina, Turnhout 1953ff. Codex iuris canonici, Rom. Corpus iuris canonici, ed. A.L. RICHTER, instr. E. FRIEDBERG, Leipzig 1879
1. Zitier- und Abkürzungshinweise
CIL CSEL CUF FIRA
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215
(ND Graz 1995). Corpus Inscriptionum Latinarum, Berlin 1862ff. Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum, Wien 1866ff. Collection des universités de France, Paris 1920ff. Fontes Iuris Romani anteiustiniani, ed. S. RICCOBONO – J. BAVIERA – C. FER2 RINI al., 3 vol., Florenz 1940–1943 . Fathers of the Church, Washington D.C. 1947ff. Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte, Berlin – Leipzig 1897ff. Inscriptions latines de l’Algérie, I. Inscription de la Proconsulaire, ed. S. GSELL, Paris 1922; II. Inscriptions de la confédération cirtéenne, de Cuicul, et de la tribu des Suburbures, 2 vols., ed. H.-G. PFLAUM, Paris 1957/1976. Katechismus der katholischen Kirche, Rom 1992. Monumenta Germaniae historica, auctores antiquissimi, Berlin 1877–1919 (ND 1981–1995). Miscellanea Agostiniana, testi e studi, Rom 1930/1931. Patrologiae cursus completus. Series Graeca (Patrologia Graeca), ed. J.-P. MIGNE, Paris 1857–1866. Patrologiae cursus completus. Series Latina (Patrologia Latina), ed. J.-P. MIGNE, Paris 1844–1855. Poetae latini minores, rec. E. BAEHRENS, 8 vol., Leipzig 1879–1886. Patristische Texte und Studien, Berlin 1963ff. Sources chrétiennes, Paris 1943ff. Scriptorum classicorum bibliotheca Oxoniensis (The Oxford Classical Texts) Oxford 1894ff. Stoicorum veterum fragmenta, coll. H. VON ARNIM, 4 vol., Leipzig 1903–1924 (ND 2004). Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana (Bibliotheca Teubneriana), Leipzig al. 1849ff.
1.2.3 Lexika und weitere Hilfsmittel: AL AthrA
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LMA LThK
= =
NW
=
PLRE 1
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PLRE 2
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RAC
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RE
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TLL TRE
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Augustinus-Lexikon, hg. v. C. MAYER al., Basel – Stuttgart 1996ff. FITZGERALD, A.D. – CAVADINI, J.C. (eds.), Augustine through the Ages. An Encyclopedia, Grand Rapids 2000. Lexikon des Mittelalters, 9 Bde., München – Stuttgart 1980–1999. Lexikon für Theologie und Kirche, hg. v. W. KASPER al., 11 Bde., Freiburg – Basel – Rom – Wien 1993ff.3. Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus, hg. v. G. STRECKER – U. SCHNELLE U. MITARB. V. G. SEELIG, 2 Bde., Berlin – New York 2001/1996. JONES, A.H.M. – MARTINDALE, F.R. – MORRIS, J., The Posopography of the Later Roman Empire, vol. 1 A.D. 260-395, Cambridge 1971 (ND 1993). MARTINDALE, J.R., The Posopography of the Later Roman Empire, vol. 2 A.D. 395–527, Cambridge 1980. Reallexikon für Antike und Christentum, begr. v. F.J. DÖLGER, hg. v. T. KLAUSER – G. SCHÖLLGEN – E. DASSMANN, Stuttgart 1950ff. Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, neue Bearbeitung, hg. v. G. WISSOWA al., Stuttgart – München 1839ff. (ND 1990). Thesaurus Linguae Latinae, Leipzig 1900ff. Theologische Realenzyklopädie, hg. v. G. KRAUSE – G. MÜLLER, 36 Bde., Berlin 1976ff.
2. QUELLENEDITIONEN UND ÜBERSETZUNGEN 2.1 Inschriften AE 1935 = L’Année épigraphique. Année 1935, ed. R. CAGNAT – A. MERLIN, Paris 1936. CIL II2 5 = Corpus Inscriptionum Latinarum II2. Inscriptiones Hispaniae Latinae, pars V Conventus Astigitanus, ed. A.U. STYLOW al., Berlin 1998. CIL VIII = Corpus Inscriptionum Latinarum VIII. Inscriptiones Africae Latinae, coll. G. WILMANNS, ed. TH. MOMMSEN, Berlin 1881 (ND 1960). CIL XIV = Corpus Inscriptionum Latinarum XIV. Inscriptiones Latii veteris Latinae, ed. H. DESSAU, Berlin 1887 (ND 1968). FIRA III = Fontes Iuris Romani anteiustiniani. Pars tertia Negotia, ed. V. ARANGIO-RUIZ, Florenz 1943. ILAlg I = Inscriptions latines de l’Algérie. I. Inscription de la Proconsulaire, ed. S. GSELL, Paris 1922.
2.2 Rechtsquellen und Konzilsakten Codex iuris canonici: Codex iuris canonici PII X pontificis maximi iussu digestus BENEDICTI Papae XV auctoritate promulgatus, Rom 1917. Codex iuris canonici auctoritate IOANNIS PAULI PP. II promulgatus. Codex des kanonischen Rechtes, Lateinisch-deutsche Ausgabe, Kevelaer 19842. Codex Theodosianus: Codex Theodosianus vol. I Theodosiani libri XVI cum constitutionibus Sirmondinis, ed. P. KRUEGER – TH. MOMMSEN, Hildesheim 1990. Concilia: Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, ed. C.D. MANSI, 31 Bde., Florenz – Venedig 1759–1798 (ND Graz 1960). Conc. Carth. I = Concilia Africae A. 345 – A. 525, rec. C. MUNIER (CCL 149), Turnhout 1974. Conc. Arelat. II = Concilia Galliae a. 314 – a. 506, ed. C. MUNIER (CCL 148), Turnhout 1963. Conc. Aurel. II, Conc. Autiss. = Concilia Galliae a. 511 – a. 695, ed. C. DE CLERCQ (CCL 148A), Turnhout 1963. Conc. Elib., Conc. Laod. = Acta et symbola conciliorum quae saeculo quarto habita sunt, ed. E.J. JONKERS (Textus Minores 19), Leiden 1954. Conc. Bracar. I, Conc. Tolet. = Concilios Visigóticos e Hispano-Romanos, ed. J. VIVES, Barcelona – Madrid 1963. Corpus iuris civilis: Dig. = Corpus iuris civilis. Volumen primum Institutiones, rec. P. KRUEGER, Digesta, rec. TH. MOMMSEN – P. KRUEGER, Berlin 196325 (ND Hildesheim 1993). Cod. Iust. = Corpus iuris civilis. Volumen secundum Codex Justinianus, rec. P. KRUEGER, Berlin 195411 (ND Hildesheim 1989). Decretum Gratiani: Corpus iuris canonici. Vol. 1 Decretum magistri Gratiani, ed. A.L. RICHTER, instr. E. FRIEDBERG, Leipzig 1879 (ND Graz 1995).
2. Quelleneditionen und Übersetzungen
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2.3 Literarische Quellen Acta martyrum et passiones: Act. Apoll., Act. Eupl., Pass. Perp., Act. Carp., Pass. Polycarp., Act. Cypr., Mart. Pion. = H. MUSURILLO (ed.), The Acts of the Christian Martyrs, Oxford 1972 (ND 2000). Pass. Marcul., Pass. Abit., Pass. Isaac, Pass. Maximae = J.-L. MAIER (éd.), Le Dossier du Donatisme, 2 tom. (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 134/135), Berlin 1987/1989. TILLEY, M.A. (ed.), Donatist Martyr Stories. The Church in Conflict in Roman North Africa (Translated Texts for Historians 24), Liverpool 1996. Ambrosiaster: Ambrosiastri qui dicitur commentarius in epistulas Paulinas, rec. H.I. VOGELS (CSEL 81, 1–3), Wien 1969. Ambrosius: bon. mort. = Sancti Ambrosii opera. Pars I exameron, de paradiso, de Cain et Abel, de Noe, de Abraham, de Isaac, de bono mortis, rec. C. SCHENKL (CSEL 32), Wie 1896. Ambrosius von Mailand, De bono mortis. Der Tod – Ein Gut, übers. u. m. Anm. vers. v. J. HUHN, Freiburg 1992. epist. = Sancti Ambrosii opera. Pars X epistulae et acta, rec. O. FALLER, 2 tom. (CSEL 82), Wien 1968. obit. Valent. = Sancti Ambrosii opera. Pars VII explanatio symboli, de sacramentis, de mysteriis, de paenitentia, de excessu fratris, de obitu Valentiniani, de obitu Theodosii, rec. O. FALLER (CSEL 73), Wien 1955. Sancti Ambrosii Liber de consolatione Valentiniani. A text with transl., introd. and comm. by T.A. KELLY (Patristic Studies 58), Washington 1940. SCHMITT, B., Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II. Ein historischtheologischer Kommentar zu des Bischofs Leichenrede „De obitu Valentiniani“ (1–14), nebst einer deutschen Übersetzung des gesamten Textes, Mikrofiches Diss. Trier 1991 (Deutsche Hochschulschriften 2019), Egelsbach 1994. virg. = Sant’Ambrogio, Opere morali II/I Verginità e Vedovanza, introd., trad., note e indici di F. GORI (Biblioteca Ambrosiana 14/1), Mailand – Rom 1989. Ammianus Marcellinus: Ammianus Marcellinus, Res gestae, ed. W. SEYFARTH, 2 vol. (Teubner), Stuttgart 1978. Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte. Lateinisch und Deutsch und mit einem Kommentar versehen v. W. SEYFARTH, 4 Bde. (Schriften und Quellen der Alten Welt 21), Berlin 1968–71. Anthologia Graeca: Anthologia Graeca, Griechisch-Deutsch, ed. H. BECKBY, 4 Bde. (Sammlung Tusculum), München 19652. Anthologia Latina: Poetae latini minores. Vol. IV Anthologia latina, rec. E. BAEHRENS, Leipzig 1882. Anthologia latina sive poesis latinae supplementum, ed. F. BUECHELER – A. RIESE, pars prior Carmina in codicibus scripta, rec. A. RIESE, Leipzig 1906. Antonius (Hagiographicus): La vie ancienne de S. Syméon Stylite le jeune (521–592), éd. P. VAN DEN VEN, 2 tom. (Subsidia Hagiographica 32), Brüssel 1962/1970. Appianus: Appiani historia Romana, ed. E. GABBA, 2 vol. (Teubner), Leipzig 1962/1905 (ND 1986). Aristoteles: Aristotelis ethica Nicomachea, rec. I. BYWATER (SCBO), Oxford 1894.
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VI. INDICES 1. STELLENREGISTER Gerade Ziffern bezeichnen die Quellenstellen, kursiv gesetzte Ziffern verweisen auf Seitenzahlen und Anmerkungen (hochgestellt).
1.1 Inschriften AE 1935, 121: 138457 CIL II2 5, 900 (SC de Pis.): 66f., 66198, 66199, 66200, 67201
CIL VIII 5338 = 17488 = ILAlg I 253: 183606 CIL XIV, 2112 = FIRA III 35: 68206
1.2 Rechtsquellen und Konzilsakten Codex iuris canonici: CIC 1917 can. 985, 5: 105 1917 can. 1240, 1, 3: 105 1983, can. 1041, 5: 105 Codex Iustinianus: 3, 26, 2 (a. 207): 69210, 203672 6, 22, 2 (a. 290): 69210 9, 2, 12 (a. 293): 69210 9, 6, 5 (a. 238): 68207 9, 50, 1 (a. 212): 69210, 69212, 70213 10, 19, 2: 205680 Codex Theodosianus: 11, 7, 3 (= Cod. Iust. 10, 19, 2): 205680 11, 7, 7: 205681 16, 5, 37f.: 140466 16, 5, 52: 144479 16, 6, 4, 1: 140466 16, 6, 4f.: 140466 16, 11, 2: 140466 Concilia: Conc. Arelat. II, can. 35: 75260, 78251, 80 Conc. Aurel. II, can 15: 68205, 76242 Conc. Autiss., can. 17: 77248 Conc. Bracar. I, can. 16: 76245 Conc. Bracar. I, can. 17: 76245 Conc. Carth. I, can. 2: 75236, 78251, 80, 138458, 150502 Conc. Elib., can. 60: 74235 Conc. Laod., can. 9: 75238, 150501
Conc. Laod., can 34: 75239, 150501 Conc. Tolet. XVI, can. 4: 78250 Digesta: 3, 2, 11, 3 (Ulpianus): 67202 9, 2, 29, 7 (Ulpianus): 72227 15, 1, 9, 6 (Ulpianus): 72226 15, 1, 9, 7 (Ulpianus): 72226 21, 1, 1, 1 (Ulpianus): 73229 21, 1, 17, 4 (Ulpianus): 73230 21, 1, 17, 6 (Ulpianus): 73230 21, 1, 23, 3 (Ulpianus): 73231 21, 1, 43, 4 (Paulus): 73232 24, 1, 32, 7 (Ulpianus): 203672 28, 3, 6, 7 (Ulpianus): 69212, 72224, 205679 29, 1, 34 pr. (Papinianus): 72223 29, 5, 1, 23 (Ulpianus): 205679 47, 2, 36 pr. (Ulpianus): 73228 48, 21, 3 pr. (Marcianus): 69210, 203672 48, 21, 3, 1f. (Marcianus): 68207 48, 21, 3, 4 (Marcianus): 68207, 70213 48, 21, 3, 5 (Marcianus): 67203 48, 21, 3, 6 (Marcianus): 70214, 71220, 73232 48, 21, 3, 7f. (Marcianus): 71218 48, 21, 3, 8 (Marcianus): 69211, 70214 49, 14, 45, 2 (Paulus): 69212, 203672, 205679 49, 16, 6, 7 (Arrius Menander): 72222 Decretum Gratiani: II. pars, caus. 23, qu. 5, can. 9–12: 78254 II. pars, caus. 23, qu. 5, can. 9: 211685
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VI. Indices
1.3 Bibelstellen AT: Jdc 9, 52–57: 42116 16, 27–30: 42116 1 Sam 31, 3–5: 42116 2 Sam 17, 23: 43117 1 Reg 16, 18–19: 43117 Ps 18, 38: 141473 Jer 22, 19: 63186 NT: Mt 4, 5–6: 148497 4, 5–7: 62185 5, 10: 49140, 55161, 146486 5, 17: 46130 27, 3–5: 43118, 54155 Joh. 10, 11–12: 144478 10, 18: 121400, 130429, 171571 Apg 1, 15–20: 43118
Röm 2, 13: 144478 10,4: 46130 12, 1: 44120 13, 10: 46130 1 Kor 2, 11: 56166, 58173, 135448 7: 124409 10, 3–5: 85264 2 Kor 1, 12: 104337 Phil 1, 21–26: 44120, 44121 Kol 3, 5: 44120 1 Tim 1, 18: 85264 6, 12: 85264 Apk 6, 9–11: 144481 13, 3: 159527 Außerkanonische Schriften: 2 Makk 6, 18–20: 42116, 46130 14, 37–46: 42116, 145484
1.4 Literarische Quellen Acta martyrum et passiones: Pass. Abit. 17: 137456 Act. Apoll. 38–41: 95299 Act. Carp. 6: 88276 45: 46128, 122403 Act. Cypr. 1, 5: 47135, 121402 Act. Eupl. 1: 120398 Pass. Isaac: 137456 Pass. Marcul. 12: 137457 13–16: 137457 Pass. Maximae 4: 137456 Pass. Perp. 21, 9: 120399, 121400 Mart. Polycarp. 4: 46128, 121402 7, 1: 147492 Mart. Pion. 4, 7f.: 47135, 95299 5, 4f.: 47135 17, 2: 95299 Ambrosiaster: in ep. ad Thess. 2, 2, 7: 158523 Ambrosius: bon. mort. 3, 7: 51146 epist. 7, 38: 130429 obit. Valent. 2:170568 22: 170569 33: 171570, 172574 34: 171573 35: 172574 43: 172574 50: 172575
51: 172576 71–87: 172576 virg. 3, 7, 32–38: 173580 3, 7, 32: 52148, 128421 3, 7, 33: 129424 3, 7, 34: 129425, 130427, 148497 Ammianus Marcellinus: 14, 5, 8: 172574, 199661 15, 3, 10f.: 186614 16, 12, 60: 191633 17, 13, 11: 192636 19, 5, 6: 191632 19, 11, 13: 192636 19, 11, 15: 192636 23, 5, 19: 162537 24, 4, 25: 192634 25, 3, 15–23 : 162536 25, 3, 19: 161535 27, 4, 9: 191633 27, 9, 1f.: 188623 26, 6, 20: 166549 28, 1: 193637, 201663 28, 1, 1: 193640 28, 1, 3: 193638 28, 1, 4: 193639 28, 1, 5–7: 193637 28, 1, 47: 194641, 201664 28, 6, 7–9: 189f.623 28, 6, 8: 189623
1. Stellenregister 28, 6, 12: 189623 28, 6, 16: 189f.623 28, 6, 17–21: 189623 28, 6, 25–30: 189623 28, 6, 26–27: 189624 28, 6, 27: 189625 28, 6, 30: 189625 29, 5, 2: 189625 29, 5, 3: 183606 29, 5, 41f.: 185612 29, 5, 54: 183607 29, 5, 55f.: 184608 30, 2, 10–12: 189625 30, 5, 6: 1420, 204674 30, 5, 10: 204675, 207682 31, 3, 2: 192635 Ammonius: in Isag 4, 27: 40113 Anthologia Graeca: 7, 471: 40113, 57170 Anthologia Latina: PLM IV 545: 107349 PLM IV 549: 107349 Antonius (Hagiographicus) Hag. v. Sym. Styl. 57: 191632 Appianus: Mith. 21: 91284 Aristoteles: EN 1113b: 2752 1136a: 2752 1138a: 2753 1169a: 2754 Arrianus: An. 7, 27, 3: 163539 Augustinus: b. coniug. 1, 18: 105343 civ. 1, 15: 93292 1, 16: 134442 1, 16–27: 53 1, 17: 92, 52151, 54155, 55159, 148495, 211685 1, 17ff.: 78254 1, 18: 53153, 108359, 114381, 136452 1, 19: 54156, 114382, 115383, 115384, 133441 1, 20: 54157, 211686 1, 22: 41115, 57170, 58172, 59177, 97306, 102329, 103331, 117393 1, 21: 56165, 57167, 134444, 134445 1, 21–23: 211686 1, 23: 101327, 102328, 171572 1, 24: 93289, 93291, 93292, 93294, 103332 1, 26: 56165, 56166, 58173, 134443, 134444, 134445, 134446, 135448, 135450, 136451
239
2, 23: 93292 2, 25: 198660 3, 20: 195650, 196651, 196654 5, 12: 93293, 104333, 104336, 104337, 104338, 105341 5, 14: 94295 5, 18: 92288, 93293, 94297, 104339, 197657 5, 19: 94f.297 5, 26: 177591 19, 4: 102330, 103331, 171572 20, 19: 157522, 160532 correct. (ep. 185) 8: 140467 9: 55160, 55161 10: 141468 11: 141469, 141470, 141471, 141473 11–15: 139460 12: 139461 Cresc. 2, 4, 5f.: 140466 3, 47, 51: 55160 3, 49, 54: 138458 disc. chr. 12, 13: 88278 doctr. chr. 2, 28, 42: 84262 c. Don. 17, 22: 55161, 138460 en. Ps. 34, 2, 13: 55160 ench. 9, 30: 53154 ep. 88, 8: 138460 105, 3, 12: 140466 155, 1, 2: 103330 155, 1, 3: 58173, 102330 185 s. correct. 204: 142474 204, 4:141472 204, 6: 146489 204, 8: 146489 228, 7: 114381, 135449 c. Faust. 22, 36: 171571 f. et op. 1, 207: 105343 c. Gaud.: 142474, 142476 1, 1, 1: 142475 1, 5, 6: 146487, 147495 1, 5, 6 – 7, 8: 143477 1, 11, 12: 146488 1, 16, 17: 144478 1, 18, 19: 144479, 147491 1, 26, 29: 144480 1, 27, 30: 144481, 151503 1, 27, 30f.: 148497 1, 27, 31: 148496 1, 28, 32: 145483 1, 31, 39: 56164, 56165 1, 31, 40: 147491 1, 38, 42: 145485 haer. 69, 4: 139460
240 Io. eu. tr. 11, 15: 138458 31, 5: 171571 c. Iul. 5, 12, 46: 105343 lib. arb. 3, 83f.: 54154 mend. 9, 13: 53154 c. ep. Parm. 1, 11, 17: 183606 c. litt. Pet. 2, 14, 32: 137457 2, 49: 78254 2, 49, 114: 148497, 151503 2, 83, 184: 183606 2, 84, 184: 139460 retr. 2, 43: 116387 s. 38, 6: 94297 313E, 2: 137456 313E, 4: 148497, 151503 Aurelius Victor: Caes. 5, 16: 154511, 156516 20, 8f.: 184610 39, 22: 182603 40, 7: 165545 40, 9: 168562 40, 22: 167559 41, 1: 164542 42, 10: 185611 Ps. Aurel. Vict. epit. 5, 7: 156516, 156517 39, 4: 182603 39, 7: 165544 40, 3: 165545 40, 4: 168562 40, 5: 167554, 167557 40, 8: 164542 42, 5–8: 185611 42, 8: 174584 45, 7: 183606 48, 7: 176589 Ps. Aurel. vir. ill. 9, 11: 107351 Ausonius: Caes. 35: 160529 epigr. 23 (= Anth. Pal. 9, 44): 205677 Basilius Caesarensis: hom. II in Psalm. 14, 4, 58: 203673 C. Iulius Caesar: Gall. 3, 22, 2: 190630 Caesarius Arelatensis: serm. 51, 4: 129, 124411 Cassianus s. Iohannes Cassianus Cassiodorus: chron. 69: 154509 1154: 175586, 177592 Cassius Dio: 11, 13–19: 106347 58, 15, 4: 66196 62, 25: 3169
VI. Indices 63, 29, 2: 153506 63, 29, 3: 156518 66, 19, 3: 160530 68, 12, 1–3: 190628 Chronica / consularia: chron. Gall. 650f.: 176590, 177592 narr. de Impp. Val. et Theod. 1, 4: 176590, 177592 consul. Constant. a. 391, 1: 176590 Chrysostomos s. Iohannes Chrysostomos Cicero: Att. 3, 19, 1: 44122 div. 1, 50: 117392 epist. 4, 13, 2: 100323 7, 3, 4: 100323 9, 18, 2: 100323 Mur. 29, 61ff.: 101323 off. 1, 112: 101323 rep. 2, 46: 106347 6, 15: 3067, 3797, 44122 Tusc. 1, 75–76: 44122 1, 74: 3066, 57171, 98310, 135448 1, 84: 41114, 57170, 59177 5, 117: 58173, 102330 Claudius Claudianus: carm. 30, 153–158: 107349 in Eutrop. 1, 446: 107349 paneg. Hon. IV cos. 72–76: 176289 75f.: 177592 Clemens Alexandrinus: strom. 4, 4, 14, 3: 48136 4, 4, 17: 48137 4, 4, 18, 1: 48138 4, 6, 28, 3: 48139 4, 6, 41, 1f.: 49140, 55161 4, 9, 70: 49140 4, 10, 76f.: 147493 4, 10, 76, 1 – 77, 1: 49141, 55163 Commodianus: apol. 927–936: 158523 Cyprianus: ep. 7: 47131 8: 47131 20, 1, 2: 47134 58, 3: 47132 58, 4, 2: 47133 81, 4: 47135 David: in Porph. 29, 12 – 34, 12: 40112 31, 27–32: 40113 Dio Cassius s. Cassius Dio Dio Chrysostomos: 21, 9f.: 160530
1. Stellenregister Diogenes Laertius: 2, 26: 99316 4, 3: 2858 5, 6: 2751 6, 18: 2858 7, 130: 2860, 40110 9, 1, 3: 86269 9, 1, 4: 86268 10, 125–127: 2756 10, 128f.: 2755 Dracontius: laud. dei 3, 512–517: 86271 3, 518–523: 116389 An. (Elias): Prolegom. 6, 15: 3692 In Porph. 12,3 – 16, 8: 40112 In Isag. 14, 1–13: 40113 Ps.-Elias: in Porph.: 40112 Emporius: ed. C. Halm, p. 570, 17–22: 107354 p. 572, 26 – 574, 30: 108355 p. 573, 2–5: 108356 p. 573, 6–12: 108357 p. 573, 21f.: 108358 p. 573, 24–30: 108359 p. 573, 35 – 574, 5: 109360 Epiktet: 1, 9, 16: 3382, 123409 1, 9, 22–26: 3382 1, 25, 18: 3383, 3485 1, 29, 29: 3484 4, 10, 27: 3383, 3485 Epikur: Epic. ep. Men. 128f. (= D.L. 10, 128f.): 2755 125–127 (= D.L. 10, 125–127): 2756 Epiphanius: mens. 20: imp II: 169564 Eunapios: frg. 9, 58, 2: 176590, 177592 Eusebius Caesarensis: h.e. 3, 36, 6–9: 45126 4, 15, 5f.: 121401 4, 15, 48: 122403 6, 5, 2: 201666 6, 41, 7: 88276, 121401, 127418 8, 6, 6: 121401 8, 12, 2: 121401, 126417, 129426 8, 12, 3–4: 127418 8, 12, 4: 131433, 129426 8, 13, 15: 167533 8, 14, 16: 128420 8, 14, 17: 127419, 131433
8, 16: 168562 8, App. 1: 168562 8, App. 3: 167533 9, 10, 6: 164541 m.P. 2: 121401 3, 2: 120398 6, 5: 121401 8, 5: 201666 v.C. 1, 33–34: 127419 1, 47: 167553 1, 57: 168562 1, 59: 164541 Eutropius: 1, 8, 1f.: 107351 1, 9, 2: 107351 1, 10, 1f.: 107351 7, 15: 155513, 155514, 155515, 157521 10, 2, 4: 165545 10, 3, 2: 167599 10, 4, 4: 164542 10, 12, 2: 185611 10, 16, 2: 163539 Filastrius: 57 (85), 1: 139460 57 (85), 2: 63187 Florus: epit. 1, 7, 10f.: 106347 1, 9, 1: 106347 1, 9, 3: 106347 1, 10, 8: 106347 1, 22: 196652 1, 22, 6: 196652 1, 34, 18, 15: 195647 2, 33, 50: 195648 Granus Licinianus: 35, 24–26: 197659 Gregor von Nazianz: or. 4, 70: 41115 5, 13: 163538 5, 14: 130428, 162538 Gregor von Tours: Franc. 1, 25: 160531 1, 35: 121401, 130428 5, 32: 174584, 202671 6, 54: 201665, 207683 Gualterus de S. Victore: Contr. qu. lab. Franc. 4, 2: 1210 Heliodor: 1, 4, 1: 201667 1, 8, 3: 201667 Herodianus: 7, 9, 4: 166549 7, 9, 9f.: 166549
241
242 Herodot: 6, 21: 193639 Hierokles, Philagrios: Philogelos 109: 205678 112: 205678 183: 205678 231: 205678 248: 205678 Hieronymus: chron., ed. Helm, p. 165, 11–15: 67202 p. 104a: 107351 p. 185, 23 – 186, 2: 154509 p. 186, 2f.: 157521 p. 229, 4f.: 165545 p. 229, 6–9: 167559 p. 229, 17: 168562 p. 229, 20–22: 164542 epist. 22, 13: 129, 124411 22, 30, 5: 84261 39, 3, 5: 41115, 97307, 105342 58, 1, 3: 200662 60, 15, 4: 175587, 177592 70, 2: 84261 121, 11, 12: 160532 123, 7, 1: 111366 123, 7, 2: 87272, 111367 123, 7, 2f.: 111368 123, 7, 3: 112370 123, 8, 1: 111369 in Dan. 4, 11, 29: 160532 in Eph. 1, 1, 7: 113378 in Ion. 1, 12: 52149, 78254, 124411 adv. Iovin. 1, 39: 117393 1, 46: 105343, 112371, 113374 1, 49: 113375 v. Malchi 6: 126414 adv. Pelag. 1, 28: 105341 adv. Rufin. 1, 12: 105341 Historia Augusta: Alb. 9, 1–4: 174584 Aur. 28, 1–10: 162536, 165544 28, 3–5: 162536 Avid. 8, 4: 154509 Carac. 3, 4: 184610 Comm. 8, 3: 174584 Gord. 7, 1: 166551 16, 3: 166551, 166550 20, 3f.: 166551 22, 6: 166551 Hadr. 15, 3: 1933, 184610 Heliog. 33, 2f.: 63187 Max. Balb. 4, 2f.: 166551 4, 3: 174584
VI. Indices Maximin. 19, 2: 166551, 174584 Pius 7, 4: 182603 quattr. tyr. 5, 2: 174584 5, 2f.: 185613 15, 1–2: 174584 trig. tyr. 9, 4: 174584 Horatius: ars 464–466: 86269 carm. 1, 12, 1f.: 98312 1, 12, 33: 98312 1, 12, 35f.: 98312 1, 37: 87274 2, 1, 21–24: 98312 Hydatius: chron. 22: 176590 Ignatius: Rom. 4, 1–3: 45126 Smyrn. 4, 2: 45126 Iohannes Antiochenus: Ioh Ant. frg. 186: 187619 187 (= Eun. frg. 9, 58, 2): 176590, 177592 Iohannes Cassianus: conl. 2, 5, 3–5: 62185, 78252 2, 5: 63187 inst. 7, 14, 2: 62186, 63187 9, 2f.: 63190 9, 9: 63189 Iohannes Chrysostomos: pan. Pelag. Ant.: 129426 1: 130430, 131431, 131432, 132434 2: 132435, 132436 3: 132437, 133438, 133439, 133440 pan. Bernik.: 129426 hom. in I. Cor. 4, 4: 95299 Iohannes Malalas: chron. 180, 23: 107351 Iohannes Moschus: prat. 207: 204676 Iohannes Zonaras: 13, 9, 1–5: 185611 Iordanis: Get. 24, 129f.: 192635 Rom. 317: 176589, 176590 Isidorus Hispalensis: etym. 10, 31: 62186 Iulian: ep. 89b (288A): 123406 Iustinus: 18, 6, 5–8: 86271 Iustinus Martyr: apol. 1, 5, 2–4: 95299 Lactantius: epit. 34, 8–12: 50144, 96302, 173579
1. Stellenregister 48, 8–9: 51145 59, 5: 50142, 54158, 59178, 173579, 211685 inst. 1, 20, 3: 90283 3, 12, 22: 92287 3, 18: 173579 3, 18, 5: 98308, 101324 3, 18, 6: 50143, 54158, 59178, 211685 3, 18, 7: 50144, 59176, 96302 3, 18, 8: 98308, 100321, 101326, 105341 3, 18, 8–10: 96304 3, 18, 10: 41115, 59177 3, 18, 11: 98308 3, 18, 11–12: 100322 3, 18, 12: 101326 3, 19: 97305 3, 19, 8: 101326 5, 13, 12–14: 92285 6, 20, 15–25: 50142 7, 16, 3f.: 159524 7, 17, 2f.: 159524 mort. pers. 2, 7: 154509, 160532 2, 7f.: 159524 11, 3: 123406 26, 10–11: 165545 30, 5: 200662 30, 5–6: 165546, 184610 30, 6: 166548 33: 168560, 168561, 168562 34: 168560 35, 1: 168560 35, 3: 168561 42, 2–3: 165544 49, 2–7: 164540 Leo Magnus: tract. 54, 3: 200662 Libanios: or. 18, 272: 162536 or. 57, 30: 204676 Livius: 1, 57–60: 86266, 105344 1, 58, 6–12: 106345 1, 58, 7: 112373, 114380 1, 58, 9: 114380 2, 12, 9: 86267 21, 14, 1: 196652 per. 59, 1: 195647 62, 1: 195649 79, 2: 198659 Lucan: bell. civ.: 98312 Lukianos: Peregr. 13: 88275 14: 88275
20–36: 86270 Lucifer Calaritanus: non parc. 26, 24: 174584 Macrobius: somn. 1, 13: 2542, 3797 1, 13, 6: 3798 1, 13, 9: 3898 1, 13, 14: 3898 1, 13, 15f.: 3899 1, 13, 17: 38101 1, 13, 19: 38100 Marcus Aurelius: 3, 1: 3485 5, 29: 3485 11, 3: 3485 Marcellinus: chron. 4, 2: 176590, 177592 5, 1: 176590, 177592 Martial: epigr. 1, 78: 98312 6, 32: 98312 Minucius Felix: Oct. 37, 2–6: 91284 Olympiodorus: in Phaid. 1, 1: 38103 1, 2: 39104 1, 3–6: 38103 1, 7: 38103 1, 8: 39106, 40108, 40109, 40110 1, 9: 40111 Optatus: c. Parm. 3, 4, 8: 139460 3, 6, 1: 138458 Origenes: mart. 47: 46130 22: 46130 Cels. 8, 54f.: 123406 8, 64: 123406 Orosius: hist. 2, 4: 107351 2, 4, 12: 116388 2, 17, 16: 95299 4, 14, 1: 196651 4, 23, 4: 87272 5, 7, 16f.: 194644 5, 14, 5f.: 194645 5, 16, 13: 111368 5, 16, 17: 111368 5, 19, 12f.: 197659 6, 21, 8f.: 194646 7, 7, 13: 157520, 157521 7, 28, 8: 165545 7, 28, 10: 167599
243
244 7, 28, 13: 168562 7, 28, 17: 164542 7, 29, 13: 174584, 185611 7, 33, 5: 183606 7, 33, 6: 184609 7, 35, 1: 188621 7, 35, 5–6: 187619 7, 35, 10: 175587, 177592 7, 35, 19: 178596, 187617 7, 42, 4: 183604 Ovid: fast. 2, 685–865: 106347 met. 13, 479f.: 106347 Palladius: hist. mon. 8: 126415 33: 125413, 130428 Panegyricus a. 310 Paneg. lat. 7, 14, 5: 167555, 167557 7, 20, 3: 167556 Paulinus Nolensis: carm. 10, 189: 107350 Pausanias: 1, 23: 90283 Petrus Chrysologus: serm. 108, 5: 60181 Philostorgios: h.e. 3, 26: 183604, 185611 11, 1: 176588, 176590, 177592 Platon: Ap. 29a: 2756 Lg. 873c–d: 2649, 58172, 68206 854b–c: 2650, 40108 Phaid. 28e: 3382 29c: 3382 61c: 40107 61d: 2542 62a–e: 2543, 44122 62a: 44122 62b–c: 50144, 59176 62b: 2544 62c: 2545, 40107 62c–e: 57169 R. 407c–e: 2650, 40108 410c: 48138 Plinius maior: nat. 3, 134: 195649 36, 15, 24 (107): 65193 Plinius minor: epist. 5, 3: 2963 8, 12: 2963 Plotin: enn. 1, 9: 3690, 3691, 3793, 38102, 40109, 50144 1, 4, 7f.: 3794
VI. Indices Plutarch: Ant. 84–86: 87274 Cat. Min. 64–68: 99315 68: 102327 Sert. 14, 4: 190630 Publ. 1, 3: 106347 Sull. 27: 198660 Galba 2, 7: 154509 Polemius Silvius: laterc. 1, 74: 174584, 175586, 177592 Porphyrios: abst. 1, 38, 2: 3588 1, 47: 3588 2, 47, 1: 3589 Plot. 11: 3795 sent. 7. 3586 8 : 3586 9: 3588, 3898 Prosper Tiro: chron. 427: 154509 980: 165545 983: 167599 987: 168562 1197: 175586, 177592 Prudentius: perist. 7: 121401, 130428 Quintillianus / Ps. Quintillianus: inst. 5, 11, 10: 107352 7, 3, 7: 52151 Ps. Quint. decl. 3, 11: 107352, 112373 Quodvultdeus: prom. 8, 15: 158523 Rufinus: hist. 6, 41, 7: 121400, 121401 8, 12, 2: 126417 8, 12, 3–4: 127418 11, 14: 187618, 188621 11, 31: 174583, 175586 14, 16–17: 127419 Sallust: Catil. 52: 104333 Seneca phil.: benef. 1, 11, 4: 3277 epist. 4. 24. 30. 55. 70. 77. 82: 3172 13, 14: 99314 24, 7f.: 99314 24, 22f.: 2857 24, 24: 3381 58, 32–34: 3278 58, 34: 3276 67, 7: 87273 70, 5: 3274 70, 4: 3273
1. Stellenregister 70, 6: 3276 70, 8: 2857, 3275 70, 9: 3172 70, 14: 3379 70, 15: 3278 70, 19–22: 3380 70, 24: 3380 77, 4: 3274 77, 18: 3273 78, 2: 3278 98, 12: 87273 104, 21: 2438 104, 27: 99314 ad Helv. 13, 4f.: 99314 cons. Marc. 16, 1–2: 106347 20, 2–3: 3380 de prov. 3, 9: 87273 3, 12–14: 99314 cons. sap. 7, 1: 99314 tranqu. an. 16, 4: 87273 Seneca rhet.: contr. 1, 5, 3: 107352 contr. exc. 6, 8: 107352 8, 4: 129, 52151 Servius: Aen. 4, 386: 63187 12, 603: 65193, 200662 Sidonius Apollinaris: carm. 5, 355f.: 177592 5, 354–357: 175586 Socrates: h.e. 2, 32: 183604, 185611 5, 11: 188621 5, 11, 7: 187618 5, 14, 2: 187619, 188621 5, 25: 177592, 178596 Sozomenos: h.e. 4, 7: 183604, 185611 7, 13, 8: 187618 7, 14, 6: 187619, 188621 7, 22, 2–3: 175586, 177592 7, 24: 178596 9, 13: 183604 Strabon: 4, 204: 195649 Sueton: Galba 1, 1: 157521 Nero 47, 5: 156518 48: 155515 48, 1: 154511, 156517 49, 2: 155515 49, 2f.: 153504 49, 3: 156517
49, 5: 153505 Sulpicius Severus: chron. 2, 29, 3: 158523, 159526 dial. 2, 14, 1–4: 158523, 159526 Mart. 8, 1-3: 60182 Tacitus: ann. 2, 31f.: 66196 2, 31, 3: 66197 2, 32, 1–2: 66197 3, 10–18: 66198 3, 17–18: 66200 4, 19f.: 66196 4, 34, 4: 98311 6, 29, 1: 65196 6, 49: 2964, 200662 15, 60–64: 3169 15, 64, 3: 3170 16, 22, 2: 99315 Germ. 14: 190630 hist. 1, 2: 160530 1, 72: 2964 3, 51: 197659 Tertullianus: anim. 57, 3: 63187 apol. 11, 14–16: 99317, 105341 39, 12f.: 99316, 105343 49, 3: 90282 50, 1: 46129, 85264 50, 5–9: 89282 50, 6: 87273 50, 7: 96300 50, 8: 89283 50, 10f.: 89280 castit. 13, 1: 110363, 111367 13, 3: 110364, 110365, 113374 coron. 7, 2f.: 84260 fug. 5, 3: 46129 9: 46129 10, 2: 46129 mart. 3, 1: 46129, 85264 4: 111367 4, 2: 89282 4, 4: 109361 4, 4–6: 86265 4, 7: 89283 4, 9: 89279, 95297 monog. 17, 2: 109362, 110364, 111367 nat. 1, 18, 1–5: 89281 1, 18, 3: 87272, 87273, 87274 2, 9, 13: 87272, 111367 patient. 13, 8: 89282 Scap. 5, 1: 122405, 138459, 149498 uxor. 1, 3: 46129
245
246 Theodoretos v. Cyrus: h. rel. 26, 7: 62185 Thomas v. Aquin: s. th. 2, 2, qu. 64, 5, s.c.: 212686 qu. 64, 5 arg. 4f.: 212686 qu. 64, 5, ad 4f.: 212686 Valerius Maximus: 2, 6, 11: 190630 2, 9, 8: 87273 3, 2, ext. 8: 87272 3, 2, 14: 98313 3, 3, 1: 86267 5, 5, 4: 197659 6, 1, 1: 106348, 112372 6, 1, ext. 3 : 111368 6, 2, 5: 98313 9, 2 ext. 1: 87273 Velleius Paterculus: 2, 35: 98313 Vergil: Aen. 4, 642ff.: 86271 6, 820ff.: 93293
VI. Indices 12, 603: 166548, 200662 Victor von Vita: 3, 27: 61183 3, 28: 61183 3, 53: 61183 Victorinus Petavionensis: in apoc. c. 17, 3: 158523, 159527 Walter v. St. Victor s. Gualterus Zenon: SVF III frg. 157 (= D.L. 7, 130): 2860, 40110 Zonaras s. Iohannes Zonaras Zosimos: 2, 10, 2: 165545 2, 11, 1: 168562 4, 16, 3: 183606, 189623 4, 35, 6: 187618, 188621 4, 36, 5: 188622 4, 47: 187619 4, 47, 1: 187620 4, 54: 176590, 179592 4, 54, 3f.: 176590 4, 58, 6: 178596
2. PERSONEN-, ORTS- UND SACHINDEX Normale Ziffern verweisen auf Seitenzahlen, hochgestellte Ziffern auf die Fußnoten der entsprechenden Seiten. Bei Stichwörtern, die im Fließtext und in Anmerkungen derselben Seite erscheinen, ist jeweils nur die Seitenzahl angegeben. Verweise auf ganze Kapitel werden vorangestellt, und entsprechende Seiten nicht nochmals einzeln angeführt. Agathonike: 46128, 61183, 88276, 121f., 123405 Ahitophel: 43117 Ambrosius: 19, 51f., 124410, 128–130, 136, 148497, 150, 169–175, 179 Amida: 191, 192 ἀνάγκη: 25f., 30, 36, 39f., 100, 209 Anaxarchos: 95 Andragathius: 187f., 206 Antiochia/-ener: 52148, 121401, 126, 128f., 130–133, 191632 Anweisung, Befehl, Zeichen (göttl.): Platon: 25, 31, 33, 38, 50, 58, 51f., 79, Cicero: 30f., 38, Laktanz: 50f., 59, 79, 96, Ambrosius: 51f., Chrysostomos: 131f., Augustinus: 55–59, 79, 134f., 209, Apollonia: 88276, 121400, 121401, 127418 Aquae Sextiae: 112370 Arbogast: 169, 171, 172574, 174–178, 187 Aristoteles: 27, 51, 52147 Arles (Konzil 452): 75, 78 Askese/-ten: neuplat.: 35, 39105, christl.: 60, 63f., 85, 117, 124–126, 133, 137, 152, 201, 210, übertriebene: 60–62, 64, 97, 117 Atratinus: 67202 Augustinus: 9f., 15, 19f., 22, 31, 35, 51, 79, 84, 87273, 117, 136, 157, 160532, 171, 177591, 183606, 195–197, 198, 207, 209– 211, Suizidtheorie/-verbot: Kap. II 3.2 (52–60), 79, 97, 102, 147, Ausnahme vom Suizidverbot: 55–57, 79, 134, 136, wahres Martyrium vs. Suizid: 48137, 49, 55f., 59, 92–94, 124, 136, 140f., 143, 146, 148f., 151, ‚Innensicht‘: 58173, 114, 134f., Donatisten: Kap. III 2.3 (136–150), 151, Jungfrauen: 133–136, 150, Cato: 101–105, 114, 118, 171, Lucretia: 53f., 104, 108f., 114–116, 118, 135, Nachwirken: 60f., 77f., 80, 116, 211f. Aurelian (imp.): 165543, 182603, 185 Barbaren: 111, 170, 190–192, 195
Bestattung: 43117, 68206, bei Platon: 26, 68206, christlich: 105, 63186, 68, 76f., 80, 173, oblatio / -verbot: 62, 76f., 78254, 173 Bewertungskriterien: s. ἀνάγκη, Anweisung, εὔλογος ἐξαγωγή, Flucht, Suizidverbot Biblische Suizide: 42f. Bonosus: 180598, 182603 Braga, Konzil (561): 76f., 78254, 80, 200662 Buße: 77f. Caesar, C. Iulius: 93, 98, 100, 102–104, 171, 181 castitas: s. pudicitia, Jungfrauen Cato Uticensis: Kap. III 1.2 (95–105), 1210, 14, 2647, 29f., 59, 83, 93, 96–105, 114f., 118, 171, 181, 210 causa iusta: Cicero: 30f., 57, Gesetzgebung: 13, 69f., 72, 74, 76, 182600, 205, Augustinus: 31, 55, 71, 124, 136, 140– 142, 149, 150f., 209, Gaudentius: 143, 145f., 149, pudicitia als: 126, 150 Christenverfolgung: s. persecutio Chrysippos: 96, 98308 Chrysostomos (s. Johannes) Cicero: 30f., 37f., 41, 44, 57–59, 98, 100, 117 Circumcellionen: 63187, 75, 78, 138–140, 149499 Clemens Alexandrinus: 15, 47–49, 55, 59, 79, 124408, 140464, 146486 Cleopatra: 83, 87272, 87274, 88, 90 Clodius Albinus: 180598, 182603, 184610 Constans (imp. 337–350): 137 Constantin I. (imp. 306–337): 165543, 165544, 167, 182602, 183, 184610, Constantius (imp. 337–361): 184f., 186, 192, 199 Cornelius Priscianus: 180598, 182603 correctio: 146 cupido gloriae, cupiditas laudis humanae: 89, 92–94, 104, 115, 162, 163, 197 Cyprian: 46f., 137456, 148497 Decentius: 174584, 180598, 182603, 184f. Decius (imp.): 46, 165543, 122403
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VI. Indices
Decii: 92, 113378, 162, 190628 desperatio: 63, 78, 181, 190f., 194 devotio: 1317, 190f., 210 Dido: 63187, 86, 87272, 88, 90, 109–111, 121399 Diokletian (imp.): 69210, 123406, 128423, 165, 167, 180598 Domitian (imp.): 165543 Donatisten/-mus: Kap. III 2.3 (136–150), 46128, 48137, 55, 56165, 60, 71219, 75, 80, 81, 119, 124, 136ff., 150f., 183606, 186, 210, 211 Donatus: 138457 Dulcitius (tribunus et notarius): 142f., 146 Ehebruch: 114, 193, 201–203 s. auch Schändung, pudicitia Eleazar: 42116, 46130 Empedokles: 86, 96, 98 Emporius (rhetor): 107–109 Enthaltsamkeit: s. Askese, pudicitia Epiktet: 33f. Epikur, Epikureer: 24, 27f. Erhängen, Tod durch: 12, 43118, 54, 66193, 67f., 77, 107348, 111, 125413, 132, 148497, 151, 165547, 166f., 170, 174, 177f., 183, 185, 188–190, 200662, 201665, 201667, 202, 203–205, 206f., 211 Ermanarich (Gotenkönig): 192 ‚erzwungener Suizid‘: 18, 25f., 165, 167, 175, 184f., 194642, s. auch ἀνάγκη εὔλογος ἐξαγωγή: 28, 30, 33, 35f., 40, 48, 74, 97, 100, 102, 209 Euplus: 120 exempla maiorum: heidn. exempla: Kap. III 1 (83–118), 29, 3274, 54, 123, 133, 135, 151, 162, 181, 198, 209f., biblische exempla: 83, 84262, 117 exitus illustrium virorum: 29, 83, 85 Feuer (Selbstverbrennung): 43117, 86f., 88, 90f., 121f., 127418, 148, 148496, 193, 194f., 196f. Firmus (Usurp. 273): 180598, 182603, 185f. Firmus (Usurp. 372–374/5): 180598, 182603, 183f., 189623 Fluchtfrage: 46f., 49, 55–57, 114381, 143, 147 fortitudo: 87f., 103, 109, 114, 117, 171, 197 Freiwilligkeit: 16, 18f., 26, 33f., 39, 43, 45– 47, 50, 53, 95299, 119–122, 123, 143, 175, s. auch Märtyrer, ‚freiwillige‘ Galerius (imp.): 165543, 167f. Gallizier: 194f. Gaudentius: 56165, 142–149 Gefangenschaft: 37, 92f., 111, 113, 125, 185, 186615, 188, 190f., 195, 201, 210,
s. auch Krieg Gewalt, körperliche: s. Schändung Germanicus: 66 Gerontius: 183604 Gift, Tod durch: 2751, 31, 50, 76, 88, 164, 165545, 168, 190628, 194 Gordian I. (imp.): 166, 174584, 179 Gratian (imp.): 187f. Hasdrubalis uxor: 87f., 90, 111, 117 Heer: s. Soldaten Heraklit: 86 Hero (Mönch): 61f., 63187, 78 Hesychia: 201, 203 Hieronymus: 12, 15, 19, 52, 78254, 84f., 97, 110–113, 117, 124f., 133, 150, 160532, 175, 178 homicida/-ium: 9f., 11f., 50142, 50143, 52–54, 57167, 58173, 63, 96, 101, 114381, 114382, 115384, 136452, 141, 211685, 212, homicida sui / in se: 12, 124411, 212 Hungersuizid: 165, s. auch Askese, übertr. Igmazen (König d. Isaflenser): 183f. Ingenuus (Usurp.): 180598, 182603 Instrumentalisierung, literarische: 21, 29, 91, 105, 149, 151f., 163, 169, 179, 194, 197–199, 204, 207, 210–212. Iulian (imp.): 123406, 130428, 161–163, 165544, 179, 183606, 192 Iulianus (Usurp.): 182603 Iulius Alexander (Usurp.): 182603, 180598 Johannes Chrysostomos: 95299, 124410, 129626, 130–133, 135f., 150f. Judas: 1527, 43, 53f., 62f., 78, 151, 166, 174584, 200662 Jungfrauen, virginitas/-nes: Kap. III 2.2 (124–137), 52, 56f., 58, 60, 81, 111, 112, 117394, 119, 121400, 150f., 173, 201, 210f. Karthago: Konzil in 348: 74f., 138458, 150, Konferenz in 411: 140466, 142474, 144479 Keuschheit: s. pudicitia, Jungfrauen Kleanthes: 96302, 98308 Kleombrotus: 40f., 57, 96f., 102329 Krieg: Kap. III 4.2 (190–199), 87, 111, 178, 181, 187, 201f., 206f., s. auch Soldaten Laktanz: 19, 50f., 54, 57, 59, 78, 79, 85, 92, 94, 95299, 96f., 98308, 100f., 117, 158f., 160532, 163–165, 167f., 173, 179, 184610, 187, 209, 211 Lanuvium: 68206 Laetus: 184610 libertas: 29, 32f., 93293, 95299, 107349, 130429, 185f.
2. Personen-, Orts- und Sachindex Licinius (imp. 308–324): 165543, 168563 Limigates: 192 Lucretia: Kap. III 1.3 (105–116), 14, 53f., 83, 86, 94, 100, 104, 117f., 120399, 127419, 135, 136, 147494, 202, 210 Macht-/Druckmittel, Suizid als: 149, 151, 186 Macrobius: 31, 37f., 58, 200662 Magnentius: 174584, 180598, 182603, 183604, 184f., 199 magnitudo animi: 53, 58, 95, 96, 102f., 118 Maiozamalcha: 192 Malchus: 125f. Marc Aurel: 34, 88275, 122403, 123406, 162536, 165544, 179 Marculus: 75237, 137f., 148496 Marinus: 186 Markioniten: 48137 Martinus: 172547, 199–201, 207 Martyrium, Märtyrer: Kap. III 1.1 (85–94), Kap. III 2 (119–152), 15f., 45–52, 55, 56165, 57, 60f., 79, 84f., 95f., 109f., 117, 160, 197655, 209, ‚freiwillige/s‘ M.: Kap. III 2.1 (119–124), 16, 18f., 3485, 42116, 45–47, 50f., 75239, 88275, 91, 95299, 137456, 143–145, Definition u. Unterscheidung von Suizid: Kap. III 2.1 (119–124), 15f. 42–52, 55, 59, 60f., 74f., 81, 128, 140–142, 148–152, 210 Martyriumsdrang: s. Märtyrer, ‚freiwillige’, Todessuche, christliche Maximian (imp.): 1833, 69210, 120398, 165– 167, 168562, 180598, 182602, 182603, 183, 184610, 200662 Maximinus Daia (imp.): 164f., 168, 180598 Maximinus (praet praef. Valent I.): 189625, 193, 201 Maximinus Thrax (imp.): 179598 Maximus (Usurp. 383–388): 168, 175587, 187f. Mazuca: 185f. Milet/-ier: 193f., 198 Militär, milites: s. Soldaten militia Christi: 46, 85 Mönchtum, Mönche: 61, 63190, 125f. Montanisten: 46, 48137, 75, 80, 120398, 121402, 122403, 123405, 150 Mucius Scaevola: 86, 87273, 91f., 162 Nero (imp.): Kap. III 3.1 (154–161), 1210, 14, 153, 165543, 168, 178, 179, 181, 182602, 188 Neuplatonismus /-ker: Kap. II 2 (35–41), 19, 23, 31, 43, 48, 51, 54154, 58, 162536 Numantia/-tiner: 194f. oblatio: s. Bestattung, christlich
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Odrysae: 191 Olympiodor: 3692, 38–40 Opfertod: 60181, 85–88, 92f., 145, 161, 170f., 179, 190, 197, 199, 200662, s. auch: devotio, Martyrium, Soldaten Origines: 46, 123406 Orléans (Konzil 533): 76f., 200662 Palladius (tribunus): 188f. patientia: 87f., 91–93, 95, 115, impatientia: 1317, 68207, 69, 71, 103, 118 Paula: 97 Paulus (Apostel): 44f., 51, 58, 84, 135, 144478, 158, 160 Paulus (notarius): 199–201 Pelagia: 52148, 61183, 128–133, 135f., 148497, 150, 151, 171571, 173 Peregrinus: 86, 88 Perpetua: 61183, 120f., 130429, 171571 persecutio, (Christen-)Verfolgung: Kap. III 2 (119–152), Kap. III 3.2 (161–168), 46f., 49f., 50, 52, 55f., 60f., 81, 85, 88275, 92, 94, 99, 114381, 115, 158–160, 178–180, 187, 188, 197665, 199, 201f., 211 Cn. Piso: 65–67, 68 Platon, platonisch: 15, 24–26, 28, 2961, 30f., 33, 35–40, 41115, 44f., 48, 50f., 57–59, 68206, 79, 96f., 98308, 99315, 100f., 117, 162536, 163, 209 Plotin: 35–37, 3898, 38102, 39, 40 M. Porcius Cato: s. Cato Uticensis Porphyrios: 35, 37, 38102, 39, 58 Provokation: 49, 119–121, 138f. pudicitia, p. servata: Kap. III 1.3 (105–116), 32, 52f., 56, 85f., 97, 117, 124–137, 150, 152, 173, 202, 210, s. auch Askese, Jungfrauen pudor: 69, 71, 72222, 115383, 181, 205 Pythagoreer: 24f., 98308 Quintus: 46128, 121402 Razis: 42, 56165, 144f., 146f., 212686 M. Regulus: 86–88, 89281, 90–94, 103, 115, 197 Remigius: 188f. Rhetorische Funktion: s. Instrumentalisierung Romanus: 188f. Romanus v. Antiochia: 121401 Sagunt/-iner: 195–197 Sallust: 103f. Samson: 42, 55f., 134, 212686 Saul: 42116 Schändung: 52f., 58173, 86f., 105, 110, 112– 118, 124, 127f., 133–136, 201f., Lei-
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VI. Indices
chenschändung: 65, 182, 186 Schuld/-empfinden: 43118, 49, 53–55, 66, 68, 75f., 100323, 106, 108, 114, 116, 124411, 143, 147, 151, 189f., 197, 199, 201, 203, 205, 206, 210f. Schuldeingeständnis: 67–70, 76, 203672 Schulden: 69, 203–205, 206f. Schwert, Tod durch: 12, 42116, 50, 76, 77, 86, 90, 98, 100, 105–107 (Lucretia), 120, 125, 127, 129, 132, 159, 160, 161, 177592, 178, 196f., 199 Secunda: 137456 Seelengröße: s. magnitudo animi Selbstauslieferung: 46129, 47, 49, 61183, 103, 120f., 147, 165, 191633 Selbstverbrennung: s. Feuer Senatus consultum de Cn. Pisone: s. Piso Seneca: 1210, 13, 14, 24, 27f., 2961, 31–33, 44, 87273, 88277, 99, 113375 Septimius Severus (imp.): 184610 Severus (caes.): 165, 180598 Sklaven: 68206, 72–74, 75, 78 Sokrates: 1210, 18, 24–26, 2754, 30f., 33, 38, 95, 98f., 105, 162, 179 Soldaten: 71f., 74, 134, 190–192, 194643, 197– 199, s. auch Krieg Stoa, stoisch: 13, 24, 2647, 28–34, 36–40, 45124, 48, 74, 79, 97–102, 123406, 165544, 209f. Stoeni: 194f. Strick, Tod durch: s. Erhängen Sturz aus der Höhe: 12, 40, 52148, 61, 62185, 73, 75237, 76, 102329, 121401,126,128f., 131f., 137f., 148, 151, 191f. suicidium, Begriff: 11f., 63, 209 Suizid, Definition: 1527, 18f., 2646, 119, s. auch Martyrium, Definition Suizidandrohung: 139, 148496, 149, 151, 201667 Suizidmotive: 13, 17, 21f., 29, 34, 40, 43, 67–74, 77, 81, 88f., 90, 92, 94, 100f., 105, 110, 114–116, 163, 165544, 181, 188–192, 197, 201–207, 210–212, s. auch: ἀνάγκη, Anweisung, causa iusta, cupido, desperatio, devotio, Ehebruch, impatientia, Krieg, libertas, pudicitia,
pudor, Schulden, Vergeltung Suizidverbot: Philosophie: 25f., 31, 38–40, 57f., 79, 97, 117, 209, 211, Recht: 68f., 75, christlich: 20, 50f., 54, 56, 57f., 59, 64, 75, 77, 79f., 96f., 101, 117, 134444, 135, 173, 179, 209, 5. Gebot: 11, 49– 51, 54, 57, 59, 79, 209, s. auch Augustinus, Laktanz Tabenna, Nonnen: 125, 130428, 151, 203672 Tapferkeit: s. fortitudo Tertullian: 46, 84–92, 94–96, 99f., 109–111, 113, 115, 117f., 122, Theodosius, d.Ä.: 183f., 189623 Theodosius I. (imp.): 107, 168, 169565, 173577, 176–178, 187f. Theombrotus: s. Kleombrotus Todes-/Suizidarten: 13, 26, 42118, 77, 88–90, 100, 110, 127, 129, 133, 148, 151, 165547, 167, 177, 188f., 200, 203–206, 210–212, s. auch Erhängen, Feuer, Provokation, Hungersuizid, Gift, Schwert, Sturz, Wasser Todessuche/-sehnsucht, christliche: 43–48, 74, 79, 89, 122, 123, 139, s. auch Martyrium Toledo (Konzil 693): 77f., 80 Toleranzedikt: 167f. Usurpation/-oren: Kap. III 4.1 (181–190) Valentinian I. (imp.): 183, 193, 203 Valentinian II. (imp.): Kap. III 3.3 (168–179), 187 Valerian (imp.): 165543 Verfolgung: s. persecutio Vergeltung: 184f., 188, 206 Vergewaltigung: s. Schändung Vermögenskonfiskation: 105, 65–72, 144479, 205 Victoria: 137456 virginitas / virgines: s. Jungfrauen, pudicitia voluntas: s. Freiwilligkeit Wasser, Tod durch: 125, 128–130, 148, 151, 152303, 162, 187, 211 Zamri: 43117 Zenon: 24, 97, 105 Zwangslage: s. ἀνάγκη
Suizid ist ein anthropologisches Phäno men, mit dessen ethischer Bewertung sich die Menschheit in allen Zeiten aus einandersetzte. Die Spätantike gilt im all gemeinen als eine Wendezeit, in der die christliche Ablehnung der Selbsttötung eine gegenüber der klassischen Antike veränderte Haltung hervorbrachte, die besonders deutlich von Aurelius Augusti nus (354–430) formuliert wurde. Neben der Einordnung der augustinischen Suizid theorie in den Kontext ihrer Zeit und der
Gegenüberstellung anderer spätantiker Meinungen liegt der Schwerpunkt der Stu die vor allem auf der literarischen Darstel lung von Suizid: Zahlreiche Suizidschil derungen aus der lateinischen Literatur des 4. und 5. Jhs. werden vorgestellt und veranschaulichen ein überraschend hete rogenes Bild, das in weiten Teilen den Vor stellungen der klassischen Antike näher steht, als daß es auf die Stigmatisierung der Selbsttötung im Mittelalter und in der Neuzeit vorausweist.
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ISBN 978-3-515-09139-8